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Full text of "Jahresbericht über die Fortschritte der klassischen Altertumswissenschaft"

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JAHRESBERICHT 

über 

die  Eortschritte  der  classischen 

Alterthumswissenschaft 

begründet 

von 

Conrad   Bursian, 

herausgegeben 


Iwan  V.  Müller, 

ordentl.  öflfentl,  Professor  der  classischen  Philologie  an  der  Universität  München. 


p  !  - 
FüDfündsiebenzigster  Band. 

Einundzwanzigster  Jahrgang,    1893. 

Erste  Abtheilung. 

GRIECHISCHE  KLASSIKER. 


BERLIN  1894. 

VERLAG  VON  S.  CALVARY  &  Co. 
NW.,  Luisenstr.  31. 


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Inhalts-Yerzeichniss 

des  fünfundsiebenzigsten  Bandes. 


Bericht  über  die  im  Jahre  1891  und  der  ersten  Hälfte 
des  Jahres  1892  erschienene  Litteratur  zu  Aristoteles* 
'A9r)vai(ov  TToXiTsia.  Von  Prof.  Dr.  pliil.  gr.  Valerian 
von  Schöffer  in  Moskau 1—54 

Bericht  über  Aristoteles  und  die  ältesten  Akademiker  und 
Peripatetiker  für  1886—1891.  Von  Prof.  Dr.  Franz 
Susemihl  in  Greifswald 55  —  114 

Jahresbericht  über  die  griechischen  Lyriker  (mit  Ausschlufs 
Pindars),  sowie  über  die  Bukoliker  und  die  Anthologia 
Palatina  für  1888-1891.  Von  Prof.  Dr.  J.  Sitzler 
in  Baden-Baden 115-280 


Bericht  über  die  im  Jahre  1891  und  der  ersten 

Hälfte  des  Jahres  1892   erschienene  Litteratur 

zu  Aristoteles'  'Aßrj]>auo]^  Tolizeia. 

Von 
Prof.  Dr.  phil.  gr,  Valerian  von  Schöffer 

in  Moskau. 


Die  neuentdeckte  Schrift  vom  Staate  der  Athener,  welche  gemeinig- 
lich dem  Aristoteles  als  Verfasser  zugeschrieben  wird,  hat  eine  so  aus- 
gedehnte Litteratur  von  Ausgaben,  Aufsätzen,  Abhandlungen,  Einzel- 
bemerkungen ins  Leben  gerufen,  dass  es  wünschenswerth  erschien,  die- 
selbe in  einem  besonderen  Bericht  zusammenzustellen.  Diese  selbe  un- 
gemeine Regsamkeit  der  wissenschaftlichen  Forschung  erschwerte  dem 
Ref.  in  nicht  geringem  Maasse  seine  Arbeit:  obgleich  er  von  Anfang  an 
bemüht  war,  alles  irgendwie  wichtiges  Material  zu  sammeln  und  zu 
sichten,  ist  es  ihm  bei  der  grossen  Verstreuung  desselben  nicht  in  der 
ihm  wünschenswerthen  Vollständigkeit  gelungen.  Besonders  beklagt  er, 
dass  ihm  zwei  wissenschaftliche  französische  Zeitschriften  (Revue  de  Phi- 
lologie und  Revue  des  eludes  grecques)  nicht  zugänglich  waren;  weniger 
bei  weitem  zu  bedauern  ist  die  Unmöglichkeit,  alle  populären  Aufsätze 
zu  berücksichtigen,  welche  in  verschiedenen  nicht  fachwissenschaftlichen 
Journalen  fast  aller  Sprachen  erschienen  sind  —  für  Gelehrte  haben 
diese  nur  insofern  ein  gewisses  Interesse,  als  manche  von  ihnen  aus  der 
Feder  namhafter  Forscher  geflossen  sind  und  deren  Ansicht  über  Inhalt 
und  Werth  des  neuen  Fundes  darlegen. 

Nicht  wenig  erschwert  war  durch  den  Reichthum  an  Material  auch 
die  Disposition  desselben.  Am  praktischsten  ist  es  dem  Ref.  erschie- 
nen, zuerst  die  Ausgaben  und  Uebersetzungen  im  Allgemeinen  zu  be- 
sprechen. Darauf  folgen  die  Abhandlungen,  welche  den  Inhalt  des 
Werkes  und  dessen  Stellung  in  der  Litteratur  behandeln,  wobei  die 
populär  gehaltenen  abgesondert  an  die  Spitze  gestellt  sind,  und  die  wissen- 
schaftlichen zur  Vermeidung  von  Wiederholungen  nicht  einzeln  besprochen 

Jahresbericht  für  Alterthumswlssenschaft.     LXXV.  Bd.     (1893.  I.)  1 


2  Aristotclos,  yJi9)jva/wi'   nohTEia 

werden,  soi.dern  die  Ansichten  der  verschiedenen  Forscher  nach  gewissen 
Rubriken  (Autorschaft,  Abfassungszeit  u.  s.  w.)  zusammenfassend  darge- 
legt sind.  Weiter  werden  die  Aufsätze  besprochen,  welche  das  Facit 
für  verschiedene  Fragen  der  Geschichte  und  der  Verfassung  Athens  aus 
der  neuen  Schrift  zu  ziehen  suchen  und  zugleich  damit  ihr  zur  Erläute- 
rung dienen.  Aeusserst  kurz  ist  der  Abschnitt,  in  dem  über  die  Unter- 
suchungen zur  Sprache  und  Stil  referirt  wird,  da  diese  Seite  bis  jetzt 
wenig  Berücksichtigung  gefunden  hat.  Den  Schluss  bildet  eine  Zu- 
sammenstellung der  wichtigsten  zu  einzelnen  Stellen  gemachten  kritischen 
Bemerkungen  und  Yerbesserungsversuchen,  wobei  sowohl  die  Ausgaben, 
als  die  Einzeluotizen  berücksichtigt  sind.  Als  zeitlicher  Abschluss  ist 
vom  Ref.  etwa  Mitte  Juli  1892  festgesetzt  worden  und  die  Erscheinungen 
des  Juli -August  nur  ausnahmsweise  herangezogen,  wenn  sie  sich  leicht 
in  das  schon  zum  grössten  Theil  abgeschlossene  Manuscript  einfügen 
Hessen.  Citiert  ist  die  ^/Uhjvakov  TtoXizeia  nach  der  zweiten  Ausgabe  von 
Wilamowitz-Kaibel.  Wo  bei  den  Zeitschriften  kein  Datum  steht,  ist  der 
Jahrgang  1891  zu  verstehen. 

I.    Ausgaben  und  Uebersetzungeu. 

1.  'Aßr^vaciuv  TToXcreta.  Aristotle  on  the  Constitution  of  Athens  edited 
by  F.  G.  Kenyon,  assistant  in  the  department  of  manuscripts.  British 
Museum,  Printed  by  order  of  the  trustees  of  the  British  Museum. 
Oxford.     Clarendon  Press.     1891.     LH,  190  S. 

Recensionen:    Academy  No.  980  (F.  Richards).     D.  Litt.-Zeitg., 
No.  7   (H.  Diels).     Cent.-Bl.   No.  10  (Blass);    Rev.  Grit.   No.  10  (B. 
HaussouUier).     Rev.  de   l'instr.  publ.   belg.  No.  2;    Wochenschr.  für 
class.  Phil.  No.  14  (Schneider);  Berl.  phil.  Wochenschr.  No.  17  —  20 
(B.  Keil).    Journ.  des  Sav.  Avril  (Weil);  Mai  (Dareste).    Class.  Rev. 
V,  No.  4  (Newman).    Sat.  Rev.  No.  1847. 
Diese  Editio  princeps   der  /i^.  7:0?,.   hat  schon  jetzt  nur  noch 
historischen  Werth,  und  die  unzähligen  seit  ihrem  Erscheinen  gemachten 
Verbesserungen    des  Textes   verbieten    geradezu  ihre   Benutzung    selbst 
zum  Zwecke  cursorischen  Lesens.     Damit  soll  aber  keineswegs  das  Ver- 
dienst ihres  Herausgebers  (der  später  auch  seinerseits  viel  zur  Enienda- 
tion  beigetragen  bat)  geschmälert  werden,  wie  es  besonders  seitens  seiner 
Landsleute  vielfach  geschehen  ist,  während  die  ausländische  Kritik  bei 
weitem  gerechter  war  in  ihrem  Urtheil,  indem  sie  die  Schwierigkeit  der 
ersten  Lesung  eines  bei  weitem  nicht  schadlosen  Manuscripts  hervorhob 
und  mit  Dank  das  Verdienst  schneller  Veröffentlichung  anerkannte.    Nur 
die    massenhaft   vorkommenden   falschen   Accente  wären   wohl   ohne  viel 
Zeitverlust  zu  vermeiden   gewesen.     Die  Einleitung   ist,   sowohl  was   die 
Beschreibung   des  Manuscripts  mit   seinen  vier  Schreiberhänden  betrifft, 
als  auch  bei  der  Feststellung  der  Identität  der  Schrift  mit  der  14&.  rioX. 


I.    Ausgaben  und  Uebersetzungen.  3 

des  Aristoteles  klar  geschrieben  und  bündig  in  ihren  Schlüsse/),  während 
der  zweite  Tlieil  (Inhaltsangabe  des  Werkes)  nichts  besonderes  bietet. 
Die  Anmerkungen,  die  meist  nur  den  historischen  Werth  des  Inhaltes 
prüfen  und  häufig  Parallelstellen  aus  anderen  Autoren  anführen,  sind 
zwar  nicht  cinwandsfrei,  enthalten  aber  auch  keine  gröberen  Schnitzer 
oder  bedeutendere  Lücken;  die  sprachliche  Seite  dagegen  ist,  einige 
textkritische  Noten  abgerechnet,  so  gut  wie  garnicht  berücksichtigt  — 
dem  Herausgeher  ist  Geschichte  vertrauter  als  Philologie. 

2.  Dasselbe.    Zweite  Ausgabe. 

Rec:  Athenaeum,  No.  3310;  Gymnas.  No.  8  (P.  Meyer).  Woch. 
f.  class.  Phil.  No.  18  (Schneider).  Z.  f.  Österreich.  Gymn,  XLII,  No.  C 
(V.  Thumser).  Rev.  de  l'instr.  publ.  belg.  No.  4.  Amer.  Journ.  of 
Phil.  No.  45  (Gildersleeve).  Riv.  di  Filol.  XIX,  No.  10—12  (MüUer- 
Pais);  Museon  X,  4  (Francotte).  Listy  filolog.  XVIII,  3  (Kral). 
Diese  Ausgabe  ist  nur  eine  Wiederholung  der  ersten  mit  Korrektur 
der  Druckfehler,  besonders  der  falschen  Accente. 

3.  Aristotle  on  the  Constitution  of  Athens.  Facsimile  of  papyrus 
CXXXI  in  the  British  Museum.     22  plates  in  gr.-fol. 

Diese  phototypische  Wiedergabe  des  Papyrus  hat  sich  als  sehr 
nützlich  erwiesen,  da  auf  ihr  die  neueren  Ausgaben  des  Textes  gegrün- 
det sind,  kann  aber  wegen  des  unvermeidlichen  Mangels  an  Deutlichkeit, 
besonders  an  den  nicht  seltenen  Stellen,  wo  die  Handschrift  verscheuert 
ist,  das  Original  keineswegs  ersetzen,  wie  manche  meinten:  wo  das  Facsi- 
mile absolut  unleserliche  Stellen  bietet,  hat  oftmals  der  Papyrus  wenig- 
stens gewisse  Striche  erhalten,  welche  eine  Conjectur  empfehlen,  die 
andere  verbieten,  wie  dies  ausdrücklich  Kenyon  in  seiner  (dritten)  Aus- 
gabe betont.  Von  diesem  Facsimile  ist  noch  eine  zweite  Ausgabe  er- 
schienen, die  dem  Ref.  unzugänglich  war:  sie  soll  sich  nur  durch  eine 
richtigere  Anordnung  der  Fragmeute  der  vierten  Rolle  von  der  ersten 
unterscheiden. 

4.  C.  Ferrini,  'ABr^vatiuv  rMXczzca.  Aristotele,  la  costituzione  degli 
Ateniesi.  Testo  greco,  versione  italiana,  introduzione  e  note.  Mi- 
lane (Hoepli).     35  et  130  p.     8. 

Rec. :  Wochenschr.  f.  class.  Phil.  No.  40  (Schneider).    Academy 

No.  1003.     Class.  Rev.  V,  No.  10  (Richards).    Rev.  Grit.  1892  No.  10 

(Haussoullier).     Berl.  phil.  Woch.  1892  No.  20  (Keil). 

In  dieser  Ausgabe  des  Modeneser  Professors  der  Rechte  liegt  der 

Hauptwerth  in  der  üebersetzung  (über  diese  vgl.  unten),  aber  derselben 

ist  auf  nebenstehender  Seite  der  griechische  Text  hinzugefügt,   was  bei 

einem  dermassen  noch  nicht  völlig  constituirtem  Wortlaut,  wie  in  unserem 

Aristoteles,  sehr  nützlich  ist:  es  erspart  dem  Leser  die  Mühe,  sich  nach 

1* 


4  Arisfotoles,  ''Aßrivaiiuv  7ToXcTs(a. 

der  Uebersetzung  die  vou  dem  Verf.  recipierten  Emendationen,  Ergän- 
zuugeii  u.  s.  w.  zu  recoustruieren.  Was  den  Text  selbst  betrifft,  so  bat 
sich  der  Herausgeber  mit  einem  eclcctischen  Verfahren  begnügt,  wie 
man  es  von  einem  Nichtpliilologen  erwarten  musste.  Zu  Grunde  liegt 
die  zweite  Ausgabe  von  Kenyon,  aber  auch  die  kritischen  Beiträge  ver- 
schiedener englischer  Gelehrter,  van  licrwerden's  (in  d.  Berl.  phil.  Woch. 
No.  11)  und  besonders  diejenigen  von  ßlass  (im  Litt.  Centr.-Bl.  No.  10) 
haben  Berücksichtigung  gefunden  und  sind  vielfach  für  die  Konstituierung 
des  Textes  benutzt  worden.  Letzteres  ist  sogar  in  zu  ausgedehntem 
Maasse  geschehen,  wie  daraus  zu  ersehen  ist,  dass  z.  B.  in  Kap.  2  von 
den  vier  recipierten  Ergänzungen  von  Blass  zwei  von  ihm  selbst  in  seiner 
Ausgabe  aufgegeben  worden  sind.  Da  auch  diese  Emendationen  auf 
dem  zuerst  von  Kenyon  veröffentlichten  Texte  basieren  und  weder  das 
Facsimile  der  Plaudschrift  saramt  den  darauf  fussenden  Arbeiten,  noch 
die  verbesserten  Lesungen  Kenyon's  selbst  verwerthet  werden  konnten, 
so  ist  es  wohl  kein  Vorwurf  für  den  Verf.,  wenn  man  behauptet,  dass 
seine  Textrecension  dem  jetzigen  Stand  der  Forschung  keineswegs  mehr 
entspricht.  Die  Einleitung  bietet  nichts  bemerkenswürdiges:  nach  ein 
paar  kurzen  Worten  über  Manuscript,  Autor  (ohne  Zweifel  Aristoteles), 
Zeit  der  Abfassung  (nach  Torr  zwischen  328  —  25)  folgt  eine  ziemlich 
ausführliche  Inhaltsangabe  (20  S.),  welche  eigentlich  neben  der  Ueber- 
setzung  überflüssig  erscheint.  Die  Anmerkungen  enthalten  nichts  ge- 
radezu falsches,  sind  aber  wohl  zu  knapp  und  zu  elementarer  Art  be- 
sonders für  Leser,  bei  denen  Kenntniss  der  griechischen  Sprache  voraus- 
gesetzt wird,  andererseits  wird  manches  vermisst,  was  zu  sagen  wäre, 
besonders  seitens  eines  Professors  der  Rechte  —  hauptsächlich  erläutern 
sie  das  Verhältniss  zwischen  Original  und  Uebersetzung,  wenn  letztere 
abweicht,  oder  paraphrasieren  dieselbe,  wenn  sie  in  ihrer  Wörtlichkeit 
zu  Missverstäudnissen  Anlass  geben  könnte. 

5.  'ASrjVacwv  T.ohTSia  ixdtoojxivrj  im  r^  ßdasi  rr^g  osurd/jag  äyyXi- 
xr^:;  rou  Kzwwv  ixdoaeuiQ.  UfjordaaeTac  ecaayiuyrj  Imo  'A.  'Aya&ovcxou. 
Athen,  Bart  u.  Christ.     c\  56  p. 

Rec:  Berl.  phil.  Wochenschr.  1892,  No.  20  (Keil). 
Dem  Ref.  unzugänglich,  soll  aber  nur  eine  buchhändlerische  Speku- 
lation sein  ohne  jeglichen  selbständigen  Werth. 

G.  Aristotelis  TMliztia  'A&r^vauov.  Ediderunt  G.  Kai  bei  et  U.  de 
Wilamowitz-Moellendorff.     Berolini  (Weidmann).     XV,  100  p. 

Diese  erste  wirklich  wissenschaftlich -kritische  Ausgabe  ist  aufge- 
baut (abgesehen  von  der  cd.  princ)  auf  Grundlage  der  gemeinsam  von 
beiden  Gelehrten  ausgeführten  Lesung  des  Facsimile,  wobei  in  allen 
wichtigeren  Fällen  dieselbe  von  Kenyon  nach  dem  Originale  nachgeprüft 
worden   ist.     Daneben   sind  auch   die  Verbesscrungsvorschläge   der  ver- 


I.    Ansgüben  und  Ueber.'etzungen.  5 

schiedenen  Gelehrten  berücksichtigt  worden;  dass  die  Herausgeber  selbst 
das  meiste  in  dieser  Beziehung  beigesteuert  haben,  ist  eigentlich  über- 
flüssig zu  bemerken.  Die  Ausgabe  bietet  vor  allem  einen  möglichst 
emendirten  Text,  der  aber  im  allgemeinen  in  bestem  Sinne  konservativ 
gehalten  ist:  die  Originalhandschrift  wieder  herzustellen  war  das  Haupt- 
ziel der  Herausgeber,  die  nur  an  augenscheinlich  korrupten  Stellen  ihre 
oder  fremde  Verbesserungen  in  den  Text  aufgenommen,  noch  seltener  im 
Original  fehlende  Worte  ergänzt  und  nirgends  ein  athetiertes  völlig  weg- 
gelassen haben  —  alle  solche  Abweichungen  sind  durch  besondere  Klam- 
mern bezeichnet.  Unter  dem  Texte  befindet  sich  eine  äusserst  knapp 
gehaltene  annotatio  critica,  welche  fast  nur  die  Namen  der  Gelehrten 
"anführt,  deren  Lesungen  aufgenommen  sind  (nicht  gebilligte  Vorschläge 
sind  nicht  registriert);  daneben  sind  aufs  genaueste  die  vom  Texte  sich 
unterscheidenden  Worte  der  Handschrift  verzeichnet,  selbst  in  den  Fällen, 
wo  ein  augenscheinlicher  Schreibfehler  (z.  B.  Dittographie)  vorliegt.  Be- 
sonders angeführt  werden  die  testimonia  vett.,  meistens  Citate  der  Scho- 
liasten  und  Lexicographen  aus  unserer  Schrift;  diese  werden,  leider,  nur 
selten  ausgeschrieben,  wobei  das  leitende  Prinzip  der  Auswahl  im  unklaren 
bleibt;  an  manchen  Stellen  werden  diese  Testimonia  mit  Vorsicht  zur 
Verbesserung  des  Textes  verwendet  (z.  B.  S.  37,  Z.  19 — 20,  S.  54,  Z.  1, 
S.  56,  Z.  1,  15  —  16,  S.  60,  Z.  3.  11).  Gross  wie  überhaupt  um  die  Con- 
stituierung  des  Textes,  ist  der  Verdienst  der  Herausgeber  um  die  Wieder- 
herstellung der  verstümmelten  Fragmente  der  IV.  Rolle,  in  die  sie  zuerst 
theilweise  einen  Sinn  hineingebracht  haben.  In  der  Einleitung,  in  der 
sie  kurz  über  ihr  kritisches  Verfahren  Rechenschaft  ablegen,  suchen  sie 
auch  nachzuweisen,  dass  die  Handschrift  nur  von  zwei  Händen  geschrie- 
ben sei,  indem  die  Kenyon'sche  erste  mit  der  vierten  und  die  zweite  mit 
der  dritten  identisch  seien,  was  wohl  kaum  richtig  ist.  Zum  Schluss  ist 
die  unter  Herakleides  Namen  gehende  Epitome  und  die  Fragmente  der 
Politeia  abgedruckt,  welche  sich  in  unserem  Text  nicht  vorfinden.  Bei- 
gefügt ist  ein  Index  der  Eigennamen  und  der  technischen  (hauptsächlich 
Rechts-)  Ausdrücke. 

7.  De  republica  Atheniensium.  Aristotelis  qui  fertur  über  'A&u- 
vaiwv  (sie!)  TioliTEia.  Post  Kenyonem  ediderunt  H.  v.  Herwerden 
et  J.  v.  Lee u wen.    Lugd.  Batav.  XVI,  241  p.     8. 

Reo.:  Litt.  Centr.-Bl.  No.  52  (Blass).  Class.  Rev.  VI,  1-2  (H. 
Richards).  Berl.  phil.  Wochenschr.  1892,  No.  20  —  21  (Keil). 
Die  beiden  holländischen  Herausgeber  hatten  als  Grundlage  ihrer 
Recension  dieselben  Hülfsmittel,  wie  die  deutschen  —  'die  ed.  princ, 
das  Facsimile  und  die  Emendationsvorschläge  verschiedener  Gelehrter  — 
leider  aber  fehlten  ihnen  die  persönlichen  Mittheilungen  Kenyon's,  der 
allein  im  Stande  gewesen  wäre  ihre  Lesungen  nach  dem  Original  nach- 
zuprüfen:  dieser  Umstand  ist  für  ihre  Ausgabe  äusserst  verhängnissvoll 


n  Aristoteles,    'A'^rjvaiojv  T.oXnein. 

pewcsen,  besonders  bei  der  maasslosen  Conjectnrsucht  der  holläiidischcn 
riiilologen.  Die  Ausgabe  bestellt  aus  doppeltem  Text:  demjenigen,  wel- 
clicr  noch  auf  dem  Facsimile  zu  entziffern  ist  (genau  nach  den  Zeilen 
der  Handschrift  und  mit  Bezeichnung  der  fehlenden  Buchstaben),  und 
ihm  gegenüberstehend  dem  rekonstruierten  und  emendierten  der  Heraus- 
geber (ohne  jegliche  Klammern  und  ähnliche  Zeichen,  so  dass  eine  be- 
ständige Vergleichung  des  Contextes  sowie  der  Ann.  crit.  unumgänglich 
nothwendig  ist).  Unter  dem  Text  befinden  sich:  erstens  Bemerkungen 
über  einzelne  Buchstaben  und  Worte  der  Handschrift;  zweitens  eine  aus- 
führliche annotatio  critica  mit  genauer  Angabe  aller  bis  dahin  gemachter 
Verbesscrungsvorschläge  und  Conjecturen  (dazu  noch  briefliche  Mitthei- 
lungen Naber's).  Wenn  schon  hier  des  Guten  zuviel  gegeben  und  man- 
cher müssige  Einfall  ganz  unverdientermaassen  verewigt  worden  ist,  so 
steht  es  mit  dem  Texte  noch  viel  schlimmer.  Die  Herausgeber  erkennen 
nämlich  als  handschriftlich  gesichert  nur  das  an,  was  sie  selbst  (dazu 
nicht  immer  richtig)  im  Facsimile  gelesen  haben:  alles,  was  darüber 
hinaus  die  ed.  princ.  giebt,  behandeln  sie  als  blosse  Conjectur  Kenyon's, 
die  sie  nach  Belieben  entweder  billigen  oder  mit  einem  »falso  Kenyon« 
aus  der  Welt  schaffen.  Nun  ist  es  ja  nicht  zu  leugnen,  dass  Kenyon 
manches  verlesen,  manches  auch  falsch  ergänzt  hat  im  ersten  Anlauf, 
aber  noch  sicherer  ist  es,  dass  er  gegenüber  dem  Original  mehr  hat 
lesen  können,  als  das  Facsimile  bietet,  und  auch  nach  schwachen  Ueber- 
rcsten  von  Buchstaben  wenigstens  über  die  Zulässigkeit  oder  Unmöglich- 
keit gewisser  Conjecturen  bis  jetzt  allein  das  Urtheil  besitzt  —  wer  also 
seine  Behauptungen  leichten  Herzens  in  den  Wind  schlägt,  baut  ein  Ge- 
bäude nicht  auf  Stein,  sondern  auf  Sand.  Dazu  kommt  noch,  dass  die 
Herausgeber  auch  der  von  ihnen  anerkannten  hand*chriftlichcn  Ueber- 
liefcrung  gegenüber  sehr  willkürlich  verfahren,  unter  anderem  auch 
manchen  Satz  als  Interpolation  glatt  aus  dem  Texte  werfen  —  alles  dies 
ohne  das  geringste  kritische  Zeichen  und  in  den  Noten  fast  stets  auf 
Kenyon,  nicht  auf  das  Manuscript  verweisend.  Danach  kann  es  Einen 
nur  wundern,  dass  von  dem  echten,  unverfälschten  Aristoteles  immerhin 
noch  ziemlich  viel  im  Texte  übrig  geblieben  ist.  Mehr  Werth  als  die 
Ausgabe  selbst  besitzen  die  zwei  Anhänge:  erstens  die  Observationes 
palaeographicae  (mit  vier  lithographischen  Tafeln),  durch  welche  wenig- 
stens der  Unterschied  zwischen  der  sog.  ersten  und  vierten  Hand  (gegen 
Kaibel-Wilamowitz)  festgestellt  wird,  und  zweitens  die  doppelten  Indices, 
von  denen  der  Index  dictionis  ein  ziemlich  vollständiges,  sehr  sorgfältig 
zusamnicngcstelltes  Wortverzeichniss  bildet  (leider  sind  nicht  alle  Stellen 
angeführt),  wie  es  keine  andere  Ausgabe  besitzt  —  darin  und  theilweise 
in  der  Zusammenstellung  der  verschiedenen  Emendationen  (manche  sehr 
zerstreut),  sowie  in  einzelnen  werthvollen  Beiträgen  der  Herausgeber 
selbst  liegt  die  Hauptbedeutung  dieses  Werkes.  Die  Einleitung  bietet, 
einige  Nachfrage   zur  'Jcxtkiitik  abgerechnet,  nichts  bemcrkenswerthes: 


I.    Ausgaben  und  Uebersetzungen.  7 

in  Betreff  der  Autorschaft  des  Aristoteles   bekennen   sich  beide  Heraus- 
geber zur  Verneinung  derselben,  wie  schon  auf  dem  Titelblatt. 

8.  Aristotelis  ■n.ohzda  'Aßr^vaccuv.  iterura  ediderunt  G.  Kaibcl 
et  U.  de  Wilamowitz  -  Moellendorff.  Berolini  (Weidmann). 
XVI,  100  p. 

Rec:  Litt.-Zeit.  No.  45  (Gomperz).    Wochenschr.  für  class.  Phil. 

No.  50  (Schneider).    Rev.  des  et.  gr.  IV,  16  (Weil).    Litt.  Centr.-Bl. 

1892  No.  2  (il).     Class.  Rev.  VI,  1-2  (H.Richards).     Berl.  phil. 

Wochenschr.  1892,  No.  15  (F.  Cauer).     Zeitschr.  für  österr.  Gymn. 

XLIII,   4  (V.  Thumser).     Korresp.-Bl.  für  württ.  Schul.  No.  11—12 

(Miller). 
Diese  zweite  Ausgabe,  bei  welcher  schon  diejenige  von  Herwerden- 
Leeuwen  benutzt  werden  konnte,  ist  nach  denselben  Grundsätzen  veran- 
staltet wie  die  erste  und  zeigt  nur  wenige  Abweichungen  von  derselben. 
Es  erscheint  darum  nicht  unzweckmässig,  dieselben  hier  möglichst  voll- 
ständig zu  verzeichnen,  da  die  Herausgeber  dies,  leider,  nicht  gethan 
haben,  wobei  die  Ucbereinstimmung  mit  der  holländischen  Ausgabe  durch 
ein  H.-L.  bezeichnet  ist.  S.  2,  Z.  24  1.  Aufl.:  xi"^^"^  ~  2-  Aufl.:  XP^^H*- 
4  Z.  5:  i$£^ߣ:v  -  8is$s/Sstv.  7,  Z.  19:  xal  <£x)  zoÜtojv  —  xa:  tou- 
Twv.  1 ,  Z.  22:  i-Kotr^aa.v  (mscr.)  —  inotr^atv  (Hude,  H.-L.).  7,  Z.  25: 
■ntpl  -a>v  Evvia  dp^ovrcuv  —  in  der  2.  Aufl.  athetiert.  8,  Z.  4:  xa^earr^xua 
—  xadsarrjXuTa.  8,  Z.  24:  zftca  zaür'  (mscr.)  —  rpca  zdo'  (H.-L.).  9, 
Z.  28:  ....  Kjavcönoü  —  .  .  .  NflCOY  •  •  •  10,  Z.  6:  [[ek]]  zrjv  -  yj  zijv. 
11,  Z.  1:  rj^&ov  —  t  velut  o?  8'  i^'  afmayalaiv  iXnco^  rj^c^'  ^^/öv.  11, 
Z.  10:  zujv  .  .  .  (ov  —  zäjv  [ij7[vxpB](ov.  H,  Z.  13:  ä^ov^'kazov  (mscr.)  — 
d.^ovrilazoi\).  12,  Z.  22:  b^Hj^  (corr.  e  Plut.)  —  i^sthv  (mscr.  H.-L.). 
14,  Z.  21:  zszdpzüj  —  Scudexdzo)  (mscr.)  an  nd/iTTZüj?  14,  Z.  26:  xal 
yovaixa  —  xal  athetiert.  15,  Z.  5:  zfuzio  —  eßdofioj  (mscr).  15,  Z.  13: 
dvacu'jaaa&ai  —  dvaxzr](Taa&at  (corr.  Herw.).  19,  Z.  10:  zu)V  [kzipcuv]  — 
zwv  [aAAiuv]  (H.-L.).    20,  Z.  10:  Aaxedattxovog  (mscr.)  —   Aaxedatjiovfiov 

(H.-L.).     21  not.:   schol.  Arist.  Lys.  1153 'Ayx^l^okov  —  'Ay^tp-okov 

(sie  R.).  22,  Z.  7:  hlstcr&zvoug  fisz'  oh'yojv  —  KlsiaBivoog  (d(fix6iievog 
6  Khopivr^gy  ixez'  olqiuv  add.  ex  Herodot.  V,  70.  23,  Z.  16:  xa\  (yuv) 
xaXouaiv  —  xai  xa'Aooaiv.  24,  Z.  19:  (Tuvs^rj/idpzavov  iv  —  aovs^aiiapzd- 
vocev.  25,  Z.  13:  zszdpztp  {m^cr.)  —  zoczoj  {corr.  e  Plut.  Arist.  8).  26, 
z.  6:  o  /xkv  zä  no^s/xia  daxwv,  o  8k  zd  Truhztxd  8scvug  ehai  (ßoxojvy  — 
o  pev  zd  noliiua  8ox(jjv  (corr.  Richards,  Contus,  al.),  o  8k  zd  nohzixd 
8stvüg  ehai  (H.-L.).  27,  Z.  6:  [[xal]]  (ppoupoi  —  xat  cppoopol.  27,  Z.  7: 
iv  zfi  TTÖhc  —  iv  [[zfj]]  T.dXzi.  27,  Z.  20:  xa\  ooxwv  —  xal  athetiert. 
37,  Z.  12:  £Tci  8'  kßoö [i(p  (mscr.) //er«  t^v  zCov  zezpaxoaaov  xazdazaaiv 
(e  conject.) —  izat  8'  ixzoj  (corr.)  /xszd  z.  z.  zszp.  xazdluatv  (mscr.). 
41,  Z.  26:  rtpiv  rj  llauaaviav  [[t']]  d^cxdaßac  8:en£/x7:ovzd  (^za)  —  npcv 
ze  (corr.  Richards)  Uaucavcav  [[z']]  d^cxiado.i  Slzt.eiitmvzo  (H.-L.).     44, 


8  Aristoteles,  \i'9r}vaiwi'  noXtreca. 

Z.  17:    rj  xarätTzaacg  —  (^]  •'f-     46,    Z.  23;    xazana.Xrr^v    --    xaraneArr^v 
(mscr.).      56,   Z.   15:    zobg    dna-jrofxivoug    xlzTzzag   —    rohg  dr^ayop-ivoug 
{xaxoupYoug    roüg    t£>   xUnzag  (cfr.   Et.  M.)-     55,  Z.  11    et    62,  Z.  19: 
oueTv  (mscr.)  —  SuoTv  (H.-L.).    57,  Z.  11:  nzpttuvzsg  —  TisptuvTeg  (mscr. 
cfr.  Hyperid.  I,   13,  6;   II,  2,  12).     66,   1:    dyiüva   tuv  emTd<ptov   xac  — 
dywva  tuv  irurdifiov ,  xac.     67,  Z.  20:    auXXiySTai  Sk  tu  iXaiov  —   ru  ok 
iXatov   avXXeysrac  corr.  Hicks.     68,   Z.  22:    aurotg   eiadyzc  —   [[ay-wr^]] 
siadyet.    In  einem  Addendum  werden  noch  fünf  Lesungen  von  Blass  ver- 
zeichnet, von  denen  zwei  gebilligt  werden:   S.  47,  Z.  8  st.  7va  [xtj  r.ady- 
jiaai  <Toyytv(uvrai  —  7va  jxtj  -npöipaaig  fj  rou  dmsvac   und  S.  11,  Z.  13   st. 
ecvex'  d^ovrjXuTov  —  ouvexa  ^uvijyayov  (cum  specie  veri);   drei  (zu  S.  9, 
Z.  7;  19,  Z.  4;  21,  Z.  17)  werden  abgewiesen.  —  Danach  kann  man  wohl 
sagen,    dafs    diese   Ausgabe    sich    der    handschriftlichen    Ueberlieferung 
gegenüber  ebenso  konservativ,  ja  fast  noch  mehr,  als  die  erste  verhält 
und  im  allgemeinen  muss  sie  trotz  der  anspruchslosen  Form,  in  der  sie 
auftritt,    als   die  bis  jetzt  mustergültigste   und  werthvoUste  (neben    der 
nächstfolgenden)  bezeichnet  werden.    Der  einzige  bedeutendere  Einwand, 
der  sich  gegen  sie  erheben  lässt,  muss  sich  gegen  die  zu  beliebte  An- 
nahme grösserer  Lücken  im  Text  richten:    so   in  Kap.  XXI,  1  mit  Ver- 
weisung auf  Aristot.  Pol.  p.  1275  b  36  (Aufnahme  vieler  Metöken  in  den 
Bürgerverband);   in  Kap.  XXIV,  2,   wo  »dictum   erat  de  cleruchis«  ;    in 
Kap.  XXV  gegen  Ende  soll  ausgefallen  sein  der  Bericht  über  den  Aus- 
gang   des  Themistokles;    am   Schluss    des   Kap.  LX    »interciderunt  ma- 
gistratus   crcati   in   quadrienniumo.     Gefährlich  ist  es  überhaupt,    einem 
antiken  Schriftsteller  vorzuschreiben,  was  er  hätte  erwähnen  müssen,  denn 
wie  oft  suchen  wir  auch  in  einem  modernen  Buche  die  sicher  erwartete 
Belehrung   über  einen  gewissen  Punkt  vergebens  —  wie  nahe  liegt  der 
weitere  Schluss:  »dies  oder  jenes  hätte  Aristoteles  erwähnen  müssen,   da 
es  nicht  erwähnt  ist,  so  ist  der  Autor  nicht  Aristoteles«.     Aber  tnollio- 
disch   ist  es  noch  weniger  berechtigt,  die  vermissten  Ausführungen  nun 
so  zu  sagen  in  den  Text  hineinzuinterpolieren  durch  Annahme  von  Lücken 
an  Stellen,  wo  der  Zusammenhang  fehlerlos  ist.     Auch  gegen  ein  Paar 
der  grösseren  Athetesen  in  der  Ausgabe  Hessen  sich  Einwände  erheben : 
so   kann  z.  B.  die  am   Schluss  des  Kap.  LIX  verfügte  kaum   durch    die 
Wiederholung  desselben  Satzes  im  Anfang  von  Kap.  LXIII  bewiesen  wer- 
den. —  Die  von  den  Herausgebern  schon  in  der  ersten  AuHage  versproche- 
nen kritischen  Beiträge  sind,  leider,  bis  jetzt  noch  nicht  erschienen. 

9.  ' Adr^vaiuiv  rroXirtt'a.    Aristotle  on  the  Constitution  of  Athens  cdited 

by  F.  G.  Kenyon.    Third  and  revised  edition.    Printed  by  arder  of  the 

trustees  of  the  British  Museum.    Clarendon  Press.    1892.    LXVIII,  229  p. 

Reo.:  Class.  Rev.  VI,  7  (Richards).     Academy,  No.  1050- 

Diese   dritte  Auflage  ist  eine  von  Grund  aus  verbesserte:   erstens 

hat  der  Herausgeber  das  Manuscript  von  neuem   auf's  genaueste  studiert 


I.    Ausgaben  und  üebersptzungen.  9 

mit  Benutzung  der  von  den  deutschen  und  liolländischen  Gelehrten  aus- 
geführten Durcharbeitung  des  Facsimile  und  der  von  denselben  vorge- 
schlagenen Lesungen;  zweitens  hat  er  senie  eigenen  Ergänzungen  der 
unleserlichen  Stellen  (von  denen  viele  sehr  übereilt  waren)  mit  scharfer 
Kritik  gesichtet  und  gebessert;  drittens  sind  die  so  zahlreichen  Beiträge 
verschiedener  Gelehrter  (vgl.  die  Litteraturangaben  in  der  Einleitung) 
gebührend  berücksichtigt  worden,  sowohl  für  den  Text,  als  für  den  Cora- 
meutar.  Auch  äusserlich  hat  die  Ausgabe  gewonnen  dadurch,  dass  die 
textkritischen  von  den  exegetischen  Bemerkungen  getrennt  worden  sind. 
Erstere  enthalten  ausser  Notizen  über  handschriftliche  Lesung  auch  ein 
vollständiges  Verzeichniss  der  abweichenden  Lesarten  in  den  Ausgaben 
von  Kaibel-Wilamowitz  und  von  Herwerden-Leeuwen,  daneben  nicht  durch- 
gehend, aber  ziemlich  häufig  Angaben  über  die  wichtigsten  Conjecturcn 
anderer  Gelehrter,  vorwiegend  der  englischen  und  von  Blass.  In  diesen 
Anmerkungen  liegt  fast  der  Hauptwerth  der  Ausgabe,  da  bis  jetzt  Kenyon, 
wie  schon  gesagt,  der  einzige  ist,  welcher  die  Möglichkeit  hatte,  die  vor- 
geschlagenen Conjecturen  an  dem  Manuscript  zu  prüfen  und  zu  ent- 
scheiden, ob  sie  den  etwaigen  Buchstabenspuren,  Lücken  u.  s.  w.  ent- 
sprechen. Dies  kommt  auch  dem  von  ihm  construierten  Texte  zu  Gute, 
der  äusserst  konservativ  gehalten  ist  (noch  mehr,  als  der  von  K.-W.),  in 
manchen  Fällen  wohl  zu  konservativ,  so  dass  auch  unzweifelhaft  fehler- 
hafte Lesarten  beibehalten  sind,  wie  z.B.  Kap.  40,  3:  oc  OYjjioxprxzrjaavreg^ 
Kap.  42,  3:  /erporovsT  o!oa(Txd}.oug  oTzcvsg  dtoäcrxoixTtv,  Kap.  54,  7:  ouds- 
jxta  iv  T(p  aoTM  kyylyvs.-m  u.  and.  Auch  die  vom  Herausgeber  vorge- 
schlagenen Ergänzungen  sind  nicht  immer  stichhaltig,  aber  in  dieser  Be- 
ziehung hat  er  sich  vielfach  von  der  Kritik  belehren  lassen,  so  dass  die 
wichtigsten  Anstösse  der  ersten  Ausgabe  verschwunden  sind.  Manche 
Ergänzungen  und  Verbesserungen  hat  auch  der  exegetische  Commentar 
erfahren:  etwas  über  60  Anmerkungen  sind  neu  hinzugekommen,  viele 
sind  erweitert  oder  stark  umgearbeitet  worden,  die  neuere  Litteraiur  ist 
überall  ausgenutzt;  aber  Bemerkungen  über  Sprachgebrauch  u.  dergl. 
fehlen  auch  jetzt  fast  vollständig  und  spärlich  sind  die  Verweisungen 
auf  Meisterhans'  Grammatik  der  attischen  Inschriften  —  das  einzige 
citierte  grammatische  Werk.  Die  Fragmente  erscheinen  auch  in  viel  les- 
barerer Form,  Dank  den  Arbeiten  von  Wilamowitz,  HaussouUier,  Sandys. 
Neu  hinzugekommen  ist  eine  kurze  Beschreibung  und  Transscription  des 
Midiana-Commentars,  welcher  die  Handschrift  der  Ab.  rutl.  unterbricht. 
In  der  Einleitung  ist  nichts  wesentliches  hinzugefügt  worden,  erwähnt 
muss  aber  werden ,  dass  der  Herausgeber  erfreulicher  Weise  gegenüber 
den  vielfach  (und  besonders  gerade  von  seinen  Landsleuten)  geäusserten 
Zweifeln  an  dem  aristotelischen  Ursprung  der  Schrift  festhält,  ebenso 
wie  er  (gegen  K.-W.)  die  Unterscheidung  der  vier  Hände  im  Manuscript 
vertheidigt.  Den  Schluss  bildet,  wie  in  der  ersten  Auflage,  ein  Verzeich- 
niss   der   früher  bekannten  Fragmente  mit  Hinweis   auf  die  Stelleu    der 


]0  Aristoteles,  \i>9r]va''o)v  noXirsia. 

Schrift,  wo  sie  sich  hefinden,  und  ein  Index  nominum  et  rcrnni,  welcher 
auch  vervollständigt  ist  (z.  B.  sind  die  Demennamcn  neu  hinzugekommen). 
Trotz  mancher  Mängel  ist  die  Ausgabe  unentbehrlich  als  genaueste  Re- 
production  dessen,  was  in  der  Handschrift  wirklich  zu  lesen  ist  und  wird 
wohl  (von  Einzelheiten  abgesehen)  diese  Bedeutung  stets  behalten;  auch 
der  exegetische  Commentar  wird  von  bleibendem  Werth  sein,  bis  jetzt 
ist  er  der  einzige. 

10.    Aristotclis   rMhrda  "Ai^r^\>a''Lt)v  cdidil  Fridericus  Blass.     Bibl. 
Teubuer.     1892.     XXVIII,  118  S. 

In  der  Einleitung  nach. kurzen  Bemerkungen  über  die  Handschrift 
(in  der  er  auch  vier  Hände  anerkennt)  entwickelt  der  Herausgeber  ein 
ziemlich  compliciertes  Compositionssystem,  welches  er  meint  in  der  Schrift 
entdeckt  zu  haben:  dieses  System  beruht  auf  dei-  consequent  durchge- 
führten Responsion  in  dem  metrischen  Aufbau  der  verschiedenen  Satz- 
theile.  Als  Beispiel  seiner  Ausführungen  mag  folgendes  Bruchstück 
dienen.  »Quis  non  libenter  numerum  agnoscet  in  bis  (c.  XXXIV,  extr.): 
Auaf'mipou  ok  r,poaHeiJ.ivoo  zoTg  dhyap^ixcng  \  {xazanXaydQ  o  drj/wg) 
ijvayy.dadr^  ^etpuzoveTv  t^v  uhyap-)(^trj.v'i  Tamen  brcvi  syllabae  prioris  mem- 
bri  rik  respondet  longa  alterius  r7»9;y,  cum  cetera  accurate  sint  exaecjuata: 

c_^w__^w_w_.  •  .  sed  etiam  xazar.'KayEiq  o  orj^jiog)  par  est  autc- 

cedenti  clausulae  zoTg  ohyapy.xoTg,  nisi  quod  tribrachys  pro  dactylo  sive 
paeon  quartus  pro  choriambo  positus  est.  Et  hoc  ttjv  oXiyap-/tav,  quac 
est  alterius  merabri  clausula,  excipitur  insequentis  principio  {s)ypa(l's  ok 
zn  i}'rj<f'.{apa)  ^  ut  iambo  respondeat  spondeus  etc.  etc.«  Dass  eine  ge- 
wisse Responsion  vorhanden  sein  mag,  will  Ref.  nicht  leugnen,  aber  ganz 
entsprechendes  kann  man  bei  jedem  guten  Prosa-Schriftsteller  unserer 
Zeit  entdecken,  ohne  dass  betreffende  Erscheinung  beabsichtigt  oder 
künstlich  erstrebt  sei:  jeder  modelt  eben  seine  Sätze  so  lange  um,  bis 
sie  ihm  angenehm  in's  Olir  klingen,  was  eben  auf  dem  metrischen  Auf- 
bau zum  grössten  Theil  wenigstens  beruht  —  Silben  gezählt  hat  wohl 
kein  Prosaschriftsteller  von  dem  Geiste  eines  Aristoteles.  Mag  man  über 
das  Prinzip  des  Verf.  denken  wie  man  will,  jedenfalls  ist  es  gewagt  (wie 
er  CS  thut),  über  die  Zulässigkcit  einer  lOrgänzung  oder  Emendation  im 
Text  zu  urtheilen  nach  dem  metrischen  Schema  —  gewagt,  da  auch  er 
ja  überall  überzählige  Silben  und  »freiere«  Responsionen  (lambus  =  Spon- 
deus, Dactylus  =  Tribrachys)  annehmen  muss,  also  auch  bei  etwaigen 
Textvcrbesscrnngcn  solche  Ausnahmen  gelten  lassen  dürfte.  Sonst  ist 
die  Ausgabe  im  grossen  und  ganzen  nach  denselben  Prinzipien  wie  die 
zwei  vorhergehenden  gestaltet  und  der  Text  ziemlich  konservativ  gehalten: 
abgesehen  von  einigen  eigenen  Conjecturen,  deren  Zahl  sich  aber  im 
Vergleich  mit  den  jm  Litt.  C-Bl.  1891 ,  No.  10  veröftentlichtcn  bedeu- 
tend verringert  hat,  ist  der  Herausgeber  äusserst  sparsam  in  der  Auf- 
nahme von  Emcndationen   gewesen,  so  dass  ganze  Seiten  lang  sich  der 


1.    Ausgaben  und  Ucborsetziingon.  H 

Text  nicht  wesentlich  von  Keuyons  und  K.-W.  unterscheidet.  In  einer 
Beziehung  verfährt  ßlass  noch  vorsichtiger  als  die  eben  genannten:  von 
den  im  Mscr.  unleserlichen  Stellen  lässt  er  viel  mehr  unergäuzte  als 
Lücken  im  Text.  Unter  dem  Texte  befinden  sich  wie  bei  K.-W.  die 
Testimonia  veterum  und  eine  Auswahl  von  Variae  Lectiones,  die  aber 
weit  vollständiger  ist:  nicht  nur  sind  die  Lesarten  der  Handschrift  bei 
jeder  Abweichung  genau  angegeben,  sondern  auch  diejenigen  der  Aus- 
gaben von  Kaibel-Wilamowitz,  Herwerdeu-Leeuwen,  Kenyon  (l.  und  3.) 
werden  durchgehends,  von  den  Vorschlägen  anderer  Gelehrter  die  an- 
sprechendsten mitgetheilt.  Auch  die  Fragmente  sind  mit  Benutzung 
fremder  Beiträge,  aber  nicht  ohne  selbständige  Kritik  bearbeitet.  Der 
Index  (nominum  et  rerum)  ist  ausführlicher  als  diejenigen  der  zwei  zu- 
letzt genannten  Ausgaben:  unter  Buchstabe  A  z.  B.  zählt  der  von  Keuyons 
nur  50,  der  von  K  -W.  64  Stichwörter  gegenüber  den  76  bei  Blass.  Die 
Ausgabe  muss  im  allgemeinen  als  sehr  nützlich  und  wegen  des  reichen 
kritischen  Apparates  für  den  selbständigen  Forscher  als  kaum  entbehr- 
lich bezeichnet  werden. 


11.    Aristoteles'  Schrift    vom  Staatswesen  der  Athener,  verdeutscht 
von  G.  Kai  bei  und  A.  Kiessling.    Strassburg,  Trübner.     (6.  März.) 

IIa.    Dasselbe.     Zweite  verbesserte   Auflage.     Drittes  Tausend 
(26.  April).     109  S. 

Rec:  1.  Aufl.:  Woch.  f.  class.  Phil.  No.  17  (Schneider).  D.  Litt.- 
Zeitg.  No.  24  (Gomperz).  Rev.  crit.  No.  18  (Haussoullier).  —  2.  Aufl.: 
Berl.  phil.  Woch.  No.  38  (^).  N.  phil.  Rundschau  No.  17  (P.  Meyer). 
Zeitschr.  f.  österr.  Gymn.  XLII,  6  (Thumser).  D.  Litt.-Zeitg.  No.  40 
(Gomperz).  Woch.  f.  class.  Phil.  No.  40  (Schneider).  L.  Ccntr.-Bl. 
No.  42  (ß).  Centralorg.  für  Realsch.  XIX,  11.  Class.  Rev.  V,  10 
(H.  Richards). 

Die  erste  Auflage  dieser  Uebersetzung  war  so  schnell  vergriÖ'cn, 
dafs  es  dem  Ref.  unmöglich  war  sich  in  Besitz  derselben  zu  setzen.  Die 
zweite  ist  wirklich  eine  stark  verbesserte,  da  sie  auf  Grund  der  Lesung 
des  Facsimile  durch  Kaibel-Wilamowitz  entstanden  ist  und  sich  demnach 
zur  ersten  ungefähr  so  verhalten  muss,  wie  die  Ausgabe  der  genannten 
zu  der  Kenyon'schen.  Für  die  weiteren  Kreise  der  Gebildeten  bestimmt, 
darf  diese  üebertragung  wohl  als  ein  Meisterwerk  bezeichnet  werden: 
sie  ist  fliessend  und  klar,  liest  sich  angenehm  und  leicht;  man  fühlt 
nichts  vom  Zwange  einer  Uebersetzung  aus  fremder  Sprache,  auch  nicht 
in  den  schwungvollen  Versen,  die  Solon's  Gedichte  wiedergeben  —  es 
ist  eben  eine  »Verdeutschung«,  wie  es  die  Herausgeber  bezeichnen,  keine 
»Uebersetzung«.  Es  wird  aber  dabei  mit  dem  griechischen  Text  ziem- 
lich frei  verfahren,  so  dass  es  an  manchen  Stellen  zweifelhaft  sein  kann, 


12  Aristoteles,  %^vaiw.v  nokaeia. 

welche  Rekonstniktioi]  desselben  zu  Grunde  gelebt  ist,  an  anderen  zwei- 
fellos mehr  hineingelegt  ist,  als  das  Original  enthielt.  So  ist  gleich  im 
ersten  Kapitel  in  dem  Satze:  »Die  Angeklagten  wurden  schuldig  befun- 
den und  sie  und  ihr  ganzes  Geschlecht  zu  lebenslänglicher  Verbannung 
verurtheilt,  selbst  die  Leichen  derer,  die  im  Kampfe  gefallen  waren, 
wurden  ans  den  Gräbern  gerissen«,  nicht  nur  die  Reihenfolge  der  Haupt- 
sätze vertauscht,  nicht  nur  die  Worte  »sie  und  .  .  .  ganzes«  frei  hinzu- 
geftigt,  sondern  auch  zu  dem  Wort  »die  Leichen«  (Uebersetzung  des 
Kenyon'schen  o'i  vexpot)  ein  ganz  aus  der  Luft  gegriffener,  ja  absolut 
falscher  Zusatz  gemacht:  denn  die  im  Kamj)fe  mit  den  Kyloniern  ge- 
fallenen (wenn  es  überhaupt  -solche  gab)  hatten  an  der  Befleckung  gar 
keinen  Antheil,  die  ja  erst  nach  der  Ergebung  der  Belagerten  stattfand. 
Auch  die  übertriebene  Sucht  griechische  Bezeichnungen  zu  »verdeutschen«, 
führt  zu  einigen  Unzulänglichkeiten:  etwas  seltsam  nehmen  sich  doch  die 
»Grundbesitzer«  {aypotxm)  neben  den  »Eupatriden«  aus  —  waren  denn 
die  letzteren  dies  nicht  auch?  und  was  soll  man  nun  gar  mit  den  »Zünften 
der  Demiurgen«  anfangen?  Diese  kleinen  Einwände  sollen  den  unzweifel- 
haften Werth  des  schönen  Werkchens  nicht  herabsetzen,  das  noch  ganz 
den  Enthusiasmus  der  ersten  Zeit  nach  Aufersteliung  des  Todtgeglaubten 
athmet,  ehe  sich  noch  das  philologische  Secirmesser  an  ihn  gemacht  hat. 
Einleitung,  Anmerkungen  fehlen  vollständig. 

12.    Aristoteles'  Staat  der  Atiicncr.    Uebersetzt  von  Dr.  F.  Pol  and 
(Langenscheid'sche  Bibliothek,  Lief.  Y8— 79).    XII,  114  S. 

Rec:  D.  Litt.  Zeitg.  No.  40  (Gomperz).  Woch.  für  class.  Phil. 
No.  50  (Schneider).  Neue  phil.  Rundschau  1892,  No.  2  (P.  Meyer). 
Litt.  C.'Bl.  1892,  No.  7  {kX.).    Rev.  crit.  1892,  No.  10  (Haussoullier). 

Diese  Uebersetzung  ist  von  ganz  anderem  Standpunkt,  als  die  vor- 
hergehende, abgefasst  und  hat  grösseren  Anspruch  auf  wissenschaftlichen 
Werth.  Abgesehen  von  dem  Bestreben  bei  ansprechender  Form  dem 
griechischen  Text  so  nahe  wie  möglich  zu  kommen,  was  dem  Uebersetzer 
ganz  vorzüglich  gelungen  ist,  hat  er  die  kritisch  zweifelhaften  Stelleu, 
die  Ergänzungen  und  Emendafionen  sowohl  im  Text  durch  (eckige  und 
runde)  Klammern  bezeichnet,  als  in  den  Anmerkungen  durch  Hinzufügung 
der  griechischen  Worte,  welche  zu  Grunde  gelegt  sind,  dem  Leser  die 
Mühe  des  Rathens  erspart;  dabei  werden  die  Namen  der  Gelehrten, 
welche  eine  gewisse  Lesung  vorgeschlagen,  regelmässig  genannt;  ganz 
verdorbene  Stellen  sind  nicht  dem  muthmasslichen  Sinne  entsprechend 
ergänzt,  sondern  mit  Punkten  bezeichnet.  Wenn  in  Folge  dieses  kriti- 
schen Verfahrens  die  Uebersetzung  auch  nicht  eine  so  genussreiche  Lee- 
türe bildet  wie  diejenige  von  Kaibel-Kiessling,  so  kann  man  keineswegs 
sagen,  dass  sie  zum  Lesen  etwa  wenig  geniessbar  sei:  sie  ist  trocken, 
aber  eben  dadurch  giebt  sie  den  Stil  des  nüchternen  Verfassers  getreuer 
wieder.     Eigentliche  Fehler   wird  man  in  der  vorzüglichen  Uebersetzung 


I.    Ausgaben  und  üebersetzungen.  13 

Dicht  finden,  wohl  aber  eine  bedeutende  Anzahl  falscher  Lesarten,  da 
sie,  leider,  nur  nach  der  ersten  Ausgabe  Kenyon's  veranstaltet  ist  —  zu 
wünschen  wäre,  dass  sie  eine  zweite  Auflage  erführe.  Eine  dankens- 
werthe  Beigabe  sind  die  zahlreichen  knappen  Anmerkungen ,  welche 
ausser  den  schon  erwähnten  kritischen  Notizen  kurze  sachliche  Erläute- 
rungen (über  geschichtliche  Persönlichkeiten  und  Ereignisse ,  über  die 
muthmasslichen  chronologischen  Daten,  über  Rechtsausdrücke  u.  s.  w.) 
enthalten.  In  der  Einleitung  spricht  der  Uebersetzer  kurz  über  Schrift 
und  Verfasser  derselben. 

13.  Der  Athenerstaat.  Eine  aristotelische  Schrift.  Uebersetzt  von 
Dr.  Martin  Erdmann.  Leipzig,  A.  Neuraann's  Verlag.  1892.  118  S. 
Rec:  Litt.  C.-Bl.  1892,  No.  31  (Ä.  H.). 

Diese  neueste  Uebersetzung  der  Schrift  ist  auf  besserer  Textredac- 
tion  gegründet,  als  ihre  Vorgänger,  da  bei  ihrer  Abfassung  die  schon 
erschienenen  Ausgaben  von  Kaibel-Wilaraowitz  und  Herwerden-Leeuwen 
benutzt  werden  konnten,  und  dieses  bildet  einen  Vorzug  derselben.  Sonst 
kann  sie  sich  nicht  nur  an  Eleganz  mit  der  Uebersetzung  von  Kaibel- 
Kiessling,  sondern  auch  an  Glätte  mit  derjenigen  von  Poland  keineswegs 
messen  —  zwar  soll  dieser  Uebelstand  durch  den  Vorzug  grösserer  Treue 
aufgewogen  werden,  aber  auch  diese  ist  nicht  über  jeden  Zweifel  erhaben: 
z.  B.  die  durchaus  nicht  bedeutungslosen  Worte  r,ptaßo~dxr^v  eaupüjv 
yaTav  'laovüig  sind  wiedergegeben  durch  »Seh'  ich  versunken  in  Not 
Attika's  herrliche  Flur«  (K.-K.:  Schau'  ich,  edelster  Zweig  ionischen 
Stammes,  auf  dich«;  F.:  Schau  ich  das  edelste  Volk  loniens  in  seiner 
Not«).  Auch  an  einzelnen  Irrthümern  fehlt  es  nicht.  So  z.  B.  in  Kap.  30: 
»Zu  diesen  (d.  h.  den  Ueberdreissigjährigen)  gehörten  die  Feldherren, 

die  neun  Archonten Helleuotamiai  und  Verwalter  für  die  anderen 

heiligen   Gelder,  zwanzig   an  Zahl Alle  diese  Beamten  werden 

auf  Vorschlag  gewählt«  --  richtig  ist  die  Stelle  übertragen  bei  K.-K.: 
Aus  dem  Rathe  zu  wählen  sind  (dem  Texte  näher  bei  F.:  »Zu  ihnen 
—  den   vierhundert  Rathsmännern   —  sollen   gehören«)   die  Feldherren, 

die  neun  Archonten die  Schatzmeister  der  Bundeskasse  und   die 

zwanzig,  welche  in  Zukunft  die  übrigen  Staatskassen   zu  verwalten 

haben Alle  diese  Beamten   sind  aus  einer  grösseren  zu   diesem 

Zwecke  aus  der  Mitte  der  Rathsherren  praesentierten  Anzahl  zu 
wählen.«  Das  Wort  oaca  ist  ebenso  missverstanden  worden  in  Kap.  43, 
wo  Tpi'a  8'  baciuv  mit  »drei  religiöse  Dinge«  übersetzt  ist,  obgleich 
»drei  sacrale  Angelegenheiten«  unmittelbar  schon  vorhergehen.  Ungenau 
und  irreführend  ist  auch  z.  B.  die  Uebersetzung  von  dpcaztvdrjv  xal 
■nXoo-tvSrjV  durch  »nach  Rang  und  Reichtum«  —  als  ob  je  adliger  oder 
reicher  ein  Mann  war,  er  desto  mehr  gesetzliche  Rechte  auf  ein  Amt 
besass  gegenüber  seinen  minder  bevorzugten  Mitbewerbern;  besonders 
seltsam    erscheint   diese  Wiedergabe   in    dem  Anfangssatze:    »die  nach 


14  Aristoteles,  ^A&Tjvaiiov  r.olneia. 

Raag  und  Herkunft  unter  feierlichen  Opfern  schwören  mussten«  —  also 
schwur  zuerst  der  alleradeligste,  dann  der  zweitadeligste  u.  s.  w.V  Auch 
die  Uebertragung  (Kap.  2):  »sie  hiessen  ....  Hektemoroi:  für  diesen 
Lohn  (welchen?)  nämlich  bearbeiteten  sie  die  Aecker  der  Reichen«,  kann 
nicht  als  sehr  gelungen  bezeichnet  werden,  da  sie  dem  Leser  erst  durch 
eine  Anmerkung  verständlich  wird.  Uebrigens  sind  solche  Missgriffe 
ziemlich  selten  und  kann  die  Uebersetzung  wohl  im  ganzen  als  tüchtige 
Leistung  anerkannt  werden.  Auch  die  beigefügten  Anmerkungen  sind 
ganz  nützlich,  obgleich  nicht  gleichmässig  gehalten:  manche  sind  so  ele- 
mentarer Art,  dass  sie  bei  dem  Leser  fast  gar  keine  Kenntnisse  aus  der 
attischen  Geschichte  voraussetzen,  in  anderen  wird  an  den  Nachrichten 
des  Aristoteles  Kritik  geübt  mit  Verweisung  auf  Herodot,  Thukydides, 
die  Redner,  auch  Parallelstellen  aus  der  Politik  angeführt;  textkritisclie 
Bemerkungen  sind  äusserst  selten  und  meist  nicht  sonderlich  gelungen. 
In  der  Einleitung  orientiert  der  Uebersetzer  über  Manuscript  und  Schrift 
selbst,  die  er  nicht  sehr  hoch  schätzt,  woraus  er  schiiesst,  »dass  Aristo- 
teles nicht  im  strengen  Sinne  der  Verfasser  ist«.  Als  Beilagen  erschei- 
nen: Archontenliste  (der  in  der  Schrift  erwähnten),  Liste  der  Beamten, 
Liste  der  Rechtshändel  (beide  Zusammenstellungen  recht  dankenswerth), 
Liste  der  litterarischen  Erscheinungen,  welche  die  aristotelische  /iÖ.  r.oL 
betreffen  (vor  und  nach  Auffindung  des  Papyrus). 

14.  Des  Aristoteles  wiedergefundene  Schrift  von  der  Staatsver- 
fassung der  Athener,  zum  erstenmal  übersetzt  von  Prof.  H.  Hageu  in 
der  schweizerischen  Rundschau.  1891,  No.  4,  S-  43-  68;  5,  S.  185  — 
210;  6,  S.  323-358. 

Rec:    Zeitschr.   f.  Gymn.-Wcs.  XLYI,  3  (P.Meyer).     Rev.  crit. 
1892,  No.  10  (Haussoullier). 

Diese  der  Zeit  nach  erste  deutsche  Uebersetzung  wird  zuletzt  er- 
wähnt, weil  sie  dem  Ref.  unzugänglich  war.  Unter  den  Ausstellungen, 
welche  die  Kritik  an  ihr  gemacht  hat,  steht  obenan  der  Vorwurf,  dass 
sie  sich  von  »Schweizerdeutscha  nicht  frei  gehalten  hat.  Gegenüber  den 
vorhergenannten  kommt  sie  wenig  in  Betracht,  da  sie,  ohne  Zweifel,  nach 
der  ersten  unvollkommenen  Ausgabe  der  Schrift  gemacht  ist  und  deren 
sämmtliche  Irrthümer  übernommen  hat:  sie  wird  schon  ihren  Nutzen  als 
erste  gebracht  haben  —  jetzt  muss  man  eine  der  drei  später  erschie 
nenen  zur  Hand  nehmen. 

Von  französischen  Uebersetzungen  sind  zwei  erschienen,   beide 
aus  der  Feder  bedeutender  Gelehrter: 

15.  Aristote,  La  republique  athenienne,  traduite  en  fraoQais  pour  la 
prcmi^re  fois  par  Theodore  Reinach.  Paris,  Ilachette.  XXXI,  124  p.  IC. 

Reo.:    Academy,   No.  1017.     Athenaeum,  No.  3332.     Rev.  crit. 
No.  52  (Uauvette-Besnault).    Class.  Rev.  VI,  No.  1-2  (H.  Richards). 


I.    Ausgaben  und  Uebersetzungen.  15 

16.  Aristote,  Constitution  d'Athönes,  traduite  par  Bernard  Haus- 
soul 11  er  (89  fasc.  de  la  Bibl.  de  l'ficole  des  Hautes  fitudes).  Paris, 
Bouillon.    XX,  120  p.     8. 

Beide  Uebersetzungen  verdienen  jegliche  Anerkennung  und  es  ist 
schwierig  der  einen  vor  der  anderen  einen  Vorzug  einzuräumen:  diejenige 
von  Reinach  ist  gewissermassen  eleganter,  wie  sie  auch  die  Verse  Solons 
und  anderer  metrisch  wiedergiebt,  worauf  Haussoullier  verzichtet,  diese 
hält  sich  näher  an  das  Original  und  ist  au  einigen  Stellen  tiefer  durch- 
dacht. Sie  ist  auch  die  einzige  (dem  Ref.  bekannte),  welche  die  Frag- 
mente ebenfalls  enthält,  zu  deren  Ergänzung  der  Verf.  bekanntermassen 
viel  beigetragen  hat:  Reinach  giebt  nur  ein  Resume  von  deren  Inhalt 
(die  deutschen  Uebersetzer  haben  sie  garuicht  berücksichtigt).  Was  die 
Kritik  des  Textes  betrifft,  so  geht  letzterer  sehr  weit  in  der  Ausmerzung 
von  Interpolationen  (Kap.  4,  8,  25)  und  Glossemen,  auch  in  der  Um- 
stellung einiger  Sätze,  sein  College  hält  sich  genau  an  den  gangbaren 
Text,  indem  er  sich  etwaige  Aenderungen  für  seine  versprochene  Aus- 
gabe vorbehält,  der  man  nur  mit  Spannung  entgegensehen  kann  —  sie 
soll  nicht  nur  kritische,  sondern  auch  exegetische  Anmerkungen  enthalten. 
Von  letzteren  bietet  auch  seine  Uebersetzung  eine  höchst  werthvolle 
Auswahl,  obgleich  sie  von  einem  einseitigen  Standpunkt  gemacht  ist, 
gerade  aber  von  einem,  der  von  den  übrigen  Erklärern  vernachlässigt 
worden  ist.  Nämlich  ausser  Verweisungen  von  einem  Theil  der  Schrift 
auf  andere,  enthalten  diese  Anmerkungen  ausschliesslich  Parallelstellen 
aus  der  Politik,  und  zwar  im  weitesten  Sinne:  alle  Stellen  derselben, 
wo  ähnliche  Gedanken  geäussert  werden  oder  auf  attische  Institutionen 
ausdrücklich  verwiesen  oder  deutlich  angespielt  wird,  findet  man  an 
passendem  Orte  angeführt  —  eine  sehr  erbauliche  Leetüre  für  diejenigen, 
welche  an  dem  aristotelischen  Ursprung  der  Schrift  zweifeln,  da  man 
sich  geradezu  erstaunt  fühlt,  wie  vielfach  sich  dieselbe  in  Einzeläusse- 
rungen  und  allgemeinen  Ansichten  mit  der  Politik  deckt.  Die  Ueber- 
setzung von  Reinach  dagegen  enthält  keine  Anmerkungen  (die  Notizen 
textkritischer  Art  abgerechnet),  ausser  chronologischen  Daten,  die  bei 
Haussoullier  am  Rand  vermerkt  sind;  dafür  bietet  sie  eine  zwar  kurze, 
aber  hübsch  geschriebene  Einleitung,  die  alles  nöthige  über  das  Manu- 
script  und  die  Schrift,  ihren  Plan,  ihre  Quellen  und  allgemeinen  Cha- 
rakter enthält,  während  Haussoullier  nur  über  die  Methode  seiner  Arbeit 
und  seine  Hülfsmittel  kurz  berichtet:  er  hat  nämlich  im  Verein  mit  drei 
seiner  Schüler  (Bourguet,  Brunhes,  Eisenmann)  gearbeitet.  Im  ganzen 
kann  man  wohl  sagen,  dass  die  handliche  Uebersetzung  von  Reinach 
mehr  für  das  gebildete  Publicum  passt,  die  Arbeit  Haussoullier's  mehr 
für  den  engeren  Kreis  der  Gelehrten,  erstere  wohl  nur  in  Frankreich 
Verbreitung  finden  wird,  letztere  auch  für  den  Ausländer  von  Werth  und 
Interesse  ist. 


IC  Aristoteles,  ^A^Tjvaiuiv  noAireia. 

England,  dem  die  Ehre  der  ersten  Veröffentlichung  gebort,  hat 
auch  drei  Uebersetzungen  geliefert: 

17.  Aristotle  on  the  Athenian  Constitution.    Translated  with  intro- 
duction  and  notes  by  F.  G.  Kenyon.     Bell  and  Sons.     164  p.     12. 

Rec:  Academy,  No.  1006  (Richards).  Athenaeum,  No.  3332. 
Class.  Rev.  V,  10  (H.  Richards).  Rev.  crit.  1892,  No.  10  (Haus- 
souUier). 

18.  Aristotle   on    the   Constitution    of  Athens.      Translated   by  E. 
Poste.     Macmillan.     X,  108  p.     8. 

Rec:  Academy,  No.  1006  (Richards).  Athenaeum,  No.  3332. 
Class.  Rev.  V,  No.  10  (H.  Richards).  Rev.  crit.  1892,  No.  10  (Ilaus- 
soullier). 

19.  Aristotle's   Constitution    of  Athens.     Translated   by  Thom.  J. 
Dymes.     Sceley.     160  p.    8. 

Rec:  Athenaeum,  No.  3332.  Rev.  crit.  1892,  No.  10  (Haussoullier). 

Ueber  die  zwei  erstgenannten  Uebersetzungen  wird  es  wohl  am 
besten  sein,  das  zusammenfassende  Urtheil  des  englischen  Recensenten, 
II.  Richards,  anzuführen.  »Beim  Vergleich  der  zwei  Bücher  kann  man 
wohl  kurz  sagen,  dass  Kenyon  sich  näher  an  die  Worte  des  griechischen 
Textes  hält  und  vielleicht  einen  besseren  Begriff  vom  Stile  des  Originals 
vermittelt,  während  Poste  sich  weiter  von  demselben  entfernt  und  da- 
durch weniger  oft  gewinnt,  als  verliert;  dass  Poste  viel  freier  die  (vor- 
geschlagenen) Emendationen  benutzt,  während  Kenyon  uns  dagegen  mit 
Autorität  die  letzten  Lesungen  des  Manuscripts  mittheilen  kann ;  dass 
Kenyon  die  Lesarten,  die  er  überträgt,  ausdrücklich  anführt,  während 
Poste  dies  nicht  thut;  endlich  dass  Kenyon  in  einer  scliön  geschriebenen 
Einleitung  und  zahlreichen  Anmerkungen  bei  weitem  mehr  zur  Erklärung 
beiträgt,  als  es  die  wenigen  Notizen  Postens  thun  können  und  die  Erläu- 
terungen, die  er  ohne  weiteres  in  den  Text  selbst  hineininterpolierto, 
wie  z.  B.  im  43.  Kap.  zu  xr/r«  cre^vrjV  yap  äyouat  zov  ivcaurov  g.mze 
acht  Zeilen  astronomischen  Inhaltes  hinzugesetzt  sind.  —  Was  die  dritte 
Uebersetzung,  die  von  Dymes  betrifft  (welche  Ref.  nicht  gesehen  hat), 
so  soll  sie  sich  viel  sclavischer  gegenüber  dem  Text  verhalten  und  zwar 
ist  zu  Grunde  gelegt  der  Text  der  editio  princeps  mit  allen  seinen  Män- 
geln, zu  denen  der  Uebersetzer  noch  manche  grobe  Missverständnisse 
seinerseits  hinzugebracht  hat  —  ein  Beispiel  (der  Recension  von  Haus- 
soullier entnommen)  wird  genügen:  ey/st  xdl  Ktjüujvc  ist  übersetzt  »by 
Rpear  (£}';^off!)  and  Kedon«! 

Italienische  Uebersetzungen  sind  zwei  erschienen: 


I.   Ausgaben  und  Uebersetzungen.  17 

20.  Aristotele.  La  costituzione  degli  ateniesi.  Testo  greco.  Ver- 
sioiie  italiana,  introduzione  e  note  per  cura  di  C.  Ferrini.  Milano 
(Hoepli).     XXXVI,  140  p. 

Rec:  Class.  Rev.  V,  No.  10  (Richards).  Berl.  phil.  Wochenschr. 
1892,  No.  20  (Keil).  Rev.  crit.  1892,  No.  10  (HanssouUier). 
Der  griechische  Text  ist  schon  oben  besprochen  worden  (vgl.  No.  3) 
und  wie  derselbe  als  durch  neuere  Ausgaben  überholt  bezeichnet  werden 
musste,  so  steht  auch  die  üebersetzung,  natürlich,  nicht  mehr  auf  der 
Höhe  der  jetzigen  Anforderungen.  Ihrem  eigenen  Text  entspricht  sie 
ziemlich  genau,  obgleich  es  niclit  an  einzelnen  Irrthüraern  und  Schnitzern 
fehlt;  über  den  litterarischen  Werth  derselben  kann  der  Ref.  nicht  ur- 
theilen,  aber  auffallen  muss  es,  dass  gar  manche  Sätze  in  den  Anmer- 
kungen paraphrasiert  werden,  also  dem  üebersetzer  selbst  nicht  voll- 
kommen verständlich  erschienen  sind  —  das  müsste  doch  vermieden  sein. 
Auch  im  übrigen  sind  diese  kurzen  Noten  von  sehr  elementarem  Inhalt 
und  setzen  beim  Leser  so  wenig  voraus,  dass  es  zweifelhaft  bleibt,  ob 
ihm  der  griechische  Text  viel  Nutzen  bringen  kann.  Ueber  die  Einlei- 
tung vgl.  oben. 

21.  Aristotele.  La  costituzione  di  Atene,  tradotta  da  C.  0.  Zu- 
retti.     Torino  (Loescher).     XXVII,  61  p. 

Rec:  Rev.  crit.  1892,  No.  10  (Haussoullier). 

Die  Üebersetzung  war  dem  Ref.  unzugänglich,  was  er  nach  der 
Recension  von  Haussoullier  zu  urtheilen  keinen  Grund  hat  zu  bedauern, 
da  dieselbe  bei  weitem  niedriger  stehen  soll,  als  diejenige  Ferrini's:  sie 
giebt  den  Text  der  ersten  Ausgabe  Kenyon's  mit  allen  seinen  Fehlern 
wieder  ohne  jegliche  Kritik  und  ist  selbst  bei  weitem  nicht  frei  von  ziem- 
lich anstössigen  Missverständnissen. 

Zuletzt  ist  zu  nennen  eine  russische  Üebersetzung: 

22.  Die  »athenische  Staatsverfassung«  des  Aristoteles  (AenHCuoe 
rocvAapcTBeHHoe  ycTpoücxBO  ApHCTOTeüH)  übersetzt  von  N.  I.  Schu- 
bin im  Journal  des  Minist,  der  Volksauf klärung  f.  1891,  Mai-Juni-Juli- 
August. 

Die  Üebersetzung  ist  gemacht  nach  der  zweiten  Ausgabe  Kenyon's 
mit  Benutzung  der  inzwischen  in  verschiedenen  Zeitschriften  erschienenen 
Verbesserungsvorschläge.  Sie  verdient  das  Lob  grosser  Treue  —  ausser 
Kleinigkeiten  kann  man  ihr  keine  Fehler  nachweisen  und  auch  bei  diesen 
bleibt  es  dem  Ref.  zweifelhaft,  ob  nicht  eine  andere  Lesart  den  Grund 
der  Abweichung  in  den  einzelnen  Fällen  bildet,  da  zwar  die  griechischen 
technischen  Ausdrücke  angegeben  sind,  nicht  aber  die  zu  Grunde  gelegten 
Lesarten.  Der  Stil  dagegen  der  üebersetzung  kann  wohl  kaum  als 
lobenswerth  anerkannt  werden:  er  ist  schwer,  zuweilen  unbeholfen,  die 
feineren   Nuancen   des   Originals  (besonders  die   Partikeln!)   sind  häufig 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.    LXXV.  Bd.     (1893.1.)  2 


13  Aristoteles,  ^A&r^yaiwv  noXnsia. 

unberücksichtigt  geblieben,  andererseits  aber  entgegen  dem  (russischen) 
Spracligebrauche  die  Treue  dem  griechischen  Text  gegenüber  zu  weit 
getrieben,  wie  z.  B.  in  der  Incinanderschachtelung  der  verschiedenen 
Sätze  (vgl.  z.  B.  das  Satzungethüm  in  Kap.  15);  endlich  ist  eine  lang- 
weilige Monotonie  über  das  Ganze  ausgebreitet  in  Folge  beständiger 
Wiederholungen  derselben  Worte  und  Ausdrücke,  z.  B.  in  Kap.  1 1  (wört- 
lich mit  Bewahrung  der  Wortfolge):  »denn  er  halte  nicht  für  seine  Pflicht 
in  Athen  zu  leben  ,  sondern  er  halte  für  die  Pflicht  eines  jeden«  .  .  . 
Im  ganzen  muss  die  Uebersetzung  als  treu  bezeichnet  werden,  aber  von 
einer  —  ich  finde  keinen  anderen  Ausdruck  —  schülerhaften  Treue,  die 
sich  an  das  Wort  klammert,  möge  auch  darüber  der  Geist  verloren  gehen. 
Sein  Griechisch  hat  der  Verf.  augenscheinlich  tüchtig  gelernt,  aber  das 
genügt  noch  nicht,  um  einen  Aristoteles  zu  übertragen.  Irgend  welche 
Einleitung  oder  Anmerkungen,  wie  man  sie  in  einer  wissenschaftlichen 
Zeitschrift  erwarten  würde,  fehlen  vollständig. 

In  der  Bibl.  phil.  class.  XVIII,  S.  213  ist  noch  eine  russische 
Uebersetzung  von  Belajew  verzeichnet:  dies  beruht  aber  auf  einem  Irr- 
thum  —  es  ist  nur  eine  Abhandlung. 

II.  Allgemeine  Besprechungen. 

Unter  diesem  Titel  sind  diejenigen  Aufsätze  zusammengestellt, 
weiche  (in  grosser  Zahl  erschienen)  entweder  nur  eine  Inhaltübersicht 
des  neuen  Werkes  geben  oder  in  allgemeinen  Zügen  den  litterarischen 
und  historischen  Werth  desselben  beurtheilen.  Hierher  wären  theilweise 
wenigstens  hinzu  zuziehen  einerseits  die  Besprechungen  der  ersten  Aus- 
gabe in  verschiedenen  Zeitschriften  (z.  B.  die  von  H.  Diels,  B.  Keil, 
B.  Haussoullier  u.  a.),  andererseits  die  Einleitungen  der  meisten  Ausgaben 
(besonders  der  von  Kenyon)  und  Uebersetzungen  (z.  B.  der  von  Reinach) 
-  sie  sind  aber  bereits  alle  an  geeigneter  Stelle  angeführt  worden.  Die 
Hauptmasse  der  übrigen  hierher  gehörigen  Schriften  bilden  die  mehr 
oder  minder  populär  gehaltenen  Aufsätze,  wie  sie  fast  jede  der  bedeuten- 
deren Zeitungen  und  Journale  gebracht  hat,  wie  auch  die  in  verschiedenen 
gelehrten  Gesellschaften  gehaltenen  Vorträge.  Manche  derselben  tragen 
den  Namen  allbekannter  Gelehrter:  nichts  destoweniger  hat  Ref.  geglaubt 
sich  grüsstentheils  auf  eine  Aufzählung  beschränken  zu  müssen,  da  abge- 
sehen von  einzelnen  beherzigcnswcrthcn  Gedanken  (die  an  passendem 
Orte  registriert  sind),  der  streng-wissenschaftliche  Ertrag  dieser  Arbeiten 
äusserst  beschränkt  ist  und  in  keinem  Verhältniss  steht  zu  dem  Räume, 
welchen  eine  Besprechung  derselben  beanspruchen  würde. 

23.  A.  Bauer,    Aristoteles  über  die  Verfassung  Athens,    in  den 
Preuss.  Jahrbb.  Bd.  68,  H.  l. 

24.  A.  Bauer  in  den  Münchener  Neuesten  Nachrichten,  No.  97. 


II.    Allgemeine  Besprechungen.  19 

25.  Betge,  Die  neugefundene  Schrift  des  Aristoteles  über  das 
Staatsweseu  der  Athener,  in  Gegenwart,  No.  24. 

26.  A.  Brieger,  Die  V^erfassungsgeschichte  von  Athen  nach  Aristo- 
teles' neu  aufgefundener  Schrift,  in  Unsere  Zeit,  No.  7,  S.  18 — 35. 

27.  H.  D  iels,  Zwei  Funde,  in  dem  Archiv  f.  Gesch.  d.  Philosophie, 
IV,  S.  478. 

28.  H.  Di  eis  sprach  über  die  neugefundene  Schrift  des  Aristoteles 
in  der  Februar- Sitzung  der  Arch.  Gesellschaft:  vgl.  Jahrbuch  des  arch. 
Inst.  VI,   Arch.  Anz.  S.  39. 

29.  H.  Droysen,  Vorläufige  Bemerkungen  zu  Aristoteles"/4d;yva/a;v 
TiohTsca.     Progr.  d.  Königstädt.  Gymn.  zu  Berlin.     Ost.  1891.     23  S. 

Der  Verf.  wird  von  einigen  Kritikern  (z.  B.  Herwerden-Leeuwen) 
unter  den  Gegnern  des  aristotelischen  Ursprungs  der  Schrift  genannt:  in 
dieser  Abhandlung  ist  er  ein  entschiedener  Anhänger  der  »Echtheit«, 
und  wo  er  sich  in  dem  entgegengesetzten  Sinne  hat  äussern  können,  ist 
dem  Ref.  trotz  aller  Bemühungen  unerfindlich  geblieben  —  wenn  es  nicht 
auf  irgend  welchem  Missverständnisse  beruht. 

30.  Fränkel,  Die  Schrift  des  Aristoteles  über  den  athenischen 
Staat,  in  der  Zeitschr.  f.  Gesch.-Wiss.  V,  1. 

31.  Th.  Gomperz,  Aristoteles  und  seine  neuentdeckte  Schrift 
von  der  Staatsverfassung  der  Athener,  in  der  Deutschen  Rundschau, 
XVII,  8  (Mai),  S.  219-36. 

Verf.  betont  besonders  den  regelmässigen  Verlauf  der  allmäligen 
Entwickelung  der  athenischen  Demokratie  von  Drakon  bis  Kleisthenes 
und  bis  zu  den  Parteifülirern  des  V.  Jahrh. 

32.  J.  Grunzel,  Aristoteles  und  die  'A&rj\iac(üv  TMhreia.  Leipzig, 
Friedrich. 

33.  G.  Kai  bei,  Aristoteles'  Schrift  vom  Staat  der  Athener,  in  Nord 
und  Sud,  April. 

34  u.  35.  Ad.  Kirch  hoff  und  H.  Di  eis  sprachen  über  die  neu- 
gefundene Schrift  in  der  Sitz,  der  Königl.  preuss.  Akad.  der  Wiss.  vom 
5.  Februar  1891. 

36.  J.  Knoke,  Die  athenische  Staatsverfassung  nach  der  wieder- 
aufgefundenen Schrift  des  Aristoteles,  in  den  Grenzboten,  No.  43-44. 

37.  Kurze,  Die  wiedergefundene  Schrift  des  Aristoteles  über  den 
Staat  der  Athener,  in  Westermann's  Monatsheften,  November,  S.281 — 84. 

38.  J.  Mahl y,  Eine  wiedergefundene  Schrift  des  Altertums.  Vom 
Fels  zum  Meer,  H.  11. 

2* 


20  Aristoteles,  /l»?jjva('a»v  nokiTeia. 

39.  R.  Seh 0 eil,  Aristoteles'  Staat  der  Athener,  iu  München.    Allg. 
Zeitg.,  Beil.  107,  S.  1—4  und  108,  S.  3—7. 

Verf.  steht  entschieden  für  den  echt-aristotelischen  Ursprung  der 
Schrift  ein,  obgleich  er  manche  Irrthümer  iu  unrichtiger  Beleuchtung  der 
Thatsachen  und  falscher  Chronologie  (so  die  Episode  des  Themistokles) 
anerkennt. 

40.  J.  Schvarcz,  Aristoteles-Papyrus  d.  Britischen  Museums,   in 
der  Ungarisch.  Rev.  XI,  4. 

Ausserdem  sind  noch  Aufsätze  »über  die  neugefundene  Schrift  des 
Aristoteles«  erschienen  (nach  P.  Meyer's  Zusammenstellung)  in  folgenden 
Zeitschriften  :  Grenzboten,  No.  14;  Kölnische  Zeitung,  No.  194  ;  die  Nation, 
No.  22/23;  endlich  ist  zu  erwähnen  die  Notiz  über  die  'Ai^r^vaiwv  rMhrsta 
in  der  Berl.  phil.  Wochenschr.  1891,  No.  7. 

Dagegen  ist  die  Abhandlung  von  Emil  Müller,  Wer  ist  der  Ver- 
fasser der  älteren  Schrift  von  der  athenischen  Verfassung?  Zittau.  1891 
(17  S.),  fälschlich  in  der  Bibl.  phil.  class.  XIX,  S.  35  hierher  gerechnet 
worden,  denn  sie  hat  Ps.-Xenophon's  nicht  Aristoteles'  'Abr^vaciuv  Tiohztia 
zum  Gegenstande. 


41.  R.  Dareste.     Aristote   A^i^Malu)v   T.oh-tla   (Extrait).     Paris. 
Imp.  nat.     17  p. 

Hier  wird  der  zweite  Theil  der  Schrift  und  besonders  die  Gerichts- 
verfassung ohne  tiefer  eindringende  Forschung  in  allgemeinen  Zügen 
skizziert. 

42.  B.  Haussoulli  er  sprach  über  die  neugefundene  Schrift  (be- 
sonders deren  historischen  Theil  und  dessen  wichtigste  Nachrichten,  wie 
Drakon's  Verfassung  und  Themistokles'  Antheil  am  Sturz  des  Areopag) 
in  den  Sitzungen  der  Academie  des  Tnscr.  et  des  Belles-Lettres  vom  13. 
und  20.  Februar. 

43.  Derselbe,    Aristote,   Constitution   d'Alhönes   in   der  Rev.  de 
phil.  XXXII,  2,  p.  98—101. 

44.  Barthelemy  St.  Hilaire,   Sur   la  Constitution  d'Athönes  in 
der  Rev.  bleue  vom  21.  März. 

45.  C.Michel,  Un  nouveau  Traite  d'Aristote.    Sep.-Abd.  aus  der 
Rev.  de  l'iustr.  publ.  en  Belgique  XXXIV,  No.  2  et  4. 

46.  Vanderkindere,  Le  manuscrit  d'Aristote  röcemment  d^cou- 
vert,  in  der  Rev.  Beige.     Mars. 

47.    •  Le  nouveau  livre  d'Aristote,  in  Le  Temps.  6,  III. 


n.    Allgemeine  Besprechungen  21 

48.  V.  Lecuwen  sprach  über  die  neugcfundenc  Schrift  in  der 
Maisitzuug  d.  König).  Niederländ.  Akad.  der  Wiss.  Abth.  Litter.  u.  Gesch. 

49,  50.  In  England  sind  Abhandlungen  über  die  'A&rjvac'ojv  noXtreta 
erschienen,  abgesehen  von  der  ersten  Notiz  in  der  Times  vom  19.  Jan. 
1891,  in  der  Quarterly  Review  und  der  Edinburgh  Review  (zahlreiche 
andere  sind  dem  Ref.  wahrscheinlich  unbekannt  geblieben)  für  April:  in 
beiden  wird  der  aristotelische  Ursprung  bezweifelt,  wobei  letztere  mehr 
auf  historische  Schwierigkeiten  Gewicht  legt,  in  ersterer  aus  sprachlichen 
Rücksichten  die  Entstehungszeit  bis  zum  ersten  vorchristlichen  Jahrhun- 
dert hinuntergeschoben  wird. 

51.    J.  H.  Wright  in  der  Nation  Vol.  LH,  p.  382—84  (New-York). 

Er  meint  im  Philochoros  Spuren  der  Benutzung  des  aristotelischen 
Traktates  entdeckt  zu  haben. 


52.  D.  Comparetti,  II  libro  d'Aristotelc  »la  costituzionc  di  Ateno« 
in  der  Nuova  Autologia  XXVI,  fasc.  XIII,  p.  5—23. 

53.  S.  Cavazza,  Aristotele  e  la  costiluzioue  di  Atene.  Discorso 
letto  il  10  Novembre  1891  nel  R.  Istituto  di  studi  superiori  in  Fireuze 
(Estratto  dall'  Annuario).     30  p. 

Verf.  ist  geneigt  eine  spätere  Ausarbeitung  der  Schrift  in  vorlie- 
gender Gestalt  anzunehmen,  ohne  zu  ganz  festen  Ueberzeugungen  zu  ge- 
langen und  mehr  die  negative  Seite  betonend  (vgl.  unten). 

54.  C.  Ferrini,  Intorno  alla  costituzioue  degli  Ateniesi  di  Aristotele, 
in  den  Reudiconti  del  Istituto  Lombardo,  ser.  II,  vol.  XXXIV,  p.  8 — 9« 


55.  D.  Belajew,  'Af^r^vakov  rMhxzia^  das  Werk  des  Aristoteles 
über  die  Staatsverfassung  von  Athen  (Russisch),  in  den  Gelehrten 
Schriften  d.  Kasan.  Univ.  LVIll,  2,  März-April,  S.  275—87. 

56.  W.  Buseskul,  Aristoteles'  Abhandlung  über  die  Verfassung 
der  Athener  (Russisch),  in  der  (russischen)  Histor.  Rundschau,  II, 
S.  221—239. 

57.  A.  Derewizki,  Ueber  die  \4&rj\>acwv  nokmia  (Russ.).  Char- 
kow.    1891. 

58.  E.  v.  Stern,  Die  neuentdeckte  »athenische  Staatsverfassung« 
des  Aristoteles  (Russ.),  Vortrag,  gelesen  in  der  Odessaer  Histor. -phil. 
Gesellsch.  am  5.  November  1891  (Sep.-Abdr.  aus  d.  II.  Bd.  der  Annalen 
der  Hist.-phil.  Ges.).     42  S. 

Das  erste  Kapitel  enthält  eine  raisonnierte  Inhaltsangabe  der  neuen 
Schrift  mit  Li.tteraturübersicht,  das  zweite  eine  Kritik  der  Ansichten  von 


22  Aristoteles,  ^Ai^rjvaiwv  nuktTsia. 

Cauer,  Rühl.  Scbvarcz,  auf  die  Ref.  noch  zurückkomraeu  wird.  Ohne 
Zweifel  die  tüchtigste  grössere  Arbeit,  die  bis  jetzt  über  diesen  Gegcu- 
stand  in  Russland  erschienen  ist. 

III.   Höhere  Kritik. 

1.    Ist  Aristoteles  der  Verfasser   der  neuen  Schrift? 

Dem  ersten  Herausgeber,  Kenyon,  gebührt  die  Ehre,  für  die  be- 
kanntlich namenlos  überlieferte  Schrift  den  Verfasser  festgestellt  zu  haben, 
indem  er  von  den  91  Fragmeuten,  die  der  ]7//)jva/cyv  TioXfrzia  des  Aristo- 
teles nach  ausdrücklichem  -Zeugniss  oder  Muthmassung  zugeschrieben 
wurden,  nicht  weniger  als  78  in  dem  neuen  Texte  identificierte,  während 
von  den  übrigen  13  fünf  zu  dem  verlorenen  Anfang  bezw.  Schluss  ge- 
hörten ,  sechs  aus  einer  anderen  Schrift  stammen  müssen  und  nur  zwei 
bedeutendere  Abweichungen  von  den  betretfeuden  Stellen  des  Textes 
bieten.  Der  Schluss,  zu  dem  Kenyon  gelangte,  wird  unterstützt  durch 
die  Uebereinstimmung  mit  den  Berliner  Papyrus-Fragmenten,  welche 
bereits  früher  von  ßergk  als  zu  dieser  Schrift  des  Aristoteles  gehörig 
nachgewiesen  wurden.  Die  Identificierung  der  neugefundenen 
Schrift  mit  der  unter  Aristoteles' Namen  iraAlterthum  über- 
lieferten 'A&rjvatcuv  no^czac'a  ist  unanfechtbar:  dies  steht  so  fest, 
als  ob  des  Aristoteles  Name  in  der  Handschrift  übergeschrieben  stände. 
Aber  wie  schon  vor  Auffindung  der  Handschrift  Val.  Rose  (Aristoteles 
pseudepigraphus.  1863)  die  Richtigkeit  der  antiken  üeberlieferung  ge- 
leugnet hatte,  so  wendeten  sich  nach  der  Vcröifentlichung  der  Editio 
princeps  mehrere  Gelehrte  mit  scharfem  Angritf  gegen  die  »Echtheit« 
des  Traktats,  da  die  Meinung  des  Alterthums  vom  »aristotelischen«  Ur- 
sprung desselben  für  uns  nicht  verbindlich  sei,  und  schon  hat  sich  über 
die  P>age  eine  ziemlich  ansehnliche  Litteratur  gebildet  (vgl.  zum  folgen- 
den eine  Receusion  des  Ref.  über  die  meisten  weiter  berührten  Abhand- 
lungen: Berl.  phil.  Wochenschr.  1892,  No.  41  — 42). 

Der  Zweifel  gegen  den  echtaristotelischen  Ursprung  der  Schrift 
geht  —  es  giebt  keinen  Propheten  in  seinem  Vaterland  —  von  P^ngland 
aus.  Zuerst  hat  F.  T.  RichardsM  in  seiner  Besprechung  der  Kenyon- 
schen  Ausgabe  solchen  Zweifel  geäussert,  indem  er  behauptete,  es  sei 
nicht  zu  erweisen,  ob  sie  wirklich  von  Aristoteles  stamme.  Hier  zeigt 
sich  schon  das  Trpwzou  (pzuoog  der  ganzen  Richtung  —  die  Forderung 
des  Beweises  für  den  aristotelischen  Ursprung.  Die  Sache  liegt  näm- 
lich so:  wir  besitzen  unzweifelhaft  das  Werk,  welches  das  gesammte 
Alterthum  als  aristotelisch  betrachtete  von  Timaios  an  —  wer  dies  Icug- 


')  59.  F.  T.  Richards,  Aristotle  on  the  coustitution  of  Athens,  in 
Academy  No.  980,  p.  165—67.  vgl.  CO.  Derselbe,  The  new  ''A}^vaiwv  r.oXt- 
T£ta.     Ibid.  No.  1058,  p.  133. 


III.    Höhere  Kritik.  23 

nen  will,  der  niuss  selbst  deu  Beweis  erbringen,  nicht  von  denjenigen 
fordern,  welche  den  antiken  Gewährsmännern  folgen,  andernfalls  läuft  er 
Gefahr,  dass  man  ihm  selbst  die  Aufgabe  stellt  »aus  inneren  Gründen« 
z.  B.  den  »echt-herodotischen«  Ursprung  des  berühmten  Geschichtswerkes 
zu  erweisen,  was  vielleicht  doch  etwas  schwierig  sein  könnte.  Der  hier 
aufgestellten  Forderung  Genüge  zu  leisten  haben  einige  bekannte  eng- 
lische Gelehrte  versucht,  indem  sie  die  neugefundene  Schrift  vom  Stand- 
punkt der  Sprache  und  des  Stiles  mit  dem  übrigen  Nachlass  des  Aristo- 
teles verglichen,  wobei  sie  eingestandenermassen  hauptsächlich  deu  Index 
der  Berliner  Ausgabe  zu  Grunde  legten:  auf  diese  Weise  entstanden  die 
ziemlich  langen  Verzeichnisse  der  »Uuaristotelischen  Worte  und  Wen- 
dungen in  der  'A^rjvatujv  TzohTsia«,  welche  vcröflfeiitlicht  worden  sind  von 
J.  B.  Mayori),  H.  Richards2),  A.  Platt^),  E.  J.  Chinnock").  Es 
wäre  unbillig,  diese  Zusammenstellungen  im  allgemeinen  nach  den  Bei- 
trägen des  letztgenannten  zu  beurtheilen,  der  als  »unaristotelisch«  solche 
termini  technici  brandmarkt,  wie  <pukoßa<TcXec;,  dia(l)rj^icr/x6^,  <fo\oxptvt1v 
(in  einer  von  Aristoteles  citierten  sprichwörtlichen  Redensart!),  emcrra- 
TcxrjV  (Sixrjv)^  zä  (pzudo/xapru/jca,  atrixhv  {epTtuptov)  ^  8c8pa^/iov ,  dt-^oog 
u.  s.  vv.  Aber  ganz  frei  halten  auch  die  übrigen  sich  von  solchen  Miss- 
grifl'en  nicht,  wie  wenn  Mayor  xare^dn^ov  und  ^eup'mov  hierher  rechnet 
und  hinzufügt,  dass  ersteres  nur  noch  bei  Plutarch  (Vit.  Sol.).,  das 
zweite  bei  PoUux  (VIII,  10,  130)  vorkomme,  ohne  zu  bemerken,  dass 
beide  eben  aus  den  betreÖ'enden  Stellen  des  Aristoteles  schöpften  und 
letzterer  einen  Gesetzestext  ausschrieb ,  oder  wie  wenn  derselbe  pavtdoj 
als  nur  bei  losephus  vorkommend  citiert,  während  dieses  Wort  in  der 
Gesetzesformel  bei  Dem.  c.  Steph.  II,  §  14,  p.  1133  sich  findet  und  gerade 
dieselbe  nur  in  verkürzter  Form  von  Aristoteles  angeführt  wird.  Als 
Flüchtigkeit  muss  auch  bezeichnet  werden,  wenn  derselbe  Gelehrte  das 
Wort  npoöavBtZui  in  drei  Zeilen  zweimal  als  unaristotelisch  bezeichnet 
und  zwar  das  eine  mal  als  nur  bei  Dio  Cassius  und  Plutarch,  das  andere 
—  als  nur  bei  ersterem  und  Lukian  vorkommend:  wir  treffen  es  auf 
attischen  Inschriften  des  vierten  Jahrb.,  welche  doch  auch  ein  Recht 
haben  berücksichtigt  zu  werden.  Seltsam  muthet  es  auch  au,  wenn  unter 
deu  »neuen«  Worten  (die  also  gegen  den  aristotelischen  Ursprung  zeugen 
sollen)  augeführt  wird  8ia<f:padrjv  —  aus  einem  Verse  Solon's!  Viel 
durchdachter   und  sorgfältiger  gesammelt  sind  die  Zusammenstellungen 


i)  61.   J.  B.  Mayor,  Un-aristotelian  words  and  phrases  coutained  in  thc 
'^.^.  noL  in  der  Class.  Rev.  V,  3,  p.  122-23. 

2)  62.    IL  Richards,  Un-aristotelian  words  and  phrases  in  d.  Class.  Rev, 
V,  4,  p.  184-85  et  6,  p.  272—73. 

3)  63.    A.  Platt  in  d.  Class.  Rev.  V,  4,  p.  185. 

*)  64.   E.  J.  Chinnock,    Un-aristotelian  words   in  d.  Class.  Rev.  V,  5, 
p.  229—30. 


24  Aristoteles,  '/IrS'jyvatwv  noln^ta. 

Richards',  welche  als  Bemerkungen  über  den  Sprachgebrauch  der  neuen 
Schrift  ihren  bleibenden  Werth  besitzen,  obgleich  es  auch  hier  nicht  an 
Missgriffen  und  Flüchtigkeiten  fehlt:  vgl.  z.  B.  was  in  beiden  Aufsätzen 
über  u)Q  i'nog  elr.elv  gesagt  ist  oder  die  haarspaltende  Bemerkung  über 
dixiftüßr^rr^at^  zr^g  xpcaaiog.  Am  vorsichtigsten  äussert  sich  über  diese 
Frage  gerade  einer  der  besten  Kenner  des  Aristoteles  in  England  W.  L. 
Newman'),  der  zwar  Zweifel  äussert  an  dem  aristotelischen  Ursprung 
der  Schrift,  ja  sogar  den  Gedanken  an  moderne  Fälschung  nicht  ganz 
abweist,  aber  doch  gerecht  genug  ist  neben  einigen  Besonderheiten  der- 
selben auch  viele  echt-aristotelische  Anklänge  anzuführen :  im  ganzen 
hält  er  die  Abweichungen  im  Stile  nicht  für  beweisend  genug,  wenn  keine 
historischen  Indicien  für  die  Unechtheit  hinzukommen,  obgleich  auch  er 
von  der  falschen  Voraussetzung  ausgeht,  als  ob  der  aristotelische  Ur- 
sprung erst  nachgewiesen  werden  müsse  und  das  Zeugniss  des  Alter- 
thums  gar  keinen  Werth  besitze.  2)  Freilich  ist  auch  letzteres  von 
H.  Richards 3)  angegriffen  worden,  indem  er  wenigstens  die  Autorität 
des  ältesten  Gewährsmannes,  des  Timaios  in  Zweifel  zu  ziehen  versucht: 
überliefert  sei  von  Polybios  nur,  dass  Aristoteles  über  den  Lokrischen 
Staat  geschrieben  habe  und  seine  Darstellung  von  Timaios  kritisiert 
worden  sei,  aber  dass  diese  einen  Theil  der  rMkiTelat  ausgemacht  habe, 
sei  gar  nicht  bezeugt  —  wer  dies  Argument  gehörig  erwägt,  wird  finden, 
dass  es  doch  die  reine  Wortklauberei  ist. 

Diese  Art  der  Kritik  hat  eine  scharfe,  aber  völlig  gerechtfertigte 
Abweisung  erfahren  von  Seiten  Th.  Gompcrz*).  Er  betont  mit  Nach- 
druck den  Werth  des  Zeugnisses  des  gesammten  Alterthums,  welches 
man  nicht  als  null  und  nichtig  behandeln  dürfe:  darum  fiele  das  onus 
probandi  denjenigen  zu,  welche  die  Echtheit  leugnen,  nicht  denen,  welche 
sie  behaupten.  Die  Methode  aber  der  englischen  Kritiker  sei  grund- 
falsch: das  ganz  unzulängliche  von  ihnen  statistisch  zusammengetragene 
Sprachmaterial  könne  durchaus  keine  beweiskräftige  Ergebnisse  liefern ; 
besonders  die  in  den  Vordergrund  geschobenen  äna^  Ksyaiieva  seien  ganz 
unbeweisend.  da  dieselben  nach  Ausweis  des  Index  Aristotelicus  auch  in 
anderen  Schriften  dieses  Autors  fast  die  Hälfte  seines  Sprachscliatzes 
ausmachten;  dabei  käme  für  unsere  Abhandlung  noch  in  Betracht,  dass 
erstens  einen  grossen  Theil  dieser  «tto^  hyo/isvwv  technische  Ausdrücke 


1)  In  der  Kec.  von  Kenyon's  erster  Ausgabe,  iu  der  Class.  Rev.  V,  4, 
p.  155-64. 

2)  Unbedeutend  ist  65.  L.  Whibley,  The  authorship  of  the '.4»9)7v.  nuA. 
(Class.  Rev.  V,  5,  p.  223). 

S)  66.    H.  Richards,  Note  in  d.  Class.  Rev.  V,  3,  p.  122. 

*)  67.  Th.  Gomperz,  Das  neuentdeckte  Werk  des  Aristoteles  und  die 
Verdächtiger  seiner  ^Echtheit  in  d.  Sitz.-Ber.  der  Wiener  Akad.  d.  Wiss.  vom 
22.  April. 


III.    Höhere  Kritik.  25 

aus  dem  Verfassungslcben  Athens  bilden,  andererseits  die  Schrift  für  das 
grosse  Publikum  bestimmt  war  und  also  Verschiedenheiten  des  Wort- 
schatzes und  des  Stils  zwischen  derselben  und  den  nur  für  den  Schüler- 
kreis bestimmten  a-priori  anzunehmen  waren,  wie  denn  das  Streben  nach 
grösserer  Mannigfaltigkeit  des  Ausdruckes  zu  einem  Anwachsen  der  Zahl 
der  einmal  oder  selten  gebrauchten  Worte  nothwendigerweise  führen 
musste.  Im  einzelnen  enthält  die  Untersuchung  von  Goraperz  werthvolle 
Bemerkungen  zu  einigen  Ausdrücken  und  Wendungen  der  Schrift. 

Das  Gewicht  der  von  ihm  in's  Feld  geführten  Argumente  ist  auch 
mittelbar  und  unmittelbar  von  den  englischen  Kritikern  anerkannt  wor- 
den. Mittelbar  —  denn  seit  dieser  Zeit  hören  die  Verzeichnisse  der 
»unaristotelischen  Worte«  in  der  Class.  Rev.  plötzlich  auf;  unmittelbar  — 
in  der  Erwiderung  von  H.  Richards'),  welcher  bei  scheinbarer  Auf- 
rechthaltung seiner  Ansicht  doch  im  Grunde  sich  nur  einen  ehrenvollen 
Rückzug  zu  sichern  sucht.  Er  behauptet,  Prof.  Gomperz  »übertreibe 
sowohl  die  Zuversicht,  mit  der  die  Abweichungen  angegeben  seien,  als 
auch  die  Neigung  sie  als  genügenden  Beweis  verschiedener 
Autorschalt  anzusehen«;  man  müsse  noch  abwarten,  was  die  histo- 
rische Kritik  zum  Inhalt  der  Schrift  sagen  wird  —  vielleicht  wird  sie 
nachweisen,  dass  nichts  der  Annahme  widerspricht,  dieselbe  stamme  von 
Aristoteles  und  sei  diejenige  Abhandlung,  welche  auch  Plutarch  und 
anderen  bekannt  war  (?!).  Aber  der  Stil  scheine  doch  nicht-aristotelisch 
zu  sein,  woraus  aber  noch  nicht  zu  schliessen  sei,  dass  Aristoteles  nicht 
der  Verfasser  gewesen  (?).  Müsse  aber  die  Antithese  zwischen  Aristo- 
teles und  nicht-Aristoteles  die  einzig  mögliche  sein?  (!)  Man  sieht,  an 
übermässiger  Klarheit  leidet  diese  Erwiderung  nicht  und  den  einzig 
möglichen  Schluss  zieht  sie  nicht:  über  Echtheit  oder  Unechtheit  der 
Schrift  kann  man  nicht  entscheiden  auf  Grund  nachlässig  abgefasster 
Wortverzeichnisse  und  zufällig  bei  der  Leetüre  geraachter  Bemerkungen, 
auch  nicht  auf  Grund  einer  Abstimmung  der  Gelehrten  (welche  Richards 
als  höchst  interessant  empfiehlt),  sondern  nur  nach  sorgfältig  geführten 
Untersuchungen  über  den  Sprachgebrauch  und  Stil  der  neuen  Schrift  im 
Vergleich  mit  anderen,  besonders  der  Politik,  und  mit  gehöriger  Berück- 
sichtigung der  attischen  Urkundensprache,  welche  scheinbar  einigen  Ein- 
fluss  auf  gewisse  Partien  des  Werkes  gehabt  hat.  An  solchen  Vorarbei- 
ten fehlt  es  bis  jetzt,  leider,  fast  vollständig  —  eine  rühmenswerthe  Aus- 
nahme wird  weiter  unten  besprochen  werden. 

Von  einem  anderen  Gesichtspunl^t  aus  haben  drei  deutsche  Ge- 
lehrte einen  Angriff  auf  die  Echtheit  der  Schrift  versucht:  J.  Schvarcz, 


1)  68.  H,  Richards,  A  repiy  to  Professor  Gomperz,  in  d.  Class.  Rev.  V, 
7,  p.  333-34. 


26  Aristoteles,  'AOr^uaiwu  KoXmia. 

Fr.  Cauer,  Fr.  Rübl.  Was  den  ersteren')  anbetrifft,  so  wird  wohl 
kaum  jemand  die  Behauptungen  dieses  verbissenen  Aristotelesbasser's 
ernst  nehmen.  Er  geht  von  dem  Satze  aus,  dass  es  »garnicht  unumstöss- 
lich  erwiesen  sei,  dass  diese  von  Plutarchos,  Pollux  u.  a.  citierte  Schrift 
kein  anderer  habe  verfassen  können,  als  Aristoteles«  und  sucht 
auch  die  Identität  des  neugefundenen  Werkes  mit  dem  von  Plutarcb  u.  a. 
benutzten  zweifelhaft  zu  machen,  indem  er  die  Abweichung  von  vier 
Fragmenten  von  unserem  Text  hervorhebt.  Davon  ist  das  eine  (No.  463) 
mit  dem  Schluss  verloren  gegangen,  das  andere  (No.  384)  —  mit  dem 
Beginn  des  Werkes  (vgl.  Kap.  41),  das  dritte  (No.  401)  gehört  überhaupt 
nicht  hierher  und  mit  dem  vierten  (No.  385)  ist  dorn  »staatsrechtlich  ge- 
schulten Kritiker«  das  jämmerliche  Missverständniss  passiert,  dass  er  die 
(in  diesem  Fragment  erwähnten)  12  alten  Trittyen  mit  den  30  Kleisthe- 
nischen  verwechselt  hat  und  darauf  sich  wundert,  dass  der  Text  nicht 
»klappt«.  Daraufhin  behauptet  er  kurzweg,  Demetrios  von  Phaleron 
habe  mehr  Anrecht  als  Verfasser  zu  gelten,  denn  Aristoteles,  und  zum 
Beweis  —  zählt  er  die  verschiedenen  Schriften  desselben  auf  und  singt 
das  Lob  dieses  »echt  culturstaatsmännischen  (sie)  Epistaten«,  gesteht 
aber  zu,  mehr  lasse  sich  nicht  nachweisen,  als  dass  die  Schrift  von  ihm 
herrühren  könne.  Für  Aristoteles  jedenfalls  sei  sie  zu  gut:  es  folgt  eine 
genaue  Inhaltsangabe,  wobei  es  nicht  ohne  Missverständnisse  und  Miss- 
deutungen des  griechischen  Textes  abgeht. 

Ungleich  wissenschaftlicher  geht  Fr.  Caucr2)  vor,  der  auch  zu 
einem  viel  gcmässigteren  Resultate  gelangt.  Sein  Beweis  des  un-aristo- 
telischen  Ursprungs  des  Werkes  baut  sich  aus  drei  Theilen  auf.  Erstens 
nimmt  er  die  Behauptung  Val.  Rosc's  —  obgleich  nicht  «ohne  Zweifel  — 
wieder  auf,  die  'Aß.  r.oX.  könne  der  Zeit  ihrer  Entstehung  nach  nicht  von 
Aristoteles  stammen,  wie  aus  dem  Namen  des  Staatsschiffes  Ammonias 
zu  schliessen  sei :  dieser  Einwand  ist  hinfällig,  da  es  nicht  nachgewiesen 
ist,  dass  die  Salaminia  in  Ammonias  umgetauft  und  dass  letzterer  Name 
zu  Ehren  Alexanders  nach  dessen  Erhebung  unter  die  Götter  gegeben 
sei  —  der  Gott  Ammon  wurde  wenigstens  seit  333  durch  Staatscult  und 
von  den  Strategen  dargebrachte  Opfer  in  Athen  geehrt.  Zweitens  findet 
Cauer  bedeutenden  Widerspruch  zwischen  unserer  Schrift  und  der  Politik 
sowohl    in    Einzelangaben,    als    in    der  Gesammtanschauung.     Was    die 


')  60.  Jul.  Schvarcz,  Aristoteles  und  die  'Ad^Tjvaitov  nokire.ia  auf  dem 
Papyrus  des  British  Museums,  aus  »Demokratie«  II.  Bd  ,  I.  Abth  Leipzig 
(Friedrich).     27  S.  —  Rcc:  Woch.  f.  class.  Phil.  No.  20  (Schneider). 

2)  70.  Fr.  Cauer,  Hat  Aristoteles  die  Schrift  vom  Staate  der  Athener 
geschrieben?  Stuttgart  (Göschen).  78  S.  —  Reo.:  D.  Litt.-Zeitg.  No.  24  (Diels). 
Academy,  No.  996.  Athenaeum,  No  3332.  Wochenschr.  f.  class.  Phil.  No.  28 
(Szanto).  Litt.  Centr.-Bl.  No.  33  (iX).  Götting.  gelehrte  Anz.  No.  20  (Niese). 
Zeitschr.  f.  österr.  Gjmn.  XLIJ,  11  (Thumser).    Gymnas.  No.  16  (P.  Meyer). 


III.    Höhere  Kritik.  27 

ersteren  aubetrifift,  so  giebt  von  zweien  derselben,  über  die  Gesetzgebung 
Drakon's  (A&.  noX.  Cap.  4  —  Pol.  II,  12,  p.  1274b  15)  und  über  den  Be- 
stellungsmodus der  Arcbonten  {'A&.  ttoL  Cap.  8  —  Pol.  II,  12,  p.  1273  b 
40,  1274a  16)  Cauer  selbst  zu,  dass  sich  diese  in  einem  Kapitel  der 
Politik  befinden,  dessen  Echtheit  schon  früher  stark  angefochten  war, 
meint  aber,  dass  die  diesbezüglichen  Ausführungen  Göttling's  von  Spengel 
und  Nickes  entkräftet  seien.  Jedenfalls  aber  bestehe  ein  Widerspruch 
zwischen  Kap.  8  und  Pol.  III,  11,  p.  1281b  33  (über  die  Wahl  der  Beam- 
ten), zwischen  Kapitel  3  (wo  Ion  als  erster  Polemarch  der  Athener  ge- 
nannt wird)  und  Pol.  VIII,  10,  p.  1310b  37  (noch  zu  Kodros'  Zeit  der 
Heeresoberbefehl  —  Hauptinhalt  der  königlichen  Gewalt),  zw.  Kap.  21 
und  Pol.  VII,  4,  p.  1319b  11  (in  Betreff  des  Verhaltens  des  Kleisthenes 
zu  den  Phratrien).  Alle  diese  Einwände  sind  nicht  stichhaltig:  die  Lo- 
sung spielte  bei  der  Bestellung  der  Beamten  eine  so  geringe  Rolle 
(Kap.  8),  dass  bei  der  kurzen  Erwähnung  in  der  Politik  Aristoteles  ganz 
richtig  von  einer  Volkswahl  sprechen  konnte.  In  Kap.  3  sagt  der  Ver- 
fasser keineswegs,  dass  seit  Ion  der  Polemarch  dem  Könige  stets  zur 
Seite  gestanden  habe,  sondern  nur,  dass  den  kriegsuntüchtigen  Königen 
vorübergehend  ein  Heerführer  zugesellt  worden  sei  und  führt  als  Beispiel 
den  Ion  an  —  wann  die  Poleniarchie  zu  einem  stehenden  Institut  erho- 
ben, erwähnt  er  nicht,  wohl  weil  er  es  selbst  nicht  wusste.  Was  die 
unklare  Notiz  der  Politik  über  Vermehrung  der  Phratrien  durch  Kleisthe- 
nes sagt,  oder  vielmehr  was  neuere  Ausleger  in  dieselbe  hineininterpre- 
tiert haben,  ist  jetzt  durch  die  bündige  Angabe  der  Politeia  widerlegt 
—  Ref.  rechnet  sich  zur  Ehre,  dass  er  schon  vor  Auffindung  des  neuen 
Tractates  dasselbe  gelehrt  habe,  und  hat  seine  Ansicht  über  die  ganze 
Frage  a.  a.  0.  in  extenso  dargelegt*),  wobei  er  (vor  Erscheinen  von  C.'s 
Schrift)  die  Muthmassung  äusserte,  »es  würden  sich  auch  jetzt  noch 
Forscher  finden,  die  einer  vorgefassten  Meinung  zu  Liebe  dieses  aus- 
drückliche Zeugniss  des  Aristoteles  verwerfen  oder  umdeuten  würden«. 
Auch  mit  dem  Argument,  welches  Cauer  aus  der  (angeblichen)  Schwäche 
des  Verfassers  gegenüber  der  Demokratie  zieht,  ist  es  schwach  bestellt; 
er  fusst  nämlich  auf  den  Worten  in  Kap.  41,  in  welchen  der  Uebergang 
der  Rathsgerichtsbarkeit  auf  die  Volksgemeinde  gebilligt  wird,  »weil 
wenige  sich  leichter  durch  Geld  und  Gunst  beeinflussen  lassen,  als  die 
Menge«.  Aber  abgesehen  von  den  Stellen,  welche  deutlich  die  aristo- 
kratischen Neigungen  des  Verfassers  verrathen,  wie  die  Verurtheiluug 
der  inneren  Politik  Athens  seit  Perikles  oder  das  hohe  dem  Nikias, 
Thukydides  und  gar  dem  Theramenes  gespendete  Lob  (dies  soll,  natür- 
lich, nur  die  »politische  Tendenz  der  Quellen  wiederspiegeln«),  selbst  die 
einzige,  welche  scheinbar  die  Ansicht  C.'s  stützt,  zerfällt  bei  näherer  ße- 


1)  Bürgerschaft  und  Volksversammlung  zu  Athen  (russisch).     Band  I, 
S.  209 -14,  276-82. 


28  Aristoteles,  'Aßrjvas'wi'   nuXiTsia. 

trachtiing  in  Niclits:  der  Rath  in  Athen  war  ebenso  demokratisch  wie 
die  Vülksgenicindc  und  da  konnte  auch  ein  Aristokrat  sagen,  dass  letztere 
wenigstens  ihrer  Zahl  nach  grössere  Bürgschaft  bot  gegen  Bestechung 
U.S.W.  Diesen  Einwand  hat  gegen  C.  schon  0.  Crusius*)  ausführlich 
begründet,  indem  er  zugleich  nachgewiesen  hat,  dass  denselben  Gedanken 
auch  der  Aristoteles  der  Politik  äussert  (Pol.  III,  15,  p.  1286a  28,  vgl. 
ibid.  II,  12,  p.  1274a).  Das  dritte  und  entscheidende  Argument  Cauer's 
endlich  gegen  die  Echtheit  ist,  dass  der  Verfasser  an  manchen  Stellen 
schlechten  Quellen  zu  leichtfertig  folgt,  an  anderen  gute  nicht  gehörig 
ansuutzt,  überhaupt  an  Schärfe  des  Verstandes  und  der  Kritik  weit  hinter 
Aristoteles  zurücksteht.  Aus  .diesem  Grunde  kommt  C  zum  Resultat, 
dass  die  Schrift  zwar  aus  der  peripatetischen  Schule  stamme,  wie  manche 
Anklänge  an  Aristoteles'  Gedanken  bewiesen,  aber  nur  von  einem  mittel- 
mässigen  Schüler  auf  Anregung  und  unter  beiläufiger  Anweisung  des 
Lehrers  verfasst  sei.  Abgesehen  davon,  dass  diese  Theorie  von  einem 
Jünger,  der  unter  Anleitung  des  Prof.  Aristoteles  seine  Doctordissertation 
schreibt,  doch  zu  modern  klingt,  muss  man  einwenden,  dass  man  einen 
antiken  Historiker  nicht  mit  dem  Massstab  der  Kritik  des  XIX.  Jahrh. 
messen  darf:  eine  systematische  Benutzung  von  Urkunden  war  noch  un- 
erhört, eine  absolute  Verwerfung  alles  legendarischen  Elementes  unmög- 
lich, eine  volle  Scheidung  von  unzuverlässigen  und  glaubwürdigen  Quellen 
undurchführbar.  Noch  weniger  aber  darf  man  an  der  neuen  Schrift 
mäkeln,  weil  sie  nicht  alles  enthalte,  was  wir  in  einer  Verfassungs- 
geschichte zu  finden  erwarten,  z.  B  Drakon's  Gesetze  über  das  Blutrecht 
oder  eine  Besprechung  der  Kleruchien:  erstens  berücksichtigt  Aristoteles 
die  äussere  Politik  Athens  garnicht,  zweitens  schreibt  er  nicht  sowohl 
eine  innere  Geschichte  als  eine  Geschichte  der  Staatsumwälzungen,  ihrer 
Motive  und  ihres  Ausganges  —  ein  Gesichtspunkt,  der  auch  in  der  Politik 
stark  hervortritt.  Eingehend  sind  die  einzelnen  Einwände  C.'s  besprochen 
und  widerlegt  worden  von  K.  Niemeyer^),  dessen  Ausführungen  sich 
vielfach  mit  den  oben  dargelegten  Ansichten  des  Ref.  decken. 

Fast  mit  denselben  Argumenten,  wie  Cauer,  aber  noch  einseitiger 
durchgeführt,  noch  subjectiver  gefärbt,  greift  Fr.  Rühl-'')  den  aristote- 
lischen Ursprung  der  Politie  an.  Bei  ihm  bildet  die  »Unwürdigkeit«  das 
entscheidende  Moment  seiner  Kritik:  alle,  selbst  die  geringsten  Mängel 
in  Inhalt,  Form,  Disposition  werden  geflissentlich  hervorgehoben,  nicht 
selten  übertrieben,  zuweilen  einfach  erfunden,  um  bei  jedem  in  den  Aus- 


1)  71.  0.  Crusius,  Die  Schrift  vom  Staate  der  Athener  und.  Aristoteles 
über  die  Demokratie,  im  Philologus,  N.  F.  IV  (2),  H.  1,  S.  173—78. 

3)  72.  K.  Niemeyer,  Zu  Aristoteles' 'ylj9.  nnk.  (N.  Jahrbb.  für  Phil. 
Bd.  143,  S.  405—15.)   . 

3)  73.  Fr  Kühl,  UpImt  die  von  Kenyon  veröflfentlichte  Schrift  vom 
Staate  der  Athener  (Rhein.  Mus.  XLVI,  3,  S.  426-64). 


III.    Höhere  Kritik.  29 

ruf  auszubrechen,  das  sei  eiues  Aristoteles  unwürdig  oder  letzterer  müsse 
ein  ganz  infimer  Scribent  gewesen  sein.  Besonders  wird  jeder  Wider- 
spruch zwischen  der  Politie  und  Thukydides  sorgsam  aufgespürt,  um 
gleich  das  Dilemma  zu  stellen:  entweder  ist  die  'Al^r^vaauv  noXiTSca  un- 
echt oder  man  muss  dem  Thukydides  jegliche  Glaubwürdigkeit  absprechen 
—  als  ob  letzterer  sowohl  als  Aristoteles  ganz  unfehlbar  gewesen  wären! 
Ein  noch  seltsameres  Argument  ist  es,  wenn  Rühl  aus  vermeintlicher 
Auslassung  seiner  Ansicht  nach  wichtiger  Ereignisse  schliesst,  der  Ver- 
fasser könne  nicht  Aristoteles  sein :  in  diesem  Sinne  wird  z.  B.  die  Nicht- 
erwähnung des  Ostrakismos  des  Hyperbolos  verwerthet  (wie  auch  bei 
Cauer),  wobei  nicht  berücksichtigt  ist,  dass  erstens  für  den  Parteikampf 
in  Athen  dies  ein  wichtiges  Ereigniss  sein  konnte,  nicht  für  die  Ver- 
fassungsgeschichte, zweitens  nach  dem  Zeugniss  des  Aristoteles  dies  In- 
stitut formell  auch  im  IV.  Jahrhundert  nicht  abgeschafft  war,  wie  man 
bisher  dachte.  Die  Ausführungen  Rührs,  die  im  Detail  hier  wieder- 
zugeben unmöglich  ist,  haben  eine  gründliche  Widerlegung  von  Seiten 
Th.  Gomperz's^)  erfahren,  der  an  einer  Reihe  schlagender  Beispiele  die 
Unzulässigkeit  solcher  Methode  nachgewiesen  und  mit  Recht  gegen  Rühl 
seine  eigene  Sentenz  gewendet  hat:  »wenn  Aristoteles  dieses  Buch  ge- 
schrieben hat,  so  geschah  es  nicht,  um  die  Lücken  der  gelehrten  Bildung 
der  Philologen  des  19.  Jahrhunderts  auszufüllen«.  Auch  E.  v.  Stern  hat 
in  seiner  schon  erwähnten  Schrift 2)  manche  gewichtige  principielle  Ein- 
wände gegen  Rühl  erhoben:  er  hebt  hervor,  dass  erstens  die  Arbeits- 
weise eines  antiken  Historiker's  sehr  verschieden  von  der  modernen  war 
(»ich  bin  versichert,  dass  Rühl  mit  dem  unserem  Autor  zu  Gebote  ste- 
henden Material  ein  vollkommeneres  Werk  verfassen  würde,  aber  noch 
sicherer  ist  es,  dass  Aristoteles,  wenn  er  jetzt  Professor  zu  Königsberg 
sein  würde,  diesen  Abriss  der  Verfassungsgeschichte  noch  vorzüglicher 
als  Rühl  geschrieben  hätte«),  zweitens  auch  die  Art  der  Darstellung  be- 
deutende Eigenthümlichkeiten  zeigte.  »Man  setzte  meist  eine  allgemeine 
Kenntniss  der  vorhergehenden  Litteratur  bei  den  Lesern  voraus,  und  gar 
manche  Schriftsteller  berührten  nur  beiläufig  die  Fragen,  welche  von 
ihren  Vorgängern  genügend  erläutert  waren:  so  hat  auch  Aristoteles  die 
schon  vielbehandelten  Partien  (z.  B.  das  Zeitalter  des  Perikles)  nur  ge- 
streift mit  ein  paar  treffenden  Bemerkungen,  die  dunkleren  dagegen  aus- 
führlich erörtert  ....  Dies  verkannt  zu  haben  ist  der  Hauptirrthura  der 
Gegner,  wie  der  Lobredner  der  neuen  Schrift :  einerseits  wird  auf  Grund 
gewisser   unläugbarer  Mängel  der  Aristotelische  Ursprung  derselben  ge- 


1)  74.  Th.  Gomperz,  Die  Schrift  vom  Staatswesen  der  Athener  und 
ihr  neuester  Beurtheiler.  Wien  (Holder).  48  ö.  —  Reo.:  Litt.  Centr.-Bl.  1892, 
No.  2  (U).   D.  Litt.-Ztg.  1892  No.  9  (Brück).    Rev.  d.  et.  gr.  IV.  16  (Th.  Reinach). 

3)  Vgl.  No.  58.  Die  neuentdeckte  »athenische  Staatsverfassung«  des 
Aristoteles.     Rec. :  Russ.  phil.  Rundschau  II,  2  (Buseskul). 


30  Aristoteles,  '>f»9j;wa«wv  nokirsia. 

leuguet,  andererseits  sind  die  Vertheidiger  desselben  geneigt,  jedes  Wort 
als  Offenbarung  anzusehen,  an  der  jeder  Zweifel  ausgeschlossen  ist.« 

Unterdessen  hat  Fr.  RühP)  zur  Verthcidiguug  seiner  Ansicht  eine 
neue  Abhandlung  veröffentlicht,  in  der  er  nicht  nur  die  Einwände  von 
Gomperz  zu  entkräften  sucht,  nicht  sowohl  durch  systematische  Wider- 
legung, als  durch  eine  Reihe  sehr  problematischer  Ausfälle,  sondern  auch 
weiter  zu  gelangen  strebt  als  früher,  in  negativer  wie  in  positiver  Hin- 
sicht. Negativ  behauptet  er  hier  (was  im  früheren  Aufsatz  nur  ange- 
deutet war),  dass  diese  Politie  ein  von  dem  unter  Aristoteles'  Namen 
citierten  grundverschiedenes  Buch  sei  und  stützt  diese  Ansicht  fast  aus- 
schliesslich durch  den  Hinweis  auf  Plutarch,  der  trotz  seiner  Benutzung 
der  Politie  vieles  nicht  kenne,  was  in  der  neuen  Schrift  zu  lesen  ist. 
Positiv  stellt  er  die  Behauptung  auf,  dass  der  Verfasser  derselben  He- 
rakleides —  wahrscheinlich  Lembos  —  sei,  welcher  mit  Benutzung  aristo- 
telischen Materiales  ein  Werk  ~sfH  nuhztciüv  zusammengeschrieben  habe, 
von  dem  ein  Auszug  schon  früher  bekannt  war.  Was  den  Beweis  aus 
Plutarch  anbetrifft,  so  ist  eine  Argumentation  ex  silentio  stets  gefähr- 
lich; weiter  ist  es  garnicht  so  ausgemacht,  wie  es  Rühl  beliebt  darzu- 
stellen, dass  dieser  Autor  wirklich  den  Aristoteles  unmittelbar  benutzt 
habe  —  dies  muss  erst  nachgewiesen  werden  — ,  endlich  ist  doch  die 
Behauptung  sehr  problematisch,  dass  Plutarch  auch  die  Nachrichten  des 
Aristoteles,  welche  ihm  unglaublich  schienen,  hätte  mittheilen  und  wider- 
legen müssen,  z.  B.  über  Drakon  und  über  Themistokles.  Ohne  dem 
Plutarch  zu  nahe  treten  zu  wollen,  muss  man  doch  sagen,  dass  er  von 
Kritik  sehr  wenig  zeigt,  dass  er  gerade  seine  Hauptquellen  nicht  nennt 
und  dass  starker  Grund  zum  Verdacht  vorliegt,  er  habe  seine  zufälligen 
Citate  und  bisweilen  seine  Zusammenstellungen  abweichender  Meinungen 
einer  secundären  Quelle  entlehnt:  wenn  er  also  z.  B.  Aristoteles  als 
Autorität  nennt  für  den  Namen  des  Mörders  des  Ephialtes,  so  kann  man 
mit  ziemlicher  Zuversicht  daraus  schiiessen.  dass  gerade  in  der  Erzäh- 
lung vom  Sturze  des  Areopag  Aristoteles  sein  Gewährsmann  nicht  war. 
Ausserdem  muss  man  noch  berücksichtigen,  dass  seine  Biographien  einen 
stark  cnkomischcn  Charakter  zeigen  und  der  jeweilige  Held  bei  jeder 
Staatsaction,  an  der  er  Theil  nahm,  stark  in  den  Vordergrund  geschoben 
wird,  wie  z.  B.  hei  der  Gründung  des  attischen  Seehundes  die  Haupt- 
rolle je  nach  Umständen  bald  dem  Aiisteides,  bald  dem  Kimon  zugetheilt 
wird:  kann  man  sich  danach  wundern,  dass  er  in  der  Biographie  Solon's 
diesen  nach  der  gangbaren  Uebcrliefcrung  auf  Kosten  des  Drakon  er- 
hoben und  die  Thätigkeit  des  letzteren  (wenn  sie  ihm  überhaupt  in  Be- 
treff der  Verlassung  bekannt  war)  einfach  todtgeschwiegen  hat?  Am 
seltsamsten  aber  berührt  in  den  Deduktionen  RühTs,   dass  die  Identität 


3)  75.    Fr.  Rühl,  Der  Staat  der  Athener  und  kein  Ende,  iu  d  Jabrbb. 
f.  class.  Phil.  Suppl.-Bd  XVlll,  S.  075— 70G  —  Reo.:  Litt.  C.-Bl.  1892,  No.  21. 


III.   Höhere  Kritik.  31 

der  neuen  Schritt  mit  Aristoteles'  Politie  strikt  geleugnet  wird  trotz  der 
Uebereinstimmung  von  nahezu  80  Fragmenten,  aber  aus  der  Ueberein- 
stimmung  mit  einem  Fragment  des  Herakleides  die  Identität  mit  des 
letzteren  Schrift  erschlossen  wird:  Rühl  bedenkt  nicht,  dass  eine  solche 
Uebereinstimmung  bei  Herakleides,  der  hauptsächlich  mit  aristotelischem 
Material  arbeitete,  doch  gar  keine  Beweiskraft  besitzt.  Und  was  will 
Rühl  mit  den  aus  Aristoteles  wörtlich  citierteu  Fragmenten  beginnen, 
die  sich  alle  in  der  neuen  Schrift  aufgefunden  haben?  Will  er  annehmen, 
dass  die  Lexicographen  sich  alle  geirrt  haben  und  das  Machwerk  des 
Herakleides  für  den  »echten«  Aristoteles  angesehen?  oder  soll  durch 
einen  merkwürdigen  Zufall  auch  Herakleides  gerade  diese  Stellen  wört- 
lich ausgeschrieben  haben?  Darüber  beobachtet  Rühl  ein  sehr  verstän- 
diges Schweigen. 

So  haben  sich  alle  gegen  den  echt -aristotelischen  Ursprung  der 
Schrift  erhobene  Bedenken  als  nicht  stichhaltig  erwiesen,  i)  Und  so  ist 
von  den  grössten  Autoritäten  (wie  A.  Kirchhoff,  H.  Diels,  U.  Köhler, 
R.  Schoell,  U.  von  Wilamowitz-Moellendorff,  Th.  Gomperz,  Fr.  Blass, 
A.  Kiessling,  G.  Kaibel,  H.  Weil,  B.  Haussoullier,  D.  Comparetti  u.  v.  a.) 
die  Autorschaft  des  Aristoteles  als  über  jeden  Zweifel  erhaben  anerkannt 
worden. 

2.    Abfassungszeit  der  Schrift. 

Schon  der  erste  Herausgeber  Kenyon  hat  versucht  dieselbe  ge- 
nauer zu  bestimmen,  indem  er  als  Grenzpunkt  annahm  das  Archontat 
des  Kephisophon  (329/8)  und  die  Vermehrung  der  Phylen  auf  12  (307/6). 
Andere  Gelehrte  haben  versucht  diesen  Zeitraum  noch  enger  zu  um- 
schreiben: so  haben  unabhängig  von  einander  B.  Keil'^),  Fr.  Ca u er 3), 
E.  Pais'*)  und  Ref.*)  die  Verfassungsänderung  des  Antipater  (322)  als 
terminus  ante  quem  festgestellt,  letzterer  zugleich  mit  Hinweis  auf  die 
von  den  Athenern  nach  Samos  gesandten  Archonten  (Kap.  62),  welche 
mit  Auflösung  der  athenischen  Kleruchie  und  Rückkehr  der  Samier  (nach 


')  76.  E.  Pais,  A  proposito  dell'  'ASrjvaüov  izoXiTsia  di  Aristotele  (Riv. 
di  Filologia,  XIX,  10—12,  p.  .557  —  69),  läast  die  Möglichkeit  zu,  dass  nicht  nur 
von  den  157  übrigen  noXizBiai  einige  von  den  besseren  Schülern  (z.  B.  Theo- 
phrast  und  Dicaearch)  unter  Anleitung  des  Aristoteles  verfasst  seien,  sondern 
auch  in  der  'ASr^v.  noX.  der  zweite  Theil  in  seinen  kleinlichen  Details  nicht 
vom  Meister  persönlich  herrühre,  aber  von  ihm  überwacht  sei  —  nicht  gerade 
sehr  wahrscheinlich. 

2)  Rec.  von  Kenyon's  Ausgabe  in  der  Berl.  phil.  Wochenschr.  1891, 
No.  20,  Sp.  613—14. 

3)  a.  a.  0.  s.  7  et  76. 

4)  a.  a.  0.  p.  559—62. 

5)  a.  a.  0.  p.  12-13. 


32  Aristoteles,  ^A^'^r^vatiuv  nokizsia. 

den  Olympien  des  Jahres  324  oder  spätestens  nach  dem  Laraischen  Kriege 
=  322)  aufgehört  hatten  zu  existieren.  C.  Torr'),  dem  auch  B.  Keil 
(a.  a.  0.)  und  C  Ferrini  folgen,  sucht  die  Abfassuugszeit  noch  mehr 
zu  beschränken,  indem  er  darauf  Gewicht  legt,  dass  vom  Bau  der  Trieren 
und  Tetreren  (Kap.  46)  die  Rede  ist,  nicht  aber  von  Penteren,  die  seit 
dem  Jahre  325  in  Schift'sbauurkunden  erwähnt  werden  (C I.A.  II, 809 d 90) 
—  also  zwischen  328  —  25  ist  die  Schrift  verfasst.  Dagegen  ist  geltend 
gemacht  worden,  dass  aus  einem  so  kleinliclien  Argument  keine  so  weit- 
gehende Schlüsse  zu  ziehen  seien  und  FI.  Weil 2)  sowohl  als  Fr.  Cauer 
(a.  a.  0.)  finden  die  Entscheidung  der  Frage  in  der  Erwähnung  des 
Staatsschiffos  Ammonias,  welches  seinen  Namen  nur  erhalten  konnte, 
nachdem  »sie  die  Gottheit  Alexander's  ofliciell  anerkannt  hatten«  —  folg- 
lich fällt  die  Vollendung  der  Schrift  zwischen  Spätsommer  324  und  Herbst 
322.  Auch  gegen  diese  Argumentation  hat  sich  Widerspruch  erhoben 
von  Seiten  Torr's,  Cavazza's^)  und  des  Ref.:  es  ist  weder  bewiesen, 
dass  die  Ammonias  an  Stelle  der  Salaminia  getreten  sei,  noch  dass  dies 
Staatsschiff  seinen  Namen  zu  Ehren  Alexanders  erhalten  habe  und  nicht 
zu  Ehren  des  Gottes  Ammon,  der  schon  im  Jahre  333  einen  officiellen 
hochangesehenen  Kult  in  Athen  besass. 

Wenn  man  also  sagen  kann,  dass  die  meisten  Forscher  die  Ent- 
stehnngszeit  der  Schrift  zwischen  329  -322  annehmen  und  nur  darin  nicht 
einverstanden  sind,  ob  sie  der  ersten  oder  zweiten  Hälfte  dieses  Zeit- 
raumes angehört,  so  hat  Ref.*)  selbst  eine  ganz  verschiedene  Ansicht 
geäussert.  Das  Jahr  329  kann  niciit  als  unzweifelhafter  terminus  post 
quem  gelten,  denn  wie  er  überhaupt  nur  für  den  zweiten  Theil  bewei- 
send ist,  so  muss  diese  Angabe  erst  genauer  geprüft  werden:  wie  schon 
Kenyon  angedeutet  und  später  Cavazza  bemerkt  iiat,  ähnelt  dieselbe 
sehr  einer  Randglosse,  denn  erstens  lässt  sich  kein  organischer  Zusam- 
menhang mit  dem  übrigen  Texte  herstellen,  zweitens  sieht  man  keinen 
Grund  zu  einer  chronologischen  Angabe,  die  im  ganzen  zweiten  Tlieile 
als  Unicum  erscheinen  würde  —  viel  wichtigere  Gesetze  und  Ereignisse 
bleiben  hier  ohne  genauere  Zeitbestimmung.  Keil  hat  die  Schwäche 
dieses  Anhaltspunktes  gefühlt  und  versucht  einen  anderen  zu  linden,  indem 
er  darauf  hinwies,  dass  die  Theilung  der  Competenzen  zwischen  den 
Strategen  (vgl.  Kap.  61)  erst  nach  334  eingeführt  sei  :  so  auch  C.  Torr^). 


1)  77.  C.  Torr,  The  dato  of  tho  Constitution  of  Athens,  in  Athonaeum, 
Nu.  3302.     Cfr.  Class.  Rev.  V,  3,  p.  119. 

2)  Journ.  des  Savants  1891  Avril,  p.  203—4. 

3)  Aristotele  e  la  costituzione  di  Ateno,  j)   17 — 19. 

<)  Bürgerschaft  und  Volksversammlung  zu  Athen.  Bd.  1 ,  Einleitung, 
S.  12—16 

^)  78.  C.  Torr,  Ari.stotle,  Athoniensinm  Respuhlica  cap  Ol,  in  d.  Class. 
Rev.  V,  3,  p.  119 


in    Höhere  Kritik  33 

Das  ist  aber  einirrthum:  in  einer  neugefundenen  Inschrift  (Bull.  d.  Corr. 
Hell.  Xni,  p.  434)  wird  ein  aTpazTjfog  inl  r^v  ^ojpav  schon  unter  dem  Ar- 
chen Aristodemos,  also  im  Jahre  352  erwähnt  und  zwar  als  eine  fest- 
stehende Magistratur.  Andererseits  sprechen  manche  Gründe,  positive 
wie  negative,  für  eine  frühere  Entstehungszeit  der  Schrift.  Positiv  ist 
zu  bemerken,  dass  es  äusserst  misslich  ist  anzunehmen,  Aristoteles  habe 
in  etwa  6—7  Jahren  seine  158  Politien  verfasst,  von  denen  die  Atheni- 
sche die  erste  war,  und  noch  mehr,  dass  er  sein  systematisches  Werk  — 
die  Politik  vor  der  beschreibenden  Zusammenfassung  ausgearbeitet:  die 
Politik  setzt  eine  solche  Masse  von  Kenntnissen  auf  dem  Gebiet  der  Ver- 
fassungsgeschichte wie  der  Institutionen  der  verschiedenen  griechischen 
Staaten  voraus,  wie  sie  weder  der  Lehrer  im  Gedächtnis  allein  behal- 
ten, noch  die  Schüler  ohne  eine  Schrift,  wie  die  neugefundene,  sich  an- 
eignen konnten.  Ein  Beweis  negativer  Art  ist  häufig  zweifelhaft,  hier 
aber  scheint  er  schwerwiegend  —  das  absolute  Schweigen  über  das  Obere 
Finanzamt  zu  Athen,  welches  Lykurgos  zuerst  bekleidet;  zwar  hat  da- 
gegen Keil  den  Einwand  erhoben,  dass  das  Amt  des  im  vfj  diocxijaei 
uns  nur  für  spätere  Zeit  sicher  bezeugt  sei,  derselbe  ist  aber  nicht  stich- 
haltig, denn  es  kommt  hier  nicht  auf  den  Namen,  sondern  auf  die  Sache 
an :  ein  Oberster  Finanzbeamter  hat  jedenfalls  (wie  auch  sein  offizieller 
Titel  gelautet  haben  mag)  wenigstens  seit  334,  wahrscheinlich  schon  seit 
338  in  Athen  existiert  und  dieser  ist  bei  Aristoteles  nicht  erwähnt.  Aus 
diesen  Gründen  zog  Ref.  den  Schluss,  dass  die  Schrift  schon  um 
die  Mitte  des  IV.  Jahrh.  verfasst  sei  und  später  nur  einzelne 
Ergänzungen  von  der  Hand  des  Verfassers  erfahren  habe,  zu 
denen  er  ausser  der  Erwähnung  des  Archon  Kephisophon  auch  das  Ka- 
pitel über  Drakon  rechnet  (siehe  u.)- 

3.   Tendenz. 

Schon  Val.  Rose  hat  vor  Auffindung  der  neuen  Schrift  es  für  un- 
wahrscheinlich gehalten,  dass  ein  Mann  vom  Geiste  eines  Aristoteles  sich 
mit  der  Abfassung  eines  rein  descriptiven  Werkes  beschäftigt  hätte. 
Dieser  Eindruck  ist  nur  verschärft  worden  durch  die  Kenntniss  des  Ge- 
sammtwerkes,  welches  in  der  That  nicht  nur  keinen,  sei  es  selbst  popu- 
lär-philosophischen Gedanken,  sondern  auch  keine  irgendwie  zusammen- 
fassende allgemeine  Gesichtspunkte  und  Betrachtungen  enthält.  Dies 
war  wohl  die  (nicht  eingestandene)  Hauptursache,  warum  die  Autorschaft 
des  Aristoteles  angezweifelt  worden  ist,  dies  der  Beweggrund,  weshalb 
einige  Gelehrte  meinten,  es  müsse  das  Werk  eine,  wenn  auch  sorgfältig 
verhüllte,  belehrende  Tendenz  enthalten. 

Diesen  Gedanken  hat  zuerst  P.  Casseli)  ausgesprochen,  der  diese 


1)  79.  Vom  neuen  Aristoteles  und  seiner  Tendenz.  Bemerkungen  von  D. 
Paulus  Cassel.  Berlin  (Bibliographisches  Bureau)  39  S.  —  Reo  :  Gymnas. 
N.  20  (P.  Meyer).     N    phil.  Rundschau  1892  N.  1  (F.  Meyer). 

Jahresbericht  für  Alterthums Wissenschaft-     LXXV .  Bd.     a893.  L)  3 


34  Aristoteles,  'Ai^jj.'aiwv  noXirsia. 

vermeiiitlicbe  Tendenz  in  folgenden  Sätzen  zusammenfasst:  »im  Schatten 
der  Monarchie  ist  die  Schrift  des  Aristoteles  entstanden;  sie  ist  eine 
fein  und  präcis  gegebene  Warnung  vor  der  Republik ;  sein  Ideal  war 
die  alte,  erbliche,  patriarchalische,  gewissenhafte  königliche  Verfassung; 
aus  dieser  Tendenz  ist  es  geschaffen  —  aus  ihr  werden  allein  seine 
scheinbare  Ungleichheit,  Differenzen  und  Lücken  verstanden«.  Letzteren 
Gedanken  sucht  Cassel  in  ausführlicher  Erörterung  nachzuweisen  —  eines 
nur  hat  er  vergessen:  die  ganze  zweite  Hälfte  des  Buches,  die  bei  ihm 
garnicht  berücksichtigt,  und  sie  gerade  wirft  seine  ganze  Lehre  um,  denn 
für  die  Tendenz  des  Aristoteles  war  sie  durchaus  übertiüssig.  Viel  fei- 
ner ausgesonnen  ist  die  Tendenz,  welche  A.  Bauer*)  neben  dem  Zwecke 
allgemeiner  Belehrung  findet:  nach  seiner  Meinung  will  Aristoteles  die 
Athener  mit  dem  Verlust  ihrer  Grossmachtstellung  versöhnen  und  durch 
den  Hinweis  auf  ihre  glücklich  geordneten  Verhältnisse  zur  willigen  An- 
erkennung der  makedonischen  Suprematie  ermahnen.  Dagegen  lässt 
sich,  abgesehen  von  dem  Einwand,  was  denn  die  übrigen  157  Politien 
bezweckten,  erwidern,  dass  gerade  von  der  auswärtigen  Politik  und  den 
Grossniachtsbestrebungen,  welche  die  Athener  aufgeben  sollen,  fast  gar- 
nicht die  Rede  ist,  dass  keineswegs  der  bestehende  Zustand  als  der 
glücklichste  gepriesen  wird,  und  dass  es  zu  dem  vermeinten  Zwecke  ganz 
überflüssig  war,  die  geringsten  Magistrate  aufzuzählen  und  gar  die  Ge- 
richtsordnung mit  dem  grössten  Detail  darzustellen. 

In  der  neuesten  Zeit  hat  denselben  Gedanken  von  einer  Tendenz 
der  Schrift,  aber  in  ganz  verändertem  Sinne  H.  Nissen^)  aufgenommen. 
Indem  er  in  ausführlicher  Darstellung  das  politische  Verhältniss  zwischen 
den  Griechen,  speciell  den  Athenern  und  Alexander,  sowie  das  persön- 
liche zwischen  letzterem  und  Aristoteles  erörtert,  der  ihm  zu  einer  Art 
politischen  Agenten  des  Makedoneukönigs  wird  (dieser  Theil,  vielfach 
problematisch,  oft  reines  Phantasiebild,  liegt  ausserhalb  des  Rahmens 
unserer  Besprechung),  gelangt  er  zu  dem  Resultate,  Aristoteles  habe  bei 
dem  Herrscher  die  Einführung  eines  allgemeinen  Reichsgesetzes  befür- 
wortet und  zum  Zwecke  der  Vorbereitung  desselben  sowohl  eine  Samm- 
lung von  den  bestehenden  Gesetzen  der  verschiedenen  Staaten  veran- 
staltet (später  von  Theophrastos  vollendet  und  herausgegeben  unter  dem 
Titel  i\o/xoi),  als  auch  eine  Zusammenstellung  der  Staatscinrichtungen 
mit  historischen  Einleitungen  geliefert  —  unsere  Politie  und  157  andere. 
»Die  Politik  entwickelt  die  allgemeinen  Principien  für  die  Reichsgesetz- 
gebung, während  die  Sammlungen  der  (jresetze  und  Verfassungen  für  die 
Behandlung   der    einzelnen   Fälle   dienen    sollena.     Es   wird   sowohl   der 


i)  Literarische  und  historische  Forschungen  zu  Aristoteles'  'A^^Tjuaeußv 
TToiiTcia  (vgl.  unten)  S.  19 — 22 

3)  80  H.  Nissen,  Die  Staatsschriften  des  Aristoteles  (Rhein.  Mus. 
XLVll  2,  S   161—206) 


III.    Höhere  Kritik.  35 

Aufbau  des  ganzen  Werkes  der  Politien  (au  dem  auch  Theophrastos  mit- 
gearbeitet haben  soll  und  das  später  in  mehreren  theils  ergänzten,  theils 
gekürzten  Fassungen  existierte)  erörtert,  als  auch  der  Plan  und  Zweck 
des  einzelnen  Theiles:  jeder  bestand  aus  einer  historischen  und  syste- 
matischen Hälfte;  letztere  ist  auf  Grund  otficiell  (in  Folge  königlichen 
Befehls)  gelieferten  Materials  abgefasst,  erstere  »ist  ein  politisches  Re- 
ceptbuch,  das  leichte  und  schwere  Heilmittel  enthält.«  Daraus  erklären 
sich  auch  verschiedene  Auslassungen  und  Entstellungen,  wie  z.  B.  »alles 
vermisst  wird,  was  in  die  Grossmachtspolitik  Athens  gehört,  denn  diese 
Dinge  hatten  keinerlei  praktische  Bedeutung  mehr  und  waren  nicht  ge- 
eignet, makedonische  Ohren  zu  ergötzen«.  Ans  dem  praktischen  Zweck 
des  Buches  wird  auch  erklärt,  dass  Aristoteles  es  mit  der  Wahrheit 
nicht  allzu  genau  nahm:  »aus  ihm  spricht  nicht  ein  ernster,  die  Wahr- 
heit suchender  und  kündender  Forscher,  spricht  vielmehr  ein  Hofraann, 
der  über  der  gefallenen  Grösse  mit  frivolen  Spässen  einhertrippelt,  die 
Staatsmänner  Athens  Lumpen,  die  Feldherrn  Stümper  scheltend«.  Dies 
alles  aber  sei  verzeihlich,  denn  er  hat  »ehrlich  (?!  doch  kaum  nach 
Nisseu's  Darstellung)  für  das  Beste  seines  Volkes  gestritten«  und  seine 
Darstellung  war  »für  das  Auge  des  Königs  bestimmt«  ,  also  war  er  ge- 
zwungen, ebenso  wie  »Männer  wie  Theopomp  und  Anaximenes  die  Ver- 
gangenheit ihres  Volkes  in  den  Koth  zu  zerren«.  Die  Tendenz,  welche 
Aristoteles  im  allgemeinen  verfolgen  soll,  findet  Nissen  selbst  in  Einzel- 
bemerkungen, die  sich  hauptsächlich  gegen  Demosthenes  richten:  ihn 
hat  er  im  Auge,  wenn  er  die  ungeziemende  Art  des  Auftretens  an  Kleon 
brandmarkt;  der  Kleophon  o  kufxiTMto^  enthält  eine  Anspielung  auf  den 
liayatpoT.otug\  »den  dritten  Volksverführer  Kallixparr^Q  [latavteb^  kennen 
wir  überhaupt  nicht  —  die  Vermuthung  ist  zulässig,  dass  hier  ein  Hieb 
gegen  Demades  (aus  Paiania)  geführt  wird«;  die  Weisheit  des  Areopag 
wird  gepriesen  —  »er  hatte  eben  Athen  von  Demosthenes  befreit«;  »die 
starke  Besetzung  der  Gerichte  wird  gelobt  -  die  Bestechung  der  1500 
Geschworenen,  die  im  harpalischen  Process  sassen,  hätte  in  der  That 
eine  unerschwingliche  Summe  gefordert« ,  u.  s.  w.  geht  es  in  demselben 
Tone.  Diese  Proben  genügen  wohl,  um  von  dem  allgemeinen  Charakter 
der  Abhandlung  eine  Vorstellung  zu  geben  —  wem  dieselbe  ansprechend 
erscheint,  dem  sei  dies  Vergnügen  unbenommen. 

4.  Verhältniss  zu  den  anderen  Schriften  des  Aristoteles. 
Bei  der  Untersuchung  dieser  Frage,  welche  auch  für  die  Echtheit 
der  Schrift  stark  in  Betracht  kommt,  ist  vor  allem  die  Politik  heranzu- 
ziehen. Schon  Kenyon  hat  hie  und  da  Hinweise  auf  Parallelstellen 
gemacht,  aber  weit  vollständiger  ist  dies  geschehen  in  B.  Haussoulli er's 
Uebersetzung  (s.  oben),  der  nicht  nur  die  factischen  Uebereinstimmungeu, 
sondern  auch  die  Anklänge  an  Gedanken  und  allgemeine  Principien  der 
Politik  mit  grosser  Sorgfalt  verzeichnet  hat,   ohne  sich  in  nähere  Erör- 

3* 


36  Aristoteles,  ^A&Tj\>aiw\'   nokireia. 

terungen  einzulassen.  Letzteres  hat  in  einer  Specialuntersuchung  P. 
Meyer M  gethan,  der  sich  aber  nur  auf  eine  Auswahl  von  Stellen  aus 
dem  historischen  Theile  beschränkt  und  von  diesen  nur  einige  ausführ- 
licher bespricht,  insbesondere  diejenigen  in  denen  Schvarcz,  Cauer  oder 
Rühl  einen  Widerspruch  zwischen  beiden  Werken  haben  entdecken  wollen. 
Besonders  die  Gesetzgebung  Drakons  nimmt  mehr  als  die  Hälfte  der 
ganzen  Abhandlung  in  Anspruch:  Meyer  sucht  nachzuweisen,  dass  zwar 
das  Schlusskapitel  des  zweiten  Buches  der  Politik  echt  sei,  aber  keineswegs 
im  Widerspruch  stehe  zu  den  Angaben  der  Politie.  Drakon  war  vo/io- 
l^zzrjg,  also  gab  er  \^6/xoc,  diese  können  aber  nach  dem  Sprachgebrauch 
des  Aristoteles  (wie  in  längerer  Ausführung  bewiesen  wird)  neben  an- 
deren auch  Verfassungsbestimmungen  enthalten  haben,  ja  sie  mussten  das, 
»denn  sonst  hätte  er  nicht  an  dieser  Stelle  des  zweiten  Buches  vorkommen 
können;«  aber  die  vauoBäruc  können  entweder  selbständig  Neues  schaffen 
oder  nur  die  bestehenden  Normen  kodificieren  —  Drakou  gehört  (nach 
der  Politik)  zu  den  letzteren  und  dies  lässt  sich  gerade  an  der  Politie 
nachweisen,  denn  die  Staatsordnung  vor  ihm  ist  durchaus  dieselbe,  welche 
er  in  seiner  Gesetzgebung  festgestellt  hat.  Wenn  Aristoteles  beide 
trennt,  so  thut  er  es  absichtlich,  um  ihre  Identität  zu  beweisen  gegen 
solche,  »welche  Drakon  als  Schöpfer  einer  Verfassung  ansahen«.  Wenn 
diese  Argumentation  nicht  anders  als  gewaltsam  und  verfehlt  bezeichnet 
werden  kann,  so  hat  dagegen  Meyer  vollkommen  Recht,  wenn  er  die 
Differenz  in  den  Angaben  des  Wahlmodus  der  Archonten  {'Aft.  ttoL  8  — 
Pol.  II,  12,  p.  1273  b  40,  III,  11,  p.  1281b  33)  für  irrelevant  erklärt, 
weil  es  dem  Autor  in  der  Politik  auf  zufällige  Nebenumstände  nicht  an- 
kam, und  ebenso,  wenn  er  den  Zahlenunterschieden  in  der  Bestimmung 
der  Regierungsdauer  der  Peisistratiden  CA&.  noX.  14  et  19  —  Pol.  Vlil, 
12,  p.  1315  b  31)  keinen  Werth  beiraisst.  Zweifelhafter  ist  seine  Erklä- 
rung des  Widerspruches  in  Betreff  der  Phratrien:  in  der  Politie  (Kap.  21) 
hiesse  es  nur,  dass  Kleisthenes  jedem  der  früheren  Bürger  gestattete, 
seine  Phratrie  zu  behalten,  was  keineswegs  ausschliesse,  dass  für  die 
Neubürger  neue  Verbände  geschafft  worden  seien,  wie  die  Politik  be- 
haupte (VII,  4,  p.  1319b  11).  —  Ref.  kann  dem  ausdrücklichen  Zeug- 
niss  des  Aristoteles  diesen  Sinn  nicht  unterschieben,  noch  weniger  sein 
sehr  beredtes  Schweigen  über  etwaige  Vermehrung  der  Phratrien,  Ver- 
ringerung der  Zahl  der  Gottesdienste  u.  s.  w.  aus  der  Politik  corrigie- 
ren,  deren  Worte  selbst  eine  ganz  andere  Deutung  zulassen.  Die  übri- 
gen Bemerkungen  Meier 's  beziehen  sich  auf  Kleinigkeiten. 


•)  81.  P.  Meyer,  Des  Aristoteles  Politik  und  die  'At^vaiwv  noXtTEia. 
Nebst  einer  Litteraturübersicht  Bonn  (Cohen),  72  S.  Reo.:  Lit.  Centr.-Bl. 
1892  N.  2  {kl.). 


111     Höhere  Kritik  37 

5.   Quellen. 

Was  die  Quellen  anbetrifft,  aus  denen  der  Verfasser  der  neuen 
Schrift  seine  Darstellung  geschöpft  hat,  so  nennt  er  selbst  nur  Herodot 
und  Solon,  also  fordert  diese  Frage  erst  eine  genaue  Untersuchung,  die 
ihr  bis  jetzt  noch  nicht  zu  Theil  geworden  ist.  Einige  Fiugerzeichen 
geben  ganz  kurz  W.  B.  New  man  in  seiner  Recension  der  ersten  Ken- 
yon'schen  Ausgabe  und  Th.  Reinach  in  der  Einleitung  zu  seiner 
Uebersetzung,  wo  namentlich  auf  die  Parallelstellen  aus  den  Atthi- 
dographen  verwiesen  wird.  Eine  allgemeine  Eintheilung  der  Quellen 
in  verschiedene  Gruppen  hat  R.  W.  Maeau')  versucht  zu  geben  und 
findet  deren  vier:  1.  Texte  der  Autoren  (Herodot,  Thukydides,  Xeno- 
phou);  2.  Officielle  Documente;  3.  Archaeologische  Quellen  (nur  sehr 
sparsam  benutzt);  4.  Ueberreste  alter  Institutionen,  aus  denen  Schlüsse 
(nicht  immer  vorsichtig  genug)  gezogen  werden  auf  ältere  Zustände  und 
Einrichtungen.  Diese  Eintheilung  wird  wohl  kaum  allgemeine  Billigung 
finden:  erstens  lassen  sich  die  »archaeologischen  Quellen«  bei  Aristoteles 
wohl  kaum  von  den  »Documenten«  scheiden;  zweitens  ist  die  unter  4. 
angeführte  Quelle  viel  eher  als  Methode  der  Forschung  zu  bezeichnen. 
Einen  Beitrag  zur  Quellenuntersuchung  der  neuen  Schrift  liefert  F.  Dümm- 
ler,^)  indem  er  den  Einfluss  von  Kritias'  'A&rjva:ajv  -nohztia  auf  dieselbe 
festzustellen  sucht:  er  findet  ihn  in  der  von  Aristoteles  widerlegten 
Anekdote  von  Solens  unrechtmässiger  Bereicherung  und  der  böswilligen 
Insinuation,  derselbe  habe  mit  Absicht  seine  Gesetze  dunkel  abgefasst, 
um  die  Macht  der  Gerichte  und  mittelbar  des  Volkes  zu  erhöhen.  Da- 
gegen leugnet  Dümmler  entschieden,  dass  Aristoteles  »in  der  unhalt- 
baren Nachricht  von  der  Betheiligung  des  Themistokles  am  Sturz  des 
Areopag«  oder  in  der  Darstellung  der  Drakontischen  Verfassung  von 
Kritias  abhängig  sei,  wie  das  von  Th.  Rein  ach  angenommen  worden 
ist  —  die  Ausführungen  dieser  anregenden  Abhandlung  sind  sehr  be- 
stechend, aber  doch  nicht  über  jeden  Zweifel  erhaben.  Sehr  dankens- 
werth  sind  die  Hinweise  auf  Uebereinstimmungen  zwischen  Aristoteles 
und  Isokrates  sowohl  in  Einzelangaben  wie  in  allgemeinen  Ansichten,  die 
Dümmler  und  noch  mehr  New  man  (a.  a.  0.)  giebt. 

Für  einen  Theil  der  Schrift  sucht  G.  De-Sanctis^)  die  Quellen 
festzustellen,  nämlich  für  Kapp.  22—28.  Indem  er  die  Frage  über  den 
Aristotelischen  Ursprung  derselben  bei  Seite  lässt  und  nur  (nach  Torr) 
deren  Abfassungszeit  auf  329  —  325   festsetzt,    behandelt   er  zuerst  die 


1)  82.  R.  W.  Macan,  Mi^iyvat'wv  noXtreia  (Journ.  of  hell.  Stud.  XII,  1, 
p.  17-40). 

3)  83.  P'.  D  ü  mmler,  Die  "Ai^vaiwv  izohztia  des  Kritias  (Hermes  XXVII, 
2,  S.  260-286. 

3)  84.  G.  De-Sanctis,  Studi  sul  ^A^rjvamv  noAireia  attribuita  ad  Aris- 
totele  (Riy.  di  Filologia  XX,  13,  p.  147-163). 


38  Aristoteles,  ''A&rjvaicjv  nohreia. 

Anachrouismen  in  dem   uur   oberflächlich   skizzierten  Geschichtsabschnitt 
zwischen  den  persischen  Kriegen   und   der    Revolution   der  Vierhundert : 
als  solche  constatiert  er  die  Erzählung  von  der  Theilnahme  des  Themi- 
stokles  am  Sturz  des  Areopag,  die  Bezeichnung  des  Kimon  als  veiürspog 
und  die  Angabe  über  den  Beginn   der   politischen  Thätigkeit   des   Peri- 
kles  (Kap.  26),  weiter  die  Chronologie   des  Archontats   des    Herraukreon 
(Kap.  22)  und  der  ersten  Fälle  der  Anwendung  des  üstrakismos  (ibid.). 
In  beiden  letzteren  Erzählungen,  meint  er,  beruhe    der   Irrthum  darauf, 
dass  der  Verfasser   etwas   ausgelassen  habe,    was   seine  Quelle   enthielt, 
und   doch   deren   chronologische  Angaben   unverändert  aufnahm:    so   sei 
nach   dem   Arch.   Hermukreon   noch   ein   anderer    genannt  gewesen    und 
nach  dessen  Jahre  izst  jiezä  zau-a  duüjosxdzoj  die  Perserkriege  da- 
tiert, andererseits   setze  die  Angabe  im  fxkv  ouv  iz-q  zpla  zobg  zwv  zo- 
fjdvvcuv  (filooq  ujazpdxc^ov  voraus,  dass  nicht  nur  Hipparchos   und  Mc- 
gakles,  sondern   noch   ein   dritter  als   verbannt   angeführt   wurde  (nach 
seiner  Annahme  Alkibiades   der   Aeltere).     Dagegen  stamme   vom   Verf. 
selbst  die  Eintheilung  der  Ostrakisierten   in  Freunde  der  Tyrannen  und 
zobg  rhnuBsv  zr^g  zupavvcdog,   welche  ganz  unsinnig  sei,   da  die  Athener 
nicht   20  Jahre   gewartet  hätten  um  die  Anhänger  der  Peisistratiden  zu 
verbannen.     Ebenso   unsinnig   sei   die   mit    dieser    Erzählung    verquickte 
Nachricht  über  die  Art  und  Weise,   wie  Themistokles   die  Athener  zum 
Flottenbau   bewogen    habe.     Auf  diese  Weise    gelangt  De-Sanctis    zum 
Resultat,  das  sich  ihm  durch  Betrachtung  der  folgenden  Kapitel  zu  be- 
festigen scheint,  dass  diesem  Abschnitt  eine  doppelte  Quelle  zu  Grunde 
liegt:    aus   einer  entstammen   die  kurzen,   präcisen  chronologischen  An- 
gaben von  unbedingter  Glaubwürdigkeit,   der   anderen  sind  die  ausführ- 
lichen, meist  anekdotenhaften  Erzählungen  von  sehr  zweifelhaftem  Werth 
entnommen  —   wo  beide   mit   einander   verbunden   sind,    entstehen  Ver- 
wirrungen  und  Anachronismen.     So   ist  z.  B.  die   kurze  Nachricht  über 
den  Sturz  des  Areopag  unter  dem  Archontat  des  Konon  und  wohl  auch 
die  Notiz  in  Betreff  der  Ermordung  des  Ephialtes  aus  der  ersten  Quelle 
geschöpft,  dazwischen  aber  aus  der  anderen  die  unglaubwürdige  Erzäh- 
lung über  die   List  des  Themistokles   eingeschoben.      Die    erste   Quelle 
muss  eine  chronikartige  Darstellung  gewesen  sein,  wohl  einer  der  Atthi- 
dographen  und  zwar  einer  der  älteren  wegen  der  Knappheit  der  Erzäh- 
lung, während  die  Nachrichten  anderer  Art  wohl  nicht  aus  einer  einzigen 
Quelle    stammen.     Für    den   von    Aristoteles    benutzten    Atthidographen 
könnte  man  Androtion  halten,  da  sich  einige  Berührungspunkte  zwischen 
ihm    und   der  'AH.  tmL  zeigen ,    aber   gegen   diese  Annahme  spricht  die 
ganz  verschiedene  Darstellung  der  Solonischen  Seisachtheia:  nicht  Aristo- 
teles hat  den  Androtion,  sondern   dieser  hat  die  Ai^.nol.  benutzt,   war 
also  keineswegs  identisch  mit  dem  Gegner  des  Demostheues.  —  Alle  diese 
Ausführungen  bieten  viel  des  beachtenswerthen,   obgleich  man  sich  liicht 
durchaus  damit  einverstanden  erklären  kann.    Schon  die  Sätze,  von  denen 


III.    Höhere  Kritik.  39 

Verf.  ausgeht,  sind  nicht  einwandfrei:  so  die  Untersuchung  über  die  Ver- 
bannten mit  der  Hypothese  vom  Ostrakismos  des  Alkibiades,  so  noch 
mehr  die  Lösung  der  chronologischen  Aporie  in  Betreff  des  Archon 
Herraukreou.  Der  Verf.  meint,  wie  gesagt,  letztere  zu  lösen,  indem  er 
auuimmt,  dass  in  der  Quelle  nach  dem  Archoutat  desselben  ein  von 
Aristoteles  nicht  erwähntes  Ereigniss  notiert  war,  von  dem  aus  die  elf 
Jahre  bis  zur  Schlacht  von  Marathon  berechnet  sind;  er  bemerkt  nicht, 
dass  die  Schwierigkeit  vielmehr  in  den  Worten  irec  ne/iTzroj  fjLeza  Taorrjv 
rrjv  xazdaraatv  i<p'  '^Ep/xuuxpiovzog  äp/ovrog  liegt,  denn  dadurch  wird 
das  betreffende  Archontat  auf  das  Jahr  504/3  festgesetzt,  welches  schon 
durch  den  Archon  Akestorides  in  Anspruch  genommen  ist.  Ebenso  sind 
die  Ausführungen  über  die  Rolle  des  Areopag  in  den  Perserkriegen  sehr 
problematischer  Art.  Wenn  so  die  Fundamente,  auf  denen  der  Verfasser 
baut,  sich  als  nicht  festbegrüudet  erweisen,  so  wird  man  auch  dem 
Schlussresultat  gegenüber  die  grösste  Vorsicht  üben  müssen  und  sich 
vorläufig  ablehnend   verhalten. 

Zur  Quellenforschung  müsste  als  nothwendige  Ergänzung  die 
Untersuchung  über  die  Benutzung  des  Aristotelischen  Werkes  bei  spä- 
teren Schriftstellern  hinzutreten;  aber  in  dieser  Beziehung  ist,  abgesehen 
von  der  Zusammenstellung  der  namentlichen  Citate  bei  den  Lexiko- 
graphen und  anderen  in  einigen  Ausgaben  (vgl.  oben),  bis  jetztfast  gar 
nichts  geleistet  worden.  Zwar  hat  J.  H.  Wrighli)  versucht,  bei  Phi- 
lochoros  Spuren  der  Bekanntschaft  mit  Aristoteles'  Schrift  nachzuweisen, 
aber  dieselben  sind  nicht  so  deutlich  ausgedrückt,  dass  man  über  die 
Annahme  gemeinsamer  Quellen  hinausgehen  müsste.  Weniger  Zweifeln 
ausgesetzt  ist  die  Untersuchung  C  Holzinger's^)  über  das  Verhält- 
niss  der  Heraklidischen  Excerpte  zu  dem  Aristotelischen  Werke.  Der- 
selbe stellt  die  Behauptung  auf,  diese  »seien,  abgesehen  von  insigni- 
ficanteu  Füllwörtern,  wesentlich  nichts  anderes  als  irgendwie  zusammen- 
geschobene Fragmente  der  Aristotelischen  Politie«,  wobei  es,  natürlich, 
an  Textverderbnissen  nicht  fehlt,  wie  z.  B.  in  §  8  (ed.  Rose)  am  Schluss 
statt  des  sinnlosen  xac  zä  noMjmta  zu  lesen  ist  xal  u  noM/xap^og  seil. 
T.otelzai  duacag.  Seinen  Satz  sucht  Verf.  durch  Vergleichuug  von  §§  3 — 8 
(Rose  =  5 — 11  Blass)  mit  dem  Text  der  'Ab.  noX.  zu  beweisen,  was  ihm 
auch  gut  gelungen  ist.  Als  Autor  dieser  Excerpte  wird  der  jüngere 
Herakleides  Ponticus  angesehen:  dieser  aber  habe  nicht  Didymus  excer- 
piert,  wie  der  Vergleich  mit  Suidas  und  der  lexicographischen  Litteratur 
überhaupt  lehre,  sondern  das  eigene  Werk  des  Aristoteles.  Also  sei 
der  Ausdruck  »excerpta  excerptorum«  für  dieselben  falsch  —  es  seien 


1)  85.  J.  H.  Wright,  Did  Philochorus  quote  the  'A^^rjvamv  noXirda  as 
Aristotles'  (Amer  Journ.  of  Philoiogy,  XII,  3,  p.  310-18). 

2)  86.    C.  V  Holzin ger,  Aristoteles'  athenische  Politie  und  die  Herakli- 
dischen Eicerpte  (Philologus,  N.  F.  IV,  3,  S.  436-46). 


40  Aristoteles,  ^A^rjuatw^  nuXireia. 

vielmehr  »fragmenta  excerptorum « ,  wie  auch  der  Titel:  Ix  rmv' HpaxXei- 
Sou  beweise;  ebenso  unannehmbar  sei  die  Meinung  Rose's,  dafs  ausser 
aristotelischem  noch  anderes  Material  benutzt  sei  Folglich  müssen  auch 
§§1-2  als  demselben  Werke  entnommen  betrachtet  und  zur  Recou- 
struierung  des  verlorenen  Anfangs  im  stärkerem  Maasse,  als  bis  jetzt  ge- 
schehen, herangezogen  werden. 

6.    Interpolationen   und  Widersprüche. 
Sowohl  Cauer  als  Rühl  haben  in  ihrer  Polemik  gegen  die  Echt- 
heit der  Schrift  auf  mehrere  Incouciunitäten,  die  Herausgeber  Kaibel- 
Wilamowitz  und   besonders  Herwerden-Leeuwen  auf  einige  ihrer 
Meinung  nach  interpolierte  Stellen  hingewiesen :  ausführlicher  hat  zuerst 
diese  Fragen  behandelt  R.  W.  Macan  (a.  a.  0.).    Während  er  im  zweiten 
Theile  des  Werkes  nur  auf  den   Widerspruch  zwischen  Kap.  54    (über 
^oytaral  und  auvijyopoi:)  und  Kap.  48  (über  Xoyiaxai  und  suBuvoc)  unter 
Heranziehung  des  Citates  im  Lexicon  Cantabrigiense  hinweist,  findet  er 
im   ersten  vor  allem  das  Resume  im  Kap.  41  äusserst  verdächtig,   dann 
bemerkt  er,   dass  die  Darstellung  der  dp/aia  noXtreca  in  Kap.  3   nach 
dem  Kylonischen  äyog  an  die  unrechte  Stelle  gerathen  sei,  wie  vielleicht 
auch  die  Erzählung  über  die  ardiacg  im  zweiten,  welche  der  Gesetzgebung 
des  Solon  unmittelbar  vorhergehen  musste;   ganz  unbedenklich  wird  das 
Kap.  4   (über  Drakon)   verurtheilt   als   afterthought   taking  the  place  of 
history;  endlich  werden  als  äusserst  verdächtig  bezeichnet  das  aus  dispa- 
raten Elementen  bestehende  27-te  und  das  in  sich  selbst  an  Widersprüchen 
leidende  30-te  Kap.:  im  ersteren  wird  ganz  unerwartet  Perikles  als  Gegner 
des  Areopag  eingeführt  und  gleich  darauf  die   Bestechung  des  Gerichtes 
durch  Anytos  erwähnt,   die  erst  im  J.  409  stattfand;  in  letzterem  sollen 
die  Archonten   gewählt  werden    ix  npoxpcTojv   und   gleich   darauf  ist  die 
Rede  von  ihrer  Erloosung,  während   die  Hellenotamien   bald   als  Raths- 
mitglieder  erscheinen,   bald   keinen  Antheil   an  dessen  Sitzungen  haben. 
Die  meisten  dieser  Einwände  zeigen  nur,  dass  die  Composition  des  Wer- 
kes vielleicht  nicht  so  vorzüglich,    die  Ausdrucksweise  nicht  so  klar  ist, 
wie  manche  es  im  ersten  Enthusiasmus  gefunden  haben.    Ueber  den  Auf- 
bau der  ersten  Kapitel  muss,   wer  gerecht  sein  will,   sich  jeglichen  Ur- 
theils  enthalten,   da  es  nicht  ausgeschlossen   ist,   dass  bei  dem  Verluste 
des  Anfangs   das,  was  jetzt  Anstoss   erregt,   höchst  kunstvoll   motiviert 
war.     Was   aber  die   zwei   letztgenannten  Kapitel  betrifft,  so  kann  man 
im  27-ten  durchaus  nichts  austössiges  darin  finden,  dass  bei  der  politischen 
Thätigkeit  des  Perikles  auch  seines  Vorgehens  gegen  den  Areopag  Er- 
wähnung geschieht   und   dass  Aristoteles   um   die  allmälige  (del   päXXov) 
Verschlechterung  der  Gerichte  concreter  zu  charakterisieren    auch  der  Be- 
stechung derselben  durch  Anytos  vorausgreifend  gedenkt.    Im  30-ten  Kap. 
kann  Referent  auch  keinen  Widerspruch  entdecken,  denn  der  Ausdruck 
acpeTaßac  ist  unbestimmter  Art  und  kann  sowohl  auf  Wahl,  als  Loos  gehen, 


ni.   Höhere  Kritik.  41 

steht  also  in  keinem  Gegensatze  zu  dem  folgenden  xXrjpoov  und  von  den 
Hellenotamien  heisst  es,  dass  sie  aus  den  Rathsraitgliedern  bestellt  wer- 
den und  die  gerade  in  Funktion  befindlichen  nicht  im  Rathe  mitstimmeu 
sollen  —  selbst  wenn  diese  Bestimmung  sich  auf  das  ganze  Collegium 
bezöge  (Ref.  meint  nur  auf  einen  wechselnden  geschäftsführenden  Aus- 
schuss),  so  wäre  daran  nichts  Unerhörtes.  Der  Einwand  endlich,  dass 
dieses  und  das  folgende  {31-te)  Kapitel  manches  der  Erzählung  des  Thuky- 
dides  Widersprechende  enthalten,  ist  vollkommen  unbeweisend :  gerade 
solcher  Widerspruch  gegen  eine  Autorität  wie  Thukydides  —  und  dies 
müssten  manche  Gelehrte  bedenken  —  ist  einem  untergeordneten  Scri- 
benten  viel  weniger  zuzumuthen,  als  einem  selbständigen  Geist  wie 
Aristoteles. 

Aus  anderen  Gründen  ist  der  Verdacht  der  Interpolation  entstan- 
den, welcher  den  französischen  Uebersetzer  Th.  Reinach')  bewogen  hat 
aus  dem  echten  Text  das  Kapitel  4  (über  Drakon),  Anfang  des  8-ten  (Wahl 
der  Archonten  ex  npoxpkwv)  und  Mitte  des  25-ten  (Antheil  des  Themisto- 
kles  am  Sturze  des  Areopag)  als  Interpolation  auszuscheiden.  Da  die  betref- 
fenden Aufsätze  dem  Ref.  unzugänglich  waren,  kann  er  sich  nur  im  all- 
gemeinen äussern,  dass  die  Motive  hauptsächlich  historisch-kritischer  Art 
waren :  die  in  diesen  Kapiteln  enthaltenen  Thatsachen  finden  keine  Unter- 
stützung in  unserer  sonstigen  Ueberlieferung,  ja  scheinbar  widersprechen 
sie  den  Angaben  des  Aristoteles  selbst  in  der  Politik;  gegen  den  Wahl- 
modus der  Archonten  in  Kap.  8  speciell  führt  Reinach  noch  Widerspruch 
mit  Kap.  22  an.  Letzterer  Einwand  ist  schon  von  W.  BuseskuP)  ent- 
kräftet worden  durch  den  Hinweis,  dass  es  hier  heisst,  die  Athener  hätten 
das  Loos  eingeführt  im  Jahre  487  tots  }i£Tä  rrjv  ropawiSa  npäftov  — 
also  vor  der  Tyrannis  war  das  Loos  im  Gebrauch  gewesen.  Die  über- 
raschende Neuheit  einiger  Angaben  der  Politeia  darf  weder  gegen  die 
Autorschaft  des  Aristoteles  in's  Feld  geführt  werden,  noch  dazu  dienen, 
die  betreffenden  Stellen  für  Interpolationen  zu  halten  —  ob  sie  unseren 
Glauben  verdienen,  ist  Sache  einer  speciellen  Untersuchung.  Ref.  selbst 
hat  über  das  4-te  Kapitel  die  Vermuthung  geäussert,  dass  es  ein  späte- 
res Einschiebsel  sei  (dazu  haben  ihn  Gründe  der  Composilion  bewogen: 
erstens  heisst  es,  dass  Solon  Ttp.7jp.aTrx  ScelXev  eig  xizzapa  riXrj  xa^änep 
Sc-^pri-o  xai  Ttpözepov  und  letztere  Worte  sehen  einem  Zusatz  äusserst 
ähnlich;  zweitens  werden  die  vier  Klassen,  von  Drakon  eingeführt,  erst 
unter  Solon  beschrieben;  drittens  wird  der  Solonische  Rath  als  etwas 
Neues  eingeführt,  als  ob  ihm  der  so  ähnliche  Drakontische  nicht  voran- 


1)  87.  Th.  Reinach,  Trois  passages  du  livre  d'Aristote  (Acad.  des 
Inscr.  5  Juin:  cfr.  Rev.  crit.  No.  24).  88.  Idem,  Aristote  ou  Critias?  (Rev. 
des  etudes  gr.  IV,  14,  p.  143—158). 

2)  In  der  Recension  von  Stern's  »Neuentdeckte  athenische  Staatsver- 
fassung«, in  der  (Russischen)  Fhil.  Rundschau  II,  2,  ö.  153, 


42  Aristoteles,  %%Tjvaiu)v  noAtreta. 

gegangen  sei).  Dabei  hat  er  aber  den  aristoteliscben  Ursprung  auch 
dieses  Kapitels  nicht  in  Zweifel  gezogen:  der  Verfasser  hat  sich  im  Ver- 
lauf seiner  Arbeiten  überzeugt,  dass  die  Demokraten  auf  ihren  Helden 
Solüi)  Ehren  gehäuft  hatten,  die  ihm  nicht  zukamen,  und  seine  bessere 
Einsicht  fügte  er  im  Texte  des  4-ten  Kapitels  hinzu  ohne  die  ganze  Par- 
tie einer  durchgreifenden  Ueberarbeitung  zu  unterziehen. 

Einige  kleinere  (vermuthete)  Interpolationen  können  erst  in  der 
Uebersicht  der  Textkritik  berücksichtigt  werden. 

IT.    Erläuterungsschriften. 

1.    Allgemeine. 

Hier  ist  nur  ein  Werk  zu  nennen,  das  schon  früher  gelegentlich 
angeführt  wurde; 

89.    A.  Bauer,  Literarische  und  historische  Forschungen  zu  Aristo- 
teles' 'A^r^vaiojv  TzoÄc-sia.     München  (Beck).     1891.     190  S. 

Reo.:  D.  Lit.-Zeit.  No.  47.  V^^och.  f.  class.  Phil.  1892,  No.  1  (Rühl). 
Lit.  Centr.-Bl.  1892,  No.  4  {kl).  N.  phil.  Rundschau  1892,  No.  4 
(Swüboda).     Äcademy,  No.  1006  (Richards).     Athenaeum,  No.  3332, 

Das  Buch  zerfällt,  wie  schon  der  Titel  zeigt,  in  zwei  Theile,  von 
denen  der  erste,  kürzere,  die  Stellung  der  neuen  Schrift  in  der  griechi- 
schen Historiographie  festzustellen  bestimmt  ist,  wobei  ihrer  Tendenz 
(s.  0.)  und  dem  Vergleich  mit  anderen  Geschichtsschreibern,  besonders 
Thukydides,  die  Hauptaufmerksamkeit  geschenkt  wird.  Der  zweite,  bei 
weitem  bedeutendere  Theil  behandelt  die  historischen  Ergebnisse  der 
'AB.  r.oX.  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Chronologie,  die  Aristo- 
teles seiner  Verfassungsgeschichte  zu  Grunde  gelegt  hat,  wobei  Verf. 
versucht,  die  Angaben  der  neuen  Schrift  in  Einklang  zu  bringen  mit  den 
anderweitigen  Nachrichten.  Die  Untersuchung  zerfällt  in  drei  Abschnitte: 
die  Solonische  Gesetzgebung  und  die  Tyrannis  der  Peisistratiden ;  die 
Pentekontaetie;  die  Verfassungskämpfe  von  411  —  403.  Die  Ilauptresul- 
tate  der  zwei  ersten  Abschnitte  sind  zusammengefasst  in  ausführlichen 
»Zeittafeln  von  594/3 — 446/5«.  Der  Inhalt  der  Schrift  sichert  ihr  bei  der 
grossen  Gelehrsamkeit  des  Verfassers  einen  hervorragenden  Platz  in  der 
Aristoteles-Litteratur,  aber  bei  weitem  nicht  mit  allen  Ergebnissen  der- 
selben kann  man  sich  für  einverstanden  erklären,  da  der  Hauptgesichts- 
punkt und  die  Methode  nicht  einwandsfrei  sind.  Der  Verfasser  sucht 
eine  einheitliche  geschichtliche  Ueberlieferung  zu  reconstruieren,  alle 
Widersprüche  zu  uniformieren,  und  wenn  ihm  das  nicht  gelingen  will, 
scheut  er  nicht  vor  gewaltsamen  Mitteln  zurück,  dabei  geht  er  aus  von 
dem  Staudpunkt  der  Unfehlbarkeit  des  Aristoteles  alles,  was  mit  ihm 
uicht  übereinstimmt,  wird  ohne  weiteres  aus  dem  Wege  geräumt.    Wenu 


IV.    Erläuterungsschriften.  43 

bei  Berechnung  des  Archontenjahres  des  Solon  und  der  Chronologie  des 
Peisistratos  die  Zahlaugaben  des  Textes  ganz  willkürlich  geändert  wer- 
den um  Uebereinstimniung  mit  der  recipierten  Chronologie  zu  erreichen, 
so  flösst  dies  schon  Bedenken  ein:  obgleich  nicht  zu  leugnen  ist,  dass 
gerade  die  Zahlzeichen  in  den  Handschriften  oft  sehr  verdorben  sind, 
darf  man  doch  die  durch  Conjectur  gewonnenen  Daten  nicht  für  authen- 
tisch beglaubigte  ausgeben.  Auch  die  Festsetzung  des  Archontats  des 
Damasias  auf  das  Jahr  583/82  auf  Grund  der  sehr  bedenklichen  drei  je 
5 -jährigen  Zwischenräume  wäre  trotz  des  ziemlich  sicher  (früher)  er- 
schlossenen Datums  585/4  noch  ganz  annehmbar.  Aber  starken  Wider- 
spruch wird  es  sicher  hervorrufen,  dass  auf  Grund  des  Zeugnisses  des 
Aristoteles  von  Themistokles'  Theilnahrae  am  Sturz  des  Areopag  im 
Jahre  462  die  ganze  Chronologie  der  Pentekoutaetie  umgestürzt  wird, 
nicht  ohne  starke  Textänderungen  bei  Thukydides  und  sehr  gewaltsame 
Auslegungen  seiner  und  anderer  Angaben.  Freilich  ist  die  Zeitrechnung 
dieses  Abschnittes  griechischer  Geschichte  eine  der  dunkelsten  Fragen, 
welche  sie  bietet,  und  wird  wohl  nie  zu  allgemeiner  Zufriedenheit  fest- 
gestellt werden,  aber  gerade  deshalb  ist  die  grösste  Vorsicht  unbedingt 
erforderlich:  wenn  wir  zu  Gunsten  des  Aristoteles  einige  bis  jetzt  fest- 
stehende Pfeiler  derselben  untergraben  oder  gar  wegräumen,  was  kann 
das  ganze  Gebäude  dann  vor  Einsturz  und  Auflösung  in  Eiuzelblöcke 
bewahren?  Es  scheint  doch,  dass  bei  Aristoteles  eine  andere  Zeitberech- 
nung und  Folge  der  Ereignisse  zu  Grunde  liegt  als  bei  Thukydides  — 
wer  von  ihnen  Recht  hat,  rauss  erst  genauer  untersucht  werden,  aber  in 
Einklang  zu  bringen  sind  ihre  Nachrichten  wohl  kaum.  Der  letzte  Ab- 
schnitt bietet  weniger  Anlass  zu  Widerspruch,  aber  auch  weniger  Inter- 
esse dar.  Nichts  desto  weniger  wird  jeder,  der  sich  mit  der  'Af^rjvrxcujv 
TZüXtreta  beschäftigt,  das  Buch  Bauer's,  dessen  reicher  Inhalt  sich  nicht 
in  einem  kurzen  Berichte  zusammenfassen  lässt,  selbst  in  die  Hand 
nehmen  müssen. 

2.    Specialuntersuchungen. 

Unter  diesem  Titel  sind  die  Beiträge  zur  Interpretation  oder  histo- 
rischen Kritik  einzelner  Stellen,  so  weit  es  möglich  war,  in  der  Reihen- 
folge der  Kapitel  zusammengestellt,  indem  natürlich  von  den  Anmer- 
kungen in  den  Ausgaben,  Uebersetzungen  u.  s.  w.  abgesehen  worden  ist. 

90.    H.  Di  eis,  Ueber  Epimenides  von  Kreta  (Sitz.-Ber.  der  Königl. 
Preuss.  Akad.  vom  16.  April). 

Verf.  prüft  die  zwei  entgegengesetzten  Nachrichten  des  Piaton, 
dass  Epimenides  um  das  J.  500  in  Athen  gewirkt  habe,  und  des  Aristo- 
teles, welcher  ihn  in  Verbindung  mit  dem  Kylonischen  äyog  vor  Solon 
ansetzt,  und  kommt  zu  folgendem  Ergebniss.  Epimenides  ist  eine  histo- 
rische Persönlichkeit,   ein    berühmter  Katharte,  der  um  die  Wende  des 


44  A  rhiotelee, 'A<&rjvaiwv  noAneia. 

Vn.  Jahrh.  gelebt  hat  und  Atheu  wirklich  nach  dem  Frevel  entsühnte, 
aber  nicht  sofort,  denn  längere  Zeit  haben  die  Alkmeoniden  und  ihre 
Genossen  ruhig  weiter  regiert  ohne  sich  an  das  ayog  zu  kehren  in  jener 
religiösen  Aufklärung,  welche  auch  im  Epos  hervortritt,  und  erst  viel 
später  ist  das  Bürgerthum,  in  dem  der  »pelasgische«  Glaube  an  die 
dunklen  Mächte  unter  der  Erde  stark  war,  mit  seiner  Forderung  der 
Sühne  durchgedrungen.  Hundert  Jahre  später  ist  zur  Zeit  des  Kleisthe- 
nes  die  Erinnerung  an  das  ayo;  wieder  erwacht  und  zugleich  auch  Epime- 
nides  aus  hundertjährigem  Schlaf  auferstanden,  nämlich  unter  seinem 
Namen  von  Onomakritos  orphische  Fälschungen  sammt  Orakeln  in  Um- 
lauf gesetzt.  Verf.  glaubt,  dass  damals  eine  ganze  Reihe  von  Ereig- 
nissen der  jüngsten  Zeit  in  Epimenideischeu  Orakeln  dargestellt  und  auch 
auf  den  ersten  Perserkrieg  Bezug  genommen  wurde.  Dadurch  sollte  in 
Athen  der  Glaube  erweckt  werden,  dass  es  den  Peisistratiden  beschieden 
sei  wieder  in  die  Stadt  zurückzukehren. 

91.  J.  W.  Headlam,  The  Constitution  of  Draco  (Class.  Rev.  V,  4, 
p.  166-68). 

Das  in  Widerspruch  mit  der  Politik  11,  12  stehende  4-te  Kapitel  der 
Politeia  ist  interpoliert.  Kein  späterer  Schriftsteller  (auch  Plutarch  nicht) 
kennt  es  und  es  stimmt  nicht  zu  anderen  Angaben  der  Politie  selbst  (vgl. 
Kap.  7  u.  41).  Die  Anknüpfung  an  das  vorhergehende:  Jpdxcov  rous 
^saixouc  i&r^xav  rj  dk  zd^ig  aurrj  etc.  ist  irrthümlich,  denn  zä^ig  (Ver- 
fassung) kann  nicht  in  den  &£<t/xo}  miteinbegriffen  sein,  da  letztere  nur 
die  »Verordnungen  eines  Gesetzescodex«  bedeuten  können.  Auch  sach- 
lich finden  sich  viele  Anstösse:  1.  die  Vermögensangaben  in  Geld,  wäh- 
rend zu  dieser  Zeit  nach  Korn  gerechnet  wurde,  und  zwar  der  Census 
von  nur  10  Minen  für  die  Archonten  =  1000  Drachmen,  indess  der  solo- 
nische  Zeugit  mehr  denn  2000  besitzen  musste;  2.  die  hervorragende 
Stellung  der  Strategen;  3.  der  Turnus,  nach  dem  alle  Bürger  der  Reihe 
nach  zu  den  Magistraturen  erloost  wurden,  was  entschieden  demokratisch 
wäre;  4.  die  Existenz  einer  ßouÄrj  vor  Solon,  dem  weiter  die  Schaffung 
eines  neuen  Rathes  neben  dem  vom  Areopag  zugeschrieben  wird  Die 
ganze  Verfassung  ist  danach  ein  Anachronismus  und  da  sie  eine  auffal- 
lende Aehnlichkeit  mit  derjenigen  des  J.  411  zeigt,  muss  sie  als  Erfin- 
dung eines  Theoretikers  dieser  Zeit  gelten.  Durch  einen  späteren  Leser 
ist  sie  in  den  Text  gelangt.') 

92.  G.Schultz,  \4f)iaTOTikoug  'Adrjvac'wv  noXcreca,   viertes  Kapitel 
(Russische  phil.  Rundschau,  II,  p.  33—44). 

Verfasser  sucht  nachzuweisen,  dass  die  Erwähnung  der  von  Drakon 
kodifizierten  und  schriftlich  fixierten  Gesetze  im  41-ten  Kapitel,  von  einem 

1)  Zu  demselben  Resultate  gelangt  auch  Tb.  Reinach,  La  Constitution 
de  Dracon  et  la  Constitution  de  i'an  411  d'apräs  Aristote  (Rev.  des  etudes 
gr.  IV,  13,  p.  82—85;.     Vgl.  oben  cit.  Aufsätze  desselben. 


IV.    Erläuterungsschriften.  45 

Leser  missverstanden,  zu  der  Fingierung  einer  Verfassung  des  Drakon 
und  Interpolation  der  diesbezüglichen  Sätze  im  3-ten  u.  4-ten  Kap.  geführt 
hat.  Als  Hauptbeweis  dient  ihm,  ausser  dem  Widerspruch  mit  der  Po- 
litik, der  Umstand,  dass  im  Resume  für  die  Verfassung  des  Drakon  kein 
Raum  sei:  diejenige  des  Theseus  ist  als  zweite,  die  des  Solon  als  dritte 
genannt.  Anders  aber  als  Headlam  und  Reinach  hält  Schultz  nicht  das 
ganze  4-te  Kapitel  für  Interpolation,  ja  lässt  sogar  die  auf  Drakon  bezüg- 
lichen Worte  fast  unverändert,  indem  er  sie  auf  die  Gesetze  desselben 
deutet,  er  hält  sie  nur  entweder  aus  dem  Anfang  der  Schrift  oder,  wahr- 
scheinlicher, aus  dem  41-ten  Kap.  hierher  versetzt  und  dieselbe  entfernend 
liest  er  danach:  ij  ok  -d$tg  aurij  st.  aorrj,  indem  er  diese  Worte  auf  die 
vorsolonische,  sogenannte  Theseische  Verfassung  bezieht.  In  Folge  dessen 
werden  die  Kap.  3  und  4  in  ein  Gesaramtbild  zusammengezogen  und  dazu 
die  nöthigeii  Streichungen  und  Aenderungen  vorgenommen:  so  wird  die 
Darstellung  des  Areopag  im  3-ten  Kap.,  welche  mit  derjenigen  im  4-ten 
concurrieren  würde,  als  nach  dem  8-ten  Kap.  interpoliert  gestrichen,  die 
Nachrichten  über  den  Rath  der  401  und  über  die  Strafen  für  Nichtbesuch 
der  Versammlungen  als  verdächtig  bezeichnet  u.  s.  w.  Abgesehen  davon, 
dass  viele  dieser  Aenderungen  viel  gewaltsamer  sind,  als  die  einfache 
Sti-eichung  des  4-ten  Kap.,  gelingt  es  auch  so  dem  Verfasser  nicht  sachlich 
und  sprachlich  ein  annehmbares  Ganzes  herzustellen:  die  Wahl  der  Beam- 
ten durch  die  Waffenfähigen  widerspricht  der  Angabe  des  8-ten  Kap.,  dass 
»in  der  Vorzeit«  (doch  wohl  nach  Theseus  und  also  vor  Drakon)  der 
Areopag  sie  nach  eigenem  Ermessen  bestellte ;  die  Einführung  des  Census 
für  Archonten  und  Strategen  noch  vor  Drakon  »in  der  Konstitution  des 
Theseus«  ist  geradezu  absurd;  die  Verbindung  zä  jxkv  ouv  Tzs.pi  rag-  äpy_aq 
ruurov  sc^£  "Cuv  zponov  rj  ok  zd^ii  auzrj  zuvoe  züv  zp  unov  £?/£ 
ist  nicht  nur  grammatisch  bedenklich,  stilistisch-kakophonisch,  sie  ist 
auch  logisch  unmöglich,  denn  erstens  umfasst  die  zdqig  auch  die  äpiat 
und  zweitens  beginnt  ihre  Darstellung  —  mit  den  Archonten  und  Stra- 
tegen, d.  h.  den  dp'/_fj.i,  welche  eben  abgehandelt  sein  sollen.  Aber  mehr 
noch:  der  Verfasser  meint,  der  Interpolator  habe  das  41-te  Kapitel  miss- 
verstanden —  er  hätte  besser  gethan  es  selbst  sich  genauer  anzusehen. 
Es  ist  wahr,  dass  Solon's  Verfassung  als  dritte  gerechnet  wird,  aber 
falsch,  dass  diejenige  des  Theseus  als  zweite  bezeichnet  sei:  sie  ist 
npüJZYj  iyouaa  noXiztlaq  zd^tv,  denn  die  von  Jon  wird  nur  als  xa- 
zdazamg  bezeichnet.  Dass  dem  so  sei,  beweisen  die  oben  erwähnten  elf 
}j.e-aßoXac\  welche  mathematisch  12  Verfassungen  voraussetzen  oder  eine 
Gründung  (xazdazaatg)  und  danach  (nach  je  einer  jMZzaßokrj)  11  r.oXi- 
zstai^  in  deren  Reihe  diejenige  Drakons  die  zweite  ist. 

93.   G.  Busolt,  Zur  Gesetzgebung  Drakons  (Philologus,  N.  F.  IV,  3, 
S.  393—400). 

Verf.  hebt  ausführlich   die  Analogien  zwischen    der  Gesetzgebung 
Drakons,  wie  sie  Aristoteles  beschreibt,   und  der  Verfassung  des  J.  411 


46  Aristoteles,  ^Ai^Tjvamv   noXtrsta. 

hervor,  weist  aber  doch  den  Verdacht  einer  Fälschung  ab.  Die  vor- 
solonische  Verfassung  niusste  oligarchisch  gefärbt  sein  —  das  brauchte 
ihr  nicht  angedichtet  zu  werden  —  und  empfahl  sich  deshalb  von  selbst 
zur  Nachahmung  der  Vierhundert.  Es  giebt  aber  positive  Zeichen  für 
ihre  Genuität.  Der  Name  der  Tzsv-axocrcofxedcfivoc  konnte  der  ersten 
Classe  nicht  von  Solon  gegeben  sein,  da  er  500  nirpa  xä  ^uvdfx^cu  ^rjpä 
xat  uypa  als  Ceusus  festgesetzt  hatte,  also  bestanden  die  ■zcprjixaTa  vor 
ihm  (dabei  wird  beiläufig  bemerkt,  dass  der  Ertrag  von  500  aegineischen 
Medimnen  etwa  den  Capitalwerth  von  100  Minen  =  Census  der  Strategen 
repräsentiert).  »Die  für  die  wirthschaftlichen  Verhältnisse  zur  ZiMt  Dra- 
kons  so  charakteristische  Cbüsus- Forderung  der  ouac'a  iXeul^spa  d  h. 
Hypotheken-freies  Eigenthum  ist  zweifellos  echta,  denn  auf  solchen  Ein- 
fall konnte  kein  Fälscher  des  V.  Jahrhunderts  kommen.  Die  Census- 
Abstufung  von  100  zu  10  Minen  entspricht  dem  damaligen  Verhältniss 
des  Goldes  zum  Silber,  während  aber  der  Ertrag  eines  Gutes  von  10 
aegineischen  Minen  etwa  dem  Solonischen  Rittercensus  gleichwerthig  war, 
ist  der  Census  der  ersten  Classe  von  dem  späteren  Gesetzgeber  stark 
herabgesetzt  worden,  was  seiner  demokratischen  Tendenz  entsprach.  Auch 
die  Geldstrafen  für  versäumte  Sitzungen  des  Rathes  und  der  Volksver- 
sammlung dürfen  nicht  auffallen  gegenüber  den  anderweitig  bezeugten 
Bussen,  die  in  Rindern  eben  von  Drakon  festgesetzt  waren:  bei  der 
Knappheit  des  Baargeldes  war  im  Privatverkehr  noch  die  Naturalien- 
leistung ziemlich  verbreitet,  der  Staat  aber  forderte  aus  ßequemlichkeits- 
rücksichten  für  sich  Zahlungen  in  Gehi.  Ref.  erlaubt  sich  zu  bemerken, 
dass  noch  zu  Solon's  Zeiten  das  Didrachmon  ßoü^  hiess  (Poll.  IX,  60 
vgl.  Plut.  V.  Thes.  25,  wie  vielleicht  auch  in  Aristot.  Pol.  Ath.  Kap.  10 
herzustellen  ist):  ob  nicht  auch  in  Betreff  der  Drakonischen  »Rinder« 
dasselbe  anzunehmen  ist?  Die  weitere  Bemerkung  Busolt's,  das  Strate- 
gen-Kollegium könne  nach  dem  Kylonischen  Blutbad  zur  Beschränkung 
der  Amtsgewalt  des  Polemarchen  eingeführt  sein,  und  was  sich  weiter 
daran  knüpft,  beruht  auf  einer  irrthümlichen  Lesung:  r^s  8k  andar^g 
CTfjarcäg  rjye/xdiv  r^v  o  a- pa-zrijö^  st.  o  r.oXiiiap'/^og^  wie  das  Ma- 
nuscrij)t  und  alle  Ausgaben  geben  -  nicht  bestätigt  wird  Ilerodot's  Be- 
richt über  die  Marathonschlacht,  wie  Busolt  meint,  sondern  bestimmt 
(wohl  nicht  ohne  Absicht)  widerlegt  von  Aristoteles. 

94.    Fr.  Hultsch,  Das  pheidonische  Masssystem  nach  Aristoteles 
(N.  Jahrbb.  f.  Phil.  u.  Päd.  Bd.  143,  4,  S.  262  -64). 

In  dem  Kap.  10  ersieht  Hultsch  eine  Bestätigung  der  Angabc  An- 
drotions  über  die  solonische  Münzreform,  obgleich  es  schwierig  zu  ver- 
stehen ist,  wie  er  in  den  Satz:  ^  //va  izpozepov  i/ouaa  r^apcmlrjaiov 
eßoüprfy.ov7a  dpa/img  dvszÄr^piüfhj  talg  sxardv  den  Sinn  hineinlegen  will, 
dass  »eine  Schuld  von  loo  alten  Drachmen  wurde  mit  100  neuen  leich- 


IV.    Erläuterungsschriften.  47 

tern  Drachmen,  die  nur  den  Werth  von  ungefähr  70  (oder  nach  Ändro- 
tion  von  73)  alten  Drachmen  hatten,  zurückgezahlt.«  Weiter  sucht  er 
auch  die  Worte  rpecg  xal  i^rjxov-a  {ivä^  tu  zdAavrov  dyuüaas  verständ- 
lich zu  machen,  indem  er  st.  zpsTg  xal  —  rouTsazcv  liest  und  den  ganzen 
Satz  deutet:  »er  führte  ein  [neues]  Gewicht  [statt  des  früheren  aigine- 
tischen]  ein,  nämlich  so,  dass  nun  60  Minen  [gemünzten  Geldes]  ein 
Talent  wogen«  —  das  würde  ja  ganz  klar  sein,  wenn  es  nur  so  im  Texte 
stände.  In  Betreff  des  pheidonischen  Maasses.  welches  nach  Aristoteles 
kleiner  war  als  das  solonische,  schliesst  Hultsch,  dass  es  identisch  ge- 
wesen sein  muss  mit  demjenigen,  »aus  welchem  mit  Aufschlag  von  Vi2 
der  attische  Metretes  abgeleitet  ist:  dieses  Maass,  gleich  der  altägypti- 
schen Artabe  und  dem  babylonischen  Epha,  war  bisher  zwar  als  jüngeres 
Provinzialmaass  in  verschiedenen  Gestalten,  nicht  aber  auf  griechischem 
Boden  nachzuweisen.« 

95.  U.  Köhler,  Die  Zeiten  der  Herrschaft  des  Peisistratos  in  der 
TtohTtia  'At%jvat'ajv  (Sitz.-Ber.  der  Königl.  Preuss.  Akad.  d.  Wiss.  zu 
Berlin,  1892,  vom  7  April.     7  S.). 

Die  Abhandlung  enthält,  eigentlich,  mehrere  Einzelausführungen, 
durch  welche  die  Methode  des  Aristoteles  erläutert  wird.  In  der  Er- 
zählung über  die  Tyrannis  des  Peisistratos  ist  Herodot  die  Hauptquelle 
desselben,  aber  er  hat  auch  einen  anderen  Bericht  benutzt:  ihm  verdankt 
er  die  chronologischen  Angaben  über  diese  Zeit.  Dieselben  sind  werth- 
los,  weil  künstlich  erschlossen :  aus  der  Regierungsdauer  des  Peisistratos 
sind  die  10  Jahre  des  zweiten  Exils  (nach  Herodot)  abgezogen  und  der 
Rest  (23  J.)  in  vier  fast  gleiche  Abschnitte  getheilt.  Aus  dieser  Ver- 
quickung zweier  Quellen  erklärt  sich  auch  der  Widerspruch  zwischen 
Kap.  17  und  Pol.  VIII,  12,  1315b  31:  in  letzterem  hat  Aristoteles  nach 
seiner  Berechnung  aus  den  33  J.  die  10  +  6  J.  des  Exils  abgezogen,  in 
ersterem  nach  Herodot  von  den  36  J.  der  Tyrannis  die  17  des  Hippias. 
Auch  in  der  Erzählung  von  Kleisthenes  und  Isagoras  zeigen  sich  Spuren 
verschiedenartiger  Quellen:  ganz  falsch  ist  die  Datierung  der  Reform 
»unter  dem  Archontat  des  Isagoras«,  da  sie  entweder  im  folgenden  Jahre 
oder  jedenfalls  nach  seiner  Vertreibung  bewerkstelligt  ist,  als  »der  Archon 
Isagoras  von  der  Bühne  verschwunden  war«.  »Belehrend  als  Beispiel 
der  Methode  des  Verfassers«  findet  Köhler  die  Berechnung  (Kap.  24) 
der  20  000  Soldempfänger  unter  der  attischen  Bürgerschaft:  »nicht  die 
Einzelposten  (von  denen  die  doppelt-700  dp/ac  unmöglich  sind),  sondern 
die  Summe  ist  für  Aristoteles  das  Primäre  gewesen«  und  diese  soll  ent- 
standen sein  aus  der  Scene  in  deu  »Wespen«,  wo  den  1000  Städten  je 
20  Bürger  zur  Verpflegung  übergeben  werden  sollen.  Auch  in  Kap.  25 
zeigt  sich,  abgesehen  von  der  »läppischen,  chronologisch  unmöglichen 
Erzählung  von  der  Intrigue  des  Themistokles«,  durch  welche  die  Erwäh- 
nung des  Perikles  verdrängt  worden  ist,  eine  von  den  sonstigen  verschie- 


48  Aristoteles,  'A'^rjvaiwv  noXirtia. 

dene  Quelle:  die  censorischen  Befugnisse  des  Areopag  werden  hier  als 
inu^sra  bezeichnet,  während  sie  sonst  bei  Aristoteles  als  von  der  Vorzeit 
her  ihm  zukommend  betrachtet  werden  —  fasst  man  die  incf^sra  als  die 
Machtbefugnisse  auf,  die  der  Areopag  sich  während  der  Perserkriege 
angeeignet  habe,  so  müsste  man  annehmen,  dass  nach  Ephialtes  derselbe 
nochmals  gestürzt  sei.  Diese  Ausführungen  würden  für  die  Glaubwürdig- 
keit des  Aristoteles  vernichtend  sein,  wenn  sie  über  allen  Zweifel  erhaben 
wären:  dass  dies  nicht  ganz  der  Fall  ist,  darüber  erlaubt  sich  Ref.  fol- 
gende Andeutungen.  In  Betreff  der  Daten  der  Tyrannenherrschaft  fasst 
Köhler  die  Worte  irec  SüjSsxdzoj  /xeru  raDr«  (Kap.  14,  4),  augenschein- 
lich, als  von  Beginn  derselben  gerechnet,  aber  dann  müsste  es  wenigstens 
jjLSTa  zaÖTrr^v  (auf  das  vorhergehende  xazdaraaiv  bezogen)  heissen:  so 
wie  es  jetzt  steht,  kann  es  nach  dem  Usus  der  Schrift  nur  bedeuten  »im 
zwölften  Jahre  nach  der  Vertreibunga  —  dies  ist  chronologisch  unmög- 
lich, die  Zahl  verschrieben,  verdorben,  aber  auch  etwaige  Schlüsse  hin- 
fällig. Die  Zahl  der  20  000  Soldempfänger  soll  dem  witzigen  Einfall 
eines  Komikers  entlehnt  sein  und  zu  dem  Zweck  die  Einzelposten  fin- 
giert, aber  nur  für  einen  hat  das  der  Verf.  zu  behaupten  gewagt  —  für 
die  je  700  ^ij^jcai  ivdrj/xuc  und  uTzs/wpiut:  für  die  letzteren  wird  diese 
Zahl  als  verdorben  augesehen,  für  erstere  ist  sie  garnicht  so  exorbitant 
gross,  ja  sogar  sehr  wahrscheinlich,  wenn  man  bedenkt,  dass  beim  Zu- 
sammenzählen der  im  zweiten  Theile  erwähnten  dpx'^'^  ^'*^''  ^^^^  ^^^  ^"" 
den  und  dabei  erstens  manche  im  V  Jahrb.  vorhandene  fehlen  (z.  B.  die 
10  Hellenotamien,  die  10  rajitat  ribv  äXkujv  &£wv,  die  20  rajuat  tujv 
batujv  ^^prj/idzujv  u.  and.),  zweitens  die  massenhaften  fjjn^pszai  nicht  ein- 
gerechnet sind.  Endlich  die  imthza  des  Raths  vom  Areopag  könnten 
nur  dann  ganz  richtig  beurtheilt  werden,  wenn  wir  die  Darstellung  von 
dessen  ursprünglicher  Einsetzung  bei  Aristoteles  besässen:  vielleicht  hielt 
er  die  Blutsgerichtsbarkeit  für  alleinige  Grundlage  von  dessen  späterer 
Machtfülle? 

96     K.  Wachsmuth,   Zur  Topographie  von   Athen   (Rhein.  Mus. 

XLVI,  2,  S.  327-29). 

Aus  dem  Kap.  15,  wo  erzählt  wird,  dass  Peisistratos  die  Bürger 
im  Anakeion  zusammenberufen  habe,  sie  durch  List  entwaffnet  und  die 
Waffen  elg  zd  -nh^mov  olxijuaza  zoü  Hr^aecou  eingeschlossen,  gelangt 
Wachsmuth  zur  Folgerung,  das  Theseion  sei  neben  dem  Anakeion  zu 
suchen  entsprechend  der  Erzählung  des  Pausanias:  der  Schluss  ist  hin- 
fällig geworden,  da  in  der  neuesten  Auflage  Kenyon  ausdrücklich  bezeugt, 
dass  auch  an  erster  Stelle  »Theseiou«  (nicht  Anakeion)  als  Ort  der  Volks- 
versammlung genannt  werde  Dagegen  ist  die  zweite  Bemerkung  Wachs- 
muths  richtig,  dass  nämlich  die  zweimal  bei  Aristoteles  (Kap.  42  u.  61) 
genannnte  'Axzij  die  andere  Höhe  der  Peiräushalbiusel  ist. 


tV.    Erläuterungsschriften.  49 

97)  W.  R.  Paton,  The  Decelean  Inscription  and  attic  phratries 
(Class.  Rev.  V,  5,  p.  221—23). 

Verf.  sucht  gegenüber  Tarbell  (American  Journ.  of  Archaeol.  V, 
p.  135  et  VI,  p.  318)  seine  Auflassung  über  jiwi  und  Phratrien  mit  Her- 
anziehung der  ''A^-qvalujv  -nokreca  zu  halten.  Von  Alters  her  enthielt 
jedes  yivog  30  oixoydXaxreg  oder  ysvvrjTai,  und  neben  dieser  geschlosse- 
nen Zahl  eine  wechselnde  von  Orgeonen  und  je  30  jevr^  bildeten  eine 
Phratrie  (so  dass  yevvrjTac  bezeichnen  konnte:  1.  alle  Mitglieder  eines 
yivoQ\  2.  die  privilegierten  Dreissig;  3.  die  900  privilegierten  Mitglieder 
der  Phratrie).  Kleisthenes  hat  nach  Aristoteles  an  dieser  Institution 
nicht  gerüttelt,  aber  die  von  ihm  in  grosser  Zahl  aufgenommenen  Neu- 
bürger sind  (wohl  nicht  sogleich)  zwar  nicht  in  die  yivrj^  wohl  aber  in 
die  Phratrien  aufgenommen  worden,  wo  sie  eigene  Btaaot  nach  Beispiel 
der  Orgeonen  bildeten;  die  Phratrien  zerfielen  den  Demen  entsprechend 
in  mehrere  olxoi  mit  beschränkter  Selbstverwaltung  unter  Controlle  der 
900  yevvrjTat  als  Repräsentanten  der  Phratrie.  Ueber  die  Aufnahme  der 
Neubürger  in  die  Phratrien  urtheilt  Ref.  ungefähr  ebenso,  im  übrigen 
kann  er  der  sehr  complicierten  Hypothese  keinen  Geschmack  abgewinnen. 

98.  E.  Szanto,  Die  Kleisthenischen  Trittyen  (Hermes,  XXVII,  2, 
S.  312-14). 

Auf  Grund  der  aristotelischen  Nachricht,  dass  jede  der  10  Phylen 
von  Kleisthenes  aus  je  drei  in  den  verschiedenen  Landestheilen  Attikas 
gelegenen  Trittyen  gebildet  war,  sucht  der  Verfasser  die  uns  bekannten 
Trittyen  zwischen  der  Paralia,  Mesogäa  und  dem  Asty  zu  vertheilen, 
z.  B.  für  die  Phyle  Pandionis  war  die  städtische  Trittye  —  Kudaf^rjvaccjv, 
die  paralische  —  Mopßivouacwv ,  die  mesogäische  -  Hacavisojv.  Dabei 
nimmt  er  an,  dass  die  einzelne  Trittye  kein  zusammenhängendes  Gebiet 
zu  bilden  brauchte,  was  er  aus  dem  Beispiel  der  Hippothontis  erschliesst: 
von  dieser  sind  zwei  Trittyen  bekannt,  die  eleusinische  (in  der  Paralia) 
und  die  peiräische  (städtische),  die  dritte  (mesogäische)  muss  sich  um 
Dekeleia  gruppiert  haben  ;  es  bleibt  aber  noch  der  Demos  Azenia  übrig 
»westlich  vom  Cap  Suuion  gelegen,  der  also  mit  Eleusis  eine  Trittys  ge- 
bildet haben  muss,  sodass  also  die  paralische  Trittys  der  Hippothontis 
geographisch  getheilt  gewesen  ist«.  Ref.  hatte  schon  früher  Gelegenheit 
auf  diese  Fragen  ausführlicher  einzugehen^)  und  während  im  übrigen 
seine  Resultate  sich  mit  denjenigen  Szanto's  decken,  ist  er  zur  Ueber- 
zeugung  gekommen,  dass  jede  Trittys  (wie  man  auch  aus  Aristoteles 
schliessen  muss)  ein  geschlossenes  Gebiet  einnahm:  die  Schwierigkeit  mit 
dem  Demos  Azenia  löst  sich  s.  A.  nach  bequem,  wenn  mau  berücksich- 
tigt, dass  im  Texte  Strabo's  (IX,  1,  21,  p.  398),  auf  dem  die  Localisie- 


1)  Bürgerschaft  und  Volksversammlung  zu  Athen.     Bd.  I,  S.  322—38. 

Jahresbericht   für  Altenhumswissenschaft.    LXXV    Bd.     (1893.  I.)  .^ 


50  Aristoteles,  '.^tJijvat'wi'  noXirsia. 

rung  beruht.  ^A!Ir^vtecg  —  Conjectur  ist  statt  des  handschriftlicli  überlie- 
ferten '/^cj^^c??,  welches  ebenso  leicht  in  "Azr^vseg  verbessert  werden  kann 
und  niuss  —  der  Demos  Atene  reiht  sich  auf's  beste  den  sonst  in  diesem 
Küstenstrich  gelegenen  Demen  der  Antiochis  an  (wie  auch  A.  Milchhöfer 
ihn  vermuthungsweise  hier  ansetzte)  und  bildet  mit  denselben  die  para- 
lische  Trittys  dieser  Phyle. 

99.   G.  Font  an  a,  Aristide  nella  costituzione  degli  ateniesi  (Estratto 
dalla  Biblioteca  delle  scuole  italiane,  No.  11—12,  Vol.  IV).     26  S. 

Der  Verfasser  findet,  dafs  Aristoteles  dem  Aristides  und  seiner 
Politik  nicht  gerecht  werde,  und  sucht  in  langer  Auseinandersetzung 
nicht  ohne  manche  Wiederholungen  ihn  zu  widerlegen,  indem  er  sogar 
meint,  das  »falsche  Licht,  welches  auf  den  unbefleckten  und  tugend- 
haften Patrioten  geworfen  würde,  lasse  den  nicht  unbegründeten  Zweifel 
an  der  Autorschaft  des  Aristoteles  entstehen«.  Es  ist  ein  Kampf  gegen 
Windmühlen.  Denn  die  Stelle  des  Aristoteles,  welche  den  Augriff  Fon- 
tana's  herausgefordert  hat,  lautet  (Poland):  »auf  sie  folgt  als  siebente 
(Verfassung)  diejenige,  welclie  Aristeides  anbahnte  und  Ephialtes  da- 
durch zur  Vollendung  brachte,  dass  er  die  Macht  des  Areopagitischen 
Rates  aufhob;  unter  ihr  geschah  es,  dass  die  Stadt  unter  dem  Ein- 
flüsse der  Demagogen  der  Meeresherrschaft  zuliebe  sehr  viele 
Fehler  beging«.  Kein  Wort  des  Vorwurfes  gegen  die  Ehrenwerthig- 
keit  des  Aristides  kann  Ref.  hier  finden,  denn  ganz  richtig  bemerkt  Fon- 
tana, dass  man  »Aristides  nicht  zur  Schuld  rechnen  dürfe,  wenn  die 
menschlichen  Leidenschaften  die  von  ihm  eingeführten  demokratischen 
Neuerungen  zum  Schlimmen  wendeten« ,  nur  durfte  er  dieses  Argument 
nicht  mit  grossem  Pathos  gegen  Aristoteles  ausspielen.  Er  hätte  es 
auch  nicht  gethan  und  seine  ganze  Abhandlung  ungeschrieben  gelassen, 
wenn  er  sich  nicht  auf  das  Resume  beschränkt,  sondern  das  ganze  Werk 
genau  studiert  hätte.  Wie  flüchtig  er  dasselbe  eingesehen  hat,  beweist 
der  Satz:  »mit  der  Neunten  Constitution  triumphirte  von  neuem  die  De- 
mokratie mit  der  glänzenden  Epoche  des  Perikles  und  mit  dem  unsterb- 
lichen Ruhme  Athens«  -  eine  schöne  Phrase,  schade  nur,  dass  die 
»Neunte  Constitution«  nach  dem  Sturz  der  Vierhundert  eintrat,  oder 
sollte  Verfasser  nicht  wissen,  wer  und  wann  die  Vierhundert  gewesen 
sind?  fast  scheint  es  so,  denn  an  anderer  Stelle  meint  er  unter  Erwäh- 
nung derselben  Neunten  Verfassung,  dass  »Aristides  um  40  Jahre  voraus 
die  politische  Richtung  Griechenlands  geahnt  habe«  (?!).  Ueberhaupt  ist 
der  Verfasser  von  seltsamer  Naivität,  wie  wenn  er  meint,  im  25-ten  Kap. 
müsse  man  statt  des  Archon  Konon  —  Kimon  lesen,  »der  schon  um  469 
eines  schönen  Ruhmes  genoss,  denn  wie  könne  da  die  Rede  von  Konon 
sein,  der  erst  75.  Jahre  später  als  Staatsmann  aufgetreten  sei«  (wört- 
lich!!). Sehr  interessant  ist  auch  was  wir  über  den  Sturz  des  Themi- 
stokles  erfahren:    »die  Spartaner  schenkten  ihm  einen  Wagen,  was  sehr 


IV.    Erläuterungsschrifteu.  51 

übel  genommen  wurde  von  den  Athenern,  und  daraus  entstand  sein  Hass 
gegen  sein  Vaterland«.     Risum  teneatis  araici! 

100.  W.  Buseskul,  Themistokles  und  die  Reform  des  Areopag 
durch  Ephialtes  (Journ.  des  Minist,  der  Volksaufkl.  1891,  Juli,  p.  12 — 
24).     Russisch. 

101.  E.  M.  Walker,  The  'A&rjvacujv  -nohrda  and  the  chronology 
of  the  years  462—445  (Class.  Rev.  VI,  3,  p.  95—99). 

Beide  Forscher  sind  ganz  unabhängig  von  einander  zu  gleichem 
Resultate  gelangt  und  zwar  mit  wesentlich  denselben  Mitteln:  die  An- 
wesenheit des  Themistokles  in  Athen  im  J.  462/61  ist  unmöglich,  weil 
sie  mehreren  unzweifelhaft  feststehenden  Daten  widerspricht.  Als  solche 
werden  von  beiden  betrachtet;  1.  der  Regierungsantritt  des  Artaxerxes 
im  Jahre  465,  zu  dem  Themistokles  kam,  als  er  vs.(x)a-\  ßaadeüwv  war; 
2.  die  Niederlage  bei  Drabeskos  in  Verbindung  mit  dem  Aufstand  von 
Thasos  um  466/65  nach  der  Belagerung  von  Naxos,  die  zur  Zeit  der 
Flucht  des  Themistokles  nach  Asien  stattfand;  3.  der  Fall  von  Äigina, 
der  5-  und  der  30-jährige  Frieden  mit  den  unmittelbar  vorhergehenden 
Ereignissen.  Walker  betont  dabei,  dass  überhaupt  die  Angaben  der 
Wrjvauox'  nohrBia  in  diesem  ganzen  Zeiträume  ein  anderes  chronologische 
System,  als  bei  Thukydides,  voraussetzen,  wobei  alle  Ereignisse  um  etliche 
Jahre  später  datiert  werden.  Buseskul  dagegen,  obgleich  er  beiläufig 
dieselbe  Bemerkung  macht,  legt  darauf  kein  besonderes  Gewicht  und  ist 
vielmehr  geneigt  den  betreffenden  Abschnitt,  wie  es  Tb.  Reinach  thut, 
als  spätere  Interpolation  aus  dem  Texte  zu  entfernen :  als  sehr  beweisend 
wird  das  Schweigen  Plutarchs  über  diese  Episode  von  ihm  angesehen. 

102.  E.  C.  Marchant,  The  deposition  of  Pericles  (Class.  Rev.  V, 
4,  p.  165  —  66). 

Verfasser  schlägt,  anknüpfend  au  die  Notiz  der  'ABi^vatajv  rtohreta^ 
dass  die  Strategen  nach  der  sechsten  Prytauie  gewählt  wurden,  eine  neue 
Hypothese  über  die  Absetzung  des  Perikles  vor:  früh  im  Jahre  430  ge- 
wählt, ist  er  gleich  nach  Beginn  des  neuen  Anitsjahres  bei  der  Epichei- 
rotonie  abgesetzt,  dann  aber  bei  den  Wahlen  im  Frühling  des  J.  429 
wieder  gewählt  worden. 

103.  Th.  Reinach,  La  Constitution  de  Dracon  et  la  Constitution 
de  l'an  411  (Rev.  des  etud.  grecques.  IV,  13,  p.  82—85). 

Der  Aufsatz  war  dem  Ref  unzugänglich.  Nach  dem  Auszug  in  der 
Berl.  phil.  Woch.  (1891,  No.  51,  Sp.  1627)  enthält  derselbe  folgende  in- 
teressante Interpretation  zum  30-ten  Kapitel.  »Die  BooXt)  setzte  sich  nach 
Aristoteles  aus  allen  vollberechtigten  Bürgern  über  30  Jahre  zusammen: 
dieser  Senat  theilte  sich  in  vier  Gruppen,  welche  einander  jährlich  ab- 
lösten,  und   zwar  geschah  die  Reihenfolge  durch  Ausloosen.     Nicht    die 

4* 


52  Aristoteles,  ''Af^rivaiwv  noXneia. 

einzelneu  Mitglieder  wurden  durch's  Loos  ersvählt,  sondern  der  in  Func- 
tion treten  sollende  vierte  Theil  der  Bürgerschaft.  Es  komme  auch  so 
keine  allzu  grosse  Zahl  heraus:  Vollbürger  gab  es  ca.  5000,  über  30  Jahre 
also  höchstens  3000,  und  der  vierte  Theil  davon,  als  Effectivstand  der 
jährlichen  BuuXrj^  betrug  750  Personen«.  Jedenfalls  eine  Deutung  die 
sehr  beachtungswerth. 

104.  LordHarberton,  Aristotle's  Constitution  of  Athens,  chapter 
35  (Class.  Rev.  VI,  3,  p.  123). 

Verfasser  findet  Kenyou's  Erklärung  der  Worte  ex  npoxpiriuv  ex 
Twv  ^tXc'wv^  nämlich  dass  letztere  epexegetisch  zu  r.poxptrwv  gesetzt  sei, 
unmöglich,  worin  er  wohl  Recht  hat.  Aber  sein  eigener  Versuch  die 
Schwierigkeit  zu  lösen  ist  nicht  zu  billigen.  Er  schlägt  nämlich  vor  den 
ganzen  Passus  (wohl  von  ysvu/xsvo:  8k  x'j/jco:  t^^  rujhujs  au?)  in's  33-te  Ka- 
pitel nach  /ical^o^o/jcuv  {ietzt  /xcal^o^upov  gelesen)  zu  versetzen  mit  Aende- 
rung  von  ^cXcujv  in  nsv-axcar^t^io»:  abgesehen  von  der  Gewaltsamkeit 
solcher  Umstellungen,  würden  die  eingesetzten  Worte  eine  lästige  Wider- 
holung  enthalten,  da  ja  eben  gesagt  war,  dass  »die  ganze  Verwaltung 
den  5000  übertragen  war«. 

105.  U.  Köhler,  Herakleides  der  Klazomenier  (Hermes,  XX VH,  1, 

p.  68—78). 

106.  0.  Immisch,   Zu  Aristoteles   de  republ.  Athen,  c.  41   (ßerl. 
phil.  Woch.   1891,  No.  23,  Sp.  707). 

107.  E.  0.  Houtsma,    Zu    Aristoteles    de    republ.   Athen.   (Ibid. 
No.  26,  Sp.  801). 

Alle  drei  Aufsätze  dienen  zur  Erläuterung  der  Bemerkung  des 
Aristoteles  über  den  Klazomenier  Herakleides  (Kap.  41),  aber  wälirend 
die  zwei  letzteren  sich  begnügen  Parallelstellen  aus  Autoren  beizubringen, 
wo  derselbe  Mann  erwähnt  wird  (Plat.  Ion,  541  D;  Athen.  XI,  506  A; 
Ael.  V.  14,  15;  Hesych.  s.  v.  Kka^opivcog,  wo  st.  o  ßabg  xaXoüixevog  — 
o  ßuachijg  xal.  zu  lesen),  ist  es  Köhler  gelungen,  mit  Heranziehung  eines 
schon  früher  bekannten  Decretfragmentes  (Sitz.-Ber.  der  Berl.  Akad.  1887, 
S.  1060  =  Bull,  de  Corr.  Hell.  1888,  p.  163)  ein  Bild  des  Lebensganges 
dieses  Mannes  zu  entwerfen  und  wichtige  Facta  der  athenischen  Ge- 
schichte aufzuklären.  Obiges  Ehrendecret  hatte  Foucart  auf  den  Byzan- 
tiner Herakleides  bezogen,  der  bei  Demosthenes  in  der  Leptinea  zusam- 
men mit  Archebios  genannt  wird,  und  vermuthet,  dass  auf  letzteren  das 
Decret  gehe,  von  dem  die  letzten  Zeilen  sich  auf  demselben  Stein  er- 
halten haben.  Köhler  bemerkt  dagegen,  dass  nie  Decrete  für  verschie- 
dene Personen  auf  demselben  Steine  vereinigt  wurden,  auch  die  im  Do- 
kumente genannten  rifiiaßetg  ul  rjipä  to~j  ßaatXiiug  rjxovreg,  welche  für 
Ilerakleides  zeugen,  attische  Gesandte  sein  müssen,  die  vom  persischen 


IV.   Erläute  rungsschrifteu.  53 

Hofe  zurückkehren,  also  die  Verhandlungen,  bei  denen  der  Geehrte  eine 
Rolle  spielte,  nicht  mit  Foucart  auf  den  Antalkidasfrieden  bezogen  wer- 
den dürfen.  Bei  Untersuchung  der  Frage,  wann  attische  Gesandte  bis 
zum  König  gelangt  sind,  kommt  Verf.  auf  die  Sendung  des  Epilykos 
(Andok.  TT.  alp.  29),  welche  er  um  423  ansetzt:  dass  um  diese  Zeiten 
Gesandtschaften  an  den  Grosskönig  geschickt  wurden,  schliesst  er  nicht 
nur  aus  Wahrscheinlichkeitsgründen,  sondern  beweist  es  aus  der  Acharner- 
scene.  Bei  dieser  Gelegenheit  hat  der  Klazoraenier  als  Arzt  oder  Dol- 
metscher am  persischen  Hof,  den  Athenern  Dienste  erwiesen  und  ist  mit 
der  Proxenie  belohnt  worden:  auf  seine  Beziehungen  zum  Grosskönig 
weise  auch  der  von  Aristoteles  angeführte  Spitzname  o  ßaatXBÖq.  Später 
hat  er  wohl  bei  Wiederherstellung  der  Demokratie  Hülfe  geleistet  und 
sei  mit  dem  Bürgerrecht  beschenkt  worden:  dieses  sei,  meint  Köhler,  der 
Inhalt  des  ersten  bis  auf  wenige  Zeilen  verlorenen  Decretes  gewesen  und 
bei  dieser  Gelegenheit  wurde,  wie  dies  nicht  selten  geschah,  auch  der 
ältere  Ehreubeschluss  auf  demselben  Stein  verewigt  —  das  Ethnikon 
KXaZo^ivtog  füllt  gerade  die  Lücke.  Als  extremer  Demokrat  ist  dann 
Herakleides  Stratege  (nach  Piaton)  und  Finanzbearater ,  wie  man  aus 
Aristoteles  schliessen  dürfe,  geworden  »in  der  letzten  Zeit  vor  dem 
Königsfrieden«. 

108.  J.  H.  Lipsius,  Ueber  das  neugefundene  Buch  des  Aristoteles 
vom  Staat  der  Athener  (Ber.  über  die  Verh.  der  Königl.-Sächs.  Ges. 
Phil.-hist.  Gl.  1891,  S.  41—69). 

Der  Verfasser  hat  sich  zum  Ziel  gesetzt,  »die  Bereicherung  unserer 
Kenntniss  des  attischen  Rechts  und  Rechtsverfahrens  einer  zusammen- 
fassenden Erörterung  zu  unterwerfen«,  wobei  der  erste,  historische  Theil 
nur  mit  ein  paar  kurzen  Bemerkungen  gestreift  wird,  die  Hauptaufmerk- 
samkeit sich  auf  den  zweiten  Theil  richtet.  Der  Reichthum  des  Aufsatzes 
an  Einzelbemerkungen  lässt  eine  ausführliche  Besprechung  nicht  zu:  im 
allgemeinen  weist  der  Verfasser  nach,  dass  Aristoteles  auf  Vollständig- 
keit bei  der  Aufzählung  der  Rechtssachen  keinen  Anspruch  mache,  wie 
sich  an  denjenigen,  die  der  Vorstandschaft  der  Thesmotheten  unterlagen, 
und  den  8cxat  ifxixr^vot  zeige,  ebenso  dass  er  es  zuweilen  an  schärferer 
juristischer  Scheidung  fehlen  lasse,  wie  er  z.  B.  zwischen  ypö.(pa\  und  olxai 
nicht  unterscheidet  und  das  Wort  Eisangelie  nur  im  allgemeineren  Sinne 
gebraucht  ohne  auf  den  ^djiog  elaayYZArtxog  Rücksicht  zu  nehmen.  Be- 
sonders ausführlich  beleuchtet  Lipsius  die  aus  Aristoteles  neugewonnenen 
Kenntnisse  über  die  »Vierzig«  und  die  »Diäteten«,  über  die  gerichtlichen 
Functionen  des  Rathes  und  die  Rechenschaftsablage  der  Beamten. 

109.  Constitution  of  Athens,  chapt.  52.  The  Eleven  (Glas.  Rev.  V, 
4,  p.  169). 

Die  Stelle  des  52-teu  Kap.  5v  /zev  ojioXoywai  ^avarw  ^rj/Ltcuxrovra^, 
äv  8'  d/j.^i<Tßr^TÜ>(Tr/,  slad^ovzag  slg  zu  ocxaarfjpiov  soll  den  Sinn  haben: 


54  Aristoteles,  'A19r]^/aiwv  nokireia. 

»wenn  die  Elfmänner  unter  einander  einverstanden  sind,  strafen  sie  mit 
dem  Tode,  wenn  sie  verschiedener  Ansicht  sind,  so  u.  s.  w.«  Diese  Auf- 
fassung ist  vollkommen  widerlegt  worden  von  H.  Richards  und  W.  Wyse 
(Class.  Rev.  V,  5,  p.  224)  mit  Hinweis  auf  Aesch.  in  Tim.  §  113  und 
Dem.  XXIV,  65. 

110.  W.  R.  Hardie,  The  8iatTrjrai  (Class.  Rev.  V,  4,  p.  164). 

Gegen  Kenyon  hält  der  Verf.  (mit  Lipsius)  an  der  Lesart  der 
Handschrift  (Kap.  53)  scaayyeUetv  etg  zoug  oiaizrjzäg  (nicht  otxaardg) 
fest,  indem  er  auf  das  Beispiel  des  Straton  in  der  Midiana  und  Bergk's 
Erklärung  dieses  Falles  verweist. 

111.  E.S.Thompson,   On   the  age  of  the  Scacrr^Ta:  {Class.  Rev. 
VI,  4,  p.  182). 

Nicht  nach  vollendetem  60-ten  Jahre,  sondern  während  desselben 
wurde  der  Athener  StaizrjzrjQ. 

112.  Th.  D.  Goodell,  Aristotle  on  the  public  arbitralors  (Amer. 
Journ.  of  Phil.  XII,  3,  p.  319—326). 

Nachdem  der  Verfasser  in  Kürze  die  Bedeutung  der  42  Jahrgänge 
der  attischen  Bürger  und  die  Bildung  der  Liste  der  Scatzrjxal  erläutert, 
sucht  er  mit  Hülfe  zweier  Inschriften  (C I.A.  II,  943  u.  944)  die  schwan- 
kende Zahl  derselben  ungefähr  zu  bestimmen  -  zwischen  103-231,  was 
er  für  eine  Gesanimtbevölkerung  von  20  000  Bürgern  entsprechend  findet. 
Darauf  weist  er  nach,  dass  die  Schiedsrichter  ein  Collegium  bildeten, 
welches  bei  Verklagung  eines  Mitgliedes  (z.  B.  des  Straton)  als  Gerichts- 
hof fungierte,  sonst  aber  die  Einzelfälle  unter  sich  nach  dem  Loos  ver- 
theilte.  Der  grösste  Theil  der  Abhandlung  ist  der  Frage  nach  dem 
gegenseitigen  Verhältniss  der  mit  Gerichtsvorstandschaft  betrauten  Ma- 
gistrale gewidmet,  mit  spezieller  Rücksicht  auf  die  di'xai  tji^rjvot.  Dabei 
kommt  Verf.  zu  dem  Resultate,  dass  die  Angaben  Aristoteles'  zwar  rich- 
tig, aber  nicht  immer  erschöpfend  und  vollständig  seien:  dieses  Urtheil 
deckt  sich  mit  demjenigen  von  Lipsius,  von  dem  er  in  Einzelheiten 
manchmal  abweicht,  so  in  Betreff  der  elaayiuyeig  und  dei  Frage,  ob  die 
ililiT^Moi  oixat  die  Instanz  der  Schiedsrichter  passierten,  welche  er  bejaht, 
während  Lipsius  sie  verneint. 


Bericht  über  Aristoteles  und  die  ältesten 
Akademiker  und  Peripatetiker  für  1886 — 1890. 

Drittes  Stück. 

Von 

Professor  Dr.  Franz  Susemihl 

in  Greifswald. 


Bevor  ich  fortfahre,  muss  ich  noch  ein  paar  Nachträge  vorauf- 
schicken : 

Dexippi  in  Aristot.  categ.  comm.  ed.  Busse  (s.  No.  18)  ist 
von  Wallies  Berl.  phil.  Woch.  XI  1891  Sp.  844—846,  Arist.  Metaph. 
übers,  v.  Bonitz  (s.  No.  21)  von  Wallies  ebendas.  Sp.  1479f.  ange- 
zeigt, Bergson  Quid  Aristoteles  de  loco  senserit  (s.  No.  34)  von  Suse- 
mihl ebendas.  XII  1892  Sp.  237f.,  Barthelemy-St.  Hilaire's  fran- 
zös.  Uebers.  v.  de  gen.  anim.  (s.  No.  55)  auch  von  Bu  Hing  er  N.  ph. 
Rdsch.  1887  Sp.  386 f,  Aristot.  Eth.  Nie.  ed.  Bywater  (s.  No.  61)  auch 
von  Richards  Class.  Rev.  V  1891  S.  153  —  155,  die  unter  No.  89  auf- 
geführte Arbeit  Wrobel's  in  d.  Zeitschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  XXXVII 
1887  S.  792 — 794,  Schwarcz  Kritik  der  Staatsformen  des  Aristoteles 
(s.  No.  106)  ausführlich  von  Susemihl  Berl.  phil.  Woch.  XII  1892  Sp. 
1062—1069,  Averrois  paraphrasis  ed.  Heidenhain  (s.  No.  115)  auch 
von  E.  Wellraann  Deutsche  L.-Z.  1891  Sp.  539  und  P.  Meyer  N.  ph. 
Rdsch.  1891  Sp.  125f. 

Für  die  Rhetorik  ist  nachzutragen,  dass  R.  Scholl  in  dem 
Sitzungsber.  d.  Münchener  Akad.,  phil.-hist.  Cl.  1889  II  S.  26—46  er- 
schienenen Aufsatz  Mittheilungen  aus  Handschriften  S.  33 — 38  sowohl 
die  Ber.  L.  S.  13  f.  angeführte  Vermuthung  von  Wilamowitz,  es  sei 
III,  10,  1411a,  31  unter  iv  zw  imra^/o»  der  'Enirdftog  des  Gorgias,  als 
auch  die  Möglichkeit,  es  sei  der  des  Pseudo-Lysias  zu  verstehen,  wider- 
legt und  höchst  wahrscheinlich  gemacht  hat,  dass  die  Leichenrede  des 
Demosthenes  auf  die  bei  Chäroneia  Gefallenen  gemeint  ist.  Hat  er 
auch  in  letzterem  Punkte  Recht,  so  würde  dies  ein  neuer  Beweis  dafür 
sein,  dass  der  unter  dem  Namen  des  Lysias  überlieferte  'Ernzdipioq  nicht 
von  diesem  herrühren  kann,  da  aus  Scholl' s  Darlegung  auch  dies  folgt, 


56  Aristoteles. 

dass  hier  die  betreffende  Sentenz  eine  aus  der  von  Aristoteles  ange- 
ftihrteu  erborgte  ist.  Die  von  Di  eis  vorgeschlagene  Streichung  von  32 
Tai  Twv  iv  lahi^hi  zsXe'jzr^aävrujv  beschränkt  Scholl  mit  Recht  nach 
Dobree's  Vorgang  auf  h  Za)M[icvi. 

Der  arabische  Uebersetzer  der  Poetik,  von  dem  Ber.  LXVII 
S.  154 ff.  die  Rede  war,  hiess  nach  A.  Müller  Arch.  f.  Gesch.  der  Phi- 
los.  IV  1891  S.  521  (mit  A.  6)  nicht,  wie  Margoliouth  schreibt,  Abu 
Baschar,  sondern  Abu  Bischr  Matta. 

Nachzutragen  sind  ferner 

134 — 136)  Ingram  Bywater,  The  Litterature  of  Ancient  Philo- 
soph}- in  England  in  1886'.  1887.  1888.  Arch.  f.  Gesch.  der  Philos.  I 
1888  S.  142  ff.,  II   1889  S.  499  ff.,  III   1890  S.  647 ff. 

In  dem  ersten  dieser  drei  Berichte  wir4  S.'  142 — 145  die  Ber.  L. 
S.  13  erwähnte,  mir  aber  nicht  zu  Gesicht  gekommene  englische  Ueber- 
setzung  der  Rhetorik  von  Welldon^)  und  S.  145 f.  die  Ber.  L.  S.  4 — 6 
in  Betracht  gezogene  kleine  Schrift  von  Innes,  in  der  zweiten  S.  491 
—  501  die  Analecta  orientalia  von  Margoliouth  (s.  oben  No.  113)  und 
S.  501—504  die  Ausg.  der  Politik  von  Newman  (s.  oben  No.  97),  in 
der  dritten  S.  654 f.  die  oben  unter  No.  1  aufgeführte  Arbeit  von  Shute 
besprochen. 

Ich  schliesse  hier  gleich  ein  Verzeichniss  von  Recensionen  und 
Anzeigen  früher  eischiencner  Arbeiten  an:  Aristotelis  fragmenta  coli. 
Rose  (s.  Ber.  L.  S.  1):  Wallies  Berl.  ph.  Woch.  VII  1887  Sp.  430  — 
433.  Wohlrab  Litt.  Centralbl.  1887  Sp.  753f.  Chiappelli  Riv.  di  Fil. 
XVII  S.  134—136.  —  The  Rhetorics  of  Aristotle  translated  .  .  by  J. 
E.  C.  Welldon:  Sandys  Academy  XXXI  1887  No.  786  S.  38lf.    Ed- 


1)  Ich  will  nicht  unterlassen  die  von  Bywater  mitgetheilten  Conjectu- 
ren  und  Interpunctionsänderungen  hier  wiedorzugeben,  obgleich  Bywater 
bemerkt,  dass  der  ersteren  nur  wenige  sind  und  von  diesen  wenigen  uns  nur 
wenige  viel  helfen  können.  1,  2.  1356b  12  i.7Z£i  f.  ixet.  I,  4.  1359t>  38  eldi- 
va<,  ^  xal  1360a  38  ouv  <voüv>.  1,  5.  1361b  22f.  [xai  yäp  —  i<nt^].  I,  7. 
1363b  34f.  [xat  toO  /leiCovog].  1364b  3f.  xai  ävruetfiivws  —  xaUioug  sei  um- 
zustellen »so  as  to  make  this  clause  precede  the  illustrations«.  I,  10.  1368  b 
23  dö^TjC^  ößuiwq.  1369»  4  f.  ini>9u/iia.  wot£.  I,  11.  1371  t"  4  xai  rd  ikkinrj  ini- 
TE^eiv  sei  hier  nicht  am  richtigen  Platze.  I,  15.  1376b  9  auvi97jxag,  xai.  II, 
4  1381*  21  f.  Ttßwat.  xai  xuüg  dixaioug-  zoioÜTuug.  II,  5.  1382b  18  dvrjpfj- 
xoreg.  xai  II,  6.  7.  8.  1385»  3  t«s,  xai.  23  Spcug,  xai.  b32f.  toütojv  ß-fjr. 
II,  9.  1386b  15  yiyvößtvov  diö.  II,  23.  lM97a  27-29  »he  regards  the  whole 
clause  xai  el  rw  nenovi^ÖTt  —  noirjaavTt,  xai  ei  Ttu  7roi7;<TavT«,  xai  tw  nEnow- 
i^oTt  as  a  dittographia«  (diesen  Bericht  verstehe  ich  nicht :  die  letzten  Worte 
xai  el  Tto  notrjffai'Tt,  xai  r^  nenov^^rt  fehlen  ja  in  Ac  und  sind  daher  bereits 
von  Spengel  und  Römer  gestrichen),  big  t/ttov  <eJxds>.  1400»  7  ido^ev 
f.  Ido^ai^.     II,  24.   1402a   13  üxög,  äkkä.     III,  16    1417»  38f.    ünoßke(pag,  xai. 


Nachträge.  57 

wards  Class.  Rev.  I  1887  S.  98  —  101.  Saturd.  Rev.  No.  1656  S.  127.  — 
Wirth  Die  drei  ersten  Capitel  der  Metaph.  des  Aristot.  (s.  Ber. XLII 
S.  17ff.):  Zahlfleisch  Zeitschr.  f.  d.  österr.  G.  XXXVIII  1887  S.  881 
— 883.  --  Heck  Hauptgruppen  des  Thiersystems  bei  Aristot.  (s  Ber. 
XLII  S.  24lf.):  0.  Keller  Berl.  ph.  Woch.  VH  1887  Sp.  497f.  — 
Aristot.  de  an.  ed.  ßiehl  (s.  Ber.  XLII  S.  22f.):  Dembowski  Woch.  f. 
kl.  Ph.  IV  1887  Sp.  430— 433  2).  —  Essen  Ein  Beitrag  zur  Lösung 
der  aristot.  Frage  (s.  Ber.  XLII  S.  16 f.)  und  Dehlen  Die  Theorie  des 
Aristoteles  (s.  Ber.  XLII  S.  262):  Schaarschmidt  Philos.  Monatsh. 
XXIII  S.  629 f.  und  S.  622f.  —  Tumlirz  Die  trag.  Affecte  Mitleid  und 
Furcht  nach  Aristot.  (s.  Ber.  XLII  S.  260ff.):  Pajk  Zeitschr.  f.  d.  österr. 
G.  XXXVIII  1887  S.  798-801.  Bullinger  N.  phil.  Rdsch.  1888  Sp. 
278.  —  Prisciani  quae  extanl  ed.  Bywater  (s.  Ber.  L  S.  20):  ^.  Berl. 
ph.  Woch.  VII  1887  Sp.  737—739.  R.  D.  Hicks  Class.  Rev.  II  1888 
S.  17 f.  Bruns  Deutsche  L.-Z.  1888  Sp.  869—871  (zusammen  mit  Ex- 
cerptorum  Constantini  de  nat.  anim.  1.  II  ed.  Lambros,  s.  Ber.  XLII 
S.  246  f.). 

Noch  ist  zu  bemerken,  dass  in  der  Sammlung  von 

137)  Herrn.  Siebeck,  Untersuchungen  zur  Philosophie  der  Grie- 
chen, 2.  Aufl.,  Freiburg  i.  B.  1888,  Mohr.    VIII,  279  S.    8. 

ausser  der  älteren,  schon  in  der  1.  Aufl.  stehenden  Abb.  über  die  Um- 
bildung der  peripatetischen  Naturphilosophie  in  die  der  Stoiker  (S.  181 
—  252)  auch  die  Ber.  XXX  S.  24.  78 ff.  besprochenen  Aufsätze  Zu  Aristo- 
teles (S.  152 — 162)  und  Zur  Katharsisfrage  (S.  163  —  180)  sich  wiederfinden. 

Nachzutragen  ist  ferner  noch 

138)  Julien   Havet,    Les    Proverbes    d'Aristote    en    hexametres 
latins.     Revue  de  philologie  N.  F.  XI  1887  S.  123  f. 

Thurot  Rev.  crit.  1866  II  S.  200  hatte  zuerst  ein  Citat  des  Aristo- 
teles bei  Gunzo  von  Novara  in  einem  zwischen  954  und  960  an  die 
Mönche  von  Reichenau  gerichteten  Briefe  ans  Licht  gezogen,  welches 
dann  Heitz  Aristot.  fragm.  S.  345  unter  die  fragmenta  incertae   sedis: 


2)  Dembowski  vertheidigt  gegen  Biehl  die  Lesarten  und  beziehent- 
lich CoDJecturen  I,  1.  403 1»  17  oö  xwpiffrd.  I,  2.  404 1>  10  TtoioüvTsc;  ohne 
raÜTag.  I,  3.  407»  22  [vörjmg],  I,  5.  410»  29  fiapTupet  rö  vöv  Xs;('9£v.  411  b 
25.  öfioBiÖTj  und  äXXrjkotq.  11,  3.  415^  9.  to?s  d'  äUon  alffi^rjrolg.  III,  2.  426* 
28.  [xai  eativ  —  abrö].  111,  6.  431»  12.  roüro.  111,  7  431  b  25  f.  £«S  duvdßsi 
(oder  rä  duvd/iet)  und  elg  ivBpyeia  (oder  rä  ivspyeia).  Dass  Biehl  II,  1. 
4l2b  15  (soll  wohl  heissen  14)  yäp  geschrieben  habe,  beruht  auf  Irrthum, 
Die  CoDJecturen  und  Umstellungen  Biehl's  II,  2.  413»  29  und  111,  2.  426a 
6—11  bezeichnet  Dembowski,  ohne  sich  näher  hierüber  auszulassen,  als 
zwar  annehmbar,  aber  doch  nicht  durchaus  erforderlich. 


58  Aristoteles. 

IV.  'Ano^Bey/iaTa  No.  44  aufgenommen  hat.  Gunzo  ftihrt  nämlich  als 
provcrbiian  Aristotelis  an: 

Limax  in  suo  conclavi  cormipeta  sibi  videtur^ 
Seqtie  putat  cursu  timidis  contendere  damis. 
Thurot  und  Heitz  betrachten  die  erste  Zeile  nicht  als  Vers,  wogegen 
Havet  sehr  beachtenswerthe  Einwendungen   macht.     Er   versucht    den 
Hexameter  so  herzustellen: 

Limax  in  concha  sibi  cornupeta  (esse^  videtur 
und  meint,  es  sei  dies  ein  Rest  aus  einer  alten  lateinischen  Ueber- 
setzung  der  napoiy-iat  des  Aristoteles  (bei  Laert.  Diog.  im  Verzeichniss 
No.  138,  beim  Anon.  =  Hesych.  No.  127,  wo  freilich  Tipooiiiüuv  überlie- 
fert ist,  was,  obgleich  kaum  als  Titel  einer  Prosaschrift  denkbar,  doch 
um  so  mehr  ins  Gewicht  fällt,  da  bei  Ptolem.  No.  66*  sich  der  Titel 
■npoofjita  findet),  von  deren  Bekanntschaft  wohl  keine  spätere  Spur  vor- 
handen sei,  da  Gerbert  Epist.  32  (36  Olliris)  im  J.  984  Ut  limax  in  suo 
conclavi  corrupeta  tibi  videris  wohl  nur  dem  Gunzo  nachgeschrieben  habe. 
Anhangsweise  ist  jetzt  noch  Allerlei  möglichst  kurz  zu  besprechen. 
So  zunächst 

139)  Supplementum  Aristotelicum  editum  consilio  et  auctoritate 
academiae  litterarum  regiae  Borussicae.  Vol.  II.  Pars  I.  Alexandri 
Aphrodisiensis  praeter  commentaria  scripta  minora.  De  anima  cum 
mantissa.  Edidit  Ivo  Bruns.  Berlin  1887.  G.Reimer.  XVII,  232  S. 
Lex.  8. 

Dass  Alexandros  von  Aphrodisias  nur  ein  Buch  rrs/n  fp')X^j^  S^" 
schrieben  hat  und  das  sogenannte  zweite  Buch  nur  eine  ähnliche  Samm- 
lung von  Problemen  ist  wie  die  Quaestiones  naturales,  erkannte  Freu- 
denthal in  der  Ber.  XLII  S.  248  besprochenen  Arbeit  iS.  13  Anm. 
S.  27  A.  2).  Daher  hat  Bruns,  der  sie  übrigens  grösstentheils  für  ein 
wirkliches  Eigenthum  des  Alexandros  hält,  sie  nur  als  mantissa  bezeich- 
net und  beigegeben.  Eine  genauere  Berichterstattung  liegt  ausserhalb 
der  Grenzen  meiner  Aufgabe,  und  ich  darf  mich  daher  begnügen  auf 
die  Recensionen  im  Litt.  Centralbl.  1887.  Sp.  1662 f.  und  von  Heitz 
Deutsche  L.-Z.  1888.  Sp.  1072  f.  zu  verweisen,  indem  ich  nur  noch  be- 
merke, dass  Bruns  den  Text  auf  den  Cod.  Ven.  258  aus  dem  10.  Jahrb., 
den  Archetypos  für  die  in  der  einzigen  bisherigen  Ausgabe,  einer  Aldina 

V.  J.  1534  (in  welcher  die  Paraphrasen  des  Themistios  voraufgehen), 
benutzte  sowie  allem  Anschein  nach  für  sämmtliche  übrigen  Hand- 
schriften, und  nebenbei  auf  eine  von  dieser  Hauptquelle  unabhängige 
und  von  ihm  mit  Steinschneider's  Hülfe  verwerthete  hebräische 
Uebersetzung  gegründet  hat.  Heitz  tadelt,  dass  er  nicht  auch  die  la- 
teinische Ucbertragung  von  Hieronymus  Donatus  berücksichtigt,  die 
häufig  mit  der  hebräischen  übereinstimme  und  nicht  selten  das  zur  Ver- 
besserung des  Textes  Xothwendige  darbiete.     Der  andere  Ref.  hält  es 


Nachträge.     Anhang.  59 

für  wahrscheinlicher,  dass  der  wohl  im  12.  Jahrh.  lebende  Corrector 
des  Ven.  aus  einem  andern  Codex  als,  wie  Bruns  annimmt,  lediglich 
aus  seinem  eignen  Scharfsinn  geschöpft  habe.  Beide  erkennen  aber 
natürlich  die  grosse  Tüchtigkeit  dieser  neuen  Ausgabe  in  vollem  Masse  an. 

Vielleicht  noch  weniger  in  meinen  Bereich  gehört  das  pseudo- 
aristoteliscbe  Secretum  secretorum,  welches  in  dieser  Zeit  Gegen- 
stand eines  eingehenden  Studiums  geworden  ist: 

140)  R.  Förster,  De  Aristotelis  quae  feruntur  secretis  secretorum, 
Kiel  1888.  41  S.  4.  (Universitätsprgr.  zur  Todtenfeicr  von  Kaiser  Frie- 
drich III). 

141)  Derselbe,  Handschriften  und  Ausgaben  des  pseudo-aristote- 
lischen  Secretum  secretorum.  Centralbl.  f.  Bibliothekswesen  VI  1889 
S.  1—22. 

142)  Cecconi,  II  secretum  secretorum  attribuito  ad  Aristo tile  e 
le  sue  redazioni  volgari.     Propugnatore  II,  10. 

Die  dritte  von  diesen  Abhandlungen  ist  mir  unzugänglich,  und  von 
der  zweiten  lässt  sich  selbstverständlich  kein  Auszug  geben.  Ich  habe 
mich  daher  auf  die  erste  zu  beschränken,  über  die  sich  auch  schon 
Zell  er  Arch.  f.  G.  d.  Ph.  III  S.  31 9  f.  mit  wohlverdientem  Lobe  ge- 
äussert hat,  und  erwähne  auch  in  Bezug  auf  sie  vorwiegend  nur  den  von 
Förster  S.  20—27  gegen  Rose  und  Andere  geführten  Beweis,  dass 
dies  im  Mittelalter  viel  gelesene  arabische  und  auch  noch  arabisch  vor- 
handene, bis  jetzt  aber  nur  nach  mittelalterlicher  lateinischer  Ueber- 
tragung  gedruckte  Buch 3),  obgleich  es  sich  als  Uebersetzung  von  Ari- 
stoteles nsfn  ßamldaq  (an  Alexandros)  hinstellt,  doch  kein  griechisches 
Original  gehabt  hat,  sondern  einfach  eine  ohne  ein  solches  entstandene 
arabische  Fälschung  wahrscheinlich  aus  dem  11.  Jahrhundert  oder  dem 
Anfang  des  12.  ist.  Förster  ist  zu  seiner  Beschäftigung  mit  der- 
selben durch  seine  Studien  über  die  Physiognomik  der  Griechen  ange- 
regt worden,  da  sie  auch  ein  seinem  Kerne  nach  aus  griechischer 
Doctrin  geflossenes  physiognomisches  Capitel  enthält,  welches  er  nach  drei 
verschiedenen  lateinischen  Bearbeitungen,  von  denen  bisher  nur  die  des 
Philippos  von  Tripolis  bekannt  war,  herausgegeben  hat  (S.  3—17).  Dann 
zeigt  er  (S.  17 — 23),  dass  dasselbe,  gleichwie  das  entsprechende  Stück 
bei  Rages,  mittelbar  aus  einer  wahrscheinlich  auch  schon  arabischen, 
möglicherweise  aber  auch  griechischen  Vorlage  geflossen  ist,  derselben, 
aus  welcher  unmittelbar  auch  der  Gothaer  Pseudo-Polemon  stammt,  und 


')  Auch  de  regimine  principum  fregtim,  dominorum,  ducum)  oder  de  signis 
et  moribus  naturalibus  hominis  oder  liber  morum  (moralium)  oder  epistola  Ai'i- 
stotelis  ad  Alexandrum  genannt. 


QQ  Aristoteles. 

dass  wiederum  die  Quelle  dieser  Vorlage  ein  Auszug  aus  Pseudo-Aristo- 
teles  und  Polemon  war.  Weiter  führt  er  S-  23—27  aus,  dass  die  älteste 
Spur  dieses  Buches  die  lateinische  Uebersetzung  eines  Theiles  von  dem 
Spanier  Johannes  im  12.  Jahrhundert  ist,  und  handelt  endlich  S.  27- 
33  von  der  vor  1235  entstandenen,  und  seitdem  viel  benutzten  vollstän- 
digen des  Philippos  und  die  Person  ihres  Urhebers.  Beigegeben  sind 
S.  34-  41  drei  Anhänge:  Prooemium  Secreti  Secretorum  Latine  conversum, 
Prooemium  interpretationis  Philippi  Tripolitani,  Prooemium  interpretatio- 
nis  loannis  Hispaniensis. 

Aus  dem  Jahre  1886  ist  noch  nachzuholen 

143)  Gust.  Endriss,   Albertus  Magnus  als  Interpret  der  aristo- 
telischen Metaphysik,  München  1886.    VI,  153  S.    8.    (Doctordiss.). 

Diese  Schrift  ist  durchaus  des  Lobes  würdig,  welches  ihr  in  der 
kurzen  Anzeige  von  Arth.  Richter,  Philos.  Monatsh.  XXIV  1887 
S.  11 2 f.  ertheilt  worden  ist,  und  muss  wegen  der  grossen  Klarheit, 
Uebersichtlichkeit  und  Objectivität  ihrer  Darstellung  namentlich  Denen 
zur  Orientirung  empfohlen  werden,  welche  bei  allem  Interesse  für  die 
Sache  sich  doch  gleich  mir  nicht  in  der  Lage  befinden  das  betreffende 
Werk  des  Albertus  selber  genauer  zu  studiren,  und  in  dieser  Lage 
dürften  ja  wohl  recht  Viele  sein.  Aristoteles  kommt  dabei  freilich  beinahe 
nur  so  weit  in  Betracht,  als  es  sich  um  die  Geschichte  seiner  Einwir- 
kung auf  die  Folgezeit  handelt.  Denn  freilich  nimmt  man  den  Eindruck 
mit,  dass  zwar  Albertus,  der  hier  ausschliesslich  als  Referent,  Paraphrast 
und  Commentator  und  durchaus  nicht  als  Kritiker  auftritt,  zwar  für 
seine  Zeit  und  mit  seinen  unzureichenden  Mitteln  Bewundernswerthes 
geleistet  hat,  aber  uns  heute  für  die  Erklärung  der  Metaphysik  wenig 
mehr  helfen  kann  und  ziemlich  entbehrlich  ist.  Er  war  sehr  belesen 
in  arabischen  und  jüdischen  Schriftstellern,  auch  in  Cicero,  Augustinus, 
Eukleides,  wie  dies  Endriss  genau  ausführt,  soweit  es  für  diese  seine 
Arbeit  in  Frage  kommt,  aber  er  verstand  bekanntlich  kein  Griechisch. 
Von  Interesse  ist  es,  dass  seine  Vorlagen  das  unächte  11.  Buch  (K) 
nicht  enthielten  und  es  daher  auch  bei  ihm  fehlt*).  Er  hat  neben  einer 
griechisch-lateinischen  Uebersetzung,   welche   nur  zwölf  Bücher  enthielt. 


4)  Ebenso  0,G  1014^  18—35  gleichwie  in  den  Codices  ET,  bei  Pseudo- 
Alex, und  in  den  lateinischen  Uebersetzungen  von  Wilhelm  von  Moeibecke 
und  Bessarion.  Im  Uebrigen  ist  die  von  Albert  noch  nicht  benutzte,  weil 
ohne  Zweifel  erst  später  entstandene  und  alle  14  Bücher  als  solche  enthaltende 
griechisch-lateinische  Uebersetzung,  von  der  S.  134 f.  die  Rede  ist,  keine  an- 
dere als  jene  erstere  des  Moerbeckers,  eines  Ordensbruders  und  Zeitgenossen 
Albert's.  Das  hätte-Endriss  zu  sagen  nicht  unterlassen  und  bei  der  Frage 
nach  der  somit  verhältnissmässig  doch  wobl  noch  ziemlich  frühen  Entstebungs- 
zeit  von  Albert's  Metaphysik  mit  berücksichtigen  sollen. 


Anhang.  61 

indem  das  zweite  (a)  als  Anhang  zu  dem  ersten  gezogen  war,  auch  eine 
oder  mehrere  arabisch-lateinische  in  elf  Büchern,  indem  hier  das  erste 
fehlte  und  das  zweite  als  Einleitung  mit  dem  dritten  verbunden  war, 
und  namentlich  auch  den  Commentar  des  Averroes,  wie  Endriss  gegen 
Renan  nachweist,  benutzt,  in  welchem  aber  wenigstens  in  der  ihm  vor- 
liegenden lateinischen  Uebertragung  ausser  dem  elften  auch  die  beiden 
letzten  Bücher  nicht  vorhanden  waren,  ein  Grund  mit  dafür,  wesshalb 
in  ihnen  seine  Arbeit  am  Schwächsten  ausgefallen  ist.  Ob  in  diesen 
Vorlagen  schon  die  jetzige  Capiteleintheilung  vorhanden  war,  an  die 
er  sich  dann  eben  nur  nicht  im  Mindesten  gebunden  hätte,  steht  für 
mich  nicht  so  ganz  ausser  Zweifel  wie  für  Endriss,  sondern  be- 
darf noch  erst  der  Untersuchung^).  Nächst  Averroes  zog  er  Avicenna 
am  Meisten  heran,  aber  ungleich  viel  weniger.  Indem  er  das  zweite 
Buch,  wenn  auch  nur  kurz,  abgesondert  behandelte,  hat  seine  Metaphysik 
also  nun  13  Bücher.  Mit  Unrecht  macht  Endriss  S.  65 f.  ihm  zum 
Vorwurf,  dass  er  die  Bedeutung  der  im  dritten  Buch  (B)  aufgeworfenen 
Probleme  überschätzt  habe:  wenn  Aristoteles  nicht  auf  alle  lösend  zu- 
rückkommt, so  liegt  dies  ja  eben  nur  daran,  dass  seine  Metaphysik  in 
starkem  Masse  unfertig  geblieben  ist^).  Am  Meisten  von  Wichtigkeit 
würde  es  sein,  wenn  der  Verf.  S.  48—51  Recht  darin  haben  sollte,  dass 
die  den  Quellen  des  Albertus  zu  Grunde  liegenden  griechischen  Hand- 
schriften zuweilen  einen  besseren  Text  gehabt  hätten  als  die  unseren; 
allein  ich  kann  nicht  finden,  dass  es  ihm  gelungen  wäre  an  den  von 
ihm  beigebrachten  Beispielen  dies  nachzuweisen'').     Die  Abfassung  fällt 


5)  Für  die  Politik  habe  ich  zu  einer  solchen  in  meiner  kritischen  Ausg. 
derselben  S.  XXIXf   A.  70  einen  Beitrag  geliefert. 

6)  Dies  hat  Endriss  auch  bei  seiner  schiefen  Behauptung  (S.  78)  nicht 
bedacht,  mau  habe  längst  eingesehen,  dass  die  Bücher  M  N  mit  Unrecht  ihre 
Stelle  hier  am  Ende  des  ganzen  Werkes  hätten.     S.  ßer.  LXVII  S  92. 

■?)  Endriss  bat  offenbar  neben  der  Uebers.  von  Hengstenberg  nur 
die  Ausgaben  von  Bekker  und  Schwegler  gebraucht,  aufifallenderweise 
nicht  auch  die  von  Bonitz;  die  von  Christ  lag  noch  nicht  vor.  Nur  so 
viel  ist  allerdings  richtig,  dass  XIV,  2.  1089*  15  Schwegler's  (von  Bonitz 
und  Christ  nicht  erwähnte)  Streichung  von  xal  öurog  an  Albert  eine  Stütze 
hat  Dagegen  wird  X,  3.  1054  b  13  dem  fehlerhaften  ^  xpoaui  durch  Albert's 
Paraphrase  aut  auro  rubicundo  ignis  nicht  aufgeholfen,  sondern  es  ist  einfach 
nach  Pseudo-Alex.  mit  Bonitz  zu  tilgen  X,  9.  1058b  13  müsste  der  Text, 
auf  dem  Albert's  Wiedergabe  :  »ein  eherner  und  ein  hölzerner  Kreis  unterscheidet 
sich  nicht  nach  Art  des  Kreises,  sondern  nur  dem  Stoffe  nach;  ein  ehernes 
Dreieck  aber  und  ein  hölzerner  Kreis  sind  specifisch  verschieden,  aber  nicht 
desshalb,  weil  sie  dem  Stoffe  nach,  sondern  desshalb,  weil  sie  dem  Begriffe  nach 
verschieden  sind«  beruht,  wenn  er  wirklich  ein  anderer  als  der  überlieferte 
gewesen  wäre,  ganz  merkwürdig  von  dem  letzteren  abgewichen  sein ,  viel  wahr- 
scheinlicher ist  es,  dass  sie  auf  denselben  verderbten  und  von  Bonitz  richtig 


62  Aristotftles. 

nach  ihm  jedenfalls  nicht  vor  1256,  wahrscheinlich  aber  erst  nach  1262. 
Zu  tadeln  ist  gelegentlich  eine  gewisse  Breite;  namentlich  ist  zu  be- 
dauern, dass  er  nicht  Mittel  gefunden  hat  die  allzu  häufige  Wieder- 
verbesserten Text  zurückgeht,  Alb.  aber  trotz  dieser  Verderbniss  den  erfor- 
derlichen Sinn  in  der  Hauptsache  erkannte  und  umschrieb  Und  nicht  anders 
steht  es  auch  XIII,  1.  1076»  15  mit  den  Worten  rwür'  Idia  ßjj  xa^T  rjß&v 
dua'/BpaivwiJ.EM^  deren  hergebrachte  Uobersetzung  »wir  über  dieselbe  nicht  mit 
uns  allein  unzufrieden  seien«  in  der  That,  wie  Endriss  richtig  urtheilt,  keinen 
Sinn  giebt,  und  für  die  wir  bei  Alb.  lesen:  separatim  pro  hovore  auciorifalix 
attribuatur  Ulis.  Auch  hier  fragt  man  vergebens:  wie  soll  denn  ein  hiermit 
stimmender  Text  eigentlich  ausgesehen  haben?  Dass  überdies  dua^spaiveiv 
das  richtige  Verbum  ist,  beweist  der  Gegensatz  äYamjzov  in  der  folgenden 
Begründung.  Christ  schlägt  duayzpaivwcnv  vor,  was  ich  ohne  Commentar 
erst  recht  nicht  verstehe.  Ich  denke,  schon  Alb.  wusst'e  sich  das  Ueberliefertc 
nicht  zu  deuten  und  setzte  daher  an  die  Stelle,  was  ihm  passend  erschien  und 
auch  an  sich  sehr  passend  wäre,  aber  nur  leider  zum  Folgenden  nicht 
passt.  Man  construiie  nur  richtig:  toöto  geht  nicht  auf  döyfia  zurück,  son- 
dern auf  das  ganze  Satzglied  et' rt  döyßa  xon/ov  ijfitv  xaxeivotg,  wie  Seh  weg- 
ler gesehen  hat,  und  ISta  heisst  nicht  »allein«,  sondern  »speciell«  oder  »ge- 
rade«: wenn  wir  wahrnehmen,  dass  Andere  über  irgend  einen  Punkt  schon 
das  Gleiche  gelehrt  haben  wie  wir,  so  wollen  wir  darob  nicht  speciell  (gerade) 
mit  uns  zürnen,  nämlich  dass  auch  wir  hierin  nichts  Besseres  gefunden  haben, 
sondern  es  soll  uns  dies  lehren  zufrieden  damit  zu  sein,  wenn  dies  nur  in  an- 
deren Stücken  der  Fall  ist  und  wir  hierin  wenigstens  nichts  Schlechteres  ge- 
dacht haben  als  jene  Anderen,  und  dass  man  damit  überhaupt  bei  sich  und 
bei  Anderen  zufrieden  sein  muss  "Kurz,  dieser  Abschnitt  ist  wohl  der  schwächste 
in  der  Endriss'schen  Schrift.  Und  nicht  minder  unglücklich  handelt  Endriss 
S  .51  f.  über  XII,  8.  1074a  I2ff.  el  ok  tyj  ask^vrj  re  xa'c  tu)  rjAiw  /j.7j  T^poari- 
i'fttTj  Tiq  ac  ei'TTOßeu  xci/i^ffEig,  al  Tzaaai  a(paipai  eaovzai  kmä  re  xal  TBzrapd- 
xuMTa.  Denn  unmöglich  kann  Arist.,  wie  Endriss  will,  gemeint  haben:  wenn  man 
für  Sonne  und  Mond  die  je  zwei  von  Kallippos  hinzugefügten  Sphären  und 
daher  auch  die  zwei  von  mir  um  ihrer  willen  für  die  Sonne  angenommenen 
zurückführenden  streichen  und  somit  hierin  bei  Eudoxos  stehen  bleil)en,  dann 
aber  auch  noch  die  weiteren  zwei  zurückführenden,  welche  ich 
um  dessen  Theorie  willen  der  Sonne  beigelegt  habe,  beseitigen 
wollte,  so  würden  47  Sphären  bleibin,  denn  diese  letztere  Beseitigung  würde 
ja  die  gesammte  Construction  des  Aristoteles  zerstören.  Und  sicher  hat  es 
auch  Alb.  nicht  so  ver.standen,  wenn  er  die  Hypothese  so  fasst.  dass  die  lumi- 
naria  (d.  i.  Sonne  und  Mond)  nur  sphaeras  slmpllcs  haben  sollten.  Vielmehr 
ist  wohl  sein  Ausdruck  ungenau,  und  er  hat  bereits  gleich  Krisch e  vier  ab- 
zurechnende zurückführende  Sphären  für  den  Mercur  und  vier  für  die  Sonne 
verstanden  Allein  auch  difse,  überdies  doch  recht  künstliche  Erklärung  ver- 
trägt sich  ja  nicht  mit  jener  Gosammtconstruction,  und  man  wird  also  mit 
Christ  und  im  Grundi'  auch  Schwegler  Denen  b('ii)flichten  müssen,  welche 
die  vier  von  Kallippo<  für  Sonne  und  Mond  und  die  zwei  von  Aristoteles  noch 
weiter  für  die  Sonne  hinzugefügten  Sphären  als  die  (von  55)  abzuziehenden 
ansehen  und  danach  Ittt«  in  iwia  ändern. 


Anhang.    Pseudo-Herakleides.  63 

holung  Dessen  zu  vermeiden,  dass  Albertus  bei  seinem  ausschliesslichen 
Zweck  seinen  Zeitgenossen  neuen  philosophischen  Stoff  zuzuführen  und 
klar  zu  machen  recht  gleichgültig  gegen  die  Form  sei. 

Da  die  Politien  des  sogenannten  Herakleides  im  Wesentlichen 
Auszüge  aus  den  aristotelischen  sind,  so  ist  schliesslich  noch  zu  erwäh- 
nen, dass 

144)  H.  Diels  Atacta,  Hermes  XXHI  1888  S-  283 f. 

dort  22  (50  Rose  Aristot.  fr.  S.  380)  aoyrjixd-wv  für  droyrjiJ.d-:iuv  herstellt. 

Indem  wir  uns  nun  zu  den  Peripatetikern  wenden,  tritt  uns 
zunächst  die  Abhandlung  von 

145)  Ferdinand  Dümmler,    Zu   den   historischen  Arbeiten   der 
ältesten  Peripatetiker,  Rhein.  Mus.  XLH  1887  S.  179-197 

entgegen,  welche  sich  indessen,  abgesehen  von  einer  gelegentlichen  Be- 
merkung über  Phainias  S.  184,  trotz  ihres  umfassenderen  Titels  nur 
mit  Aristoteles  und  Theophrastos  beschäftigt,  übrigens  in  diesen 
Blättern  theilweise  schon  eingehend  von  Kaerst  Ber.  LVHI  S.  329 ff., 
351  f.  berücksichtigt  ist.  Sie  zerfällt  in  drei  Abschnitte.  Der  erste 
S.  179-187  ist  Politien,  Politik  und  r.oXizixä  ~d  nphg  -zobg  xaipoög 
überschrieben.  Dümmler  geht  hier  von  dem  Schlüsse  der  nik.  Eth. 
1181^  13 — 23  aus,  welcher  doch  ohne  Zweifel  nur  als  Uebergang  zur 
Politik  aufgefasst  werden  kann,  in  welchem  er  aber  trotzdem  das  ex 
Twv  auvr^YfLSvojv  rtohrEuu)^  als  ein  unzweifelhaftes  »directes  Citat«  viel- 
mehr von  den  Politien  bezeichnet,  ohne  sich  um  den  Nachweis  des  Ge- 
gentheils  bei  Heitz  Verl.  Schrr.  des  Arist.  S.  231  ff.  und  um  meinen 
Nachweis  (Arist.  Pol.  I  S.  71  ff.)  zu  kümmern,  dass  J.  G.  Schlosser 
mit  Recht  diesen  Schluss  für  unächt  erklärt  zu  haben  scheint.  Auch 
gegen  die  Behauptung,  dass  die  Politien  und  die  den  Namen  des  Theo- 
phrastos tragenden  Noixoc  sich  als  Vorarbeiten  zur  Politik  wie  die  7s- 
yväjv  aovaywyrj  zur  Rhetorik^)  oder  der  Dialog  TiSpi  r.otrj-zujv  zur  Poetik 
verhielten,  sprechen  jedenfalls  die  erheblichen  wiederum  schon  von  Heitz 
vorgetragenen  Bedenken,  und  sollten  dieselben  sich  widerlegen  lassen, 
so  würden  mindestens  doch  an  die  Stelle  von  rtspl  nocr^zuiv  mit  Diels 
und  Gomperz  (s.  u.)  vielmehr  etwa  die  homerischen  Probleme^)  oder 
noch  besser  mit  Diels^'')  die  Didaskalien  und  ähnliche  Sammlungen  zu 
setzen    sein.     Weit    näher    läge   aber  doch   auch   so  der   Vergleich  des 


8)  Doch  wohl  vielmehr  zuuächst  zu  der  älteren,  der   sogenannten  theo- 
dekteischen? 

9)  Dass  freilich  nicht  einmal  dies  ohne  Bedenken  ist,  erhellt  aus  Suse- 
mi hl  Gr.-alex    L -G.  I  S.  164  A.  847  II  S.  329  A.  445  g. 

»0)  Arch.  f.  Gesch.  der  Phiios.  IV  1891  S.  480. 


64  Aristoteles.    Phainias.     Theophrastos. 

Verhältnisses  der  Thiergeschichte  zu  den  systematischen  zoologischen 
Schriften,  gerade  hier  hat  jedoch  Heitz  meines  Erachtens  einleuchtend 
bemerkt,  dass  der  Vergleich  nicht  passt,  weil  Arist.  in  den  letzteren 
wiederholt  die  erstere,  nie  dagegen  in  der  Politik  die  Politien  anführt. 
Gerade  dieser  letztere  Umstand  macht  nun  aber  auch  die  Annahme, 
dass  trotzdem  diese  eine  Vorarbeit  für  jene  gewesen  seien ,  sehr  miss- 
lich, und  überdies  harrt  der  weitere  von  Heitz  S.  240  f.  geltend  gemachte 
Gegengrund,  dass  dann  die  Berührungspunkte  zwischen  beiden  Schriften 
viel  reichlicher  sein  müssten,  noch  immer  der  Widerlegung.  Konnten 
endlich  die  sehr  blendenden  Schlüsse,  durch  welche  dieser  Gelehrte 
S.  233 ff.  die  Politien  als  eine,  bloss  hypomneniatische  Arbeit  hinzustellen 
suchte,  weit  eher  zu  Gunsten  der  von  ihm  bekämpften  Meinung  ange- 
wendet werden,  so  vermag  dagegen  wenigstens  ich  es  nicht  zusammen- 
zureimen, wenn  nach  Dumm  1er  die  Politien  einerseits,  wie  gesagt,  als 
eine  Vorarbeit  zu  der  doch  hoffentlicli  auch  nach  seiner  Meinung  nicht 
für  das  Publicum,  sondern  bloss  für  die  aristotelische  Schule  bestimmten 
Politik  und  doch  andererseits  keine  blosse  Materialiensammlung,  son- 
dern mit  ihrem  auf  den  Reiz  der  Darstellung  keineswegs  verzichtenden 
Stil  (wie  auch  ich  glaube)  ein  verbreitetes  Lesebuch  für  weitere  Kreise 
gewesen  sein  sollen ^').  Noch  weniger  freilich  kann  ich  mich  mit  der 
neuesten  Offenbarung  Nissen 's  in  der,  wie  mir  scheint,  völlig  verfehl- 
ten Abb.  »Die  Staatschriften  des  Aristoteles,  Rhein.  Mus.  XLVII  1892 
S.  162—206«  befreunden,  nach  welcher  sie  eine  Anfang  323  an  Alexan- 
dros  den  Grossen  »abgelieferte«  Staatsschrift  zu  dessen  praktischem 
Gebrauche  wären.  Und  so  halte  ich  es  denn,  trotzdem  dass  Arist.  nicht 
allzu  hoch  von  der  Geschichte  dachte  (s.  Poet.  9.  1451"^  5 ff.),  mit  Heitz 
S.  251  f.  und  Br.  Keil  für  das  Wahrscheinlichste,  dass  sie  eine  einfach  hi- 
storisch oder  vielmehr  antiquarisch  gemeinte  Arbeit  des  Arist.  und  seiner 
Schule  waren,  und  dass  an  ihren  Vorgang  Dikäarchos  mit  seinem  Btog' EXXd- 
oo;  sich  anschloss,  wenn  auch  freilich  die  historischen  Urtheile  in  ihnen 
sicher  von  der  Dogmatik  gefärbt  waren,  die  wir  aus  der  Politik  und  der 
nik.  Ethik  kennen  lernen  i2).     Auf  alle  Fälle  sollte  man  nicht  thun,  als 


1')  Hieran  wird  Nichts  geändert,  wenn  mau  mit  Diels  a.  a  0.  S.  480  A.  3 
die  Bezeichnung  »hypomnomatiscb«  im  Sinne  »der  Absicht«  testhalten  will, 
»kein  abschliessendes  Werk  zu  liefern,  sondern  nur  Vorarbeit,  die  einer  hö- 
heren und  umfassenderen  Bearbeitung  nicht  vorgreifen  will« 

12)  Hätte  Nissen,  statt  alle  möglichen  späteren  Berichte,  auch  die  von 
Heitz  S.  242.  253  und  Andern  mit  Recht  bereits  als  werthlos  bezeichneten, 
gläubig  hinzunehmen,  vielmehr,  was  doch  aller  gesunden  Methode  nach  das 
Nächstliegende  war,  den  Aristoteles  selbst  in  dieser  Weise  befragt,  so  würde 
er  vielleicht  selber  gefunden  haben,  dass  sich  von  hier  aus  das  Meiste  erklärt, 
was  ihm  in  der  Politie  der  Athener  aufgefallen  ist,  und  dass  dagegen  sein 
Versuch  die  politischen  Schriften  des  Aristoteles  unter  den  Gesichtspunkt  ma- 
kedonischer Publicistik   zu   stellen    sich   weder  mit  der  Politik   noch   mit   der 


Aristoteles  und  Theophrastos.  65 

ob  hier,  wo  wir  in  Wahrheit  noch  im  dichtesten  Dunkel  stecken,  Alles 
licht  und  klar  wäre.  Aber  auch  wenn  die  Politien,  wie  Dümraler 
ferner  behauptet,  in  der  That  vornehmlich  den  Büchern  IV  und  V  der 
Politik,  wie  auch  ich  sie  hier  nach  der  überlieferten  Ordnung  beziffern 
will,  zu  Grunde  lägen,  verstehe  ich  trotz  der  ßeistimmung  von  Diels^^) 
nicht,  wie  dies  beweisen  soll,  dass  diese  überlieferte  Ordnung  die  rich- 
tige wäre,  wie  ich  denn  überhaupt  dem  kühnen  Fluge  Dümmler'scher 
Schlüsse  öfter  ausser  Stande  zu  folgen  bin.  Wie  wenig  es  ihm  ferner 
gelungen  ist  die  Politien  als  Quelle  des  Ephoros  zu  erweisen,  und  dass 
vielmehr  bei  allen  Berührungspunkten  mit  diesem  Aristoteles,  wie  Trie- 
ber meines  Wissens  zuerst  richtig  erkannte,  der  Empfangende  ist,  hat 
Kaerst  gezeigt,  und  wenigstens  die  Politie  der  Athener  ist  bekannt- 
lich lange  nach  der  Geschichte  des  Ephoros  erst  in  den  späteren  Zeiten 
des  Aristoteles  329/325  verfasst,  woraus   denn  zugleich   wenigstens  für 


nik.  Eth.  verträgt.  Vgl.  die  trefienden  Bemerkungen  von  Di  eis  a.  a.  0. 
S.  485f.  ulJ  jetzt  vor  Allem  die  vom  allein  richtigen  Standpunkt  ausgehende 
Widerlegung  bissen 's  und  Darstellung  des  wahren  Sachverhalts  bei  Br. 
Keil  Die  solonische  Verfassung  in  Aristoteles  Vertassungsgeschichte  Athens, 
Berlin  1892  S.  127—150.  194-241.  Weiss  Nissen  denn  wirklieb  nicht,  wie 
sehr  Aristot.  den  ßioq  Tzohnxög,  zu  Gunsten  des  ßioq  yiköao^oq  herabsetzt? 

13^  A.  a.  0.  S.  483.  Vgl.  auch  Rabe  in  der  unten  No.  160  besprochenen 
Dissert.  S.  47  These  4  (s.  unten  A.  41).  Dass  der  Torso  der  Politik  aus 
verschiedenen  Entwürfen  zusammengestellt  und  also  das  Ganze  nicht  aus 
einem  Gusse  gearbeitet  ist,  bestreitet  ja  heute  wohl  Niemand  mehr.  Aber 
so  lange  die  Beweise  dafür,  dass  der  immerhin  einheitliche  Grundplan  jener 
Entwürfe  und  dieses  unvollendeten  Ganzen  gebieterisch  die  Umstellung 
verlangt,  nicht  widerlegt  sind,  vermag  ich  nicht  einzusehen,  warum  die- 
selbe »ein  äusserliches  Erfassen  des  Problemso  sein,  und  in  wie  fern  sie 
irgendwie  daran  hindern  soll  die  Genesis  der  überlieferten  Gestalt  zu  er- 
mitteln. Auch  glaube  ich  nicht,  dass  wir  es  schon  »so  herrlich  weit  gebrachta: 
haben,  um  über  die  Arbeiten  eines  Spengel  (von  den  meinen  schweige  ich) 
mit  derartigen  summarischen  Motivirungen  zur  Tagesordnung  übergehen  zu 
dürfen.  Dagegen  habe  ich  Nichts  dawider,  dass  man  sich  die  Athetese  von 
VIII  (V),  12,  die  ich  selbst  nur  zweifelnd  ausgesprochen  habe,  nach  dem  von 
Di  eis  S.  483  f.  hervorgehobenen  Gesichtspunkt  »doch  noch  etwas  genauer  wird 
überlegen  müssen«,  im  Priucip  ist  er  ja  S.  479  in  Bezug  auf  die  nachweis- 
lichen »grösseren  und  geringeren  Interpolationen  und  Verballhoruisirungen« 
der  Peripatetiker  in  den  akroatischen  Schriften  des  Aristot.  ganz  mit  mir  ein- 
verstanden und  bezeichnet  S.  485  als  eine  solche  gleich  mir  auch  die  zweite 
Hälfte  von  II,  12  (1274*  22  -  b26).  Gleich  mir  hält  er  dagegen  S.  484 f.  an 
der  Aechtheit  der  ersten  Hälfte  fest,  aber  vergebens  sucht  er  den  Widerspruch 
zu  entfernen,  dass  nach  ihr  Selon  die  Ernennung  der  Beamten  durch  Wahl 
beibehielt,  während  er  nach  der  Politie  der  Athener  4.  8  schon  bei  Drakon 
die  durch  das  Loos  vorfand,  s.  in  dieser  Hinsicht  Niese  Hist.  Zeitschr.  LXIX 
(N.   K.  XXXIII)  S.  62.  64. 

Jahresbericht  für  Aherthumswissenschaft.    LXXV.  Bd.     (1893.  I.)  5 


66  Aristoteles  und  Theophrastos. 

diese  Politie  nahezu^*)  auch  die  chronologische  Unmöglichkeit  erhellt, 
dass  sie  trotzdem  der  sicherlich  nicht  später  geschriebenen  Politik  noch 
erst  vorgearbeitet  haben  könnte.  Um  so  erfolgreicher  sind  allem  Anschein 
nach  Dumm  1er 's  Versuche  unsere  Kenntniss  von  dem  grossentheils  aus 
den  Politien  geschöpften  Werke  des  Theophrastos  fluhTtxä  nfjo;  zobg 
xacfwjc  namentlich  aus  Plutarchos  zu  vermehren'^).  Dagegen  sind  seine 
Ergebnisse  im  zweiten,  .\ö/xoi  und  vo/xcfirx  ßapßufjixd  betitelten  Theile 
S.  189  -  195,  soweit  es  sich  um  die  Nöjiiiio.  ßafjßafjtxd  handelt'^),  so  gut 
wie  vollständig  von  Kaerst  über  den  Haufen  geworfen.  Auch  ist  er 
jeden  Beweis  dafür  schuldig  geblieben,  dass  Aristoteles  an  den  A'o/xo.' 
des  Theophrastos  mitgearbdtet  habe  und  folglich  die  .VJ/ii/i«  ßrxpßapixd 
des  Ersteren  eine  Ergänzung  in  erster  Linie  zu  diesen  Nüpoi  und  erst 
in  zweiter  auch  zu  den  Politien  gewesen  seien.  Mir  scheint  vielmehr 
wiederum  Heitz  S.  252 f.  Recht  darin  zu  haben,  dass  von  den  beiden 
einander  entsprechenden  Titeln  in  den  Verzeichnissen  der  aristotelischen 
Schriften  bei  Laert.  Diog.  No.  140  v6}jlu}v  öl  ß  y  ^  und  dem  Anon.  (He- 
sych )  No.  131  voficfxojv  o  der  letztere  der  richtige  ist  und  diese  vö/xtfia 
eben  die  ßrxfjßapcxd  waren.  Ich  glaube  wahrscheinlich  gemacht  zu  ha- 
ben, dass  die  Capitel  IV  (VII),  2  und  3  der  Politik  von  einem  Peripa- 
tetiker  eingeschoben  sind,  und  kann  um  so  weniger  Dümmler,  der  sie 
für  acht  zu  halten  scheint  ^^),  die  Möglichkeit  abstreiten,  dass  bei  ihrer 
Abfassung  die  No/xc/ia  ßafjßapcxd  benutzt  seien,  aber  es  raüsste  doch 
erst  ein  stärkerer  Grund  beigebracht  werden  als  der  von  ihm  aus  den 
Schlussworten  des  betreffenden  Abschnitts  1324*>  21  f.  xal  irspa  .  .  .  rä 
pkv  vupoig  xazadrjppiva  rd  dz  si^scnv  hergenommene.  Sehr  anspre- 
chend ist  die  Vermuthung  im  dritten  Theile  »Sakralaltertbümer«  S.  195 
— 197,  dass  Plut.  Qu.  Gr.  38  aus  Theophrastos  -spc  tuaeßsiag^^)  und 
Aelian.  V.  H.  V,  14  mittelbar  aus  den  AVJ/xo:  geschöpft  habe.  Dagegen 
vermag  ich  nicht  zu  finden,  dass  Aelian.  V.  H.  III,  4  Theophr.  Char.  21 
»zu  ergänzen   scheine«,   worüber   ich   mich   hier  aber  nicht  näher  aus- 


1*)  Ich  sage  »nahezua.  Denn  allerdings  kann  man  sich  ja  darauf  be- 
rufen, dass  Aristot.  die  Politik  nicht  vollendet  hat,  und  mit  Diels  a.  a.  O. 
S.  480  sagen:  »Der  Stoff  (zu  den  Politien)  muss  schon  lange  in  der  Schule 
bereit  gelegen  und  der  schriftstellerischen  Formung  gewartet  babena. 

15)  Auch  Diod.  VIII,  7  f.  führt  er  wohl  mit  Rtcht  entweder  auf  dieses 
oder  auf  den  'Epwruög  desselben  Verfassers  zurück. 

16)  Dies  gilt  aber  fast  von  diesem  ganzen  Abschnitt.  Auf  die  i\Ö[jloi 
beziehen  sich  nur  zwei  nicht  volle  Seiten  (189 — 191j  in  demselben. 

1')  Auch  die  zweite  Hälfte  von  II,  12  und  die  erste  von  IV  (VII),  10 
bebandelt  er  unbeanstandet  als  aristoteliäcb,  als  wäre  nie  ein  wohlbegründeter 
Zweifel  hiergegen  erhoben  worden. 

i8j  Auch  Qu.  Gr.  6,  meint  er,  gehe  wahrscheinlich  auf  Theophrastos, 
wenn  auch  vielleicht  nicht  auf  nepi  eöffeßeia^,  zurück. 


Theophrastos.     Charaktere.  67 

lassen  kann.     Und  hiermit  wäre  dann  der  Uebergang  zu  den  Charak- 
teren gemacht: 

146)  Tii.  Gomperz,  lieber  die  Charaktere  Theophrast's ,  Wien 
1889.  Tempsky  =  Sitzungsber.  der  philos.-hist.  Cl.  der  Wiener  Akad. 
CXVII.  10.  Abh    20  S.  8. 

147)  0.  Ribbeck,  In  Sachen  der  Theophrastischen  Charaktere. 
Rhein    Mus.  XLIV   1889  S.  305-307. 

148)  Th.  Gomperz  und  0.  Ribbeck,  In  Sachen  der  Theophr. 
Char.     Ebenda  S.  472-474. 

Gomperz  sucht  darzuthun,  dass  die  ziemlich  allgemein  verbrei- 
tete Meinung,  als  besässen  wir  in  denselben  nur  Auszüge  aus  einer 
oder  aus  mehreren  Schriften  des  Theophrastos,  eine  irrige  sei,  wobei  er 
denn  auch  S.  19  A.  17  eine  ihm  beistimmende  briefliche  Aeusserung  von 
Diels  mittheilt  und  S.  16  A.  4  0.  Ribbeck  als  einen  der  eifrigsten 
Vorkämpfer  jener  »Excerpteuhypothese«  bezeichnet  und  ihm  vorwirft, 
er  begehe  einen  Irrthum,  wenn  er  von  den  drei  Hauptredactionen  un- 
serer Auszüge  spreche.  Dies  hat  nun  Ribbeck  veranlasst  klar  zu 
stellen,  dass  Gomperz  in  Wahrheit  den  von  Ersterem  eingenommenen 
Standpunkt  in  Folge  mangelhafter  Kenntnissnahme  von  dessen  Arbeiten 
verkennt,  und  dass  dieser  Standpunkt  mit  der  von  Letzterem  behandel- 
ten Frage  im  Grunde  gar  Nichts  zu  thun  hat.  Und  in  der  That  muss 
man  Ersterem  zunächst  darin  Recht  geben,  dass  Letzterer  bei  seiner 
Erörterung  über  die  tlpuyvzUi  S.  2 ff.  14 ff.  die  Ber.  V  S.  297  besprochene 
Abh.  des  Ersteren,  wie  er  jetzt  selbst  zugeben  muss,  übersehen  hat, 
und  dass  er  sonst,  was  er  jetzt  vergebens  bestreitet,  verpflichtet  gewesen 
wäre  in  derselben  den  in  jener  Abh.  gemachten  Versuch  des  Nach- 
weises 1^)  zu  widerlegen,  »dass  die  bei  Theophr  gegebene  Charakteristik, 
richtig  verstanden,  mit  der  voraufgeschickten  Definition  des  Bt^ujv  im 
Einklang  stehe,  was  aber  von  Gomperz  in  dieser  Erörterung  bestritten 
wird.  Lediglich  auf  dieser  Erörterung  beruht  nun  aber  die  ganze  von 
Letzterem  dafür  gegebene  Begründung,  wenn  er,  hierin  in  der  Skepsis 
weiter  gehend  als  die  meisten  seiner  Vorgänger,  sich  dafür  entscheidet, 
dass  die  sämmtlichen  den  einzelnen  Charakteren  voraufgeschickten  De- 
finitionen trotz  ihrer  gut  peripatetischen  Beschaffenheit  nicht  von  Theo- 
phrastos herrühren  oder,  genauer  gesprochen,  nicht  für  diesen  Zusam- 
menhang bestimmt  waren.  Was  sodann  aber  die  Hauptsache  anlangt, 
so  scheint  es  Gomperz  wirklich  gelungen  zu  beweisen,  dass  Alles,  was 
wir  haben,  seinem  ursprünglichen  Kerne  nach  auf  die  im  Verzeichniss 
der  theophrastischen  Werke  bezeugte  Schrift   »ethische  Charaktere«  zu- 


I9j  Ob  dieser  Versuch  gelungen  ist  oder  nicht,  darüber  spreche  ich  hier 
keinerlei  Meinuiig  aus. 

6* 


68  Tbeophrastos. 

rückgeht**).  Ob  jedoch  die  Beschaffenheit  diesei-  Schrift  als  einer  »hy- 
pomueniatischen  Materialiensamnilung  zu  den  ausgearbeiteten  ethischen 
Werken  des  Tbeophrastos«  von  Gomperz  S.  10  durch  die  von  Di  eis 
entnommene  Analogie  des  angeblichen  Verhältnisses  der  Politien  des 
Aristoteles  zu  seiner  Politik  oder  seiner  homerischen  Probleme  zu  seiner 
Poetik  wirklich  ins  Licht  gesetzt  ist,  darf  nach  dem  vorhin  Bemerkten 
stark  bezweifelt  werden.  Der  von  Gomperz  betonte,  aber  auch  von 
Ribbeck  gerade  an  der  von  Ersterem  angezogenen  Stelle  ausdrücklich 
anerkannte  Umstand,  dass  der  erhaltene  Text  auf  einen  gemeinsamen 
Archetypos  zurückführt,  dient  ferner  in  der  That  der  Annahme  zu  einer 
wesentlichen  Stütze,  dass  jenes  theophrastische  Original  nicht  bloss  wirk- 
lich ein  einheitliches,  sondern  dass  es  auch  im  Grossen  und  Ganzen 
schon  von  annähernd  ähnlicher  Form  wie  das  Erhaltene  war,  und  dass 
insbesondere  die  des  Archetypos  der  ursprünglichen  noch  näher  stand. 
Warum  man  aber  annehmen  müsste,  dass  nicht  schon  diese,  wie  an  Ver- 
setzungen und  Interpolationen,  so  auch  an  Kürzungen  gelitten  hätte,  ist 
nicht  abzusehen,  und  vollends  uns  liegt  ja  in  der  That  eine  dreifache 
Fassung  in  der  Art  vor.  dass  zwei  dieser  Ueberlieferungeu  uns  sicher 
nur  Excerpte  darbieten,  da  die  dritte,  vollständigste,  der  Palatino-Vati- 
canus,  nur  Cap.  16-30  enthält,  darin  hat  ja  Ribbeck  wiederum  ohne 
Zweifel  Recht,  und  gesetzt  auch,  wir  hätten  wenigstens  in  dieser  dritten 
noch  die  des  Archetypos,  so  bürgt  doch,  wie  Ribbeck  ferner  ganz 
richtig  hervorhebt.  Nichts  dafür,  dass  wir  immerhin  hier  noch  das  un- 
verkürzte Originalwerk  des  Tbeophrastos  besässen.  Was  vielmehr  ent- 
schieden dagegen  spricht,  hat  derselbe  Ribb eck  kurz  und  gut  bezeich- 
net, und  man  möge  es  bei  ihm  selber  nachlesen.  Jedenfalls  darf  man 
sich,  wie  er  treffend  sagt,  die  Form  auch  von  einer  bloss  hypomnema- 
tischen,  aber  doch  nachtrtäglich  veröffentlichten  Schrift  nicht  als  eine 
gar  zu  zwanglose  vorstellen.  Vgl.  auch  die  Recensionen  von  Heylbut 
Deutsche  L.-Z.  1889  Sp.  940  und  von  W.  Rev.  crit.  1889  I  S.  366  -  36821). 

149)  Wilh.  Werle,  Eis,  quae  in  Theophrasteo  characterum  libello 
offendunt,  quatenus  transpositione  medela  afferenda  sit.  Coburg  1887. 
23  S.    4.    (Gymnasialprogranim). 

Der   Verf.   stellt  die  Ergebnisse    seiner   Untersuchung    selber    am 
Schlüsse  kurz  dahin   zusammen,  dass  aus   C.  10  p    15,  19 f.  Ussing  xal 


2u^  Seltsam  ist  es,  dass  auch  Gomperz  S.  18  den  Akademiker  Hera- 
kleides den  Pootiker  noch  immer  vielmehr  für  einen  Peripatetiker  zu  halten 
scheint. 

21;  Das  Unheil  des  Ersteren  lautet,  abgesehen  davon,  dass  er  Gom- 
perz in  Bezug  auf  die  Detiuitiouen  beistimmt,  bi'i  aller  Anerkennung  nicht 
wesentlich  anders  als  das  obige,  und  der  Letztere  meint  nach  vielem  Lobe 
schüpsslich,  da8S  Gomperz  »vielleicht«  doch  auch  noch  nicht  das  letzte  Wort 
in  Sachen  des  von  ihm  behaudeltcu  Problems  gesprochen  habe. 


Charaktere.  g9 

iäv  —  npm/isvaj  in  C  30,  aus  C.  19  p.  23,  28  —  24,  7  xac  ecg  —  nlvo^^öco 
in  C.  11,  aus  C  22  p.  26,  14-16  xai  —  dmntMvai  in  C.  30,  Z.  20f.  xa\ 
ivSov  —  exnXuvat,  p.  26,  27  —  27,  2  xat  rä  —  dia(pipet  und  p.  27, 
3  f.  xal  xa^s^o/ievo?  —  (pups.1  in  C.  10,  aus  C.  28  p.  34,  2 — 4  oZxuiq  — 
noiBi  m  C.  27,  aus  C  30  p.  35,  8  f.  oloq  —  napa^eivo.i  in  C.  10  und 
p.  36,  22 — 24  xal  yafxoüvTÖ?   —   npoa^opdv  in  C.  22  hineingehörig  seien. 

150)    Ant.  Zingerle,    Zu    Theophrast.      Zeitschr.    f.    d.    österr. 
Gymn.  XXXIX  1888  S.  706 f. 

151.  152)  G.  F.  Unger,  Zu  Theophrastos.    Philologus  XLVI  1888 
S.  56.     XLVII  N.  F.  I  1889  S.  374f. 

Zingerle  verrauthet  C.  4  p,  8,  12,  freilich  nur  zweifelnd,  ißßahcv 
(nupö'v)  oder  irov  nupöv),  Unger  C.  28  p.  33,  12  IJxoXXa  f.  olxca  (unter 
Billigung  der  Aenderung  ev  zaTg  odolg  auvipyovrai)  und  Z.  14  dvopüXa- 
[lui^  C.  29  p.  34,  8  ^-cncufxdvots ,  11  cu?  ^e  Xsyeza:,  16  dyvuscv  ^avr^vac 
ydp,  19  [ÄsyovTt],  21  f.  wg  o'j  del  ~ö  npäy^a  dXXä  ruv  ävdprx  oder  ujg  vov 
ose  rov  ävopa  dkXä  /xij  ro  Tipäyixa. 

153)  H.  Weil,    Deux  allusions  ä  des  faits   historiques   dans  les 
Caracteres  de  Theophraste.    Rev.  de  Philol.  N.  F.  XIV  1890  S.  106  f. 

verwirft  mit  Recht  die  Combinationen  von  Unger  Philologus  XLVII  N. 
F.  I  1889  S.  644  ff.,  nach  welchen  rjjv  sn''  ^ApiarocpöJvzog  tzote  ysvonivrjv 
rot)  prjzopog  fJ-dyrjv  [xal]  r^i>  Auxeoacfiovcocg  inl  Auadvopou  zu  schreiben 
und  an  eine  einzige  wirkliche  Schlacht  zu  denken  wäre,  und  hält  daran 
fest,  dass  hier  vielmehr  Redekämpfe  verstanden  sind.  Aber  welches 
diese  beiden  sind,  darüber  wagt  auch  er  keine  bestimmte  Entscheidung, 
ist  indessen  geneigt  unter  dem  ersteren  die  Eisangelie  des  Aristophon 
gegen  Iphikrates,  Menestheus  und  Timotheos  zu  verstehen  und  unter 
dem  letzteren  vielleicht  mit  dem  Zusatz  <£v)  vor  Äaxtoaijiüvtoig  den 
Streit  um  das  Königthum  zwischen  Agesilaos  und  Leotychides.'  Letzteres 
ist  ansprechend,  gegen  Ersteres  dagegen  erhebt  sich  der  Einwand,  dass, 
wenn  Aristophon  selbst  einer  der  Streitenden  war,  kaum  bloss  gesagt 
werden  konnte,  der  Streit  habe  zu  seiner  Zeit  (stt'  'ApcaTo^CJvzog  nore) 
stattgefunden,  d.  h.  mit  andern  Worten  zur  Zeit  seiner  Staatsleitung. 
Darin  aber  hat  Unger  Recht,  dass  das  tto-z  schwerlich  die  Beziehung 
auf  einen  Kampf  erst  aus  kürzlich  vergangener  Zeit  und  also  auch  auf 
den  zwischen  Demosthenes  und  Aeschines  in  Bezug  auf  den  Kranz  selbst 
dann  schwerlich  zulässt,  wenn  man  mit  Casaubonus  tojv  prjTÖpMv 
schreiben  oder  mit  Petersen  und  Ussing  zuu  p^ropog  streichen  dürfte. 
Aus  früherer  Zeit  ist  hier  noch  nachzuholen 

154)  0.  Ribbeck,  Agroikos.    Abh.  der  philol.-hist.  Cl.  der  sächs, 
Gesellsch.  der  Wissenschaften  X  (Leipzig  1885).     S.  1  —  68. 

Diese.  Abhandlung  ist  ein  Seitenstück  zu  den  älteren  Ribbeck's, 
der  vorhin  von  Neuem  erwähnten  über  den  zl'pujv   und  den   inzwischen 


70  Theopbrastoe.     Charaktere.     Pflanzenwerke.     Motaph. 

erschienenen  Alazon  und  Kolax  (Leipzig  1882  und  1883)  und  kommt 
auch  für  das  theophrastische  Büchlein  sehr  in  Betracht,  nicht  bloss 
selbstverständlich  im  Uebrigen,  sondern  nicht  zum  Wenigsten  auch  durch 
die  angehängte  sorgfältige  neue  Textreccnsion  des  betreffenden  vierten 
Capitels. 

Die  Pt'lanzeuwerke  haben  eine  Textberichtigung  erhalten  durch 

155)  Ewald  Braun,    Coniectanea,  Comm.  philol.   zu  Ehren  von 
0.  Ribbeck,  Leipzig  1888.     S.  495 f., 

indem  er  C.  P.  I,  17,  3  nach  21,  6  f.  dr.oTj  für  -örMu  hergestellt  hat. 

Von  dem  Bruchstück  der  Metaphysik  erschien  von  Usener,  der 
es  bekanntlich  schon  einmal  Rhein.  Mus  XVI  1861  S.  259  281  bear- 
beitet hat,  eine  neue  kritische  Ausgabe: 

156)  Theophrasti   de  prima  philosophia  libellus  ab   H.  Usenero 
editus,  Bonn  1890.     XII  S.  4.     i.Ind.  lect    hib.). 

Die  Grundlage  dieser  Textrecension  ist  der  ausgezeichnete  Cod. 
Paris.  1853  32),  von  Usener  mit  P,  von  Bekker  für  Aristot.  mit  E  be- 
zeichnet, nach  einer  sehr  genauen  CoUation  von  Desrousseaux  und 
einer  Narhvergleichung  von  Gercke.  Ausserdem  ist  zur  Gewinnung 
des  Vulgattextes,  wie  er  sich  in  den  Sammelcodices  der  kleineren  theo- 
phrastischen  Schriften  findet,  namentlich  einer  von  diesen,  Vatic.  1302 
(A  bei  Usener,  R*  bei  Bekker),  der  in  Wahrheit  erst  dem  14.  Jahrh. 
angehört,  nach  Gercke's  Vergleichung  und  daneben  hier  und  da  noch 
ein  zweiter  B  =  Bernensis  403  herangezogen,  dazu  kommt  das  von 
Brandis  benutzte  Exemplar  (b).  Durch  eine  Reihe  eigner  und  frem- 
der Verbesserungen  und  Verbesserungsversuche  wird  nachgeholfen.  Aus 
einigen  doppelten  Redactionen  schliesst  Usener  (zugleich  mit  Berufung 
auf  seine  frühere  Erörterung  S.  269 ff.),  dass  das  Ganze  einst  aus  zwei 
Aufsätzen  {^duobus  counnentarioUs  foiitaininaiüd)  zusammengestückt  zu 
sein  scheine,  und  vermuthet  in  Tyrannion  den  Urheber  dieser  Conta- 
mination.  Es  liegt  dabei  eine  Ansicht  zu  Grunde,  auf  die  ich  erst  in 
einem  späteren  Bericht  eingehen  kann.  Eine  kurze  Anzeige  giebt  Na- 
torp  Philos.  Monatsh.  XXVII  1891  S.  620f. 

Ueber  r.epl  or^fisiatv  handelt  sehr  gründlich 


M)  Usener  hebt  hervor,  wie  sehr  sich  seine  Vorzüglicbkeit  auch  »in 
rebus  minulisa  erweist:  tvelul  cum  p  Xla  4  solus  dioTaaßöv  trudil  aut  p.  \  <i  4 
ex  Omnibus  veterum  scriptorum  Altlcorum  librls,  qunntum  video ^  u7ius  anaoToq 
sine  a  strvaviH.  Merkwürdig  ist  die  fast  durchgehende  Schreibung  äßai  oder 
äßai  für  äfia,  was  denn  darauf  fQhrt,  wie  Usener  darlegt,  dass  Theophrastos 
vielleicht  nach  dem  Sprachgebrauch  seiner  Heimat  im  Gegensatz  zum  atti- 
schen äßa  zu  sprechen  und  zu  schreiben  pflegte. 


llepi  arißetwi/.  71 

157)  Max.  Heeger,  De  TLeophrasti  qui  fertur  nep]  ar^jiztuiv  libro, 
Leipzig  1889.  72  S.  8.  (Doctordiss.). 
und  zugleich  mit  entschieden  erfolgreicher  Polemik  gegen  die  Ber.  XLII 
S.  49 f.  berührte  Diss.  von  Böhme.  Zunächst  stellt  er  (S.  if.)  zum  Zweck 
derselben  dessen  Ansicht  klar.  Dann  zeigt  er  (S.  2—25  unter  dem  Titel 
de  syllogae  superstitis  origine)  im  Gegensatz  zu  Böhme,  dass  der  er- 
haltene, übrigens  gar  nicht  den  Namen  des  Theophrastos  an  sich  tra- 
gende Aufsatz  Tis.p\  arjiMeiujv  üSdriov  xac  rvzu/idrcuv  (xal  ^bijxujvujv  xal 
euSiüjv)  zwar  in  der  That  nur  aus  Excerpten  besteht,  dass  diese  aber 
aus  einer  einzigen  Quelle,  einer  bald  dem  Aristoteles  und  bald  dem 
Theophrastos  beigelegten,  jedoch  wahrscheinlich  (s.  u.)  erst  von  einem 
Schüler  des  Letzteren  herrührenden  Schrift,  und  zwar  unmittelbar  ent- 
nommen sind  und  nicht  nebenbei  auch  aus  einer  von  Eudoxos  verfassten. 
Es  handelt  sich  nun  also  nur  noch  darum,  den  sonstigen  (unmittelbaren 
und  mittelbaren)  Benutzungen  des  Originalwerks  nachzuspüren,  und  dies 
geschieht  im  zweiten  Theile  der  Abb.  (S.  25-  66:  de  operis  Peripate- 
tici  reliquiis).  Natürlich  kann  jetzt  nicht  mehr  die  Rede  davon  sein, 
dass  Aratos  in  seinen  Versen  über  die  Wetterzeichen  jenes  vorgebliche 
Werk  des  Eudoxos  ausgenutzt  habe^S):  er  hat  vielmehr  aus  derselben 
Quelle  wie  der  Urheber  unserer  Auszüge  geschöpft  23b  ^  und  Böhme's 
Argumente  gegen  diese  Annahme  sind  von  Heeger  glücklich  widerlegt 
(S.  26 — 35)2*).  Iq  (]ie  ferneren  Untersuchungen  über  Varro  (S.  35 f.), 
Nigidius  Figulus  (S.  36f.),  Vergil.  Geo.  I,  351  461  (S.  37—39),  Plin. 
XVIII,  §  340 ff.  (S.  40-42)35),  Aelian.  N.  A.  VII,  7.  8  (S.  42  f.),  Ptolem. 
Tetrab.  II,  13  (S.  43-46),  Geopon.  I,  2-4.  11  (S.  46-60)  kann  ich 
hier  dem  Verf.  nicht  folgen.  Er  macht  höchst  wahrscheinlich  (S.  50  — 
60),  dass  auch  das  letztgenannte  Capitel  Geop.  I,  11,  welches  sich  mit 
dem  andern,  verbunden  mit  jenem  überlieferten  und  aus  demselben 
Originalwcrk  geflossenen  Excerpt  Pseudo-Aristot.  dvi[X(jjv  diasig  xal  npoa- 
rjoptat  berührt,  gleichfalls  aus  jener  älteren  Schrift  mpl  ar^ixet'wv  un- 
mittelbar von  Dionysios,   dem   Quellenschriftsteller   dieses  Capitels,   ge- 


23)  Was  ich  auch  noch  in  meiner  griech.-alox.  L.-G.  I  S.  299  A.  76  zu 
glauben  geneigt  war,  weil  ich  leider  die  Diss.   von  Heeger  übersehen  hatte. 

23b )  Wenn  nicht  vielmehr,  wie  ich  glaube,  aus  derselben  wie  der  Verf. 
der  ausgezogenen  Schrift. 

34)  Nur  aber  steht  Vit.  Arat.  I  p.  54,  74 ff.  Westerm.  nicht,  wie  Heeger 
S.  29  behauptet,  dass  Kallimachos  den  Aratos  dem  Peripatetiker  Praxiphanes 
empfohlen,  sondern  nur,  dass  Kallimachos  in  seiner  Schrift  an  Praxiphanes 
den  Aratos  gelobt  habe.  In  Bezug  auf  das  wirklich  Ucberüeferte  s.  Suse- 
mihl  a.  a.  0  I  S  287 f.  A.  10. 

35)  In  Bezug  auf  diesen  beklagt  sich  Heeger  S.  40,  dass  er  trotz  seiner 
Uebereinstimmung  mit  Böhme  die  von  diesem  allzu  Dindiligenter  et  leviten 
geführte  Untersuchung  noch  einmal  führen  müsse. 


72  Thfoplirastos.     llepi  (njßeuov.     Eth.  Schriftnn. 

zogen,  und  dass  jene  Schrift  in  der  Zeit  zwischen  Aristoteles  und  Ti- 
mosthenes,  dem  Admiral  des  Philadelphos^ß),  entstanden  ist 2^). 

Gleichfalls  aus  ihr  ist  noch  ein  anderer,  von  Wachsmuth  aus 
dem  Cod.  Laur.  XXYIII,  32  abgeschriebener  und  auch  noch  in  einer 
Constantinopler  Handschrift  erhaltener,  von  Hoeger  S.  66 — 71  mitge- 
theilter  Aufsatz  napaarjixsicöaetg  npoyvuyaTixai  nsp]  rrjg  [MeXkoüar^g  zou 
depog  xaraaTdaecug  excerpirt,  wie  S.  63 — 66  dargelegt  wird. 

Namentlich  auf  die  verlorenen  beiden  grossen  ethischen  Werke 
bezieht  sich  die  Abhandlung  von 

158)  G.  Heylbut,  Zur  Ethik  des  Theophrast  von  Eresos.    Arch. 
f.  Gesch.  der  Philos.  I  1888  S.  194-199. 

Es  werden  hier  zunächst  die  Citate  des  Theophrastos  bei  Alex, 
de  anima  p.  156,  25  if.  Bruns  und  in  Schol.  Vindob.  315  Nessel  fol  126 
angeführt,  welche  Heylbut  eher  auf  mpl  rj&wv  als  auf  die  'HBixd  zu 
beziehen  geneigt  ist  unter  Hinweisung  auf  Adrantos  oder  vielmehr  wohl 
Adrastos  über  das  erstere  Werk  b.  Ath.  XV.  637".  Dann  wird  hervor- 
gehoben, dass  dasselbe  Bild  wie  in  letzterem  Citat  in  den  M.  Mor.  I, 
34.  1198t>  9 — 20  ausgeführt  ist,  und  dass  der  Verf.  der  letztgenannten 
Schrift  sich  auch  I,  27.  1192^  Iff.  in  Bezug  auf  den  in  der  nik.  Eth. 
nicht  genannten  aaMxu»  an  dessen  von  Theophr.  b.  Hesych.  aakxxojveüaac 
gegebene  Definition  anschliesse.  Dagegen  ist  jedoch  zu  bemerken,  dass  ja 
die  Hauptquelle  für  ihn  die  eudem.  Eth.  ist,  und  dass  diese  den  aa)^dxu)v 
auch  hat.  Weiter  wird  darauf  hingewiesen,  dass  der  Anon.  Oxon.  zur  nik. 
Eth.  V,  2  1192^  30  (Herm.  V  S.  356)  jene  beiden  theophrastischen  Schrif- 
ten, der  Anon.  z.  IV,  2.  1121  *  7  nepl  ijBwv  und  nepl  nXoÖToo  und  Aspas. 
VI,  15.  l]54t>  2  p.  156,  16ff.  Heylb.  die  lIDixd  anführt,  letztere  auch  Plut. 
Per.  38  (vgl.  Sert.  10),  womit  dann,  wie  schon  Useuer  Anal.  Theophr. 
S.  23  bemerkte,  die  Citate  aus  nep).  suoatfiovc'ag  in  enger  Berührung  ste- 
hen (vgl.  auch  Simpl.  in  Cat.  13 »  18,  Schol.  in  Aristot.  86  ^  27ff.)28). 

Gegen  einen  Satz  in  dieser  Abh.  Heylbut 's  gerichtet  und  auf 
nepl  eijoaiiioviag  bezüglich  ist  der   kleine  Autsatz  von 

159)  A.   Gercke,    Ein    angebliches    Fragment   des    Theophrast. 
Arch.  f.  Gesch.  der  Philos.  I  1888  S.  355  f., 

indem  hier  geltend  gemacht  wird,  dass  nach  der  unzweideutigen  An- 
gabe von  Cicero's   Quelle  Tusc.  V,  9,  24  gerade  Theophrastos  die   (nach 


'6)  Vgl    über  diesen  jetzt  auch  Susemihl  a  a  0.  I  S.  660flF. 

27)  Besonders  schlecht  kommt  Gemol  1  Ueb  d  Quellen  u.  s.  w  der  Geo- 
pon.  (Berl  1883)  weg,  viel  besser  immerhin  noch  Böhme.  Kaibel's  Abh.  üb. 
antike  Windrosen,  Herm.  XX  S  579 — 624  erfährt  Berichtigungen  im  Einzelnen. 

28j  Die  Aechtheit  des  Bruchstücks  bei  Vitruv.  VI  Prooem.  zweifelt  da- 
gegen Heylbut  S.  198  f.  (wo  Aechtheit  doch  wohl  nur  ein  Druckfehler  für 
Unächtheit  ist)  gewiss  mit  Recht  an. 


Ethische  Schritten,     fiept  Xi^emg.  73 

Gercke's  Ansicht  hexametrische)  »pointirte  Wendungo,  dass  die  Glück- 
seligkeit nicht  bis  zum  Rade  reiche,  nicht  ausdrücklich  citirt  hat.  »Da- 
gegen«, meint  Gercke,  »gehen  vermuthlich  die  classischen  Geschichten 
des  Ciceronischen  Buches  in  letzter  Linie  auf  Theophr.  zurück,  und 
leicht  kann  dieser  bei  der  Erzählung  vom  Schwerte  des  Damokles  den 
Ausdruck  xecpakoToixslv  gebraucht  haben,  welcher  aus  der  Schrift  nep} 
euoacfjLovc'ag  angeführt  wird  (Bekker  Anecd.  I,  104.  Phrynichos  341 L)«. 
Ueber  die  gleichfalls  verlorene  Schrift  rrspl  Xe^eiog  handelt 

160)  Hugo  Rabe,  De  Theophrasti  libris  nepl  Xiqsiug,  Bonn  1890. 
48  S.    8.    (Doctordiss.). 

Es  ist  aber  sehr  zu  bedauern,  dass  der  Verf.  dieser  in  ihrem 
eigentlichen  Kerne  (S.  5  -  27)  trotz  einiger  Sprünge  in  der  Beweisfüh- 
rung, die  auch  hier  verhängnissvoll  werden,  immerhin  verdienstlichen 
Dissertation  nicht  umgekehrt  von  dem  Gegenstande  ihres  zweiten  Theils 
(S.  27  —  36),  nämlich  von  der  Abh.  des  Aristot.  nzfu  Xe^scug,  welche  uns  als 
der  erste  von  den  beiden  Hauptabschnitten  des  3.  Buchs  der  Rhet.  er- 
halten ist,  ausgehen  konnte.  Denn  dies  wäre  der  ächte  historische  Weg 
gewesen  und  hätte  seine  Ergebnisse  theils  gefestigt  und  theils  berichtigt. 
Aber  daran  hinderte  ihn  seine  schon  von  seinem  Recensenten  Heylbut 
Deutsche  L.-Z.  1891  Sp.  919f.  beanstandete  und  in  der  That,  wie  ich 
Quaest.  Aristot.  I.  Greifswald  1892  S.  XI  XV  bewiesen  zu  haben 
glaube 29),  irrthümliche  Meinung,  dass  die  beiden  Theile  dieses  Buches 
zwar  dem  Inhalt  nach  aristotelisch,  aber  als  zwei  ursprünglich  geson- 
derte Abhandlungen  von  einem  oder  zwei  Schülern  des  Aristoteles  nach 
den  Vorträgen  des  Meisters  verfasst  seien.  In  Wahrheit  ist  meiner 
festen  Ueberzeugung  nach  das  Ganze  zwar  nicht  zur  Rhetorik  selbst 
gehörig,  aber  doch  im  Grossen  und  Allgemeinen  so,  wie  es  ist,  als  Er- 
gänzungsschrift zu  derselben  aus  den  Händen  des  Letzteren  selber  her- 
vorgegangen. Dann  aber  haben  wir  die  Aufgabe,  wo  möglich,  zu  prüfen, 
wie  weit  Theophrastos  in  seiner  erweiternden  Darstellung  den  Plan  des 
Aristoteles  noch  beibehalten  hat.  Ich  bewege  mich  dabei  hier  ganz  im 
Allgemeinen,  indem  ich  für  seinen  engen  Anschluss  an  die  Abhandlung 
seines  Meisters  im  feinsten  Detail  auf  die  schönen  Darlegungen  von 
Diels  in  dessen  Ber.  L  S  13 ff.  besprochener  Arbeit  S.  26 ff.  verweise. 
Dass  seine  betreffende  Schrift  mehr  als,  wie  wir  bei  Laert.  Diog.  V,  27 
lesen,  ein  Buch  umfasste ,  geht  bekanntlich  schon  aus  den  beiden  ein- 
zigen ausdrücklichen  Citaten  derselben  (b.  Dionys.  v.  Hai.  C.  V.  16 
p.  101  R.  de  Lys.  14  p.  483:  iv  rocg  r.  ^.)  hervor.  Dass  sich  auf  den 
Anfang  von  ihr  die  Inhaltsangabe  bei  Simpl.  in  Cat.  f.  4  "^  bezieht,  sahen 
Max.  Schmidt,  De  Theophrasto  rhetore  S.  38  und  Usener,  Anal. 
Theophr.  S.  9.     Danach  entsprach   dieser   durchaus   dem   zweigliedrigen 


29)  Ich  komme  darauf,  so  Gott  will,  im  Bericht  für  1892  zurück. 


74  Theophrastos. 

ersten  Abschnitt  der  aristot.  Abh.  (C  2  -  4  und  5 — Y),  welcher  die  Ele- 
mente der  Diction  als  solche  und  deren  richtige  Auswahl  und  Anwen- 
dung zur  Erreichung  der  Erfordernisse  der  Rede  bespricht,  nur  dass 
Theophrastos,  wie  ähnlich  Aristoteles  selbst  in  der  Poetik  (20r''°),  der 
rhetorischen  Classification  der  Ausdrücke  noch  die  grammatische  Unter- 
scheidung der  Wortarten  (der  sogenannten  Redetheile)  voraufschickte 
und  auch  von  den  zäHr^  Tr^g  Äegeujg  Apokope,  Synkope,  Aphäresis  han- 
delte'*), und  dass  er  die  von  Aristoteles  aufgestellten  Erfordernisse  oder 
Tugenden  der  Rede  kXXrjViaixög  und  aa(fig^  oyxug  (wofür  er  ixsyahmpz- 
rdc  setzte),  npirMM  noch  mindestens  um  das  rß(j  und  das  mHavuv  ver- 
mehrte, worüber  Rabe  im  zweiten  Anhang  S.  41  —  45,  freilich  wohl  nicht 
durchweg  richtiges),  handelt.  Der  zweite  Theil  bei  Aristoteles  (C  8.  9) 
ist  die  Lehre  von  der  Wortverbindung  oder  Composition  {aövi^zaig),  und 
ebenso  unterscheidet  Dionys.  C.  V.  l  p.  5  ganz  richtig  (trotz  Rabe  S.  8) 
nur  diese  beiden  Bestaudtheile  auXXoyy]  und  aüvi^eatg^  da  ja  in  der  That 
ein  Drittes  ausser  der  richtigen  Wahl  und  der  richtigen  Verbindung 
der  Ausdrücke  nicht  denkbar  ist.  Auch  Theophr.  kann  es  iilso  nicht 
anders  gemacht  haben.  Ob  er  gleich  Aristot.  (C  10.  11)  in  einem  dritten 
Abschnitt  noch  gemeinsame  Punkte  erörterte,  ist  nicht  zu  entscheiden. 
Jedenfalls  ist  die  Annahme  von  Rabe,  dass  er  den  zweiten  Gegenstand 
in  zwei  Abschnitte ,  einen  die  contimia  oratio  im  Allgemeinen  mit  Ein- 
schluss  der  Figuren  und  einen  dieselbe  mit  Rücksicht  auf  Rhythmos, 
Periode,  Hiatus  u.  dgl.  behandelnden,  zerlegt  habe,  aus  der  Luft  ge- 
griffenes). Mit  ihr  hängt  die  andere  zusammen,  dass  derselbe  demge- 
mäss  auch  zwei  Gattungen  von  Stilarten,  ^^apaxrr^fjeg  Xi-ewg  und  auv- 
iHiaewg  oder  äf)ixuviag^  und  zwar  vier  der  ersteren  und  drei  der  letzte- 
ren unterschieden  und  aus  ihnen  das  dritte  und  fünfte  Buch  gemacht 
habe.    Dafür  bringt  Rabe  zwei  Beweise,  indem  er  einmal  (ich  zweifle,  ob 


30)  Nicht  auch  im  dritten  B.  der  Rhet. ,  wie  man  nach  Rabe 's  (S.  6) 
unvorsichtigem  Ausdruck  glauben  müsste. 

31)  Dadurch  entstand  denn  eine  feinere  Gliederung,  und  das  hat  doch 
wohl  auch  Diols  a  a.  ü  Ö  26  A.  1  nur  gemeint,  wenn  er  schreibt,  es  würden 
bei  Simpl.  nächst  its.pi  tüh'  tuü  Xöyou  aTot-fetwf  noch  drei  fernere  Theile  an- 
gedeutet. 

33)  Ein  näheres  Eingehen  auf  diesen  Punkt  würde  mich  hier  zu  weit 
führen. 

33)  Der  ganze  angebliche  Beweis  hierfür  besteht  darin,  dass  Dionys.  in 
den  ersten  34  Capiteln  über  die  Rednergew.  des  Demosth  auch  schon  in  die 
Composition  hinübergreift.  Was  von  der  oratio  coniinua  noch  bleiben  soll, 
wenn  man  von  der  parataktischen  oder  periodischen  Satzfügung  absieht,  geht 
über  mein  Begriffsvermögen  hinaus.  Und  jener  vorgebliche  Beweis  zwingt 
durchaus  nicht  zu  der  Annahme,  dass  Theophr  die  (gorgianischen)  Figuren 
anderswo  als  gleich  Aristot.  bei  der  Satzfügung  behandelt  habe.  Im  Gegen- 
theil  scheint  mir  dies  unglaublich,  s.  Diels  a.a.O.  ö.  27    30. 


Tlepl  Xi^eiog.  75 

mit  Erfolg,  kaun  dies  aber  hier  Dicht  untersuchen!  darzuthun  sich  be- 
müht, dass  Demetrios  mpl  epfxrjvetag  durch  den  Versuch  beide  Classen 
in  eine  zusammenzuzielien  in  einen  Theil  seiner  Absurditäten  ge- 
rathen  sei,  und  indem  er  zweitens  behauptet,  Demosthenes  sei  von  Theo- 
phr.  in  die  vierte  Art  der  ersten  und  in  die  dritte  der  zweiten  Gattung 
gesetzt  worden.  Allein  mit  Recht  hat  schon  ein  anderer  Recensent, 
Hammer,  ßerl.  ph.  Woch.  VIII  1891  Sp.  1221  f.  bemerkt,  es  sei  min- 
destens unerweislich,  in  Wahrheit  sogar  mehr  als  unwahrscheinlich,  dass 
schon  Theophr.  gleich  Cicero  denselben  als  Vertreter  einer  vierten,  die 
Vorzüge  aller  drei  andern  vereinenden  Stilart  bezeichnet  habe^*).  Un- 
terschied er  also  wirklich  drei  Stilarten  der  U^tg  und  drei  analoge  der 
(TÜvdeacg^  so  bezogen  sich  die  ersteren  doch  vielmehr  auf  die  ix^oyi^^^), 
und  ferner  hindert  Nichts  anzunehmen,  dass  er  beide  Gattungen  in  dem- 
selben Buche  oder  Abschnitt  abgehandelt  habe.  Der  letzte  Theil  bei 
Aristot.  (C.  12)  ist  die  Anwendung  auf  die  besonderen  Redegattungen; 
ich  denke:  sie  wird  auch  bei  Theophr.  nicht  gefehlt  haben  und  dann 
bei  ihm  diese  seine  neue  Lehre  von  den  Stilarten  gefolgt  sein.  So  er- 
halten wir  vier  bis  fünf  Abschnitte  und  vielleicht  auch  Bücher,  genauer 
aber  wahrscheinlich  vier,  da  Usener's  Aenderung  der  falschen  ßuch- 
zahl  A  bei  Laert.  Diog.  in  J  ungleich  leichter  als  die  in  E  ist^^);  in- 
dessen fragt  es  sich  mindestens  sehr,  ob  nicht  vielmehr  das  Ganze  in 
zwei  Bücher  zusammengezogen  war  und  vielmehr  die  Vermuthung  von 
Diels^^)  7/.  (ßy  die  richtige  ist,  da  nach  der  Usener's  zufolge  der  ge- 
wöhnlichen Form  des  Katalogs  vielmehr  ö.  ß  y  §  geschrieben  werden 
müsste.  Im  Uebrigen  nun  aber  verdienen  Rabe 's  Bemühungen  die 
Spuren  unmittelbarer  Benutzung  der  Schrift  bei  Dionys.  und  mittelbarer 
bei  Cic  und  Demetr.  zu  verfolgen  Anerkennung,  so  weit  nämlich  dabei 
nicht  jene  seine  unhaltbaren  Vermuthungen  ins  Spiel  kommen;  ich  kaun 
seinen  Erörterungen  jedoch  hier  nicht  weiter  nachgehen ^S).    Erschöpfen 


34)  Obgleich  auch  die  oBivöz^q  des  Demosthenes  bei  Dionys.  auf  das- 
selbe hinausläuft,  lieu  Urheber  dieser  Modification  kenneu  wir  freilich  nicht 
(vgl.  uuten  A.  38).    S.  Blass,  Att.  Bereds  in.  S.  Il9f.  III.  S.  66ff. 

35)  S.  darüber  Rabe  selbst  S.  12  Anm. 

36)  Denn  dass  A  richtig  überliefert  und  also  ein  miancum  exemplar«.  be- 
zeichnet sei,  behauptet  Rabe  S.  6  auf  seine  eigene  Gefahr,  und  es  ist  viel- 
mehr geradezu  undenkbar,  dass  die  grössere  alexaudrinische  Bibliothek,  auf 
deren  Katalog  dies  Verzeichniss  (des  Hermippos)  ja  doch  zurückgeht,  von 
dieser  Schrift  nur  ein  solches  gehabt  haben  sollte. 

37)  A.  a.  0.  S.  26  A.  1. 

38)  Da  Cicero  die  Citate  des  Aristoteles  aus  nicht  von  ihm  gelesenen 
Schriften  desselben  auch  nicht  aus  Theophr  ,  da  dieser  ja  den  Aristot.  nicht 
citirte,  haben  kann,  so  ichliesst  daraus  Rabe  mit  Recht,  dass  er  auch  Theo- 
phr. Ttepi  li^swq  nicht  selbst  gelesen,  sondern  ein  Compendium  benutzt  hat. 
Und  hinsichtlich  des  Demetrios  zeigt  er,  dass  dessen  unmittelbare  Qm-lie  be- 


76  Theophrastos.     llepl  Xd^ecu?. 

will  er  ausgesprochenermassen  diesen  Gegenstand  durchaus  nicht;  auch 
er  liefert  eben  nur  eine  Vorarbeit.  Der  erste  Anhang,  de  elementis 
orationis  (S.  36  —  41),  knüpft  wieder  an  Simpl.  a.  a.  0.  an,  indem  aus 
dessen  Angabe  Trursfit/v  ovo/xa  xal  pr^ixa  zou  ^oyou  azoi^eta  rj  xal  äpHpa 
xul  aüvdzdßo'.  xal  aXXa  ziva  mit  Recht  geschlossen  wird,  dass  Theo- 
phr.  bereits  mindestens  noch  zwei  andere  Wörterclassen  gekannt  habe. 
Aber  dass  er  sie  auch  als  wirkliche  grammatische  Redetheile  bereits 
anerkannt  hat,  folgt  daraus  noch  nicht,  ja  es  ist  kaum  wahrscheinlich, 
dass  er  hierin  schon  so  weit  über  Aristot.  hinausgegangen  sein  sollte. 
Um  so  weniger  kann  ich  die  Gründe  stark  genug  finden  für  die  Vermu- 
thung  von  Rabe,  dass  nicht. erst  Aristarchos,  sondern  schon  der  Peri- 
patetiker  Praxiphanes  der  Urheber  des  Systems  der  acht  grammatischen 
Redetheile  gewesen  sei,  vgl.  meine  gr.  alex.  L.-G.  II  S.  673.  Die  Nach- 
richt bei  Dionys  C  V.  2  p.  8  und  Quintil.  I,  4,  18  f.,  Aristot.  und  Theo- 
dektes  hätten  nur  die  drei  nvoiia,  p^jpc^-,  oüvdzanoQ  unterschieden,  er- 
klärt Rabe  wahrscheinlich  richtig  so,  dass  sich  dies  auf  die  ältere  ari- 
stotelische Rhetorik,  die  sogenannte  theodekteische  (vgl.  Her.  L  S.  14). 
bezieht.  Wenn  aber  Aristot.  wirklich  später,  Poet.  20,  das  äpBpov  hin- 
zugenommen hat,  so  doch  sicher  nicht,   wie   Rabe   glaubt,   von  Anaxi- 

reits  eine  mannigfache  Umgestaltung  der  theophrastischen  Lehre  enthielt,  in- 
dem z.  B.  Theophrastos  zwar  wohl  allerlei  schlechte  notörrjTeg  des  Stils  an- 
gegeben, aber  allem  Anschein  nach  noch  nicht  ganz  bestimmte  fehlerhafte 
^apaxr^psg  construirt  hat.  Da  sich  nun  aber  diese  gleichwie  bei  Demetr.  auch 
schon  bei  Varro  und  dem  Auct.  ad  Herenn.  finden,  so  hält  er  für  diese  un- 
mittelbare Quelle  fies  Demetr.  einen  direct  den  Theophr.  benutzenden  Peripa- 
tetiker  des  zweiten  Jahrh.  v.  Chr.  Vielleicht  indessen  darf  mau  nach  den 
sehr  richtigen  Andeutungen  von  Spengel,  Au.sg.  der  arist.  Rhet.  II  S.  396 
und  Hammer  a.  a.  0.  auf  Grund  von  §  34  vielmehr  an  den  auch  die  aristot. 
Abh.  verwerthenden  eklektischen  Stoiker  Archedemos  denken,  zumal  da  Rabe 
S.  26 f.  selbst  auch  auf  stoische  Elemente  stösst.  Jedenfalls  ist  er  S.  35 f.  im 
Unrecht,  wenn  er  die  ^  11  als  aristotelisch  angeführte,  in  Wahrheit  aber  gegen 
Rhet.  III,  9.  1409*  35  ff.  gehalten  verkürzte  Definition  der  Periode  für  die 
ächte  aristotelische  hält,  und  Hammer  im  Recht,  wenn  er  auch  diese  Ver- 
kürzung aut  die  Benutzung  einer  bloss  secundären  Quelle,  genauer  eben  wie- 
derum auf  Archedemos  zurückführt.  Ausserdem  vgl.  Di  eis  a.  a.  0.  S.  24t. 
Jedenfalls  war  der  von  Demetrios  vorzugsweise  benutzte  Rhetor  nicht  der- 
jenige, welcher  den  drei  ^^apaxrfjpeg  des  Theophr.  noch  den  detuög  als  Mi- 
schung aus  ihnen  hinzulügte  S.  A.  34.  Denn  sonst  würde  schwerlich  der 
letztere  bei  Demetrios  selbst  in  einer  so  ganz  anderen  Bedeutung  als  einfache 
Stilart  neben  den  beiden  des  Theophr.,  der  hohen  und  der  schlichten,  und 
einer  ferner  hinzugethanen  (/Aa^upög)  auftreten  und  die  mittlere  im  Sinne 
des  Theophr  als  die  gemischte  (freilich  in  der  Mehrzahl  oi  ix  toütwv  ßt/vü- 
fxevoi)  erscheinen.  Dass  Demetrios  selbst  erst  im  ersten  oder  zweiten  Jahrh. 
n.  Chr.  gelebt  habe,  sieht  Rabe  wohl  mit  gutem  Grunde  als  bereits  er- 
wiesen an. 


Testamente  des  Aristoteles,  Theophrastos  u.  s.  w.  77 

menes  ^9),  auch  wenn  wirklich  schon  dieser  der  Urheber  der  sogenannten 
Rhetorik  an  Alexandros  gewesen  sein  sollte *ö).  Denn  in  der  letzteren 
bezeichnet  äpHpov  den  Artikel,  in  der  Poet.  a.  a.  0.  aber,  wenigstens 
wenn  es  schon  hier  ursprünglich  stand,  ohne  Zweifel  etwas  Anderes,  wie 
Beides  Vahlen,  Beitr.  z.  Arist.  Poet.  III  S.  370ff.  unwiderleglich  ge- 
zeigt hat.  S.  darüber  auch  oben  Ber.  LXVII  S.  169if.*i). 
Aus  der  hochinteressanten  Abhandlung  von 

161)  Arn.  Hug,  Zu  den  Testamenten  der  griechischen  Philoso- 
phen, Festschrift  der  Univ.  Zürich  zur  ßegrüssung  der  39.  Philologen- 
vers., Zürich  1887.  4.  S.  1—22 
kommen  für  diesen  Bericht  die  Testamente  des  Aristoteles,  Theo- 
phrastos, Straton  und  Lykon  in  Betracht.  Zunächst  wird  S.  1 — 11 
über  die  Passiva  und  die  Universalerben  gehandelt,  wobei  sich  unter 
Anderem  ergiebt,  dass  der  Schluss  von  Schulin,  Das  griech.  Testa- 
ment, Basel  1882  aus  dem  Testamente  des  Aristoteles,  Herpyllis  sei  wirk- 
lich nur  Kebsweib  des  Philosophen  und  ihr  Sohn  Nikomachos  nur  unehe- 
liches Kind  desselben  gewesen,  richtig  und  dass  Schulin's  Auffassung 
von  der  Stelle  des  Hipparchos  im  Testamente  des  Theophrastos  noch 
dahin  zu  verbessern  und  verschärfen  ist,  dass  dieser  der  Haupterbe 
war.  Der  zweite  Abschnitt  S.  11  — 14  «Die  Testamentsexecutoren«  setzt 
vortrefflich  auseinander,  warum  es  bei  Ljdion  gleichwie  bei  Epikuros  gar 
keiner  Testamentsvollstrecker  bedarf,  und  wie  verschieden  je  nach  Lage 
der  Sache  die  Stellung  derselben  in  den  anderen  Testamenten  ist.  Der 
dritte  S.  14—17  bespricht  die  Vermächtnisse  an  die  Schulen.  Aus  ihm 
ist  Folgendes  hervorzuheben :  Theophrastos  vermacht  das  SchuUocal,  bis- 
her juristisch  sein  Privateigenthum,  den  damaligen  ordentlichen  Mitglie- 
dern der  Schule,  die  aber  offenbar  allmählich  ausstarben  oder  zurück- 
traten, so  dass  es  wieder  als  Stratons  Eigenthum  galt ;  Straton  vererbt 
es  auf  Lykon,  den  er  ebendamit  als  Schulbaupt  einsetzt;  Lykon  kehrt 
zu  dem  Modus  von  Theophrastos  zurück,  weil  er  seiner  Schule  die  freie 
Wahl  seines  Nachfolgers  überlässt.  Dazu  kommen  endlich  viertens  S.  17 
— 22  noch  »individuelle  Züge«,  und  es  wird  hier  vortrefflich  ausgeführt, 
wie  die  Testamente  des  Aristoteles,  Theophrastos  und  Lykon  lebendige 
Illustrationen  für  Dasjenige  sind,  was  wir  anderweitig  von  dem  Naturell 


39)  Für  welchen  fälschHch  zweimal  bei  ihm  Antisthenes  gedruckt  ist. 

*0)  S.  darüber  oben  Ber.  LXVII  S.  153 f,  andrerseits  jedoch  auch  Blass, 
Litt.  Ceutralbl.  1892  Sp.  452. 

41)  Unter  den  der  Diss.  Rabe 's  angehängten  Thesen  beziehen  sich  die 
dritte  und  vierte  auf  die  Behandlung  der  aristot.  Pol.  in  Bezug  auf  Textkritik 
und  höhere  Kritik.  Die  erstere  richtet  sich  ausschliesslich  gegen  mich,  s. 
gegen  dieselbe  das  nöthige  Vademecum  bei  Suse  mihi  Qu.  Ar.  p.  I  S.  XV  f. 
Von  der  letzteren  muss  ich  das  •»pessime  egenmH  auch  mir  zuziehen ;  meine 
vorläufige  Antwort  habe  ich  oben  A.  13  gegeben. 


78  Testam.  des  Lykon.     Anhang.    Xenokrates. 

und  Charakter,  der  Denk-  und  Sinnesweise  dieser  Männer  wissen,  und 
dass  die  beiden  ersteren  aucli  das  gegenseitige  Verhältuiss  beider  Te- 
statoren ausserordentlicli  klar  beleuchten,  während  sich  in  dem  des 
Slraton  solche  charakteristische  Züge  kaum  finden.  Auch  die  Auffassung 
des  einzigen  Fragmentes  von  Lykon  bei  Wilamowitz  erfährt  S.  20 
A.  1  eine  theilweise  Berichtigung:  die  Schilderung  des  Trinkgelages  und 
seiner  Folgen  ist  nicht  »behaglich«  und  hat  wohl  eher,  da  die  Haupt- 
person ein  Gewohnheitssäufer  ist ,  eine  abschreckende  Tendenz;  bei  all 
seiner  Liebe  zu  den  Tafelfreudeu  hasste  Lykon  das  Uebermass  und  er- 
hielt sich  dadurch  die  Erreichung  eines  lange  dauernden  Lebensgenusses. 
Hiernach  ist  auch  Suse  mihi,  AI.  L.-G.  I  S.  148  zu  berichtigen. 

Lnd  so  bleibt  denn  nur  noch  über  das  Neue  zu  berichten,  was 
sich  in 

162)  Ferd.  Dümmler's  Akademika,  Giessen  1889.  8 
auf  Tlieophrastüs  und  auch  auf  Aristoteles  und  Xenokrates  bezieht. 
Ausgehend  von  der  Bemerkung  Cicero's  in  der  oben  angeführten  Stelle 
Tusc.  V,  9,  24 ff.  über  die  Angriffe,  welche  Theophrastos  wegen  seiner 
Auseinandersetzungen  in  nsfjl  E>jocM[X(jviag  und  in  seinem  Kallisthenes 
erlitt,  dass  die  Glückseligkeit  nicht  unabliängig  von  äusseren  Umständen 
sei,  und  dass  nicht  die  Berechnung,  sondern  die  zü^/^tj  das  Leben  regiere, 
sucht  er  S.  211—216  nachzuweisen,  dass  die  pseudo-plutarchische  Ab- 
handlung 7:£(n  TÜ-j^r^q  eine  altstoische  Schrift  gegen  Theophrastos  zur 
Grundlage  habe.  Was  S.  221  bemerkt  wird,  geht  nicht  so  sehr  den 
Theophrastos  als  die  von  diesem  in  nepl  abaeßet'a;  (s.  Bernays  Theo- 
phr.  üb.  Frömmigk.  S.  80)  citirten  Verse  des  Empedokles  405  ff.  St.  an. 

Inwiefern  Aristoteles  Met.  IV, 5.  1010*  lOff.  »in  nicht  misszuver- 
stehender Weise«  angedeutet  haben  soll,  wesshalb  Piaton  im  Kratylos  sich 
die  Maske  des  Kratjlos  gewählt  habe,  um  unter  dieser  den  Antisthenes 
anzugreifen,  darüber  möge  man  sich  bei  D  ümrnler  S.  147  f.  selbst  unter- 
richten. Weit  ansprechender  ist  seine  Vermuthung  (S.  10  A.  2),  dass 
Aristot.  das  Rhet.  II,  23.  1398*  24  ff.  Erzählte  aus  dem  antisthenischen 
(oder  nach  meiner  Meinung  pseudo- antisthenischen)  Archelaos  entnom- 
men habe,  obwohl  es  immerhin  nur  eine  Möglichheit  neben  anderen  ist 42). 

In  Bezug  auf  Xenokrates  wird  endlich  S.  205 — 208  die  Be- 
hauptung aufgestellt,  dass  der  Spott  in  Lukians  Todtengespr.  X,  IG 
gegen  dessen  Unsterblichkeitslehre  gerichtet  sei*^)^  indem  dessen  Psy- 
chologie und  Eschatologie  sich  noch  vollständig  aus  Plutarch  herstellen 
lasse,  der  den  Xenokrates  mittelbar,  aber  durch  beste  akademische 
Quellen  benutzt  habe  in  de  ser.   num.  vind.,  de  Is. ,  de  an.  proer.,  den 


43)  Eine  solche  bleibt  es  auch  dann,  wenn  dieser  Dialog  nicht  von  Anti- 
sthenes selbst,  aber  doch  aus  der  ältesten  kynischen  Schule  stammte. 
*'j  S.  dagegen  R.  Heiuze,  Xenokrates  S.  143  A.  1. 


Xenokrates.  79 

Quaest.  Plat.,  de  def.  orac.  und  de  fac.  in  orb.  lun.  Man  darf  auf  den 
Beweis  gespannt  sein**).  Auch  de  es  carn.  2  führt  Dümmler  S.  239 ff. 
auf  ebendenselben  zurück**)  und  behauptet  endlich  S.  277  f.,  dass  Xeno- 
krates, indem  er  »die  orphischen  Neigungen  des  greisen  Piaton  mit 
innerstem  Pessimismus  aufgriff,  theilweise  dem  an  Gemüthsanlage  ver- 
wandten Antisthenes  ganz  nahe  komme« ,  dass  aber  andererseits  doch 
sein  Nachweis  (Nemes.  de  nat.  h.  II  p.  31),  die  Seele  sei  kein  Körper, 
gegen  diesen  gerichtet  sei,  was  sich  durchaus  nicht  beweisen  lässt*^). 
Wenn  Dümmler  es  für  wahrscheinlich  hält,  dass  Xenokrates  wirklich 
Lehrer  des  Zenon  gewesen  sei,  so  glaube  ich  inzwischen  (s.  AI.  L.-G.  I 
S.  48  ff.  A.  48  ff.  A.  154.  160.  161.  164.  168.  169.  183.  184  und  das  dort 
Angeführte)  die  chronologische  Unmöglichkeit  hiervon  nachgewiesen  zu 
haben. 


**)  Vgl.  Heinze  a.  a.  0.  S.  128  A.  1. 
«)  S.  darüber  Heinze  a.  a.  0.  S.  151  tf. 

46>  S.  Heinze  a.  a  0   S.  127  A.  1.    Wesshalb  ich  es  nicht  glaube,  kann 
ich  hier  nicht  auseinandersetzen. 


Bericht  über  Aristoteles  und  die  ältesten  Aka- 
demiker und  Peripatetiker  für  1891. 

Von 

Professor  Dr.  Franz  Suseniilil 

in  Greifswald. 


1)  E.  Zeller,  Die  deutsche  Litteratur  über  die  sokratische,  pla- 
tonische und  aristotelische  Philosophie,  Arch.  f.  Gesch.  der  Philos.  IV 
1891,  S.  121  —  153 

bespricht  S.  146  153  die  von  mir  Ber.  LXVII  No.  26.  88.  132.  131.  112 
in  Betracht  gezogenen  kleinen  Schriften  von  Göbel,  v.  Monsterberg- 
Munckenau  (und  zwar  diese  mit  ungleich  günstigerem  Urtheil,  als  ich 
es  zu  fällen  vermochte),  Adam,  Schönermarck  und  Ipfelkofer. 
Auf  ein  paar  die  Metaphysik  betreffenden  Kleinigkeiten  in  diesem  Ueber- 
blick  komme  ich  unten  unter  No.  9  zurück. 

Zunächst  sind  hier  die  verlorenen  Schriften  des  Aristoteles 
oder  vielmehr  genauer  der  Peplos  zu  berücksichtigen,  welcher  in  der 
vortrefflichen  Doctordissertation  von 

2)  Emil  Wendung,  De  Peplo  Aristotelico  quaestiones  selectae, 
Strassburg  1891.    VII,  82  S.    8., 

mit  welcher  man  auch  die  gute  Recension  von  A.  Körte.  Woch.  f.  kl. 
Ph.  IX  1892  Sp.  578 — 581  vergleichen  möge,  einer  erneuten  und  höchst 
fruchtbaren  Untersuchung  unterzogen  ist  Da  uns  aus  diesem  Buch  vor- 
wiegend nur  eine  Reihe  von  Grabschriften  für  Heroen  erhalten  ist,  wurde 
es  fälschlich  für  eine  Epigrammensammlung  gehalten.  Erst  Schneide- 
win's  ausgezeichnete  Abhandlung,  De  Peplo  Aristotelis  Stagiritae,  Phi- 
lologus  I  1846  S.  1 — 45  verbreitete  über  dasselbe  das  richtige  Licht 
durch  Zusammenstellung  und  Ordnung  aller  auf  diese  Schrift  bezüglichen 
Angaben,  aus  denen  hervorging,  dass  sie  vielmehr  ein  mythen-  und 
sagengeschichtliches  Sammelwerk  in  Prosa  war,  in  welchem  unter  An- 
derem Liebesangelegenheiten  der  Götter,  Stiftung  der  Festspiele,  Genea- 
logie der  Heroen,  die  Zahl  der  Schiffe  der  homerischen  Helden  und, 
wie  gesagt,  jene  Grabschrifteu  auf  diese  und  andere  Personen  der  Sage 


Allgemeines.     Verlorene  Schritten:  Peplos.  gl 

enthalten   waren.     Weiter    zeigte    sich  dann  später,    dal's  aufser  jenen 
Stiftungslegenden  auch  sonst  noch  die  Sagengeschichte  der  Erfindungen 
berücksichtigt  war.     Obwohl  aber  seitdem  dies  Alles  auch  in  den  Frag- 
mentsammlungen vonHeitz  und  Rose  klar  vor  Augen  gelegt  ist,  zeigt 
doch,  wie  Wendling  S.  11  richtig  bemerkt,  noch  der  neueste  grund- 
falsche Bericht  bei  Christ  Gr.  L.-G.-  S.  527,  wie  verbreitet  noch  immer 
die  alten  Irrtümer  sind.    Und  so  war  denn  Wendling  genötigt  (Praef. 
S.  V — VII    und  auch  weiterhin),    den  wahren  Sachverhalt,    so  weit  er 
längst  bereits   aufgedeckt  war,   erst  von  Neuem  wieder  klar  zu  stellen, 
um  dann   weiter   auf  diesem  Grunde    fortzubauen.    Ebeujene  kläglichen 
Epigramme  haben  nun  aber  auch  (neben  einzelnen  Milsgriffen  Schneide- 
wins)  das  Meiste  dazu  beigetragen,  daß  doch  auch  ßergk  P.  L.  G.  II* 
S.  338  ff.,    Rose    und  Heitz    im  Gegensatz  zu  Schneidewin  es  be- 
stritten,   dafs    diese  Schrift    von  Ai-istoteles   oder  wenigstens  in  dessen 
Schule  und  unter  dessen  Leitung  verfal'st  sei.    Nur  warf  Bergk  S.  341 
allerdings  den  Gedanken  hin,  wenn  im  Übrigen  ihre  Achtheit  festzustellen 
wäre,    könnten    die  Epigramme  von  einem  Späteren  eingeschoben  sein. 
Diesen  Gedanken    nimmt    mm  Wendling    auf   und    trennt    daher  die 
Untersuchung  über  dieselben  für  den  zweiten  Teil  seiner  Ai'beit  (S.  49 
—  61)    ab,    und  während  die  Fragmentensammler  die  Anführungen  des 
Aristoteles   über  die  Urheber  verschiedener  Erfindungen  bei  Plin.  VEE. 
§  191 — 209  unter  verschiedene  der  Politieu  verzettelt  haben,  ist  es  ihm 
im  ersten  Teile  (S.  1—48)  gelungen,  teils  zu  beweisen,  teils  mindestens 
wahrscheinlich    zu    machen,    dafs    für  diesen  ganzen  Abschnitt  und  für 
Clem.  Alex.  Strom.  I,  16.    p.  361  ff.   Pott.   (132  ff.  =  306  B  ff.  Sylb.) 
vielmehr  der  Peplos   eine  gemeinsame  abgeleitete  Quelle  war  und  des- 
gleichen   für  Hygin.  fab.  273  ff.   und  auch  sonst,    und  dafs  aus  ilu*  (s. 
S.  40  f.)  auch  Diodoros  V,  79,  4  schöpfte,  vermutlich  (s.  S.  44  ff.)  durch 
Vermittelung  von  Apollodors  Kommentar  zum  homerischen  Schiffskatalog, 
während    Porphyrios    allem   Anschein    nach    (s.   S.  47  f.)    diese  Schrift 
wiederum    noch  unmittelbar  benutzte.     Daraus  ergiebt  sich  denn,    dafs 
das  Kapitel   der  Erfindungen  in  ihr  einen  viel  breiteren  Spielraum  ein- 
nahm, als  man  bisher  absah,  und  dafs  sie  ein  Seiteustück  zu  jenen  an- 
deren aristotelischen  und  altperipatetischen  Stoffsammlungen  kulturhisto- 
rischer und  antiquarischer  Art  war,  wie  sie  dann  namentlich  Dikäarchos, 
worauf  ich   schon  im  dritten  Stück  meines  vorigen  Berichts  (LXXVII) 
S.   11  zu  sprechen  kam,  zu  einem  kunstvolleren  Werke  in  seinem  Bioi 
'EWdoog  verarbeitete  (s.  S.  16).    Nicht  zu  loben  ist  es  dagegen,  dafs  der 
Verf.   die  eng  mit  dieser  Untei'suchuug  zusammenhängende  und  für  die 
Achtheit  der  Schrift  entscheidende  Frage  nach  der  unmittelbaren  Quelle 
des  Plinius  und  des  Clemens  in  einen  Anhang  (Epimetrum  I :  De  Stra- 
tone  et  Ephoro  S.  Gl — 69)  verwiesen  hat,   in  welchem  er  es  zu  ziem- 
Jahresbericht  lüi-  Alterthumswissenschaft.    LXXV.  Bd.    (1893.  I.)  6 


32  Aristoteles. 

lieber  Wahrscbeinlichkeit  erhebt,  dals  dies  die  besonders  gegen  Ephoros 
geriebt  eleu  2  Bücher  Eupr,[j.aTo)v  tlvc/oi  des  Straton  waren.  Wohl  nur 
durch  diese  fehlerhafte  Anordnung  ist  es  verschuldet,  dal's  er  eine  sich 
geradezu  mit  Notwendigkeit  hieraus  ergebende  Folgerung  übersehen  hat. 
Bei  Plinius  werden  mehrfach  (s.  S.  10)  die  abweichenden  Ansichten  des 
Theophrastos  denen  des  Aristoteles  gegenübergestellt,  und  dies  erklärt 
sich  doch  so  auf  die  allereinfachste  Weise  durch  die  Annahme,  dafs 
eben  schon  Straton  beide  nebeneinander  aufgeführt  hatte,  die  einen  aus 
dem  Peplos,  die  anderen  aus  der  Schrift  des  Theophrastos  -spl  sOpTiixa- 
Tiov^),  und  so  wüi'de  denn  hiermit  auch  noch  die  von  Wendung  (S.  63) 
ofifen  gelassene  Möglichkeit,  dafs  Straton  doch  vielleicht  nur  den  letzteren 
als  Urheber  angesehen  habe,  wegfallen  und  kein  Zweifel  bleiben,  dafs 
bereits  er  den  Aristoteles  als  solchen  anerkannte.  Wenn  dennoch  die 
Schläft  zweimal  (Aristot.  Fr.  638  Rose  und  s.  Usener  Rhein.  Mus.  XXV. 
S.  605  f.  vgl.  S.  616)  unter  dem  Namen  des  Theophrastos  angeführt 
wird  (S.  7  ff.),  so  ist  dies  nicht  auffälliger,  als  wenn  bei  anderen  Schiiften 
ein  gleiches  Schwanken  nachweislich  ist,  und  bedarf  folglich  gar  keiner 
besonderen  Erklärung-).  Statt  dessen  sucht  nun  der  Verf.  (S.  7)  allerlei 
andere  Möglichkeiten  zusammen  und  bleibt  endlich  (S.  14  f.)  bei  der 
geradezu  undenkbaren  Vermutung  stehen,  Theophi'astos  habe  das  un- 
vollendete Werk  hei-ausgegeben  und  seine  eigenen  abweichenden  Ansichten 
beigefügt  ^). 

Es  bleibt  nun  hiernach  in  Bezug  auf  die  Epigramme,  da  diese 
auch  Wendling  im  Gegensatz  zu  Schneide w in  mit  Recht  für  unächt 
hält,  nichts  Anderes  übrig,  als  dafs  sie  später  eingeschoben  sind,  sei  es, 
dals  sie  zu  eben  diesem  Zwecke  fabriciert  wurden,  sei  es,  was  Wend- 


*)  Laert.  Diog.  V,  47.   Usener  Anal.  Theophr.  S.  9. 

*)  Ich  wundere  mich  daher,  dafs  auch  Körte  Sp.  .57!)  sich  die  Sache 
„nicht  anders  zu  erklären  weifs"  als  Wendling,  obgleich  ihm  doch  das 
Bedenken  kommt:  „Merkwürdig  bleibt  dabei  freilich,  dafs  daneben  ein  be- 
sonderes Buch  Theophrasts  -z[A  i'jryr^\>.u-Aw  erwähnt  wird".  Ebensowenig, 
glaube  ich,  ist  aber  andererseits  darauf  Gewicht  zu  legen,  dafs  der  Ili-/.'>; 
in  den  Verzeichnissen  der  aristotelischen  und  der  theophrastischen  Schriften 
bei  Laert.  Diog.  fehlt  und  dagegen  in  dem  der  ersteren  bei  den  Anon. 
(Hesych.)  zweimal  erscheint,  einmal  No.  105  unter  den  Schriften  in  Pro- 
blemenform und  einmal  im  Anhang  No.  Ifif)  (vgl.  unten  A.  ß). 

')  Man  versuche  nur  einmal,  sich  dies  durchzudenken!  Wenn  heut- 
zutage Jemand  die  postume  Schrift  eines  Anderen  herausgiebt,  so  kann  er 
leicht  seine  Zusätze  und  Einwendungen  in  den  Anmerkungen  anbringen  oder 
durch  eckige  Klammern  kenntlich  machen.  Theophr.  dagegen  hätte  fort- 
während sagen  müssen:  „so  Aristoteles,  ich  aber  so",  derselbe  Theophr., 
der,  wie  im  'd.  St.  des  vorigen  ßer.  (LXXV)  Anm.  y,?,  hervorgehoben  ist, 
den  Aristot.    nie  citierti     Wo  hätten  wir  wohl  irgend  einen  analogen  Fall? 


Verlorene  Schriften:  Peplos.  83 

ling  (S.  59)  lieber  glaubt,  dafs  der  Interpolator  sie  an  anderer  Stelle 
schon  vorfand.  Dafs  trotzdem  fast  gerade  nur  diese  interpolierten  Verse 
sich  erhalten  haben,  erklärt  sich,  worauf  der  Verf.  wohl  etwas  näher 
hätte  eingehen  können,  vielleicht  gei'ade  daraus,  dafs  im  Übrigen,  wie 
aus  dem  Obigen  hervorgeht,  die  Lektüre  dieses  kunstloseren  Buches 
durch  die  von  kunstvolleren  Darstellungen  nach  Art  des  Dikäai'chos 
oder  auch  von  umfassenderen  Kompendien  mehr  und  mehr  verdrängt  zu 
sein  scheint.  In  Bezug  auf  die  Entstehungszeit  dieser  fast  ausnahmslos*) 
von  einem  und  demselben  Manne  (s.  S.  49)  verfertigten  Epigramme  muß 
ich  Körte  Sp.  580  darin  beipflichten,  dafs  die  von  Schneidewiu  und 
Wendling  S.  58  angenommene  Benutzung  von  denen  des  Kallimachos 
nicht  erwiesen,  dagegen  die  der  Alexandra  des  Lykophron  S.  55—57 
wirklich  dargethan  ist.  Viel  ist  damit  freilich  nicht  gewonnen,  denn 
danach  könnten  sie  immer  schon  um  290  entstanden  sein  ^).  Wenn  aber 
wirklich  Apollodoros  der  Gewährsmann  des  Diodoros  a.  a.  0.  ist,  so 
waren  sie  mindestens  zur  Zeit  des  ersteren  schon  vorhanden;  jedenfalls 
waren  sie  es  schon  vor  der  des  letzteren. 

Das  zweite  Epimetron:  De  Hygini  fabulis  221—277  (S.  70—81) 
fällt  nicht  in  die  Grenzen  meines  Berichts.  Es  folgt  noch  ein  Index 
(S.  82). 

In  Bezug  auf  den  Titel  schliefst  sich  Wendling  S.  VI  mit  Recht 
der  Annahme  Schneidewins  an,  dafs  durch  denselben  die  Buntheit 
des  Inhalts  ®)  gemäfs  der  Buntfarbigkeit  der  wirklichen  Peplen  bezeichnet 


*)  Das  7.  auf  Aias,  das  einzige,  welches  nicht  aus  nur  einem,  son- 
dern aus  zwei  Distichen  besteht,  ist,  wie  auch  Wendling  S.  50f.  bemerkt, 
von  einem  anderen  Verfasser,  vielleicht  auch,  wie  Wendlings  Rezensent 
Stadtmüller  (Berl.  ph.  W.  XIII.  1893  Sp.  7)  hinzufügt,  das  15.  auf  Ido- 
meneus  und  Meriones.  In  der  Anth.  Pal.  VII,  145  wird  ersteres  dem  Askle- 
piades  beigelegt,  und  zwar  trotz  Wendlings  Einspruch  wohl  mit  Recht, 
s.  Knaack  b.  Susemihl  Gr.-alex.  L.-G.  II.  S.  525  mit  Anm.  3G.  Aufser- 
dem  steht  nur  noch  das  15.  (wie  bei  Diod.  a.  a.  0.  und  wahrscheinlich,  wie 
Wendling  S.  40  meint,  aus  ihm)   als  «osozo-ov  in  d.  Anth.  Pal.  VII,  322. 

5;  S.  Susemihl  a.  a.  0.  I,  S.  273  f.  A.  27.  28.  S.  889  f.  Weit  mehr 
würde  erreicht  sein,  wenn  wirklich  nach  den  scharfsinnigen  Erörterungen 
von  Wendling  S.  52-55  Nachahmung  des  Mnasalkas  anzunehmen  ist. 
Denn  ich  wenigstens  halte  die  Konjektur  0£<'jo>iiip(oav  von  Meursius 
bei  Suid.  Ej'fofyi«iv,  nach  welcher  Theodoridas,  der  Zeitgenosse  des  Mna- 
salkas, auch  Zeitgenosse  des  Euphorion  war,  trotz  mancher  mit  dieser  Frage 
verknüpfter  Schwierigkeiten  durchaus  nicht  mit  Wendling  S.  55  A.  1  für 
„nimis  incerta'-\  s.  Knaack  a.  a.  0.  IL  S.  540  ff.  Aber  leider  bezeichnet 
Wendling  selbst  jenes  sein  Ergebnis  als  ein  nicht  ganz  unzweifelhaftes. 

*)  Wie  es  an  der  zweiten  Stelle  (s.  A.  2)  im  Verzeichnis  des  Hesych. 
hieifst:  "i^piä^sl  oi  isxofyiczv  xoixii',r,v. 

6* 


84  Aristotoles. 

werden  sollte.  Es  war  also  das  erste  Beispiel  solcher  gewählter  Titel 
für  diese  Art  von  Büchern,  denen  hernach  andere,  wie  Kepa?  'A[xaX- 
Bei'ac,  2Tpu)}iaTer?  u.  s.  w.  folgten").  —  Angezeigt  ist  Wendlings  Diss. 
auch  noch  von  E.  Richter  Deutsche  L.-Z.  1892  Sp.  1200—1202, 
S  Reinach  Kev.  crit.  1892.  II.  S.  117  und  Stadtmüller  Berl.  ph. 
Woch.  Xin.  1893  Sp.  6  f. 

Namentlich  auf  die  logischen  Schriften  bezieht  sich 

3)  H.  Steinthal,  Geschichte  der  Sprachwissenschaft  bei  den 
Griechen  und  Römern.  2.  Aufi.  1.  Teil.  Berlin  1890.  8.  Dümmler. 
S.  183—271, 

und  von  diesen  seinen  tief  eindringenden  Erörterungen  wäre  hier  viel  zu 
reden,  wenn  sie  nicht  eben  fast  gänzlich  unverändert  aus  der  1.  Aufl. 
hier  wieder  abgedruckt  wären,  was  aber  freilich  sehr  natürlich  ist,  da 
sie  bisher  durchaus  nicht  die  ihnen  gebührende  Beachtung  und  Benutzung 
gefunden  haben.  Fast  nur  der  kürzere  zweite,  über  Poet.  20 — 22  und 
Rhet.  III,  9  handelnde  Teil  S.  252—271  hat  besonders  in  den  Anmer- 
kungen durch  Benutzung  von  Vahlens  Ausg.  der  ersteren  Schrift  ein 
paar  Zusätze  und  Modifikationen  erfahren.  Alle  anderen  inzwischen  er- 
schieneneu Ausgaben  und  sonstigen  Arbeiten  sowie  die  durch  Margo- 
liouth  (s.  Ber.  LXYII.  S.  154  ff.)  neu  eröffnete  Textquelle  hat  Stein- 
thal nicht  ganz  ohne  Schaden  für  sein  Buch**)  unberücksichtigt  gelassen. 


^>  Beiläufig  bemerke  ich  noch,  dafs  Körte  Sp.  579  m.  E.  mit  Recht 
bei  Hygin.  fab.  273  die  Konjektur  Patrocles  statt  des  überlieferten  eratocks 
festhält  und  die  Wendlings  (S.  25  f.)  Aristoteles  verwirft.  Auch  was  er 
dort  gegen  Wendling  S.  14  erinnert,  ist  richtig.  Schliefslich  benutze  ich 
noch  diese  Gelegenheit,  Wendling  für  die  gütige  Mitteilung  seiner  Arbeit 
zu  danken. 

*■)  So  hätte  (S.  253.  Anm.)  bemerkt  werden  können,  dafs  145()b  23 
schon  im  Kodex  des  syrischen  Übersetzers  (1)  nicht  cj'jvs-r;,  sondern  ouvi^i-cr; 
stand.  So  wäre  aus  meiner  Ausg.  die  richtige  Bemerkung  von  M.Schmidt 
zu  entnehmen  gewesen,  dafs  Aristot.  trotz  der  entgegengesetzten  Behauptimg 
Steinthals  S.  259  sich  die  Frage,  ob  es  Silben  giebt,  die  nur  aus  einem 
Vokal  bestehen,  wohl  vorgelegt  und  bejahend  beantwortet  hat,  wie  aus 
21.  1458^4  erhellt,  so  dafs  also  die  Definition  \ib(\^  34-37  lückenhaft  und 
verkehrt  überliefert  ist  (richtiger  jedenfalls  in  X  als  in  Ac  ,  vgl.  Stein- 
thal S.  259  f.  Anm.).  Denn  1458»  4  erscheint  Ib^lr^iSzw  für  llr^kv.ooö  nicht, 
wie  Steinthal  S.  208  berichtet,  als  Beispiel  einer  Verlängerung  „durch 
eingeschobenen  Vokal",  sondern  nach  Z.  3  durch  TjXXc(pl^  ky.^i[iLri]ii'^r^. 
üb  Steintbal,  dessen  Vermutung  (S.  2(;5),  145(i')  21  sei  <7,>cz>n['>ov  zu 
schreiben  und  vor- övoji/y  umzustellen,  jetzt  hätte  dadurch  gestützt  werden 
sollen,  dafs  bei  dem  Araber  wirklich  (zpttpov  an  dieser  einzig  richtigen  Stelle 
steht,  mit  Recht  im  übrigen  sich  Vahlens  Herstellung  der  Definitionen  von 


OrganoD.  85 

Über  die  Lehre  von  den  Kategorien  handeln 

4)  AI  fr.  Gercke,  Ursprung'  der  aristotelischen  Kategorien.  Arch. 
f.  Gesch.  der  Philos.     IV.     1891.     S.  424—441   und 

5)  0.  Apelt,  Die  Kategorienlehre  des  Aristoteles.  Beiträge  zur 
Geschichte  der  griechischen  Philosophie.  Leipzig  1891.  S.  Teubner. 
S.  101—252. 

In  der  ersten  dieser  beiden  Abhandlungen  wird  der  schwerlich 
gelungene  Versuch  gemacht  darzuthun,  dals  die  Kategorienlehre  in  allen 
wesentlichen  Stücken  bereits  Piatons  Eigentum  und  dals  Alles,  was  Ari- 
stoteles noch  zu  ihrer  Ausbildung  gethan  habe,  von  ziemlich  geringer 
Bedeutung  sei.  Ich  halte  es  nicht  für  schwer,  die  Gründe  zu  widerlegen, 
mit  denen  Gercke  diese  paradoxe  Behauptung  zu  beweisen  sucht ^), 
habe  aber  hier  nicht  den  Raum  dazu.  Jedenfalls  wäre  aber  er  selbst 
verpflichtet  gewesen,  die  tief  eindringende  Untersuchung  Steinthals 
aus  dem  Wege  zu  räumen,  aus  welcher  m.  E.  unwiderleglich  hervor- 
geht, dafs  vielmehr  namentlich  in  dieser  Lehre  trotz  aller  ihrer  Schwächen 
der  grol'se  Fortschritt  liegt,  welchen  der  Begründer  der  Logik  über 
seinen  Meister  gemacht  hat,  und  ich  bin  mit  Oonsbruch  Gott.  gel.  Anz. 
1892  S.  318  überzeugt,  „es  liefse  sich  sogar,  wenn  es  dessen  bedürfte, 
aus  den  platonischen  Schriften  selbst,  namentlich  Sophistes,  Theätetos, 
Parmenides,  der  bündige  Beweis  für  die  Unrichtigkeit  der  Gerekeschen 
Behauptung  führen".  Inzwischen  hat  aber  auch  schon  Apelt,  der  den 
Aufsatz  Gerckes  nicht  mehr  berücksichtigen  konnte,  in  dem  letzten 
und  wohlgelungensten  Teile  seiner  Arbeit  mit  bestem  Erfolge  dargethan, 
dafs  sich  wohl  vor  Aristoteles  schon  gewisse  Keime  und  Ansätze  zu 
dieser  Lehre  zeigen,  dafs  diese  aber  sogar  bei  Piaton  nur  von  der  dürf- 
tigsten Natur  sind,  und  hat  so  die  Beweisführung  Steinthals  nach  einer 
anderen  Richtung  hin  glücklich  vervollständigt.  Auch  die  fernere  Be- 
hauptung Gerckes,  dafs  die  Schrift  von  den  Kategorien  auch  ihrem  ersten 


aj.'osau.o;  und  c/'pÖ^f-ov  angeschlossen  hat,  würde  wahrscheinlich  ihm  selbst 
doch  sehr  zweifelhaft  geworden  sein,  wenn  er  die  arabische  Überlieferung 
sich  angesehen  hätte;  jetzt  s.  überdies  ßer.  LXVII.  S.  169  ff.  Da  es  ferner 
doch  kaum  glaublich  ist,  Arist,  sollte  nicht  bemerkt  haben,  dafs  auch  das 
Pronomen  tctoj^ci;  (1457^  15  ft.;  hat,  so  kann  er,  wie  auch  schon  in  meiner 
Ausg.  angedeutet  ist,  dasselbe  trotz  Rhet.  111,5.  1407»  19— 2ö  nur  zum 
Nomen  (ovoji.«)  und  nicht,  wie  Steinthal  S.  264  will,  zum  3ovo£3u.o;  ge- 
rechnet haben. 

^)  So  folgt  doch  daraus,  dafs  Xenokrates  nur  die  Kategorien  der 
Substanz  und  der  Relation  anerkannte,  wahrlich  nicht  im  Mindesten,  dals 
er  sie  schon  von  Platou  entnommen  haben  müfste  und  nicht  vielmehr  ebenso 
gut  erst  von  Aristot.  entlehnt  haben  könnte. 


^6  Aristoteles. 

Teile  nach  unächt  und  erst  viel  später,  wahrscheinlich  von  Andronikos 
verfaist  sei,  scheint  mii-  durch  das  von  ihm  für  dieselbe  Beigebrachte 
I  icht  im  Mindesten  erwiesen,  und  die  fernere  vollends,  dal's  Piaton  später 
infolge  der  Einwürfe  des  Aristoteles  seine  Ideenlehre  aufgegeben  habe, 
in  dieser  Form  einer  Widerlegung  nicht  einmal  bedürftig,  wenn  auch 
ein  Körnlein  "Wahi'heit  in  ihr  enthalten  sein  mag. 

Aber  freilich  auch  Apelt,  dessen  ungleich  wertvollere  Abhandlung 
von  Döring  Woch.  f.  kl.  Ph.  IX.  1892  Sp.  282,  Zeller  Arch.  f.  Gesch. 
der  Phüos.  V.  1892  S.  352  f.,  Susemihl  Berl.  ph.  Woch.  XII.  1892 
Sp,  1575 — 1578  und  besonders  eingehend  von  Consbruch  a.  a.  0. 
S.  318 — 324  rezensiert  worden  ist,  hat  es  versäumt,  sich  mit  Steinthal 
auseinanderzusetzen,  was  ihn  doch  auf  einen  richtigeren  Weg  als  den 
von  ihm  eingeschlagenen  hätte  führen  können.  Er  sucht  gegen  Bonitz 
(vgl.  Ber.  III.  S.  354  f.)  darzuthun,  dafs  Aristoteles  seine  Kategorien- 
lehre aus  dem  Urteil  gewonnen  habe,  und  dafs  das  Seiende  (ov),  welches 
durch  die  Kategorien  eingeteilt  wird,  nichts  Anderes  als  das  lan  der 
Kopula  und  sie  selbst  mithin  die  Arten  der  Aussage  im  Urteil  und  die 
Gattungen  der  Prädikate  seien.  Nun  haben  aber  Zeller  und  Cons- 
bruch gezeigt,  dafs  diese  beiden  letzteren  Bestimmungen  keineswegs 
einerlei  sind,  und  dafs,  was  die  erstere  von  ihnen  anlangt,  die  „leere'' 
Kopula  keinerlei  Einteilungsprinzip  ergiebt,  während  wiederum  die  letztere 
dazu  führt,  dafs  so  nicht  alles  Seiende,  wie  es  doch  soll,  unter  die  Kate- 
gorien fällt,  sondern  nur  das  prädikative,  gerade  das  am  meisten  Wirk- 
liche, die  Einzelsubstanz,  das  zods  -rt  oder  die  -paiTr]  ouaia,  folglich  nicht, 
da  diese  immer  nur  Subjekt,  nie  Prädikat  ist  Und  schwerlich  ist  der 
Versuch  Apelts  geglückt,  diesen  zuletzt  aufgeführten,  schon  von  Bonitz 
herrührenden  Einwand  zu  entkräften.  Apelt  hat,  obwohl  er  den  Ursprung 
dieser  Lehre  darlegen  will,  doch  dabei  nicht  nach  dem  Vorgang  von 
Steinthal  das  genetische  Verfahren  beobachtet,  von  den  ältesten  Schriften 
des  Aristoteles,  dem  Kategorienbüchlein  und  der  Topik,  zunächst  aus- 
zugehen und  von  da  aus  sodann  zu  untersuchen,  ob  nicht  etwa  in  der 
späteren  ersten  Analytik  und  erst  recht  in  den  spätesten  logischen  Werken, 
der  zweiten  Analytik  und  endlich  vollends  der  Hermenie,  wenn  anders 
diese,  was  Apelt  sehr  mit  Unrecht  ohne  Weiteres  als  eine  abgemachte 
Sache  behandelt,  überhaupt  von  Aristoteles  herrührt,  allmählich  eine 
immer  mehr  sich  festigende  Modifikation  der  ursprünglichen  Auffassung 
eingetreten  ist.  Und  so  bleibt  der  glänzende  Nachweis  S teinthals  in 
voller  Kraft,  dafs  dies  wirklich  der  Fall  ist,  und  dafs  xa-rrj^opeiv  in  der 
ursprünglichen  und  strenger  gedachten  Anlage  der  Lehre  dem  Aristo- 
teles „das  Aussagen  eines  Wortes  als  eines  bestimmten  Begrift'es,  ohne 
Beziehung  auf  seine  Stellung  im  Urteil,  aber  mit  Beziehung  auf 
die  im  Worte  gedachte  Sache,  von  der  es  prädiziert  wird",  bedeutet,  so 


Organon:  Kategorien.  87 

dafs  also  die  Erklärung  von  Bonitz  trotz  Apelts  Einspruch  als  wesent- 
lich haltbar  erscheint,  und  dal's  erst  von  der  ersten  Analytik  ab  „die 
Erweiterung  des  Sinnes  zum  gewöhnlichen  Prädizieren  allmählich  immer 
fester  wird".  Und  damit  erst  tritt  dann  in  der  That  die  obige  Ver- 
wirrung ein,  die  Apelt  nicht  als  solche  erkannt  hat,  und  die  Kate- 
gorien, die  von  Hause  aus  keineswegs,  wie  Apelt  meint,  blol's  logischer, 
sondern  ebenso  gut  metaphysischer  Natur,  ja  das  eigentliche  Mittelglied 
zwischen  Logik  und  Metaphysik  sind,  sinken  im  Widerspruch  mit  sich 
selbst  nahezu  zu  blol's  logischen  Faktoren  herab.  Im  Besonderen  enthält 
die  Arbeit  Apelts  trotzdem  viel  Vortreffliches,  nur  muls  es  zum  Teil 
erst  durch  Modifikation  seiner  Erörterungen  von  diesem  Gesichtspunkt 
aus  hergestellt  werden,  und  so  grol's  auch  die  historische  Bedeutung  dieser 
aristotelischen  Lehre  ist,  so  wenig  ist  mit  Apelt  (in  seinen  Schlufsbe- 
merkungen  und  auch  anderswo)  an  ihre  absolute  Richtigkeit  zu  denken ; 
von  einer  solchen  ist  sie  vielmehr  weit  entfernt.  Denn  auch  ihren  eigent- 
lichen Grundmangel,  der  eben  zu  dieser  ihrer  verschlechternden  Fort- 
bildung führte,  scheint  mir  Stein thal  wahrheitsgemäfs  aufgedeckt  zu 
haben. 

Die  Sammlung  der  auf  die  Kategorienschrift  bezüglichen  Kommen- 
tare ist  fortgesetzt  durch 

6)  Commentaria  in  Aristotelem  Graeca  edita  consilio  et  auctori- 
tate  academiae  litterarum  regiae  Borussicae.  Vol.  IV  pars  Hl:  Am- 
monius  in  Porphyrii  isagogen  sive  V  voces.  Edidit  Adolfus  Busse. 
Berlin  1891.     G.  Reimer.     XLV,  133  S.     Lex.  8. 

Aus  der  grolsen  Masse  von  Codices  hat  Busse  5  zur  Grundlage 
seiner  Textrezension  ausgewählt:  D  =  Laurent.  X,  26  aus  dem  13.,  E 
=  Marcian.  225  aus  dem  14.,  F  =  Paris.  1942  aus  dem  14.,  M-=Mo- 
nac.  222  aus  dem  13.  oder  14.  und  V  =  Vindob.  139  aus  dem  14.  Jahrh. 
1)  und  E  sind  von  Vitelli,  F  von  E.  Richter,  M  von  Tramp  und 
Förstemann,  V  von  Diels  und  Busse  verglichen.  Der  beste  von 
ihnen  ist  D,  dem  Busse,  so  weit  es  anging,  überall  gefolgt  ist.  Doch 
ist  dieser  Kodex  nicht  frei  von  ziemlich  vielen  Einschiebseln  und  un- 
berechtigten Änderungen,  und  so  war  denn  auch  der  Nutzen  der  vier 
anderen,  im  Ganzen  minder  guten,  zu  einer  anderen,  aber  unter  sich  zu 
der  nämlichen  Familie  gehörigen  Handschriften  kein  geringer.  Für  die 
Lemmen  erschien  sogar  die  Überlieferung  in  den  eng  verwandten  E  P 
als  die  zuverlässigste.  M  und  besonders  V  sind  überhaupt  viel  schlechter 
als  F  und  der  freilich  sehr  nachlässig  geschriebene  und  dadurch  verun- 
staltete E.  Von  ähnlichem  Kaliber  wie  V  war  auch  die  Vorlage  der 
editio  princeps  Aldina  (p),  des  einzigen  bisherigen  griechischen  Druckes. 
Der  Urheber  derselben  hat  sie  aber  überdies,  wenn  anders  er  nicht,  wie 


88  Aristoteles. 

Bnsses  Rezensent  W:illies  Berl.  ph.  Woch.  XII.  1892  Sp.  1357—1361 
mit  Recht  beschränkend  hinzufügt,  schon  in  ihr  dies  Alles  vorfand,  durch 
das  Hineintragen  längerer  Auseinandersetzungen  aus  David  und  längerer 
und  kürzerer  aus  interpolierten  Manuskripten  und  anderen  Quellen  ver- 
fälscht, dergestalt,  dafs  vielfach  doppelte  Erklärungen  entstanden  sind 
lind  vielfach  auch  sogar  die  a-f/sXot  auftreten.  Durch  die  Entfernung 
dieser  Zusätze  ist  aber  der  Text  noch  lange  nicht  gereinigt,  denn  ähn- 
liche Erscheinungen  treten  sogar  in  den  besten  Manuskripten  bereits 
hervor,  so  auch  schon  die  a^YsXoi.  Busse  hat  öfter  teils  durch  die  Se- 
klusionsparenthese,  teils  im  Apparat  auf  sie  hingewiesen,  ist  aber  über- 
zeugt, dafs  noch  Vieles,  was  in  dasselbe  Gebiet  gehört ,  von  ihm  nicht 
in  dieser  Weise  gekennzeichnet  ist,  hat  auch  gar  nicht  die  Absicht  ge- 
habt, hierin  erschöpfend  zu  sein.  In  dem  Supplementum  praefationis 
S.  Vm — XLV  wird  über  alle  bisher  bekannt  gewordenen  Handschriften 
und  die  lateinischen  Übersetzungen  ausführliche  und  genaue  Auskunft 
erteilt.    Wallies  teilt  eine  Reihe  von  Verbesserungsvorschlägen  mit. 

Von  ungleich  gröiserer  Bedeutung  ist  die  neue  Ausgabe  vom 
Kommentar  des  Alexandros  zur  Topik  und  eine  sie  wesentlich  er- 
gänzende Abhandlung  des  Herausgebers: 

7)  Commentaria  in  Aristot.  Graeca  etc.  Vol.  II.  P.  11.  Alexandi'i 
Aphrodisiensis  in  Aristotelis  Topicorum  libros  octo  commentaria.  Ed. 
Maximilianus  Wallies.  Berlin  1891.   G.  Reimer.   L,  712  S.  Lex.  8. 

8)  M.  Wal  lies,  Die  griechischen  Ausleger  der  aristotelischen 
Topik.  Berlin  1891.  Gärtner  (Heyfelder).  27  S.  4.  (Progr.  des 
Sophien-Gymn.). 

In  der  letzteren,  welche  von  Döring  Woch.  f.  kl.  Ph.  VIII. 
1891  Sp.  922f.  und  Susemihl  Berl.  ph.  Woch.  XII.  1892  Sp.  1483f. 
angezeigt  ist,  behandelt  Wallies  zunächst  (S.  3f.)  die  Arbeiten  des 
Theophrastos  und  des  Straton  auf  dem  Gebiete  der  Topik:  Ersterer 
schrieb  eine  Vortopik  (rpo  xcüv  tottwv),  über  die  sich  noch  Einiges  aus- 
machen lä/st,  was  es  um  so  begreiflicher  und  glaublicher  macht,  dafs 
seine  Tojjik  selbst  nur  2  Bücher  umfafste;  von  letzterem  führt  das 
einzige  Citat  (bei  Alex.)  darauf,  dafs  es  aus  seiner  Schrift  Trspl  yevous 
war,  dazu  kommen  seine  Bücher  Trepl  xou  auixßeßTjxoxo?,  Tcspl  xou  opou 
und  Ttept  xo'j  toi'ou,  endlich  xorwv  Tipooiixta,  d.  h.  wohl  eine  Vortopik, 
wenn  anders  der  Titel  richtig  überliefert  ist,  was  Wallies  bezweifelt. ^°) 


*")  Laert.  Diog.  V,  HO.  Wal  lies  hat  darin  wohl  Recht,  dafs  das 
Fehlen  des  Artikels  vor  -zo-ov,  weniger  darin,  dafs  auch  der  Plural  T.(jrjrj''.\i.<.a 
auffallend  sei.  Aber  -seine  Vermutung,  dafs  xormv  von  z(jw.\v.'y  abzutrennen 
und   mit  dem  folgenden  r.trÄ  xoD   ■3'j\).^i'^r/.6-o';-lowj  zu  verbinden  sei,    hätte 


Organon:   Kategorien.     Topik.  89 

Darauf  bespricht  er  S.  4 f.  die  wenigen  Spuren,  die  uns  (eben  wieder 
bei  Alex.)  von  den,  so  viel  wir  wissen,  ältesten  Auslegern  der  aristot. 
Top.  Herminos  und  Sotion,  geblieben  sind.  Dann  folgt  die  eigentliche 
kritische  Erörterung  über  den  Kommentar  des  Alexandros  selbst  und 
über  die  nicht  mehr  und  die  noch  namhaft  zu  machenden  byzantinischen 
Ausleger  (S.  5 — 27):  letztere  sind  lohannes  Italus  aus  der  2.  Hälfte 
des  11.  Jahrb.,  mit  welchem  der  Verf.  der  von  Pseudo-Alex.  in  soph.  el. 
Schol.  320''  43  f.  citierten  e^tq^y^tsi?  eU  xyiv  oiaXsxriy.r^v  wohl  etwa  gleich- 
zeitig war,  und  der  allerspäteste  Leo  Magentinus  aus  der  Mitte  des  14.  Jh. 

Die  Herausgabe,  um  nunmehr  auch  diese  mit  heranzuziehen, 
über  welche  ein  kurzer  Bericht  im  Litt.  Centralbl.  1891  Sp.  1350 
und  von  Susemihl  in  d.  Berl.  ph.  Woch.  XIII.  1893.  Sp.  523  f. 
steht,  war  ein  sehr  schwieriges  Unternehmen,  welches  Wallies  mit 
methodischer  Meisterschaft  und  ausharrender  Sorgfalt  und  Gründlich- 
keit ausgeführt  hat.  Denn  die  Sache  war  eine  recht  verwickelte,  so- 
wohl was  das  Verhältnifs  der  Handschriften  za  einander  als  auch  zu 
der  von  Musurus  besorgten  editio  princeps  Aldina  (a),  der  einzigen 
früheren  Ausgabe,  anlangt,  und  von  der  richtigen  Beurteilung  dieser 
Sachlage  hängt  wieder  die  dessen  ab,  wie  weit  das  Überlieferte  wirk- 
lich von  Alexandros  unverfälscht  und  unverkürzt  herrührt.  So  kommt 
denn  Wallies  in  den  Stand  einerseits  die  Annahme  von  Brandis  Üb. 
d.  Reihenfolge  der  Bücher  des  aristot.  Organons,  Abh.  der  Berl.  Akad. 
1833  S.  297 f.,  dafs  schon  den  ersten  vier  Büchern  in  dieser  Hinsicht 
nicht  ganz  zu  trauen  sei,  im  Wesentlichen  zurückzuweisen  (Abh.  S.  5  f. 
Ausg.  Praef.  S.  V),  andererseits  aber  die  Meinung  desselben  Forschers, 
dafs  wir  doch  auch  in  den  vier  letzten  kaum  minder  als  in  jenen  bei 
Weitem  zum  gröfsten  Teil  das  wirkliche  Eigentum  des  Aphrodisiers  be- 
säfsen,  sehr  erheblich  einzuschränken. 

Die  fünf  ältesten  und  wichtigsten,  ja  für  die  vier  ersten  Bücher 
fast  allein  in  Betracht  kommenden,  aus  dem  13.  Jahrb.  stammenden 
Handschriften  sind  ABDFP  (Paris.  1843  und  1917,  Vatic.  270, 
Laur.  LXXXV,  1,  Paris.  1874),  von  denen  D  die  beste,  P  die  nächst- 
beste ist,  A  mehr  mit  D  als  mit  P  übereinstimmt,  endlich  annähernd 
ein  Ähnliches  auch  von  den  beiden  etwas  Jüngern  und  gleichzeitig  ent- 
standenen Zwillingen  B  F  gilt,  von  denen  eben  um  dieser  ihrer  grofsen 
gegenseitigen  Ähnlichkeit  willen,  F  unbenutzt  gelassen  ist.    Sie  stammen 


doch  höchstens  dann  eine  gewifse  Wahrscheinlichkeit,  wenn  zöztw  hinter 
-pooijiic«  überliefert  wäre.  Überdies  aber  vermag  wenigstens  ich  bei  einer 
Prosaschrift  unter  dem  nackten  Titel  Ilfvooijiic.  mir  Nichts  zu  denken,  und 
wenn  in  den  Verzeichnissen  der  aristot.  Schriften  bei  dem  Anon.  (Hesych.) 
No.  127  z(jrjrj<.^um  ä  und  bei  Ptolem.  No.  öGa^  -po'.ta'.a  7  steht,  so  hat  dafür 
La.  Di.  No.  138  vielmehr  -rjpo'.^'.ry.'.  ä.    Doch  s.  Ber.  LXXV.  S.  3 f. 


90  Aristoteles. 

alle  ans  demselben  Archetypos,  ebenso  bereits  die  von  dem  genannten 
Johannes  Italns,  der  in  seinem  Kommentar  zum  2.  bis  4.  B.  lediglich 
den  des  Alexandros  ausschrieb  und  daher  von  einigem  textkritischem 
Wert  für  den  letzteren  ist  (s.  die  Mitteilungen  im  Supplem.  praefationis 
S.  XLVII-L),  benutzte  Handschrift  und  auch  diejenige,  aus  welcher 
die  zahlreichen  Entlehnungen  aus  letzterem  bei  Suidas  entnommen  sind. 
Auch  a  geht  in  den  vier  ersten  Büchern  und  im  8.  auf  ein  ähnliches 
Exemplar  wie  P  zurück.  Von  P  sind  alle  jüngeren  Codices  abhängig 
mit  Ausnahme  von  H  (Paris.  1832),  der  nur  bis  ins  4.  B.  reicht,  und 
N  (Neapol.  321),  die  vv^iederuni  einander  sehr  ähnlich  sind  und,  wie  die 
Überschrift  eS'»'j'i"'i5ic  xxX.  ex-  tüJv  tou  'Acppooiaiew?  'AXeSavopou  besagt, 
durchweg  nur  Auszüge  enthalten.  Von  den  vier  letzten  Büchern  haben 
wir  dagegen  überhaupt  nur  Auszüge,  und  nur  aus  solchen  ist  allem 
Anschein  nach  bereits  das  in  Suidas  Übergegangene  geflossen.  Aber 
im  5.  bis  7.  sind  a  N  viel  umfänglicher  als  ABDP,  und  auch  im  8, 
findet  sich  einiges  a  N  ausschliefslich  Gemeinsame,  ganz  vorwiegend 
aber  stimmt  hier  a  mit  P  überein,  indem  15  ganze  Kapitel  nur  dort 
und  hier  sich  finden.  Nachdem  also  Musurus  im  5.  bis  7.  B.  einem 
N  ähnlichen  jungem  Kodex  wegen  der  gröfseren  Reichhaltigkeit  gefolgt 
war,  kehrte  er  im  8.  aus  dem  gleichen  Grunde,  jedoch  nicht  ohne 
Kontamination,  zu  seiner  ursprünglichen  Vorlage  zurück.  Unter  jenen 
15  Abschnitten  befinden  sich  nun  zwei  Proömien,  von  denen  natürlich 
nur  das  eine  von  Alexandros  selbst  sein  kann,  alle  übrigen  Stücke  sind 
entschieden  ächt^'),  wie  denn  aus  ihnen  auch  mehrere  Exzerpte  im  Suid. 
stammen,  dagegen  kein  einziges  aus  der  a  N  eigentümlichen  Über- 
liefening.  Schwerlich  ist  denn  auch  die  letztere  im  5.  bis  7.  B.  anders 
entstanden  als  der  Text  von  N  im  8.,  und  dieser  besteht  seiner  gröfseren 
Hälfte  nach  aus  der  Hineintragung  von  Schollen  aus  späteren  Aus- 
legern, die  daher  auch  nicht  in  die  Ausg.  aufgenommen,  sondern  in 
der  Abh.  S.  10 — 23  mitgeteilt  sind.  Während  nun  ferner  die  übrigen 
Codices  von  ähnlichen  Erscheinungen  frei  sind  und  in  ihren  lücken- 
haften Auszügen  fast  nichts  nachweislich  dem  Alexandros  Fremdes  ent- 
halten, hat  bereits  ßrandis  innerhalb  der  beiden  letzten  Bücher  im 
Text  a  N  Doppelscholien  entdeckt,  aber  lange  nicht  alle,  und  sie  sind 
ebensogut  innerhalb  des  5.  und  6.  reichlich  vorhanden,  nur  dafs  sie  hier 
nicht  ausdrücklich  durch  vorgesetztes  tU  t6  auro  oder  ixspou  oder  aXXtoc 
kenntlich  gemacht  sind.  Zu  ihnen  gehört  auch  ein  Abschnitt  im  Anf. 
des  5.,  in  welchem  sogar,  wie  schon  Franz  Patricius  bemerkte, 
wiederum  die  Engel  vorkommen  und  des  Porphyrios  IJevts  «pcuvai  citiert 
werden.    Er  ißt  aus  dem  Kommentar  von  Leo  Magentinus,  welcher  aus 


Gerade  das  Gegenteil  berichtet  Döring! 


Topik.     Metaphysik.  91 

anderen  Vorlagen  als  Alexandros  zusammengeschrieben  ist,  und  aus 
diesem  rührt  noch  manches  Andere  her,  was  Wallies  in  der  Ausg.  in 
doppelte  eckige  Parenthesen  setzt,  während  er  die  sonstigen  zweifellos 
eingeschobenen  Doubletten  und  Zusätze  in  einfache  eingeschlossen  hat. 
Aber  auch  vieles  Anderweitige,  welches  die  sprachlichen  oder  sachlichen 
Merkmale  fremden  und  spätem  Ursprungs  nicht  sicher  an  der  Stirne 
trägt,  ist  doch  verdächtig,  und  Wallies  zeigt,  dafs  selbst  da,  wo  die 
ausführlichere  Fassung  in  a  N  der  ursprünglichen  näher  zu  stehen 
scheint  als  die  dürftige  in  A  B  D  P,  oder  wo  von  Erklärungen  in  a  N 
sich  wenigstens  ein  oder  mehrere  Stücke  in  A  B  D  P  finden,  dennoch  die 
gröfste  Vorsicht  geboten  ist.  Kurz,  wenn  er  es  auch  nicht  unumwunden 
ausspricht,  so  leitet  doch  seine  ganze  Auseinandersetzung  darauf  hin, 
dafs  mit  voller  Gewifsheit  kaum  irgend  etwas  von  diesem  Allen  dem 
Alexandros  zuzusprechen  ist.  ^^)  Sehr  vollständige  Auskunft  über  alle 
bekannten  Handschriften,  über  die  Aldina  und  die  lateinischen  Über- 
setzungen giebt  er  im  Suppl.  praef.  S.  XVI— XL VII,  Proben  aus  dem 
Kommentar  des  lohannes  Italus  in  der  Abh.  S.  24—27.  Mit  Wahr- 
scheinlichkeit vermutet  er  (Praef.  S.  IX),  dafs  dieser  denselben  auf  die 
vier  letzten  Bücher  desshalb  nicht  ausdehnte,  weil  doch  wohl  auch  ihm 
für  diese  aus  dem  des  Alexandros  nur  noch  Exzerpte  vorlagen. 
Wir  wenden  uns  zur  Metaphysik: 

9)  0.  Apelt,  Beiträge  zur  Erklärung  der  Metaphysik  des  Ari- 
stoteles. Beiträge  u.  s.  w.  (s.  No.  5)  S.  217—252.  Vgl.  Zeller 
Arch.  f.  Gesch.  der  Philos.  V.  1892  S.  553-555. 

I,  5.  987a  25  übersetzt  Zeller  in  dem  No.  1  aufgeführten  Be- 
richt oioTt  TtptuTov  uTiapyet  toi?  ouil  to  SiTiXaatovr  „weil  das  Doppelte 
zuerst  der  Zwei  zukommt"  und  schützt  so  das  npcoTov  gegen  G ob  eis 
Änderungsvorschlag  (s.  Ber.  LXVII.  S.  95).  —  6.  987^  4  soll  6ia  to 
TotoÜTov  nach  Apelt  „aus  folgendem  Grunde"  bedeuten.  Mii"  scheint 
der  Gedankenzusammenhang  zu  verlangen,  dafs  man  es  mit  Bonitz  und 
Zell  er  Arch.  V.  S.  553  auf  das  Vorhergehende  bezieht,  aber  dies 
„demgemäfs"  dann  genauer  so  erklärt:  weil  Piaton  erstens  aus  seiner 
Beschäftigung  mit  Herakleitos  die  Überzeugung  gewonnen  hatte,  dafs 
es  von  den  Sinnesdingen  keine  Erkenntnis  gebe,   und  zweitens  aus  dem 


*^)  Der  Bericht  im  Centralbl.:  „Für  das  5.  bis  7.  B.  nimmt  der  Heraus- 
geber, so  weit  a  N  Besseres  und  mehr  bieten,  dies  in  seinen  Text  auf,  be- 
ruht auf  der  Notiz  Praef.  S.  XIV :  „in  lihris  autein  V —  VIJ,  in  (juibus  a  N 
diversam  ab  reliquis  codicibus  meinoriam  sequuntur  .  .  .  si  quae  aut  meliora  aut 
pleniora  a  N  exhibere  videbantur,  recipere  non  dubitavi,"  das  ist  aber  nur  von 
der  eigentlichen,  kleinen  Textkritik  gemeint,  sofern  a  N  aus  einem  andern 
i\rchetypos  sich  herleiten  als  A  B  D  P. 


92  Aristoteles. 

Anschhils  an  Sokrates  sodaun  die,  dal's  die  Erkenntnis  in  der  Begriffs- 
bestimmung bestehe.  —  23.  Im  Gegensatz  zu  Göbels  Änderungs- 
vorschlag (s.  Ber.  LXVII  a.  a.  0.)  falst  Zeller  Arch.  IV.  S.  147  xal 
fATj  erspov  7£  xi  ov  Xi-^eabai  2v  so  auf:  „und  dafs  das  Iv  nicht  blofses 
Prädikat  eines  von  ihm  selbst  verschiedenen  Eealen  sein  soll".  —  III,  2. 
998=^  6.  Apelt  hebt  richtig  gegen  Schvvegler  und  Kirchmann 
hervor,  dafs  tjyifjLsia  hier  die  mathematischen  Pnnkte  bedeutet.  — 
4.  1001''  13f.  Apelt  stellt  die  Lesart  von  A^  mit  folgender  Inter- 
punktion her:  dtXX'  st  Stj  outw?,  f^stopsi  ^opTixwc,  womit  denn  auch 
Christ s  Konjekturen  zu  Z.  15  fallen.  —  IV,  2.  1003''  13.  [eTricjTrj[i.Tfi? 
eTcl  decüpTJuai  ixioEs]?  Apelt,.  da  es  sonst,  um  Konstruktion  zu  gewinnen, 
entweder  Z.  12  f.  Ta—lz'(6\it\<x  oder  £Triar>](XT)— [xia  mit  Streichung  von 
f^EcoprjCiai  lieil'sen  müfste.  —  20 ff.  Nach  Schuppes  Vorgang  stellt 
Apelt  (s.  auch  dens.  S.  179  A.  1)  gleich  Natorp  (s.  Ber.  LXVII 
a.  a.  0.)  mit  Recht  Z.  22  das  handschriftliche  xa  xs  her  und  falst,  in- 
dem er  Ttp  ^eveimit  \i.ta.i  verbindet,  die  Stelle  richtig  so  auf:  „daher 
ist  es  auch  Sache  einer  und  der  nämlichen  Wissenschaft  mit  der  des 
YEvo?,  d.  i.  des  ov  7]  ov,  dessen  Arten  und  Unterarten  zu  betrachten", 
vgl.  Z.  34 f.,  wo  man  den  Dativ  ebenso  wie  hier  mifsverstanden  hat; 
SIC  mit  dem  Dativ  fehlt  überhaupt  bei  Bonitz  im  Ind.  Ar.,  Apelt 
giebt  noch  ein  paar  Belege.  —  28 ff.  Apelt  hat  zwar  ganz  ßecht  darin, 
dafs  Alexandros  und  Bonitz  fälschlich  xo  8v  xal  xo  2v  als  Subjekt 
von  QU  -/(uptCexat  betrachten  und  der  Gedanke  vielmehr  6  avf^pcoro?  xal 
6  wv  av{)pü)-oj  verlangt,  aber  wie  dies  Subjekt  aus  den  überlieferten 
Worten  herausgeprefst  werden  könnte,  vermag  ich  nicht  abzusehen,  auch 
erwartet  man  so  doch  wohl  Z.  29  -^ap  statt  o.  —  3.  1005''  5  axouovxa; 
hält  Apelt  für  verderbt  und  vermutet  zweifelnd  r]xovxac  oder  a-yvoouvxac, 
bringt  aber  auch  noch  einen  andern  Anstofs  an  dem  Satz  2.  oua  —  5, 
^Tjxeiv  bei.  Seine  Anstölse  scheinen  mir  richtig  zu  sein,  aber  nicht  seine 
Lösungsversuche,  erstere  vielmehr  darauf  hinzuführen  und  ebendamit 
auch  sich  zu  heben,  dafs  dieser  ganze  Satz,  wie  Christ  und  nach  ihm 
Zeller  urteilen,  nicht  hierher  gehört,  mag  man  ihn  nun  mit  Christ 
dem  Verf.  des  2.  B.  (a)  beilegen  oder  trotzdem  mit  Zeller  für  acht 
aristotelisch  erklären.  —  5.  1010''  33—35.  Apelt  will  xal  aveu  aijÖY^aetu; 
mit  zu  dem  Relativsatz  ziehen.  Zell  er  zeigt,  dafs  es  vielmehr  mit  [xyj 
öivai  zu  verbinden  ist.  So  hat  es  auch  schon  Bonitz,  wie  jetzt  seine 
Übers,  zeigt,  gefafst  und  mit  Recht  daher  hinter  ataiV^ssw?  wie  hinter 
aijiVjjiv  ein  Komma  gesetzt.  Warum  Aristot.  [xy]  slvai  vor  und  nicht 
lünter  den  Relativsatz  stellt,  ist  leicht  abzusehen,  da  S  hier  den  Sinn 
von  xaiTisp  hat.  —  7.  1017''  1.  3.  Apelt  legt  dar,  wie  die  Inter- 
polationen prjxov  und  pr,xa>;  (letztere  nicht  in  A'>)  entstanden,  und  hält 
auch  7 f.  xal— 7pa|xp.f,f  für  eine  solche,    ob  mit  Recht,    lasse  ich  dahin- 


Metaphysik.  93 

gestellt.  —  V,  11.  1019»  1—4.  Apelts  Versuch  zu  zeigen,  daf's  hier 
Piatons  Tim.  34  D  gemeint  sei,  hat  mich  nicht  überzeugt,  und  ich 
sehe  daher  doch  keinen  andern  Ausweg,  als  bei  der  Deutung  auf  die 
Idealzahlen  stehen  zu  bleiben,  kann  aber  hier  auf  diesen  Gegenstand 
nicht  eingehen.  —  Apelts  gute  Bemerkungen  über  V,  15  lassen  sich 
in  kurzem  Auszug  nicht  wiedergeben.  1021*1  5 f.  verbessert  er  auf  Grund 
der  Lesart  von  A*^  6  "cap  aptO|x6?  jufxfjLSTpov,  xaxa  [xy]  !ju[x[xeTpov  ok  dpt9|xov 
00  Xr/ovTc^t  richtig  6 — aup-ixeTpo?  (so  E),  xara  [xy]  cu]X[jL£tp(uv  dl  api{}(xoi  ou 
XsYovxat,  nur  dafs,  wie  Zeller  mit  ßecht  bemerkt,  das  erste  (ju|xjjL6Tpov 
füglich  bleiben  kann.  —  VI,  1.  1026»  14  verteidigt  Apelt  yioptjxa 
gegen  Schweglers  allerdings  nicht  unbedenkliche  Änderung  a/topiaxa, 
aber  er  hat  die  Schwierigkeiten  nicht  genügend  erkannt,  welche  der 
überlieferten  Lesart  im  Wege  stehen,  s.  Ber.  LXVII.  S.  91.  A.  14.  — 
2.  1026b  10  ff.  wird  von  ihm  zuerst  richtig  erklärt.  —  Dagegen  sind 
seine  Erörterungen  über  3.  1027»  29 f,  im  Gegensatz  zu  der  verfehlten 
Behandlung  dieser  Stelle  bei  Bonitz  zwar  sehr  lehrreich,  wenn  er  aber 
avtu  für  avsu  vermutet,  so  scheint  mir  dies  durch  die  Belege  im  Ind. 
Ar.  68^^  47  ff.  noch  lauge  nicht  sprachlich  gerechtfertigt,  auch  wäre  dies 
avo>  hier  doch  wohl  recht  überflüssig.  Andererseits  bezweifle  ich  aber 
auch,  dafs  was  Zeller  in  den  Worten  sucht:  „ohne  d^fs  sie  desshalb 
wirklich  zu  entstehen  und  zu  vergehen  brauchen"  so  ausgedrückt  werden 
konnte,  und  glaube  daher,  dafs  nur  die  ,, etwas  gewaltsamen"  Besserungs- 
versuche Christs  übrigbleiben.  —  VII,  9.  1034»  17  vermutet  Apelt 
,, sinnreich,  aber  doch  schwerlich  ganz  befriedigend",  wie  Zeller  mit 
Recht  lu-teilt,  xivEixai  xb  räp.  —  11.  1037»  9  will  er  das  in  A'^  fehlende 
xal  vor  ais>\ia  tilgen,  was  mich  ebenso  wenig  wie  Zell  er  überzeugt 
hat.  —  17.  1041»  14flE'.  giebt  er  dagegen  wieder  die  richtige  Erklärung.  — 
IX,  3.  1047»  9.  s'crxiv  ü)?  oiovxat  Apelt  für  Ixt  ov,  viel  zu  gewaltsam,  gut 
Kod.  F  ext  w?  (näml.  TOcpuxe),  s.  Ber.  LXVII.  S.  97.  Im  Übrigen 
sind  Apelts  Bemerkungen  über  die  ganze  Stelle  10 ff.  vortrefflich.  — 
7.  1049»  28  verbessert  er  xaÖoXou  gut  in  xaiY  ou.  —  Über  seine  Be- 
merkungen zu  9.  1051»  21-  33  und  seine  Konjektur  31.  loi'a  f.  ota  ent- 
halte ich  mich  hier  des  Urteils.  —  X,  3.  1054»  22.  -ecpuxsv  oja  f.  rscpuxo? 
xal  Apelt,  [Tiscpuxo?— i'v] '?  Zell  er.  Eines  von  Beidem  wii'd  man  biUigeu 
müssen.  —  6.  10561^  3ff.  Dafs  Apelt  alle  Schwierigkeiten  dieser  Stelle 
beseitigt  hätte,  nimmt  er  selbst  nicht  au.  Jedenfalls  hat  er  gezeigt,  dafs 
Christs  Interpunktion  Z.  28  ff.  mit  der  Tilgung  von  oux  schwerlich  das 
Richtige  getroffen  hat;  ob  durchweg  Apelts  Auslegung,  ist  eine  andere 
Frage.  Zeller  meint,  a-nlGx;  ttoXu  möge  ein  ungenauer  Ausdruck  für 
dasjenige  sein,  was  uns  schon  für-  sich  genommen  den  Eindruck  einer 
grofsen  Zahl  macht.  —  XI,  5.  1062»  16.  xauxo  f.  xouxo  Apelt  (mit 
Hecht).  —  Xin,  7.  1081»  12 ff.  wird  von  ihm  richtig  so  konstruiert,  dafs 


94  Aristoteles. 

in  Z.  15  f.  ai  ap/al  y.ai  ra  aTOiyzia.  Xe70vxat  toü  api})[jLOU  eivai  das  Subjekt 
nur  at  apyai,  dagegen  xa  axotysia  xou  dpiOfxou  Prädikat  ist  und  xal  ,,auch" 
bedeutet.  —  Nicht  minder  richtig  zeigt  er  1082''  36  gegen  Schwegler 
und  Bonitz  den  wahren  Sinn  von  xaxa  fxepioac:  „einzeln  für  sich,  ge- 
wisserniassen  in  getrennten  Portionen".  —  XIV,  1.  1087''  24  vermutet 
er  auch  wohl  richtig  xal  f.  £•/.  —  Endlich  kann  ich  gleich  Zell  er  ihm 
darin  nur  beipflichten,  dais  mit  dem  eXe^exo  2.  1089»  21  nicht  mehr, 
wie  im  Vorhergehenden,  Piatons  Sophistes  (237  A)  gemeint  ist,  so  dafs 
es  sich  hier  nicht  sowohl  um  eine  Behauptung  von  Piaton  selbst,  sondern 
von  Piatonikern  handebi  dürfte. 

Die  ueueAusg.  vom  Komment,  des  Alexandros  undPseudo-Alexandros 

10)  Commentaria  in  Aristotelera  etc.  Vol.  I.  Alexandri  Aphrodi- 
siensis  in  Aristotelis  Metaphysica  commentaria.  Ed,  Michael 
Hayduck.     Berlin  1891,  G.  Reimer.     XIII,  920  S.     Lex.  8., 

über  welche  sich  ein  kurzer  Bericht  im  Litt.  Centralbl.  1891  Sp.  1349  f. 
und  von  Susemihl  in  d.  Berl.  ph.  Woch.  XHI.  1893.  Sp.  583  f. 
findet,  beruht  namentlich  auf  dem  von  Bonitz  vorzugsweise  benutzten, 
einer  erneuten  Kollation  nicht  unterzogenen  Cod.  Paris.  1876  (A)  aus 
dem  13.  Jahrh.  und  den  beiden  neu  verglichenen  Handschriften,  dem 
Hauptkodex  der  Metaphysik  A'\  Laurent.  LXXXVII,  12,  welcher  hier 
mit  L  bezeichnet  ist,  aus  derselben  Zeit,  und  Ambros.  F  113  aus  dem 
15.  Jahrh.  In  L  ist  jedoch  der  letzte  Teil  p.  700 — 837  von  einer  sehi- 
jungen  Hand  geschrieben,  und  F  konnte  zu  Anfang  von  Hayduck  noch 
nicht  benutzt  werden,  vom  13.  B.  ab  sind  aus  ihm,  da  er  vom  10.  B. 
an  einen  blofsen  Auszug  enthält,  nur  die  ersten  Seiten  als  Probe  im 
Supplementum  praefationis  S.  XI — XTTT  wiedergegeben.  Nicht  neu  ver- 
glichen ist  auch  der  partienweise  von  Bonitz  und  nach  ihm  auch  hier 
nach  Kollationen  von  Brandis  verwertete  Coislin.  161  aus  dem  Ende 
des  14.  Jahrh.  =^  C  (bei  Bekker  I^,  bei  Susemihl  in  den  Ausgaben 
der  Politik,  der  grofsen  Moral  und  der  Ökonomik  P-).  Der  in  A  M 
fehlende  Anfang  ist  wie  bei  Bonitz  aus  L  ergänzt,  der  auch  in  L  nicht 
vorhandene  Sclüufs  wie  bei  jenem  aus  C,  (nur  aber  bei  Hayduck  mit 
einiger  Beihülfe  von  F),  wobei  jedoch  die  zum  Teil  gar  nicht  unwich- 
tigen Berichtigungen  der  Kollationen  von  Brandis,  welche  ich  nach 
eigener  Vergleichung  im  Philologus  XXX.  1870  S.  423  mitgeteilt  habe, 
nicht  hätten  aulser  Acht  gelassen   sein  sollen").     F  stimmt,  zu  Anfang 

")  Da  es  aber  dennoch  geschehen  ist,  wiederhole  ich  sie  wie  in  meiner 
Anzeige  so  auch  hiernach  11  ayducks  Ausg.,  damit  jeder  Besitzer  der  letzteren 
sie  sich  leicht  in  diese  eintragen  kann:  SÖ2,  14.  |x£v  (dies  ist  also  in  den  Text  zu 
setzen  und  Hayduck  8  Note  zu  streichen),  l^.  z.r,r.>.  20. 'f'/,'(o:.  23.(3.  31.i~tä 
n£-o>(Xt   (wiederum  ist  also  izna  einzufügen    und  die  Note  Hayducks  zu 


Metaphysik.     Psychologie.  95 

wesentlich  mit  L  überein,  und  beide  liefern  zu  den  Lücken  in  A  erheb- 
liche Ergänzungen,  von  denen  sich  die  meisten  auch  in  der  Übersetzung 
von  Sepulveda  (S)  finden,  welche  vom  3.  B.  ab  mitLF  im  genauesten 
Einklang-  steht.  Bis  in  den  Anfang  dieses  Buches  hinein  bieten  dagegen 
L  F  eine  von  A  S  ganz  verschiedeoe  Rezension  dar,  welche  teils  starke 
Verkürzungen,  teils  starke  Erweiterungen  durch  fremde,  teils  gute,  teils 
schlechte  Zusätze,  teils  Vertauschungen  der  Vulgata  mit  solchen  anderen 
Schollen  in  reichem  Mafse  enthält  und  das  Werk  eines  späteren,  ver- 
mutlich nach  Asklepios  lebenden  Auslegers  ist.  Bis  hierher  hat  daher 
der  Herausgeber  nur  die  einfacheren  Varianten  aus  beiden  Codices  dem 
Apparat  eingefügt  und  diese  jüngere  Rezension  besonders  unter  dem- 
selben drucken  lassen.  F  weicht  auch  hernach  noch  öfter  von  der 
Yulgatredaktion  ab.  Durchweg  mit  A  verwandt  istM-=Monac.  81  aus 
dem  16.  Jahrb.,  den  Bonitz  nach  eigener  Vergleichung  und  Hayduck, 
der  ihn  stellenweise  aufs  Neue  durchmusterte,  zur  Ergänzung  für  A  mit 
herangezogen  haben.  In  Bezug  auf  die  Frage  nach  dem  Ursprung  des 
Kommentars  vom  6.  B.  (E)  ab  schliefst  Hayduck  sich  natüi-lich  an 
Freudenthal  (s.  Ber.  XLVI  S.  248)  an. 

Von  einer   bisher  noch  nicht  veröffentlichten  Mischredaktion  des 
zweiten  Buches  der  Psychologie   ist  eine  Sonderausgabe  erschienen: 

11)  Aristotelis   de  anima  liber  B.     Secundum  recensionem  Vati- 

canam    edidit    Hugo    Rabe.     Berlin    1891,    W.    Weber.     34  S.     8. 

(Gratulationsschrift    der    Bonner    philol.    Gesellsch.    an    Usener    zu 

dessen  25jähriger  Lelirthätigkeit  in  Bonn), 

welche  von  Busse  Berl.  ph.  Woch.  XII.  1892  Sp.  549—552  rezensiert 


tilgen).  36.  oiä]  h<.ä  os  (aufzunehmen).  833,  12.  xal  prius  om.  28.  to  j  (sie!). 
36.  y.a\  iv]  iv  ouv  (was  also  aufzunehmen  war).  834,3.  zcä  bis.  4.  ixsi'va'.c.  5.  ToaaüTa 
ouSs  ToictütK.  17.  oTiyojv.  19.  Xrjs^t'^o'.  (sollte Pseudo- Alex,  wirklich  so  geschrieben 
haben?).  23.  oay-uKoi.  32.  ts  om.  (ist  also  zu  tilgen).  33.  iv  iijv  (was  Hayduck 
aus  Konjektur  hergestellt  hat),  «f./^;  toD  a-iyou  (was  natürlich  wieder  in 
den  Text  zu  setzen  war).  835,  12.  ~ö  TcXr^&o;,  zo  oy.ozoc,,  tö  apT'.ov  (was 
Bonitz  und  Hayduck  auch  durch  blofse  Konjektur  hätten  finden  sollen). 
27.  ToD  om.  (ob  mit  Recht?).  32.  oüts  Öj;  -caX'.xa  oüxc  üj;;  Ikv/m,  sed  oüxs 
oj;  zih.y.u  caeruleo  pigmento  oblitterata  (was  also  statt  Hayducks  Note  ein- 
zusetzen ist).  35.  3'J  corr.,  iv  pr,  .S3fi,  11.  ravcc  toil-c«.  13.  xö  £üi>'j  xal  t6 
z/.c<-:o;  pr.,  sed  -"/.(z'-ro;  oblitteratum  et  öjAa/.öv  primum  eodem  atramento  super- 
scriptum,  deinde  caeruleo  oblitum  est.  Da  Hayduck  Ib  im  Apparat  einige 
Male  citiert,  durfte  er  mindestens  nicht  unterlassen,  seine  Leser  darüber  zu 
belehren,  dafs  dies  derselbe  Kodex  wie  C  ist.  Dafs  die  Akademie  ihn  nicht 
hat  vergleichen  lassen,  ist  vermutlich  überhaupt  zu  bedauern;  mindestens 
würde  dies  doch  wahrscheinlich  die  Mitbenutzung  eines  so  jungen  Produkts 
wie  M  entbehrlich  gemacht  haben. 


96  Aristoteles. 

worden  ist.  Bekanntlich  fand  nämlich  Torstrik  in  dem  Hauptkodex 
dieser  Schritt  E  (Paris.  1853)  die  Reste  eines  anderen  zweiten  Buches 
und  fügte  sie  seiner  Ausgabe  bei.  Später  entdeckte  er  dann  in  P  = 
Vatic.  1339  (aus  dem  13.  und  14.  Jahrh.)  eine  dritte  Form  ebeudieses 
Buches,  und  diese  ist  es,  welche  jetzt  von  Rabe  nach  der  Vergleichung 
von  Torstrik  und  Mau  genau  wie  sie  dort  erscheint,  ohne  Besserungs- 
versuche, nur  mit  Hinzufügung  der  Varianten  aus  dem  wahrscheinlich 
im  13.  Jahrh.  lebenden  Sophonias,  welcher  schon  derselben  Redaktion 
folgte,  unter  dem  Text  veröffentlicht  ist.  Nennen  wir  sie  7,  die  gewöhn- 
liche a,  die  in  E  teilweise  erhaltene  [^,  so  ist  7  aus  a  und  j3  zusammen- 
geschweifst.  und  Rabe  weist  genauer  nach,  so  weit  es  noch  möglich, 
was  hier  aus  der  einen  und  was  aus  der  anderen  Vorlage  entnommen 
ist,  und  zwar  war  der  für  a  benutzte  Kodex  verwandt  mit  S  (=  Laurent. 
LXXXI,  1,  s.  Rhein.  Mus.  XL.  1885  S.  565  f.  Ber.  XLVI  S.  242)  und 
ähnlichen  Manuskripten.  Über  das  Verhältnis  von  ß  zu  a  aber  urteilte 
Torstrik  anfänglich  so,  dals  ß  die  spätere,  aber  auch  noch  von  Aristot. 
selbst  herrührende  Bearbeitung  sei,  nachmals  (Litt.  Centralbl.  1877 
Sp.  1463)  dagegen  hielt  er  beide  nunmehr  „für  gleich  authentisch,  wenn 
sie  auch  beide  nicht  auf  Aristoteles' Hand  zurückzuführen  sind."  Rabe, 
der  richtig  darthut,  dafs  keine  von  beiden  eine  Paraphrase  der  anderen 
sein  kann,  vertritt  die  Meinung,  dafs  vielmehr  a  die  ai'istotelische 
Fassung,  [i  eine  Umbildung  derselben  durch  einen  der  älteren  Peripate- 
tiker  sei.  Busse  verteidigt  gegen  ihn  Torstriks  spätere  Ansicht, 
beide  ständen  als  parallele  Bearbeitungen  des  ursprünglichen  Textes 
dem  aristotelischen  Original  gleich  nahe.  Dagegen  ist  nun  aber  Folgendes 
zu  sagen.  Torstrik  selbst  ist  zu  dieser  späteren  Auffassung  durch  die 
inzwischen  gewonnene  Überzeugung  gelangt,  dals  Manches  in  diesem 
Original  teils  überhaupt  nicht,  teils  wenigstens  nicht  in  solcher  Anord- 
nung gestanden  haben  kann,  was  sich  in  diesen  beiden  sachlich  so  gut 
wie  gar  nicht  verschiedenen  Redaktionen  findet.  Wären  sie  nun  also 
unmittelbare  Bearbeitungen  desselben  durch  zwei  Peripatetiker,  so 
müfsten  doch  wohl  die  Abweichungen  von  einander  weit  grölser  sein: 
der  eine  müfste  doch  wohl  aus  dem  anderweitigen  Material  aufgenommen 
und  an  anderer  Stelle  aufgenommen  haben,  was  der  andere  wegliefs  oder 
an  anderem  Platze  unterbrachte,  das  ist  aber  nirgends  der  Fall.  Es 
bliebe  also  nur  noch,  dals  a  und  ''>  verschiedene  Redaktionen  der  ältesten 
peripatetischen  Bearbeitung  seien,  der  bald  die  eine  und  bald  die  andere 
näher  gekommen  wäi'e.  Allein  es  müfste  doch  sonderbar  zugegangen 
sein,  wenn  sich  jene  gar  nicht,  sondern  nur  diese  beiden  Abweichungen 
von  ihr  und  vorzugsweise  gerade  nur  die  eine  (a)  fortgepfiauzt  haben 
sollte,  wenn  es  auch  nicht  geradezu  unmöglich  ist.  Daher  gebe  Ich 
lieber  Rabes  Meinung  mit  der  Modifikation  meinen  Beifall,    dafs  ich 


Psychologie.  97 

aus  den  von  ihm  dargelegten  Gründen  a  für  jene  älteste  peripatetische 
Bearbeitung,  }  für  eine  immerhin  nocli  aus  der  älteren  Alexandrinerzeit 
stammende  Ummodeluug  derselben  halte.  Mit  der  Doublette  des  7.  B. 
der  Physik  und  von  de  part.  an.  691^28  — 694 'J  27  wird  es  wohl 
ähnlich  stehen. 

Aus  dem  Jahr  1890  habe  ich  (s.  Ber.  LXVII  S.  109)  nachzuholen: 

12)  Aug.  Stapf  er,  Kritische  Studien  zu  Aristoteles'  Schrift  von 
der  Seele.     Landshut  1890.     34  S.     8. 

Im  ersten  Teil  dieser  tüchtigen  Arbeit  (S.  7 — 12)  macht  Stapf  er 
die  Forderung  geltend,  dals  man  in  Zukunft  in  Bezug  auf  Orthographie 
und  Flexion  überall  diejenigen  Formen  in  die  Ausgaben  aristotelischer 
Werke  einführe,  welche  als  die  zur  Zeit  des  Aristoteles  als  die  allein 
üblichen  inschriftlich  beglaubigt  sind,  wozu  jetzt  namentlich  Meister- 
hans' Gramm,  der  att.  Inschriften  eine  bequeme  Handhabe  darbiete, 
dafs  man  also  durchweg  [xapos  und  ixtxpoTY]?,  tt  und  nicht  as,  die  kürzeren 
Komparativformen  auf  ou;  und  cd,  tcXsov,  ouoiv  als  Genetiv  und  Dativ, 
'/lYVEffdat,  7iYV(üox£tv,  [xs/pi,  evexa  schreibe  ^*),  auch  au^w  und  nicht  au|avco, 
und  dals  man  die  betreffenden  Varianten  nur  in  Gesamtausgaben  ver- 
merke. Weniger  einverstanden  bin  ich  damit,  wenn  er  es  vorzieht,  bei  der 
Zulässigkeit  mehrerer  Formen  eine  derselben  konsequent  festzuhalten ^5). 
Im  zweiten  Teil  (S.  13  —  17)  erläutert  er,  warum  in  Bezug  auf  Accent, 
Vertauschung  von  y]  und  st,  t]  und  t,  y)  und  at,  o  und  w  u.  dgl.  die 
Handschriften  gar  keine  Auktorität  haben.  Im  di'itten  (S.  18 — 34) 
liefert  er  den  bisher  noch  nicht  geführten  Beweis  für  die  allgemeine 
Annahme,  dals  von  den  Codices  der  Psychologie  E  aus  einem  anderen 
Archetypos  stammt  als  S  T  U  V  W  X,  und  legt  dar,  dals  ein  Versuch, 
das  Verhältnis  der  letzteren  Manuskripte  unter  sich  zu  bestimmen,  ohne 
erneute  Vergleichung  derselben  hoffnungslos  ist,  eine  solche  zu  diesem 
Zweck  aber  auch  nicht  der  Mühe  wert  sein  würde.  Er  schlägt  daher 
mit  ßecht  vor,  für  die  Übereinstimmung  aller  ein  gemeinsames  Zeichen 
zu  setzen:  ich  meinerseits  würde  dazu  nach  meiner  Art  0-  empfehlen 
und  im  3.  ß.  für  die  Übereinstimmung  von  E  L  das  Zeichen  n\     Noch 


")  Indessen  sind  ja  nach  Meisterhans  jene  kürzeren  Komparativ- 
formen in  der  klassischen  (!)  Prosa  nur  „fast"*  ausnahmslos,  ouoTv  nur  bis 
329,  dann  100  Jahre  lang  ousTv  gebräuchlich,  und  ob  i'vszjv  nicht  schon  bis 
in  die  Zeiten  des  Aristoteles  hinaufrückt,  ist  fraglich. 

^^)  Es  begegnet  Einem  doch  auch  heutzutage,  dafs  man  in  demselben 

Buche  abwechselnd  „anderen,  andren,  andern",  oder  „Thüre"  und  „Thür", 

„Obrist"  und  „Oberst",  „Erfolges"  und  „Erfolgs",  „dies"  und  „dieses"  und 

dgl.  mehr  schreibt.  Man  halte  sich  also  lieber  hier  an  die  beste  Überlieferung. 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.  LXXV.  Bd.  (1893.  I.)  7 


98  Aristoteles. 

verspricht  er  künftig  zu  zeigen,  dafs  die  Korrekturen  in  E  von  jüngerer 
Hand  nach  dem  Archetypus  von  11-  vorgenommen  seien. 

13)  Hans  Poppelreuter,  Zur  Psychologie  des  Aristoteles, 
Theophrast,  Strato.  Saarbrücken  1891.  52  S.  8.  (Gymnasialprogramm) 
giebt  eine  ansehnliche  und  anerkennenswerte  Berichtigung  und  Ergänzung 
der  bisherigen  Untersuchungen.  In  Bezug  auf  Aristoteles  (S.  5—35) 
erklärt  er  sich  freilich  mit  Neuhäuser  (vgl.  Ber.  XVII  S.  265  if.) 
darin  einverstanden,  dafs  dieser  die  Sinnesorgane  als  bis  zum  Herzen 
laufende  Kanäle  angesehen  habe.  Er  kennt  die  gute  Diss.  von  Dem- 
bowski  (s.  Ber.  XXX  S.  41,  ff.)  nicht,  er  kennt  seltsamerweise^*^)  auch 
nicht  meine  Berichte  (XXXI\^  S.  31  A.  34,  XL  VI  S.  243,  246,  vgl. 
jetzt  besonders  LXVn  S.  105  f.)  und  meine  Erörterung  Rhein.  Mus.  XL. 
1 885  S.  583 — 587,  aus  denen  hervorgeht,  warum  ich  mich  dieser  Ansicht 
nur  mit  einer  erheblichen  Modifikation  anschlielsen  kann.  Diese  Modi- 
fikation liindert  mich  aber  nicht,  seinen  eigenen  Ergebnissen  beizutreten, 
ich  glaube  vielmehr,  dafs  er  mit  bestem  Erfolge  gezeigt  hat,  wie  sehr 
Aristoteles  zwar  in  der  Tliat  nicht  blofs  die  Notwendigkeit  der  Ver- 
einigung aller  Sinneseindrücke  in  einem  Centralorgan  zuerst  erkannt, 
sondern  auch  diese  Notwendigkeit  für  die  Erklärung  unseres  Seelenlebens 
mit  gröfster  Deutlichkeit  nachgewiesen  hat,  und  zwar  dergestalt,  dafs 
von  diesem  Centralorgan,  wie  Neuhäuser  richtig  gegen  Bäumker 
geltend  machte,  auch  die  ganze  Sinnesthätigkeit  ihren  subjektiven  Aus- 
gangspunkt nimmt,  wie  wenig  aber  andererseits  die  Annahme  Neu- 
häusers  richtig  ist,  dafs  die  Umsetzung  der  Eindrücke  in  psychische  Em- 
pfindungen von  Aristoteles  erst  in  dieses  verlegt  und  seine  Lehre  daher 
bereits  ein  vollständiges  Analogon  zu  den  Empfindungsnerven  sei.  Ein 
Analogon  zu  diesen  ist  sie  vielmehr  nur  in  entfernter  "Weise,  gerade  der 
Hauptpunkt  fehlt,  indem  bei  ihr  an  die  Vermittelung  blofser  Reize  zum 
Centrum  gar  nicht  gedacht  ist,  wie  denn  die  reizautnehmenden  TeUe 
der  Organe  (z.  B.  die  Netzhaut)  dem  Aristoteles  ja  noch  unbekannt 
sind.  Er  hat  sich  das  Problem,  wie  aus  dem  blofsen  Eindruck  die  wirk- 
liche Wahi'nehmuug  entsteht,  noch  gar  nicht  bestimmt  vorgelegt.  Er 
begleitet  den  Akt  der  Wahrnehmung  nur  vom  Objekt  durch  das  Medium 
bis  zum  äufseren  Organe,  in  welchem  für  ihn  schon  die  Empfindung  be- 
ginnt, indem  dieses  mit  seiner  zum  Centralorgan  fühi-enden  Verbindung 
und  mit  dem  zugehörigen  Teile  des  letzteren  für  ihn  nur  ein  einziges 
Ganzes  ist,  als  dessen  einziges  und  einheitliches  und  momentanes  Er- 
zeugnis die  Wahrnehmung  erscheint,  und  welches  in  jedem  dieser  drei 


")  Ich  sage  „seltsamerweise".  Denn  diese  Berichte  erscheinen  doch 
zum  Nutzen  der  weitesten  philologischen  Kreise  und  sollten  daher  billiger- 
weise in  jeder  Gymnasialbibliothek  gehalten  werden. 


Psychologie.  99 

Glieder  Träger  psychischer  Empfindung  sein  kann,  da  für  ihn  mit  dem 
Übergang  des  äulseren  Eindrucks  in  das  Organ  die  Wahrnehmung,  in- 
sofern sie  als  blofses  Bild  des  äufseren  Gegenstandes  genommen  wird, 
bereits  fertig  ist  und  diese  fertige  Wahrnehmung  eben  nur  noch  zum 
Centralorgau  übertragen  wird^").  Hier  erst  entsteht  allerdings  das  Be- 
wulstwerden  der  Wahrnehmung,  welches  Aristoteles  jedoch  mit  einem 
blol'sen  Wahrnehmen  des  Wahrnehmens  verwechselt.  Wenn  aber  Poppel- 
ren t  er  nach  diesem  Allen  es  nur  für  einen  scheinbaren  Widerspruch 
zu  halten  scheint,  dafs  sogar  dieses  Psych.  III,  2  i.  A.  im  Gegensatz 
zu  de  somn.  2.  455»  12  ff.  nicht  erst  dem  Central-  oder  Gemeinsinn, 
sondern  bereits  den  Einzelsinnen  beigelegt  wird,  so  kann  ich  hierin  nicht 
beipflichten:  ich  erkläre  mir  die  Sache  vielmehr  heute  noch  ebenso  wie 
im  Ber.  XXX  S.  43.  Desto  mehr  bin  ich,  wie  mit  dem  Gesamtresultat 
des  Yerf.,  das  ich  im  Vorstehenden  meistens  mit  dessen  eigenen  Worten 
wiedergegeben  habe,  so  auch  mit  seinem  Urteil  einverstanden,  dafs  der 
Eortschritt  des  Aristoteles  nicht  allein  über  alle  anderen  früheren  Denker, 
sondern  auch  über  Piaton  hinaus  immer  noch  grofs  genug  bleibt, 

Dafs  Theophrastos  in  diesen  Fragen  nirgends  von  Aristoteles 
abgewichen  zu  sein  scheint,  legt  Poppelreuter  S.  35—43  dar.  Anders 
steht  es,  wie  er  S.  43 — 52  auseinandersetzt,  mit  Straton,  der  zwar, 
wie  er  zeigt,  keineswegs  ein  blofser  Sensualist  war,  aber  doch  die  ari- 
stotelische Zerlegung  der  jVIenschenseele  in  verschiedene  Teile  verwarf, 
die  ganze  einheitliche  Seele  für  sterblich  erklärte  und  die  Vernunft  der 
Sinuesthätigkeit,  aber  allerdings  auch  diese  jener  näher  rückte  und  den 
Hauptsitz  der  Seele  nicht  in  das  Herz,  sondern  in  das  Gehirn,  und  zwar 
zwischen  die  beiden  Augenbrauen  verlegte.  Straton  schrieb  in  der  That 
den  einzelnen  Sinneswerkzeugen  nur  die  Fähigkeit  zu,  den  äufseren  Ein- 
druck aufzunehmen,  welcher  erst  durch  dies  Centralorgau  in  psychische 
Empfindung  umgesetzt  wird,  und  während  Aristoteles  überall  nur  den 
Hineinweg  in  das  Centrum  ins  Auge  fafst,  berücksichtigt  Straton  auch 
schon  die  Projektion  der  Empfindungen,  den  Rückweg  zur  Peripherie 
und  von  da  nach  aufsen  hin,  wenn  er  auch  über  die  Art  dieses  Vor- 
gangs natürlich  ebenso  unklar  bleibt,  wie  wii-  es  noch  heute  sind.  Straton 
hat  also  wirklich  ein  vollständiges  Analogen  zum  Nervensystem  aufge- 
stellt: man  braucht  eben  nur  an  die  Stelle  des  -vaüfia,  welches  er  als 
Träger  und  Vermittler  beibehielt,  die  Empfindungsnerven  zu  setzen.  Auf- 
fällig ist  es,   dafs  er  es  nicht  schon  selber  gethan  hat,  da  er  doch  mit 


^^)  Sehr  richtig  bemerkt  Poppelreuter  S.  9  f.,  dafs  dies  damit  zu- 
sammenhängt, dafs  Aristoteles  die  von  Protagoras  und  Demokritos  erkannte, 
von  Piaton  festgehaltene  Subjektivität  der  Wahrnehmungen  so  gut  wie  ganz 
wieder  fallen  iäfst. 

7* 


100  Aristoteles.    Psychologie.    De  motu  anim. 

dem  Entdecker  der  Nerven,  dem  Arzte  Heropliilos,  ohne  Zweifel  in 
Alexandi'eia  längere  Zeit  zusammenlebte.  Poppelreuter  hebt  diese 
Thatsache  hervor^®),  versucht  aber  keine  Erklärung.  Mir  ist  es  das 
Wahrscheinlichste,  dals  diese  Lehre  Stratous  die  ältere  war  und  den 
Herophilos  bei  dieser  seiner  Entdeckung  mit  beeinflufste. 

Es  erübrigen  noch  Poppelreuters  Vorschläge  zur  Textverbesse- 
rung: Psych.  III,  12.  435fi  2.  xoinp,  dXX'  otov  aus  S  (S.  17.  A.  2).  De 
sens.  2.  437^  10.  dvaxXdast.  etoI  (S.  21.  A.  1).  7.  449^'^  3.  Neuhäusers 
Vermutung  <|Ji.ri>  aböavexai  empfehle  sich  sehr  (S.  22.  A.  1).  De  in- 
somn.  3.  461  b,  26.  8  (wc,  Punkt  hinter  touto  und  27  oe  f.  [x-rj?  Hay- 
duck)  und  28.  töuto  xivsrxal  (wie  Hayduck):  S.  26.  A.  1.  462^  10. 
7.aTa(p£po}i.ev{uv  (S.  26.  A.  1).  Theophr.  de  sens.  §  21.  p.  505,  12  Diels. 
ecüjÖev  oder  ei'aw  (S.  38.  A.  1).  §  24.  506,  17.  ouvai^ecDv  f.  C^ojv?  (S.  39. 
A.  2).  §  48.  513,  8.  tov  aepa  f.  ttjv  apyTjv?  (S.  41.  A.  1).  Olympiod. 
in  Plat.  Phaed.  p.  191,  22.  jxevouaa  f.  jxsvsi  slxa?  (S.  45.  A.  1).  SimpL 
in  Phys.  [  VI,  4.  234^  10.  ai  auxal  f.  ai  aixiat  Plut,  de  solert.  an.  3,  6. 
p.  9^1  H.  irpostfievtüv  f.  -poieixevcov?  (S.  47.  Anm.)  Plut.  Fr.  I,  4,  2  (V,  2. 
p.  697,  13  W,).  Poppelreuter  S.  50.  A.  1  verteidigt  die  Lesart  yjoovas. 
Z.  16.  <T:ov£rv>  rovo'jvxwv  (S.  51.  A.  1).  698,  7.  •napa-^aicDc  vor  5. 
xo  duo?  (S.  51.  A.  2).  11.  Juv7)7dYO[xev  (S.  51.  A.  3).  699,  1.  auva^J^ei? 
(S.  51.  A.  5).  Für  die  Uuächtheit  der  Schrift  von  der  Bewegung 
der  Tiere  v^ird  S.  10  f.  A.  2  ein  weiterer  Grund  beigebracht. 

Wir  sin^  mit  dieser  Abh.  auch  schon  ins  Gebiet  der  Parva  Na - 
turalia  gekommen. 

14)  M.  Steinschneider,  Die  Parva  Naturalia  des  Ai'istoteles 
bei  den  Arabern.  Zeitschr.  der  deutschen  morgenländ.  Gesellsch. 
XLV.     1891.     S.  447—451 

giebt  eine  Nachlese  zu  seinem  Aufsatz  gleichen  Titels  ebendas.  XXXVII. 
S.  477  ff.,  s.  Ber.  XLII.  S.  27,  und  als  Anhang  die  latein.  Übers,  des 
Prologs  von  Avicenna  zum  6.  B.  de  naturalibus  (de  coel.)  nach  dea 
Handschriftenvergleichungen  von  Rose. 

Demnächst  kommt  die  Tiergeschichte  an  die  Reihe: 

15)  L.  Dittraeyer,  Kritische  Beiträge  zur  aristotelischen  Tier- 
geschichte.  Bl.  f.  d.  bayr.  Gymnw.  XXVH.     1891.    S.  222—227. 


")  Den  Erasistratos  hätte  er  dabei  aus  dem  Spiele  lassen  sollen.  Denn 
es  läfst  sich  nicht  beweisen,  ja  nicht  einmal  wahrscheinlich  machen,  dals 
dieser  jemals  in  Alexandreia  lebte,  wohl  aber,  dafs  er  es  jedenfalls  nicht 
zu  der  Zeit  that,  da  sich  Straton  als  Lehrer  des  Philadelphos  dort  aufhielt. 
S.  Susemihl  Gr.-alex.  L.-G.  I.  S.  8U0  f.  A.  129. 


Paroa  Naturalia.     Tiergeschichte.  101 

16)  Derselbe,    Textkritiscbes    zur    aristotelischen  Tiergeschichte. 
Abhh.    Christ  dargebracht,  München  1891.     S.  114—124. 

Dittmej'er  macht  folgende  teils  richtige,  teils  wenigstens  beachtens- 
werte Verbesserungsvorschläge :  I,  1.  487''  5.  dcjxapiStuv  (ajTiioujv  F  C^  und 
vielleicht  pr.  A^).  488^  27.  71VV0;  f.  av&pcüTio?  (o^o?)  und  30.  Einsetzung 
des  in  PC^D^  vor  31.  Trpoßaxa  überlieferten  av&pcoTzoi  vor  lur^ou  I,  5. 
490»  10.<Y]TSTpaT:o>Sa7ravTa(o'a7iavTa  Aa  Cf).I,8.  491''  14.  surjöixoi  (oder 
suxoXoi)  für  das  längst  als  verderbt  erkannte,  vonBonitz  Ind.  Ar.  335'^ 
43  ff.  mit  Unrecht  festgehaltene  und  hier  wie  öu[jLiy.oc  488''  21  falsch  auf- 
gefalste  di>\iuoi  (euxoi  A^,  euixoi  C»).  I,  17.  496'^  22.  [oux].  II,  1. 
499'^^  26  f.  [xaxpav  f.  [iixpa  und  eTtavw  Se  f.  Itc  axpcp  S'.  II,  8.  502»  26 
73  mit  r  P  D»  und  dann  ZaTs,  f.  xai.  502'^  14.  8i  xi  f.  ol  zo  und  dann  mit 
Wimmer  xoTtov  <tov>.  II,  12.  504»  7.  ytüpicTouc  <toui;>  ('/tupU 
Tous  Pikkolos),  in,  1.  510»  18.  Ixsivcüv  (nach  d.  Übers,  v.  Aubert 
und  Wimmer).  111,3.  513'^  3.  <Tetvacja>  ^i'^v^"^*'  (xsivexaiA»,  -jivsxat 
PC»D»).  7.  <7r6po;>  dTio.  111,11.  518'^  3.  xptxäiv  <wv>.  III,  19. 
521»  21.  ÖYiXecDv  und  25.  uoXuatixoxspa.  III,  21.  522''  27.  ixepa.  IV,  2. 
525»  32.  '/J^Xa^  <|jLS7aXac>.  526'^  13.  Xeto?  (mit  Weglassung  von  l'yei 
nach  A»C»).  527»  17  xoü  f.  f^.  IV,  3.  527'^  17.  dvacjxo}i.5v  f.  (xticuÖwv 
(wenn  man  nicht  etwa  mit  Schneider  xd  sTitxaXujxixaxa  schreiben  und 
dann  dvaaualv  herstellen  will).  IV,  5.  530'' 31.  xai  irsptxxd  unmittelbar 
hinter  30.  iraai  hinaufzurücken.  IV,  6.  53 1'^  5  ff.  dir'  ojxpsou.  [xd'v  xt 
•;:po5-£37)  Xülv  {jLixptuv  lyduotcov].  dvxeysxai  ^dp  Stnrsp  xai  x9]?  ysipos,  ouxu) 
<xojiv  {xixptov  iy9uoi(üv> ,  xdv  xi  ■npoairEaT)  auxrj  sScuSipLöv  '  [xat  dTuoXusxat 
xai  7£vos  auxiüv,  8  edv  xi  irposirearj]  xaxsafli'ei  <6£>  (so  Wimmer)  xat 
iytvouc  xai  xxevac  IV,  8.  533»  19.  ijl£v<xoi>  mit  Schneider,  20  f.  [xd- 
Xtoxa  •  oi(upta[xevov  —  ocpöaXfxüiv.  xai  xd  (so  Wimmerf.  xov)  x^;  x.  x.  X, 
534»  7.  oiaxpißovxE?  mit  Beibehaltung  der  Lesarten  von  A»  C»  im  Vor- 
aufgehenden. 434''  17.  otj;iv  <xai  dxorjV>.  18.  xd  o^ovxa  (üsCd  ovxa  A»  C», 
dTcoCov  XI  Pikkolos)  und  mit  Pikkolos  Troppiu&Ev  aicjfta'vExai.  IV,  11. 
537''  27.  evatfjLot?  (f.  Iv  xoT?),  oinocf  xai  xExpaTrocji,  xai  (=  und  überhaupt) 
X.  X.  X.  538'^  4.  [w;  d'v]  und  X£7rxox£pa  f.  XE/öevxa.  V,  5.  540'^  24.  evioij, 
V,  14.  545»  26.  d^av  veidv  f.  dppEvwv  und  (unter  Weglassung  von  27.  -jj 
mit  A»  C»)  28.  dxjAdCcüuiv  oder  rjßd^xwjiv  f.  Yrjpduxcosiv.  546»  10.  oXqtp 
ypoviwxe'pa.  V,  16.  549»  10.  <[xti>  EcptCoucrY)?.  V,  18.  551''  24.  oja 
07£U£xat  hinter  25.  irdvxa  umzustellen.  V,  19.  552»  23.  [jLT]-/avüjivxai  f. 
|xd-/ovxai.  V,  21.  55.3''  6.  r^  f.  xai  und  7.  jxeXixxcov  <irX£i(u>.  V,  31. 
557»  5  f.  d'^pioi  xai  —  -fqvoixEviov  <£i3iv>  •  £iat  6'.  13  ff.  (pOsiptov  •  xai 
-(UV  d'XXojv,  oca  irx£pd  l'ysi,  e'yovxa  (f.  x6  'iyo^^,  Karsch  oux  zyo^tz'X,  voa 
wem  die  verfehlte  Vulgata  xcuv  lyovxtuv  herrührt,  weifs  ich  nicht)  xau- 
Xov  xai  xwv  eyovxcüv  xpiyd;  (schwerlich  ist  die  meiner  festen  Überzeugung 


102  Aristoteles.    Tiergeschichte.    Probleme. 

nach  lückeuhafte  Stelle  hiermit  geheilt).  26.  xa  -.TTspuYia  f.  tol?  Tpi^J.ac 
und  TiofvTa  —  27.  wj  (f.  xa)  £vxo|jLa  hinter  29.  apayvY);  hinabzurücken. 
V,  32.  557'^  28.   oia  cjxqixaxcuv. 

Auf  die  Probleme  bezieht  sich 

17)  L.  Ferri,  Süll'  opera  „Les  problemes  d'Aristote  traduits  .  .  . 
par  Barthelemy  Saint-Hilaire".  Rendiconti  dell'  Acad.  dei  lincei 
Ser.  R^     Vol.  II.     S.  583-586, 

ist  mir  aber  nicht  zugänglich,  auf  das  Schriftchen  über  die  unteil- 
baren Linien  geht  der  erste  und  zweite  Teil  folgender  Arbeit: 

18)  O.  Apelt,  Die  Widersacher  der  Mathematik  im  Altertum. 
Beiträge  zur  Gesch.  der  griech,  Philos.  (s.  No.  5  und  9).    S.  253 — 286. 

Der  zweite  Teil  derselben,  welcher  den  Spezialtitel  „Die  unfrei- 
willigen Gegner"  führt  (S.  263 — 270),  zieht  nämlich  den  merkwürdigen 
Umstand  in  Betracht,  dafs  gerade  Piaton,  der  grofse  Verehrer  und  För- 
derer der  Mathematik,  mit  derselben  durch  seine  Lehre  von  den  unteil- 
baren Linien,  welche  der  späteren,  pythagorisierenden  Umbildung  seiner 
theoretischen  Philosophie  angehört  und  sodann  durch  Xenokrates  aus- 
geführt wurde,  in  einen  unheilbaren  Konflikt  geriet.  Wir  lernen  diese 
Lehre  genauer  aus  jener  gegen  sie  gerichteten  Abhandlung  kenneu,  von 
welcher  Apelt  nachweist,  dafs  sie  nicht  dem  Aristoteles,  sondern  nur 
entweder  dem  Theophrastos ,  dem  sie  auch  schon  im  Altertum  von  ge- 
wissen Seiten  zugeschrieben  wurde,  oder  dem  Straton  angehören  kann. 
Der  dritte  Teil  (S.  271 — 286)  aber  enthält  eine  dankenswerte  Über- 
setzung derselben  mit  wertvollen  erklärenden  und  kritischen  Anmerkungen. 
986'J  7  f.  kehrt  Apelt  jetzt  zum  Bekkerschen  Text  zurück.  969''  26 
liest  er  dagegen  jetzt  nach  der  besseren  Überlieferung  iJirjy.o'j;.  972-'^  1 
vermutet  er  nun  av  f.  Tv . 

An  der  nikomachischen  Ethik  hat  sich  nur 

19)  P.  Seliger,  Zu  Aristoteles  uik.  Eth.,  Jahrb.  f.  Plül.  CXLIIL 
1891.     S.  288 

versucht,  indem  er  den  Anfang  derselben  1094^  1  ff.  so  verbessern  will: 
TÄio.  -iyyr^  y.ai  [-7.3a]  jxeöoooj,  oixoiw;  oz  xal  (steht  nur  in  den  schlechteren 
Quellen)  <-a3a>  -pä;i;  \yz]  xocl  -pootipsai;.    Ich  fürchte,   dafs  er  nicht 
die  Abschreiber,  sondern  den  Schriftsteller  selbst  korrigiert. 
Weit  reichlicher  ist  die  Politik  bedacht  worden: 

20-24)  P.  E.  Stöhr,  F.  J.Engel,  H.  Widemann,  F.  Schmi- 
dinger  und  G.  Vogel,  Curae  criticae  in  Aristotelis  Politica.  Abhh. 
Christ  dargebracht  S.  97—114. 

Vogel  beschäftigt  sich  in  verdienstlicher  Weise  damit,  im  4.  und 
5.  B.  alter  Ordnung  auch  solche  Stellen  aufzusuchen,    in  denen  das  7. 


De  lin.  insec.  Nik.  Ethik.  Politik.  103 

und  8.  derselben  Ordnimg,  ohne  geradezu  citiert  zu  werden,  doch  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  vorausgesetzt  sind,  um  dadurch  den  Beweis  dafür, 
dais  die  letzteren  Bücher  vor  die  erster en  gehören,  zu  vervollständigen. 
So  meint  er,  dals  1289'^  30  ff.  auch  abgesehen  von  dem  direkten  Citat 
die  Begründung  ßouXe-ai  ^otp  exaxspa  (näml.  dptJToxpaxia  xal  ßaaiXeia)  xa-' 
apET-rjv  auveaxavai  xsyopyjYYnxsvYjv  nur  verständlich  sei,  wenn  die  Erläuterung 
des  Begriffs  der  aps-fj  xsyoprfjrjixlvyj  1.323''  40  ff.  bereits  voraufging,  und 
dafs  ferner  ein  Gleiches  in  den  Bezeichnungen  der  in  der  absolut  besten 
Verfassung  herrschenden  Tüchtigkeit  und  Bildung  1295"'^  27  ff.  gilt,  in- 
dem erst  aus  den  Erörterungen  jener  beiden  letzteren  Bücher  klar  wird, 
was  eine  dpstT)  uTilp  xous  lotcoxa?  und  eine  Tzaioeia  ^  cpuaews  oeixai  xal 
-/oprj-jta?  xu/rjpa?  bedeuten  solP'').  Ganz  richtig  bemerkt  Vogel  auch, 
warum  unter  den  Tipüixoi  Xo-joi,  die  1293^  2  ausdrücklich  angeführt  werden 
nicht  blofs  das  3.  B.,  sondern  erst  recht  auch  jene  beiden  gemeint  sein 
müssen.  Schwerlich  mit  Recht  aber  betrachtet  er  1310^  12.  !xe7icjxov  xwv 
sipr)|xevü)v  als  eine  Rückweisung  auf  sie,  [jL£-|t5xov  ist  hier  vielmehr  ein 
komparativisch  gebrauchter  Superlativ. 

Die  vier  Genossen  Vogels  behandeln  einzelne  Stellen.  I,  2. 
1253^3.  St  Öhr  verlaugt  mit  Recht,  dafs  das  von  mir  blofs  aus  F  M-^ 
in  den  Text  gesetzte  hzi  hinter  C^pov  wieder  entfernt  werde.  —  III,  4 
1276^' 40.  Widemann  wiU  die  Worte  eTrstoT)  douvaxov  —  T:oXixa;,  die  ich 
nach  Thurot  vor  38.  Sei  umgestellt  habe,  streichen.  —  III,  6.  1278^ 
19.  Ich  habe  diese  Stelle  bereits  Jahrb.  f.  Phil.  CXXXI.  1889  S.  902 
(vgl.  Ber.  LXVII.  S.  137  f.)  gegen  die  verfehlte  Behandlung  von  Heyl- 
blut  geschützt.  Stöhr  vervollständigt  dies,  indem  er  zu  den  di'ei  von 
mir  angezogenen  Parallelstellen  I,  2.  1253»  2.  Nik.  Eth.  I,  5.  1097''  11. 
IX,  9.  1169''  18  noch  drei  andere  1253«  7.  Nik.  Eth.  VIII,  14.  1162» 
17.  Eud.  Etb.  Vn,  10.  1242»  22  hinzufügt.  An  Wer  von  diesen  Stellen 
steht  6  avSpcuTTo?  in  allen  Handschriften,  nur  an  einer  1162»  17  avdpm- 
7.0?,  an  zwei  schwankt  die  Überlieferung.  Dafs  die  Setzung  des  Artikels 
in  Fällen  dieser  Art  das  grammatisch  Korrektere  ist,  kann  Niemand 
leugnen.  Stöhr  will  überall  av9pa)-o?  schreiben,  jedenfalls  1162»  17 
mit  Recht,  vielleicht  auch  durchweg,  indessen  ist  die  Weglassung  oder 
Setzung  von  6  oder  yj,  auch  wo  keine  ähnliche  Erklärung  möglich  ist, 
eine  der  häufigsten  Variationen  in  den  Codices.  —  1279»  8 — 16.  [oio- 
dpyac]  Stöhr  (schwerlich  mit  Recht).  —  HI,  10.  1281»  13.  Engel  ver- 
wirft Spengels  Konjektur  r^  zbv  v6[jlov  und  verteidigt  dagegen  dessen 

")  Dafs  Vogel  für  erstere  gerade  1324»  2G  ff.  41  ff.  heranzieht,  scheint 
mir  nicht  glücklich,  da  ich  diesen  ganzen  Abschnitt  für  unaristotelisch  halte. 
Ebenso  hätten  1291»  16  ff.  und  1333»  36  ff.  aus  dem  Spiele  bleiben  sollen: 
mag  die  erstere  Stelle  acht  sein  oder  nicht,  sie  scheint  mir  völlig  ohne 
letztere  verständlich. 


104  Aristoteles. 

andere,  in  der  That  ansprechende  Vermutung  [r,  -rupawov].  —  III,  14. 
1285^  13.  Widern  an  ns  Verteidigung-  des  von  Hilaire  getilgten  y.i\ 
hat  mich  nicht  überzeugt.  —  Dagegen  warnt  er  III,  16.  1287"  35  mit 
Reclit  davor,  nicht  etwa  die  Einsetzung  von  I/Opav  f,  vor  oder  r,  r/9pav 
hinter  9iXiav  zu  erwarten.  —  39.  St  Öhr  macht  sehr  wahrscheinlich, 
dafs  in  F  -eiaöevTa?  stand  und  dies  also  unbedenklich  aufzunehmen  ist.  — 
1287'^  30  f.  [tou?  —  cuvapyou?]  Widern  an  n.  Mir  scheint  ohne  diesen 
Zusatz  das  Folgende  unverständlich.  —  IV  (VII),  1.  1323»  21.  <xal> 
y.otvT^  Stöhr.  —  VIII  (V),  1.  130ia  34.  Tsov  f.  xwv  i'swv  (wie  1316»'  2) 
Stöhr:  leichter  ist  mein  Vorschlag  TravTcu;  f.  -avTwv.  —  VIII  (V),  4. 
1304'^  6.  ai  apyat  xai  <ai>  .ai-t'ai  Schmidinger  von  der  irrtümlichen 
Annahme  aus,  als  ob  dies  in  Fl-  stände :  diese  Handschriften  haben  viel- 
mehr blofs  at,  und  unsere  Texte  sind  folglich  ganz  in  Ordnung. 
Die  interessante  Schrift  von 

25)  Ferd.  Dum  ml  er,  Prolegomena  zu  Piatons  Staat  und  der 
platonischen  und  aristotelischen  Staatslehre,  Basel  1891.  65  S.  4. 
(Programm  zur  Rektoratsfeier) 
nach  Gebühr  zu  besprechen,  mufs  ich  den  Berichterstattern  über  Piaton 
oder  Euripides  überlassen,  da  sie  den  Euripides  in  erster,  den  Piaton 
in  zweiter  und  den  Aristoteles  erst  in  dritter  Linie  angeht.  Hierher 
gehört  nur  so  viel.  Dümmler  S.  6.  Anm.  findet  mit  Recht,  dafs 
meine  erläuternde  Ausgabe  der  Politik  für  Aristoteles'  (richtiger  Piatons) 
Vorgänger  sehr  wenig  ausgiebig  ist.  Aber  ist  denn  eine  solche 
"kommentierende  Bearbeitung  dieser  Schrift  der  Ort,  wo  man  Unter- 
suchungen, wie  er  sie  anstellt,  zu  erwarten  berechtigt  ist?  Ich  habe 
ausdrücklich  hervorgehoben,  dafs  das  ganze  Gerüst  dieses  Werkes,  die 
sechs  Hauptstaatsformen,  von  Aristoteles  schon  vorgefunden  wurde  und 
nur  die  Unterarten  der  Oligarchie  und  der  Demokratie  neu  sind,  und 
dafs  es  eine  ausgedehnte  politische  Litteratur  schon  vor  Piaton  gab 
von  der  wir  leider  wenig  wissen.  Wo  bleibt  da  meine  „Einseitigkeit" , 
die  von  Schwarcz  mit  Recht  bekämpft  werde,  wenn  dieser  auch  „im 
philologischen  Gebiet  ein  Laie  zu  sein  scheint"  ? -")  Ich  glaube,  Dümmler 
würde  sehr  in  Verlegenheit  kommen,  wenn  ich  ilm  bäte  mir-  zu  sagen, 
was  ich  in  der  historischeu  Schlufsauseinandersetzuug  von  Schwarcz  zu 
einer  irgendwie  wesentlichen  Ergänzung  meines  Kommentars  brauchen 
könnte  -^).  Und  so  interessant,  wie  gesagt,  die  Auseinandersetzungen  von 
Dümmler  sind,  für  diesen  Zweck  besonders  „ausgiebig'  sind  sie  auch 
nicht.  Denn  auch  wenn  sie  schon  vorhanden  gewesen  wären,  so  würde 
ich    mich   zwar   verpflichtet   gefühlt  haben  zu  bemerken,    dafs  III,  13, 


0)  Blofs  „scheint"? 

')  S.  Berl.  ph.  Woch.  XII.  1S:)2  Sp.  10G7— 1069. 


Politik.    Poetik.  105 

1284^  16  ff.  unter  den  -Ieyovtsc  tyjv  -upawioa  nach  einer  ansprechenden 
Vermutung  Dümmlers  (mehr  ist  es  doch  nicht)  derselbe  Schriftsteller 
zu  verstehen  sei,  welcher  wahrscheinlich  den  Euripides  in  den  Hiketiden 
und  Phünissen  inspiriert  habe  und  dann  auch  ein  A^orläufer  des  Aristoteles 
in  Bezug  auf  VI  (IV),  11  gewesen  sei;  ob  das  aber  meinen  Lesern  zum 
Verständnis  der  von  mir  kommentierten  Schrift  besonders  geholfen  hätte, 
bezweifle  ich  sehr.  Ich  würde  auch  nicht  unterlassen  haben  in  der  langen 
Anmerkung  über  die  Geschichte  der  allmählichen  Unterscheidung  der 
Verfassungen  (nach  S.  39  f.)  zu  erwähnen,  dafs  Hippias  die  Bemerkung 
gemacht  hatte,  die  Bezeichnung  xupawoc  für  ßaatÄsu;  sei  nachhomerisch, 
und  auch  wohl  die  weitere,  sie  stamme  von  den  Tyrrhenern,  aber  ich 
mufs  hier  den  gleichen  Zweifel  aussprechen.  Erheblicher  wäre  es  allein 
gewesen,  dafs  Aristot.  III,  14.  1285^  5  ff.,  bei  dem  oia  ~o  ouva-^a^eTv  in 
erster  Instanz  den  Theseus  vor  Augen  gehabt  haben  mag  (S.  38  f.), 
obwohl  dies  doch  auch  nur  eine  plausible  Hypothese  ist.  Doch  ich 
mufs  hier  abbrechen;  notgedrungen  habe  ich  das  Persönliche  hervor- 
heben müssen,  weil  es  sich  mit  dem  Sachlichen  deckt,  aber  ich  möchte 
nicht  länger  hierbei  verweilen,  bin  aber  jeden  Augenblick  bereit,  wenn 
Dümmler  mir  noch  mehr  angeben  will,  was  für  meinen  Zweck  aus 
seiner  Arbeit  gedient  hätte,  Eede  und  Antwort  zu  stehen.  Denn  dafs 
seine  Behauptung  (S.  55.  60),  dafs  die  Angabe  des  Aristoteles  n,  7. 
1266^34  ff.,  vor  Piaton  habe  kein  Staatstheoretiker  die  Weiber-  und 
Kindergemeinschaft  vorgeschlagen,  ..nachweislich  falsch"  sei,  die  allerdings 
für  einen  Kommentar  des  Ersteren  von  gröfster  Wichtigkeit  sein  würde, 
auf  einem  Mifsverständnis  beruht  und  Dasjenige,  was  Aristoteles,  richtig 
verstanden,  sagt,  auch  vollkommen  richtig  ist,  hat  bereits  Zell  er  Ai*ch. 
f.  Gesch.  der  Philos.  VI.  1893  S.  153  f.  nachgewiesen.  Und  dafs  I,  2 
nach  Vergleichung  mit  dem  Mythos  in  Piatons  Protagoras  und  den  von 
Blafs  aus  lamblichos  herausgezogenen  Bruchstücken  einer  alten  Prosa- 
schrift als  „archaisch"  anzusehen  sei  (S.  13.  A.  2),  verstehe  ich  ohne 
nähere  Belehrung  nicht:  wenn  irgend  ein  anderes  Stück,  scheint  mir 
dies  Kapitel  original;  mich  dünkt,  hier  gilt  so  recht,  was  Dümmler 
S.  40  selbst  sagt:  „erfolgreich  wurde  die  historische  Methode  doch  erst 
von  Aristoteles  auf  die  Politik  angewendet." 

Es  erübrigt  noch  die  Poetik.  Hier  ist  zunächst  zu  nennen: 
26)  Aristote,  la  poetique,  manuscrit  1741  fonds  grec  de  la  biblio- 
theque  nationale.  Preface  de  Henri  Omont.  Photolithographie  de 
M.  M.  Lumiere.  CoUection  de  reproductions  de  manuscrits  publiees 
par  L.  Cledat.  Auteurs  grecs  publies  sous  la  direction  speciale  de 
M.  F.  Allegre.     Paris  1891.     Leroux.     XIX,  31  S.     4. 

Diese    photolithographische  Wiedergabe  des  Stammkodex  A^  ist, 
wenn  es  dessen  noch  bedürfte,  ein  schlagender  Beweis  für  die  erstaun- 


1 06  Aristoteles, 

liehe  Genauigkeit  von  Vahlens  Kollation.  Über  das  Wenige,  was 
wir  in  Kleinigkeiten  noch  aus  ihr  an  sich  und  durch  Vergleich  mit 
Margoliouths  Mitteilungen  aus  der  arabischen  Übersetzung  (s.  Ber. 
LXVII.  S.  154  ff.)  lernen  können,  s,  d.  Anzeige  von  Susemihl  Berl. 
ph.  Woch.  XI.  1891  Sp.  1582—1584. 

27)  A.  0.  Prickard,  Aiistotle  on  the  Art  of  Poetry.     London 
1891.     Macmillan.     114  S.     8. 

ist  mir  nur  aus  der  kurzen  Anzeige  in  der  Academy  XL.  1891  No.  1008. 
S.  173  bekannt.  Es  ist  ein  mit  Anmerkungen  versehener  und  durch 
zwei  Anhänge  erweiterter  .Vortrag.  Allem  Anschein  nach  bietet  er 
für  deutsche  Leser  kaum  etwas  Neues.  Sicher  falsch  ist  die  Auslegung 
des  Schlusses  16.  1455^  4  f.:  „ein  dem  Orestes  Ähnlicher  ist  gekommen; 
dem  Orestes  sieht  Niemand  ähnlich  als  er  selbst;  also  ist  Orestes  ge- 
kommen". Der  Ref.  vermutet  zweifelnd,  dals  25.  1460^'  34  vielleicht  6e 
<livat>  herzustellen  sei. 

28)  Th.  Reinach,  Sur  Aristote,  Poetique,    Ch.  18.     Revue  des 
etudes  grecques  m.  1890.     S.  311. 

29)  Max  Seibel,    Zu  Aristoteles  repl  7roir;Tiy.9jc.    Festgrufs    des 
Ludwigsgymnasiums  in  München  an  die  41.  Philologenvers.  S.  1 — 9. 

Seibel  macht  folgende  Vorschläge:  1.  1447'''  28  f.  jxovov  os  f.  f^  6s 
erco-oiia  jxovov  und  1447'^  9  <fj  dv{uvü[J.os>  TU7)(avouaa--).  2.  1448^  5. 
to'.o'jTou;  <ixt[xoüvrai>  oder  mit  Christ  xoiouxous  <i:otoüaiv>.  3. 1448-^  23f. 
[to'jc]  ixt!xouiJ,£vov  mit  Friederichs  und  M.  Schmidt.  4.  1448'^  13. 
Seibel  verwirft  mit  Recht  xal  xoüxo,  hätte  sich  aber  nicht  verhehlen 
sollen,  dafs  xal  xouxou  auch  noch  immerhin  geschraubt  ist,  und  nicht  zu 
begreifen  steht,  warum  da  nicht  Aristoteles  lieber  das  natürliche  und  ein- 
fache xoyxo  oder  auch  blols  ai'xiov  ol  geschrieben  haben  sollte,  wie 
Spengel  vermutet  hat.  15.  1454'^  14.  Warum  mindestens  die  Ein- 
fügung von  rA  hinter  -apaosi-jixa  nötig  wäre,  ist  nicht  abzusehen  (zumal 
Aristoteles  auch  in  Fällen,  wo  wir  es  viel  weniger  erwarten,  oh  weg- 
läfst,  s.  Vahlen  zu  16.  1454'' 37),  Seibels  Konjektur  <orov>  Tiapa- 
6£-.-;;j.a  5y.Xr,poxr,xo?  [olov]  mithin  überflüssig.  16.  1454''  31  ff.  Margoliouth 
wollte,  was  Ber.  LXVII.  S.  162  hätte  erwähnt  werden  sollen,  'Opeixirjc 
und  dve-fvcoptaev  oxt  'Ope3xr,c  streichen,  Seibel  vermutet  dtve^vcuptsev  [oxt 
'Op£7xrp]  £7.£tvYjv  |j.£v  [yj.^]-  Würde  man  indessen  die  letztere  Gewalt- 
samkeit zulassen,  so  würde  ja  wenigstens  die  Umstellung  von  oxi  'OpeTn)? 


-")  Wenn  man  mit  I  1447^  26  ii.iiJ.ojvxa[  wegläfst,  27  v^  statt  oi  schreibt, 
29  i-o-oitcz  tilgt  und  ^d  ävojvuiio;  vor  zoj/ä'wjza  einfügt,  bedarf  es  in  der 
ganzen  Stelle  keiner  einzigen  Konjektur.  Überhaupt  vermag  ich  keinen 
einzigen  von  Seibels  Vorschlägen  mir  anzueignen. 


Poetik.  107 

hinter  autoc  vollauf  genügen.  17.  1455^  34  f.  Sei  bei  behauptet  irr- 
tümlich, dafs  ich  vor  au-ov  ein  Lückenzeichen  gesetzt  habe'^),  nimmt 
Vahlens  frühere  Vermutung  T.'xptilr^\i\).iwji  v^ieder  auf  und  gestattet 
sich  die  weitere,  too?  G-'  tj-tou  -t-oir^\xi'^ou;  f.  autov  rroioüvTa  (I!).  Nicht 
minder  stark  ist  es,  v^^enn  er  1455'i  21  f.  ava-fvwpiaavTwv  tivojv  auTov, 
womit  freilich  jeder  Anstofs  gehoben  v^äre,  schreiben  will.  Eine  nicht 
geringere  Kühnheit  entwickelt  ßeinach,  indem  er  18.  1456^  17  Georg 
Vallas  Konjektur  'Exa^irjv  f.  Ntoßv^v  auffrischt  und  aufserdem  xal  \).T^ 
uJ3Z£p  Atr/uXo;  sti-eicht,  ohne  zu  bedenken,  dafs  Aiistoteles ,  wie  aus 
23.  1459'^  5  ff.  hervorgeht,  den  Stoff  der  euripideischen  Hekabe  mit 
Recht  nicht  zur  'iXi'ou  Tteputs  rechnet.  Wenn  ßeinach  sich  bei  Vahlens 
völlig  ausreichender  Verbesserung  <■»]>  Ntoßriv  nicht  beruhigen  konnte, 
so  hätte  er  wenigstens  nicht  bei  der  Aufzählung  aller  Vorschläge  den 
einzigen  v)  'lo'füjv,  auf  den  ich  und  Spengel  unabhängig  von  einander 
verfielen,  mit  Schweigen  übergehen  sollen. 

Recht  lesenswert  ist  die  kleine  Schrift  von 

30)  Wilh.  Deike,  Schillers  Ansichten  über  die  tragische  Kunst, 
verglichen  mit  denen  des  Aristoteles,  Helmstedt  1891.  34  S.  4. 
(Jenaer  Doktordiss.), 

natürlich  mehr  in  Bezug  auf  Schiller  als  in  Bezug  auf  Aristoteles.  Die 
Übereinstimmungen  des  ersteren  mit  dem  letzteren,  deren  sich  jener 
vollbewufst  ist,  werden  klar  beleuchtet,  die  Abweichungen  und  der 
gröfsere  Reichtum  seiner  Gedanken  im  ganzen  unter  die  richtigen  Ge- 
sichtspunkte gestellt.  Doch  sind  die  Abweichungen  nicht  so  grofs,  wie 
der  Verf.  meint,  weil  er  den  neueren  Untersuchungen  nicht  genügend 
gefolgt  ist.  Nach  diesen  steht  es  jetzt  fest  (s.  Ber.  XLII.  S.  260  f.), 
dafs  die  tragische  Furcht  bei  Aristoteles  so  gut  wie  bei  Schiller  die 
um  den  Helden  ist.  Auch  ist  es  nicht  wahr,  dafs  das  tragische  Mit- 
leid bei  jenem  nur  ein  individuelles  sei.  Auch  die  Behauptung,  dafs 
erstere  erst  durch  letztere  zum  Aflfekt  gesteigert  werde,  trifft  unter 
diesen  Umständen  nicht  die  Meinung  des  Aristoteles.  Auch  das  (piXav- 
9pcD-ov  fafst  Deike  noch  immer  fälschlich  als  ein  abgeschwächtes  Mit- 
leid auf  statt  als  Befriedigung  des  poetischen  Gerechtigkeitsgefühls 
dadurch,  dafs  der  Bösewicht  seinen  verdienten  Lohn  enthält. 

Anhangsweise    hätte    schon    im  Bericht    füi"   1890    besprochen 
werden  sollen 


-^)  Das  Kreuz  verweist,  wie  überall  in  diesen  Engelmannschen 
Aristotelesbearbeitungen,  auf  die  mit  dem  gleichen  Zeichen  über  dem  Text 
stehende  Ziffer  des  Anfangs  einer  neuen  Bekkerschen  Spalte,  hier  f  1455''  hin. 


108  Aristoteles. 

31)  Friedr.  Littig,  Andronikos  von  Rhodos.  I.  Theil.  Das 
Leben  des  Andronikos  und  seine  Anordnung  der  aristotelischen 
Schriften.  München  1890.  IV,  58  S.  8.  (Progr.  des  Maximilians- 
Gymn.). 

Das  erste  Stück  dieser  Abh.  S.  1 — 8,  in  welchem  Littig  das 
Leben  des  Andronikos  ungefähr  zwischen  125  und  47  v.  Chr.  setzt, 
gehört  nicht  hierher,  s.  hierüber  Susemihl  Gr.-alex.  L.-G.  H.  S.  691. 
Von  desto  gröfserem  Interesse  für  Aristoteles  ist  das  zweite  (S.  8 — 36) 
„Die  Andronikosausgabe  der  aristotelischen  Schi'iften"  nebst  den  beiden 
Anhängen.  Zunächst  freilich  der  Versuch  (S.  11  f.)  die  Nachricht  des 
Ath.  l.  4^,  dals  Neleus  die ' ßißXia  des  Aristoteles  an  Philadelphos  ver- 
kauft habe,  mit  den  Angaben  bei  Strab.  XIII,  608 f.  und  Plut.  Sulla  26 
durch  die  willkürliche  Annahme  in  Übereinstimmung  zu  bringen,  dafs 
damit  nur  die  sonstige  Bibliothek  des  Stagiriten  aufser  dessen  eignen 
Schriften  gemeint  sei,  wäre  doch  nur  dann  allenfalls  zulässig,  wenn 
diese  Angaben,  genau  so,  wie  sie  lauten,  richtig  wären  und  ihnen  nicht 
auch  (s.  u.)  durch  das  Verzeichnis  des  Ptolemäos  widersprochen  würde  ^*). 
Bei  Strabon  steht  ferner  nicht,  dafs  Tyrannion  Abschriften  von  den 
Originalhandschriften  des  Aristoteles  aus  Apellikons  Bibliothek  ge- 
nommen habe,  sondern  es  wird  der  unbestimmte  Ausdruck  öteystpidaxo 
gebraucht,  der  dies  doch  wohl  eigentlich  kaum  bezeichnen  kann. 
Dem  entspricht  ganz  die  ebenso  unbestimmte  Bezeichnung  bei  Plut. 
evjxeuacajöai,  und  erst  in  Demjenigen,  was  bei  Strab.  nicht  steht,  weifs 
Plut.  mit  einem  Male,  dafs  Andronikos  von  Tyrannion  Abschriften  er- 
halten habe.  Wenn  nun  auch  Littig  (S.  lOf.)  wolü  mit  Eeclit  ver- 
mutet, dafs  Plut.  nicht  aus  der  erhaltenen  Stelle  Strabons,  sondern  aus 
dessen  Geschichtswerk,  in  welchem  also  diese  Nachricht  gleichfalls 
stand,  geschöpft  liabe-^),  so  ist  doch,  dächte  ich,  unter  solchen  Um- 
ständen der  Verdacht  von  Di  eis -^)  dringend  genug,  dafs  erst  Plut.  den 
Andronikos  in  diese  Geschichte,  mit  welcher  derselbe  ursprünglich  gar 
Nichts  zu  schaffen  hatte,  auf  eigene  Hand  willkürlich  hineingebracht 
habe.  Dafs  die  bei  verschiedenen  Auslegern  des  Aristoteles,  deren 
letzte  gemeinsame  Quelle  der  Kommentar  des  Porphyrios  zu  den 
Kategorien  war-")  (s.  u.),    sich  findende  Einteilung  der    aristotelischen 


";  Vgl.  Susemihl  a.  a.  0.  II.  S.  209.  A.  324.  Auch  die  von  Littig 
vergebens  bestrittene,  von  Kai  bei  aufgenommene  Konjektur  von  Wila- 
mowitz  'Af('.3"0"i/.r,v  -i  töv  yjjjz'jw/  <:>'-cz!  6so'if'yc«':ov>  zcc.  ~öv  lu  i'j'j-Mrj 
ota-rjprjoav-a  Nt;Xe(z   bei  Ath.  a.  a.  0.  bleibt  daher  in  ihrem  vollen  Recht. 

-')  Denn  er  citiert  gleich  hernach  den  Strabon  ausdrücklich  für  eine 
ohne  Zweifel  aus  diesem  Werk  (Fr.  7)  entnommene  Angabe. 

2«)  Vgl.  Susemihl  a.  a.  0.  II.  S.  :502.  A.  327. 

")  Vgl.  Brandis  Ausl.  des  Org.  S.  281—28.'). 


Anhang:  Andronikos.  109 

Werke  (mit  Heitz  Verl.  Schrr.  des  Aiist.  S.  23ff.)  schon  auf  Andronikos 
zurückzuführen  ist,  dafür  macht  der  Verf.  (S.  13—17)  mit  vollem  Recht 
geltend,  dafs  sich  Porphyrios  in  seiner  eignen  Anordnung  der  Schriften 
des  Plotinos  nicht  an  den  Sinn  und  Geist  des  letzteren,  sondern  ganz 
offenbar  an  das  Vorbild  des  Andronikos  angeschlossen  hat,  und  zeigt 
dann  (S.  17—23),  wie  nahe  verwandt  mit  ihr  auch  noch  die  Einteilungen 
in  den  Inhaltsangaben  der  aristotelischen  Werke  bei  arabischen  Schrift- 
stellern sind.  Von  ihnen  beruft  sich  Muhammed  ihn  Ishaq  en  Nedim 
(Nedimus)  im  Kitäb  al  Fihrist  (i.  J.  987)  auf  Ptolemäos,  den  er  einmal 
als  Verfasser  einer  ,, Schrift  über  die  Geschichten  vom  Aristoteles  und 
von  seinem  Tode  und  der  Eeihenfolge  seiner  Schriften"  bezeichnet  und 
dabei  Ptolemäos  „den  Fremden"  nennt.  Danach  hat  denn  Christ 
Gr.  L.  G.  ^  S.  357  (-S.  400)  richtig  erkannt,  dafs  dies  Ptolemäos 
Chennos  war,  indem  diese  Bezeichnung  offenbar  auf  einer  Verwechselung 
von  ysvvo?  mit  ^evoc  beruht,  und  Littig  (S.  19)  stimmt  ihm  bei.  Trotz- 
dem nimmt  derselbe  (S.  22  f.  S.  34  f.),  und  zwar  wohl  entschieden  richtig, 
an,  dafs  sonach  nicht  mehr  als  etwas  über  100  Jahre  später  dieser 
Ptolemäos  bei  seinem  eigenen,  uns  bekanntlich  durch  zwei  jüngere 
Ai'aber  überkommenen  Verzeichnis  der  aristotelischen  Schriften-^)  schon 
nicht  mehr  das  des  Andronikos  selbst,  sondern  ein  von  dessen  Nach- 
folgern bereits  mehrfach  geändertes  in  Händen  hatte  und  auch  wohl 
andere  Verzeichnisse  mit  benutzte,  wozu  denn  noch  kommt,  dafs  sein 
Katalog  uns  bei  diesen  beiden  Vermittlern  offenbar  keineswegs  un- 
versehrt erhalten  ist,  die  wiederum  ihrerseits  schwerlich  unmittelbar  aus 
dem  Original  schöpften.  Und  so  untersucht  denn  Littig  (S.  23—33), 
ob  sich  nicht  in  den  Schriften  selbst  Spuren  einer  zum  Teil  anderen 
Abfolge  erhalten  haben,  von  der  sich  dann  wohl  mit  Wahrscheinlich- 
keit vermuten  läfst,  dafs  es  die  von  Andronikos  augeordnete  war,  ganz 
abgesehen  davon,  dafs  die  Tiergeschichte  in  jener  auf  diesen  zurück- 
gehenden Einteilung  nicht  mit  den  systematischen  zoologischen  Schriften, 
die  nach  ihr  zu  den  xadoXou  und  genauer  zu  deren  Unterabteilung,  den 
syntagmatischen  Werken,  gehörten,  zusammengeordnet,  sondern  den 
\LtTa.lh  Tüiv  xadoXou  y.al  twv  xaxa  [xspo?  zugerechnet  war-^).  Nun  finden 
sich  in  der  That  in  den  psychologisch-physiologischen  und  zoologischen 


^^)  Natürlich  war  es  in  derselben  Schrift  enthalten,  welche  im  Fihrist 
bezeichnet  wird,  und  so  lernen  wir  denn  aus  dem  einen  dieser  Araber 
Ibn  el  Qifji  auch,  dafs  sie  ad  A'alas  (oder  A'tlas)  gerichtet  war.  Littig 
S.  22  nimmt  wohl  mit  Recht  an,  dafs  hinter  diesem  verderbten  Namen 
Gallus  steckt. 

-^)  So  richtig  auch  Littig  S.  32,  wogegen  er  S.  27  den  Schnitzer  be- 
geht, ihre  Einordnung  in  die  hypomnematischen  zu  behaupten,  die  vielmehr 
auch  eine  Unterabteilung  der  xaD^oXou  waren. 


HO  Aristoteles.    Anhang. 

Schriften  Übergänge,  die  zu  der  jetzigen  Reihenfolge  nicht  passen,  wie 
714^'  20 — 23  von  den  Teilen  und  dem  Gang  der  Tiere  zur  Psychologie, 
und  wie  467''  7  ff.  die  Abhh.  üb.  Jugend  und  Alter  und  üb.  Lebeu  und 
Tod  als  TsXo;  r^?  -£pi  Tuiv  C(;)u)v  ]j.£96oou  bezeichnet,  dies  aber  gleich 
darauf  Z.  11  durch  Hiuzufügung  von  zepl  «vaTivo^  erweitert  wird, 
endlich  an  letztere  Schrift  sich  480'^  21ff.  •''°)  noch  wieder  die  bis  auf 
diesen  Anfang  verlorene  r.zpi  \6aou  xai  uYteiac  anhängt.  Aus  solchen 
Spuren  gewinnt  nun  Litt  ig  folgende  Reihe  der  -spl  twv  Ctf><i>v  jxs'dooo?: 
Teile  und  Gang  der  Tiere,  Psjxhol.,  de  sens.,  de  mem.,  de  somn.  (nebst 
de  insonin.  u.  divin.  p.  s.),  Bewegung  der  Tiere,  Entwicklung  der  Tiere, 
de  magn.  et  brev.  v.,  de  iuVent.  et  sen.,  de  vit.  et  m.,  de  respir.,  de 
morb.  et  san.  Die  Schrift  Tispi  TpocpT;?  kannte  also  schon  Andronikos, 
wenn  dies  Alles  richtig  ist  ^*),  nicht  mehr.  Wenn  er  die  unächte  von  der 
Bewegung  der  Tiere ^-)  aufnahm,  so  schliefst  dagegen  Littig  (S.  27 f.  33) 
aus  dem  Fehlen  der  Übergänge  in  der  Tiergeschichte  lediglich  zum  9. 
und  10.  B.,  dal's  er  diese  beiden  unächten  Bücher  auch  noch  für  un- 
ächt  hielt;  ein  Gleiches  gilt  von  zspl  rvsuixaTo;,  und  auch  Trepl  y.6<j|xou 
hat  in  seiner  Anordnung  keinen  Platz.  Dal's  schon  er  die  Rhetorik 
und  Poetik  mit  der  logischen  Pragmatie  verbunden  habe,  hält  Litt  ig 
S.  34  für  wahrscheinlich. 

Von  den  beiden  Anhängen  giebt  der  erste  (S.  37 — 42)  eine  schätz- 
bare Neubearbeitung  vom  Verzeichnis  des  Ptolemäos  nach  Aug.  Müller, 
Morgenland.  Forschungen,  Festschr.  f.  Fleischer,  Leipzig  1875  S.  1  —  32 
und  dessen  brieflichen  Mitteilungen.  Ich  hebe  hier  nur  hervor,  dafs 
aus  den  ßi^Xi'a  O-apyovxa  ev  ßißXio(h]x7)  'AzsXAixojvto?,  wie  ich  denke'^^), 
mit  Recht  eine  eigene  Nummer  (86)  gemacht  ist.  Geht  dies  auf  An- 
dronikos zurück,  so  wufste  dieser  besser  als  Strabon,  dafs  aus  Apellikons 
Bibliothek  nur  weniges  bis  dahin  Unbekannte  zu  Tage  gekommen  war. 
Der  zweite  Anhang  (S.  43 — 58)  giebt  von  jenen  Auslegern,  welche  uns 
über  die  eben  besprochene  Einteilung  der  aristotelischen  Werke  unter- 
richten, Philoponos  (oder  nach  anderer  handschriftlicher  Angabe  Ammo- 
nios),  Simplikios,  Olympiodoros  und  Elias  (nicht,  wie  man  früher  glaubte, 
David)  die  betreffenden  Texte  ^^)  in  neuen  Rezensionen  mit  Hülfe  der 
dem  Verf.  mitgeteilten  Kollationen  von  Busse  und  Yitelli;  der  des 
Olympiodoros  ist  hier  zuerst  gedruckt;  beigefügt  ist  aus  Schol.  in  Aristot. 


»0)  statt  4S0  steht  bei  Litt  ig  S.  ZO  der  Druckfehler  42S. 

'')  Ich  enthalte  mich  auch  hier  noch  gleichwie  a.  a.  0.  11.  S.  690  f. 
der  Kritik, 

'^)  Über  die  Unächtheit  derselben  s.  auch  Littig  S.  32. 

'*)  S.  meine  Bemerkungen  a.  a.  0.  IL  S.  090. 

'*)  Es  war  dies  nach  dem  Vorgang  des  Porphyrios  und  Ammonios  die 
zweite  Vorbemerkung  in  ihren  Kommentaren  zu  den  Kategorien. 


Andronikos.    Pseudo-Aristot.  "(A  ßcta'.Xaic«;.  111 

454  ^  6  ff.  ein  Stück  aus  Damaskios,  die  Einteilung  der  ^usixt]  -pa-|'[j.a-£ta. 
Das  ungefähre  Stemma  dieser  Erklärer  bezeichnet  Littig  (S.  43) 
folgendermafsen : 

(Porphyrios) 

(Proklos)  (lamblichos) 


Ammonios, 
Sohn  des  Hermias 


Damaskios         Philoponos         Simplikios 
Olj'mpiodoros 

Elias. 
Hoffentlich    erhalten   wir   bald    den   zweiten  Teil    dieser  interessanten 
Untersuchungen. 

32)  Jul,  Lippert,  De  epistula  pseudoaristotelica  uspi  ßaaiXsia? 
commentatio.  Halle  1891.  IV,  38  S.  8.  (Doktordiss.) 
veröffentlicht  nach  kurzer  Einleitung  (S.  III  f.)  auf  den  Antrieb  von 
Sachau^'^)  eine  vollständig  nur  in  einem  Cod.  Vatic.  408  erhaltene  ara- 
bische Übersetzung  eines  angeblich  von  Aristoteles  323  an  Alexandros 
den  Grofsen  geschriebenen  Briefes  (S.  1 — 13)  mit  lateinischer  Über- 
setzung (S.  14—24)  und  einem  kritischen  Exkurs  (S.  25 — 27)  und  zeigt 
dann,  dafs  dieser  Brief  zwar  wirklich  aus  einem  griechischen  Original 
stammt,  aber  doch  nicht  von  Aristoteles  herrührt  und  nicht  ^*^)  einerlei 
ist  mit  der  schon  von  Eratosthenes  als  aristotelisch  bezeugten  und  noch 
dem  Plutarchos  bekannten  Paränese  gleichen  Titels^"),  vermutlich  also 
wohl  erst  nach  den  Zeiten  des  letzteren  entstanden,  übrigens  wahrschein- 


^^)  Vgl.  Rose,  Aristotelis  fragmenta.    Leipzig  1886.    S.  408. 

^^)  Wie  Rose  a.  a.  0.  glaubte.  Vgl.  übrigens  über  diesen  Brief  schon 
Dressel,  Brief  des  Aristoteles,  Philologus  XVI.     1860  S.  353  f. 

^')  S.  darüber  jetzt  auch  Susemihl  a.  a.  0. 1.  S.  411  mit  A.  13.  Mit 
Recht  verwirft  übrigens  Lippert  S.  34  ff.  sowohl  die  Annahme  von  Bernays 
Dial.  des  Arist.  S.  53 — 56.  154  f.,  dafs  es  vielmehr  ein  Dialog  gewesen  sei, 
als  auch  die  von  Rose  a.  a.  0.  S.  408  f.  415  ff.,  welcher  die  betreffenden 
Angaben  und  Bruchstücke  unter  eine  Paränese  (a'JiißouXsu-c'.xo;  Xö-fo;)  und 
einen  Brief  verteilt.  Nur  hätte  er  darauf  keinerlei  Gewicht  legen  sollen, 
dafs  uns  im  Verzeichnis  des  Anonymes  (Hesych.)  der  Titel  ~s(A  ßaa'.Xs'!«; 
zweimal  begegnet,  No.  16  ;xnd  im  Anhang  No.  171.  Gegenüber  Bernays 
fragt  es  sich  ja  eben,  ob  in  den  Verzeichnissen  nicht  blofs  die  16  ersten 
Nummern  bei  Laert.  Diog.  (bei  dem  -zrA  ßoi^dsia;  an  18.  Stelle  steht)  und 
die  15  ersten  bei  Hesych.  Dialoge  sind,    oder  aber,  falls  die  erste  Gruppe 


112  Pseudo-Aristoteles  -ly.  ß^-'./.a'c^:. 

lieh,  obgleich  sich  dies  nicht  mit  Sicherheit  bestimmen  läfst,  zunächst 
ins  Syrische  und  erst  aus  dem  Syrischen  wohl  zur  Zeit  der  Abbassideu 
ins  Arabische  übersetzt  ist  (S.  28 — 38).  Obwohl  nun  aber  auch  ein 
solcher  Sachkenner  wie  Steinschneider  in  seiner  Eezension  Deutsche 
L.-Z.  1891  Sp.  1812  f.  schi'eibt:  „Dafs  hier  eine  im  Original  verlorene 
ächte  Schrift  vorliegen  werde,  konnte  Niemand  erwarten,  der  die  ander- 
weitige arabische  pseudaristotelische  Litteratur  untersucht  hat",  so  hat 
doch  merkwürdigerweise  Nissen  Rhein.  Mus.  XL VII.  1892  S.  166. 
177 — 181^")  die  Achlheit  zu  verteidigen  versucht;  nach  der  wahrhaft 
vernichtenden  Kritik  dieses  Versuches  durch  Br.  Keil,  Die  solonische 
Verfassung  in  Aristoteles  Verfassungsgeschichte  Athens,  Berlin  1892 
S.  128 — 142  3^)  brauche  ich  indessen  Nichts  weiter  über  denselben  zu 
sagen.  Der  Brief  ist,  wie  Keil  unwiderleglich  nachweist,  ein  triviales 
Rhetorenmachwerk,  dessen  Entstehungszeit  sich  freilich  nicht  genauer 
bestimmen  läfst,  dessen  früheste  Erwähnung  aber  die  im  Fihrist-'')  ist. 
Zwei  dieser  Citate  stehen  nun  freilich  hier  in  dem,  wie  vorhin  bereits 
angedeutet,  aus  Ptolemäos  Chenuos  geflossenen  Abschnitt  über  Aristoteles 
(Biographie  und  Inhaltsverzeichnis  der  Schriften),  aber  ob  auch  sie  schon 
aus  Ptolemäos  stammen,  wird,  wie  Keil  S.  141  f.  bemerkt,  dadurch 
zweifelhaft,  dafs  hernach  ein  drittes  folgt,  welches  in  Wahrheit  gar  nicht 
im  Briefe  steht  „und  seiner  Diktion  nach  nie  griechisch  gewesen  sein 
kann,  s.  Aug.  Müller,  Die  griech.  Philosophen  in  d.  arab.  Überliefe- 
rung, Halle  1873  S.  46  A.  20.  Lippert  S.  IV.  26  f."  Indessen  gehört 
dasselbe,    wie   Steinschneider   bemerkt,    „der    ethischen  Epistel    an, 


noch  weiter  reicht,  ob  sie  dann  nicht  vielmehr  als  , Dialoge  und  paräne- 
tische  Schriften"  zu  bezeichnen  ist,  vgl.  Ber.  LXVII  S.  85  f.  A.  7.  Das  von 
Lippert  gegen  Rose  m.  E.  richtig  Bemerkte  aber  kann  ich  hier  nicht  in 
der  Kürze  wiedergeben. 

^^)  Vgl.  Ber.  f.  188G— 1890.    Drittes  Stück  (LXXV)  S.  11  A.  12. 

^^)  Obgleich  ich  die  Litteratur' über  die  neu  gefundene  Politie  der 
Athener  einem  anderen  Referenten  überlassen  habe,  werde  ich  mich  doch 
im  Ber,  für  1S92  der  Aufgabe  auf  dies  leider  in  einem  Hauptpunkt  sich 
auffallend  vergreifende,  sonst  aber  ausgezeichnete  Buch  näher  einzugehen 
bei  der  allgemeinen  Bedeutung  desselben  für  Aristoteles  zu  unterziehen 
haben.  Schon  jetzt  will  ich  aber  zu  bemerken  nicht  unterlassen,  dafs  erst 
hier  geschieht,  was  billigerweise  das  Allererste  hätte  sein  müssen,  die  Er- 
klärung des  Uistorikers  Aristoteles  au.s  Aristoteles  dem  Philosophen,  und 
zwar  aus  einer  gründhchen  Kenntnis  des  letzteren  und  nicht  einer  so  sehr 
oberflächlichen,  wie  sie  sogar  ein  Mann  wie  Nissen  für  genügend  zum  Ab- 
urteilen mit  grofser  Zuversichtlichkeit  gehalten  hat. 

")  Keil  S.  14 L  wirft  Lippert  vor,  dal's  er  dies  nicht  angemerkt  habe. 
Ausdrücklich  gesagt  hat  der  letztere  es  allerdings  nicht,  aber  es  geht  doch 
a\i6  dem  S.  38  von  ihm  Gesagten  deutlich  hervor. 


Pseudo-Kerakleides.  113 

welche  ibu  Ridhwan  in  seiner  Autobiographie  benutzt,  Charisi  und 
Paliquera  (13.  Jh.)  hebräisch  bearbeitet  haben";  vgl.  Rose  Aiist.  pseud. 
S.  583.^')  Aufser  Steinschneider  hat  diese  Diss.  noch  Döring, 
Woch.  f.  kl.  Ph.  IX.  1892  Sp.  37  f.  angezeigt. 

Dem  Pontiker  Herakleides   zu  Gefallen   mufs   ich  jetzt  auch 
noch  den  vortrefflichen  Aufsatz  von 

33)  Carl  v.  Holzinger,  Aristoteles'  athenische  Politie  und  die 
Heraklidischen  Excerpte,  Philologus  L.  N.  F.  lY.  1891  S.  43^i— 446 
besprechen.  Aus  demselben  ergiebt  sich,  wie  richtig  auch  hier  wieder 
Schneidewin  gesehen  hat.  Holzinger  zeigt,  dafs  die  §§  2 — 8  der 
Excerpte  unmittelbar  aus  der  Politie  der  Athener  entnommen  sind,  der- 
gestalt, dafs  beide  Texte  nach  einander  sich  verbessern  lassen,  und  dafs 
auch  die  Abweichungen  auf  keine  andere  Quelle  hinführen,  sondern 
anderweitig  erklärt  werden  müssen  und  leicht  erklärt  werden  können, 
woraus  denn  auch  folgt,  dafs  die  §§  1.  2  als  ein  wesentlicher  Ersatz 
für  den  nicht  umfänglichen  fehlenden  Anfang  zu  benutzen  sind. 
Schneidewin  irrte  also  nur  darin,  dafs  er  glaubte,  wir  hätten  nur 
Excerpte  von  Excerpten;  es  mufs  vielmehr  heifsen:  Fragmente  von  Ex- 
cerpten,  denn  allerdings  sind  uns  diese  Auszüge  aus  den  aristotelischen 
Politien  nur  teilweise  erhalten,  Dafs  sie  von  des  Aristoteles  Mitschüler 
Herakleides  herrühren  könnten'*-),  davon  darf  unter  diesen  Umständen 
keine  Rede  sein,  und  auch  die  Vermutung  G.  P.  Ungers  (s.  Ber.  XLII 
S.  47),  Herakleides  Lembos  sei  ihr  Urheber,  lehnt  Holzinger  mit  Recht 
ab*^).  Dagegen  sucht  er  denselben  mit  Rose  (Aristot.  fr.,  Leipz.  1886 
S.  260)  in  dem  jüngeren  Pontiker  Herakleides,  dem  Didymeer,  verwahrt 
sich  aber  dem  Bemerkten  zufolge  gegen  die  von  demselben  Gelelirten  aus- 
gesprochene Annahme,  dafs  Didymos  dabei  Mittelsperson  gewesen  sei. 
Ich  würde  dies  unbedingt  billigen,  wenn  die  Überlieferung  lautete  ex  xcSv 
'Hpay.Xsiöou  Toü  DovTixoij.  Es  steht  aber  blofs  ex  xcuv  'HpaxXeioou  da,  und 
so  läfst  sich  zwar  die  Möglichkeit  dieser  Annahme  nicht  bestreiten,  aber 
bisher  sehe  ich  noch  keinen  Beweis,  dafs  es  nicht  ebenso  gut  ii-gend  ein 
anderer  Herakleides  gewesen  sein  könnte. 


*^)  Sehr  richtig  ist  auch  die  Erinnerung  von  Steinschneider,  dafs 
Lippert  S.  37  in  Bezug  auf  den  Cod.  Hebr.  Vatic.  Urbin.  53  nicht  hätte 
zweifelhaft  sein,  sondern  aus  der  von  ihm  angeführten  Beschreibung  von 
Wolf  Biblioth.  Hebr.  I.  S.  221  hätte  erkennen  sollen,  dafs  diese  hebräische 
Übersetzung  (von  Charisi)  das  pseudo-aristotelische  Secretum  secretorum  s. 
de  regimine  prineipum  wiedergiebt. 

")  Holzinger  lobt  Unger,  dafs  er  dies  bestritten  hat.  Hoffentüch 
hat  es  ohnehin  längst  Niemand  mehr  geglaubt. 

")  S.  dagegen  auch  Susemihl  a.  a.  0.  I.  S.  501  f.  A.  53. 
Jahresbericht  für  Alterthumswissenschatt.    LXXV.  Bd.    (1893.  I.)  S 


J14  Theophrastos.    Straton. 

Es  bleiben  noch  zwei  Arbeiten  übrig,  von  denen  die  eine  den 
Theophrastos,  die  andere  den  Straton  betrifft: 

35)  F.  Blaydes,  Notae  in  Theophrasti  Characteres.  Hermathena 
XVII.     1891  S.  1—12. 

36)  G.  Kodier,    La  physique  de  Straton  de  Larapsacus,    Paris 
1891.    8.     Alkau.  (Doktordiss.). 

Beide  stehen  mir  aber  nicht  zu  Gebote,  In  seiner  lobenden  An- 
zeige der  letzteren  bemerkt  Herr  ßev.  crit.  1892.  II  S.  23  zweierlei. 
Kodier  habe  nicht  bewiesen,  dafs  zwischen  Straton  und  Epikuros  nebst 
dessen  Anhängern  keine  Polemik  stattgefunden  habe;  Usener  Epicurea 
S.  377  vermute  eine  solche  im  Briefe  des  Epikuros  an  Herodotos  §  53 
p.  14,  2—5.  Er  habe  sodann  unterlassen  zu  sagen,  dai's  die  Ideen 
Strabons  über  den  Pontos  Euxeinos  von  Aristoteles  stammen  (s.  Berger, 
Gesch.  d.  wiss.  Erdk.  der  Gr.  II  S.  115),  indem  Eratosthenes  sie  von 
Straton  überkommen  habe  (s.  Berg  er  a.  a.  0.  ni  S.  63).  Nach  einer 
anderen  Rezension  von  Apelt  Berl.  ph.  Woch.  XIII.  1893  Sp.  9  f.  ent- 
wickelt diese  „fleilsige  und  besonnene  Arbeit  ein  klares  Gesamtbild  von 
dem  Leben  und  den  Leistungen  des  Straten,  welches  freilich  gerade 
nichts  wesentlich  Neues  bringt".  Der  Aufenthalt  desselben  in  Alexandreia 
werde  durch  eine  nicht  unwahrscheinliche  Kombination  zwischen  300  und 
294  verlegt.  Mich  dünkt,  da  Philadelphos,  zu  dessen  Ausbildung  er 
dorthin  berufen  ward,  295  im  Alter  von  15  Jahren  stand,  kann  diese 
Berufung  kaum  früher  erfolgt  sein,  aber  auch  wohl  nicht  viel  später. 
Stratons  Lehre  erscheint  dem  Verf.  mit  Eecht  als  eine  Umformung  der 
aristotelischen  nach  dem  veränderten  empirischen  Zeitgeist. 


Jahresbericht  über  die  griechischen  Lyriker  (mit  Aus- 
schluss Pindars),   sowie   über  die  Bukoliker  und  die 
Anthologia  Palatina  für  1888—1891 


von 

Professor  Dr.  J.  Sitzler 

in  Baden-Baden. 


Antholog-ia  lyrica  sive  lyricorum  Graecoriira  veterum 
praeter  Pindarum  reliquiae  potior  es.  Post  Tb.  Bergkium  quar- 
tum  edidit  E.  Hiller.  Leipzig,  B.  G.  Teubner.  1890,  XX,  381  S.  8. 
Der  neue  Hrsg.  traf  die  Änderung,  dafs  er  die  älteren  Dicbter 
von  den  jüngeren  scbied.  Der  vorliegende  Band  entbält  nur  die  älteren 
und  als  Anhang  die  Pseudopbocylidea,  Anacreontea  und  den  Peplos.  Die 
elegiscben  und  iambiscben  Dichter,  die  bisher  getrennt  waren,  vereinigt 
der  Hrsg.  in  einen  Abschnitt,  um,  wie  er  sagt,  die  Fragmente  des  Ar- 
chilochos,  Solen  und  Krates  nicht  auseinander  zu  reifsen.  Auch  die  An- 
ordnung der  Fragmente  wurde  vielfach  anders,  bisweilen  ohne  dafs  man 
einen  Grund  dafür  einsehen  kann.  Den  Text  suchte  der  Hrsg.  nach 
Kräften  zu  verbessern,  und  es  ist  ihm  auch  wirklich  gelungen,  manches 
Fragment  lesbarer  zu  machen.  Dabei  kann  man  es  nur  billigen,  dafs 
er  sich,  wo  es  geht,  an  die  Überlieferung  hält;  um  so  verwunderlicher 
ist  es  daher  auch,  dafs  er  in  den  Fragmenten  der  äolischen  Dichter  von 
ihr  abweicht,  indem  er  Spiritus  asper  und  attische  Betonung  anwendet, 
d.  h.  an  die  Stelle  von  etwas,  das  er  für  falsch  hält,  etwas  seineu  eigenen 
Worten  nach  nicht  weniger  Falsches  setzt.  Das  einzig  Eichtige  ist  hier, 
entweder  auf  Spiritus  und  Accent  zu  verzichten  oder  bei  der  Überliefe- 
rung stehen  zu  bleiben.  Auf  die  Besprechuug  der  neuen  Lesarten  und 
Konjekturen  werde  ich  bei  Behandlung  der  einzelnen  Dichter  eingehen. 

A.Biese,  Griechische  Lyriker  in  Auswahl  für  den  Schul- 
gebrauch herausgegeben.  L  Teil:  Text.  VIII,  90  S.  IL  Teil: 
Einleitung  und  Erläuterungen.  105  S.  8.  Leipzig,  G.  Freytag. 
1891.     1892. 

Über  die  griechischen  Lja'iker  in  der  Schule  spricht  der  Verf. 
ausführlich    in    dem  Aufsatz:    Die  griechischen  Lyriker  in  den  oberen 


116  Griechische  Lyriker. 

Klassen,  N.  Jahrb.  f.  Philol.  u.  Pädagog.  1891  S.  415-426.  Der  Text 
bietet  nichts  Bemerkenswertes;  der  Kommentar  enthält  eine  stattliche 
Zahl  von  Parallelstellen,  die  die  Form  sowohl  als  den  Inhalt  berück- 
sichtigen. 

In  neuer  Auflage  liegt  vor. 

H.  W.  StoU,    Anthologie   griechischer  Lyriker   für   die 
obersten  Klassen    der  Gymnasien    mit    litterarhistorischeu 
Einleitungen    und    erklärenden    Anmerkungen.      1.  Abteil.: 
Elegien  und  Epigramme.    6.  Aufl.    Halle,  Gesenius.    VIII,  118  S.  8. 
E.  Zarncke,    Die  Entstehung   der  griechischen  Littera- 
tursprachen.     Leipzig, 'T.  0.  Weigel  Nachfolger.     1890.     53  S.    8. 
Der  Verf.  will  dem  Grundgedanken  von  dem  durchgreifenden  Unter- 
schied  zwischen  Litteratursprache   und  gesprochener  Mundart    für    die 
griechische  Litteratur,   in  Poesie  und  Prosa,  die  Beachtung  und  Aner- 
kennung   verschaffen,    die    ihm  von  den   einen  ganz,    von  den  anderen 
wenigstens  zum  Teil  versagt  wird.    Zu  diesem  Zweck  giebt  er  auf  Grund 
der  bis  jetzt  über  diesen  Gegenstand  angestellten  Untersuchungen  eine 
kurze  Übersicht  über  die  Entstehung  und  Beschaffenheit  der  in  den  ver- 
schiedenen Litteraturgattungen    verwandten  Sprache.     Uns    interessiert 
hier  nur  die  Lyrik.    Der  Elegie,  dem  iambisch-trochäischen  Gedicht  und 
der  Melik  spricht   der  Verf.   einen  Mischdialekt  zu,    dessen  Entstehung 
aufs    innigste  mit  der  Entwickelung  der  betreffenden  Dichtgattung  zu- 
sammenhängt;   die  Dichter   veranstalten  keine  willkürliche  Blumeulese 
aus  allen  möglichen  Dialekten,  sondern  es  liegt  hier  nur  die  Einwirkung 
der  bei  gewissen  Stämmen  ausgebildeten  Kunstform  auf  die  Lyrik  der 
anderen  vor,  infolge  deren  man  Worte  und  Wendungen  teils  unbewufst, 
teils    aus    künstlerischen  Absichten    herübernahm;    auch   der  Rhythmus 
zog  bestimmte  Wortformen  nach  sich.     Diesen  Grundsätzen  stimme  ich 
bei;  jedoch  scheint  mir  der  Verf.  im  einzelnen  nicht  scharf  genug  ge- 
schieden zu  haben;  man  darf  nicht  alle  Dichter  einer  Litteraturgattung, 
z.  B.  der  dorischen  Chorlyrik,  nach  einem  Mafse  messen,  sondern  mufs 
jeden  besonders  auf  seinen  Dialekt  hin  prüfen.     Unrichtig  ist  es,  wenn 
der  Verf.   die  Aolismen  bei  dorischen  Dichtern  auf  Terpander  zurück- 
führen will,  da  ja  dieser  selbst  keine  gebrauchte. 

C.  O.  Zuretti,  8ui  dialetti  letterari  greci.  Torino,  Vin- 
cenzo  Bona.     1892.     VI,  33  S.     8. 

Der  Verf.  wendet  sich  hauptsächlich  gegen  Fick  und  dessen  dia- 
lektische Umdichtungen  der  überlieferten  Texte,  an  erster  Stelle  des 
Homer.  Dabei  spricht  er  auch  von  der  Dialektmischung  in  der  griechi- 
schen Lyrik,  ohne  jedoch  auf  die  einzelnen  Dichter  näher  einzugehen. 
Im  ganzen  stimmt  er  mit  E.  Zarncke  überein;    beide  weisen  auch  mit 


Griechische  Lyriker.  117 

Recht  darauf  hin,  dafs  die  Schriftspraclie  nicht  ohne  weiteres  nach  der 
Sprache  der  Inschi'iften  beurteilt  werden  dürfe.  Der  Verf.  betont  den 
Wert  der  Überlieferung',  die  er  gegen  die  Annahme  einer  vollständigen 
Umarbeitung  durch  die  Grammatiker  in  Schutz  nimmt,  und  macht  darauf 
aufmerksam,  dals  ja  schon  in  Homer  Dialektmischung  vorliege,  da  ihm 
eine  reiche  litterarische  Entwickelung  vorausgehe. 

0.  Hoffmanu,  De  mixtis  Graecae  linguae  dialectis. 
Göttingen,  Vandenhoeck  u.  Ruprecht.     1888.     72  S.     8. 

Der  Verf.  behandelt  die  Dialektmischung  auf  den  Inschriften  und 
betrachtet  von  diesem  Gesichtspunkt  aus  den  thessalischen  und  büotischen 
Dialekt,  den  phokischen  und  lokrischen,  die  Dialekte  des  Peloponnes 
und  der  Kolonien.  Von  der  Dialektmischung  innerhalb  der  Litteratur 
spricht  er  nur  gelegentlich.  „Nequaquam  eorum  partes  sequor,  qui  poetas 
vel  antiquissimis  temporibus  carmina  sua  dialecto  artificiose  mixta  com- 
posuisse  censent.  Nam  ex  horum  iudicio  veteres  poetae  ea  erant  insol- 
sitate,  ut  e  diversis  dialectis  formas,  quarum  altera  alteram  excludebat, 
veluti  genetivos  in  sco  et  ao,  MoTaa  et  cpspiusa,  , artificiose"  eligerent  atque 
in  unam  „dialectum  poeticam"  confunderent."  Dafs  davon' Ansichten, 
wie  die  von  E.  Zarncke  und  C.  0.  Zuretti  vorgetragenen,  nicht  betroffen 
werden,  sieht  jeder.  Übrigens  nimmt  der  Verf.  für  Alkman  selbst  Dia- 
lektmischung an,  indem  er  glaubt,  dafs  dieser  Dichter  äolische  Elemente 
in  seinen  dorischen  Dialekt  aufgenommen  habe,  nämlich  -soa,  ap-(ioi,  die 
Dat.  in  zazi  und  otJi,  „quae  metri  causa  ei  placebant  simulque  non  a 
dialecti  Laconicae  fundamentis  abhorrebant".  Ich  halte  Trsöa  und  dpYsw 
für  lakonisch  und  bin  darin  durch  das  von  dem  Verf.  auf  S.  8  flg.  Vor- 
gebrachte nur  befestigt  worden;  Dat.  auf  e^si  und  oici  fallen  aber  als 
homerisch  ebensowenig  auf,  wie  Akkus,  auf  «?  als  hesiodisch.  Mit  Recht 
weist  der  Verf.  Formen  wie  cfspoua  bei  Alkman  zurück;  ob  auch 
Formen  wie  y.i&aptjoriv  bleibt  zweifelhaft.  Für  den  Infinitiv  beansprucht 
er  T)v,  und  bei  Sappho  2,  10  schützt  er  u-a  gegen  R.  Meister. 

J.  Schaub,  De  usu  coniunctivi  et  optativi  in  enuutiatis 
lyricorum  Graecorum  secundariis.  Dissert.  inaug.  Basel  1889. 
70  S. 

Der  Verf.  untersucht  den  Gebrauch  des  Konjunktivs  und  Optativs 
in  Nebensätzen  bei  den  Dichtern  der  Bergkschen  Anthologie,  den  Bnko- 
likern  und  Alexandrinern,  bes.  Kallimachos;  aufserdem  berücksichtigt  er 
G.  Kaibels  Epigramme,  während  er  die  Pseudophokylidea,  die  Anacreon- 
tea  und  Pindar  beiseite  liefs,  den  letzteren,  weil  er  schon  von  diesem 
Gesichtspunkt  aus  untersucht  wurde.  Er  macht  drei  Abschnitte:  im  1. 
behandelt  er  die  Temporalsätze,  im  2.  die  Finalsätze  und  im  3.  die  Re- 
lativsätze, jeweils  geschieden  nacli  Konjunktiv  und  Optativ.     Die  Dar- 


113  Griechische   Lyriker. 

Stellung  ist  recht  übersichtlich,  dadurch  noch  um  so  willkommener,  weil 
der  Verf.  überall  Homer  zur  Vergleichuug  beizieht,  sodai's  man  sofort 
über  das  Verhältnis  zwischen  ihm  und  den  Lyrikern  unterrichtet  ist.  Auf 
die  strittigen  Stellen  hätte  der  Verf.  etwas  mehr  eingehen  dürfen.  Solon 
13,  76  hält  der  Verf.  6-ozs  für  richtig,  Theognis  531:  dxoijcu,  Theokrit 
V  98:  -s;ä),  Theognis  1143:  C<ut[).  Bion  12,  14  vermutet  der  Verf.  s/tj? 
st.  sXtj;.  Bakchyl.  49,  4  ist  hy.\ir^sc/.t.  zu  schreiben,  wenn  man  nicht  Ver- 
setzung des  Dichters  in  die  Seele  des  Laudmanns  annehmen  will,  Phi- 
loxen.  3,  6:  xatiSot. 

Fr.  Birklein,  Entwickelungsgeschichte  des  substanti- 
vierten Infinitivs.  Heft  7  (III.  Bd.  Heft  1)  der  Beiträge  zur 
historischen  Syntax  der  griechischen  Sprache,  hrsg.  von  M.  Schanz. 
Würzburg,  A.  Stuber.     1888.     109  S.    8.       ' 

Aus  dem,  was  der  Verf.  in  dieser  gediegenen  Abb.  über  die  Ly- 
riker sagt,  sieht  man,  dafs  der  substantivierte  Infinitiv  mit  Artikel  bei 
den  älteren  Lyi'ikern  nur  als  Subjektsinfinitiv  im  Nominativ  vorkommt; 
erst  bei  den  späteren  Lyrikern  nach  der  Zeit  des  Aschylus  findet  man 
ihn  auch  in  den  obliquen  Casus;  der  Akkus,  und  Infinit,  mit  dem  Artikel 
ist  bei  den  Lyrikern  nicht  vorhanden. 

E.  Grosse,  Über  die  Naturanschauung  der  alten  griechi- 
schen und  römischen  Dichter.  Progr.  des  Eealgymn.  in  Aschers- 
leben.    1890.     18  S.     4. 

Der  Verf.  weist  an  Beispielen  aus  den  Werken  der  alten  griechi- 
schen und  römischen  Dichter  nach,  dais  man  den  Alten  entschieden  un- 
recht thun  würde,  wollte  man  ihnen  das  tiefere  Interesse  an  dem  Leben 
der  Natur    und    die  Empfänglichkeit    für    die  Schönheit    derselben   ab- 
sprechen.    Wenn  er  aber  weiter  meint,    dafs  ihnen  der  Sinn  für  land- 
schaftliche Schönheit,  ferner  jenes  sentimentale  und  schwärmerische  Ver- 
senken in  das  Leben  und  Walten  der  Natur,  überhaupt  jener  Hang  zur 
Innerlichkeit  und  Beschaulichkeit,    der  durch  die  ganze  neuere  Poesie 
geht,  völlig  fremd  war,  so  geht  er  entschieden  zu  weit,    wie  A.  Biese 
in  der  Wochenschr.  f.  klass.  Philolog.  1891  No.  8  S.  207  flg.  bemerkt. 
R.  E,,  Hense,    Über  das  Naturgefühl  in  alter  und  neuer 
Poesie.     Zeitschrift  f.  vergleich.  Litteraturgeschichte.     I.     1887/88. 
S.  182—191. 

Der  Verf.  führt  eine  Anzahl  von  Beispielen  an  auf  Grund  von 
A.  Biese,  Die  Entwickelung  des  Naturgefühls  bei  den  Griechen  und 
Körnern.     Kiel,  Lipsius  u.  Fischer.     1882.  1884. 

E.  Straub,  Der  Natursinn  der  alten  Griechen.  Stutt- 
gart 1889. 

Stand  mii'  nicht  zur  Verfügung. 


Griechische  Lyriker.  119 

I.    Elegiker. 

A.  Fick,  die  sprachform  der  altionischen  und  altatti- 
schen lyrik.  Beiträg-e  zur  Kunde  der  indogermanischen  Sprachen. 
XIII.     1888.     S.  173—221. 

Der  Verf.  giebt  hier  die  Fortsetzung  der  in  Bd.  XI  S.  242—273 
veröffentlichten  Abhandlung.  Zuerst  teilt  er  eine  Anzahl  Konjekturen 
zu  den  Elegikern  und  lambikern  mit,  die  ich  bei  den  betreffenden  Dich- 
tern besprechen  werde;  dann  läfst  er  den  nach  seinen  Grundsätzen  her- 
gestellten Text  folgen,  zunächst  der  alten  lonier  (Archilochos,  Buenos 
von  Faros,  Kallinos,  Simonides  von  Amorgos,  Mimnermos,  Hipponax 
und  Tyrtäos),  hierauf  der  jüngeren  (Anakreon,  Xenophanes,  Phokylides, 
Ananios  und  Simonides  von  Keos). 

H.  W.  Smyth,    the    vowel    System    of  the    ionic    dialect. 

Transactions    of   the  American   philological  Association.     Vol.  XX. 

1889.    S.  1-138. 

Der  Verf.  behandelt  das  Vokalsystem  des  ionischen  Dialekts  vom 
8.  Jahrb.  v.  Chr.  bis  zum  2.  Jahrb.  n.  Chr.  Dabei  zieht  er  die  ioni- 
schen Dichter,  Philosophen,  Historiker  und  Hippokrates  in  Betracht.  Er 
erklärt  es  für  eine  unbestreitbare  Thatsache,  dafs  die  alten  Elegiker 
homerische  Äolismen,  aber  auch  nur  solche  gebrauchten.  Was  in  der 
Elegie  nicht  homerisch  ist,  ist  nach  dem  Verf.  aus  dem  Boden  gezogen, 
aus  dem  die  Elegie  entsprang.  Aber  die  aus  der  lebenden  Sprache  ge- 
nommenen Formen  der  Elegiker  sind  gering  im  Verhältnis  zu  denen  der 
lambiker.  Die  lambographen  wollten  nur  wenig  von  archaischen  lonismen 
und  noch  weniger  von  Äolismen  wissen.  Die  Sprache  des  Archilochos 
u.  s.  w.  stimmt  mit  den  Inschriften  überein.  Dem  Theognis  spricht  der 
Verf.  xpecyawv  und  ei'p^w  zu,  dem  Tyrtäos  das  a  in  Formen  wie  aiaypa?, 
ab;  -oXeojc  ist  nach  ihm  echt  ionische  Form.  Auf  anderes  werde  ich 
bei  Besprechung  der  einzelnen  Dichter  zurückkommen. 

H.  W.  Smyth,  ou  digamma  in  post-homeric  Ionic  Ame- 
rican Journal  of  Philology.     XII.     1891.     S.  211—220. 

Das  Digamma  ist  in  der  Elegie  und  bei  den  lambikern  selten, 
noch  seltener  bei  den  Melikern.  Beibehalten  ist  es  in  der  Elegie  zwei- 
mal, bei  den  lambographen  viermal,  im  Melos  bei  Solon  einmal;  dagegen 
fehlt  es  in  der  Elegie  53,  in  der  iambischen  Poesie  55  und  in  der  Melik 
des  Anakreon  15  mal.  Der  Laut  war  im  J.  700  v.  Chr.  in  Kleinasien, 
am  Anfang  des  6.  Jahrb.  in  Attika  verschwunden.  Dasselbe  Resultat 
zeigen  die  Inschriften.  Das  Digamma  war  am  Ende  des  8.  Jahrb.  aus 
der  Sprache  der  ionischen  Dodekapolis  verschwunden. 


120  Griechische  Lyriker. 

n.  Weigel,  Quaestiones  de  vetustiorum  poetarum  ele- 
giacorum  Graecorum  sermone  ad  syntaxim,  copiam,  vim 
verborum  pertinentes.  Dissert.  inaug.  in  Dissertat.  philolog.  Vin- 
dobonenses  vol.  IH.  S.  109—238.  Wien,  F.  Tempsky.  1891.  8. 
Die  Abhandlung  berührt  sich,  mit  der  oben  erwähnten  von  J.  Schaub; 
aber  während  der  Verf.  sich  auf  die  älteren  Elegiker  beschränkt,  dehnt 
er  die  Untersuchung  auf  die  ganze  Syntax  aus;  ja,  er  berücksichtigt 
auch  noch  die  Lexikographie.  Es  wird  hier  gehandelt  über  die  Prono- 
mina, über  Subjekt,  Prädikat,  Attribut  und  Apposition,  über  die  Kasus, 
die  Präpositionen,  das  Verbum,  den  Infinitiv,  das  Participium  und  die 
Partikel.  Überall  richtet  der  Verf.  es  so  ein,  dai's  er  von  Homer  aus- 
geht und  zeigt,  was  die  Elegiker  mit  ihm  gemeinsam  haben  und  worin 
sie  von  ihm  abweichen.  Der  Abschnitt  über  die  „copia  verborum"  zählt 
die  Wörter  auf,  die  Homer  entweder  überhaupt  noch  nicht  oder  doch 
noch  nicht  in  dem  Umfang  hat,  wie  die  Verbalia  auf  t6c  und  teo;,  die 
Substantiva  auf  ixa,  et;,  la  (sia)  und  sovr^,  ferner  Komposita  und  endlich 
Umschreibungen  des  Verbalbegriffs  durch  Substantiv  und  e'xeiv,  elvat, 
fteaOat,  ^loteijöat  u.  s  w.  Der  letzte  Abschnitt  „de  vi  verborum  immu- 
tata"  enthält  die  Wörter,  die  die  Elegiker  in  anderer  Bedeutung  ge- 
brauchen als  Homer.  Auf  Einzelheiten  werde  ich  bei  den  einzelnen 
Elegikern  zurückkommen. 

A.  Poiaschek,  Beiträge  zur  Erkenntnis  der  Partikeln  av 
und  xsv.  Progr.  des  Obergj-mn.  in  Czernowitz.  1890.  1891.  32  u. 
26  S.     8. 

Nachdem  der  Verf.  im  ersten  Abschnitt  über  Entstehung  und  Be- 
deutung der  Partikeln  av  und  xev  gehandelt  hat,  giebt  er  im  zweiten, 
der  die  Überschrift  „Metrisches"  trägt,  eine  recht  verdienstliche  Über- 
sicht über  das  Vorkommen  dieser  Partikeln  bei  Homer,  Hesiod  und  den 
Elegikern,  nach  Versfüfsen  und  innerhalb  dieser  nach  Arsen  und  Thesen 
geordnet.  Auch  die  Verbindungen,  in  denen  sich  av  oder  xsv  in  den 
einzelneu  Versstellen  findet,  stellt  der  Verf.  mit  grofsem  Fleifs  zusammen. 
Theognis  963  möchte  er  T:ptv  st.  rplv  av  lesen;  aber  der  Umstand,  dal's 
dies  die  älteste  Stelle  ist,  wo  sich  7:plv  av  findet,  kann  diese  Verbindung 
nicht  verdächtigen;  vgl.  übrigens  Solon  36,21,  wo  sich  dieselbe  Ver- 
bindung im  lambus  zeigt.  Trpiv  als  Länge  kommt  bei  den  Elegikern 
nicht  vor;  ebensowenig  -pi'v  mit  dem  Konjunktiv. 

C.  H.  Müller,  De  similitudinibus  imaginibusque  apud 
veteres  poetas  elegiacos.  Dissert.  inaug.  Göttingen.  1887. 
69  S.     8. 

Der  Verf.  will  den  Zusammenhang,  der  zwischen  den  lateinischen 
und    griechischen  Dichtern    hinsichtlich  der  Gleichnisse  und  Bilder  be- 


Griechische  Lyriker.  121 

steht,  nachweisen.  Zu  diesem  Zweck  behandelt  er  einerseits  Tibull, 
Properz,  Ovid,  Catull,  Virgil  und  Horaz,  andererseits  Homer,  Calli- 
maclius,  die  Bukoliker  und  Lyriker;  Pindar  und  die  Tragiker  berück- 
sichtigt er  nur  gelegentlich.  Ehe  er  auf  sein  Thema  eingeht,  berichtigt 
er  Aristoteles,  indem  er  zeigt,  dafs  man  das  Gleichnis  nicht  der  Me- 
tapher, sondern  umgekehrt  die  Metapher  dem  Gleichnis  unterordnen 
müsse.  Die  Frage,  warum  die  Dichter  Gleichnisse  anwenden,  beantwortet 
er  in  der  gewöhnlichen  Weise,  indem  er  nämlich  sagt,  sie  wollten  da- 
durch das  Fernerliegende  deutlicher  erklären.  Wenn  er  zur  Erklärung 
dieser  Erscheinung  dann  noch  weiter  darauf  hinweist,  dafs  logisch  un- 
geschulte Leute  ihr  Thema  nicht  unverrückt  festhalten  können,  sondern 
wenn  ihnen  bei  der  Behandlung  einer  Sache  etwas  Ahnliches  einfalle, 
auch  dieses  ihrer  Rede  einzufügen  pflegen,  so  fürchte  ich,  er  wird  da- 
mit, was  römische  und  griechische  Dichter  anlangt,  nicht  viele  Anhänger 
finden.  Sein  Thema  selbst  behandelt  der  Verf.  in  der  Weise,  dafs  er 
zuerst  über  die  Gleichnisse  und  Bilder  spricht,  die  von  den  Göttern  her- 
genommen sind,  dann  über  die,  welche  von  Teilen  der  Welt,  wie  Luft, 
Erde  und  Wasser,  entlehnt  sind,  und  endlich  über  die,  die  sich  mit  dem 
Menschen  beschäftigen,  und  zwar  zunächst  in  seinem  Verhältnis  zum 
Menschen,  sodann  in  seinem  Verhältnis  zur  Tierwelt  und  endlich  in  seinem 
Verhältnis  zur  unbelebten  Natur.  Die  lateinischen  Dichter  scheinen  ihm 
die  Hauptsache  gewesen  zu  sein;  in  betreff  der  griechischen  Elegiker 
ist  das  Material  nicht  vollständig  gesammelt,  und  auch  die  Erklärung 
und  Anordnung  nicht  immer  richtig,  ganz  abgesehen  davon,  dafs  die 
Form  der  Gleichnisse  ganz  unberücksichtigt  blieb.  Das  Thema  harrt  also 
immer  noch  seiner  Lösung. 

Schliefslich  erwähne  ich  noch 

Poetes  moralistes  de  la  Grece.  (Hesiode,  Theognis,  Callinus, 
Tyrtee,  Mimnerme,  Solon,  Simonide  d'Amorgos,  Phocylide,  Pythagore, 
Aristote).  Notices  et  traductions  par  Guigniaut,  Patin,  Girard  et 
L.  Humbert.     Paris,  Gernier.     VIII,  320  S.  12. 

Kallinos. 
1,  15  vermutet  0.  Immisch,  Zu  griech.  Dichtern.  Philolog.  49 
(1890)  S.  193—212  «-/psTai  st.  Ip/exai;  ä-ipziai  erklärt  er  mit  ,,er  wird 
erfafst."  Ich  kenne  die  Form  nicht;  aber  selbst  angenommen,  dafs  sie 
sich  richtig  verhält,  so  pafst  sie  nicht  in  den  Zusammenhang;  denn  es 
folgt:   £v  8"  oiV.ip  [xorpa  xiysv  Oavarou. 

Tjrtäos. 
0.  Immisch  1.  1.   schreibt  bei  Suidas  s.  v.  Tuprato?:    Aaxmv,  a>s 
Hduyto?  MiXr|aio;,   EXe-fsioirotoc  xxX.  st.  Aaxcuv  r^  MtXrjCJioc  xtX.  ;  jedoch  giebt 
er  selbst  zu,  dafs  Suidas  seine  Gewährsmänner  sonst  nicht  nennt,  meint 


122  Griechische  Lyriker. 

aber,  dafs  das  Ungewöhnliche  des  Citats  die  Korruptel  veranlafst  haben 
mag.  Ich  halte  die  Überlieferung,  die  sich  recht  gut  erklären  läfst, 
für  richtig. 

Fr.  Blass,  zu  TjTtaios.  N.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Pädag.  137.  Bd. 
(1888)  S.  655—656,  macht  darauf  aufmerksam,  dafs  Th.  Bergk  mit 
Unrecht  das  Orakel  in  Fragm.  3  dem  Tj'rtäos  zuweise.  Er  selbst  ver- 
bindet Vv.  2  u.  3  dieses  Fragments  mit  Fragm.  5:  r^ixt-ipio  liasiXf/.  xtX., 
indem  er  diese  Verse  für  eiue  Amplifikation  des  Orakels  aus  der  Person 
dessen,  dem  es  gegeben  wurde,  erklärt,  die  Diodor  ausliefs,  der  aufserdem 
fälschlich  das  Orakel  dem  Lykurg  gegeben  sein  läfst.  Das  Ende  der 
Amplifikation  ist  nach  dem  Verf.  nicht  erhalten;  es  mufste  folgen:  die 
andern  blieben  als  unsere  Unterthanen  zurück.  Vgl.  jedoch  darüber 
den  vorigen  Jahresb.  Bd.  LIV  S.  130  flg.  Auch  Fragm.  6  u.  7  können 
nach  Blass  in  dieser  Amplifikation  gestanden  haben.  Am  Ende  kam  der 
Dichter,  wie  der  Verf.  meint,  auf  Theopompos  zurück  und  führte  nun 
das  Orakel  mit  den  einleitenden  Worten  an,  wie  es  in  Fragm.  4  er- 
halten ist:  Oot'ßou  dtxoujavxe«  xxX.  Mir  scheint  die  Annahme  einer  solchen 
Amplifikation  unzulässig,  um  so  mehr,  da  dann  der  Plural  (Jxoujavxs;  x-X., 
der  sich  auf  Polydoros  und  Theopompos  bezieht,  folgt. 

G.  Gr.  A.  Murray,  adnotationes  ad  poetas  elegiacos  Graecos. 
Philol.  48  (1889)  S.  363—365,  will  V.  5,  3  von  5,  1—2  trennen,  wie  er 
auch  überliefert  ist,  und  nach  der  Überlieferung  a-i^bo-j  lesen:  denn 
dieser  Vers  drücke  vortrefflich  die  Meinung  der  Aufständischen  aus,  vgl. 
Paus.  IV  18,  1.  Aber  nach  dem  Scholiasten  kam  dieser  Vers  in  den 
Ermahnungen  des  Tyrtäos  an  die  Spartaner,  den  Krieg  gegen  die 
Messenier  wieder  aufzunehmen,  vor.  Freilich  möchte  ich  damit  die  von 
Buttmann  vorgenommene  Änderung  von  dyadov  in  dYa9r,v  und  Verbindung 
mit  Vv.  1—2  nicht  empfehlen;  auch  Vv.  4  flg.  sind  zu  trennen,  wie 
ili.ayovx'  im  Vergleich  mit  eTXo|j,£v  (V.  2)  zeigt. 

C.  Häberlin  schlägt  Philol.  47  (1889)  S.  598  zu  Tyrt.  11,  37: 
dur/]  st.  h  a'jTouj  vor.  Diesen  Vorschlag  habe  ich  schon  N.  Jahrb.  f. 
Phil.  u.  Päd.  129.  Bd.  (1884)  S.  48  gemacht. 

Mimnermos. 

Mimnermus.     I    frammenti,    versione    e    note    di    A.   Franco. 
Verona,  Civelli.     1888.  23  S.  8. 

Bietet  nichts  Xeues. 

Fr.  Blass,  N.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Päd.  137.  Bd.  (1888)  S.  742 
will  Fragm.  G  an  Theognis  10G9  — 70  anreihen;  diesen  Versen  stehe 
Solon  20  und  21,  die  ebenfalls  zu  vereinigen  seien,  gegenüber.  Aber 
der  Verbindung  von  Mimn.  6  mit  Theognis  10G9— 70  widerspricht  Form 
und  Inhalt  in  gleicher  Weise. 


Griechische  Lyriker.  123 

Gr.  G.  A.  Murray  au  der  oben  angeführten  Stelle  tritt  Fragm. 
12,  8  für  suSovQ-'  apTraXecü?  und  ebenda  V.  11  für  exe'pcuv  ^ylwv  =  sTspou 
öpo|xo'j  ein.     Die  letztere  Erklärung  erscheint  mir  unstatthaft. 

Solon. 

4,  22  schreibt  E.  Hiller  in  der  Neuausgabe  der  Anthologie:  ev 
auvoooi?  9'  o'u?  aotxoüai  cpiXouc;  ooc  i.  e.  suos.  Dem  widerspricht  der  Zu- 
sammenhang; das  Subjekt  zu  d(5ixoÜ3i  kann  nur  ol  oujfxeves?  sein;  mit 
o'j?  tpiXouc  können  also  ebenfalls  nur  Su^jxsvEec  gemeint  sein.  "Wenn  aber 
die  oua[i£V£sc  sich  gegenseitig  selbst  beleidigen  und  bekämpfen,  so  kann 
dies  für  den  Staat  nur  vorteilhaft  sein.  In  ev  ouvoSot?  xrX.  mufs  nach 
dem  Zusammenhang  eine  nähere  Angabe  zu  h.  -jap  ou3[jl£V£(uv  Ta/sw? 
-oÄUTjpa-ov  acjTu  Tpu/sxai  enthalten  sein. 

9,  5  erklärt  Gl-.  G.  A.  Murray  1.  1.  die  Worte  Izm^  5'  e^apavT 
x-X.;  aber  die  Erklärung  ist  nicht  neu. 

13,  34  vermutet  derselbe  evosusiv  auio?  x-X.  ,,indigere  sibi  videtur," 
der  Form  nach  zweifelhaft,  dem  Inhalt  nach  unmöglich,  vgl.  V.  35 — 36: 
aypt  6s  TOOTOU  yaffxovTsc  xo6(paic  iXiziai  TspTr6[J.£9a. 

Fragm.  21  möchte  Fr.  Blass,  N.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Päd.  137.  Bd. 
(1888)  S.  742  mit  20  vereinigen,  vgl.  oben  Mimnerm.  Fragm.  6.  Ich 
glaube  aber  nicht,  dafs  sich  die  Worte  \Lqoi  [xoi  axXausro?  öavato? 
jxoXoi  unmittelbar  an  (jYOüJxovTasxT)  [xoTpa  xr/oi  davaxou  angeschlossen 
haben  können;  die  Ausdrucksweise  spricht  dagegen. 

Fr.  34  und  35  sind  durch  die  Auffindung  von  'Apicr-coTe'Xou?  (?) 
AÖTjvaiwv  TToXiTsia,  die  F.  Gf.  Kenyon  zuerst  veröffentlichte,  zu  dem  statt- 
lichen Fragment  von  9  Tetrametern  ergänzt  und  vervollständigt  worden. 
V.  1  vermutet  E.  Poste  Classical  Eeview  1891  S.  225;  ecp'  «p-aYaiuiv 
aXXtüs  st.  ^X9ov,  worin  ihm  wohl  niemand  beistimmen  wird.  —  V.  2. 
H.  Richards  1.  1.:  auxo?  st.  auiäiv;  unnötig.  —  V.  7.  J.  B.  Bury  und 
Herwerden  1.  1.  S.  ]77:  aXXa  o  ou  fjLaTr,v  ££p6ov;  ebenso  K.  Niemeyer, 
N.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Päd.  1891  S.  405-415,  zu  Aristoteles  'Aar.vaitov 
7roXtT£ia  und  G.  Kaibel  und  U.  von  Wilamowitz-Möllendorff  in 
ihrer  Ausgabe.  Nicht  richtig  J.  B.  Mayor,  Class.  Review.  1891  S.  177: 
xaXXa  o'  ou  iacittjv  und  E.  Poste  1.  1.  S.  225:  ä'XXa  o'  av  [lanrjv  l'spoov.  — 
V.  8.  H.  Richards  1.  1,  S.  177:  -^voavsv  st.  av6av£i,  wohl  mit  Recht; 
jedenfalls  besser  als  Fr.  Blass:  avoavsv,  vgl.  37,  2.  —  J.  B.  Bury: 
ßia  Ti  xiv£rv  st.  p£'^£iv,  wie  F.  Gr.  Kenyon  ergänzte. 

Fragm.  36  ist  durch  denselben  Fund  am  Anfang  um  zwei  Yerse 
erweitert  worden;  auch  die  richtige  Verbindung  mit  Fragm.  37  ist  jetzt 
gefunden;  37,  1  schliefst  sich  nämlich  unmittelbar  an  36,  20:  o-jx  av 
xaxecjys  ö-^jxov  an,  während  36,  20  flg.  als  ein  besonderes  Fragment  auf- 
geführt wird.     Im  2.  Vers  giebt  F.  G.  Kenyon:   xuyöiv,  erklärt  aber, 


124  Griecliisclie  Lyriker. 

dals  es  auch  tu/eTv  heifsen  könne,  wie  R.  Y.  Tj-rrell  vermutete,  Class. 
Review  1891  S.  177  flg.  Die  2  ersten  Verse  riefen  eine  Menge  Emen- 
dationen  hervor.  0.  Crusius  Philol,  50  (1891)  S.  177  liest  d^ovrjXarouv 
St.  a;ovr,).a-:ov  und  glaubt,  dafs  das  Bild  vom  Wettrennen  hergenommen 
sei.  Fr.  Blass:  d;ovr,XaTouv  I  öfj|xov  Ti  TouToiv  7:plv  TuysTv  7.1X.  als  Frage. 
R.  y.  Tyrrell  1.1.:  d^ovrjXaxuiv  =  vo|j,o9e-cüiv,  das  er  mit  i7:aüjdixT)v  ver- 
bindet. Oder  ouv£y.a  ^EvrjXaxov  ,,wie  ein  Fremder  behandelt  und  ver- 
bannt." Ebenso  A.  Platt  1.  1.  S.  107:  b(w  oe  tüiv  }j,ev  (?)  sTvexa  ^sv/j- 
Xaxov  I  o^}j.ov,  dann  aber  ganz  frei:  Trapousöüv  7:y][xovÜ)v  £ppi)c;d|X7jv  st.  xi 
TO'j-wv  TTpiv  Tuyeiv  i-ausdiJLrjv.  E.  S.  Thompson  1.  1.  S.  225:  oüvsx'  oü 
^evr^Xarov,  indem  er  ou  mit'  iTrausdfjnQv  verbunden  v^^issen  will.  G.  E. 
Marindin  1.  1.  S.  177  flg.:  ^suYTjXa-ov  oder  ^u-fr^XaTov  st.  d;ovrjXa-ov. 
Herwerden  liest  V.  1  mit  dem  Mscr.,  V.  2:'ofjtxov  tiwv  tcjv  -plv 
Tu-/üiv  zT.iwsd  viv  (vuv?)  oder  iXujajxrjv  (eppu3d|XT)v?).  A.  Sidgwick  1.  1. 
S.  107:  Tou  [xsv  ouvsx'  (5;ovrjXa-ov  |  o?;[j.ov,  xoio'jtcov  Tzpiv  tu/ovt,  ircaüsa 
vuv;  vuv  im  Gegens.  zu  Ttpi'v.  W.  Wyse  1. 1.  schlägt  IXuja[j.r|V  st.  e:iau- 
odtfjLTjv  vor.  J.  van  Leeuwen  1.  1.  S.  225:  ouvsx'  eEavrja-^ov  |  o^jxov, 
Toto'jTcuv  Tiplv  T'j/wv  l-a'juajXTjv.  Ebenso  K.  Niemeyer,  N.  Jahrb.  f. 
Phil.  u.  Päd.  1891  S.  405  flg.:  eEav7^7a70v  st.  d^ovir-Xa-ov.  A.  Picco- 
lomini,  Rivista  di  Filologia  20.  (1892)  S.  460:  l/to  öe  -uiv  [jlev  sTvsy' 
S  ^uvr^-ca-pv  I  o^[jLov  xi  xo'jxojv  Tpiv  xuyeTv  ^Xu J7'|j.rjv :  ,,ego  autem  liorum 
(sc.  pauperum)  profecto  causa,  quae  (divites)  adcumnlaverant  ne  populus 
tantillum  eorum  particeps  fieret,  vinculis  liberavi."  Endlich  vermutet 
A.  Platt,  aufser  der  oben  mitgeteilten  Konjektur,  noch  Class.  Review 
1891  S.  177  flg.:  sTvsxa  ;'jvrj-,'a7ov  |  or^ji-ov,  und  SO  will  man  bei  genauerer 
Prüfung  auch  im  Mscr.  gefunden  haben;  nur  dafs  dieses  ouvexa  st.  sTvexa 
hat.  Trotz  der  grofsen  Zahl  von  Vorschlägen  halte  ich  die  Stelle  bis 
jetzt  nicht  für  emendiert;  auch  [xsv  nach  xöjv  scheint  mir  zweifelhaft.  — 
V.  3.  4.  E.  Poste,  Class.  Review  1891  S.  225:  ev  öi'xtj  Kpovou  ]  ixTQxrip 
|x.  oatp-ovojv  x'  'OXuix-i'wv.  —  V.  5.  H.  Richards:  xoxs  st.  -oxe.  —  V.  6. 
J.  B.  Mayor  1.  1.  S.  107  flg.:  -6XX'  z•r^  st.  -oXXay?),  mit  Unrecht;  der- 
selbe V.  7:  zpojflsv  7£  St.  &£,  wohl  mit  Recht.  —  V.  11.  Fr.  Blass: 
ypsioü;,  das  G.  Kaibel  und  ü.  v.  Wilamowitz-Möllendorff  aufgenommen 
liaben;  aulserdem  bietet  das  Mscr.  'fu-j'ovxa;  st.  XsYovxac,  wie  ich  s.  Z. 
vermutete.  —  V.  13 — 14.  Mscr.:  oouXiyjv  dsixla  |  lyovxac,  rfir^  osj-oxüiv 
xxX.  —  V.  15.  Mscr.:  6ir^xOov,.wie  die  von  Th.  Bergk  verworfene  Vul- 
gata.  —  V.  18.  Mscr. :  op.oico.-.  —  V.  22  flg.  (Fragm.  37,  1  flg.  Bergk). 
Mscr.:  auxoT;  verschrieben  st.  5  xoT;,  ferner  <zu9t;  oe  auxotsiv  o-j-öpat- 
cppasaiaxo,  also  ebenso  korrupt,  wie  unsere  Überlieferung.  H.  Diels 
erklärt  ooTspai  ==  01  exepot ;  natürlich  ist  damit  die  Stelle  nicht  hergestellt. 
Unverständlich  ist  mir  A.  Platt  Class.  Review  1891  S.  107  flg.:  ao{)i? 
0    2   xoiT'.v   o'j'-spot  'fpaiataxo;    ähnlich  R.  Y.  Tyrrell  1.  1.  S.  177  flg.: 


Griechische  Lyriker.  125 

auOis  6'  7.  Toiao'  av  a'-cepoi  cppajai'axo.  A.  Sidgwick  1.  1.  S.  107  flg.  ver- 
mutet: ^voavev  irosiv,  |  auöic  S'  S  '/cüpk  a'-cspoi  9p.,  indem  er  y/upij  durch 
opaaai  or/a  erklärt  sein  läfst.  R.  Ellis  1.  1.  S.  177  %.:  auöi?  0'  S 
ToTut  öatepa  Spaaai  6r/a  „denen  auf  der  anderen  Seite."  Mir  scheint 
exspo?  und  Ol  exepot  nicht  von  den  Freunden,  sondern  nur  Gegnern  ge- 
braucht werden  zu  können;  daher  schlug  ich  schon  früher  vor  xoiat 
[xouxcxpoi;  öpav,  val  Ata  xxX.  —  V.  26.  Mscr.  a.Xy.r^'J  1:.  -oioutxsvo;,  was 
7:oteu[xevoc  heifsen  soll;  A.  Platt  Class.  Review  S.  177  flg.  vergleicht 
dazu  Soph.  0.  C.  459. 

Fr.  36,  21  (Bergk),  der,  wie  schon  oben  bemerkt,  bei  Aristoteles 
Teil  eines  besonderen  Fragments  ist,  hat  das  Mscr. :  Tiplv  avxapa^a?  Tcüap 
e^siXsv  '(dloL,  ohne  Zweifel  richtig,  vgl.  R.  Kühner,  gr.  Gr.  II  S.  218; 
daher  versteht  man  nicht,  warum  G.  Kaibel  und  ü.  von  Wilamowitz- 
Möllendorff  die  Überlieferung  bei  Plutarch :  uplv  av  .  .  .  e^eXy]  7.  vorziehen. 
G.  G.  A.  Murray  Philol.  48.  (1889)  S.  363  flg.  erklärt:  „dixit  Solon 
hominem  improbum,  cum  spumam  disturbaverit,  lac  sibi  ex  inferiore 
mulctro  exhaurii'e."  Aber  das  Sprichwort  lautet:  den  Rahm  für  sich 
abschöpfen. 

38,  5.  E.  Hiller  in  der  Neuausgabe  der  Anthologia  lyr.:  i:avxa  f 
st.  iravxa  0';  gut.  Dagegen  bleibt  sxspoc  <auxe>,  was  derselbe  ebenda 
Fragm.  40  st.  ?xepoc  oi  schreibt,  zweifelhaft. 

Auch  eine  Anzahl  neuer  Fragmente  des  Solon  enthält  die 
'Aörjvaicuv  uoXtxsia  des  Aristoteles.  Das  5.  Kapitel  bringt  deren  drei. 
Das  erste  besteht  aus  einem  Distichon,  in  dessen  zweitem  Vers  H. 
Richards  Class.  Review  1891  S.  334  'laoviav  od.  'laviTjv  st.  'laovia? 
lesen  möchte.  Das  zweite  umfafst  zwei  Distichen.  Im  2.  Vers  las 
F.  G.  Kenyon:  h  xopov  aa'jaxs;  die  richtige  Lesung  ist  rjXajaxs,  wie 
Dr.  Postgate  Class.  Review  1891  S.  107  vermutete  unter  Hinweis  aaf 
Tyrt.  11,  10.  —  V.  3  vermuten  G.  Kaibel  und  U.  v.  Wilamowitz- 
Möllendorff  h  [i-expoiai  st.  h  [xsTpioui,  wohl  mit  Recht.  Ebenda  will 
A.  Platt  Class.  Review  1.  1.  xi&ecj&s  st.  xpeipsj&e  ergänzen.  —  V.  4 
wünscht  R.  Y.  Tyrrell  1.  1.  S.  177  ap&fxia  st.  apxta,  ohne  Grund.  Das 
dritte  Fragment  ist  ein  Pentameter,  den  H.  Jackson  und  .1.  B.  Mayor 
Class.  Review  1891  S.  107  lesen:  xr^v  xs  !ptXap7upiav  xy^v  (F  6-£fYj(paviav, 
H.  Weil  Journal  des  savants  1891  S.  208  richtiger:  9tXap7upr^v  und  urspr;- 
'favtriv.  Ein  viertes  Fragm.  endlich,  aus  5  Trimetern  bestehend,  findet 
sich  in  Kap.  12.  V.  1  vermutet  A.  Platt  Class.  Review  1891  S.  107  flg. 
\i.'  afx^aoTjV  st.   6ia'f7'or,v,  wohl  richtig. 

Endlich  sind  noch  die  bei  Aristoteles  vorkommenden  Varianten 
in  bisher  schon  bekannten  Fragmenten  zu  erwähnen.  Kap.  12  Fragm.  5, 
1 :  7£pa?  st.  xpaxo;.  —  a-apxEi,  wie  Coraes  vermutete,  st.  e-apxsT.  — 
2 :  d-op£Ea|J.s'''0'  verschrieben  st.  sirops^aixsvo?.  —  3 :  osoi  verschiieben  st. 


126  Griechische  Lyriker. 

Ol,  —  Ebenda  Fragm.  G,  2:  ßia^op-evoc  st.  itte^ofxevoc  Damit  verbindet 
Aristoteles  Fragm.  8  und  fügt  den  Pentameter  bei:  dvöf/oiTioiaiv,  ojoi? 
{if,  v6o?  ap-to;  T^,  vgl.  Theognis  153.  154. 

Cleobolina. 

Fr.  3  schlägt  G.  G.  A.  Murray  Philol.  48.  (1889)  S.  363  flg.  vor: 
igviSaxo'  xat  ixt,v  vej^pov  ovo?  ■(£  xspacfopov  ouaxt  xpoojai,  indem  er  als 
sicher  annimmt,  dafs  die  Oliren  des  Esels  dem  Geweih  des  Hirsches 
gegenübergestellt  werden;  als  Sinn  giebt  er  an:  „asinos  iam  cervis, 
cornigeris  auritos,  anteferri.''  Nach  Form  und  Inhalt  besser  R.  EUis 
Phüol.  49.  (1890)  S.  212:  T-vi^ato-  veßpov  ovo;,  yM^\>.r^  os  xspajßoXov  (od. 
xspaa^opov)  oyac  sxaxi  |  xpouj'.o;,  sc.  vtxöi,  was  auch  der  Überlieferung 
näher  kommt:  „hinnuleum  asinus,  crus  autem  (asini)  cornua  ex  aiu'e 
cervi  procvescentia,  si  musicam  sx^ectas,  devincit."'  Doch  nehme  ich  an 
der  Ergänzung  von  „asiui"  und  an  den  „cornua  ex  aure  cervi  procres- 
centia"  Anstofs.  Vielleicht:  vsßpov  ovou  xvr^jj-T]  xspair/fopov  toaev  exati  | 
xpousio;?  cuösTv  ,,stofsen,  beiseite  stol'sen." 

[Aesopos.] 
H.  Stadtmüller  N.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Pädag.  1888  S.  353-361, 
zor  Anthologia  Pal.  schlägt  V.  1  vor:  av  suöavatoc  se  90701  od.  XiTrot 
8t.  avcu  Oavaxou;  aber  Um  einen  schönen  oder  leichten  Tod  handelt  es 
sich  hier  nicht;  der  Dichter  wünscht  vielmehr,  dem  Leben  aus  dem 
Weg  gehen  zu  können,  ohne  sterben  zu  müssen;  vgl.  auch  den  vorigen 
Jahresb.  Bd.  LIV.  1888  S.  136  flg. 

Phokylides. 

1,  2  schlägt  A.  Fick,  die  sprachform  der  altionischen  und  alt- 
attischen lyrik,  Beiträge  zur  Kunde  der  indogerm.  Sprachen  XIII. 
1888  S.  173  flg.  vor:  xal  os  DpoxXfj;  Aspioj,  um  die  gewifs  nicht  an- 
ßtöisige  Form  flpoxXsr]?  zu  entfernen. 

Fr.  3  führt  O.  Immisch  PhUol.  49.  (1890),  zu  griechischen 
Dichtern  S.  193 — 212,  auf  Hesiod  zurück,  ebenso  wie  das  entsprechende 
Gediclit  des  Semonides  (fr.  7);  dies  zeige  schon  die  Form  Tstopwv  V.  1. 
Die  Stelle,  die  Phokjiides  benützt  habe,  sei  vielleicht  in  den  '{a\i.\.yÄ 
TrapaYYEÄjjiaTa  nach  Erga  690  gestanden,  vielleicht  aber  auch  an  irgend 
einem  anderen  Orte.  Soweit  kann  man  dem  Verf.  beistimmen;  dagegen 
versteht  man  nicht,  wie  der  Verf.  dazu  kommt,  daraus  den  Schlufs  zu 
ziehen,  dafs  Phokylides  und  Semonides  einen  anderen  Hesiodtext  ge- 
lesen haben  als  wir. 

Psendophocylldea. 

V.  127  schreibt  E.  Ilillcr  in  der  neuen  Ausgabe  der  Anthol.  lyr. : 
Ta-jpoi;  0    aox'  i'f'jTcuas  xepaata,  wovor  Th.  Bergk  warnte. 


Griechische  Lyriker.  127 

V.  202  liest  man  bei  demselben  1.  1.:  -avapisTou?;  ich  ziehe  axu- 
Xaxüiv  -|'£voc  EsöXov  vor. 

V.  208  ändert  derselbe  1.  1.  die  Überlieferung  y.tuXuEtu)  od.  xpivexw 
in  xoAaCeTüj,  woraus  sich  die  Überlieferung  nicht  erklären  läfst.  Etwa: 
7]v  Ö£  Tt  raTj  0  äXitt),  tots  xpivexo)  utea  [XT^T/jp  oder  TjV  os  xt  Trats  dXiTrj  3', 
1x75  xpivETcu  xxX.?  xpivstv  „Gfericht  halten." 

Xenophanes. 

0.  Immisch  1.  1.  nimmt  die  Überlieferung,  dafs  Xenophanes  eine 
Gründung  Kolophons  und  Eleas  dichtete,  mit  Recht  gegen  E.  Hiller  in 
Schutz,  der  diese  Titel  auf  den  Fälscher  Lobon  zurückführen  wollte. 
E.  Lohan  in  der  Inauguraldissert.  de  librorum  titulis  apud  classicos 
scriptores  Graecos  nobis  occurrentibus,  Marburg  1890  S.  30  stimmt 
E.  Hiller  bei,  ohne  einen  Grund  für  seine  Behauptung  anzuführen. 

E.  Hiller  hat  in  die  neue  Auflage  der  Anthologia  IjTica  auch 
die  tT.t]  des  Xenophanes  aufgenommen,  die  Fragmente  der  a'OXoi  tj  Tia- 
ptjjoi'ai  und  der  Schrift  Trspl  cp'j3S(u;.  Fragm.  17,  2  schreibt  er  gut  a>c 
st.  7).  Wenn  er  aber  ferner  auch  die  bei  Clemens  Alex,  stromat.  V 
14,  109  p.  256,  47  Sylb.,  p.  714  Pott,  erhaltenen  Verse  als  Fragm.  30 
unter  der  Überschrift  "lafxj^oi  ohne  weiteres  anführt,  so  kann  ich  das 
nicht  billigen;  die  Verse  haben  kaum  etwas  mit  Xenophanes  zu  thun, 
vgl.  C.  Wachsmuth,  corpusculum  poesis  epicae  Graecae  ludibundae,- 
S.  62  flg.  Die  Stelle  Diog.  Laert.  IX  18,  wo  von  lamben  des  Xeno- 
phanes gesprochen  wird,  ist  längst  richtig  erklärt. 

H.  Diels  Archiv  f.  Geschichte  der  Philosophie  IV.  (1891) 
S.  652 — 3,  neue  Fragmente  des  Xenophanes  und  Hippon,  teilt  ein  neues 
Fragment  des  Xenophanes  itzoi  cp'jjwj  mit,  das  sich  in  den  von  J.  X^icole 
veröffentlichten  Genfer  Ilias -Schollen  findet.  Über  diese  neuen  Funde 
vgl.  Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie  der  Wissenschaften  vom 
18.  Juni  1891. 

Theognis. 

Ch.  Cucuel,  Theognis  de  Megäre  et  ses  elegies.  Annales  de  la 
Faculte  des  Lettres  de  Bordeaux.  1889  S.  201—233;  vgl.  Revue  de 
Philologie  XIV  (1890). 

Der  Aufsatz  bringt  zwar  nichts  Neues,  giebt  aber  eine  schöne 
Übersicht  über  die  an  die  Person  und  die  Dichtungen  des  Theognis  sich 
knüpfenden  Fragen,  die  mit  besonnener  Kritik  behandelt  werden. 

J.  Beloch,  Theognis'  Vaterstadt.  N.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Päd. 
137.  Bd.  (1888)  S.  729—733. 

Der  Verf.  tritt  für  die  Annahme,  dafs  Theognis  aus  dem  sizilischen 
Megara  stamme,  mit  Gründen  ein,  die  kaum  imstande  sein  werden,  diese 


128  Griechische  Lyriker. 

jetzt  so  ziemlich  allgemein  aufg-egebene  Ansicht  wieder  aufleben  zu 
lassen.  Zunächst  beseitigt  er  verschiedene  in  den  Gedichten  des  Theognis 
enthaltene  Beweise,  die  gegen  ihn  sprechen.  Vv.  783  flg.  kämen  bei 
ihrer  zweifelhaften  Echtheit  —  worauf  gründet  sich  diese  Behauptung?  — 
nicht  in  Betracht;  die  Vv.  773  flg.  seien  zwar  echt,  beweisen  aber  nur, 
dafs  Theognis  im  Sommer  480  im  nisäischen  Megara  war,  wohin  er  sich 
nach  der  Zerstörung  des  sizilischen  durch  Gelon  im  J.  485  —  482 
flüchtete.  Aber  steht  denn  das  J.  480  als  Abfassungszeit  dieser  Verse 
aufser  Zweifel?  Wenn  er  endlich  das  nisäische  Megara  y;|i,eT£pr)v  toXiv 
nenne,  so  erkläre  sich  dies  aus  der  engen  Beziehung  zwischen  Tochter- 
und  Mutterstadt;  die  Megarer  hätten  dem  verdienten  Dichter  jedenfalls 
das  Bürgerrecht  gegeben.  Um  auch  zu  zeigen,  dals  der  Inhalt  der 
theognideischen  Verse  nicht  auf  das  nisäische,  sondern  nur  auf  das  sizi- 
lische  Megara  passe,  geht  der  Verf.  auf  die  Lebenszeit  des  Theognis  näher 
ein.  Indem  er  sich  wieder  auf  die  Vv.  773  flg.  stützt,  nimmt  er  au.  dafs 
der  Dichter  den  Zug  des  Xei'xes  gegen  Hellas  noch  erlebte,  also  nicht 
vor  550  geboren  sei;  die  Elegieen  an  Kyrnos  müTsten  also  nach  515 
entstanden  sein;  in  dieser  Zeit  hätten  aber  im  nisäischen  Megara  keine 
Zustände  geherrscht,  wie  sie  der  Dichter  schildere,  sondern  nur  im  sizi- 
lischen. Aber  woher  wissen  wir  denn  etwas  von  den  Zuständen  im  sizi- 
lischen Megara  um  diese  Zeit?  Auch  die  Erwähnung  der  Reiterei  in 
Vv.  549—554  weise  auf  Sizilien  hin.  Von  diesen  —  doch  recht  un- 
sicheren —  Voraussetzungen  ausgehend,  vermutet  der  Verf.,  dafs  Theognis 
etwa  um  das  J.  530,  vielleicht  auch  etwas  früher,  geboren  sei:  um  490 
habe  er  bei  einer  Revolution  einen  Teil  seiner  Güter  verloren;  dann 
habe  er  eine  Zeit  lang  nach  der  neuen  Ordnung  in  Megara  gelebt,  sei 
aber  nach  der  Zerstörung  der  Stadt  nach  Griechenland  ausgewandert, 
wo  wir  ihn  im  J.  480  im  nisäischen  Megara  treffen. 

Fr.  Cauer,  Parteien  und  Politiker  in  Megara  und  Athen. 
Stuttgart,  Kohlhammer.     1890.  97  S.  8. 

Im  Anschlufs  an  Theognis  schildert  der  Verf.  im  ersten  Teil  den 
Zustand  der  politischen  Parteien  in  Megara  in  der  2.  Hälfte  des  6.  Jahrb. 
V.  Chr.  Die  Verarmung  der  Megarer,  die  die  soziale  und  politische  Krisis 
herbeiführte,  leitet  er  von  der  gefährlichen  Handelskonkurrenz  von  Milet 
und  Samos  her;  in  demselben  Sinne  wirkte  aber  auch  das  Kapital,  das 
infolge  der  Einführung  des  Geldes  die  Verarmung  noch  besclüeuuigte. 

Guilelmi  Studeraund  commentatio  de  Theognideorum 
memoria  libris  manu  scriptis  servata.  Index  lection.  Breslau 
1889/90.  40  S.  4. 

Im  1 .  Teil  weist  der  Verf.  nach,  dals  der  cod.  A,  bevor  er  nach 
Paris  kam,  „in  celeberrima  bibliotheca  ecclesiae  episcopalis  Veronensis" 


Griechische  Lyriker.  129 

gewesen  sei.  Denselben  Nachweis  liefert  auch,  unabhängig-  von  ihm, 
C.  0.  Zuretti,  ßivista  di  Filologia.  1891  S.  161  —  174.  Aufserdem 
teilt  W.  Studeraund  die  Varianten  zu  Theognis  £X£7£iwv  ß  mit,  die  sich 
aus  einer  Vergleichung  des  Apographum  Masottianum  mit  Th.  Bergk^ 
ergeben.  Der  2.  Teil  enthält  den  vollständigen  Abdruck  einer  von 
W.  Studemund  im  April  1879  angefertigten  Abschrift  des  cod.  0,  die 
um  so  wertvoller  ist,  weil  der  Kodex  selbst  seit  1889  spurlos  ver- 
schwunden ist.  Im  3.  Teil  endlich  sucht  der  Verf.  die  Entstehung  der 
in  Theognis  eXs-j-eiojv  a  vorliegenden  Sammlung  zu  erklären.  Anknüpfend 
an  H.  Schneidewin,  de  syllogis  Theoguideis,  Diss.  ioaug.  Strassburg  1878, 
ist  er  der  Ansicht,  dafs  die  Sammlung  a  aus  zwei  elegischen  Florilegien 
bestehe,  die  ganz  gesondert  verbreitet,  aber  zufällig  von  dem  Schreiber 
des  Archetypus  unserer  Hds.  zusammengefügt  worden  seien,  das  eine 
länger  und  am  Ende  verstümmelt,  das  andere  kürzer  und  am  Anfang 
und  vielleicht  auch  am  Ende  verstümmelt.  Gewifs  schon  eine  stattliche 
Zahl  nicht  beweisbarer  Annahmen  und  Zufälligkeiten!  Die  1.  Samm- 
lung läfst  der  Verf.  mit  V.  932  schliefsen,  die  2.  mit  V.  933  beginnen, 
und  er  meint,  dafür  könnte  man  auch  den  Umstand  anführen,  dafs  von 
V.  933  an  fast  alle  Verse  dem  Theognis  fremd  seien.  Wird  aber  durch 
diese  Annahme,  als  ob  die  eine  Sammlung  fast  nur  theognideische,  die 
andere  fast  keine  theognideischen  Verse  enthalten  habe,  die  Sache  nicht 
noch  unwahrscheinlicher?  Um  nun  die  Thatsache  zu  erklären,  dafs  auch 
innerhalb  derjenigen  Sammlungen,  die  eben  angenommen  wurden,  "Wieder- 
holungen von  Versen  sich  finden,  verteilt  der  Verf.  die  uns  erhaltenen 
Verse  von  Theognis  eXs^st'wv  a  auf  Quinionen;  der  ersten  Sammlung 
W'Cist  er  drei,  der  zweiten  eine  zu.  Bei  der  Verteilung  nun  trifft  es 
sich,  dafs  die  drei  in  der  1.  Sammlung  wiederholten  Disticha  jeweils 
auf  die  Grenze  zwischen  zwei  Seiten  fallen,  und  so  liegt  die  Erklärung 
nahe,  dafs  sie  „von  einem  gelehrten  Leser"  auf  dem  Rande  nieder- 
geschrieben und  später  in  den  Text  aufgenommen  worden  seien.  In 
der  2.  Sammlung  macht  sich  dies  allerdings,  wie  der  Verf.  selbst  zu- 
giebt,  nicht  so  leicht.  Bedenkt  man  nun  weiter,  dafs  die  ganze  Ver- 
teilung auf  Quinionen  im  Grunde  doch  nicht  mehr  als  ein  geistreiches 
Spiel  ist,  so  wird  man  lieber  bei  der  früheren  Ansicht  stehen  bleiben, 
dafs  die  Wiederholungen  aus  Randbemerkungen  in  den  Text  kamen, 
wofür  gerade  der  Gebrauch  des  Theognis  in  der  Schule  ganz  besonders 
spricht.  Zum  Schlufs  erwähne  ich  noch,  dafs  der  Verf.  S.  37  Anm.  1 
bemerkt,  dafs  man  aus  Stobäos  über  den  Ursprung  von  Theognis 
iXs^eituv  a  nichts  schliefsen  könne,  und  bei  dieser  Gelegenheit  eine  von 
C.  GaUand  gefertigte  Vergleichung  der  bei  Stobäos  erhaltenen  Theognis- 
Verse  mitteilt. 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.  LXXV.  Bd.  (1893.  I.)  9 


130  Griechische  Lyriker. 

Fr.  Cauer,  Studien  zu  Theoguis.  A.  Zur  Textkritik. 
•   Philol.  48.  (1889)  S.  542—552. 

Der  Verf.  behandelt  die  Citate  aus  Theognis  bei  anderen  Schrift- 
stellern, also  dasselbe  Thema,  das  0.  Crueger  in  der  Königsberger 
Dissertation,  de  locorum  Theognideorum  apud  veteres  scriptores  exstan- 
tium  ad  textum  poetae  emendandum  pretio  1882  behandelt  hat.  Ab- 
weichend von  0.  Crueger  hält  er  auch  Vv.  627 — 28  die  Lesart  des 
Stobäos  e/Opov  (st.  aiaypov)  für  richtig,  indem  er  es  mit  „lästig"  erklärt, 
was  kaum  angeht.  Auch  V.  1180  kann  ich  dem  Verf.  nicht  beistimmen, 
wenn  er  }xr,-£  ra&siv,  was  Orion  hat.  billigt,  und  ebensowenig,  wenn  er 
V.  478  vermutet:  ouxs  xi  Y^p  vTQcpwv  oute  Xi'vjv  }i,er)ua)v,  mit  Ergänzung  von 
£i|jLi.  Das  Resultat  seiner  Untersuchung  fafst  er  dahin  zusammen,  dals 
er  sagt,  der  Text  unseres  Dichters  sei  bei  den  ältesten  ebenso  wie  bei 
den  späteren  Schriftstellern,  die  ihn  eitleren,  durch  bewulste  und  unbe- 
wufste  Änderungen  mehr  entstellt,  als  in  unseren  besten  Hds.  Dieses 
Resultat  stimmt  im  wesentlichen  mit  dem  0.  Cruegers  überein;  jedoch 
darf  man  daraus  nicht  das  Resultat  ziehen,  dafs  deshalb  die  Citate  völlig 
ignoriert  werden  könnten. 

Fr.  Cauer,    Studien  zu  Theognis.     2.  Pseudotheognidea. 
PhiloL  49.     (1890.)     S.  662—668. 

In  dieser  Fortsetzung  seiner  Studien  behandelt  der  Verf.  die  Verse 
des  Tyrtäos,  Mimnermos  und  Solen,  die  im  Theognistext  wiederkehren. 
Es  zeigt  sich ,  dals  die  Hds.  des  Theognis  bisweilen  bessere  Lesarten 
geben  als  die  Schriftsteller,  aus  denen  wir  sonst  jene  Fragmente  kennen: 
jedoch  lassen  sich  auch  zahlreiche  Entstellungen  dieser  Fragmente  in 
den  Theognis-Hds.  nachweisen,  die  daher  rühren,  dals  man  sie  aus  ihrem 
ursprünglichen  Zusammenhang  rifs  oder  ihren  Inhalt  oder  ihre  Form 
nicht  verstand. 

Fr.  Cauer,  Studien  zu  Theognis.   3.    Dittographien.    Phi- 
lol. 50.     (1891.)     S.  529—544. 

Im  3.  Teil  seiner  Studien  bespricht  der  Verf.  die  bei  Tlieognis 
vorkommenden  Wiederholungen  mit  Rücksicht  auf  ihre  textki'itische 
Bedeutung,  berührt  sich  also  mit  H.  Jordan,  quaestiones  Theognideae. 
Index  lect. ,  Königsberg  1885.  Die  Entstehung  dieser  Wiederholungen 
erklärt  er  mit  H.  Schueidewin,  dessen  Ansicht  W.  Studemund,  wie  wir 
eben  sahen,  weiter  ausgeführt  hat.  Die  innerhalb  derselben  Abschnitte 
sich  wiederholenden  Verse  hält  er  mit  Th.  ßergk  für  sprichwörtliche 
Redensarten,  deren  Wiederholung  nicht  auffallen  könne;  doch  sieht  er 
sich  bei  Vv.  1095  —  6=  1161  —  2  selbst  gezwungen,  diese  Erklärung 
zu  Gunsten    der  Annahme,    mau    habe    durch  die  Wiederholung  dieser 


Griechische  Lyriker.  131 

Verse  eine  Lücke  ausfüllen  wollen,  aufzugeben.  Auch  bei  den  übrigen 
Versen  wird  man  mit  dem  sprichwörtlichen  Charakter  nicht  auskommen. 
Das  Distichon  1111—1112  möchte  er  aus  seiner  Stelle  oder  noch  lieber 
aus  dem  ganzen  Theognis  entfernen.  Sonderbar  ist  die  Erklärung,  die 
er  Vv.  597  —  8  =  1243  —  4  von  otiv  o-q  giebt;  er  möchte  nämlich  diese 
Worte  zu  V.  596  ziehen,  also  xopo«  |  8tiv  8tq.  Für  richtig  halte  ich  das 
Resultat,  zu  dem  er  bei  der  ganzen  Besprechung  gelangt,  nämlich  dafs 
H.  Jordan  zu  weit  gehe,  wenn  er  die  Lesarten,  in  welchen  die  zweite 
Fassung  der  wiederholten  Verse  von  der  ersten  abweicht,  durchweg  für 
grobe  Interpolationen  eines  Grammatikers  erklärt,  der  keine  andere 
Vorlage  gehabt  habe,  als  eben  jene  noch  vorhandene  erste  Fassung. 
Aufserdem  bemerkt  er,  wenn  der  Umfang  der  3.  Sammlung  (Vv.  1231 
— 1387)  nicht  zu  klein  wäre,  so  liefse  sich  vielleicht  der  Satz  aufstellen, 
dafs  der  Text  in  der  1.  Sammlung  (Vv.  1 — 1000)  besser  überliefert  ist 
als  in  der  2.  und  3.,  in  der  3.  besser  als  in  der  2.;  jedoch  sei  der  Text 
in  allen  3  Sammlungen  entstellt,  weniger  durch  Abschreibefehler  als 
durch  Mifsverständnisse,  durch  Beseitigung  vermeintlicher  formaler  An- 
stösse  und  durch  absichtliche  Änderung  des  Sinnes. 

M.  Schäfer,  De  iteratis  apud  Theognidem  distichis.  Diss. 
inaug.     Halle.     1891.     37  S.     8. 

Der  Verf.  behandelt  dieselbe  Frage,  wie  H.  Jordan  und  Fr.  Cauer. 
Hinsichtlich  des  Resultats  stimmt  er  mit  dem  ersteren  überein;  man  ver- 
gleiche S.  36:  hoc  comprobasse  videmur  omnium  intra  librum  a  et  ß' 
iteratorum  locorum  vix  unum  esse,  quo  Theognidea  carminum  forma  fidelius 
quam  priore  loco  servaretur,  und  S.  37:  discrepantias,  quae  inter  scrip- 
turas  archetyporum  et  iteratorum  versuum  recurrunt,  maximam  partem 
ab  arbitrio  eins  qui  iteravit  repetendas  esse.  Dafs  Fr.  Cauer  richtiger 
urteilt,  habe  ich  oben  angegeben. 

J.  La  Roche,  Studien  zu  Theognis.  Progr.  des  k.  k.  Staats- 
gymnasiums zu  Linz.  I.  Teil.  32  S.  8.  1891.  IL  Teil.  32  S. 
8.     1892. 

Nach  einer  kurzen  Einleitung  über  Zustand,  Entstehungszeit  und 
Zweck  unserer  Sammlung  behandelt  der  Verf.  zunächst  „Metrisches", 
dann  „Sprachliches",  Die  hier  gegebenen  Zusammenstellungen  ,  durch 
Sammlungen  aus  den  anderen  Elegikern  und  Dichtern  ergänzt,  sind  recht 
verdienstlich,  wenn  sie  auch  nicht  gerade  neues  bringen.  Seine  Vor- 
gänger auf  diesem  G-ebiet  nennt  der  Verf.  nicht,  und  es  mufs  zweifel- 
haft bleiben,  ob  er  sie  überhaupt  gekannt  und  benutzt  hat.  Hierauf 
geht  der  Verf.  dazu  über,  einen  Kommentar  zu  den  Versen  des  Theognis 
zu    geben,    der   in  den  vorliegenden  Heften  bis  zu  V.  358  gelangt  ist. 

9* 


132  Griechische  Lyriker. 

Was  sich  darin  neues  für  Erklärung  und  Kritik  hudei.  werde  ich  unten 
erwähnen. 

0.  Immisch,  Xenophon  über  Theognis  und  das  Problem 
des  Adels.  Commentationes  philologae  quibus  Ottoni  Ribbeckio  prae- 
ceptori  inlustri  sexagesimuin  aetatis,  magisterii  Lipsiensis  deciraum 
aunum  exactum  congratulantur  discipuli  Lipsienses.  Lipsiae,  B.  G. 
Teubner.     1888.     S.  72—98. 

Der  Verf.  sucht  zu  beweisen,  dal's  Xenophon  wirklich,  wie  Stobäos 
erwähnt,  ein  Buch  über  Theognis  geschrieben  habe ;  er  schliefst  dies  aus 
der  Geschichte  des  Problems,  des  Adels,  aus  Bezügen  polemischer  Art 
auf  jene  Schrift  des  Xenophon  und  endlich  aus  Stellen  und  der  Termi- 
nologie des  Xenophon  selbst.  Die  Frage,  warum  die  Schrift  verschollen 
sei,  beantwortet  er  damit,  dafs  er  sagt,  sie  sei  anonym  veröffentlicht 
worden.  Das  Vorwort  dieser  anonymen  Schrift,  gewissermal'sen  den  Er- 
satz für  den  fehlenden  Titel,  findet  er  in  Theognis  19—22,  die  er  von 
23  flg.  trennt  und  wegen  p.£v,  -5?  ti;  und  cro^i^cjiVai  dem  Theoguis  ab- 
spricht. Er  erklärt:  „Kyrnos,  es  soll  zwar  mir  bei  meiner  Erörterung 
das  Siegel  des  Schweigens  auf  diesem  Gedichte  liegen,  heimlich  be- 
stohlen  aber  wird  es  niemals  werden"  —  was  sicli  natürlich  auf  Antisthenes 
Diorthosen  bezieht;  noch  deutlicher  im  folgenden:  „auch  wird  niemand 
das  Schlechtere  eintauschen,  wo  das  Bessere  zu  Gebote  steht.  So  viel- 
mehr wird  ein  jeder  sprechen:  von  Theognis  ist's  das  Gedicht",  d.  h. 
das  ist  der  uuentstellte  und  richtig  verstandene  Theognis. 
Dagegen  wendet  sich 

0.  Crusius,  Zu  Theognis.  Rhein.  Museum 43.  (1888).  S.  622 
—625. 

Er  weist  die  Hypothese  0.  Immischs  mit  Recht  zurück.  Das 
von  H.  Usener  gegen  t.Z^  tic  erhobene  Bedenken  sprachlicher  Natur 
anerkennt  er,  hält  aber  mit  demselben  Gelehrten  die  Konjektur  J.  Bruns: 
a)0£  o'  r/asTo?  epet  für  überzeugend.  Dafs  diese  Änderung  unnötig  ist, 
zeigt  Fl.  Weigel,  der  in  der  oben  angeführten  Dissertation  auf  Selon 
27,  7  und  Theognis  621  verweist  und  aulserdem  das  homerische  et;  xic 
A  144  vergleicht.  Nicht  billigen  kann  ich  es,  wenn  0.  Crusius  Vv.  23  flg. 
mit  Vv.  19—22  verbinden  will;  Inhalt  und  Sprache  sind  dagegen,  und 
daraus,  dafs  Stobäos  jetzt  vor  der  Xenophonstelle  die  Worte  öeo-pnoü; 
e^T'.v  err)  toö  Mevapsoj;  hat,  folgt  nicht,  dafs  er  xou  Ms^apew?  auch  ge- 
schrieben, geschweige  denn,  dafs  er  es  bei  Xenophon  gefunden  hat. 
Gegen  die  Ansicht,  dal's  K'jpvs  die  3cppr,7ic  sei,  bemerkt  er,  sie  sei  sprach- 
lich nicht  zu  rechtfertigen  und  aucli  saclilich  bedenklich,  da  doch  ledig- 
lich durch  die  Namensnennung  der  angedeutete  Zweck  des  Dichters  er- 
reicht werden  könne.    0.  Immisch  1.  1.  S.  95  Anm.  1  sagt  mit  Berufung 


Griechische  Lyriker,  I33 

auf  Lehrs  quaestioues  epic.  p.  325,  es  müsse  Kupvoc  heifseu.  Es  ist 
dies  ein  Irrtum;  denn  nicht  das  deklinierbare  Kupvoc  ist  die  a^pYj^i?, 
sondern  das  undeklinierbare  Wort  Küpvs;  attisch  würde  es  heiisen:  to 
KupvE  <J9pT]7lc  £-r/.£tj8(u.  Was  ferner  den  Einwand  anlangt,  dafs  der 
Dichter  seinen  Zweck  nur  durch  Namensnennung  erreichen  konnte,  so 
ist  dies  richtig;  aber  das  gesclileht  ja  auch,  da  er  ja  ausdrücklich  sagt, 
die  mit  dem  Siegel  Kupvs  versehenen  Verse  seien  von  Tiieognis.  Wenn 
man  glaubt,  die  einmalige  Nennung  des  Namens  Theognis  wäre  zur 
Sicherung  des  Eigentumsrechtes  hinreichend  gewesen,  so  übersieht  man, 
dafs  wir  es  hier  nicht  mit  einem  einheitlichen,  in  sich  festgeschlossenen 
Ganzen  zu  thun  haben,  sondern  mit  einer  grofsen  ßeihe  selbständiger 
Gedichte;  jedes  von  diesen  mufste,  wenn  es  vor  Entwendung  sicher  sein 
sollte,  seine  acppiriYis  haben,  ganz  so  wie  es  Demodokos,  Phokylides  u.  a. 
gethan  haben.  Man  verweist  bei  der  a9pYj7tc  so  gerne  auf  die  Nomen- 
dichter; aber  haben  nicht  auch  diese  jedem  Nomos  eine  ^^pr^-(ii  ge- 
geben? In  der  Erklärung  von  V.  21  stimme  ich  0.  Crusius  bei:  „nie- 
mand wird  ein  schlechteres  Gedicht  eintauschen  füi'  ein  besseres,  d.  h. 
niemand  wird  geringere  Dichtungen  hören  oder  lesen  wollen,  sondern  ttöE? 
Ti?  spsT:  Das  sind  Dichtungen  des  hochberühmten  Theognis  von  Megara, 
die  ziehe  ich  vor." 

V.  4.  La  Roche  I  S.  31 :  „wenn  schon  durchaus  geändert  werden 
müfste,  so  wäre  vielleicht  ocsoixai  •  aXXa  au  [xoi  vorzuziehen". 

51.  La  Eoche  II  S.  8:  „besser  wäre  Ix  -^ap  twv"  st.  iv.  twv  ^ap; 
ich  glaube  kaum,  dafs  jemand  beistimmen  wird. 

60.  Fr.  Cauer  Piniol.  50  (1891)  S.  529  flg.  erklärt:  „sie  kennen 
weder  der  Edlen  noch  der  Gemeinen  Weistüraer",  woraus  er  dann  den 
Schlufs  zieht,  dafs  die  y.axoi  schon  vor  der  Revolution  Anteil  an  der 
Rechtsprechung  hatten;  aber  vgl.  54:  irpojO'  ouxe  Sixa?  i^Ssaav  ouxe  vojxouc 
Aufserdem  pafst  Fr.  Cauers  Erklärung  nicht  zu  V.  59.  Der  Redaktor 
von  V.  1114  setzte  für  7vcu[xa?  das  Wort  [xvTr]jXY]v,  weil  er,  wie  Fr.  Cauer 
meint,  die  technische  Bedeutung  jenes  Wortes  nicht  verstand.  La  Roche 
II  S.  8  läfst  es  unentschieden,  ob  dt-^aötuv  und  xaxcuv  männlich  oder  säch- 
lich ist. 

69.  La  Roche  I  S.  14  vermutet  ßouXeuso  avSpt  st,  ßouXeus  auv 
dvopi  unter  Verweisung  auf  1351:  rsiöso  avopr.  denn  nur  das  Medium, 
nicht  das  Aktiv  habe  die  Bedeutung  „sich  beraten".  Aber  ßouXsuciv 
heifst  hier  „Rat  pflegen,  beraten",  wie  bei  allen  Dichtern  von  Homer 
an;  vgl.  unter  den  Elegikern  Phokyl.  8,  1.  Ebenso  sagt  Thuk.  VI  18,  6: 
a[jLa  VEoi  ^epaiTspoi?  ßouXsu'ovts?  und  Soph.  0.  R.  606:  tco  ■zs.pa.cy.o-io  .  .  . 
xotvT]  Ti  ßooXeu5av-a.  Wollte  man  also  ändern,  so  läge  ßouXsus'  ajx'  dvopi 
nahe;  denn  der  Begriff  „mit"  kann  nicht  entbehrt  werden,  wie  V.  71 
zeigt. 


134  Griechische  Lyriker. 

71.     La  Roche    11  S.   9    möchte    |j.£t    ssOXoü  etuv  st.  p-er    eaöXov 
t(üv  lesen ;  aber  die  Überlieferung  ist  anschaulicher,  näher  ausgeführt  in 

100.  La  Roche  U  S.  12:  „(fpa^so  bedenke;  besser  scheint 
ßdtXXeo";  diese  Änderung  ist  unnötig,  vgl.  z.  B.  Herod.  184:  icppaa&r] 
xal  £;  i)u|JLov  eßdcXsTO. 

106.  La  Roche  1.  1.:  „vielleicht  ist  xoi  (st.  xai)  zu  schreiben, 
oder  ist  Ijov  y.al  analog  mit  aeque  acV*    Das  letztere  ist  richtig. 

154.  La  Roche  II  S.  16  vermutet  avSpiuTicüv  otsco  \).T^  xxX.  Der 
Pentameter  ist  jetzt  durch  Aristoteles  'Aftr^vaiojv  -oXi-sia  richtig  gestellt: 
av9pa)-ot3iv,  o3otc  fj-r]  xxX.,  Vgl.  oben  Solon  am  Ende. 

159  flg.  führt  0.  Crusius  Rhein.  Museum  43  (1888)  S.  625  auf 
eine  sprichwörtliche  Redensart  zurück,  füi"  die  unsere  Pai'ömiographen 
freilich  nur  entferntere  Analogien  bieten.  Auch  in  dem  Eingang  des 
Distichons  \i.rfzoTs.,  Kupv  ,  d^opöEjftai  l'-os  ixE/a  stecke  die  volkstümliche 
Lebensregel  [xf,  (xr/a  Xe-j's.  Dabei  bemerkt  der  Verf.,  dafs  sprichwört- 
liche Wendungen  ein  charakteristisches  Element  des  derben  theogni- 
deischen  Stiles  seien,  vgl.  106  (j-eipeiv  -ovxov),  215  (tto'jXu-ou  'JpYTjv 
taye),  421  (-j'Xcüjjt)  öupat  oux  iTcixEivxai). 

171  vermutet  El.  W  ei  gel  in  der  oben  angeführten  Dissertation 
Oeoi?,  K'j'pv,  t'jyto,  dsoistv  zru  xpaxo?;  unwahrscheinlich. 

193.  E.  Hiller  in  der  praefatio  seiner  Ausgabe  ist  mit  Bergk 
der  Ansicht,  dafs  vor  diesem  Vers  einige  Disticha  ausgefallen  sind  und 
dafs  au-o?  vom  „breviator"  herrührt;  der  Dichter  schrieb  vielleicht:  Cc 
o-q  TOI  xautTjV  xxX.  Sinn:  propter  hominum  nobilium  paupertatem  saepe 
iam  fit,  ut  mulier  ignobilis  viro  nobili  uubat,  o?  orj  xoi  xxX. 

197.  La  Roche  II  S.  20:  yprjixai)"  'd  |x£v,  so  dafs  zapfxovtixov  und 
xaxov  substantivierte  Neutra  sind;  wenig  wahrscheinlich. 

216  glaubt  E.  Hill  er  1.  1.  würde  vielleicht  richtiger  TrpojoixiXv^jet 
st.  -po70!xtXTjj-(i  geschrieben  und  ähnlich  auch  sonst  unter  Verweisung 
auf  Bragmann,  griech.  Gram.  §  142,  1.  Aber  solche  Verkürzungen  sind 
den  Elegikern  fremd.  La  Roche  II  S.  22  konstruiert  Sc  xtj  ttoxI -expr; 
7:po7oixiAr^7/)  „der  dort,  wo  er  sich  an  den  Felsen  angeschmiegt, 
angeklammert  hat".  Richtiger  ist  die  gewöhnliche  Interpunktion:  Sc  ttoxi 
-£xp7),  xt;  -po30|j..  „der  am  Felsen,  an  den  er  sich''  etc. 

230.  La  Roche  11  S.  23:  dvrjxoTj  ot'fpoau'vTjv  7:ape-/et  oder  ypiQ- 
\).'i'j<.  xoTj  dvrjTotc,  beides  unnötig,  da  die  Überlieferung  völlig  genügt. 

236.  La  Roche  1.  1.:  Ku'p-/  dtXueiv  iroXet  sv  rA'c/u  aX.,  worin  er 
(JX'Jciv  mit  „ausgelassen  sein*  erklärt,  was  das  Wort  ohne  weiteres  nicht 
heifsen  kann.  Aufserdem  mifsfällt  die  metrische  Beschaffenheit  und  die 
Freiheit,  mit  der  der  Verf.  mit  der  Überlieferung  verfahi-en  ist. 

238  erklärt  La  Roche  ästpafievoc  mit  „sublatos";  dafs  dcetpa^öat 


Griechische  Lyriker.  135 

diese  Bedeutung'  nicht  hat,  habe  ich  N.  phil.  Kundschcau  1886  S.  68  ge- 
zeigt; a£ipo(ji,evoc  ist  richtig. 

249  tritt  0.  Crusius  Rhein.  Museum  43  S.  627  %.  mit  Reclit 
für  die  Überlieferung  ein.  „Die  Pferde,  von  denen  der  Dichter  redet, 
müssen  über  Land  und  Meer  hinfliegen  können,  d.  h.  es  sind  Wunder- 
tiere des  Mythus,  bei  denen  liistorische  Bedenken  wegen  der  "Worte  vci- 
Toijiv  ecpT^ixevo?  durchaus  unangebracht  sind".  Die  angeführten  Beispiele 
lassen  sich  vermehren  durch  Hinweis  auf  die  Rosse  des  Erichthonios 
Hom.  r  219  flg.,  vgl.  auch  N  29  flg. 

252.  E.  Hiller  1.1.  nimmt  die  Überlieferung:  ocpp'  av  jl)  xe  xxX. 
in  Schutz;  denn  -q  könne  leicht  aus  lasY)  ergänzt  werden,  wofür  er  auf 
V.  859  und  E.  Kühner,  griech.  Gramm.  §  354  Anm.  2  verweist.  Mir 
erscheint  dies  zweifelhaft.  La  Roche  I  S.  22  schlägt  vor:  isjsat  o'fp' 
av  er],  ohne  öjjlw?,  was  man  nicht  billigen  kann. 

253  schreibt  E.  Hiller  ia  der  neuen  Ausgabe  der  Anthologia 
lyrica  mit  Camerarius  iTitTu-f/avcu  st.  ou  tuY/avüi;  aber  so  hat  das  folg. 
dXXa  keine  Beziehung:  man  müsste  noch  mit  Cobet  ou3'  zwischen  £7cb 
und  oXqy)?  einreihen.  Auch  La  Roche  II  S.  24  nimmt  an  ou  Anstofs; 
er  will  vüv  schreiben,  wie  schon  Cobet  vermutete,  und  das  folg.  dXX'  in 
xat  [L  ändern  mit  Streichung  von  ]x'  nach  X6701?.  Diese  Änderungen 
führen  zu  weit  von  der  Überlieferung  ab,  um  wahrscheinlich  zu  sein. 
Ich  glaube,  der  Fehler  liegt  in  e^tov  oXqrjs,  für  das  vielleicht  e^o)  [xovi- 
[XY]?  zu  schreiben  ist;  zu  [j.ovi[xy]  vgl.  Anth.  Pal.  XII  224,  2.  So  hat  man 
auch  den  gewünschten  Gegensatz  zu  äizoLxy.^. 

255.  256  behandelt  Th.  Preger,  inscriptiones  Graecae  metricae, 
Leipzig  1891  S.  165  No.  209.  Er  glaubt  mit  E.  HiUer,  dafs  die  ur- 
sprüngliche Form  des  Distichons  in  der  Nikomachischen  Ethik  erhalten 
ist;  Eudemos  habe  aus  dem  Gedächtnis  citiert,  der  Sammler  der  Theo- 
gnidea  und  Stobäos  willkürlich  geändert. 

261  flg.  E.  Hiller  1.  1.  teilt  die  Meinung  Schneidewins,  dafs  nach 
V.  262  und  264  manches  ausgefallen  sei;  V.  263  ist  nach  ihm  „brevia- 
toris  culpa  deformatiis".  V.  264  vermutet  erTzoDeTst.  (oipei.  Was  damit 
gewonnen  sein  soll,  weils  ich  nicht. 

273.  La  Roche  II  S.  25  hält  xuiv  ttocvxojv  für  unrichtig,  indem 
er  auf  Hom.  8.  104:  xöiv  Trdvxwv  ou  xousov  ooupofxai  verweist.  Ich  glaube, 
gerade  mit  Rücksicht  auf  diese  und  ähnliche  Stellen  läfst  sich  xcöv  -av-wv 
wohl  erklären ;  xcSv  ist  =  xouxwv,  und  xwv  -dvxwv  bezieht  sich  auf  xd  fiev 
dXXa,  sc.  xaxd  —  nicht  „sonst",  wie  La  Roche  erklärt  —  zurück:  „im 
Vergleich  mit  aUem  diesem  aber"  u.  s.  w. 

275  möchte  La  Roche  II  S.  26  ~pi^-Q  x£  xal  .  .  .  rapdj/Tjc  än- 
dern, um  auch  hier,  wie  in  V.  276,  Konjunktive  zu  haben.  Ich  halte  es 
nicht  für  richtig,  unanstöfsige  Formen  nach  korrupten  zu  ändern,    und 


13(3  Griechische  Lyriker. 

ziehe  deshalb  V.  276:  yp^jj-a  6s  xaTÖsir];  vor.    La  Roche  schreibt:  ypTp 

288  schlägt  La  Eoche  II  S.  27  vor:  ec  ol  t6  acojai  toi  ttoXXov 
dvoX;^oT£pr„  sc.  roXtc,  d.  h.  zu  ihrer  eigenen  Rettung  ist  sie  weit  unge- 
schickter, zum  Tadeln  jedoch  gleich  bereit.  Dieser  Sinn  liegt  nicht  iu 
den  Worten;  aufserdem  nimmt  man  an  ~oi  Anstofs. 

289 — 294  möchte  Laßoche  11  S.  27  verbinden,  wie  ich  es  schon 
in  meiner  Ausgabe  gethan  habe:  aber  während  ich  unter  Xewv  das  zur 
Herrschaft  gelangte  Volk  verstehe,  dem  Sturz  in  Aussicht  gestellt  wird, 
bezieht  es  La  Roche  auf  die  Adelspartei,  der  „jetzt  die  Fleischtöpfe 
weggerückt  wurden".  In  dieäem  Fall  ist  eine  unmittelbare  Verbindung 
mit  dem  Vorhergehenden  anmöglich. 

290.  E.  Hiller  1.  1.  vermutet  avopaj'.v  st.  avoptuv,  wenig  wahr- 
scheinlich. 

328.  E.  Hiller  I.  1.:  „övY]Tor?  falsum  supplementum  esse  suspi- 
cor;  exspectes  rSitv";  aber  während  za^iv  ganz  mülsig  ist,  ist  OvyitoT? 
als  Gegensatz  zu  dsol  6s  xtX.  kaum  entbehrlich.  Auch  die  weitere  Ver- 
mutung E.  Hillers  iSsXouj'  acpEXsTv  st.  irisXouji  cpepsiv  kann  ich  nicht 
billigen.  Der  Sinn  ist:  „die  Menschen  werden  von  Fehlern  heimgesucht, 
die  Götter  sind  davon  frei".  Zu  ^pspsiv  vgl.  Antiphons,  ß,  10.  11  und 
3,  6,  8. 

345.  La  Roche  1131  will  statt  v^j-iv,  weil  darauf  gar  kein 
Nachdruck  liegt,  rjtxiv  schreiben,  eine  äulserst  zweifelhafte  Form.  Oder 
liegt  ein  Druckfehler  st.  rjxiv  vor? 

347.  0.  Cr  US  ins  Rhein.  Mus.  48  S.  625  flg.  tritt  für  die  Über- 
lieferung y.'jcjv  ein.  Unter  Beiziehung  von  Horaz  Ep.  I  2,  40  flg.  gewinnt 
er  folgende  Fabel:  „ein  Hund  ging  durch  eine  ausgetrocknete  Schlucht; 
später,  wie  er  zurück  wollte,  hatte  ein  Gielsbach  sich  hinein  ergossen 
[und  er  glaubte,  nun  warten  zu  müssen,  bis  das  Wasser  sich  verlaufen 
habe],  oder  [er  glaubte,  am  einfachsten  hinüberzukommen,  wenn  er  das 
Wasser  austränke]".  Die  letztere  Fassung  der  Fabel  könnte  man  nach 
dem  Verf.  vielleicht  aus  ai|j.a  -letv  folgern.  Auf  Theoguis  angewandt, 
heifst  dies:  „wähi-end  einer  Reise  des  Dichters  sind  schlimme  Dinge  vor 
sich  gegangen,  die  seine  Rückkelu-  immöglich  machten.  So  konnte  er 
sagen:  mir  geht  es  wie  dem  Hunde,  der  über  eine  trockene  Schlucht 
ging,  und  nachher  durch  den  wieder  angeschwollenen  Giefsbach  sich  ab- 
gesclmitten  sah.  Damit  bekäme  auch  der  meist  wegkorrigierte  Dativ 
yetjxappü)  zoTajj-w  die  zu  erwartende  instrumentale  Bedeutung;  nur  mülste 
ravT'  (-—  TavTw;)  a-ojeuajxövoj  dem  erschlossenen  Sinn  angepafst  werden, 
etwa  durch  die  Kjt.  t..  dc-oxXrjoixevoj".  Aber  würde  dies  den  verlangten 
Sinn  geben?  Mülste  es  nicht  heifsen:  i-^w  ok  .  .  rspi^tjas  yapaopiriv  vüv 
.  .  .  dt-oxX7)0[j.cti  ? 


Griechische  Lyriker.  137 

362.  E.  Hiller  1.  1.  möchte  unter  Verweisung  auf  G.  Meyer, 
griech.  Gramm.  §  493  a-otstvujxevo'j  schreiben. 

425.  W.  Hörschelmann  N.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Päd.  143.  Bd. 
(1891)  S.  578—82  führt  aus,  dafs  Theognis  -avxwv  ij.£v  [xtj  ^uvai  xxX. 
schrieb,  wie  man  auch  allgemein  annimmt;  die  Lesart  (ipxTjv  jxev  Y.-1. 
finde  ich  nur  in  der  kürzeren  hexametrischen  Fassung.  Die  Worte  iravTcav 
y.xX.  erklärt  er:  „das  allerbeste"  =  das  absolut  beste,  ap/r^v  dagegen  „zu 
allererst"  =  bevor  mau  geboren  ist.  Die  Schreibung  apyrjv  st.  iravTcov  in 
dem  theognideischen  Verse  komme  zuerst  bei  Alkidamas  vor,  aus  dessen 
Museion  sie  Stobäos  citiert;  sie  sei  eine  rhetorische  ümmodelung. 

490.  A.  Fick,  Beiträge  zur  Kunde  der  indogermanischen  Sprachen 
Xin  (1888)  S.  173  flg.  vermutet  dew  st.  OeoT?,  weil  die  Altias  Osotst 
verlangen  würde.  Der  Sinn  fordert  jedenfalls  den  Plural,  und  auch  an 
der  Form  braucht  man  keinen  Anstols  zu  nehmen.  A.  Fick  schreibt  die 
Verse  dem  Euenos  zu;  mit  Recht,  wie  Sprache,  Metrik  und  Inhalt  zeigen. 

547.  E.  Hill  er  1.  1.  vermutet  toi  st.  treu  unter  Verweisung  auf 
V.  113.  155;  wenig  wahrscheinlich. 

621.  J.  Mähly,  Blätter  f.  d.  bayr.  Gymnasialschulw.  25.  Bd. 
(1889)  S.  229  vermutet:  xisi,  -svt/pov  ös  t  dTt^ei,  da  er  nicht  an  die 
Richtigkeit  von  axisi  glauben  kann.  Dieses  Wort  steht  aber  auch  Orph. 
Lith.  62.     Vgl.  aufserdem  den  vorigen  Jahresb.  Bd.  LIV  (1888)  S.  150. 

661  nimmt  E.  Hiller  in  der  neuen  Auflage  der  Anthologia  lyrica 
nach  xal  rpYJ^at  [xlvroi  xi  mit  Th.  Bergk  eine  Lücke  an.  Ich  würde 
lieber  schreiben :  olaiv  lusaxi  xeXoc  |  xal  irpr^li?  •  Oa'jxa  xoi  xi  xal  ix  xaxoü  xxX. 

745.  E.  Hiller  1.  1.  vermutet  xeXewv  st.  xaxr/wv;  aber  wo  findet 
sich  uTCepßaciiYiv  xsXsTv?  Wenn  man  xaxeycuv  nicht  für  ein  nachdrückliches 
eyiuv  halten  will,  so  liegt  uox'  r/wv  nahe,  das  E.  Hiller  im  vorigen 
Jahresbericht  1.  1.  S.  151  ohne  Angabe  von  Gründen  und  mit  Unrecht 
für  keine  passende  Verbindung  erklärt:  „ohne  irgend  einen  Übermut 
jemals  zu  zeigen". 

762.  E.  Hiller  1.  1.  vermutet:  a-ovoTJatv  6^  Osou?  <'Kp(Lxov> 
ap£(j(ja'[jL£voi  st.  r,[X£tc  oh.  aiiovoa?  d£oiJiv  ap£jc;a[jL£voi,  gewfs  keine  leichte 
Änderung;  aufserdem  auch  insofern  unangemessen,  als  man  qixtXi  ok  im 
Gegens.  zu  cpopij-q;  6'  au  nicht  entbehren  kann.  Ich  glaube,  es  genügt, 
wenn  man  dEoTat  ■/api3ja'}i.£vot  schi'eibt. 

817.  E.  Hiller  1.  1.  schlägt  vor:  Kupv',  £|x-n:vi?  xoöe  [xoipa -aihiv 
ouö'  E(3&'  uTaXuEac  St.  Kupv ,  £|jltiy];  oxt  [j-olpa  raÖEtv,  oux  'hW  u.,  allein  SO 
Wäre  das  zweite  oxi  8s  iioTpa  r.abth  unnütz  und  die  beabsichtigte  Wieder- 
holung derselben  Worte  beseitigt.  Meiner  Meinung  nach  ist  die  Über- 
lieferung richtig:  „seinem  Schicksal  kann  man  nicht  entrinnen;  mein 
Schicksal  erleide  ich  ohne  Furcht". 


138  Griechische  Lyriker. 

821.  Fl.  AVeigel  in  der  oben  angeführten  Dissertation  spricht 
sich  gegen  die  Tmesis  hzo  .  . .  atiixa^ouui  aus;  E.  Hiller  in  seiner  Aus- 
gabe schreibt  mit  Härtung  o"  v.aTa7irjpa!jy.ovTac.  Ich  lialte  an  der  Tmesis 
fest;  a7:aTt[j.aCeiv ,  das  hier  dem  Sinne  nach  sehr  gut  palst,  findet  sich, 
wie  Th.  Bergk  bemerkt,  bei  Äschylos;  aber  auch  schon  Homer  hat 
a-aTijxaw  N  113;  aTioYripaaxiu  scheint  mir  seiner  Bedeutung  nach  nicht 
zu  passen. 

969.  Fl.  Weigel  1.  1.  spricht  sich  gegen  die  Annahme  einer 
Tmesis  in  y.axa  rAvxa  3a-^vai  aus,  da  xa-raoa-^vai  nicht  vorkomme;  zu 
yt.o.-T.  zavxa  vergleicht  er  Thuk.  IV  81.  Plat.  Tim.  p.  30  D.  Der  Gebrauch 
von  y.aTa  Travxa  an  unsererr  Stelle  ist  aber  doch  etwas  auffällig.  Wer 
daher  vor  der  Tmesis  zurückschreckt,  tlmt  wohl  besser,  y.axa  in  y.ai  zu 
verwandeln:   „ganz  vollständig". 

1015.  E.  Hiller  1.  1.  schreibt  mit  J.  Pomptow:  G-oßXr|&-7jvai  st. 
uTiep^TJvai  T:ep.  Ich  bin  für  die  Überlieferung  eingetreten  N.  Jahrb.  f. 
Phil.  u.  Päd.  1887  S.  169  flg.  E.  Hiller  im  vorigen  Jahresbericht  1.  1. 
S.  153  giebt  zu,  dafs  Tix^iai  transitiv  stehen  könne,  wendet  aber  ein,  es 
wäre  doch  sehr  seltsam,  wenn  der  Dichter,  indem  er  Kampf  mit  den 
Feinden  und  Treulosigkeit  (?)  der  Freunde  als  Übel  des  Lebens  hinstellt, 
den  Sieg  über  die  Feinde  und  nicht  das  doch  ebenso  gut  mögliche  Unter- 
liegen hervorheben  würde.  Ist  es  aber  nicht  ebenso  seltsam,  wenn  nur 
vom  Unterliegen  gesprochen  wird?  In  Wirklichkeit  wird  weder  von  dem 
einen  noch  dem  anderen  gesprochen,  sondern  nur  gesagt:  glücklich  ist, 
wer  stirbt,  ohne  in  die  Lage  gekommen  zu  sein,  seine  Feinde  besiegen 
und  seine  Freunde  erproben  zu  müssen".  Wenn  E.  Hiller  weiter  be- 
merkt, TTsp  könne  nach  den  Gesetzen  der  Wortstellung  nicht  mit  Ttpiv 
verbunden  werden,  so  übersieht  er,  dafs  er  einen  Dichter,  keinen  attischen 
Prosaiker  vor  sich  hat;  auch  Homer  trennt  irep  öfter  von  der  Konjunktion. 
Eigenartig  fal'st  Fl.  Weigel  1.  1.  die  Stelle;  er  schreibt  nämlich  uap' 
ava-i'ZTjv,  das  er  mit  „nulla  re  cogente"  erklärt,  fal'st  Trxfj^ai,  wie  bei  Aesch. 
Prom.  187:  htzOo.^  7rxr,^a?,  und  u-epß^vai  im  Sinne  von  „peccare".  Ich 
kann  daraus  keinen  in  den  Zusammenhang  passenden  Gedanken  gewinnen. 

1058.  E.  Hiller  1.  1.  schreibt  recht  passend:  [j,eXo[X£v  6'  aixcpnre- 
pixxioaiv,  nachdem  Ahrens  schon  mit  ixsXeijlev  vorausgegangen  war, 

lOGG.  E.  Hill  er  1.  1.  schreibt  yp-^jx  st.  xi  oder  xot,  das  A  aus- 
läfst.    Damit  ist  nichts  gebessert. 

1133.  In  meiner  Ausgabe  erklärte  ich  -apoüai  cpiXotcji  mit  „adiu- 
vantibns  amicis"  und  y.ay.oü  ^.p/r^  mit  „dominatio  hominis  a  plebe  ad 
regnum  elati,  tyrannis".  Löv  stimmt  mir  bei,  vgl.  vorigen  Jahresbericht 
1.  1.  S.  154.  E.  Hiller  erklärt  den  Dativ  Ttapouat  91X0131  in  diesem  Sinne 
für  unstatthaft;  er  hätte  R.  Kühner,  gr.  Gramm.  II  S.  378  nachlesen 
sollen.    Seine  eigene  1.  1.  vorgetragene  Erklärung  ist  gesucht  und  scheitert 


Griechische  Lyriker.  139 

vollends  an  -apoiiat,    das  er  deiktisch  fassen  mnl's,   d.  h.  das  vom  Sinn 
nicht  gefordert  wird. 

1139.  E.  Hiller  1.  1.  schlägt  vor:  h  dvopasiv  ouol  [ießatoi  st.  h 
dvöptuTToicji  öixaiot,  Vgl.  vorigen  Jahresb.  1.  1.  S.  154.  Ich  habe  in  meiner 
Ausgabe  oUonoi  in  ot'xai  xe  geändert  und  halte  auch  jetzt  noch  daran  fest ; 
dals  dies  richtig  ist,  zeigt  die  Ausführung  des  Verses  in  1140—42; 
1140 — 41  nämlich  erklärt  opxoi,  1141 — 42  or/.at;  um  Eid  und  Recht- 
sprechung ist  es  geschehen.  E.  Hillers  Vermutung  ist,  von  allem  anderen 
abgesehen,  eine  lästige  Tautologie. 

1172.  E.  Hiller  in  seiner  Ausgabe  schreibt:  av&ptuTro?  7V(u|jl7] 
xtX. ,  vgl.  vorigen  Jahresbericht  1.  1.  Dadurch  zerstört  er  die  ohne 
Zweifel  beabsichtigte  und  sehr  wirkungsvolle  Anaphora  7vu)|xt]v  und  ^vcijjLr]. 
Irrig  ist,  dals  gegen  die  Lesart  dv9pcuT:ots  •  ^vcufjLr]  xtX.  die  Stellung  von 
dv9pcu-o[?  am  Anfang  des  Pentameters  spreche;  ähnliches  findet  sich  bei 
Theognis  nicht  selten,  vgl.  z.  B.  290. 

1203.  E.  Hiller  1.  1.  vermutet:  ouöek  ouff  utt'  £[X£Ü  xsxXaucjexat 
OUT  £-1  T.  x-X.,  was  doch  wohl  nur  möglich  wäre,  wenn  entweder  xöxXau- 
a£tat  ein  Partizip  oder  oiij-oydsi;  ein  Verb,  finit.  wäre;  da  dies  nicht  der 
Fall  ist,  so  ist  ouo'  ganz  an  seinem  Platze;  in  oux  £Tfx'  ouo'  am  Anfang 
steckt  eine  nachdrückliche  Verneinung. 

1249.  E,  Hiller  in  der  Ausgabe  der  Anthol.  I3T.  schreibt  mit 
Emperius:  cju  \xh  auff  <L?  utuo?,  wovon  ihn  schon  das  folg.  a59i?  hätte 
abschrecken  soUen. 

1257.  U.  von  Wilamowitz-Möllendorff,  Commentariolum 
gram.  IV.  Index  lect.  Göttingen  1889/90  S.  25/26  schlägt  6[xoioT  st. 
6[jLoToc  vor,  und  E.  Hiller  nahm  dieses  in  den  Text  auf.  Bei  dieser  Emen- 
dation  nehme  ich  an  dem  folg.  ^i'X-rjv  Anstofs,  für  das  ich  91X0;  erwarte; 
denn  der  Accus,  der  Beziehung  hat  sonst  keinen  ähnlichen  Zusatz. 

1277.  Fl.  Weigel  in  der  öfter  genannten  Dissertation  vermutet 
xaxd  7^v  st.  xaxd  ^yJs;  unrichtig,  da  Eros  über  die  Erde  hin  fliegt. 

1310.  E.  Hiller  1.  1.  vermutet  XcU^aXEYj  xaxoxY]?  st.  TüatoaioT], 
was  kaum  Billigung  finden  wird. 

1351.  J.  Mähly,  Blätter  f.  d.  bayr.  Gymnasialw.  25.  Bd.  1889. 
S.  229  schlägt  e^exocxyiv  st.  ilzoa.ii-i]y  vor.  Ich  kann  E^exaxYjv  mit  dem  Inhalt 
der  Verse:  TratöocpiXEiv  oe  xi  x£p-v6v  nicht  in  Einklang  bringen;  am  besten 
erscheint  mir  bis  jetzt  E^scpavYjv  vgl.  1344. 

Zum  Schlufs  erwähne  ich 

Theognis.  Elegie  e  sentenze  tradotte  in  endecasillabi 
sciolti  italiani  (carmi  e  pensieri  morali  e  politici)  per  A.  Arro. 
Alba,  Sansoldi.     8. 


140  Griechische  Lyriker. 

Äscliylos. 

Fragm.  1.  E.  Hiller,  Pliilologus  48  (1889)  S.  243  flg.  spricht 
die  Ausicht  aus,  dafs  sich  aus  Plut.  quaest.  symp.  I  10,  3  p.  628  die 
Existenz  eines  besonderen  äschyleischen  Gedichts  auf  die  Schlacht  bei 
Marathon  nicht  entnehmen  lasse;  denn  Th.  Bergks  Änderung  der  Worte 
TTiv  [xeöopi'av  in  tt,v  MapaOwvtav,  sc.  jj-a/yiv,  sei  sehr  zweifelhaft.  Hiller 
selbst  hält  xrjv  {isöopiav  für  eine  Randbemerkung  zu  dem  später  folgenden 
KiöaipöSva,  die  an  falscher  Stelle  in  den  Text  geraten  sei.  Mir  erscheint 
Th.  Bergks  Ansicht  wahrscheinlicher. 

Fragm.  5  behandelt  .Th.  Preger,  inscriptiones  Graecae  metricae 
S.  37  No.  42.  Er  w^eist  Welckers  Vermutung,  dafs  der  erhaltene  Vers 
einer  Grabschi-ift  auf  die  bei  Marathon  gefallenen  Athener  angehört 
habe,  zurück  und  schliefst  aus  dem  dorischen  Dialekt,  dafs  es  eine  In- 
schrift auf  einen  Dorier  gewesen  sein  müsse. 

Fr.  4  bespricht  derselbe  1.  1.  S.  34  No.  39.  Er  ist  mit  anderen 
der  Ausicht,  dafs  Äschylos  diese  seine  Grabschrift  nicht  wohl  selbst  ge- 
dichtet haben  könne;  dagegen  spreche,  dafs  der  Biograph,  Plutarch  und 
Eustratios  über  den  Verfasser  schweigen,  und  dafs  Äschylos  zu  seinen 
Lebzeiten  nicht  gewufst  habe,  dafs  er  von  den  Bewohnern  von  Gela  auf 
Staatskosten  werde  bestattet  werden.  Ich  glaube  kaum,  dal's  diese  Gründe 
genügen,  das  ausdrückliche  Zeugnis  des  Atheuäos  und  Pausanias  zu 
entkräften:  denn  das  erste  ist  ein  Schlufs  ex  silentio,  und  was  das  zweite 
betrifft,  so  ist  es  doch  nicht  undenkbar,  dafs  Äschylos  in  Gela  noch 
vor  seinem  Tode  die  Verse  dichtete,  sei  es  auf  Wunsch  der  Stadt  oder 
eines  Freundes,  der  ihn  von  der  Absicht  der  Geloer  unterrichtete. 

Sophokles. 

4,  2  vermutet  W.  Headlam  Journal  of  Philology  XX  S.  306  flg. 
cptXoüvTt  xopr^v  st.  (piXoüvö'   ixspav;  wohl  richtig. 

Ion. 

F.  Allegre,  de  lone  Ohio.  Thesis.  Paris,  Leroux.  1890. 
IV,  114  S.     8. 

Der  Verf.  behandelt  das  Leben  und  die  Werke  des  Ion  von  Chios. 
Die  Sammlung  des  einschlägigen  Materials  zeigt  viel  Fleifs  und  die  Be- 
sprechung der  damit  zusammenhängenden  Fragen,  in  die  der  Verf. 
Schilderungen  der  politischen  und  sozialen  Zustände  jener  Zeit  ein- 
flicht, gesundes  Urteil  und  Besonnenheit;  neues  wird  jedoch  darin  nicht 
geboten.  Die  Geburt  des  Ion  setzt  der  Verf.  490—484,  seine  erste 
Ankunft  in  Athen  also  476—470.  Nicht  billigen  kann  man  es,  wenn 
er  im  Widerspruch  gegen  Welcker  glaubt,  die  Athener  hätten  ihn  Sohn 


Griechische  Lyriker.  141 

des  Xuthos  wegen  der  Gleichheit  seines  Namens  mit  dem  ihres  gefeierten 
Stammheros  genannt,  und  mit  Berufung  auf  C  I  Gr.  2214  die  Ansicht 
ausspricht,  dieser  Name  sei  dann  fortan  von  seiner  Familie  festgehalten 
worden.  Über  die  elegische  Dichtung  des  Ion  handelt  das  2.  Kapitel; 
der  Verf.  schreibt  die  Inschrift  auf  Kimon  mit  Kirchhoff  dem  Ion  zu, 
ohne  die  dagegen  vorgebrachten  Gründe  und  die  Ansichten  anderer 
zu  erwähnen.  Ion  1,  12  versteht  er  falsch;  ebenso  Theognis  477.  Über 
den  Dithyrambus  und  die  sonstigen  lyrischen  Gedichte  des  Ion  wird  im 
5.  Kapitel  gesprochen.  Zum  Schlufs  werden  die  Fragmente  unseres 
Dichters  abgedruckt,  und  zwar  die  elegischen  und  lyrischen  aus 
Th.  Bergk. 

1,  1  schreibt  E.  Hiller  in  der  neuen  Auflage  der  Anthologia 
lyrica:  8v  <Tc6pe>  ftupaocpopo?  xtX.  ,  um  den  Vers  zu  vervollständigen. 
Derselbe  nimmt  nach  V.  3  eine  Lücke  an,  wie  mir  scheint,  ohne  Not, 
da  man  zu  ai  ts  rJavsXXr^vwv  xtX.  leicht  zhi  „finden  statt"  ergänzen  kann, 
woran  sich  dann  Iz,  o5  xxX.  gut  anschliefst. 

Empedokles. 

Epigr.  2  behandelt  Th.  Preger,  inscriptiones  Gr.  metricae  S.  35 
No.  40.  Er  verlangt  mit  Recht  überall  dorische  Formen,  also  V.  1: 
'A-f/i"^«,  V.  2:  x£t5'  st.  t7.ö',  was  Th.  Bergk  vermutete,  V.  4:  Oepss'fovac. 
V.  3  liest  er  mit  Dübner  nach  der  Überlieferung  bei  Diogenes  Laert., 
Bergk  und  Hiller  zogen  die  Überlieferung  der  Anthologia  Pal.  vor, 
denen  ich  beistimme-,  denn  sie  entspricht  mehi'  dem  Zusammenhang. 
Übrigens  weist  Th,  Preger  mit  Recht  darauf  hin,  dafs  die  Chronologie 
der  Abfassung  der  Verse  durch  Empedokles  nicht  im  Wege  stehe,  da 
die  Nachricht,  Pausanias  habe  den  Empedokles  überlebt,  auf  Herakleides 
Pontikos  zurückgehe,  wie  H.  Diels  gezeigt  habe. 

Enenos. 

9,  1  vermutet  A.  Fick,  Beiträge  zur  Kunde  der  indogerman. 
Sprachen  XIII  (1888)  S.  173  flg.  jj-eivai  st.  ifievat;  denn  Euenos'  Sprache 
zeige  keinerlei  Einwirkung  des  Epos,  sondern  sei  rein  altionisch.  Ich 
billige  diesen  Grund  nicht,  zumal  wo  es  sich,  wie  hier,  um  ein  Epos 
handelt;  trotzdem  nehme  auch  ich  an  efisvai  Anstofs  wegen  des  folg. 
sivai;  ich  schlage  tsXeÖsiv  st.  I'ixevai  vor. 

Kritias. 

7,4  schlägt  E.  Hiller  in  der  Praefatio  der  Anthol.  lyr.  7.1h  st. 
rßd^  vor;  mir  gefällt  besser  tJoov;  so  gewinnen  wir  auch  in  diesem  Vers, 
wie  in  V.  3,  zwei  Paare:  auXuiv  dvxiTraXov  (ptXoßotpßttov,  woov  aXu-ov;  das 
Komma  hinter  dvTmaXov  mufs  also  fallen. 


142  Griechische  Lyriker. 

[lophon.] 

Th.  Preger  inscriptiones  S.  205  No.  258  schreibt  im  2.  Verse 
(jwjxa  st.  (J/^jp-a,  indem  er  das  Komma  liinter  ^.aßovta  streicht  und  nach 
TE/vYjc  setzt.  Er  beruft  sich  auf  das  Epigramm  Diogenes  Lacrt.  prooem.  3 
=  Anthol.  Pal.  Vn  615,  wo  Mouaaiou  auifia  Umschreibung  st.  MoujaTov 
ist.  Ich  halte  (r/^[xa  für  richtig,  um  so  mehr,  als  es  gerade  die  Tra- 
giker in  der  Bedeutung  „Gestalt,  Ersclieinung"  mit  Vorliebe  gebrauchen; 
Sophokles  ist  die  ehrwürdigste  Erscheinung  der  tragischen  Kiinst. 
H.  Stadtmüller  vermutet:  (3-/rj[xaTt  aeiAvoTarov  „poesis  genere  quod  am- 
plexus  est  sublimem"  coli.  Xenoph.  Apol.  27.  Luciau.  dial.  mort.  10,  8. 
Die  frühere  Vermutung  von  Th.  Bergk,  dafs  in  der  Vita  Soph.  Äaßwv 
in  Aoßwv  zu  ändern  sei,  nicht  in  'locpöiv,  dafs  also  das  Epigramm  nichts 
mit  lophon  zu  thun  hat,  vilrd  von  E.  Hiller  und  Th.  Preger  gebilligt. 

Piaton. 

2,  3  schlägt  H.  Stadtmüller  N.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Päd.  143.  Bd. 
(1891)  S.  322  flg.  ^qvöiT,  d|X£XEi?  st.  -/Pj-voiTo,  vosT?  vor. 

7,  3.  H.  Stadtmüller  vermutet  ops-j^av-t  st.  pe^avxi,  coli.  Pind. 
Nem.  2,  9.  Ol.  1,  13.  Ich  halte  die  Überlieferung  für  richtig;  xa  im- 
vixia  sind  „die  Siegesopfer" ;  psCeiv  e-ivixiov  entspricht  also  dem  pro- 
saischen £-iviy.ia  öuciv,  vgl.  Plat.  symp.  p.  173  A.  Demosth.  ::.  xf^c 
iraparpEs;^.    128  U.  S.  W. 

8,  1  vermutet  J.  Mähly,  Blätter  für  das  bayi*.  Grymnasialw.  XXV 
S.  241  "AXe^iv  st.  "AXeEtc;  Th.  Bergk  kam  ihm  damit  schon  zuvor. 

Astydamas. 

Th.  Preger,  inscriptiones  S.  125  No.  158  erklärt  V.  3:  ixpiftrjv 
a'^sOslj  -apvjx-.XXoc  mit  Jacobs  „superior  evaderem",  indem  er  Hartungs 
Deutung:  „zugelassen  zum  Wettstreit"  zurückweist,  weil  die  griechischen 
Worte  dies  nicht  bezeichnen  könnten.  Er  vergafs  offenbar,  dafs  tj  a'ft- 
TTjpi'a  „die  Schranken",  r,  acpscjtc  „das  Loslassen  und  Auslaufen  aus  den 
Schranken"  bezeichnet.  Man  sieht  also,  dafs  acpievai  der  eigentliche 
Ausdruck  war  für  „loslassen,  auslaufen  lassen"  beim  Wettreimen.  Diese 
Deutung  verlangt  aber  auch  der  Zusammenhang;  Astydamas  wünscht, 
er  wäre  Zeitgenosse  jener  Alten  gewesen,  damit  er,  als  Wettkämpfer 
mit  ihnen  aus  den  Schranken  in  die  Keunbahu  gelassen,  wahrheitsgemäfs 
auf  Grund  seiner  thatsächlichen  Leistungen  beurteilt  worden  wäre;  so 
aber  werden  sie .  ihm  nur  mit  Rücksicht  auf  ihre  frühere  Lebenszeit 
vorgezogen.  Daraus  geht  auch  hervor,  dafs  die  Kjt.  des  Verf.  zpor/oua 
0  cpi)ovo;,  so  dafs  -poeyo'ja   Dativ  wäre,  unangemessen  ist. 


Griechische  Lyriker.  143 


Philiskos. 


E.  Hill  er  in  der  neuen  Auflage  der  Anthol.  lyr.  schreibt  V.  6, 
allerdings  nur  „dubitanter":  ocüpa  xaTa<p9i|x£v(i)  xal  ai&fOQ  aOavrixojv  st. 
oovxa  xaTa'f&iixsvcuv  xal  co'-pcp  dcdavaxüjv.  Ich  kann  dies  nicht  billigen; 
denn  st.  oc5pa  mül'ste  es  oöipov  heifsen,  und  auf  8copa  y.al  axe^o;  kfhmte 
am  Anfang  von  V.  7  nicht  o?  folgen,  um  von  der  auffallenden  Ver- 
bindung Süipa  xal  «jTE^oc  ganz  zu  schweigen.  Man  erwartet  ein  Attribut 
zu  ufjLvov;  etwa  ^(uvxa  xaxa9ilt!i,£va)v  xav  C<^<p(p ,  döavaxov,  Vgl.  N.  Jahrb. 
f.  Phil.  u.  Päd.  1884  S.  53. 

Demosthenes. 

Th.  Preger,  inscriptiones  S.  126  No.  159  macht  darauf  auf- 
merksam, dafs  Th.  Bergk  PL.^  II  p.  331  bei  Behandlung  des  Epi- 
gramms: ei'-ep  ijTjv  7vto[i,7)  xxX.  fälschlich  auf  schol.  Demosth.  57  verweise. 

Hier  will  ich  auch  das  bei  Th.  Bergk  an  derselben  Stelle  be- 
handelte Epigramm  auf  die  bei  Chäroneia  Gefallenen  anfügen, 
das  Demosth.  de  Coron.  §  289  gelesen  wird.  V.  3  vermutet  J.  Mähly, 
Blätter  f.  d.  bayr.  Gymnasialw.  XXV  (1889)  S.  242:  [j.apva[X£voi  o'  dxps- 
[XEis  xai  döstfxaxot  oux  xxX.;  dasselbe  H.  Stadtmüller,  Berl.  Phil. 
Wochenschr.  1890  S.  303  flg.,  der  aufserdem  noch  8'  dxpsjxot,  dosi'ixaxoi 
oder  o'ap'axpsjxoi,  dösifxaxoi  vorschlägt.  Ich  halte  auch  jetzt  noch  an 
dem  von  H.  Weil  und  mir  gefundenen  apsu»?  xai  8£t}j,axos  fest,  das  auch 
Fr.  Blass  in  seiner  Ausgabe  der  Kranzrede,  Leipzig,  1890  aufnahm. 
Th.  Preger,  inscriptiones  S.  219  meint,  in  diesem  Fall  müfste  ex  stehen; 
denn  Soph.  Antig.  1162  aw^siv  tiüÄiv  i'/dpoJv  bedeute:  „die  Stadt  vor 
Feinden  retten";  ganz  ebenso  heifst  es  aber  auch  an  unserer  Stelle: 
„sein  Leben  vor  Ares  und  Deima  retten".  —  V.  5 — 6  streicht 
H.  Stadtmüller  1.  1.  —  V.  9  setzt  Th.  Preger  mit  Recht  ein  Kolon 
nach  xaxopdouv,  so  dafs  sv  ptoxv]  zum  folgenden  Verse  gehört;  der  all- 
gemeine Gedanke  wird  von  Demosthenes  in  den  Worten  ou  xiii 
auixJ^ouXw  xxX.  auf  den  speziellen  FaU  angewandt.  Für  unnötig  halte 
ich  die  von  H.  Stadtmüller  vorgeschlagene  Änderung  des  V.  10: 
£v  ßioxT)  S'  au  Tzxcdis\£  ouxi  ^u^stv  xxX. 

Über  dieses  Epigramm  haben  Fr.  Blafs  1.  1.  und  Th.  Preger 
1.  1.  ausführlicher  gehandelt.  Beide  sind  der  Ansicht,  dafs  der  von  De- 
mosthenes citierte  Vers  in  dem  vorgelesenen  Epigramm  gestanden  haben 
mufs,  dafs  also  das  von  G.  Kaibel  entdeckte  Epigramm  (Änth.  Pal. 
Vn  245)  unmöglich  das  vorgelesene  gewesen  sein  kann.  Was  nun  unser 
Gedicht  anlangt,  so  teilt  Th.  Preger  vollständig  die  Ansicht  Karstens, 
dafs  es  nämlich  erst  in  späterer  Zeit  von  einem  Grammatiker  unter 
Benutzung   des   bei  Demosthenes  angeführten  Verses  gedichtet  worden 


144  Griechische  Lyriker. 

sei:  Fr.  Blals  giebt  wenigstens  die  Möglichkeit  dieses  Vorgangs  zu. 
Ich  glaube,  dafs  sich  der  Grammatiker  diese  Mühe  nicht  gemacht  hat, 
da  es  ja  viel  leichter  für  ihn  war,  sich  das  wirkliche  Epigramm  zu  ver- 
schaffen. Falls  sich  aufser  diesem  auch  noch  das  von  Gr.  Kaibel  auf- 
gefundene auf  die  Sclilacht  bei  Chäroneia  bezieht,  woran  Fr.  Blafs  und 
Th.  Preger  nicht  zweifeln,  wahrend  ich  noch  nicht  davon  überzeugt  bin, 
so  mufs  man  mit  diesen  beiden  Gelehrten  und  ß.  Schoell  annehmen, 
dafs  das  Denkmal  mit  mehreren  Epigrammen  geschmückt  war,  was  ja 
öfter  vorkam. 

Aristoteles. 

4.  Th.  Preger,  inscriptiones  S.  129  No.  163  setzt  dem  Epi- 
gramm folgende  prosaische  Aufschiift  vor:  'Epfxetav  'ApuTOTeXir)?  fi.vr^ixrjc 
evsxa,  aus  der  die  Alten  schlössen,  dafs  Aristoteles  nicht  nur  die  Statue 
dem  Hermeias  geweiht,  sondern  auch  das  Epigramm  gedichtet  habe. 

5.  E.  Wendung,  De  peplo  Aristotelico  quaestiones  se- 
lectae.     Diss.  inaug.     Strafsburg  1891.     82  S.     8. 

Der  Verf.  sucht  zunächst  nachzuweisen,  dafs  der  Peplos  des  Ari- 
stoteles und  Theophrast  nur  ein  Buch  gewesen  sei;  Theophrast  habe 
nämlich  das  hinterlassene  Werk  des  Aristoteles  später  herausgegeben 
und  seine  Ansichten  neben  die  seines  Lehrers  geschrieben.  Dafs  dieser 
Nachweis  nicht  über  jeden  Zweifel  erhaben  ist,  bemerkt  schon  Th.  Preger, 
N.  phil.  Rundschau  1892  No.  15  S.  230.  Man  wird  dabei  bleiben 
müssen,  dafs  der  Peplos  dem  Aristoteles  angehört,  während  Theophrast 
seine  Ansichten  über  Erfindungen  in  seinen  sGpr^fxa-ra  ausgesprochen  hat. 

Recht  interessant  und  gelungen  sind  die  Ausführungen  des  Verf. 
über  den  Inhalt  des  Peplos.  Dieser  war  ein  bunter;  er  bestand  aus 
Epigrammen,  G-enealogien  und  sypr^ixaxa ,  katalogartig  geordnet.  Bei 
Hygin  liegen,  wie  der  Verf.  zeigt,  ziemlich  \1ele  Überreste  des  Peplos 
vor,  ebenso  in  den  Scholien  zu  Homers  Schiffskatalog  und  bei  Eusta- 
thios.  Uns  interessieren  hier  am  meisten  die  noch  vorhandenen  Epi- 
gramme. Der  Verf.  schreibt  sie  mit  Ausnahme  von  No.  7  einem 
Dichter  zu,  dessen  Lebenszeit  er  nach  den  in  unseren  Epigrammen  sich 
findenden  Nachahmungen  anderer  Dichter  auf  250 — 150  v.  Chr.  be- 
stimmt, nämlich  nach  Kallimachos  und  vor  der  Quelle  des  Diodor,  die 
wohl  ApoUodoros  ist.  Die  Epigramme  sind  nach  dem  Verf.  selbständig 
für  sich  gedichtet  und  erst  später  dem  Peplos  eingefügt  worden.  Da- 
mit stimmt  im  wesentlichen  auch  Th.  Preger,  Zum  aristotelischen 
Peplos  in  den  „Abhandlungen  aus  dem  Gebiet  der  klassischen  Alter- 
tumswissenschaft, W.  V.  Christ  dargebracht",  S.  58—69  überein;  nur 
nimmt  er  die  Bekanntschaft  des  Verfassers  der  Epigramme  mit  dem 
Peplos  an. 


Griechische  Lyriker.  145 

Zum  Schlnls  sind  zwei  Epimetra  beigegeben,  von  denen  das  erste 
über  Straton  und  Ephoros,  das  zweite  über  Hygin.  fab.  221 — 277  handelt. 

Epigr.  14.  E.  Wendung  1.  1.  S.  55/56  vergleicht  zu  v-^io?  o|X(u- 
vu[jiiY)  Lycophron  Alex.  598  flg.:  cpspcuvu[xov  vTjsToa. 

Epigr.  19.  E.  Wendung  1.  1.  S.  52  flg.  glaubt  im  Gegensatz 
zu  Schneidewin  und  Bergk,  dafs  Mnasalkas  der  Verfasser  des  von  Pau- 
sanias  dem  Orchomenier  Chersias  zugeschriebenen  Epigramms  auf  Hesiod 
sei,  und  führt  dafür  beachtenswerte  Gründe  an. 

Epigr.  20.  E.  Wendling  1.  1.  8.  50  vergleicht  G.  Kaibel,  In- 
scriptiones  Ital.  et  Sic.  2117  aus  dem  3.  Jahrh.  n.  Chr.,  wo  der  5.  Vers 
mit  dem  2.  unseres  Epigramms  wörtlich  übereinstimmt. 

Epigr.  23.  E.  Wendling  1.  1.  S.  56  verweist  auf  Lycophr. 
Alex.  1013,  wo  Thoas  ebenfalls  r6p7Yi?  roy.ov  genannt  wird. 

Epigr.  26.  E.  Wendling  1.  1.  8.  54  glaubt,  dafs  der  Dichter 
der  sikyonischen  Lokalsage  folge,  die  er  von  dem  8ikyonier  Mnasalkas 
übernommen  habe.    Er  weist  auf  die  Ähnlichkeit  mit  19  hin. 

Epigr.  28.  E.  Wendling  1.  1.  8  58  vergleicht  Callim.  epigr. 
18,  3 :  iifu)  3'  d'XXo)?  ouvojxa  TU[ji.ßo?  sywv  xtX. 

Epigr.  46.  E.  Wendling  1.  1.  S.  57  vermutet,  dafs  der  Dichter 
die  Sage,  Hektor  sei  bei  Theben  begraben,  aus  Lykophron  entnommen  habe. 

In  dem  bei  Bergk  fehlenden  Epigramm  auf  Paris,  No.  61  bei 
E.  Hill  er  schreibt  dieser  gut:  Tpcowv  -t  xal  'EXXaoo?. 

6,  11  vermutet  J.  Mähly,  Blätter  f.  d.  bayr.  Gymnasialwesen 
25.  Bd.   1889  8.  242:   AaTpsuovxss  st.  dva^opcUovTec  od.   d-fpeucvTs;. 

Krates. 
E.  Hill  er  in  der  Praefatio  der  Anthologia  lyrica  bezeichnet  die 
Fragm.  13,  14  und  20  mit  Recht  als  Apophthegmata,  die  in  einer  Samm- 
lung der  Gedichte  des  Krates  keine  Stelle  haben.  Derselbe  erklärt 
Fragm.  17  in  der  kürzeren  Fassung  für  ursprünglich;  die  längere 
Fassung  der  Anthologia  Pal.  IX  497  sei  eine  spätere  Erweiterung,  wie 
TaÜTa,  DspaTTEia  und  xo  Xomov  zeigen.     Auch  hierin  stimme  ich  ihm  bei, 

Alexander  Ätolns. 

Im  Fischer  V.  4  (Athen.  VII  296  E.  A.  Meineke,  analect.  Alex. 
S.  238.  J.  A.  Härtung,  Elegiker  n  8.  144.  9)  vermutet  H.  Diels 
Hermes  23.  (1888)  S.  287:  -jAr^v  atsvdoujav,  i.  e.  xpo'^rjv  devaov. 

Kallimachos. 

R.  Reitzenstein,  Die  Inhaltsangabe  im  Archetypus  der 

Kallimachos-Handschriften.     Hermes  26.   (1891)   S.  308—314. 

Der  Verf.  teilt  ein  schon  dem  Politianus  Miscell.  XXIV  bekanntes, 

dann  aber  vergessenes  und  erst  neuerdijigs  wieder  von  Hagen  im  Katalog 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschait.    LXXY.  Bd.    (l&e.  I.)        10 


146  Griechische  Lyriker. 

der  Berner  Hds.  S.  520  aus  den  Randglossen  eines  uns  unbekannten 
Humanisten  zu  einem  Exemplar  der  Kallimachos-Ausgabe  des  Vascosanus 
veröffentlichtes  Epigramm  in  Trimetern,  um  einen  von  Hagen  übersehenen 
Vers  erweitert,  mit.  Dieses  enthält  ein  Inhaltsverzeichnis,  das  für  eine 
Gesamtausgabe  der  6  erhaltenen  Hymnen,  der  Hekale,  der  Aitia,  des 
Ibis  und  eines  verlorenen  ßätselgedichts  bestimmt  war.  Nach  der  Be- 
handlung des  Trimeters  setzt  der  Verf.  das  Epigramm  in  die  Zeit 
zwischen  dem  6.  und  10.  Jahrh.  Dann  folgen  Betrachtungen  über 
Hekale,  Ibis  und  ßätselgedicht,  sowie  über  die  Hds. ,  in  der  jenes 
Epigramm  steht. 

Windakiewicz,  les -mss.  de  Callimaque.    Bulletin  de  l'Academie 
de  Cracovic.     1890.  Dezember. 

Stand  mir  nicht  zur  Verfügung. 

A.  Gercke,  Alexandrinische  Studien.  Rhein.  Museum  44.  (1889) 
S.  127 — 150  und  240 — 258,  spricht  über  Kallimachos  und  Theokritos 
in  ihrem  Verhältnis  zu  Apollonios  Rhodios.  Der  Verf.  weist  darauf 
hin,  wie  der  ganze  Dichterkreis  in  Alexandreia  die  epische  Dichtung 
für  unzeitgemäfs  gehalten  habe,  und  bezeichnet  den  Kallimachos  als  den 
rechten  Vertreter  dieser  neuen  Richtung.  ,. Dieser  hat,  wie  Theokrit, 
\'iele  auffallenden  Wendungen,  unter  anderem  sogar  einen  ganzen  Hexa- 
meter, mit  Apollonios  gemein,  und  zwar  nicht  nur  in  zufällig  erhaltenen 
Versen  der  Hekale,  was  seit  alter  Zeit  aus  den  Schollen  bekannt  ist, 
sondern  auch,  worauf  man  wenig  geachtet  hat,  in  den  meisten  erhaltenen 
Gedichten.  Auch  einzelne  seltene  Worte  hat  er  an  derselben  Versstelle, 
wie  Apollonios,  gebraucht,  nach  gemeinsamer  Vorlage  oder  indem  ein 
Dichter  sich  nach  dem  anderen  richtete."  Folgt  eine  Übersicht  über 
diese.  Daraus  schliefst  der  Verf.,  dafs  Kallimachos  es  nicht  verschmäht 
hat,  Verse  des  Apollonios  nachzuahmen,  in  der  Absicht,  „damit  die 
Sterne  des  "Museuhofes  in  der  nächtlichen  Umgebung  noch  heller  strahlen.'' 
Man  wollte  dadurch  die  Leser  darauf  aufmerksam  machen,  ,,mit  wem 
man  verglichen  sein  wollte,  wen  zu  tadeln  oder  zu  übertreffen  man  sich 
vorgenommen  hatte."  ,, Damit  ist  die  Norm  durchbrochen,  welche  mau 
oft  für  das  Altertum  aufstellt,  dafs  ein  Schriftsteller  Worte  des  andern 
nur  wiederhole,  um  ihm  eine  Huldigung  darzubringen;  man  kann  viel- 
mehr aus  bewufsten  Übereinstimmungen  an  sich  auch  Feindschaft  folgern." 
In  dem  Streite  selbst  jedoch  können  wir  eine  organische  Entwickelung 
nicht  nachweisen.  Die  Geburt  des  Kallimachos  setzt  der  Verf.  nach 
304,  seinen  Tod  240—222. 

Hj'mn.  1  setzt  A.  Gercke  1.  1.  S.  257  zweifelnd  in  die  Jahre 
272—270.  Über  die  diesem  Hymnus  zu  Grunde  liegende  Zeuslegeude 
handelt  E.  Maafs  Hermes  25  (1890)  S.  400  flg.;  er  glaubt,  dafs  Kalli- 


Griechische  Lyriker.  147 

inachos  ihre  Kenntnis  seiner  Heimat  Kyrene  verdanke;  denn  hier  sei 
in  der  2.  Phyle,  die  ans  Peloponnesiern  aus  Mantineia  und  Kretern 
bestand  (Herod.  IV,  161),  die  Mischbevölkerung  vorhanden  gewesen,  die 
der  im  Hymnus  zu  Tage  tretenden  Sagenverbindung  entspreche,  nämlich 
der  Kontamination  der  ursprünglich  sich  ausschliefsenden  arkadischen 
und  kretischen  Zeussagen  in  der  Weise,  dafs  das  arkadische  Element 
überwiege.  A.  Dippe,  Wochenschrift  f.  kla?s.  Philol.  1888.  No.  36 
S.  1115  flg.  rechnet  unsern  Hymnus  zu  denen,  die  nach  Art  der  vo|xo', 
komponiert  sind. 

Hymn.  2  ist  nach  A.  Gercke  1.  1.  S.  257  zwischen  276—272 
entstanden.  Auch  in  diesem  Hymnus  haben  sich  nach  E.  Maafs  1.  1. 
zwei  Kulte  gemischt,  und  so  entstand  die  neue  Kultform  des  Apollon 
Kapvstot-Nop-io?.  Über  die  Anlage  nach  den  Teilen  des  Nomos  vgl. 
A.  Dippe  1.  1.  No.  35.  —  V.  36  schützt  J.  Vahlen  Ind.  lect.  Berlin. 
1889/90  S.  10  flg.  den  Dativ  Ooißw  mit  Recht  gegen  die  Änderung  in 
<I)oi3ou.  —  V.  68:  7i(xeT£poi?  ßaaiXsucjiv  bezieht  sich  auf  das  Zusammen- 
regieren des  Ptolemäus  Philadelphus  und  seines  Sohnes  Euergetes,  vgl. 
A.  Gercke  1.  1.  S.  253;  diesem  stimmt  E.  Maafs  1.  1.  bei;  ich  habe 
schon  früher  dieselbe  Ansicht  ausgesprochen. 

Hymn.  3  verlegt  A.  Gercke  1.  1  S.  257  in  das  J.  277/6.  Nacli 
E.  Maafs  1.1.  kann  er  nicht  zu  einer  Zeit  entstanden  sein,  wo  Kyrene 
und  Alexandreia  miteinander  verfeindet  waren,  also  frühestens  um  260. 
E.  Maafs  glaubt,  dafs  der  Hymnus  für  Kyrene  bestimmt  war;  die  Göttin 
ist  nach  ihm  die  nesiotische  der  3.  Phyle  in  Kyrene;  die  Traditionen 
im  einzelnen  sind  die  der  zu  jener  Phyle  gehörenden  Geschlechter  und 
der  einzelnen  Zuwanderer,  welche  ihren  Ursprung  auf  den  Inseln  hatten. 
Daraus  erklärt  sich  auch,  warum  der  Dichter  die  Göttin,  abgesehen  von 
ihren  sonstigen  bekannten  Begleiterinnen,  mit  einem  Okeanidenchor  um- 
giebt.  Wie  Hymn.  5,  16  flg.  zeigt,  versammeln  sich  die  eponymen 
Nymphen  der  v^coi  regelmäfsig  bei  Okeanos  und  Thetis,  die  vielfach  als 
ihre  Eltern  bezeichnet  werden,  und  eben  diese  personifizierten  v^jot  hat 
man  auch  in  dem  Okeanidenchor  der  Artemis  zu  erblicken.  A.  Dippe 
1.  1.  No.  36  S.  1116  flg.  sucht  auch  auf  unseren  Hymnus  die  Nomen- 
einteilung anzuwenden. 

C.  Nigra,  Inni  di  Callimaco  su  Diana  e  sui  lavacri  di 
Pallade.  Rivista  di  Füologia  XX.  (1892)  S.  194—232.  414—455. 
516—543. 

Der  Verf.  spricht  zuerst  über  Kallimachos  und  seine  Werke; 
dann  wendet  er  sich  zu  den  Codices,  die  er  aufzählt,  beschreibt  und 
vergleicht,  bezw.  ihre  Vergleichimg  berichtigt.  Der  dritte  Abschnitt 
beschäftigt  sich  mit  den  Drucken,  wobei  er  den  Apparat  0.  Schneiders 

lu* 


148  Griecbiscbe  Lyriker. 

7A1  llymn.  3  und  5  aus  den  Hds.  vielfach  korrigiert.  Hiei'auf  folgt  die 
Besprechung  der  alten  Schollen,  eine  Übersicht  über  die  lateinischen 
und  italienischen  Übersetzungen,  sowie  eine  Zusammenstellung  von  Ur- 
teilen über  Kallimachos.  Daran  schliefst  sich  der  Text  von  Hymu,  '6 
und  5  nebst  italienischer  Übersetzung  in  Versen.  Der  Verf.  hält  sich 
dabei  besonders  an  Schneider  und  Wilamowitz.  (Die  Fortsetzung  dieser 
Studien  wird  in  Aussicht  gestellt.) 

V.  43  ist  nach  J.  Vahlen,  Ind.  lect.  1889/90  S.  3  flg.  als  wieder- 
holt aus  V.  14  zu  streichen:  er  störe  den  Zusammenhang,  da  -oXeotc  auf 
alle  Nymphen  gehe,  auf  die  von  Kreta  sowohl  als  vom  Okeanos.  Daher 
weist  der  Verf.  auch  0.  Schneiders  Vermutung,  nach  V.  41  einen  Vers 
zu  ergänzen,  der  die  Auswahl  der  kretischen  Nymphen  enthalte,  zurück.  — 
V.  234  schützt  J.  Vahlen  1.  1.  S.  11  den  Gen.  KopiVjc  mit  Meineke 
und  Schneider  gegen  die  Änderung  in  KoptY],  die  man  mit  Rücksicht  auf 
'lI[j.Ep7;  vornahm.  —  V.  175  flg.  werden  nach  A.  Gercke  1.  1.  S.  255 
von  ApoUon.  Kh.  Argon.  III  1339  flg.  verspottet. 

Hymn.  4  fällt  nach  A.  Gercke  1.  1.  S.  257  in  das  J.  274/3. 
K.  Kuiper  Mueraosyne  19.  (1891)  S.  63  flg.  setzt  seine  Entstehung  in 
die  J.  276 — 274,  da  neben  dem  vergötterten  König  die  gleichfalls  ver- 
götterte Arsinoe  nicht  genannt  werde,  was  doch  sicherlich  geschehen 
wäre,  wenn  die  Verheiratung  schon  stattgefunden  gehabt  hätte.  Da- 
gegen bemerkt  Fr.  Snsemihl,  Geschichte  der  griech.  Litteratur  in  der 
Alexandrinerzeit  II  S.  C69  mit  Recht,  es  sei  durch  nichts  erwiesen,  dal's 
die  Delier  gleich  nach  der  Verheiratung  der  Arsinoe  mit  ihrem  Bruder 
dessen  göttliche  Ehren  auch  auf  sie  übertrugen,  und  so  sei  es  auch 
unter  K.  Kuipeis  Voraussetzungen  recht  wohl  möglich,  dals  der  Hymnus, 
wenn  auch  vor  dem  Ptolemäus  des  Theokritos,  so  doch  erst  zwischen 
272 — 270  verfasst  sei.  Eine  Zerlegung  des  Hymnos  nach  den  Teilen 
des  Nomos  versucht  A.  Dippe  1.  1. 

V.  1  liest  J.  Vahlen,  Ind.  lect.  Berlin  1889  S.  3  flg.:  xi'va  ypovov 
r^  "c  -OT  d£ic:£i?  ,,(iuantum  temporis  aut  quousque  cantabis."  —  V.  10 
schlägt  C.  Häberlin,  Philologus  4G.  (1888)  S.  69  vor:  S>i  «v'AttoXaov  | 
KapvEt'  aivy]T(;;  xtX.;  denn  es  fehle  der  Begrifi'  des  Apollon  Kapvew?;  zum 
raschen  Übergang  von  der  Erzählung  zur  Anrede  vergleicht  er  V.  27. 
2,  9.  11.  70.  71.  —  V.  32.  J.  Vahlen,  Ind.  lect.  Berlin  1889/90  S.  6  flg. 
verteidigt  die  Überliefemng  Traaaj,  indem  er  erklärt:  raja?  eiasxuXue 
öaÄdatTT;  xal  xd?  [j-ev  xaxd  puaaov  epptCcuss,  ae  oriu-A  EilXttj/ev.  —  Aufserdem 
Vgl.  zu  diesem  Hymnus  K.  Kuiper  1.  1. 

Hymn.  5.  Über  Einteilung  des  Hymnus  nach  Art  des  Nomos  vgl. 
A.  Dippe  1.  1.  S.  1114.  —  V.  106  setzt  J.  Vahlen,  Ind.  lect.  Berlin. 
1889  S.  11  flg.  den  SchluJs  der  Rede  an  und  läl.t  mit  V.  107  die  Er- 


Griechische  Lyriker.  149 

Zählung  wieder  eintreten.  Auffällig  bleibt  immerhin,  dafs  das  Ende  der 
Rede  nicht  besonders  als  solches  bezeichnet  ist. 

Hymn.  G  ist  nach  A.  Gercke  1.  1.  272—270  verfafst.  F.  Spiro, 
Hermes  23.  (1888)  S.  194  flg.  rechnet  ihn  zn  den  frühesten  Erzeugnissen 
des  Kallimachos;  nach  ihm  fällt  er  noch  in  die  Zeit,  wo  der  Dichter 
als  armer  Lehrer  in  Eleusis  lebte,  und  steht  den  Aitia  nahe,  ist  aber 
vor  ihnen  geschrieben,  F.  Spiro  will  darin  eine  versteckte  Kritik,  eine 
Polemik  gegen  Lykophrons  Alexandra  erkennen;  er  schliefst  dies  aus 
der  Disposition  im  ganzen,  da  auch  in  Kallimachos'  Hymnus  der  eigent- 
liche rituelle  Vortrag  des  Priesters  von  einer  Einleitung  und  einem 
Schlüsse  umgeben  sei,  welche  zusammengehörend  die  den  Hauptteil 
der  Dichtung  veranlassende  Situation  angeben  und  so  das  Ganze  moti- 
vieren, ganz  besonders  aber  aus  dem  Schlufs.  Die  Verse  140  flg.  nehmen 
auf  den  Schlufs  der  Alexandra  Bezug,  wie  sich  mit  Notw^endigkeit  aus 
der  Übereinstimmung  der  Worte  ergebe;  wie  die  Alexandra  mit  einem 
Gebet  für  die  Troer,  so  schliefse  unser  Hymnus  mit  einem  Gebet  für 
die  Danaer,  das  sich  ziemlich  unvermittelt  an  das  Vorhergehende  anreihe; 
da  der  Dichter  dies  an  einen  argivischen  Hymnus  angeknüpft  habe,  so 
sei  der  Name  Argos  wie  der  der  Danaer  im  höchsten  Grade  geeignet, 
die  Erinnerung  an  den  Ki'ieg  gegen  Troja  wachzurufen.  Ich  kann 
diesen  Ausführungen  Überzeugungskraft  nicht  zuerkennen.  Über  die 
Einteilung  des  Hymnos  nach  der  Art  des  Nomos  handelt  A.  Dippe  1.  1. 
S.  1116;  er  stimmt  Th.  Bergk  bei,  welcher  vermutete,  dafs  hier  eine 
Nachahmung  der  aulodischen  Nomen  des  Klonas  vorliege. 

V.  11  flg.  vermutet  A.  Nauck,  Hermes  24.  (1889)  S.  453:  Icpoi- 
ßacEv  0£  Ta^evTa  |  Travxa  ya).ivorjay.ä)v  dcppov  x~X.  st.  yaXivocpa^wv ;  jedenfalls 
richtig.  —  V.  19  schlägt  derselbe  1.  1.  S.  449  Aum.  vor:  oüt'  sc  opstyaX- 
xov  [xs-^aXa  dso?  ou  2t|x6evTO?  st.  ouo'  e?  und  oool  2i[xoüvtoj.  —  V.  71 
nimmt  G.  Wentzel,  Genethliacon  Gottingense.  Halle  1888.  S.  22  flg. 
die  Überlieferung  T--ui  l-nl  xpava  mit  Recht  gegen  G.  Kaibels  Konjektur 
iTCTcsup  y.pav7  in  Schutz.     Dieser  Hiatus  trochaicus  war  immer  gestattet. 

G.  Reinecke,  De  scholiis  Callimacheis.  Dissert.  philologicae 
Halenses,  vol.  IX  S.  1—65.  8».  Halle,  M.  Niemeyer.  1888. 

Der  Verf.  dieser  fleifsigen  und  umsichtigen  Abhandlung  weist 
meiner  Meinung  nach  überzeugend  nach,  dafs  die  Ansicht  von  Meineke 
und  von  Wilamowitz-Möllendorff  über  die  Schollen  zu  Kallimachos  richtig 
ist,  nämlich  dafs  dieselben  nicht  ganz  wertlos  sind,  sondern  wenigstens 
teilweise  Beachtung  verdienen.  Sie  gehen  auf  einen  alten  Kommentar 
zu  den  Hymnen  des  Kallimachos  zurück  und  sind  teilweise  mit  Hesjxhi- 
schcn  Glossen  versetzt.  Wenn  aber  der  Verf.  weiter  noch  ein  geogra- 
phisches Lexikon  und  das  Wörterbuch  des  Methodios  unter  die  Quellen 
rechnen  will,    so  halte  ich  den  Beweis  dafür  durch  die  paar  unbedeu- 


150  Griechische  Lyriker. 

tenden  Belege  nicht  für  erbracht.  Ebenso  wenig  ist  es  dem  Verf.  ge- 
lungen, den  Kommentar,  ans  dem  die  Schollen  zum  Teil  geschöpft  sind, 
dem  Theon  aus  dem  Beginn  der  Kaiserzeit  zuzuweisen ;  denn  dieser  wird 
in  unsern  Schollen  nicht  genannt;  es  wird  ihm  nirgends,  trotzdem  ihm 
andere  Kommentare  zugeschrieben  werden,  ein  Kommentar  zu  den 
Hymnen  des  Kallimachos  beigelegt,  und  auch  die  zweifelhafte  Überein- 
stimmung von  sechs  Stellen   berechtigt  zu  einem  solchen  Schluls  nicht. 

G.  Knaack,  Zu  den  Aitien  des  Kallimachos.  Hermes  23. 
(1888.)     S.  131  —  141. 

Der  Verf.  führt  Gregor,  erat.  IV  123:  o  Bouöoiva?  tov  -fewp-jöv 
TupavvT^ja;  xal  xov  apoxrjv  ßoüv  Äacpu^ac  xai  Tr]v  xX^aiv  Xa,3u)v  ^x  x^s  Tipot^swc 
auf  Kallimachos  Aitien  zurück.  Die  Erzählung  läfst  sich  im  allgemeinen 
aus  Nonnos  zu  Gregor,  invect.  I  41  (Mythogr.  öraeci  ed.  Westermaun 
p.  370  flg.)  rekonstruieren.  Auf  sie  bezieht  der  Verf.  Kallimach.  fr.  435, 
zweifelnd  auch  fi'.  526.  Das  Aition  war  die  Erklärung  des  Beinamens 
Bo'jöofva?.  Der  weitere  Verlauf  der  Kallimachischen  Erzählung  erhellt 
aus  der  Notiz  im  Etymol.  Magn.  154,  8.  Hierher  zieht  der  Verf.  auch 
fr.  186.  Die  Hylas-Sage  war  nach  ihm  von  dem  Dichter  nur  berührt, 
nicht  ausführlich  erzählt;  denn  sonst  hätte  Theokrit  Id.  13  die  Erzäh- 
lung des  ApoUonios  Rh.  Argon.  I  1207 — 1273  nicht  korrigiert,  sondern 
einfach  auf  die  vorliegende  Erzählung  des  Kallimachos  hingewiesen.  — 
Die  rhodische  Sage  Apollodor  II  5  11,  8  geht  nach  dem  Verf.  nicht 
auf  Kallimachos   zurück;   sie  stand  in  der  Tooou  xitsts  des  ApoUonios. 

E.  Maafs,  Alexandrinische  Fragmente.  Hermes  24.  (1889.)  IV. 
ist  der  Ansicht,  dafs  die  Geschichte  von  Philemon  und  Baucis  bei  Ovid 
in  ihren  Einzelheiten  vom  Molorchos  des  Kallimachos  genommen  sei. 
ilolorchos  bewirtete  den  Herakles,  als  er  zum  Kampf  mit  dem  nemei- 
schen  Löwen  auszog.    Eine  Nachahmung  ist  auch  Nonnos  17,  41  flg. 

La  chioma  di  Bereuice  col  testo  latiuo  di  CatuUo  riscontrato 
sui  codici,  traduzione  e  commento  di  Constantino  Nigra.  Milano, 
Hoepli.     1891.     8. 

Das  Buch  enthält  Einleitung,  den  lateinischen  Text  der  Elegie 
des  CatuUus,  Übersetzung  und  umfangreichen  Kommentar.  Uns  inter- 
essiei  t  hier  nur  die  Frage,  wie  sich  die  Elegie  des  lateinischen  Dichters 
zu  dem  Original  des  Kallimachos  verhält.  Eine  genaue  Vergleichung 
der  Fragmente  des  letzteren  mit  Catullus  führt  zu  dem  Resultat,  dals 
der  Römer  sein  griechisches  Vorbild  nicht  genau  wiedergegeben  hat. 

Das  Gedicht  Ibis  fällt  nach  A.  Gercke  1.  1.  S.  257  in  die  Jahre 
271—270.  —  Über  die  Ibis-Scholien  handelt  J.  Geffcken  Hermes  25. 
(1890.)  S.  91 — 96      Er  fafst  das  Resultat  folgendermafsen  zusammen: 


Griechische  Lyriker.  151 

„Die  Untersnchimg  hat  ein  meist  negatives  Resultat  ergeben;  indessen 
haben  sich  doch  an  3  Stellen  (V.  451.  475.  477)  die  »Spuren  alter  guter 
Überlieferung  gezeigt.  Die  Ibis-Scholien  einfach  über  Bord  zu  werfen, 
wäre  ebenso  falsch,  als  sie  ohne  Bedenken  eitleren.  Ellis  hat  eine  Sich- 
tung nicht  versucht;  es  ist  aber,  wenn  auch  nicht  in  allen,  so  doch  in 
vielen  Fällen  möglich,  die  Spreu  vom  Weizen  zu  sondern  und  über  die 
Frage,  was  der  Scholiast  hatte,  ins  klare  zu  kommen." 

Fr.  37a  ist  nach  E.  Dittrich  N.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Päd.  141.  Bd. 
S.  831  flg.  mit  dem  Epigramm  adesp.  Anthol.  Pal.  IX  185  in  folgender 
"Weise  zu  verbinden:  "Ap-/iX6-/oo  .  .  .  £iT:£j[ioXiY)?  •  stAxuae  Se  -/.xX.  Das 
Epigramm  schreibt  der  Verf.  dem  FpacpäTov  zu,  was  von  den  Versen  des 
Kallimachos  längst  feststeht.  Gegen  die  Verbindung  der  zwei  Fragmente 
spricht  der  Inhalt  und  die  Form,  vgl.  bes.  16;  und  ?6v.  —  Fr.  77  be- 
zieht A.  Gercke  1.  1.  S.  136  auf  Apoll.  Rh.  Argon.  I  20;  der  Dichter 
sagt,  er  habe  keine  Muse  im  Taglohn.  —  Fr.  108  wird  im  Etymol. 
Magn.  s.  V.  AptaxuoT]?  dem  3.  Buch  der  Aitien  zugewiesen,  vgl. 
R.  Reitzenstein  Inedita  poetarum  Glr.  fragmenta.  Ind.  lect.  Rostock 
1890/91  S.  12,  der  am  Anfang  xw  [xlv  xxX.  liest.  —  Fr.  172  wird 
ebenda  zu  einem  vollständigen  Distichon  ergänzt:  xeiöt  7ap  w  xa  -{ovrioz 
aTTsOptsE  \t.rpz  exeTvo?  |  xlxpurxai  xxX.  Die  Verse  werden,  wie  R.  Reitzen- 
stein bemerkt,  von  Apollon.  Rh.  Argon.  IV  982  flg.  verspottet.  Im  Pen- 
tameter will  E.  Dittrich  N.  Jahrb.  f.  Phüol.  u.  Päd.  137.  Bd.  (1888) 
S.  361  flg.  YpujvTj  „Felsenhöhlung"  schreiben  st.  767:7],  das  durch  Hesych. 
geschützt  ist.  —  Fr.  180  erklärt  E.  Dittrich  N.  Jahrb.  f.  Phil.  u. 
Päd.  141.  Bd.  S.  831  flg.:  „Magnes  ist  nach  meiner  Ansicht  ein  tierisch 
wollüstiger  Mensch".  Über  Magnes  vergleicht  er  Nikolaos  von  Damaskos 
F  H  Gr.  III  S.  395  und  Suidas.  Das  Epigramm  sclu'eibt  er  dem  Fpa- 
cpstov  zu.  —  Fr.  482  vermutet  A.  Nauck  Hermes  24.  (1889)  S.  453 
gut  TTpotfjLTf);  St.  Tpo  [xi^s.  —  Fr.  538  liest  H.  Di  eis  Hermes  23  1J888) 
S.  286  flg.  ^iXaosXcpeicDv  ax|jt.evo?  r^rx  oojxwv  und  glaubt,  dafs  die  Worte 
vielleicht  einem  Epigramm  oder  dem  Prolog  der  Aitien  entnommen 
sind.  —  Fr.  541  ergänzt  E.  Dittrich  N,  Jahrb.  f.  Philol.  u.  Päd. 
143.  Bd.  (1891)  S.  576:  0;  x'  'IxaX-rjv  <:Aoxpuiv>  stppauaÖ'  apfxoviYjv  und 
weist  den  Vers  dem  rpatffetov  zu.  —  Fr.  anon.  74  ist  zu  streichen  vgl. 
G.  Knaack  Wochenschrift  f.  klass.  Philol.  1891  S.  346  flg.  —  Fr. 
anon.  388   weist  E.  Dittrich  1.  1.    dem  rpa<fstov    des  Kallimachos  zu. 

Einige  neue  Fragmente  des  Kallimachos  teilt  R.  Reitzenstein 
in  dem  erwähnten  Index  lection.  mit,  nämlich  S.  9  flg.  aus  einer  Fabel: 
dp7oy  TTOXE  -■'do'ixoz  Y^xaXov  voxou,  S.  10:  cpotxi^ovx'  d7a&ol  roXXdxic  rji&sot| 
£1?  üdpou?  eösXo'jjiv,  dem  3.  Buch  der  Aitien  zuzuweisen,  und  S.  11: 
<x£rvov  ö'>  'HatovY)  puexo  -aTc  ay-öXr^,  vgl.  fr.  559.   560. 

Epigr.  6  (5)    behandelt    Th.  Preger    Inscriptiones  Gr.  metricae 


152  Griechische  Lyriker. 

S.  94  flg'.:  er  weist  darauf  hin,  dals  iu  dem  Gedicht  vou  Verheii'atuug 
oder  Vermählung  der  Selene  nichts  stehe;  auch  könne  aus  h^Xa  pe^eiv 
V.  11  flg.  nicht  geschlossen  werden,  dals  Selene  selbst  das  Epigramm 
auf  die  Muschel  geschrieben  habe;  „immo  bis  verbis  mores  puellae  lau- 
dantur".  —  V.  6  vermutet  H.  Stadtmüller  r.oiah  a|x',  wjt'  sp-^w  coli. 
Hom.  hymn.  8,  39. 

Epigr.  32  behandelt  J.  Vahlen  Ind.  lect.  Berlin  1889/90  S.  8  flg. 
V.  1  ist  [xou  mit  dem  Pal.  zu  halten,  ebenso  V.  3  rrjv  oia  TravToc,  sc. 
aXYYjjtv:  „illo  meo  sempiterno  dolore  pungor,  cum  amara  dictatua  audio". 
Gegen  A.  Gercke  bemerkt  der  Verf.,  dafs  das  Epigramm  an  einen 
Knaben  gerichtet  sei,  der,. vom  Dichter  geliebt,  seine  Liebe  um  Gold 
verkaufen  wollte.    Auch  Epigr.  46  hat  Gercke  falsch  gedeutet. 

Epigr.  62,  2  schützt  G.  Wentzel  1.  1.  die  Überlieferung  xsitai 
£v  ^OpTu-yiTTj  mit  Recht  gegen  U.  von  Wilamowitz-Möllendorif,  der  a-f/eit 
M)pxu7i7)  verlangt,  vgl.  oben  zu  Hymn.  6,  71. 

Epigr.  28  fällt  nach  A.  Gercke  1.  1.  S.  257  in  das  J.  277/6. 

Schliefslich  verweise  ich  noch  auf  Fr.  Susemi  hl,  Geschichte 
der  griech.  Litteratur  in  der  Alexanderzeit.  Leipzig,  B.  G. 
Teubner.  1891  u.  1892,  wo  viele  einschlägige  Fragen  mehr  oder  we- 
niger ausführlich  behandelt  werden. 


II,    Jambographen. 

Archilochos. 

3,  4.  E.  Hiller  in  der  Praefatio  der  Anthol.  lyr.:  „synizesin 
quamvis  insolitam  tolerare  quam  ex  duobus  nullius  auctoritatis  codicibus 
oat|j.ov£;  recipere  malui;  nam  oai'ixcov  unquam  pro  oai^ixwv  dictum  esse 
non  credo".  A,  Fick  Beiträge  zur  Kunde  der  indogerm.  Sprachen  XUL 
0888.)  S.  173  flg.  vermutet  6a[j.ovec,  kontrahiert  aus  oar^tiovsc,  was 
ebenso  zweifelhaft  ist  wie  oai'ixovsj. 

10.  H.  W.  Smyth  the  vowel  System  of  the  ionic  dialect  in 
Transactions  of  the  American  philol.  Association  XX.  (1889.)  S.  1  flg. 
bezweifelt  lloTeioaojvo?  avay.xoc  und  scheint  A.  Ficks  Ilojeiorjwvo;  ä'v.  vor- 
zuziehen.   Mit  Unrecht;  es  ist  homerischer  Versschlufs  vgl.  Y  67. 

11.  E.  Hiller  1.  1.  vermutet  ipqoo'jr^on  st.  £UT:Xoxa|xou ;  aber  Ipif- 
oo'j-o;  findet  sich  bei  den  Lyrikern  niclit  und  wird  von  den  Epikern 
nur  von  lebenden  Wesen  gebraucht.    Viellciclit  £rii:Xo|jL£vot;V 

14.  E.  Hiller  1.  1.  bemerkt:  „fortasse  versus  ad  Glaucum  Troia- 
norum  socium  spectat  et  ab  Archilocho  alienus  est." 

19,  2.  E.  Hi:ller  L  1.  vermutet  T.Zai  <piXr„  „quod  nescio  quisiocaus 
ad  Pasiphilam  meretricem  rettulit" ;  er  scheint  die  Verse  nicht  für  ein 


Griechische  Lyriker.  153 

Epigramm,  sondern  für  ein  Bruchstück  aus  einem  gröfseren  Ganzen  zu 
halten. 

20.  E.  Hill  er  1.  1.  sagt:  „scripserat  opinor'  Archilochos  fere 
haec:  <£v  o6[AOi3i  Ö£>  |  xXaicD  öaajffojv  ou  xa  Ma-fVTjtwv  y.ay.a,  |  <a\X!  oV 
l'iui  -ö  -^ot  9iXot  iie7:6vi)a}x£v> " .  Aber  ein  Versschlufs  ev  öo|xotc;i  6s  ist 
nicht  archilochisch,  Oaasjwv  nicht  überliefert  und  als  ein  Wort,  das  sich 
bei  Jambographen  und  Elegikern  nicht  findet,  sehr  zweifelhaft,  und  auch 
der  Inhalt  pafst  zu  Archilochos  nicht. 

22.  0.  Immisch  Philol.  49.  (1890.)  S.  193  flg.  meint,  Tzetzes 
habe  diesen  Vers  nicht  einem  Gedicht  des  Archilochos,  sondern  einem 
lexikalischen  AYerke  entnommen;  daher  könne  auch  aus  dem  Zusammen- 
hang, in  dem  der  Vers  bei  Tzetzes  stehe,  kein  Schlufs  auf  das  Gedicht 
gezogen  werden,  dem  er  angehört  habe.  Es  sei  unwahrscheinlich,  dafs 
Archilochos  die  Klage,  dafs  ihn  die  Jamben  nicht  mehr  erfreuen,  in 
einem  Jambos  ausgesprochen  habe;  vielmehr  gehöre  der  Vers  den  Epoden 
an.  Der  Verf.  ändert  unter  Vergleichung  von  Fragm.  adesp.  5:  ou  (xot 
ia(x[?o)v  ouo£  -cEpTTtüXswv  [xeXst  und  verbindet  diesen  Vers  mit  frgm.  85: 
dXXa  [x"  5  X'ja<.\itXrfi  xtX.  ;  so  gewinnt  er  eine  Epodenstrophe,  die  er  in 
Horaz  epod,  11  wiederfindet,  und  unter  Verwertung  des  letzten  Gedichts 
giebt  er  uns  eine  Vorstellung  von  dem  Liede  des  Pariers.  Archilochos 
eröffnete  damit,  wie  der  Verf.  glaubt,  die  Epodendichtung,  die  demnach 
in  die  Zeit  nach  dem  Verhältnis  zu  Neobule  falle.  Ich  vermisse  einen 
festen  Grund,  auf  den  diese  ganze  Hypothese  sich  stützen  könnte;  die 
Vereinigung  von  22  und  85  scheint  mir  der  Sinn  zu  verbieten;  frgm.  85 
wird    am  einfachsten  auf  die  Liebe  zu  Neobule  bezogen,    wie  auch  84. 

32.  E.  Hiller  N.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Päd.  139.  Bd.  (1889.)  S.  344 
weist  0.  Schraders  Konjektur  in  der  Zeitschr.  f.  vergleich.  Sprach- 
forschung XXX  S.  470:  cDJTLsp  8i  auXoü  ßpütov  ....  x'jßoa  -^v  -.  über- 
zeugend zurück.  Er  selbst  hält  sßpu^e  für  korrupt  und  glaubt,  dafs  es, 
vielleicht  durch  Nachlässigkeit  des  Schreibers  aus  ßpürov  V.  1  ent- 
standen, ein  anderes  Verbum  mit  der  Bedeutung  „zechen"  verdrängt 
habe.  Meiner  Meinung  nach  liegt  am  nächsten  i[i.'j'^zi  vgl.  Xen.  Anab. 
IV  5,  27;  da  aber  dies  Verbum  zweifelhaft  ist,  wird  sich  am  meisten 
Xacpusaet  empfehlen. 

55  schliefst  G.  S.  Farn  eil,  Greek  lyric  poetry.  London  1891. 
S.  120  (vgl.  auch  S.  305)  an  54  an,  wenn  auch  nicht  unmittelbar;  man 
kann  keinen  Grund  dafür  einsehen,  und  auch  der  Verf.  hat  keinen  an- 
gegeben. 

56,  1.  J.  Mähly  Blätter  f.  das  bayr.  Gymnasialw.  25.  Bd.  (1889.) 
S.  229  schlägt  vor:  toTc  x^zoT;  xiXzi  aKav-a;  aber -iXsio;  ausführbar  kann 
der  Verf.  nicht  belegen.  Mir  scheint  J  a  c  o  b  s  -zSeh  aravta  bis  jetzt  das 
beste;  so  auch  E.  Hiller  in  seiner  Ausgabe. 


154  Griechische  Lyriker. 

57.  A.  Fick  Beiträge  zur  Kunde  der  indogerm.  Sprachen  XIII. 
(1888.)  S.  173  flg.  vermutet  xspw-Xdjxrjv,  aus  xspaoTtXa'sTTjv  kontrahiert. 
Ohne  Not.  ** 

63,  3.  E.  Hiller  1.  1.  schreibt:  xaxta-a  ö'  <aiel>  xip  d.  7.;  aber 
diesen  Begriff  erwartet  oder  vermifst  hier  niemand.    Etwa  0'  au-re? 

66,  2  schreibt  E.  Hill  er  1.  1.  mit  Eraperius  dvtr^eu,  was  schon 
deshalb  unwahrscheinlich  ist,  weil  es  auch  die  Änderung  von  Süj^-evaiv 
in  6ucjv(uv  nötig  macht;  aufserdem  pafst  die  Bedeutung  nicht.  Das 
Richtige  scheint  avs/e  oder  avx/e  zu  sein;  denn  wie  xt^oecj'.  x'jxtujxevs  an- 
zeigt, hat  man  hier  das  Bild  des  Schwimmers,  der  sich  nur  mit  Mühe 
über  Wasser  hält,    vgl.  Soph.  OR.  174  und  dazu  Schneidewin-Nauck. 

74,  4.  J,  Mähly  1.  1.  vermutet:  f^Xi'ou  XafXTrov  togoütov  6'  r]W 
xtX.  Diesem  beziehungslosen  tojoü-ov  ziehe  ich'  immer  noch  t6  Xu^pov 
0  ^X&'  x-X.  vor.  Zum  Artikel  vgl.  85,  zur  Stellung  von  61  116.  — 
0.  Immisch  1.  1.  glaubt,  dafs  der  Vater  Lykambes  in  diesen  Versen 
den  Dichter  gegen  die  Verdächtigungen  und  Verleumdungen  seiner 
Nebenbuhler  in  Schutz  nehme,  und  folgert  daraus,  dal's  die  Erwähnung 
der  Sonnenfinsternis  zwar  möglicherweise  auf  eigener  Beobachtung  des 
Dichters  beruhen  könne,  dais  dies  aber  durchaus  nicht  nötig  sei.  Ähn- 
lich spricht  sich  G.  S.  Farnell  1.  1.  S.  303  aus.  Auf  mich  macht  die 
ganze  Schilderung  den  Eindruck  des  Selbsterlebten,  vgl.  besonders  V.  5 : 
ex  6e  Toü  mit  Bezug  auf  iTrsiSr;.  Ich  halte  daher  auch  an  den  aus  der 
Datierung  der  Sonnenfmsteruis  gezogenen  Folgerungen  für  das  Leben 
des  Dichters  fest,  die  0.  Immisch  von  seinem  Standpunkt  ans  ver- 
werfen mufs. 

75,  2.  H.  W,  Smyth  1.  1.  verteidigt  TXao;  gegen  A.  Ficks  iXetu; 
durch  Hinweis  auf  Theognis  782.  TXewc  ist  übrigens  eine  Konjektur 
Seidlers. 

104.  Fr.  Blass  N.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Päd.  137.  Bd.  (1888.) 
S.  680  weist  die  Verse  bei  Aristid.  II  51  (Dind.):  Zeuc  ev  btoXzi  [xavT'.? 
a<];Eu8e5TaTo;,  |  xal  teXo?  auToc  r/st,  die  er  früher  schon  dem  Archilochos 
zusprach,  jetzt  dem  Gedicht  gegen  den  Seher  Batusiades  zu,  zu  dem 
fr.   104  gehört.    E.  Hiller  billigt  dies,  vgl.  100.  101. 

116.  E.  Hill  er  1.  1.  vermutet  ai  st.  oe;  das  Fragment  ist  zu 
kurz,  um  darüber  zu  urteilen. 

119.  A.  Fick  1.  1.  empfiehlt  TT^veßXot  st.  -rrjVsXXa;  -rrjvsS  gehöre  zu 
xovaßetu;  t  sei  palatal  vor  hellem  Vokal. 

147.  G.  Knaack  Hermes  23.  (1888.)  S.  133  bezieht  das  Citat 
tot  xal  \\pyiXoyoi  laropcT  schol.  Apoll.  Rhod.  I  1212  nur  auf  den  letzten 
Satz:  cps'j-.'tov  ouv  xtX.,  also  nur  auf  den  Tod  des  Nessos. 


Griechische  Lyriker.  155 

Simonides  (Semonides). 

1,  13.    H.  W.  Smyth  1.  1.  verlangt  "Ap?)  st.  "Ap£i. 

1,  14.  A.  Fick  1.  1.  stellt  mit  'AiSyj?,  das  auch  7,  117  als  Cre- 
ticus  vorkommt,  opjoftypT)?  mit  langem  ü  (17)  und  tcouXuttov  (29)  zu- 
sammen; da  nämlich  der  Dichter  im  Gegensatz  zu  Archilochos  keine 
Auflösungen  im  Jambos  zulasse,  habe  er  sich  bei  Wörtern  mit  ana- 
pästischer und  sonstiger  widerstrebender  Messung  mit  Iktusdehnungen 
behelfen  müssen.  H.  W.  Smyth  will  fr.  29  wegen  tccüXutov  dem  Keer 
Simonides  zusprechen . 

7,  29.  E.  Hiller  1.  1.  vermutet  -/.a-aivsjet:  gut.  —  Nach  V.  45 
nimmt  derselbe  eine  Lücke  an,  ohne  jedoch  anzugeben,  welchen  Ge- 
danken er  vermilst.  Ich  halte  e'jxep^ev  wv  airavxa  für  korrupt,  wie  schon 
u)v  zeigt,  und  lese  sstep^e  Xwa  iravia  xtX,:  „nur  unter  Schlägen  und 
Schelten  versteht  sie  sich  zu  allem,  was  gut  ist,  und  thut  Wohlgefälliges; 
mittlerweile  aber"  u.  s.  w.  Zu  Xwa  vgl.  Theognis  95.  —  Auch  tov,  das 
E.  HiUer  st.  Itt'  V.  75  vermutet,  kann  ich  nicht  billigen,  da  die  Ver- 
wechslung von  Tov  und  ett'  unwahrscheinlich  ist. 

7,87.  H.  W.  Smyth  1.  1.  glaubt,  dafs  -/.ouv  in  y.oüvojxaxXuxov 
falsche  Umschrift  sei  aus  KON. 

Über  dieses  Gedicht  handelt  R.  Opitz,  Über  den  Weiberspiegel 
des  Semonides  von  Araorgos,  Philol.  50.  (1891.)  S.  13—30.  Er  ist  der 
Ansicht,  dafs  Hesiod  dem  Dichter  die  Anregung  zur  Abfassung  der 
Verse  gegeben  habe.  Darin  stimmt  er  mit  0.  Immisch  überein,  vgl. 
oben  zu  Phokyl.  3,  und  auch  ich  halte  dies  für  möglich.  Was  er  aber 
weiter  vorbringt,  kann  ich  als  jedes  festen  Grundes  entbehrend  nicht 
billigen.  Er  meint,  Simonides  habe  eine  Steigerung  beabsichtigt,  und 
demnach  sei  der  9.  Typus  auszuschliel'sen ,  zumal  da  V.  71,  wie  schon 
0.  ßibbeck  gezeigt  habe,  störe,  da  man  I'öiqxs  dsoc  zu  ergänzen  habe, 
was  nach  V.  57  nicht  mehr  angehe.  Für  die  Stute  (V.  57  flg.)  bleibe 
nur  ein  Platz,  nämlich  nach  der  Sau  V.  6,  und  für  die  Zusammen- 
stellung dieser  spreche  auch  das  Phokylideische  Gedicht.  Nun  störe 
aber  auch  V.  21  aus  demselben  Grunde  wie  V.  71.  Aus  der  Zusammen- 
stellung von  Sau  und  Stute  sehe  man,  dafs  der  Dichter  die  Charaktere 
nach  dem  Grundsatz  des  Gegensatzes  geordnet  habe.  Zwischen  dem 
Typus  der  Füchsin  und  dem  des  Meeres  lasse  sich  ein  wesentlicher 
LTnterschied  nicht  auffinden.  Ferner  befremde,  dafs  der  Dichter  neben 
der  wütenden  Hündin  überhaupt  noch  einen  besonderen  Typus  derjenigen, 
die  T/jv  jxev  ^eXot,  tt]v  o£  [xaivexai,  geschaffen  habe,  zumal  da  das  Meer 
zwischen  die  Tiertypen  nicht  hineinpasse.  Auffällig  sei  auch,  dafs  die 
Verwandtschaft  des  Weibes  mit  dem  Meere  dreimal  genannt  werde, 
V.  27.  37  u.  41.  Endlich  sehe  der  Vers  27  ganz  aus,  wie  ein  Flick- 
vers.   Beseitige  man  ihn,  so  schliefse  sich  V.  28  gut  an  V.  11  an;   so 


15()  Griechische  Lyriker. 

kämeu  die  beiden  korrespondierenden  zoXÄaxic  V.  10  u.  37  erst  zur 
Geltung.  Durch  die  Yergleichung-  Sj-sp  biXoLsict  V.  37  habe  der  Dichter 
nur  das  Bild  der  Unzuverlässigkeit,  das  er  in  der  Füchsin  entworfen, 
recht  deutlich  macheu  wollen.  Vv.  34 — 36  seien  zu  streichen,  wie  sclion 
die  Vergleichnng  mit  dem  Hunde  zeige,  der  ja  ein  besonderer  Tj'pus 
sei.  Vv.  41  u.  42  seien  offenbar  unecht.  Die  Einschaltung  des  Meer- 
typus sei  dadurch  entstanden,  dais  ein  „überkluger  Litterat"  den  im 
Fuchstypus  sich  findenden  Vergleich  selbständig  ausgeführt  habe.  Gegen- 
satz zum  Fuchs  sei  der  Esel  V.  43  flg.;  aber  liier  sei  eine  Lücke,  da 
die  Haupteigenschaft  des  Esels,  der  Mangel  an  Verstand,  fehle.  Diese 
Eigenschaft  sei  in  dem  Typus  der  Erdigen  V.  21  flg.  dargestellt;  doch 
passe  V.  21  nicht,  da  er  die  gewöhnlichen  Einleitungsworte  unterbreche; 
ebensowenig  passe  die  Erde  unter  die  Tiertj-pen;  aufserdem  sei  von 
einer  Entstehung  aus  der  Erde,  wofür  sonst  ex  stehe,  keine  Rede ;  ferner 
treten  die  '0).6fi-ioi  unvermittelt  an  die  Stelle  von  9so;  oder  Zsu;;  end- 
lich sei  nicht  die  Erde  der  Gegensatz  zum  Fuchs,  sondern  der  Esel. 
Nun  weise  aber  V.  24  mit  seiner  Efslust,  der  von  der  Erdigen  nicht 
ausgesagt  werden  könne,  klar  auf  V.  46  hin,  wie  schon  0.  Ribbeck  ge- 
sehen habe.  Die  Erdige  sei  also  zu  streichen,  und  es  seien  zu  verbinden 
Yv.  43—45.  (21  zu  tilgen).  22—23.  25—26.  24.  46  flg.  Die  anderen 
Typen  folgen  dann  in  der  überlieferten  Ordnung.  Glaubt  der  Verf. 
wirklich,  dafs  jemand  im  Altertum  so  mit  einem  Gedichte  umging? 

8.  G.  A.  Papabasileios  "A^v^va  L  (1889.)  S.  201  vermutet 
y.a'p-a  7X016?  st.  y.ata  -[loirtZ;  recht  ansprechend,  aber  kann  nicht  -/.a-a- 
yXo'.o?  dieselbe  Bedeutung  haben? 

20,2.  A.  Fick  1.  1.  erkläi't  ^ipia  mit  „Sinn,  Einsicht" ,  vgl. 
aipLojv.    Ich  kann  daraus  keinen  passenden  Sinn  gewinnen. 

Hipponax. 

33  vermehrt  R.  Reitzenstein,  inedita  poetarum  Graecorum 
fragmenta.  Iudex  lect.  Rostock  1890/91.  S.  7  aus  dem  cod.  Vaticanus 
1818  des  Etymologie.  Magnum  um  den  Vers:  -:(;  ojx'faXrjtofjLo;  ss  -cov 
wj-SKr^-it  I  'i'Yrpt  ■/.-)..  Zugleich  wird  dadurch  ^T^3^  als  richtige  Lesart 
bestätigt. 

43,2.  E.  Hiller  1.1.  bemerkt:  „rectius  fortasse  a-o-£[jL']^£'.;  scri- 
bitur:  v.  Brugmann  G riech.  Gramm.  §  142,  1.  Aber  solche  Verkür- 
zungen liegen  den  Jambographen  fern,  vgl.  auch  oben  Theognis  2 IG. 

64.  E.  Hiller  1.  1.  vermutet:  MaXi;,  -/.ovw/-  opa  [Xe  oet-otsw 
ßsßpoy  I  \<x-/ynt'  XtJ3op.ai  ■sz  [xt]  pa-i^27&ai,  wodurch  die  Rede  in  zwei 
unverbundene  Sätze  zerrissen  wird,  von  denen  der  zweite  aufserdem 
noch  zweideutig  ist;  jedenfalls  hätte  er  schreiben  sollen:  op?;  und  Xijso- 
}iai  oL 


Griechische  Lyriker.  157 

85,2.  0.  Immisch  N.  Jahrb.  f.  Phü.  u.  Päd.  139.  Bd.  (1889.) 
S.   18—19  vermutet:    £77a3Tpi7iixaipav  st.  e-f^aaTpip-ayatpav;  wohl  richtig. 

E.  Hiller  1.  1.  hat  3  Fragmente  (61.  64.  65)  aus  Chörob.  exeg. 
in  Heph.  p.  45.  48.    Hoersch.,  die  bei  Th.  Bergk  fehlen. 

Ananios. 

3,  1.    H.  W.  Smyth  1.  1.  erklärt  xa&sip^at  für  zweifelhaft. 
Herodas. 

Classical  Text  from  Papyri  in  the  British  Museum  in- 
cluding  the  uewly  discovered  poems  of  Herodas  edited  by 
F.  G.  Kenyon.  With  autotype  facsimiles  of  Ms.  London  1891. 
VI,  122  S.     4. 

Der  Hi-sg.  veröffentlicht  auf  S.  13—41  aus  Papyrus  135,  den  er 
dem  2.  oder  3.  Jahrh.  n.  Chr.  zuweist,  sieben  mehr  oder  weniger  voll- 
ständige Mlmiamben  des  Herodas  samt  den  bei  den  Schriftstellern  auf- 
bewahrten Fragmenten  dieses  Dichters.  Er  liefs  den  Text  ganz  so,  wie 
er  im  Papyrus  steht,  drucken,  ohne  Verbesserungen,  jedoch  mit  Wort- 
trennung. Die  Lücken  sind  durch  Punkte,  die  etwa  der  Zahl  der 
fehlenden  Buchstaben  entsprechen,  angedeutet  und  nur  da,  wo  die  Er- 
gänzung nahe  liegt  und  sicher  ist,  ausgefüllt.  Anmerkungen  unter  dem 
Text  geben  die  etwa  nötigen  Aufklärungen  über  Lesart  und  Beschaffen- 
heit des  Papyrus;  auch  werden  hier  manche  Konjekturen  mitgeteilt. 
Nachträge  und  Verbesserungen  zu  seiner  Ausgabe,  hauptsächlich  in  dem 
Sinne,  ob  eine  gemachte  Konjektur  auf  Grund  des  Papyrus  wahrscheinlich 
ist  oder  nicht,  giebt  der  Hrsg.  Academy  1891  No.  1017  S.  384,  abgedi'uckt 
in  Classical  Review  V  (1891)  S.  980  flg.  An  der  letzteren  Stelle  ver- 
öffentlicht er  auch  die  im  Papyrus  enthaltenen  Fragmente  des  Herodas, 
1 1  an  der  Zahl,  zum  gröfsten  Teil  stark  verstümmelt,  auch  abgedruckt 
in  Revue  de  philologie  XV  (1891)  S.  162—167.  In  der  mir  vorliegenden 
Ausgabe  der  „Classical  texts"  stehen  sie  S.  116  flg.  unter  dem  Titel 
„Addendum". 

Heroudae  mimiambi  ed.  by  F.  G.  Kenyon.  Facsimüe  of 
papjTus  CXXXV  on  the  British  Museum.  London  1892.  Fol. 
XXni  plates. 

Eine  getreue  photographische  Wiedergabe  des  Papyrus  135,    so- 
weit er  Herodas  betrifft. 

'Hptivoou  [jLiiJ.ia[j.[iot.    Herondas.    A  first  recension  by  W.  G. 
Rutherford.    London,  MacmiUan  and  Co.    1891.    X,  45  S.    8. 
Diese  ,, erste  Ausgabe"  des  Herodas  ist  nach  den  dem  Verf.  zur 
Verfügung    gestellten    Korrekturbogen    der    editio    princeps  des    F.  G. 


158  Griechische  Lyriker. 

Keiiyon  bearbeitet,  und  zwar  ziemlich  rasch,  wie  sich  überall  zeigt.  Sie 
enthält  manche  glänzende  Konjektur;  aber  das  Übereilte  und  Mifslungene 
ist  so  zahlreich,  dal's  das  Gute  darunter  völlig  verschwindet.  Aulserdem 
hat  es  der  Hrsg.  unterlassen,  da,  wo  er  von  der  hds.  Lesart  abweicht, 
diese  ebenfalls  anzugeben,  so  dafs  man  immer  im  Ungewissen  ist,  was 
vom  Hrsg.  herrührt  und  was  in  dem  Papyrus  steht.  Eine  alleinige 
Benutzung  der  Ausgabe  ist  unmöglich,  wie  der  Hrsg.  selbst  in  dem  Vor- 
wort sagt.  Gegen  diese  Art,  eine  „erste  Ausgabe"  herzustellen,  hat 
E.  W.  B.  Nicholson,  Notes  on  Herondas  or  Herondes.  Exti acted from 
„The  Academy"  (Sept.  u.  Oktob.  1891)  London,  Alexander  &  Shepheard, 
heftige  Einsprache  erhoben,  besonders  im  fünften  und  letzten  seiner 
Briefe,  und  auch  andere  Gelehrte  urteilten  ähnlich,  vgl.  z.  B.  H.  "Weil, 
Journal  des  savants.    1891.    S.  655  flg. 

Herondae  mimiambi  edidit  Fr.  Bücheier.    Exemplar  iteratum. 
Bonn,  Fr.  Cohen.    1892.    IV,  95  S.    8. 

Der  Hrsg.,  der  die  photographischen  Facsimile  des  Papyrus  be- 
nützen konnte,  hat  teils  durch  neue  Vergleichung,  teils  durch  eigene 
und  fremde  Konjekturen  den  Text  wesentlich  verbessert.  Unter  dem 
Text  hat  er  die  lateinische  Übersetzung  beigefügt  und  dann  den  kritischen 
Apparat.  Leider  hat  er  es  unterlassen,  die  Urheber  der  einzelnen  Ver- 
besserungen anzugeben,  so  dafs  man  sich  nur  mit  der  gröfsten  Mühe 
über  die  Gründe  der  einzelnen  Verbesserungen  untemchten  kann.  Zum 
Schhifs  sind  willkommene  Indices  beigegeben,  von  denen  der  erste  die 
Nomina  propria,  der  zweite  die  Vocabula  und  der  dritte  Memorabilia 
enthält. 

I  1  ergänzt  Rutherford  richtig  Opstsca,  vgl.  V.  79;  Fr.  Blals 
Göttinger  gel.  Anzeigen  1891  S.  728  flg.  verlangt  öpr^isaa.  —  2.  si't-.?  er- 
gänzt Rutherford;  Fr.  Blafsl.  1.  \x.ri  xi^  —  r^\lia^  schreibt  Rutherford 
mit  Unrecht  st.  fdXEOJv,  vgl.  Nicholson  1.  1.  S.  1  flg.  0.  A.  Danielsson 
Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  1891  S.  1323  flg.  erklärt  Tiap'  Tjixetuv  eS 
a-j'poixi'r,;  richtig  mit  ,,a  nobis  i'ure";  unnötigerweise  verlangt  H.  Jackson 
Classical  Review  1891  S.  358  flg.  ti;  xiüv  -ap'  f,ix£wv  y.-rX.  —  3.  W.  R. 
Hardie  Academy  1891  S.  337  flg.  ergänzt:  xt'c  x■r^^  Oupr^v,  sc.  äpa'ajst; 
ebenso  Fr.  Blafs  1.  1.  und  Fr.  Bücheier  Rhein.  Museum  46  (1891) 
8.  632  flg.  —  i-;<7)ot,  wie  Fr.  Blafs  1.1.  vermutete,  hat  die  Hds.;  es 
ist  =-  i-(ui  T)6e.  Damit  erledigen  sich  die  Konjekturen  von  Rutherford 
rrjv  |xev  OupTjV  epstoe,  Nicholson  -po?  Trjv  iluprjv,  a;  (ooe  oder  Tipo;  ttjV 
öuprjv  l'fF,  u)0£,  E.  L.  Hicks  Class.  Review  1891  S.  350  ttjv  öt)  !).  epeiSe, 
R.  Ellis  1.  1.  S.  360  eatüöe,  0.  A.  Danielsson  1.  1.  xau-riv  ftupvjv  saojoe 
oder  U  ««8e.  Der  Vers  ist  mit  Fr.  Blafs  so  zu  verteilen,  dafs  die 
Sklavin  xi?  xr,v  {>upr,v  und  x-';  ju;  5£i|j.aiv£i;  xxX.,  Gyllis  l-^wdt  spricht.  — 


Griechische  Lyriker.  159 

5  schreibt  E,utherford    ohne   Grund  tU  st.    sl;    ebenso   «ttXaivi'öo»  st. 

OiXaivtou;    OiXatviSoc    auf   dem    ßande   ist   Erklärung   zu    <l)iXaiviou.    — 

7.  Rutherford  giebt  die  Worte  xaXel  xti  der  Sklavin,  estiv  FuXXtc  xtX. 

der  Metriche ;  nach  Nicholson  1.  1.  S.  3  spricht  Metriche  xaXst  tu;  die 

Sklavin  sttiv  FuXXic,  Metriche  dp-ixia  F.  x-X.    F.  Bücheier  1.  1.  schreibt 

xcxXsi  und  zieht  dies  noch  zur  Rede  der  Gyllis;  dann  läfst  er  die  Herrin 

fragen  ti'c  es-iv;   die  Sklavin  antwortet  I'uXXt^,  und  die  Herrin  begrüfst 

diese  mit  «iix{iir)  F.   x-X.     Ich  stimme  damit  überein;    nur    möchte    ich 

xaXsi  schreiben  und  dies  der  Sklavin  geben,  wie  0.  A.  Danielsson  1. 1. 

thut.     So  fafst  die  Worte  auch  W.  R.  Hardie  1.  1.,  der  jedoch  FuXXt;, 

afjLjita  F.  der  Gyllis,  die  sich  vordränge,  giebt.    E.  L.  Hicks  1.  1.  giebt 

xaXsi  -tj  der  Metriche,  und  S.  E.  Winbolt  Academy  1891  S.  408  flg.  liest: 

Metriche:  xaXcirtc  ssn;  Sklavin:  FuXXt;,  ap-ixtaF. ;  Metriche:  azpi^o-^  -i  xtX. 

—  8.  cs-pi<\)ow  -t  erklärt  Rutherford  richtig  mit  „take    yourself   off"; 

damit  stimmt  Fr.  Bücheier  „verte  dum".    Nicholson  1.  1.  S.  8  findet 

darin    die    Bedeutung    ,,spin    something"    oder    ,,spiu    a    bit"    und    H. 

Richards  Academy  1891  S.  313  flg.  „turn  round  a  seat".    Unnötig  ist 

Fr.  Blafs"  j-puijov.  —  9.  Rutherford  ergänzt  richtig  xt  su  öeo;  iipoc 

dvöptuTcouj,  das  Fr.  Bücheier  aufnahm.  R.  Ellis  1. 1.  verlangt  xt  <ju  dsXeu 

-pö?  dvdpüJTro'Jc  und  ähnlich  hält  auch  0.  A.  Danielsson  1.  1.  OeXö'.j  i; 

für  möglich  coli.  Aristoph.  Ritt.  1279  und  Kock  zu  d.  St.  F.  W.  Hall 

Academy  1891  S.  266    vermutet    {^ap-i^st?.  —  10.   [xrjve^  ergänzt  F.  G. 

Kenyon.   —   11.    W.   Headlam    Athenäum    1891    S.  323    vergleicht 

Theokrit  n  4.  157;  der  Gedanke  ist  nicht  affirmativ.  —  13.  tt]?  XaupTfj; 

schreibt  Rutherford.  —  15.  Rutherford    schreibt  [im    ojov  st.  [xü; 

<j50v,  und  so  scheint  nach  der  Photographie  auch  der  Papyrus  zu  haben; 

auch  Fr.  Buch el er    nimmt    dies    auf.    —    16  vermutet  J.  H.  Vince 

Academy  1891  S.  563   xyj?  axirjv  üdpo^  -n^xsi,   worin  er  Tidpo?  mit  „nur 

zu  bald"  erklärt;  unwahrscheinlich.  —  17  ergänzt  Rutherford  ödpsuvö. 

Fr.  Bücheier  cty/-;  xs,  W.  R.  Hardie  1.  1.  S.  384  OaVt^s,  A.  Palmer  1. 1. 

S.  408    (XTcepps.   —    18   ergänzt   Rutherford    "cvjpa;    cptXsi,    was    E.  L. 

Hicks  1.  1.  billigt.  Fr.  Bücheier  Rhein.  Museum  1.  1.  ouvr^ieai,  in  der 

Ausgabe  by-jv  iyzi?,    H.  Richards  Academy  1891  S.  361    sxi  o&evei;, 

W.  R.  Hardie  1.  1.  y^6^o<;  (ptXeT  oder  Imsxaxat.    Ganz  ohne  Not  schreibt 

Rutherford  V.  17   xaxa-jisuro  st.  xaxat{/s'joou ,    für  das  Fr.  Bücheier 

xaxa'{/£uo£o    giebt.    —    19.   Rutherford    schreibt:    siXXaivs    xaüxa*    ttj}? 

vewxspT]?  ü|xiv  I  -posesxiv  aXX\  ou  xoüxo'   \ir^  at  dep[xrjv-/)c,  die  letzten  Worte 

jedenfalls  grammatisch  unmöglich;  die  Hds.  hat  OeppLTjVY).    Fr.  Bücheier 

liest  Ttpojsaxiv,  dXX'  ou  xoüxo  |xr]  as  9sp|xr]v7);  ebenso  R.  Ellis  1.  1.    Auch 

ich    bin  damit  einverstanden,    nur  möchte  ich  mit  Nicholson,    S.  E. 

Winbolt,  H.Richards  und  W.  Headlam  xaüxa  von  atXXaivs  trennen 

und  als  Subjekt  zu  rpossjxiv  nehmen.    H.  Richards  und  W.  Headlam 


160  Griechische  Lyriker. 

ändern  aufserdom  ae  in  [xs,  was  ich  für  nicht  angezeigt  lialte.  E.  L. 
Hicks  1.  1.  weist  die  Worte  a)X  ou  toüto  [xr,  ae  depix/^vY)  der  Metriche 
zu;  ebenso  A.  Piccolomini  Rivista  di  Filologia  XX  (1892)  S.  461, 
was  der  Zusammenhang  kaum  gestattet.  —  25.  W.  Headlam  Academy 
1891  S.  362  flg.  erinnert  an  das  Sprichwort  ex  xETpTjixEvv)?  xuXixos  raeiv.  — 
26.  H.  V.  Her  wer  den  Berl.  philol.  Wochenschr.  1891  No.  39  S.  1218  flg. 
verlangt  unnötigerweise  xeiö'  eatlv  st.  xsl  6'  eaxiv.  Bei  olxo?  xrjc  {}eoÜ 
denkt  Rutherford  an  den  Aphroditetempel  in  Alexandria,  in  dem 
Berenice  mit  der  Göttin  verehrt  wurde-,  richtiger  erklärt  E.  L.  Hicks  1. 1. 
,,dort  hat  die  Göttin  Aphrodite  ihre  Heimat".  —  27  liest  Fr.  Bücheier 
6V  st.  oijo.  H.  AVeil  Journal  des  savauts  1891  S.  655  flg.  verlangt 
X7J71VST'  st.  xal  ^i'vex .  —  30.  6  pacriXeu?  =  Ptolemäos  Eucrgetes  (247—221), 
wie  Rutherford,  H.  Weil  uud  Fr.  Bücheier  bemerken.  —  31.  Fr. 
Bttcheler  liest  xptqCt)?,  das  nach  seiner  Angabe  die  Hds.  bestätigt,  dem 
Sinne  nach  jedenfalls  besser  als  ypVjCTj.  —  33.  ajtspa?  ergänzen  Hicks  und 
Rutherford  bei  Ken3'on.  —  34.  xfjv  o'  o(]>iv  ergänzt  F.  G.  Kenyon.  — 
35.  hat  die  Hds.  .  .  .  OTjvat;  damit  fallen  alle  Konjekturen,  die  hiermit 
nicht  stimmen.  8.  E.  Winbolt  ergänzt  izdlon  xpif^^vai;  für  zaXai  schreibt 
Fr.  Buche  1er  besser  Ssat;  dies  ergänzen  auch  E.  L.  Hicks  1.  1.  und 
A.  Palmer  1.  1.  —  36  ergänzt  Rutherford  vtxuiaa,  E.  L.  Hicks 
XeYouaa,  S.  E.  Winbolt  Xe-fouj'  oxotYjv,  H.  Richards  auo(oc;a.  Besser 
ist  Fr.  Blals'  und  0.  A.  Danielssons  zI-oZ-jv.;  der  letztere  erldärt: 
,, mögen  die  Göttinnen  mir  den  kühnen  Vergleich  niclit  übel  vermerken" 
coli.  VI  35.  Weniger  gefällt  mir  Fr.  Büchelers  looüja.  V.  35/36 
giebt  Rutherford  mit  Unrecht  der  Metriche.  —  37,  eyo'jja  ergänzt 
Rutherford;  derselbe  schreibt  mit  Unrecht  daaaov  st.  xax'  ouv,  wie 
W.  Headlam,  W.  R.  Hardie,  P^icholson,  Fr.  Blafs  und  Fr. 
Buche  1er  lesen.  E.  L.  Hicks  vermutet  xa-/  ouv,  R.  Ellis  xax""  ouv, 
wie  Nicholson  anfangs,  H.  Richards  x-xx'  ou.  —  38.  Rutherford 
ergänzt  ^rjpäjja,  w'as  allgemeine  Billigung  fand;  nur  Fr.  Bücheier 
schreibt  xaxsija.  —  39.  Rutherford  ergänzt  7:apaxXivov,  E.  L.  Hicks  1. 1. 
l'xxXtvov,  Fr.  B  ü  c h  e  1  e  r  besser  (juvxeivov.  —  40.  xov  vouv  ergänzt  E.  L.  H  i  c k  s , 
R.  Ellis,  Fr.  Blals  und  Fr.  Bücheier:  vouv  scheint  nach  der  Photo- 
graphie die  Hds.  zu  haben;  damit  fällt  Rutherfords  sc  -/oüv  und 
H.  Richards'  iipo;  70UV,  —  41.  Rutherford  ergänzt  dvoptuv  7rp6?, 
H.  Jackson  avopa  Tipoc,  A.  Palm  er  oTxov  Tzpo?;  richtiger  F.  Bücheier 
oiXov  -p6?.  R.  Ellis  verlaugt  xXt'vaj  (oder  veuouj)  k,  H.  Richards 
[iUr.oua  i?,  Fr.  Blals  x7.l  opr)  Tipo?.  —  42.  oux  aTcpaXY^c  ergänzt  richtig 
Hicks;  unglücklich  Rutherford  i8\i7vr/y]a .  Auch  xeivoc  rjv  IXOr]  giebt 
Rutherford  mit  Unrecht  der  Metriche.  —  43.  Fr.  Bücheier  ergänzt 
7£[Ij.a>v,  a  av  iV/oi,  W.  R.  Ilardie  ouxoi  xo  -payflsv,  Rutherford  x£i)vy]xe 
Mavoptc,  H.  Richards  ou  -vw^sx'-    aXX'  ou.  —  44.   Fr.  ßücheler  er- 


Griechische  Lyriker,  162 

gänzt  |X£9op[xi ja j •  xh  oüjfjLa  o',  W.  R.  Hardie  {xsvsi  6'  htaz  —  to  osipLa  o , 
W.  Headlam  ola  o.  —  45.  Fr.  Bücheier  ergänzt  xaretst  aetacov  auxa 
owl,  W.  E,.  Hardie  lawc  av  acpsAoi  xoüxo  —  xouoi:,  W.  Headlam  iT.i^yzx' 
avSpac  jxoipa,  xouos;    aulserdem  spricht  er  die  Ansicht  aus,  dafs  in  der 
Lücke  auch  xaxar/tjac  gestanden  haben  kann.  —  46.  xo  fxsXXov  ergänzen 
W.    Headlam,    W.  R  Hardie,    Fr.  Bücheier;    E.  L.  Hicks   xrjv 
[jLotpav.   —  47.    W.  Headlam    ergänzt   Academj'    1891    S.   .314    aicuv, 
Athenäum  1891  S.  354  6  xotipo;  -J]ßY]c  (?)  coli.  Kaibel  epig.  502,  16.  699, 
E.  L.  Hicks    xaipo?   xeXsox-^c,    W.  ß.  Hardie    xu/y)   7:XavrjXr]   x\    Fr. 
Bücheier  ßioc  xad'  wpYiv.  —  48.  (juvs^yuc  rjiJtrv,  wie  Nicholson,  E.  L. 
Hicks,  H.  Jackson  und  Fr.  ßlafs  vermuteten,  hat  die  Hds.    W.  E. 
Hardie  und  0.  A.  Danielsson    schwanken    zwischen    auvs-f/uc   fjiAetov 
und  7\yiXv.  —  49  ergänzt  ßutherford  ypoviCoua;  besser  W.  R.  Hardie 
yprittouG'  oder  -/pstCouj';  das  letztere  auch  Fr.  Bücheier  coli.  VII  64.  — 
50.  ßutherford    schreibt    Mara-//^vr]c ,    Fr.   Bücheier  Maxa/tvr,s;    im 
Papyi'.  steht  über  dem  x  von  Maxax  .  vtjc  ein  /.  —  53.  6s  OiV/]  vermutet 
W.  ß.  Hardie,    bestätigt  durch  die  Hds.;    H.  van  Herwerden  1.  1. 
verlangt  Ijov.  —  54.  E.  L.  Hicks  vermutet  x6  xaXov,  i.  e.  xaXüis  ygl. 
Theokr.  3,  3.  Call,  epigr.  56;    ebenso  Fr.  Bücheier,    und  dies  scheint 
durch    die  Photographie  bestätigt.     Rutherford    9'  oxoTov,    wofür   H. 
van  Her  wer  den  xe  xolov  verlangt.    J.  H.  Vi  nee  1.  1.  schlägt  xoxotc.v 
„durch  Zinsen"  vor.  —  55.  Rutherford  schreibt  a'Dtxxoc  Iwv  Kui>rjpr]s" 
fjv,    cüppTQ-yi?,    W.  R.    Hardie  «ftixxoc    ei?    Küdn^pia'    v^v    o^p/j^i?,    E.  S. 
Winbolt    adtxxos,    xal  KudTrjpiT)?  C7cppt7a;    ccpfja  — -  TrXrjprjS  £3xt  Hesych. , 
0.  A.  Danielsson  xivecdv  a&ixxa  —  [xa,  Kutlr^ptY)  j^pyj^i?,  d.  h.  ein  Muster 
der  Sittsamkeit    oder  Diski-etion,    Fr.   Bücheier  Rhein.  Museum  1.  1. 
aöixxov,  Tj  Kutlrjpir)   o<ppr)7ts    (gemma  Veneris),    in  der  Ausgabe   ailtxxoc 
val    Ku9ripiT,v    acppY)7is.     Das    Richtige    haben    vermutet    E.  L.   Hicks, 
Nicholson,    R,  Ellis  aHixxoc  si?  (oder  s;)  Ku&T]piT)v   (oder  Ku&rjpsirjv) 
C9prj7i?    „a  pure  gern  for  Aphrodite's  Service".  —  56.  Zu    xa9o6cp    xrj? 
Mt'cYj?,  das  nicht  zu  ändern,  vgl.  Fr.  Bücheier  Orph.  hymn.  42.    0,  A. 
Danielsson  erklärt  xaOoöü)    „bei  der  Pompa*.     Rutherford    ändert 
xaO'  ooov  xT]v  Miar^;,   was  E.  L.  Hicks  billigt,   R.  Ellis  xa8^  65ou  xr^ 
]i-i<3rf,    W.  R.  Hardie    xaftoöw    xt]    'x    Fiisric.  —   57    hat   die  Hds.    xa 
osCKd'f/y    epojxi,    wodurch  alle  Konjekturen  erledigt  sind.     Dasselbe  gilt 
von  V.  60,    in  dem  jetzt  xaxaXitst    (st.  dYxaXi'Cei)    als  hds.  Lesart  fest- 
steht; Fr.  Buch el er  vergleicht  dazu  VI  77.  —  61  verteidigt  Nicholson 
mit   Unrecht  Mr)xpi/7);    das  t  ist    in    der  Hds.    gestrichen.  —  62.    W. 
Headlam   will  xaxapxTjsov  in  xaxapxuoov  ändern;    ohne  Grund.     0.  A. 
Danielsson  erklärt  „füge  dich  der  Göttin",    R.  Ellis  ,,turn  all  your 
thoughts  to  Aphrodite";  ähnlich  Fr.  Bücheier  „deae  te  applica".  — 
64.  Rutherford  schreibt  oi  ola  TrpVjistc  -^ös  aoi  "/«pts  xelxai,  E.  L.  Hicks 
Jahresbericht  für  Altertluimswissenschaft.    LXXV.  Bd.  (,1893.  l.j  H 


\  (52  Griechische  Lyriker. 

xal  oia  -p.  f^dc.  pYjuti  apxEiTto,  K.  Ellis  y.al  Xtoa  irpyj^stc  r^  ooxei^  roT    av 
rpYjEat,  A.  Palmer  xdl'   ota  zp.  r^o    iruToX-f]  >i;£i  coli.  Thuc.  6,  16,  W. 
Headlam  xai  ooia  rpr^;£'.;"  r)ö'  e-a'.vejsi  xal  aot,  Fr.  Buch  der  xal  oia 
(oder  besser  oxoTa)  -p.  f^ösu);,   -Alv/  r.tiar^.     Das  Richtige  scheint  noch 
uicht  gefunden  zu  sein.  —  66.  Rutherford  schreibt  [xot  st.  [jleu;  ebenso 
Fr.  Blafs  und  Fr.  Bücheier  im  Rhein.  Museum  1.  1.    Dagegen  erklärt 
&ich   mit  Recht  Nicholson  1.  1.  S.  5;    auch  Fr.  Bücheier    in    seiner 
Ausgabe  hat  [xco,  wo  er  bemerkt:  „usidejöai  x'.vo?  (ut  dxooeiv)  structura 
Herodotea".    Ebenso  ist  Rutherfords  Änderung  tpiXei  az  st.  ?pi>i(u  ae, 
sowie  die  Zuweisung  der  Worte  xal  (i,a  xa;  Moipa?  an  Metriche  zurück- 
zuweisen,   wie  E.  L.    Hicks    und    0.  A.    Danielsson   bemerken.  — 
67  ändert  Rutherford  aus  metrischen  Gründen  TuUJ.  in  TollU;    Fr. 
Bücheier  folgt  ihm  darin.     0.  A.  Danielssoi^  hält  dies  für  unnötig 
unter  Verweis  auf  III  7.  IV  20.  94.  —  68.  Die  Hds.  hat,  wie  Kenyon 
später  erkannte,    xa-a-,-Xüjaiv ,  wodurch  die  gemachten  Konjekturen  un- 
nötig   werden,  —  71.  Rutherford  schi'eibt    ytüXfjV    ö'    6.z\  osiv   ttwXov 
£;£-ai6£u9ifjv  st.  -/.  0    d£iÖ£tv  '/ioXb'^  (oder  yu)>'  av)  l^£T:ai6£uaa ,    wogegen 
Nicholson   mit  Recht  Einsprache   erhebt;    auch  H.  Richards    fj-copT) 
0   detoeiv  jxuip'   av   eS£Trai8£uja    ist    zurückzuweisen.     Ich    ziehe    mit  Fr. 
Bücheier  die  hds.  Verbesserung  yw)'  av  der  ersten  Schreibung  ytuXov 
vor.     Die    richtige   Erklärung    giebt    0.  A.  Danielsson:    „ich    würde 
dich    gelelu't   haben,    hinkend    dein    hinkendes    (garstiges)   Lied    voi'- 
zutragen",  d.  h.  ich  würde  dich  dafür  gezüchtigt  haben,  worin  vielleicht 
eine    Anspielung    auf    die    choliambische    Form    liegt.      8o    auch    Fr. 
Bücheier  in  seiner  Ausgabe.  —  73.   I'c  [izu    wünscht   Fr.  Bücheier 
st.  zi  [X£.    Unnötig  vermutet  st.  \>.rßl  s'v,  '^Ckr,,  -ow  F.  W.  Hall  [xtjoIv 
vrf'lii.  —  74.  Rutherford  schreibt  öc  X7]c  [XExpyjir)?,  wogegen  Nicholson 
mit  Recht  Einsprache  erhebt;    es  ist   metrisch  bedenklich,    ebenso    wie 
Nicholsons    oc  xs    (oder  ~{z)    ix£xp''r,cjtv ,    das    auch  H.  Richards    und 
H.  van  Her  werden  vorschlagen,  R.  Ellis"  ö?  {xf,  ■xatp£iaic  (—  jj-y)  £xai- 
p£iai;),  wobei  er  \t.-q  =  jxTjSe  fafst,  F.  D.'s  \j.r^  xr^?  IJ^s'^P^Tl«  Academy  1891 
8  409,    0.  A.  Danielssons  o;  <[i'r,>  ix£xp7;r]c.     Aufserdem  vermuten 
H.  Richards  oc  -■£  [xf,  ixaipf;;,  E.  L.  Hicks  ixY)xpo>i7]?,  W.  R.  Hardie 
IxTjXp'jiT^c,  A.  Palm  er  |j.£ixY)vuiatj,  Fr.  Bücheier  ixtxpTjiau'.,  wozu  er  be- 
merkt:   „multa   lectio    mitras  proprie  meretricum  esse  docet"    Servius 
Aen.  IV  216.    o'.v'ixtxpo?  ixaipa  Pollux  IV  151.     Am  besten  erscheint  bis 
jetzt,  was  0.  Orusius  liest:  fk  7'  ixatpvjTt.    Die  Hds.  hat  ix£xpir)iai;,  das 
fx  und  i  etwas  verwischt.  —  75.  Rutherford   schreibt    artaixct  |X£  st. 
drocYYsXXs ,    was  Nicholson  zurückweist.  —  76.  Rutherford  schreibt 
Ilü0''w  st.  ri'jOlüj;  dals  dies  unnötig  zeigen  Nicholson  und  E.  L.  Hicks.  — 
78.  'fmi  schreibt  Rutherford  st.  'fui£t  mit  a  über  u;    ihm   folgen   die 
andern, junter  Hinweis    auf  VII  49.  —  79.    xyjv    [xeXatvtSa    erklärt    Fr. 


Griecbiscüe  Lyriker.  1G3 

Buche  1er  .,die  schwarze  Trinkschale".  —  80.  Die  Hds.  hat  yyj/tTjixopo'j; 
Tper;,  wie  Nicholson  uud  Fr.  Bücheier  richtig  vermuten.  Im  Folgenden 
ergänzt    Nicholson    slta   ysuov    dxpVjTou,    E.    L.    Hicks    eiia    osüaov, 
A.  Pal  mar  elz   a<puc73ov,  F.  D.  sl-a  uizo'/zo'^;    uTzoyth  als  Gegensatz  zu 
sTTr/Eiv,    und  Fr.  Bücheier  y.atapLSTpyjaov.  —  81.  Rutherford  ergänzt 
ocujüj,    das    er  der  Sklavin  giebt,    Nicholson    Tjoetoc,    Fr.  Bücheier 
aopüi?;    vergleicht    man  Jon  2,  10,    so    könnte  man  auch  xuopöic  lesen. 
W.  Headlam    verlai  gt    y.aXöi?,    das  er  in   der  Bedeutung  von   „dank' 
schön"    der  Gyllis    giebt,    und  Fr.  Blafs    iopio.  —  82  giebt  Ruther- 
ford  der  Metriche;    er  gehört  von  ozilov  ab  der  Gyllis.     Am  Schlüsse 
ergänzt  Rutherford  o'j  j'  üp-yisöerjav,    grammatisch  und  metrisch    be- 
denklich,   W.  R.  Hardie  ou  ßap-jvösTaa,    H.  Richards    ou   9u[j,aivo'j3a 
oder  y oÄaivouaa ,    W.  Headlam  ouvs-/.'  oo  {^up-oi,    Fr.  Bücheier  früher 
ouv  9iXoiv6v  at,  jetzt  in  der  Ausgabe  ou  xo  fxeu  a77£X|xa.    Von  der  letzten 
Ergänzung    abgesehen,    sind    alle  Folge    der    falschen  Rutherford  sehen 
Personenverteiluug.  —  83.  Nicholson  ergänzt  aWa  ßatov  wvrjilrjv  oder 
u)VT^fXT)v,   E.  L.  Hicks  a}X   airpaxto?  (uvr][j,yiv;   u)V7^ay]v  vermutet  auch  W. 
Headlam.     Fr.    Bücheier    im    Rhein.    Museum  1.  1.    dXXa    {jlt]    i->iw 
vü)(jov.  —  84.  Ratherford    schreibt    ohne  Not    ouvsy    iv    st.    ouvsy.£v. 
Am  Schlüsse    ergänzt    Fr.   Bücheier    Fu^Xu,    wvao    ^copou.  —  85    bis 
Schlufs  spricht  Gyllis,  wie  0.  A.  Danielsson  mit  Recht  gegen  Ruther- 
ford  bemerkt.     Rutherford  schreibt  o  mi  -'svoi-o  st.    "ji  aoZ   -(svotTo, 
W.    Headlam    C?    3oü    7'    ovatro    (oder    0^.-0).      Zu    [xa    bemerkt   H. 
van  Herwerden,   dafs  es  bei  Herodas  looZ  zu  bedeuten   scheine,  vgl. 
IV  20.  33.  43.  V  56.  59.  VI  4.  21.  68.     Am  Schlufs  liest  Rutherford 
rpo-ivtü  coi,  Fr.  Bücheier  -oXuc  '^Uoi^.  —  86.  Fr.  Bücheier  ergänzt 
im  Rhein.  Museum  1.  1.  [xot  po9£lv  r/j-^o-,  in  der  Ausgabe  My)tpi/y)?  oivo;, 
MYjTpiyTic    ist   jetzt    nach    der  Hds.    sicher.     Besser   scheint  Fr.  Blafs' 
M.  oivou  zu  sein.  —  87.  Rutherford  schreibt   unrichtig  xriTrpasy.E'.  xi;, 
wie   Nicholson    zeigt,    der   -rsüojyiv    n;    vorschlägt;    S.  E.  Winbolt 
Tteiiwxa?  au;  besser  Fr.  Blafs  -£7:cuyiv  y.co,  und  so  auch  0.  A.  Danielsson. 
Fr.  Bücheier  ergänzt  -ercoy.'  ouxw.  —  88.  0.  A.  Danielsson  ergänzt 
ai3ä>  aui^ooGOi,  metrisch  bedenklich.  Fr.  Bücheier  im  Rhein.  Museum  1.  1. 
aiveoic    ö'    aiet,    in    der  Ausgabe    d-|'xaXiCoo   oi   oder   dX>>a  xai  Csülov.   — 
89.  Rutherford  schreibt  xarEvrtfxrj,  wofür  Nicholson  y.al  Siixt)  setzt; 
so  auch  Fr.  Bücheier.     H.  van  Herwerden  weist  darauf  hin,  dafs 
Myrtale  und  Sime  Hetären  unter  der  Aufsicht  der  Gyllis  sind.  —  Der 
1.  Mimos    zeigt    nach    Th.  Rein  ach    Revue    des    etudes   grec(iues  IV. 
(1891)  S.   209  flg.     Ähnlichkeit    mit    den  Syrakusanerinnen  des    Theo- 
krit;  die  Scene  ist  vermutlich  Rhodos.  Th.  Tyler  Academy  XL  (1891) 
S.  242  weist  darauf  hin ,    dafs  Horaz  od.  III  7    wohl  im  Anschlufs   an 

den  1.  Mimos  gedichtet  sei. 

11* 


104  Griechische  Lyriker. 

II  2.  Rutberford  schreibt  oy)  y.ouösv;  Nicholson  undW.  Headlam 
halten  mit  Recht  die  Überlieferung  6rj-/.oui)sv.  —  3.  Die  Hds.  hat  ttjv 
vrjuv,  wie  A.  Palm  er  und  Fr.  Blafs  vermuteten.  —  4.  6'  ejj-ouc  schreibt 
F,  Gr.  Kenyon,  Rutherford,  Fr.  Bücheier;  A.  Palmer  i'iia  6e  [xü; 
ä'pTouc,  sc.  Tpa)-)u).  —  5.  Nicholson  liest  1.  1.  S.  13  dXX'  eiirep  e^ei  B. 
Tt  7:rj}jLr,vac,  das  letzte  jedenfalls  richtig,  der  Anfang-  kaum  in  den  Zu- 
sammenhang passend;  nicht  zu  billigen  ist  "W.  Headlams  iXl"  ei'-sp 
B.  y.aTr||xuaas,  —  6.  F.  D.  ergänzt:  xi  |jly]  ''(xaXeu);  xauxov  7ap  d^iui  xXaüuat, 
Fr.  BUcheler  in  seiner  Ausgabe  [j-t,  oty.rjv  6üi.  —  7.  W.  Headlam  ergänzt 
|j.a|xixrj^,  Fr.  BUcheler  schreibt  mit  F.  G.  Kenyon  6  [xastöj  viiaj,  giebt  aber 
an,  dafs  man  auch  oixaaizi?  o'der  |i.aaTt;  und  nachher  rjiaae  (oder  >;iajev)  äv 
lesen  kann.  —  9  hält  Fr.  Bücheier  v.aXlwi  für  richtig,  da  vorher- 
gegangen sei  z.B.  T,v  [xar  erastxüi?.  —  10.  Fr.  Bücheler  bemerkt :  „in 
margine  P  vEfxetv  habet,  ut  appareat  agi  de  patrono  inquilini  (Suid. 
v£[jL£>v  -po5taxr,v)  cui  Mevvtjc  aut  plenius  nomen.  an  vsjxciv  omissum  erat 
initio  versus?"  —  12.  Fr.  Bücheler  ergänzt  xrjxt.  —  13.  Die  Hds.  hat 
xou  fjXt'ou  ouvxo?,  wieF.  W.Hall  und  W.  Headlam  vermuteten.  Nicholson 
vergleicht  dazu  V.  25  und  glaubt,  dafs  V.  13  mit  xvJTzpyjcje  begann.  — 
14.  W.  Headlam  ergänzt:  aveuöe  (j.6ydu)v,  avopsf,  tO.rc/z  y/.aTvav  vgl.  21; 
Nicholson  hält  eppTj/e  vor  yÄaivav  für  möglich.  —  15.  Fr.  Bücheler 
ergänzt  17(0  xw  Trpo^xaxrj  o£Öa)pr,ixai,  0.  Crusius  iJ.£i)cupt(7!JLa'..  —  17.  Fr. 
Bücheler  ergänzt  a.}X  vj  g'x-^t^^  xvjxrjsxaxiv,  0.  Crusius  vSr]  xi  xpax£T. 
Am  Schlufs  hat  die  Hds.  Xi[i.6v.  W.  Headlam  axfcouja  Trpiv  xaxiaxa 
X7)v  xaxTjv  Xijxov.  —  18.  Nicholson  bemerkt  mit  Recht,  dafs  Tupou  st. 
xupou  zu  schreiben  sei.  W.  Headlam  ergänzt  TtEpva?,  F.  D.  Ttupou?  os 
-£pvas  £x  Tupou,  XI  xtü  or]|i.o).  E.  L.  Hicks  bezieht  ex  Tupou  xt  xw  ot|[xo> 
auf  eine  Schiffsladung  Weizen,  die  Thaies  von  Tyros  nach  Kos  brachte, 
vgl  19.  20.  Ebenso  scheint  sich  x£ivr,v  V.  20  auf  eine  der  Waren  des  leno 
zu  beziehen,  von  der  in  den  verstümmelten  Versen  die  Rede  war.  — 
]9.  W.  Headlam  ergänzt -^v  ^ap  out^'  ouxo;  -upo-j?,  F.D.  }j,£X£6ü)x£;  oiupE/^v  7' 
ap  (oder  7(ip)  ou8'  ouxo;  «tupou;,  Fr.  Bücheler  -poxiOrijxi'  o(üpeT,v  7ap  oux' 
ouxo;  xxA.  —  20.  W.  Headlam  ergänzt  ouvaxoc  aXr^öeiv  oux"  £7(0  uaXiv  7:£ivf^v 
F.  D.  oiocüj'  aX-/;&£'.v  oux'  £701  zaXiv  xEivyjv,  Fr.  Bücheler  am  Schlufs 
xa/.r//  y.'.vErv.  —  26.  Rutherford  schreibt  x/jcp'  st.  xa'f'.  —  27.  A.  Palmer 
vermutet  Äu;x£ojv  st.  u[j.£a»v,  H.  Richards  Xy;c;£i  st.  Xuj£i  u.  st.  ujj-etuv  ein  Par- 
ticip  im  Sinne  von  „wegnehmen" ;  beides  ohne  Grund.  —  28.  Die  Hds.  hat  ov 
£ypr,v  auxov;  Rutherford  schreibt  xov  auxov  lyp?]v,  ebenso  E.  L.  Hicks, 
richtig  R.  Ellis  ov  ypy-v  iauxov,  ebenso  Fr.  Bücheler,  W.  Headlam, 
Fr.  Blais,  H.  Weil.  H.  Richards  wünscht  ov  ypr^v  |j,£v  auxov,  [lzw  dem 
o£  (31)  entsprechend.  —  xt;x  st  xdx  Rutherford  und  E.  L.  Hicks. 
—  29.  Rutherford  falsch  Tic'fuprjxat,  xoiT  w;  st.  Tzcouprix'  zloo-'' 
<'Ji.     —     30.     R.    Y.     Tyrrell     verlaugt     £u     6Y)p.oxüiv     Trprjjjovxa, 


Griechische  Lyriker.  ]ß5 

ohne  Grund.  —  34.  Rutherford  schreibt  TroXir^xrj?  st.  T.oKi-r^;.  — 
39.  Rutherford  schreibt  xot  TiavTa;  Nicholson  hält  die  Kenyonsche 
Lesart  r^,  tA^^xol  „siehe,  alles"  u.  s.  w.  Das  Richtige  fand  Fr.  Blafs 
fcavTa,  das  durch  die  Hds.  bestätigt  wird.  —  43.  ou  dvei'-v]  vermutet 
H.  Richards;  Fr.  Bücheier  'veittt).  —  44.  Die  Hds.  hat:  [xtj  Tipo^  ts 
xujoc  cpY)au  0.  A.  Daniel sson  schreibt  t'  6  (od.  x)"  6)  st.  ts,  indem  er  Ttpoc 
mit  „insuper"  erklärt.  A.  Piccolomini  1.  1.  vermutet  -poa»)'  6  xujoc  <fr^a'., 
und  für  rfr^v.  tritt  auch  Nicholson  ein.  Ich  halte  diese  altepische  Form 
für  unpassend  und  lese  lieber  mit  Rutherford  cp-r)  xt,  wobei  ich  aber 
dessen  rpo?  x'  axupov  zurückweise.  Meiner  Ansicht  nach  lautete  die 
Überlieferung  [xy]  Tipo?  x'  6  xuao?  97]  xi;  Trpo?  „dazu".  W.  Headlam 
vermutet  rpoc  x6  Muaov,  (pasi,  yw,  H.  v.  Herwerden  ~p6s  x'  axupov 
pET)  XI,  sc.  xou  uSaxo?,  W.  T.  Purton  Academy  1891  S.  563  irpo?  72 
xuoov  r)auycüxaxY)c  rj[i.rv,  A.  C.  Pearson  Class.  Review  1891  S.  483 
3xp6?  x£  Muao?,  wodurch  97)51  erklärt  werde,  vgl.  Mujüiv  Xsia.  A.  Palm  er, 
upoc  72  MuGOi?,  'fTjai,  '/Co,  E.  L.  Hicks  -po?  7'  6  ypuaoc,  <pri5i,  yuj. 
Fr.  Bücheier  rpoc  xs  y.ujoc,  'frjji,  yw  xxX.  „ne  insuper  etiam  culus  — 
ita  nempe  istud  ait  proverbium  —  praeter  stragulam  nostram  cedat  in 
praedam",  W.  Headlam  später  irpo?  xs  xuao'v,  97)51,  ym  coli.  Poet.  lyr. 
ed.  Th.  Bergk  fr.  adesp.  25;  R.  Ellis  hält  xuao?  für  neutrale  Form 
und  vergleicht  dazu  xuj&o;;  xaTiy]?  ist  nach  ihm  ^^  a^raxr^c  =  a-axeuiv. 
F.  B.  Jevons  Academy  1891  S.  384  liest  \}.-q  —  irpo?  7s  xujov  97)7-, 
yßi  xaiTTjc  Tjjxiv  —  x6  xoü  X670U  xxX.  „aus  Furcht  —  im  Vertrauen  oder 
unter  uns  gesagt  —  dieser  Teil  meiner  Rede  könnte  mir  gestohlen 
werden".  St.  yu>  xauT)?  schreibt  Rutherford  0aX-^?  ebenso  unnötig,  wie 
A.  Palmer  yJ)  TdfJBT)?  rjixtv  „unser  Phrygier".  —  45.  xo  xoZ  X670U  or^  xouxo 
„wie  das  Sprichwort  sagt' ' ;  so  erklärt  W.  Headlam  richtigund  verteidigt  diese 
Erklärung  durch  viele  Beispiele  gegen  Nicholsons  Zweifel.  Rutherfords 
Xr^iT)  st.  Xtjit)?  weist  Nicholson  mit  Recht  zurück.  —  46  flg.  gehören 
dem  7pa[jLixaxeu?,  nicht  dem  Battaros  selbst,  wie  0.  A.  Danielsso n 
mehat,  der  nach  V.  45  die  bei  den  Rednern  mit  v6|xo;  bezeichnete 
Redepause  annimmt.  —  47.  Rutherford  schreibt  2Xxcdv  st.  exwv,  was 
Nicholson  mit  Recht  füi*  unnötig  erklärt.  —  48.  Fr.  Bücheier  be- 
merkt: „Dorius  legum  conditor  quasi  auctor  Coarum,  Xapuivoa?  prima 
correpta  Attice."  —  50—54  teilt  Rutherford  mit  Unrecht  dem 
7pa{X[jLax£u?  zu.  —  51.  Rutherford  verbessert  mit  Recht  97)517  in 
97^5.  —  53.  Rutherford  schreibt  ohne  Not  oupou?  st.  opou?,  das 
H.  Richards  zweifelnd  in  ouoous  ändern  will.  —  55.  Rutherford 
ändert  0aX%  ohne  Not  in  öaXTJ  um,  dagegen  schreibt  er  mit  Recht  oTa&a 
St.  olaOa?;  SO  auch  Fr.  Bücheier.  —  57.  E.  L.  Hicks  bemerkt,  dafs 
BpixtvoTjpa  ein  Hafen  von  Rhodos  war;  dagegen  Fr.  Bücheier:  ,,Bricindera 
ignota",  quaesita  syllabarum  cum  Abderis  consonantia".  —  62.  Die  Hds. 


16(5  Griechische  Lyriker. 

hat  xaT:i73r,[,  korrigiert  in  xrj[jLzijar,t.  llutherford  schreibt  "/tj 'P-  i^i<JJTi 
[XU?  =- xoti  7j  £v  TttcjaT),  wie  F.  G.  Kenyon  sagt,  Fr.  Bücheier  xrjv  =  xai 
£v.  0.  Crusius  Philolo^us  50  (1891)  S.  719  vermutet  xdv  Oiffar]  Mo.-, 
indem  er  bemerkt,  INIys  ist  hier  der  geprügelte  Faustkämpfer;  ich  stimme 
ihm  bei,  nur  würde  ich  -at^ii.,  bzw.  xrjv  halten.  —  64.  Rutherford 
schreibt  jjLtuöoy  st.  [xts&ov,  mit  Unrecht,  wie  Nicholson  zeigt,  der  darauf 
hinweist,  dals  Battaros  den  3.  Teil  des  Erträgnisses  des  Hauses  als 
Miete  zahlt.  Ebenso  Fr.  Bücheier:  „domnaedius  pro  mercede  xoxou; 
EzixpiTouc  exigebat".  Unrichtig  erklärt  0.  A.  Danielsson  TpixTjv  mit 
,, vorgestern".  —  65.  otztöc  „versengt",  wie  E.  L.  Hicks,  Nicholson, 
W.  R.  Hardie,  0.  A.  Danielsson,  H.  Weil  bemerken.  —  68  flg. 
hält  E.  L.  Hicks  für  eine  Parodie  auf  das  bekannte  Mittel  des 
H3T)ereides  in  der  Verteidigung  derPhryne.  —  69.  xaziuöc  Rutherford 
St.  xatcu&ev.  —  70.  0.  Crusius  wva^rjc  ^^  6  ava-j'y^c;  0.  A.  Danielsson 
vergleicht  Hesych.  dva7r^?  =  6  iva^v^c  r^  ßepT]Xo?.  —  72  ergänzt  Fr.  Blafs 
richtig  lirei  xo  aifx  av  Izv-f.  coli.  6,10;  ihm  folgt  Fr.  Bücheier. 
Rutherford  schreibt  s-d  ToX|xav,  R.  Ellis  e-öi  wv  xoXjjiav,  E.  L.  Hicks 
£-£i  TOI  }j.'  av,  J.  Jackson  ir^d  -Jr^  z\i  av,  indem  er  zu  tov  £|X£  Plat. 
Phileb.  20  B,  zum  Daktylos  4,19  vergleicht,  W.  R.  Hardie  enei  airX^v' 
äv  coli.  Aristoph.  Thesm.  3;  i-lr^  rührt  von  E.  J.  Palm  er  her.  — 
72.  Dals  in  <piXi  ein  Eigenname  steckt,  betont  0.  A.  Danielsson  mit 
Recht;  er  vermutet  OdvjTa;,  W.  R.  Hardie  OiXitttto?,  A.  Palraer 
<I)iXrvov  oder  (I)iXrjfjLtuv ,  0.  Crusius  C)iXivoc,  Fr.  Bücheier  OtXiatoj. 
S.  E.  Winbolt  liest  cpiAußpic  und  H.  v.  Herwerden  ^ftXrjaa?  {-=  epaaÖEi?). 
Am  Schlufs  des  Verses  hält  der  letztere  6  ßpr/xos  und  glaubt,  dafs  dies  ein 
unbekannter  Barbar  sei,  der  eine  Dirne  auf  ähnliche  Weise  wie  Thaies 
mifshandelt  haben  mag.  W.  Headlam  vermutet  6  Bpa-f/oi  coli.  Lactant. 
ad.  Stat.  Theb.  VIII  198  flg.  und  hält  eine  Anspielung  auf  die  bei 
Athen.  XIII  p.  605  F.  erwähnte  Geschichte  für  möglich.  S.  E.  Winbolt 
wünscht  ij  Bpr/yo;-,  0.  A.  Danielsson  erklärt  ßp£7xo;  für  einen  Spitz- 
namen =  ppr/xoc;  0.  Crusius  liest  xote,  pri'xEt?;  oder  Bpsixoj, 
W.  R.  Hardie  6  ßpEvi%;,  Fr,  Bücheier  6  apejxoj.  —  76.  Rutherford 
schreibt  ohne  Grund  ^tau(j.ßpo;  st.  2i5U[Aßpa?.  Fr.  Bücheier  vergleicht 
Ovid  fast.  IV  865.  —  78.  Rutherford  ergänzt  l-{io  \i'{oi\i ,  was 
E.  L.  Hicks  billigt,  Nicholson  verwirft,  indem  er  T^apsEco  'v  Xeoj 
verlangt,  0.  Crusius  Xstp  Xf/otfji',  H.  Richards  e-'oj,  Xirjv  oder  -/e  o^ 
'/.i'loi.\x,  E.  J.  Palmer  und  W.  R.  Hardie  XErjXaToifx',  bzw.  XsT^XaTEotp.', 
ebenso  W.  Headlam  und  R.  Ellis,  0.  A.  Danielsson  Xewv  X£7ot|x',  Xewv 
als  Prädikat  des  Bedingungssatzes  vgl.  CaUim.  I  429  (Schneider), 
A.  Palm  er  Xewv  Ei'roijx'  „ich  wäre  so  tapfer  wie  ein  Löwe  und  würde 
sagen".  Am  meisten  entspricht  bis  jetzt  Fr.  Bücheier  Xsovx  aj/o\.\}.\ 
Am  Schlüsse  des  Verses  schreibt  Rutherford  ei'tjv  st.  eiV);  0.  Crusius 


Griechische  Lyriker.  167 

leitet  eiV^  von  slixi  ab.  —  79.  Rutherford  liest  MuptaX/]  xdiv  awv  evoov 
st.  MupxaXr]?-  ouSev  oöivov,  H.  v.  Herwerden  epqt?  jaev  i'atu;  MupxaXT)  au  tü)v 
ev6ov,  beides  ohne  Grund.  —  80.  Die  Hds.  hat  nach  Keuyon  sTiupeov; 
dies  verteidigen  Nicholson  und  Ü.  A.  Dunielsson;  der  letztere  er- 
klärt es  mit  Ißojxov,  fügt  aber  bei:  „oder  eTrupveov?"  Rutherford 
schreibt  e-upoov,  was  E.  L.  Hicks  billigt,  W.  Headlam  eTY^peov, 
W.  R.  Hardie,  H.  Richards,  A.  Palmer,  Fr.  Blals,  0.  Crusius, 
Fr.  Bücheier  Tiupuiv.  —  81  erklärt  W.  Headlam  richtig:  d  tj  xapSia 
jo'j  e'pioTi  OaXTrsxat;  unnötig  verlangt  Nicholson  rj  st.  r],  Rutherford 
aoi  st.  aeu.  —  82.  0.  Crusius  hält  Baxxapiw,  das  man  gewöhnlich  in 
Baxxaptp  ändert;  vielleicht  mit  Recht.  —  83.  Fr.  Bücheier  schreibt 
ri  auxos  st.  xauxoc,  Rutherford  falsch  xt]  st,  dXi^.  —  84.  0.  Crusius 
verlangt  mii  Recht  l'vsaxiv  st.  Iv  o'  ejxiv,  wofür  H.  v.  Herwerden  Sv 
ö'  eW  eV  vermutet.  —  87.  Rutherford  schreibt  mit  tTnrecht  xf]v  st. 
^'v,  richtig  dagegen  olov,  worin  ihm  0.  Crusius  folgt;  Fr.  Bücheier 
hat  öiov.  —  96.  Fr.  ßücheler  bemerkt:  ,,hospitalitatis  Coorum  exempla 
immortalia,  Hippocr.  epist.  9,1."  —  97.  Rutherford  -/.o-z  st.  xüic,  was 
E.  L.  Hicks  und  Nicholson  mit  Recht  zurückweisen.  Nach  96  ist 
nur  Komma  zu  setzen.  ~  98.  E.  L.  Hicks  mit  richtiger  Trennung 
nach  den  Andeutungen  in  der  Hds.:  xsü  x^'p^^^  was  allgemein  aufge- 
nommen wurde.  Fr.  Bücheier  bemerkt  zu  dem  Vers:  „hoc  novum 
est  cf.  Callim.  hymn.  IV  160."  —  Nach  A.  Palm  er  ist  der  2.  Mimos 
eine  Parodie  auf  die  Midias-Rede  des  Demosthenes. 

im — 57  gehören  der  ]VIetrotime,wieO.A.  Danielsso  ngegenRuther- 
f  ord  mit  Recht  bemerkt.  —  2.  H.  Richards  wiU  x'  nach  ^or^s  streichen. 
—  3.  Fr.  Bücheier  bemerkt:  „hinc  catomidiare".  —  5.  0,  Crusius 
erklärt  ax£7T)v  mit  „Hausstand,  Familie",  yaXxivöa  V.  6  mit  ,,Hazard- 
spiel  um  Geld";  zu  dem  letztern  Wort  vergleicht  H.  Weil  PoUux 
Onom.  VII  105:  /aXxt'Cetv,  zaiStSc  xi  sioo?,  ev  r]  vo[xi3fJLaxt  7)pxtaCov.  — 
7.  0.  CTrusius  und  Fr.  Bücheier  weisen  darauf  hin,  dafs  die  2.  Silbe 
in  aaxpaYcxXat  gedehnt  ist,  wobei  jener  (fapjxaxos  bei  Hipponax,  dieser 
i-iri  vergleicht.  W.  R.  Hardie  und  H.  Richards  wollen  oopxaoe? 
lesen.  —  8.  Nach  [xe^ov  ist  stärker  zu  interpungiereu,  wie  E.  L.  Hicks, 
H.  Richards,  0.  A.  Danielsson  sahen;  Änderungen  sind  unnötig. 
E.  L.  Hicks  vermiitet  you  st.  xoü,  F.  B.  Jevons  xou  mit  Verweisung 
auf  das  Sprichwort  ou-ox  i'oysv  tj  Oupa,  H.  v.  Her  wer  den  xou  [j.tv  .  .  . 
xXei'ei,  W.  R.  Hardie  xoy  [aev  es  duprjv  (poixi5.  —  9.  H.  Richards  ver- 
langt xEi  st.  xai,  kaum  nötig.  Fr.  Bücheier  bemerkt:  ,,mercedem 
menstruam  quam  Roniani  idibus,  Metrotime  pridie  Kai.  solvit  necessitate 
instante  [xsxa  oaxpucuv  ixsxsuouca:  ita  proverbium  explicat  Zenobius  VI 
10  Phrygum  regem  fuisse  Nannacum  uarrans,  cf.  vtvrjctxov  neniam,  xd-t 
Navvaxou  pro  antiquissimis  (Macarius  8,4}".     Vgl.  auch  Kenyon  zu  der 


IGS  Griechische  Lyriker. 

Stelle.  —  11.  /i^s'.s  St.  Xr;;£ie  E.  L.  Hicks,  H.  Richards,  Fr.  Blafs, 
Fr.  Bücheier,  0.  A.  Danielsson,  H.  Weil,  0.  Gercke  und 
Günther  Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  1891  S.  1320  flg.;  H.  Jackson 
läl'st  die  Wahl  zwischen  li^ziz  und  os-'^sis,  während  Nicholson  II  S.  5 
Xrfiziz  schützt.  Im  folgenden  schreibt  ßutherford  -/Iijly^v  st.  ^s  |j,v^v, 
was  Nicholson  mit  Recht  zurückweist.  iraiarpT)  wird  allgemein  „Spiel- 
saal, Spielhaus'"  erklärt.  —  12.  H.  Richards  unnötig  oxot-sf;  st.  oV.ou- 
-£p.  —  16.  0.  Crusius  konstmiert  richtig :  7:po  tou  iTit  xoty^ov  ipixlvo;  xou 
-rr^;  ya}jL£uvrj;;  Fr.  B üchel er  trennt  yaiJLsuvrjj  und  spfj-ivoc  durch  Komma. 

—  17.  Fr.  Bücheier  und  Fr.  Blals  schreiben  yjv  st.  y.fjv  coli.  Eurip. 
Med.  30;  ebenso  A.  Palmer, -mit  Recht.  A.  Gercke  und  0.  Günther 
lesen  xvjv,  [ir^Y.o-'  y.-Ä. ,  Rutherford  [xrixst',  H.  Richards  ixt^xet'  .  .  . 
ßXe<{y'(j  st.  jxr^xot  .  .  .  ßXe(|>a?,  R.  Ellis  ot^xot  .  A..  0.  Danielsson  er- 
klärt die  Überlieferung:  ,,auch  wenn  er  sie  niemals  —  so  wenig  Mie 
den  Tod  —  gesehen  hat  und  nichts  Schönes  darauf  geschi'ieben,  sondern 
nur  sie  ganz  abgekratzt  hat."  —  18.  Rutherford  schreibt:  t^^^ri 
}i£v,  o'joev  xaXov,  sx  8'  oXov  $uet:  ebenso  A.  Gercke  und  0.  Günther; 
H.  Richards  ^patj^si  .  .  •  ^uaei.  —  19.  Die  Hds.  hat  8k  Xmaptoxspai, 
wodurch  alle  die  zahlreichen  Konjekturen  überflüssig  werden.  W.  Headlam 
vergleicht  das  Sprichw'ort:  Xi-apwTspoc  \6'/yoo  und  XtiTapojxepos  Xtjxuöiou. 
0.  Crusius  stellt  oopxaXtos?  mit  xp-r)-rö£?  zusammen.  Unnötig  ist  die 
Forderung  A.  C.  Pearsons  und  Th.  Reinachs  Revue  des  ctudes  grecques 
IV  (1891)  S.  223  Anm.  4,  V.  20  u.  21  umzustellen,  um  r^?  Xyjxü^ou 
y;[j,£ojv  näher  an  Xi-aptuxspat  7ioX>.ov  zu  bringen.  —  20.  Zu  «puaTj;  ver- 
weist 0.  Crusius  auf  Hesj'ch.  'füaa-  aaxo?,  indem  er  das  lat.  buUa  ver- 
gleicht. —  21.  Rutherford  ändert  ganz  willkürlich  die  Überlieferung 
in  xal  x^  y-'JÖpT]  fj[Ae(uv  -q.  —  22.  Zu  oüö'  aXipa  auXXaßyjv  vergleicht 
Fr.  Bücheier  Dionys  Thrac.  p.  632  b  25:  dadurch  wird  H.  v.  Her- 
werdens aX'f'  ouol  cuXXaßrjv  unnötig.     IL  Richards  verlaugt  jüXXafJiuv. 

—  23.  Rutherford  schreibt  xwuxo  st.  xauxa,  mit  Unrecht,  wie 
Nicholson  zeigt.  Dagegen  schreiben  Fr,  Blafs  und  Fr.  Bücheier 
mit  Recht  ßcuir^  st.  ßuidat.  —  24.  Rutherford  schreibt  xpiilrip-epT, ;  ebenso 
Fr.  Bücheier  st.  xpiOrjfXEpGt;  A.  Gercke  und  0.  Günther  xpiö'  rjjjLEpot, 
kaum  richtig.  —  26.  li\i.<oy  ist,  wie  Rutherford  und  Fr.  Bücheier 
angeben,  der  Name  eines  Wurfes  beim  Würfelspiel,  vgl.  Pollux  VU  205. 
O.  Crusius  will  darin  aufserdem  noch  unter  Hinweis  auf  proverb. 
Alexaudr.  1  die  sprichwörtliche  Bezeichnung  für  „Schuft"  im  Gegensatz 
zu  Maptov,  dem  Heros  vgl.  Pausan.  III  12,  9  erkennen,  was  meiner  An- 
sicht nach  zu  weit  abliegt.  —  29.  acupi'r)  erklärt  0.  Crusius  richtig 
mit  „schlimme  Zeit,  Alter";  ebenso  Fr.  Bücheier;  unrichtig  A.  E. 
Crawle^'  Academy  •  1891  S.  314  „carelessness".  H.  Richards  ver- 
mutet ohne  Grund  xiljaiv  diropiTj?.  —  30.  Rutherford  schreibt  Itty^v  st. 


Griechische  Lyriker.  169 

Eiieav.  Zu  prjji;  vergleicht  O.A.  Danielsson  Aristophan.  nub.  1371; 
es  ist  wohl  —  so  0.  Crusius  —  der  Anfang  einer  tragischen  prjsts  ge- 
meint, vgl.  Aeschyl.  fr.  200  p.  67  N-:  a^peu?  8"A-6XXa)v.  Fr.  Bücheier 
scheint  die  Worte  "AttoXXov  a-fpeü  als  Ausruf  der  Mutter  zu  fassen: 
Rutherford  giebt  sie  gar  dem  Lehrer.  Die  Worte  ola  7rai3t3xov,  die 
Rutherford  gänzlich  mifsverstanden  hat  —  „tlie  boy  is  asked  to  explaiu 
the  meaning  of  Ttaiotjxos"  —  erklärt  E.  L.  Hicks  richtig:  ,, wie  es  ein 
kleiner  Knabe  soll" ;  ebenso  W.  R.  Hardie,  0.  Crusius,  0.  A.  Daniels- 
son, Fr.  Bücheier.  A.  Palmer  schlägt  vor  oia  Trai?  oisxov  als  An- 
fang einer  Fabel,  die  der  Knabe  deklamieren  soll.  —  32  ist  Apposition 
zu  6  raTr]p,  keine  Vergleichung  zu  33,  wie  es  Rutherford, 
W.  Headlam,  R.  Ellis  fassen.  —  33.  Rutherford  schreibt  h^aZxoL 
xojxi'vou  Ix  st.  evTauö'  oxws  viv  sx;  A.  Gfercke  und  0.  Grünther  fassen 
ox(u;=oTc;  besser  wird  man  mit  andern  oxw?  =  (oc  nehmen.  Zu  xsTp/j- 
{xsvr);  ergänzt  E.  L.  Hicks  yuxpa?,  W.  R.  Hardie  uopia?  oder  upoyoy; 
ebenso  0.  A.  Danielsson.  Fr.  Bücheier  bemerkt:  ,,in  proverbio  est 
£x  T£Tpr,{j.£vy]f  xuXixoc  Tcivsiv.  imago  tracta  a  percolantibus  (Persius  I  35)." 
0.  Crusius  versteht  die  Worte  mit  Recht  von  dem  stockenden,  tropfen- 
weisen Vortrag,  den  die  Mutter  in  den  folgenden  Worten  "AizoXXov  afpsü 
nachahmt.  —  34.  E.  L.  Hicks  fafst  ''A-oXXov  a-^psu  .  .  .  (pYjixi  als 
Zwischensatz:  „I  do  declare,  by  Apollon,  it's  true";  A.  E.  Crawley  ver- 
langt dp7£u  st.  «Ypsu,  das  er  als  „God  of  vacations"  erklärt.  —  35.  Die 
Hds.  hat  TaXr,s,  das  A.  Gercke  und  0.  Günther  halten  =  TaXas; 
ebenso  0.  A.  Danielsson,  der  aber  auch  einen  Hyperionismus  für 
möglich  hält.  Rutherford  schreibt  xaXas,  wobei  er  die  Frage  offen  läfst, 
ob  nicht  ein  Eigenname  TaXrjs  oder  TaX?)  zu  schreiben  ist  Auch 
0.  Crusius  vermutet  xaXa?.  E.  L.  Hicksr  schlägt  xa  X-^?  vor,  und 
so  schreibt  Fr.  Bticheler,  was  mir  wegen  der  Zweideutigkeit  ,,was 
du  willst"  unangemessen  erscheint;  ich  halte  xouxo  für  das  Objekt  zu 
£p£t  „dieses  bestimmte  Stück",  das  jetzt  gerade  von  dem  Knaben  ver- 
langt wird.  F.  B.  Jevons  vermutet  ai  XtJ]?,  W.  R.  Hardie  xaXridrj,  was 
schon  metrisch  anstöfsig  ist.  —  39.  A.  C.  Pearson  vermutet  ohne  Not  xc''p£i 
st.  x£ip£t.  —  43.  Rutherford  schreibt  etit^v  st.  s^Eav,  und  dann  iow 
jj-iv  st.  io(ü[jLi;  dieses  vermuten  auch  Fr.  Blafs  und  Nicholson.  Die 
Überlieferung  halten  Fr.  Bücheier  und  A.  Gercke  und  0.  Günther, 
meiner  Meinung  nach  mit  Unrecht,  da  man  diese  homerische  Form  dem 
Ilerodas  kaum  zutrauen  kann.  Ich  vermute  i'(3cD|j.at.  Die  folgenden 
Worte  giebt  Rutherford  dem  Lampriskos,  indem  er  xoü  schreibt;  das 
Richtige  ist  xou;  die  Worte  gehören  auch  der  Metrotime.  —  44.  Die 
Hds.  hat  ixict,  wozu  Fr.  Bücheier  bemerkt:  „minus  probabile  ixta  pro 
ixfitvoi;  dictum,  cf.  Babrii  fab.  125".  Er  schreibt  ititj,  E.  L.  Hicks 
tx£a,    A.  C.  Pearson  oti^ioi;    das  Richtige    scheint    ixpia    zu  sein,    das 


1  70  Griechische  Lyriker. 

Rutherford  in  den  Text  setzte,  vgl.  ■it^varuaixaxo;  V.  46,  das,  wie 
0.  Crusius  sagt,  „Kuchen" und  „Ziegelplatte"  bedeutet.  —  49.  Euther- 
ford  schreibt  dtXrjf^iV  st.  /(JXyjBiv"  und  toovia  st.  (336vTa,  wasE.  L.  Hicks 
billigt,  aber  Nicholso  n  mit  Eecht  zurückweist;  W.Headlam  verlangt  für 
den  —  allerdings  nicht  vorliegenden  —  Fall,  dafs  der  Vers  auch  noch  zur 
Rede  .i  er  Nachbarn  gehört:  |i.Yj6'  loovra  -[ivcuaxsiv;  ebenso  H.Richards. 
S.  E.  Winbolt  vermutet  i^ovxaj,  metrisch  bedenklich,  H.  v.  Herwerden 
i66v-a  ix7)vüffai  und  A.  E.  Orawley  ooovt  dxivYjTsiv.  O.  Crusius  macht 
darauf  aufmerksam,  dafs  ooovta  xtvsTv,  das  sonst  ,,essen''  bedeute,  hier 
derber  Ausdruck  für  „sprechen"  sei,  und  Er.  Bücheier  bemerkt: 
.,proverbium  (566vTa  xivsTv  -mitius  quam  brf^zv/  sumptum  a  capris."  — 
50.  pa'xiv  erklären  R.  Ellis,  0.  Crusius  und  Fr.  Bücheier,  wie  es 
scheint,  richtig  mit  „Rücken"  (0.  Crusius  fügt  noch  bei  ,, Nasensattel?"); 
ebenso  Rutherford.  0.  A.  Danielsson  bringt  paxis  in  Zusammenhang 
mit  paxo?  und  übersetzt:  „sieh,  wie  schäbig  seine  Lumpenjacke  ist  von 
all  dem  Unrat,  worin  er  sich  herumgetrieben  hat."  F.  B.  Jevons  ver- 
mutet pacptv  von  pacpU  =  U7i68r)[jia:  uXr)  ist  dann  =  „Schmutz";  zu 
XeXETTprixs  vergleicht  er  Aristoph.  Fr.  511.  —  53.  Rutherford  be- 
merkt, dafs  der  7.  und  20.  Tag  jedes  Monats  dem  Apollon  geweiht 
sind;  es  sind  also  Ferientage.  —  55.  Rutherford  schreibt  oT  ufisTc -. 
a-.'tvsTTs;  R.  Ellis,  W.  lieadlam  und  Nicholson  schützen  die  Über- 
lieferung ot'  fj[j.o;  -.  a-j'ivvjTs.  0.  A.  Daniel sson  weist  auf  Apoll. 
Khod.  hin,  der  öfter  fjfxo?  oxe  verbindet  ,, des  Tags  wo".  H.  Richards 
vermutet  voeuvxa  o^fxov  u.  a^tveüVTa.  E.  L.  Hicks  und  0.  Crusius 
übersetzen  7rat7viV,v  mit  „Schulfest,  Ferien".  Auch  Fr.  Bücheier 
schreibt  dtYivsixs,  da  ihm  der  Konjunktiv  weder  dem  Sinn  noch  den 
Partikeln  ox'  f,|xos  angemessen  erscheint.  —  56.  Rutherford  schreibt 
mit  Unrecht  i(  xt  deoi  st.  et  xi  aoi.  —  57.  Rutherford  et  ok  st. 
aiöe,  womit  die  Musen  gemeint  sind,  die  in  der  Schule  aufgestellt 
waren.  Mit  diesem  Vers  lassen  "W.Headlam,  Fr.Bücheler,O.A.Daniels- 
son,  A.  Gercke  und  0.  Günther  die  Rede  der  Metrotime  schliefseu; 
besser  setzen  R.  Ellis  und  Fr.  Blafs  den  Scblufs  nach  }j.tj  'Xa^jov 
aüxw.  —  58.  H.  Richards  vermutet  [xtj  iJ.5aaov  st.  |jl?j  Xaaaov,  indem  er 
diese  Worte  dem  Lampriskos  giebt.  St.  auxw  liest  Rutherford  auxa, 
E.  L.  Hicks  und  Nicholson  auxuiv.  Den  Dativ  MyixpoxtfjiT;  schreiben 
Rutherford,  E.  L.  Hicks  und  Nicholson.  Um  das  Versmafs  am 
Schlosse  herzustellen,  vermutenE.L.  Hicks,  A.  Gercke  und  0.  Günther, 
0.  Crusius  e-eu/oio  st.  e-eu/eo,  was  Nicholson  für  unzweifelhaft  richtig 
hält.  0.  A.  Danielsson  ergänzt  eixeti  (^  r,  ii).oi)  vor  l-zdyto,  H.  Richards 
fjLot:  das  Richtige  scheint  <fj.:?j>  ire-j/eo  zu  sein,  dasR.  Ellis,  H.  Jackson, 
Fr.  Blafs  und  Ff.  Büchelor  fordern.  —  59.  Rntherford  schreibt 
}j.e^&v  st.  }i£tov,  unrichtig,  trotzdem  es  E.  L.  Hicks  billigt,  wie  Nicholson 


GriechiPcbe  Lyriker.  171 

zeigt.     W.  R.  Hardie  bemerkt,    dal's  Euthies,    Kokkalos    und  Pliillos 
Schulkameraden    des    Kottalos    sind;    ebenso    H.   v.  Herwerden,    der 
Oi'AXi?  st. OiXXo?  verlangt;  weniger  richtig  denkt  Rutherford  an  Sklaven. 
—  61/2.  Das  Richtige  scheint  tt]  WyAatui   zzXri^^oLiri  \  osuovte?    zu    sein, 
wie  R.  Ellis,  Fr.  Bücheier,  0.  Crusius,  A.  Gercke  und  0.  Günther 
vermuten.      0.  Crusius    fafst    ösi^ovxs?  =  e-i'SeuovTs;,    wie   ein    i}aufj.a; 
R.  Ellis    weist    auf   das    die  Scene  veranschaulichende    porapeianische 
Gemälde  hin.     Fr.  Bücheier  bemerkt:    „verum  puto  'Axeseu):    i.  sus- 
pensum  habituri  ac  resupinum,    nam  ista  luna  in  pendenti    est    semper 
neque    apparet    aversum    iter    teuens  pro  adverso.  fuit  proverbium    ItiI 
6iafJL£v6vTcüv    xal  ßpaSuvovxcuv,     ettI    dvaßaXXofJLSvtuv    -pa^at  xi."      Vgl.    auch 
Rutherford,    jedoch  ist  es  nicht    richtig,    wenn    Ps.  -  Diogenian    dem 
Sprichwort  Aaxwvixac  asXr,vac  den    entgegengesetzten  Sinn    geben    will, 
und  Fr.  Bücheier    hätte    dies    zurückweisen  sollen,     oei^ovxs?  ist  An- 
rede: „ihr,  die  ihr  ihn  dem  Mond  des  Akeseas  zeigen,  d.  h.  ewig  zaudern 
wollt?"     Daher    ist    auch  0.  A.  Danielsson  ixyj  'Axejew  xtX.  zurück- 
zuweisen.    R.  Herzog  schreibt  SiCovxsc,    H.  Richards  versuchsweise 
Xt^^ovxs?,  W.  Headlam  X^$ov,  H.  v.  Herwerden  Xs^ov.    Rutherford 
schreibt  xt]  A.  asXTjvatY];  |  oe^ov  xe  a  atvscu.  —  63.  0.  Crusius  verteidigt 
7re|A7rctv  ==  „werfen"  und   erklärt  aoxpaßoa  (V.  64)  acjxpaßüi;  =   „ohne  zu 
schütteln", vgl.PersiusIIISO.  PolluxIX?,  103.  —64.  Rutherford  schreibt 
asxpaßöoxcüj-sp  oioa  st.  oTos,  E.  L.  Hicks  ajxpaßoox'  cojTisp  oiöa,  indem  er 
daxpaßooxo;  ■=  aaxpaßoooxo;  „Packesel"   fafst  und:  aiJTrsp  olda.  auf  ö.  -ai'Cetv 
bezieht.     F.  B.  Jevons  vermutet  axpsTrxivö'  oxcüff-ep  oTos,    S.  E.  Win- 
bolt  dcjxpaßvic  oxfosTTsp    oloa  oder  a?  xpauXov  w?  Trpä'fiA    oioa;    xpauXov  = 
rßh  Hesych.,  H.  Jackson  ajxpa-(6\     Das  Richtige  ist  aixpaSo    oxcüjjiep 
o7o£,    wie    W.  Headlam,    Nicholson,  A.  Gercke  und  0.  Günther^ 
O.  A.  Danielsson  und  Fr.  Bücheier  lesen.   W.  Headlam  vergleicht 
atjxpaß^a  mit  xußöot,  ohne  eine  Bedeutung  anzugeben,   Nicholson  nach 
Gardner  „ohne  zu  drehen",  auf  die  Hand  des  Spielers  oder  besser  auf 
die  Würfel  bezogen,  R.  Ellis  bezieht  es  auf  die  Stellung  der  spielenden 
Knaben,  0.  A.  Danielsson  „ohne  auszureifsen",    Fr.  Bücheier  „in- 
corrupte".   Mit  dloz  sind  die  oben  genannten  Schulkameraden  gemeint.  — 
65.  irpouvixoisi  ßutherford  mit  Recht  st.    Tipovixoisi.   —  66  flg.  S.  E. 
Winbolt    macht    auf   die    Allitteration    des  x,    0.  Crusius    auf    die 
Aristophauesreminiscenz ,  vgl.  Lysistr.  473  flg.  aufmerksam.  —  67.  Die 
Hds.  hat  xap'fo;  zl,    was  ganz  richtig  ist;    zu    xivelv    \xrfik    y.dpfoz  vgl. 
I  54.     Rutherford    liest    mit    Billigung    E.   L.  Hicks   xap(pio'j  xo    f 
Y)xi3xov,  R.  Ellis  xap'foc  £v  x6  7'  f^xisxov,  H.  V.  Her  wer  den  x.  v^  xo  7" 
^xirrov,  W.  Headlam  xap^eos  t6  7'  TJoiaxov,  H.  Richards  xapcpo;  ei  xö 
|xrjX'.3xov. —  68.  St.  cxüXo;,  ungewöhnlich  für  axuXo;,  vermuten  H.  Jackson, 
H.  V.  Herw.erden  und  0.  Crusius  axüxo; -=  tj  ßoo;  xepxo;,   ohne  Not. 


17i'  Griechische  Lyriker. 

llutherford  schreibt  r,  st.  f,.  —  69.  ßutherford  liest  xtJ  st.  m.  S.  E. 
AVinbolt  verlangt  zeorjta^  „hinderers".  —  70.  Die  Hds.  hat  /oXrj.  E.  L. 
Ilicks,  W.  R.  Hardie  und  Fr.  Bücheier  lesen  yol^;  besser  ist -/oAr^v, 
Avie  ßutherford,  H.  Richards,  Fr.  Blals,  0.  Crusius,  A.  Gercke 
imd  0.  Günther,  0.  A.  Danie.lsson  vermuten;  nach  dem  letzteren 
ist  ß^Sat  —  l^ihoii.  Rutherford  schreibt  mit  Unrecht  Xrj^at,  H.  Richards 
pfjSat.  —  71.  Fr.  Bücheier  schreibt  [xy]  jx  ixexeuu)  st.  [jlt)  [j-yj  txexeuü), 
nunötig;  dagegen  bemerkt  er  mit  Recht,  dais  su  als  Kürze  gebraucht 
sei;  0.  Crusius  vermutet  geradezu  ixetsw  und  A.  Grercke  und 
O.Günther  Ixs-üi.  Daher  sind  alle  Konjekturen  unnötig;  H.Richards 
}jl/,  (jl'  oder  [j-Y]  [jLTj  avTOfj-ai,  ßutherford  riptffxs  st.  Aajj.Trpi5X£,  R.  Ellis 
'Afj.-pi3X£,  F.  W.  Hall  Aa[j.rpiax£  [j-tj  \i  ixetsuü)  irpo?  as,  W.  Headlam 
jj-Y]  |j,Y)  ixexsutu  rpo?  az  Mouuewv  AajxTipiaxe.  —  72.  E.  L.  Hicks  liest 
xoTTioo?;  ebenso  Fr.  Bücheier,  der  übersetzt  „capitale  tuum  Ingenium"; 
besser  schreibt  Rutherford  KottiSo?,  Koseform  st.  KozxdXoo  „bei 
meinem  Leben";  so  auch  0.  Crusius  und  0.  A.  Danielssou. 
H.Richards  will  unter  Kottis  das  Kind  oder  die  Frau  des  Lampriskos 
verstehen.  —  73,  H.  Richards  will  7s  st.  [xs  schreiben,  ohne  Grund. 
0.  Crusius  versteht  unter  xtu  SptixeT  den  ifia?  aaxpa-caXcoxo?.  — 
74.  H.  Richards  vermutet  xav  st.  xai.  Fr.  Bücheier  bemerkt,  dals 
xai  ohne  av  stehe,  und  verweist  auf  V  75  und  Schneider  Callim.  I  p.  358. 

—  75.  Rutherford  liest  ouo'  oxo)?  /topi^?  „nicht  einmal  um  dich  los  zu 
werden";  ebenso  E.  L.  Hicks;  R.  Ellis  dagegen  erklärt  -/wpeiv  mit 
„gut  abgehen"  =  einen  guten  Preis  erzielen.  R.  Y,  Tyrrell  vermutet 
ouo'  oxüjc  -/(üpei;.  0.  Crusius  und  A.  Gercke  und  0.  Günther  halten 
mit  Recht  an  der  hds.  Lesart  000  oxco?  7/oprjc  |  ot  [xüc  xxX.  fest,  indem 
sie  üxüis  lokal  ==  oxou  fassen,  wofür  0.  Crusius  auf  Theokr.  I  13.  Y  101. 
103  verweist,  wo  wc  ebenso  steht.  Es  ist  also  nicht  nötig,  oxw^  in 
oxou  zu  ändern,  wie  W.  R.  Hardie,  F.  B.  Jevons  und  Fr.  Bücheier 
thun.  Zur  Stelle  vergleichen  0.  Crusius,  F.  B.  Jevons  und 
Fr.  Bücheier  Senec.  apocol.  7:  venisti  huc,  ubi  mures  ferrum  rodunt. 

—  76.  O.  Crusius  erklärt  6[j.oia)c  richtig  mit  ,, ebenso  wie  andere 
Nahrung".  —  78.  Rutherford  schreibt  l'i  [x'  evcpopfjjai  st.  e;  [x£u  9 opr,aai ; 
O.  Crusius  verlangt  \loi  st.  |X£'j,  unnötig,  da  die  Rede  unterbrochen 
wird.  —  79.  Fr.  Bücheier  giebt  xa  xa  dem  Lehrer;  er  bemerkt: 
„interiectio  imitantis  sonitum  verberum,  germ.  patsch".  Richtiger  weist 
Rutherford  xaxa  dem  Kottalos  zu.  0.  Crusius  meint,  dieser  ver- 
wechsle infolge  der  Aufregung  xaxä  „Papa"  mit  „Mama";  ich  erkenne 
mit  H.  van  Her  werden  darin  eine  Interjektion;  letzterer  vergleicht 
axxaxai.  Die  Rede  des  Kottalos  lassen  H.  Richards,  0.  Crusius, 
A.  Gercke  und  '0.  Günther  mit  dw^s.x''  endigen;  besser  nehmen 
Rutherford,  E.  L.  Hicks,  R.  Ellis,  F.  W.  Hall,  0.  A.  Danielssou 


Griecliisclie  Lyriker.  173 

lind  Fr.  Bücheier  die  letzten  Worte  des  Verses  noch  dazu:  si,'  -i  noi 
;(irf,v,  wie  E.  L.  Hicks,  W.  Headlam  und  Fr.  Bücheier  richtig' 
schreiben;  der  Nachsatz  fehlt  infolge  der  Unterbrechung^  durch  die 
Mutter.  Rutherford  schreibt  si  eti  aoi  Ctuw  cpepetv,  R.  Ellis  si  'ixt 
a'j^(üT]v,  ohne  zu  meiner  Grofsmutter  zu  laufen,  F.  W.  Hall  -/oja?  ixoi;  oo? 
ö^  ex,  si  Ti'sst  Cw'iv  (pepeiv,  A.  Gercke  uud  0.  Günther  st'  ti  goi  ^lori^ 
cpepetv,  oaac  av,  0.  A.  Danielsson  ei'  xt  aoi  ^cueiv,  sc.  efxe,  „wenn  dir 
mein  Leben  etwas  wert  ist",  A.  Palmer  v^  xi'jto  ^lo-q-^;  H.  Richards 
giebt  diese  Worte,  wie  den  folgenden  Vers,  mit  Unrecht  dem  Lampriskos 
St.  der  Mutter.  —  80.  (pepetv  hängt  von  cSevr)  ab,  wie  E.  L.  Hicks 
richtig  bemerkt.  —  82.  Die  Hds.  hat  ouyt  r.pqlvi,  eine  Silbe  zu  wenig. 
Rutherford  schreibt  ouyixt  upiq^to;  ebenso  Fr.  Bücheier;  R.  Ellis 
o'jyi  <xot  od.  xi>  7:p.,  A.  Gercke  und  0.  Günther  ou/i  <xt>  7:p., 
0.  A.  Danielsson  ouyt  <7i7j  od.  xvj>  irp.,  0.  Crusius  ouyi  <7:a>  irp. 
coli.  Theoer.  I  63.  XI  28,  Fr.  Blafs  ouyj  <}xr;>  Tcp.  —  84  steht  ebenso 
auch  V  8.  —  85.  [xuv  erklärt  0.  Crusius  richtig  mit  „Knebel";  so 
auch  Fr.  Bücheier  und  H.  Weil.  H.  v.  Herwerden  versteht  daruuter 
die  xepxo?  ^06^;,  und  H.  Richards  verlangt  geradezu  ßoüv  st.  [xüv.  — 
87.  Die  Hds.  hat  ouosxXrj^at,  eine  Silbe  zu  wenig;  das  Richtige  scheint 
uu  GS  öei  Xrj;ai  ZU  sein,  wie  W.  Headlam,  A.  Gercke  und  0.  Günther 
und  Fr.  Bücheier  vermuten;  der  letztere  auch  oux  loei  Xrj^ai,  nachdem 
er  früher  ou  Sset  Xrjiai  vorgeschlagen.  Rutherford  schreibt  ouo'  av 
e/^^ais,  E.L.  Hicks  ou  o£o^  Xr^cai,  R.  Ellis  ouosxo)  Xt];si;  oder  ouoexoj 
av  Xrjiai?,  A.  Palmer  oux  eöi  X^?ai,  0.  Crusius  ouol  st;  Xr^cat,  der 
Optativ  im  Sinne  eines  Imperativ.  Metrisch  bedenklich  istA.  C.  Pear- 
sons  ou  Sei  a  IxTiX^Eat,  Fr.  Blafs'  ou  8ti  xw  X^^at,  0.  A.  Danielssons 
ou  6et  a  ExXfj^ai.  —  88.  Sut)  st.  oucjy)  vermuten  Rutherford,  Fr.  Blafs 
und  Fr.  Bücheier.  0.  Crusius  hält  dös-Q  mit  Recht,  glaubt  aber, 
dafs  YiXiov  St.  Y]Xio;  möglich  sei  coli.  Callim.  ep.  II  3.  Die  I  p.  302  R 
(163  D):  xaxaöuei?  xov  ^Xiov;  mir  scheint  dies  unwahrscheinlich.  — 
89.  Rutherford  bemerkt,  dafs  TroixtXwxspo?  uöpr^s  hier  nicht  in  dem 
sprichwörtlichen  Sinn  im  xtuv  ooXspuiv  genommen  sei,  und  H.  Weil 
stimmt  ihm  bei,  indem  er  Plaut.  Bacch.  III  3,30  vergleicht.  E.  L.  Hicks 
giebt  den  Vers  der  Mutter  und  nimmt  ihn  im  Sinne  des  Sprichworts, 
was  ich  nicht  billigen  kann;  ebenso  A.  C.  Pearson.  —  90 flg.  gehören 
der  Mutter;  Rutherford  weist  90  xat  .  .  .  jjliv  dem  Lampriskos  zu, 
W.  Headlam  90  u.  91  bis  [ir^^iy,  0.  A.  Danielsson  90—92,  ebenso 
Fr.  Bücheier;  A.  Gercke  und  0.  Günther  90  bis  ßuBXiw  der  Mutter; 
dann  yjSt]  xou  \  xo  \j.-i]di\  dem  Kottalos,  endlich  aXXas  sixoaiv  72  xxX.  wieder 
der  Mutter.  Rutherford  schreibt  willkürlich  oeTpov  st.  otjxou.  —  91.  xo 
[xr^Osv  „wie  nichts,  wenigstens"  H.  Weil,  0.  A.  Danielsson,  E.  L. 
Hicks,  R.  Ellis,   Fr.  Bücheier.     A.  C.  Peurson  hält  xo  y.rj^v*  für 


174  Griecliischc  Lyriker. 

eine  Appositiou  zu  v.v  oder  besser  für  einen  Ausruf:  ,,the  good  for  notliing"; 
II.  Ricliards  will  gar  ivieüOev  oder  touvtsüOev  st.  tö  |j,rj9sv  schreiben. 
—  92.  Rutherford  setzt  vor  y.al  r^v  ixiXl-Q  (V.  91)  stärkere  Inter- 
punktion und  nach  avaYvüivat  Komma;  dies  vorwirft  A.  C.  Pearson  mit 
Recht,  der  vor  y.al  tjv  Komma  und  nach  dva-f/üivai  Punkt  setzt.  — 
93.  0.  Crusius  weist  hai  „ätsch"  dem  Kottalos  zu,  der  fliehe  und  die 
Zunge  herausstrecke.  Ich  gebe  den  Ausruf  der  Mutter.  Fr.  Bücheier 
bemerkt:  „i'jja  grammatici  traduut,  'fuit  igitur  malevolorum  exclamatio 
alieuis  malis  gaudentium'  Meinek.  FCG.  IV  p.  80  cf.  germ.  heisa".  A.  C. 
Pearsoü  verlangt  ijja  zl,  was  Metrotime  au  ihren  Sohn  richte;  daher 
auch  V.  94  der  Vokativ  Aa{i.T:ptr/.c ;  ebenso  0.  A.  Dauielsson  ijjoc  ü 
„ei,  wie  wäre  es,  wenn"  u.  s.  w.  ßutherford  tW,  äv  X.,  F.  D.  iV 
av  X.,  H.  V.  Herwerden  ttj^  oder  au^'  av  X.  Richtig  Fr.  Bücheier 
und  0.  Günther  und  A.  Gercke  hsa-  Xa'öotc.  0.  Crusius  vermutet, 
dafs  ixeXi  für  jjLeXixTa?  stehe ;  oder  (leXav  ?  Ich  sehe  in  [xiXt  einen  Euphe- 
mismus. —  95.  0.  Crusius  bezieht  Taüxa  mit  Recht  auf  die  neue,  durch 
ijja  augedeutete  Unbotmäfsigkeit,  wegen  der  Kottalos  gefesselt  werden 
£oll.  —  96.  Die  Hds.  hat  aufxTroo'  wos  TrYjöeüvTa,  was  jede  Konjektur 
überflüssig  macht.  0.  Crusius  bemerkt:  „wie  im  Festtanz  mit  ähn- 
licher Ironie  wie  op/eicjöai  CaUim.  93.  ä'vauXa  dpyeiJÖai  Babr.  9, 9." 
(uoc  fafst  man  besser  mit  Bücheier  „so",  als  mit  Weil  „hier".  — 
97.  Die  Hds.  hat  at  Tiotviat,  wie  "W.  Headlam  und  0.  A.  Danielssön 
vermuteten:  gemeint  sind  die  Musen.  Damit  werden  alle  anderen  Kon- 
jekturen hinfällig. 

IV  1  flg.  weist  Rutherford  der  Begleiterin  der  Kynno  zu,  deren 
Sklavin  Kokkaie  ist;  ebenso  Fr.  ßücheler;  G.  Kaibel  Hermes  26. 
(1891)  S.  587  flg.  will  die  Verse  der  Kynno  geben.  —  2.  Ruther- 
ford und  Fr.  Bücheier  schreiben  ^Xuxetav  st.  YXuxvjav;  der  letztere 
bemerkt:  ,,epitheton  Coas  mulieres  Coique  fani  scaenam  prodit".  — 
5.  "  streichen  A.  E.  Crawley,  Fr.  Blafs,  G.  Kaibel  und  Fr. 
Buch el er;  dor  letztere  bemerkt:  ,,Hygia  non  ut  filia  Aesculapii  hie 
describitur,  sed  quasi  quae  in  manum  ei  convenerit".  —  12.  Die  Hds. 
hat  oix''r,c  Tot-/(üv,  was  Rutherford  zwar  seltsam  findet,  aber  docli  für 
jichtig  hält.  H.  Richards  vermutet  -rprjyuv  st.  toi/wv,  H,  v.  H er- 
werde ji  Totov,  O.  Crusius  opöptov  to-'/wv.  Das  Richtige  scheint  noch 
nicht  gefunden.  —  13.  Tdrioop-a  ist  nach  G.  Kaibel  =  Taj:toop-ta,  wie 
V.  16  iVjTpa  =  irjTpeia.  —  14.  Zu  koXXyjv  ergänzt  G.  Kaibel  o'jcjiav; 
Fr.  Bücheier  vergleicht  Theokr.  X  13  h.  -löw  a-nktk  und  isrjv  xi-at, 
-oXXi»  zaTsa'.,  y.evT)v  -j/aXXeiv.  —  16.  W.  Headlam  verweist  auf  Hesych. 
ia-cpa  •  [xiadol  Ospa-siaj.  Fr.  Bücheler  bemerkt:  ,,iam  Epidauriis  titulis 
pernotuit  nomen",  'Mit  Unrecht  schreibt  Rutherford:  r.oXkq  y^?''-''''^  •  ■  ■ 
trj-p'   av;    roXXr,;  ^opivr,?  ist  Genet.  qualitat.,    wie  E.  L.  Hicks  richtig 


GriecbiscLe  Lyriker.  175 

lemerkt.    Rutherford  citiert  Bekkers  Auecdota  I  314  cpopsiva'  jr,|jLatv£'. 
Tüiv    xpetuv  zä  esOoiieva.    —    18.    Rutherford    schreibt  wo'  ava^  st.  ui 
avot^,    unnötig.    —    19.    Unter  rivaxa  versteht  Rutherford  mit  Recht 
eine  tabella  votiva.    Fr.  Bücheier  bemerkt:  „-tva;  potest  esse  tabella 
votiva,  eius  tarnen  nulla  mentio  fit  nisi  forte  sub  inscriptionis  verbo  otva- 
Tti^eTjat.     itaque  ad  Irioopra  relatum  escarium  alveolum  intellego  (Dio- 
uysius  antiqu.  II  23  rtvay.tcjy.oi?  /.epaiJ-eot?)  cf.  88  KoTtaXT).    haec  cum  una 
Sit  ancilla,  aut  hie  aut  illic  scriba  erravit".   —   20.    Rutherford  liest 
TTp  'Y^uTQ?"  jxä,  [la'  xaXöjv,  R,  Ellis  ttjc  'j-jiiVjC  |xor  [xa  xaXtov,  G.  Kaibel 
rr,c  u^ttr,?-  jxa  <t(üv>  xaXcüv.    Fr.  Bücheler  hält  mit  Recht  die  Üljer- 
lieferuog:  tr^'T-jisirj?"  |xa  xaXöiv,  indem  er  bemerkt:  „U7t£irj;  producta  prima 
praeter  moreni;  alii  post  [xa  incidi  versum  voluere  addique  [xä  aut  tüjv, 
melius    erat  jü  x^?  aut  auT%  Tysiy);".     G.  Kaibel  läfst  mit  u-j-uyic  die 
Rede  der  ersten  Sprecherin  (Kj'nno  nach  ihm)  schliefsen;  Rntherford 
und    Fr.  Bücheler    setzen    sie    richtiger    bis  V.  22    fort.   —  21.    H. 
Richards  vermutet  apa  st.  %a,  mit  Unrecht;  r^  pa  ist  episch  und  hier 
ganz  am  Platze.    G.  Kaibel  will  ^pa  als  Präposition  ==  „wegen"  fassen, 
wovon  der  Genet.  -wv  xaÄwv  a7aX[xaTojv  abhängig  sei,  wogegen  der  Sinn 
spricht.  — 26.  Ruth erford  schreibt  Eydiv)  st.  Euöitj;,  ebenso  Fr.  Blafs, 
Fr.  Bücheler    und    G.  Kaibel;    dagegen    sucht    R.  Ellis    sOöit);    zu 
halten,  indem  er  erklärt:  ,,aüd  may  he  be  a  veritable  forwarder  of  fine 
workmanship";  vergeblich.  —  29.    Rutherford  schreibt  ix  xa/a  (^'j?s'.v; 
ebenso  Fr.  Bücheler,  mit  Recht;   der  erstere  meint,  man  könne  auch 
T'i-/   av  t}tj?ai  vermuten.     G.  Kaibel  sagt,  dais  auch  die  Überlieferung 
»|i'j;£i  richtig  sein  könne,  was  kaum  Billigung  finden  wird.  —  30.  Ruther- 
ford nimmt  zwischen  tov  7£povTa  und  ttpo;  Moipscjv  Personenwechsel  an; 
ebenso  G.  Kaibel  mit  Robert,   da  der  „Alte"  mit  ,,dem  Knaben  mit 
der  Gans"  nichts  zu  thun  habe,    wie  richtig  gegen  A.  S.  llurray  bei 
Kenyon  bemerkt  wii-d.    Damit  fällt  auch  die  Vermutung,  die  A.  S.  Murray 
Class.  Review  1891  S.  389  ausspricht,  dafs  st.  Tipo;  Moipscov  ein  Infinitiv 
notig  sei,  der  angebe,  wie  sich  der  ,,Alte"  an  der  Handlung  des  gänse- 
würgenden Knaben  beteilige.    G.  Kaibel  bemerkt  aber  mit  Recht,  dafs 
es  bei  der  Trennung  des  Alten  von  dem  Knaben  auffällig  sei,  dafs  man 
von  dem  Alten  gar  nichts  erfahre.    Diesen  Anstofs  beseitigten  0.  A.  Da- 
nielssou  und  Fr.  Bücheler,  indem  sie  7£povTa  als  Attribut  zu  yjiwx.- 
XcuTrexa  fassen  ,,die  alte  Fuchsgans''.     Demnach  spricht  dieselbe  Person 
weiter,  wie  auch  E    L.  Hicks  annimmt.    —    31.    tov  st.  ty^v  schreiben 
mit  Recht  Fr.  Bücheler  und  A.  0.  Danielsson.    Am  Schlüsse  inter- 
pungieren  Rutherford    und  Fr.  Bücheler    mit  Recht    stark;    E.  L. 
Hicks    läfst    die  Rede    ohne  Interpunktion    weiter  gehen.  —  32.    7o^iv 
begi-üiidet,    wie  G.  Kaibel  bemerkt,  den  Ausdruck  der  Verwunderung 
-pos  Mo'.p£wv:  „denn  es  ist  klar,  wenn  sie  nicht  von  Stein  wären,  möchte 


1  76  Griechische  Lyriker. 

man  sie  für  lebendig-  halten":  -po  -üiv  -oööJv  ist  also  nicht  lokal.  Ohne 
Grund  wünscht  H.Richards  oux  st. -/oüv.  —  33.  Rutherford  schreibt 
)aXf,!jai  st.  XaXr^asi,  H.  Richards  XaX7]5eiv,  \ielleicht  mit  Recht.  —  35. 
Rutherford  nimmt  ohne  Grund  Personenwechsel  an.  —  36.  Fr.  Blai's, 
"W.  R.  Hardie,  H.  AVeil  und  Fr.  Bücheier  erg-änzen  !^£ßY)xev,  was 
die  Hds.  zu  bestätigen  scheint;  ebenso  0.  A.  Danielsson,  der  auch  au 
ßEßr^y.e  o-q  denkt.  Rutherford  ߣ[kuo}xa,  E.  L.  Hicks  ßsßato?,  A.  Picco- 
lomini  ^ot)?,  R.  Ellis  ßsßqi  -ov,  A.  S.  Murray  ßEßorjxev,  G.  Kaibel 
ßeßXazsuT  oder  ßsßax/euT,  0.  Crusius  ßaßaCovx  oder  ßaßa-/.r/]v,  H. 
Richards  rs-oiriT  ,  A.  Palmer  ßsßXaj-Tf]x',  A.  E.  Crawley  ßEßrjXo;, 
W.  Headlam  ßEßaioT;,  F.  W.  Hall  wairsp  ßaSt'CovT.  Am  Schlüsse  des 
Verses  verlangt  R.  Ellis  Mucrxsü)  st.  Mut-ew;  ebenso  H,  v.  Herwerden, 
A.  E.  Crawley  dagegen  [xuatEu),  —  38.  Rutherford  ergänzt  9a)v?jc» 
was  Fr.  Bücheier  billigt,  indem  er  bemerkt:  „agnoscimns  hominem 
forma  ac  voce",  E.  L.  Hicks  Oet),;  ebenso  oder  loir^;  0.  A.  Daniels- 
son, W.  Headlam  oo^yj?,  A.  Palmer  Cw^tq?  oder  ^pacp^jc;  C^jr^c  auch 
H.  Weil,  Fr.  Blafs  xeivr,?,  Robert  }j,t)3'  aux^,  H.  Richards  und 
(t.  Kaibel  £T£pr,c,  R.  Y.  Tyrrell  und  0.  Crusius  Itu[xv)c,  was  ich  für 
das  Beste  halte.  Über  BaxaXr)  bemerkt  Fr.  Bücheier:  „mulier  ignota, 
credas  saltatricem".  —  42.  Rutherford  liest  aurv),  ebenso  R.  Ellis, 
der  es  -^  aüxw?  erklärt;  E.  L.  Hicks  vei*mutet  au-v^;  das  Richtige  ist 
a5x7)  als  Anrede,  wie  H.  Jackson,  G.  Kaibel  und  Fr.  Bücheier 
haben.  Im  folgenden  ergänzt  Rutherford  xr]  wSe  ywos,  was  Fr.  Bü- 
cheier aufnahm;  E.  L.  Hicks  verlangt  xtj  6r/  woe,  R.  Ellis  und 
G.  Kaibel  rrfiz  iu>dt.  Am  Schlüsse  schreibt  Rutherford  yoL^Y.o'jar^  st. 
yar/.EUT/];  ebenso  Fr.  Blafs.  —  44.  Rutherford  schreibt  ohne  Grund 
fjpeusa:  xotpxiv',  ou  |jle  ^eTs;  was  H.  V.  Her  werden  in  ä?  ixe  Cet^c  ändert. 
Die  Überlieferung  ist  richtig.  —  46.  Zu  Xat|xaaxpov  bemerkt  Fr.  Bü- 
cheier: ,,a  XatjjL-  ut  XatixKusciv  quasi  devoratorium,  cf.  VI  16".  Dann 
hat  die  Hds.  op^T);  Rutherford  schreibt  ^p^!f^,  Fr.  Bücheier  dp-^-q 
„quae  rem  divinam  facit:  iam  non  extant  ^p^oc  6p7TQ  sed  indidem  ducta 
opYia,  opY«?  dis  sacrata  prope  Eleusinem  terra,  '5p7£ü)v£?.  dominae  di- 
cuntur  vel  orgia  faciens  vel  profana,  i.  omnis  domina  et  profestis  luci- 
bus  et  sacris".  Die  meisten  schreiben  opxiQ,  so  H.  Weil,  G.  Kaibel, 
Fr.  Blafs,  W.  R.  Paton.  0.  A.  Danielsson  verlangt  op^rjc  „Ge- 
weihte": „so  Lysias  op7£tov  =  ^pyecuvwv*;  ebenso  R.  Ellis;  H.  Dicls  (5p- 
7EU?,  W.  Headlam  <5p7£wv,  E.  L.  Hicks  '3p7^at.  —  47.  Rutherford 
liest  ßEßaiov  st.  ßsßrjXo;:  ebenso  E.  L.  Hicks,  ohne  Grund.  Am  Schlüsse 
scheint  die  Ilds.  nach  Kenyons  nachträglicher  Angabe  otc;  £7xtaai  zu 
haben;  daher  liest  Bücheier  o  iV  l'7X£iaai.  Rutherford  vermutet 
0  axaxxTjToti,  E.  L.  Hicks  <5e  vapxfjd«'.  oder  oioix^oai,  A.  Palmer  o'  dp:?) 
vithai,   R   Ellis  5'dp76;,    H.  Weil  o' dp7r^,  0.  A.  Danielsson  o  Uiü> 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.;  177 

xsTuai  oder  3'£S<|Jxt!jaai,  G.  Kaibel  6e  [xot  e-^xeiaat;  ebenso  W.  R.  Paten, 
der  den  Vers  von  der  Kydilla  beiseite  sprechen  läfst.  —  49.  Die  Hds. 
hat  xatc,  was  H.  Jackson  richtig  in  xasi?  verwandelte;  so  auch  ßü- 
cheler;  damit  fallen  die  anderen  Konjekturen.  Rutherford  schreibt 
o)?  st.  u)c  und  otor^aai  st.  oW^aai.  —  50.  A.  Palm  er  vermutet:  eadsr' 
T](j,epr]  xeivr),  wohl  richtig:;  die  Hds.  hat  £j(je-r)ix[£pjY]ix[e]ivY]t.  Fr.  Bü- 
cheier schreibt  ec  eis  XYjixepT]  xstvrj,  W.  ß.  Paton  tyjixsXyj  xeivy).  —  51. 
W.  E,.  Paton,  Fr.  Blafs  und  0.  A.  Danielsson  schreiben  xwaupes 
St.  Twupaupoc,  kontrahiert  aus  xo  dcjupec  „immundum  illud  Caput  scalpes". 
=  plecteris.  A.  E.  Crawley  xco^upov,  A.  Piccolomini  {^uaxspov,  Fr. 
Bücheier  xwu  $up6?.  Derselbe  schreibt  xvr^jei,  Rutherford  xvy^av]?  st. 
xviQCTQ.  Fr.  Bücheier  bemerkt:  „servi  capite  raso  sunt  neqae  capillati 
nisi  ex  indulgentia  aut  ad  delicias  domini,  istam  Cynno  servae  poenam 
minitatur."  —  52.  F.  G.  Kenyon  schreibt  \i.ii  uavö'  £xoi|X(us  xapSiT] 
ßaXot,  und  so  auch  Fr.  Bücheier;  Rutherford  £xoi|x',  w?  xapoiY)  biXzi; 
er  hätte  ßaXoi  auch  bei  seiner  Auffassung  beibehalten  können.  E.  L.  Hicks 
verlangt  xapoi?),  Fr.  Blafs  und  0.  A.  Danielsson  xotpöi?)  ßaX?)  coli,  eüc 
du|xov  ßaXEcjdat,  G.  Kaibel  xapoiv^  ßaXsü,  indem  er  exoijjlu)?  „so  gleich,  so 
schnell"  erklärt,  W.  R.Paton  xap8nr)ßoXoü ;  xap3ir]ßoX£Tj&ai^=--xapotoßoX£r(jOai 
=  XuTTEra&ai  Hesych.  —  54  weist  E.  L.  Hicks  derselben  Sprecherin  zu,  wie 
52.  53,  mit  Unrecht;  es  ist  die  Antwort  der  Herrin  auf  die  von  ihrer 
Freundin  vorgebrachte  Entschuldigung  der  Dienerin;  aXXT)|xepT)  ist,  wie 
Gr.  Kaibel  richtig  gesehen  hat,  =  aXXr)  TjfAEpr)  „mit  jedem  neuen  Tag 
wird  sie  dümmer" ;  jedoch  ist  die  von  ihm  vorgeschlagene  Änderung  von 
wÖEixoct  in  vtoÖEixat  unnötig;  ItzI  [xe^ov  cuderaöat  heifst,  „es  immer  weiter 
treiben".  F.  G.  Kenyon  giebt  dXX'  rjiJLEpT)  xe  xxX.,  was  Fr.  Bücheier 
unter  Verweis  auf  Theoer.  XV  73  übersetzt:  „at  et  dies  est  et  maior 
fit  turba  trudentium".  R.  Ellis  erklärt:  „but  day  has  come  and  is 
moving  on";  0.  A.  Danielsson  fafst  wÖEixai  =  Inti-ft-cai  „es  wird  schon 
spät".  Rut  herford  schi'eibt  -{z  st.  xe,  H.  v.  Herwerden  aXX'  ^ 'jxeXtjc 
xe  =  dixEXi^s  XE.  —  55.  Rutherford  nimmt  Pei*sonenwechsel  an;  wenig 
wahrscheinlich,  da  nur  die  Herrin  von  ihrer  Sklavin  sagen  kann  auxY) 
au  jjLstvov.  —  56.  Rutherford  sckreibt  ohne  Grund  xavets  st.  xdvetö' ; 
mit  6  TTaaxos  ist,  wie  Fr.  Bücheier  sagt,  sacrarium  interius  arcanum 
gemeint.  Nach  o  Tiaaxoc  nimmt  Bücheier  Personenwechsel  an;  ich  möchte 
die  Fi'eundin  schon  mit  xdvEüV  6  x:.  ihre  Rede  beginnen  lassen,  das  Voraus- 
gehende ergänzend  und  dann  oi)-/  opvfc  xxX.  anschliefsend.  —  57.  Ruther- 
ford liest  Ol'  £'p7a  xeiv';  dann  Personenwechsel  y)v  •  xaüx'  speTs  A.  0.  A. 
Danielsson  bemerkt  mit  Recht,  dafs  57  u.  58  derselben  Sprecherin 
gehören;  so  auch  Fr.  Bücheier.  Die  richtige  Lesart  ist  oi'  e'pia ; 
xaivTjv  xaux',  die  Fr.  Büeheler  auf  der  Photographie  zu  erkennen 
glaubt;  dasselbe  fanden  R.  Ellis  und  Th.  Reinach.  E.  L.  Hicks  und 
Jahresbericht  liir  Altertumswissenschaft     LXXV.  Bd.  (1893.  I.)  1"^ 


1 78  Griechische  Lyriker.    (Sitzler.) 

A.  E.  Crawlej'  verteidigen  Kenyons  Lesung  xoivr^v,  0.  A.  Daoielsson 
vermutet   xe''vT,v,  Fr.  Blafs  xotTjv,  A.  Palm  er  KcjJyjv,  A.  Piccolomini 
xou  vuv,  H.  Richards   ep7'  ixei  iv^v  oder  xsi  vgl.  1,26,  H.  Jackson 
£p7"  axot  v£?v  „what  triumphs  of   needlework".    —    58.    Th.    Reinach 
verlangt  7pa']>ai  st.  -(Xü^at,  G.  Kaibel  x5Xa  „Holzskulpturen",  H.  v.  Her- 
werden yj^'P"    ^^^   Searotvat.    —    59.  Rutherford    nimmt    Personen- 
wechsel an:  wenig  wahrscheinlich.  Die  Hds.  hat  zwischen  ot]  und  YUfxvov 
eine  Lücke,    die  F.  G.  Kenyon  mit  xov  ausfüllte;    die  andern  folgten 
ihm.     E.  L.  Hicks  erklärt   xvqw    für   den    2.  Aorist   von  xvt'Co),  hält 
aber  xviaa)  für  besser;  dieses  vermuten  auch  Fr.  Blafs,  Fr.  Bücheier, 
H.    Diels,   H.    v.    Herwe'rden;   Rutherford    schreibt   xvT^aw.     Fr. 
Bücheier  bemerkt:  „anaglj'ptum    simile    splanchnoptae    Styppacis    et 
suffitori  Lycii.  puer  ad  arani  prosicia  deferens  taflee  (Iguvina  II  B  12)". 
—  60.  G.  Kaibel  sagt:    „das  warme  Leben  des  Fleisches  ist  mit  un- 
vergleichlichem Naturalismus  geschildert;    drückt    man  den    Finger    in 
das  Fleisch,  so  scheint  sich  ein  roter  Fleck  (2Xxoc)  zu  bilden,  und  (hört 
der  Druck  auf),  scheint  das  Fleisch  wie  lebendig,  ob  es  gleich  unlebendig 
ist  (oia  depfi'  ai}£p[ia),    wieder    emporzuschnellen."     Ich    stimme   dieser 
Lesart  oladlpix'  aOcpjxa,  sowie  der  Erklärung  bei,  obgleich  sie  Bücheier, 
der  sie  gefunden,  jetzt  verwirft:  „sie  enim  enervatur  oratio".    Bücheier 
schreibt  jetzt  mit  Rutherford  und  Fr.  Blafs  ola  >>£p[j.a  0£p(xa  und  be- 
merkt:   j.plures  dantur  explicandi  viae,  quasi  Xourpa  }hp|xa,  aut  }}£p{jL6v 
nrjSöiuat,   aut  sicut  aXX'  aXXo,  -aeov  tcXeov,  pius  pius  sim.  auctus  et  ela- 
tionis  causa":  mii-  gefällt  keine  dieser  Erklärungen.     0.  A.  Danielsson 
vermutet  ai;  apx£3£'.  -ra  Mp\).'  ai)£p[jLa  ,,so  wird  er  dadurch  kein  Geschwür 
bekommen:    denn    au    seiner  Seite  hat  er  in  dem  kleinen  Gemälde  ein 
Büttel  gegen  Hitze,  den  kühl  sprudelnden  Wasserquell   (sc.  T:Tri7ai)".  — 
<)2.  Die  Hds.  hat,    wie  Kenyon    nachträglich    mitteilt,   Trupajxpov,    was 
R.  Meister  fand;    damit   fallen    die    an    rupa7pov  sich  anschliefaenden 
Konjekturen.  —  63.  G.  Kaibel  vermutet  MuaxEXXo?.     Fr.   Bücheier 
bemerkt:  rna-atxtwv  6  xXettttjc  inde  ab  Aeschinis  et  cynici  Diogenis  aetate 
tritus".  —  64.  Rutherford    ei'klärt  sxßocXXeiv  -:a;    xoupac    richtig:    ,,so 
gierig  dreinschauen,  dafs  die  Pupillen  aus  den  Augen  zu  treten  scheinen". 
—  65.  Rutberford  vermutet  unnötig  ap-^upo'j  st.  ap^upeüv.  —  66.  Ruther- 
ford richtig    yß)  st.    yo.  —  67.  R.  Ellis,    L.  Shadwell,    Fr.  Blafs 
verlangen  a^dji^io^,    wie    auch    die  Hds.    ursprünglich  hat  st.  avauiXXo?, 
was  Rutberford  und  Fr.  Bücheier  festhalten.  —  68.  E.  L.  Hicks 
vermutet    JHXe-oyj'    yr,fj.£p7)v    st.    ßÄEirou^iv    fj[x£pr)v;    rjixEpr^v    von   r^\).zpoi; 
11.    iJicbards  yf.i-o'j:;'.  vr,[i£pT£u);  oder  vf,]j,£pTea;  W.  R.  Hardie  vrjfxeprrj 
oder    vT)|i.epT£a,    A.    E.    Crawley    vt,    jx'    'Hpr,v  =  val  jxa  "Ilpr,v,  S.  E. 
Winbolt  ooxoüs'.v  r;p£ix£rv.     Fr.    Rücheier  bemerkt:    ,,pictura  pompae 
sacrificalis,  qualem  Apelles  Megabyzi  i)inxit  (Plin.  ?)5.  03)".  —  71.  ootw 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler).  179 

E,u th er ford  und  die  andern  st.  ooto>;.  Rutherford  erklärt  x-^  "ep^ 
-/oupT)  richtig:  „mit  dem  einen  Auge".  —  73.  H.  Weil  verlangt  Tzpd-{\LaT' 
(st.  7pa}i.ixaT')  =  -[■paipa?.  —  74.  Th.  ßeinach  vergleicht  Hom.  IL  XVI 
250.  H.  Weil  vermutet  ei^ev  st.  eiosv,  0.  A.  Danielsson  T^6e',  H.  v. 
Herwerden  oI8ev;  „Äpelles  lebte  noch  und  hatte  noch  keine  Götter- 
bilder, also  auch  nicht  die  berühmte  koische  Aphrodite  in  demselben 
Asklepiostempel ,  wo  dieser  Mimos  spielt,  gemalt".  A.  C.  Pearson 
verlangt  ätinrjxaadr)  st.  dtKYjpvTQOY).  —  75.  flg.  nimmt  Rutherford  Personen- 
wechsel an,  mit  unrecht;  die  Vv.  72  —  78  gehören  zusammen.  Er 
schreibt  Ol  iiri  st.  CO  ETTi,  R.  Ellis  o  oder  ou  siri,  W.  R.  Paton  tp  =  o  oi, 
H.  Weil  vermutet  voü?  st.  voüv.  Ich  halte  es  für  das  sicherste,  an  der 
Überlieferung  festzuhalten,  die  Fr.  Bücheier  übersetzt;  „sed  quemcunque 
niente  conceperat  vel  deornm  contingere,  properans  eum  urgebat". 
G.  Kaibel  will  Oeaiv  t|>aus'.v  im  Sinne  von  tou  oupavou  «{^aueiv  „das  Höchste 
erreichen"  fassen.  —  76.  Rutherford  schreibt  mit  Unrecht  rJTreiye 
i)£oc  6'  St.  YjTCsqeiT  8;  o'.  —  77  hat  Rutherford  mifsverstanden;  das 
Richtige  giebt  z  B.  Fr.  Bücheier;  nrap-^aXav  =  (xeta  ev9ouata(j|jLou 
iraßXeTcetv,  und  ix  Sixr)c  heifst :  ,,ut  aequom  est".  —  78.  Fr.  Bücheier 
bemerkt :  „sie  poliatur  tamquara  vestis  quae  teudiculis  diducta  foedissimo 
et  atrocissimo  quoque  remedio  macerata  in  fullonicis  conciliatur  (XaxxtCooji 
iratouffi  Xu[j.aivo(xevot  xoTiTouatv  sXxouatv  Hippokrat.  I  p.  642  Kuehn.)".  — 
80.  H.  Richards  verlangt  ohne  Not  Xaiarov  st.  XüÜov.  Rutherford 
schreibt  Ijj-ßXeuovTa,  [xs'Cov  u)?;  E.  L.  Hicks  richtig  efj.ßXeT:ovTa*  [xeCovo)?. 
—  83.  Die  Hds.  hat  richtig  xst'  xive^;  Rutherford  schreibt  xei.' xiv'  Ix, 
A.  Ellis  xet'  TIC  ex.  —  84.  Die  Hds.  hat  IW  oTruirjtai  te  xal  ^svrjc  asjov, 
was  Fr.  Bücheier  richtig  übersetzt  ,,et  siqui  harum  sunt  mariti  et 
genere  proximi";  W.  R.  Paton  vergleicht  zu  oTruiTj-nr)?  ,, Gatte"  Hesych. 
ÖTzoiolai-  Ol  YeYaiJLTjxo-s?;  H.  Weil  will  darunter  ,,alle  Verwandten  par 
alliance"  verstehen;  zu  7£vr^  = -jevo?  vergleicht  G.  Kaibel  2,  1.  Ruther- 
ford schreibt  las,  oTzuiTjxat  xs  xai  -ysv^  (jocaas,  das  letzte  nach  einer  Vermutung 
Sargeaunts,  R.  Ellis  exai?.  —  86.  Rutherford  x^^^Tl  ^^-  X"T"71'  wohl  mit 
Recht.  —  88.  vgl.  V.  19.— 90.  Rutherford  vEtuxopo)  mit  Recht  st.  veoxoptp. 
R.  Ellis  vergleicht  Propert.  IV  8,  7—14,  Fr.  Bücheier  aulserdem 
Babrius  153.  —  92.  Rutherford  eigänzt  uataxa,  S.  E.  Winbolt  uaiaa  = 
-XaxouvTia  Hesych.;  das  Richtige  ist  tj^aiaxa,  was  E.  L.  Hicks,  W. 
Headlam,  R.  Ellis,  Fr.  Blafs,  Fr.  Bücheier  und  G.  Kaibel  fanden. 
Der  letztere  versteht  oixi-/]c  eöpo  von  dem  im  Tempelbezirk  befindlichen 
Logierhaus;  Fr.  Bücheier  übersetzt  „domi  sedentes":  ebenso  W.  R. 
Paton.  —  93.  Rutherford  setzt  nach  «pepetv  Punkt,  nimmt  Personen- 
wechsel an  und  schreibt  dann  auxv];  E.  L.  Hicks  stimmt  ihm  beL  W.  R. 
Paton  sagt  mit  Recht,  dafs  dieselbe  Person  bis  zum  Schlufs  spreche; 
dasselbe  nimmt  auch  Fr.  Bücheier  an,  der  schreibt:  ^Ipstv  auxv]-  |  t% 

12» 


180  Griechische  Lyriker.    (Sitzler.) 

o^iiTjC  Xüii  7:poa6o;'^  7ap  ipoiJiv  |  {xel^tuv  afjLapTsuj'  r^  u^i'r)'  axl  t^;  fxoipTjc  „ferre 
ipsa:  de  salnte  volo  addas,  sacris  euim  profecto  pluris  est  si  comitatur 
Salus  quam  portio".  Rutherford  giebt  der  Kokkaie  aurr)  |  -njc  67117)?  Xw, 
dann  der  mit  Alpha  von  ihm  bezeichueten  Frau  rpoaSo?"  7]  7ap  xtX., 
ohne  den  letzten  Vers  zu  entziffern.  E.  L.  Hicks  stimmt  mit  Ruther- 
ford überein,  liest  aber  im  letzten  Vers  [xe^ov  ä[i'xpiiri^  r)  6717]  'oxi  ttjc 
jioipr,?  „make  then  the  additional  gift,  says  the  lady;  for  by  means  of 
sacrifice  does  Hygieia  overcome  whether  trausgression  or  fate",  d.  h.  the 
goddess  here  worshipped  with  her  father,  in  return  for  sacrifice,  heals 
US  of  sickness  or  preveuts  it  seizing  us,  whether  as  the  result  of  sin  or 
of  evil-fate.  W.  R.  Pato'n  versteht  unter  auvfi  Kynno;  diese  wendet 
sich  dann  an  den  vstuy.opo?  mit  den  "Worten  ir^  G7117);  Xtü  Ccoil.  Hesych.  und 
Etym.  Magn.  zu  67181«) ;  er  giebt  ihr,  sie  fährt  fort-  Trposooc ;  im  letzten  Vers 
ist  nach  ihm  [xeCtuv  oder  [xeitDvherzustellen  und  etwa  der  Sinn  zu  erhalten: 
„in  sacrifices  there  is  roore  chance  of  mistakes  being  made  (i.  e.  short  mea- 
sure  being  given)  as  regards  the  67131«  than  as  regards  the  priest's  portion". 
A.  C.  Pearson  ^  7ap  .  .  .  [xeCojv  aixapiiT)  a-^  6717)  'cTi  ttJ?  fi.  ,,for  by  means 
of  sacrifices  Hygieia  prevails  over  fate  in  favour  of  the  transgression." 
G.  Kaibel  versucht  Äwa-rr^j  'T^ieia^'  Trpoooxtj  iv  7ap  tpoiaiv  1  jjle^üjv  afi-apTeüs' 
(sc.  isptüv)  7;  T7irj'  axi  tt^;  Motpr,?  „wenn  die  Hygieia  nicht  bekommt,  was 
sie  verlangen  kann,  so  behandelt  sie  einen  noch  schlimmer  als  die  avapctV, 
MoTpa."  W.  R.  Hardie  giebt  die  Worte  dem  vstuxopo?,  der  zu  wenig 
erhalten:  «3x7),  t^c  6710)1;,  Xüi,  Trpojoof  r^  7ap  .  .  .  {aeCcüv  «fj-apTeüa'  T^  6717) 
xtX.  „gieb  etwas  mehr  für  Hj'gieia;  kann  Hygieia  mittels  Opfer  zu- 
nehmen, wenn  sie  ihren  Anteil  daran  nicht  erhält?"  A.  Palm  er  ver- 
langt t)  7ap  .  .  .  [xetcDv  «jxapTi^aei  6711711;  TpiT7)i;  y-otpr,;  ,,give  more;  othei'wise, 
being  short  in  your  dues,  you  will  miss  a  third  part  of  health".  0.  A. 
Danielsso n  liest  «6x7^'  |  -rf^c  0  671017];  Trposoo;"  -^  7ap  .  .  .  [xe^wv  afx.apTi7) 
'axl  TTJc  i'ir,;  [)..  ,,und  vergifs  nicht  selbst  etwas  beizusteuern;  teile  auch  vom 
Heilkuchen  mit ;  bei  Opfern  ist  es  ja  besonders  schlimm,  wenn  man  um 
den  gebührenden  Anteil  kommt"  oder  «ur^  |  ttJc  671817;;  6a»i'*  ^  7ap  xxX. 
„vergifs  nicht  den  gebührenden  Anteil  von  der  Hygieia  mitzubringen; 
denn"  u.  s.  w.  coli.  Hesych.  oiu«i'  otxattoc,  oaitu;  und  owt«*  6|xoia;  rpojSoc 
Glossem  zu  8imr^.  Trotz  der  vielen  Versuche  ist  eine  überzeugende 
Lesung  der  Worte  bis  jetzt  nicht  gelungen. 

Der  Mimos  ist  eine  Nachahmung  des  Epicharm,  vgl.  Th.  Reinach 
Revue  des  ^tudes  grecques  IV  (1891)  S.  209  flg.,  der  auf  das  Fragment 
der  6£«poi'  bei  Athen.  VIII  p.  362  B  verweist.  E.  L.  Hicks  bemerkt, 
da/s  die  beste  Illustration  des  Gedichts  die  Votivreliefs  seien,  die  in 
den  letzten  Jahren  im  Asklepieion  zu  Athen  südlich  von  der  Akropolis 
entdeckt  worden  seien.  Über  die  in  dem  Mimos  erwähnten  Kunstwerke 
handelt,  abgesehen  von  dem,  was  ich  oben  schon  erwähnte,  Th.  Rein  ach 


[Griechische  Lyriker.    (Sitzler).  181 

1.  1.,  S.  A.  Murray  Class.  Review  1891  S.  389  und  besonders  H.  Diels 
Jahrb.  des  deutschen  Archäolog.  Instituts  G  (1891),  Institutsnachrichten 
S.  190.  Nach  dem  letzteren  sind  es  im  ganzen  5  Bildwerke:  1)  ein 
von  Euthias  gestiftetes,  von  den  Söhnen  des  Praxiteles  (Timarchos  und 
Kephisodotos)  hergestelltes  marmornes  Anathem,  2)  ein  Mädchen,  das 
sehnsüchtig  nach  einem  (vorgehaltenen V)  Apfel  in  die  Höhe  blickt, 
vermutlich  Genrescene,  keine  Hesperidendarstellung,  wie  S.  A.  Murray 
meinte,  3)  ein  Marmorwerk,  ein  Knabe  eine  alte  Gans  würgend,  die 
an  Boethos'  bekannte  Bronze  (Pliu.  34,  84)  erinnert,  4)  eine  Porträt- 
statue der  Battale,  5)  ein  Tafelbild  des  Apelles,  vermutlich  eine  Vor- 
bereitung zum  Asklepiosopfer.  Bemerkenswert  war  ein  nackter  Knabe 
mit  der  Feuerzange  und  der  Zug  der  Opferknechte  mit  dem  Opfertiere. 
Der  Knabe  erinnert  nach  H.  Weil  an  den  uTiXa^yvoTtTY]?  Plin.  N.  H. 
34,  19,  21.  Überall  hebt  der  Dichter  den  Realismus  der  Darstellung, 
die  Porträtähnlichkeit,  die  Lebenswahi-heit  hervor,  und  Apelles  wird  zum 
Schlufs  als  der  Meister  des  Verismus  gefeiert.  Dafs  die  alexandrinische 
Kritik  in  der  Erreichung  der  Dlusion  das  höchste  Ziel  der  Kunst  er- 
blickte, ist  längst  aus  den  gleichzeitigen  Epigrammen  und  vielen  Anek- 
doten bekannt;  es  ist  aber  nicht  uninteressant  zu  sehen,  dafs  ein  alexan- 
di'inischer  Dichter  der  besten  Zeit  dieselbe  ästhetische  Anschauung  mit 
Nachdruck  ausspricht  und  zugleich  in  seinen  eigenen  Poesien  zur  Dar- 
stellung bringt. 

V  1.  Die  Hds.  hat  y)Ö'  =  rfi,  was  im  Sinne  von  yj  xspy.o;  wohl  zu 
halten  ist;  Eutherford  schreibt  sl;,  E.  L.  Hicks  %  oder  ^58',  H. 
Richards  ^38',  A.  Palmer  %'  (ap'),  Fr.  Blafs  rio  =T]Sr),  Fr.  Bücheier 
£10.'  —  3.  Fr.  Bücheier  bemerkt:  ,,Menonis  servae  ut  v.  30  docet"; 
kaum  richtig,  wie  Vv.  4.  5  zeigen.  V.  30  beweist  nichts.  —  4.  H.  Jackson 
vermutet:  e^cb  '  A|X(pu-at7j ;  ttjv  X.  6p.  -(uvaixa;  A.  Palm  er  verlangt  dpai- 
p/jxa  st.  opojprjxa.  —  5.  Nach  -pvatxa  setzen  mit  Recht  ein  Fragezeichen 
Fr.  Bücheier  und  H.  v,  Herwerden.  Nach  -^uvaiza  nimmt  Ruther- 
ford mit  Unrecht  Personenwechsel  an;  ebenso  A.  Palmer.  V.  4 — 7 
gehören  dem  Gastron.  —  6.  Fr.  Blafs  und  Fr.  Bücheier  ergänzen 
ßouX£'.<|xoi> ,  mit  Recht;  H.  Weil  versuchte  oxi  <8r\>  ßotiXei,  R.  Ellis 
oTi  <xal>  ß.,  H.  Jackson  ypecu  |jloi  oxy]  ßouXei  mit  Rutherford.  — 
8.  Derselbe  Vers  findet  sich  auch  3,  84.  —  9.  Rutherford  schreibt 
11.01  aÖTov  st.  (jLau-<^v;  das  Sichtige  ist  jjlcuütov.  —  11.  Rutherford 
schreibt  Xuuov  st.  Xiiaa?,  unnötig,  wenn  man  dXX''  zb'  iaxTjxas  als  Parenthese 
fafst,  wie  E.  L.  Hicks,  H.  Jackson  und  Fr.  Bücheier  sahen.  —  12. 
Die  Hds.  hat  ttq  a  oXt),  wie  Rutherford  schrieb.  —  14.  Rutherford 
liest  richtig  <I>puE;  e^iu  aixiT)  toutojv,  e^o)  xtX.;  Fr.  Bücheier  <^puE  ^T'''  •  •  • 
'ouTcjv;  t{(i>  y.xX.  0.  A.  Danielsson  will  <I>pu^  als  Vokativ  fassen.  — 
17.  Rutherford  itüipav;  ebenso  Fr.  Bücheier,  der  bemerkt:  „differre 


][82  Griechische  Lyriker.    (Sitzler.) 

puto  a  |xu»pr,v  ut  morionem  a  stiüto".  —  18.  Die  Hds.  hat  cpepiaouoTjaov; 
Untherford    schreibt  9epü)v  aü  o^cjov,    A.  Palm  er  'ftup  si;  au-  orjaov, 
R  Ellis  und  Fr.  Bücheier  cpep'  zU  ah  S^uov,  „cum  par  sit  duos  adhiberi 
tortores  (Petron.  sat.  48)",  E.  L.  Hicks,  A.  Piccolomini  und  0.  A. 
Danielsson  ^ep'  eic  au;  o^oov   „nun  kommst  du  endlich?";    am  besten 
H.  Richards  cpepet?  au;  of^aov:  „bringst  du's?",  nämlich  was  V.  10.  11 
verlangt  ist.  —  19.  Rutherford  oeu|xat,  wie  auch  in  der  Hds.  korrigiert 
zu  sein  scheint  st.  ooup,ai.    —    21.  H.  Richards   verlangt  mit  Recht 
einen  Punkt  nach  ^ivtpaxeiv,  den  auch  Fr.  Bücheier  setzt.  —  22.  0.  A. 
Danielsson  erklärt  richtig:   „wie  verwünscht  der  Tag  war«  u.  s.  w.  — 
25.  Fr.  Bücheier  bemerkt:   „an   auaacpqfs    scriba    voluit?"     Derselbe 
vergleicht   zu    exxpiaov  Soph.  Ai.  1030;  ebenso  H.  v.  Herwerden.  — 
27.  Rutherford   schreibt  e^v  p?  st.  iur^v.  —  29.  Rutherford  schreibt 
richtig  Taüxa,  [x^  [le  oder  besser  mit  H.  Richards  p-Vl^^^;  TrXTjxxtCea&at 
7:p6c    „kokettieren  mit":    J.  B.  Je  von  s   wünscht    [xoi   st.  jie,  und  Fr. 
Bücheier  liest  xaüta  jAr;  [xe:  ,,cum  Aniphytaea  hacc  noli  mihi  suscensere" 
coli.    Aeschyl.  Prom.  80.  —  30.  Das  Richtige  sah  0.  Crusius:  [xeö'  -^c 
dXtvosT  xal  t^i   e/sic  Tiooo^'TjaTpov ;    nur  würde  mir  «Tto^^TjoTpov  besser  ge- 
gefallen   mit  Bezug    auf  dXtvSet.     Rutherford  a   dXeiv  oei,    ohne    das 
letzte  zu  entziffern,  A.  Piccolomini  ebenso  und  dann  xcix  IfieTv  t6  dtTto- 
tj;rjaTpov,  E.  L.  Hicks  xötfxov  o^^-z  (XTro'j^TiaTpov,  Fr.  Bücheler  uLsö'  %  dXeiv 
oEi  xal  e[xov  fjax'  (ä7i6t{>r|aTpov  „quacum  niolere  oportet  raeumque  statutum 
est  hostorium".     H.  v.  Herwerden  vermutete  TioSoif^rjaxpov.  —  32.  Zu 
CY^xpeiov,  wofür  Rutherford  r/j-ptov  schreibt,  vergleicht  F.  G.  Kenyon 
Etymol.  Magn.  s.  v.  —  33.  Rutherford  korrigiert  tov  vwtov  mit  Recht 
in  To  vÜiTov.  —  37.  loiTj  st.  loia  Fr.  Bücheler.  —  39.  Fr.  Bücheler 
bemerkt:    ,,a^rjaat  Herodotus,    aßa -Doris    cf.    4'^aai  4'">crat»    Oa$at  dü)$at, 
TtfiTiTa  Tt|Xü)Td  al." ;  die  Änderung  in  xaxaaßeaaai  (st.  xaxaaßöiaai)  ist  un- 
nötig, die  Rutherford  und  Fr.  Blals  vornahmen.  —  41.  H.  v.  Her- 
werden   verlangt   oxot   st.    oxou.     Im   folg.    hat  die  Hds.  ooyj  =  o5y), 
wozu  Fr.  Bücheler    bemerkt:    „Eurip.  Cycl.  12    w?  68T)Oeiy)c  [xaxpdv, 
verbum    proprium  egerentium  foras  merces  venditantiumque ,    cf.  apage 
istum".    Rutherford  vermutet  afATJ,  E.  L.  Hicks,    R.  Ellis  und  W. 
Headlam  »Xrj  coli.  II  83.  HI  44.  VII  6  flg.,  0.  A.  Danielsson  Ö  8t^ 
,,wa3    ich    sagen    wollte,    ei  sieh".     F.  G.  Kenyon    dachte    an    einen 
Schreibfehler  st.  opr^.  —  43.  Die  Hds.  hat  t]6y)  '«pajxapxet  aot  edv;  Ruther- 
ford sclireibt  gegen  das  Metrum  tjot)  ecpo|xdpxet  Ö^xoi  aot  av,  0.  A.  Daniels- 
son 7)6t)  '^aiJLdpxEi  x-ff  aoi  av,  Fr.  Blafs  recht  ansprechend  ^'^r)  '(pafxap- 
xet;  Ol  a'  3v,  Fr.  Bücheler  rjör)  "tpaixdpxei  acpi,  edv.   —  45.  Zu  dvtuvuixov 
vergleicht   H.  v.  Herwerden  VI  14.  —  50.  Rutherford   ohne  Not 
7:apaax£tS'/ic    St.    -apaaxi;/]?.    —    52.  E.   L.  Hicks    erklärt    xd    MtxxdXr)? 
richtig  „the  house  of  Mikkale".  —  53.  Rutherford  schreibt  ou8'  eke- 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.;  183 

fivTjadifjv ;  Fl'.  Buch  6 1er  und  G.  Kai  bei  richtig  ou  ö'  vgl.  6,  42.  —  55. 
Die  Hds.  hat  auxoc;  H.  Richards,  Fr.  Bücheier  und  Fr.  BlaTs  ver- 
muten mit  Recht  auxouc;  Rutherford  hat  auxov.  —  56.  Nach  -/aAEi  us 
nimmt  Rutherford  Personenwechsel  an,  mit  Unrecht;  wie  H.  Weil, 
0.  A.  Danielsson  und  Fr.  Bücheier  bemerken,  gehören  die  Verse  55 
—62  der  Kydilla;  erst  mit  63  tritt  Bitinna  wieder  ein.  —  59.  Rutherford 
schreibt  fjLa,  [xa  st.  ep,«,  A.  Palmer  |xa  xov,  F.  B.  Jevons  eXa,  Fr. 
Bücheier  richtig  j£,  [jl5;  ebenso  H.  Weil,  Fr.  Blafs,  O.A.  Danielsson, 
der  überdies  noch  sS-^e  •  y.ä  versucht.  Der  Dativ  -ou-oi?  ist  beizubehalten, 
für  den  toutouc  schreiben  Rutherford,  Fr.  Bücheier,  0.  A.  Daniels- 
son, F.  B.  Jevons  und  A.  Palnier.  —  60.  Die  Hds.  hat  xouc,  das  alle 
beibehalten,  die  xouxouj  lesen;  das  Richtige  ist  xoii;  6uo,  sc.  o^OaXjxoTi;, 
wie  H.  Weil  und  Fr.  Blafs  gesehen  haben.  Im  Folg.  schreibt  F.  B. 
Jevons  l'|x'  o'l'eat  st.  Z7:6<\>s.^\  indem  er  diese  Verse  dem  Gastron  giebt, 
A.  C.  Pearson  und  H.  v.  Herwerden  etio^J^s',  durch  das  von  Ruther- 
ford vor  und  nach  Kydilla  gesetzte  Komma  verfühi-t.  —  61.  Unter  (ä^^aixac 
ist  nach  allgemeiner  Ansicht  eine  Art  Fesseln  zu  verstehen.  —  62.  Fr. 
Bücheier  schreibt  ohne  Grund  upujv  st.  -püiv  ^  -pu»Yjv.  —  63  verlangt 
0.  A.  Danielsson  mit  Unrecht  ^xeis  st.  -^xe;  ebenso  V.  65  Se  st.  xe.  — 
66.  |jLi7]  üocp  erklärt  E.  L.  Hicks  „all  under  one".  Fr.  Bücheier  „una 
opera".  —  68.  Zu  [xuo?  vergleicht  Fr.  Bücheier  III  85,  wo  er  be- 
merkt: „patibulum  quoddam  ostii  clavumve  ad  suspendendum  servum"; 
derselbe  bemerkt  zu  r;  Aaou  xi\iri :  „servi  nequam  pretium  nullum  poudus 
habet  quasi  xptoJ^ioXov.  Unnötig  sind  Konjektiu'en  wie  R.  Ellis'  tj  Aacu 
'vxijxT)  (Entima)  oder  gar  S.  E.  Winbolt's  o3xa>  xaxa[j.ua&El?  Ssxe  Aat- 
6aXou  xi|jL7^.  —  69.  Die  Hds.  hat  [xr],  xaxi,  dtXXa  xxX.,  wie  Fr.  Blafs  u. 
Fr.  Bücheier  haben  coli.  III  79  xaxa;  Rutherford  schreibt  [xt]  oxi^fia- 
xiCe  vüv,  R.  Ellis  (XT)  'Ttatxiü)  dXXd,  A.  Palm  er  fX7]  xxa  xi  dXXd  „even  now 
don't  be  tlie  death  of  him"  coli.  V  35,  III  79,  0.  A.  Danielsson  jx9) 
|x5  XI  oder  |xa  \i.-q  XI  dXXd,  E.  L.  Hicks  [i^i  6pa  xt  dXXd  „schone  ihn 
doch  jetzt".  Die  Worte  dXXd  vüv  [xev  auxov  sind  mit  «(ps?  V.  72  zu 
verbinden;  ouxco  aoi  bis  dpai?  sind  Zwischensätze,  wie  Fr.  Bücheier 
andeutet.  —  70.  E.  L.  Hicks  ergänzt  gut  C^t].  Fr.  Blafs  verlangt  jxiv  st. 
jxEv,  wohl  mit  Recht,  Fr.  Bücheier  stimmt  bei;  übrigens  liest  schon 
Rutherford  so,  der  am  Anfang  des  Verses  C^oi  schreibt.  —  71.  Ru- 
therford schi'eibt  unnötig  dpat  st.  dpai?.  —  73.  Die  Hds.  hat  fXT)  XuTCstxs 
}x£,  was  in  jxt^  fXE  XottsIxe  umzustellen  ist,  wie  Rutherford,  H.  Richards, 
Fr.  Bücheier  sahen.  R.  Ellis  vermutet  jxtj  XutceTx'  Tjfxi,  H.  Weil 
jx^  XuTTEt.  —  TE770U  j  1^  coli.  Ai'istoph.  Lys.  550,  beides  schon  metrisch 
bedenklich.  —  75.  Nach  ETixdSouXov  nimmt  H.  v.  Her  wer  den  eine 
Pai-enthese  an,  die  mit  sfXTrxuot  Y.  76  endigt;  V.  77  8?  xt)v  xupawov  — 
führt  den  Satz  weiter,  mit  Aposiopese,  die  den  Gemütszustand  der  Frau 


184  Griechische  Lyriker.    (Sitzlcr.) 

lebhaft  schildert.  Fr.  Bücheier  bemerkt:  „azavTtüsa  sine  av,  cum  tiV 
soll  optativo  copuletur  more  Alexandrino  (Jacobs  AGr.  XIII  86)". 
Damit  fällt  Rutherfords  aTravTtüjj'  av,  das  auch  H.  v.  Her  wer  den 
znliel's.  —  77.  O.  A.  Danielsson  ergänzt,  wie  es  scheint,  richtig:  ou  x^v 
Tupavvov  ^=  ou  jxa  ttjv  Sediroivav;  ebenso  A.  Palraer,  der  zuerst  öouXt]v 
oder  S(A(uf,v  t.  versuchte,  und  Fr.  Bücheier,  der  bemerkt:  „nescias 
an  magna  mater  hie  dicatur".  E.  L.  Micks  vermutet  oujyjv  xupawov, 
H.Eichards  ooS'  i)v  Tupawo?,  W.Headlam  ö  yp9;v.  —  79.  Fr.  Bücheier 
vergleicht  Martial  VIII  75,  9.  —  80.  Zu  TspY^via  bemerkt  derselbe: 
,,Neptuualia  ut  Geraestia  Gerastia?"  F.  B.  Jevous  verlangt  ^evecia  6\  — 
81.  Rutherford  schi-eibt  ohne  Grrund  -rauTTQv  st.  TauxYj;  ebenso  Xapiv 
St.  yaptv.  —  84.  Fr.  Bücheier  bemerkt:  ,,consulta  verborum  ambiguitas, 
ut  possis  vel  defunctis  missas  inferias  intellegere>  pro  medicina  lassitu- 
dinis":  denn  eine  solche  ist  /utXy)  (problem.  Aristot.  881  a  4.).  —  85. 
E.  L.  Hicks  bei  Kenyon  ergänzt:  «Set?  tot  i^iilzi  ttjv  eopTTjv  i^  eopTrj?, 
was  Fr.  Bücheier  billigt,  indem  er  Lukian.  [p.  405.  23]  eopTYjv  tt]v 
EopTTjv  sjet  rs-oirjxu);  vergleicht.  Rutherford  dachte  au  Heiraten,  und 
so  vermutet  E.  L.  Hicks  Class.  Review  1.  1.  t/^vo'  st  ty^v,  A.  Palmer 
a^ers  ^ajiK^Xi'  sIt'  sopTrjv  xtX.,  später  t^jV  inißoyiv  st.  ttjv  eopriQv;  E7:iß8at  = 
ai  ixedeopTot  rjfxspai. 

VI.  Die  Hds.  hat  als  Überschrift  cpiXtr/Cousat,  nicht  (paXXtaCouaat,  wie 
G.  Kaibel  vermutete.  —  1.  Die  Hds.  hat  ^uvaixl  Oe?  aus  7.  86c  kor- 
rigiert, nicht  -j-uvaiy.ia;  £?,  wie  F.  G.  Kenyon  angiebt;  dadui'ch  werden 
alle  Konjekturen  gegenstandslos.  —  2.  F.  G.  Kenyon  ergänzt  richtig 
avauTaOsTaa ;  Rutherford  verlangt  ava jTafteiaav ,  indem  er  Punkt  nach 
otjppov  St.  nach  avasTaöetaa  setzt,  R.  Ellis  gar  avajTaXeiaav.  —  3.  Fr. 
Bücheier  schreibt  ouo'  Iv  st.  ouoev.  —  5.  St.  elj  ist  xeis'  zu  schreiben, 
wie  H.  Richards  coli.  IV  47,  W.  Headlam  und  Fr.  Bücheier  ver- 
muteten; der  letztere  schlägt  aul'serdem  nocli  [xoi  et?  vor,  Rutherford 
[xsu  zl;,  R.  Ellis  ei;  5u,  G.  Kaibel  zh,  KuotXXa  oder  dgl.  Nach  ek 
nimmt  Rutherford  Personenwechsel  an;  ebenso  R.  Ellis,  der  schreibt 
fiTj,  «XXa  xtX.;  aber  W.  Headlam  weist  mit  Recht  Vv.  1  — 11  der  Ko- 
ritto  zu  coli.  Plaut.  Stich.  I  2  (58 — 64);  ebenso  H.  Richards,  0.  A. 
Danielsson,  Fr.  Bücheier.  Am  Schlüsse  des  Verses  hat  die  Hds. 
}i.£TpY)  aus  ]jL£Tp£(u  korrigiert;  H.  Richards  schreibt  |X£Tpäi,  Rutherford 
und  R.  Ellis  iitxpf^i;  das  Richtige  scheint  \izTpQ  als  Medium  zu  sein  : 
„wenn  du  dir  zumessen  läfst",  vne  Danielsson  erklärt;  ebenso  Fr. 
Bücheier,  der  Demosth.  adv.  Phorm.  37  vergleicht.  —  6.  Die  Hds.  hat 
XY],  was  Fr.  Bücheier  als  xoti  £i  erklärt;  Rutherford,  G.  Kaibel 
und  Fr.  Blafs  schreiben  xf,v  .  .  .  a7ro5Ta$r).  —  8.  Rutherford  bemerkt 
dai's  -pr,[xovüJ3av  eine' Nebenform  zu  T:pTr)|i.aiv£'.v  VII  98  ist;  Fr.  Bücheier 
„a  7tpr,}xovTp  hoc  a  zpf^jat  quod  est  'fjjäv  .  eflfervescentem  tanquam  aquam 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)  185 

(npY)[x,aivou(ja?  zt  OueXXaj  Aristophaiies)".  Unnötig  ist  also  G.  Kaibels 
airpT)-Y{iovtü(jav.  —  9.  auTov  ^  Tov  St'^pov,  wie  Robert  bemerkt;  daher  ist 
E.  L.  Hicks  olxov  entbehrlich.  —  10.  Das  Richtige  ist:  oV  esxl  ypsir), 
wie  H.  Jackson,  Fr.  Bücheier,  W.  Headlam,  Fr.  Blafs,  G. 
Kaibel,  0.  A.  Danielsson,  der  auch  an  oxeu  denkt,  und  A.  Picco- 
lomini  vermuten.  Rutherford  schreibt  oV  e?  xi  -/prjCei?,  E.  L.  Hicks 
ox'  ioxl  -/p^<j&ai,  R.  EUis  ox  es  xi  ypy^.  Danach  setzen  ein  Kolon  Fr. 
Bücheier,  H.  Jackson,  R.  Ellis;  richtiger  ist  ein  Fragezeichen,  wie 
A,  Piccolomini,  E.  L.  Hicks  und  H.  Richards  wünschen;  nur 
möchte  ich  noch  ^cjxpi  mit  in  die  Frage  einschliefsen.  Die  hds.  Lesart 
Ou£  (xot  xauxr)  halten  mit  Recht  Fr.  Bücheier,  der  erklärt:  ,, bedanke 
dich  bei  dieser,  dafs  ich  dich  nicht  prügle",  H.  Richards,  der  auf 
II  72  verweist,  und  E.  L.  Hicks;  A.  Piccolomini  vermutet,  metrisch 
bedenklich:  dec  {jloi xaux7]t,  H.  Jackson  düe  |jt,oi.  —  xauxY)-  ,,make  haste!  — 
That  will  do;  eise",  R.  Ellis  öaXvjuxpi,  Oul  jxoi  xauxir),  A.  Palmer  6V 
£jxt,  sc.  XafiTrpo?;  dann  TXvjjxpa  Oüe  [xot  xauxT).  —  11.  Rutherford  er- 
gänzt gut  Q  z-^soa  av.  —  12 — 15  gehören  der  Metro,  wie  W.  Headlam 
sagt;  ebenso  Fr.  Bücheier,  der  zu  V.  12  bemerkt:  „proverbium  Cu^ov 
xov  auxov  sXy.civ";  ebenso  vergleicht  A.  Danielsson  Parömiographen  I 
p.  68,  43.  Rutherford  nimmt  mit  Ende  14  Personenwechsel  an.  — 
13.  Rutherford  liest  smßpuxouffa  st.  iTiißpuyouja;  ebenso  G.  Kaibel.  — 
15.  F.  G.  Kenyon  ergänzt  richtig  irpo?  c  ^Xdov;  O.A.  Danielsson 
verlangt  zpoj^Xilov.  Danach  nehmen  W.  Headlam,  F.  B.  Jevons, 
0.  A.  Danielsson  und  Fr,  Bücheier  mit  Recht  Personenwechsel  an; 
die  Worte  ey.Troowv  bis  sopxat  gehören  der  Koritto.  Rutherford  und 
E.  L.  Hicks  geben  sie  von  dXX'  ouvsxsv  an  der  Sklavin;  der  letztere 
schreibt :  ^östpeaSat "  ev  toptaxoi  (oder  besser  oapiaxui)  ,  .  .  iopxrjc ,  das 
letztere  mit  Rutherford.  H.  Richards  fafst  die  Worte  IxtcoSwv  bis 
iopxTf^  als  Zwischensatz,  so  dal's  oovsxev  irpo?  a  ^X&ov  von  Xtaaoixai  cre  p.^ 
ij^EUffT)  abhängt.  —  16.  H.  Richards  vermutet  99eipou;  aber  auch  Metro 
hat  eine  Sklavin  mitgebracht;  L.  L.  Shadwell  wünscht  cpdei'p''  iaxl 
opi^axetp',  G.  Kaibel  erkennt  in  vcoßujxpa  mit  Recht  ein  an  die  Sklavin 
gerichtetes  Schimpfwort;  R.  Ellis  vergleicht  es  mit  voußuaxixos,  und  Fr. 
Buch  el  er  übersetzt  „obturacula  mentis".  W.  T.  Pur  ton  vermutet 
voußutjxa.  E.  L.  Hicks  ergänzt  gut  (Sxa.  0.  A.  Danielsson  vermutet 
^Oeipeadov,  «o  ßuaxpa  tuji  [xouvov,  A.  C.  Pearson  (f^tipzaif  Iv  lo  ^sx'  ap'  (uxa 
}xoüvov,  St.  YXaaaat  verlangen  H.  Richards  und  L.  L.  Shadwell 
7X5j<ja,  ohne  Grund.  —  17.  Die  Hds.  hat  sopxrji;  H.  Richards,  Fr. 
Blafs  und  A.  Piccolomini  ändern  dies  in  sopxr^,  wozu  der  letztere 
Theoer.  XV  26  vergleicht;  wohl  mit  Recht.  Fr.  Bücheier  schreibt 
iopxat.  —  19.  ßaußtuv  =  oXußo;,  wie  G.  Kaibel  sah.  —  20.  Fr.  Bücheier 
bemerkt:  ,, maligne  adscita  OeofXtoarsiuv  mulierum  nomina  (AP.  IX  26)". 


186  Griechische  Lyriker.    (Sitzler). 

Rutherford  schreibt  t)  HpiwT);  st.  Tjpi'wT)?.  —  21.  Rutheriord  nimmt 
□ach   TpiT7jp,ep7j  }xiv   Personenwechsel    an,    wogegen  0.  A.  Danielsson 
mit    Recht  Einsprache    erhebt.     II.  Richards    verlangt  t6  öwpTjfxa  st. 
Ti  0.  —  22.  H.  Richards  wünscht  mit  Recht  Noaai'c;  xo&ev  X.  st.  Noaalc 
xodev  X.;    wie  Rutherford  schreibt.  —  23.  Nach  snctD  setzt  Ruther- 
ford Fragezeichen;  besser  ist  Punkt,  wie  H.  v.  Herwerden  verlangt 
und  Fr.  Bücheier  schreibt.     Zu  vXuxea;  ergänzen  H.  v.  Herwerden 
und  W.  Headlam  iraTSa?  „ihre  eigenen  Kinder";  richtig  E.  L.  Hicks 
6cp8aXiJiouc;  ebenso  A.  Palmer.  0.  A.  Danielsson  coli.  Theoer.  VI  22. 
XI  53.  XXIV  73  und  Fr.  Bücheier  coli.  V  59.    Rutherford  dachte 
au  deouc.  —  26.  E.  L.  Hicks  vermutet  [xriSe  äv  st.  p.T)8ev'  und  verbindet 
damit  den  folg.  Vers,  der  der  Koritto  gehört,  indem  er  schreibt:  -fuvaixa;, 
Tj  au-r^  .  .  .  exxpi^'ei,    jat]    als  Fragewort  =  „ob"..   Auch  R.  Ellis  giebt 
V.  27  der  Metro,  indem  er  aurj]  =  auxtu?  st.  auxi^  schreibt.  —  27.  Ruther- 
ford schreibt  -.'uvaixac  aur?)  \).^  7.  xot  Ixxpi»]/?);  das  Richtige  haben  ganz 
in  Übereinstimmung    mit  der  Hds.  Fr.  Blals,    H.  Weil,  0.  A.  Da- 
nielsson und  Fr.  Bücheier:  -pvarxsc,  au-nfj  [x  rj  7.  xot'  IxTpi'j'st,  wozu  der 
letztere  bemerkt :  exclamatio  signiticans  quod  enuntiavit  Aschylus  w  Zsü, 
7üvaixwv  oiov  w7:aaaj  '{hoi.  —  30.  F.  G,  Kenyon  ergänzt  richtig  ap^aaaaa. 
Rutherford  fafst  91X7)  als  Vokativ,  unrichtig;    es  ist  prädikativ,  wie 
A.  C.  Pearson  und  0.  A.  Danielsson  bemerken.  —  33.  -aXXa  zieht 
zum  Vorhergehenden  H.  Weil,  richtiger  zum  Folgenden  Fr.  Bücheier, 
H.  Richards,    G.   Kaibel,    E.  L.  Hicks.     Der  Infin.    xp^^^a^  steht 
Imperativisch;  unnötig  ist  daher  -/pTjaötu,  was  Fr.  Blafs,  H.  Richards, 
G.  Kaibel,  E.  L.  Hicks  vermuten.     G.  Kaibel  fafst  xaXXa  .  .  .  XP^"'^"* 
parenthetisch;  W.  G.  Rutherford  schreibt  'fiX/^v  döpeiTw  e;  xaXXa  Noaai'c 
7jv  ypr^aöui,  was  F.  B.  J  OVO  US  mit  Recht  als  unrichtig  bezeichnet,  da 
Eubule,   nicht   Nossis   Subjekt   sein    mufs.  —    34.    Ich   stimme  0.  A. 
Danielsson  bei,  der  eine  anakoluthische  Konstruktion  annimmt,  so  d als 
•r^  jxr)  üoxEü)  wieder  aufgenommen  und  fortgesetzt  wird  mit  -/iXiiuv  euvtcuv 
xtX.;    zu    fxr^    vergleicht    er    Kühner  II  744  flg.     H.  Weil    vermutet 
Mrjöoxeuj    St.   |j.T)   ooxeo),  Fr,  Blafs    jxä,   öoxeiu;    ebenso  W.  Headlam, 
H,  Richards    im  Auschluls   an  NoaatSi  ypn^jöü):    [i^  '}xoi,    Soxecu.     Die 
Worte  |xeCov  p.ev  bis  'AöpTJoTEia  bilden  einen  Zwischensatz;  so  H.  Weil, 
0.  A.  Danielsson,    Fr.  Blafs.     E.  L.  Hicks  zieht  auch  die  Worte 
fitj  ooxeiu  zum  Zwischensatz;  ebenso  A.  Piccolomini,  nur  dal's  er  [xS, 
SoxEüj    schreibt.     Am    Schlüsse    ergänzen  0.  A.  Danielsson   und  Fr. 
Buche  1er  7puSiu,  womit  auch  die  Hds.  zu  stimmen  scheint;  früher  wollte 
Fr.  Bücheier  Tzpr^iw   coli.  IV  69,    wozu   er  jetzt  bemerkt:    „non  fuit 
-itpr^lui" ;  -pT^^u)  ergänzen  auch  G.  Kaibel  und  A.  Piccolomini,   Xe^u) 
H.  Weil,    Fr.  BlaJs,    W.  Headlam,    H.  Richards,  E.  L.  Hicks, 
oeiUi  oder  IvSeUai  R-  Ellis.     Rutherford  schreibt  ttjixi^,  ooxeü),  |xeCov 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler).  187 

fjiev  T^  -fuvrj  T:pTj$ü),  Fr.  ßücheler  tq  [xr^,  ooxeiu,  [xeC^v  (x^v  ^  70 vt)  ^pii^o), 
Xadoi|jLt  0'  xtX.  ,iü  quam  malus  quidem  quam  mulier  nihil  muttiam,  opinor, 
pace  autem  tua  dixerim  etc."  —  35.  0.  A.  Danielsson  würde  'AopiQ- 
atstav  lesen,  wenn  es  metrisch  angeht;  unnötig.  H.  v.  Herwerden  ver- 
mutet Xa'ßoi  8i  }jl'  'A3pTQ(rcsia,  verleitet  von  Rutherford,  der  schreibt 
Xaßot  }x£  ö'  'ASpT^oxeia.  Fr.  Bücheier  fafst  ytXicov  euvxojv  kausal  wegen 
T:po(j6oüvai ;  ich  halte  dies  nicht  für  nötig;  jedenfalls  ist  die  Rede  kräf- 
tiger, wenn  man  es  konditional  erklärt;  G.  Kai  bei  erklärt  TrposöotTjv 
noch  zu  dem  schon  geliehenen  hinzu.  —  36.  H.  Weil  verlangt  e;  xt 
St.  IsTi,  und  Rutherford  schreibt  T:poa»^ot|xrjv  st.  7:poj5oiV^v.  —  41.  Die 
Hds.  hat  metrisch  unmöglich  woXXa;  F.  G.  Kenyon  denkt  an  xal  oder 
7]  T^oKXd;  das  letztere  billigt  Rutherford,  wohl  mit  Recht.  A.  Palmer 
denkt  an  xl  ttoaXoc  oder  xa  ttoXXoc,  und  xa  uoXXa  schreibt  Fr.  Bücheier, 
indem  er  die  Worte  zum  Vorhergehenden  zieht;  derselbe  vermutet 
aufserdem  FloXXt?  61.  Am  Schlufs  verlangt  A.  Palmer  8ti  xoi  st.  öetxat, 
das,  wie  Fr.  Bücheier  bemerkt,  für  Sst  steht.  H.  Richards  will 
umstellen  jasü  xr)v  7X5(jaav  st.  xtqv  }i,eu  7X.  —  44.  Rutherford  schreibt 
fjLOi  ev^XsTrsic  St.  p.'  Ivf^X. ;  ebenso  E.  L.  Hicks,  ohne  Not.  —  45.  Die 
Hds.  hat  richtig  7)  xi  xdßpa  aoi  xaüxa;  G.  Kaibel  erklärt  xa  aßpdc  gut 
mit  , Ziererei",  0.  A.  Danielsson  falsch  mit  „Zofen".  Rutherford 
schreibt  7]  laxiv  aßpa  aoi  x.,  F.  B.  Jevons  v)  xi  -faupoT;  £i  xaüxa.  —  46. 
W.  Headlam  wünscht  Iv  su-/o|j.at  st.  Iveuyofxai,  F.  B.  Jevons  ereii^^ojjLat, 
wie  auch  Rutherford  schreibt,  der  auch  {xoi  Irwlivja-q  st.  tJ;-'  im<\i.  hat.  — 
47.  Das  Richtige  ist  (xa,  xi  |xot  sveu'/TQ,  wie  die  Hds.  zu  haben  scheint 
und  wie  Fr.  Blafs,  G.  Kaibel  und  Fr.  Bücheier  vermuteten, 
Rutherford  schreibt  \i.ä'  iifi  [xoi  hrf/ti,  E.  L.  Hicks  [xa  ^v  xi  fxot  £v 
Eü^iÜ,  H.  Richards  [xä*  [xt]  (xoi  sTreu/so,  A.  Palmer  jxa  ava  [xoi  veüs, 
W.  Headlam  jxa"  xi  }xoi  ev  Eu)(et,  L.  L,  Shadwell  verbindet  ev  eu^^ 
mit  eppa<}>£  ,he  made  it  to  my  order",  0.  A.  Danielsson  |xa,  ei'  -(s  jxoi 
EveuyTj  oder  et  au,  auch  r^  ou;  wenn  Hiatus  nach  jxa  gestattet  ist,  mit 
der  Hds.  [xa-  ^  fxoi.  —  48.  Mit  G.  Kaibel  und  Fr.  Bücheier  ist 
lpa<}<£  St.  eppatj'e  zu  lesen;  Rutherford  stellt  um  eppa<]^e  KepSwv.  Von 
xoio?  bis  TipooTj/ousi  (V.  56)  gehört  die  Rede  der  Metro,  wie  W.  Headlam 
mit  Recht  bemerkt;  so  auch  Fr.  Bücheier  und  H.  Richards; 
Rutherford  nimmt  nach  V.  50,  51,  53  und  54  Personenwechsel  an.  — 
50.  Fr.  Bücheier  bemerkt:  „quaeritur  utrum  KuXatötSo?  an  KuXai9t3oj, 
maris  an  feminae,  item  ut  KuXai'ötoo?  Theoer.  5,  15".  H.  v.  Her  wer  den 
verlangt  Kuvaidiöoc.  —  51.  Fr.  Bücheier  vergleicht  „pectinem  scutu- 
latum  et  pulcrum  schol.  luv.  6,  382";  G.  Kaibel  bemerkt,  dafä 
TcX^xxpov  =  avSpeiov  sei.  —  54.  Fr.  Bücheier  vergleicht  ^sav  r.ox  ^aav 
aXxi}xoi  MiXt^oioi.  —  55,  Rutherford  ergänzt  KuXatöi'c;  ebenso  Fr.  Blafs ; 
Fr,  Bücheier  Ouixaiftt?  oder  TaXatOic;  zu  jxaxapTxtc  bemerkt  der  letztere: 


188  Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)' 

„niiicum  anapaesti  talis  exemplum,  lectio  certa  cf.  Theoer.  2,  70."  — 
57.  G.  Kaibel,  Fr.  Blafs,  H.  Richards  verlangen  m-j^  st.  (o;;  Fr. 
Bücheier  wv  oder  ouc;  Rutherford  schreibt  xouc.  Mir  scheint  die 
Überlieferung  richtig;  denn  Metro  selbst  hatte  ja  klar  angedeutet,  dafs 
sie  keinen  der  beiden  für  den  fraglichen  Kerdon  halte.  —  58.  Ruther- 
ford schreibt  y)  ex  Xt'ou  st.  r^  X.;  ebenso  Gr.  Kaibel;  H.  Richards 
ei  £x  X.  —  59.  Zu  tpaXaxpo;,  fjiixxos  vergleicht  S.  E.  Winbolt  Plat. 
rep.  496.  Dafs  aüTo  nicht  zu  ändern,  zeigt  0.  A.  Danielsson  coli. 
Plat.  Protag.  360  E:  auTo  ■?)  apsxr^  und  Lucian.  somn.  9:  auro  [xovov 
epYa-nrjj;  ebenso  Fr.  Bücheier.  Rutherford  schreibt  vjxef  9aXaxp6c. 
jxixxoc  euT'"  ipei;.  —  60.  Die  Hds.  hat  richtig  etxcxjat  korrigiert;  Ruther- 
ford sixa'ja'.c.  —  61.  F.  G.  Kenyon  ergänzt  richtig  outw;  Rutherford 
läfst  im  Text  eine  Lücke.  —  63.  xat  oixiyjv  o' vermutet  richtig  Ruther- 
ford; so  auch  Fr.  Bücheier.  —  65.  Rutherford  schreibt  dXX'  ep^' 
oxoi'  e<JT""  ep7a  t%  'A9r,vatr,c  |  auT%  opotv  y.tX.,  W.  Headlam  a}X  ep'f' 
oxoi'  stt'  ep^a"  ttj?  "AÖTjvaiVjC  xtX.;  die  richtige  Interpunktion  hat  O.  A. 
Danielsson  gefunden  ötXX'  ep-f",  oxot'  IW  spYa  x^c  'A8r(vatT);'  |  aux^;xxX.; 
ebenso  Fr.  Buche  1er.  H.  Richards  vermutet  (iXX'  ep^axT)?  IW,  ep^a- 
TYjc.  —  67.  Rutherford  schreibt  66^£i?  sxsiva"  ouo  -/ap  .  .  .  MrjxpoT., 
E.  L.  Hicks  86$et;"  itodev  öuo  7ap,  "W.  Headlam  So^etC  8u'  elrcov  ouo 
70p,  0.  A.  Danielsson  oo'^s-.c  OeüipsTv  ouo  -fap,  R.  Ellis,  G.  Kaibel 
und  Fr.  Blafs  6o'$eu*  £7(0  6'  ?v,  8uo  ^ocp,  Fr.  Bücheier  öo'^eic*  efAoi  [lev 
ouo  7ap,  später  richtiger  oo^ei;.  e^w  [xev,  Öuo  ^ap.  —  68.  Rutherford 
ergänzt  fia  [xsu,  E.  L.  Hicks  ixevxoi,  0.  A.  Danielsson  \ia  xS?  oder 
|x5  oxu>?,  A.  Palmer  [xaviTj,  Fr.  Bücheier  früher  0  auxou;,  in  der  Aus- 
gabe löoüj  ay  tXXtu?;  tXXüi?  opav  =  fXXwTTxeiv,  R.  Ellis,  Fr.  Blafs  und 
G.  Kaibel  [xoüvov.  Etwa  a|j,'  i&u«?  Zu  xa  ofj.|Aaxa  exxufiai'vstv  ver- 
gleicht G.  Kaibel  4,  64  exßaXXsiv  xa?  xotSpac.  —  69,  Fr.  Bücheier 
bemerkt:  ,,3aXX'  pro  cpaXX'  opinor,  potuit  ex  dialecto  Macedouum  pro- 
venisse,  potuit  ex  ludicra  comparatione  verborum  ßaXXsiv  paXXi'Ceiv  BaXXiwv 
(ex  arce  Ballionia  PL  Pseud.  1064).  ßaßaXov  et  ßaixI'-laXov  xo  aiSotov  He- 
sychius:  accentus  iucertus  utrum  ßaXXia  ut  in  deminutivis  au  ßaXXia  modo 
adiectivorum,  illi  favet  tale  x6v  cpaXXöv  opöov  axrjsaxo)".  G.  Kaibel 
wünscht  xa  paXavi'.  —  70.  Die  Hds.  hat  h\ivj,  wie  H.  Jackson  ver- 
mutete: dadurch  werden  die  anderen  Konjekturen  unnütz.  Fr.  Bücheier 
vergleicht  Aristoph.  Thesm.  472.  Ach.  504.  —  71.  G.  Kaibel  und  Fr. 
Bücheier  vergleichen  Theoer.  5,  51.  15,  125.  —  72.  Rutherford  er- 
gänzt richtig  ouy  ifjLavxsc.  —  73.  Die  Hds.  hat  supoic,  eine  Silbe  zu  wenig: 
das  Richtige  vermutet  wohl  Fr.  Bücheier  suptjxoi;;  Rutherford 
schreibt  e^süpoi;,  A.  Palm  er  (iveupoit  av,  G.  Kaibel  supotc  au  oder 
eupo'.o.  —  77.  E.  L.  Hicks  vermutet  in  Übereinstimmung  mit  der  Hds. 
xaxaXi^ouaa    ,,calling  him  deary";    F.    G.    Kenyon    vergleicht   xaxa  = 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)  189 

xexTa  III  79.  Fr.  Bücheier  bemerkt:  „ficta  vox  ex  sonitu  palporum 
videtur  ut  germ.  tätscheln,  cf.  xrj  xotTa  xaxa  (III  79).  certe  blanda  et 
illecebrosa  dicitur  attrectatio".  Rutherford  schreibt  xaxa  Xasxsuua, 
H.  Diels  7ap7aXiCou3a,  G.  Kaibel  -/a-f^aXi^ousa,  H.  v.  Her  wer  den 
xata  xXei'Couaa.  —  80.  Die  Hds.  hat  eosi  7ap  aXXa  xaipov  ou  itpsTirovx  tvai; 
dies  behält  Fr.  Bücheier  bei  und  bemerkt:  „toti  duplicem  vim  habet 
ut  germ.  es  sollte,  iam  iteratur  in  hanc  sententiam:  at  enim  fata  ita 
ferebant  tempus  ut  incommodum  esset,  vide  interpretes  Herodoti  I  8. 
II  161.  V  33."  H.  Weil  schreibt  ouv  st.  ou  und  erklärt:  ,,c'est  qu'il 
fallait  que  du  moins  la  circonstance  aussi  y  füt  favorable."  Richtiger 
interpungieren  andere  nach  eSei  ^ap,  wie  0.  A.  Danielsson,  der  xaipöv 
00  Trpe-ovx'  sTvat  als  exklamativen  Infinitivsatz  fafst,  W.  Headlam,  der 
eu  st.  ou  vermutet,  aber  auch  ou  für  möglich  hält,  ß.  Ellis,  der  dtXX' 
axatpov  ou  irpeTcov  xeivai  oder  dXXa  xatpov  ou  upeTrov  xsTvai  vorschlägt. 
Für  das  beste  halte  ich  bis  jetzt  H.  v.  Herwerdens  -psTtovx'  el/ov, 
doch  ziehe  ich  eTöov  vor,  indem  ich  glaube,  dafs  ivat  einem  Abirren  des 
Schreibers  auf  oouvat  des  vorhergehenden  Verses  seine  Entstehung  ver- 
dankt. —  81.  Die  Hds.  hat  gegen  das  Metrum  TqXTjösv  7ap  tj;  Fr.  Blafs 
streicht  v,  also  fjXrjöe  ^ap  rj,  U.  von  Wilamowitz  und  G.  Kaibel  7ap, 
also  ^Xr){)£v  rj.  Ich  sehe  nicht  ein,  wie  in  rjXrjöev  ein  Hinderungsgrund 
Hegen  kann,  da  ja  beigefügt  wird  auxy)  7ap  f^p-scüv  rjfxepTjv  xe  xal  vuxxa 
xxX. ;  auch  zwingt  nichts  dazu,  dtXTr]9£iv  und  xpi^stv  xov  ovov  mit  G.  Kaibel 
zweideutig  zu  fassen.  F.  G.  Kenyon  stellt  meiner  Meinung  nach  richtig 
her  ^XOsv  7ap  fj,  was  Rutherford  und  Fr,  Bücheier  aufnahmen. 
Am  Schlüsse  will  G.  Kaibel  ev  {xsjcp  EußouXY)  st.  oouXtj  lesen;  ebenso 
F.  B.  Jevons.  —  83.  F.  B,  Jevons  versteht  unter  ovo?  ,, Spindel" 
und  erklärt  xpi'ßeiv  mit  „drehen";  st.  jxtopi'yjv  verlangt  er  axT^jxova?  oder 
(jxr^ixvi'ov.  G.  Kaibel,  von  aXr^öetv  ausgehend,  nimmt  ovo?  als  „Mühl- 
stein". Ich  nehme  es  mit  Fr.  Bücheier  in  seiner  natürlichen  Be- 
deutung; xpi^etv  ,, anstrengen,  quälen".  —  84.  E.  L.  Hicks  liest  richtig 
xexptußöXou  xötj'Tr),  was  er  auf  den  Mühlstein  bezieht:  ,,for  fear  of  shattering 
her  own  at  a  cost  of  four  obols".  Fr.  Bücheier  bemerkt:  ,,  —  Xou 
paene  certum,  nam  v  aut  wi  pro  spatio  nimis  ampla,  Aeschylus  cppsväiv 
xexotx}X£voc,  Aristophanes  oTtuv  Siia^Zw  auxov  uapsxoTrxou.  verba  cum  alias 
in  hoc  carmine  tum  hie  ambigua  nequiter,  quod  priraum  ac  vulgare  est 
xoT:xeiv  xov  ovov  (qui  asinum  potest,  Stratum  caedit),  hie  valet  tripliciter. 
quattuor  obolos  diurnum  aselli  quaestum  puto  istius,  xoü  auxfjs".  — 
87.  Fr.  Bücheier:  „'ApxsfxT;  eflferri  male  ut  Äiovü;  et  peregrina  BevSic 
quam  'Apx£|xi?,  etsi  appellativa  hypocoristica  acui  solent".  Rutherford 
schreibt  'Apx£iJ.i;  und  am  Schlüsse  Kavoaxou  st.  Kavoaxo?,  vielleicht  richtig. 
—  89.  Die  Hd~.  hat  aiel  jasv,  wie  G.  Kaibel  und  0.  A.  Danielsson 
vermuteten,   nicht  öisi  [xev,   wie  F.  G.  Kenyon   giebt;    die  hds.  Lesart 


190  Griechische  Lyriker.     (Sitzlcr.) 

macht  die  Konjekturen  entbehrlich.  —  90.  Die  Hds.  hat  rpocw  irteoda, 
was  Fr.  Bücheler  schreibt  Trpojo)  Vieüja  „i.  srtouja  artem  lenoniam 
similem  medicinae  in  calfacientibus  et  levantibus".  G.  Kaibel  vermutet 
-p6  joi  -leuja  Tf,v  TrpoxuxXtav,  SC.  xuXixa  „jemand  einen  Kupplerschluck 
zutrinken";  richtig  scheint  iroieijja  zu  sein,  wie  Rutherford  und  0.  A. 
Danielsso n  geben.  Am  Schlüsse  ist  die  Hds.  lückenhaft.  Fr.  Bücheler 
bemerkt:  „in  fine  P  longius  vocabulum  videtur  habere  quam  OdX'^iv,  brevius 
quam  daXirtDpy^v,  fortasse  daXTajv,  tum  super  Y]v&aX  scripta  alia,  in  his 
zcjp.  an  irpoxoxXiv  yaXitcupiQv  coH'ector?"  Er  selbst  schreibt  ttjV  T^poxu- 
xXiYjv  daXtptv,  0.  A.  Danielsson  OaXTCwpT^v,  indem  er  zum  Versschlufs 
vergleicht  I  30.  VI  22.  II  31.  VI  55.  71.  G.  Kaibel  erklärt  OaXiKüpiiv 
für  unsicher.  Ich  halte  öaXXsiv  für  das  beste.  E.  L.  Hicks  schreibt 
unter  dem  Einflufs  von  Set  (V.  89)  -tsujav  .  .  .  OaXuciv.  —  91.  H.  Ri- 
chards wünscht  mit  Unreclft  o-jx  et  st.  onyj..  —  92.  H.  v.  Herwerden 
vermutet  Uyouaa  st.  exooüsa.  —  94  steht  oben  auf  dem  Rande  und  wird 
von  F.  G.  Kenyon  gelesen:  xauxY]  ^ap  xat  Tj^aTnqaev  [i,yjTpot;  Fr.  Bücheler 
schreibt  Taunr)  ^ap,  hdi,  xai  rovYjpöc  Vjv,  Mr,Tpor,  G.  Kaibel  xauTT)  ^ap 
eiour  r^■^^a.r.1]3  av,  MTiTpoi,  l-{ui.  Was  der  letztere  im  vorhergehenden 
Verse  vermutet  (ü|xo3"  st.  des  von  E.  L.  Hicks  ergänzten  m\i.q3z\,  hat 
schon  Rutherford.  —  95.  Rutherford  setzt  Kolon  nach  fiot  und 
schreibt  zT\n  st.  elvat,  ohne  Grund.  —  96.  F.  G.  Kenj-^on  ergänzt  richtig 
siotü  e^tu;  so  auch  Rutherford  und  G.  Kaibel.  Fr.  Bücheler  liest 
ciÖT^aio  coli.  V  78.  —  97.  E.  L.  Hicks  ergänzt  G^iottve  und  waXai  }xaTr)v 
-/u>peT,  G.  Kaibel  G^iaivs,  MT)TpoT,  und  ptaxrjV  -/uipei;  das  letztere  auch 
H.  Jackson;  F.D.  uYiaive,  MrjTpo?  [xa,  raXat  [xoctyjV  ytopei.  Fr.  Bücheler 
bemerkt:  „quadrat  in  lacunam  uvi'atve  jjiot  KopixTt.  haec  enim  discedentis 
verba  esse  uec  supplendum  MYjTpoi  pro  certo  habeo.  dubites  licet  de 
exitu  V.  98  utrum  lletro  an  Coritto  loquatur,  cetera  cum  sua  Coritto 
serva  agit.  novum  est,  si  est,  Xatjiatptc".  —  98.  F.  D.  ergänzt  ri\Lh  §e, 
cpwp  yip  ia-i.  R.  Ellis  vergleicht  zum  Sinn  I  33  und  Catull.  61,  200.  — 
99.  W.  Headlam  ergänzt  to  |xeXt,  wozu  Fr.  Bücheler  bemerkt;  ,.potest 
r.dh.  non  potest  to  jxeXt".  —  100.  0.  A.  Danielsson  denkt  an  isisriTot 
aipai  „immerfressendes  Unkraut"  von  den  Zofen  mit  Anspielung  auf  die 
iciWot  im  Pr5'taneion.  —  101.  F.  G.  Kenyon  liest  auTYjt,  Fr.  Bücheler 
avTY)r,  wozu  er  bemerkt:  „sequebatur  r,  l'/iov  ?"  Fr.  Blafs  ergänzt 
-opOsuixa'.,  G.  Kaibel  iropdeuai,  Fr.  Bücheler  rop&eüja.  —  102.  H. 
Jackson  ergänzt  «opvoaö'  ap'  eytovai,  Fr.  Bücheler  «opvjio  rX^Sat 
(or^z'll'^'  Hippouax  fr.  49). 

VII  zeigt,  wie  G.  Kaibel  bemerkt,  Metro  mit  einigen  Freundinnen 
in  Kerdons  Werkstatt,  aber  die  Handlung  ist  keine  Fortsetzung  von  VI. 
Zu  dem  Namen  Kerdon  als  Schuhmaohr-r  vergleicht  W.  Headlam 
Martial.  III  16.  59.  99.  —  1.  I.luthcrford  ergänzt  oeuWva?  7,v,  richtiger 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler,)  1^1 

Fr.  Blafs  <ptXac,  et'  ti;  st.  xt  verlangt  H.  Weil  «u,  doch  scheint  n  durch 
die  Photogi-aphie  bestätigt  zu  werden;  auch  Fr.  Bücheier  liest  so.  — 
2.  Rutherford  s/tjc  st.  ^yen.  —  3.  0.  A.  Danielsson  vergleicht  zu 
vorjpe«  Hesych.  voapew?.  Nach  £p7ov  ist  mit  Fr.  Bücheier  Personen- 
wechsel anzunehmen,  nicht  nach  'fiXew  st  (V.  4)  mit  Rutherford.  — 
5.  Die  Hds.  hat  AptjiuXu).  woraus  Rüther ford  mit  Fragezeichen  nach 
uaviSa  macht  dptixuXcp;  Fr.  Bücheier  setzt  nach  aaviSa  Komma  und 
schreibt  Apiixu^';  w,  9.  —  8.  Fr.  Bücheier  ergänzt  apiAo^TQ  xaKi^,  das  letz- 
tere hat  die  Hds.  nach  späterer  Angabe  Kenyons.  —  9.  Die  Hds.  hat 
am  Schlufs  ^■,  W.  Headlam  ergänzt  w  Ksp/o»]^;  ebenso  oder  -rupoxXetj^ 
l'"r.  Bücheier.  —  11.  Fr.  Bücheier  vergleicht  zu  ^offeZ^za.  collicre- 
pidae  cruricrepidae  ferriteri  mastigiae  Plaut.;  dann  ergänzt  derselbe  ver- 
suchsweise vouÖ£TY)|xa  i'ap  Tcüvoe;  das  letztere  hat  die  Hds.  —  12  ergänzt 
Fr.  Bücheier  Xetaveo),  t6  8'  aiu^uvT);  doch  hat  die  Hds.  nicht  uvr), 
sondern  uvtc,  wie  F.  G.  Kenyon  richtig  angiebt.  —  13.  Fr.  Bücheier 
trgänzt  xrf)a.-{  uuep  azZ  ty)v  xovtv  aiio^'T)!?«;  das  letzte  ähnlich  W.  Head- 
lam TT)v  xoviv  S' a-o(j^Y^<>(u.  —  14.  Fr.  Bücheier  ergänzt  eCea&e,  MriTpoi: 
A.  Palmer  e^eo  au  Mr^xpoT;  dann  Fr.  Bücheier  tyiv  avw  avoi^a;.  — 
15.  W.  Headlam  ergänzt  TiueXiSa,  Fr.  Bücheier  iropYtoa;  dann  vermutet 
der  letztere  p-r)  xeiv'  st.  fiY)  ti^v.  —  17.  Fr.  Bücheier  ergänzt  avcoOs-  vr)  AC 
<o  MYiTpoü  —  18.  Derselbe  yjjuy^  [xsv  a9pr,(3ov.  —  19.  aa{AßaXouyY)v  ergänzen 
W.  Headlam,  Fr.  Blafs  und  Fr.  Bücheier,  der  das  a  in  der  Hds.  zu 
erkennen  meint;  dann  Fr.  Bücheier  01' eysixoSs.  —  20.  Fr.  Bücheier 
ergänzt  apisTov  lyvewv;  nach  Kenyon  hat  die  Hds.  apYj.  —  21.  ßuther- 
ford  ergänzt  Yuvaixe?'  tj  TrxepvYj,  so  auch  Fr.  Blafs  und  Fr.  Bücheier.  — 

22.  W.  Headlam  ergänzt  yaXxeoi?  ^Xotc;  so   auch  Fr.  Bücheier.  — 

23.  Die  Hds.  hat  nach  Kenyon  e$Y]txttuxai ,  wozu  Fr.  Bücheier 
l^aiTos,  l^atdio?  vergleicht,  „sed  praestat  explicare  r,dar\i  aixta«  exxö? 
7£7evT)xat  quasi  iuridicialem  translationem".  W.  Headlam  schreibt 
£$Tr)xirixat,  F.  D.  eSrjpxiwxai ,  wie  die  Photographie  zu  haben  scheint. 
Den  Schlufs  ergänzen  W.  Headlam,  Fr.  Blafs  und  Fr.  Bücheier 
xoü  xa  jx£v  xaÄü)?.  —  24.  W.  Headlam  ergänzt  ttcxv-'  £y£i  xaXüi?;  iravxa 
auch  Fr.  Blafs;  Fr.  Bücheier  uacra  raYxaXwc  oder  xaXXitjxtoc  — 
25.  Fr.  Bücheier  ergänzt  ii\n\  t)  Oeoc.  —  26.  Fr.  Bücheier  ergänzt 
ßiou  x£  yJiv,  „verbum  idem  cum  apiy-  opty-  pr/aaOat  quibus  Hipponax 
Aristophanes  al.  utuntur,  proximum  ab  ope^ea&ai  dpqvasöa'.  dpeypzi^, 
significantibus  omnibus  erectum  spe  ac  voluntate  animum."  Die  Er- 
gänzung ist  übrigens  metrisch  etwas  bedenklich.  0.  A.  Danielsson 
vermutet  sp  lyavaaiy.  —  27.  Fr.  Bücheier  ergänzt  vixöi  xa  uavxa 
H-^X\  —  29.  Fr.  Bücheier  ergänzt  xotoy  üi  \ioi  ftveac;  am  Schlüsse 
Kavöaxi?,  ßutherford  KavoaxT^;;  etwa  KavSaxou  vgl.  VI  87?  — 
31.    Fr.  Bücheier    ergänzt    v.xäv   oi    ©yjjjli    aut    uno    ppde    plus    xoüxo 


192  Griechische  Lyriker.    (Sitzler.) 

<pTjp.t:  dann  am  Schlüsse  ejtIv  i'a:  „productani  esse  priorem  in  Tor  (eai  h) 
aut  solutam  iu  versu  paenultimam  syllabam  non  credes,  num  coutraetas 
esse  Yocales  tan  i'a?"  —  32.  Fr.  Bücheier  ergänzte  früher  -/rj^eTaöe  \i 
ahi  Tr)v  dXTjOtrjv  ßau^etv,  später  [xy]  }xe  xspoaXea  öi'Cetv.  —  33.  Fr.  Bücheier 
ergänzt  epew  709  ou8h,  34.  ßapuvov  t).  —  35.  F.  D.  ergänzt  «Tro 
x£p6£ü)v,  was  mit  den  Buchstabenspuren  nicht  stimmt,  Fr.  Buche  1er 
xujvTjiüJv.  —  36.  Fr.  Bücheier  ergänzt  xuwv  cpspoi"  ou  -jap,  „sed  potest 
Kap."  —  38.  Derselbe  ergänzt  ,,[xi|i,ou|X£voi  an  ixy^?  scilicet  sutores  alii". 
Die  Hds.  hat  -a  ep^a;  damit  fallen  die  an  die  frühere  Lesung  xaOppa 
sich  knüpfenden  Konjekturen.  —  39.  F.  D.  ergänzt  e/oiaiv  aXXoi,  auxö; 
8i;  Fr.  Bücheier:  „poteät  i>vt)t6?".  40.  F.  D.  versucht  öi'cppov  xe 
irovetuv,  was  nach  den  im  Papyrus  erhaltenen  Buchstaben  unmöglich  ist; 
Fr.  Bücheier  dva-^xecuv  oder  aveu  Öeuiv.  —  41.  Die  Hds.  hat  vor 
a^pi,  wie  Kenyon  nachträglich  mitteilt,  Tf)(x,e&ov  oder  r)|x£(ov;  daher  ist 
F.  D.'s  ouo'  £(jxi  aTxov  unmöglich;  Fr.  Bücheier  ergänzt  wpa?  7otp 
Tj|X£u)v,  dann  42  xc  -rrp^^ixa  xal  Tipo?.  —  43.  Fr.  Bücheier  versuchte 
xd  jAcxp'  S'ffov  und  am  Schlüsse  uuvov  uTivwaaeiv ;  W.  Headlam  ergänzt 
%i  iF  uuo  -/eXiSovcüv.  —  44.  Fr.  Buche  1er  ergänzt  oitjxovou?  ßoaxo), 
45.  (Jp7o;  o'j  axüxEuj,  46.  jjlou  xaxaSoucjt;  aufserdem  bemerkt  er:  „utji 
correpta    priore    praeter     morem.     querela     similis    luven.    9, 67".  — 

47.  Fr.  Buch el er  schreibt  cplp'  £i  cplpets  xf  xaXXa  6'  (i|xcpi  jx  wöeüvxai.  — 

48.  F.  D.  vermutet  xd?  xo/a»v«;  &Xtßovx£;,  0.  A.  Danielsson  ftdX- 
Ttovxe?  St.  OXi'ßovx£j;  oder  vEoaaov  st,  veoaaoi;  Fr.  Bücheier  ebenso 
xdc  xoytuva;  Oa'Xrovxej.  —  49.  Fr.  Bücheier  vergleicht  I  78.  —  50.  Die 
Hds.  hat  yaXxüiv  8e"  xoüx'  yjv  p.T)  ü[j.iv  dvSdvT),  MTjxpoT,  wie  W.  Headlam 
vermutete.  H.  Jackson  xoüx'  fjv  xou  [xiv  (iX7uv7),  MTjxpoT,  ß.  Ellis 
xaüx'  Tjv  Süi  u|jLiv,  av  ö'  dvT^  Mvjxpcu.  —  51.  Fr.  Bücheier  bemerkt:  „[jidXa 
deinceps  gradatim  i.  rursus,  interpr.  Herodoti  I  134,  Aristoph. 
Pac.  460."  —  52.  W.  Headlam  ergänzt  olv  <txavü>c>  uEtad^xe,  R.  J^llis 
teXo?,  f.  D.  ua^pea)?,  H.  v.  Her  wer  den  Xe^eiv,  Fr.  Bücheier  lizl  izay, 
im  Folg.  hat  die  Hds.,  wie  F.  G.  Kenyon  nachträglich  mitteilt,  Xe^ei 
oder  Xr.'Ei;,  nicht  exei;  daher  F.  D.  und  Fr,  Buche  1er  [x-?]  Xe^eiv,  wohl 
richtig;  W.  Headlam  T:£tai)^xE-  xi?  Xe^ei  <\).;  nicht  zu  brauchen  ist 
K.  Ellis'  jx/jS'  £X£t  und  H.  v.  Herwerdens  [xyjxexi.  —  53.  Fr.  Bücheier 
nach  dem  Papyrus  richtig:  xa?  [x£u  (oder  fxsv)  gaixßaXou/tSaj;  W.  Headlam 
}xop(fd«  7dp  o'jx  eioe;.  —  54.  Fr.  Bücheier  ergänzt  <5£r7dp  sTrtXivTjbEiaac, 
nachdem  er  zuvor  versucht:  eixoc  7a'p  laxiv  TjaÖEiaac;  W.  Headlam  oeT 
p.aXiaxa,  0.  Crusius  /pr,  7dp  E7xtvT){)£iaa;,  H.  V.  Herwerden  ovtjöeiW, 
was  sich  mit  der  Hds.  nicht  verträgt.  —  56.  Rutherford  vermutet 
»ET^aEabs  St.  thJCTEaÖE,  Fr.  Bücheler  ihriEiaftE;  dann  ergänzen  beide 
ufXEic,  der  erstere  läfst  ohne  Interpunktion  7£V£a  xaüxa  folgen,  was  dem 
letzteren  weniger  gefällt;  er  schreibt  xd  vsa  xaüxa.  —  57.  Fr.  Bücheler: 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)  193 

,an  NoaaioE;  ut  a  Nosside  norainatae?  cf.  Poll.  VII  0-i  qui  ex  bis 
emaculatur.^  —  58.  Die  Hds.  hat  <|;tv-axata,  woraus  Rutherford 
richtig  '^in-d-Aia  hergestellt  hat;  Fr.  Bücheler  verlangt  »J^ixtaxea : 
„'l'tTTaxeta  Hesychius,  viridantia  scilicet".  Derselbe  schreibt  ebenso  wie 
Rutherford  ßXauTTai  st.  ßXau-i'a.  —  59.  Rutherford  schreibt  aixceiVfupa 
St.  dfX9ij<pa[pa,  was  E.  Y.  Tyrrell  aus  metrischem  Grunde  in  aixcpta^upia 
verwandelt;  aber  auch  dies  ist  entbehrlich.  —  60.  Fr.  Bücheler 
schreibt  ßap-ßaX'  st.  aaixßaX';  denn  er  glaubt  auf  der  Photographie  ein 
ß  st.  er  zu  erkennen.  —  62.  Rutherford  schreibt  atj&vjcji}'  m;  st.  aisSou- 
de.  —  63.  Die  Hds.  bat  cxuxea  7'jvaiy.s;  xai  xyvs?  ti  ßpoj^ousiv,  d.  h. 
oxutea,  "/uvaixss,  xal  xuve;  -ri  ßptu^oujiv  ==  xi  xal  xtivs?  ßpcu^ouai  cxo-cea. 
Eine  Änderung  ist  also  unnötig;  Rutherford  schreibt  oxuTea  -/uvarxsc 
xal  xuvEs  ßtßpuJaxoüüiv :  auch  Fr.  Bücheler  liest  axuxe«,  und 
0.  A.  Danielsson  verlangt  auch  xuva?.  W.  Headlam  wünscht 
ßpa'Coujtv  st.  ßpüiCoyjtv;  Fr.  Bücheler  bemerkt:  „verbum  hoc  praesens 
factum  est  ad  ßptoxa  et  ßeßpu>-at,  aeque  antiquis  inusitatum  ßißpiusxw."  — 
64.  Die  Hds.  hat  richtig  Tjstpa;.  —  65.  F.  G.  Kenyon  wünscht,  um 
das  Metrum  herzustellen,  to  zwischen  ar,£]x-oXf]  und  ^£1)70?,  und  so 
schreibt  Rutherford;  0.  A.  Danielsson  vermutet  a7i£[x::oÄr,v  (=5v). 
Das  Richtige  fanden  R.  Ellis  und  Fr.  Blafs  aT:£|jL7roXT]aai,  abh.  von 
ypei^ei?.  Fr.  Bücheler  bemerkt:  „in  fine  potest  aiTEtov  legi";  mii"  un- 
verständlich. —  66.  Rutherford  liest  mit  Unrecht  jxe^ov'  st.  ixs^ov;  es 
gehört  zu  ßpovTscuv.  —  69.  Die  Lesung  der  Hds.  ist  unsicher;  zuerst 
gab  F.  G.  Kenyon  i  xour  ....  7ap  ou;  £pY]t  01  (uv  .  .  .  .,  später  xoyx 
oxvic  (wahrscheinlich)  ou  ae  pYjioio);  (möglich).  W.  Headlam  vermutet 
et  xoux'  IpEi;  -/ap,  ou  ae  prjoiov  (oder  p-rjoi'w;),  F.  D.  si  xouxo  Xt^s  ^ap,  ou 
«e  pTjSicuv  cj>euao>  |  tu'/itov,  H.  V.  Her  werden  et  xouxo  Spr^c  '/«p»  ou  Gt 
pT^Siov  ^/jXsuv,  Fr.  Bücheler  zU  ~oZz  opüiv  -.ap  ou  je  pY)oiio?  <lifj'j(a, 
0.  Crusius  6  a^av  xovaiv  -(ap  ou  je  p7joi(uc  tceiuei.  —  70.  Die  Hds.  hat 
nach  Fr.  Bücheler  jxuxecüv,  nicht  öeuxeojv,  wie  F.  G.  Kenyon  an- 
giebt.  Damit  fällt  auch  H.  v.  Her  Werdens  oeüx'  wv  (ouv?).  Derselbe 
setzt  nach  7uvai  Kolon  und  schreibt  xwXtjÖec  tjv  ÖEXrjc  £p7y,  i  ^P'i?  t^'o 
Rutherford  xwXtjöe;-  t]v  9.  Ip-^tp,  |  spEi?  xi.  Richtiger  liest  Fr.  Bücheler 
mit  der  Hds.  sp^ov  mit  Komma  nach  diesem  Wort,  so  dafs  V.  70  einen 
Satz  bildet.  —  72.  Die  Hds.  hat  richtig  l'f  fjC  aXonzY]^  voooiVjV  zö-ocVjxev, 
wie  H.  Di  eis  gesehen  hat;  damit  werden  alle  Konjekturen  unnütz. 
Fr.  Bücheler  vergleicht  Callim.  hy.  III  78:  „meminerimus  Kspocovo; 
et  xEpöoü?  cognatiouem,  unde  xEpota  tarn  astutia  quam  alopecia."  — 
73.  A.  C.  Pearson  ergänzt  Ivöa  xavöa  xiveügi,  0.  A.  Danielsson  h 
\K  a£x|xa  (aTj|i.a?)  xiveüji  coll.  Hesych.  et  Et.  Magn.  s.  v.  a£x[xa, 
Fr.  Bücheler  l'p^a  xaXa  oder  sp^'  aptaxa  xiveüji.  —  74.  Die  hds. 
Lesart  schreibt  Fr.  Bücheler  'Epixr^  ts  xEpÖEcuv  xal  au,  xspoirj  OEtöoi 
Jahresbericht  für  Altertumswissenscliaft.    LXXV.  Bd.    (1893.  I.)  13 


1<,14  Griechische  Lyriker.    (Sitzler.) 

und  übersetzt:  ,,ita  Mercuri  deus  lucrorum  et  tu,  lucrosa  Suada,  me 
aiiietis";  ebenso  H.  Weil,  nur  dafs  er  xspowri  wünscht.  Unrichtig 
Rutherford  'Ep}j.9j,  as  Kepoojv  xal  as,  Kep8iY^,  av  -stöot,  E.  L.  Hicks 
F.pa^  T£  KspocDv,  xal  sü  xepoeiT)  netOoi;  ebenso  0.  A.  Danielsson.  — 
7ö.  Rutherford  schreibt  wj,  wofür  E.  L.  Hicks  richtig  w;  setzt.  — 
76.  Rutherford  schreibt  xuöpr,  st.  -/u-pr),  und  so  hatte  nach 
Fr.  Bücheier  vielleicht  ursprünglich  die  Hds.  —  79.  E.  G.  Kenyou 
orgäDzte  |xvr)c;  Er.  Bücheier  fragt:  „argeuti  mina  an  aeris"?  — 
80.  Rutherford  schreibt  mit  Unrecht  avwiT  st.  avco  o  und  ßXeuet;  st. 
ßÄE-etv,  ebenso  81.  pivr,txa  ot^xot'  st.  pivT^ix  o  ori7i.QT,  woraus  H.  v.  Her- 
werden  otj  t66'  macht.  —  82.  Rntherford  schreibt  ohne  Grund  £<ov 
sOacVTj?  .  .  .  d7:o3T£i;at;  St.  (ov£'j[i.£vr,j  .  .  .  dzojTa^ai,  H.  v.  Herwerden 
lovsufxevy)  ah  ttjsö'  (rr^vo'?)  av  oux  drosxu^ais.  —  83  fg.  spricht  Metro, 
bzw.  eine  der  Frauen,  wie  E.  L.  Hicks  und  H.  v.  Herwerden  richtig 
gegen  Rutherford  bemerken.  —  85.  A.  Palmer  ergänzt  xX-fl'caj  oder 
v.'/Aloii,  wozu  Fr.  Büclieler  bemerkt:  ,,non  potest  xXirJGa?,  quia  a  post 
X  clara  est,  in  exitu  potest  a;".  Er  selbst  schreibt  mit  Rutherford 
xaXüic.  Fr.  Blafs  vermutet  xaXXaic  —  86.  Die  Hds  hat  r^•/.az■t],  worin 
Fr.  Bücheier  richtig  f,/a--^  -=  yj  'Exar/j  (=  'ExateTj)  erkannte'; 
Rutherford  schreibt  r^  'ExaT/j.  Fr.  Bücheier  bemerkt:  „Taureonera 
Neptuno  ut  videtur  sacrum  meusem  Jones  habuere  Samii  Cj'ziceui  Sino- 
penses".  —  87.  F.  G.  Kenyon  ergänzt  gut  xi^;  'ApraxTjvTjc,  wozu 
Fr.  Bücheier  bemerkt:  ,, quasi  ex  Artace  civitate  oriundae".  Ruther- 
ford xal  -r)  'ApTaxr,v7^.  —  88.  E.  L.  Hicks  ergänzt  -ra  Xqz  -poas'.j'., 
W.  Headlam  u.  A.  C.  Peai-sou  to  Xtjc  oi.'jou3i,  Fr.  Bücheier  xd  'Kr^i 
'fipo'jji,  A.  Piccoiomini  xd  XYJixfiax  ujei,  H.  v.  Herwerden  xdXa;, 
r,;üujt.  —  89.  E.  L.  Hicks  verlangt  ohne  Grund  lidXXov  Trdvxwv 
St.  -dvTwc.  Fr.  Buche  1er  bemerkt:  ,,salse  haec  defricat  hominem  ex 
postulatis  XaxxorXouxov  futurum,  -/aXrjv  appellat  nt  rapacissimam  et 
inauspicatam". —  91  und  92  gehören  dem  Kerdon,  93  —  99  der  Metro: 
Rutherford  giebt  nur  ein  Stück  von  92  dem  Kerdon,  und  H.  v.  Her- 
werden lässt  die  Rede  der  Metro  bis  V.  99  gehen.  Rutherford 
schl'eibt  r^v  tj  'Exdr/j  st.  tjv  x'  f^xa-^  vgl.  86.  —  92.  r]v  x'  rj  'ApxaxrjviQ 
vermuten  mit  Recht  E.  L.  Hicks,  H.  v.  Herwerden,  A.  Piccoiomini 
und  Fr.  Bücheier:  Fr.  Blafs  verlaugt  r^v  x'  ■^  'Apxaxrjvr],  und 
Rutherford  sclu-eibt  f^v,  x-^,  'ApxaxTjvT).  Danach  lassen  Rutherford 
und  E.  L.  Hicks  Personenwechsel  eintreten.  —  93.  E.  L.  Hicks 
wünscht  oi'owji  xal  fj  st.  o''oco3iv  ■r^.  —  95.  Rutherford  dXX'  oi;  xvtja, 
O.  A.  Danielsson  dXX'  £i;xvuC«,  Fr.  Bücheier  eTc  xvuaa;  A.  C.  Pearson 
verlangt  Ir/yvJ-T.:  am  besten  scheint  Fr.  Büchelers  Lesung.  — 
96.  Rutherford  ergänzt  Xwiov  sstouxoü  T:pr];£t;,  E.  L.  Hicks  otacpop««; 
Ocdj'jTOÖ  zpTj^si;,  W.  Headlam  dxXeöi;,  eö»,    -prj;ei;,    R.  Ellis    oi;  Xoto 


Griechische  Lyriker,    (Sitzler.)  195 

c£o  T.prilzii  oder  Xwa  olc  <j£o  7:prj^£ic,  Fr.  Bücheier  a-Xs-coc  a£o>  -p^;u; 
<j£ü)  ==  (jEo  T).  Das  Richtige  scheint  noch  nicht  gefunden.  —  97.  Ruther- 
ford setzt  nach  ^eu^oc  Punkt,  Fr.  Biicheler  nach  owjsic;  ich  möchte 
TauTT]  bis  xojou  in  einen  Fragesatz  vereinigen.  —  98.  Fr.  Buche  1er 
schreibt  richtig  xoso-j;  TiaXiv  Trpr^firjvov ;  ebenso  d$iTf]v  st.  d^tav.  — 
99.  (jTaT^paj  TTEVTö  ist,  wie  O.  A.  Danielsson  bemerkt,  Objekt  zu 
Xaßsrv  (V.  101).  —  100.  ßutherford  schreibt  E'j£T9]ptc  st.  £TY]pij; 
E.  L.  Hicks  und  Fr.  Blafs  verlangen  E-jczyip-';.  —  101.  Fr.  Bücheier 
bemerkt:  , .oratio  efficacior  est  omisso  quam  addito  Tjjxeac,  facillimum 
erat  XaßEiv  ^i  dv".  Am  Schlüsse  ergänzt  F.  G.  Kenj^on  richtig 
iyöaipu).  —  102.  Rutherford  liest  richtig  8apr/.ou?,  was  die  Hds. 
oap£txouc  schreibt;  Spondeus  ist  auch  hier  nicht  anzunehmen.  Unnötig 
ist  W.  Headlams  ypussou;  st.  oap£ixou;  und  R.  Y.  Tyrrells  Um- 
stellung y.£i  T£3Gapac  [t-oi  u-'.jyvEotTo  oap£ixo'Jc.  —  104.  Rutherford 
schreibt  gut  oswotc,  was  in  der  Hds.  in  o£tvois  geändert  ist. 
Danach  nimmt  er  und  E.  L,  Hicks  mit  Unrecht  Personenwechsel 
an.  Am  Schlüsse  ergänzt  der  letztere  £i  oi  7pYj[xd-cov  7p£ir,, 
Fr,  Bücheier  £t  oi  \io'.  -txprj  7p£''rj.  —  105.  Die  Hds.  hat,  metrisch 
unmöglich,  'fspEuXaßou-wv ;  E.  L.  Hicks  vermutet  tpEp',  euXaßoü  orf 
Tcüv;  ebenso  W.  He  a  dl  am,  nur  dafs  er  s-j  st.  örj  wählt;  Fr.  Buche  1er 
9£p£'j,  Xaßou  TouTtüv,  metrisch  bedenklich.  Ich  dachte  an:  ei  o£  501,  -/uvat, 
ypEi'r),  1  cpspEu,  Xdß'  auta  und  dann  mit  Fr.  Bücheier  täv  Tpituv  bilm 
coüvai;  auch  ok  go>.  pafst  nach  Fr.  Bücheier  in  die  Lücke.  E.  L.  Hicks 
vermutet  tüjv  xptöiv  OeXeic  oouvat ,  da  er  die  "Worte  der  -('xj-q  giebt.  — 
106.  Die  Hds.  hat  xal  -raux'  auxa  xal  -aZ-i,  woraus  F.  G.  Kenyon 
richtig  herstellte  xal  xayxa  xat  xau-';  das  Folgende  ergänzt  W.  Head- 
lam  a'XXa  TCEvxE  oapEixwv;  oapEixüiv  schrieb  schon  Rutherford.  —  107. 
E.  L.  Hicks  schreibt  -zr^joi;  oeivo'/  ouv  cpr,3£i?,  indem  er  die  letzten 
Worte  dem  Kerdon  giebt;  W.  Headlam  mit  demselben  Personenwechsel 
verlangt  nach  xTJaos  die  Worte  ttevte  oapEixöiv.  Fr.  Bücheier  glaubt 
nach  TvjjoE  zu  erkennen:  cy)  6'  et  ocv  rfui^r^.  —  108.  E.  L.  Hicks  er- 
gänzt tivai  to  [i  eXasat  aav6aXtuv  -'t  TEyvt-rjV,  W.  Headlam  Eivai  xo  p.' 
iXdjai  5a[j.[iaX',  Fr.  Eücheler  o'jvaito  \j.'  iXaiat  aa|xßdXotJtv  Cxjx  'EpfXEoj. 
—  109.  W.  Headlam  schreibt  richtig  sovxa  Xt&ivov  st.  £ovxaXYii)ivov ; 
Fr.  Bücheier  vergleicht  dazu  Hippon.  10.  Im  Folgenden  vermutet 
E.  L.  Hicks  h  Heo'j?  dvarxfjvai,  was  F.  G.  Kenyon  für  wahrscheinlich 
erklärt:  W.  Headlam  h  Ueou?  dvasx^vai,  was  nach  Kenyon  auch  nicht 
unmöglich  ist.  0.  A.  Danielsson  dachte  an  ä'-TTj-pj  coli.  Eustath. 
1625,  36.  —  110.  Die  Hds.  hat  nach  F.  G.  Kenyon  y;oY)vr,c  oy)  sXÖ'.v, 
richtiger  •l]or^\r^;  or,i}|j.ov;  daher  schrieb  Fr.  Bücheier  yj^ov^c  0  rjftixov: 
,unde  liquida  voluptas  defluit  cf.  ad  III  BH".  H.  v.  Herwerden  ver- 
mutete Y^ov-T;;  Xr^pr,v,    R,  Ellis    £/£•;  7010  o'jxt  -/Xäisav.    y]fyr;vr,v  6'   fjf)£t, 

13" 


196  Griechische  Lyriker.    (Sitzler.) 

E.  L.  Hicks  7]  o'jvT)  oy)  eXösiv,  indem  er  den  Vers  der  yuvt,  giebt.  — 
1]1.  F.  Gr.  Kenyon  schreibt  af^swv;  ebenso  E.  Ellis:  es  mul's  heifseu 
5  Hecüv,  wie  Fr.  Blals,  Fr.  Bücheier  und  0.  A.  Danielsson  haben; 
E.  L.  Hicks  wünscht  [a«,  öewv,  llutherford  schreibt  -div  9süjv.  Der 
letztere  ergänzt  am  Schlüsse  des  Verses  dcpear^jxsv,  R  Ellis  acpsmqxcüc, 

E.  L.  Hicks  a-o  ^(juet,  0.  A.  Danielsson  «-«ox-j-rat,  W.  Headlam 
ötTror/tarat ,  Fr.  Blafs  und  Fr.  Bücheier  ar.za-'  wvr,p,  bezw.  aTrsa^ 
uiVY^p.  —  112.  Rutherford  ergänzt  oqvo?,  Fr.  Blafs  oqei?,  W.  Head- 
lam otvoij,  Fr.  Bücheier  oIztozI;.  —  113.  Nach  -ooiaxov  interpungieren 
mit  Recht  Rntherford,  Fr.  Blafs,  0.  A.  Danielsson,  Fr.  Bü- 
cheier; dann  schreibt  Rutherford  eIjiv  öc  Orj^et,  0.  A.  Danielsson 
sTj'  C?  öu)|jl{;£i,  E.  L.  Hicks  zU  i/vo?  öolixev  ohne  Interpunktion  nach 
-ootaxov,  Fr.  Blafs  tU  i'yvoc  9u>  fiiv;  unter  ei;  i/vo;  ösjftat  versteht 
Hicks  „das  Mals  nehmen",  besser  „anpassen".  Fr.  Bücheier  schreibt 
£1  ji'voc,  9(Iiu(xa  „mirum,  si  Vitium  est".  —  114  will  E.  L.  Hicks  der 
-,'üvTQ  zuweisen:  mit  Unrecht.  —  117.  aurrj  Rntherford  und  E.  L.  Hicks; 
richtig  auTY)    Fr.  Bücheier.    —    118.    Rutherford    schreibt  ij^tup/^  | 

.  .  .  ozXt)  ßoü?  x-X.,  wo  die  Hds.  ij^copY]  .  .  .  o-Xri  hat;  dies  behält  Fr. 
Bücheier  mit  Recht  bei,  indem  er  schreibt  ij^cupf,  |  aprjpev  ütcXt^,  ßouc 
0  X.  Am  Ende  des  Verses  ist  Funkt  zu  setzen;  Rutherford  verbindet 
den  Vers  mit  dem  folgenden  und  setzt  Punkt  nach  a[j.iXr,v,  wo  Komma 
hingehört.  —  119.  Fr.  Bücheier  bemerkt:  ,,i.  si  modum  cepissem 
pedis  antequam  calceos  feci".  —  120  ist  richtig  überliefert:  oox  of.v, 
txa  rr,v  Kepomvo?  isttV^v,  ouTtu;  auffallenderweise  nimmt  Rutherford 
nach  o'jx  Sv  Lücke  an  und  liest  isriv)  tou-o.  —  122  ist,  wie  Ruther- 
ford, E.  L.  Hicks  und  Fr.  Bücheier  bemerken,  an  eine  andere  Frau 
gerichtet,  die  an  der  Thüre  erscheint.  H.  v.  Her  wer  den  verlangt  mit 
Recht  oaptxo'j;,  wie  V.  103.  —  123.  Rutherford  schreibt  ohne  Grund 
i)'jpyj  st.  il'jpTjV.  —  125.  Rutherford  liest  richtig  Tj  S  xa-' otxir,v.  —  126. 

F.  G.  Kenyon  schreibt  sif)  ijfk,  was  Rutherford  richtig  zu  ei'&ta&e 
vereinigt.  oouX  ergänzen  gut  zu  öouX-'o  A.  C.  Pearson,  W.  Headlam, 
der  früher  |j.oX'j3oiv  verlangte,  Fr.  Blafs  und  Fr.  Bücheier.  E.  L. 
Hicks  vei'mutot  ttjV  oouXtjv  [xsv,  H.  Jackson  ex/jv  {j,oi  r^  ooüXov.  Nach 
u)3s  fügt  Rutherford  gut  osi  ein;  Fr.  Blafs  hält  auch  ~i[).zoi-z  für 
möglich,  und  Fr.  Bücheier  bemerkt:  ,,si  non  emendatum  esset  [irstj.- 
T.z-z\  manu  eadem  7:£|j,7:siv,  scriberem  -c'jjizotTs".  —  129.  Die  Hds.  hat 
9aX-ooc  avE'j  oEivoov  (fpovouvTa,  was  zu  schreiben  ist  DaXiio'jaav  tZ  otl 
voov  '^povoövTa.  H.  Jackson  und  Fr.  Bücheier  verlangen  i}aX-o'jc 
i'vsu;  Rutherford  hat  ooXo'fpovouvTa  ,  wohl  verleitet  durch  Kenyons 
ooXi'fpovouv-a,  E.  L.  Hicks  tov  cppovoüvta;  endlich  schreibt  H.  Jackson 
^povciyvr  ax^  p.  st.'  (ppovoüvx?.  y.oX  o.,  und  Rutherford  verlangt  xTippa-- 
TS'.v      x7-c(p7'-T£'.v    St.   xal  p'/rTüv.     Die  richtige  Erklärung  giebt  H  L. 


Gricchiscilc  Lyriker.    (Sitzler.)  197 

Hicks:  ..den  Wams,  der  einen  warm  hält,  wird  ein  weiser  Mann  auch 
ausbessern  lassen",  d.  h.  Metro  ist  eine  gute  Kundin,  und  daher  raufs 
sie  gut  bedient,  richtiger  beschenkt,  werden.  Metro  bekommt  von  jedem 
Gewinn,  den  Kerdon  durch  sie  macht,  ihren  Anteil.  Nicht  billigen  kann 
ich  Fr.  Büchelers  Auffassung:  „nempe  corium  sine  calore  oportet 
intus  cum  prudentia  etiam  consui". 

YIII.  1.  a3trji)t  =  avjTTjf^i  ^  ava^TT^Tlt  schreibt  mit  der  Hds.  Fr. 
Büchelei;  A.  Palmer  und  Fr.  Blafs  verlangen  av3rf|\)t,  das  auch 
Fr.  Bücheier  früher  vorschlug  und  Rutherford  schreibt.  Der  letztere 
ändert  auch  xeiir;  in  y.zizv..  Fr.  Bücheier  bemerkt:  Pulex  cur  nomen  sitser- 
vae,  eloquitur  Plaut.  Cure.  501".  —  2.  Rutherford  sclireil)t  ohne  Grund 
oputj^ei  st.  opuz-st.  —  3.  Rutherford  schreibt  [xf/ptc  eu,  A.  Palmer  f^r/ptc 
SU,  W.  Headlara  richtig  [i-r/pi  cjsu;  ebenso  Fr.  Bücheier.  —  4.  t6v  xuaov 
ergänzen  richtig  W.  Headlam,  H.  Diels,  Fr.  Bücheier;  A.  Palmer 
läfst  folgen:   tov   OaXafJ-ov;  ouosv  aoi  \Li\z'.  cpwp  v.  vXi'^ti  \  töv  ypusov  esSü?  *. 

—  5.  xa  riXsupa  wird  allgemein  ergänzt;  ebenso  V.  6  aa-Y)9i,  V.  7  y.al 
TTjv.  St.  avauÄov  verlangt  W.  Headlam  IvauÄov.  Am  Schlüsse  des 
Verses  ist  -qx-^^ov  zu  lesen,  wie  alle  sahen.  —  8.  Alle  ergänzen  t6v- 
dpuss:  im  Folgenden  verlangt  A.  Palmer  fir/pu  eu,  während  W.  Head- 
lam mit  Recht  [xr/pt  aeu  vermutet;  ebenso  Fr.  Bücheier.  —  9.  Den 
Anfang  der  Verse  9 — 19  giebt  das  9.  Fragm.,  wie  H.  Diels  gesehen 
hat;  damit  fallen  A.  Palmers  und  W.  Headlams  Ergänzungen.  Am 
Schlüsse  verlangt  A.  Palm  er  öw  •  \m,  st.  Ocu[xa'.,  mit  Unrecht.  —  10. 
Fr.  Bücheier  ergänzt  richtig  0£iXy],  F.  G.  Kenyon  verlangt  ooüXy].  — 
11.  o'j  ergänzt  mit  Recht  Fr.  Bücheier,  der  auch  rp'jyoujt  und  c7t£[i.}j.a 
schreibt.  —  12.  Fr.  Bücheier  Itz  .  .  .  3t^6jxsj9a  •  ßaioc;  H.  Diels 
versuchte  ßa']>t^.  —  13.  Fr.  Bücheier  ergänzt  \li}1(k;.  —  14.  Fr.  Bü- 
cheier schreibt  «sttjÖi  •  tout   i|xov;  aber  F.  G.  Kenyon  bemerkt,  dafs 

-  in  Toüx'  unmöglich  sei.  —  15.  Fr.  Bücheier  a'y.oujov  o-j;  F.  G. 
Kenyon  las  Xou^ov;  dann  Fr.  Bücheier  ouy  o-retu  (oder  oTw)  au  xa;: 
^tangitur  proverbium  xou[xov  -{  i\Lo\  \i-{t\.z  ovap  sive  xo  aov  ovap  tjol 
/v£7ü)".  —  16.  Fr.  Bücheier  schreibt  xpa7ov,  hält  aber  auch  01770;  für 
möglich:  dann  ergänzt  er  £Ti5ov  8c  irap'  aqoc  toj-pK^Or).  —  17.  Fr.  Bü- 
cheier ergänzt  jjLaxprjj  o7ov  oder  8  8'  ^v  7Epu)v,  18.  sreioe  o£  oder  l~u 
0  löst  |j.£  oder  ISeöexo,  19.  t\.  eacpaXiQv  jxev  und  dann  am  Schlüsse  9up.<i3l, 
20.  TzXsxxa?,  21.  xtqXio?  x£  vtj  fläv'  Eipicov  x£  TTotsüvxsc  oder  7:oi£U3i  oder 
■z  iiroisuv  XI.  —  22  flg.  ist  das  2.  Fragm.  bei  Kenyon,  das  sich  un- 
mittelbar an  V.  21  anschliefst.  Den  Schlufs  der  Vv.  23 — 29  enthält 
fr.  11,  wie  H.  Diels  erkannte.  —  22.  Fr.  Bücheier  er'  ispoi;,  wo 
Kenyon  £7  giebt,  23.  eoacpoc  .  .  .  eIXxov,  24.  dpv£ux^pjiv  etxoxec  irovxoo; 
H.  Diels  ergänzt  apvsux^paiv  £ixox£c  iidr/y-  —  25.  Fr.  Buche  1er  er- 
gänzt lppt-x£uv  xa  |JL£>,£'   £otv£uv  x£,  H.  Dlcls  epp'.-X£uvxo  xyjriotvEÜvxo.  — 


198  Griechische  Lyriker.     (Sitzler). 

26.  Fr.    Bücheler    ergänzt    avsjjLqvuv-ro ,     H.    Diels    exspavvuvTo.    — 

27.  Fr.  Bücheler  und  H.  Diels  ergänzen  ixuptouj  eyetv  [xoy&ü'jc.  — 
29.  Fr.  Bücheler:  „potest  tua-'  tj".  —  30  flg.  bilden  frgm.  5  bei 
Kenyon;  Fr.  Bücheler  bemerkt:  ,, aliud  fragmentum  somnii.  induci 
videtur  venator".  St.  rJ)v  \ir^-/  bei  Kenj'on  liest  er  xuverjv.  —  31.  Fr. 
Bücheler  ap-^cu-ov  oopsa  oder  «[jLcptuT'.v,  32.  tuv  IX-^'Cero  svou  coli.  Suida» 
evouo  To  xayecDj,  ojc  r^\izTi,  Msvavöpo;,  33.  u)OS  (od.  £710  6e)  tiuv  dpiuSiiov 
coli.  Hippon.  63,34.  v  aqa  rrj?  9.,  wo  Kenyon  vai  tol  ttJ?  cp.  liest, 
35.  dXX'  ouo'  ü>;,  36.  alr.oXoi  \i ,  37.  xsXsu.  Darauf  läfst  Fr.  Bücheler 
fr.  3  bei  Kenyon  folgen.  —  39.  Fr.  Bücheler  liest  xal  st.  v  bei 
Kenyon,  40.  xa  6'  dp.'^ tV.apxa ,  41.  xov  aqa  7:oioüvx\  42.  dvd;iov  st. 
otov  [LS  bei  Kenyon,  43.  v  [xa  Xi  st.  aip-aXi  bei  Kenyon,  45.  Xerr^j  d,^ 
47.  ev  xu-do3£t,  48.  sTy'  dfxcpl  y.vr||j.ac,  51.  üj(iTjv  i[i.ax,  52.  xö  Xio-o;, 
53.  'ÜouajEüj?  0.  Daran  reiht  Fr.  Bücheler  fr.  8  bei  Kenyon.  — 
55  und  56  vgl.  Herodas  10  bei  Th.  Bergk,  das  aus  den  Hemiamben 
zu  streichen.  Fr.  Bücheler  schreibt  epp'  ix  zpojujTiou,  [xtq  a' exsT  rspcuv 
Ttpsjßuc  I  o'jXtj  xax'  i9'j  xfi  ßaxrjpir)  yA'\)T^ :  „dantur  autem  alia  multa  ut 
jjLTj  XI  a"  exöepiuv,  y.q  az  xrjjuptuv".  H.  Di  eis  vermutet  xai-sp  ojv.  Die 
Form  xa<^r)  erklärt  F.  Bücheler  für  unsicher,  „sed  non  apta  xajJnJ^Tj 
xvd<{;7)  ^Xutj^Tj".  —  57.  Fr.  Bücheler  schreibt  xrjYu>  [xev  eTttov,  58.  ba- 
vEÜji'  uz\  59.  |i.apx'jpo|xai,  61.  xal  xoüx'  i  oder  xax'  ouxi,  63.  vösa  (avösa) 
St.  voja  bei  Kenyon,  66.  xoixrjv  d.  —  Nach  68  folgt  bei  Fr.  Bücheler 
Fragment  10  bei  Kenyon;  dafs  dieses  mit  fr.  2  und  3  zusammenhänge» 
schlofs  Kenyon  aus  der  Beschaffenheit  des  Papyrus. 

Fragm.  4  bei  Kenyon  ist  =  9  bei  Fr.  Bücheler;  der  letztere 
bemerkt:  ,,si  recte  in  v.  2  ia[j.[iov  et  in  4  cxa^ovxa  intellego,  cohaeret 
cum  fr.  6  epilogo  libri  aut  prooemio".  —  3.  Fr.  Bücheler  sij  ar), 
5.  edv  St.  aa  bei  Kenyon,  6.  fX-f?].  Dann  folgt  bei  Fr.  Bücheler  das 
Fragment,  das  bei  F.  G.  Kenyon  No.  6  bildet.  —  V.  7.  Fr.  Bü- 
cheler glaubt,  dafs  etwa  Ttonrjjöi  |  eysiv  vorausgegangen  sei;  H.  Diels 
und  0.  Crusius  ergänzen  efiov.  Am  Schlüsse  vermutet  Fr.  Bücheler 
7.aXd.  —  8.  Fr.  Bücheler  ergänzt  i>.vf  il  und  7va)|i,Tf):  ,,sententia  ad- 
similis  tritae  istius:  est  nobis  voluisse  satis:  si  minor  ore  videbor,  non 
minor  animo".  H.  Diels  eXs-f  i;,  0.  Crusius  Xi-f  ii,  und  am  Schlufs 
dieser  Seuxe  prjv-  oder  -/]v^oöai,  jener  ^voüoa.  —  9.  Fr.  Bücheler 
schreibt  mit  F.  G.  Kenyon  f,iJLä;  und  am  Schlüsse  d'ptjxa  oder  Trpwxouc; 
H.  Diels  xXeivov,  0.  Crusius  xeTvov.  i'r.  Bücheler  bemerkt:  „pen- 
dent  ex  xXeo;".  —  10.  Zu  EouOiöat?  vergleicht  Fr.  Bücheler  Hesych. 
ex  Lycophron.  987:  Soubiclat  01  "Ituvec  Am  Schlüsse  schreibt  er  irzaouaiv 
(oder  ETirjouaiv) ;  eirdouatv  vermutet  auch  H.  Diels.  —  Darauf  folgt  un-- 
mittelbar  der  Titel  d7:ovTiaxiCo}i.£va'..  —  11.  Fr.  Bücheler  ergänzt 
■oe;»!,  U.  Crusius  ilo;a.  —  12.    Fr.  Bücheler  liest  am  Anfang  Mar/j' 


Griechische  Lyriker.     (Sitzler).  199 

Sc  (i.  'EpfJi-^  Maiaoeu  Hippou.  16.  21.)  und  am  Schlüsse  Sojxsi?;  jedoch 
läfst  er  im  4.  Fuls  den  Spoudeus  zu,  was  kaum  angeht.  —  13.  Fr. 
Bücheier  cpaiopvj  und  oivoüasav.  —  Danach  läist  Fr.  Bücheier  fragni.  7 
bei  Kenj'on  folgen,  wozu  er  bemerkt:  „hoc  fr.  ientaculo  adscribimus 
propter  puleium  memoratum  in  v.  ultimo:  nam  puleiata  potio  ut  vr^a-sipri? 
Cereris  ita  ieientantium  propria  fuit,  schol.  Ar.  Pac.  712".  —  18.  Fr. 
Bücheier:  „fortasse  xsp::"  — ;  derselbe  liest  19.  auxr/  st.  eyrif)  bei 
Kenyon,  20.  eutc  (st.  eut)  mit  der  Bemerkung:  ,,potest  au",  22.  fXr,-/cuva. 

Über  den  Namen  unseres  Dichters  spricht  F.  G.  Kenyon  in 
seiner  Ausgabe  S.  2;  er  wird  Herodas,  Herodes  und  Herondas  genannt; 
mit  Recht  giebt  Kenyon  der  dorischen  Endung  den  Vorzug  vor  der 
attischen.  Derselbe  teilt  Class.  Review  1891  S.  480  üg.  eine  zu  Ramleh 
bei  Alexandria  gefundene  Inschrift  mit,  die  nach  Dr.  Nerutsos-Bey 
aus  der  Zeit  der  ersten  Ptolemäer  stammt,  sicherlich  nicht  später  als 
Euergetes  ist.  Auf  dieser  steht  der  Name  Hpojoou.  F.  G-.  Kenyon 
vermutet,  dafs  'Hpwvoac  vielleicht  die  koische  Form  des  Namens  ist, 
die  in  Alexandria  zu  'Hpuioa?  oder  'HpcuSrjc  abgeschwächt  wurde.  Natür- 
lich mufs  die  Beziehung  zwischen  jenem  und  unserem  Herodas  dahin- 
gestellt bleiben. 

Das  Leben  des  Herodas  fällt  in  das  3.  Jahrhundert  v.  Chr.; 
ösüiv  aSeX'füiv  t£}jl£voc  (I  30)  kann  frühestens  in  den  letzten  Regierungsjahren 
des  Ptolemäos  Philadelphos  gesagt  sein,  und  6  ßasiXsu?  yprjSTo?  (ebenda) 
bezeichnet  den  Euergetes,  wie  man  ziemlich  allgemein  annimmt. 
R.  Ellis  Class.  Review  1891  S.  457  allerdings  scheint  ihn  viel  später 
anzusetzen,  indem  er  auf  die  Ähnlichkeit  mit  Virgil  und  CatuU  hin- 
weist; I  21.  22.  37  entspreche  Verg.  Aen.  IV  32;  I  61  Aen.  4,  19;  die 
Scene  zwischen  Gyllis  und  Metriche  zeige  grofse  Ähnlichkeit  mit  der 
Scene  zwischen  Anna  und  Dido;  I  32.  VI  98  erinnern  an  CatuU.  VII  7. 
LXI  203.  204;  ferner  VI  94  an  Catull.  XIII  11.  12.  IH  1.  XXXVI  3. 
Doch  giebt  der  Verf.  zu,  dafs  an  diesen  Stellen  auch  die  römischen 
Dichter  den  Herodas  nachgeahmt  haben  können;  dagegen  bezieht  sich 
III  24  flg.  nach  ihm  wegen  des  Namens  Maron,  für  dessen  Anwendung 
sonst  kein  Grund  vorliege,  naturgemäls,  ja  notwendig  auf  Virgil.  Simon 
sei  aus  Sinon  verschrieben;  stelle  man  Sivtuv'  wieder  her,  so  sei  der 
Grund  für  die  Verwechslung  der  beiden  Namen  klar;  Kottalos  setze 
statt  Virgil  einen  von  Virgils  bekanntesten  Charakteren,  den  lügenden 
Sinon.  Und  Metrotime  spiele  wii'klich  mit  dem  "Wort  Sinon;  denn  sie 
nenne  sich  avouv,  weil  sie  ihn  nicht  lieber  ovou?  ßojy.stv  lehrte,  als  ihm 
eine  gute  Erziehung  zu  geben.  Th.  Tyler  Academy  1891  S.  242 
meint,  der  von  Herodas  erwähnte  Maron  sei  der  SatjT,  der  Sohn  des 
Seilenos,  der  bei  Nonnos  XTV  97  flg.  vorkomme ;  die  Verwechslung  mit 
Simon  sei  leicht  begreiflich,  da  dies   „breitnasig,  stumpfnasig"  bedeute. 


200  Griechische  Lyriker.    {Sitzler.) 

vas  ein  charakteristisches  Merkmal  der  Satyrn  und  Silenen  sei.  Jeden- 
falls ist  Simon  beizubehalten  und  nicht  Sinon  zu  schreiben;  Simon  be- 
zeichnet einen  g'CNnssen  Wurf  beim  Würfelspiel,  und  damit  ist  die  Er- 
klärung gegeben:  die  Gedanken  des  Kottalos  sind  nur  beim  Würfelspiel. 
Maron  ist  ein  im  Griechischen  nicht  ungewöhnlicher  Name,  hinter  dem 
man  nichts  weiter  zu  suchen  hat. 

Als  Heimat  des  Dichters  bezeichnet  F.  G.  Kenyon  die  östliche 
Seite  des  ägäischen  Meeres,  und  dies  findet  allgemeine  Zustimmung. 
Er  scheint  sich  besonders  auch  auf  Kos  aufgehalten  und  dem  dortigen 
Dichterkreis  angehört  zu  haben.  Auf  Kos  spielt  der  2.  und  4.  Mimos; 
vielleicht  auch  der  1.  nach.Th.  Reinach  Revue  des  etudes  grecques 
IV  (1891)  S.  209  flg.  und  H.  Weil  Journal  des  Savants  1891  S.  655  flg.: 
der  letztere  macht  auf  den  Schwur  Tipoc  iMo'.pstuv  111.  66  und  IV  30 
aufmerksam.  W.  G.  Rutherford  S.  45  schliefst  aus  dem.  Gebrauch 
von  Taureon  VII  86,  dafs  dieser  Mimos  in  Kyzikos  spiele ;  mit  Unrecht, 
da  der  Monat  Taureon  auch  auf  Samos  und  in  Sinope  vorkommt,  vgl. 
oben  zu  d.  St.  und  Th.  Reinach  S.  215  Anm.  1, 

Als  Dichter  ist  Herodas,  wie  Th.  Reinach  sagt,  ein  unmittel- 
barer Nachfolger  des  Theokiüt  und  Kallimachos:  den  ersteren  ahmt  er 
in  der  Behandlung  des  Stoffes,  den  letzteren  in  der  Wahl  des  Metrums 
nach;  er  bezeichnet  sich  selbst  als  neuen  Hipponax.  Sein  Versmafs  ist 
der  Hinkiambus,  den  er  in  der  gleichen  Weise,  wie  seine  Vorgänger, 
baut:  die  von  Babrios  beobachtete  Regel,  die  vorletzte  Silbe  stets  mit 
dem  Accent  zu  versehen,  kennt  er  noch  nicht  mid  mifsachtet  sie.  Die 
Sprache  ist  ionisch,  mit  Dorismen  versetzt;  sie  zeigt  viele  volkstümlichen 
Ausdrücke  und  Sprichwörter.  Seine  Mimen,  fast  nur  [xI[jloi  -j-uvacxsioi, 
sind  kurze  Dialoge,  für  die  Aufführung  geschrieben,  Vorgänge  des  ge- 
wöhnlichen Lebens  darstellend.  Eine  Analyse  derselben  giebt  F.  G. 
Kenyon  S.  7  flg.,  Th.  Reinach  1.  1.,  B.  Haussoullier  Revue  de 
Phüologie  XV  (1891)  S.  156  flg.,  H.  Weil  1.  1.  Der  litterarische  Wert 
der  Gedichte  ist  nach  Th.  Rein  ach  nicht  grofs;  es  sei  weder  das  feine 
Attiscli  des  Lukian,  noch  die  bewundernswerten  poetischen  Schöpfungen 
des  Theokrit;  Herodas  sei  Realist,  seine  Poesie  versitizierte  Prosa;  der 
Stil  sei  leicht,  abwechselnd,  lebhaft,  geistreich;  die  Charaktere  und 
Situationen  wahr,  auch  fehle  es  nicht  an  Humor.  Ahnlich  urteilt 
H.  Weil,  der  den  Herodas  einen  Künstler  nennt,  da  er  die  Form  dem 
Inhalt  anzupassen  wufste. 

Kerkidas. 

3,  2  sclireibt  E.  Ililler  in  der  Ausgabe  der  Anthologia  lyr. 
d}ivajjLov£Tj,  was  ebenso  wenig  genügt,  wie  so  |j.va|xov£u\  das  er  aufserdem 
Doch  veimutet.     Dagegen    schreibt    er  richtig  oTxoj  'f'Xo;  st.  xat  ^t'Xo;. 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)  201 


Babrios. 


Babrius.  Fahles  expliquees  litteralement  par  Tb.  Fix  et  traduits 
par  M.  Sommer.     Paris,  Hachette.     1889. 

Fahles  de  Babrius.  Texte  grec  avec  des  notes  par  L.  Fouillet. 
Paris,  Belin.     1890.     116  S. 

Fahles  de  Babrius.    Texte   grec    avec    une  introduction,    des 
notes  et  un  lexique  par  L,  Feuillet.    Paris,  Belin.   1891.   184  S.   12. 
Babrius.  Edition  classique  par  E.  Pessouneaux.  Paris,  Delalain. 
1890.     76  S. 

Babrius.    Fahles.    Texte  grec  ptiblie  ä  Tusage  des  classes  avec 
une  notice  preliminaire ,    des   notes    et   un  lexique  par  M.  Croiset. 
Paris,  A.  Colin  et  Co-     224  S.     12. 
In  2.  Auflage  liegt  vor 

Babrius.  Fahles.  Texte  grec  publie  ä  l'usage  des  classes  avec 
une  introduction,  des  notes  et  un  lexique  par  A.  M.  Desrousseaux, 
2.  edition.     Paris,  Hachette  et  Co-      1892.     XX,  234  S.     8. 

Prooem.  3.  M.  Croiset  schreibt  eTrste-uxTo  st.  des  anstöfsigen 
Tt?  eYevTj&Y):  mir  wenig  wahrscheinlich.  —  17.  Derselbe  schreibt  w;  ouv 
.  .  .  IvouTjC  evl  fjLv.  st.  ü>v  vüv  .  ,  .  av  OetT)<j  £(j.^  |xv.;  ich  nehme  au  dem 
Ausdruck  evöusiv  Ivi  liVT^fjiT)  Anstofs. 

Fab.  3,  2.  M.  Croiset  liest  J^Tieqev  cö;  8'  at  p-sv  juv-TjXöov  st. 
Iirl  sTjxov  ä'Yctv  9'  (iic  ai  [xev  ^Xilov;  dem  Sinne  nach  wohl  richtig. 

12,  16  (11,  14)  schreibt  derselbe  ^~y/pi  swu/ou  aTi,3Y]?  st.  vuxto? 
I'vvu^oc  ctipT).  —  17.  a^ptov  Tit'pei  st.  (i7pojTY]v  -n^y.st;  ich  ziehe  Eber- 
hards (^YpoTiv  vor. 

18,  12  (16,  12)  schreibt  A.  M.  Desrousseaux  l'x/sv  st.  er/ev, 
wohl  richtig. 

24,  3  (22,  3)  schreibt  M.  Croiset  Xtixvtcp  als  Dat.  loci  st.  XtfjLvaiouj; 
ich  würde  in  dem  Fall  o'  h  Xtfjivicü  vorziehen. 

26,  5  (24,  5)  derselbe  l-eiöov  st.  Ittej/ov,  recht  passend. 
31,  20  hält  derselbe  für  interpoliert. 
33,  24  (30,  24)  vermutet  er  6'  auxs  st.  oe;  gut. 
42,  8  (35,  8)  schreibt  er  -oiyjv  dv'  6o6v  -irja  st.  roiav  dvaXystv  jjle; 
kaum  richtig. 

45,  8.  W.  Headlam  Journal  of  Philology  XX  8.  294 flg.  schlägt 
TjSecos  st.  tSi'a?  vor;  wenig  wahrscheinlich. 

46,  7.  M.  Croiset  schreibt  ouo  l-ai"  tq  ftvTQjxet  st.  68s  rsiviTj 
^Vjuxet;  (Jitlbauer  vermutete  ouS'  £7:1^1'  e?  övr^cxsi. 

63,  7.     M.  Croiset  schreibt  passend  ouo'  av  sv  tu  st.  ouö'  av  Tic. 
66,  4  schreibt  derselbe  TrafjLfiqwv,  um  die  Wiederholung  von  rfxaX 
zu  vermeiden,  die  er  dem  Babrios  nicht  zutraut. 


202  Griechische  Lyriker.    (Sitzler). 

71,  8  liest  er  ave[xoi  6'  «evtc;  st.  6e  Travtsc;  wohl  richtig:. 

75,  4  sclu'eibt  er  aveu  xr/vrjc  st.  6  o'  d^Teyv-r^i;;  besser  wird  der 
Vers  mit  Th.  Bergk  gestrichen. 

82,  8  (72,  8)  schreibt  M.  Croiset:  -/ay.rjv  6'  £|jL£XET7)a  Ir  sixs 
ÖTJ^'  686v  Tpißsiv  „il  avait  essaye  de  se  frayer  jusqu'ä  moi  une  route 
importune".  Metrischer  Bau  und  sprachlicher  Ausdruck  gefallen  mir  nicht. 

85,  5  verlangt  derselbe  [xa/riv  x   szoxpuvsT,  metrisch  unmöglich. 

88,  14  (77,   14)  schreibt  derselbe  peTrovta  st.  psovTa. 

91,  4  liest  er  iix^avxa  xoüxov  st.  xov  xaüpov  ijxpavxa,  wohl  mit  Recht. 

95,  35.  0.  Crusius  Rhein.  Museum  46  (1891)  S.  318  flg.  erklärt: 
„morientium  animi  in  oculis  Versantur ;  quos  vident,  eos  heredes  instituunt ; 
quare  mecum  veni  ad  leonis  regiam."  —  63.  M.  Croiset  schreibt  puaai 
St.  7p'jcai  coli.  Hesych.,  der  „donne  au  verbe  (j'Xio  le  sens  o'GXaxxeiv  et 
traduit  pu^ouai  par  70776^0051,  c'est-ä-dire  ä.  peu  pres  jgrogner'". 

99,  3.     M.  Croiset  liest  dXX'<lv>£vr/upov  ocuaetc. 

101,  5  schreibt  derselbe  jjl-J]  cppsvuiv  stV)  st.  |j.^  «ppsvioOeiirj ;  meiner 
Meinung  nach  unpassend.  —  Ebensowenig  kann  ich  107,  7  aixsjjnrrov 
st.  ap-Eastuv  billigen;    es    müfste  wenigstens   sTtt^j^aucst  «[xefXTrxo)?  heifsen. 

115,  4.  A.  M.  Desrousseaux  schreibt  y.upuac  st.  xaüxa;  dem 
Sinn  nach  passend. 

118,  5  schreibt  derselbe  rop'fuprjc  iTravöouffTjc  st.  TroptfupoTc  iuav- 
douvTiuv,  mit  Umstellung  von  5  und  6,  wie  Seidler  vorschlug. 

130,  1  flg.  stellt  M.  Croiset  nach  den  Paraphrasen  folgender- 
mafsen  her:  6  Zeu?  xov  'Epix^v  aixrXaxT^fxax'  dv9pto-;:(uv  |  ixeXeuacv  ailv 
oaxpaxoiatv  e77pa«}^at,  |  ezeixa  6'  tU  xi^cuxov  «Y/t  aajpeuaat  |  W  auxo?  s'vdsv 
luifJLeXoTx"  IpsuvT^cjac  |  üttwc  ixaaxou  xac  oi'xac  dvaTipaaaoi.  —  8.  schreibt  er 
ohne  Not  euduvei  st.  euöuvot. 

131,  1  stellt  M.  Croiset  her:  olv  cuoe  cpaal  xov  vo|x^a  TrpocicpcoveTv 
8t.  oTc  xtc  eiTTE  Tzphi  vo|jLEa  ToiaSe.  —  3  schreibt  derselbe  xö  7aXa  0' 
(i[xeX7a)v  ■  xdtjxiv,  ei  cpi'Xov,  Tiyj^ai  st.  xo  '(dXa  0  a.\i.ih[oy:^  etci  goi  iptXov 
TiTjSai.  —  7  liest  er  im  Anschlufs  an  Haupt  mit  geringer  Änderung 
ßoxava;  (äpata;  st.  ujpaia  ßoxdfvrj.  —  8.  A.  M.  Desrousseaux  schreibt 
(pEpßEtc  70p  st.  0'  av.  —  13.  M.  Croiset  liest  t^oi  Ss  ravxY)  TTEpnpE^rouaa 
xo>Xuü)  st.  TtEpixpE/ouia  6'  l'(iii  TrdvxoÖEv  xtoXuu).  —  14  versucht  derselbe 
im  Anschlufs  an  Xenophon  Memor.  II  7:  X7)axdj  xe  xki^ai  xal  Xuxouc 
d'faprd^ai,    A.  M.  Desrousseaux  Xirjaxtüv  ßtaaftov  xal  Xuxidv  oiiuxxTf^ptuv. 

132,  1.  M.  Croiset  vermutet:  ovov  xi?  eT/e  xuva  xe  tcuv  [xdX' 
ü>pai(uv  st.  ovov  xt{  2xpE®E  xal  xuviSiov  Tidvu  üjpaTov.  —  2.  xuiov  6^  yapiEtc 
Äv  iTtatCev  EupuöjXü);  st.  xuvi6iov  oe  ydpiv  ov  TraTCov  supuöixu)?.  —  4.  xdxEtvoc 
oäxäv  oS  xaxeiyev  Iv  x6Xron;  St.  exeivoc  8'  atixo  xaxEycuv  ev  xot;  x6Xirot?.  — 
5. A.M. Desrousseaux  schlägt  vor: 6  fA-f  ovo^  ettovei  rr;v  xe  vuxx'  dXExpEutuv. 
—  8.  Derselbe  verlangt  xaxot7(uv,    M.  Croiset  xaxitbv  ö'  st.  xai  ^v.  — 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)  203 

9    schreibt  M.  Croiset    stpcü-f   axavöa?,   yoptov    ovirep  euoös'.  st.  l'-pcü-j's 
xpiöa;.  yoptov  cus-ep  sicuöst.  — 

131  (ßntherford),  4  liest  M.  Croiset  autö  oV/^V  st.  ou-ov  t)  ysi'p; 
am  Schlnfse Ta'jTTr]v  mit  A.M.  Desrousseaux.  —  11  schreibt M.  Croiset 
ejuXt^Öt)  st.  evix7]9i[,  13  xaivTJ  st.  xatvT^c,  16  waxe  xpcuO^vat  st.  w; 
axpouöiov. 

133  (Riitherford),  2  (142,  2).  M.  Croiset  vermutet  ipKucjaaa  st. 
Äpuaaaaa;  0.  Crusius  1.  1.  richtiger  xa-f/ocjaja  coli.  100,  8. — 3  stellt 
M,  Croiset  nach  der  Paraphrase  folgendermafsen  her :  azaX-Ä)  a-j  7X01737] 
•jTüic  ßaxouc  (Jxav&tuSsi?. 

134  (Rutherford),  4.  M.  Croiset  liest  oy  sii  7'  T/^^71  st.  ooy 
rj7V]a£i;  recht  passend.  —  6  schreibt  er  mit  A.  M.  Desrousseaux  xot 
uopeuTot  xpivsi.   —  12  verlangt  M.  Croiset  TrpYjVT]?  st.  Trexpiric. 

135  (Rutherford),  7.  M.  Croiset  ergänzt  am  Schlüsse  -oXko'j. 
—  8.  V.  hat:  £70»  ypovov  tosoutov  ev&aoe  öia-pißto;  danach  bildet 
M.  Croiset  den  Vers:  xoxs  S'  ap'  sxei'vT)  *  xojov  170)7'  ivoixouptü. 

Th.  Bergk  Philologus  47.  (1889)  S.  385  flg.  spricht  zunächst 
über  die  Paraphrasen  des  Babrius;  die  einen  seien  kurz,  die  andern 
schlössen  sich  enger  an  den  Dichter  an-,  jene  seien  bei  der  Kritik  der 
vollständig  überlieferten  Fabeln,  diese  für  die  verlorenen  zu  gebrauchen. 
Dann  geht  er  zur  Besprechung  der  metrischen  Bearbeitungen  aus 
späterer  Zeit  über,  die  im  Vindobonensis  u.  Athous  vorliegen,  die  letzteren 
von  Menas  aufgespürt  und  von  Lewis  herausgegeben.  Er  verteidigt 
die  letzteren  als  echt,  wie  ich  glaube,  ohne  Erfolg.  51,  10  schreibt 
er  jetzt  ei  ßpassov  dotxwv  ym^z  xi?  3ixiriv  öcujsi  und  60,  17:  6  6'  o'fi;  ^u^ösv 
As-xov  Eiirs  oupi'^a?  •  |  tun  ah  xu|jLßov,  xt^vS'  I7ü>  xxX.  mit  Ausschlufs  von 
Vv.  18.  19.  Schliefslich  vergleicht  er  noch  die  vatikanische  Sammlung 
mit  dem  Athous. 

E.  Delage  veröffentlicht  Annales  de  la  Faculte  des  Lettres  de 
Bordeaux.  1891.  S.  79  —  120  einen  Aufsatz  über  „Babrius  et  ses 
fahles".  Der  1.  Abschnitt  behandelt  das  Leben  und  die  Persönlichkeit, 
der  2.  die  religiösen  und  philosophischen  Grundsätze,  der  3.  seine 
Stoffe  und  die  bei  ihm  vorkommenden  Tiere,  der  4.  seine  Absicht  und 
seinen  Zweck,  der  5.  Darstellungsweise  und  Kunst  des  Babrius,  der  6. 
Stil  und  Vers,  der  7.  die  schönsten  Fabeln  des  Dichters,  besonders  den 
kranken  Löwen.  Der  Aufsatz  bringt  gerade  nichts  Neues,  ist  aber 
recht  dankenswert. 

Als  Übersetzung  liegt  vor: 

Babrius.     Traduction   par   L.  Feuillet.    Paris,   Belin.    1891. 
64  S.     12. 


204  Griechische  Lyriker.    (Sitzler.) 

Zum  Schlafs  ist  zu  erw'ähneu 

Les  fablcs  csopiques  de  Babrius  traduites  en  totalite  pour 
la  premiere  fois,  comparees  aux  fables  d'Horace  et  de  Phedre,  de  Cor- 
rozet  et  de  La  Fontaine,  avec  une  etude  sur  leurs  origines  et  lern- 
icouographie  par  E.  Levoque.  Ouvrage  contenant  21  figures  bors 
texte  gravees  par  Boussod  et  Valadon.  Paris,  Belin.  1890.  LXXXVIII 
u.  468  S.    8. 

Die  der  Übersetzung  vorausgehende  UntersuebuDg  über  den  Ursprung 
der  Fabel  vertritt  die  Ansicht,  dals  die  Fabel  in  Chaldäa  und  Assyrien 
erfunden  wurde  und  von  da  nach  Griechenland  kam.  Zum  Beweise 
dafür  stellt  der  Vei'f.  die  cbaldäischen  und  assyrischen,  hebräischen, 
egyptiscben  und  pbönizischen  Fabeln  zusammen;  daran  schliefst  sich 
eine  Übersicht  über  die  griechischeu  Fabeln,  die  bei  Dichtern  erhalten 
sind,  über  die  Prosafabein  des  Asop,  die  französischen  Fabeln  des 
Mittelalters,  sowie  eine  Yergleichung  der  indischen  und  äsopischen  Fabeln. 

m.    :\leliKohe  Dichter. 

Greek  Lyric  Poetry.  A  complete  collection  of  the  surviving 
passages  from  the  greek  song-writers  arranged  with  prefatory  articles, 
introductory  matter  and  comraeutary  by  G.  S.  Farneil.  London, 
Longmans,  Green  and  Co.  1891.    XII,  490  S.     8. 

Der  Verf.  will  mit  dem  vorliegenden  Buch  seinen  Landsleuten 
den  Weg  zum  Studium  der  griechischeu  Lyriker  öffnen.  Die  Einleitung 
enthält  so  ziemlich  alles,  was  zum  allgemeinen  Verständnis  derselben 
erforderlich  ist;  es  wird  hier  über  Entwickelung  der  griechischen  Poesie, 
über  charakteristische  Züge  der  griechischen  Lyrik,  über  chorische  und 
monodische  Lyrik,  über  dorische  und  lesbische  Schule,  über  Tanz  und 
Musik  als  Begleiter  des  griechischeu  Liedes,  über  Metrik  und  Dialekt 
gesprochen.  Hinsichtlich  des  letzteren  ist  der  Verf.  ein  Anhänger  der 
von  Ahrens  begründeten  Dialektmischung;  jedoch  scheinen  ihm  die 
neueren  Arbeiten  auf  diesem  Gebiet,  abgesehen  von  A.  Führer,  die 
Sprache  und  die  Entwickeluug  der  griechischen  Lyrik,  unbekannt  ge- 
blieben zu  sein.  Von  den  Dichtern  hat  er  nicht  alle  Fragmente  auf- 
genommen, sondern  nur  die  umfangreicheren  und  diejenigen,  die  einen 
vollständigen  Sinn  geben,  die  anderen  hat  er  in  einem  besonderen  Anhang 
nach  Bergk  kurz  beigefügt.  Jedem  Dichter  schickt  er  eine  kurze  Ein- 
leitung voraus,  in  der  er  sein  Leben  und  seine  "Werke  behandelt.  Was 
den  Text  der  Fragmente  betrifft,  so  schliefst  er  sich  an  Th.  Bergk  an; 
nur  dafs  er  an  den  Stellen,  wo  ihm  dieser  ohne  Ginind  von  der  Über- 
lieferung abgegangen  zu  sein  .scheint,  wieder  zu  ihr  zurückkehrt.  Den 
Fragmenten  ist  ein  Kommentar    beigegeben,    der   den  Quellennachweis 


Griechische  Lyriker.    (Sitzier.)  205 

giebt,  die  Lesarten  bespricht  und  sprachliche  und  sachliche  Erklänmgen 
enthält.  Die  eigenen  Konjekturen  des  Verf.  werde  ich  bei  den  einzelnen 
Dichtern  behandeln. 

Prammeuti  della  melica  greca  da  Terpandro  a  Bac- 
chilide  riveduti,  tradotti  e  annotati  per  uso  de"  licei  e  delle  ani- 
versita  da  L.  A.  Michelangeli.  Bologna,  D.  N.  Zanichelli.  Parte  I, 
Terpandro,  Alcmane,  Saffo,  Erinna.  1887.  XII,  122  S.  8. 
Parte  II:  Alceo  1890.  VIII,  8G  S.  8.  Parte  tU:  Stesicoro, 
Ibico.     1891.     VIII,  92  S.     8. 

Der  Verf.  will  mit  seinem  Werke  Anfängern  und  Fortgeschrittenen, 
der  Schule  und  der  Wissenschaft  dienen,  und  daher  rührt  die  eigenartige, 
meiner  Meinung  nach  besonders  für  die  Anfänger  unpraktische  Gestaltung 
des  Kommentars,  in  dem  Bemerkungen  elementarster  Art  neben  der 
Behandlung  wichtiger  and  schwieriger  kritischer  Fragen  stehen.  Davon 
abgesehen,  zeigt  der  Kommentar  grofsen  Fleifs  und  besonnenes,  selb- 
ständiges Urteil;  Kritik  und  Exegese  sind  darin  in  gleicher  Weise  be- 
rücksichtigt. Der  Text  schliefst  sich,  wo  es  angeht,  an  die  Überlieferung 
an  und  ist  daher  von  dem  Th.  Bergkschen  zum  Teil  sehr  verschieden. 
Auch  mehrere  eigene  Konjekturen  bringt  der  Verf.  vor,  auf  die  ich  bei 
Behandlung  der  einzelnen  Dichter  zurückkommen  werde.  Dem  Text 
steht  eine  italienische  Übersetzung  gegenüber.  Die  Ausgabe  enthält 
alle  wichtigeren  Fragmente  der  betreffenden  Dichter. 

Terpandros. 

E.  Graf,  Rhein.  Museum  43  (1888),  S.  512—523  handelt  über 
den  v6iJ.o?  opaio?.  0.  Crusius  hat  in  der  Wocheuschritt  für  klass.  Philol. 
1887  S.  1392  flg.  ausgeführt,  dafs  opBtoc  in  der  metrischen  Tradition 
Vorgänger  des  späteren  }jlovociotjs  sei  und  sowohl  von  Füfsen  gebraucht 
werde,  die  aus  gleichen  ayjiJLsra  bestehen,  z.  B.  vom  Päan  aus  5  Kürzen, 
als  auch  von  Versen,  z.  B.  von  den  aus  reinen  Jamben  bestehenden 
Trimetern  und  den  aus  reinen  Daktylen  bestehenden  Hexametern.  Er 
glaubt  daher,  dafs  jene  gedehnten  aus  langen  Silben  bestehenden  ö'pöiot 
ihren  Namen  wohl  davon  erhalten  hätten,  weil  die  Figuren  der  Be- 
gleitung in  gleichmäfsige  ypovot  -ptutot  zerfielen.  Dafs  es  aber  unnötig 
sei,  die  Begleitung  heranzuziehen,  da  ja  der  Fufs  selbst  aus  gleichen 
aT]|x£Ta  bestand,  bemerkt  E.  Graf  mit  Recht.  0.  Crusius  schlofs  dann 
weiter,  dafs  sich  wohl  ebenso  auch  der  Name  y6\).o;  op8ioc  auf  die 
gleichförmige  und  lebhafte  Anlage  der  xpoostc  und  auf  den  entsprechenden 
Bau  der  Verse  aus  reinen  Daktylen  (vgl.  Alkman  26)  beziehen  werde. 
Warum  soll  er  aber  nicht  von  dem  Gebrauch  jener  opötoi  in  dem  Nomos 
herkommen?     Fragra.  2    des    Terpander    kann    dagegen    nicht    geltend 


200  Griechische  Lyriker.     (Sitzler.) 

gemacht  werden,  da  nicht  feststeht,  dal's  es  aus  dem  Nomos  selbst 
entnommen  ist,  vgl.  vorigen  Jahresbericht  Bd.  LIV  S.  166.  E.  Graf 
macht  den  meiner  Meinung  nach  nicht  beweiskräftigen  Einwand,  dafs 
ein  hexametrisches  Gedicht  in  reinen  Daktylen  etwas  für  die  klassische 
Zeit  der  Dichtung  beispiellos  Eintöniges  gewesen  wäre.  Er  selbst  ist 
der  Ansicht,  die  Benennung  vojioc  opSio;  beziehe  sich  auf  den  hohen, 
hellen  Gesang;  der  vo[j.os  opi>fo?  sei  identisch  mit  dem  voixoj  o^us;  für 
das  Versmafs  lasse  sich  aus  der  Benennung  gar  nichts  folgern;  dieses 
sei  beim  vo|j.o?  opf^toc  ebenso  wie  bei  allen  anderen  Nomen  des  Terpander 
der  daktylische  Hexameter  gewesen;  das  Zeugnis  des  Pollux  und  Suidas 
sei  nichtig;  auch  die  Bezeichnung  vofxo?  Tpo/aio»  beziehe  sich  nur  auf 
die  Vortragsweise  und  bedeute  „communiter  leviterque  decurrens"; 
Terpander  habe  überhaupt  keine  i'afj.-iot  opOtoi  un4  xpo/aioi  arjixavxoi  ge- 
braucht; dieser  Irrtum  sei  nur  infolge  einer  Verwechselung  des  v6[xoj 
opftto?  mit  dem  tctixpo?  o'pi}io?  entstanden. 

Dem  Verf.  stimmt  0.  Im  misch  Rheiu.  Museum  44  (1889) 
S.  558  flg.  bei.  Ich  nehme  Anstofs  an  der  Behandlung  der  ausdrück- 
lichen Zeugnisse  des  Pollux  und  Suidas,  an  der  ganz  unwahrscheinlichen 
Identifizierung  von  vojxo?  opOioc  und  o^uc  und  vermisse  überhaupt  einen 
stichhaltigen  Grund  für  das  ganze  kritische  Verfahren.  Richtiger  urteilt 
meiner  Meinung  nach  A.  Dippe,  Über  die  Frage  der  Terpandrischen 
Komposition,  Wochenschr.  f.  klass.  Phil.  1888.  No.  32  —  36,  der  zu 
dem  Resultat  kommt,  dal's  die  y(j\i.oi  hymnusartige  Gesänge  auf  eine 
Gottheit  seien,  bestehend  aus  sieben  Teilen,  deren  Hauptteil  der  fünfte 
ist,  vorzüglich  im  hexametrischen  Versmafs  oder  auch  in  dem  der 
Tpo/aiot  cTjixavToi  und  iaixßoi  opfttot;  nur  darin  kann  ich  ihm  nicht  bei- 
stimmen, dafs  er  auf  Grund  von  Plut.  de  mus.  4  rpooi'ixia  und  vopLot 
identifiziert. 

Fr.  1.  E.  Graf  Rhein.  Museum  44  (1889)  8.  469  flg.  führt  aus, 
dafs  apya  kein  Kunstausdruck  sei,  sondern  der  Redensart  i/.  Aioc  ap/w- 
jxscOa  entspreche,  was  ich  übrigens  schon  in  der  Festschrift  der  bad. 
Gymnasien,  Karlsruhe  1886,  S.  40  gethan  habe.  Daher  falle  jede 
Veranlassung  weg,  dieses  Fragment  mit  den  Nomen  in  Verbindung  zu 
bringen.  O,  Immisch  1.  1.  S.  558  flg.  möchte  mit  Th.  Bergk  ottevöü) 
St.  T.i\i~o)  schreiben.  Er  glaubt,  diese  feierlichen  Verse  entstammen 
jenen  feierlichen  Liedern  zu  Beginn  des  griechischen  Symposiums,  unter 
deren  Klängen  in  freier  Folge  dem  olympischen  Zeus,  der  Erde,  sowie 
den  Heroen  und  schliefslich  dem  Zeus  aco-r-z-p  libiert  wurde,  vgl.  Find. 
Ol.  VI,  1  flg. :  Terpanders  Verse  seien  ein  vollständiges  a::ovÖ£rov ;  apya 
bezeichne  die  a-ovor^  selbst.  Dagegen  spricht  die  Beifügung  von  up-vcov 
zu  apyav,  sowie  die  Notwendigkeit  der  Änderung  von  -i\inM  in  arlwom. 
Die  Verse  dieses    srovoeTov,    so    argumentiert   der    Verf.  weiter,    seien 


Griechische  Lyriker.     (Sitzler.)  207 

{jLovoiioitj  und  könnten  daher  auch  als  ö'pöioi  bezeichnet  werden;  diesen 
ernsten  opdia  ständen  die  heiteren  axoXia  gegenüber,  deren  Namen  der 
Verf.  nach  Dikäarchos  erklärt,  während  er  die  Benennung  der  opi^ia 
mit  der  würdigen,  aufgerichteten  Haltung  der  Libierenden  in  Zusammen- 
hang bringt;  einen  Gegensatz  der  metrischen  Form  zwischen  op{)iov  und 
axoXiov  hätten  die  Alten  nicht  gekannt. 

Alkman. 

Fr.  13.  Th.  Bergk  hat  die  Inschrift  auf  dem  Kasten  des  Kypse- 
los  Tuvoapi5a  x'tX.  in  der  Weise  emendiert,  dals  er  Ai'öpav  t'  'A^iövaösv 
schrieb  st.  Aiöpav  o  eXxetov  'AOava&sv.  Dagegen  macht  E.  Maafs, 
parerga  attica.  Ind.  lect.  Greifswald  1889/90  S.  1  flg.  geltend,  dafs 
in  'A'ftöva&ev  die  attische  Korreption  stJire;  auch  könne  das  lakonische 
Aphidna  nicht  gemeint  sein,  wie  Robert  Hermes  1888  S.  436  glaube; 
an  das  attische  sei  aber  nicht  zu  denken,  da  es  unwahrscheinlich  sei, 
dafs  auf  einem  so  alten  peloponnesischen  Denkmal  eine  attische  Sage 
vorkomme;  daher  sei  'AOocvaösv  zu  halten.  Diese  Einwände  widerlegt 
überzeugend  Th.  Preger,    inscriptiones  Graecae  metricae  S.  144  flg. 

18.  E.  Hiller  in  der  neuen  Auflage  der  Anthol.  lyrica  schreibt 
£33a(x£va  st.  £7:a|i.£vat,  woraus  Th.  Bergk  eTrafi-jxeva  gemacht  hat.  Ich 
ziehe  Bergks  Emendation  vor;  der  Scholiast  schreibt  iteptaTTTetai  -/ap  xtX. 
und  a-T£j&ai  pafst  besser  zum  Gedanken  als  £ac;aai}ai.  Die  Metrik 
kann  bei  dem  kurzen,  vielleicht  lückenhaften  Fragment  nicht  ausschlag- 
.«ebend  sein. 

23,   1.     E.  Hiller  1.  1.  ergänzt:  <tov  £x-av£>;  zweifelhaft. 

23,  44  liest  derselbe  oZz'  etioixesi}«!;  die  unrichtige  Quantität  will 
er  durch  das  selbst  zweifelhafte  sTiakitj^asa  41,  2  schützen;  welchen 
Sinn  er  aber  hier  dem  Worte  beilegt,  sagt  er  nicht.  Ich  halte  out£ 
|jLoj[jLTQ3dat,  das  nach  Fr.  Blafs  der  hds.  Lesart  am  nächsten  kommt. 

23,  49.  G.  S.  Farn  eil  1.  1.  schlägt  vor:  oiov  u-o7:r£pioicov  ovEipwv, 
St(ov  in  u7:o-T£p'.otü>v  einsilbig  gelesen;  unnötig. 

23,  58.  L.  A.  Michelangeli  1.  1.  wiU  t:£o'  mit  opafi-siTat  ver- 
binden und  ändert  dann 'AYioüiv  in 'AYtool  mit  Bezug  aufsißv^vip;  dagegen 
spricht  zunächst  die  Stellung;  dann  pafst  |X£-:aopaix£iv,  bei  dem  übrigens 
auch  der  Akkusativ  stehen  müfste,  nicht,  da  nicht  vom  Nachlaufen, 
sondern  vom  Wettlaufen  die  Rede  ist. 

23,  69  E.  Hiller  1.  1.  schreibt:  tavo7X£cpapwv ;  wo  findet  sich 
iavoj  in  ähnlicher  Verbindung? 

24,  2.  G.  S.  Farn  eil  1.  1.  erklärt:  „Du  bist  kein  Thor,  nein, 
nicht  einmal  in  den  Augen  geschickter  Kritiker".  Aber  wie  passen 
die  Kritiker  in  diesen  Zusammenhang?  Ähnlich  fafst  uapa  ao'foiaiv  auch 
L.  A.  Michelangeli,    der   überdies  das  davor  stehende  ouSs  streicht. 


208  Griechische  Lyriker.    (Sitzler.) 

Aber  auch  so  wird  dnrcli  -apa  cro'foijiv  ein  Gegensatz  angedeutet,  der 
dieser  Stelle  ganz  fern  liegt.  E.  Hiller  1.  1.  vermutet  ou$e  Travaaocpo? 
Ti;,  eine  Ausdrucksweise,  die  man  dem  Alkman  ebenso  wenig  zutrauen 
wird,  wie  das  Wort  ::ava50'fo;. 

25,  2.  L.  A.  Michelangeli  1.  1.  schreibt  -/Xoxiaasfxevov,  eine 
Bildung,  wie  ich  sie  nicht  kenne,  im  Sinne  von  Yjöu7Xtu(j3o?.  Auch  was 
er  sonst  im  Anschlul's  an  die  Vulgata  giebt:  i~a';z  6e  xal  [xeXo? 'AXxixav  • 
£up£  TS,  lälst  sich  dem  Sinne  nach  nicht  halten ;  es  müfste  doch  mindestens 
£up£  oe  heii'sen  im  Sinne  von  „nachdem  er  es  erfunden". 

65.  E.  Hiller  schreibt:  wc  otp.ec  toxa  xaX'  £|x£XiCo|X£c :  er  hätte 
xofXX'  schreiben  müssen,  vgl.  fr.  98,  da  xaXoc  bei  Alkman  nur  kurze 
Pänultima  hat.  In  der  praefatio  bemerkt  er:  „fortasse  scribendum 
xaXXa  |X£Xi«6ix£vai,  ut  fr.  96  ab  hoc  non  diversum  sit".  Beide  Ver- 
mutungen bleiben  zweifelhaft;  ein  Grund  zur  Änderung  liegt  meiner 
Meinung  nach  überhaupt  nicht  vor.  Allerdings  meint  E.  Hiller,  eine 
Deminutivform  auf  laxov  dürfte  unerhört  sein,  vgl.  vorigen  Jahresbericht 
Bd.  LIV  S.  171;  aber  wenn  man  6  -atot'jxo?  und  -fj  iraioi'cxrj  sagte, 
also  laxo?  und  i'axT)  gebrauchte,  warum  nicht  auch  tjxo^? 

72.  E.  Hiller  1.  1.:  „scribendum  videtur  £ax£";  aber  die  Stelle 
wird  ja  gerade  wegen  ^axe  von  den  Grammatikern  angeführt. 

74  A.  Es  ist  zu  lesen:  sioTct  xav9pu)7:oiaiv  aiooiEüTatov ,  vgl. 
R.  Reitzenstein,  inedita  poetarum  Graecorum  fragmenta.  Ind.  lect. 
Rostock.  1890/91.    S.  6. 

75,  1.  L.  A.  Michelangeli  schlägt  xuaviov  st.  ;:uavtov  vor,  was 
schon  wegen  der  Quantität  von  xüavEoj  unmöglicli  ist. 

76,  1.  E.  Hiller  1.  1.  vermutet  Zeu?  st.  xpEis;  aber  das  Subjekt 
kann  im  Vorhergehenden  gestanden  haben,  während  man  Tpet;  angem 
entbehrt. 

Ein  neues  Fragment  des  Alkman  teilt  R.  Reitzenstein  1.  1.  aus 
dem  cod.  Florent.  des  Etymolog.  Magn.  mit,  den  Miller  nicht  richtig  ab- 
geschrieben hat:  0  0£  <.auTos>  'AXx[xav  xb  aßaXe,  oiov  „aßaXe  xal  voeovxa". 
TouTo  0£  7tveTat  xal  a  xaxd  ou-fxo7:i^v  xxX.,  vgl.  fr.  26  bei  Bergk.  —  Eben- 
derselbe führt  1.  1.  aus  dem  cod.  Coisliniau.  394  (saec.  X)  an:  oXxa?  • 
tXoTov  xal  -apa  WXxjxäv.  aEioöJv  xal  eipy^vr).  xal  £ioo;  TiXotou,  vgl.  Hesych. : 
oXxa?'  TkXoTa,  vaüj  cpopTr,7üc.  d-f)Oü)v,  EipiQvrj.  ouvaTo;.  Da  nun  bei  Hesych. 
kurz  vorher  die  Glosse  steht:  oXxawv  Xaxdvr].  vtTrtr'p.  xpa-n^p,  so  glaubt 
R.  Peppmüller  Berl.  philol.  Wochenscbr.  1891  No.  31/32  S.  978  flg , 
dafs  EJpVT)  aus  xparr,p  entstanden  sei,  und  liest  bei  Hesych.:  oXxdc  • 
zXoiov.  vaü?  (popTTj-foc.  drj^u)'/.  xpaT^,p  ouvaioj  und  bei  CyriU  im  cod.  Coisl. : 
oXxdj'   [üXoTov  xal]   ~apa  'AXxjjiavt  arfiiu-/.    xal  xpatr^p.    xal  £i6o;  TrXoioy. 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)  209 

Arion. 

W.  R.  PatOD,  Classical  Eeview  1890,  S.  134—135  sucht  zu 
erweisen,  dafs  Arion  von  Methymna  eine  mythische  Persönlichkeit  sei. 
Arion  sei  nämlich  eine  Lokalgottheit  zu  oder  nahe  bei  Tänaros  gewesen, 
die  zu  Pferden  Beziehungen  gehabt  habe,  vgl.  'Aptovxia,  ^Apsitov,  also 
auch  zu  Poseidon  Hippios,  der  mit  Apollou  Delphinios,  für  dessen 
Statue  der  Verf.  die  zu  Tänaros  erklärt,  in  engster  Verbindung  stand. 
Dieselbe  Verbindung  thue  auch  in  Methymna  die  Geschichte  des  Enalos 
dar,  wie  sie  von  Plut.  sept.  sap.  conviv.  20  und  Athen.  XI  p.  466  erzählt 
werde.  "Wenn  man  nun  die  Erzählung  Herodots  von  Arion  so  auffasse, 
dafs  die  Delphingeschichte  in  Lesbos  von  einer  Persönlichkeit  berichtet 
worden  sei,  die  man  Arion  von  Methymna  genannt  habe,  so  habe  man 
guten  Grund,  diesen  Arion  von  dem  Arion  in  Tänaros  nicht  zu  trennen. 
Dabei  läfst  der  Verf.  die  Überlieferung  von  der  Erfindung  des  Dithy- 
rambos  durch  Arion  in  Korinth  dahingestellt.  Aber  bevor  diese  erklärt 
ist,  ebenso  wie  die  anderen  an  die  Person  des  Arion  sich  knüpfenden 
Überlieferungen,  wird  man  dem  Verf.  nicht  beistimmen,  zumal  da  seine 
Ausführungen  durchaus  nicht  überzeugender  Art  sind;  denn  die  An- 
nahme einer  Pferdegottheit  Arion  bei  oder  zu  Tänaros  ist  unerwiesen; 
zweifelhaft  die  Beziehung  der  Statue  zu  Tänaros  auf  Apollon  Delphinios; 
Studniczka  Kyrene  184  hält  sie  für  eine  Statue  des  Poseidon;  unwahr- 
scheinlich endlich,  dais  mau  dasselbe,  was  man  auf  Lesbos  von  Enalos 
erzählte,  auf  demselben  Lesbos  auch  von  einem  Arion  erzählt  haben  soll. 

Lesbische  Dichter. 

A.  Fick,  Die  Sprachform  der  lesbischen  Lyrik,  in  Beiträge 
zur  Kunde  der  indogerman.  Sprachen.    XVIE  (1891).     S.  177—213. 

Der  Verf.  stellt  das  Vorkommen  homerischer  Wörter  und  Formen 
bei  Sappho  und  Alkäos  in  Abrede;  was  man  darauf  zurückführen 
wollte,  wie  t.hI?  und  7:ai;,  die  Genetive  auf  oto  und  awv,  tu  und  cu, 
"Aprit,  'A/iXXsa  und  oc  (Sappho  99,  2),  stammt  aus  der  frühereu 
lesbischen  Lyrik.  Von  der  Einwirkung  anderer  Dialekte  auf  die 
lesbische  Lyrik  kann  aber  überhaupt  keine  Rede  sein,  und  daher  ist 
das  attische  cuv  in  Euvoiy.r,v  (Sappho  75,  3)  und  —  in  xuüa-rTioe^ 
(Alk.  15,  6)  u.  a.  m.  zu  beseitigen.  Die  Sprache  der  lesbischen  Lyrik 
des  7.  und  6.  Jahrh.  v.  Chr.  war  durchaus  rein,  unterschied  sich  aber 
von  der  des  gewöhnlichen  Lebens  dadurch,  dafs  sie  vom  Zwange  des 
Augments  frei  war,  altertümliche  Formen  und  Wendungen  festhielt  und 
die  äolische  Verdoppelung  der  Liquiden  für  metrische  Zwecke  wieder 
aufheben  konnte.  Hinsichtlich  des  Acceutes  stellt  der  Verf.  den  richtigen 
Grundsatz  auf,  dafs  man  entweder  beim  Hergebrachten  bleiben  müsse, 
Jahresl)ericht  für  Altertumswissenschaft     LXXY.  Bd.  (1893.  I.)  14 


210  Griechische  Lyriker,    (Sitzler.) 

da  man  ja  doch  das  Alte  und  Echte  nicht  mehr  gewinnen  könne,  oder 
überhaupt  gar  nicht  accentuieren  dürfe.  Er  selbst  entscheidet  sich  für 
das  erstere.  Aus  der  Forderung  der  Grammatiker,  Ilo-Eioav  zu  betonen, 
folgert  er,  dal's  man  auch  Genetive  wie  .Moi'aav  zu  barytonieren  habe; 
auch  sei  kein  Grund  vorhanden,  die  einsilbigen  Akkusative  av,  totv,  toi'c 
und  Tat;  zu  oxytouieren,  statt  mit  Perispomenon  zu  versehen;  ebenso 
müsse  es  auch  ypr^  und  soi  heil'sen;  für  ['>p  sei  Fp  zu  schreiben,  und 
ebenso  ^,  nicht  oo.  Dann  folgen  die  Fragmente  des  Alkäos  nnd  der 
Sappho. 

F.  Spiro,  Der  kyklische  Daktylos  und  die  lesbische 
Lyrik,  in  Hermes  XXÜI  (1888).     S.  234—258. 

Der  Verf.  betont  den  Unterschied  zwischen  Metrik  und  Rhythmik; 
die  Metrik  wisse  nichts  vom  kyklischen  Daktylos;  daher  könne  ein 
solcher  auch  nicht  in  den  Holischen  Versen  vorkommen  und  zur  Er- 
klärung beigezogen  werden.  In  diesen  bilden  die  sog.  beiden  Elemente 
nach  dem  Verf.  nifr  eines,  ein  unauflösliches,  das  mit  Versfüfsen  nichts 
zu  thun  hat;  die  sämtlichen  Erzeugnisse  dieser  Poesie  seien  nicht  nach 
Versfüfsen,  sondern  nach  metrischen  Kola  zu  messen,  deren  jedes  eine 
letzte,  jeder  weiteren  Analyse  verschlossene  Einheit  darstelle.  Man  hat 
daher  nach  dem  Verf.  nicht  die  Aufgabe,  die  Entstehung  dieser  Kola 
zu  erklären,  sondern  nur  festzustellen,  welche  von  ihnen  die  ursprüng- 
lichen Vertreter  der  äolischen  Dichtung,  also  die  lesbischen  Lyriker, 
nnd  welche  ihre  Nachahmer,  die  Meliker  des  5.  Jahrb.,  angewandt 
haben.     Der    sapphische  Elfsilber    besteht  nach  dem  Verf.  aus  -  —  -  _ 

und  -  w_  -  w  -  -,  der  alkäische  Zwölfsilber  aus  _  — ■-  -  und -^  -: 

Glykoneus  und  Pherekrateus  sind  Kola.  Der  Adonius  ist  bei  Alkäos 
und  Sappho  mit  dem  vorhergehenden  Verse  der  sapphischen  Strophe  zu 
einem  unzertrennlichen  Ganzen  vereinigt.  Ähnlich  urteilt  über  kyklische 
Versmafse  C.  v.  Jan,  die  Metrik  des  Bacchius  Rhein.  M^iseum  46  (LS1>1), 
S.  .57.3  flg.  Vgl.  dagegen  Fr.  Snsemihl,  Geschichte  der  griechischen 
Litteratur  in  der  Alexandrinerzeit,  Leipzig,  B.  G.  Teubner,  1892. 
Bd.  II  S.  220%. 

J.  Beloch,  Wann  lebten  Alkäos  und  Sappho?  Rhein. 
Museum  45  (1890).     S.  465-473. 

Der  Verf.  verwirft  die  Angaben  der  alten  Chronographen  als 
irrig  und  macht  Alkäos  und  Sappho  zu  Zeitgenossen  des  Anakreou; 
aber  die  Beweise,  die  er  für  seine  Ansicht  anführt,  sind  nicht  stich- 
haltig. Dafs  die  ErziUilung  von  dem  Zweikampf  des  Pittakos  mit 
Phrynou  auf  Volkstradition  beruhe,  uud  dafs  es  nicht  sicher  sei,  dafs 
dieser  Phrynon  derselbe  ist,  der  im  J.  G36  in  Olympia  siegte,  kann 
man  dem  Verf.  zugeben,  wenn  es  auch  unwahrscheinlich  ist.     Bedenk- 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)  211 

lieber  ist  schon,  dals  er  die  Datierung  des  Denkmals  der  attischen 
Herrschaft  in  Sigeion  (IGA.  492),  das  Köhler  nach  den  Schriftzügeu 
in  den  Anfang  des  6.  Jahrh.  setzt,  anfechten  mufs,  da  die  Bestimmung; 
meiner  Inschrift  nach  den  Schriftzügen  immer  etwas  Milsliches  sei.  Jn, 
«r  ist  sogar  gezwungen,  die  Erwähnung  Perianders  bei  Herodot  V  95 
als  einen  Irrtum  zu  bezeichnen,  um  den  Kampf  zwischen  Athen  und 
Mytilene  um  Sigeion  in  die  Zeit  des  Peisistratos  verlegen  zu  können, 
trotzdem  doch  die  ganze  Stelle  bei  Herodot  schon  längst  überzeugend 
behandelt  ist.  Auch  die  weitere  Behauptung  des  Verf.,  Alkäos  Bruder 
könne  als  Söldner  zu  dem  Herrscher  von  Bab)'lon  erst  gegangen  sein, 
als  dessen  Eeich  sich  bis  an  das  Mittelmeer  ausgedehnt  habe,  was  nicht 
unter  Nebukadnezar,  sondern  unter  Nabonedos  (555—538)  der  Fall  ge- 
wesen sei,  erscheint  mir  unbegründet.  Unrichtig  ist  endlich,  dals  Nau- 
kratis,  wo  sich  der  Bruder  der  Sappho  aufhielt,  erst  unter  Amasis  nach 
596  V.  Chr.  eine  griechische  Stadt  geworden  sei;  schon  im  7.  Jahrh. 
waren  hier  Griechen  ansässig,  vgl.  G.  Hirschfeld  ßhein.  Museum  44 
(1889)  8.  461  flg. 


A.  Cipollini,  Saffo.  Milano,  Fratelli  Dumolard,  1890.  445  8.  8. 

Dieses  Werk  zerfällt  in  zwei  Teile;  der  erste,  studio  critico- 
bibliografico  überschrieben,  giebt  die  Quellen,  Ausgaben  und  Übersetzungen 
der  Sappho  an ;  der  zweite  behandelt  das  Leben,  die  Werke  —  die  Frag- 
mente werden  nur  in  Übersetzungen  mitgeteilt  —  und  die  Sagen,  die 
sich  an  den  Namen  Sappho  knüpfen;  aufserdem  zählt  der  Verf.  die  bild- 
lichen Darstellungen  der  Dichterin  auf  und  fügt  viele  Illustrationen  dem 
Text  bei.  C'h.  W.  Super  in  dem  Artikel  Recent  Sapphic  literature  in 
American  Journal  of  Philology  XII  (1891)  S.  229—237  sagt,  dals  das 
Werk  nichts  Neues  enthalte.  Wenn  dies  auch  richtig  ist,  so  hat  sich 
•^der  Verf.  doch  durch  seine  aufserordentlich  fleilsigen  Zusammenstellungen 
den  Dank  aller  Sappho-Freunde  verdient. 

R.  Mascari,  Per  Saffo.  Ferranova-Sicilia,  Stab.  Tipog.  Giro- 
lamo  Scrodato.  1891.     20  S.     8. 

Der  Verf.  prüft  die  Nachrichten  über  Sappho  und  kommt  zu  dem 
Schlnfs,  dafs  die  Sappho-Frage  keine  endgiltige  Lösung  erwarten  lasse; 
denn  es  bieten  sich  uns  nur  ein  Name,  wenige  Verse  und  einige  Data 
dar,  die  von  einem  Strom  unwahrscheinlicher  Begebenheiten  umwogt  und 
von  der  poetischen  Sage  verändert  sind.  Ahnlich  meint  Ch.  W.  Super  1. 1., 
dafs  die  Untersuchung  der  Sappho-Frage  geschlossen  sei,  wenigstens  bis 
neues  Material  gefunden  werde. 

W.  Hörschelmann,  Sappho,  N.  Jahrb.  f.  Philol.  u.  Päd. 
143.  Bd.    (1891),    S.  577—78  ist  der  Ansicht,    dafs  ein  Phaon  in  den 

14* 


212  Griechische  Lyriker.     (Sitzler.) 

Gedichten  der  Sappho  nicht  erwähnt  gewesen  sei ;  Palaiphatos  bekannte 
Stelle  sei  korrumpiert;  es  sei  dort  aiixa,  nicht  ajji-a  überliefert,  vgl.  fr.  140. 
Aach  J.  Luuaks  Beweis  (vgl.  über  ihn  Ch.  "W.  Super  1.  1.),  der  auf 
der  Erwähnung  Phaons  in  Ovids  Sappho  beruht,  sei  nichtig,  da  Ovid 
den  Namen  auch  der  Legende  entnommen  haben  könne.  A.  CipoUini  1. 1. 
S.  308  hält  den  Phaon  für  einen  Typus  der  Schönheit,  wie  Anchises^ 
Ganymedes,  Adonis  und  Endymion.  Immerhin  darf  man  es  meiner 
Meinung  nach  als  wahrscheinlich  betrachten,  dafs  eine  Stelle  in  Sapphos 
Gedichten  vorkam,  an  die  die  Sage  von  Phaon  sich  anschliefsen  konnte. 

D.  Naguiewski,  in.quaestiones  Sapphicas  observationes- 
Dissert.  inaug.     Kasan  1890.     (Leipzig,  Fock.) 
Stand  mir  nicht  zur  Verfügung. 

Ode  1  behandelt  A.  Piccolomini  Hermes  27  (1892),  S.  1—10. 
Aus  27  Codices,  die  er  teils  selbst  verglichen,  teils  durch  andere  hat 
vergleichen  lassen,  teilt  er  den  Text  samt  kritischem  Apparat  mit.  V.  9 
schreibt  er  uzauosu^aija  mit  Laui'entian.  plut.  59  cod.  15  und  Vatican.  64 
und  dann  mit  demselben  Vatic.  xaXoj  di  a  ayov  |  (uxes  axpouöüj  .  .  . 
oivvfjVTE,  trotzdem  die  Grammatiker  den  Aoliern  den  Dual  absprechen.  — 
V.  24  wird  Th.  Bergks  löeXoiaa  durch  Vatic.  64  und  den  ältesten  Mediceus 
bestätigt. 

1,  5.  A.  Fick  1.  1.  S.  198  verlangt  xa-epoTTa,  weil  der  Iktus 
vor  Konsonanz  diese  im  Aolischen  verdoppele.  —  11  schreibt  derselbe 
mit  Recht  oiwevxec.  —  15  wünscht  er  r\ppz;  denn  es  stehe  für  rjpFeo 
und  die  Verdoppelung  der  Liquiden  müsse  als  das  eigentlich  Dialekt- 
gemässe  überall  eintreten,  wo  es  möglich  sei. 

1,  28.  C.  Häberlin  Philol.  47  (1889).  S.  598  vermutet:  0. 
i}j.£ppei,  ah  TE^EJJOv  auxa  |  JUjX|xa^oc  £7ja;  zu  e'jja  =-  oZaa  vgl.  75,  4. 
Meiner  Meinung  nach  entspricht  die  Überlieferung  dem  Gedanken  besser; 
gerade  die  Hervorhebung  des  Nebenbegriflfs  ah  o  auta  xxX.  ist  aufser- 
ordentlich  bezeichnend. 

2,  11.  A.  Fick:  eT:iFp6|ji.ßeiai  „es  wirbelt  mir  das  Gehör".  — 
13  erklärt  er  }xiop(uc  =  jxoi  i'i5pu)c,  vgl.  Mimnerm.  5,  1. 

2,  13.  L.  A.  Michelangeli  schreibt  in  seiner  Ausgabe  aoi  = 
rfii.  Findet  sich  dies  bei  den  lesbischen  Dichtern?  —  Derselbe  vermutet 
16  flg.:  <paivc>}j.ai.  aXXa  |  Ttav   <e[ioi>  T6X|j.axov,  eirel  .   .  . 

4,  1  hält  A.  Fick  1.  1.  »j^uypov  für  das  Subjekt:  „Kühling": 
richtiger  fafst  es  L.  A.  Michelangeli  als  Accus,  neutr.  an  Stelle  eines 
Adverbs,  falls  nicht,  wie  er  bemerkt,  das  Beziehungswort  vorausging.  — 
Weiter  schreibt  A.  Fick:  oJituv  jxaXicuv;  das  letztere  mir  unbekannt  st. 
fiaXivcov,  vgl.  auch  unten  56,  1. 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.;  213 

11,  1.  A.  Fick:  vuv  xaoe  OYjxapai^t  st.  -aos  vüv  ixaipatc;  un- 
wahrscheinlich; e-atpai?  ist  allerdings  zweifelhaft.  In  ädaio  sieht  er 
den  Konjunkt.  Aor.,  vgl.  [xv7]cjo|xat  oGSs  Xai>u)[i,at. 

13.  A.  Fick  verlangt  ot-ito  st.  oxtco;  ebenso  14  mit  Eecht 
xaXaia'  st.  xaXai;. 

16,  1.  A.  Fick:  ({^auxpo?  „leicht"  st.  <\iu'/p6i;  ich  sehe  keinen 
Grund  zur  Änderung  ein. 

17.  E.  Hiller  trennt  xax  e[xov  sraXa^p-ov  mit  Recht  von  dem 
Folgenden,  das  er  für  lückenhaft  hält  und  folgeudermafsen  ergänzen 
möchte:  xov  o'eTinrXa^ovxe^  < —  a'xou  ,  'Epivvj,  |  xa?  e[j.ac  S'j/ä?  — > 
ave[jLoi  xxX. ;  ich  halte  die  Annahme  einer  Lücke  für  unnötig;  keinesfalls 
aber  dürfte  man  sie  mit  so  nichtssagenden  Worten  ausfüllen. 

20.  A.  Fick:  T:avxo5ai:(u?,  vgl.  5.  Jedenfalls  pafst  das  Adjektir 
besser;  allerdings  ist  die  Form  anstöfsig,  aber  man  darf  nicht  vergessen; 
dafs  man  es  mit  einem  Fragm.  zu  thun  hat,  wo  das  eine  oder  andere 
fehlen  kann. 

28,  1  verlangt  A.  Fick  1.  1.  i'jxsppov,  offenbar  infolge  eines  Ver- 
sehens, 3:  xt'yavvsv,  vgl.  oben  1,  15.  —  L.  A.  Michelangeli  will  bei 
Aristoteles,  wo  diese  Worte  citiert  werden,  eittovxo?  xou  'AXxaiou  streichen, 
lim  nicht  durch  das  schwerwiegende  Zeugnis  des  Aristoteles  gehindert 
zu  werden,  das  hier  angeführte  Fragment  des  Alkäos  (55)  mit  dem  der 
Sappho  zu  vereinigen  und  beide  der  Sappho  zuzuschreiben.  Ein  etwas 
gewaltthätiges  Verfahren! 

29.  A.  Fick  versucht:  axaöi  [i  avxa,  tpiXo^,  xai  xtv'  s'iraj  d\jLrA- 
xaaov  yapiv  „tritt  mir  gegenüber.  Lieber,  und  entfalte  alle  Grazie,  die 
du  hast";  wenig  glücklich.     Was  ist  sTiaa? 

44,  5.  E.  Hill  er  1.  1.  bemerkt:  „alterum  xa^^ovcuv  in  locum 
Hominis  proprii  irrepsisse  suspicor". 

51,  2.     A.  Fick:  xoTj  Foivo/orjuat  st.  OsoTc  oivoy. 

53.  E.  Hiller:  „fortasse  duo  fragmenta  sunt". 

54,  3.  L.  A.  Michelangeli  vermutet  zweifelnd  [xaXaxtüj,  um 
die  Zweideutigkeit  zu  beseitigen. 

56,  1.  A.  Fick:  uaxiv&iov,  st.  uaxivöivov,  vgl.  oben  4,  1.  Gaxiv- 
8tvo?   steht  Homer  C  231  und  '^  158;  uaxtvOios  kenne  ich  nicht. 

67,  E.  Hiller  glaubt,  dafs  Athenäos  manches  ausgelassen  habe; 
ich  vermutete  s.  Z.:  (jiteXXa  5'  dvap.  t..  xaX'  aacpt(v). 

68,  3.  G.  S.  Farneil  1.  1.  vermutet  x'  siv  oder  y.aW  st.  xtjv.  — 
A.  Fick:  0011(0  st.  oojxoic,  wohl  mit  Recht. 

69,  1.  A.  Fick  schreibt  Trpostoiaav  st.  irpojtootcjav ;  dies  verlange 
schon  eajeaöai.  Ich  kann  dieses  Bedenken  nicht  teilen,  da  ja  Trpo^iooisav 
auch  Ingressiv  gebraucht  werden  kann;  freilich  wenn  man  der  Ansiebt 
ist,  dafs  die  Lesbier  überall  das  Digamma  festhielten,  pafst  ~po3t5oi7av 


214  Griecbiscbe  Lyriker.    (Sitzler.) 

Hiebt;  aber  jedenfalls  ist  -poaiotaav  ^aoc  aXtu)  unmöglich;  denn  eini 
solche  Eedensart  giebt  es  im  Griechischen  nicht. 

73.     A.  Fick  auxat  8'  (Jjpaiat  TcecpavaTzXoxev. 

75,  2.  L.  A.  Michelaugeli  schreibt  apvT|  ah  st.  apvuao;  apv>; 
erklärt  er  für  den  Imperativ  eines  äolischen  apvY)(i.t  =  ion.  atpeu»,  at'po- 
|xai,   apvufxat. 

78,  1.  A.  Fick  vermutet  epa-oi;  st.  ipaxai;;  wohl  richtig.  — 
ii  will  er  MeXexai  st.  TziXzxai  schreiben,    das    er   mit  „Musen"  erklärt. 

88.  A.  Fick  ergänzt  aus  Hesych.:  w  'pawa  yeXiowv  opofxia..  — 
89  schreibt  derselbe  o'a^potai;  die  letzte  Silbe  lang  durch  den  Iktus 
vor  folgender  Liquida.    Besser  vielleicht  aßpoiatv. 

91,  1.  L.  A.  Michelaugeli  schreibt:  av'  uijjot  otj  xtX.  und 
verbindet  dieses  dv"  mit  dsppexs  =^  dvaeppexs  =  dvdtpexe.  Ich  nehme  an 
der  Stellung  dieses  dv'  ebenso  wie  an  dem  Kompositum  dvaip£ai>ai  An- 
stois.  Auch  was  derselbe  Gelehrte  94,  2  schreibt:  ydjjLai  öi  xe  7:op(pt>p' 
ovdv{h)c  kann  ich  nicht  billigen;  st.  ovdv&T)?  mülste  es  dvdvSir);  heiiseu. 
vgl.  67:  dvdpiöfio?;  -op<pupa  hat  ein  langes  a,  das  nicht  elidiert  werden 
kaiui,  und  aul'serdem  wird  es  nie  von  Blumen  gebraucht. 

95,  2.  Gr.  S.  Farnell  vermutet:  cpepet?  cir^o  [i.axepoc  Trdtv,  A.  Fick: 
eic  ol■^  ar/a  9sp£tc,  är.o  fiaxepi  TiaiSa  (fiptiaWoL ,  nämlich  die  Braut  in  das 
Hans  des  Bräutigams.  Wie  A.  Fick,  beziehe  auch  ich  iratSa  auf  die 
Braut,  glaube  aber  ferner,  dafs  <pepeiv  auch  im  dritten  Satzglied  dieselbe 
Bedeutung  haben  mul's  wie  in  den  vorhergehenden;  daher  halte  ich 
ano  jjiaxspi  für  korrupt  und  schlage  vor:  otv  xe  cpspetc  au  xal  al-c«,  ^epeic 
51  xci  dvepi  TtaToa. 

98,  2.  A.  Fick  tritt  für  die  Vulgata  uevxeßosta  ein,  6  verlangt 
er  rÄoaD'i'ioi  „Schuster"  st.  iri'uaüYYot. 

99,  2.  A.  Fick  will  die  Vulg.  eyeu  halten,  aber  st.  dv,  dem 
einzigen  Beispiel  des  Relativs  o;  in  der  lesbischen  Lyrik,  schlägt  er 
<u;  vor,  wie  V.  L 

101,  ].  E.  Hiller  1.  1.  ergänzt  fxovov,  der  Bedeutung  nach  un- 
nötig, der  Stellung  nach  auffallend.  Sollte  nicht  eher  ~di  nach  ueXexat 
ausgefallen  sein? 

103.  A.  Fick:  yaipoic  a  vy{i.(pa;  a.  als  Anruf.  —  104,  1:  xewp 
=  xi'ü),  dann  xdXio;  FeFixdJ^o)  im  1.  und  2.  Verse.  —  108:  «>  xov^Aowviv 
«o,  vgl.  u|XTr)v  5  uixevai*  tu;  'Aowvioc  scheint  sonst  nicht  vorzukommen. 

109,  2.  L.  A.  Michelaugeli  schreibt:  upoc  8e  <irdXiv>  ouxexc 
E'.'f(o,  oOxexi  sr^uj  <aoxic>,  was  metrisch  unmöglich  ist;  denn  es  ist  nicht 
richtig,  dafs  die  letzte  Silbe  von  irdXtv,  wie  der  Verf.  meint,  auch  lang 
sein  könne:  was  W.  Hartel  hom.  Stud.  I-  109  bemerkt,  gehört  nicht 
hierher. 


Griechische  Lyriker.     (Sitzler.)  215 

The  Songs  of  Sapplm  by  James  8.  Easb^'-Smj'tli.     Stor- 
mont  u.  Jackson,  Washington.     1801.     IX,  07  8. 

Einleitung-  über  Leben  und  Werke  der  Sapjdio,  g-riechischer  Text 
mit  uietrisclier  englischer  Übersetzung. 

Erinna. 

2.  G.  Kuaack  Hermes  XXV.  (1890)  8.  8G  weist  zum  Beweise 
dafür,  dais  dieser  Vers  aus  der  „Spindel"  ist,  auf  Antipater  Sidonius 
Anth.  Pal.  VII  713  hiu.j 

3,  1.  L.  A.  Michelangeli  1.  1.  schreibt  -:o'jt6i>cv,  was  dem 
Sinne  nach  Meiuekes  to'jtw  gleiclikommt;  aber  ungern  vermiist  man 
das  von  demselben  Gelehrten  zu  sU  "Aioav  gesetzte  y.ii  Vielleicht:  -ou- 
toOö  7.r)c  'Ai'&av  /.tA.? 

Alkäos. 

5,  2.  L.  A.  Michelangeli  schützt  die  Vulgata  xoputpa;  h  a-j- 
■/ai?,  die  er  mit  „auf  glänzender  Bergspitze"  erklärt.  Ich  glaube  nicht, 
dals  die  Worte  das  lieifsen  können;  aufserdem  ist  Hermes  geboren 
avTpo'j  £jü)  7:aXi3xiou,  wie  es  in  den  beiden  Hymnen  heilst.  E.  Hill  er 
schreibt  mit  W.  Hoerschelmann :  zopucparc  Iv  a^votic;  aber  wo  ist  a-^vo; 
in  dieser  Weise  gebraucht?  Überdies  ist  bei  beiden  Schreibweisen  die 
Form  des  Dat.  Plur.  anstöfsig,  die  bei  den  Lesbiern  auf  aic?-.  endigen 
sollte.  Daher  vermutet  A.  Fick  y.opu'fa;  sv  ax-^,  vgl.  Soph.  Antig.  1131. 
Aber  diese  Stelle  kann  den  ungewöhnlichen  Gebrauch  von  a/-q  im  vor- 
liegenden Falle  nicht  rechtfertigen.  Eher  würde  sich  xopucpac  h 
avxpto  empfehlen;  doch  scheint  in  aO^ai?  ein  anderes  AVort  zu  stecken. 
—  V.  3  liest  L  A.  Michelangeli  [lolUksol,  w'as  schon  metrisch  be- 
denklich ist,  aber  auch  dem  Sinne  nach  nicht  pafst;  denn  er  leitet  es 
von  }iaty)[jL'.  -=  [xaitu  oder  vielmehr  [xatüi  ^  ixatoixat  „streben,  begehren"  ab. 
Th.  Bergk  hat  mit  \i.qzi-ja  sicherlich  das  nichtige  getroffen. 

9,  1.  A.  Fick  vermutet:  Favasc?'  'A&avaa  TtoXiao/o?,  |  a  tm  Ko- 
pwveias  Iruoz'joLo,  indem  er  Hesych.  ETriosucai  ■  l-taxpe'l'ai  und  s-toeuov 
(^   eziSsuov)  •  sTiisTpsilov  und  Anakr.  2,  4  vergleicht. 

15,  5.  L.  A.  Michelangeli  schreibt  y.o'lai,  indem  er  glaubt, 
dafs  die  erste  Silbe  durch  den  Iktus  gelängt  werde.  A.  Fick  schlägt 
xouiXia  (aus  xoFiXai)  vor. 

18,  1.  L.  A.  Michelangeli  erklärt  jxaatv  mit  „Stille,  Ruhe", 
eine  Bedeutung,  die  mir  nicht  in  den  Zusammenhang  zu  passen  scheint; 
vgl.  auch  den  vorigen  Jahresbericht  Bd.  LIV  S.  173.  —  V.  9  vermutet 
derselbe  a-fxuXat  „Taue";  wohl  richtig. 

19.  1.  E.  Hill  er  1.  1.  schreibt  mit  A.  Ludwich:  xtp  -poTepco 
vofitp,  für  unseren  Dichter  doch  zu  prosaisch.     Ich    vermute    XaßpoTsp«» 


216  Griechische  Lyriker.     (Sitzler.) 

|X£V£'.  mit  poetischer  Belebung  des  y.ü|i.a,   wozu  auch  jisiyei  und  -apeSet 
stimmen.  —  V.  3  verlaugt  L.  A.  Michelangeli  sixßr]  st.  ejAßqt. 

21.  A  Fick:  sl?  TüoXi:  el;  =  unus,  —  26,  3:  simv  =  aeiuiv,  vgl. 
Auakr.  49.  —  33,  1 :  iXsffavTtav  st.  iXscpavrivav,  trotzdem  eXecpavxtoc  sonst 
nicht  vorkommt,  vgl.  oben  Sappho  56,  1.  —  3.:  Ba^^uXcoviwv  |  a6[x[i.a-/oc. 
—  35,4:  evixajXEvo'.c  st.  £v£ix7.|j.£votc.  —  37  A,  2:  dJ^oXtu  „unberaten"  st. 
ay6\vi  ;  ob  nötig? 

39.  A.  Fick  verlangt  V.  3  Fcxy/j,  V.  6  avÖT)  und  V.  7  Si'pptoc; 
aufserdem  schlägt  er  V.  6  Xisptu-atai  oder  XatopturaTat  st.  [itaptuTaxai 
vor,  keines  dem  Zusammenhang  angemessen.  Warum  soll  ixiapcoTarai 
nicht  in  dem  Sinn  des  hesiodischen  [xa/Xo-atai  stehen  können?  L.  A. 
Michelangeli  vermutet  V.  5:  xaöex  a[j--eTETafjL£vov ,  so  dals  xaöer'  im 
Sinne  des  Adverb,  stände.  Mir  ist  es  unverständlich,  wie  man  xadexoc 
„senkrecht"  mit  dixK£TiTa|j,£vov  oder  7:£7:Ta[j,£vov  verbinden  kann;  es  müfste 
doch  ein  Verb,  mit  der  Bedeutung  „herabsenden,  herabfallen"  dabei 
stehen.  E.  Hiller  1.  1.  V.  5  cpXo-jUjxöv  st.  9X67107,  allerdings  nur 
„dubitauter".  Meiner  Meinung  nach  hat  Th.  Bergk  hier  mit  Unrecht 
zwei  Fragmente  vereinigt,  die  getrennt  überliefert  sind  und  auch  inhaltlich 
nicht  zusammengehören,  trotzdem  sie  dasselbe  Thema  behandeln.  Der 
Satz  oTTTTOTa  9X67107  xxX.  stört  den  Zusammenhang,  da  er  die  Aufzählung 
der  Anzeichen  für  den  Sommer  durch  den  schon  als  Voraussetzung  in 
V.  1 — 2  ausgesprocheneu  Gedanken,  dafs  es  Sommer  sei,  unterbricht. 
Der  Gedanke  von  to  7ap  actpov  Tispi-EXXera'.  xxX.  kehrt  wieder  in  oitttox« 
9X6710V  xxX.,  und  ebenso  ä'/si  ö'  ix  -£xaXu)v  xxX.  in  ■nx£p'J7tüv  ö^  utto  xtX. 
Man  wird  also  am  besten  thuu,  die  zwei  Fragmente  auch  als  zwei  zu 
behandeln;  das  erste  lautet:  xE77e  T:v£U[xova  Foivw  •  xo  7ap  aaxpov  riEpixeXXäxat, 
i  a  0  (Jupa  yaXEra,  -avxa  0£  6t<|iat7'  uttö  xau|xaxo;.  |  ay£i  6'  ex  TrsxaXwv 
Faoea  xextic,  (7x6Xu(j.o;  ot  xal  |  avöst,  vüv  oe  7'jvarx£c  <x£X£i}orutv>  |j.ta- 
püjxaxat,  I  X£--ot  0  avopEs,  etiei  <Coyj>  x£9aXav  xal  767«  aöipio;  |  a'Cei; 
das  zweite:  7:x£pu7(ü7  6'  uiro  j  xaxysEi  Xi7upa7  <Tiux707>  doioa7  <7:£xdXot3 
£71  >  oder  <-- 7:£xdXoi3i7  £7>,  I  o--oxa  9X67107  xax  OEpo;  «Lc  rXeTaxa  [i.£7oc 
xaFir)  I  sEiptcu;  das  letzte  ist  natürlich  nur  ein  Versuch,  den  stark  ver- 
dorbeneu Worten  einen  passenden  Sinn  zu  entlocken;  xocFt)  von  einem 
eingenommenen  äolischen  xdFr^|j.i  ^==^  xdtu. 

41,  2.  L.  A.  Michelangeli  schliefst  sich  an  Th.  Bergks  letzte 
wie  mir  scheint,  verfehlte  Herstellung  des  Verses  an,  nur  dafs  er  ocix' 
a  TTO'j  st.  ai'x"  oxi  schreibt,  was  metrisch  nicht  angeht,  da  ülxt  Digamma 
liat.  Vgl.  über  die  Stelle  vorigen  Jahresb.  Bd.  LIV  S.  174.  —  A.  Fick 
verlangt  V.  4  x£p7ai;;  ebenso  45,  2  x£p7otx£,  V.  5:  TiX/jai;. 

42,  1.  A.  Fick:  xaxysE-uj;  Th.  Bergk  schrieb  xax/£axcu,  was 
y.a/yc'jaxü)  heifsen  müfste,  vgl.  36,  3. 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)  217 

46,  2.  A.  Fick  verlangt  sfxoi  -,£  -jsvsjöat  st.  Ys-is'vTjaöat ,  da  das 
Perfekt  hier  nicht  an  der  Stelle  sei;  wohl  richtig. 

52.  A.  Fick  vermutet:  sx  6s -orrjpiov  ixTrwvr;; -api^wv  A'.vvo|X£vy]  ; 
die  beiden  h.  sind  für  mich  störend. 

53.  A.  Fick  verlangt  mit  Recht  dvDpwro'.i'.;  um  einen  alkäischen 
Zwölfsilber  herzustellen,  ergänzt  er  am  Schlüsse  hzi,  oder  schlägt  vor. 
Poivoc  "jotp  1  avi)p(üTco'.3i  StoTTTpov,  was  ich  vorziehe. 

54  B.     A.  Fick:  oeöpo  <xat>   auix-w&i,  vgl.  N  481;  ansprechend. 

—  57  ergänzt  er  xiOTjai  oder  -oirj,  da  aXaiha  nicht  als  aXaösta  gefafst 
werden  könne.  —  62  schlägt  er  Kpoxoi  st.  Kpovw  vor;  Kpivoi,  dos 
Th,  Bergk  liest,  müfste  Kptwoi  lauten.  —  64  schi'eibt  er  mit  Recht 
zÄsiJToicj'  eFa'vajss  Xa'ots',  wenn  man  nicht  für  das  letztere  ^.aoist  vorzieht. 

—  83  vermutet  er  ai  Fsi-7]c  st.  ai'x'  si'-rjc 

84.  Gr.  S.  Farn  eil  liest  oTo'  st.  ofo',  wogegen  schon  die  Stellung; 
spricht. 

86.  E.  Hiller  schreibt  ju  8s  cpaU  st.  ok  «pot  oder  cpai.  Der 
Wechsel  zwischen  der  2.  und  3.  Person  stört;  etwa  sXdr)  <7roxa>,  07.I 
oder  cXöt),  <T6xa>  9^1? 

90.  A.  Fick  eppa'fituTa  '  tj  ^ap  Fava;.  —  92:  ooEfxvac  st.  6a|i.vyja'., 
wofür  Th.  Bergk  oa[xvat?  schrieb. 

94,  2.  E.  Hiller  liest  Xa'fxTtp'  aTruxea-'  st.  Xa[x~pa  xlat,  dem  Sinne 
nach  gut,  nur  nehme  ich  an  der  Auflösung  der  Länge  in  zwei  Kürzen 
Anstofs.  Warum  nicht  a^uxeivT'?  War  dies  in  Xa[i.7rpa  xsTv-'  verdorben, 
so  lag  die  Schreibung  xsax'  st.  xeivt   nahe. 

R.  Reitzenstein,  inedita  poetarum  Graecorum  fragmenta,  index 
lect.  Rostock  1890/91.  S.  16  teilt  aus  dem  cod.  Yatic.  1818  des 
Etymologicum  s.  v.  'AiranQvopa  ein  neues  Fragment  des  Alkäos  mit: 
itsupva;  xocl  tji3upa?  '  xa  oasea  oepfiaxa  xa  xexpr/üJ[i.£va ,  xal  'A\Y.cdoQ  0 
jxsaohoioc  ■  «svö'jc  anj'jpvav." 

Echembrotos. 

E.  Hill  er  1.  1.  streicht  die  Inschrift  des  Echembrotos  aus  der 
Sammlung  der  Lyriker;  denn  sie  bestehe  aus  einem  Hexameter,  dem 
Prosa  vorausgehe  und  nachfolge.  Die  von  Th.  Bergk  zuerst  vorge- 
nommene Einteilung  in  Kurzverse  verteidigt  Th.  Preger  inscriptiones 
Graecae  metricae  S.  110  flg.,  der  auch  den  ursprünglichen  Dialekt 
wiederherstellt. 

Stesichoros. 

0.  Crusius,  Stesichoros  und  die  epodische  Komposition 
in  der  griechischen  Lyrik  in  Commentationes  philologae  quibus 
Ottoni  Ribbeckio  praecepiori  inlustri  sexagesimum  aetatis,  magisterii 


21S  Griechische  Lyriker.    (Sitzlcr.) 

Lipsiensis  deoimum  annnm  exactum  coiigratulautnr  disoipnli  Lipsienses, 
IJpsiae,  B.  G.  'I'euhiier.     1.^88.     S.  1—22. 

Der  Verf.  kommt  auf  Grund  einer  sorgföltigeu  Prütuug-  der  Über- 
liefernng  zu  dem  Eesultat,  dais  es  kein  positives  Zeugnis  für  die  Eiii- 
lübrung  des  di'eiteiligen  Baues  der  Chorgesänge  durch  Stesichoros  gebe. 
Diese  angebliche  Neuerung  tindet  sich,  wie  der  Verf.  richtig  bemerkt, 
sclion  bei  Alkman.  Strophe,  Antistrophe  und  Kpodos  hält  er  für 
musikalische  Begriffe:  77^09/^  bezeichne  ein  melodisches  Ganze,  einen 
abgeschlossenen  musikalischen  Satz,  gleich  der  moderneu  Periode,  also 
eigentlich  „Hin-  und  Herweuden"  der  Melodie:  avTiaxpo'fo;,  sc.  "pocpr^, 
bilde  das  Gegen-  oder  Seitenstück  dazu,  und  auch  zu  sTTtpoo?  habe  man 
gleichfalls  stoo^tj  zu  ergänzen.  Diese  Einteilung  sei  aber  nichts  Neues, 
sondern  liege  schon  in  der  ältesten  Kunstübung,  wie  die  alkäische  Strophe 
im  Vergleich  mit  Alkmans  Parthenion  zeige. 

1,  1.  L.  A.  Michelangeli  1.  1.  verlangt,  allerdings  zweifelnd, 
'Kpixrjac,  mit  Unrecht;  Stesichoros  gebraucht  die  homerische  Form. 
E.  Hiller  1.  1.  schreibt:  'EptjLita;  [j-iv  sotoxe  |  <I)Xo7£6v  <-s>  xat  xx/,.. 
■^•orin  ich  ihm  beistimme;  nicht  billigen  kann  ich  es  aber,  dafs  er  voi 
<I>Xo7sov  noch  Traisl  /iik  ergänzen  will;  dieser  Begriff  kann  im  Vorher- 
gehenden enthalten  gewesen  sein. 

7,  2.  L.  A.  Michelangeli  möchte  -k  'zix/ojievo?  schreiben, 
nm  dem  r.U  mehr  Nachdruck  zu  geben;  in  der  Wirkung  sind  beide 
Schreibweisen  nicht  verschieden. 

29,  :}.  L.  A.  Michelangeli  erklärt  xoptovtoa;  mit  „ciocche'', 
d.  h.  „virgulti  crespi  e  molli". 

37.  L.  A.  Michelangeli  nimmt  aus  Aristophanes  Frieden 
Vv.  797  flg.  die  Worte  t6v  ao<pov  7:oit)t9)v  auf,  die  er  zwischen  xaXXi- 
xfVu)v  und  GixveTv  einschiebt,  indem  er  glaubt,  der  Scholiast  habe  sie 
bei  Anführung  der  Verse  des  Stesichoros  vergessen.  Naturgemäis  mufs 
er  dann  auch  iScupovia  aßpuic  mit  Hiatus  lesen,  der  durch  kein  Digarama 
entschuldigt  werden  kann,  selbst  wenn  ein  solches  für  «ppoc  nachgewiesen 
wäre.  Daher  wii'd  maii  die  Überlieferung  mit  sSeupoviotc  st.  £;£'jp6vTa 
"vorziehen. 

42,  2.  G.  S.  Farn  eil  versteht  mit  andern  unter  [iisiUh;:  ilXets- 
Oevi'Sa;  Orestes;  meiner  Meinung  nach  palst  der  Ausdruck  nur  auf 
Agamemnon;  vgl.  auch  vorigen  Jahresbericht  Bd.  LIV  S.  177. 

50.  E.  Hiller  1.  1.  erkennt  mit  Kecht  in  [i-dhara,  aus  dem 
Th.  Bergk  ixeXtatSv  machte,  eine  andere  Lesart  für  [laXa  xoi. 

Zum  Schluls  ei-wähne  ich 

Fr.  Hager,    Die  geschichtliche   Entwickelung    des   He- 
rakles-Mythos.   Progr.  des  Gymn.  zu  Wandsbeck.    1888.    20  8.   4. 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)  2Jlt 

Der  Verf.  führt  S.  4  die  Hauptausbildung  des  Mythos  vom  Kerberos 
auf  Stesichoros  zurück.  Über  die  dichterische  Ausgestaltung  des  Ge- 
ryoneus-Mythos  spricht  er  S.  9  flg.  Er  sagt  dabei:  „Mit  zwiefachen 
Waflen,  mit  dem  Bogen  und  der  Keule,  ist  Herakles  ausgerüstet.  ])ie 
Ausrüstung  mit  dem  Bogen  ist  die  ältere,  echt  hellenische,  und  kenn- 
zeichnet den  Herakles  als  Sonuenheros,  die  andere  kann  nicht  älter 
sein  als  Peisandros  und  Stesichoros ,  da  nach  den  Zeugnissen  der  Alten 
diese  beiden  Dichter  zuerst  dem  Herakles  das  Lövvenfell  und  die  Keule 
beilegten.  Es  ist  nicht  anzunehmen,  dafs  der  eine  die  unterscheidenden 
Merkmale  von  dem  andern  entlehnt  habe,  sondern  sie  fanden,  als  sie 
dichteten,  den  Heros  derartig  ausgerüstet  in  ihrer  beiderseitigen  Heimat 
vor.  Da  aber  beider  Heimat  nicht  den  hellenischen  Herakles,  sondern 
den  hellenisierten  Melkart  verehrte,  so  ist  diese  Ausstattung  ursprünglich 
dem  phönizischen  Gott  eigen."  Damit  stimmt  kaum  Athen.  XII  512  E 
(Fr.  57  bei  Th.  Bergk),  wo  die  Ausrüstung  mit  Keule,  Löwenfell  und 
Bogen  auf  Stesichoros  zurückgeführt  wird,  während  Xanthos  und  die 
Früheren  dem  Herakles  die  homerische  Eüstung  beilegten.  Die  Nach- 
ahmung des  Peisandros  durch  Stesichoros  steht  mir  aufser  Zweifel. 

Ibykos. 

22,  1  flg.  E.  Hiller  1.  1.  schreibt:  -apa  yspaov  Xi'öiuv  j  exXev.-wv 
xtX.  St.  Xtdtvov  l'xXexxov;  gut,  nur  würde  ich  im  Anschlufs  an  Strabon 
den  Singular  Xtdoo  exXsxxou  vorziehen. 

26,  3.  L.  A.  Michelangeli  liest  vyjvocd  st.  Ijaoi;  das  selbst- 
gebildete vTQvoo?  erklärt  er  mit  avoo;;  auch  in  den  Zusammenhang  palst 
ijjioi  besser. 

Anakreou. 

G,  Pellegrino,  Anacreonte  Teio.  Studio  critico.  Lecce, 
Garibaldi.    1890.    147  S. 

Konnte  ich  mir  trotz  aller  Mühe  nicht  verschaflen. 

Für  den  Schulgebrauch  sind  bestimmt: 

Alcune  odi  di  Anacreonte  con  le  note  di  A.  Franco. 
3.  edizione  migliorata  ed  ampliata.  Verona,  D.  Tedeschi  &  figlio. 
1892.     64  S.     8. 

Anacreonte  ed  Anacreontee,  scelta  ad  uso  delle  scuole  con 
commento  di  C.  0.  Zuretti.  Torino,  E.  Loescher.  1889.  XXXII, 
84  S.     8. 

Anacreonte.  Scelta  di  odi  purgate  ed  annotate  da  G.  Garino. 
Torino,  Libr.  Salesiana.    1889.     30  S.     8. 

2,  7.  W.  Headlam  Journal  of  Philology  XX  S.  308  vermutet: 
eXöejiev  oder  eXöeiv  [j.oi,    da    sich    daraus  am  besten  das  hds.  eXd'  -/jjiiv 


220  Griechische  Lyriker.    [Sitzler.) 

neben  z)3oi;  |j.ot  erkläre.  Von  diesen  Vermutungen  ist  nur  die  zweite 
möglich,  und  diese  würde  ich  allerdings  der  Vulgata  vorziehen;  iXöep-Ev 
ist  bei  Anakreon  formell  und  metrisch  anstöfsig. 

8,  1.  H.  "W.  Smyth,  Transactions  of  the  American  philolog. 
Association  XX  (1889)  S.  1  flg.  verlangt  'Aixa^^&erj;. 

9,  1.  E.  Hiller  1,  1.  vermutet:  au  [xtjv  -exeai  st.  xi  |j.yiv  -.; 
warum?  —  18  ergänzt  derselbe  nach  yopSar?  das  Adj.  sucpftoY^ov,  ich 
vermisse  vielmehr  ev  yepsiv  als  nähere  Bestimmung  zu  r/u>v,  das  auch 
nach  yopöai?  leichter  ausfallen  konnte. 

28  schliefst  G.  S.  rarnell  1,  1.  nach  dem  Vorgange  Hartungs 
au  29  an,  indem  er  statt'  auxt?  mit  Schneidewin  dcurrjc  schreibt.  Ich 
glaube  nicht,  dafs  xoy.xuS  als  Bild  der  Feigheit  in  der  Schlacht  ge- 
braucht werden  kann;  opvsov  &£iX6Ta-ov  im  Et.>  Gud.  333,  22  bedeutet 
einen  ängstlichen,  scheuen  Vogel,  und  29  mufs  sich  auf  einen  Vorfall 
beziehen,  wo  es  sich  um  Ängstlichkeit  und  Scheu  handelte. 

44.  E,  Hill  er  sucht  das  Versmafs  herzustellen  durch  die 
Schreibung:  /aptsv  -j-ap  f^\\o:  tx/ets;  die  Überlieferung  lautet:  yapisv  ^dp 
£-/£ic  ^öo;;  ich  glaube,  es  genügt,  wenn  man  l'/etc  in  den  ingressiven 
Aorist  tr/t;  verwandelt:  „du  hast  erhalten",  vgl.  Herod.  VI  47. 

75.  Fr.  Haussen,  American  Journal  of  Piniol.  IX  (1888). 
S.  460  nimmt  an  den  akatalektischen  trochäischen  Tetrametern  Anstofs, 
die  die  Griechen  seiner  Meinung  nach  nie  gebrauchten.  Er  möchte  daher 
unser  Gedicht  in  trochäische  Systeme  zerlegen,  aus  je  3  akaialektischeu 
und  einem  katalekt.  Dimeter  bestehend.  Zu  dem  Zweck  ändert  er  V.  3 
eii,ßdXoi|xi  in  £[i.[:iaÄot[ir,v  und  ebenso  V.  4  jTp£'foi|xi  in  jTp£rpoi[XTiv.  Aber 
yaXivov  l\i^aXiabai  ist  ungewöhnlich,  und  statt  aTpscpoifi-iQv  verlangt  der 
Sinn  aTpl'fO'.iJLi  j,  wie  Th.  Bergk  geschrieben  hat;  vgl.  aufserdem 
W.  Christ  Metrik  S.  290  flg. 

98.  E.  Hiller  1.  1.  streicht  mit  Recht  dieses  Fragment,  da  Ma- 
kedonios  Anthol.  Pal.  X  70,  7  flg.  nicht  die  Worte  des  Anakreon,  sondern 
nur  den  Sinn  mitteilt. 

Anacreonte  ed  Anacreontiche,  traduzione  e  note  per  OL 
Aurenghi.  Edizione  integra.  1890.  Dilta  G.  B.  Paravia  E.  C.  di 
J.  Vigliardi.     30  S. 

Prosa- Übersetzung  mit  Anmerkungen. 

Anacrdon  et  les  pocmes  Anacreontiques.  Texte  grec  avec 
les  traductions  et  imitations  des  poetes  du  XVI«  siöcle  par  A.  Del- 
boulle.    Havre,  Lemale  et  O^-     1891.     XI,  182  S.     8. 

Anakreon.  Nachdichtungen  von  0.  Kaysei.  Ludwigslust, 
Hinstorff.     16. 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)  221 

Anakreontea. 

Fr.  Hanssen  Philologus  46  (1888)  S.  445—457  sucht  zu  be- 
weisen, dafs  die  Gedichte  21 — 32  einem  Autor  angehören.  Aus  Ähn- 
lichkeiten, die  er  zwischen  diesen  Gedichten  und  den  Pseudopholcylidea 
gefunden  haben  will,  schliefst  er,  dafs  diese  beiden  apokryphen  Litte- 
raturdenkmäler  ein  und  denselben  Verfasser  haben,  vielleicht  Aristobulos 
oder  einen  ihm  nahestehenden  Mann.  Demnach  würden  21  —  32  aus  dem 
2.  vorchristlichen  Jahrhundert  stammen;  dann  dürften  1.  3.  5 — 14,  wenn 
nicht  in  ihrer  Gesamtheit,  doch  in  der  Mehrzahl  kaum  jünger  sein,  als 
der  Anfang  dieses  Jahrhunderts,  können  aber  sogar  in  das  3.  Jahrh. 
gehören.  Wie  schwach  diese  Ausführungen  begründet  sind,  zeigt 
0.  Crusius  Philologus  47  (J889)  S.  235  flg.  Nach  seiner  Meinung 
sind  die  fraglichen  Gedichte  kaum  älter  als  die  Blüte  der  nachchristlichen 
Sophistik;  auch  der  Beweis,  dafs  sie  von  einem  Verfasser  herstammen, 
ist  nicht  erbracht;  es  ist,  wie  schon  Th.  Bergk  sagt,  gemeinsame  Schul- 
manier, die  den  Stücken  zu  Grunde  liegt.  Anacreont.  sylloge  Palat. 
S.  10  bemerkt  Fr.  Hanssen,  die  Gedichte  2^  und  50  hätten  die  Eigen- 
tümlichkeit, keine  Schlufskürze  zuzulassen;  dies  kommt  auch  sonst  vor, 
wie  0.  Crusius  nachweist;  besonders  wird  die  offene  Schlufskürze  ver- 
mieden. 

E.  Hittrich,  Egyetemes  Philologiai  Közlöny  XIII  (1889) 
S.  417 — 424  weist,  wie  ich  aus  einem  Auszug  ersehe,  auf  die  Ähnlichkeit 
hin,  die  manche  Anakreonteen  mit  dem  Hohen  Lied  haben.  Daraus 
schliefst  er,  dafs  die  Gedichte  15 — 18  den  Pseudo-Phokyüdes  zum  Ver- 
fasser haben,  d.  h.  den  Aristobulos,  dem  Fr.  Hanssen  21 — 32  zuweist. 

Fr,  Han  ssen,  QuaestiunculaPseudanacreontica  inCommen- 
tationes  phüologae  quibus  Ottoni  Ribbeckio  etc.  congratulantur  discipuli 
Lipsiensis.     Lipsiae,  B.  G.  Teubner.    1888.     S.  189—194. 

Der  Verf.  führt  aus,  dafs  man  den  Herondas  mit  Recht  für  den 
Vorläufer  der  hemiambischen  Dichter  halte,  vgl.  fr.  10  bei  Th.  Bergk; 
denn  dafs  Anakreon  fortlaufende  Hemiamben  schrieb ,  sei  nicht  wahr- 
scheinlich. In  den  pseudanakreontischen  Dichtungen  seien  aber,  wie  es 
scheine,  zwei  verschiedene  Elemente  mit  einander  verschmolzen,  nämlich 
Trinkgedichte  nach  Art  des  Anakreon  und  Hemiamben.  Wie  diese 
Verschmelzung  stattgefunden  habe,  lasse  sich  noch  aus  der  palatinischen 
Sammlung  erkennen,  besonders  aus  1.  3.  5—14,  die  mit  15—20  in 
einer  älteren  Anthologie  gestanden  haben,  ohne  jedoch  alle  einem 
Alter  anzugehören.  Die  Hemiamben  seien  aus  der  alexandriuischeu  oder 
römischen  Zeit,  die  übrigen  aus  der  Zeit  des  Hadrian.  Die  Hemiamben 
gehen  auf  einen  Dichter  oder  Dichterkreis  zurück;  sie  halten  die  Mitte 
zwischen    den    anakreontischen  Trinkliedern   und    den  Mimiamben    des 


222  üriechisclie  Lyriker.    (Sitzler.) 

Herondas;  der  Dichter  bleibe  innerhalb  der  Grenzen  der  iambischeii 
1  )ichtg'attung'  und  sei  eher  ein  Bewunderer  als  Nachahmer  des  Anaki-eon. 
Dagegen  seien  die  Gedichte  21 — 32  Beispiele  der  Verschmelzung  dor 
liemiambischen  mit  der  anakreontischen  Poesie.  Das  Gedicht  tU  vsxpöv 
\'\6(üv'.v  mache  den  Übergang  von  den  Hemiamben  zu  der  bukolischen 
Dichtung.  Vgl.  dazu  O.  Crusius  Philolog.  50  (1891)  8.  167  Aum.  6; 
dieser  tritt  Fr.  Haussens  Ausführungen  über  die  Hemiamben  entgegen 
und  glaubt,  dais  es  auch  kaum  angehe,  die  Dimeter  der  Anakreonteen 
von  den  paar  Versen  des  Herodas  abzuleiten. 

I  Anacreontisl    carmiua  selecta   recognovit   A.  Lombardi. 
Firenze,  G.  C.  Sansoni.     1889.     25  S.    8. 
Textausgabe  für  die  Schule. 

Odi    Anacreontiche   scelte    ed   annotate    da   A.    Lombardi. 
Firenze,  G.  C.  Sansoni.     1890.     33  S.     8. 

Anacreontee,    scelte    con   prefazione,    commento    e  lessico  pei 
ginnasi  da  G.  Bertolotto.     Torino,  E.  Loescher.     1890. 

40.  12.  C.  0.  Zuretti  in  seiner  Ausgabe  schreibt:  (pEu-.'fuv  st. 
tfe.'r;z:  ich  halte  nur  9267(0  für  richtig,  wie  man  gewöhnlich  liest;  denn 
es  wird  hier  nicht  ein  Zusatz  zum  Vorhergehenden  gegeben,  sondern 
ein  selbständiges  weiteres  Glied  angereiht. 

53.  3  schreibt  derselbe  auv  itaipT]  o?u  iaIAttiov,  das  erstere  mit 
Mehlhorn,  das  letztere  mit  Bergk;  ein  Urteil  läfst  sich  bei  der  lücken- 
haften Beschaffenheit  der  Verse  nicht  abgeben.  —  V.  16  schreibt 
E.  Hiller  1.  1.  gut  y.poTa^tp  st.  «oc  do'ftp;  auch  das  folgende  to  0'  wj-6 
ist  kaum  richtig:  vielleicht  too"  aZzz? 

56,  31.  E.  Hiller  1.  1.  vermutet  mit  Recht  Sei'voij  ju  o"  «vtI 
.Mo'jsuiv  und  36:  TS'iv  st.  -t. 

58,  17  schreibt  derselbe:  -a  [j.£v  .  .  .  y.£v-:pa;  mit  Recht. 

Appendix  Anacreonteorum. 

Fr.  Haussen  American  Journal  of  Phüology  IX  (1888)  S.  460 
bis  4<i2  erklärt  zunächst  die  Behauptung  Th.  Bergks,  das  2.  Gedicht 
des  Ivon.stantinus  (Jrammaticus  Siculus  stehe  nicht  im  Laurentianus. 
für  ir)-ig:  dann  behandelt  er  eingehend  das  3.  Gedicht,  das  er  dem 
Theophanes  (7raminaticus  zuschreibt  auf  Grund  des  Verzeichnisses  des 
codex  ßarberinus,  der  nach  dem  2.  Gedicht  des  Konstantinus  die  Worte 
hat:  Bsocpavou;  7pa;j.;j.aTr/.o'j  öcvaxpiOVTiov  <«;  91X0?  'filtiTai  xal  ou  TTOikiTOi 
£■/.  -Tii  ä'vav  cpiÄia,-,  die  ganz  auf  unser  Gedicht  passen.  V.  21  vermutet 
er  ÄctXoyjav  st.  /^yoüaa.  —  22:  i-aAUr^  im  Sinne  des  Futurs  st.  ir.zkbz.  — 
25:  v£viy.r)xuio:  St.  vcVtxT,7.u(a.  —  28:  evcToov  st.  sv  eioei.  —  44:  TzXixw 
mit  dorn  Codex  st,  ^-i/i-oj;  ebenso  46:  epo'jx/)  st.  Epui  af^.  —  48:  6  ttoOoc 


Griechische  Lyriker.     i^SitzIcr.)  223 

tlXo-zoi  ohne  ö'.  Die  Verse  1 — 10.  15—30.  43—49  spricht  er  dera 
Knaben,  11—14  und  ol  — 42  dem  Mädchen  zn. 

E.  Hittricli  unterzieht  die  christliche  Anakreonteendichtung  im 
Mittelalter  im  Supplementband  der  Egyetemes  PhUologiai  Közlöuy  1889, 
wie  ich  aus  einer  Inhaltsangabe  t'rsehe,  einer  sorgfältigen  Untersuchung, 
<lie  sich  auf  Inhalt,  Form,  Metrik  und  Ähnlichkeit  mit  Anakreon  sowohl 
als  den  Anakreonteen  erstreckt.  Georgios  Gramm at.  1,83  vermutet 
der  Verf.  -por^XOs  st.  T.poGr^)3e,  vgl.  1,  7.  21.  —  3,  79  flg.  arJj  -cüiv  opoii 
TpacpsvTtuv  I  rotXtv  r,  Tcexpai?  -pa^svTOJv,  Vgl.  1,  165  flg.  2,  .36.  —  3,  89. 
Der  Verf.  tritt  für  8iodaY.zi;  ein  unter  Vergleichung  von  1,  112.  4,  27. 
Leon  Mag.  5,  47  flg.  —  7,  5:  6  eptu;  ohne  ö',  vgl.  4,  27.  —  8,  20  flg.: 
«*(''  atiato  (od.  aY  spastov)  t)  rexovTa  ]  YeveTTjV  xtX.  St.  a:f  eXascov  r^  TsxovTac. 

S.  Sophronii  Anacreonticorum  carmen  XIV  primum  edidit 
L.Eberhard.  Progr.  des  kath.  Gymn.  zu  Strafsburg.  1887.  S.  16— 20. 

Dem  Verf.  ist  es  gelungen,  dieses  Gedicht  des  Sophronios,  von 
dem  bisher  nur  die  Überschrift  si?  xf^v  aXwciv  t%  v^iac  ttoXsu)?  -cyjv  Giro 
llsoGcüv  7$voiJ.£v-rjv  und  V.  1:  äiia.  woXr»  Osoio  vorhanden  war,  in  dem 
Pariser  cod.  miscell.  sect.  lat.  No.  3282  fol.  26—27  aufzufinden.  In 
dem  vorliegenden  Programm  teilt  er  den  Text  mit  Konjekturen  von 
ihm  selbst  und  W.  Studemund  mit. 

S.  A.  Naber,  Mnemosyne  XIX  (1891)  S.  1  —  15  veröütentlicht 
eine  gröfsere  Anzahl  von  Konjekturen  zu  S.  Sophronii  Anacreonticum  XX. 

Simonides  Ton  Keos. 

A.  Croiset,  Simonide  de  Ceos,  Revue  des  etudes  grecfiues  III. 
(1890).     S.  32-47. 

Recht  anziehende  Schilderung  des  Lebens  und  der  Werke  des 
grofsen  Lyrikers:  jetzt  abgedruckt  in  dem  2.  Bd.  der  Litteratur- 
gescbichte  des  Verf. 

5.  F.  Schwenk,  Das  Siraonideische  Gedicht  in  Platous  Prota- 
goras  und  die  Versuche,  dasselbe  zu  rekonstruieren.  Progr.  Graz. 
1889.     18  S.     4. 

Der  Verf.  knüpft  an  J.  Aars  au,  vgl.  vorigen  Jahresbericht 
Bd.  LIV  S.  180:  aber  in  folgenden  Punkten  weicht  er  von  ihm  ab. 
Er  glaubt  nicht,  dais  am  Anfang  des  Gedichtes  etwas  fehlt,  und  darin 
stimme  ich  ihm  bei,  ebenso  wie  R.  Peppmüller,  Berl.  philol.  Wochen- 
scln-ift  10.  Jahrg.  1890  8.  174  flg.  Die  .Lücke  nach  den  beiden  ersten 
Versen  denkt  er  sich  durch  Erläuterungen  derselben  durch  Beispiele, 
Möglicherweise  auch  durch  einen  Hinweis  auf  Skopas  ausgefüllt:  der 
letztere  jedoch  kann  seiner  Meinung  nach  auch  in  der  Mitte  oder  gegen 
Ende  des  Gedichts    erwähnt  gewesen  sein.     R.  Peppmüller  1.  1.  hält 


224  Griechische  Lyriker.     (Sitzler.) 

es  für  möglich,  dufs  sich  die  Widmung-  an  Skopas  in  einer  Schlufs- 
strophe  befunden  habe,  was  mir  unwahrscheinlich  ist.  Die  Worte  oO  -/dp 
eiixt  (fiX6[ivi[L0i,  die  J  Aars  an  den  Schlufs  des  2.  Verses  der  4.  Strophe 
stellte,  spricht  F.  Schwenk  dem  Simonides  ab.  Er  nimmt  mit  anderen 
am  Anfang  der  4.  Strophe  eine  Lücke  an  und  glaubt,  dafs  darin  eine 
Apostrophe  an  Skopas  enthalten  war.  Mir  scheint  es  wahrscheinlicher, 
dafs  in  der  Mitte  der  4.  Strophe  etwas  fehlt;  zu  dieser  Ansicht  be- 
stimmen mich  aufser  sachlichen  auch  metrische  Gründe ;  den  Sinn  denke 
ich  mir  ungefähr  folgendermafsen :  <l^  ap'  i\i.oqe  xal  dpx£r,>  oa<Tt?> 
av  (j,7]  xaxo?  tj  |  \).r^Q'  <u)v>-  a'/av  a-dXafJivo?,  siSiu?  7'  ovaoi'uoXtv  ot'xav, 
j-;ir,?  dvTjp.  <Tov  e-jfu)  outi  iJ.to[xdjO|xai  cpiXo[X(ü|xoc  wv '  ei  o£  Tis  xs  "/ap/j 
i|iE7tüv,  I  xopsaaadat  ou~o?  cppsva;  öuvaTai  ]  xat  ix£[jn}<io;*>  TÜiv  -/ap  aXiöiwv  j 
a-etptuv  7sv£öXa.  ]  7:(xvxa  xoi  xaXa  xxX.  Die  sicherlich  notwendige  Er- 
wähnung des  Skopas  verlege  ich  in  die  Lücke  nach  V.  2,  die  möglicher- 
weise ziemlich  umfangreich  gewesen  sein  kann.  Dem  Ven-f.  stimme  ich 
darin  bei,  dafs  das  Gedicht  ein  Enkomion  war.  —  Im  letzten  Vers  der 
2.  Strophe  schreibt  F.  Schwenk  to'j?  7s;  ich  ziehe  xe  vor;  -(i  ist  hier 
ohne  Bedeutung.  —  V.  2  und  3  der  4.  Strophe  schreibt  der  Verf.  eiapxst 
5'  l'ixoqs  ö  }j.Ti  wv  xaxo?  st.  Sj  av  [xv]  xaxo;  v)  bei  Platon,  das  er  als 
prosaische  Wendung  betrachtet,  die  sich  in  die  Hds.  eingeschlichen  hat 

—  eine  Ansicht,  die  mir  wenig  wahrscheinlich  ist.  Unverständlich  ist 
mir,  was  E.  Hill  er  1.  1.  schreibt:  0  v.t  |jLf,  xaxoc;  6  kann  weder  Pro- 
nomen noch  Artikel  sein.  Auch  zlz  ,  was  derselbe  Strophe  3,  4  vor- 
schlägt st.  et:-',  ist,  wie  Hill  er  selbst  zugiebt,  äufserst  unsicher. 

29  verbindet  G.  S.  Farn  eil  in  seiner  Ausgabe  mit  30;  aber  dies 
ist  unmöglich,  da  sich  die  Worte  oh^  dva  Aoi-riov  xxX.  nicht  unmittelbar 
an  xuva  'A|xuxXaiav  anschliefsen  können. 

37,  3.  E.  Hiller  1.  1.  liest  ot(^o.-zi  <t>  7;piT:£v;  möglich,  jedoch 
ist  der  Anfang  dieses  Fragments  so  verdorben,  dafs  sich  ein  sicheres 
TTrteil  nicht  abgeben  läfst. 

45,  2  schreibt  derselbe  ypujo-e-Xc  st.  ypu^ors-Xov;  gewifs  sicher. 

—  60  bezweifelt  er,  dafs  w  'v9p(U7rs  von  Simonides  herrührt.  —  84,  4 
ergänzt  derselbe  recht  passend:  o'i<7:sp>. 

81.  E.  Hiller  Philologus  48  (1889)  S.  241  flg.  glaubt  mit 
Recht,  dafs  das  Fragment  unrichtig  überliefert  ist;  seiner  Meinung  nach 
mochte  der  Relativsatz  mit  dem  Hexameter  beendet  worden  sein;  dann 
sei  das  zum  Kondicionalsatz  gehörige  Verbum  finit.  gefolgt  und  hierauf 
eine  Begründung,  deren  Schlufs  der  Pentameter  bildete.  Hartungs 
lXt-i\zazt  erscheint  ihm  nicht  unwahrscheinlich.  Was  das  fragm.  82 
anlangt,  so  ist  E,  Hiller  der  Ansicht,  dafs  eine  Verwechslung  des  Si- 
monides und  der  Schlacht  bei  Marathon  mit  Demosthenes  und  der 
Schlacht  bei  Chäronea  vorliege.    Ja,  er  geht  soweit,  die  Marathon-Elegie 


Griechische  Lyriker.     (Sitzler.)  225 

des  Simonides  überhaupt  in  Abrede  zu  stellen,  worin  ich  ihm  nicht 
folgen  kann;  meiner  Ansicht  nach  thut  man  am  besten,  bei  der  Über- 
lieferung stehen  zu  bleiben. 

Th.  Preger,  De  epigrammatis  Graecis  meletemata  selecta,  Diss. 
inaug.  München  1889  spricht  S.  3flg.  über  die  Epigramme  des  Simonides ; 
dasselbe  Thema  behandelt  er  Inscriptiones  Graecae  metricae.  Leipzig, 
B.  G.  Teubner.  189L  S.  XXIflg.  Er  tritt  den  Ausführungen  E.  A.  Jung- 
hahns und  G.  Kaibels,  die  vielfach  zu  weit  gehen,  mit  Recht  ent- 
gegen; sein  Urteil  ist  mafsvoll  und  besonnen.  Dabei  spricht  er  die 
Ansicht  aus,  dafs  Simonides  seine  Epigramme  gesammelt  und  entweder 
selbst  herausgegeben  habe,  oder  dafs  dies  nach  seinem  Tode  von  einem 
seiner  Verwandten  geschehen  sei.  Ahnlich  äufsert  sich  E.  Hiller  Phi- 
lologus  1.  1.  S.  245  Anm,  33,  der  meint,  die  Epigramme  seien  mit  den 
Elegien  vereinigt  und  am  Schlüsse  derselben  beigefügt  gewesen.  Es 
läfst  sich  nicht  leugnen,  dafs  die  Ansicht,  Simonides  habe  selbst  seine 
Epigramme  gesammelt,  grofse  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat,  wenn 
auch  U.  von  Wilamowitz-Möllendorff  Commentariolum  grammat.  IV 
S.  5  sagt,  dafs  er  sie  nicht  ernsthaft  nehme;  Gründe  hat  er  keine 
beigefügt. 

90.  E.  Hiller  Philologus  1.  1.  S.  239  flg.  erklärt  die  Form  des 
Pentameters,  wie  sie  bei  Aristides  vorliegt,  mit  Recht  für  spätere  Ent- 
stellung; darin  stimmt  ihm  auch  Th.  Preger  inscriptiones  S.  159  flg. 
bei.  Th.  Bergk  hat  dieses  Epigramm  dem  Simonides  zugesprochen, 
weil  er  der  Ansicht  war,  dafs  Aristides  an  der  Stelle,  wo  er  das  Epi- 
gramm anführe,  nur  aus  Simonides  eitlere.  Dafs  sich  diese  Ansicht 
nicht  halten  lasse,  weist  E.  Hiller  1.  1.  überzeugend  nach,  giebt  aber 
auch  zu,  dafs  hiermit  noch  keineswegs  der  simonideische  Ursprung  jener 
Epigramme  als  undenkbar  erwiesen  ist.  Er  glaubt,  die  Echtheit  unseres 
Epigrammes  lasse  sich  nur  unter  der  äufserst  unsicheren  Voraussetzung 
aufrecht  erhalten,  dafs  der  bekannte  Wettstreit  des  Äschylos  und  Simo- 
nides  mit  den  Gedichten  anf  Marathon  auch  wirklich  stattgefunden  habe. 
Mir  ist  unerfindlich,  was  dieser  Wettstreit,  der  ja  nach  der  Überlieferung 
sich  auf  Elegien  erstreckt,  mit  unserem  Epigramm  zu  thuu  haben  soll. 
Kann  Simonides  aufser  jener  Elegie  nicht  auch  noch  ein  Epigramm  auf 
die  bei  Marathon  Gefallenen  gedichtet  haben?  Doch,  wie  gesagt,  That- 
sache  ist,  dafs  unser  Epigramm  durch  die  Überlieferung  dem  Simonides 
nicht  zugeschrieben  wird. 

91,  1.  Th.  Preger  1.  1.  S.  160  No.  200  schreibt  mit  Recht 
TeiSe  St.  TTjSe.  Nach  E.  Hill  er  1.  1.  kann  das  Epigramm  von  Simonides 
sein;  aber  der  Ursprung  müsse  dahingestellt  bleiben;  ähnlich  Th.  Preger  1. 1. 
S.  16.  Da  nichts  gegen  Simonides  spricht,  und  da  es  aufserdem  von 
vornherein    wahrscheinlich  ist,    dafs  sich  die  Amphiktyonen  der  Kunst 

Jahreslöericht  für  Altertumswissenschaft.    LXXV.  Bd.  (1893.  L)  15 


226  Griechische  Lyriker.    (Sitzler.) 

des  Simoiiides  bedient  haben  werdeu,  der  ja  selbst  auch  bei  dieser  Ge- 
legeuheit  seinem  Freunde  Megistias  die  Inschrift  setzte,  da  es  endlich 
keinem  Zweifel  unterliegen  kann,  dals  die  zweite  Inschrift,  die  die 
Amphiktyonen  anbrachten  (Epigramm  92,  vgl.  Th.  Preger  1.  1.  S.  16), 
von  Simonides  herrührt,  so  sehe  ich  keinen  Grund,  in  diesem  Fall  das 
Zeugnis  des  Korrektors  der  Anthol.  Pal.  VII  248  anzuzweifeln,  der  das 
Gedicht  dem  Simouides  zuschi-eibt. 

93.  Th.  Preger  1.  1.  S.  18  schliefst  aus  der  Verschiedenheit 
zwischen  dem  Bericht  des  Herodot  und  Strabon,  dafs  die  Gräber  in  den 
Thermopylen  im  Laufe  der  400  Jahre,  die  zwischen  Herodot  und  Strabon 
liegen,  zerstört  und  dann  wieder  errichtet  worden  seien,  wobei  auch 
noch  neue  von  anderen  Staaten,  wie  im  vorliegenden  Fall  von  den 
opuntischeü  Loki-eru,  gefügt  worden  seien.  In  diesem  Fall  ist  das  — 
übrigens  durch  keine  Überlieferung  dem  Simonides  zugeschriebene  — 
Epigramm  nicht  von  unserem  Dichter. 

96,  1.  A.  Fick,  Die  Sprachform  der  altionischen  und  altattischen 
Lyrik,  in  Beiträge  zur  Kunde  der  indogerm.  Sprachen  XIII  (1888) 
S.  173  flg.  vermutet:  (L  $£vF',  euuopov  v£[xo[i.£;  iroxa  Ftxaxu  K.  Zu  eüuöpov 
vergleicht  E.  Cougny,  epigrammatum  anthologia  Palat.  S.  225  passend 
Livius  45,  28,  2:  fontibus  scatens.  —  V.  2  schlägt  H.  Stadtmüller 
vüv  6'auT ,  V.  3  xaxa  xapioj  saovtsj  vor  St.  xal  Illpja?  iXovxss,  was  kaum 
nötig  ist.  Th.  Preger  1.  1.  S.  6  flg.  widerlegt  überzeugend  die  gegen  das 
Epigramm  von  G,  Kaibel  vorgebrachten  Einwände;  trotzdem  spricht  er 
das  Gedicht  dem  Simonides  ab.  von  dem  es  meiner  Meinung  nach  ganz 
gut  sein  kann. 

97.  E.  Hill  er  Philologus  1.  1.  S.  244  flg.  hält  nur  das  1.  Distichon 
für  alt;  die  Vv.  3  —  6  seien  spätere  Erweiterung;  die  Zurückführung 
des  1.  Distichons  auf  Simonides  beruhe  nur  auf  der  zweifelhaften 
Autorität  der  Anthologia  Pal.  VII  250;  jedoch  enthalte  es  nichts,  was 
gegen  die  Abfassung  durch  Simonides  spräche.  Auffallend  sei  das 
Fehleu  einer  Bezeichnung  der  Toten  sowohl,  als  der  Feinde,  sowie  der 
Umstand,  dafs  die  Worte  den  Eindruck  machen,  als  handle  es  sich  um 
Bestattung  an  Ort  und  Stelle.  Immerhin  hält  E.  Hiller  die  Verse  für 
eine  wirkliche  Inschrift,  die  vielleicht  einer  Prosa-Inschrift  zum  Abschlul's 
gedient  haben.  Auch  Th.  Preger  1.  1.  S.  5  flg.  verwirft  V.  3  flg., 
indem  er  glaubt,  sie  seien  von  Ai'istides  beigefügt.  Ich  glaube,  dals, 
Aristides  nicht  nötig  hatte,  sich  diese  Mühe  zu  machen,  da  er  doch 
ohne  Zweifel  Gelegenheit  genug  hatte,  sich  die  Inschrift  selbst  zu  ver- 
bchart'en.  Verstümmelungen  von  Inschriften  bei  Schriftstellern  kommen 
auch  sonst  vor,  vgl.  No.  26  bei  Th.  Preger.  Das  gegen  die  Verse  vor- 
gebrachte Belastuugsmaterial  ist  zwar  umfangreich,  meiner  Meinung 
nach  aber  zui'  \'erurteilung  nicht  hinreichend.     Th.  Preger  spricht  von 


Griechische  Lyriker.     (Sitzler.)  227 

■einer  „inanis  verborum  loquacitas",  von  der  ich  nichts  wahrnehmen 
kann;  er  weist  anf  den  epischen  Dialekt  hin  und  auf  die  gesuchte 
Annominatio  (zT^ixaTa— }xv/^|xaTa),  die  jenen  zu  ändern  liindere.  Aber 
•diese  Annominatio  ist  doch  erst  durch  die  Einführung  der  epischen 
Form  in  die  Inschrift  entstanden,  für  den  Dichter  war  sie  nicht  vor- 
lianden,  da  er  ja  {xvaiJLaxa  schrieb;  der  Herstellung  des  ursprünglichen 
Dialekts  steht  durchaus  nichts  im  "Wege.  E.  Hiller  1.  1.  findet  Travt^ 
bei  rJ^iiaza  anstöfsig,  das  mir  in  der  Bedeutung  „aller  Art"  ganz  gut 
zu  passen  scheint;  ungeschickt  sei  auch  die  "Verbindung  llspcjaic  -epl 
ippsal  Tty^fxaTa  7](];afisv,  in  der  ich  eine  Erinnerung  an  das  homerische 
Tpweffjt  8e'  yi.rid&  etp^TTtat  erkenne:  „den  Persern  aber  hefteten  wir  ins 
Herz  Leiden  aller  Art".  Endlich  erklärt  E.  Hiller  i-i^r^y.t  von  einem 
Kenotaphion  als  unpassend;  sollte  dies  wirklich  der  fall  sein,  was  ich 
nicht  glauben  kann,  so  liegt  die  Änderung  in  das  verlangte  dv£9r,y.£v 
gewifs  sehr  nahe.  Zur  "Verwerfung  genügt  schliefslich  auch  der  Anstofs 
nicht,  den  Th.  Preger  an  dem  absolut  ohne  Ortsbestimmung  gesetzten 
x£i|xe&a  nimmt,  denn  dieses  steht  bei  Th.  Preger  No.  8,  4  ebenso,  ohne 
dafs  er  etwas  darüber  bemerkt,  beidemal  meiner  Meinung  nach  ganz 
richtig  in  der  Bedeutung  „gefallen  sein".  Dafs  es  an  unserer  Stelle 
nur  diese  Bedeutung  haben  kann,  zeigt  der  Zusammenhang  ganz  klar; 
wir  sind  gefallen,  Griechenland  rettend,  den  Persern  Leid  zufügend; 
unsere  Gebeine  ruhen  auf  Salamis,  unsere  Vaterstadt  Korinth  aber  hat 
uns  zum  Dank  dieses  Denkmal  gesetzt.  Die  Ortsbestimmung  folgt  also 
«rst  im  letzten  Satz,  der  auf  das  Kenotaphion  hinweist.  Nach  alledem 
halte  ich  die  Inschrift  in  der  von  Aristides  überlieferten  Form  für  richtig 
und  sehe  keinen  Grund  ein,  sie  dem  Simonides  abzusprechen.  —  "V.  1 
schreibt  Th.  Preger  sm,  V.  5  rjfxiv. 

98.  Th.  Preger  1.  1.  S.  4  flg.  spricht  im  Einklang  mit  E,  A.  Juug- 
hahn  und  G.  Kaibel  dieses  Epigramm  dem  Simouides  ab,  einmal  wegen 
'j'jtoc  und  dann  weil  Simonides  zur  Zeit,  wo  Adeiraantos  starb,  in  Sizilien 
gewesen  sei.  "Wann  der  Tod  des  Adeimantos  eintrat,  wissen  wir  nicht ; 
aber  auch  angenommen,  Simonides  sei  damals  in  Sizilien  gewesen,  so 
war  doch  der  "Verkehr  zwischen  Korinth  und  Sizilien  so  rege,  dafs  von 
dieser  Seite  aus  der  Abfassung  des  Epigramms  durch  unseren  Dichter 
nichts  im  Wege  steht.  Noch  weniger  kann  oZxoi  eine  solche  Annahme 
bindern,  da  ja  Th.  Preger  selbst  zugiebt,  dafs  es  in  jener  Zeit  auf  In- 
schriften gebraucht  worden  sei.  "Warum  soll  es  also  Simonides  ver- 
schmäht haben?  Die  sonstigen  von  E.  A.  Junghahn  und  G.  Kaibel 
gegen  das  Gedicht  vorgebrachten  Gründe  hat  Th.  Preger  überzengenü 
zurückgewiesen.  "-•'  i-    -  r  .   .■ 

100.  Th.  Preger  1.  1.  S.  8  Weist  darauf  hin,  dafs  unser  Epi- 
gramm CIA  IL  3.  2724  nachgeahmt  ist;  es  sei  also  nicht  epideiktisch, 

15* 


228  Griechische  Lyriker.     (Sitzler.) 

wie  E.  A.  Junghahu  und  andere  meinen,  sondern  wohl  auf  einem 
Grabstein  im  Kerameikos  gestanden.  Dem  Simonides  wird  es  von  dem 
Korrektor  der  Anthol.  Pal.  und  dem  Scholiasten  des  Aristides  zuge- 
schrieben, die  nur  für  eine  Quelle  gelten  können,  vgl.  E.  Hiller 
Philol.  48  S.  229  flg.,  und  deren  Zeugnis  nicht  schwer  wiegt.  Immerhin 
sehe  ich  keinen  Grund  ein,  ihnen  im  vorliegenden  Fall  die  Glaub- 
würdigkeit abzusprechen,  da  weder  äufsere  noch  innere  Argumente  dazu 
zwingen. 

101.  E.  Hiller  Philol.  1.  1.  S.  229  flg.  erklärt  das  Epigramm 
für  ein  Produkt  späterer  Zeit,  das  noch  am  besten  für  die  Schlaclit 
bei  Marathon  passe.  Th. 'Preger  1.  1.  S.  225  stimmt  ihm  mit 
Recht  bei. 

104.  E.  Hiller  1.  1.  giebt  die  Möglichkeit  zu,  dafs  die  Verse 
von  Simonides  stammen  können;  bei  dem  Mangel  jeder  Beglaubigung 
lasse  sich  dies  aber  nicht  behaupten:  ebenso  urteilt  Th.  Preger  1.  1. 
S.  7  flg.     Das  Epigramm  wird  nirgends  Simonides  zugeschrieben. 

107,  9.  E.  Hiller  in  seiner  Ausgabe  hat  <9&[ixevotc>  zwischen 
Tooe  und  ^epa?  eingeschoben;  dieses  entbehrt  man  gern,  ungern  aber 
vermifst  man  einen  Begriff"  wie  xoS'  <dv5p£ia^>  oder  <euci£ßia?>. 

110,  2.  R.  Weifshäupl,  Die  Grabgedichte  der  griechischen 
Anthologie.  "Wien,  C.  Gerolds  Sohn,  1889,  S.  55,  verteidigt  mit  Erfolg 
die  Lesart  der  Hds.  Xatvtp,  indem  er  ähnliche  Stellen  sammelt;  tacpoc 
ist  hier  =  (jdqXtj. 

129,  2.  H.  Stadtmüller  vermutet  C^vit  ireuopLcpe  st.  C'uvx' 
ötJTeSwxe,  was  mir  nicht  nötig  zu  sein  scheint.  Epigr.  128  und  129 
schreibt  die  Überlieferung  dem  Simonides  zu;  E.  A.  Junghahu  und 
G.  Kaibel  sprechen  sie  ihm  ab.  Th.  Preger  1.  1.  S.  203  flg.  tritt  ihnen 
bei,  da  das  Zeugnis  der  Gewährsmänner  unglaubwürdig  sei;  er  glaubt, 
dafs  die  zwei  Epigramme  später  in  Erinnerung  an  das  ursprüngliche 
Epigramm  gemacht  seien.  Ich  finde  in  ihnen  nichts,  was  gegen  Sirao- 
nides  spreche,  und  halte  daher  an  der  Überlieferung  fest. 

132.  Neuerdings  wurde  wieder  ein  Marmorfragment  mit  dieser 
Inschrift  aufgefunden,  dessen  Schriftzüge  auf  das  Ende  des  6.  Jahrh. 
V.  Chr.  hinweisen;  die  Ordnung  der  Verse  ist  3.  2.  1.  4,  vgl.  A.  Kirch- 
hoff, Sitzungsber.  der  Berl.  Akad.  1887  S.  111  flg.  Hinsichtlich  des- 
Verf.  urteilt  E.  Uiller  1.  1.,  wie  über  104.  Th.  Preger  1.  1.  S.  59  flg. 
spricht  es  dem  Simonides  ab,  jedoch  ohne  Angabe  von  Gründen.  Unter 
Simonides'  Namen  ist  es  nicht  überliefert. 

134.  Th.  Preger  1.  1.  S.  53  weist  mit  Recht  E.  A.  Junghahu 
und  G.  Kaibel  zurück,  die  die  Verse  einer  späteren  Zeit  zuschreiben. 
Auch  er  spricht  sie  Simonides  ab,  teils  wegen  outoc,  teils  wegen  der 
Unzuverlässigkeit  des  Zeugnisses  der  Anthologie;  aber  vgl.  oben  zu  98. 


Griecbische  Lyriker.     (Sitzler.)  220 

Ein    innerer  Gnind    zur  Anzweifelung-  des  Zeugnisses    der  Anthologie 
liegt  nicht  vor. 

136  hält  Th.  Preger  1.  1.  für  vollständig,  indem  er  daran  er- 
innert, dafs  in  einem  Weihepigramm  das  Verbum  des  Weihens  auch 
vollständig  fehlen  könne. 

137,  1.  U.  V.  Wilamowitz  -  MöUendorff  commentariolum 
gramraat.  IV.  Ind.  lect.  Göttingen  1889/90.  S.  1  flg.  empfiehlt  mit 
Hecht  (J^ysfxaywv  als  Gegensatz  zu  dem  folg.  xo^ocpopoutv  Mr]«5oic.  — 
Th.  Preger  1.  1.  S.  54  flg.  schreibt  TioXtaxav  st.  iroXtYjrav.  V.  2  verlangt 
U.  V.  Wilamowitz -MöUendorff  estadsv,  was  Th.  Bergk  schrieb,  in  dem 
Sinne  von  „accedere  iussae  sunt".  Im  Gegensatz  nämlich  zu  Th.  Preger 
de  epigrammatis  Graecis  meletemata.  Diss.  iuaug.  München  1890. 
S.  10  flg.  versteht  er  unter  dioz  (V.  1)  Sklavinnen  der  Aphrodite,  die 
aufser  ihrer  sonstigen  Beschäftigung  dem  Opfer  und  den  feierlichen 
Handlungen  anwohnen  mnfsten;  diese  hätten  während  der  Perserkriege 
Aphrodite  um  Hilfe  angefleht,  und  zur  Erinnerung  hätten  dann  die 
Korinthier  nach  dem  Sieg  bei  Platää  das  Gemälde  mit  dem  Epigramm 
g'eweiht;  die  Überschrift  habe  gelautet:  KopivOtot  'Acppooira  su/av. 
Dagegen  wendet  Th.  Preger  inscriptiones  S.  55  flg.  mit  Recht  ein,  dafs 
Theopompos  nicht  sage,  die  Korinthier  hätten  das  Bild  geweiht;  dies 
stehe  nur  bei  Chamaeleon ;  auch  sei  es  nicht  Sitte  gewesen,  die  Weihenden 
im  5.  Jahrh.  v.  Chr.  aufserhalb  des  Epigramms  in  Prosa  anzugeben. 
Daher  schreibt  er  mit  Theopomp  saraffav,  akt.  Aorist,  vgl.  Homer  M  56. 
7  182.  a  307.  Anthol.  Pal.  IX  708  G.  Meyer  gr.  Gr.^  §  42.  Unter 
-atSs  (V.  1)  versteht  er,  wie  man  dies  auch  sonst  that,  korinthische 
Frauen,  welche  infolge  eines  Gelübdes  der  Aphrodite,  die  ihr  Vaterland 
geschützt  hatte,  dieses  Weihegeschenk  setzten;  ai^Ss  war  durch  Anführung 
der  Namen  am  Schlufse  des  Epigramms  erklärt.  —  oatjxovta  hält 
TJ.  V.  Wilamowitz-Möllendorff  für  Adverb.  ^=  auv  8at[xovt  coli.  Pind. 
Ol.  IX  110  und  schol.  BI  ad  Homer  B  367;  so,  glaubt  er,  wird  der 
i?lusammenhang  zwischen  dem  1.  und  2.  Distichon  hergestellt:  nicht 
ohne  die  Götter;  denn  Aphrodite  Avollte  Griechenland  nicht  verraten. 
Th.  Preger  bezieht  oii^ovw.  auf  Kuupiöi,  obwohl  er  kein  anderes  Beispiel 
für  diese  Verbindung  kennt,  H.  Stadtmüller  Berl.  phil.  Wochenschr. 
1890.  S.  302  schlägt  xot|i.[xoviav  vor.  —  V.  3.  IT.  v.  Wilamowitz- 
Möllendorff  vermutet  st.  l\irp'xzo  ein  korinthisches  Wort,  etwa  eSi^Xsto 
oder  ISstXeTo;  denn  [X7]OE(j9ai  werde  nicht  mit  dem  Infinitiv  verbunden, 
«.ufser  Pind.  ol.  I,  30,  wo  der  Infinitiv  auch  fehlen  könnte. 

138.  Th.  Preger  1.  1.  S.  72  flg.  weist  darauf  hin.  dafs  auf  dem 
noch  erhaltenen  Denkmal  keine  Spuren  von  der  überlieferten  Tilgung 
der  Inschrift  sich  zeigen;  diese  müsse  also  an  einer  anderen  Stelle  des 
Dreifufses,    wie  die  spätere,    angebracht  gewesen  sein  oder,    was  noch 


2oO  Griechische  Lyriker.     (Sitzler.) 

walii'scheinlicher  sei,  auf  der  Marmorbasis.     Die  Abfassung  durch  Siuu»- 
iiides  verteidigt  er  mit  Recht  gegen  G.  Kaibel. 

139.  Th.  Preger  1.  1.  kommt  nach  sorgfältiger  Prüfung  der 
versclüedenen  Ansichten  zu  dem  Resultat,  dafs  sich  Diodoros  in  seiner 
Angabe  geirrt  liabe,  und  dal's  das  Epigramm  auf  einem  anderen  Weihe- 
geschenk gestanden  sei,  vgl.  S.  74  flg.  Mit  Simonides,  dem  es  auch 
die  Überlieferung  nicht  zuschreibt,  hat  es  nichts  zu  thun. 

140.  Th.  Preger  1.  1.  S.  65  widerlegt  G.  Kaibels  Einwände 
gegen  das  Epigramm,  wie  vor  ihm  schon  Th.  Bergk,  und  räumt  ein, 
dal's  das  Gedicht  von  Simonides  sein  könne,  wenn  es  auch  nur  durch 
die  Anthologie  bezeugt  werde.     Ebenso  urteilt  er  über  die  Abfassung  voa 

141,  zu  dessen  V.  4  er  bemerkt:  ^^kgiu^us  apud  Diodor.  Sic.  II,  2G 
Carthaginienses  Damaretae  reginae  coronam  auream  donasse,  quod  eos 
in  pace  facienda  adiuvisset.  Hac  igitur  corona  putamus  praedam,  quae 
ex  toto  hello  tyrannis  affluxit,  auctam  et  ex  ea  aucta  decimam,  ut 
fieri  solebat,  deis  destinatam  esse:  unde  et  alia  donaria  deis  collocata 
sunt  et  ex  decima  rursus  eius  decimae  particula  ApoUini  Delphico 
donum  positum  est,  aureus  scilicet  de  quo  agitur  tripus;  ad  hunc  con- 
ficiendum  pars  auri  a  Damareta  praedae  adiecti  consumebatur".  — 
V.  5.  H.  Stadtmüller  vermutet  SixsXtjv  st.  -oXXrjv,  wie  mir  scheint, 
olineNot;  recht  ansprechend  schlägt  Th.  Preger  Tiaplayov  st.  rapax/eiv 
vor.  Gegen  Th.  Bergk,  der  am  letzten  Distichon  Anstols  nahm,  be- 
merkt der  letztere  1.  1.  S.  72  mit  Recht,  dafs  die  Karthager  nach 
Ephoros  und  Tiraäos  im  Bunde  mit  den  Persern  standen,  dal's  alsa 
Simonides  von  den  Sikulern,  die  die  Karthager  bekämpften,  ebensogut 
sagen  konnte,  sie  hätten  den  Griechen  geholfen,  wie  Pindar  von  Hieron 
'E'fjAo    £;£Xx£iv  ßapsta^  SouXsia;,  Vgl.   ol.  I,   75. 

142.  E.  Hill  er  Philol.  1.  1.  macht  darauf  aufmerksam,  dafs  der 
.\ristides-8choliast  in  der  Angabe  des  Verfassers  zwar  mit  Anthol. 
Pal.  VII  296  übereinstimme,  in  den  Lesarten  aber  mit  Aristides; 
zur  Erklärung  dieser  Thatsache  nimmt  er  an,  dafs  der  Scholiast  seinen 
Text  mit  dem  des  interpretierten  Autors  habe  übereinstimmen  lassen 
wollen.  Das  Epigramm  ist  nach  ihm  weder  simouideisch,  noch  überhaupt 
gleichzeitig;  vgl.  auch  Th.  Preger  1.  1.  S.  213  flg. 

146.  Th.  Preger  inscriptiones  proleg. S.XIV  bezeichnet  Th.Bergks 
Annahme,  dal's  dieses  Distichon  einem  Epigramm  entnommen  und  mit  14.^ 
zu  verbinden  sei,  mit  Recht  als  unwahrscheinlich;  er  möchte  es  lieber 
mit  Schneidewin  einer  Elegie  zuweisen. 

157.  Th.  Preger  1.  1.  S.  87  flg.  glaubt,  dafs  der  Anfang  des 
Gedichts,  also  das  I.Distichon  verloren  ist,  in  dem  der  Name  des  Weihenden 
stand,   etwa:  o  osTva  .  .  .  |  xa'XXtSTOv  -avTojv  avOex  ET:eu$ap.evoj  |  'ApTe[xiooc 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)  231 

v-X.  —  V.  3  schreibt  er  ar/.r,T(Ji)c  o  ettoitjtsv,  4:  Nof^'o;  'ApxsjiXetoj, 
Na;toc  mit  M.  Schmidt.     An  der  Abfassung-  durch  Simonides  hält  er  fest. 

160,  2.  Th.  Preger  schreibt  mit  Recht  TcspilojxsvYjv  st.  rsp&o- 
lj.£vav;  derselbe  tritt  S.  202  %.  für  die  Abfassung-  von  169  durch 
Simonides  ein,  indem  er  die  Ansicht  derer  zurückweist,  die  glauben,  im 
5.  Jahrh.  v.  Chr.  habe  man  überhaupt  noch  keine  Spottepigramme 
gedichtet. 

172.  Th.  Preger  1.  1.  S.  226  hält  es  mit  Recht  für  unwahr- 
scheinlich,   dafs    dieses  Rätsel  auf  einem  Weihegeschenk  gestanden  sei. 

185  B.  Th.  Preger  1.  1.  S.  229  kann  Th.  Bergk  nicht  bei- 
stimmen, der  die  Ansicht  aussprach,  dafs  diese  beiden  Verse  der  Anfang 
eines  gröfseren  Gedichts  seien,  in  dem  der  Sturz  des  Kolosses  von 
Rhodos  geschildert  worden  wäre;  mir  erscheint  Bergks  Ansicht  nicht 
unwahrscheinlich. 

Das  Epigramm  apEa(j,£vor  itpSto'.  xxX.  S.  515  weist  Th.  Preger  1.  1. 
S.  6]  flg.,  wie  es  scheint,  mit  Recht  dem  früheren  von  Themistokles 
begonnenen  Mauerbau  zu,  indem  er  die  entgegenstehenden  Ansichten 
der  Gelehrten  zu  widerlegen  sucht.  —  In  den  Epigrammen  auf  Kimon 
S.  518  sclilägt  Deheque  bei  Cougny  epigrammatum  Anthol.  Palat.  III 
294  in  EpS.  igr.  U,  4  «[xcpl  ra-pa;  st.  apitpi  -spl  vor;  recht  ansprechend. 

Timokreon. 

8,  1.  G.  S.  Farnell  in  seiner  Ausgabe  der  Meliker  vermutet: 
|jL7)  'ut  7?],  fiT]-'  £v  öaXasjcTTj  x-X.;  wenn  zu  ändern  ist,  würde  ich  fjLV]07.[j.v^ 
vorziehen,  das  in  f^aXajsa  und  f^Trstpo?  zerlegt  werden  kann. 

Pratinas. 

Er.  Blafs  N.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Päd.  137.  Bd.  (1888)  S.  663—664 
weist  darauf  hin,  dafs  Pratinas  kein  Lyriker  war:  das  1.  Fragment, 
das  als  uTr(5p-/Y)fxa  bezeichnet  werde,  gehöre  einem  Satyrdraraa  an,  eine 
Ansicht,  die  schon  0.  Müller  Kl.  Schriften  I  S.  519  aussprach,  und 
bilde  den  Anfang  desselben,  wie  Inhalt  und  Versmafs  zeigen.  Das- 
selbe gelte  auch  von  den  anderen  Stücken. 

Phrjnichos. 

3.  Th.  Preger  inscriptiones  proleg.  S.  XIII  weist  die  Verse 
mit  Recht  einer  Elegie  zu;  unrichtig  ist  es  aber,  wenn  er  beifügt,  dafs 
dies  schon  Th.  Bergk  UI^  561  gethan  habe. 

Bakchylides. 

J.  della  Giovauna  Rivista  di  Filologia  XVI  (1888)  S.  465— 503 
giebt  eine  schön  geschriebene  Übersicht  über  Leben  und  Gedichte  des 
Bakchylides,  ohne  jedoch  etwas  Neues  beizubringen. 


232  Griechische  Lyriker.    (Sitzler.) 

3,  2.  G.  S.  Farn  eil  1.  1.  vermutet  suxaipwc  st  sv  xaipol;  ich 
sehe  nicht  ein,  was  dadurch  gebessert  ist. 

29  will  J.  della  Giovanna  1.  1.  dem  Ibykos  zuweisen,  indem 
er  eine  Verschreibung  von  wc  ''Il^üxoc  in  6  Xupixo;  annimmt.  Dagegen 
scheint  mir  der  ganze  Charakter  der  Sprache  und  des  Metrums  ent- 
schieden zu  sprechen. 

Melanippides. 

1,  5.  E.  Hiller  in  seiner  Ausgabe  schreibt  gut:  TepTr6|X£vai, 
<7ioXXaxi  o'>  tepoSaxpuv  xxX.  —  3,  1  vermutet  derselbe  ansprechend: 
xaXeixat  6'  <:ap'>  Iv  xoXuoia'.  7. 

Philoxenos. 

R.  Schmer  tisch,  De  fragmento  quodam  Philoxeni  neglecto,  in 
Commentationes  philologae  quibus  Ottoni  Ribbeckio  .  .  .  congratulantur 
discipuli  Lipsienses.  Leipzig,  B.  G.  Teubner.  1888.  S.  525  —  527 
meint,  die  von  Plutarch  im  Anfang  der  Schrift  de  audiendis  poetis 
citierten  Worte  des  Philoxenos  seien  einem  Gedicht  entnommen,  das 
der  Gattung  der  aöupfj-axa  (vgl.  3,  23)  angehört  habe;  die  Worte  xuiv 
xpe(i)v  xa  |xrj  xpe'  aStcjx'  saxl  xat  xwv  ly&ucuv  büden  einen  katalektischen 
trochäischen  Tetrameter,  die  folgenden  01  |xt)  ij^&uec  beginnen  einen 
daktylischen  Vers;  der  Hiatus  sei  durch  Homers  Vorgang  entschuldigt, 
vgl.  1  193.  0  536.  Das  letzte  wird  man  dem  Verf.  nicht  glauben, 
und  auch  ein  reiner  trochäischer  Tetrameter  ist  bei  Philoxenos  auf- 
fallend, dagegen  gebe  ich  dem  Verf.  zu,  dafs  die  Worte  des  Philoxenos 
einem  Gedicht  entnommen  sind;  ob  aber  in  genauem  Anschlufs  oder 
frei,  läfst  sich  nicht  entscheiden.  Ist  das  erster e  der  Fall,  so  kann 
man  lesen:  xuiv  xpetJüv  xa  [xt]  xpe'  aStJxa  xat  xcüv  lyöuouv  ot  |xtj  ly&tSe;, 
die  zwei  letzten  Worte  mit  Synizesis. 

Timotheos. 

10.  G.  S.  Farneil  streicht  0'  nach  'EXXa's,  bezw.  nach  ypusov; 
wohl  mit  Recht. 

12,  1  schreibt  derselbe  des  Metrums  wegen  otow  st.  deiou).  — 
2.  E.  Hill  er  in  seiner  Ausgabe  schreibt:  xal  xa  <xaiva>  -/ap  a|xa 
xpeiaacu  st.  xaivä  -/ap  ai^a  xpetaatu,  wo  Th.  Bergk  a|xa  in  [xa'Xa  verwandelt. 
Mir  ist  xai  a\La.  unverständlich;  auch  scheint  mir  die  Änderung  nicht 
in  der  Überlieferung  begründet  zu  sein,  da  xat  xa  oifenbar  nur  aus 
xatva  verschrieben  ist. 

13,  0  vermutet  G.  S.  Farne  11  des  Metrums  wegen  h/ppoXia  st. 
lyppoXi.  —  15,   1  schreibt  E.  Hiller  1.  1.  gut  00'   6  r-epioxo;  st.  0'  o. 


Griechische  Lyriker.     (Sitzler.)  233 

Simias  Rliodios. 

Hephäst,  c.  13^  fr.  4  in  Tli.  Bergks  Anthol.  lyrica  schlägt 
U.  V.  Wilamowitz -Möllendorff  Commentar.  graminat.  IV.  Ind. 
lect.  Gröttingen  1889/90.  S.  27  vor  [xatsp  <i)  ro^tia  st.  uoTvia,  da  weder 
die  Länge  des  a  vor  xX,  noch  das  epische  Epitheton  rorvta  bei  unserem 
Dichter  am  Platze  sei. 

Mesomedes. 

C.  von  Jan,  Die  Handschriften  der  Hymnen  des  Meso- 
medes. N.  Jahrb.  f.  Philol.  u.  Päd.  141.  Bd.  (1890).  S.  679— 688. 
Der  Verf.  konnte  einige  der  von  Fr.  Bellermann  benutzten  Hds. 
persönlich  einsehen  und  noch  einige  weitere  Quellen  dazu  benutzen, 
und  so  ist  er  in  der  Lage,  einige  Nachträge  zu  Fr.  Bellermanns  Aus- 
gabe zu  liefern.  Zunächst  weist  er  die  Richtigkeit  der  von  Th.  Bergk 
früher  ausgesprochenen,  aber  so  ziemlich  allseitig  zurückgewiesenen 
Vermutung  nach,  dafs  Dionj'sios  nicht  der  Verfasser  der  Hymnen,  sondern 
der  denselben  vorausgehenden  Abhandlung  sei.  Für  den  Dichter  aller 
drei  mit  Noten  versehenen  Hymnen  darf  man  den  Mesomedes  ansehen. 
Vgl.  auch  0.  Crusius  Philol.  50  (1891)  S.  172  Anm.  15.  Dann  wendet 
sich  der  Verf.  der  Untersuchung  der  Hds.  zu;  er  zeigt,  dals  cod.  Lugd. 
und  Hamb.  aus  Paris.  1  (2532)  stammen,  Paris.  1  aber  ebenso  wie 
Paris.  2  (2458)  aus  dem  Monac.  215,  dafs  endlich  der  Monac.  auf  Ven. 
«iarc.  VI  10  zurückgeht,  aus  dem  sich  auch  Neap.  2  (259)  herleitet, 
von  dem  wieder  der  Mut.  abhängt.  Die  diplomatische  Grundlage  der 
Hymnen  bilden  also  Venet.  und  Neap.  1 ;  daraus  ergiebt  sich  für  den 
Verf.  die  Notwendigkeit,  1,  4.  1,  9  und  2,  11  rhythmisch  etwas  anders 
zu  gestalten,  als  es  Fr.  Bellermann  gethan  hat. 

Carmina  figurata. 

C.  Häberlin,  Epilegomena  ad  figurata  carmina  Graeca. 
Philolog.  49  (1890).     S.  271—284  und  649—661. 

Der  Verf.  teilt  zunächst  eine  neue  Vergleichung  des  cod.  Vatic. 
1I:>15  (m  bei  Chr.  Ziegler,  b  in  seiner  Ausgabe),  des  cod.  Vatic.  434 
(o  in  seiner  Ausgabe  und  des  cod.  Palat.  319  (mit  ß  bezeichnet,  aus 
b  abgeschrieben)  mit.  Daran  reiht  er  eine  Übersicht  über  das  hds. 
Material,  das  sich  seit  seiner  Ausgabe  neu  ergeben  hat,  sowie  über 
Erklärer  und  Herausgeber  dieser  Gedichte,  und  fügt  endlich  einiges  zu 
ihrer  Verbesserung  und  Erklärung  bei. 

Simiae  securis.  G.  Knaack  Hermes  25  (1890)  S.  85  weist 
darauf  hin,  dafs  der  Dichter  Lykophron  Alex.  948  nachahme. 

Simiae  ovum.  C.  Häberlin  1.  1.  vermutet  V.  17  -uxtvcotaTw 
St.  zouy.o-ra-ov,   das  U.  v.  "Wilamowitz-Mollendorff  in  jxuyotxaTO)  änderte, 


234  Griechische  Lyriker.     (Sitzler.) 

uiul  V.  18  dvsXsiv  st.  zlth,  Ulli  die  Gleichnüil-igkeit  des  Metrums  her- 
zustellen. 

Dosiadae  ara.  C.  Häherlin  1.  1.  glaubt,  dafs  iii^o'h  V.  2  auf 
Theokrits  Vaterstadt  Kos  anspiele. 

Besantiui  ara.  C.  Häb erlin  1.  1.  vermutet  V.  7  [xr^xe  'YapioZ: 
Tapcj6c  =-  'l'apTYiJcjo;.  —  Für  den  Verfasser  dieses  Gedichts  hält  er  einen 
gewissen  Vestinus.  Ein  ägyptischer  Hohepriester  dieses  Namens  wird 
GIG  5900  erwähnt,  ein  Sophist  bei  Suidas  s.  v.,  ein  BriaTetvoc 
CIG  3148,  10.  Auf  dt!n  Sophisten,  wohl  den  Sohn  des  Hohepriesters, 
mag  unser  Gedicht  zurückgehen.  Dieser  stammte  vielleicht  aus  Besä, 
das  130  n.  Chr.  Besantinoeia  genannt  wurde;  seit  dieser  Zeit  liiel'sen  die 
Bewohner  Br^zy.-^^hou     Dies  ist,  wie  man  sieht,  bis  jetzt  reine  Hypothese. 

Scolia. 

14  steht  Aristotelis  (?)  'Aflrjvaiiov  roXitsia  Kap.  19,  aber  auch 
hier  lautet  der  3.  Vers  öt-zaihuc  -t  -/.al  suTraxpiöa?.  A.  Y.  Tyrrell 
Classical  Review  1891,  S.  177  11g.  vermutet  recht  ansprechend  xs  xa^ 
eO^axptoäv.  Nicht  billigen  kann  ich,  was  J.  Bury  1.  1.  vorschlägt: 
a7ai)ol;  xaXoo;  s'j-axptoa?. 

1.5,  1.  A.  Fick  Beiträge  zur  Kunde  der  indogerm.  Sprachen 
XVII  (1891).  8.  177  flg.  schlägt  vor:  Ia  7a;  eypyi  xax'  <avöpa>  Fiotjv 
-Xoov,  um  den  Vers  zu  vervollständigen :  aber  ä'vopa  ist  wegen  des  folg. 
ä'  TIC  nicht  am  Platze. 

18,  2.  E.  Hiller  in  der  Praefatio  seiner  Ausgabe  vermutet,  dafs 
die  Worte  Aavaüiv  xal  'A/tXXea  vom  Schreiber  aus  Unachtsamkeit  aus 
17,  2  statt  der  echten  Worte  wiederholt  worden  seien. 

27  liest  man  Aristotelis  (?)  'Ai>T,vaiu)v  -oXixsia  Kap.  20,  wo  der 
2.  Vers  si  ypf,  xou  «7x1)01;  lautet,  wie  Porson  vermutete. 

28,  9.  E.  Hiller  in  seiner  Ausgabe  schreibt:  <:ai£t  aeßovxi  7:poa>- 
xuveovTi  xe  0.  xxX.  Von  aiei  ganz  abgesehen,  nehme  ich  auch  an  aeßovxt 
Anstofs;  denn  dieses  macht  70VU  TreuxT^üixe?  xxX.  zu  einem  selbständigen 
Satzglied,  während  es  doch  seiner  Bedeutung  nach  nur  die  Art  und 
Weise  des  folg.  irpo^xuveovxi  xxX.  ausdrücken  kann;  dagegen  steht  dem 
TTpoaxuveTv  das  cptuveiv  als  selbständiger  Begriff  entgegen.  Vergleicht 
man  Euripid.  suppl.  279:  dixcpnrixvousa  xo  oov  76VU,  so  kann  man  an 
unserer  Stelle  lesen:  ttgivxs;  76v'j  -ö~xr^Gixt<;  <aixcpi>  |  xou(jlov  <-/aiJLat  \xz 
irpo5>xoveuvO'  axe  o£3-oxav  j  xal  jAr^av  ßaatXvja  <pu)veovxi. 

Carmina  popularia. 

2  schliefst  E.  Hill  er  aus  seiner  Ausgabe  aus  im  Anschlufs  an 
E.  Maafs  Hermes  23  S.  303  flg.,  der  nachweist,  dafs  der  Scholiast  die 
letzten  Verse  auf  eigene  Faust  änderte,  da  ihm  seinen  eigenen  Worten 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)  23") 

nach  keine  andere  Quelle  vorgelegen  sei.  Es  ist  also  nur  ein  Epigramm, 
kein  Volkslied  auf  Lines  beglaubigt.  Vgl.  auch  Th.  Preger  inscriptiones 
S.  13%. 

3.  E.  Hiller  1.  1.  schlägt  vor:  'Ap-s|xt,  soi  \i  l~\  cpprjv  i'pi'ij.spov  i 
ujJLvov  ücpaive[xsvai  deo&sv  saauTai;  ich  nehme  au  [x  im  =  [loi  zui,  den  zwei 
Dativen  aoi  [j-oi  und  an  öeoösv  Anstols.  Daher  möchte  ich  lesen:  'A., 
Grjvf  fj  ^pi^v  [jiEu  icpi[x$pov  |  ujjlvov  utpaivsfievai  |xe[xov£v    <>.fj'uv">   xtX. 

15.  G.  S.  Farn  eil  in  seiner  Ausgabe  schreibt:  ßaXßiöi  -ooaj 
\)ixz  Ttotp  -ooa  Troöa,  was  wegen  des  doppelten  zooa  mifsfällt.  E.  Hiller  1. 1. 
vermutet:  ejrl  ßaXßiSo?  st.  ßaXßioa  zoSo?;  aber  auch  diese  Änderung  genügt 
nicht;  es  scheint  gelesen  werden  zu  müssen:  ßaXßiocov  imßaxe  Oevxe;  Tiooa 
.Tapa  rooa.  Da  dies  aber  nach  der  Überlieferung  die  stereotype  Auf- 
forderung der  Herolde  an  die  "Wettläufer  vor  Beginn  des  Laufes  ist,  so 
hat  es  mit  der  Poesie,  auch  der  Volkspoesie  nichts  zu  thun  und  ist 
daher  aus  der  Reihe  der  Fragmente  zu  streichen.  Dasselbe  gilt  von 
Fragm.  5  und  11. 

27.  Fr.  Haussen  American  Journal  of  Philology  IX  (1888), 
S.  457 — 460  schlägt  V.  2:  upiv  xa  \i.oXh,  V.  3:  [xy)  xaxov  jüiE^a  ttoiy^to;  ! 
(3£  xTjixe  xtX.,  V.  4:  d|xapa  x    t]8yi  vor. 

41,  G.  S.  Farneil  1.  1.  spricht  die  Vermutung  aus,  dafs  die 
Nachricht  des  Athenäos  und  Eustathios,  dasselbe  sei  im  Boedromion 
gesungen  worden,  auf  einer  Verwechslung  mit  der  Eiresione  beruhe,  und 
es  läfst  sich  nicht  in  Abrede  stellen,  dafs  das  Frühlingslied  allerdings 
in  den  Boedromion  nicht  passen  will. 

43.  U.  von  Wilamowitz-Möllendorff  Hermes  XXV  (1890), 
S.  225 — 7  weist  darauf  hin,  dafs  das  Liedchen  lange  Zeit  nach  der 
Tyrannis  des  Pittakos  gemacht  worden  sei.  Pittakos  sei  in  den  Ruf 
gekommen,  als  ob  er  in  der  Mühle  gearbeitet  habe,  weil  seine  hoch- 
adligen Feinde  ihm  seine  niedere  Herkunft  vorgeworfen  hätten,  und  es 
lasse  sich  auch  nicht  leugnen,  dafs  er  einen  thrakischen  Namen  führe. 
Das  Metrum  bestehe  von  xal  fap  x-X.  an  aus  Jonikern;  hinter  jxe-yaXa? 
sei  Katalexe  oder  Unterdrückung  einer  Länge.  Der  Anfang  sei  aXsi 
IxuX'  aX£i  zu  sprechen,  zwar  unsicher,  aber  doch  aus  der  gewöhnlichen 
Metrik  nicht  herausfallend. 

Päan  der  Chalkidier  auf  T.  Flaminius  Plut.  Flam.  Kap.  16. 
Gr.  S.  Farn  eil  1.  1.  schreibt  im  V.  2:  ixs^aXiioTotrav  st.  [xs^aXaXxcUTaTav. 
Ist  vielleicht  ixe^axXetscxa-av  zu  lesen,  das  die  Verderbnis  am  leichtesten 
erklären  würde? 

Fragmenta  adespota. 

6.  E.  Hiller  in  der  Praefatio  der  Anthologia  lyrica  bemerkt, 
,versum  proverbialem  ex  carmine  elegiaco  petitum  esse  fernere  statuit 
Bergk." 


236  Griechische  Lyriker.     (Sitzler:) 

8  A.  0.  Crusius  Phüologus  48  (1889),  S.  178—180  macht 
darauf  aufmerksam,  dafs  sich  der  Vers  aufser  bei  Polyb.  XV  16  auch 
bei  Suidas  s.  v.  i-'^olr^  findet.  Erasmus  Chiliad.  III  10,  94  (p.  671 
Bas.  1574)  schreibt  ihn  dem  Parömiographen  Zeuodotos,  d.  h.  Zenobios 
ZU;  Suidas  hat  die  von  Polybios  erwähnte  Trapot|xia  in  einer  Sprich- 
wörtersammlung nachgeschlagen  und  die  Erklärung  auszugsweise  abge- 
schrieben. Bei  Zenobios  stand  das  Sprichwort  nach  dem  Verf.  im 
2.  Buch  der  athoischen  Excerpte  unter  ttS'  und  tcs';  es  ist  einem  helle- 
nistischen Epigramm  auf  Hyllos  entnommen. 

11  B.  E.  Hiller  1.  1.  hält  das  Fragment  für  äufserst  unsicher; 
Th.  Bergk  habe  es  nach  dem  Vorgange  Cobets  aus  einer  sprichwört- 
lichen Redensart  gebildet. 

26  A.  E.  Hiller  1.  1.  vermutet  -ctjv  st.>  xat,  wofür  Th.  Bergk 
xaTcl  schrieb.  Meiner  Meinung  nach  ist  zu  lesen  entweder  v.a\  y.'r^o; 
cptüvrjv  tei's  •  ßau  3au  oder  „[Wj  [^au"   xuvoc  (pu>vT;v  Ute. 

39.    E.  Hill  er  1.  1.:  ,,in  heroicos  versus  redigendos  esse  existimo." 

114.  E.  Hill  er  1.  1.:  „verba  aut  a  metricis  ficta  aut,  id  quod 
statuit  Bergk,  ex  epigrammate  aliquo  petita  sunt."  Auch  121  hält  er 
für  das  Machwerk  eines  Metrikers,  und  vielleicht  auch  115  B  und  121. 

Einen  neuen  Pentameter  teilt  W.  Studemund  index  lect. 
Breslau  1889/90,  S.  29  aus  einem  grammaticus  anonyraus  des  cod.  0 
des  Theognis  mit:  eujsßeojv  [xaxapwv  sujjlsvecuv  ts  <piX(uv. 

Ein  neues  Fragment  eines  Hymnos  veröffentlicht  K.  Reitzeu stein 
iudex  Icct.  Rostock  1890/91  S.  9  aus  dem  cod.  Florent.  des  Etymologie. 
Magnum:  cieü  7ap  Etpr^vr)  (cod.  oicipY^vrj)  IloXuJ^oia  xal  avopajtv  r^moi  ai«ov 
(cod.  icuv)  riXvaixevT);  xat  ö^ps?  ava  Spupta  Trpr/JvovTat  oder  aeu  ^otp  oi  -^  -  — 
EtpT^vrj  xtX. 

0  Crusius,  Ein  Liederfragment  auf  einer  antiken  Sta- 
tueubasis.     Philologus  50  (1891).     S.  163—172. 

Das  Fragment  wurde  von  W.  M.  Ramsay  im  Bulletin  de  corre- 
spondancf  Hf'llenique  VII  (1883),  S.  277  zum  ersten  Mal  veröffentlicht, 
abgedruckt  von  E.  Cougny  Anthologia  Palat.  III,  S.  595  und  607.  Was 
den  Text  betrifft,  so  mufs  cpatvou  V.  1  die  Bedeutung  haben:  „sei  froh". 
Wenn  Ramsay  die  Inschrift  nicht  als  ,.quite  distinct"  bezeichnen  würde, 
würde  der  Verf.  (patopoö  empfehlen;  ich  sclilage  lat'vou  vor.  V.  3:  irpoc 
^Xi7ov  ist  gleich  dem  gewöhnlichen  Itc  ^Xi/ov,  und  xo  xsXo;  V.  4  erklärt 
0,  Crusius  richtig  mit  „den  Zoll".  Vom  metrischen  Gesichtspunkt  aus 
betrachtet,  stellen  die  4  Verse  nach  dem  Verf.  eine  abgeschlossene  vier- 
gliedrige  iambisch-logaödische  uspiooo;  vor.  In  den  kleinen  Buchstaben, 
die  zwischen  den  Zeilen  über  den  einzelnen  Silben  stehen,  erkennt 
0.  Crusius  mit  Recht  Musiknoten;  er  findet  darin  eine  Bestätigung  der 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)  237 

Regel,  (lafs  eine  lauge  Silbe  entweder  mehrere  Noten  oder  eine^Note 
mit  dem  Dehnungszeichen  haben  muls.  Zum  Beweise  dafür,  dals  die 
Alten  die  Texte  ihrer  melischen  Dichter  mit  darüber  geschriebenen 
Gesangsnoten  besafsen,  führt  der  Verf.  Dionys.  de  comp.  verb.  11  an 
und  weist  auf  die  Hymnen  des  Mesomedes  hin.  Vgl.  dazu  den  Nach- 
trag, den  0.  Crusius  ebenda  S.  576  giebt. 

IV.    Bukoliker. 

E.  Hiller,  Beiträge  zur  Textgeschichte  der  griechischen 
Bukoliker.     Leipzig,  B.  G.  Teubner,  1888.     132  S.     8. 

Der  Verf.  untersucht  die  hds.  Überlieferung  folgender  Gedichte: 
'HpaxX%  XeovT096vo;  (Th.  XXV),  Me-^apa  (M.  IV),  'E^xcjfJLiov  tU  UzoXz- 
[xaiov  (Th.  XVII),  'Enixa^tos-  Bimvo,-  (M.  lU),  Aioaxoupot  (Th.  XXII), 
'Ertf}aXaixio?'EX£vy]c  (Th.  XVIH),  BouxoXwxoc  (Th.  XX),  'AXicT;  (Th.  XXI), 
'Eptoc  Spa-STTj?  (M.  I),  KvjpioxXeiTTY]?  (Th.  XIX),  'Aocovtoo?  emTa'pto?  (B.  I), 
£1?  vsxpov  ^A^cuviv,  'EpajTT^c  (Th.  XXIII),  'Eiti9aXa|xto?  'A^iXXecuc  xal 
.Ar,toa{jLiac  (B.  II).  Auf  Gi'und  einer  sorgfältigen  Untersuchung  und 
Vergleichung  der  Codices,  in  denen  diese  Gedichte  erhalten  sind,  sucht 
er  die  Lesarten  des  Archetypus  festzustellen,  und  in  dieser  Form  läfst 
er  die  betreffenden  Gedichte  am  Schlüsse  seiner  Untersuchung  abdrucken. 

Ph.  Tribukait,  De  proverbiis  vulgaribusque  aliis  locu- 
tionibus  apud  bucolicos  Graecos  obviis.  Diss.  inaug.  Königs- 
berg 1889.     60  S.     8. 

Das  1.  Kap.  handelt  de  sententiis  proverbialibus,  das  2.  de  pro- 
verbiis aliisque  locutionibus  ex  usu  vitae  communis  petitis  und  umfafst 

1.  metaphorae    ab    animalium  rerumque  inanimarum  natura  profectae, 

2.  metaphorae  a  gentium  hominumque  singulorum  natura  et  indole  de- 
promptae,  3.  proverbia  a  fabulis  quibusdam  historiisque  sumpta,  und 
4.  proverbia  ex  communi  hominum  vita  occupationibusque  cotidianis 
exorta.  Die  Sammlung  des  Materials  ist  fleifsig,  geht  aber  mitunter  in 
der  Annahme  von  Sprichwörtern  und  Sentenzen  zu  weit;  die  Verarbeitung 
desselben  zeigt  weder  bei  Theokrit,  noch  bei  den  Parmömiographen  die 
wünschenswerte  Bekanntschaft  mit  dem  Stand  der  heutigen  Forschung. 
Etwas  zu  streng  urteüt  über  die  Arbeit  0.  Crusius  Wochenschrift  f. 
klass.  Philol.  1890,  No.  16,  S.  433  flg. 

Theocritus,  Bion  and  Moschus  rendered  into  English  prose 
with  introductory  essay  by  A.  Lang.     London,  Macmillan,  1890. 

Theokritos. 

H.  Traut,  Quaestionum  Theocritearum  pars  prior.  29  S., 
particalall.  24  S.,  pars  tertia.  23  S.  4.  Progr.  Krotoschiu.  1888—1890. 


238  Griechische  Lyriker.     (Sitzler.) 

Die  Arbeit  zeigt  grolsen  Fleiis,  ist  aber  öfter  zu  breit,  da  auch 
bekuunte  und  wohl  allgemein  feststehende  Thatsachen  ausführlich  be- 
handelt werden.  Der  1.  Abschnitt  handelt  de  nomine  Theocriti;  der 
Verf.  vertritt  die  Ansicht,  dai's  die  bekannte  Stelle  in  der  Vita  Theocriti: 
xaxot  ';oüv  Tivotj  Moayo?  xaXou|j.£vo?  Bsoxpito;  ustspov  (i)vo|xaa9T)  zu  deuten 
sei:  Moschos  erhielt  später  den  Beinamen  Theokritos;  dieser  sei  ihm 
ehrenhalber  gegeben  worden.  Darin  stimme  ich  dem  Verf.  bei.  Den 
Beinamen  Theokrits  Simichidas  führt  er  im  2.  Abschnitt,  der  de  geüere 
Theocriti  spricht,  darauf  zurück,  dafs  Theokrits  Geschlecht  von  einem 
gewissen  Simichos  abstamme;  auch  sein  Vater  Praxagoras  und  Grofs- 
vater  Perikles  hätten  diesen  Namen  geführt.  Für  unwahrscheinlick 
halte  ich  die  von  F.  Hertens  Wochenschrift  f.  klass.  Philol.  1889, 
No.  49,  S.  1336  flg.  ausgesprochene  Vermutung,  dafs  Simichidas  nur 
auf  einer  Verwechslung  mit  Sikelidas  beruhe :  so  habe  sich  nämlich  der 
Dichter  nach  seiner  sikelischen  Heimat  genannt.  Dagegen  halte  ich 
mit  F.  Mertens  au  Sizilien  als  Heimatland  unseres  Dichters  fest,  während 
sich  H.  Traut  für  Kos  entscheidet.  Im  3.  Abschnitt  de  temporibus  et 
carminibus  Theocriti  setzt  der  Verf.  des  Dichters  Leben  auf  308 — 245 
fest.  Was  aber  das  Todesjahr  betrifft,  so  bemerkt  F.  Mertens  I.  1.  mit 
Recht,  dafs  sich  aus  Ovid.  Ibis  551  flg.  und  55— Gl  nichts  für  Theokrit 
folgern  lasse,  da  der  hier  erwähnte  Syracosius  poeta  nach  allgemeiner 
Annahme  Empedokles  sei,  und  es  sich  nicht  beweisen  lasse,  dafs  der 
Tod  des  Theokrit  schon  vor  dem  Streite  zwischen  Kallimachos  und 
ApoUonios  Rhodios  eingetreten  sei.  Nach  den  Ausführungen  A.  Gerckes 
in  den  alexandrinischen  Studien  Rhein.  Museum  44  (1889),  S.  127  flg. 
beteiligte  sich  Theokrit  im  Gegenteil  sehr  lebhaft  an  dem  Streite,  und 
wenn  der  Verf.  auch  in  Einzellieiteii  zu  weit  geht,  so  wird  sich  doch 
«ein  Resultat  im  Ganzen  kaum  aufechten  lassen. 

In  der  2.  Abhandlung  spricht  der  Verf.  kurz  über  Echtheit  und 
Unechtheit  Theokritischer  Gedichte  und  geht  dann  zu  ausführlicherer 
Behandlung  des  7.  Idylls  über.  Darauf  werde  ich  bei  der  Besprechung 
der  einzelnen  Gedichte  zurückkommen;  ebenso  auf  das,  was  er  in  der 
3.  Abhandlung  über  Idyll  XVI.  XIV.  XVII  sagt.  Hier  will  ich  nur 
noch  erwähnen,  dafs  er  Abh.  III  S.  3—10  über  die  Sage  von  Daphnis 
luandelt.  E)-  hält  die  Gestalt,  in  der  sie  im  1.  Idyll  erscheint,  für  die 
ursprüngliche  und  weist  darauf,  hin,  dals  Daphnis  und  Komatas  bei 
Theokiit  verschiedene  Personen  sind. 

J.  Denis  Bulletin  raensuel  de  la  Facult6  des  Lettres  de  Caen. 
1889.  No.  5  handelt  über  das  dramatische  Talent  Theokrits.  Die 
Zeitschrift  stand  .mir  nicht  zur  Verfügung. 

1  schreibt  H.  Traut  II  S.  9  der  vierten  Periode  zu,  jenen  Ge- 
dichten,   die  nicht  nur  in  Sizilien,    sondern  auch  in  Italien  entstanden. 


Griccliisclie  Lyriker.     (Sitzler.)  230 

—  A.  Gercke  1,  1.  S.  142  will  in  der  Schilderung  des  kunstvollen 
Bechers  V.  27  flg.  ein  Gegenstück  zu  der  von  Apollon.  Ehod.  Argon. 
I,  721  flg.  sich  findenden  Beschreibung  des  Gewandes,  welches  Athene 
dem  Jason  geschenkt  hat,  erkennen,  meiner  Meinung  nach  ohne  P'e- 
rechtigang;  derartige  Schilderungen  sind  seit  Homer  und  Hesiod  üblich. 

—  V.  85:  5  ouasptu?  xic  «"fav  xal  dt[j.T^yavo;  isai  erklärt  H.  Traut  III 
8.  7:  bubulcum  nominari  „consilii  inopem",  qui  amoris  desiderio  percat 
et  tameu  a  puella  araata  requiratur,  et  „tardum  in  amore". 

2  gehört  nach  H.  Traut  II  S.  9  zu  den  Gedichten  der  dritten 
Periode,  die  in  Alexaudria  bis  zum  J.  248  entstanden.  —  V.  20  ver- 
mutet G.  Knaack  Hermes  25  (1890).  S.  89:  ^  pa  -^s  -pl;  [xujapa  st. 
Tj  pa  ■;£  Tou  Mir  scheint  toi  nicht  nur  möglich,  sondern  an  unserer  Stelle 
sogar  recht  passend;  -rpis  findet  sich  so  bei  Theokrit  nicht, 

3  weist  H.  Traut  1.  1.  den  Gedichten  der  vierten  Periode  zu; 
ebenso  4. 

4,  11.  C.  Häberlin  Phüologus  49.  (1890).  S.  181  — 182  schlägt, 
vor :  TTsijai  -A  oTv  MiXujv  xax  Tui  Xuxco  auxi'xa  ?.uaaf,v ;  wohl  richtig.  — 
It.  Knaack  1.  1.  S.  84  macht  darauf  aufmerksam,  dafs  Theokrit  Vv.  30  flg. 
in  geschickter  Weise  das  verwendet,  was  der  milesische  Dichter  Pyrrhos 
über  Appetit  und  Stärke  seines  Landsmannes  Astyanax  gesungen  hatte. 

5  rechnet  H.  Traut  1.  1.  zu  den  Gedichten  der  vierten  Periode, 
während  es  A.  Gercke  1.  1.  S.  257,  allerdings  zweifelnd,  in  das 
J.  274/3  setzt.  Aufserdem  bezieht  der  letztere  dieses  Idyll,  den  Wett- 
kampf zwischen  dem  älteren  selbstbewul'sten  Komatas  und  seinem  un- 
dankbaren Schüler  Lakon,  auf  den  Streit  zwischen  Kallimachos  und 
ApoUonios. 

6  ist  nach  H.  Traut  II  S.  8  in  der  ersten  Periode  der  dichte- 
rischen Thätigkeit  Theokrits  auf  Kos  entstanden. 

7  setzt  H.  Traut  n  S.  9  flg.  in  das  J.  280;  A.  Gercke  1.  1 
»S.  257  glaubt,  dafs  das  Gedicht  für  den  Streit  zwischen  Kallimacho.s 
und  ApoUonios  gedichtet  worden  sei,  und  verlegt  es  in  das  J.  276/5. 
Ähnlich  spricht  sich  F.  Hertens  Wochenschrift  f.  klass.  Phil.  1889. 
No.  49  S,  1338  flg.  aus.  Über  die  Örtlichkeit,  wo  die  Szene  spielt, 
spricht  St.  K.  Pantelides  ftsoxpi-ou  siapivY)  oöoi-opia  ßeC-Jaiouixs'vT,  1% 
iT:i7pa'fü)v  avsxooTwv  Bulletin  de  correspoudance  hellenique  XIV  3.  4. 
S.  292—300.  Der  Verf.  bespricht  die  von  W.  R.  Paton  Classical 
Review  11  p.  265  veröffentlichten  Inschriften,  vgl.  vorigen  Jahresbericht 
LIV.  1888.  S,  188  flg.  Über  die  in  dem  Gedicht  auftretenden  Personen 
handelt  C.  Häberlin  Philologus  49  (1890).  S.  649  flg.:  er  hält  au 
seinen  früher  geäufserten  Ansichten  fest,  nur  dafs  er.  jetzt  in  Lykidas 
mit  Hecker  und  U.  von  Wilamowitz-Möllendortf  den  Dosiades  von  Kreta  - 
erkennt,, vorausgesetzt,  dafs  der  im  Scholion  zu  V.  78  erwähnte  Lyko.s 


240  Griechische  Lyriker.    (Sitzler.) 

von  Rhegium  ist  uud  nicht  Lucius  Tarrhaeus.  A.  Gercke  1.  L 
8.  145  will  in  Lykidas  Kallimachos  erkennen;  mit  Kydonia  kann  nach 
ihm  nicht  nur  der  libysche  Ort  dieses  Namens  gemeint  sein,  sondern 
auch  die  wegen  einer  heifsen  Quelle  von  Plin.  II  103  ('106).  V  31  (39) 
i^rwiihnte  Insel  Kydonia  vor  Lesbos.  H.  Traut  1.  1.  ist  der  Ansicht, 
dafs  unter  Tityros,  dem  Lykopiten  und  Archarner  keine  bestimmten 
Personen  gemeint  seien.  Aristis  stehe  für  Aristias  und  sei  der  Name 
eines  jüngeren  Preundes  des  Theokrit,  der  wegen  der  Gleichheit  der 
Bestrebungen  nach  dem  bekannten  Tragiker  genannt  sei.  F.  Hertens 
1.  1.  will  in  Aristis  den  Nikias  finden. 

V.  11.  K.  TümpelRhein.  Museum  46  (1891)  S.  541  flg.  spricht 
über  den  Poseidon -Brasilas  von  Kos.  BpajiXa;  =  (jsicjt'yöujv  „Pelszer- 
schmetterer,  Erderschütterer"  ist  nach  ihm  ein  Beiname  des  Poseidon 
auf  Kos;  das  saixa  BpajO.a  ein  Denkmal,  das  die  kölschen  Adelsge- 
schlechter wegen  ihres  Sieges  über  das  Volk  errichtet  haben,  indem 
sie  BpaatXa;  in  dem  Sinne  von  „Volkszersclimetterer"  fafsten.  Der 
Verf.  vermutet,  dafs  dieses  Denkmal  durch  die  Diadochen  von  Kos  nach 
Athen  gebracht  worden  sei,  wo  es  Pausanias  (I  2,  4)  gesehen  habe. 
Ähnlich  spricht  sich  der  Verf.  PhUologus  50  (1891)  S.  621  flg.  aus. 
Dagegen  wendet  sich  A.  Gercke  Göttinger  Anzeigen  1891  S.  983  flg.,, 
der  darauf  hinweist,  dafs  Brasilas  kein  Gott,  sondern  ein  Mensch  sei, 
der  mit  dem  Demeter-  und  Poseidonkult  nichts  zu  thun  habe.  Die  Er- 
klärung des  Namens  sei  und  bleibe  unsicher.  Ferner  erwähne  Theokrit 
kein  Denkmal,  keine  statuarische  Gruppe,  sondern  nui'  ein  Grabmal 
(säp-a);  die  Übei-führung  von  Kos  nach  Athen  beruhe  auf  reiner 
Phantasie. 

V.  45.  A.  Gercke  Rhein.  Museum  44  (1889)  S.  140  flg.  bezieht 
das  Bild  des  Berge  türmenden  Baumeisters  auf  ApoUouios  Rhodios  I 
735 — 741,  wo  die  Geschichte  von  Zethos  uud  Amphion  berichtet  wird. 
Auch  F.  Mertens  1.  1.  erkennt  darin  eine  Anspielung  auf  ApoUonios. 

V.  78  flg.  J.  Schmidt  Rhein.  Museum  45  (1890)  S.  148—151 
spricht  die  Ansicht  aus,  dais  die  Geschichte  des  Komatas  nicht  mit  dem 
unteritalischen  Märchen  zu  identifizieren  sei,  das  man  bei  dem  Historiker 
Lykos  von  Rhegion  erzählt  fand.  Der  Grund  liege  hier  in  TepTiva 
zsTTovOeu,  das  andeute,  dafs  der  Bürte  die  Gunst  der  Gattin  oder 
Tochter  des  a'vac  genossen  und  dadurch  den  Zorn  desselben  erregt  habe. 
.Die  Andeutung  sei  nur  kurz,  weil  die  Geschichte  den  Lesern  bekannt 
gewesen  sei,  vielleicht  aus  der  Bearbeitung  eines  zeitgenössischen 
Alexandriners. 

V.  103.  H.  Traut  HL  S.  9  vermutet:  tov  jxot,  MaivaXi'a;  ipoxüv  xtL 
oder  mit  A.  Meineke:  tov  jioi  Ilav,  MaXea;  epaxov  xtX.,  wenn  überhaupt  zu 
ändern  sei;    denn  vielleicht  lasse  sich  die  Überlieferung  halten,    da  ja 


Griecbisclie  Lyriker.     (Sitzler.;  241 

Pau  überhaupt  der  Gott  des  Gestades  sei,  vgl.  V.  14  äxTiö;,  und 
Magnesia  im  3.  Jahrh.  v.  Chr.  nicht  zu  Thessalien  gehört  habe.  Ich 
glaube  nicht,  dafs  die  Gründe  genügen. 

Y.  148  flg.  Nach  .T.  Schmidt  1.  1.  besteht  der  Trank,  den  die 
Nymphen  damals  bei  dem  Altar  der  tannenbeschirmenden  Demeter 
strömen  liefsen,  in  den  Gesängen  oder  Wettgesängen,  mit  denen  die 
befreundeten  Dichterhirten  sich  damals  unterhielten. 

8  setzt  H.  Traut  II  S.  9  in  die  vierte  Periode  der  dichterischen 
Thätigkeit  Theokrits;  ebenso  9  und  10.  A.  Gercke  1.  1.  S.  257 
weist,  allerdings  nur  zweifelnd.  Id.  9  dem  J.  278  zu. 

10,  11.  Th.  Tribukait  de  proverbiis  etc.  hält  an  der  auch 
in  Passows  Lexikon  gegebenen  Erklärung  von  yopiov  =  „secundas"  fest. 
—  V.  12  möchte  J.  Mähly  Blätter  f.  das  bayer.  Gymnasialschulwesen 
25.  Bd.  (1889).  S.  242  £voexa|j.vivoc  st.  ivosxa-aioc  schreiben:  ..denn  von 
der  Saat  her  bis  zur  Ernte  kommen  11  Tage  kaum  in  Betracht;  der 
Mann  muls  schon  länger  verliebt  sein;  auch  (x/t^o^i  hätte  sonst  kaum 
einen  Sinn."  Ich  bin  anderer  Ansicht:  gerade  beim  Beginn  ist  das 
Feuer  der  Leidenschaft  am  heftigsten ;  in  1 1  Monaten  hätte  sich  die 
abschwächende  Wirkung  der  Zeit  bereits  fühlbar  gemacht.  —  V.  57  flg. 
sind  nach  A.  Gercke  1.  1.  S.  141  flg.  eine  Parodie  von  ApoUon.  Argon. 
III  474  flg.,  eine  Verhöhnung  der  Muttersöhnchen,  wie  U,  25.  67  flg. 

11  zählt  H.  Traut  1.  1.  S.  8  zu  den  Gedichten,  die  nach  dem 
J.  265  auf  Sizilien  entstanden  sind.  —  Y.  41  liest  G.  Colin  Revue 
de  Philologie  14  (1890).  S.  150—152  mit  Fritzsche  [j.r,vocp6pü);,  worin 
er  eine  Anspielung  auf  die  hervorbrechenden  Geweihe  erblickt:  die 
Stirne  ist  zu  beiden  Seiten  wie  von  einer  Mondsichel  überragt,  vgl. 
Hör.  od.  IV  2,  57. 

12  rechnet  H.  Traut  1.  1.  zu  den  Gedichten  der  ersten  Periode, 
die  auf  Kos  entstanden.  —  V.  36  flg.  hält  J.  Vahlen  Ind.  lect.  Berlin 
1891/92.  S.  1  flg.  in  der  lids.  überlieferten  Form  fest,  indem  er  ver- 
bindet: oTCOiT]  (ipYupctii.otßot  TTSuöovtai  ypuGov,  IXT)  tpauXoc  eTrjTU|J.ov,  sc.  Isnv, 
und  [AT^  als  Fragepartikel  fafst.  Mir  ist  in  dieser  Verbindung  stVjtujxov 
anstöfsig. 

13  ist  nach  H.  Traut  1.  1,  nach  dem  J.  265  auf  Sizilien  ent- 
standen; A.  Gercke  1.  1.  S.  257  möchte  das  Gedicht  in  das  J.  276/5 
setzen;  vgl.  S.  143:  „namentlich  die  Erzählungen  von  einzelneu  Aben- 
teuern des  Herakles  (13.  24.  25)  und  die  Dioskuren  (22)  scheinen 
nach  der  Argonautenfahrt  entstanden  zu  sein;  Zug  um  Zug  kann  man 
an  ihnen  fast  die  pädagogisch  zu  nennende  Eigenart  des  Dichters  spüren, 
wie  dies  für  den  Hylas  (13)  kürzlich  angedeutet  ist,  vgl.  G.  Knaack 
Hermes  23  S.  137." 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft     LXXV.  Bd.  (\%^<.  I.i  '6 


242  Griechische  Lyriker.    (Sitzler.) 

14  schreibt.  H.  Traut  1.  1.  S.  *J  der  vierten  Periode  der  dichte- 
rischen Thätigkeit  Theokrits  zu;  er  g-laubt,  dafs  es  der  Dichter  nach 
seiner  Entzweiung-  mit  Ptolemäos  Philadelphos  und  nach  seiner  Abreise 
aus  Alexandria,  wenn  nicht  in  Syrakus  selbst,  so  doch  in  Sizilien  um 
das  J.  247  verfalst;  habe ,  vgl.  Abh.  III  S.  11  12.  —  A.  Gercke  1.  L 
8.  142  erkennt  in  der  Flucht  Kyniskas  ein  Gegenstück  zur  Flucht  der 
iledea  aus  dem  Elternliause  Apoll,  ßh.  Argon.  IV  1  flg.  —  V.  27  ver- 
mutet U.  von  Wilamowitz-Möllendorff  Commentariol.  grammat.  IV. 
Ind.  lect.  Göttingen  1889/90.  S.  28:  eysvt'  I'tto;  aauyc?;  „tiote  (roxa), 
was  man  bisher  las:  ä^evxa  Trof}""  xxX.,  explicari  uequit:  dicit  rumorem 
percrebrescentem ,  quem  quamvis  frequenter  audiret,   tarnen  speruebat". 

—  V.  68  flg.  schlägt  A.  Nauck  Hermes  24.  (1889).  S,  452  vor: 
drco  y.pOTatptüv  7rsX6|Ji,ej9a  |  Tiparov  aua-aXeoi,  y.at  iTTiayepto  1;  -/evuv 
?p7rei  I  Xsuxaivojv  supto?  (od.  XeuxaTvov  7%«?)  st.  ttoivtec  YTjpaXloi  und 
ypovo?;  meiner  Meinung  nach  unnötig. 

Fr.  Schmidt,  Florilegium  Palatinum  sententias  contincus  ex 
poetis  Graecis  collectas.  Progi*.  des  Heidelberger  Gymn.  1889/90.  S.  17  f. 
führt  eine  Anzahl  Verse  aus  Theokrit  4  —  1.5  an,  nämlich  4,  41 — 43. 
55.  5,  23.  38.  6,  17.  18.  19.  8,  57—59.  9,  .83—35.  10,  11.  13. 
17.  45.  55.  19—20.  11,75.  12,2.  13,60.  14,9.  22.  43.  49.  15,26. 
Die  nennenswerten  Varianten  sind:  4,  43:  y/o  0£<$«  st.  yu>  Zsuc.  —  4,  55: 
ToayixGt  st.  TU}i.|xa.   —   8,  59:   otTtaXo;  st.   «TraXSc.  —   10,  13:  o?ou?  st.  ö'^o?. 

—  10,  55:  {xrj  ""TTiTajxrjC  st.  p.>^  xt  xa|XYjc.  —  10,  20:  [Jltjv  [ii-(a  jxuHeuou. 
14,  43:  [ießr^xe  xaypo;  st.  sßa  Kevxaupo;.  —  15,  26:  äpYOi  st.  (JspYOtc; 
der  Hrsg.  schreibt  dipYoT?:  an  "Apvst?  Vgl.  S.  6.  Von  diesen  scheint 
nur  10,  13  o$ou?  beachtenswert. 

15  rechnet  H.  Traut  1.  1.  zu  den  Gedichten,  welche  während 
der  dritten  Periode  in  Alexandria  bis  zum  .7.  248  entstanden  sind. 
A.  Gercke  1.  1.  glaubt,  dafs  dieses  Gedicht  in  das  J.  272/1  fällt, 
vgl.  S.  257.  —  V.  15  flg.  vermutet  ü.  von  Wilamowitz-Möllendorff 
].  1.:  \vio\i.ti  o£  Tipootv  ftr^v  *  „raitra,  virpov  x7.i  (füxoc  (Jtto  3xava;  «YopaCeiv" 

—  ^v»£  9Epu)v  xxX.  —  V.  78  flg.  bezieht  A.  Gercke  1.  1.  S.  142  auf 
Apollonios'  Besclireibung  des  Gewandes,  das  Athene  dem  Jason  geschenkt 
hat;  aber  vgl.  was  ich  zu  1,  27  flg.  bemerkte.  -  M.  Schneider  N.  Jahrb. 
f.  Philol.  u.  Pädag.  143.  Bd.  (1891).  S.  444  weist  Vv.  80  —  83  der 
Praxino,  84—86  der  Gorgo  zu.  —  V.  90  vermutet  J.  Mähly  Blätter 
f.  das  bayr,  Gymnasialschulwesen  25.  Bd.  (1889)  S.  242:  Ttstjoixevatc 
st.  TraffotfiEvoc :  „solchen,  die  dir  gehorchen  werden",  jedenfalls  besser  als 
ra(ja|xsvoc;  doch  scheint  in  Taaaixevoc  etwas  Anderes  zu  stecken. 

16.  H.  'I'raut  III  S.  10  flg.  tritt  für  Abfassung  des  Gedichts 
im  J.  265  ein.  Dagegen  glaubt  C.  Häberlin  Philologus  50  (1891). 
S.  689  flg.,  da/s  es  273/2,  sicher  nach  274  gedichtet  sei.    Auch  K.  Kuiper 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler,)  .24;» 

Mneraosyne  17  (1889).  8.  378  %.  setzt  die  Entstehung  unseres  Gedichts 
zwischen  275—200,  etwa  in  das  J.  274,  also  in  die  Zeit,  bevor  sich 
Theokrit  nach  Alexandra  begab.  —  Nach  K.  Kuiper  1.  1.  ahmt 
Theokrit  in  diesem  Gedicht  Pindar  nacli,  vgl.  fr,  15Ö.  Pyth.  1.5;  auch 
entspreche  es  ganz  der  Art  des  Pindar,  das  Gedicht  den  Grazien  zu 
widmen.  V.  5  vergleicht  der  Verf.  mit  Nera.  9,  4,  V.  22  mit  Isthni. 
1,  67  und  sonst  oft,  V.  24  mit  Ol.  4,  17.  3,  40.  5,  10.  Pyth.  1,  90. 
3,  71;  doch  genügen  meiner  Meinung  nach  alle  diese  Stellen  nicht,  um 
eine  iNachahmung  zu  beweisen.  —  V.  71  vermutet  U.  von  Wilamowitz- 
iMöllendorff  1.  1.  ajjiaTo^  st.  apfj-a-co;  unter  Billigung  von  Cobets  Sivr^- 
oouotv  st,  xivrj3ou5tv;  denn  „requirimus,  cuius  equi  illi  sint,  Solls  nimirum 
aut  'H|xspa?,  quam  doctus  poeta  ita  appellat,  ut  personam  deae  tollat, 
([uod  etiam  in  superiore  versu  fecerat". 

17  will  H.  Traut  III  8.  12  flg.  in  das  J.  247  setzen,  da  weder 
die  Worte  a7ioTe}ji.v£Tai  lupia;  noch  die  Schilderung  der  Macht  und  des 
Reichtums  des  Königs  auf  irgend  eine  andere  Zeit  passe.  Vgl.  dagegen 
den  vorigen  Jahresbericht  Bd.  LIV  S.  195  flg.  C.  Häberlin  1.  1.  kommt 
zu  dem  Resultat,  dafs  das  Gedicht  271—70  oder  272—71  abgefafst 
sei,  vgl.  86  flg.;  die  Vv.  43  flg.  darf  man  nach  dem  Verf.  nicht  zu 
stark  betonen.  —  V.  30  flg.,  an  denen  Grever  Anstols  genommen,  erklärt 
H.  Traut  III  S.  18  flg.  so,  dafs  er  sagt,  dem  Dichter  schwebe  schon 
das  Folgende  vor  Augen;  wie  aus  Herakles'  Stamm  Männer  entsprofsten, 
denen  er  Bogen,  Köcher  und  Keule  anvertrauen  kann,  so  hat  auch 
Ptolomäus  Soter  auf  Erden  einen  Sohn,  den  später  sogenannten  Phila- 
delphos,  mit  dem  er  seine  Pläne  und  das  Reich  teilen  könne.  Die 
Schilderung,  wie  Herakles  und  Soter  nach  Besorgung  der  königlichen 
und  göttlichen  Geschäfte  der  Ruhe  pflegen,  erklärt  der  Verf.  bei  dem 
ersteren  für  scherzhaft,  bei  dem  letzteren  für  unpassend.  —  V.  43  flg. 
bezieht  H.  Traut  1.  1.  S.  19  flg.  auf  das  Ende  des  von  Philadelphos 
glücklich  beendete}!  zweiten  Syrischen  Krieges.  Philadelphos  verheiratete 
damals  seine  Tochter  mit  Antiochos  II,  der  seine  bisherige  Gemahlin 
Laodike  verstofsen  und  deren  Kinder  für  vofJoi  erklären  mufste.  Dies 
gab  nach  dem  Verf.  zu  schlimmen  Gerüchten  über  Laodike  Anlafs,  die 
wohl  auch  noch  in  anderen  Verhältnissen  Nahrung  fanden,  vgl.  Just.  XV  4. 
Diese  ganze  Kombination  fällt  schon  deshalb,  weil  das  Gedicht  nicht 
so  spät  abgefafst  sein  kann.  —  V.  53  flg.  H.  Traut  1.  1.  S.  22  ist  mit 
Droysen  der  Ansiclit ,  dafs  in  diesen  Versen  zwei  Vergleichungen  an- 
gedeutet seien;  aber  nicht  Antigonos,  des  Demetrios  Sohn,  sondern 
Ptolomäus  Keraunos  sei  es,  der  mit  Diomedes  verglichen  werde,  wie 
Plüladelphos  mit  Achilles.  —  V.  flO  flg.  H.  Traut  1.  1.  S.  22  flg.  weist 
auf  die  Geschenke  hin,  die  Philadelphos  dem  Aratos,  dem  Sohn  des 
■  Kleinias,  dem  Tvranncn  von  Milet  Timarchos  und  den  Bewohnern  von 


244  Griechische  Lyriker.     (Sitzlcr. ) 

Herakleia  am  Poutos  gab.  Alles  das  fiel  in  die  letzte  Zeit  der  Re- 
gierung des  Philadelphos ,  ^vo  auch  sein  Heer  und  seine  Flotte  am 
mächtigsten  war.  Aber  sollten  die  Verse  nicht  auch  auf  die  frühere 
Rcgiernngszeit  des  Königs  passen?  —  V.  120.  J.  Vahlen  Ind.  lect. 
Berlin  1891/92.  S.  13  Hg.  verteidigt  mit  Recht  die  Überlieferung  d£pi 
T.a  xsy.purxai  in  dem  Sinne  von  „ist  irgendwo  in  die  Luft  entschwunden". 
—  V.  137  tritt  H.  Traut  1.  1.  8.  23  für  £;et?  ein,  meiner  Meinung 
nach  mit  Erfolg;  i^sij  schliefst  sich  an  ^bi'iloitoa  an:  „in  posterum 
qnoque  se  illum  celebraturum  esse  pronüttit,  et  tali  quidem,  quod  ipso 
dignum  sit,  pacto:  virtutem  quidem  illum  habiturura  esse  a  Jovc:  nun- 
quara  igitur  largam  laudum  illius  sibi  defuturam  esse  materiam;  ueque 
enim  virtutem,  qua  les  praeclarae  gerantur,  neque  victoriam  Jovem 
illi  negaturum  esse." 

18  hält  H.  Traut  II  S.  9  für  unbestimmbar  nach  Ort  und  Zeit. 

19  ist  unecht,  vgl.  H.  Traut  1.  1.:  E.  Hill  er  Beiträge  zur  Text- 
geschichte der  griech.  Bukoliker  S.  57  hält  Moschos  für  den  Verfasser, 
womit  F.  Hertens  Wochenschrift  f.  kl.  Phil.  1889.  No.  21  S.  569  flg. 
übereinstimmt,  AuchH.  .StadtmüllerBerl.  philol.  Wochenschrift.  1890. 
S.  083  findet  diese  Vermutung  nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit,  meint 
jedoch,  dafs  mau  auf  die  Stellung  des  Gedichts  in  der  Sammlung  kein 
grofses  Gewicht  legen  dürfe. 

20  ist  unecht;  die  Vermutung  von  Ahreus,  dafs  Kyros  von 
Panopolis  der  Verf.  sei,  widerlegt  E.  Miller  1.  1.  S.  70  flg.;  vgl.  auch 
H.  Stadtmüller  1  1.,  der  auch  di»^  Bemerkung  E.  Killers  für  richtig- 
hält,  dafs  in  der  Anthologie  die  Zusammenstellung  von  Kyros'  Abschieds- 
versen mit  dem  Eingang  von  Idyll.  20  durch  eine  gewisse  Gleichartigkeit 
des  Themas  —  Stadt-  und  Landlebeii  —  veranlafst  wurde.  —  V.  13  ver- 
mutet H.  Stadtmüller  1.  1.  S.  984  flg.  aupt'Cotaa  oder  zoriwü^otaa  st. 
jAuOtCoiija  oder  {xu/iluotsa:  zum  ersteren  vergleicht  er  Demosth.  de  cor.  265, 
zum  zweiten  Theokr.  5,  7  (u.  Aristoph.  Vesp.  626).  —  V.  39  schlägt 
ü.  von  Wilamowitz-Möllendorff  1.  1.  S.  28  vor:  xol  sie  ea  -atS'.xä 
veycxev  st.  ei;  eä  raiot  xabeuos  und  V.  44  flg.:  \lr^•/.i-l  [xrjo"  a,  Kuicpi,  .  .  . 
-s'./io'.,  ixu'iva  o"  .  .  .  xaHeuooi  st.  \j.t^  ok  oder  |xtj^'  7  und  'fiXeoi;  uod 
xafte-joo'.c,  recht  ansprechend. 

21  gilt  ziemlich  allgemein  für  unecht;  H.  Traut  1.  1.  hält  es  für 
echt  und  rtchnet  es  unter  dir  Gedichte,  die  in  Alexandria  bis  zum 
J.  248  entstanden.  —  V.  10  vermutet  O.  Ribbeck  Rhein.  JMuseum  45 
(1890)  S.  147  flg.:  Ta  'fjxioEVTa  x£  v^tpo  st.  Xrj-ja,  Vgl.  Suidas  v9)Tpov  ' 
x).(uT:r^p'.ov ,  V.  58:  xaXaYpsrov  eorspvaTov  ^feliciter  captum,  bene  vendi- 
bilem"   st.  xa?.a  -(t  x&v  yjTn-jpaxov. 

22  erklärt  H.  Traut  1.  1.  S.  9  für  unbestimmbar  nach  Ort  und 
Zeit:    nach  A.  Gercke    1.  1.   S,  257  ist  das  Gedicht  in  dem  J.  277/6 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)  240 

abgefalst.  —  V.  116  flg. ,  nachgeahmt  Kalliraaoh.  hymn.  III  186,  ist 
nach  A.  Gercke  1.  1.  S.  135  flg.  die  Antwort  auf  Apollon.  Rh.  I  20, 
eine  Verspottung  des  letzteren.  —  V.  178  verlangt  H.  Stadtniüller  1.  1, 
»S.  984  CwvTs;  oder  avaioi  st,  uavTsc  oder  -avxa;. 

23  ist  nach  allgemeiner  Ansicht,  der  auch  E.  Hiller  und  H,  Traut 
beitreten,  unecht,  vgl.  E.  Hiller  1.  1.  S.  67  flg.  —  V.  26  schützt 
U.  von  Wilamowitz-Möllendorff  1.  1.  8.  27  das  Subst.  -/oXo-t  durch 
Hinweis  auf  V.  22 :  xsyoXiofi-svov. 

24  versetzt  H.  Traut  1.  1.  in  die  3.  Periode  der  dichterischen 
Thätigkeit  Theokrits,  unter  jene  Gedichte,  die  in  Alexandria  bis  zum 
.1.  248  entstanden. 

25  wird  nach  E.  Hiller  1.  1.  S.  60  flg,  durch  keine  für  uns 
irgendwie  in  Betracht  kommende  Überlieferung  als  ein  Gedicht  Theokrits 
bezeichnet;  es  rührt,  wie  Mosches  TY,  das  mit  ihm  vereinigt  war,  von 
einem  unbekannten  Dichter  aus  hellenistischer  Zeit  her.  Damit  scheint 
H.  Stadtmüller  1.  1.  S.  983  übereinzustimmen.  Auch  L.  Genther 
Über  Theokrit  XXV  und  Moschos  IV,  Progr.  Luckau  1891  ist  dieser 
Ansicht,  nur  sclüieit  er  aus  dem  Umstand,  dafs  Theokr.  25  den  Homer 
geschickter  nachahmt  als  Moschos  4  und  auch  sonst  an  dichterischem 
Wert  dieses  übertrifft,  dafs  der  Dichter  Th.  25  später  als  M.  4  verfafst 
habe.  F.  Mertens  dagegen  Wochenschrift  f.  klass.  Philologie  1889, 
Xo.  21,  S.  565  flg.  hält  E.  Hillers  Ansicht  nicht  für  bewiesen;  er 
glaubt,  dafs  Id.  25  eine  Jugendarbeit  Theokrits  sei.  Auch  H.  Traut  1.  1. 
hält  das  Gedicht  für  echt  und  setzt  es,  wie  Id.  24,  in  die  3.  Periode; 
ebenso  A.  Gercke  1.  1.,  der  glaubt,  dal's  es  276/5  entstanden  sei.  — 
E.  Hiller  1.  1.  schreibt  den  unfertigen  Zustand  unseres  Gedichts  der 
mangelnden  Vollendung  seitens  des  Dichters  zu;  daraus  erkläre  sich 
auch  das  Fehlen  des  Titels.  Dagegen  glaubt  L.  Genther  1.  1.  mit 
mehr  Recht,  dafs  wir  es  hier  mit  künstlichen  Nachahmungen  homerischer 
Rhapsodien  zu  thun  haben ,  die  Bilder  aus  dem  Leben  des  Herakles 
darstellen,  ohne  dafs  dabei  an  den  Zusammenhang  mit  einem  gröfsereu 
Ganzen  gedacht  wäre.  Zum  Beweise  dafür  weist  er  auf  die  vor  V.  85 
stehende  Überschrift  l-i.r.diXrpM  hin,  sowie  auf  die  starke  Anlehnung  an 
homerischen  Ton  und  Sprachgebrauch,  wie  er  im  einzelnen  ausführlich 
zeigt.  —  V.  27  vermutet  Ph.  Tribukait  de  proverbiis  etc.:  oupou; 
}xrjvJaou3'.  st,  oupou?  fjLTiv  iaa^t,  weder  dem  Sinn  noch  der  Form  nach 
passend.  —  V.  137  schlägt  H.  Stadtmüller  1.  1.  S.  984  vor:  <fovov 
XeuooovTs;  'irio-T)  st.  9.  Xs'jssovts  TrpojuiTriü,  vgl.  Apoll.  Rhod.  III  1022. 
Oppian,  de  venat.  III  75.  —  Vv,  181  flg,  verspotten  nach  A.  Gercke  1.  1. 
S.  142  die  Alt  und  Weise,  wie  Apollonios  Rhod.  seine  wilden  Tiere 
auftreten  lälist.  ohne  anzugeben,  woher  sie  kommen.  Ich  kann  dies  nicht 
in  den  Versen  finden.  —  V.  183  möchte  H.  Stadtmüller  1.  1.  S.  982 


>_>4<>  Griechische  Lyriker.    (Sitzlcr.) 

mit  D  TÖ30V  ,3  .st.  Tosovos  sclneibeii ;  ebenso  V.  156  i;avjjavte  und  267 
actpy.o;  ötTToopu']'?!  =  '^"^h  V.  ^4  ist  nach  ihm  wohl  iovte  und  V.  202  >I; 
«jj-oTOi  mit  <I>  zu  halten. 

26  setzt  A.  Geicke  1.  1.  in  das  J.  274/o.  H.  Traut  1.  1.  schreibt 
es  der  ersten  Periode  der  dichterischen  Thätigkeit  Theokrits  zu,  und 
damit  stimmt  E.  Maal's  Hermes  26  (1891)  S.  178%.  überein,  der  die 
Ansicht  ausspricht,  dal's  Tlieokrit  das  Gtediclit  während  seines  Auf- 
enthalts in  Kos  noch  vor  dem  J.  280  für  den  dortigen  Dionysosdienst 
verfalst  und  bei  festlicher  Gelegenheit  durch  einen  andern  oder  auch  in 
eigener  Person  vorgetragen  habe.  Der  ispoj  ^oyo;  des  Hymnos,  die 
Geschichte  des  Pentheus,  sei*  nicht  Euripides'  Bakchen  entnommen,  wie 
man  allgemein  annehme:  denn  von  der  Dreizahl  des  Dionysos  stehe 
hier  nichts;  vielmehr  habe  sie  Theokrit  seiner  persönlichen  Kenntnis  der 
Ceremonie  bei  diesem  Gottesdienst  zu  verdanken.  AVie  man  aus  der 
Altarinschrift  aus  Magnesia  am  Mäander,  die  in  den  atheiiischen  Mit- 
teilungen 1891  8.  330  flg.  von  Kontoleon  veröffentlicht  wurde,  hervor- 
gehe, sei  der  Kult  des  Dionysos  voji  Theben  nach  Kos  gekommen,  wie 
es  scheine,  von  einer  aus  griechischen  Thrakern  und  Kadmccrn  ge- 
mischten Bevölkerung  aus  Böotien  oder  Euböa  dahin  gebracht.  Daher 
fänden  sich  auch  auf  Kos  die  drei  thebanischen  Kulte  wieder,  der  des 
Dionysos  KaraßaT-r,; ,  ^Evoevopoj  und  SxuUixa?.  —  V.  1  ist  nach  G.  Knaack 
Hermes  25  (1890)  S.  86  Hesiod  Theogon.  075  flg.  entnommen.  - 
Vv.  27  flg.  enthalten,  wie  A.  Gercke  1.  1.  S.  144  flg.  meint,  eine  heftige 
Polemik  gegen  Apollonios  Rhodios,  gegen  den  auch  Kallimach.  hymn.  4,  98 
gerichtet  sei.  —  V.  33.  Drakanon  ist  nach  E.  Maal's  1.  1.  das  Vor- 
gebirge Drekanon  auf  der  Insel  Kos;  denn  Drekanon  und  Drakanon 
sind  gleichberechtigte  Varianten. 

27  hält  H.  Traut  1.  1.  nach  dem  Vorgang  anderer  für  unecht. 
A.  Gercke  1.  1.  S.  142  meint,  das  realistische  Stelldichein  sei  das" 
wi)'k8amste  Gegenstück  zu  der  Art,  wie  Hypsipylc  bei  Apollonios  Bh. 
diplomatisch  den  Jason  veraulafst,  zeitweilig  in  ein  eheliches  Verhältnis 
7.U  ihr  zu  treten.  Eine  ätzende  Kritik  des  theokritischen  Gedichts  sind 
nach  A.  Gercke  1.  1.  8.  240  flg.  vielleicht  die  Verse  des  Apollon. 
Rh.  II  1025  flg.  —  Über  dieses  Gedicht  handelt  O.  Ribbeck  Rhein. 
Museum  45  (1800)  8.  14Gflg.  Nach  V.  8  folgt  im  Ambrosian.  (c): 
7,o£  -•  7r,paj/o)  to^£  -o'j  |j.£>.'.  xal  70!).«  ri'vto:  0.  Ivibbeck  korrigiert:  h.h'> 
-:  -pripasxw  v.tA.  „das  Altern,  welches  ich  erlebe,  ist  mir  ein  wahres 
Vergnügen,  wie  Milch  und  Honig".  Im  folgenden  Vers  liest  er:  a  (oder  yi) 
ara'f'j/.l;  ira'^l;  eixa».  o  vyv  poSov,  auov  oXzX'c'xi.  Darauf  läfst  er  V.  17 
folgen :  fi.r;T:i^iaXif;c  xav  yz^j'-i  y.al  zl'jz-'.  yzTKo;  afiu^tu ;  das  Mädchen  knüpft 
an  das  eben  gebrauchte  Bild  an:  „die  Rose  ist  stachlich,  lafs  die  Hand 
davon;  drückst  du  sie  an  die  Lippe,  so  wird  .sie  dich  verwunden;  noch 


Griechische  Lyriker.     {Sitzler.)  247 

(eiuETt)  habe  ich  Zähne  zum  Beifsen."  Nach  V.  15  ist  nach  ü.  Kibbeck 
eine  Lücke  von  2  Versen,  in  denen  »erst  Daphnis  auf  die  Macht  de.s 
Eros  im  Allgemeinen  hingewiesen,  das  Mädchen  aber  ihre  Gering- 
schätzung derselben  ausgesprochen  haben  mul's".  V.  23  vermutet  der 
Verf. :  xal  Tt  (ftXov  arsp^atixi  st.  xi,  cpO.o?,  (jizoii[i'.  und  V.  27 :  -iV  o'j  (oder 

Tt    6'ou)    TpO[JL£OUJl    "i'UVatXE^    st.    Ttva    Tp0|JL£0U3l    7. 

28  gehört  nach  H.  Traut  1.  1.  den  Gedichten  der  2.  Periode  an, 
die  nach  265  auf  Sizilien  entstanden;  29  ist  nach  demselben  während 
der  1.  Periode  auf  Kos  gedichtet;   ebenso  30  und  die  Syrinx. 

30,  3%.  vermutet  C.  Häberlin  Philologns  40  (1888)  S.  605: 
xaXü)  [i.£v  [xsTpio)?,  TiiXXa  S'  oatüt  Tzaioict  -eppiyet.  \  xa;  ^a?,  touto  /«pt;. 
TaT?  0£  TTapauau  yXuxu  [j.etotai,  mit  Ausschluls  von  V.  4.  —  V.  16  flg. : 
KaX  [xotv  aXXo  (js  XaOät*  —  xo  6'  ap'  ^?  Xcuiov  £|X|j.£7at  |  ?£vvov  xcüv  yaXeTTOJv 
KaTSo?  Epav<vü)  Traparav  Ttoftwv — >.  —  V.  23:  iraüsa'.  o"  aox'  sviauxo; 
yaXETTotc  o'j<S'jvaxai  Trüi>oi?>.  —  Der  Verf.  fügt  bei,  dafs  Theokrit  den 
altäolischen  Dialekt  angewandt  habe;  nur  das  seinen  Zeitgenossen  meist 
unverständliche  Vau  habe  er  verschmäht. 

C.  Wintzell,  Studia  Theocritea.  Dissert.  inaug.  Lund, 
H.  Möllers  TTniversitätsbuchhandlung,  1889.     145  S.     8. 

Der  Verf.  behandelt  Idyll.  15  und  22,  die  in  dialektischer  Be- 
ziehung besonders  bemerkenswert  sind.  Die  mit  aulserord entlichem 
Fleifs  und  grofser  Belesenheit  in  der  neueren  grammatischen  Litteratur 
geführte  Untersuchung  hat  zum  Resultat,  dafs  in  Id.  15  überall  die 
dorischen,  in  Id.  22  überall  die  epischen  Formen  herzustellen  sind.  Hin- 
sichtlich des  letzteren  Gedichts  gelangt  auch  E.  Hiller  1.  1.  S.  77  flg. 
auf  Grund  hds.  Untersuchungen  zu  demselben  Resultat.  Demnach  schlägt 
der  Verf.  vor  15,  2:  aux«  oder  auxä  „huc".  —  lo  und  56:  ^dpazz.  — 
31:  s'Y/e'  uömp.  —  48:  oaX££xa'.  —  64:  a^a-js^'.  —  86:  xpi'fiXaxo;  und 
dann  mit  Hds.  (ptXy)xai.  —  22,  1  und  214:  ATjSr^?.  —  140:  "lor^;.  — 
205:  [xrjv.  Den  Schlufs  bildet  die  Behandlung  metrischer  Eigentümlich- 
keiten, wie  des  Hiatus,  der  Position  und  Elision.  Dabei  ist  der  Verf. 
in  der  Lage,  die  verdienstlichen  Untersuchungen  K.  Kunsts  (vgl.  vorigen 
Jahresb.  Bd.  LIV  S.  186)  in  manchen  Punkten  zu  ergänzen  und  zu 
berichtigen. 

P.  GileS;  Notes  on  Theocritus.   Proceedings  of  the  Cambridge 
Philol.  Society  XIX— XXI  p.  7—8  war  mir  unzugänglich. 
An  Übersetzungen  liegen  vor: 

Theokrit  übersetzt  von  Vofs,  neu  bearbeitet  von  F.  Mertens. 
Leipzig,  Reclam,  1890.     107  S. 

Theokritus,  gli  idilli  tradotti  da  G.  Mazzoni.  Foligno,  Cani- 
pitelli,  1890.     62  S.  —  Faenzi,  Conti.  1891. 


248  Giiechische  Lyriker.    (Sitzler.) 

Idylle.s  de  Theociite.  Traduction  nouvelle  de  J.  Girard  etc. 
Paris,  librairie  des  bibliophiles,   1888. 

E.  Remeuyi,  Theokritische  Idyllen  ungarisch  übersetzt  und 
kommentiert.     Egyetemes  phil.  Küzlöny  14  p.  438. 

Theokrits  Gedichte  russisch  von  A.  N.  Sirotinin.  Journal  des 
kais.  russ.  Ministeriums  der  Yolksaufklärung  1890.     S.  23—141. 

Mosches. 

3  rührt  nach  allgemeiner  Ansicht  nicht  von  Moschos  her;  dafs 
das  Gedicht  aber  von  einem  gleichzeitigen  Dichter  sei,  möchte 
H.  Traut  I  S.  7  aus  Y.  iOO  schliel'sen.  Dagegen  erklärt  sich  mit 
Recht  F.  Mertens  Wochenschrift  f.  Mass.  Piiilol.  1889  No.  49  S.  1336 flg.. 
indem  er  darauf  hinweist,  dals  in  dem  Gedicht  offenbare  Nachahmungen 
theokritischer  Stellen  und  Anspielungen  auf  solche  vorkommen. 
F.  Bücheier  setzt  es  in  die  Zeit  Sullas.  —  V.  99  vermutet  H.  Traut, 
dais  sich  -oXirai;  TptoTrioai;  auf  die  Koer  beziehe,  weil  Triops,  des 
Phorbas"  Sohn,  König  von  Kos  war,  nach  dem  das  Yorgebirg  von 
Knidos  benannt  worden  ist,  vgl.  S.  9. 

4.  Vgl.  was  wir  oben  zu  Theoer.  25  sagten.  —  V.  89  tritt 
H.  Stadtmüller  1.  1.  S.  984  mit  Recht  für  ayit;  st.  auxov  ein,  indem 
er  Homer  ^  50  vergleicht. 

Bion. 

1,  70  vermutet  H.  Stadtmüller  1.  1.:  Xsxrpov  lyoi,  Kuftspeia,  xo 
oov  -/Xuxü  vsxpo;    ASojvt?   St.   X.   e'ysi  K.  xo  aov  vyv  81  vexpo;  ^A. 

Aufserdem  sind  zu  den  Bukolikern  zu  vergleichen  die  betreffenden 
Abschnitte  in  Fr.  Susemihl  Geschichte  der  griech.  Litteratur  in  der 
Alexandriuerzeit.  Leipzig,  B.  G.  Teubner.  1891.  1892.  Bd.  I  und 
Bd.  II  Nachträge,  wo  viele  einschlägige  Fragen  bald  mehr  bald  weniger 
ausführlich  behandelt  werden. 


V.     Anthologie. 

C.  Dilthey  Ind.  scholarum,  Göttingen  1891,  S.  o  spricht  die 
Überzeugung  aus,  dafs  man  den  cod.  Marciauus  481  des  Planudes  neu 
vergleichen  müsse.  "Wie  Recht  er  damit  hatte,  zeigt  er  Ind.  scholarum 
Gtjttingen  1891/2  S.  3  flg.,  wo  er  Mitteilungen  über  die  Hds.  und  eine 
von  ihm  vorgenommene  Vergleichung  des  1 .  Buches  macht.  Die  editio 
princeps  des  Planudes  stammt  nicht  aus  dem  Kodex,  sondern  aus  einer 
Abschrift,  die  voll  Schreibfehler  und  Interpolationen  ist.  Yiele  Fehler, 
die  man  jetzt  dem  Plaundes  zuschreibt,  rühren  gar  nicht  von  ihm  her. 


Griechische  Lyriker.     (Sitzltr.)  249 

vielmehr  tritt  seine  Hds.  au  Wert  nahe  an  den  Palatinus  heran.  Über 
dieselbe  Hds.  handelt  auch  L.  Sternbach  Authologiae  Planudeae 
appendix  Barberino-Vaticana  S.  VIII  flg.  Er  weist,  wie  vor  ihm  schon 
H.  Stadtmüller,  darauf  hin,  dals  der  Marcianus  die  4  ersten  Bücher 
der  Planudeischeu  Sammlung  in  zwei  getrennten  Abteilungen  enthält, 
von  denen  die  zweite  als  Anhang  der  ganzen  7  Bücher  umfassenden 
Sammlung  beigegeben  ist.  Die  den  7  Büchern,  sowie  den  4  Abschnitten 
des  Anhangs  im  Kodex  vorausgeschickten  Inhaltsangaben  teilt  der  Verf. 
mit  und  stellt  sie  vergleichungsweise  den  Inhaltsangaben  der  editio 
princeps  gegenüber.  Weitere  Aufsclilüsse  über  den  Marcianus  481  giebt 
H.  Stadtmtiller  Berl.  philol.  Wochenschrift  1890  S.  1395  «g.,  wo  er 
eine  Xotiz  des  Planudes  veröffentlicht,  die  über  dessen  Verfahren  und 
Zweck  der  Epigrammordnung  aufklärt. 

L.  Sternbach  veröffentlicht  in  Anthologiae  Planudeae 
appendix  Barberino-Vaticana.  Leipzig,  ß.  Gr.  Teubner,  1890. 
XVin,  149  S.  8.  aus  dem  cod.  Vatican.  gr.  n.  240  (V)  u.  Barberinus 
gr.  I  123  (M)  eine  Sammlung  von  54  Epigrammen,  von  denen  nur  2, 
nämlich  No.  7  und  45,  neu  sind.  Das  erstere  ist,  wie  H.  Stadtmüller 
1.  1.  S.  1389,  vgl.  auch  Blätter  f.  das  bayr.  Grymnasialschulw.  26.  Bd. 
1890  S.  550  flg.,  bemerkt,  mit  Anth.  Pal.  IX  361  verwandt,  vielleicht 
von  demselben  Verfasser,  V.  3  schreibt  L.  Sterubach  XaXa  st.  cpi'Xa, 
U.  Stadtmüller  wohl  richtiger  cpotva,  vgl.  Hom.  B  159.  E.  Kurtz 
N.  philol.  Ftimdschau  1890  S.  357  glaubt,  dafs  am  Anfang  keine  Lücke 
anzunehmen  sei,  sondern  dals  uns  der  Dichter  gleich  in  medias  res 
führe;  mit  V.  4  möchte  er  ein  neues  Gredicht  beginnen  lassen,  da  in 
den  folgenden  Versen  derselbe  Vorgang  nochmals  vorgeführt  werde; 
richtiger  wird  man  diese  Verse  als  weitere  Ausführung  und  Erklärung 
der  ersten  fassen.  Das  Epigramm  45  stimmt  fast  wörtlich  mit  Anth.  P. 
XII  60  überein.  V.  1  schlägt  H.  Stadtmüller  Blätter  f.  das  bayr. 
Gymn.  1. 1.  xauxrjv  72,  ta  Travö'  st.  Ta'jxriv  xa  76  7:avi>'  vor,  wenn  man 
nicht  annehmen  wolle,  dals  Numenios  st.  tauTYjv  einen  weiblichen  Eigen- 
namen gesetzt  habe.  Die  52  übrigen  Gedichte  sind  auch  in  der  Antho- 
logia  Pal.  enthalten,  und  so  werde  ich  unten  an  den  betr.  Stellen  auf 
sie  zurückkommen.  Hier  will  ich  nur  noch  im  allgemeinen  bemerken, 
dafs  der  den  einzelnen  Gedichten  beigegebene  Kommentar  weitvoUe 
Beobachtungen  über  Sprache  und  Metrik  enthält,  so  z.  B.  über  st?  und 
i;  vor  Konsonanten  und  ev  und  evi  im  4.  Fuß  des  Hexameters. 

Der  cod.  M  bildet  einen  Anhang  zu  der  Authologia  Planudea, 
dazu  bestimmt,  die  von  Planudes  ausgelassenen  Erotika  zu  erhalten. 
Er  ist,  wie  L.  Sternbach  mit  Recht  annimmt,  von  F.  Mosinus  aus 
der  Hds.  des  Angelus  Colotius  abgeschrieben,  die  ihrerseits  wieder  nahe 
mit  der  Anthologie-Hds.  des  M.  Musurus  verwandt  war,  wie  eine  Ver- 


250  Griechische  Lyriker.    (Sitzler.) 

gleichuug  des  Vatic.  gv.  1416  ii.  1169  zeigt.  Doch  steht  M  nach  der 
Ansicht  des  Hrsg.  an  Wert  V  nach.  Wenn  er  dafür  auch  den  Umstand 
£reltend  macht,  dai's  No.  15  durch  Interpolation  in  M  gekommen  sei,  so 
ist  dies  ein  Versehen,  wie  H.  Stadtmüller  Berl.  phil.  Wochenschr.  1.  1. 
zeigt:  No.  15  steht  nicht  in  M,  wohl  aber  in  V.  Das  Yerhältuis  der 
Barberino-Vaticanischen  Appendix  zum  Palatinus  läfst  sich  nach  H.  Stadt- 
müller Blätter  f.  das  bayr.  Gymn.  1.  1.  noch  nicht  feststellen;  ebenso 
äufsert  sich  (',  Häberlin  Wochenschrift  f.  klass.  Philologie  1890 
S.  1398  flg. :  L.  Sternbach  glaubt,  dals  beide  Hds.  voneinander  un- 
abhängig sind.  Der  Unterscliied  zwischen  den  beiden  Hds.  hinsichtlich 
der  Lesarten  und  der  Zuweisung  der  einzelnen  Epigramme  an  bestimmte 
Autoren  ist  ziemlich  grofs,  aber  nicht  gerade  bedeutend.  H.  Stadt- 
müller 1.  1.  weist  nach,  dafs  fast  in  allen  Fällen,  wo  die  Appendix 
Adespota  des  Palatinus  einem  bestimmten  Autor  zuweist,  fehlerhafte 
Übertragung  des  Lemmas  vom  vorhergehenden  auf  das  folgende  Ge- 
dicht vorliegt. 

Aufser  MV  hat  L.  Sternbach  noch  andere  Hds.  beigezogen, 
die  jene  Epigramme  enthalten.  Für  die  wichtigste  unter  diesen  erklärt 
er  den  cod.  Laurentian.  Plut.  LVII  No.  29  (F),  den  er  S.  XIV  flg. 
beschreibt.  Er  enthält  fol.  153^ — 101''  die  sogen.  Euphemios-Sammlung, 
schickt  aber  dieser  fol.  ]42i'  — 153^'  noch  119  Epigramme  voraus,  die 
der  Verfasser  aufzählt,  da  es  ihm  entgangen  ist,  dals  schon  H.  Stadt- 
müller ein  Verzeichnis  dieser  Epigramme  veröftentlicht  hatte,  vgl.  Jahrb. 
f.  Philol.  u.  Pädag.  139.  Bd.  (1889)  S.  769  flg.  Nachträge  und  Be- 
richtigungen giebt  H.  Stadtmüller  an  den  oben  angeführten  Orten.- 
besonders  weist  er  darauf  hin,  dafs  die  Sammlungen,  die  in  F  sind, 
auch  im  Parisinus  1773  fol.  245'— 266^'  vorkommen,  über  den  er  ge- 
nauere Mitteilungen  macht. 

R.  Weifshäupl,  Die  Grabgedichte  der  griechischen 
Anthologie.  Abhandl.  des  archäolog.-epigraphischen  Seminars  der 
Universität  Wien,  Heft  VII.    Wien,  C.  Gerolds  Sohn,  1889.    106  S.    8. 

Der  Verf.  handelt  im  1.  Teil  S.  1—50  im  Anschlufs  an  die 
Arbeiten  von  Passow.  Weigand  und  Benndorf  eingehend  über  ,die 
Quellen  und  Arbeitsweise  des  Konstantinos  Kephalas.  Dieser  benutzte 
die  Kränze  des  lileleagros  und  Philippos  oder  richtiger  eine  Sylloge,  in 
der  diese  verarbeitet  waren,  und  den  Kyklos  des  Agathias.  Dal)ei  macht 
der  Verf.  darauf  aufmerksam,  dafs  die  Epigramme,  welche  ein  Dichter- 
lemma  tragen,  in  der  Jiegel  nicht  direkt  vom  Steine  abgeschrieben  sind, 
was  bei  den  Adespota  durchweg  angenommen  werden  raufs,  wenn  nicht 
gewichtige  Giiinde  dagegen  sprechen.  Übrigens  haben  Meleagros, 
Philiiipos  und  Agathias    nie    oder  doch  nur  äufaerst  selten  Inschriften 


Griechische  Lyriker.     (Sitzler.)  251 

an  Ort  und  Stelle  abgeschrieben ,  sondern  aus  EpigraniniensaminUmgen 
geschöpft.  Dagegen  wurde  die  Pammetros  des  Diogenes  von  Kephalas 
nicht  beigezogen;  er  benutzte  vielmehr  die  Bioi.  aber  auch  diese  nicht 
direkt.  G.  Knaack  Wochenschrift  f.  klass.  Philologie  ISO!  8.  916  flg. 
kann  jedoch  die  Gründe  nicht  anerkennen,  welche  den  Verf.  an  einer 
direkten  Entlehnung  aus  den  ?>'.o<.  des  Diogenes  Laertius  zweifeln  lassen. 
Die  Arbeitsweise  des  Kephalas  ist  sehr  mechanisch,  wie  die  nähere  Be- 
trachtung des  5.  Buches  zeigt:  er  nahm  jene  drei  oder  vier  Quellen 
her,  excerpierte  sie  allenfalls  und  reihte  die  Auszüge  nebeneinander, 
indem  er  am  Schluls  etwa  noch  anderweitig  aufgefundene  Epigramme 
beifügte.  Dabei  ist  die  Kompilation  ziemlich  flüchtig,  wie  der  Verf.  am 
7.  Buche  nachweist. 

Der  2.  Teil  der  Abhandlung  beschäftigt  sich  mit  der  Betrachtung 
der  Grabgedichte  der  griechischen  Anthologie  vom  archäologischen  Ge- 
sichtspunkt aus.  Dabei  macht  der  Verf,  3  Abschnitte;  der  erste  be- 
handelt die  Gräberformen,  nämlich  den  Grabhügel  und  das  Epithema, 
das  letztere  wieder  als  Grabstele,  Grabsäule,  Grabtempel,  Sarkophag 
und  Grabthüren;  der  zweite  die  Gräbersymbolik,  zunächst  hinsichtlich 
des  Namens,  dann  des  Charakters  des  Verstorbenen,  endlich  in  Bezug 
auf  Tod  und  Schicksal,  wobei  die  Grabsireuen,  die  Darstellungen  der 
Schiffbrüchigen  und  das  Totengerippe  eingehende  Besprechung  finden; 
der  dritte  endlich  die  Totenbilder,   also  Reliefs,   Gemälde  und  Statuen. 

Crinagorae  Mytilenaei  epigraramata  edidit,  prolegomenis 
commeutario  verborum  indice  illustravit  M.  Rubensohn.  Berlin, 
Mayer  &  Müller,  1888.     124  S.     8. 

In  deu  Prolegoniena  stellt  der  Verf.  zunächst  auf  Grund  der 
Zeugnisse  und  datierbaren  Gedichte  das  wenige  zusammen,  was  wir  über 
das  Leben  des  Dichters  wissen.  Dabei  ist  zu  bedauern,  dafs  er  die  Ab- 
handlung von  C.  Cichorius,  Rom  und  Mytilene.  Leipzig,  B.  G. 
Teubner,  1888.  67  S.  nur  im  Anhang  benutzen  konnte;  denn  sonst 
hätte  manches  eine  andere  Gestalt  bekommen.  Der  Verf.  meint,  Krina- 
goras  sei  Hauslehrer  im  Hause  der  Octavia  gewesen;  es  ist  dies  ebenso 
unwahrscheinlich,  wie  C.  Cichorius'  Vei mutung,  der  Dichter  habe  als 
gewandter  Politiker  aus  seinem  Verhältnis  zu  Octavia  und  ihrem  Hause 
Vorteil  für  seine  Vaterstadt  gezogen.  Epigr.  46  weist  der  Verf.  der 
ersten  Reise  des  Kriuagoras  nach  Rom  zu,  was  sehr  ungewifs  ist. 
Während  der  ersten  Reise  ist,  wie  ich  glaube,  auch  Epigr.  32  ent- 
standen, das  M.  Rubensohn  in  das  Jahr  710  a.  u.  c.  setzt.  Epigr.  41 
beweist  nicht,  dafs  Epigr.  23  in  Rom  gedichtet  ist;  da  Philostratos" 
Unglück  etwa  in  das  Jahr  724  fällt,  so  kann  dieses  Gedicht  ganz  gut 
yov   dw  Reise    nach  Rom    in  Lesbos    entstanden   sein,    wo   mehr  Ver- 


252  Griechische  Lyriker.    (Sitzler.) 

anlasBung  zur  Abfassung  vorlag  als  in  Rom.  Epigi'.  43  ist  kurz  vor 
dem  Jalire  25  verfalst,  bezieht  sich  also  nicht  auf  die  erste  Reise,  wie 
ich  mit  dem  Verf.  N.  philol.  Rundschau  1889  S.  11 3  flg.  annahm.  Die 
Beweise,  die  der  Verf.  dafür  beibringt,  dal's  Epigr.  25  und  48  noch  in 
die  Zeit  des  Augustus,  nicht  des  Tiberius  fallen,  genügen  nicht;  auch 
Epigr.  31  möchte  ich  auf  die  Zeit  beziehen,  wo  Germanicus,  von  Tiberius 
zurückgerufen,  seinen  glänzenden  Triumph  in  Rom  feierte. 

Nach  dem  Leben  behandelt  der  Verf.  die  Sprache,  Metrik  und 
Prosodie  unseres  Dichters:  jedoch  geht  er  darin  vielfach  zu  weit,  be- 
sonders wenn  er  aus  wenigen  mehr  oder  weniger  seltenen  Beispielen 
auf  Abfassungszeit  oder  gar  Echtheit  oder  Unechtheit  der  Epigramme 
schliefst.  Für  unecht  erklärt  der  Verf.  im  letzten  Abschnitt  der  Prole- 
gomena  zunächst  Epigr.  1 G,  das  er  dem  Antipater  Thess.  zuweisen  will, 
eine  Vermutung,  die  durch  nichts  Entscheidendes  empfohlen  wird,  dann 
Epigr.  37,  das  Planudes  mit  Recht  dem  Antiphilos  zuschreibt,  ebenso 
wie  Epigr.  45  dem  Philippos,  endlich  Epigr.  50  im  Anschlul's  an  Geist. 
Von  der  Unechtheit  des  Epigr.  6  kann  ich  mich  nicht  überzeugen,  vgl. 
N.  philol.  Rundschau  1.  1.  8.  114.  Epigr.  29,  3 — 4  sind  unpassend,  aber 
die  Ausschlielsung  dieser  Verse  genügt  zur  Herstellung  des  Gedichtes 
nicht;  ich  vermute,  daJs  die  zwei  eingeschalteten  Verse  zwei  ursprüng- 
liche verdrängt  haben,  in  denen  angegeben  war,  von  wem  dieser  Band 
Lyriker  der  Antonia  geschenkt  wird. 

Der  2.  Teil  enthält  die  Epigramme  des  Krinagorus  mit  kritisch- 
exegetischem Kommentar.  Hds.  Nachträge  dazu  giebt  L.  Sternbacli 
Wiener  .Studien  XII  (1890)  S.  206 flg.,  besonders  aus  dem  cod.  Marcian.481. 

Epigr.  2,  4  schützt  L.  Sternbach  Zeitschrift  f.  Österreich.  Gymna- 
sien 40  (1889).  S.  304flg  mit  Recht  gegen  H.  Stadtmüllers  xivTjtleic; 
xoiiJLTiÖEi;  steht  absolut:  „sich  schlafen  legen";  die  Akkus,  urrvov  und 
xoTTov  hängen  von  -(vw^t;  ab.  Die  Redensart  ist  der  Gegensatz  von 
Hom.  II.  VIT  482:  xotixvr^javT  «y  cZStTa  xal  vJttvo'j  ouipov  eO.ovto.  — 
Epigr.  3,  2  nimmt  derselbe  ebenda  rjjpixXo-ir^z  in  Schutz,  wofür  der 
Hi-sg.  -'jpox/.o-(r,;  schrieb.  —  Epigr.  4,  2  schreibt  der  Hrsg.  veo^ixT^xtu) 
ooupotTi  £v  X.  st.  veo-|xrjXTov  ooypaT-'rjv  xa/.otjAov  und  erklärt  mit  Cichorius: 
„calamam  in  theca  conditum  lignea".  Ob  oop-j  in  dieser  Bedeutung  sich 
findet?  Ich  schlage  :^o>p'.axov  vor,  vgl.  Epigr.  10,  1:  la&jx'.x'vv  spYov- 
o>.zr,v  nnd  Theokrit  2,  156:  Atupio«  o^Tiav;  es  ist  dorische  oder  korinthische 
Arbeit  gemeint.  —  Epigr.  5,  5  schreibt  der  Hrsg.  ota  «5^  oottr^?,  Soipov 
6  TTo;  lz\  70'.  xt)..  St.  0(7  oe  oazo;  owpov  ö'raaa'  ettI  <joi;  ich  vermute: 
oiov  ETaTpo;  oüipov,  ''jz.i'st^  ItX  aoi  (oder  oTtaacsv  aoi):  „ein  kleines  Ge- 
schenk, wie  es  ein  Freund  gerne  schickt,  sandte  Dir"  u.  s.  w.  — 
Epigr.  6,  0  schreibt  der  Hrsg.  mit  Di  eis  rAizi  '^iXoaxT,7:iuvt  xxX  ,  da  so 
die  Konstruktion  hergestellt,  die  sonst  nicht  vorkommende  Verbindung 


Griechieche  Lyriker.     (Sitzler.)  253 

\on  Pan  und  Priapos  beseitigt  und  die  Epitheta  9iXo3xr,r<i)v  und  s-jj-ropOo-^Y'. 
verständlich  werden.  Für  die  Richtigkeit  der  Überlieferunj^  spricht 
schon  die  Stellung  der  beiden  Epitheta,  die  von  Jacobs  und  Passow  in 
seinem  Lexikon  richtig  erklärt  sind;  zu  dem  Adj.  vjT:6p^u-fi  vgl.  auch 
Anth.  Pal. VI  35,  3.  Pau  und  Priapos  sind  auch  sonst  verbunden,  vgl. 
7..  B.  Anth.  Pal.  IX  338;  aber  statt  ^dojxi^rtovt  möchte  ich  schreiben 
9'.Ä03xy]t:Tpo)  Si,  so  dafs  der  Sinn  ist,  die  angeführten  Gegenstände  sind 
eine  reiche  Kost  für  Zecher,  aber  nur  ein  einfaches  Mahl  für  Pan  und 
Priapos.  —  Epigr.  7,  5  schreibt  der  Hrsg.  mit  H.  Stadtmüller  8iyzsb&, 
St.  Sr/owöe,  unnötig:  ebenso  9,^7.  L.  Sternbach  Zeitschrift  f.  östeiT. 
Gymn.  1.  1.  vergleicht  zu  oiyo>.sbt  Anth.  Pal.  VI  158,  3.  Im  folgenden 
Vers  ist  mit  Geist  eux^xtvov  oder  suxXeta  zu  schreiben  st.  EuxXeiSrjv, 
vgl.  VI  278,  3.  —  Epigr.  8,  6  lies  f^  vt)ou?  st.  fj  wrßo:,  —  Epigi\  9,  1 
liegt  d-i'Xaov  st.  at  tojov  etwas  weit  ab;  besser  wäre  ai  xaXov,  ixeXav  oder 
XofXov;  für  richtig  halte  ich  ai  xopov  uötup,  vgl.  IV  1,  7.  C.  Dilthey 
ind.  schol.  Göttingen  1891.  S.  4  Anm.  2  vermutet  Ou6v  und  Vers  8 
k\'x(fr^'3Q•:y\i  st.  eXa^ousotr,?.  Vers  7  schlägt  E.  Kurtz  Blätter  f.  das 
bayr.  Gymn.  25.  Bd.  (1889).  S.  349  au-t;  st.  au-cat  vor:  »seid  auch 
künftig  gnädig".  Mir  gefällt  besser  avtoixat  „ich  bitte",  das  hier,  wie 
öfter,  ohne  Einttnl's  auf  die  Konstruktion  eingeschoben  ist,  vgl.  Anth. 
Pal.  XIV  55,  4  und  Jacobs  zu  d.  St.  H.  Stadtmüller  bei  M.  Rubeu- 
sohu:  aiet.  — 

Epigr.  12  setzt  Cichorius  S.  57  Anm.  2  vor  den  Anfang  des 
Jahres  15.  —  Epigr.  13,  5  flg.  stellt  L.  Sternbach  Wiener  Studien  XII 
(1890)  S.  206  flg.  lichtig  her  dui'ch  die  Schi-eibung:  öcjtov  MtX>jTou 
i\r)|i,oadevY) .  outzo-ö  xwSojv  |  yaXxso;  fj^ei  aou  irXsiOTeptp  (jx.  st.  öctcoc  M. 
JiT)fxo(ji>ev£;  und  ^'yjrisev  oder  r^ytfszi.  Der  Hrsg.  schrieb  azxh^  M.  Ar)fi,oaÖ£ve' 
und  r^yrpti,  H.  Stadtmüller  schlug  vor:  si  o  au  xal  xp.  rj^a-fe  (sc.  y\ 
sikrxiX)  501  j-recpavou;.  —  Epigr.  14,  5  schreibt  der  Hrsg.  gut  xetfiai  6t^ 
St.  6'  £v  oder  6e.  —  Epigi-.  15,  4  tritt  L.  Sternbach  Zeitschrift  f. 
österr.  Gymn.  1.  1.  für  die  Verbindung  der  Worte  a.}X  ^ßr^?  ßaiov 
suaüpoixsvo;  mit  dem  folgenden  Distichon  ein.  —  Epigr.  16  ist  der  Hrsg. 
geneigt,  mit  Jacobs  nach  Vers  4  eine  Lücke  anzunehmen,  was  unnötig 
ist,  wenn  man  Vers  5  tt]v  6  ^otpouor,;  x-X.  st.  -r-^  xal  ^ocp.  liest;  6  CocptoSrp 
vexu;  =  6  vsxu;  ev  ^ö(pti>  wv  „der  Tote  im  Dunkel  der  Unterwelt".  — 
Epigr.  17,  4  vermute  ich  oxXa§ir)v  st.  oiottsotjv:  „die  Krümmung  der 
Kniee,  wie  sie  Sklaven  haben",  vgl.  Suidas  oxXaoia  =-  oxXasi;.  — 
Epigr.  18,  5  liest  C.  Cichorius  Cv  TUfißw  lirfi  üiTEOrjxa-o  ßwXou;  den 
Xamen  itr^c  entdeckte  er  auf  einer  lesbischen  Inschrift,  6-£9r,xa-:o  aber 
ist  eine  Konjektur  Heckers.  M.  Rubensohn  Berl.  philol.  Wochen- 
schrift 1890  S.  1131  flg.  billigt  dies;  nur  möchte  er  mit  W.  Ditten- 
b erger  Deutsche  Litt.-Zeitung  1889    S.  1646    Tu|ißoy  ßciXw    schreiben, 


254  Griechische  Lyriker.    (Sitzler.) 

was  Icli  für  minütig  halte,  vgl.  N.  philol.  Kuiidschaii  1.  1,  S.  116.  — 
Kpigr.  19,  2  vermutet  H.  Stadtmüller  ^f-vi-io-,  st.  t:£vi%?-,  mir  gefällt 
die  Überlieferung-  besser. 

Epigr.  20  erklärt  L.  Stern bach  Zeitschrift  f,  österr.  Gymn.  1.  1. 
lulgendermaiseu:  „ein  Schiffbrüchiger  oder  auch  der  Schatten  eines 
Schift'brüchigen  spricht  den  Gedanken  aus,  dafs  es  besser  gewesen  wäre, 
das  Leben  eines  Hirten  zu  wählen,  anstatt  als  Schiffer  das  j\[eer  zu  be- 
treten". —  Epigr.  23,  6  ist  xeiSir' unmöglich :  H.  Stadtraüller  schlägt 
/.c'jileT',  H.  Di  eis  ttusst'  vor;  am  besten  erscheint  mir  tcuSet  ;  auch  an 
TEpjcT  Heise  sich  mit  Bezug  auf  'l^a^apvi  denken.  —  p]pigr.  24,  2  ver- 
mutet H.  Stadtmüller  axpa  st.  ep/a  coli.  1,  4  und  Theocrit  XV  142.  — 
Vers  3  empfiehlt  G.  Knaack  N.  Jahrb.  f.  Philol.  u.  Päd.  143.  Bd. 
(1891)  S.  775  Scaligers  Vermutung:  "'Appio;  ai/fx-fj-v;;.  —  Epigr.  29,  1 
sclu-eibt  der  Hrsg.  ivt'  st.  h,  mit  Unrecht,  wie  li.  Sternbach  Antho- 
logiae  Planudeae  appendix  S.  111  zeigt.  C.  Cichorius  S.  57  setzt  das 
(gedieht  in  das  Jahr  26  n.  Chr.  —  Epigr.  32,  3  muls  in  -/ap  fj  ein  Eigen- 
name stecken,  wie  das  zweite  Glied  xal  Ai^^u-/.?^?  >}oijxjj.o'j  Eprj}ji.oT£pr;  zeigt. 
Man  könnte  Xpyar,;  vermuten,  vgl.  Pausan.  8,  33;  noch  empfehlens- 
werter ist  vielleicht  TpotVp,  da  das  Unglück  dieser  Stadt  häutig  sprich- 
wörtlich gebraucht  wird.  —  Epigr.  33,  2  schlage  ich  vor:  'Pi'J!.».r,,  o'j«3' 
0350V  ßXa^i'Tj  aöevo;,  aypt  /s  [JieixvTj  ös^a  xxX.  oder  mit  Umstellung :  ouc' 
i;;  'z-j  'pÄ'Yr^,  'l'wixr,,  aö£vo;  xt/..  :  ;,nicht  einmal  dann  wirst  Du,  Rom,  au 
Macht  geschädigt  werden,  so  lange  Du  gedenkst"'  u.  s.  w.  —  Epigr.  30,  1 
vermute  ich  r^v  st.  des  unerklärlichen  xTfi-.  „siehe  des  Schafes"  u.  s.  w. 
Oder  y/n'o',  o-.;  ■^v^^T^'^  \i.h  xtX.?  Vgl.  X,  101.  St.  des  folgenden  hxCz 
ist  mit  Reiske  Evftsv  zu  schreiben  —  exeTf^ev  ou  „von  der  Gegend  wo",^ 
vgl.  Kühner  II  S.  915  Anm.  6,  Krüger  51,  60,  8.  Vers  2  schlägt 
H.  S t ad tm aller  TrO.vaTGti  st.  Ttivetat  vor;  mit  Unrecht.  Vers  3  kon- 
Jiciert  R.  Ellis  Journal  of  Philology  IX  (1888)  S.  362 flg.:  /rxXzo.'.  u  oO 
[xy.otaiv  ri~\  ou  jxoiXaxoT;  e-i  iJ-a^Äot;;  wenig  wahrscheinlich.  —  Epigr.  37, 
5  flg.  schlägt  L.  Stern bach  Zeitschrift  f.  österr.  Gymn.  1.  1.  vor:  xeixo 
xaxa  -pE[xvoio  .  .  .  o^pa  (oder  09p'  6)  TreXctcjsa;  |  (JiJpTQJoit  xtX.  ;  ZU  'f  siosaÖa'. 
.;itou  ^  y.rfitz^rjK  ^-{{o-j  vergleicht  er  VII  383,  7  flg.  —  Epigr.  39,  4  möchte 
ich  ozep  oder  otov  der  Überlieferung  o3ov  vorziehen. 

Epigr.  40,  4  vermutet  II.  Stadtmüller  'fopwv  st.  /spaiv  coli.  Phit. 
mor.  747  B:  op/EhOai  'fopiv  -^(A  -iopoEv.  —  Epigr.  41  will  C.  Cichorius 
vor  den  cantabrischen  Krieg,  etwa  in  29/8  setzen;  vgl.  S.  .54;  dagegen 
bemerkt  Th.  Mommsen  Sitzungsber.  der  Berl.  Akademie  1889  S.  981 
mit  Recht,  dal'«  auch  nach  <le)-  Rückkehr  aus  jenem  Kriege  ein  solcher 
Wunsch  nicht  einfach  unhöflich,  sond(;rn  im  Gegenteil  recht  höflicli 
oder  recht*  höfisch  war.  Vers  5  ist  wohl  /m  tA  st.  w.  xal  zu  lesen.  — 
Epigr.  42,  1    verbindet    It.   Ellis  I.l.    tv>   mit    'W'.i^i  --  -n-.'ii  -)(t   SaiV'" 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)  255 

(ouoav),  £1  xai  [xs  xtä.  :  ich  ziehe  [xr^v  vor.  Derselbe  verteidigt  Journal 
of  Philol.  18  (1890)  S.  311  %.  im  2.  Vers  sTaotouc  als  Akkus,  der  Aus- 
dehnung im  Raum.  Vers  3  vermutet  H.  Stadtmüller  dpoTpsTst.  dpo-cpou, 
L.  Sternbach  Wiener  Studien  1.  1.  ötpoTptp.  Vers  5  billigt  R.  Ellis  1.  1. 
Melnekes  xai  f  6t:6  ixatp?];  67:0  zur  Bezeichnung  des  begleitenden  Um- 
Btandes,  wie  oft  in  späterer  Giäcität.  Vers  7  schlägt  derselbe  zögernd 
-/eXasTai  vor  oder  mit  Beibehaltung  von  -/sXajilai  Vers  8 :  iCo  sttsi  wpiuörjv : 
,quo  vocabulo  destinata  sum  ad  ridendum,  hoc  mihi  nomeu  indidi". 
Ähnlich  vermute  ich  N.  phil.  Rundschau  1.  1.  S,  117:  alla.  YsXaaaaf  |  tw 
ETr£>.a)|^r^örjv  (oder  £7ri[J,co[i.y^0riv  oder  eiriTio&ajil/jv)  xtX.  —  Epigr.  44,  1  ver- 
mute ich:  pfi'icTrj  Travxojv  hoai  yöovo?:  „Erdbeben,  allerfürchterlichster 
Schrecken."  —  Epigr.  45,  7  schützt  L.  Sternbach  Wiener  Studien  1.  1. 
iv  oupestv  SIC  3^  o£  KaTaap  xtä.  durch  Vergleich  mit  VI  252,  5;  aufser- 
dem  vermutet  er  iTrei^ev  st.  eireissv,  vgl.  IX  517,  1.  Gregor.  Naz. 
Carm.  I,  2  n.  29,  169  (Patrol.  Gr.  vol.  37  p.  896).  —  Epigr.  47,  4  tritt 
L.  Sternbach  Zeitschrift  f.  österr.  Gymn.  1.  1.  für  |xe7aXa;  ein,  da  die 
grofsen  eleusinischen  ilysterien  gemeint  seien;  H.  Stadt niüUer  ver- 
mutet !i,e-,'aXY]?.  —  Epigr.  48,  4  hat  der  cod.  Marc.  481  nach  C.  Dilthey 
ind.  schol.  Göttingen  1891.  S.  4  eucro,  das  in  susotrjv  zu  ergänzen  ist.  — 
Epigr.  49,  2  will  E.  Kurtz  1.  1.  KepatoSv  von  fj  TrspaT/]  lesen.  ~ 
Epigr.  50,  1  vermutet  L.  Sternbach  1.  1.  j'j3!siY/.Ta)v  st.  Tja'ft'YYcuv; 
wohl  richtig. 

Den  Schlufs  bildet  ein  Index  verborum,  in  den  der  Verf.  jedoch 
nur  ),memoratu  digna"  aufgenommen  hat. 

Th.  Reinach,  De  Archia  poeta.  Thesis.  Paris,  E.  Leroux, 
1890.     68  S.     8. 

Der  Verf.  kennt  die  Arbeit  von  M.  Haupt  über  Archias  nicht, 
kommt  aber,  was  die  Zuweisung  von  Epigrammen  an  ihn  anlangt,  im 
ganzen  zu  demselben  Resultat.  Im  ersten  Teil  behandelt  derselbe  das 
■Leben  unseres  Dichters,  ohne  gerade  neues  zu  bieten,  im  zweiten  die 
Dichtungen.  Cicero  de  divin.  I  36,  79  bezieht  er  mit^Recht  auf  unseren 
Archias,  der  danach  ein  Epigramm  auf  den  jungen  Roscius  dichtete. 
Auf  eine  Untersuchung  der  Frage,  wie  es  mit  den  Eigentumsansprüchen 
steht,  wenn  das  Lemma  einen  gleichnamigen  oder  neben  Archias  noch 
einen  anderen  Dichter  nennt,  läfst  sich  der  Verf.  nicht  ein,  vielmehr 
weist  er  alle  diese  Epigramme  kurzer  Hand  zurück.  So  bleiben 
schliefslich  21  Epigramme  übrig,  die  er  unserem  Dichter  zuweist;  er 
hätte  noch  VII  164  und  16ö,  wo  H.  Stadtmüller  das  ursprüngliche 
"Ap/iou  in  der  Rasur  fand,  hinzunehmen  und  VI  195  dem  Dichter  nicht 
absprechen  sollen.  Wenn  er  weiter  annimmt,  dals  keines  dieser  21  Ge- 
dichte in  der  Sammlung  des  Meleager  oder  Philippos  stand,  so  ist  dies 


25()  Griechische  Lyrilver.     (Sitzler.) 

uicht  richtig,  wie  H.  Stadtiniiller  Berl.  phil.  Wochenschrift  1891 
S.  913  flg.  dartlmt.  Auf  Gruud  dieser  21  Epigramme  spricht  Th.  Reinach 
über  die  Sprache  und  Metrik  des  Archias,  jedoch  kaum  in  genügender 
Weise,  wie  man  H  Stadtmüller  1.  1.  zugeben  mul's.  Leere  Mut- 
malsungen  sind  es  auch,  was  er  über  den  Inhalt  der  verlorenen  Epen 
vorbringt,  von  denen  Plutarch  die  Mithridatika  im  LucuUus  benützt 
haben  soll. 

Den  Schlufs'  bilden  die  Epigramme  mit  kritisch-exegetischen  An- 
merkungen. No.  4  ^^  A.  P.  VII  214,  8  vermutet  der  Verf.  -oXutj^aujTou; 
St.  ro/.u'{>cy'ix}j.o'j;  coli.  Hesycli.  '{^ausTa  t|iat3-a, ' Apyiac  H.  Stadtmüller  1. 1. 
weist  dies  zurück  und  schlägt  amXaöac  st.  'j^aixaUou;  vor.  —  8,  4,  2  -- 
A.  P.  VI  181,  2  vermutet  der  Hrsg.  recht  ansprechend  Äi'va  st.  raoe.  — 
9,  6  -  A.  P.  XV  51,  6  will  H.  Stadtmüller  1.  1.  vöewv  st.  f^ixiöstüv 
schreiben  und  12,  7  -^  A.  P.  VII  147,  7:  vjYÄats"  oder  es-coXta    st.  wTcXisev. 

G.  Setti.    studi   sulla  Antologia   greca.     Gli    epigrammi 
degli  Antipatri.     Turin,  H.  Löscher,  1890.     162  S.     S. 

Die  Schrift  ist  ein  wertvoller  Beitrag  zur  griechischen  Anthologie, 
um  so  beachtenswerter,  als  der  Verf.  mit  Nachdruck  für  die  Über- 
lieferung subjektiver  Kritik  gegenüber  eintritt.  Das  Thema  ist,  das 
Eigentum  des  Sidoniers  Autipatros  von  dem  des  Thessalonichers  zu 
scheiden.  Dabei  verfährt  der  Verf.  so,  dais  er  aus  den  ganz  sicher 
bezeugten  Epigrammen  die  Eigentümlichkeiten  beider  Dichter  in  Sprache, 
Ausdruck  und  Versbau  zu  ermitteln  sucht,  um  dann  danach  die  übrigen 
Gedichte  zu  beurteilen.  Wie  H.  Stadtmüllej-  Berl.  phil.  Wochen- 
schrift 1892  No.  8  S.  229  flg.  bemerkt,  sind  diese  Untersuchungen  nicht 
n)it  der  nötigen  Akiibie  bis  ins  einzelnste  durchgeführt:  aulserdem  sind 
die  Meleager-  und  Philippos-Fragmeute  nicht  überall  befriedigend  ab- 
gegrenzt, das  Verhältnis  der  Antipater  zu  den  anderen  Dichtern  nicht 
hinreichend  untersucht,  auch  steht  dem  Yerf.  das  hds.  ]\raterial  nicht  in 
wünschenswertem  Umfang  zu  Gebote  So  kommt  es,  dafs  er  nicht 
immer  Abschliefsendes  bietet. 

VII  409,  8  vermutet  H.  Stadtmüller  1.  1.  a.-;/o-6-(a  o  'Jrato; 
oder  aiToraTo)  oder  «jaotaTojv  o'  -j-aro?  St.  dtilavaTujv  o  o-a-ro;;  mir  gefällt 
besser,  was  er  früher  vorschlug:  a/./."  £tepü>v  oder  tüjv  o'sTepwv  o'  'jt.cl-zo;. 
—  Anth.  Plan.  IV  175  weist  der  Verf.  dem  Antipater  aus  Thessalonike 
zu.  Im  Marcian.  48]  steht  das  Epigramm,  "wie  H.  Städtmüller  1.  1. 
bemerkt,  ohne  Autorlemma  nach  Anth.  Plan.  IV  166:  EOr^voo:  daher 
hält  H.  Stadtmüller  es  für  wahrscheinlich,  dafs  es  ebenfalls  von  Euenos 
ist,  indem  er  auf  die  Ähnlichkeit  mit  IX  717  hinweist.  —  VII  216 
gehiirt  nach  11.  Stadtmüller  1.  1.  dem  Sidouier:  ebenso  Vll  209.  IX  26; 
dagegen  IX  309.  418.  VII  246  dem  Antiphilos.  —  VII  286,  4  liest 
H.  Stadtmüller    1.   1.    -fpo-S^r    <£pps'> ,    rarr,;    r/    ihr.'.;.    —  VI    219. 


Griechische  Lyriker.     (Sitzler.)  257 

VII  172.  210.  498.  743  schreibt  der  Verf.  dem  Sidonier  zu,  dem  er, 
im  Gegensatz  zu  G.  Kaibel,  die  Formel  lo'  co?  zuerkennt.  H.  Stadt- 
müller 1.  1.  bemerkt  mit  Recht,  dafs  sich  beide  Dichter  dieser  bedient 
haben  können,  und  auch  G.  Setti  giebt  XII  97  trotz  '(o  tu;  dem  Thessa- 
lonicher:  H.  Stadtmüller  möchte  das  letztere  Gedicht  dem  Sidonier  zu- 
weisen. —  IX  151,  das  nach  dem  Verf.  dem  Sidonier  gehört,  giebt 
H.  Stadtmüller  1.  1.  dem  Thessalonicher  wegen  des  trochäischen 
Hiatus  im  4.  Vers,  der  von  dem  Sidonier  gemieden  wurde.  Aus  dem- 
selben Grunde  gehört  auch  VII  745  dem  Thessaloniker,  das  der  Verf. 
ebenfalls  von  dem  Sidonier  gedichtet  sein  läfst.  —  IX  106,  1  liest 
H.  Stadtmüller  1.  1.  [).'  bd'fltls.  Toar^wo'  und  V.  4  ttqv  ■(  £jj,e;  dadurch 
ist  Isopsephie  hergestellt  und  als  Verfasser  Leonidas  Alexaudrinus  er- 
wiesen; demselben  Dichter  gehört  VII  550.  —  VI  291,  das  der  Verf. 
für  dSejTTOTov  erklärt,  ist  nach  H.  StaJtmüUer  1.  1,  von  Antipater 
Sidonius.  —  VII  232  giebt  der  Verf.  dem  Sidonier;  nach  H.  Stadt- 
müller 1.  1.  liegt  die  Entscheidung  in  dem  Verhältnis  der  Dichter  zu 
Hegesippos,  vgl.  V.  2  mit  VI  124,  3.  —  Anth.  Plan.  IV  197  ist  nach 
dem  Verf.  von  dem  Sidonier,  nach  H.  Stadtmüller  von  Meleager.  ~ 
XI  223  wollte  L.  Sternbach  dem  Antipater  zuweisen;  nach  G.  Setti 
entspricht  es  mehr  der  Art  des  Nikarchos  oder  Ammian,  womit  H.  Stadt- 
raüller  1.  1.  übereinstimmt.  Dem  Nikarch  weisen  H.  Stadtmüller 
und  G.  Setti  auch  XI  415  zu;  aufserdem  H.  Stadtmüller  XI  219, 
das  der  Verf.  dem  Thessalonicher  giebt,  ferner  XI  221.  242.  —  IX  752 
stammt  nach  dem  Verf.  und  H.  Stadtmüller  von  Asklepiades.  —  IX  77,  4 
liest  H.  Stadtmüller  1.  1.  9^Xu  st.  Tr^jxa;  er  glaubt,  dafs  die  Aufschrift 
Y]  'Ep|Ao6topou  doch  Beachtung  verdiene;  denn  in  dem  Epigramm  des 
Hermodor  Anth.  Plan.  IV  170  sei  auch  von  Paris  die  Rede. 

G.  Setti,  gli  epigrammi  di  Luciano.   Rivista  di  Filologia  XX. 
(1892).     S.  233—276. 

Unter  dem  Namen  Lucians  sind  53  Epigramme  auf  uns  gekommen, 
von  denen  eines  in  der  Bibliothek  des  Photios,  die  übrigen  in  der 
Anthologie  Pal.  und  Plan,  enthalten  sind.  Diese  prüft  der  Verf.  auf 
ihre  Echtheit.  Nach  der  Überlieferung  verbleiben  nur  18  unbestritten 
dem  Lukianos:  die  von  dem  Verf.  vorgenommene  Untersuchung  der 
Metrik,  des  Dialekts,  der  grammatischen  Formen,  des  Stils  und  des 
Inhalts  aber  zeigt,  dafs  vielleicht  kein  einziges  auf  Lukianos  zurückgeht, 
dafs  sie  überhaupt  nicht  einheitlich  sind,  aulser  in  der  Armut  an  Gedanken 
und  Kunst.  Sie  sind  dem  Lukian  zugeschrieben,  teils  um  ihnen  einen 
Namen  zu  geben,  teils  infolge  einer  Verwechselung  mit  Lukillios  und 
Julianos.  Dem  Lukillios  schi-eibt  der  Verf.  zu:  15.  20.  21.  22.  24. 
27.  34.  38.  41.  52.  53;  vielleicht  gehören  diesem  auch  10.  12.  39; 
Jahresbericht  für  Altertumswissenriolinft.    LXXY.  Bd.  (1893.  I.)  17 


258  Griechische  Lyriker.     (Sitzler.) 

dem  Animiunos  kommen  nach   dem  Verf.  zu  17.  42.  43,    dem  Palladas 

4.  45.  46.  dem  Cerealis  25,  dem  Julianos  33,  dem  Agathias  vermutlich  50. 
Die  übrigen  müssen  anonym  bleiben. 

C.  de  Boor,  der  Epigrammendichter  Ignatios.  Hermes  23. 
(1888.)    S.  149—152. 

Der  Verf.  stimmt  P.  Wolters    bei.    der    im    Rhein.   Museum   38 

5.  117  zwei  Dichter  des  Namens  Ignatios  annimmt;  aber  hinsichtlich 
der  Bestimmung  ihrer  Lebenszeit  weicht  er  von  ihm  ab.  P.  Wolters, 
setzt  das  Leben  des  Ignatios  frühestens  auf  911  u.  Chr.  fest.  Nach 
dem  Verf.  war  die  Lebenszeit  der  beiden  Ignatii  etwa  um  ein  Menschen- 
alter verschieden;  der  eine  war  Diakon  und  Metropolit,  der  andere 
magist  er  grammaticorum ;  der  Diakon  und  Metropolit  ist  wahrscheinlich 
zwischen  780—790  geboren. 

M.  Rubensohu,  Gegen  die  Wassertrinker.  Hermes  26. 
(1891.)     S.  153—156. 

A.  P.  IX  406  ist  von  Antipater  von  Thessalonike,  wie  H.  Stadt- 
m  Uli  er  aus  der  Rasur  im  Palatinus  ersehen  hat.  Auf  diesen  Dichter 
gehen  nach  M.  Rubensohn  auch  andere  Epigramme  gegen  die  Wasser- 
trinker zm*ück,  die  alle  eine  durchaus  singulare  und  individuelle,  Auf- 
fassung von  dem  Wesen  eines  uopo-oTT^;  zeigen.  Sie  sind,  wie  C.  Dilthej^ 
de  Callimachi  Cydippe  S.  15  flg.  zu  XI  20  bemerkt,  gegen  Kallimachos 
gerichtet,  der  in  seinen  Aitien  erzählte,  wie  er,  im  Traum  auf  den 
Helikon  entrückt,  von  den  Musen  über  die  Götter-  und  Heroenmythen 
belehrt  worden  sei  (A.  P.  VII  42).  Dabei  sind  ihm  die  xaOapal  Xi^ioEosc 
(VII  55)  und  das  evöeov  uötop  der  Hippokrene  sicherlich  ebenso  kredenzt 
worden,  wie  den  anderen  Dichtern.  Gegen  diese  nun  wendet  sich  der 
Hohn  des  Dichters;  daher  gehört  XI  24,  dann  XI  31,  eine  Anspielung 
auf  die  Dichter,  die  aus  der  Hippokrene  Begeisterung  trinken  und  die 
ihnen  dort  eingegebenen  Mythen  als  wirkliche  |xvrj|xov£j  m\i.r,6xon  be- 
richten. „Wenn  nun  endlich  der  Frosch  IX  406  sein  Pfui  denen  zuruft, 
die  Wassei"  trinken  [xavir^v  ^«ucppova  [xc^ivojxsvot ,  so  wird  es  wohl  nicht 
mehr  zweifelhaft  sein,  dafs  hier  nur  die  Poeten  gemeint  sein  können, 
welche  Begeisterung  schöpfen  am  Musenquell  und  doch  oft  so  unsäglich 
nüchtern  und  prosaisch  sind,  dafs  ihnen  in  der  That  das  Feuerlied  des 
Weins  zu  fehlen  scheint." 

A.  P.  1116  ist  nach  H.  Stadtmüller  N.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Päd. 
139.  Bd.  (1889)  S.  755  flg.  so  zu  lesen,  dafs  die  zwei  ersten  Verse  als 
Dittogi'aphien  von  130  und  116  zu  tilgen  sind:  auf  I  30-:  Xptjre  .  .. 
epuxoic  folgt   116:   6e'/vu3o  .  .  .   aapöovuywv. 

n  101  ist  eine  Nachahmung  von  Apollou.  RL  Argon.  IV  180,  wie 
G.  Knaack  Hermes  25  (1890)  S.  85  bemerkt.  —  128  ist  nach  H.  Stadt- 


Griechische  Lyriker.     (Sitzier.)  259 

raiillei-  Berl.  phil.  Wocbenschr.  1890  S.  1397  zk  «aoc  zu  schreiben.  — 
249  vermutet  H.  Stadtmiiller  Blätter  f.  d.  bajT.  (Tymn.  26.  Bd. 
(1890)  S.  1  flg.  gut  -a'/i'ösjffiv  St.  -sXa-zsajtv.  —  304  schlägt  derselbe 
N.  Jahrb.  1.  1.  vor:  a^zo  TraTr-aivcuv  'A-oXv^tov  st.  a^STo  tt.  'At:oX-/^'''o;. 

III  2,  3  vermutet  H.  Stadtmüller  Blätter  f.  d.  bayr.  Gymn.  1.  1. 
8.  556  ■/pu<fio;  7070?  aÖTO?  Iitoi/vuiv  st.  9O.0;  7.  a'jto;  'j^rotoycov. 

V  2,  2  schlägt  H.  Stadtmüller  N.  Jahrb.  f.  Phil.  u.  Päd. 
143.  Bd.  (1891)  S.  322  flg.  ipz--oiii\r^v  st.  ep£U70|xevr,v  vor:  sollte  sich 
£psu7saftai  in  der  späteren  Bedeutung  „hervorstolsen,  nennen"  nicht 
halten  lassen?  Auch  V.  4  erscheint  mir  die  Änderung  rpiXr,?  in  3oX^; 
.,Strahl"  unnötig.  Für  den  Verf.  hält  H.  Stadtmüller  den  Argentarios. 
dem  er  auch  V  7  zuweist,  wo  er  im  1.  Vers  Tt-apotvToc  st.  Traosoüja  ver- 
mutet. —  11  will  L.  Sternbach  Anthol.  Plan,  appendix  S.  18  dem 
Asklepiadcs  zuweisen,  wogegen  C.  Häberlin  Wochenschr.  f.  klass. 
Phüol.  1890  S.  1399  flg.  Einsprache  erhebt.  —  12,4  schlägt  H.  Stadt- 
müller 1.  ].  y.al  vouaoi  st.  y.tuXojsi  vor.  —  13,  1  liest  C,  Dilthey  ind.  schol. 
Göttingen  1891/92  S.  16  recht  ansprechend  llpa^irslsy;  (oder  IIpa^tTeXoy;) 
St.  npa?'T3Xrp.  —  18  erklärt  L.  Sternbach  1.  1.  unter  Beistimmung 
H.  Stadtmüllers  Berl.  philol.  AVochenschr.  1890  S.  1392  so,  dafs  er 
der  ancilla  nicht  die  matrona,  sondern  die  meretrix  entgegengestellt 
denkt:  daher  schreibt  er  V.  1  soSdtowv  st.  croßotpwv,  V.  2  mit  MV 
ToTc  s-axaXuiv  -x>i[X|j.a3[  -irsiöofASVot  und  V.  4:  -/spSaivoua'  st.  xivSuvou: 
H.  Stadtmüller  möchte  statt  dessen  lieber  xsv  suXäo  oder  5'  sx^uaüjj" 
lesen.  Derselbe  vermutet  V.  6  ou  5£Xa7i^6ix£vov  coli.  Gregor.  Naz. 
bei  Migne  37,439,4.  V.  7— 8  trennt  L.  Sternbach  von  dem  Vorher- 
gehenden. —  20,  4  vermutet  H.  Stadtm tiller  N.  Jahrb.  1.  1.  passend 
aopoTjvTj  St.  xaXXocrjv?].  —  22,  5  will  H.  Stadtmüller  recht  ansprechend 
(fiXr,c  durch 'fo3r,c  ersetzen.  —  29,  1  will  H.  Herwerden  studia  critioa 
jü  epigrammata  Graeca.  Leiden,  E.  J.  Brill,  1891  S.  140  ai-TQ  als 
II.  Pers.  Pass.  fassen.  —  31,  ö  schreibt  L.  Sternbach  1.  1.  S.  14 
Nes-ajp  TTQ  lla'ft/;  mit  MV,  was  H.  Stadtmüller  Berl.  phil.  Wochen- 
schrift 1.  1.  mit  Ptecht  zurückweist.  —  35,  5  vermutet  L.  Sternbach  1.  1. 
S.  21  (j'jjcprfcop.evY)  st.  o'f  pa7t!o}X£vr,,  da  V  TpoyaXoTat  <jcpi770uivr^  bietet,  — 
36  wurde  nach  H.  Stadtmüller  N.  Jahrb.  1.  1.  von  42  aufgenommen, 
dann  folgte  37;  daher  erklärt  sich  die  Beischrift  o]xotüj;  zu  den  letzteren. 
Beide,  37  und  42,  gehören  dem  Onestes,  vgl.  20.  —  37,  4  vermutet 
H.  Stadtmüller  1.  1.  |x£iov  st.  XeTtcov.  —  39,  3  schlägt  H.  Stadt- 
müller Blätter  f.  d.  bayr.  Gymn.  26.  Bd.  (1890)  S.  1  flg.  (x'  (J.poü^'.v 
St.  [i  aipo'jstv  und  V.  4  i'^apawv  st.  7ap  iswv  vor.  —  41,  2  verlangt 
L.  Sternbach  1.  1.  el/s:  y.al  0?'  r-iX£T:£;.  —  50  weist  L.  Sternbach  1.  1. 
S.  92  mit  AI  dem  Rufinus  zii:  mit  Unrecht,  wie  H.  Stadt müller  Berl. 
phil.  Wochenschr.  1.  1.  S.   1390   zeigt.  —  51,  1    vermutet    H.  Stadt- 

17* 


260  Griechische  Lyriker.    (Sitzler.) 

milller  N.  Jahrb.  1. 1.  siunentsprechend :  xateroaSa,  Yeisuixat;  auch  eKoXoyv 
st.  E'^O.o'jv  ist  ansprechend.  —  57,  1  mochte  derselbe  aüv  nupl  vr,y6ixsvoi 
t}<i>yy|v    xt)..    lesen,    vgl.    Cougny    I  199.  —  58,  2    schlägt   II.   Stadt - 
miiller  1.  1.  irav  -juaXov  st.  Tav  ob  [ii'Ko^  vor;  ich  halte  ^uaÄov  nicht  für 
passend;    etwa    -avta   ooyov?     Zu    ooyoj    „Behälter"    vgl.   Hesych.    — 
60,  3  nimmt  L.  Sternbach  1.  1.  S.  22  flg.  Austols  an  aXXy]Xat;,  für  das 
ihm  auTOjxa'ai  am  besten  gefällt;  H.  Stadtmüllcr  Berl.  phil.  Wochenschr. 
S.  1393   vermutet  suxuy.Xtu?  coli.  Orph.  Lith.  135.     Mir   erscheint   dies 
neben  rspir^vse;  tautologisch:  aXXrjXai;  ist  richtig:  „für  einander,  mit  Be- 
zug   auf   einander'- ,    womit  recht  passend  das  schöne  Ebenmal's  dieser 
Teile  bezeichnet  wird.     V.  5 — 6,  die  in  MV  fehlen,  möchte  L.  Stern- 
bach   dem  Epigr.  V  36  zuweisen,    wo  nach  V.    8  ein  Distichon  über 
Melite  ausgefallen  sei,    auf  das  dann  jene  Verse  folgten;    zum  Beweis 
dafür  beruft  er  sich  auf  Suidas  s.  \.  Euptu-a;,  wo  es  heilst :  uepl  atSotou 
avopöc  6  X6-|'oc.    Ich  glaube,  su  gut  die  Verse  zu  der  in  6ü  beschriebenen 
Situation  passen,  so  unpassend  wiü'deu  sie  in  36  sein.  —  74,  6  vermutet 
H.  Stadtmüller  N.  Jahrb.  1.  1.  -i^xtj  oder  «pöivstf  st.  Xtjysic  —  77,  2  liest 
H.  Stadtmüller  Blätter  f.  d.  bayr.  Gymn.  26.  Bd.  (1890)  S.  550  flg. 
ypovae'.iV  .  .  .  drovojtfiv  st.  /pove'eaxev  .  .  .  dXoyo'.jtv.    L.  Sternbach  1.  1. 
S.  37  und  79  möchte  die  Verse  den  Daphniaka  des  Agathias  zuweisen; 
H.  Stadtmüller    Berl.  phil.  Wochenschr.   1.   1.  S.  1390 flg.    kann    nur 
schwanken,  ob  sie  dem  Rurinus  oder  Palladas  gehören;    X.  Jahrb.  1.  1. 
weist  er  sie  dem  Klaudianos  zu.  —  82  weist  L.  Sternbach  1.  1.  S.  20 
mit  M  dem  Diouysios  zu,  mit  Unrecht,  wie  H.  Stadtmüller  1.  1.  1391 
zeigt.     Vers    1    schreibt    L.  Sternbach    mit  M:    xi    |x"    outü>?    e|x::upa, 
Vers  2  vermutet  er  Trpt'vj'  und  7;'7{>av6(jLr,v,  —  94,  3  verlangt  H.  Stadt- 
müller N.  Jahrb.  1.  1.  doiaaet  6t.  dxo-jei  coli.  Plat.  Phaedr.  255  D.  — 
96  wollte  .Jacobs  mit  XII  113  verbinden,  wogegen  L.  Sternbach  mit 
Recht  Einsprache  erhebt  (1.  I.  S.  93).  —  99  weisen  M  V  dem  Meleager 
zu.    was  nach  L.  Sternbach  1.  1.  S.  29    „adniodum  suspectum",    nach 
H.  Stadt müller  Berl.  phil.  Wochenschr.  1.  1.  S.  1380  unmöglich  ist.  — 
127,  5  ersetzt  H.  Stadtniüller  N.  Jahrb.  1.  1.   XdXov  gut  durch  fiapv 
coli.  16,  4  und  Lukiau.  ovo;  4;  dann  vermutet  er  eirtoüaa  st.  ijiooüsa.  — 
132,3    vermutet  R.  EUis   .Journal  of  Philol.  18  (1890)  S.  211  flg.  A 
]xvoiüiv  ixaTTüiv,  vgl.  Hesych.    |j.voto;     diraXo;;  etwa  pooecuv  |x.  vgl.    Nonn. 
Dionys.  9,   296.*     V.  6    hält   R.   Eilis    an   iße    [it    fest:    „with    which 
she  used  to  slay  nie".  —  134  ist  nach  G.  Knaack  N.  Jahrb.  f.  Phil. 
143.  Bd.  (1891)  S.  769  )ioch  zu  Lebzeiten  des  greisen  Zenon  (gest.  264/3) 
in  Athen   gedichtet,    als  Kleauthcs    schon  als    designierter  Nachfolger 
galt.     So  erklärt  sich  auch  die  kekropische  Elasche.  —  144,  2  fordert 
C.  Dilthey    ind,'  schol.    Göttingen    1891/92    S.  16  flg.    oop£ji>oißa    st. 
o'ipea'/fo'.ta;    ob    nötig.'  —  167,  2   vermutet  H.  Herwerden  1.  1.  o^utöv 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)  261 

Ö7)  oder  oiateov  -^v  st.  oTvoc  xai;  ich  kann  weder  das  eine  noch  das 
andere  billigen.  —  168,  1  vermutet  H,  Stadtmüller  l.  1.  tiuxivoj  st. 
TTup  xai.  —  182,7  liest  W.  Headlara  Journal  of  Pliilol.  XX  S.'309: 
\i.}i  'fet3ou  T«  7:avTa  Xr/siv  coli.  Euripid.  Ürest.  385.  —  186,  3  will 
L.  Sternbach,  wenn  überhaupt  zu  ändern  ist,  1.  1.  S.  59%.  tosoov  st, 
TouTov  schreiben,  —  198,  5  ergänzt  H.  Stadtmüller  1.  1.  -/Xafpuprj.  - 
199.  Hedylos  ahmt  nach  G.  Knaack  1.  1.  Asklepiades  XII  135  nach; 
dafs  er  mit  Asklepiades  genau  bekannt  ist,  zeigt  das  Epigramm  bei 
Athen.  XI  473,  W'O  es  von  Sokles  heilst:  iXW.  uap'  olvov  SixsXioou  izcniCtt 
zoqXq  jjLsXr/poTspov,  —  202  ist  nach  <j.  Knaack  Hermes  25.  (1890) 
S.  85  Nachahmung  von  Callim.  lav.  Pallad.  2.  —  232,  3  wünscht  L. 
Sternbach  1.1,  S.  35  flg.  os^a^irr^  st.  ^Xssajisv-rj ,  wohl  mit  Recht.  — 
238,  3  vermutet  H.  Stadtmüller  1.  1.  sixiSv'  st.  aurov  und  dann  Vers  4: 
fjv  TTOT  i\iEio  X.  —  239,  2  fordert  derselbe  mit  Recht  cixu/ofxevoc  st. 
4'uy6iJi.svoc.  —  242  trägt  in  dem  cod.  Pal.  Gr.  128  fol.  89i'  das  Lemma 
'AYTfiötoy,  während  es  sonst  dem  Eratosthenes  zugeschrieben  wird.  Für 
Agathias  spricht  nach  L.  Sternbach  1.  1.  S.  72  der  Name  Melite  in 
dem  1.  Vers.  —  24.3,  3  vermutet  L.  Sternbach  1.  1.  S.  59  flg.  tisi^sto 
6e  st.  [Aot,  V.  5:  "Eptoc'  xai  wY.'zoXoyqaoa,  das  letztere  allerdings  nur 
zweifelnd.  —  244  schreiben  M  V  mit  Unrecht  dem  Eratosthenes  zu ;  es 
gehört  dem  Paulus  Sil ,  wie  der  cod.  Pal,  hat,  vgl.  L.  Sternbach  1,  L 
S.  33;  dasselbe  gilt  von  246.  V.  7  vermutet  L.  Sternbach  aStxasTov 
st,  dSexasTov.  —  246,  4  vermutet  C.  Dilthey  ind.  schol.  Göttingen  1891/92 
S.  16  T:ap&evix%  st,  -apösvir)?.  —  255,  1  verlangt  L.  Sternbach  1.  1. 
S.  38  flg.  «uXtqtoio  St.  (JtXrjToio,  allerdings  nur  zweifelnd.  —  V.  3  wird 
acpsfieo;  von  MV  bestätigt.  —  258,  2  bestätigen  MV  ip-sip«,  vgl. 
L.  Sternbach  1.  1.  S.  44,  der  auch  V.  3  aus  Suidas  xopu|x^ouc  auf- 
nimmt. —  268,  6  schlägt  H.  Stadtmüller  1.  1.  otats  st.  sU  i\t.l  vor.  — 
270,  2  vermuten  XiOoxoXX/^tujv  st.  xs  Xtf^oxp-v^tcov  H,  Stadtmüller  1.  1. 
und  C.  Dilthey  1.  1.  S.  16,  vgl.  276,  10.  —  275,3  bestätigen  MV 
xsXsudou,  vgl.  L.  Sternbach  L  l.  S.  47.  V.  4  vermutet  H.  Stadt- 
müller Blätter  f,  das  bayr.  Gymn.  1.  1.  ajipaXeto?  st.  dtcr-aaiwc,  vgl. 
Hom,  N,  141.  —  285,  7  verlangt  L,  Sternbach  L  1.  S.  45  flg.  ttoöou 
St.  TOvou;  kaum  nötig.  —  289,  3  will  L.  Sternbach  1.  1.  S,  64  flg. 
ouxexi  St.  OUT  l-\  schreiben:  mit  Unrecht,  vgl.  H,  Stadtraüller  Berl. 
phil.  Wochenschr.  1,  1.  S,  1393;  damit  fällt  auch  o-joe  V.  4.  —  294,7 
verlangt  L.  Sternbach  1.  1.  S.  73  flg.  9oßr;(jev;  H.  Stadtmüller  Blätter 
f.  das  bayr.  Gymn.  1.  1.  tritt  mit  Recht  für  cpoßrjaotv  ein,  V,  10 
schlägt  L.  Sternbach  sie  OaXaixov  st.  h  ftaXa^-tp  vor.  —  305  weist 
L.  Sternbach  1.  L  S.  78  flg.  den  Daphniaka  des  Agathias  zu;  vgl. 
dagegen  H,  Stadtmüller  Berl,  phil.  Wochenschr.  1.  1.  S.  1390.  V.  1 
schreibt  L.  Sternbach  gut  xt'c  [jis  «iXt^^ev.  —  306,  3  flg.  weist  R.  Ellis  1. 1. 


•j{^2  Griechische    Lyriker.     (Sitzler.) 

G.  Kaibels  xaaöfxatvr;;  mit  ßeclit  zurück;  er  erklärt:  sed  cum  dixi 
„accumbu  tibi'',  et  tu  moraris  uec  mihi  te  statiin  applicas.  —  Über 
die  Komposition  von  V  vgl.  R.  AVeiishSupl  S.  08  flg. 

VI  (i  ist  die  Form  des  Hexameters  festzuhalten,  wie  Th.  Preger 
de  epigrammatis  Graecis  meletemata  selecta.  Diss.  München  1889 
b.  lo  Hg.  =  luscriptiones  (Iraecae  metricae.  Leipzig  1891.  S.  66  flg. 
gegen  Bergk  zeigt;  Pausan.  9,  10,  4  bezieht  sich  auf  ein  anderes  Epi- 
gramm, das  Th.  Preger  mitteilt.  —  7  bezieht  sich  auf  einen  Faust- 
kämpfer .Skaiüs.  der  zwischen  Ol.  20—30  lebte,  wie  auch  Th.  Preger 
nach  Bergk  annimmt.  8  ist  eine  Fälschung  der  Priester,  vgl.  Th. 
Preger  1.1.;  mit  Laodamaö  ist  der  Sohn  des  Eteokies,  der  König  der 
Thebaner,  gemeint.  V.  2  schlägt  H.  Stadtmüller  ij.o'jvofj.ay20)v  sti 
'^ouvapyecuv  vor.  —  16,  4  fordert  C.  Dilthey  1.  1.  S.  16  s'!vaMxoiva  st. 
eivaXi'^otxa.  —  34,  H  vermutet  A.  Nauck  Hermes  24  (1889)  S,  462 
•/uva^xtav  st.  y.'jvaxTocv  oder  xuvayyav.  —  62,  o  vermutet  H.  Her- 
werden 1.  1.  xavov'  töyvTr,v  st.  xavc/vio'  u-dTr,v,  C.  Häberliü  Wocheuschr. 
f.  klass.  Phil.  1891  S.  737  flg.  richtiger  xavov  töuievr)  nach  65.  2.  — 
106,  1  wünscht  C.  Dilthey  1.  1.  S.  17  GXrj'foiTa  st.  uÄe-.öixa,  —  220  be- 
handelt E.  Fr.  Kousis  W^^rx  1.  (1889)  8.  467  flg.,  der  V.  10  ,e; 
[U-{  eöv  TujjLjravov  coli.  217,  5.  219,  19  oder  xoviov,  V.  13  i/.  oe  sacüt^eU, 
V.  14  [x^Tep  st.  [xr,-£pa  und  16  avTiilerat  St.  dtvTiösp-ai  vorschlägt. 
G.  Knaack  Berl.  phil.  Wocheuschr.  1889  S.  394  tritt  L.  Sternbach 
gegenüber  für  C.  Diltheys  atovoev  V.  10  ein.  —  226,  1  verlangt 
G.  Knaack  Hermes  25  (1890)  S.  89:  r,  p'  st.  f^  x",  V.  3  oe  st.  xe.  — 
262,  1  liest  H.  Stadtmüller  N.  Jahrb.  f.  Philol.  139.  Bd.  (1-889) 
S.  755  flg.  gut:  Xiv  ixot|xvrjV  xal  eTrauXa:  V.  2  ziehe  ich  Jtvojxsvov  dem 
von  ihm  vorgeschlagenen  aivafievov  vor;  xpsaavxa  verlangt  kciue  Änderung 
des  überlieferten  jtvofxovov.  —  292,  3  vermutet  R.  Ellis  Journal  of 
Philology  18  (1890)  S.  211  flg.:  zavff  aiJ.a  NtxovoY);  ev  eixsiaiov  „omnia 
simul  Niconoes  unus  cunuus  erant,  i.  e.  merces  cunni,  quem  iudicibus 
in  certamiue  pulcliritudinis  uudaverat  vel  exhibcndum  curavcrat".  — 
298,  1  vermutet  G.  Knaack  N.  .Jahrb.  f.  Phil.  1891  ö.  769flg.  xaoo£t|/riTöv, 
trotzdem  sich  dieses  Kompositum  sonst  nicht  fludct,  und  V.  2:  3axTpot> 
-ouTo  xö  Aei7r6iJ.evov  coli.  293.  —  331,  4  schlägt  H.  Stadtmüller 
N.  Jahrb.  f.  Phil.  137.  Bd.  (1889)  S.  353  flg.  vor:  v.;£v  <.cjroYiou> 
xuxOov  'j-£pf>£  ßp.:  auch  ax-j-jvoü  oder  XuYpoü  seien  möglich. 

Vn  3  schreibt  Th.  Preger  inscriptiones  S.  25  dem  5.  oder 
4,  Jahrh.  zu.  —  8.  2  verlangt  .1.  j\lähly  Blätter  f.  d.  bayr.  Gymn. 
25.  Bd.  (1889)  S.  243  u/.o/o|jlo'j;  st.  aOxovofxoy;  coli.  Demaget.  4  S.  79 
bei  Jacobs  delect.  epigr.  —  18,  4  vermutet  derselbe  o?  M.  ewea  puöixov 
l'xet.  —  24.  4  vermutet  H.  Her  wer  den  1  1.  passend  X'.x(i>  st.  XerxuV  — 
^1,  6  möchte  H.  Stadtmülle}-  1.  1.  lesen  z\j  iiolk    epsiooixeva;  st.  I[i,[idf^', 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)  263 

-£i9o[i.evas.  —  54  ist  im  Tal.  dem  Mnasalkas  zugeschriehen ,  was  iiacii 
Th.  Preger  1.  1.  S.  15  nicht  umvahrscheinlich  ist;  jedenfalls  fällt  es 
vor  die  Epig'ramme  im  Peplos  des  Aristoteles,  vgl.  19,  2  mit  unserem 
Epigramm.  —  62,  1  verlangt  Th.  Preger  1.  1.  S.  210  tivoj  sixtuv  oder 
etwas  Ähnliches  st.  -rivo;  sIkz,  H.  Stadtmüller  r^ 'x  trivo;  oder  ex -civo;. 
—  69,  3  vermutet  H.  Stadtraüller  1.  1.  yuiJLov  st.  Oufxov.  —  79,  3  liest 
E.  Ellis  1.  1.  Ejxßac  St.  'Äai?.  —  84  stand  nach  Th.  Preger  1.  1.  S.  201 
nicht  auf  dem  Grabe  des  Milesiers  Thaies,  wie  schon  der  Dialekt  zeige; 
ebensowenig  86  auf  der  Statue  des  Solon.  wie  derselbe  S.  197  mit 
Recht  gegen  R.  Weilshäupl  Grabgedichte  S.  45  bemerkt.  —  84,  2 
verlangt  H.  Stadtmüller  leTve  st.  toüto,  86.  2  vospov  oder  ispa  st.  ispov.  — 
S9,  15  fordert  H.  Stadtmüller  Berl.  phil.  Wochenschr.  1889  S.  1229  flg. 
TT)v  6'  fJixaX-^v  wj  st.  TYiv  6'  oXqrj"'  ^i-  —  93,  1  vermutet  H.  Stadt- 
müller ö'  (Jttotcvsusw  st.  öe  tt  r.Xzio'/  oder  zXeiJTov.  Th.  Preger  1.  1. 
S.  201  bemerkt:  „hoc  voluit  Duris  in  Pherecydem  esse  scriptos 
versus :  quos  attulit  ni  fallor  Samiorum  tyrannus,  ut  Pythagoram  civeni 
hoc  vaticinio  laudibus  efterret."  Auch  94  hält  er  nicht  für  eine  echte 
Grabinschrift  des  Anaxagoras.  —  119,  1  liest  H.  Stadtmüller  1.  1. 
■/]v-'öe  .  .  .  eyp'  o6e  xxX.  als  Inschrift  auf  eine  Statue  des  Pythagoras.  — 
125,  4  vermutet  Th.  Preger  1.  1.  S.  133  «iSs  st.  aoe,  „ut  sxs'favouv 
idem  sit  ac  nixav".  —  133,  3  vermutet  H,  He  rw  er  den  1.  1.  -|'vacpoi(jtv 
^Xov  st.  7701901?  (5Xqov;  metrisch  bedenklich.  —  153  behandelt  Th.  Preger  1.1. 
S.  188  flg.  ^  meletemata  sei.  S.  30  flg.  Er  stimmt  H.  Stadtmüller 
bei,  der  V.  1  von  den  folgenden  trennt  und  das  Gedicht  zu  jenen 
rechnet,  in  denen  in  drei  in  der  Form  des  Kyklos  gebauten  Versen 
variert  wird,  was  im  ersten  Yers  gesagt  ist.  Th.  Preger  macht  mit 
Recht  darauf  aufmerksam,  dai's  unser  Gedicht  nicht  das  von  Simonides 
fr.  57  dem  Cleobulos  von  Lindos  zugeschriebene  sei,  da  hier  Sonne, 
Mond  und  Meer  nicht  erwähnt  werden:  deshalb  habe  später  ein  Gram- 
matiker zwei  Verse  dieses  Inhalts  eingeschaltet,  und  so  sei  die  bei 
Diogen.  Laertios  vorliegende  Form  des  Gedichts  entstanden.  H.  Stadt- 
müller Berl.  phil.  "Wochenschr.  1890  S.  304  meint,  im  1.  dieser  ein- 
geschalteten Verse  müsse  >i7:apa  ts  aeXi^vy)  gelesen  werden,  falls  Th.  Bergk 
bei  Siraonides  richtig  Xnrapa?  ergänzt  habe.  Th.  Preger  hält  das  Gedicht 
für  epideiktisch,  etwa  um  das  Ende  des  5.  Jahrh.  entstanden,  und  ich 
stimme  ihm  darin  bei.  —  154,  1  vermutet  R.  Weifshäupl  S.  93 
.zweifelnd  oSupjxa  st.  a»%p[i.a.  —  169,  4  verlangt  H.  Stadtmüller  -/svoc  st. 
vexuc,  V.  8:  suvic  "6'  coli.  Aesch.  choeph.  247.  795  st.  ivvexic.  Th.  Preger 
inscriptiones  S.  150  flg.  ^  meletemata  S.  40  flg.  ist  der  Ansicht,  dafs 
ein  Komiker  im  Scherz  von  Chares  gesagt  habe,  er  habe  seiner  Hetäre 
Boidion  eine  Statue  errichten  lassen;  daraufhin  habe  ein  späterer 
Grammatiker  unsere  Vei-se  gedichtet,  die  dann  auf  das  Denkmal  gesetzt 


o,;4  Griechische  Lyriker.    (Sitzler.) 

worden  seien.  Mir  klingt  dies  aufserordentlich  unwahrscheinlich ;  richtiger 
urteilt  wohl  H.  Weifshäupl  S.  57  flg.,  der  an  dem  Grabmal  der  Boidion 
festhält.  —  174,2  wünscht  H.  Herwerdeu  1.1.  apixoSo  st.  apixo^T.  — 
183,  1  ist  nach  H.  Stadtmüller  N.  Jahrb.  f.  Philol.  139.  Bd.  (1889) 
S.  755  flg-.  Dittographie  von  184,  1:  der  echte  Vers  ging  verloren; 
er  lautete  etwa  fjyoov  [xev  Xwtoi  ^ajjLixot  •  sTü/epioc  o'  d-oope^'a«-  —  196,  2 
wünscht  C.  Dilthey  1.  1.  S.  13  d7pov6|xou  st.  d7pov6}jLav  coli.  213,  3  flg. 

—  200,  1  vennutet  derselbe  S.  11  flg.  xüiXov  st.  xXwvo;;  früher  schon 
hatte  er  op-jdSa  st.  opraxa  und  eXuadsi«  st.  eXi/öef«  vorgeschlagen: 
St.  (3p-j'otoa  zieht  er  jetzt  Emperius'  Giro  xXdoa  vor.  V.  2  weist  er 
G.  Kaibels  ur.o  st.  a.~6  mit  Recht  zurück.  V.  3  fordert  er  jxdp-^av  st. 
apatdv  vgl.  VI  199,  5.  —  215,  4  verlangt  H,  Herwerden  1.  1.  Tioii^u^tu 
St.  7:oi(fuj3tu.  —  233,  4  schlägt  H.  Stadtmüller  N.  Jahrb.  137.  Bd. 
(1888)  S.  353  flg.  s'ixßaXev  „stürzte  sich"  st.  £|xcpavec  vor.  —  234.  1 
schützt  R.  Ellis  1.  1.  "ApYouj,  ebenso  V.  8  lopap-e;  V.  4  möchte  er  mit 
Planudes  -po-epiuv  st.  7:poTepr)v  lesen.  —  243,  5  verlangt  derselbe  ßoo- 
7'f «70/  oder  poossoov  st,  ßoooxpuyov,  falls  dies  letztere  nicht  -^  ox-stripping 
ist,  vgl.  xpuysiv,  Tpuyos.  —  260,  4  vermutet  W.  Headlam  1.  1.  S,  310 
£Öai<ja  st.  eowxa,  da  ooüvai  7d}j.ouc  nicht  griechisch  sei;  doch  weist  er 
selbst  in  dem  mir  vorliegenden  Exemplar  handschriftlich  auf  Achilles 
Tat.  1,  8  hin,  wo  zu  lesen  ist:  7d}i.ov  rfir[  oot  öiöuiaiv  6  Trarr^p.  —  272,  6 
fordert  H.  Stadtmüiler  1. 1.  6i>jop,evtov  st.  Suojxevcuv  coli,  Hesiod.  WT  383. 

—  273,  6  schreibt  derselbe  Blätter  f.  d.  bayr.  Gymn.  26.  Bd.  (1890). 
S.  1  flg.  gut  oyXsüjiai  St.  oiyrjfxai.  —  276,  5  vermutet  H.  Stadtmüller 
N.  Jahrb.  1.  1,  XufjLif);  st.  Xoitc^c  —  279,  3  ist  mit  dem  Palat.  ev  xuixac 
zu  schreiben,  vgl.  L.  Sternbach  1.  1.  S.  111.  —  313—320  sind  epi- 
deiktisch,  vgl.  Th.  Preger  1,  1.  S.  211.  —  327—340  (—343)  besteht 
nach  R.  Weifshäupl  S.  39  flg.  aus  inschriftlichen  lm7pdixji,aTa  dSeoTco-a, 
die  wahrscheinlich  von  Gregorius  Magister  stammen.  —  328,  5  lautete 
die  ursprüngliche  Lesart  nach  H.  Stadtmüller  Blätter  f.  d,  bayr. 
Gymn.  1.  1.  70£pou;-Te;  fi.o7epo'j;  te  rührt  vom  Korrektor  her.  —  338,  3 
wünscht  H  Stadtmüller  Berl.  pliil.  Wochenschr.  1889  S.  1229  flg. 
z£piaaiJ.a  st.  rspl  aa|xa  coli.  Moschos  2,  6  und  Theokl'.  15,  82,  —  339,  8 
schlägt  H.  Stadtmüller  N.  Jahrb.  1.  1.  xu)Xur?jv  S  (53uvt)c  oder  xyiXt)ttjv 
o"  oouvcüv  Tor.  —  364,  2  vermutet  H.  Herwerden  1.  1.  Xetctt^v  st.  Xittjv. 

—  365,  1  verlangt  H.  Stadtmüller  Berl.  phil.  Wochenschr,"!.  1,  evooft- 
t.  yoatt  und  V,  2  pooavr^v  st.  tJ.8ivr^v.  —  377.  G.  Knaack  Hermes  25, 
1890)  S.  88  billigt  C.  Diltheys  Vermutung  Cydippe  S.  24,  dafs  mit 
Parthenios  Parthenios  von  Nikäa  gemeint  sei ;  Erykios  gehöre  derselben 
Zeit  an,  wie  VI  96  zeige.  —  390,  5  schlägt  R.  Ellis  1.  1.  stXiSav  st 
r;Xe75av  vor,  —  406  hält  G.  Knaack  N,  Jahrb.  f.  Phil.  143.  Bd.  (1891; 
8.  769  flg.  im  Anschlufs  an  Meineke,  aber  im  Gegensatz  zu  Fr.  Susemihl 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)  265 

für  ein  wirkliches  Grabgedicht  des  Theodoridas  auf  Euphorion,  nicht 
für  ein  Spottgedicht.  —  408,  3  vermutet  H.  Stadtmüller  Blätter  f. 
d.  bayr.  Gyran.  1.  1.  ö  xEp-ofxeovxa  3aü?ac  st.  6  xal  roxewv  eia  ßau^ac.  — 
413,  7  verbessert  derselbe  aiuiv  st.  öcfitv.  —  435,  4  schreibt  derselbe 
N.  Jahrb.  139.  Bd.  (1889)  S.  755  flg.  [xqaoav  st.  [xsvaXav.  —  446,  2 
verlangt  derselbe  Blätter  f.  d.  bayr.  Gymn.  I.  1.  o&vstav  -/oEv  £i:t£3(ja|xevoc 
Bt.  "Ap7eiav  -faiav  eTTSjaajxsvo?.  —  456,  3  vermutet  derselbe  N.  Jahrb.  1.  1. 
ipoixöjv  St.  d7pü)v,  wobei  er  bemerkt,  dafs  Xt)v<$;  auch  „Tränke"  bedeute. 

—  465,  3  schlägt  derselbe  Berl.  phil.  Wochenschr.  1.  1.  oiaxptvsovTe;  st. 
oiaxpivavTs;    vor,    falls  Ypc'ixixa  doch  von  der  Inschrift  zu  verstehen  ist. 

—  472,  11  liest  R.  Ellis  1,  1.  'j^aXuYsTov  st.  tj^aXaOptov ,  vgl.  Hesych. 
»l'aXuYcov  ■  svtoi  'i/tiXuyj.i  Ta?  Xe70u.evac  <j^uyac  afxs'.vov  y.al  Toy;  (iadsveic 
omvd^pas.  —  479,  2  und  6  brauchen  nach  R.  Weifshäupl  S.  66  nicht 
im  eigentlichen  Sinn  aufgefafst  zu  werden;  vielmehr  handelt  es  sich  um 
ein  rundes,  massives  Epithema,  das  von  seiner  Stele  abbrach  und  am 
eine  Stralse  zu  liegen  kam,  möglicherweise  eine  massive  Steinume,  die 
den  Namen  Herakleitos  trug.  —  485,  5  sucht  R.  Ellis  1.  1.  aoanTat; 
zu  schützen  coli.  Hesych.  aöa-Tov  •  -|"j[jlv&v  •  aosp(i.ov;  doa:r-rai  etwa  „Tänze 
mit  nackten  Gliedern"  vgl.  Propert.  IV  (V),  5,  72.  —  491,  4  verlangt 
H.  Stadtmtiller  Berl.  phil.  Wochenschr.  1.  1.  Ssipv^voiv,  um  den  zu 
eiodXiiJioi  „ähnlich"  erforderlichen  Dativ  zu  bekommen.  —  504,  5  ver- 
mutet derselbe  N.  Jahrb.  1.  1,  gut  -X(ut%  st.  Tzpcuxr)?.  —  602  geht  nach 
R.  Weil^häupl  S.  105  auf  das  Wachsbild  des  jugendlich  gestorbenen 
Enstathios,  des  Enkels  eines  byzantinischen  Kaisers,  vielleicht  ein  Nach- 
klang der  römischen  Sitte  der  imagines.  —  617  ist  nach  Th.  Preger 
inscriptiones  S.  21  verstümmelt  aus  der  bei  Aleidamas  TJlix.  24  erhaltenen 
Inschrift;  sie  fällt  wegen  des  ionischen  Dialekts  nicht  vor  das  4.  Jahrb. 

—  665,  3  flg.  vermutet  H.  Stadtmüller  Blätter  f.  d.  bayr.  Gymn. 
xyaa  o  iv  aoTti)?  |  apor,v  s?  xoiXtjV  st.  xufxa  öe  vauraic  döpoov  e;  x.  — 
667,  3  verlangt  derselbe  -atoa?  st.  Tratos;.  —  699,  1  liest  H.  Stadt- 
müller N.  Jahrb.  1.  1.  opvsotpoiTov  st.  w  v£6(potTov,  vgl.  X  11,  1.  — 
707,  9  schlägt  R.  Ellis  1.  1.  vor:  iTixaSufAip  bupaia  (oder  Oidjw)  v'moi, 
ou-/  EVI  xatvo-o|XY)&si? ,  indem  er  erklärt:  „dancing  in  the  measured 
rhythm  of  the  masculine  Dorian  Muse  and  to  the  accompaniment  of 
sonorous  diction,  a  mode  (of  Satyric  drama)  cut  to  a  new  pattern  not 
with  one  thyrsus  (thiasus),  but  with  seven,  by  the  adventurous  device 
of  Sositheus."  —  708  hält  Th.  Preger  1.  1.  S.  32  für  eine  wirkliche 
Grabinschrift.  —  713,  4  vermutet  R.  Ellis  1.  1.  xwxuexa'.:  „she  is  not 
bemoaned  as  lying  beneath  nights'  dark  wing."  —  721,  1  liest  derselbe : 
"Apifei  Tots  27idpTY)&£v  xtX.:  ,,Argos  hat  die  gleiche  Zahl  Hände,  wie 
die  von  Sparta,  und  unsere  Waffen  kamen  den  ihren  im  Kampfe  gleich." 
—  726,  7  vermutet  H.  Herwerden  1.1.  d'xpiov  st.  apxiov  coli.  Oppian. 


206  üriecliische  Lyriker.     (Sitzler.) 

Cj'neg.  II  552.  —  745,  1  vermutet  H.  Stadtmüller  N.  Jahrb.  1.  1. 
£x  zob'   cifjLiXou  st.  I'y.  ■JTOTe  vv^aou  und  V.  3:  oüX.'  £7rtp(u ja(i.£vov ;  ouX&v  =  8^ü. 

—  746  erklärt  Th.  Preger  1.  1.  S.   179  flg-.  für  „temere  fieta". 

VIII  2,  5  liest  L.  Sternbach  1.  1.  S.  58  s7:o|j.vuixat.  —  24,  5 
verbessert  derselbe  S.  97  oaxpuoisi. 

IX  6.  1  vermutet  H.  Stadtmüller  Blätter  f.  d,  bayr.  Gyran. 
26.  Bd.  (1890)  S.  16:  07x07  st.  o-/vy)v.  —  78— 80  gehören,  wie  derselbe 
Berl.  phil.  Wocbenschr.  1889  S.  1229  flg.  bemerkt,  als  l<s6<^r^'^7.  dem 
Alexandriner  Leonidas  au;  79,  2  ist  Traüaov,  [xy]  (jxXTjpor?  xtX.  zu  lesen, 
wie  derselbe  X.  Jahrb.  f.  Phil.  139.  Bd.  (1889)  S.  755  flg.  zeigt.  — 
159,  7  liest  H.  Herwerden  1.  1.  wa  XiV^v  st.  eic  aiSriv.  —  162,  3  ver- 
langt W.  Headlam  Journal  of  Philology  XX  S.  810  flg.  sXtxuivta  st. 
iXixü>vioa.  —  185  will  E.  Dittrich  X.  Jahrb.  f.  Philol.  141.  Bd.  S.  831 
mit  Kalliniachos  37a  verbinden,  vgl.  oben  zu  Kallimachos.  —  223,  5 
vermutet  H.  Herwerden  1.  1.  t[).-.ej  oijTo*  st.  sixTrsse  o"  opvic  und  V.  6 
ßsXei  st.  [ii'KT^.  —  251,  G  fordert  derselbe  [-laj/aviiri;  'j^Yftp  st.  ßaaxavov  ev  <l. 

—  315  fafst  R.  Weifshäupl  S.  105  flg.  uapiopuetat  V.  4  als  Medium 
und  schliefst  sich  der  Erklärung  von  Jacobs  Animadv.  au.  —  330  ist 
nach  H.  Stadtmüller  Berl.  phil.  Wocbenschr.  1.  1.  von  Nikias.  dem 
Freund  'i'heokrits,  nicht  von  Nikarchos.  Damit  wird  auch  R.  Weifs- 
häupls  Vermutung  (S.  27),  dafs  es  zwei  Dichter  Nikarchos  gegeben 
habe,  hinfällig.  —  340,  5  liest  R.  Ellis  1.  1.  sil^s  st.  st  6e  und  erklärt: 
.,ich  wollte,  dafs  da,  wo  einst  der  Schäfer  von  Kelänä  (Marsyas)  saug 
und  von  ApoUon  bestraft  wurde,  der  Streit  ihn  gezeigt  hätte,  nämlich 
den  Hyagnis;  denn  weun  Hyagnis  Marsyas'  Stelle  eingenommen  hätte, 
wäre  er  nicht  besiegt  worden".  —  345,  1  verlangt  H.  Stadtmüller 
X.  Jahrb.  f.  Phil.  143.  Bd.  1891  S.  322  flg.  dp  'AOa'iiac  st.  o-3o'  und  V.  4 
Tzou  ri3Tt?  St.  viiv,  wodurch  die  Isopsephie  hergestellt  ist.  —  346  stellt 
H.  Stadtmüller  X.  Jahrb.  1889  S.  755  die  Isopsephie  her,  indem 
er  V.  1  rovTouc  st.  vr^uou;,  V.  2  "ipaTTT?;?  st.  YparTT)  und  V.  3  t'Kizzi  St. 
IXioj  schreibt.  —  347  liest  derselbe  X.  Jahrb.  1891  S.  322  V.  1  euapoToi 
ßoe;  st.  s'jGtpoTov  und  \.  4  ösXcpr/  aoOi;  77],  um  Isopsephie  zu  erlangen. 

—  354  erhält  er  dieselbe,  indem  er  V.  1  ovirep^Apr);  st.  ov  zoX£fJi.&;  und 
V.  2  ev  o"  «Oew  St.  Joio)  vermutet.  —  356  gewinnt  er  X.  Jahrb.  1889  1.  1. 
die  Isopsephie  durch  die  Lesung  ix  veap^;  st.  e^  £T£pr,c  V.  1.  —  361,  6 
bemerkt  L.  Sternbach  1.  1.  S.  84  flg.:  „potuit  tarnen  etiam  oupov  S-^e 
scribi''.  Ich  ziehe  H.  Stadtmüllers  eirtTtposTixE  vor.  —  362  behandelt 
K.  Holland,  de  Alpheo  et  Arethusa  in  Commentationes  philologae 
quibus  Ottoni  Ribbeckin  .  .  .  congratulantur  discipuli  Lipsienses  S.  382 
— 414.  Er  weist  zunächst  nach,  dafs  der  unbekannte  Verf.  unseres 
Gedichts  ein  Anhänger  der  Schule  des  Xonnos  war.  V.  24  schreibt  er 
o'jok  A{xr,v  '/.r^^h^.  ravSspxea  St.  e/.abev.     Das   Gedicht    selbst    bezieht    er 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)  267 

auf  deu  Einfall  des  Alarich  iu  den  Peloponnes  im  J.  39H,  bei  dem  die 
Goten  zuerst  siegten,  dann  von  Stilicho  am  Alpheus  geschlagen  wurden. 
Das  Gedicht  schilderte  nach  E.  Holland  zuerst  das  siegreiche  Einrücken 
der  Goten  in  den  Peloponiies,  wo  der  mit  Blut  gefärbte  Strom  „aus 
Schamgefühl  darüber  still  stehen  blieb";  dann  die  gerechte  Bestrafung, 
die  nicht  uui'  iu  der  Kesiegung  durch  Stilicho,  sondern  auch  in  dem 
frühen  Tod  des  Alarich  bestand,  der  mit  cpotvtoc  avri[i  („blutig  oder  blond  ?") 
gemeint  ist.  Nach  V.  11  ist  eine  Lücke,  in  der  die  Grausamkeiten 
der  Goten  beschrieben  waren;  Xi,3av  -yj^Tj  V.  12  =^  niger  humor;  ~.r^^r^ 
von  -rj-jO-.  V.  15  ist  -opöfAov  st.  -oxjxov  zu  lesen.  Xach  V.  23  ist 
vielleicht  keine  Lücke,  aber  am  Ende  fehlt  vieles.  Der  Verf.  teilt  die 
Ansicht  Bruucks,  dafs  die  vorliegenden  Verse  ein  Exzerpt  aus  einem 
längereu  Gedicht  seieu.  Den  Dichter  setzt  er  nicht  viel  nach  dem 
Ende  des  4.  Jahrh.  u.  Chr.  uud  glaubt  in  ihm  den  Musäos  zu  erkennen^ 
Das  letzte  ist  ,,iusto  calidius'"  vermutet,  wie  L.  Sternbach  S.  120 
bemerkt,  der  Y.  3,  6  und  17  d;  st.  h  verlangt.  —  365,  3  ist  nach 
C.  Dilthey  lud.  schol.  Göttingen  1891  S.  5  /jfiexepo'.ai  oovsüvxat,  V.  4 
•JTco  und  Y.  8  sy.ip-eüvxe?  ZU  schreiben,  zum  Teil  mit  cod.  Paris,  bibl. 
nat.  suppl.  Gr.  690,  mit  dem  auch  cod.  Yaticau.  Gr.  29  stimmt.  — 
381,  6  schreibt  L.  Sternbach  1.  1.  S.  86  flg.  mit  Pal.  vr,y6|xevo;  •  xal  .  .  . 
ixKspaajxs,  wohl  mit  Recht.  —  420,  2  vermutet  H.  Herwerden  1.  1. 
icTsve;  St.  azves?.  —  427,  4  vermutet  Sterubach  Wiener  Studien  XII. 
(1890)  S.  221  richtig;  oour.r^Gti  xidtty)  vyjo.;  st.  oo'jy.r^jstc  xcüirr^v.  —  492 
ergänzt  W.  Headlam  1.  1.  S.  311  oyoc  zwischen  i'-p/o?  "öd  Owpri^.  — 
584.  4  schützt  H.  Herwerden  1.  1.  mit  Recht  airsxpe'fi^jsv  gegen  Heckers 
ixepjxaT'.aev.  —  615  und  616  verteidigt  ß.  "Weiishäupl  8.  31  Anm.  die 
Glaubwürdigkeit  der  Lemmata  gegen  Dübuer;  auch  weist  er  die  Ansicht 
Bruncks  zurück,  dafs  in  den  Lemmata  zu  642—44  uud  662  2}Aupvr(  iu 
M'jpfvr;  zu  ändern  sei.  —  625  ist  nach  H.  Herwerden  1.  1.  ebenso  wenig 
von  wirklichen  Göttinnen  die  Rede,  wie  640  von  wirklichen  Göttern: 
es  sind  Männer  uud  Frauen  gemeint.  640,  2  schützt  H.  Herwerden 
/.ouo[xsv(uv  gegen  F.  "\V.  Schmidt,  der  ),oy30[j.£vü)v  verlangt.  —  657  weist 
Zonaras  14,  10  dem  Agathias  zu,  mit  Recht,  wie  Th.  Preger  1.  1. 
S.  166  flg.  bemerkt,  der  auch  darauf  aufmerksam  macht,  dafs  Y.  2 
aX'.xÄ'j5TU)v  iz  Tj'.ovcuv  nicht  mit  Of,xe,  wie  Jacobs  wollte,  sondern  mit 
rXaixTo;  zu  verbinden  sei;  Y.  6  verteidigt  Th.  Preger  oepxs-ai  gegen 
&epxea'.  —  684,  8  wild,  wie  Th.  Preger  S.  168  flg.  bemerkt,  die 
Lesart  des  Palat.  durch  die  Nachahmung  bei  Kaibel  1071  geschützt. 
Die  Verse  sind  kaum  vor  Alexander  dem  Grofseu  entstanden.  —  704,  1 
verlangt  Ph.  Tribukait,  de  proverbiis  vulgaiibusque  aliis  locutionibus 
apud  bucolicos  Graecos  obviis.  Diss.  Königsberg  1889.  Kap.  i. 
'>(/£'.  8t.  -rv-xei  coli.  YII  225,  1.    —   710,  4    wünscht   H.  Her  wer  deu 


268  Griechisclie  Lyriker.     (Sitzler.) 

1.1.  x&o'JO'jdiv  oder  xpououa'  iv  (--  l^y.pouousiv)  st.  xupouaiv,  —  712,  1  liest 
derselbe  aus  metrischen  Gründen  Ste  os^axo.  —  742,  4  will  R.  Ellis  1. 1. 
ereCa>r,g£v  st.  £CwT:6vr,(j£v  schreiben,  eine  mir  unerklärliche  Form.  — 
752,  1  nimmt  C.  Dilthey  ind.  schol.  1891/92  8.  14  flg.  aus  den  libris 
Parisinis  eu  o  st.  £v  o'  auf;  st.  -ro  ^Xujxixa  vermutet  er  oaioaXixa  oder 
Ti  (bzw.  t6)  zovTjixa:  behalt  man  to  '(k6\x\j.oi  bfei,  so  mui's  man  V.  2 
r^axTjjxai  St.  7E7Xu|ji.pLai  lesen.  Übrigens  gefällt  ihm  am  besten  xöi-faXixa, 
das  ihm  G.  Kaibel  st.  to  7Xu{ifxa  als  Konjektur  brieflich  mitteilte;. 
V.  2  ist  nach  C.  Dilthey  aXXoTpiV,;,  bzw.  te/vtiv  .  .  .  dUoTpiT)  zu 
schreiben.  V.  3  a)M  xi  KXEiora-pT);.  C.  Dilthey  ist  geneigt,  das  Gedicht 
dem  Asklepiades  zuzuweisen-,  wenigstens  spreche  in  den  Versen  selbst 
nichts  gegen  ihn.  —  753,  1  vermutet  C.  Dilthey  1.  1.  f)eiovoou  st. 
-/loveTj.  —  769,  4  vermutet  H.  Herwerden  1.  1,  sxprjvo^ow  st.  pivoßoXtu; 
H.  C.  Muller  'ElUz  III  S.  337  verteidigt  pivoß^Xw.  —  78G,  :'.  verlangt 
R.  Scholl  ejxfxopiV,;,  i.  e.  au^).lxoplr^^  „der  Zugehörigkeit";  cf.  c;'j|j.[xopoj 
^  auvxeXr^?  Thuc.  4.  93,  4,  H.  St  a  dt  m  tili  er  apiAoviT);  coli.  Hom.  X  255. 
vgl.  Th.  Preger  1.  1.  S.  83.  —  814,  2  vermutet  R.  Ellis  1.1.  Xrj^eiv 
St.  Fj^etv  und  erklärt:  „Xajaden,  die  ihr  uns  verlassen,  ich  hätte  nicht 
gedacht,  dals  ihr  alle  auf  einmal  aufhören  würdet,  unsere  Ströme  zu 
versorgen;  und  doch  wenn  das  Bad  so  reizend  ist,  wie  es  wirklich  ist, 
wird  die  Eifersucht  nichts  ausrichten,  trotzdem  die  Nymphen  mit  der 
ganzen  Wasserversorgung  aufliörten  (aTreXst-ov)".  Richtiger  erscheint 
mir  die  Erklärung  M.  Rubensohns  Berl.  phil.  Wocheuschr.  1891 
8.  160  flg.:  „der  Liebreiz  des  Bades  ist  so  grofs,  dafs  alle  Nymphen 
sich  an  seinen  Quellen  einlinden,  ihre  eigenen  also  sämtlich  verlassen". 
Die  Verse  sind  nach  M.  Rubenäohn  der  Ergufs  eines  Lokalpatrioten, 
eines  Dilettanten,  und  daher  auch  wohl  eine  wirkliche  Inschrift;  dies 
zeige  auch  die  Anspielung  auf  den  <ipi)ovo;,  der  von  den  anderen  Bädern 
ausgehe,  die  jetzt  das  Nachsehen  hätten,  aber  vergeblich  scheel  drein- 
sehen,  da  ja  (ti)  die  Nymphen  sämtliches  Gewässer  verlassen  haben. 
Zu  fjLExivaaxtoi  vergleicht  der  Verf.  Anth.  Plan.  233.  3,  wo  Pan,  der 
bisher  noch  nicht  in  Athen  verehrt  wurde,  p-exavacxa?  genannt  wird.  — 
824,  2  vermutet  C.  Dilthey  1.  1.  S.   17  f>ps'.'f0''x7.  st.  '3pei(6xa. 

X  23.  6  schlägt  H.  Herwerden  1.  1.  Ix  p68ou  st.  sfiTiposHsv  vor. 
—  73.  R.  Ellis  1.  1.  weist  darauf  hin,  dals  der  Nachsatz  mit  xal  oauxov 
Xusei;  beginnt.  —  84,  4  ändert  H.  Stadtmüller  N.  .Tahrl).  f.  Philol. 
137.  Bd.  (1888)  S.  353  flg.  ^sp^ixevov  in  ^spßoiAevov.  —  121  weist 
M.  Rüben  söhn  N.  Jahrb.  1889  S.  656  mit  Engel  dem  Nikarchos  zu; 
bei  Planudes  werde  es  nur  infolge  eines  Schreibversehens  dem  Palladag 
zugewiesen;  in  "Wirklichkeit  bezeichne  er  es  als  avr^\o^. 

XI  25.  4  hält  W.  He  ad  1  am  Journal  of  Philology  XX  S.  311 
die  Lesait  der  Aiithol.  Plan.  -oXo;  yp'ivo;  st.  -oXuj,    ttoXu;  für  richtig 


I 


Griechische  Lyriker.     (Sitzler.)  269 

—  39,  1  vermutet  L.  Steinbach   1.  1.  S.  122  iyßh  Efioi  st.  kybi:;  |xo'.. 

—  87,  3  wünscht  H.  Herwerden  1.  1.  lieber  en'  opOpou  st.  ir  ö'p9pot>; 
V.  4  erklärt  er  ttevt    km  itevts  —  Ird  irevtaxi«  itsvce.  —  135,  2  verlangt 

0.  Dilthey  1.  1.  S.  17  vexpotepov  ve/yoc;  itapa  aoi  =  domi  tuae.  V.  3 
ist  roi'et  zu  wiederholen,  um  die  Lücke  auszufüllen;  V.  5  möchte  C.  Dilthey 
Texviou  an  die  Stelle  von  vexpou  setzen.  —  169,  4  verlangt  H.  Herwerden 

1.  1.  fiaUov  St.  aUov.  —  203,  4  schreibt  H.  Stadtmüller  N.  Jahrb. 
1888  S.  361  y.auXoi?  st.  vauxat?.  —  223  spricht  L.  Sternbach  1.  1. 
S.  2  flg.  dem  Meleagcr  ab;  er  möchte  das  Gedicht  dem  Autipater  von 
Thessalonike  zuweisen,  vielleicht  auch  dem  Ammianos  oder  Nikarchos. 

—  275  kann  nach  A.  Gercke  Rhein.  Museum  44.  (1889)  S.  135 
nur  von  dem  Rhodier  Apollonios  verfalst  sein,  nicht  von  Dyskolos,  wie 
.Tureuka  glaubt.  —  305,  1  liest  H.  Herwerden  1.  1.  \ipi\i.\L  aiopsiv)? 
st.  Qpi\i\i.'x  fj.opiV,j.  —  327,  3  flg.  schreibt  L.  Sternbach  1.  1.  S.  17: 
3uv(ux£'.  —  I  701,  i'oT!  Toiautai  -a-X.,  indem  er  nach  V.  3  „hie  subagitat" 
ergänzt,  ein  obscöner  Ausdruck,  den  der  Dichter  unterdrückt.  —  362,  4 
liest  R.  EUis  1.  1.  a)X  ai  /Sv  opajj,'  eoiöa^s  liovov  und  erklärt:  „glücklich 
war  Orestes,  dals  er  Pylades  nie  auf  dieselbe  Probe  stellen  mufste,  auf 
die  ich  meine  Freunde  gestellt  habe;  hätte  er  nur  ein  einziges  Stück 
auf  die  Bühne  gebracht,  so  hätte  er  dadurch  bald  seinen  Freund  ver- 
loren; ich  habe  ein  Stück  auf  die  Bühne  gebracht,  und  alle  meine 
treuen  Freunde  sind  verschwunden.-'  —  366,4  verlangt  H.  Herwerden  1. 1. 
s^üTCvoc  „expergef actus"  st.  II  unvou.  —  406,  2  schreibt  derselbe  ouv  st, 
oy.  —  416,  1  vermutet  er  ropvoi;  st.  Tropvai?. 

Xn  wird  hinsichtlich  seiner  Kompositionsweise  von  R.  Weifs- 
häupl  S.  41  flg.  besprochen,  wobei  er  die  Frage  oflfen  läfst,  ob  das 
Buch  Bestandteil  der  konstantinischen  Sammlung  war  oder  nicht. 
H.  Stadtmüller  Berl.  phil,  Wochenschr.  1889  S.  1229  flg.  bezeichnet 
unter  Berufung  auf  das  Scholion  zu  Anthol.  Pal.  IV  1  die  Möglichkeit, 
dafs  das  Buch  zur  Kephalassammlung  gehörte,  als  eine  sehr  geringe.  — 
3,  9  verlangt  H.  Herwerden  1.  1.  xozxtu  st.  xioxw,  das  Jacobs  ver- 
mutete. —  4,  4  liest  L.  Sternbach  1.  1.  S.  6  flg.  mit  MV  apSa[j,evo?  st. 
apyo|ievoj.  —  16,  2  verlangt  derselbe  S.  33  oaxti^etv  st.  Xaxxi'^siv.  — 
l7  wird  von  den  Hds.  L.  Sternbachs  dem  Asklepiades  oder  Posei- 
dippos  zugewiesen;  L.  Sternbach  1.  1.  S.  89  flg.  will  es  dem  Poseidippos 
geben  wiegen  der  Ähnlichkeit  mit  V  211.  Dafs  auch  Ähnlichkeit  mit 
Asklepiades  vorhanden  ist,  zeigt  H.  Stadtmüller  Berl.  phil.  Wochen- 
schrift 1890  S.  1391,  vgl.  12,  166  und  50,  der  beifügt:  „war  der  Ordner 
der  Appendix,  wie  anzunehmen,  mit  der  Anthologie  des  Planudes  und 
des  Kephalas  vertraut,  so  konnte  er  jene  Vermutung  wagen,  das  Doppel- 
lemma aber  lag  gerade  ihm  nahe  darum,  weil  in  der  ganzen  Appendix 
nur   zwei  Dichter    des  Meleagrischeu  Kranzes   genannt   sind,    nämlich 


270  Griechische  Lyriker.     (Sitzler.) 

Asklepiatles  niid  Posidipp  (vgl.  n.  29.  30)."  —  V.  2  schreibt  X. 
Sternbach  mit  P  M  V  apssvo?  st.  apasvs;.  —  20.  1  wird  nach  L.  Stern- 
bacb  S,  49  -aXt  und  siXamvaistv  von  M  V  bestätigt;  ebenso  V.  4  r\ 
Nach  E.  Kurtz  N.  phil.  Rundschan  1890  8.  3ö7  wird  der  letzte  Satz 
f^  »tX67:atc  y.TÄ.  besser  als  Frage  gT^fal'st.  —  50,  7  vermutet  R.  Ellis  1.  1. 
r:ivu)|i6v  (joßapuic  st.  T:''vo[xev  oo  ',"xp  lp<o?;  soßotpüic  ..heftig".  —  65,  3 
schreibt  L.  Sternbach  1.  1.  S.  3  flg.  y.rjxov  st.  -/.T^fjLoi:  gnt.  —  09  will 
L.  Sternbach  1.  1.  8.  2  flg.  dem  Meleager  znweisen,  und  ('.  Häberlin 
Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  1890  S.  1399  giebt  zn,  dalte  die  Wahr- 
scheinlichkeit für  Meleager  spricht.  Y.  1  fordert  L.  Sterubach 
-Aor.vj  St.  T£p-o'j,  E.  Kuvtz  1.1.  -poTspw  ..weiterhin",  wie  bisher,  vgl. 
Apoll.  Rhod.  2,  864,  st.  rpo-repcp.  —  76,  3  schreibt  L.  Sternbach 
8.  52  flg.  mit  \[\  £>tüv;  H.  Stadtmüller  1.  1:  8.  1392  hält  an  k'vvon* 
fest.  —  77  weist  L.  Sternbach  I.  1.  S.  49  flg.  dem  Poscidippos  zn. 
dem  das  Gedicht  des  Asklepiades  12,  75  vorgeschwebt  sei.  V.  3 
vermutet  er  passend  o[j.vtj[xai  st.  oO  jx').  tov.  V.  4  wird  tsto/sv  durch 
M  V  bestätigt.  —  79  geben  MV  dem  ]\[eleager,  was  L.  Sternbach  1.  1. 
S.  58  billigt.  —  86,  1  verlangt  L.  Sternbach  1.  1.  8.  53  flg.  a  Kyrptc 
d  ÖT^Xeta  St.  a  K.  ^f^^iKi;  H.  Stadtmüller  Blätter  f.  d.  bayr.  Gj'mn 
1890  S.  550  flg.  schützt  die  Überlieferung  durch  Hinweis  auf  IX  331,  2. 
XII  48,  4:  f^dls  eine  Änderung  erforderlich,  würde  er  (u?  ör^Xsia  vor- 
ziehen. —  97,  3  liest  II.  Herwerden  1.  1.  MlXiv  st.  'Heu  „iam  non  adibit 
Ol.ympiam,  ibi  cui-sn  certatnrus".  —  118,  5  vermutet  derselbe  svor^aa  st 
i'-JoTjao-.,  wofür  Pierson  ly.'jr^^n  schrieb.  —  119,  1  interpungiert  C.  Dilthey 
ind.  schol.  (xöttingen  1891/92  8.  17  7.-;eo  y.wixwv,  «V/s.  —  129,  1  ver- 
mutet G.  Knaack  N.  Jahrb.  f.  Phil.  143.  Bd.  (1891)  8.  769  flg  xaXo,-. 
xaXo;  3t.  "Ap7£'.  y.aXo?,  V.  5:  iXK  '<,  llp'.r,v£'jc  st.  7.XX7.  lip.,  mit  dei 
Vermutung,  der  hier  genannte  Philokles  könnte  derselbe  sein,  dessen 
Kosenamen  Philinos  Tlieokrit  VII  105  hat.  —  173,  1  flg.  vermutet 
H.  Stadtmüller  Berl.  phil.  Wochenschr.  1.  1.  S.  1392  f,  [xsv  sTaipT)- 
♦^Epfi-iov  7^  0'  o'Jrco  y.xX.  —  196,  3  nimmt  L.  Sternbach  S.  54  flg.  aus 
S  «  anf:  H.  Stadtmüller  1  1.  S.  1393  schützt  das  von  PM  V  tiber- 
lieferte 501  durch  Stellen  wie  'suh  7v  I'jj.o-.ys  -rsTXotiV,  ...  ei;  (u-a  losaöat. 
V.  4  vermutet  H.  Stadtmüller  dacptrupoi;  st.  «[x^oTepo-.?.  —  217  ist 
nach  H.  Herwerden  1.1.  obscün  zu  fassen;  56pu  „membrum  virile". 
-eXTr,  ,,scrotuni",  y.s'faXrj  ,,glans"  und  y.op'j;  „podcx".  —  237  wird  in  M  V 
dem  Xumenios  zugeschrieben,  sonst  dem  Strato»,  vgl.  L.  Sterubach 
8.   11  flg.,  der  V.  2  or<  st.  ar;  liest. 

Xni  29,  5  vermutet  .1.  Mähly  Blätter  f.  d.  bayr.  Gymn.  25.  Bd. 
(1889)  8.  243:  oefiac  l.'3pu£v  st.  [j-e-;«;  sfjpuev,  eine  Konjektur,  die  schoa 
Meineke    ausgesprochen   hat.     0.  Dilthey    1.  1.    8.   17    fordert    jj.:-,'«/.' 


Griechische  Lyriker.     (Sitzler.)  271 

E^puev    coli,    iiviil'  exTu-e.    [j.£Ya>."  ia/s  u.  a.  in.    bei  Homer.     Der  Be- 
deutnog  nach  stellt  er  [j-sYaXa  ßpusiv  mit  }jLS7a>.a  izyth  zusammen. 

XIV  rührt  nach  C.  Dilthey  ind.  schol.  Göttingen  1891  S,  13  flg. 
von  Kephalas  her.  In  dem  cod.  Parisin.  bibl.  nat.  suppl.  Gr.  690 
fol.  79  entdeckte  C.  Dilthey  eine  kleine  ßätselsammlung,  die  er  1.  I. 
8.  6  flg.  veröffentlicht.  Es  sind  7  Eätsel ;  5  davon  finden  sich  auch  in 
der  Anthol.  Pal.,  nämlich  I-- 14,  9.  in--14,  G.  V=14,  118.  VI  =  14,  105 
und  VII -^14,  108.  Von  V  ist  nur  die  Lösung  erhalten,  nicht  der 
Text;  im  letzten  Vers  liest  C.  Dilthey  tjX-j&ov  mit  den  cod.  und  dann 
hixosi.  III  und  VI  enthalten  keine  beachtenswerten  Varianten.  VII  ist 
um  den  Vers:  iravTs;  o  ri[i.z-ipr^^  ap£T%  |x£Ya  &al>[xa  cpspovtai  erweitert, 
der  besser  fehlt.  I  ist  auf  Grund  der  neuen  Hds.  zu  lesen:  av8p'  Ijxov 
siÄ'  sx'jpo^,  ixupov  0  IfJLO?  exravsv  dvr|p.  IV  findet  sich  sonst  nicht;  es 
lautet  in  der  Hds.:  zliiX  -aöo;  xal  dtvr)p  xal  osvopov  xal  opvsov  xai  ojiopt), 
was  C.  Dilthey  ändert  in  ei|j.l  -iraOo?  xal  avTjp  xal  osv^psov  opvi;  fj^wpYj. 
II  findet  sich  auch  bei  Athen.  X  p.  457  B;  ich  werde  weiter  unten 
darauf  zurückkommen.  —  72,  11  schreibt  C.  Dilthey  ind.  schol. 
Göttingen  1891/92  S.   17  ßiootuTopo?  Yjvtoyf,a  st.  ßiootu-opa  /jYcjxovYJa. 

Planud.  27  weist  Th.  Preger  inscriptiones  S.  183  flg.  dem  Choe- 
rilos  aus  Samos,  dem^  Zeitgenossen  des  Herodot,  zu.  V.  4  vermutet 
H.  Stadtmüller  afxucjtua  st.  a<p'j3ptaa  coli.  Eurip.  Cycl.  565.  —  66,  2 
erklärt  Preger  S.  129  flg.:  „uno  monumento  simul  Byzantem  et  Phi- 
daliam  honoravit,  cf.  Kaibel  ep.  879."  —  79  hält  derselbe  S.  134  füi- 
eine  Nachahmung  eines  Epigramms,  wie  das  des  Asklepiades  oder 
Poseidippos  Anth.  Planud.  68.  —  85,  1  liest  C.  Dilthey  1.  1.  S.  18 
rap'  auTot?  st.  7ap  auxa  und  bezieht  es  auf  eine  Statue,  die,  ohne  Kopf, 
nicht  mehr  erkennen  liefs,  wessen  sie  war.  —  120  ist  nach  Th.  Preger 
S.  228  rein  epideiktisch.  —  262,  3  tritt  C.  Dilthey  1.  1.  S.  15  flg.  für 
Jacobs"  30'^%  ■/'P'^?  st.  aotpal  '/spsc  ein ;  dann  weist  er  0.  Jahns  Aovaxir^v 
st.  -^avar,v  zurück  coli.  G,  317.  Den  Schlufs  des  Epigramms  vergleicht 
er  mit  Kallimach.  frgm.  70.  —  292  ist  nach  Th.  Preger  S.  131  nicht 
vor  der  Zeit  Alexanders  gedichtet;  die  Auffassung  Dübners,  als  ob  das 
Epigramm  eine  Ausgabe  der  Ilias  und  Odyssee  geschmückt  hätte,  weist 
Th.  Preger  mit  Recht  zurück.  —  300,  3  vermutet  E,.  Peppmüller 
X.  Jahrb.  f.  Phil.  1891  S.  453  flg.  auxap  EjreiTa  oder  slxa  ö'  'AyaiÄv; 
das  Gedicht  beziehe  sich  nur  auf  Ilias  und  Odyssee.  —  334  behandelt 
Th.  Preger  inscriptiones  S.  130  flg.  =  meletemata  graeca  S.  44  flg.: 
er  zeigt,  dal's  Kj riakos  fälschlich  vorgiebt,  er  habe  dieses  Epigramm 
auf  einem  Stein  gefunden, 

Appendix  6,  1  kann  man  nach  Th.  Preger  S.  42  st.  MaTpa  auch 
MuTa  lesen,  was  auf  einer  lateinischen  Inschrift  als  Hundenaraen  vor- 
kommt, vgl.  Hermes  1,  68.  —   11   hielt  Jacobs  für  Verse  des  Diogenes 


272  Griechische  Lyriker.    (Sitzler.) 

Laertins,  was  Th.  Preger  S.  36  flg,  mit  Kecht  zurückweist;  derselbe 
bemerkt,  dals  Kaoavaorj;  (V.  2)  Patronymikou  ist,  und  erklärt  V.  rt: 
„multornm  quos  habebat  servorum  tu  eras  ei  carissimus."  —  19,  2  ver- 
mutet P.  Tannery  Revue  des  etudes  grecques  IV  (1891)  S.  377  flg. 
b\LOT:\oXi  st.  oßoXoic  und  /pi^Tc'  ezi-aTxofJLevoc  st.  -^pyiTrov  emiTaiJLSvo!; : 
„navigationis  sociis  facere  utilia  iussus".  Was  die  Lösung  der  Aufgabe 
betrifft,  so  bemerkt  der  Marcianus:  zu  acht  Drachmen  yoetuv  o  ixovaSsc 
la,  zu  fünf  Drachmen  yoeojv  ap'.9|jLÖiv  x^.  Der  Matritensis  ersetzt  jj-ova^e? 
durch  y.°  =  xotuXt)  =  ^ö  X^^»-  Es  waren  also  4  yoec  und  11  xoxuXai  = 
59  xoi'JXai  oder  59/12  yoej  zu  acht  Drachmen.  Das  Wort  apS[i.wv 
scheint  falsche  Auflösung  st.  a  und  x^  =  x"C,  also  6  yos?  und  7  xoTuXat  = 
79  xoTuXai  oder  79/12  yoe?  zu  fünf  Drachmen.  —  25  behandelt  Th. 
Preger  8.  92  flg. ,  der  mit  Erfolg  die  Echtheit  des  Epigramms  gegen 
E.  Hiller  verteidigt.  —  34,  5  vermutet  H.  Stadtmüller  bei  Th.  Preger 
S.  249  eupe  st.  elye.  —  42  weist  C.  Dilthey  ind.  schol.  Göttingen  1891 
S.  17  flg.  dem  Eustathios  Kanikles  zu  mit  M  fol.  108,  der  folgende 
Varianten  hat:  V.  1  esxTjxe  st.  za-i  Tt,  2  aüv  xoX;  xXa^ou  st.  xapiioT; 
a|xa  und  3  tup«  \ui  8i  St.  [iiöt  o'  £v  Spot.  —  62,  2  liest  H.  Stadtmüller 
jisTpa  XsYojv  st.  «xsTpov  l'yoiv,  ohne  Not.  Th.  Preger  S.  200  macht 
darauf  aufmerksam,  dafs  schon  das  Wort  yatps  zeige,  dafs  die  Inschrift 
nicht  von  Pindar  sei.  —  67,  3  liest  J.  Vahlen  Sitzungsber.  der  Berl. 
Akademie  1889  S.  47  7^v  ava  xoip.  st.  rjv  dvaxoip.,  H.  Stadtmüller  bei 
Th.  Preger  S.  96:  r.v  vüv  xoip.  —  94.  Th.  Preger  S.  18  flg.  schickt 
die  zwei  Verse  voraus:  <iv9a8e  fiapv^jj-svoi  repl  'EXXaooc  avxta  .VIyjowv  | 
xthxai  a-j-Yipatw  ypwixevot  suXoYi«>,  um  den  Sinn  anzugeben;  er  bezieht 
mit  anderen  die  Vei-se  auf  die  bei  Thermopj'lä  gefallenen  Thespier, 
glaubt  aber,  dafs  die  Inschrift  lange  nach  der  Schlacht  gesetzt  sei.  — 
100,  6  schreibt  Th.  Preger  1.  1.  S.  169  flg.  iovt«  st.  io-na;  „neque  enim 
tum  solum  cum  in  fönte  essent,  aura  vini  ofi'endebatur,  sed  etiam  cum 
excessissent".  —  102  behandeln  C.  Dilthey  ind.  schol.  Göttingen  1891 
S.  18  flg.  und  Th.  Preger  S.  21  flg.  V.  1  schreiben  sie  rfi''  st.  a5\ 
V.  7  ItXyjv  rt\i  'ExofßT);  mit  Hds.,  V.  8  C.  Dilthey  val  p-r^v,  Th.  Preger 
val  val  st.  aioti",  dann  (■.  Dilthey  e|j.7:voo?  oia  Xiöo;,  "was  Th.  Preger  für 
unnötig  hält,  indem  er  bemerkt:  „dicit  Constantina  se  quasi  Niobam 
esse  ejjLTT/oov  X'.i^wösTiav ;  xr^;  Nioßr)?  enim  sfArvooc  Xiöo;  circumscriptii» 
est  velut  Jiiavarj;  oeu.«;  similia."  Auch  V.  9  hält  Th.  Preger  C.  Dil- 
theys  Konjektur:  oItJ.  t(>)  '^svett]  ti  ^k  xat  t-i  vso-p/  s-sOyaav  für  un- 
nötig; er  liest  aiai  tov  7eveTrjV  t-'  51  xa-.  -ra  veo-f/a  ^Ouaav.  V.  10 
lesen  beide  mit  Hds.  ifjLrXaxir,^  [xspo-wv  st.  «vOod'jTrwv  xax''T,j;  C.  Dilthey 
aufserdem  noch.oüo£v  st.  jxt,oev,  was  kaum  nötig  erscheint.  V.  1 1 
zum  Teil  mit  Hds.  f,|xeTepofj'.  xXaiSoir.  st.  f^ixeTEpot;  ~£TaXoi7t  und  V.  12 
schreibt  C.  Dilthey  mit  R  iflXasDr,  st.  sxXotji^y;.    Derselbe  erwälint,  daf«f 


üriccliisclio  Lyrikor.    (öitzlui.)  27H 

ilas  (jredicht  iu  zwei  Hds.  dem  Agathias  zugewiesen  werde,  was  wegen 
der  Chronologie  und  der  inneren  Bescliaffenheit  der  Verse  nicht  an- 
gehe; vielleicht  habe  man  einen  jüngeren  Agathias  anzuuehnieu.  — 
106  fügt  Th.  Prag  er  S,  82  die  prosaische  Widmung  bei:  FiacjiXsü; 
lluppos  (XTCo  Maxsöovwv  dil  Naitu.  —  114,  2  schreibt  Th.  Preger  S.  163 
zweifelnd:  -oi  eU^x-o  st.  f}'  eiXi^a-o;  V.  3  vermutet  C.  Weymauu 
«Y/'.vow,-  coli.  Kaibel  EG-.  403,  6.  —  116.  H.  Stadtmüller  bei  Th. 
Preger  S.  250  bemerkt:  „si  quid  [versii  1 1  mutandum,  i]xy.&Kiwi  scribendum 
esse  censeo  cf.  Plat.  Äpol.  4  et  Simon  id.  5,  8'*.  Derselbe  verlangt  Y.  4 
a-£veifjL£  st.  a-ixsiTo.  —  123,  2  vermutet  H.  Stadtmüller  -/.atv!>(jL5vos 
St.  xal  Ne|X£ou,  Th.  Preger  S.  57  '[5i>|xiay.arc  di  sjxe  trre<|>aixevo;  -.;  der 
letztere  glaubt,  dafs  das  Epigramm  etwa  im  1.  Jahrb.  n.  Chr.  gedichtet 
sei.  —  124  vgl.  oben  Simonides  am  Schlüsse.  —  129,  2  verlangt  H. 
Stadtmüller  -üxa  st.  xotta,  vgl.  Th.  Preger  S.  182  flg. ,  der  das  Epi- 
gramm für  epideiktisch  hält.  —  133,  1  sucht  Th.  Preger  S.  12  raSe 
-avra  durch  Belegstellen  zu  schützen,  die  aber  alle  nicht  passen,  da  in 
ihnen  ein  Yerbum  als  Prädikat  enthalten  ist:  ich  schlug  N.  phil.  Rund- 
schau 1892  S.  69  ou  y.i~ä  ~dy-0L  vor:  „nicht  in  jeder  Hinsicht,  voll- 
ständig",  denn  ravroösv  £u8öx[|j.o;.  —  138,  3  vermutet  Th.  Preger 
S.  119  a'fxsc,  Y.  6  H.  Stadtmüller  ftesfjLo'v  st.  ^jSfxov;  die  Namen  der 
Weihenden  waren  nach  Th.  Preger  entweder  vor  oder  nach  dem  Epi- 
gramm eingeschrieben.  —  141,  1  tritt  Th.  Preger  S.  142  für  Jacobs" 
Konjektur  Oappaatoto  ein,  indem  er  es  für  viel  wahrscheinlicher  hält, 
anzunehmen,  dafs  der  Schild  der  Athene  nach  der  Statue  von  Mys 
ciseliert  worden  sei,  als  dafs  es  einen  Künstler  Perasios  gegeben  habe, 
dessen  Name  vielleicht  nicht  einmal  griechisch  sei.  —  142,  2  vermutet 
.T.  Menrad  bei  Th.  Preger  S.  46  flg.  ilrjFo;  oajxü);  Th.  Preger  setzt 
die  Inschrift  in  die  ersten  Jahre  des  dritten  messenischen  Krieges.  — 
146  steht  auch  bei  Aristoteles  (V)  "Aftrivatwv  roXitsta  Kap.  7,  wo  der 
1.  Yers  lautet:  At^iAou  'Avi}£[j.iu>v  Tf^^^o  avsör^xc  dsoTc.  Th.  Preger 
S.  62  erklärt  es  mit  Recht  für  unwahrscheinlich,  dafs  eine  so  alte  In- 
schrift aus  zwei  Pentametern  bestehe;  er  glaubt,  Aristoteles  habe  aus 
dem  Gedächtnis  citiert,  und  zieht  die  bei  Pollux  überlieferte  Form  vor. 
Ich  möchte  den  Fehler  nicht  dem  Aristoteles,  sondei-n  einem  Sclireiber 
beimessen;  Aristoteles  hätte  siche]'licli  die  Form  gewahrt.  R.  Y.  Tyrrell 
("lassical  Review  1891  S.  177  flg.  vermutet:  <.'--ov  ArfiXou  'Av9£|x''u>v 
av£Örjx£  »)£or3i,  J.  B.  Mayor  und  H.  Richards  besser  A.  '.Avi>.  Tr\^jo 
<£ixov>  IftrjXE  Osolst.  Ähnlich  E.  S.  Thompson  1.1.  S.  225:  A.  'A. 
-iQvö'  <sixova>  OsoT?  dvs9r^x£.  —  156,  1  vermutet  H.  Stadtmüller  bei 
Th.  Preger  S.  132  o'  Hvap'  IftvüJv  st.  o  £v  do£//^(uv.  indem  er  glaubt,  dals 
der  Statue  die  Beute  dreier  Völker  beigefügt  gewesen  sei.  V.  3 
schlägt   Th.  Preger  Aaiaiou?  st.   xal  5.v£c  vor  coli.   Thuc.  2,96.     Das 

Jahresbericht  tür  Altertumswi.ssenschal't.    LXXV.  Btl.    (1693.  Li  IS 


274  Griechische  Lyriker.    (Sitzler.) 

Gedicht  ftillt  nach  ihm  in  das  3.  Jahrh.  v.  Chr.  —  169  hält  Th.  Preger 
S.  1«)2  im  (ilegcnsatz  zu  Mciueke  für  spät;  auch  stand  es  nicht,  wie 
Pausauias  sag"t,  auf  dem  Grabmal  des  Phytalos,  sondern  auf  einem 
ixvy,acc,  wie  das  der  ]\iegarer  zu  Ehren  des  Orrhippos.  —  183  weist 
Th.  Preger  S.  135  dem  Anfang  des  5  Jahrh.  v.  Chr.  zu.  Dem- 
selben Jahrh.  gehört  nach  ihm  S.  45  flg.  186  an.  —  187,1  schreibt 
Th.  Preger  S.  44  flg.  ot  V.  st.  ex;  das  Epigramm  setzt  er  in  das 
ß.  Jahrh.  —  191  vgl.  oben  Simonides  am  Schlüsse.  —  192,  1  ergänzt 
II.  Stadtmüller  bei  Th.  Preger  S.  123%.  stsixov,  J.  Menrad  [xuatuiv 
vor  T£  yiXeu})«;  Y.  4  vermute  ich  N.  phil.  Rundschau  1890  S.  338 
Kauxwvo;  Sxart  St.  KauxtuviaSao.  —  194,3  ergänzt  H.  Stadtmüller  bei 
Th.  Preger  S.  11  Ö'jixsXy].;  zwischen  yopcüv  und  tspai;.  V.  4  schreibt 
Th.  Preger  a^rjpaTouc.  —  202,  1  vermutet  H.  StadtmüUer  bei  Th. 
Preger  S.  G3  a|i.£poa>ir,  iroflsousa.  —  213,  2  bezieht  sich  der  Plural 
|j.7.pvajj.£fla  nicht  nur  auf  den  Dolcli,  sondern  auch  auf  die  Waffen  der 
anderen,  wie  H.  Stadtniüllor  bei  Th.  Preger  S.  77  bemerkt;  das 
Epigramm  ist  nach  Th.  Preger  von  den  delphischen  Priestern  er- 
dichtet. —  222,  5  vermutet  H.  Her  wer  den  Studia  critica  in  epigr. 
iiv.  S.  (>2  flg.  Eij-javec  st.  JUYYsvIs;  richtig  ist  ao-j^zwiz;  ohne  ot.  V.  6 
wünscht  H.  Stadtmüllcr  bei  Th.  Preger  S.  229  flg.  xTiarav  st.  y-isxa;, 
indem  er  mit  eia  otxa  xTurav  vergleicht  f^  ^ap  o'.y,r^  Ijp.  -|SpovTo>v.  — 
22G,  3  schreibt  E.  Cougn3'  epigrammatum  Anthol.  Palat.  TU,  1,  CO 
xctl  TaoTifjc  |jL£TpTjTal  'Apiarwv;  Y.  4  vermutet  H.  Stadtmttller  bei  Th. 
.Preger  S.  50  -alos  (st.  xaXa)  Acz'xwvoc  l'ftsv.  —  231  stammt  nach 
Th.  Preger  S.  52  aus  späterer  Zeit.  —  243,  3  schreibt  Th.  Preger 
S.  49  Tol  st,  o".  —  245  behandelt  Th.  Preger  S.  58  flg.,  wobei  er  sich 
gegen  die  wendet,  welche  glauben,  die  jetzt  aufgefundene  Inschrift  sei 
eine  spätere  Erneuerung  der  alten,  von  der  Thuk.  6,  54  sagt,  sie  sei 
a;jL'jopotj  -,p7!JL|xa3t  geschrieben;  er  ist  der  Ansicht,  dafs  auf  jener  In- 
schrift zur  Zeit  des  Thukydides  entweder  der  Earbenanstrich  der  IJuch- 
staben  verblichen  oder  die  Aufstellung  für  das  Lesen  ungünstig  gewesen 
sei.  Jlir  erscheint  diese  Erklärung  einem  Thukydides  gegenüber  un- 
wahrscheinlich. —  267  behandelt  Th.  Preger  S.  103  flg. ,  wo  er 
Pausanias  mit  Recht  gegen  Kalknianns  Zweifel  in  Schutz  nimmt.  — 
271,  2  fordert  H.  Stadtmüller  bei  Th.  Preger  S.  31  flg.  Aiowvsü;, 
damit  |xe  nicht  wiederholt  wird.  —  272,  3  veiiangt  Th.  Preger 
S.  119  flg.  avsswsaTo  st.  a-e/.'jaaro,  H.  Stadtmüller  «TreoadtjaTO  coli. 
TTom.  X  118;  ich  würde  '/reoii^aro  schreiben.  Die  Inschrift  gehört  nach 
Tli.  Pi' ger  in  das  5.  Jahrh.,  wurde  aber  später  erneuert.  —  274.  1 
schreibt  E.  Cougny  1.1.  1,35  tZ^z-o  st.  lopato,  mit  Unrecht;  Y.  2 
vermutet  Th.  Preger  S.  137  T£Ö;ev  i\).k  K/.eoixa;,  kaum  nötig;  dann 
liest    derselbe   mit  Recht  "AptiToxJio;  st.  'Apt3-:ox>iou;.  —  285,  2  setzt 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)  275 

Th.  Preger  S.  131  flg.  eiu  Kolou  und  schreibt  dauii  V.  3:  irad-Ai  täv 
uTcaTav  6'  apy/iv;  <pi>XaSa?  behält  er  bei;  wenn  zu  ändern  wäre,  würde 
er  ^uXa^e  schreiben,  V.  4  vermutet  er  exxaTeyeus  st.  i-^xaie/eue,  das  ich 
vorziehe.  H.  Stadtmüller  schlägt  vor:  si?  ttoX'jv  ätvxin:.  r/x^^'  e/sue  cp. 
coli.  A  438.  —  294  ist,  wie  Th.  Preg-er  S.  51  zeigt,  nicht  von  den 
Messeniern,  wie  Kallisthenes  sagt,  sondern  von  den  Arkadieru,  wie 
Pausanias  berichtet,  geweiht;  es  fällt  in  die  erste  Hälfte  des  4.  Jahrh.  — 
312,  5  vermutet  H.  Herwerden  1.  1.  S.  66  oXßiov  ap  st.  av.  —  325,  3 
vermutet  Th.  Preger  S.  103  l/api^axo  st.  r/apijaaTo.  —  334,  2  ver- 
mutet H.  Stadtraüller  bei  Th.  Preger  S.  138  Ir.rfj'iz  st.  ereu^e,  J. 
Menrad  eyeus  coli.  Hom.  3  12,  was  Th.  Preger  aufnahm,  und  K.  Sittl 
cOyjxc.  —  342,  1  schlägt  H.  Stadtmüller  bei  Th.  Preger  S.  19  t^jos 
7:01)75  st.  xr^aoi  r.oW  ■r^  vor.  —  352,  1  verlangt  H.  Stadtraüller  1.  1.  S.  78 
a8r)X£  st.  £&Y)X2  coli.  Hippon.  100.  —  359,  2  bemerkt  Th.  Preger 
S.  207:  „an  KaXyr,o(ov,  quam  formam  nummi  exhibenf?"  Derselbe  er- 
klärt das  Epigramm  mit  Recht  für  epideiktisch.  —  361  schreibt  Th. 
Preger  1.  1.  S.  ]  flg.  =  meletemata  Graeca  S.  36  flg.  dem  3.  Jahrh. 
V.  Chr.  zu  und  glaubt,  dais  Arkadion  ein  Eleer  war.  —  370,  4  ver- 
mutet H.  Stadtmüller  bei  Th.  Preger  S.  135  flg.  epvp-',  öv  ev  At7ivqc 
7civaTo;  Th.  Preger  schreibt  Ai7ivaTa,  tov  7.  im  Anschlwfs  an  Kayser, 
indem  er  beifügt,  dafs  man  auch  Arctvata;  tov  7.  lesen  könnte.  — 
372  setzt  Th.  Preger  S.  113  flg.  etwa  in  die  Mitte  des  4.  Jahrh.  — 
373,  4  vermutet  H.  Herwerdeo  1.  1.  S.  62  6i<^d\t.zwoy ,  indem  er  axpa 
als  Adverbium  falst;  in  betreff  a/pa  stimmt  Th.  Preger  S.  171  flg. 
mit  ihm  überein.  II.  Stadtmüller  verlangt  aypi  jj,.  Xtyvou  y.  coli. 
Anth.  Pal.  V  14.  —  377,  4  vermutet  C.  Dilthey  ind.  schol.  Gröttingeu 
1891/92  S.  18  -zm-;'i.]xrjii  st.  -5.jt  70([j.cov,  J.  Mahl y  Blätter  f.  d.  bayr. 
Gymn.  1889  S.  243:  xXs^-i-'Vov.  —  389,  2  schlägt  H.  Stadtmüller 
Berl.  phil.  AVochenschr.  1890  S.  303  vor:  <I>£io6X'x  r^  tcoiioojv,  was  er  bei 
Th.  Preger  S.  250  folgendermafseii  rechtfertigt:  „Pliidolae  sivc  filiorum 
domum  dicit.  »luoniam  quot  victoriae  in  Phidolae  familia  per  unum 
Lycum  reportatae  sint  interest,  non  interest  paterne  an  filii  fuerint 
victores.  Ceterum  non  obloquor.  si  quis  praeferat  OsiooXa  0?  iF  uiüiv 
Phidolae  eiusque  filiorum  ex  crebro  illo  dativi  usu,  quem  habes  ex. 
gr.  Pind.  ol.  9,  15.  Od.  0  771."  Th.  Preger  S.  100  flg.  bemerkt,  dals 
nichts  hindere,  zwei  Siege  des  Pheidolas  anzunehmen,  den  einen  mit 
dem  Pferde  Aura,  den  anderen  mit  dem  Pferde  Lykos;  über  jenen 
vgl.  VI  135. 

R.  Ellis,  notes  on  the  Palatino  Anthology.    Transactions  of  the 
Oxford  philolog.     Society  1888/89.     S.  10—13. 

Stand  mir  nicht  zur  Verfügung. 

18* 


o^{-\  Griechischo  Lyriker,     i Sitzler.) 

Ponor  Thewvek,  variae  lectioiies.  Anthol.  Pal.  XV  13. 
Egyetemes  philol.  Közlöiiy  XIV  8.  371— o73.     Ungarisch. 

Aulserdem  erwähne  ich 

(>.  Leichsenriug-,  de  metris  (iraecis  quaestioiies  ouoma- 

tologicae.  Dissert.     Greit'swald  1888.     48  S.     8, 

welcher  8.  21  flg.  die  Lebenszeit  des  Phaläkos  in  die  ßcgiernug  Alexanders 

und  die  nächstfolgenden  Jahre  setzt  und  8.  27  aus  metrischen  Gründen 

schliefst,  dafs  Boiskos  schon  in  der  ersten  Alexandriuerzeit  gelebt  habe 

An  Übersetzungen  liegen  vor 

G.  Tomson,  selections  from  the  Greek  anthology  trans- 
lated.     New -York,  Gage  &  Comp.     XL,  277  8. 

J.  W.  Mackail,  select  cpigrunis  froni  the  Grcek  antho- 
logy.    London,  Longmau. 

Fifty  poenis  of  Meleager  with  a  translation  by  W.  licad- 
lam.     London.  Macniillan. 

Carmina  e  graeca  anthologia.  Traductio  Hcnrici  Bi- 
lancionii.     Pars  I.     Arniini.  Malvolli.     1888.     22  8. 

Als  Anhang  füge  ich  bei 

Epigram matum  Anthologia  Palatina  cum  Pianudeis  et 
appendice  nova  epigramniatum  vcterum  ex  libris  et  raaruioribus  ducto- 
runi.  annotatione  inedita  Boissonadii.  Chardonis  de  la  Rochctte.  Bothii. 
partim  inedita  Jacobsii,  nietrica  vcrsione  Ilugonis  Grotii.  et  apparatu 
critioo  iustruxit  Ed.  Cougny.  Graece  et  Latine.  Vol.  111,  cum 
iudicibus  epigramniatum  et  poetarum.  Paris,  Firmin,  Didot  S:,  Comp. 
1890.     G31  S.     gr.  8. 

Der  Verf.  stellt  eine  grofse  Zahl  von  Epigrammen  zusammeu.  die 
bei  alten  8chriftstellern  oder  auf  Steinen  erhalten  «ind.  Im  Auschlufs 
an  die  Anthologie  teilt  er  sie  in  sieben  Kapitel:  avai)rjij,anx«',  £7itTU[x:^>ia. 
Ita^eivl-v/A,  TTOoxpE-Tiy.a  xai  ixsTSUTixa,  s/üJTrxi/«,  yprjaixoi  und  7:po'pcr^]).a.Ta 
xal  Qtivi7iJ,aTa.  Daran  reihen  sich  addcnda  et  corrigenda.  sowie  die 
iudices.  Jeden)  Gedicht  stellt  der  Hrsg.  die  wörtliche  lateinische  Über- 
setzung gegenüber;  aulserdem  fügt  er  am  Pufse  jeder  Seite  unter  An- 
gabc der  Verfasser  die  metrischen  lateinischen  Übertragungen  derjenigen 
Epigramme  bei.  zu  denen  solche  veröflentlicht  sind.  Am  Schlüsse  jedes 
Kapitels  folgt  eine  brevis  annotatio,  die  über  Fundort.  Herausgeber 
und  Kritik  der  im  betr.  Kapitel  enthaltenen  Epigramme  handelt.  Leider 
ist  die  Sammlung  der  Epigramme  nicht  vollständig,  die  Bearbeitung 
der-selbcn  nicht  genügend  und  die  latcinisdio  llhtTsetzung  voll  Fehlei-. 
Dies  weist  ausführlich  nach 


Giieoliisohe  Lyriker.     (Sifzler.)  277 

H.  Vau  Herwerdeii,  Studia  critica  in  epigrammata 
Graeca.  Aduotatioues  ad  epigrarnraata  in  tertio  volumiue  Authologiae 
Palatinae  editionis  Didotiaiiae  cum  appendiee  epigrammatum  nondntn 
collectoriim.  Leydeu,  E.  J.  Brill.  1891.  157  8.  8,  die  ein  schätzbarer 
Beitrag  zur  griechischen  Anthologie  sind,  zum  Teil  erklärender,  haupt- 
sächlich aber  kritischer  Natur.  Viele  Fehler  und  Verseheu  werden 
durch  sie  aus  den  Epigraumien  eutfernt ;  anderes  freilich  erscheint  auch 
wieder  verfeliit  oder  bleibt  doch  wenigstens  zweifelhaft.  Zu  hart  urteilt 
darüber  C.  lläberlin  Wocheuschr.  f.  klass.  Philol.  1891.  No.27.  S.737  flg. 
H.  C.  Muller,  epicritica  ad  studia  critica  in  epigrammata  Graeca 
auctore  H.  van  Herwerdeu,  'EXXa\-  III.  (1891)  S.  335  flg.  enthält 
Nachträge  zu  H.  van  Herwerdens  Htudia  critica,  die  sich  meistens  auf 
Druckfehler  und  Aussprache,  nur  zum  geriugeren  Teil  auf  Lesarten 
beziehen. 

Couguy  I  13,  4  vermutet  Th.  Preger  1.  1.  S.  79  flg.  Tiaißa  öaV«? 
"Epuvlov,  H.  Stadtmüller  jraiö"  "Epuöov  jikvapov.  Die  Inschrift  ist  von  den 
Aniauen  odei"  Priestern  der  Auianen  etwa  im  4.  Jahrh.  verfafst.  — 
15,  1  lese  icli  mit  A.  Kirchhoff;  V.  2  schlug  ich  N.  phil.  Rundschau 
1890  S.  338  'AXxicppiov  oi  [xs  xovos  xtX.  vor,  —  27  verlangte  ich  ebenda 
OX'jixTTta  vixtüv  I  s?x6v'  dvsaTTjdsv  st.  'OXufiirt"  svixtov  •  eixova  o'  esxirjjsv  xtX. 
—  43,  2  fordert  C.  Häberlin  1.  1.  6  st.  i.  wofür  der  Hrsg.  ev  schrieb; 
ebenso  88,  1  -odo  "ATitauivos  st,  r.ai6%  FliSojvoc  —  113,  2  vermutete  ich 
N.  phil.  Ruudsch.  1892  S.  59  SieXüiv  st.  oiettojv,  wofür  H.  Herwerden 
ottuiv  vorschlägt.  —  136,  1  vermutet  C.  Häberlin  1.  1.  xaXa  xot  7^ 
araua  st.  Yaia  Tcaja.  —  152,  1  %.  schlug  ich  N.  phil.  Ruudsch.  1890 
S.  339  vor:  -/epi  8[tjx'  Ivl  naxpo?  •  |  o^JXiov  oü  /piTjCt«  xtX.  —  162,  3  flg. 
liest  C.  Häberlin  1.  1.  Aiyutttou  -oXuoXßou  |  atsv  eXo?  st,  A^utctov  tzoXuoX- 
ßov  aiev  exo?;  eXoc  „die  Sumpfniederungen",  V.  7  wünschte  ich  N.  phil. 
Rundsch,  1892  S.  59:  7reun{>atc  fj|ia;  jui?  Kpovou  st.  rÄ\i.'^oni  atuou?  e? 
Kpovou.  —  182,  9  vermutete  ich  1.  1.  ajxoißai'  sv&ao';  H.  Herwerden 
aixotßa,  6ts  evaaö'.  —  199,  3  tritt  M.  Rubensohn  N,  Jahrb.  f.  Philol, 
139,  Bd.  (1889)  S,  774  flg,  mit  Recht  gegen  U,  v.  Wilamowitz- 
MöJleudorff  und  G.  Kaibel  für  Er,  Jacobs  Vermutung,  dals  'Hovo^  ein 
Eigenname  sei,  ein  coli.  CIL  VI  17  170  und  Orelli  2445.  Mit  Drusus 
und  dessen  Gattin  ist  der  ältere  Nero  Claudius  Drusus  und  Autonia 
gemeint.  —  237,  5  vermutet  H.  Herwerden  Cwt^c  st.  C^s-^p,  was 
C.  Häberlin  1.  1.  wegen  Hom.  A  88  für  unmöglich  erklärt.  —  258,  8 
verlangt  C.  Häberlin  I.  1.  eLvaXtot?;  H,  Her  werden  schlug  siv  aXioic 
vor.  —  301,  5  lälst  sicli  xop/^aa?  im  Sinne  von  xe}j.ujv  vielleicht  doch 
halten:  E.  Cougny  hat  Tiopisa?  (sie),  H.  Herwerdeu  uotv^a«^-,  C,  Häberlin 
1.  1,  X  spsiV/j  coli.  Hom.  W  329.  vj  95,  —  324,  3  schreibt  C.  Häberlin 
1,  1.  stp-l  <5ixc<7Trj?  St.  i\txY)?  7ap,  —  328,  3  vermutete   ich    Össp-oü    oder 


27R  Griechische  Lyriker.     (Sitzler,) 

}h3}jL(uv  ahh.  von  axrjzTpoi?  st.  i)e.!i\x6i:  H,  Her  wer  de  11:  i>ea|Aoif  .  .  . 
jxT^Tztpoi;  x'.  —  358,  6  verlaugt  H.  Stadtmüller  bei  Tb.  Preger  S.  250 
ou  xparepf,  oder  ou  otepeifj  st.  o^y  etept)  nnd  V.  9  ^uXa^ai  st.  cpuXotEoi,  — 
365,  1  vermutet  J.  Menrad  unter  Billigung  Tb.  Pregers  S.  84  flg. 
501  st.  TJ,  V.  3  derselbe  raoe  re  xat',  wofür  H.  »Stadtmüller  besser 
Tajjiok  xal,  was  Th.  Preger  aufnabm,  der  selbst  in  V.  2  Tipoa^Eoi  st.  Trpoa- 
r^u^a  schrieb  coli.  CIG  IV  8787. 

Couguy  II  3.  1  vermutet  H.  Stadtmüller  bei  Th.  R-egcr  S.  250 
oixTWTotc  coli.  Apoll.  Rhod.  2,  784.  —  18  ist  ein  titulus  dedicatorius 
nicht  sepiilcralis,  wie  R.  Scholl  mit  Hecht  bemerkt,  vgl.  Tb.  Preger 
8.  64  Hg.  —  25.  3  schlug  ich  N.  phil.  Rundscb.  1892  S.  59  vor:  quo' 
a\)  ZOT*  £7:atvo'j,  ebenda  50.  2:  aCxco  ö\  «o  -apoosiTai  oder  -apooeiia, 
acpet'XsTo.  —  117,  1  verlangt  C.  Häb  erlin  1.1.  7rüp~Tpiütov<yj6'>  'EKXdoos 
122.  3  avaajr);  st.  hö-'i^rfi-  —  135  wünscht  H.  Herwerden  Mnemosj'ne 
XVII  S.  274  aocpoi  |X£v -^(j-sv  und  suToyei?,  mit  Unrecht.  —  141,  1  ersetzt 
C.  Häberlin  &?  durcb  wo'.  —  173.  c,  3  ergänzt  C.  Häberlin  1.  1. 
-r'  lös  Texvmv  rexv'  ejiSovxec  coli.  II  668;  icli  schlug  1.  1.  S.  60  vor: 
-vsüjxa  Xiirövre  ßtou  |  a{x<pcu  ^YjpaXew  '  <9'Xicuv>  8e  xsxvtüv  Tex<v'  tS6vTa?> 
I  ij\%  ö.  7X<uxuTaT>oc  oder  ßX<rf/p6TaT>o;  x.  —  181.  b,  6  ergänzt 
E.  Hoffmann  |jLvaix"  im  -aiol  91X7,  wozu  C  Häberlin  1.  1.  bemerkt, 
mau  könne  auch  ergänzen:  r^oWo^i  oöupaixsva,  |  ixvajxosuvov  91X1«?  zxX.  — 
192.  7  vermutet  C.  Häberlin  1.  1.  o-j  0'  sidaa?;  v.iui  episch^  ed«>.  — 
198.  d,  1  ergänzt  derselbe  Ta-aa ,  ooTia  oder  e[j.}jiev',  oot-a;  ich  schlug  1.  1. 
vor:  r^piov,  l\%io  Isiaytuv,  |  y.  suxXeiöj;  fj-ye  tov  xaxa  7.  —  231,  4  ver- 
mutete ich  1.  1.  7SVEX-/)  Xp'j!j076vtü  ousayeT  und  V.  7  odxpu  st.  ooxou, 
das  G.  Kaibel  in  (lopov  verwandelte.  —  234,  11  flg.  schlug  ich  vor: 
xaXXa  oe  -dvxa  X£Xoi-e,  y.al  l-i  ßtox^  xa  [xexesnov  (jj-ef^ecrTrov),  oiy/]xa'.  xxX 
—  241,  8  vermutet  C.  Häberlin  1.  1.  reXet  st.  ^vt.  —  255.  c,  5  be- 
merkt derselbe,  daJs  man  auch  Kpovoo  Tcaioo;  und  Aios  Tttaxw  ergänzen 
kann.  —  287,  4  glaubt  H.  C.  Muller  1.  1.,  dal's  stech  nicht  zu  ändern 
sei,  da  die  erste  Silbe  wegen  des  Accents  wohl  hing  gebraucht  sein 
könne.  —  316,  13  läfst  sich  nach  C.  Häberlin  1.  1.  uulser  vepa?  auch 
repa;  und  xsXo;  ergänzen ;  oder  79jpaj?  —  333,  2  steckt  vielleicht  xaXüJv 
Tep'f9r,x".  in  y.iL'j'i  xcyfkw;  zum  Sjjondeus  vgl.  Eur.  .Jon  1236.  —  371.  b,  3 
vermutet  Th.  Preger  S.  232  flg.  1%  ^ßY);  (avOo;  ^pirase  oai'ixwv):  H.  Stadt- 
müller eSa'/fvr,;.  —  395,  1  flg.  schlug  ich  1.  1.  vor:  xav  [jie7dXauyov 
opötc  <a'j  7'jvarx  rfi >  vho\C  ci:ii-i'Hüz  oder  xöic  iJ,£7aXayyo'j  xäsoE  -{^rrxvfJji 
xo'jvofi.'  (iv£7V(o;.  —  447,  3  vermutete  ich  1.  1.  siiof^as  jxdX',  'jp'fvaiV(y 
oder  i;ro8ir)!j£v ,  '7|j,'  op^vair,-/:  V.  4  ist  vielleicht  3Tai')|j.io  oder  rxcosst  zu 
lesen;  V.  5:  ijlovo;  ai)p6a  p.'j;a{;  |j.'j;a?  von  [x-ji^eiv  „seufzen,  stöhnen". 
V.  6  ergänze  ich :  otovo|j.ov  -oXir//  oder  oiov  oxXov  TioXifj«.  —  450,  7  liest 
C.  Häberlin  1.  1.  oiAÜi;  st.  6  XsdK-  —  526,  4  schlug  ich  e/etv  st.  e/wv 


Griechische  Lyriker.    (Sitzler.)  279 

vor.  —  534,  1  vermutet  H.  C.  Mull  er  1.  1.  Jvöafie  xeTxat  st.  ev&a  xi- 
TeuxTott.  V.  4  ist  w<»hl  f^oivyjftst?  st.  8ü)|i.Y){)eu  zu  lesen.  —  539,  .5  ver- 
mutete ich  l.  1.  Tt'  (xaTYjv  Tov  e(j.6v  irpoorrucrffSTe  xufxßov  coli.  Eur.  El.  1255 
st.  xevscp  T:po(ji}(u-/£rs  TU|x3tp.  —  583,  3  verlangt  H.  Herwerden  dpta- 
^aXaxTov;  H.  C.  Muller  1.  1.  will  aptqaXaxTov  halten.  —  621,  2  ist  der 
Ausdruck  rupo^fopoi?  ßoxavatc  kaum  mit  H.  Herwerden  zu  tadeln.  V.  3  üg. 
schlug"  ich  1.  1.  vor:  f,  ßs  |x'  eyeaxsv  ewOev  eirl  ypovov,  f^vtxa  9sp(j.T]  |  (Jxtiv 
IxrpoXtiroi  -^evs''  fjfjLspttov  xaraSüja:  ^  oe  ^=  tj  BüiXo;  „der  Acker  beschäftigte 
mich".  —  632,  5  verlangte  ich  1. 1.  J  raatov  ou  i^^x'.  —  037,  21  änderte 
ich  1.  1.  -j'Evsjt?  in  Aa'yejt?.  —  651,  5  ergänzte  ich  1.  1.  cuvt6[xü>c,  odlxa, 
[X£.  —  657,  4  vermutete  ich  1.  1.  w  ^evs,  ßaia  [xs  xXauastc  —  667,  5 
schlug-  ich  vor  entweder  xal  |ev'  opötc,  oaov  otov  [xv.  exsXsajsv  oder  xal 
Sev  opac,  oiov  jiv.  e^sxEXsauev.  —  668,  2  ist  xeteu/e  wohl  durch  das  intransit. 
xsxsuHe  zu  ersetzen.  —  696,  10  vermutet  C.  Häberlin  1.  1.  xpixt-jv  st. 
xpiTxuo?;  oT  sei  dann  ohne  Austols.  —  699,  3  sclilägt  derselbe  vor: 
o'jvo|xa  ö'  £1  oi'^Yjai  £Ti:i7:p6  '  Sxr,3t(i,£vf,^  f^v;  EiriTipo  -=^  ötoÄou  vgl.  Schol. 
Apoll,  Rhod.  1,  983;  möglich  sei  auch,  vor  sTriTcpo  zu  interpungiereii, 
das  dann  =  l'fA-pojiJEv  sei. 

Cougny  III  4,  a,  2  vermutet  Th.  Preger  S.  143  apnassv  ex  vaoü 
ava-^Ei  TtotXiv,  H.  Stadtmüller  apTzaasv  ex  vaoü  i:aXiv  a^  oc'^ei  coli.  -  280, 
.1.  ÄFenrad  £x  vaoTo  7:7!Xiv  ayEt;  aber  rAXh  geht  hier  nicht.  —  4,  C  schlägt 
.T.  Menrad  Ooßoc  «[x^ißpoxo?  vor  coli.  Hom.  B  389.  A  32,  —  4,  yj,  2 
fordert  derselbe  /)3'  'Acppooi'xav,  um  den  Hiatus  zu  vermeiden.  —  45  ver- 
langt H.  Stadtmüller  bei  Th.  Preger  S.  224  f/  st.  ^v.  —  75,  5 
schreibt  Th.  Preger  S.  83  Se  xaö'  st.  oi  jxtv,  H.  Stadtmüller  o  I'xu|jl'. 
181,  1  schlägt  C.  Häberlin  1.  1.  [xrca  Xatxfxa  st.  ixe^'  ata|xa  vor;  derselbe 
vermutet  198,  5  eöaujxa?  st.  löaXÄEv,  204,  2  dt'f'xExo,  dsTxxo  oder  dcpixe 
St.  6ir^r^Ya.  —  228,  3  will  H.  C.  Muller  1 1.  xaXXo,-  xr^?  (=  auxr,?)  lesen 
st.  7fj?;  mit  Unrecht.  —  417,  1  verlangt  C.  Häberlin  xoitov  st.  xpoTiov.  — 

Cougny  IV  23  glaubt,  dais  am  Anfang  ein  Distichon  fehle:  mit 
Unrecht  vgl.  Th.  Preger  S.  52.  —  104,  14  flg.  vermutet  C.  Häberlin 
1.  1.  oocojov  st.  oooou  und  V.  15  dxapmxov  st.  dvaxpoTcov.  —  113,  3  ver- 
langt derselbe  a'vavxe?  st.  apavxs?. 

Cougny  VI  75,  2  ist  auch  dvaim^aouat  möglich,  vgl.  C,  Häberlin 
1. 1.  —  YII  23  ist  nach  C.  Dilthey  ind.  schol.  Göttingen  1891.  S.  16  tlg. 
dem  Julian  abzusprechen.  Derselbe  weist  27.  28  und  32  auf  Grund 
der  Hds.  dem  Moschopulos  zu,  32,  14  liest  er  ebenfalls  mit  Hds. 
-oX'jÖpoov  st.  -oX'>föo77ov.  —  31  behandelt  derselbe  S.  8  flg.  Wie  die 
Alten  das  Rätsel  deuteten,  teilt  er  aus  M  (==  Cod.  Paris,  bibl.  nat.  suppl. 
Gr.  690)  mit:  „nee  fimditores  cogitantur  qni  proelio  uavali  congressi, 
nee  pugiles  qni  in  pavimento  decertantes,  dum  multo  sudore  manant, 
siti    excruciantur,    neque   vero  Ai'ftov   nonien  est  unius  illoruni  sv  XiBot; 


"jHii  Orieclilsclif  Lyriker.     (Sitzler.) 

putrnantiuni.  imnio  vero  to  '^r^xr^\lOL  ^i'JxoLi  'j7:o-t{)sTai  irspiitsTpiaavTac  iv  [■>pa/J( 
y.oti  rö  ^'x'fAzx'.O'i  a-ö  toü  -Xoioo  i.;avT>.oüvTOt;  yowp".  V.  2  schreibt 
C.  Pilthey:  Xi^ou;  o"  oüy.  r,sv  e^isbai;  der  cod.  hat  Ätöoi;  o'  ouy.  ev^v  iX., 
V.  3:  uStop  6'  ÜTtsp  <o|iov  l'ßaXXov:  der  cod.  hat  w(xou^. 

Anthol.  Pal.  II  p.  608  ed.  Dübner  liest  man  den  Vers  Y^^r^  ixot 
Aioj  apa  rTj^r,  rapa  oot,  dio|xr,or(,  der  vorwärts  und  rückwärts  gelesen 
gleich  lautet,  aber  gegen  Metrum  verstöfst.  O.  Immisch  Khein. 
Museum  46  (1891)  S.  488  flg.  vermutet  recht  ansprechend  ap~  a.r.o.-ci. 
coli.  Kaibel  epigr.  1124.  Uemeint  ist  ^Diomeda  quaedam  ni  fallor 
muliercula  libertiua.  Verba  habes  non  grammatici,  sed  cuiusvis  amantis 
a  puella  sua  IHomcda  eodem  modo  decepti,  (^uo  Jovem  apud  Homerum 
decepit  Juno". 

W.  Studemund  ind.  lect.  Breslau  1880/90.  S.  33  %.  teilt  die 
Verse  mit.  mit  denen  Theodoretos  sein  lexicon  de  spiritibus  dem  Patrikios 
widmet;  dazu  fügt  er  den  kritischen  Apparat  ans  einer  grölseren 
Anzahl  Codices. 

Appendix  bei  H.  v.  Herwerden  1.  I.  S.  94  flg  XVIII  behandelt, 
wie  C.  H.  Muller  1.  1.  S.  336  bemerkt,  Papadimitracopulos  in  VAkÖLi  II 
p.  247.  —  XXVI  H  ist  nach  C.  Häberlin  1.  1.  'Opeioi  st.  'Üps'.ov  y.n 
lesen.  —  XLV  2  nach  demselben  Mty.y.iaoYjv.  —  XL  VI  5  vermutet  der- 
selbe OvrjToic  St.  Osoi?.  —  LIII  1  liest  H.  C.  Muller  dvit^Yjy.sv  uioi,  das 
letzte  Wort  als  Jambos.  —  LIX  1  tritt  derselbe  für  sii^ov  st.  elosv  ein, 
wohl  mit  Recht.  —  LXXX  vermutet  er  ^i6z  st.  Ato;. 

E.    Loch,    De   titulis  Graecis  sepnlcralibus.     Diss.  inaug. 
Königsberg  1890.     62  S.     8. 

Der  Verf.  dieser  verdienstlichen  Abhandlung  handelt  I.  de  titulis 
sepulcralibus  antiquissimis  (nsque  ad  initium  saec.  V).  IL  de  titulis 
sepulcralibus  saec.  V.  ITI.  de  titulis  sepulcralibus  Atticis,  A.  quomodo 
recentiores  nominum  formulae  saec.  V  ex  veteribus  ortae  sint.  B.  de 
titulis  IV.  et  sequeutium  saeculorum,  C.  de  epigrammatis  sepulcralibus. 
D.  de  lapidum  sepulcralium  Atticorum  formis  et  sculpturis,  IV.  Atti- 
corum  titulniiim  formae  tota  Graecia  usitatae. 

Fr.  Allen,  on  Greek  versification  in  inscriptions.    Papers 
of   the   American    school   at  Athens  V  S.  35—204.     (Roston  1888.) 

Der  Verf.  behandelt  in  eingehender  Weise  die  Verskunst,  wie  sie 
iu  d^M  Inschriften  zu  Tage  tritt. 


JAHRESBERICHT      , 

A 

über  / 

die  Fortschritte  der  dassischen 

Alterthumswissensehaft 

begründet 
von 

Conrad   Bursian, 

herausgegeben 
von 

Iwan  V.  Müller, 

ordentl.  öffentl.  Professor  der  classischen  Philologie  an  der  Universität  München. 


Sechsundsiebenzigster  Band. 

Einundzwanzigster  Jahrgang,    1893. 

Zweite  Abtheilung. 

LATEINISCHE  KLASSIKER. 


BERLIN  1894. 

VERLAG  VON  S.  CALVARY  &  CO. 
NW.,  Luisenstr.  31. 


JAHRESBERICHT 

über 

die  Eortschritte  der  classisclieii 

Alterthumswissensehaft 

begründet 


Conrad   Bursian, 

herausgegeben 

von 

Iwan  V.  Müller, 

ordentl.  öfi'entl.  Professor  der  clasSischeu  Philologie  an  der  Universität  München. 


Sechsundsiebenzigster  Band. 

Einundzwanzigster  Jahrgang,    1893. 

Zweite  Abtheilung. 

LATEINISCHE  KLASSIKER. 


BERLIN  1894. 

VERLAG  VON  S.  CALVAEY  &  Co. 

NW.,  Luisenstr.  31. 


I 


ß 


1 11  h  a  1 1  s  ■  V  e  r  z  e  i  c  li  II  i  s  s 

des  secliöUQdsiebenzigbteu  Bandes. 

Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Reden  aus 
den  Jahren  1890.  1891.  1892.  Von  Dr.  Gustav 
Landgraf  in  Münchf  ii 1 — 28 

Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Horatius  fiu-  die 
Jahre  1890 -1 89 L  Von  Prof.  Dr.  J.  Häussner  in 
Karlsruhe ' 29—97 

Bericht  über  die  Litteratur  zu  den  römischen  Annalisten 
in  dem  Jahrzehnt  von  1883-1892  Von  Prof  Dr. 
Hermann  Peter.  Rektor  zu  St    Afra     ....     98-161 

Bericht  ül^er  die  Litteratur  zu  Caesar  1891.  1892.  Von 
Prof   H.  J    Heller  in  Berlin 102-176 

Vergiliu.s      Von  Otto  Güthling  in  Liegiiitz    .     .     .177-212 

Bericlit  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  philosophischen 
Schriften  aus  den  Jahren  1887-1890.  Von  Dr.  P. 
Schwenke  in  Königsberg- 213 — 247 

Jahresbericht  über  Calpurnius  Siculus.  Nemesianus  Auso- 
nius.  Claudianus.   Von  Otto  Gut h lins:  in  Liei!nitz.  248 — 262 


Jahresbericht    über   die   Litteratur   zu    Ciceros 
Reden  aus  den  Jahren  1890.  1891.  1892. 


Von 
Dr.  Gustav  Landgraf 

in  München. 


Die  Cicero-Litteratur  des  von  uns  zu  besprechenden  Trienniums  ist, 
wie  man  es  nicht  anders  erwarten  durfte,  von  dem  in  diese  Zeit  fallen- 
den heftigen  Ansturm  auf  die  altklassische  Bildung  und  ihre  Lehrstätte, 
die  Gymnasien,  nicht  unberührt  geblieben.  Richtete  sich  der  Angriff 
überhaupt  gegen  den  in  unseren  Gymnasien  angeblich  zu  stark  betonten 
sprachlichen  Unterricht,  so  mufste  in  erster  Linie  derjenige  Schriftsteller 
sich  die  genaueste  und  peinlichste  Nachprüfung  und  Taxierung  der  Er- 
giebigkeit seiner  Schriftwerke  für  den  Unterricht  gefallen  lassen,  dem 
das  Gymnasium  bisher  unter  allen  Schriftstellern  die  meisten  Stunden 
einräumte,  ja  der,  wenigstens  für  den  gesamten  lateinischen  Unterricht, 
den  Mittelpunkt  bildete.  Cicero  hat  als  Mensch  wie  als  Gelehrter  und 
Staatsmann  seit  Drumann  und  Mommsen  besonders  in  Deutschland  viel 
an  seinem  Ansehen  verloren  und  die  Geringschätzung  seiner  Person  und 
seiner  Werke  ist  fast  zur  Mode  geworden,  allein  die  Anzeichen  mehren 
sich,  dafs  endlich  wieder  eine  gerechtere  Würdigung  sich  Bahn  bricht. 
Den  Anstofs  dazu  gab  eben  jene  gelegentlich  der  didaktischen  Unter- 
suchung seiner  Werke  erneute  und  vertiefte  Beschäftigung  mit  dem  Leben 
und  den  Schriften  dieses  so  verschieden  beurteilten  Mannes.  Hat  schon 
der  Franzose  Boissier  in  seinem  geschätzten  Buche  »Cicero  und  seine 
Freunde«  sich  mit  Wärme  des  hart  angegriffenen  Mannes  angenommen, 
seine  menschlichen  Schwächen  mit  menschlichem  Auge  gemessen  und 
seinen  Verdiensten  ein  unparteiisches  Lob  gespendet,  so  haben  sich  in 
unseren  Tagen  auch  in  Deutschland  Männer  gefunden,  die  den  Mut  hatten 
an  die  Stelle  des  Drumann'schen  Zerrbildes  ein  aus  ebenso  gründlichem 
Studium  wie  liebevollem  Versenken  in  des  Schriftstellers  Eigenart  her- 
ausgewachsenes wahrheitsgetreues  Lebensbild  zu  setzen.  Auf  die  sorg- 
fältige, aber  mehr  populär  geschriebene  Biographie  von  Fr.  Aly  (Berlin 
1891)  »Cicero,  sein  Leben  und  seine  Schriften«   sei  hier  nur  in  Kürze 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.  LXXVI,  Bd.     (1898.     II.)  1 


2  Ciceros  Reden. 

hingewiesen ,  dagegen  müssen  wir  uns  etwas  eingehender  beschäftigen 
mit  dem  ebenso  formgewandten  wie  inhalts-  und  gedankenreichen  Buche 
von  0.  Weissenfeis  »Cicero  als  Schulschriftsteller«  (Leipzig  1892). 
Diese  neueste  Schrift  des  geistvollen  Kenners  antiker  Litteratur  und 
Sprache  giebt  mehr  als  der  Titel  verspricht;  insbesondere  die  zwei  ein- 
leitenden Kapitel  »Die  klassische  lateinische  Prosa«  und  »Die  treibenden 
Hauptkräfte  in  Ciceros  Charakter«  sind  wahre  Kabinetstückchen.  Was 
nun  speziell  sein  Urteil  über  die  Reden  Ciceros  betrifft,  so  sieht  er 
in  ihnen  weder  die  Blüte  seiner  schriftstellerischen  Thätigkeit,  noch  die 
für  die  Schule  ergiebigsten  unter  seinen  Schriften.  »Die  Reden«,  sagt 
er  S.  89,  »enthalten  zu  wenig  Substanzielles,  als  dafs  man  sie  unserer 
Jugend  als  Hauptnahrung  in  den  lateinischen  Stunden  bieten  dürfte,  und 
beleuchten  Zustände  und  historische  Ereignisse,  welche  auf  eine  ein- 
gehendere Behandlung,  als  der  Geschichtsunterricht  ihnen  gewähren  kann, 
keinerlei  Anspruch  haben«.  Er  will  deswegen  an  ihrer  Stelle  auf  der 
obersten  Stufe  neben  Horaz  vor  allem  die  rhetorischen  und  philosophischen 
Schriften  behandelt  wissen.  Auch  die  Briefe  hält  er  für  wenig  geeignet. 
»Diese  beleuchten  stets  nur  einen  Punkt  von  der  Oberfläche  des  dama- 
ligen politischen  Lebens  und  nur,  wenn  man  den  Impulsen  der  Sprache 
nachgeht,  gestatten  sie  bei  ihrer  Erklärung  tiefer  in  das  Wesen  des 
Römertums  und  des  Altertums  einzudringen.  Die  rhetorischen  und  philo- 
sophischen Schriften  hingegen  ziehen  das  Facit  aus  der  gesamten  antiken 
Bildung  und  lassen  in  ihrem  Umkreise  nichts  Wesentliches  vermissen, 
was  irgendwie  für  das  Wollen  und  Denken  nicht  blofs  der  Römer,  son- 
dern der  Alten  überhaupt  charakteristisch  ist«.  Mit  diesen  Anschauun- 
gen berühren  sich  vielfach  die  Detailuntersuchnngen  von  P.  Dettweiler 
über  den  didaktischen  Wert  ciceronianischer  Schulschriften  (vgl.  Nr.  3 
und  58).  Nur  läfst  sich  Dettweiler  meines  Bedünkens  etwas  zu  sehr 
von  Drumanns  und  Mommsens  abfälliger  Kritik  des  ciceronischen  Cha- 
rakters beeinflussen,  so  dafs  sein  Urteil  über  einzelne  Reden  herber 
ausfällt,  als  sie  es  in  Wahrheit  verdienen.  Man  gewinnt  diesen  Eindruck 
der  Voreingenommenheit  des  Verf.  z.  B.  gleich  beim  Lesen  des  ersten 
Satzes  seiner  neuesten  Schrift,  wo  er  sagt :  » Die  Reden ,  durch  deren 
Benennung  schon  der  niemals  bescheidene  Meister  der  aristokrati- 
schen Senatsrede  sich  mit  dem  nationalen  Pathos  des  grofsen  Atheners 
messen  zu  können  glaubte«  etc.  Abgesehen  davon  enthalten  seine  sub- 
tilen Untersuchungen  viel  des  Berechtigten  und  werden  ohne  Zweifel  zu- 
sammen mit  den  Ausführungen  von  Weissenfeis  dazu  beitragen,  dafs  der 
Kreis  der  am  Gymnasium  zu  lesenden  Reden  auf  ein  bescheidenes  Mafs 
zusammenschrumpft.  Was  nun  den  Standpunkt  des  Ref.  in  dieser  gan- 
zen Frage  betrifft,  so  hat  er  zwar  aus  seinen  Erfahrungen  in  der  Schule 
nicht  die  Überz-eugung  gewonnen,  dafs  der  Primaner  im  allgemeinen 
einer  philosophischen  Schrift,  z.  B.  den  Tusculanen  oder  den  Offizien 
ein  gröfseres  Interesse  entgegenbringe  odf-r  aus  ihr  inhaltlich  mehr  vom 


Ciceros  Reden.  3 

Römertume  und  dem  antiken  Wesen  überhaupt  profitiere  als  z.  B.  aus 
der  Rede  pro  Murena,  wo  ja  aueli  die  Sprache  auf  philosophische  Dinge 
kommt,  aber  doch  in  einem  viel  lebendigeren  und  jugendliche  Gemüter 
ansprechenderen  Tone  als  in  einer  philosophischen  Schrift  --  anderer- 
seits kann  er  sich  der  Einsicht  nicht  verschliefsen,  dafs  gewisse  Reden 
bislang  zu  stark  bevorzugt  wurden  (wie  z.  B.  die  katilinarischen  oder 
philippischen)  und  durch  gehaltvollere  wie  die  IV.  und  V.  Verrina  oder  die 
Rede  pro  Archia  oder  andere  Schriften  Ciceros  (Cato  maior,  Laelius,  Som- 
nium  Scipionis)  ersetzt  werden  sollten.  Jedenfalls  stimmt  Ref.  Weissen- 
fels  voll  und  ganz  zu,  wenn  er  S.  23  sagt:  »Cicero  ist  der  Schulschrift- 
steller xar'  iBoyjjV.  Er  ist  es  auch  jetzt  noch,  nachdem  hervorragende 
Vertreter  der  philologisch -historischen  Wissenschaft  in  Deutschland  ihn 
geschmäht  und  geschändet  von  dem  Postamente  seines  Ruhmes  herabge- 
zerrt  haben.«  Wir  halten  das  Buch  von  W.  für  die  bedeutsamste  Er- 
scheinung auf  dem  Gebiete  der  Cicerolitteratur  in  den  letzten  drei  Jahren 
und  werden  die  Gelegenheit  wahrnehmen,  bei  den  einzelnen  Reden,  zu 
denen  wir  jetzt  übergehen,  wiederholt  auf  die  dort  niedergelegten  An- 
sichten zurückzukommen. 

1)  Anecdota  Oxoniensia.     Collations    from  the   Harleian  Ms.  of 
Cicero  2682  by  Albert  C.  Clark.     Oxford  1891. 

Madvig  beklagte  es  in  seinen  Opusc.  acad.  wiederholt  (vgl.  II,  302. 
331),  dafs  man  an  so  vielen  Stellen  die  Lesarten  des  vorzüglichen  Codex 
Coloniensis,  den  noch  Modius  und  Guilelmus  benutzt  hätten  (Über  Hittor- 
pianus,  Coloniense  exemplar  Hittorpii)  nicht  kenne.  Herrn  Prof.  Clark 
ist  es  gelungen,  denselben  in  dem  Harleianus  2682  wieder  zu  erkennen 
und  seine  Lesarten  in  vorliegender  bedeutsamer  Publikation  der  philo- 
logischen Welt  wieder  zugänglich  zu  machen.  Er  giebt  uns  in  der  Ein- 
leitung eine  genaue  Besclireibung  der  Handschrift  (XI.  Jhd.)  samt  einem 
gelungeneu  Facsimile,  hierauf  eine  Geschichte  derselben;  S.  XIV  f.  wird 
auf  die  Verwandtschaft  mit  dem  Erfurtensis  hingewiesen,  der  in  einzelnen 
Teilen  geradezu  als  Abschrift  des  Harl.  anzusehen  sei.  S.  1 — 51  erhalten 
wir  genaue  Kollationen  zu  folgenden  Schriften  Ciceros:  de  amicitia,  de 
senectute,  Cicero  in  Salustiuni,  in  Catilinam,  pro  Marcello,  pro  Ligario, 
pro  Deiotaro,  pro  Miloue,  de  imp.  Cn.  Pompei,  excerpta  ex  Verr.  IV. 
V.,  während  in  einem  zweiten  Teile  der  Einleitung  S.  XVI — LXIV  die 
wichtigeren  neuen  Lesarten  besprochen  und  nach  ihrem  Werte  geschätzt, 
nicht  selten  etwas  überschätzt  werden;  vgl.  das  Urteil  von  Nohl  in  B. 
Ph.  W.  1892  Sp.  587 f.:  »Im  ganzen  scheint  mir  Clark  in  der  Entdecker- 
freude die  Hs.  zu  überschätzen;  sicher  ist  dies  in  der  Rede  pro  Milone 
der  Fall,  wo  ich  die  Lesarten  genauer  geprüft  habe.  Besonders  erfreu- 
lich ist  es,  dafs  in  der  Rede  pro  Deiotaro  der  Harleianus  sich  als  ein 
ZwiUingsbruder  des  Ambrosianus  herausstellt;  dadurch  ist  der  Zweifel, 
den  Müller  an  der  Genauigkeit  der  Baiterschen  Kollation  geäussert  hatte, 


4  Or.  pro  Roscio  Anierino. 

beseitigt  und  der  Wert  dieser  beiden  Hss.  als  der  besten  Vertreter  der 
Überlieferung  aufser  Frage  gestellt«.  Papier  und  Druck,  überhaupt  die 
ganze  Ausstattung  ist,  wie  wir  es  an  englischen  Büchern  gewöhnt  sind, 
eine  vorzügliche. 

2)  Chr.  Herwig,   Das  Wortspiel  in   Ciceros  Reden.     Progr.  des 
Gymnasiums  zu  Attendorn  1889.     19  S. 

Der  Verf.  bespricht  im  1.  Teil  das  Wortspiel  mit  klangverwandten 
Wörtern  (adnominatio),  wie  laedere-laudare  (s.  m.  Abh.  de  Cic.  elocut. 
S.  12),  im  2.  das  Wortspiel  mit  stammverwandten  Wörtern,  wie  maleti- 
cium-beneticium,  im  3.  die  wirkliche  Amphibolie,  im  4.  das  Wortspiel 
mit  Eigennamen.  Dieser  letzte  Teil  ist  der  umfassendste  und  anregendste. 
Es  gelingt  hier  dem  Verf.  ciceronischen  Wortwitz  aufzudecken,  wo  er 
bis  jetzt  nicht  gefunden  oder  nicht  genügend  ausgebeutet  wurde.  So 
findet  er  in  dem  Apronius  (vgl.  unsere  Familiennamen  Eber  und 
Eberle)  das  andere  Ich  des  Verres  (cf.  III,  84  Verrem  alterum)  auch 
dem  Namen  nach;  vgl.  bes.  III,  23,  wo  von  dem  odor  Apronii  die  Rede 
ist,  ib.  §  62  cum  interea  Apronius  caput  atque  os  suum  unguento  con- 
fricaret  verbindet  er  nicht  uneben  suum  mit  unguento!  —  In  der  Er- 
wähnung des  Eutychus  in  der  Rosciana  §  46  findet  er  eine  deutliche 
Anspielung  auf  Sulla  den  Glücklichen,  Felix.  —  Cato  wird  in  der  Mu- 
reniana  nirgends  mit  seinem  Gentilnamen  Porcius,  mit  seinem  Vornamen 
nur  §  13  genannt,  so  dafs  es  fast  aussieht,  als  wolle  der  Redner  den  Cato 
(catus  schlau!)  als  den  Dummen  an  den  Pranger  stellen  (vgl.  Strenge  zu 
Mur.  §  3).  —  Ja,  sogar  Caesar  kommt  nicht  ungerupft  davon;  in  der 
Sestiana  §  132  findet  H.  in  den  Worten  »qui  Caesarem,  mitem  homi- 
nem  et  a  caede  abhorrentera,  saepe  increpuit,  saepe  accusavit,  cum 
affirmaret  illum  numquam,  dum  haec  natio  viveret,  sine  cura  futu- 
rum« eine  leise  Anspielung  auf  den  blutigen  Sieg,  den  Cäsar  wenige 
Monate  vorher  über  die  Nervier  errungen.  »Cäsar,  der  sich  so  gut 
darauf  versteht  nationes  delere  et  concidere  (wie  die  Vernichtung  des 
Nervierstammes  zeigt,  de  b.  g.  2,  28),  wird  von  Clodius  unablässig  auf- 
gefordert, doch  auch  diese  natio  optimatium  zusammenzuhauen«. 

Or.  pro  Roscio  Araerino. 

3)  P.  Dettweiler,  Untersuchungen  über  den  didaktischen  Wert 
ciceronianischer  Schulschriften.  1.  Die  Rede  pro  Roscio  Amerino. 
Halle  a.  S.  1889.    82  S. 

Der  als  Gelehrter  wie  als  Schulmann  gleich  tüchtige  Verf.  prüft 
in  dieser  interessanten  Schrift  den  Wert  der  Rosciana  nach  den  Gesetzen 
der  didaktischen  Psychologie  und  kommt  bei  dieser  skrupulösen  Prüfung 
zu  dem  Resultate,  dafs  diese  Schrift  erzieherische  Ideen  nur  in  ge- 
ringem Mafse  enthalte  und  deshalb  aus  dem  Kanon  der  Schullektüre  ver- 


Or.  pro  Roscio  Amerino.  5 

schwinden  müsse.  Der  Wert  der  Rosciana  als  Schulrede  hat  von  jeher 
eine  verschiedene  Beurteilung  erfahren.  Um  nur  die  Urteile  zweier  her- 
vorragender Pädagogen  hier  vorzuführen,  so  empfiehlt  sie  Naegelsbach 
und  nennt  sie  die  erste  welthistorische  That  Ciceros,  während  Eckstein 
sie  aus  formalen  Gründen  verwirft.  Ich  habe  die  Rede  wiederholt  mit 
Gymnasiasten  gelesen  und  immer  gefunden,  dafs  die  Schüler  an  dem 
warmen  Ton,  mit  dem  Cicero  für  seinen  Klienten  eintritt,  selbst  warm 
werden,  dafs  ihnen  der  Mut  des  jungen  Advokaten,  der  gegen  Sulla  und 
seinen  allmächtigen  Günstling  mit  ebensoviel  Mut  als  Geschick  auftritt, 
imponiert,  ja  dafs  ihnen  gerade  die  mitunter  etwas  zu  schwülstige  und 
überladene  Ausdrucksweise  sogar  gefällt.  Und  warum?  weil  diese  ver- 
bositas  und  diese  redundantia  gerade  die  charakteristischen  Eigentüm- 
lichkeiten der  Altersstufe  sind,  der  sie  selbst  angehören.  Andere  mögen 
ähnliche  Erfahrungen  mit  dieser  Rede  in  der  Schule  gemacht  haben. 
Denn  wie  wäre  es  sonst  zu  erklären,  dafs  trotz  des  neuerdings  auf  sie 
geschleuderten  Bannstrahles  allerwärts  in  den  Jahresberichten  der  An- 
stalten die  Rede  als  gelesen  verzeichnet  wird?  Vgl.  auch  Kornitzer  Z. 
f.  d.   österr.   Gymn.    1892    S.  454  Fufsnote    und    besonders    Weissenfeis 

I.  1.  S.  73 f.:  »Was  diese  Rede  auszeichnet  und  vor  allem  für  das  Stu- 
dium unserer  Jugend  geeignet  erscheinen  läfst,  ist  die  sittliche  Wärme 
und  Wahrheit,  mit  welcher  er  seinen  Klienten  verteidigt«. 

4)  E.  Lincke,  Zur  Beweisführung  Ciceros  in  der  Rede  für  Sextus 
Roscius  aus  Ameria.     Commentationes  Fleckeisenianae  S.  187  —  198. 

Der  Aufsatz  Linckes  verfolgt  den  Zweck,  durch  eine  Zusammen- 
stellung der  Mängel  in  der  Beweisführung  Ciceros  die  Unzuverlässigkeit 
seiner  Behauptungen  zu  zeigen.  Dafs  die  in  dem  I.  Teile  der  Beweis- 
führung von  Cicero  gegen  das  Vorhandensein  einer  Feindschaft  zwischen 
Vater  und  Sohn  vorgebrachten  Gründe  nicht  stichhaltig  seien,  habe  ich 
in  meinem  gröfseren  Kommentar  zur  Rosciana  S.  214  f  bereits  ausein- 
andergesetzt. Lincke  führt  diese  Erörterungen  weiter  aus;  auch  der  fol- 
gende Nachweis,  dafs  S.  Roscius  den  Mord  überhaupt  nicht  habe  be- 
gehen können,  sei  wenig  überzeugend;  nur  aus  dem  Umstände,  dafs 
die  Gegner  die  Auslieferung  der  Sklaven  zum  Verhör  verweigerten,  gehe 
die  Unschuld  des  S.  Roscius  deutlich  hervor.     —     Auch  bezüglich  des 

II.  Hauptteiles,  in  welchem  Cicero  die  Schuld  des  Mordes  auf  die  Geg- 
ner seines  Klienten  wälzen  will,  hob  ich  im  Kommentar  S.  289  bereits 
hervor,  dafs  man  den  Schlufsfolgerungen  Ciceros  nur  mit  Vorsicht  Glau- 
ben schenken  dürfe.  So  bringen  Linckes  Ausführungen  in  der  Haupt- 
sache zwar  nichts  Neues,  immerhin  ist  die  zusammenfassende  und  ein- 
gehende Betrachtung  der  einzelnen  Glieder  der  ciceronischen  Beweisfüh- 
rung ein  dankenswerter  Beitrag  zur  unparteiischen  Beurteilung  des  fak- 
tischen Thatbestandes. 


Or.  pro  Roscio  Amerino. 


5)  A.  Spcngcl,  Zu  Cicero  pro  Sexto  Roscio  Amerino.     Bl.  f.  d. 
Gymnasialwesen   1891  S.  273  —  279. 

Herr  Gymnasialrektor  Spengel  bespricht  in  vorliegendem  Aufsatze 
scharfsinnig  eine  Anzahl  von  Stellen,  an  denen  Halm  einen  Verstofs  gegen 
Ausdruck  und  Logik  finden  zu  müssen  geglaubt  hatte.  §  47  wird  ohne 
Zweifel  odiosum  est  richtiger  erklärt  mit  piget,  vgl.  Cat.  m.  §  47  odio- 
sum  et  molestum  est.  Nimmt  man  diese  Erklärung  an,  so  ist  der  ganze 
Gedanke  korrekt  durchgeführt.  Der  Fehler  lag  also  bei  Halm,  der  odio- 
sus  =  gehässig  fafste.  An  .zweiter  Stelle  wird  besprochen  c.  7  §  18 
(nicht  §  78!),  wo  Halm  die  Worte  cum  hie  filius  .  .  Romae  esset  als 
eingeschobene  Zwischensätze  auffafste.  Die  von  Spengel  gegebene  Er- 
klärung habe  ich  bereits  im  kritischen  Anhang  meiner  gröfseren  Aus- 
gabe S.  88 ff.  niedergelegt,  was  Sp.  entgangen  zu  sein  scheint.  Gegen 
die  Erklärung  von  c.  17  §  48  (nicht  18!)  et  ipsi  =  auch  selbst  spricht 
der  Umstand,  dafs  Cicero  diesen  Gebrauch  von  et  ipse  =  item  noch 
nicht  kennt,  vgl.  Iw.  v.  Müllers  Note  zu  Naegelsbachs  Stilistik  8.  Aufl. 
S.  367.  —  §  57  will  Sp.  die  Worte  alii  vestrum  anseres  sunt  .  .  .  mor- 
dere  possunt  als  die  geistreich  sein  wollende  Texterweiterung  eines  Inter- 
polators  auswerfen.  Wir  können  ihm  darin  nicht  beistimmen.  Wenn 
Cicero  die  Ankläger  nur  mit  den  Hunden  in  Vergleich  setzen  wollte, 
warum  spricht  er  dann  überhaupt  von  den  Gänsen,  ja  leitet  den  Ver- 
gleich mit  den  Worten  ein  anseribus  cibaria  publice  locautur?  Auch 
weisen  die  Worte  cibaria  vobis  praebei'i  deutlich  auf  jene  staatliche 
Ernährung  der  Gänse  hin.  Endlich  gewinnt,  meine  ich,  der  ganze  Ver 
gleich  gerade  durch  die  boshafte  Bemerkung:  alii  vestrum  anseres  sunt? 
einige  von  Euch  Anklägern  sind  weiter  nichts  als  dumme,  ungefährliche 
Schreihälse.  —  §7  wird  brevis  erklärt  mit 'klein,  gering";  brevis  postu- 
latio  =  eine  bescheidene  Forderung.  —  §  74  wird  also  hergestellt:  si 
per  aliüs  fecisse  dicis,  quaero  [servosne  an  libcrosj,  quos  homincs?  in- 
didcmne  etc.  —  §  120  wird  die  verderbte  Stelle  folgendermafsen  lesbar 
gemacht:  "in  dominos  quaeri  de  servis  iniquum  est'  anne  quaeritur? 
Sextus  enim  Roscius  reus  est;  nequc  enim  cum  de  hoc  quaeritur.  'in 
dominum  quaeritur'  vos  enim  dominos  esse  dicitis  =  »Es  ist  unbillig. 
die  Sklaven  gegen  ihre  Herren  zu  inquirieren.  Geschieht  denn  dies? 
Der  Angeklagte  ist  ja  doch  S.  R.,  und  wenn  inbetrcff  seiner  die  Unter- 
suchung angestellt  wird,  ist  es  keine  quaestio  in  dominum,  denn  ihr 
behauptet  die  Herren  zu  sein«.  —  Änderung  der  Interpunktion  will  Sp. 
eintreten  lassen:  §  66  Videtisne  .  .  .  patiauturV  Qu  od  nc  pii  quidem 
sine  scelere  esse  potuerunt,  sie  se  res  habet,  während  bis  jetzt  allgemein 
mit  'sie  se  res  habet'  der  neue  Satz  begann  und  zwar  mit  Recht.  Denn 
der  ganze  feierliche  und  nachdrückliche  Ton  der  folgenden  P^xpektora- 
tion  'magnam  vim,  magnam  necessitatem'  etc.  ist  verwischt,  wenn  nicht 
das  darauf  hinweisende  und  vorbereitende  sie  se  res  habet  an  der  Spitze 


Div.  in  Caec,  Orr.  Verrinae.  7 

steht.  Mit  potuerunt  hat  der  Redner  den  ersten  Satz,  der  den  Exkurs 
über  die  unausgesetzte  Verfolgung  der  Verbrecher  durch  die  Furien  ein- 
leitet, beschlossen.  Nun  holt  er  Atem  und  schickt  sich  zu  der  morali- 
schen Begründung  dieser  Thatsache  an,  als  ankündigender  Vorläufer  der- 
selben dient  die  vorausgeschickte  Formel:  Sic  se  res  habet.  §  138  nimmt 
Sp.  vielleicht  mit  Recht  die  Worte  'decerne  modo  recte'  zusammen,  wäh- 
rend bis  jetzt  getrennt  wurde  decerne,  modo  recte.  —  Endlich  §  152 
probatum  suis,  filium.  Es  ist  nicht  zu  leugnen,  dafs  die  Rede  kräftiger 
wird,  wenn  tilius  als  besonderes  Glied  aufgeführt  wird,  vgl.  §  88. 

6)  Kan,  Mnemosyne  XVIII  S.  365 

sieht  §  146  in  den  Worten  sine  sanguine  eine  die  Konzinnität  störende 
Glosse  zu  inte  gram.  Allein  an  derartigen  uns  überflüssig  scheinenden 
Zusätzen  dürfen  wir  uns  bei  dem  wortfreudigen  Cicero,  zumal  in  seinen 
Jugendreden,  nicht  stofsen. 

7)  Pascal,  Rivista  di  filolog.  XXI  S.  133 

vermutet  ansprechend  §  104  sei  zu  schreiben  num  quid  statt  nunc  quid. 

Div.  in  Caec.  Orationes  V^errinae. 

8)  Die  Divinatio  hat  zwei  neue  Erklärer  gefunden,  die  sich  be- 
reits durch  kommentierte  Ausgaben  der  IV.  und  V.  Verrina  vorteilhaft 
bekannt  gemacht  haben.  Die  deutsche  Ausgabe  von  Hachtmann  in  der 
Bibl.  Gothana  (1891)  teilt  die  bereits  an  dessen  Bearbeitungen  der  bei- 
den Verrinen  gerühmten  Vorzüge  und  ist  für  die  Hand  des  Schülers  sehr 
zu  empfehlen.  Der  Text  weicht  nur  unwesentlich  von  Nohl  ab.  Die 
französische  Ausgabe  von  E.  Thomas  (Paris  1892)  ist  mir  nicht  zuge- 
gegangen.  Wie  ich  aus  der  Besprechung  Luterbachers  im  XVIII.  Jahres- 
bericht S.  9  ersehe,  ist  sie  für  Gelehrte  bestimmt  und  reich  an  guten 
Bemerkungen.  »Für  das  Variantenverzeichnis  hat  Th.  den  cod.  Parisinus 
7776  (XI.  Jahrh.  nach  Chatelain)  neu  verglichen,  ohne  dafs  derselbe  je- 
doch auf  die  Gestaltung  des  Textes  Einflufs  gehabt  hätte«.  Kritische 
Beiträge  zu  den  Verrinen  giebt  J.  S.  Speijer  in  seinen  Observationes 
et  emendationes  (Groningae  1891).  Vgl.  dazu  Stangl  in  W.  f.  kl.  Phil. 
1892  Sp.  131  ff.  Nicht  weniger  als  14  Glosseme  glaubt  Sp.  ausscheiden 
zu  müssen.  Davon  seien  erwähnt  Act.  I  §  U  [quaestura]  primus  gradus 
honoris  quid  aliud  habet  in  se  nisi  [Cn.  Carbonem]  spoliatum  a  quaestore 
suo  [pecunia  publica,  nudatum]  et  proditum  consulem  (Müller  schliefst 
primus  gradus  honoris  nach  Halm  ein);  act.  II,  2  §  61  an  is  horao  [Verres] 
—  Müller  schliefst  mit  Kayser  homo  ein,  was  auch  in  Lg.  42  fehlt.  — 
II,  3  §  27  [hoc  est  de  aratoribus];  §  40  [ut  ad  dimidias  partes  emendas], 
§  186  [de  qua  victoria].  Von  seinen  sonstigen  Konjekturen  seien  hier 
verzeichnet:  Act.  II,  1  §  136  apud  quem  non  cuiusquam  auctoritas,  uon 
gratia  prae  pretio  valeret;   Müller  schliefst  an  d.  St.  das  hinter  auc- 


g  Or.  pro  Caec,,  de  imp.  Cn.  Pomp. 

toritas  überlieferte  pro  pretio  ein;  II,  4  §  90  will  er  an  der  schon  viel 
behaudelteu  Stelle  (s.  unten)  schreiben  'eins  religioni  te  ipsum  ac  t'ide 
(=  fidei)  vinctum'  vgl.  auch  Mnemos.  1891  S.  386.  Derselbe  Gelehrte 
eniendiert  ebenda  S.  199  II,  2  §  71  quoi  rei  privatae  iudex  esset  statt 
quod  rei  etc. 

9)  Die  Schulausgaben  der  IV.  und  V.  Verrina  von  A.  Kornitzer, 
Wien  1889  und  1890  sind  empfehlenswert  wegen  ihrer  guten  Ausstattung. 
Der  Text  sucht  womöglich  die  Vorzüge  von  Müller  und  Nohl  zu  vereini- 
gen. Eine  Begründung  der  von  ihm  gewählten  Lesarten  und  eigenen 
Emendationen  giebt  er  in '  dem  Programm  des  Staatsgymnasiums  zu 
Nikolsburg  1891  »Textkritische  Bemerkungen  zu  Ciceros  Reden«.  Die 
Konjektur  Jeeps  IV  §  2  ne  in  hospitis  (st.  oppidis)  quidem  wird  gegen 
Nohl  und  Luterbacher  gut  verteidigt.  Seine  Änderung  IV  §  90  te  testi- 
bus  (st.  isti)  ist  nicht  neu,  da  schon  Lehmann  W.  f.  kl.  Phil.  II  Sp.  656 
so  vorschlug,  vgl.  Jahresbericht  pro  1889  S.  192.  Ebenda  habe  ich  den 
Vorschlag  Kornitzers  V  §  113  facinus  exstinguere  statt  nos  exst.  zu  lesen 
für  beachtenswert  erklärt. 

Or.  pro  Font  ei  o. 
Zu  den  Fragm.  Cusana  s.  Nr.  60. 

Or.  pro  Caecina. 

10)  Pascal,  Rivista  dl  filol.  XXI  S.  133 

schlägt  vor  §  2  zu  lesen  quo  de  (codd.  (juod)  arguitur  nach  Rose.  Am. 
§  118  si  quo  de  dubitabitur  u.  ähnl.  Stellen. 

Or.  de  imp.  Cn.  Pompei. 

11)  Ciceros  Rede  über  das  Imperium  des  Cn.  Ponipeius.  Für  den 
Schul-  und  Privatgebrauch  erklärt  von  Fr.  Richter  und  A.  Eberhard. 
Vierte  umgearbeitete  Auflage.     1890. 

12)  M.  Tulli  Ciceronis  oratio  de  inipcrio  Cn.  Pom}iei.  Scholarum 
in  usum  edidit  A.  Kornitzer.     "Wien   1889. 

13)  M.  Tullii  Ciceronis  de  imperio  Cn.  Pompei.  Rccensione  e  Note 
dcl  V.  Turri.     Turin— Rom  1892. 

14)  Ciceros  tale  de  imperio  Cn.  Pomi»ti  til  skolebrug  udgivet  af 
V.  Vofs.     II.  oplag.  Christiania  189 1. 

Die  Pompeiana  gehört  zu  den  wenigen  Reden  Ciceros,  die  sogar 
in  unsern  Tagen,  wo  über  den  didaktischen  Wert  der  ciceronischen  Reden 
so  strenge  zu  Gericht  gesessen  wird,  Gnade  vor  den  Augen  ihrer  Richter 
findet.      Dcttweiler    S.    106    seiner    Untersuchungen    (vgl.  Nr.  58)    und 


Or.  de  imp.  Cn.  Pomp.  9 

Weissenfeis  1.  1.  S.  77  empfehlen  sie,  ersterer  wegen  ihrer  Bedeutung 
auch  für  die  Gegenwart,  letzterer  wegen  ihrer  formellen  Vorzüge  als 
Muster  einer  kunstvoll  gestalteten  Rede.  Dafs  die  Schulmänner  im  Nor- 
den und  Süden  Europas  von  diesem  Werte  der  Rede  überzeugt  sind,  be- 
weisen die  vielen  Jahr  für  Jahr  neu  erscheinenden  oder  wiederholt  auf- 
gelegten Schulausgaben.  In  Deutschland  gehört  die  kommentierte  Aus- 
gabe von  Richter-Eberhard  zu  den  bekanntesten  und  beliebtesten.  Eber- 
hard ist  unablässig  bemüht  Text  und  Kommentar  zu  vervollkommnen  und 
trägt  mit  Bienenfleifs  alles  zusammen,  was  in  Ausgaben,  Zeitschriften, 
Programmen,  Rezensionen  und  Jahresberichten  zur  Kritik  und  Erklärung 
dienliches  sich  findet.  Der  Text  ist  im  grofseu  und  ganzen  der  gleiche 
geblieben,  doch  werden  die  einzelnen  Lesarten  nicht  selten  im  Kommen- 
tar oder  im  Anhang  tiefer  begründet,  so  §  7  denotavit  mit  Note;  §  18 
rem  publicam  ipsam  illa  vectigalia  postea  victoria  recuperare,  s.  Note 
und  krit.  Anh.  Dieser  Versuch,  die  schwierige  Stelle  zu  heilen,  hat  übri- 
gens den  Beifall  des  Schweden  Vofs  gefunden  und  ist  von  ihm  in  den 
Text  gesetzt  worden. 

Gleiche  Sorgfalt  verwendet  Kornitzer  auf  die  Textkonstitution 
seiner  Schulausgaben.  In  der  Hauptsache  folgt  er  auch  hier  C.  F.  W. 
Müller,  ohne  sich  gegen  die  Besserungen  bei  Nobl  zu  verschliefsen,  vgl. 
§  28.  33.  67.  Die  Änderung  Nohls  §  46  communi  <(consilio>  Cre- 
tensium  hat  er  jedoch  wie  Eberhard  abgelehnt.  Das  von  C  überlieferte 
communi  scheint  mir  indes  Cicero  zu  gehören  und  mit  Guilelmus  in 
a  communi  verbessert  werden  zu  müssen.  Cicero  gebraucht  commune 
im  Sinne  von  rw  xocvav  häufig  in  den  Verrinen,  vgl.  a  communi  Siciliae 
II  §  114.  154.  168.  Dazu  kommt,  dafs  in  Inschriften  von  Kreta  (Bull,  de 
Corresp.  Hell-  Jan.-Fevr.  1889)  sich  wiederholt  findet  zoo^s  rw  xutv<b 
Kpr^racecuv,  vgl.  Clark  Anecdota  p.  LXI  (s.  Nr.  1).  Aus  all  dem 
scheint  hervorzugehen,  dafs  unsere  Stelle  in  der  richtigen  Weise  von 
Guilelmus  verbessert  worden  ist. 

Die  italienische  Schulausgabe  von  Turri  gehört  einer  gröfsereu 
Sammlung  von  Ausgaben  lateinischer  Schulschriftsteller  mit  kurxen  Noten 
an.  Papier  und  Druck  sind  gut;  die  Noten  erfüllen  ihren  Zweck;  der 
Text  zeigt  Bekanntschaft  mit  den  wichtigeren  deutschen  Ausgaben.  Ab- 
weichend von  der  üblichen  Paragraphierung  sind  die  einzelnen  Kapitel 
für  sich  paragraphiert. 

Einen  sehr  sauberen  Eindruck  macht  die  schwedische  Ausgabe  von 
Vofs  nach  Form  und  Inhalt.  Voran  geht  eine  Einleitung,  welche  in  zwei 
Abschnitten  über  den  mithridatischen  Krieg  und  Pompejus  handelt,  am 
Schlüsse  ist  eine  Disposition  der  Rede  beigegeben,  ähnlich  wie  bei 
Richter -Eberhard.  Der  Text  ist  im  wesentlichen  der  Halm'sclie,  doch 
ist  auch,  wie  bereits  oben  erwähnt,  der  Richter-Eberhard'sche  nicht  ohne 
Einfiufs  geblieben:  die  Rezension  von  Müller  und  Nohl  scheint  Vofs 
nicht  bekannt  zu  sein.     Die  Noten  sind  knapp  und  streng  sachlich. 


10  Or.  de  imp.  Cii.  Pomp. 

15)  Ciceros  Rede  De  imperio  Cn.  Pompei,  nach  pädagogischen 
Gesichtspunkten  erklärt  von  E.  T hürnen.     Berlin  1890.     140  S. 

Neu  an  diesem  Kommentar  zur  Pünii)eiana  ist  die  Betrachtung 
und  Erläuterung  des  Inhaltes  der  einzelnen  Abschnitte  nach  der  Herbart- 
scben Interessenlehre  und  zwar  nach  dem  empirischen,  spekulativen, 
ästhetischen,  sympathetischen  und  sozialen  Interesse;  für  das  religiöse 
Interesse  bietet  nach  Th.  die  Rede  kein  Material.  So  anregend  und 
bildend  diese  Methode  für  den  jungen  Lehrer,  insbesondere  bei  Seminar- 
übungen sein  mag,  in  die  Schule  selbst  möchten  wir  sie  nicht  eingeführt 
sehen.  Natürlich  muss  auch  die  Interpretation  in  der  Schule  alle  jene 
von  Th.  bereits  ausgeführten  Gesichtspunkte,  soweit  sie  zum  Verständnis 
und  zur  Erschliefsung  der  Rede  und  des  antiken  Lebens  nach  seinen 
verschiedenartigen  Seiten  überhaupt  inbetracht  kommen,  heranziehen, 
allein  derartige  Ausführungen  sollen  meines  Erachtens  in  unmittelbarer 
und  ungezwungener  Weise  aus  dem  Unterrichte  selbst  herauswachsen, 
nicht  aber  erst  künstlich  mittels  Anlegung  des  Interessenmafsstabes  her- 
ausgeprefst  werden.  Ich  stimme  in  dieser  Beziehung  vollständig  überein 
mit  dem,  was  mein  verehrter  Kollege  Hammer  bei  Besprechung  eben 
dieses  Buches  in  den  Blatt,  f.  d.  bayr.  Gyranasiahv.  XXVII,  242  sagt: 
»Drängen  sich  die  einen  oder  die  anderen  Gesichtspunkte  unwillkürlich 
auf,  so  müssen  sie  dem  Schüler  zum  Bewufstsein  gebracht  werden,  ohne 
sie  unter  eine  Schablone  mit  wissenschaftlichem  Anstriche  zu  bringen. 
Es  erscheint  als  eine  Versündigung  an  dem  jugendlichen  Geiste  und  ver- 
kümmert ihm  die  unmittelbare  Freude  an  der  Lektüre,  wenn  er  sich 
Schritt  für  Schritt  fragen  mufs,  wo  er  zwei  oder  drei  oder  gar  sechs 
'Interessen'  finden  kann.«  -  Bezüglich  des  Textes  finden  wir  nur  im 
Vorwort  die  kurze  Bemerkung,  dafs  er  in  dieser  Rede  keine  besonderen 
Schwierigkeiten  biete;  es  wird  auch  nicht  gesagt,  wem  der  Herausgeber 
in  der  Textkonstitution  sich  vorzüglich  anschliefst.  Vgl.  auch  die  Be- 
sprechung von  Kornitzer  in  Z.  f.  d.  österr.  Gymn.   1891  S.  406. 

16)  J.  Lange,  Flcckeisen's  Jahrbb.  1892  S.  356 

emendiert  ansprechend  §  24  also:  Mithridates  autem  et  suum  animum 
(codd.  suam  manum)  confirmarat  et  eorum.  qui  etc. 

17)  Th.  Bernd t,   Krit.  Bemerkungen  zu  Griechischen  und  Römi- 
schen Schriftstellern  (Festschrift,  Herford  1890). 

S.  5  schlägt  er  vor  §4  zu  lesen  qui  postea,  (cum)  quam  maximas 
etc.,  verbindet  also  (juam  mit  maximas.  Aber  an  der  Überlieferung  ist 
nicht  zu  rütteln,  .denn  posteaquam  mit  Konjunktiv  steht  nicht  nur  bell. 
Afr.  40,  5  und  50,  4,  sondern  auch  Cic.  de  leg.  II  §  64,  p.  Cluent.  §  181, 
p.  Deiot.  §  36;  s.  den  letzten  Jahresbericht  S.  196.  227.  Die  zu  §  33 
der  Rede  p.  C'orn   Balbo  vorgetragene  Emendation  hat  bereits  Tschiassny 


Or.  pro  Cluentio,  de  leg.  agr.  1 1 

in   den  Wiener  Studien  1887  S.  325 f.  gefunden,  vgl.  Jahresbericht  LIX 
(1889,  II)  S.  219. 

18)  Ludw.  L'ahmeyer,  Studien  zur  lat.  Grammatik  (Programm, 
Görlitz  1891,  14  S.). 

L  behandelt  die  Allitteration  in  der  Pompeiana  nach  ganz  äufser- 
lichen  und  teilweise  willkürlichen  Gesichtspunkten,  ohne  die  übrige, 
ziemlich  reichhaltige  Litteratur  über  diesen  Gegenstand  zu  nennen  oder 
zu  kennen.     Vgl.  Archiv  f.  Lexikographie  VIII,  150. 

Or.  pro  Cluentio. 

Die  causa  Cluentiana  haben  zum  Gegenstande  zwei  kleine  Aufsätze 
der  Commentationes  Philologicae  Monacenses  (Festschrift  des  Münchener 
Philol.  Seminars  zur  Begrüfsung  der  41.  Versammlung  von  Schulmännern 
und  Philologen)  1891. 

19)  Joannes  Stöcklein,  De  iudicio  luniano  S.  196 — 200. 

20)  Franciscus  Bell,  Num  Cluentius  de  crimine  iudicii  corrupti 
causam  dixerit  S.  201—209. 

Beide  Arbeiten  haben  das  Programm  von  C  Bar  dt,  Zu  Ciceros 
Cluentiana  (Neuwied  1878)  zum  Ausgangspunkt;  vgl.  darüber  das  Referat 
im  Jahresbericht  XIV  (1878,  II)  S.  204f.  Stöcklein  führt  die  Ansicht 
Bardts  weiter  aus,  dafs  Cicero  den  Vorsitzenden  des  acht  Jahre  zuvor 
spielenden  Prozesses,  C  lunius,  und  die  sieben  dabei  amtierenden  Richter 
nicht  ausreichend  von  dem  Verdachte  der  Bestechung  durch  Cluentius 
reinige.  Boll  kehrt  im  Widerspruch  zu  Bardt  zu  der  frühereu  Annahme 
zurück,  dafs  Cluentius  aufgrund  einer  Bestimmung  der  lex  Cornelia  aufser 
auf  Giftmord  auch  der  Richterbestechung  angeklagt  gewesen  sei.  Doch 
scheint  uns  Boll  die  Unhaltbarkeit  der  wohlbegründeten  Annahme  Bardts 
nicht  völlig  überzeugend  nachgewiesen  zu  haben.  Übrigens  hätte  auch 
auf  Hamiltons  Einleitung  zur  Ausgabe  der  Cluentiana  von  Fausset 
(London  1887)  bezug  genommen  werden  sollen,  S.  XIII  ff. 

Or.  de  lege  agraria. 

21)  F.  J.  Drechsler,  Z.  f.  d.  österr.  Gymn.  1892  S.  297 

vermutet  II,  5,  13  contio  uvide  exspectatur  P.  Rulli  (codd.  tundem, 
Müller  vakk).  Ebenderselbe  glaubt,  dafs  II,  19,  50  die  Lücke  vor  d  zu 
suchen  und  dort  ein  dem  ccrtisniniinn  entsprechender  Superlativ  ausge- 
fallen sei.  Er  schreibt  deshalb  ansprechend:  qui  item  a  censoribus  locati 
sunt,  (viaximuniy  et  certissimum  vectigiil.     Cf.  bes.  de  imp.  Pomp.  2,  6. 


12  Or.  p.  C  Rab.  perd. 

Or.  p,  C.  Rabirio  perd. 

22)  G.  Marabelli,  Di  un  processo  politico  avvenuto  negli  Ultimi 
tempi  della  repubblica  Romana.  Studio  di  storia  antica  e  di  filosofia 
politica     Savona  1890.     75  S. 

23)  0.  Schul tefs.  Der  Prozefs  des  C.  Rabirius  vom  Jahre  63  v. 
Chr.  Progr.  der  thurgauischeu  Kaiitonsschule  zu  Frauenfeld  1891. 
Mit  drei  Anhängen.     77  S. 

Während  die  erste  Schrift  mehr  in  philosophischer  Weise  die  poli- 
tische Seite  des  Rabirius-Prozesses  beleuchtet  (von  deutschen  Werken 
ist  nur  Drumann  und  Mommsen  beigezogen),  haben  wir  in  der  Programm- 
Abhandlung  von  Schultefs  eine  ebenso  gründlich  und  sorgfältig  durch- 
geführte, als  klar  und  interessant  geschriebene  erneute  Untersuchung 
dieses  berühmten  Rechtsstreites  vor  uns.  Der  Herr  Verf.  bemerkt  zwar 
im  Vorwort  selbst  allzu  bescheiden,  dafs  seine  Arbeit  keine  eigentlich 
neuen  Ergebnisse  biete,  allein  eine  endgiltige  Lösung  dieser  ganzen  Frage 
wird  bei  den  schwer  zu  einander  völlig  in  Einklang  zu  bringenden  Nach- 
richten der  Alten  über  den  Prozefsgang  überhaupt  nicht  möglich  sein. 
Es  kann  sich  also  nur  darum  handeln,  die  Wahrscheinlichkeit  der  einen 
und  der  anderen  Ansicht  durch  möglichst  minutiöse  und  exakte  Prüfung 
aller  mit  ins  Spiel  kommenden  Momente  zu  vergröfsern  oder  zu  verrin- 
gern- Das  hat  denn  auch  Seh.  in  gewissenhafter  und  von  grofser  Sach- 
kenntnis zeugenden  Weise  gethan  Was  seine  eigene  Stellungnahme  zu 
dem  Prozesse  anlangt,  so  kehrt  er  zu  der  von  Niebuhr  und  Huschke 
vertretenen  Annahme  eines  Multverfahrens  vor  den  Tributkomitien 
zurück.  Unseren  Standpunkt  in  dieser  Frage  haben  wir  bereits  wieder- 
holt in  diesen  Jahresberichten  (XXII,  1880.  II  S.  24lf.;  XXXV,  1883 
II  S.  33 f.;  LIX,  1889  II  S.  197)  präzisiert  und  sehen  auch  jetzt  noch 
in  der  von  Cicero  bekämpften  Anklage  nicht  eine  Mult,  sondern  eine 
kapitale.  Dieser  Ansicht  ist  auch  Hammer  in  den  ßl.  f.  d.  Gymnasial- 
wesen 1892  S.  189:  »Der  auffallende  Ausdruck  §  8:  multae  irro- 
gatio'  pafst  allerdings  nur  für  eine  Geldstrafe.  Da  deren  Antrag  aber, 
wie  im  Anhange  II  gezeigt  ist,  auch  zu  kapitaler  Bestrafung  führte,  so 
widerspricht  der  Ausdruck,  selbst  wörtlich  genommen,  nicht  der  An- 
nahme, es  sei  ein  Perduellionsprozefs  nach  altem  gestrengen'  Verfahren 
gewesen,  aber  durch  ein  spezielles,  von  Cicero  veranlafstes  (§  10)  Gesetz 
gemildert  und  den  neuen  Bestimmungen  angepafst  worden.  Ob  der 
Senat  dies  thun  konnte,  oder  ob  nicht  vielmehr  ein  Plebiszit  notwendig 
war,  dem  ein  Gutachten  des  Senates  zugrunde  lag,  ist  noch  nicht  abge- 
macht.« Vergl.  auch  0.  Fischer  in  der  deutschen  Litter. -Zeitung  1892 
No.  18  S.  599  und  Kornitzer,  Zeitschr.  f.  d.  österr.  Gymnasien  1892 
S.  403  ff. 


Orr.  in  Catil.  13 


In  L.  Gatilinam  orat.  IV. 

24)  Ciceros  ausgewählte  Reden,  erklärt  von  Karl  Halm.  III.  Band : 
die  Reden  gegen  L.  Sergius  Catilina  und  für  den  Dichter  Ärchias. 
13,  umgearbeitete  Aufl.,  besorgt  von  G.  Laubmann.     1891. 

25)  M.  Tullii  Ciceronis  in  L.  Catilinam  oratio  prima.  Recensione 
e  Note  del  V.  Turri.     Turin  1892. 

Auch  für  die  »berühmtena  Catiliuarischen  Reden  als  Schullektüre 
scheint  die  Stunde  geschlagen  zu  haben.  Zwar  will  sie  Dettweiler  1.  1. 
S.  138  als  »Meisterstück  geschickten  Drängens«  trotz  ihres  geringen 
pädagogischen  Wertes  immer  noch  den  philippischen  vorziehen,  aber 
Weifsenfels  bricht  den  Stab  über  sie,  indem  er  S.  78  sich  also  gegen  sie 
ausläfst:  »Diese  Verschwörung  des  Catilina  entbehrt  der  wahren  Gröfse. 
Sie  bietet  nicht  das  erhabene  Bild  eines  Sturmes,  sondern  ist  vielmehr 
einem  ekelhaften,  aus  verdorbenen  Säften  des  Staatskörpers  entstandenen 
Geschwüre  vergleichbar.  Es  will  mir  fast  scheinen,  als  versündige 
man  sich  an  der  Jugend,  wenn  man,  anstatt  solche  Dinge  in  einer  Ge- 
schichtsstunde kurz  abzuthun,  die  historischen  Dokumente  dieser  Ver- 
schwörung langsam  lesend  und  erklärend,  ein  ganzes  Semester  hindurch 
Schüler  dieses  Alters  dabei  festhält.«  (Ein  ähnliches  Urteil  fällte  bereits 
Gebhardi  in  Fleckeis.  Jahrbb.  1878  Bd.  118,  S.  242).  Die  Zukunft  wird 
lehren ,  ob  auf  diese  schweren  Vorwürfe  hin  die  catilinarischen  Reden 
ihre  Popularität  in  der  Schule  einbüfsen,  ob  das  sprüchwörtliche  quousque 
tandem  seine  Zauberkraft  auf  Lehrer  und  Schüler  verliert,  ob  die  Halm- 
sche  Schulausgabe  mit  ihrer  nunmehrigen  dreizehnten  (!)  Auflage  ihren 
Höhepunkt  erreicht  hat  oder  nicht.  Jedenfalls  hat  sie  in  der  vorliegen- 
den Neubearbeitung  von  Laubraann  in  gewisser  Beziehung  einen  Ab- 
schlufs  erfahren,  insofern  als  derselbe  in  Übereinstimmung  mit  C.  F.  W. 
Müller  und  Nohl  den  Text  der  Reden  nunmehr  auf  der  Handschriften- 
klasse a  allein  aufgebaut  und  konsequent  umgestaltet  hat  —  ein  Ver- 
fahren, das  unbedingt  vor  dem  in  der  12.  Auflage  befolgten  eklektischen 
den  Vorzug  verdient.  Der  kritische  Anhang  ist  praktischer  und  über- 
sichtlicher angelegt  und  zeigt  wie  Einleitung  und  Kommentar  eine  ge- 
naue Kenntnis  der  einschlägigen  Litteratur.  Da  S.  17  Note  90  auf  die 
Programmabhandlung  von  Charabalu,  Neuwied  1888  hingewiesen  ist  (vgl. 
Jahresbericht  LIX,  1889,  II  S.  201),  so  benutze  ich  die  Gelegenheit,  auf 
den  wie  es  scheint  nicht  bekannten  Aufsatz  von  Treuber  Ȇber  die 
vier  catilinarischen  Reden«  im  Korrespondenzblatt  f.  Gel.  u.  Realschulen 
Württembergs  1879  S.  31 — 67  aufmerksam  zu  machen,  in  welchem  be- 
züglich der  4.  Rede  vielfach  eine  ähnliche  Anschauung  wie  bei  Chambalu 
vertreten  wird.  Bezüglich  der  italienischen  Schulausgabe  der  1.  Catili- 
narischen von  Turri  sei  auf   das  über    die    Ausgabe    der    Pompeiana 


14  Orr.  in  Catil. 

desselben   Herausgebers   gefällte   Urteil   verwiesen,   das    auch   für    diese 
Rede  Geltung  hat. 

26)  III  §  5  lesen  die  Handschriften  'occulte  ad  pontcm  Mulvium 
pervenerunt  atque  ibi  in  proximis  villis  ita  bipertito  fuerunt'.  Polle, 
Fleckeisen's  Jahrbb.  1891,  S.  280  vermutet  für  das  matte  fuerunt  an- 
sprechend latuerunt. 

27)  K.  Füfslein,  Über  Ciceros  erste  Rede  gegen  Catilina.  Oster- 
programm  des  Dom-Gymnasiums  zu  Merseburg  1889.     20  S. 

Der  Verf.  verteidigt  in  seiner  lesenswerten  Abhandlung  die  erste 
katilinarische  Rede  mit  Glück  gegen  den  von  Richter — Eberhard  u.  a. 
erhobenen  Vorwurf,  sie  entbehre  einer  sorgfältigen  Disposition  und  einer 
streng  logischen  Ausführung.  Die  auf  S.  16 — 18  zusammengefafsto  über- 
sichtliche Disposition  ergiebt  eine  ebenso  ungezwungene  wie  überzeu- 
gende Gliederung  der  mit  Unrecht  angegriffenen  Rede.  Für  die  Erklä- 
rung der  Rede  in  der  Schule  bietet  das  Programm  vielfache  Belehrung 
und  Anregung. 

28)  Kornitzer,  Zur  vierten  katilinarischen  Rede.  Z.  f.  d,  österr. 
Gymn.  1891  S.  389  fi'. 

K.  weist  durch  Samniluug  der  einschlägigen  Stellen  aus  Sallust 
und  Cicero  nach,  dafs  die  vierte  katilinarische  Rede  nicht  wie  in  dem 
Argumentum  C.  F.  W.  Müllers  zu  lesen  II,  2  S.  287  im  Tempel  des 
Juppiter  Stator  gehalten  wurde,  sondern  im  Tempel  der  Concordia,  vgl  • 
Sali.  Cat.  49,  Cic.  p.  red.  in  sen.  §  12.  32,  Sest.  26.  28.  Phil.  II,  16.  19' 
ep.  Att.  2,  1,  7. 

29)  Levi  behandelt  in  Riv.  di  filol.  XX  S.  144ff.  eingehend  111  §  22 
und  schlägt  die  Einklamraerung  resp.  Tilgung  der  Worte 'illa  Allobrogum 
soUicitatio'  vor,  die  in  unseren  neueren  Texten  nach  Mommsen  längst 
entfernt  sind.  Dagegen  sucht  sie  gegen  Levi  zu  lialten  P^rcole  ebenda 
XXI  S.  137Ö-. 

Or.  pro  Murona. 

30)  Ciceros  Rede  für  L.  Murena  für  den  Schulgebrauch  erklärt 
von  Julius  Strenge.     Bibl.  Goth.   1892. 

31)  M.  Tulli  Ciceronis  pro  L  Murena  oratio.  Scholarum  in  usum 
edidit  AI.  Kornitzer.     Wien  1891. 

32)  M.  TuUii  f^iceronis  oratio  pro  Murena.  Texte  Latin  avec  une 
introduction  et  un  commentaire  critique,  historique  et  grammatical  par 
Ferd.  Antoine.     Paris,  Garnier  freres,  1891. 

33)  M.  T.  Ciceronis  oratio  pro  Murena.  Edition  revue  sur  les 
meilleurs  textes  .  .  .  par  M.  L.  Mellerio.    Paris,  Delalain  Ireres  1890. 


Or.  pro  Murena.  15 

34)  M.  Tullio  Cicerone.  Discorso  in  difesa  di  Lucio  Murena  con 
proemio  e  note  di  Arturo  Pasdera.     Torino,  Loescher  1891. 

Mau  beginnt  der  Mureniana,  die  lange  Zeit  wegen  ihres  schlecht 
bestellten  Textes  in  den  Schulen  wenig  gelesen  wurde,  in  neuerer  Zeit 
mehr  und  mehr  Beachtung  zu  schenken.  Dies  beweisen  die  nicht  nur 
in  Deutschland,  sondern  auch  in  Frankreich  und  Italien  erscheinenden 
Schulausgaben.  In  Deutschland  stellt  sich  die  von  Direktor  Strenge 
würdig  an  die  Seite  der  Halm'schen  und  Koch-Landgraf'schen.  Der 
Verf.  hat  mit  grofsem  Geschick  den  Rahmen  eines  Schulkommentars  bei- 
behalten und  seine  sprachlichen  wie  sachlichen  Noten  sind  in  hohem 
Mafse  geeignet,  dem  Schüler  das  Verstcändnis  dieser  gar  nicht  leichten 
Rede  zu  eröffnen.  Für  die  Erklärung  sind  die  neuesten  einschlägigen 
Arbeiten  mit  Sorgfalt  benutzt,  besonders  auch  die  von  Herwig  über  das 
Wortspiel  in  Ciceros  Reden  (vgl.  No.  2);  docli  geht  er  mit  ihm  manch- 
mal etwas  zu  weit  im  Aufspüren  von  beabsichtigten  Wortspielen,  z.  B. 
§  16  notior.  In  der  Gestaltung  des  Textes  ist  Str.  der  Ausgabe  von 
C.  F.  W.  Müller  gefolgt;  die  Abweichungen  von  ihm  sind  S.  IV  und  V 
des  Vorwortes  aufgezählt;  in  den  Ergänzungen  diente  besonders  Nohl 
als  Wegweiser;  eigene  Vermutungen  hat  der  Verf.  nicht  in  den  Text 
gesetzt.  Im  einzelnen  habe  ich  mir  Folgendes  notiert:  §  2  cum  salute] 
die  Note  über  cum  ist  für  diese  Stufe  überflüssig.  —  ib.  hoc  quidem  in 
tempore]  das  zweimal  unmittelbar  einander  folgende  »darauf«  ist  hart. 
—  §  3  rationis  normam]  »eigentlich  der  Mafsstab  (Gnorimaa).  Diese 
Form  »gnorimaa  wird  der  Schüler  an  dieser  Stelle  nicht  verstehen,  sie 
mufs  als  Erläuterung  hinter  norma  gesetzt  und  dazu  bemerkt  werden  = 
»aus  gnorima«.  —  Unrichtig  erklärt  ist  §  21  adsiduitatis  et  operarum 
harum  cotidianarum  putat  esse  consulatumj  «die  tägliche  Agitation  und 
Wühlerei,  wie  sie  vom  Angeklagten  (harum)  betrieben  worden  ist«> 
denn  wie  das  folgende  zeigt,  spottet  ja  Cicero  über  dieses  Kleben 
(assiduitas)  am  Forum  und  über  diese  täglichen  Plackereien  auf 
dem  Forum,  auf  welchen  nach  des  Sulpicius  Meinung  das  Wesen 
des  Konsulats  beruht!  -  §  22  Überflüssig  ist  die  Note  qui  =  quomodo 
etc.  und  §  23  über  die  Form  arbitrere;  unverständlich  §  22  aquae 
pluviae]  ein  häufiger  Gegenstand  der  Klage  waren  die  iura  stillici- 
diorum  (ohne  Erklärung!);  sarkastische  Antithese.  -^  Überhaupt  dürfte 
m.  E.  der  Verf.  im  Gebrauche  der  Fremdwörter  und  der  gehäuften  An- 
wendung von  Term.  techn.  etwas  vorsichtiger  sein.  So  begegnet  häufig 
Paraphrase  st.  Umschreibung  (z.  B.  §  28.  §  29.  §  35  paraphrasierend); 
§  29  wird  exercitatio  mit  Routine  erklärt;  ebenda  mit  manirierter 
Bescheidenheit,  §  32  mit  assertorischer  Kraft;  Kap.  33  thetische 
Einführung  der  Occupatio  u.  s.  w.  Etwas  breit  ist  die  Note  §  27  rau- 
lieres].  —  Druckfehler  sind  selten,  doch  z.  B.  §  32  Schlscht  statt 
Schlacht;    ebenda   befremdet   die   Übersetzung  von    ad  confirmandas 


]  f,  Or.  pro  Miirona. 

ratioiies  belli]  mit  »um  die  Pläne  des  Krieges  festzulegen«.  —  Mehr 
als  in  anderen  Kommentaren  ist  das  Augenmerk  des  Schülers  auf  die 
Bedeutung  und  Kraft  des  vorausgestellten  Tonwortes  gelenkt,  so  §  46 
gestus  est  mos,  vgl.  Nep.  Them.  7,  3;  §  4V,  51  u.  s.  w.  —  §  65  erklärt 
Str.  die  Worte  te  ipsum  iam  usus  flectet,  dies  leniet,  aetas  mitigabit] 
»der  langsam  zunehmende  Tag  und  das  zunehmende  Alter  im 
Gegensatz  zu  dem  Augenblicke  mit  seiner  leidenschaftlichen  Erregung«. 
Die  Wendung  war  sprichwörtlich,  wie  aus  den  von  mir  z.  St.  citierten 
Belegen  Cael.  §  77  u.  Cic.  fara.  6,  13,  2  hervorgeht;  man  vgl.  noch  Verg. 
Aen.  5,  783  quam  (Iiinonem)  noc  longa  dies  pietas  nee  mitigat  ulla 
und  Curt.  6,  3,  8  (vielleicht  in  Nachahmung  Vergils)  quas  longior  dies 
mitigat.  An  diesen  Stellen  bedeutet  aber  (longa)  dies  nicht  den  langsam 
zunehmenden  Tag,  sondern  »kollektiv  die  lange  Reihe  der  Tage,  die 
Zeit,  deren  abschwächendem  Einflüsse  alles  unterworfen  ist«  (s.  Gebhardi 
und  Brosin  z.  St.). 

Die  Ausgabe  von  Kornitzer  ohne  Anmerkungen  gehört  der  Wiener 
Sammlung  an,  deren  Anlage  wir  schon  in  den  frühereu  Jahresberichten 
als  zweckmäfsig  bezeichnet  haben.  Auch  der  Text  dieser  Rede  ist  in 
der  Hauptsache  der  MüUer'sche,  doch  ist  die  Zahl  der  Abweichungen 
bei  Kornitzer  eine  gröf^^ere  als  bei  Strenge.  Über  einige  derselben 
werden  wir  unten  sprechen.  §  49  hat  er  seine  eigene  Vermutung  spe 
multorum  st.  niilituin  in  den  Text  gesetzt,  vgl.  meinen  letzten  Jahres- 
bericht S.  204,  wo  ich  vorschlage  spe  mi<(uistroruni  atque  satel)  litum. 
Ausführlicher  begründet  hat  Kornitzer  seine  Konjektur  im  Progr.  des 
Nikolsburger  Staatsgymnasiums  1891  S.  llff. 

Von  den  beiden  französischen  Ausgaben  ist  die  von  Antoine 
ohne  Zweifel  die  wissenschaftlichere.  Mellerio  schreibt  zwar  auf  den 
Titel  seiner  Ausgabe  'revue  sur  les  meilleurs  textes',  aber  der  jüngste 
Text,  den  or  benutzt,  ist  der  von  Halm  in  den  beiden  Ausgaben;  weder 
die  Textrezension  von  Müller  noch  die  von  Nolil,  noch  die  2.  Aufl.  des 
Koch'sclien  Schulkommentars  ist  beigezogen.  Ebenso  wie  der  Text  ist 
auch  die  Orthographie  veraltet,  man  begegnet  Schreibungen  wie  tril)u- 
nifios,  iwio;  die  Erklärung  ist  oft  zu  dürftig,  der  Druck  der  Noten  viel 
zu  klein.  Alle  diese  Ausstellungen  treffen  die  Ausgabe  von  Antoine 
nicht:  Einleitung  und  Noten  legen  Zeugnis  davon  ab,  dafs  die  ganze 
einschlägige  Litteratur  sorgfältig  benutzt  ist.  Für  Schulzwecke  wäre  es 
jedenfalls  mehr  anzuraten,  die  zahlreichen  kritischen  Noten  aus  dem 
Kommentar  selbst  verschwinden  zu  lassen  und  in  einen  besonderen  An- 
hang zu  verweisen:  was  soll  z  B.  dem  Schüler  die  lange  Note  §  11  über 
die  krit.  Geschichte  der  Worte  nee  industrius  quisquam  nutzen? 
Im  übrigen  hat  diese  französische  wie  auch  die  italienische  von  Pasdera 
mehr  deutschen  Züsclinitt;  die  letztere  zeigt  mit  ihren  zwei  Anhängen, 
einem  sachlich-spracliliclien  und  einem  kritischen,  grofse  Älinliclikeit  mit 
der   2.  Auflage  der   von   mir   bearbeiteten   Koch'schen.     Was    die   Text- 


Or.  pro  Murena.  17 

konstitution  anlangt,  so  wandelt  Antoine  konservative  Bahnen  und  stimmt 
mehr  mit  Müller  überein,  während  Pasdera  sich  an  Nohl  anlehnt.  Auch 
Pasdera  ist  in  der  deutschen  Litteratur  gut  bewandert,  er  kennt  alle 
wichtigeren  Beiträge  zur  Rede,  doch  citiert  er  konstant  Stangel  statt 
Stangl.  Beide  Ausgaben  verdienen  Beachtung  von  selten  der  deutschen 
Gelehrten.  Einige  Bemerkungen  und  Berichtigungen  zu  Antoine  mögen 
das  Referat  beschliefsen.  §  3  nimmt  Antoine  (wie  auch  Kornitzer)  meine 
Emendation  uni versa  (st.  una)  res  publica  an,  in  der  Note  ist  Müllers 
Lesung  unrichtig  angegeben;  S.  9  im  Texte  ist  der  Druckfehler  exitismo 
statt  existimo  stehen  geblieben;  S.  12,  Z.  3  im  Texte  sollte  caeteris  in 
ccteris  geändert  werden;  S.  14  Note  10  mufs  es  im  Citat  aus  Verg. 
Aen.  9,  200  heifsen  summis  st.  commis;  S.  30  Note  19  möchte  ich  Ant. 
bezüglich  des  Sprichwortes  cornicum  oculos  configere  auf  Otto,  die 
Sprichwörter  der  Römer  1890  s.  v.  cornix  und  auf  Vannucci,  Proverbi 
lat.  illustrati  II,  152  verweisen.  —  S.  75  Note  7  ändere  quippaim  in 
quippiam;  zu  §  63  mediocritate  qua  dam  vgl.  Wölfflin  im  Archiv  III, 
459  'quadam  =  ut  ita  dicam  deutet  an,  dafs  der  Ausdruck  mediocritas 
{=  /isoorr^g,  was  mit  medietas  zu  übersetzen  er  sich  nicht  getraut,  vgl. 
Tim.  7)  nicht  allgemein  bekannt  sein  werde'.  Doch  läfst  er  in  den  spä- 
teren philos.  Schriften  Off.  1,  89  u.  2,  60  quidam  weg.  —  Zu  §  76  vgl. 
die  Nachahmung  der  Stelle  bei  Vell.  Pat.  2,  1,  2  publicam  magnificentiam 
secuta  privata  luxuria  est.  Gut  ist  die  Bemerkung  zu  §  83:  'Cic.  dit 
non  cupidus,  parce  que  le  compose  avec  in  ou  ne  negatif  (incupidus, 
necupidus)  n'existe  pas'. 

35)  J.  K.  Wijga,  De  viris  illustribus.     Groningen  1890 

stellt  folgende  Thesen  auf:  §  44  sei  zu  lesen  domos  omnium  candida- 
torum  concursent  et  ex  vultu  coniecturam  faciant;  §  45  et  cui  non 
aperte  inimici  sumus,  etiam  alienissimi  (Lagom.  9)  in  capitis  periculis 
amicissimorum  officia  et  studia  paramus. 

36)  A.  Kornitzer,    Zum  Canon  der  in   der  Schule   zu  lesenden 
Reden  Ciceros.     Z.  f.  d.  österr.  Gymn.  1892  S.  453—461. 

In  den  für  die  österreichischen  Gymnasien  erlassenen  Instruktionen 
sind  S.  38  als  zunächst  zu  lesende  Reden  aufgeführt:  de  imp.  Cn. 
Pompei,  in  Catilinam,  pro  Sex.  Rose.  Am.,  in  Verrem  IV  und  V,  pro 
Sulla,  pro  Archia,  pro  Sestio,  pro  Milone,  Philippica  II.  K.  vermifst 
mit  Recht  in  diesem  Canon  die  Rede  pro  Murena,  für  deren  Aufnahme 
in  die  Zahl  der  empfehlenswerten  Reden  er  mit  grofser  Wärme  eintritt. 
Kühler  urteilt  über  ihre  Bedeutung  in  pädagogischer  Hinsicht  Weifsen- 
fels  1.  1.  S.  78 f. 


Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.     LXXVI.  Bd.    (1898.    II.) 


]8  Or   pro  Sulla,  pro  Archia. 

Or.  pro  Sulla. 

37)  M.  Tulli  Ciceronis  or.  pro  P.  Sulla,  pro  A.  Licinio  Archia 
poeta.     Scliolarum  in  usum  ed.  AI.  Kornitzer.     Wien  1889. 

Die  Einrichtung  der  Kornitzer'schen  Schulausgaben  ist  bekannt. 
Der  Text  ist  mit  Umsicht  gestaltet,  zwar  im  Wesentlichen  nach  Müller, 
doch  auch  das  Gute  von  anderen  nicht  verschmähend;  vgl.  §  1  aut 
antea-aut  post  (Pluygers),  §  30  de  supplicio,  de  vinculis  (Jeep,  Land- 
graf, Nohl);  §  44  cur,  cum  videres  (Nohl);  ib.  mecum  ut  cum  fami- 
liarissimo;  §48  multa  cognovit  (Lambin,  Landgraf);  §  55  sed  tarnen 
ut  muneri  servir et  (Landgraf);  §  66  metum  vobis  caedis  seditionisque 
(Madvig,  Landgraf,  Nohl);  §  73  quae  domesti-ca  celebratio  (Pluygers, 
Landgraf). 

Or.  pro  Archia  poeta. 

In  der  Beurteilung  der  Rede  pro  Archia  als  Schullektüre  nimmt 
ohne  Zweifel  die  neuere  Pädagogik  einen  richtigeren  Standpunkt  ein  als 
die  ältere.  Denn  während  Eckstein  und  Nägelsbach  dieser  Rede  einen 
Platz  in  der  Schule  nicht  einräumten,  weil  nur  solche  Reden  zu  lesen 
seien,  welche  entweder  für  die  Geschichte  Ciceros  oder  für  die  Ge- 
schichte Roms  von  Bedeutung  seien,  nennen  sie  Dettweiler  und  Weifsen- 
fels  eine  Schulrede  xar  e^o'/^r^v.  »Aus  beredtem  und  berufenem  Munde 
tönt  hier  dem  Schüler  das  Lob  der  humanen  Bildung,  zu  welcher  ihm 
der  Verkehr  mit  den  Geisteswerken  des  Altertums  verhelfen  soll.«  Ein 
Beweis  ihrer  internationalen  Beliebtheit  sind  die  zahllosen  Ausgaben, 
welche  alljährlich  mit  und  ohne  Kommentar  in  Deutschland,  England, 
Italien  und  besonders  in  Frankreich  auf  den  Büchermarkt  gebracht 
werden.     Für  den  diesmaligen  Jahresbericht  liegen  uns  vor: 

38)  M.  Tullii  Ciceronis  pro  Archia  con  prefazione  ed  annotazioni 
stilistiche  e  storiche  segnito  da  una  adnotatio  critica  per  cura  del 
Prof.  Ad.  Cinquini.     Milano  1889. 

39)  Cicero  pro  Archia,  edited  by  A.  H.  Allcroft  and  F.  G. 
Plaistowe.    London  1892. 

39  a)  Cicöron.  Plaidoyer  pour  Archias.  Explique  litteralement, 
traduit  en  fran^ais  et  annote  par  M.  Chanselle.     Paris  1891. 

Bei  Halm-Laubmann,  13.  Auflage,  ist  die  Rede  vereinigt  mit 
den  Catilinarischen  (s.  No.  24),  bei  Kornitzer  mit  der  Sullana  (s. 
No.  37). 

Die  italienische  Ausgabe  von  Cinquini  empfiehlt  sich  durch  ihr 
wissenschaftliches  Gepräge.  Text  und  Kommentar  zeigen  Vertrautheit 
mit  der  einschlägigen  deutschen  und  französischen  Litteratur.  Besonders 
die  Ausgaben  von  E.  Thomas  hat  Cinqu.  ausgiebig  benutzt.    Auch  dessen 


Or.  pro  Archia,  pro  Flacco.  19 

Text  ist  neben  dem  Müller'schen  in  erster  Linie  berücksichtigt  worden. 
Wir  erwähnen  folgende  Einzelheiten:  §  4  schreibt  er  mit  Hirschfelder 
(u.  Nohl)  Antiochiae,  celebri  quondam  <in>  urbe,  dagegen  lassen  Müller 
und  Laubniann  mit  Recht  i  n  weg,  bei  Kornitzer  fehlt  es  im  Texte,  aber 
unter  seinen  Abweichungen  vom  Müller'schen  Texte  führt  er  S.  V  celebri 
quondam  in  urbe  an.  §  4  steht  bei  Cinquini  Archias  . . .  coepit  im  Texte, 
aber  Archias  .  .  .  contigit  als  Lemma  in  der  Note.  Störend  ist  es, 
dafs  Text  und  Kommentar  nicht  Seite  für  Seite  genau  stimmen,  sondern 
meist  die  Note  um  eine  Seite  den  zu  erklärenden  Textworten  voraus- 
geht. §  5  schreibt  Cinqu.  mit  Jeep  prima  affuit,  §  9  mit  E.  Thomas 
(1883)  in  tabulis  nullam  lituram,  nomen  A.  Licini  videtis  und  §  10  mit 
eben  demselben  haud  gravatim,  Kornitzer  tilgt  mit  Halm  u.  a.  das 
handschriftliche  gratuito  und  §  11  pro  cive.  §  18  ändert  Cinqu.  mit 
Recht  et  in  ex  nach  Müller,  schweigt  aber  in  der  Adnotatio  crit.  dar- 
über. §  19  setzt  Kornitzer  die  Konjektur  von  Polle  delubrum  ei  suo 
in  oppido  in  den  Text,  bei  Cinqu.  ist  die  Notiz  hierüber  im  kritischen 
Anhang  nicht  ganz  genau. 

Die  englische  Ausgabe  ist  vorzüglich  ausgestattet,  hat  aber  eine 
ganz  eigentümliche  Einrichtung.  S.  1  -  15  Einleitung,  S.  17 — 28  Text 
(der  Müller'sche!),  S.  29 — 47  Noten,  S.  48— 54  Verzeichnis  der  Eigen- 
namen mit  historischen  Erläuterungen  Nun  folgt  ein  neu  paginierter 
Teil,  enthaltend  S.  1  —  4  sprachliche  und  sachliche  Repetitionsfragen, 
S.  5 — 16  ein  nach  Kapiteln  geordnetes  Vokabularium.  Für  welche  Stufe 
dieses  eigentlich  gedacht  ist,  ist  mir  nicht  klar  geworden,  denn  es  sind 
Wörter  wie  index,  pueritia,  sermo,  legatus,  saepe  aufgeführt,  der  Form 
nach  erklärt  und  übersetzt!  Den  Beschlufs  macht  eine  Übersetzung  der 
Rede  ins  Englische  S.  1  -  14.  Wenn  dem  Schüler  diese  Ausgabe  mit 
Kommentar,  Vokabular  und  Übersetzung  in  die  Hand  gegeben  wird,  dann 
weifs  ich  nicht,  wie  noch  von  einer  Selbstthätigkeit  des  Schülers  oder 
des  Lehrers  die  Rede  sein  kann. 

Ähnlich,  aber  von  noch  geringerem  Werte  für  die  Wissenschaft  wie 
für  die  Schule  ist  die  französische  Ausgabe  von  K.  Chan  seile.  Die- 
selbe gehört  zu  einer  Sammlung  von  Ausgaben,  welche  den  vielver- 
sprechenden Titel  führt:  'Les  autcurs  Latins  explique  d'apres  une  ra6- 
thode  nouvelle  par  deux  traductions  frangaises'.  Seite  1  bringt  eine 
Inhaltsangabe.  Seite  2  beginnt  der  Text  der  Rede;  unter  dem  Texte 
findet  sich  die  fortlaufende  Übersetzung  und  auf  der  gegenüberliegenden 
Seite  in  zwei  Spalten  eine  wortwörtliche  Übersetzung  des  in  Einzelteil- 
chen zerlegten  Textes,  wie  iudices,  si  quid  |  luges,  si  quelque  genre. 
S.  54—60  geben  kurze  erklärende  Noten. 

Or.  pro   L.  Flacco. 

40)  F.  J.  Drechsler,  Zeitschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  1892  S.  297 
vermutet  §  64  (nicht  6)  es  sei  gnbemaret  zu  lesen  anstatt  generaret,  eine 

2* 


20  Orr.  post  rediliim,  pro  Caelio. 

V>rniutung,  die  bereits  Th.  Stangl  in  seinen  Tulliana  (Progr.  d.  Luitpold- 
gymnasiums  in  München)  1888  S.  7  niedergelegt  hat. 
S.  auch  unter  Fragmente,  No.  60. 

Or.  cum   senatui  gratias  egit. 

41)  F.  J.  Drechsler  I.  1.  S.  298  verteidigt  die  hss.  Überlieferung 
in  den  von  verschiedenen  Gelehrten  verdächtigten  Worten  §  30  '^omnis 
erit  aetas  mihi  ad  eorum  erga  me  merita  praedicanda';  es  scheine  eine 
Wendung  der  Umgangssprache  vorzuliegen,  vgl.  Richter  zu  Verr.  IV  §  50- 

Or.  cum  populo  gratias  egit. 

§  3  schreiben  die  Hss.  reliquao  meae  fortunae  reciperatae  plus 
mihi  nunc  voluptatis  adferunt  quam  tum  incolumüatia  adferebaut,  Müller 
mit  Halm  tum  in  incolumitate;  Drechsler  empfiehlt  a.  a.  0.  quam  statu 
incolumitatis.  Allein  an  dem  überlieferten  tum,  das  in  scharfem  Gegen- 
sätze zu  nunc  steht,  darf  nicht  gerüttelt  werden.  Ich  vermute,  dafs 
(^phnae)  vor  oder  nach  incolumitatis  ausgefallen  ist.  Die  Umschreibungen 
mit  plenus  sind  bei  Cicero  sehr  beliebt,  wie  ein  Blick  in  das  Lexikon 
von  Merguet  zeigt. 

Or.  de  domo  sua. 

42)  F.  J.  Drechsler,  Zeitschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  1.  1.  will  §  8  also 
gestalten:  nee  cum  iis  sentio,  qui  (contra)  statuuut  minus  bonis  terapo- 
ribus,  in  senatu  (cuvi)  ipsi  non  venirent  .  .  .  Die  Stelle  scheint  mir 
auch  so  noch  nicht  in  der  Ordnung  zu  sein. 

Ebenda  §  99  emendiert  er  (allerdings  nach  einem  Winke  Müllers): 
Quare  dirumpatur  licet  ista  furia  atque  (/ax)\  audiat'  etc. 

Ebenda  §  136  ergänzt  Drechsler  1. 1.  ansprechend:  Quam  quidera 
rem  quanta  (iractaverit)  severitate  quantaque  diligentia. 

43)  Or.  de  haruspicum  responsis  §  4 

vermutet  Drechsler  1.  1.   mobilis    für    das    unpassende    nobilis.      Doch 
scheint  mobilis  zwischen  furens  und  vulneratus  zu  schwach  zu  sein. 

Or.  pro  Caelio. 

44)  In  den  Worten  §  11:  tarnen  infamiam  veram  effugere  non 
poterat  hat  sich  das  überlieferte  Adjektiv  verus  viele  Änderungen  ge- 
fallen lassen  müssen,  vgl.  C.  F.W.  Müller  zur  Stelle,  der  es  dadurch  zu 
stützen  sucht,  dafs  er  es  im  Sinne  von  ='  rechtmälsig,  berechtigt'  aufi'afst. 
In  diesem  Sinne  ändert  Vollgratf  in  seiner  Ausgabe  vere  meritam  und 
Wijga  de  viris  illustribus  Groningen  1890  (These)  vermutet  veritam. 
Will   man  überhaupt  ändern,  so  wäre  vielleicht  meram  das  einfachste, 


Or,  de  prov.  cons.,  p.  Mil.  21 

doch  gebraucht  Cicero  dieses  Adjektiv  nur  in  den  Briefen.  —  Ebenda 
stellt  Wijga  die  weitere  These  auf  §  16  sei  perpetuum  silentium  zu 
schreiben  anstatt  perpetuam  licentiara. 

Or,  de  provinciis  consularibus, 

45)  E.  Müller,  Ciceros  Rede  de  provinciis  consularibus  ins  Deutsche 
übersetzt.     Progr.     Kattowitz  1889.     75  S. 

46)  Bernhard,  Über  Ciceros  Rede  von  den  Konsularprovinzen. 
Progr.  des  Vitzthumschen  Gymnasiums  in  Dresden  1890.     28  S. 

In  dem  ersten  Programm  läfst  E.  Müller  seiner  im  Jahre  1886 
veröffentlichten  Einleitung  zur  Rede  von  den  Konsularprovinzen  (s.  Jahres- 
bericht pro  1886  S.  250)  eine  im  guten  Deutsch  abgefafste  Übersetzung 
folgen.  Im  dem  Dresdener  Programm  erhalten  wir  von  Herrn  Rektor 
Dr.  Bernhard  ein  klares  und  vollständiges  Bild  der  Vorgänge,  welche 
die  plötzliche  Sinnesänderung  Ciceros  im  J.  56  und  seine  Schwenkung 
zum  Lager  Caesars  herbeiführten.  Das  mit  grofsem  Fleifs  gesammelte 
und  geschickt  verarbeitete  historische  und  antiquarische  Material  ist  ein 
schätzenswerter  Beitrag  nicht  nur  zum  Verständnis  der  ganzen  Rede 
wie  einzelner  Stellen  (vgl.  bes.  S.  14  zu  §  9,  S.  15  zu  §  11,  ibid.  zu  §  17 
u.  36,  S.  16  ff.  zu  §  1,  S.  18  zu  §  36,  S.  22  Fufsnote  zu  §  45),  sondern 
auch  der  übrigen  gleichzeitigen  Litteratur.  Am  Schlüsse  S.  25  ff.  wird 
die  berühmte  Rechtsfrage  zwischen  Caesar  und  dem  Senat  in  Kürze  be- 
sprochen. 

Oratio  p.  Milone  und  die  orr.  Caesarianae. 

47)  M.  TuUii  Ciceronis  pro  T.  Anuio  Milone,  pro  Qu.  Ligario, 
pro  rege  Deiotaro  orationes.  Scholarum  in  usum  edidit  R.  Noväk. 
Prag  1892. 

Der  Text  Novaks  ist  auf  dem  Nohls  aufgebaut,  doch  ist  die  Zahl 
der  Abweichungen  von  ihm  immerhin  noch  eine  sehr  erhebliche,  wie  sich 
das  von  einem  so  selbständigen  Kritiker  wie  Novak  nicht  anders  erwarten 
läfst.  Nach  seinem  auch  bei  anderen  Schriftwerken  angewendeten  kriti- 
schen Verfahren  sind  auch  in  dem  Texte  dieser  drei  Reden  eine  nicht 
geringe  Zahl  von  Glossemen  und  Interpolationen  angenommen  Wir 
vermögen  ihm  auf  diesem  Wege  nicht  zu  folgen  und  werden  uns  daher 
begnügen,  seine  eigenen,  meist  scharfsinnigen  und  gut  begründeten  Ände- 
rnngen  oder  Änderungsvorschläge  aufzuzählen.  §  14  der  Miloniana  wird 
die  schwierige  Stelle  teilweise  nach  Bake  also  lesbar  gemacht :  aut  (ille), 
quo  arma  Saturnini  oppressa  sunt,  etiam  si  e  re  publica  <erat>,  rem 
publicam  tamen  non  vulnerarunt.  §  15  schreibt  er  mit  E  adparet 
statt  paret;  wegen  at  adparet  weist  er  auf  Phil.  2,  14  at  ad  quos  refert 
hin.  §  17  stellt  er  in  Übereinstimmung  mit  dem  zweiten  Gliede  her  si 
quis  (St.  qui  der  codd.)  consularem,   si   quis  humilem   etc.     §  37  wird 


22  Orr-  Caesarianae. 

itaquc  vor  quando  gestrichen.  §  38  ändert  er  nach  dem  vorausgehenden 
cum  est  lata  auch  das  hss.  agnovisset  in  ag novit  §  41  zieht  er  die 
Lesart  von  B  irruisset  der  von  ET  ruisset  vor  'cuius  verbi  non  est 
perf.  in  Cic.  orationibus'.  —  §  47  streicht  er  non  vor  eo  consilio.  §  54 
liest  er  morae  et  tergiversatio,  befürwortet  aber  im  Anhang  die  Lesart 
von  C  mora  et  tergiversatio,  weil  Cic.  auch  an  den  übrigen  Stellen  der 
Reden  aufser  Phil.  8,  17  den  Plural  von  mora  vermeide.  —  §  65  schiebt 
er  se  vor  coniurasse  ein,  ebenso  §  52  vor  Roma  und  §  95  ablaturam 
<s  e>  esse  in  der  Rede  pro  Deiotaro  §  31  und  41;  allein  die  Auslassung 
des  Subjektsaccusativs  beim  Infinitiv  ist  nicht  nur  den  Komikern,  Histo- 
rikern und  besonders  dem  Briefstil  ganz  geläufig  (vgl.  die  Litteratur- 
nachweise  bei  Schmalz,  Latinität  dos  Asinius  PoUio^  S.  33f.),  sondern 
auch  in  den  Reden,  so  z.  B.  in  der  Rosciana  §  59.  61.  74.  84.  97.  100. 
126.  —  §  67  schreibt  er  an  der  noch  nicht  geheilten  verdorbenen  Stelle 
cum  tamen  metuimus  etiam  nunc.  —  Aus  derLigariana  erwähnen  wir 
seine  gewifs  richtige  Vermutung,  dafs  in  dem  Satze  §  28  pacis  equi- 
dem  semper  auctor  fui,  sed  tum  sero  das  letzte  Wort  unpassend  sei; 
er  schreibt  dafür  belli  im  Gegensatz  zu  pacis;  palaeographisch  näher 
liegt  ferri  oder  armorum  unter  Vergleichung  von  Deiot.  §  29  ego  qui 
pacis  semper  auctor  fui,  suasor  fuissem  armorum  ponendorum,  wenn 
nicht  vielleicht  suasor  in  sero  steckt  und  zu  schreiben  ist  suasor  belli 
oder  armorum.  Man  darf  hier  nicht  auf  Stellen  wie  Marc.  14  hinweisen, 
denn  wie  die  folgenden  Worte,  besonders  aber  die  kräftige  Beteuerung, 
omnes  inquam  vincere  volebamus  beweisen,  macht  Cicero  hier  die 
kriegs-  und  siegesfreudigen  Gedanken  der  Pompejaner  zu  den  seinigen. 
§  31  schreibt  N.  tuorum  necessariorum  wegen  eorum. 

In  der  Rede  pro  Deiotaro  §  2  entscheidet  sich  N.  für  die  Les- 
art von  a  perturber,  'quod  verbum  conturbare  non  legitur  in  bis 
orationibus',  dagegen  perturbare  noch  §  1.  4.  7.  10;  Mil.  §  1.  Ebenso 
§  12  für  in  quem  a  E^  statt  ad  quem  unter  Vergleich  von  Mil.  64.  100, 
Plane.  83,  Phil.  13,  9.  —  §  34  liest  er  mit  Nohl  ducimus,  vermutet  aber 
in  der  Adnotatio  virum  ducimus  oder  ducem  putamus;  vgl.  zur  Stelle 
auch  Kornitzer  in  dem  in  der  nächsten  Nummer  citicrten  Programm 
S.  17,  der  sich  ebenfalls  für  ducimus  entscheidet.  §  40  wird  mit  ß 
denegavisti  geschrieben,  weil  §  9.  10.  19  und  Lig.  19  immer  die  vollen 
Formen  sich  finden,  dagegen  von  der  verkürzten  in  diesen  Reden  kein 
Beispiel. 

48)  A.  Kornitzer  im  Nikolsburger  Programm  1891  S.  14 f.  weist 
überzeugend  nach,  dafs  §  15  die  Einschiebung  Lehmanns  von  punien- 
dum  hinter  interitum,  die  Nohl  und  auch  Noväk  in  den  Text  gesetzt, 
nicht  nur  überflüssig,  sondern  sogar  störend  sei.  Ebenda  S.  16  verteidigt 
K.  das  in  E  fehlende  omnis  gegen  Nohl. 


Orr.  Caesarianae.  2.3 

49)  Fr.  Itzingcr,  Index  der  in  Ciceros  Rede  für  Milo  enthal- 
tenen Metaphern  und  Angabe  des  Wandels  der  Wortbedeutung.  Gymn.- 
Progr.  Budweis  1889. 

Die  fleifsige  Sammlung  der  in  der  Miloniana  vorkommenden  Verba 
nach  etymologischen  und  sprachgeschichtlichon  Gesichtspunkten  und  die 
Erklärung  des  tropischen  Gebrauches  derselben  fördert  weniger  die 
Interpretation  der  Rede  als  das  lateinische  Wörterbuch,  weshalb  hier 
diese  kurze  Notiz  genügen  mag. 

50)  L'  orazione  per  il  Ritorno  di  M.  Gl.  Marcello  riveduta  e  com- 
meutata  da  Rice.  Cornali.     Torinö,  Löscher  1890.     27  S. 

51)  L' orazione  in  difesa  del  reDeiotaro  riveduta  e  commentata 
da  Rice.  Cornali.     Torino,  Löscher  1892.     30  S. 

Die  beiden  Ausgaben  von  Cornali  gehören  einer  'Collezione  di 
Classic!  Greci  e  Latini  con  note  Italiene'  an,  welche  sich  durch  ihren 
wissenschaftlichen  Charakter  wie  durch  ihre  zweckmäfsige  Einrichtung 
vorteilhaft  von  anderen  ähnlichen  italienischen  Sammlungen  auszeichnet. 
Wie  die  Mureniana  von  Pasdera  (vgl.  No.  34)  und  die  Pompeiana  von 
Tincani  (s.  den  letzten  Jahresbericht  S.  193),  zeigen  auch  die  beiden 
Bearbeitungen  von  Cornali  grofse  Vertrautheit  mit  der  deutschen  Litte- 
ratur.  Nicht  nur  dafs  der  Text  auf  C  F.  W.  Müller  beruht,  auch  für 
die  Erklärung  sind  in  erster  Linie  die  Kommentare  von  Halm-Laubmann 
und  Richter-Eberhard  beigezogen,  ja  es  wird  bei  grammatischen  und 
stilistischen  Bemerkungen  auf  die  deutschen  Grammatiken  von  F.  Schultz 
und  Ellend-Seyffert  verwiesen.  Um  so  mehr  ist  es  mir  aufgefallen,  dafs 
Cornali  bezüglich  des  Streites  über  die  Echtheit  der  Marcelliana  nur  die 
ältere  deutsche  Litteratur  kennt;  die  Dissertationen  von  Hahne  (Jena 
1876),  Schwanke  (Erlangen  1885),  Siegfried  Schmid  (Zürich  1888) 
scheinen  ihm  unbekannt  geblieben  zu  sein.  Auch  der  von  ihm  citierte 
Aufsatz  von  Suster,  'de  Plinio  Ciceronis  imitatore'  (Rivista  di  tilologia 
class.  XVIII,  1889  p.  74  — 86)  bringt  keine  neuen  wichtigen  Parallel- 
stellen, die  nicht  schon  Schwanke  in  der  angeführten  Dissertation  ge- 
sammelt hätte.  Im  Anschlufs  daran  giebt  Cornali  S.  XXII  eine  Reihe 
von  Stellen  aus  den  späteren  Panegyrikern,  an  denen  ihm  eine  Nach- 
ahmung der  Marcelliana  vorzuliegen  scheint,  wie  Paneg.  X,  c.  31  immor- 
talitatis  amore  flagrare  =  p.  Marc.  §  27 ,  Paneg.  II  c.  4  obstupescerent 
certe  omnes  homines  =  §  28;  Paneg.  X  c.  31  bis  maxirae  servire  iudi- 
cibus,  qui  de  rebus  gestis  tuis  sine  odio  et  gratia  iudicabunt  =  §  29. 
Es  ist  damit  ein  weiterer  Beleg  geschaffen,  dafs  die  Marcelliana  den 
späteren  Panegyrikern  als  das  erste  klassische  Muster  einer  Lobrede 
galt  und  als  solche  sklavisch  nachgeahmt  wurde. 


24  Orr.  Caesarianae. 

52)  L' orazione  pro  Qu.  Ligario  commentata  da  Clcm.  Vignali. 
Torino  1890. 

Der  Text  ist  gut,  die  Noten  dünken  uns  zum  Teil  für  Schüler,  die 
die  Ligariana  lesen,  doch  etwas  zu  elementar,  wie  wenn  zu  §  3  bemerkt 
wird,  dafs  effugere  im  Lat.  Transitivum  ist;  adventu  Ablativus  tomporis 
oder  §  17  der  Unterschied  von  non  dubito  quin  und  der  Infinitivkon- 
struktion klar  gemacht  wird.  Auf  deutsche  Werke  ist  nur  einmal  Bezug 
genommen,  nämlich  §  24  facturi  fueritis  auf  EUendt's  Grammatik. 

53)  Ciceros  Rede    für    den  König  Deiotarus.     Für  den   Schul- 
gebrauch erklärt  von  Juliufe  Strenge.     Bibl.  Goth.  1890. 

Strenge  neigt  hinsichtlich  der  Wertschätzung  der  Hss.  der  Meinung 
Nohls   zu   (vgl.   den  letzten  Jahresber.  S.  227),  ~dafs  die  Lesarten    der 
Klasse  a  an  einigen  Stellen  den  Vorzug  verdienten,   wie  §  5   dico  intra 
parietes,  §  15  iudicas,  §  17  non  audita  est,  §  21  sed  fatuus  et  amens, 
ib.  transire,  §  35  praeteritum.    Sonst  ist  im  wesentlichen  der  Müller'sche 
Text   beibehalten,   sogar  §  36   cum,   posteaquam   a  L.  Scipione  devictus 
est .  .    iussus  esset.     Entweder  mufste  hier  nach  Xohl  cum  .  .  .  devictus 
(so  die  codd.)  iussus  esset  geschrieben  werden  oder  nach  Hoffmann  (vgl. 
den  letzten  Jahresbericht  S.  227)  postquam  .  .  .   iussus   esset.    —    Der 
Kommentar  verdient  Lob,  doch  scheint  der  Verf.  in  der  Erklärung  das 
rhetorisch-technische  Moment  etwas  zu  stark   zu   betonen.     Sind   schon 
dadurch  die  Noten  mit  Terminis  technicis  oft  übertrieben  gespickt  (vgl. 
z.  B.  §  7'Conclusio  loci  bestehend  in  einer  mit  quoniam  eingeführten 
Complexio  mit  Adhortatio),  so  macht  der  Verf.  auch  aufserdem  von 
Fremdwörtern  reichlichen  Gebrauch,  vgl.  z.  B.  zu  §  28  »Subst.  auf  -tor 
zur  Bezeichnung  einer  inhärierenden,   charakteristischen  Eigen- 
schaft«;  ebenda  weiter  unten:    »der  Parallelismus   der  Satzglieder,   das 
invertierte  Determinativum  und  das  Hyperbaton  geben  der  Dik- 
tion  einen  lebendigen  und  mannigfaltigen  Charakter«.     Manche  Noten 
sind   in  Anbetracht  der  Stufe,   auf  welcher  die  Rede   gelesen  wird,   zu 
elementar,  wie  §  7  a.  E.  über  non  sine  aliqua  spe;   andere  nicht  zu- 
treffend,  wie  zu  §  16  über  den  Unterschied  von  homo  und  vir:    dieser 
der  Mann,   der  in  die  Öffentlichkeit  tritt,  jener  der  Mensch  in  seinem 
Privatleben.    Man  denke  an  homo  novus,  homo  de  plebe,  homo  Ronianus 
und  vir  Romanus!  —    §  28  hätte  zu  commilito  kurz  bemerkt  werden 
können,  dafs  dieses  Modewort  Cäsars  —  er  bediente  sich  desselben  nach 
Suet.  67  bei  Ansprachen   an  seine  Soldaten  (Kameraden !)  mit  Vorliebe 
—  durch  den  Gebrauch  Ciceros  an  unserer  Stelle  salonfähig  wurde,  vgl. 
Archiv  für  Lexikogr.  V  S.  67  f. 

54)  In  scharfsinniger  Weise  bespricht  Engelbrecht  Z.  f.  d.  österr. 
Gymn.  1891  S.  965 ff.  p.  Deiot.  Kap.  8  §  23.  Zunächst  ergänzt  er  dem 
Sinne   nach  zu  "at  misit  ad  nescio  quem  Caecilium'  nicht   nuntios   wie 


Orr.  Philippicae.  25 

Halm,  sondern  richtiger  militcs;  dann  kehrt  er  zu  der  früheren  Lesung 
Halms  zurück  mit  Cardenus  (Heumann  und  Garatoni)  im  folgenden  Satze 
non  zu  streichen,  denn  der  Sinn  sei:  »Es  sei  nicht  wahrscheinlich,  dafs 
1)  der  König  Truppen  gehabt  habe,  um  sie  jemandem  zu  Hilfe  zu 
schicken,  jnd  2)  selbst  zugegeben,  dafs  er  welche  schicken 
wollte,  sei  es  nicht  wahrscheinlich,  dafs  sie  ihm  dann  nicht  Gehorsam 
geleistet  hätten,  und  3)  zugegeben,  dafs  die  Truppen  dem  König  nicht 
Gehorsam  leisteten,  sei  es  unwahrscheinlich,  dafs  er  sie,  statt  zu  töten, 
blofs  gefesselt  habe.« 

55)  Ferd.  Becher,  Rhein.  Mus.  45.  Band  S.  318  bespricht  pro 
Lig  2,  4-5  tertium  tempus  est,  quod  etc.  und  nimmt  an,  dafs  mit 
tertium  nicht  der  dritte  Zeit-,  sondern  der  dritte  Anklagepunkt  ein- 
geleitet werden  solle;  das  dann  überflüssige  tempus  streicht  er.  Vgl. 
für  tertium  est  quod  Verr.  V,  34  alterum,  quod. 

56)  M.  TuUi  Ciceronis  orationes  selectae.  Scholarum  in  usum 
edidit  H.  Nohl.  Vol.  VI:  Philippicarum  libri  I.  II.  III.  Leipzig,  Wien 
und  Prag  189L 

Mit  dem  vorliegenden  6.  Bändchen  hat  Nohl  seine  verdienstvolle 
Neubearbeitung  ciceronianischer  Schulreden  beendigt.  Die  Kritik  hat 
einstimmig  in  dieser  sorgfältigen,  von  Scharfsinn  und  Kenntnis  des  cice- 
ronianischen  Sprachgebrauches  zeugenden  Rezension  einen  Fortschritt 
auch  C.  F.  W.  Müller  gegenüber  konstatiert.  Auch  das  letzte  Bändchen 
teilt  die  Vorzüge  der  vorausgehenden.  Zwar  neues  handschriftliches 
Material  stand  dem  Herausgeber,  abgesehen  von  der  Nachkollation  des 
Vaticanus  durch  E.  Stroebel  (s.  den  letzten  Jahresbericht  S.  220)  nicht 
zur  Verfügung,  aber  durch  gewissenhafte  Nachprüfung  und  Abwägung 
aller  in  Betracht  kommenden  Momente  ist  es  Nohl  an  nicht  wenigen 
Stellen  gelungen,  den  Text  wirklich  zu  verbessern.  Wir  lassen  einen 
kleinen  Conspectus  der  wichtigeren  Veränderungen  folgen. 

I  §  2  wird  mit  Kraffert  reperiebat  statt  reperiebatur  der  codd. 
geschrieben,  §  3  mit  Stangl  de  quo  (qua  codd.);  §  6  könnte  veteranj 
qui  appellantur  (so  cod.  Teg.)  nach  meiner  im  letzten  Jahresbericht 
S.  228  gegebenen  Erklärung  im  Texte  belassen  werden.  —  II.  §  8  schreibt 
Nohl  utMustelac  iam  Seio  et  Tironi  Numisio  und  begründet  diese 
Lesart  unter  Hinweis  auf  XII,  14  nolite  ne  Tirones  quidem  Numisios  et 
Mustelas  Seios  coutemnere  näher  in  den  Commeutat.  Wölfflin.  S.  264  f., 
doch  ist  iam  schon  wegen  der  Stellung  auffallend,  wie  Nohl  selbst  zugibt 
Comm.  Wölffl.  'sed  de  hoc  vocabulo  dubitari  posse  concedo'.  —  II  §  34 
wird  mit  Campe  geschrieben  si  enim  fuissem  <socius>;  §  35  schreibt 
Nohl  nach  eigener  Vermutung  quamquam  illud  fuit,  tum  quidem  ut 
dicebas,  oninibus  homo,  nicht  überzeugend.  —  §  42  folgt  Nohl  mit  Recht 
der  Lesart  von   o  ingenii    acuendi   (cf.  Brut.  §  126  non  enim  solum 


26  Orr.  Phiüiipicae. 

acuere  sed  etiam  alere  ingenium  potest)  und  ebenso  §  49  observa- 
tus  (vgl.  Seyffert-Müller  zu  Cic.  Lael.  S.  190).  —  §  55  ist  Stangls  Kon- 
jektur prospcxerat  in  den  Text  aufgenommen.  §  68  entscheidet  sich 
N.  für  Violen tus,  Müller  liest  vinulentus;  ebenda  ist  das  hss.  furere 
beibehalten,  das  Drechsler  Fleckeis.  Jahrbb.  1891  S.  152  in  horrere 
(=  vor  Furcht  zusammenfahren)  ändern  will.  —  Ansprechend  ist  Nohls 
eigene  Emendation  §70  omni  um  (codd.  homi,  homo)  nequissimus;  nicht 
übel  die  Änderung  illius  §  77.  —  III  §  1  stellt  N.  nach  dem  sonstigen 
Sprachgebrauch  Ciceros  richtig  her  aus  o  postulavit,  ebenso  ist  §  12  in- 
signe  mit  Recht  aus  o  aufgenommen.  Zweifelhaft  ist  §  17  seine  Kon- 
jektur luliae  nepos  (natus  V),  Luterbaclicr  emptichlt  filia  luliae  natus. 
Dafs  §  27  die  Emendation  Cobets  abs entern  appello  in  den  Text  ge- 
setzt wurde,  ist  zu  billigen. 

57)  Eine  griechische  Übersetzung  der  4.  philippischen  Rede 
von  Hellas  Gruenperg  aus  d.  J.  1554,  enthalten,  in  dem  Miscellankodex 
n.  280  B  der  Münchener  Hof-  und  Staatsbibliothek,  hat  Herr  Direktor 
Laubmann  in  den  Abhandl.  aus  d.  Gebiete  der  klass.  Altertumswissen- 
schaft (Festschrift  f.  Prof.  v.  Christ)  1891  S.  365— 371  herausgegeben. 
Die  Übersetzung  ist  »ein  gutes  Beispiel  für  die  Gewandtheit  und  Fertig- 
keit im  griechischen  Ausdruck  im  16.  Jalirh.« 

58)  P.  Dettweiler,  Untersuchungen  über  den  didaktischen  Wert 
ciceronianischer  Schulschriften.  II.  Die  philippischen  Reden.  Halle  1892. 

In  ähnlicher  Weise  wie  die  Rosciana  (vgl.  No.  3)  werden  in  dieser 
anregenden  und  gedankenreichen  Schrift  die  philipi)ischen  Reden  auf 
ihren  didaktischen  Wert  hin  geprüft;  das  Endurteil,  mit  dem  wir  uns 
übrigens  eher  befreunden  können  als  mit  dem  über  die  Rosciana  ge- 
fällten, ist  ein  sehr  ungünstiges.  Besonders  schlecht  weg  kommt  die  bis 
jetzt  allgemein  hochgehaltene  und  bewunderte  II.  Philippica  (doch  vgl. 
auch  Aiy,  Ciceros  Leben  S  153).  Sie  ist  weiter  nichts  als  eine  Schmäh- 
schrift comme  il  faut,  die  den  guten  Eindruck,  den  man  aus  der  ersten 
Rede  über  Cicero  gewinnt,  vollständig  verwischt;  die  ganze  Rede  beruht 
auf  innerer  Unwahrheit;  Verleumdung  mit  Feigheit  gepaart,  Boshaftig- 
keit,  Unkeusrhheit,  I'nsachlichkeit,  kleinliche  Schwäche,  Grundsatzlosig- 
keit  werden  dem  grofsen  Redner  vorgeworfen.  Auch  die  übrigen  phil. 
Reden  haben,  etwa  abgesehen  von  der  kleinen  neunten,  keinen  tieferen 
ethischen  Gehalt;  ihre  Persönlichkeiten  sind  nicht  grofs  und  erhaben; 
Zeit  und  Verhältnisse  sind  unwahr  dargestellt  und  aus  einem  Dutzend 
ciceronianischer  Briefe  dieser  Periode  viel  deutlicher  zu  erkennen.  So 
können  nach  Dettw.  die  Philippicae  weder  als  didaktisch  wertvoller  Typus 
der  Lilteraturgattung  überhaupt,  noch  als  Beweis  für  die  grofse  Kultur- 
aufgabe der  Beredsamkeit  gelten.  Als  Hauptredner  für  die  Schule  habe 
Cicero  auszuscheiden  und  an  seine  Stelle  trete  Deraosthenes! 


Philippicae,  Fragmente.  27 

59)  M.  Tullius  Ciccros  I.,  IV.  und  XIV.  Philippische  Rede.     Für 
den  Schulgebrauch  herausg.  von  E.  R.  Gast.    Leipzig,  Teubner  1891. 

Den  Ausschlufs  der  II.  Philippica  aus  dieser  Schulausgabe  moti- 
viert Gast  mit  ähnlichen  Gründen  wie  Dettweiler,  dessen  Beifall  er  sich 
hierdurch  errungen  hat  S.  82  der  eben  besprochenen  Schrift:  »Es  ist 
gar  kein  Zweifel,  dafs  der  Schüler  hier  den  Cicero  wenigstens  ohne  jene 
Unwahrhaftigkeit  kennenlernt;  hier  ist  er  nur  Kämpfer  gegen  Anto- 
nius. Allein  wir  hegen  doch  ein  Bedenken  gegen  diese  Lektüre,  soweit 
Ciceros  Persönlichkeit  in  Betracht  kommt,  wenn  wir  auch  den  vor- 
geschrittenen didaktischen  Takt  des  Herausgebers  in  vollstem  Mafse  an- 
erkennen. Die  philippischen  Reden  sind  im  Kampf  gegen  Antonius  ein 
Ganzes  und  es  hiefse  eigentlich  sie  in  ihrer  Eigenart  abschwächen,  wenn 
man  die  charakteristischste,  die  zweite,  wegnähme.«  Wie  sehr  die  Ur- 
teile über  den  Vorzug  der  einen  phil.  Rede  vor  der  andern  auseinander- 
gehen, möge  man  noch  daraus  entnehmen,  dafs  z.  B.  Weifsenfels,  der 
feine  Kenner  römischer  Sprache  und  Litteratur,  S.  83  seines  Buches, 
Cicero  als  Schulschriftsteller,  die  3.  und  7.  Rede  als  der  1.  und  2.  eben- 
bürtig bezeichnet.  Auch  Aly  1.  c.  S.  157  sagt  von  der  siebenten  Phi- 
lippica, dafs  Cicero  vielleicht  in  keiner  Rede  seinem  Vorbilde  Demo- 
sthenes  näher  gekommen  sei  als  in  dieser  so  kurzen,  aber  so  inhalt- 
reichen und  wuchtigen  Ansprache.  —  Was  die  Art  der  Bearbeitung  der 
von  Gast  ausgewählten  phil.  Reden  anlangt,  so  entspricht  dieselbe  den 
Bedürfnissen  der  Schule  vollkommen.  Der  Text  schliefst  sich  an  die 
»Teubner'sche  Ausgabe«  an,  aber  wie  es  scheint  an  die  von  Klotz,  denn 
z.  B.  I  §  15  lesen  wir  das  hss.  orationem,  während  Müller  (u.  Nohl)  mit 
Gomperz  rationera  liest. 

Fragmente. 

60)  L.  Traube  kommt  in  Kap.  VIII  seiner  ebenso  interessanten 
wie  gehaltreichen  philol.  Untersuchungen  aus  dem  Mittelalter,  die  er 
unter  dem  Titel  "0  Roma  nobilis'  als  Festgrufs  der  41.  Versammlung 
deutscher  Philologen  und  Schulmänner  München  1891  herausgegeben  hat, 
auf  die  Exzerptensammlung  der  Handschrift  C  14  in  der  Bibliothek  des 
Hospitals  Cues  zu  sprechen.  Als  Verfasser  dieser  Sammlung  erweist  er 
den  Sedulius  Scottus.  Bekanntlich  hat  Joseph  Klein  im  Jahre  1866  aus 
dieser  Handschrift  des  Nicolaus  von  Cues  eine  Anzahl  ungedruckter 
Fragmente  cicerouischer  Reden  (die  sog.  fragm.  Cusana)  herausgegeben. 
Während  nun  Klein  geleitet  von  der  Überschrift '  Pro  Fonteio '  die  sonst 
unbekannten  Fragmente  1-18  der  Rede  pro  Fonteio  zuwies,  behauptet 
Traube,  dafs  die  Fragmente  11  —  18  dem  nur  bruchstückweise  erhaltenen 
Eingang  der  Rede  pro  Flacco  angehören.  Doch  mufs  erst  noch  der 
Nachweis  erbracht  werden,  dafs  diese  Bruchstücke  sich  ungezwungen  in 
den  Gedankenrahmen  dieser  Rede  fügen. 


28  Scholien. 

Scholien. 

61)  B.  Schilling,  De  scholiis  Bobiensibus.  Leipziger  Diss. 
1892.     32  S. 

Bei  der  Besprechung  des  tüchtigen  Gyinnasialprogrammes  von 
H.  Gaiimitz,  Zu  den  Bobienser  Cicero-Scholien  (Dresden  1884)  in  diesen 
Jahresberichten  XXXXIII  (1885.  II)  S.  10  wurde  darauf  hingewiesen, 
dafs  G.  nicht  nur  die  aperten,  sondern  auch  die  latenten  Quellen  der 
Kommentare  hätte  zusammenstellen  sollen.  Diesem  Verlangen  kommt 
Schilling  im  ersten  Teile  seiner  Dissertation  nach.  Es  sind  dies  vor 
allen  Cicero  und  Livius;  dafs  auch  Asconius  von  dem  Bobienser  Scho- 
liasten  benutzt  sei,  macht  Seh.  gegen  Gauraitz  wahrscheinlich.  Der 
zweite  Abschnitt  bandet  '  de  scholiastae  doctrinä '.  Der  Scholiast  citiert 
zwar  eine  grofse  Reihe  von  Schriftstellern  und  Schriftwerken,  aber  es 
ist  zweifelhaft,  ob  er  alle  selbst  gelesen  hat;  an  nicht  wenigen  Stellen 
laufen  ihm  Irrtümer  und  Verwechslungen  unter.  Im  dritten  und  vierten 
Teile  wird  über  die  Sprache  und  Komposition  der  Scholien  gehandelt. 
Da  die  dem  Verf.  eigentümlichen  Lieblings  Wörter  in  allen  Teilen  des 
Scholions  sich  finden,  so  spricht  dies  für  die  Einheitlichkeit  des  Ver- 
fassers. Seinem  Wortschatze  nach  zu  schliefsen  lebte  er  gegen  Ende  des 
vierten  Jahrhunderts. 


Jahresbericht    über   die  Litteratur  zu  Horatius 
für  die  Jahre  1890—1891. 


Von 

Professor  Dr.  J.  Häasaner 

in  Karlsruhe. 


I.    Ausgaben. 

1)  Q.  Horatius  Flaccus.     Oden  und  Epoden.     Für  den  Schulgebr. 
herausgegeben  von   K.  K.  Küster.     Paderborn.     Schöninghs  Verlag. 

1889.  116  S.     8. 

2)  Q.  Horati  Flacci  carraina.    Horaz  Oden  und  Epoden.    Für  den 
Schulgebrauch    erklärt   von    K.  K.   Küster.      In    demselben    Verlag. 

1890.  428  S.    8. 

Die  erstere  Ausgabe  giebt  den  blofsen  Text,  ganz  genau  wie  er 
in  der  zweiten  Ausgabe  dem  Kommentar  voraufgeht  und  ist  für  den  Ge- 
brauch in  der  Schulstunde  bex'echnet.  Die  kommentierte  Ausgabe  hebt 
in  dem  Vorwort  hervor,  dafs  zu  einer  befriedigenden  Erklärung  der 
Oden  ein  ganz  anderer  Standpunkt  gewonnen  werden  müsse,  als  der 
bisher  gewohnte.  Ein  sehr  erheblicher  Bruchteil  der  Oden  habe  nämlich 
bisher  eine  Auslegung  erfahren,  die  »mit  dem  Bilde  von  Horazens  dichte- 
rischer und  moralischer  Persönlichkeit,  wie  man  sie  gewinnen  müsse  aus 
den  Sermonen  und  vielen,  nicht  mifszuvei'stehenden  Oden,  gar  wenig  im 
Einklang  stehe«.  K.  meint  besonders  die  sog.  »Liebesoden«.  Wer  in 
diesen  ernstgemeinte  Liebesergüsse  erblicke,  »mache  den  sonst  so  idealen, 
Religion,  Humanität  und  Tugend,  Zucht  und  gute  Sitte,  strenge  Er- 
ziehung der  männlichen  und  weiblichen  Jugend,  Verzichtung  und  Ent- 
sagung predigenden  Horaz  zu  einem  lockeren  Zeisig,  einem  flatterhaften, 
lüsternen,  immer  schmachtenden  und  nie  befriedigten  Gesellen«,  der  »im 
Sumpfe  watend,  wenig  Recht  habe  zu  behaupten,  dafs  ihn  sein  Dichter- 
siun  himmelhoch  über  die  Menge  erhebe«.  Gedichte,  wie  I  13,  I  19, 
I  25,  IV  1,  ni  12  nach  der  von  den  Kommentaren  durchweg  vertretenen 
Interpretation  in  der  Schule  vortragen,  heifse  den  Dichter  eher  zum 
»Tollhäusler«   als    zum    Lehrer   der    deutschen  Jugend   machen.      Ent- 


30  IToratius. 

weder  müsse  die  Lektüre  einer  den  Dichter  nicht  ehrenden  und  die 
Schüler  nicht  belehrenden  und  veredelnden  »Liebeslyrik«  aus  der 
Schule  vorbannt  werden  oder  aber  es  müsse  eine  neue  Bahn  der 
Erklärung  beschritten  werden.  K.  thut  letzteres,  indem  er  die 
erotischen  Lieder  »unter  dem  Gesichtspunkt  der  Didaxis  zu 
begreifen«  sucht.  Er  findet,  dafs  die  »erziehliche  Tendenz«  des 
Horaz  auch  diesen  Oden  eigen  ist,  dafs  auch  hier  das  ridentera  dicere 
verum  des  Dichters  zutrifft  und  dafs  mehrere  Oden  so  eine  ansprechende 
Schullektüre  werden,  die  man  bisher  als  für  die  Schule  wertlos  oder 
ungeeignet  zurückgewiesen  habe.  Wie  die  Einleitung  zu  dem  Kommentar 
S.  I14ff.  ausführt,  bedauert  z.  B.  I  13  ein  junges  Mädchen  wegen  der 
rohen  Zudringlichkeit  eines  Jünglings,  die  mit  wahrer  Liebe  nichts  gemein 
habe;  Donec  gratus  eram  (III  9)  enthalte  eine  Schilderung  der  Flatter- 
haftigkeit und  Unbeständigkeit  solcher  Liebespaare;  1  25  (Parcius  iunctas) 
ist  »der  blutige  Hohn,  der  die  Dirne  trifft,  ein  Weckruf  an  die  verlotter- 
ten Jünglinge«.  I  17  ist  nichts  weniger  als  eine  Einladung  an  Tyndaris; 
aus  dem  si  veneris,  manabit  u.  s.  w.  sei  vielmehr  ein  irreales  si  venires, 
manaret  u.  s.  w.  herauszulesen  und  das  Ganze  diene  vielmehr  zur  Ab- 
schreckung an  T}nidaris.  Denn  es  sei  im  Ernste  nicht  denkbar,  dafs 
derselbe  H.,  der  sich  so  behaglich  fühlte,  wenn  er  sich  auf  sein  Sabinum 
zurückgezogen,  nach  der  Person  einer  Libertine  begierig  gewesen  sei. 
In  II  8  »hält  der  Dichter  seinem  Volke  die  unverhüllte  Wirklichkeit  als 
Spiegel  vor,  welcher  jedem,  der  sehen  will,  das  garstige  Bild  seiner 
schmachvollen  Thorheit  und  Verworfenheit  zurückwirft.«  III  7  soll  einen 
in  Gefahr  schwebenden  Jüngling  vor  den  Netzen  der  Buhlerei  bewahren. 
III  12  ist  »der  anscheinend  so  teilnahmsvolle  Ausdruck  des  Mitleids  für 
das  Mädchen  nur  Ironie;  in  Wahrheit  freut  es  den  Dichter,  dafs  der 
emancipatiouslustigen  Neobule  durch  den  ernsten  Herrn  Oheim  die  eng- 
sten Schranken  gezogen  werden.«  K.  fügt  bei:  »Möchten  doch  alle  jungen 
Römerinnen  solche  Erzieher  haben,  möchten  doch  alle  römischen  Jüng- 
linge diesem  Hebrus  gleichen.  Das  ist  die  Wahrheit,  die  der  Dichter 
hier  in  seiner  Weise  vorträgt.»  Bei  dem  Gedanken  an  Ligurinus  (IV  1) 
treten  dem  Dichter  Thränen  des  Schmerzes  und  Mitleids  ins  Auge, 
nicht,  wie  die  andern  P>klürer  meinen,  Thränen  ungestillter  Liebesqual; 
»die  Zunge  findet  keine  Bezeichnung  für  sein  schmachvolles  Treiben«. 
Die  tlinladung  an  Phyllis  IV  11,  den  Geburtstag  des  Mäcenas  mitzu- 
feiern, kann  nach  K.  unmöglich  an  ein  Mädchen  gerichtet  sein,  um  mit 
ihr  den  Geburtstag  des  M.  zu  feiern.  »Das  wäre,  wortwörtlich  genom- 
men, ein  fades,  ungereimtes  Geschreibsel.«  Die  Ode  enthalte  etwas  ganz 
anderes,  nämlich  eine  Andeutung  der  Beziehungen  zwischen  Augustus 
und  Mäcenas.  »Der  Schlüssel  des  Verständnisses  liegt,  wie  es  scheint, 
bei  Tacitus  Ann.  III  30  .  .  .  H.  scheint  V.  21  —  24  anzudeuten,  dafs  es 
die  Gemahlin  des  Augustus,  Livia,  war,  welche  die  Erkaltung  der  Be- 
ziehungen  zwischen   Kaiser  und   Mäcenas    herbeiführte.  ...     Du    siehst 


Horatius  31 

(redet  der  Herausg.  den  Schüler  an),  die  Verhältnisse,  welche  die  Ode 
berührt,  sind  recht  heikler  Natur  und  liefsen  sich  höchstens  durch  die 
Blume  besprechen.  Und  das  geschieht  hier!  Das  unglückliche  Mädchen, 
das  den  Dichter  dauert,  ist  —  Mäcen  selbst,  und  ihn  will  IL  »Wei- 
sena  lehren,  welche  seine  Kümmernis  lindern  werden«. 

Man  sieht,  bis  zu  welchem  Grade  des  Hineininterpretierens  eine 
vorgefafste  Meinung  führen  kann.  Vorgefafste  Meinung  aber  ist  es,  von 
einer  erziehlichen  Tendenz  der  Horazischen  Dichtung  im  Sinne  des 
Herausgebers  zu  sprechen  Gewifs  will  H.  seinen  Zeitgenossen  ein  Lehr- 
meister sein  und  er  ist  es  auch.  Aber  nicht  in  dem  Sinne,  wie  etwa 
ein  Sittenprediger  unserer  heutigen  Jugend  das  christliche  Sittenideal 
vor  Augen  zu  führen  pflegt.  Ganz  abgesehen  davon,  dafs  das  antike 
Ideal  davon  grundverschieden  ist,  liegt  z.  ß.  in  den  Sermonen  eine  er- 
ziehliche Tendenz  nur  insofern,  als  H.  hier  gegen  die  Ausschreitungen 
und  Albernheiten  einer  an  Gewinn-  und  Ehrsucht  oder  an  unvernünftiger 
Genufssucht  krankenden  vornehmen  Welt  zu  Felde  zieht.  Aber  der 
Genufs  als  solcher  ist  keineswegs  verpönt;  eine  unsern  christlichen  Be- 
griffen entsprechende  Askese  ist  dem  Horaz  und  der  Antike  überhaupt 
fremd;  ja  mafsvoUer  Genufs  ist  sogar  das  eigentliche  Lebenselement 
des  H.  Der  Begriff  concessa  venere  uti  ist  nicht  nach  unsern  heutigen 
Anschauungen  zu  messen,  sowenig,  als  es  überhaupt  hier  einen  absoluten 
Mafsstab  giebt.  Es  braucht  kaum  gesagt  zu  werden ,  wie  verschieden 
der  Begriff'  »Liebe«  nicht  nur  in  den  verschiedenen  Jahrhunderten,  son- 
dern selbst  heute  bei  den  verschiedenen  Ständen  und  Nationen  ist;  wir 
wollen  nicht  an  die  Moral  der  Patriarchen  des  alten  Testaments  er- 
innern; aber  selbst  beim  Edelsten  der  alten  Welt,  bei  Sokrates,  deckt 
sich  bekanntermafsen  der  Begriff  »Liebe«  keineswegs  mit  dem  unsrigen. 
Man  denke  an  die  Ansicht  der  Alten  hinsichtlich  der  Knabenliebe!  So 
thöricht  es  ist,  aus  den  12  oder  14  Mädchennamen  ebenso  viele  Romane 
zu  konstruieren  und  dem  Horaz  anzudichten  —  mit  demselben  Recht 
wirft  ihm  Daniasippus  mille  puellarum  und  mille  puerorura  furores  vor 
—  so  verkehrt  ist  es  andrerseits,  den  Dichter  zum  Prediger  der  Ent- 
haltsamkeit zu  machen.  Aus  zahllosen  Stellen  wird  mau,  wenn  man 
nicht  den  Worten  offenbare  Gewalt  anthun  will,  auf  eine  ehrliche  Sinn- 
lichkeit des  Dichters  schliefsen  müssen  und  was  seine  Beziehungen  zu 
den  Libertinen  (ein  bei  K.  oft  angezogener,  mit  den  modernen  Strafsen- 
dirnen  ohne  weiteres  identifizierter  Ausdruck)  angeht,  so  wird  H.  trotz 
mancher  Derbheiten  in  Oden  und  Epoden  nicht  schlechter,  aber  auch 
nicht  viel  besser  als  die  Durchschnittsmenschen  seiner  Zeit  gewesen  sein. 
Die  aurea  mediocritas,  zu  der  ihn  Temperament  wie  philosophisches 
Studium  hinzog,  mag  bei  ihm  früher  als  bei  andern  jugendliche  Liebes- 
raserei gedämpft  und  jenes  Gleichgewicht  hergestellt  haben,  das  ebenso 
frei  ist  von  wüstem  Genufs  wie  von  heiligem  Eifern  gegeu  die  »Liber- 
tinage«.     Wenn  K.  p.  V  des  Vorwortes   fragt:    ist  es  möglich,   dafs  ein 


32  Iloratius. 

solcher  Horaz  Millionen  Sterblicher  an  Geist  und  Gemüt  gebildet  und 
veredelt  habe,  so  mag  ihm  die  Thatsache,  dafs  Horaz  und  zwar  der 
Horaz,  wie  er  nach  den  bisher  allgemein  geltenden  Erklärungen  seiner 
Gedichte  dasteht,  dies  fertig  gebracht  hat,  eine  bejahende  Antwort  geben, 
und  man  wird  beifügen  dürfen,  dafs  derselbe  Horaz,  wenn  man  abstra- 
hiert, was  den  Anschauungen  seiner  Zeit  über  einzelne  Punkte  anklebt, 
noch  heute  ein  Lehrer  von  Millionen,  auch  ein  Lehrer  unserer  Jugend 
sein  kann.  Die  von  K.  aufgestellte  Alternative ,  entweder  die  »Liebes- 
lyrik« aus  der  Schule  zu  entfernen  oder  eine  neue  Erklärungsmethode 
zu  versuchen,  möchten  wir  .schon  aus  dem  Grunde  anders  als  K.  ent- 
scheiden, weil  uns  seine  P^rklärung  eine  unwahre,  den  thatsächlichen 
Verhältnissen,  dem  klaren  Wortlaut  zuwiderlaufende  ist.  Will  man  die 
erotischen  Lieder,  unter  denen  übrigens  sehr  ernst  und  strenge  denkende 
Pädagogen  nur  wenige  prinzipiell  von  der  Schule  ausschliefsen,  gänzlich 
fernhalten,  so  nehme  man  eine  Auswahl  statt  des  ganzen  Horaz.  K. 
selbst  mufs  ja  darauf  verzichten,  sämtliche  Gedichte  seinem  Prinzipe 
dienstbar  zu  machen. 

Sieht  man  von  dieser,  gewifs  in  bester  Absicht  und  rückhaltlosen 
Bewunderung  des  Dichters  unternommenen  Erklärung  der  erotischen 
Gedichte  ab,  so  bietet  der  Kommentar  viel  Anregendes  und  Beachtens- 
wertes. An  Umfang  (324  enggedruckte  Seiten)  wird  er  die  andern  Aus- 
gaben weit  übertreffen.  Die  Einleitung  giebt  im  Anschlüsse  an  s.  I  G 
und  ep.  H  2  eine  kurze  Vita  des  Horaz.  Zu  den  Worten  paupertas 
inpulit  audax  ut  versus  faccrem  bemerkt  K.,  man  könne  dies  dem  Dichter 
kaum  glauben,  sagt  aber  nicht,  wie  die  Worte  aufzufassen  sind.  Dafs 
H.  durch  Mäcenas  seine  Stelle  als  scriba  quaestorius  erlangt  habe,  ist 
durch  nichts  zu  belegen;  die  Bekanntschaft  mit  ihm  fällt  bekanntlich  viel 
später  und  die  erste  Audienz  macht  gar  nicht  den  Eindruck,  als  sei  irgend 
eine  Beziehung  zwischen  den  beiden  bereits  angeknüpft  gewesen.  Der 
Angabe  über  den  Charakter  der  Oden  und  der  Metrik  fügt  K.  eine  ziem- 
lich umfangreiche  Sammlung  griechischer  Stellen  bei  (Alcaeus,  Sappho, 
Anacreon,  Simonides,  Solon,  Theognis  u.  a.),  die  sehr  willkommen  ist. 

Der  Kommentar  will  alles  geben,  was  der  Schüler  aufser  dem 
Lexikon  bei  der  Präparation  braucht.  K.  schliefst  sich  besonders  an 
Osterlcn  an,  dessen  er  auch  im  Vorwort  gedenkt.  Die  voraufgeschickten 
Inhaltsangaben,  Dispositionen  und  sonstigen  einleitenden  Bemerkungen 
sind  sorgfältig  und  auch  treffend,  soweit  dabei  die  oben  besprochene 
Hypothese  des  Herausgebers  nicht  in  Betracht  kommt.  Da  und  doit 
verbreitet  sich  K.  mit  einer  vielleicht  zu  grofsen  Ausführlichkeit  über 
Dinge,  von  denen  das  Verständnis  der  Ode  nicht  gerade  bedingt  ist. 
So  gleich  zu  Anfang  I  1  über  mercator.  -  Dafs  Uxorius  der  Titel 
eines  Poems  Ciceros  ist,  konnte  bei  Besprecliung  von  uxorius  amnis 
(I  2)  wohl  unterdrückt  werden.  —  Die  Ausfülirung  über  die  Platane 
(S.  247j  dient  für  die  betreffende  Stelle  zu  keinem  tieferen  Verständnis, 


Horatius.  33 

ebenso  wenig  die  genaue  Angabe  S.  264,  wie  das  Horoskop  gestellt 
wurde.  —  Zu  IV  7,  25  ist  erst  Hygins  Bericht  ausgeschrieben,  dann  von 
der  Rettung  aus  der  Unterwelt  durch  Diana  die  Rede,  worauf  K.  fort- 
fährt: »Wenn  nun  H.  den  Schlufsakt  dieser  frommen  Sage  leugnet, 
so  mufst  du,  um  das  in  seiner  ganzen  Tragweite  und  Schärfe  zu  er- 
messen, festhalten,  dafs  die  Mythen  den  Griechen  und  Römern  für  hei- 
lige Geschichten  galten,  welche  eine  höher  als  die  geschichtliche  stehende 
ewige  Wahrheit  enthielten,  so  dafs  sie  selbst  in  philosophischen  Schriften 
häufig  zur  thatsächlichen  Begründung  aufgestellter  Sätze  angeführt  und 
dann  in  der  Regel  den  historischen  Beispielen  vorangestellt  werden.« 
Aber  damit  ist  der  Schüler  erst  recht  neugierig  gemacht,  warum  H.  hier 
leugnet  und  worauf  diese  Leugnung  zurückgeht. 

Während  im  allgemeinen  alle  Realien  mit  grofser  Ausführlichkeit 
besprochen  werden ,  hat  K.  da  und  dort  schwierigere  Stellen  ziemlich 
kurz  abgemacht.    Das  quem  vocas  (II  20)  ist  durch  die  Citate:  »II  18, 

10  me  pauperem  dives  petit,  vergl.  III  30,  13:  (dicar)  ex  humili 
potens»  doch  noch  nicht  ausreichend  erklärt.  Übrigens  erwartet  man 
bei  dieser  Auffassung  der  Stelle  am  allerwenigsten  vocas,  denn  nicht 
Mäcenas  ist  es,  der  ihn  seine  Abkunft  vom  armen  Freigelassenen  fühlen 
läfst,  sondern  der  grofse  Haufe  seiner  Neider,  wie  H.  in  der  sechsten 
Satire  des  I.  Buches  deutlich  ausspricht.  Dies  führt  aber  auf  vocant, 
das  wir  denn  auch  in  den  Text  gesetzt  haben.  —  Zu  ep.  9,  35  bemerkt 
K.:  »übersetze  nach  ep.  7,  13  für.  caec.  Der  attonitus  vates  scheut 
auch  einen  Cynismus  nicht,  der  übrigens  dadurch  gemildert  erscheint, 
dafs  nicht  vom  Ausbruch  der  Sache,  sondern  von  einem  Vorbeugungs- 
mittel dagegen  die  Rede  ist«.  Die  angezogene  Übersetzung  (ep.  7,  13) 
lautet  nun:  »wahnsinnige  Verblendung«.  Wir  verstehen  nicht,  wie  dies 
auf  die  Situation  in  der  9.  Epode  passen  soll.  —  HI  14,  10  schlägt  K. 
vor  zu  lesen:  pueri  et  puellae  non  virum  expertae.  Es  geht  doch  aber 
aus  dem  vorangehenden  matres  virginum  iuvenumque  nuper  sospitura 
deutlich  hervor,  dafs  unter  dem  Chore  auch  die  Mütter  sind;  und  wenn 
denn  doch  einmal  gebessert  werden  mufs,  so  ist  doch  ein  puellae  ac  oder 
et  eine  viel  einfachere  und  zugleich  sinnentsprechende  Lösung.  —  proe- 
liis  audax  I  12,  21  bezieht  K.  zu  Liber,  der  des  Attributs  nicht  ganz 
entbehren  könne.  Aber  wie  ist  es  denn,  abgesehen  von  dem  ganz  uner- 
hörten Hyperbaton  bei  neque,  mit  Pallas?  Denn  dafs  in  diesem  Worte 
allein  schon  eine  Prädicierung  durch  die  Vorstellung  der  »lanzenschwin- 
genden Kämpferin«  enthalten  ist,  kann  doch  nicht  behauptet  werden.  — 

11  20,  2  soll  biformis  auf  die  Doppeldeutigkeit  oder  Doppel- 
züngigkeit gehen,  die  den  Oden  anhafte.  K.  citiert  das  duplex 
Ulixes.  Aber  sollte  Horaz  im  Ernste  sagen  wollen,  dafs  er  einer  »ge- 
flissentlich gesuchten  Doppeldeutigkeit«  die  Unsterblichkeit  verdanke? 
Das  bekannte  ridentem  dicere  verum  ist  ja  doch  nichts  weniger  als  eine 
»Doppelzüngigkeit«.  —  In  Catonis  nobile  letum  (I  12)  sieht  K.  eine 

(Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.     LXXVI.  Bd.  (1893.  II.)  3 


34  Horatius. 

»Ironie,  natürlich  nicht  eine  boshaft  spottende,  sondern  gutmütig  be- 
dauerndea.  Aber  wenn  irgendwo,  so  ist  hier,  wo  nach  dem  Preis  der 
Götter  von  grofsen  Römern  (Romulus,  Regulus ,  Fabricius,  Curius  etc.) 
die  Rede  ist,  Humor  oder  gar  Ironie  übel  angebracht.  Selbst  Oesterlen 
rechnet  diese  Ode  zu  den  feierlich  pathetischen.  Dafs  H.  den  Selbst- 
mord Catos  als  eine  »Schwachheit  einer  grofsen  Seele«  ironisiert  haben 
soll,  entspricht  auch  der  Charakterisierung  desselben  durch  atrocem 
animum  Catouis  (II  1,  24)  keineswegs.  —  Die  Ode  an  Septimius  (II  G) 
zeigt  nach  K.,  dafs  H.  den  Besitz  des  Sabinums  nicht  für  durchaus  ge- 
sichert ansah.  Die  Abhandlung  von  Luchs  über  diese  Ode  weist  aber  mit 
Recht  darauf  hin,  dafs  nach  den  Worten  ver  ubi  longum  tepidasque  prae- 
bet  lupiter  brumas  viel  eher  an  Gesundheitsrücksichten  zu  denken 
ist,  wenn  es  sich  um  eine  Umsiedelung  nach  Tarent  handelt.  —  In  der 
Erwähnung  Orions  II  13,  39  sieht  K.  einen  an  Mäcen  gerichteten 
oNasenstüber«:  'Siehst  Du  (läfst  er  den  H.  damit  sagen),  Mäcen, 
selbst  ein  Orion  läfst  die  wilde  Jagd  ruhen,  um  dem  Sänger  zu  lauschen, 
Du  aber  willst  den  vates  Horatius  durchaus  seinem  Berufe  entziehen, 
um  ihn  zu  Deinem  Weidgesellen  zu  machen'.  Der  Name  Mäcenas 
stimme  auch  prosodisch  mit  Orion  überein.  Wir  bezweifeln,  ob  diese 
Interpretation  auch  nur  einen  Gläubigen  findet.  —  Ebenso  unwahr- 
scheinlich ist  die  Auffassung  von  IV  8  als  einer  Ode,  die  eine  »sati- 
rische Abfertigung  jener  Uusterblichkeitsbedürftigen  sei,  die  mangels 
persönlicher  Verdienste  ihr  Heil  bei  einem  befreundeten  Dichter  suchten«. 

Chronologische  Erörterungen  hat  K.  ferngehalten,  ebenso  textkri- 
tische Fragen,  für  eine  Schülerausgabe  beides  mit  Recht.  Der  Text  ist 
im  ganzen  konservativ.  Aufgefallen  ist  uns,  dafs  K.  die  tetrastichische 
Schreibung  bis  auf  IV  8  beibehält,  obwohl  er  S.  125  seine  Bedenken 
dagegen  ausspricht.  In  dem  letztgenannten  Gedicht  IV  8  wird  V.  17 
als  »zweifellos  von  ungeschickter  Hand  eingeschwärzt«  bezeichnet;  V.  32 
weil   »zu  mehrfachen  Bedenken  Anlafs  gebend«  ausgeschieden. 

Aufser  den  S.  VIII  angeführten  Druckfehlern  bemerken  wir  noch: 
C.  I  7,  8  ist  offenbar  in  honore  erklärt,  während  der  Text  honorem 
hat.  —  IV  7,  15  steht  im  Texte  pius,  im  Kommentar  wird  pater  er- 
klärt. —  IV  2,  2  ist  lule  erklärt,  im  Texte  steht  ille.  —  S.  177  mufs 
das  Cilat  zur  15.  Ode  heifsen  ep.  I  2  (nicht  II  2);  S.  346  ist  das  ausge- 
schriebene Citat  aus  ep.  I  10,  15  (nicht  sat.).  S.  345  steht  im  Kom- 
mentar ne  semper,  im  Texte  nee.  Geringere  Versehen,  an  denen  es 
allerdings  nicht  fehlt,  übergehen  wir. 

3)  Q.  Horatii  Flacci  opera.  Nouvelle  Edition  d'aprös  les  meilleurs 
textes  avec  des  arguments  analytiques  et  historiques  et  un  commentaire 
en  fran(;ais  .  .  .  par  A.  Cartelier.    Paris,  Delagrave.    1890.    378  S.  8. 

Diese  6dition  classique  schöpft  hauptsächlich  in  ihrem  kommen- 
tierenden Teile  aus  Orelli;  auch  Walckenär  und  die  Artikel  des  Journal 


Horatius.  35 

des  Savants  dienten  dem  Herausgeber  als  Quelle.  Auf  die  Lebensbe- 
schreibung des  Dichters  folgt  eine  metrische  Übersicht,  die  nicht  gerade 
als  wissenschaftlich  begründet  bezeichnet  werden  kann.  C  unterscheidet 
überhaupt  fünf  Arten  von  Metren:  das  dactylische,  jambische,  trochäische, 
choriambische  und  kleinere  jonische.  Der  versus  Asclepiadeus  wird  analy- 
siert (S.  XVI)  als  »un  vers  compose  de  deux  choriambes,  preced^es  d'un 
spondee,  et  suivi  dun  iambe.«  Der  versus  adonius  ist  »un  choriambe 
suivi  d'une  syllabes  ;  der  Pherecrateus  ein  Vers  »compose  d'un  choriambe 
entre  un  spondee  et  une  syllabe«!  Die  Versarten  sind  aufgezählt  nach 
2  zeiligen  Strophen,  worunter  bunt  durcheinander  jambische,  trochäische, 
dactylische,  logaödische  Rhythmen  ohne  besondere  Ordnung  fallen,  4 zei- 
ligen und  solche,  in  denen  immer  derselbe  Vers  sich  wiederholt  —  eine 
höchst  mechanische  Gruppierung. 

Der  Kommentar  beschränkt  sich  auf  das  allernötigste ,  steht  aber 
z.  B.  der  Ausgabe  von  Waltz,  die  demselben  Zwecke  in  Frankreich 
dienen  will,  weit  nach.  Der  Text  ist  konservativ,  doch  sind  da  und  dort 
ohne  Not  Änderungen  vorgenommen.  So  liest  C.  z.  B.  c.  I  9,  15  nee 
dulces  Camoenoe  (!);  I  38,6  curae  (st.  curo);  III  17,  13  potis  sc. 
es  (st.  potes);  III  26,  1  vixi  choraeis  (st.  puellis);  IV  7,  12  re- 
curret  (st.  recurrit).  —  c.  I  17  bricht  mit  nee  metues  protervos 
(V.  24)  plötzlich  ab;  IV  2,  2  erklärt  C.  in  den  Anmerkungen,  lulus 
stehe  für  lulius;  1  27,  19  steht  das  schlechtüberlieferte  laboras  in. 

Auffallend  ist  die  veraltete  Orthographie,  die  zudem  noch  wechselt: 
sylva  neben  silva,  praeliis  und  proeliis,  coelum,  littus,  cly- 
peus,  moestus.haeres  (st.  heres),  coena,  negligo,  poenitet, 
dejicere,  quum  u.  s.  w.  Die  table  alphabetique  des  pöesies  d'Horace 
(p.  375)  führt  u.  a.  auch  eine  besondere,  mit  Quid  obseratis  begin- 
nende Epode  an.  Es  sind  dies  natürlich  nur  die  Verse  von  ep.  17,  50 
ab,  die  aber  C.  selbst  nicht  anders  als  die'seconde  partie*  der  17.  Epode 
angesehen  haben  will.     Selbständigen  Wert  hat  die  Ausgabe  nicht. 

4)  Q.  Horatii  Flacci  carmina  edidit  Carolus  Pozder.    Budapestini 
1891  (R.  Lampel)  255  S.     8. 

Diese  Ausgabe  gehört  zu  der  unter  Aem.  Thewrewk  de  Ponor's 
Leitung  in  Budapest  erscheinenden  Bibliotheca  scriptor.  Graec.  et  Roman. 
Da  sie  für  die  Schule  bestimmt  ist,  hat  P.  die  bedenklichen  Partien 
(ep.  5.  8.  11.  12.  17.  s.  I  2  u.  8;  von  s.  I  5  die  Verse  82  —  85,  von  II  7 
die  Verse  47  — 67)  fortgelassen.  Nach  einem  Überblick  über  die  Metrik 
folgt  eine  Aufzählung  der  einzelnen  Gedichte  mit  Angabe  des  Jahres 
ihrer  Abfassung,  »soweit  dasselbe  bestimmt  oder  wenigstens  vermutet  wer- 
den könne«.  Diese  chronologischen  Data  sind  jedoch  grofsen  Teils  höchst 
zweifelhafter  und  dehnbarer  Natur.  Zu  c.  I  3  ist  angegeben  als  Jahr 
der  Abfassung:  20—19;  bei  c.  I  1  u.  c.  III  30  steht  24  —  23.  P.  scheint 
also  anzunehmen,  dafs,  da  die  zwei  letzteren  Oden  wohl  ohne  Zweifel  den 

3* 


36  Horatius. 

Charakter  abschliefsender,  epilogartiger  Gedichte  haben,  die  Publicierung 
der  3  Bücher  ins  Jahr  24  —  23  fällt.  Wie  stimmt  aber  dazu  die  Chrono- 
logie von  I  3?  Warum  mufs  denn  auch  das  Gedicht  ins  Jahr  20/19 
heruntergedrückt  werden?  Andere  Angaben  von  Jahren  sind  vielfach 
recht  vag  und  dadurch  wohl  entbehrlich.  So  soll  c.  I  14  verfafst  sein; 
32-29,  c.  I  34  gar  29 — 24;  weshalb,  ist  nicht  gesagt,  wird  auch  für  das 
letztere  Gedicht  kaum  gesagt  werden  können.  Epod.  7  verlegt  P.  in  die 
Jahre  38  —  3  2.  Warum  er  aber  hier  nicht  die  Zeit  vor  dem  Krieg 
zwischen  Octavianus  und  Sextus  Pompeius  angesetzt  hat,  sondern  einen 
Zeitraum  von  6  Jahren  angißbt,  ist  ebenso  dunkel,  als  wenn  er  für  c.  I 
20  ansetzt:  26  —  24.  Die  letztere  Ode  enthält  auch  nicht  das  mindeste 
Anzeichen  dafür,  c.  II  13  soll  30—26  fallen;  III  8  aber  29—25,  also 
wieder  ein  Spielraum  von  4  Jahren.  Warum  da  nicht  lieber,  wo  sichere 
Judicien  nun  einmal  nicht  vorliegen,  von  einer  chronologischen  Fixierung 
absehen?  Übrigens  hat  Schütz  zu  c  II  13  und  III  8  eine  viel  präcisere 
und  ganz  ansprechende  chronologische  Kombination  aufgestellt.  Die  6 
sog.  Römerodeu,  die  doch  sachlich  wie  zeitlich  einander  nahe  stehen, 
sind  auf  5  Jahre  (29  —  24)  verteilt.  Für  sämtliche  Satiren  weifs  P.  die 
Abfassung  zu  fixieren,  aber  auch  hier  ist  ein  solcher  Spielraum  gelassen 
(42-38,  37  —  33;  42  —  36,  40  —  36),  dafs  er  von  keiner  einzigen  des 
I.  Buches,  von  denen  des  II.  Buches  nur  bei  2  Gedichten  sieh  auf  ein 
bestimmtes  Jahr  präzisiert.  Die  ars  poetica  vollends  trägt  als  chrono- 
logisches Datum  den  achtbaren  Zeitraum:  17  —  8.  Wäre  es  da  nicht 
besser  gewesen,  lieber  von  einer  solchen  Tafel  Umgang  zu  nehmen  und 
blofs  den  Zeitraum  anzugeben,  in  welchem  die  einzelnen  Bücher  abge- 
fafst  sind? 

Dem  Texte  ist  nirgends  eine  varia  lectio  beigegeben,  was  wohl  bei 
einer  Schulausgabe  entschuldbar  ist.  Im  ganzen  ist  die  Textgestaltung 
sehr  konservativ.  Mit  Recht  hält  sich  P.  fern  von  Konjekturen;  wir 
konnten  nur  finden:  III  14,  11  non  virum  expertae;  IV  2,  2  ille,  was 
wohl  jetzt  unnötig  ist,  III  4,  9  avio.     Der  Druck  ist  sehr  korrekt. 

5)  Q.  Horatius  Flaccus'  Oden  und  Epoden.  Für  den  Schulgebrauch 
erklärt  von  Emil  Rosenberg.  2.  Aufl.  Gotha,  Perthes.  1890. 
252  S.     8. 

Die  im  Jahre  1883  in  erster  Auflage  erschienene,  nach  den  Grund- 
sätzen der  Bibl.  Gothana  bearbeitete  Ausgabe  ist  hier  mannichfach  ver- 
vollkommnet und  erweitert.  Gleich  die  Einleitung  (S.  1—14)  ist  erwei- 
tert durch  eine  »Ordnung  der  Gedichte  nach  dem  Inhalt«  unter  6  Rubriken 
mit  Überschriften  der  angeführten  Gedichte.  Die  kurze  Biographie  des 
Dichters  ist  da  und  dort  etwas  ergänzt.  Weshalb  R.  jetzt  den  Dichter 
»als  Sohn  eines  Freigelassenen  von  griechischem  Ursprung«  be- 
zeichnet, ist  uns  nicht  recht  erfindlich.  Selbst  L.  Müller  und  Hirsch- 
felder gaben  diese  Vermutung  —    und  mehr  als  das  ist  sie  doch  schwer- 


Horatius.  37 

lieh  —  nicht  ohne  weiteres  als  feste  Thatsache  an.  Die  Abfassung  der 
zwei  Bücher  Satiren  setzt  R.  (S.  2)  in  die  Jahre  3  5—29  v.  Chr.  Die 
erstere  Zahl  beruht  aber  wohl  auf  einem  Versehen.  Der  Abschnitt  über 
die  Sprache  und  politisclien  Ereignisse  ist  erweitert,  dagegen  erfuhr  die 
metrische  Übersicht  aufser  der  Angabe  sämtlicher  in  den  verschiedenen 
Mafseii  geschriebenen  Oden  keine  Änderung.  Die  neu  hinzugetretene 
Ordnung  der  Gedichte  nach  dem  Inhalt  ist  dankenswert;  die  Über- 
schriften sind  (einige  nach  Leuchtenberger,  andere  mit  Nauck  überein- 
stimmend) treffend.  Von  den  Epoden  sind  dabei  nur  (S.  12)  angeführt 
bei  Erwähnung  von  IV  15  (»Friede  unter  Augustusa):  ep.  7  und  16. 
Bei  c.  III  21  dürfte  es  sich  wohl  empfehlen,  in  der  Überschrift:  »Gebet 
an  den  Weinkrug«  das  erste  Wort  zu  streichen.  Die  Ode  an  das  Schiff 
(I  14)  mit  »Politisches  Erwachen«  zu  bezeichnen,  scheint  uns  verkehrt. 
Will  man  Naucks:  »Das  gefährdete  Staatsschiff«  oder  etwa  »Allegorie« 
nicht,  so  scheint  uns  Bohrend  ts  Überschrift:  »Warnung«  jedenfalls  zu- 
treffender. Ausgelassen  ist  von  R.  nur  c  I  15;  dagegen  kommt  I  27 
zweimal  mit  zwei  verschiedenen  Überschriften  vor  (unter  N.  IV  c  und  IV  d). 
Der  Text  zeigt  manche  Besserung.  So  ist  die  Konjektur  potabo 
(I  20,  1)  fallen  gelassen;  doch  nimmt  im  Kommentar  R.  auch  jetzt  noch 
potabo  als  allein  möglich  an.  Das  limina  rusticae  c.  III  4,  10  ist 
dem  hss.  Pulliae  gewichen,  das  R.  als  Name  der  Amme  fafst.  —  c.  IV 
2,  2  steht  auch  jetzt  noch  lule.  Der  schiefe  und  gesperrte  Druck 
grofser  Partien  ist  nunmehr  aufgegeben.  Der  Kommentar  giebt,  mehr 
als  die  übrigen  Ausgaben  ,  gute  Winke  für  eine  geschmackvolle  Über- 
setzung, überläfst  dagegen  grammatische,  mythologische  und  historische 
Aufklärungen  dem  Lehrer.  Der  Hinweis  auf  moderne  Dichterstellen  ist 
vermehrt  und  sehr  verdienstlich.  In  der  Sacherklärung  ist  viel  gebessert, 
doch  verstehen  wir  nicht,  weshalb  unter  Licyrania  (c.  II  12),  wie  jetzt 
R.  ausführt,  die  Gemahlin  des  Mäcenas  aus  dem  Grunde  nicht  gemeint 
sein  kann,  weil  Horatius  »die  Terentia  nicht  in  solcher  Weise  hätte  be- 
siugen  dürfen«.  Besonders  zu  schätzen  sind  die  gleichfalls  erweiterten 
allgemeinen  Bemerkungen  am  Schlüsse  einzelner  Gedichte.  R.  zeigt  hier, 
wie  wir  dies  auch  aus  seinen  sonstigen  Arbeiten  kennen,  ein  durchweg 
feines  Verständnis  für  Horazische  Lyrik. 

6)  Q.  Horatii  Flacci  carmina  selecta.    Für  d.  Schulgebrauch  herausg. 
von  Johann  Huemer.     3.  Aufl.     Wien,  Holder.     1891.     204  S.    8. 

Änderungen  bringt  diese  Auflage  nicht.  Das  vorzüglich  ausge- 
stattete Büchlein  entspricht  wohl  allen  Anforderungen  an  eine  für  Schul- 
zwecke beschnittene  Sammlung.  Die  Biographie  zu  Anfang  bietet  alles 
Wesentliche  für  den  Schüler,  ebenso  die  metrischen  Bemerkungen.  Dafs 
Horaz  in  den  Oden  immer  vier  Verse  zu  einer  Strophe  verbindet,  sollte 
nicht  so  bestimmt  hingestellt  werden.  Abgesehen  von  allem  anderen 
geben  weitaus  die  meisten  Ausgaben  z.  B.  III  12  in  anderen,    jedenfalls 


38  Horatius. 

nicht  4 zeiliger  Strophenform.  Dafs  Huemcr  auch  dieses  Schema  wie 
noch  die  gröfscre  Sapphische  Strophe,  die  dritte  Archilochische,  erste 
und  zweite  pythianibische  bespricht,  während  kein  in  diesen  Metren  ge- 
schriebenes Gedicht  aufgenommen  ist,  scheint  uns  entbehrlich.  Ungern 
vermissen  wir  in  der  Sammlung  c.  I  9,  sat.  II  5 ,  die  für  Horazens  Ver- 
hältnis zu  Mäceuas  so  wichtige  epist.  I  17,  wogegen  wir  gern  verzichteten 
auf  die  Weissagung  des  Nereus  (c.  I  15)  und  die  Archytasode,  auch 
c.  II  20  möchten  wir  der  nun  einmal  unserra  Geschmack  wenig  zusagen- 
den Verwandlung  halber  preisgeben. 

7)  Q.  Horatius  Flaccus.  Recensuit  atque  interpretatus  est  J.  C 
Orellius.  Edito  quarta  maior  emeiidata  et  aucta.  Vol.  II  Sat.  Epist. 
Lexicon  Horat.  Post  J.  G.  Baiterum  curavit  W.  Mewes.  Fase  I— V 
Berol.     S.  Calvary  u.  Co.     1890-1892.     831  S.     8. 

Q.  Horatius  Flaccus.  Recensuit  Guil.  Mewes.  Vol.  II.  Berolini. 
S.  Calvary  u.  Co.     1891.     188  S.     8. 

Wir  können  diese  beiden  Ausgaben  um  so  eher  zusammenfassen, 
als  die  zweitgenannte  wortgetreu  den  Text  und  die  Angabe  der  Varian- 
ten aus  der  gröfseren  Ausgabe  (über  deren  I.  Teil,  von  Hirschfelder  bear- 
beitet, s.  Jahresber.  1884—1887)  enthält  und  nur  eine  besondere,  kurze 
Praefatio  voranschickt,  in  der  M.  darauf  hinweist,  dafs  gegenüber  dem 
einseitigen  kritischen  Standpunkte  von  Keller- Holder  eine  Neubearbei- 
tung des  kritischen  Apparats  angezeigt  schien,  die  besonders  die  Blan- 
dinischen  Hss.  zu  berücksichtigen  habe.  Er  will  vor  allem  also  die  Lss. 
des  Bland,  vetust.  geben,  aufserdem  werden  beigezogen  von  den  Keller- 
Holder'schen  Hss.:  Aa  B  C  F  (^  und  </>)  R  g  y  d  a  y.  Durch  diesen  hand- 
schriftlichen Apparat  bekommt  das  Orelli'sche  Buch  ein  neues  Aussehen 
—  zu  seinem  Vorteil,  denn  Orellis  kritischer  Apparat  konnte  nicht  mehr 
genügen.  Was  M.'s  Umarbeitung  betrifl't,  su  mochte  gewifs  eine  Kürzung 
des  Keller-Holder'schen  Apparats  wünschenswert  sein;  da  und  dort  ist 
sie  vielleicht  manchem  zu  sehr  beschnitten.  Über  die  Wertschätzung 
der  Bland.  Hss.  kann  hier  nicht  diskutiert  werden.  Dafs  aber  des  Cru- 
quius  Citate  sehr  unzuverlässig,  ja  thatsächlich  vielfach  falsch  sind,  steht 
aufser  Zweifel  durch  die  CoUation  des  cod.  Divaei.  Zum  mindesten 
konnten  jene  Citate  desselben,  wo  er  von  omnes  Codices  spricht,  wäh- 
rend z.  B.  cod.  Divaei  anderes  bietet,  fortgelassen  werden,  wie  z.  ß.  zu 
s.  I  1,  19;  38;  39;  91;  2,  14;  10,  21;  II  3,  96;  194;  ep.  I  2,  23;  18, 
111;  a.  p.  49;  249;  393.  Mit  Recht  hat  M.  dies  an  anderen  Stellen  ge- 
than,  wie  z.B.  s.  I  1,  108,  wo  er  in  dem  reproduzierten  Citat  des  Cru- 
quius  die  Erwähnung  des  cod.  Divaei  übergeht.  Bei  s.  I  5,  36  wäre  es 
ebenso  angezeigt  gewesen,  wo  Cruquius  notorisch  ungenau  ist;  ebenso 
s.  II  5,  87.  Die  Abweichungen  vom  Orellischen  Texte  sind  sehr  zahlreich 
und  betreffen  nicht  blofs  Orthographica,  wo  durchweg  eine  der  Über- 
lieferung entsprechende  Vcibesserung  vorgenommen  wurde  (Accus,  plur. 
auf  is,  cena,  obicere,  temptatum ,  taeter,  Sallustius,  quicquara,  ligurrio 


Horatius.  39 

u.  V.  a.;  bei  den  Composita  wählt  M.  fast  überall  die  Dissimilationsformen 
conpono,  conparo,  adponit,  iiipar  u.  s.  w.)-  Hinsichtlich  der  Anordnung 
des  kritischen  Apparats  hätte  es  die  Übersicht  erleichtert,  wenn  eine 
strengere  Ordnung  festgehalten  wäre,  damit  nicht  die  recipierte  Lss., 
wie  das  jetzt  der  Fall,  bald  zuerst,  bald  zuletzt  angeführt  wird. 

Unter  den  Abweichungen  vom  Orellischeu  Texte  scheinen  uns  wohl- 
begründet zu  sein:  I  1,  83  (reddat  gnatis);  88  (an);  101  (Naevius);  3,  7 
(Bacchae);  85  (die  Interpunktion  vor  acerbus);  130  (Alfenus);  4,  25 
(elige);  39  (poetas);  70  (sim);  87  (avel);  109  (utque);  HO  (Baius);  5, 
36  (vatillum);  6,  75  (octonos  .  .  .  aeris);  7,  7  (tumidus);  8,  41  (resona- 
rint);  44  (caliendrum);  9,  50  (iuquam);  64  (pressare);  10,  88  (sint); 
II  1,  15  (describit);  31  (usquara);  ep.  I  2,  5  (distinet);  32  (hominem); 
3,  30  (sit);  7,  6  (dissignatorem);  10,5  (die  Interpunktion  nach  pariter); 
24  (expelles);  40  (vehet);  15,  37  (correctus),  17,  21  (verum);  II  1,  69 
(delendave);  198  (nimio);  268  (operta);  2,  158  (mercatus  et  aere  est); 
a.  p.  32  (imus);  49  (rerum  et);  129  (parturient) ;  190  (spectanda);  339 
(ne) ;  394  (urbis);  410  (prosit);  416  (nunc).  Dagegen  halten  wir  lieber 
Orellis  Lss.  fest  bei  s.  I  1,  81  (adfixit);  108  (nemo  ut);  lio  (pelli);  3 
60  (versetur,  das  u.  a.  Krüger  mit  guten  Gründen  verteidigt);  6,  31  (ut, 
das  einen  weit  besseren  Sinn  giebt);  68  (aut);  II  2,  3  (abnormis);  ep. 
I  1,  57  (et,  das  auch  die  bessere  Überlieferung  für  sich  hat);  2,  8 
(aestus);  31  (curam);  10,  9  (fertis);  16,  3  (et  pratis);  18,  lll  (quae 
donat);  20,  7  (ubi  quis);  II  2,  16  (laedat);  a.  p.  92  (decenter);  197  (pa- 
care);  294  (perfectum);  330  (at).  Den  Vers  ep.  I  18,  91  setzte  Oreili 
in  Klammern,  M.  hält  ihn  mit  Vahlen  für  echt. 

Dem  Kommentar  Orellis,  der  heute  noch  mit  Recht  hochgeschätzt 
und  namentlich  im  Auslande  der  beliebteste  ist,  hat  M.  durch  Beach- 
tung der  neueren  Forschungen  noch  weitere  Vorzüge  gegeben.  Durch 
wohlangebrachte  Kürzungen  (die  zahlreichen  Exkurse  Orellis  sind  bis  auf 
wenige  fortgelassen  und  deren  Gehalt  geschickt  in  den  Kommentar  ver- 
arbeitet) wurde  Raum  gewonnen  für  die  notwendigen  Umarbeitungen  und 
Zusätze,  namentlich  auch  über  die  Chronologie,  ohne  dafs  dadurch  der 
Umfang  des  Buches  erweitert  worden  wäre.  Ja,  trotz  des  erschöpfenden, 
recht  verdienstlichen  Index,  der  174  Seiten  umfafst  (bei  Oreili  nicht  ganz 
100),  ist  diese  Auflage  gegen  die  Orellische  um  etwa  100  Seiten  gekürzt. 
Der  Index  selbst  giebt  allerdings  nicht  mehr  wie  bei  Oreili  knappe  Er- 
klärungen, sondern  lediglich  nur  die  Stelleu. 

Die  Erläuterungen  im  Kommentar  sind  durchweg  sorgfältig,  besonnen 
und,  auch  wo  entgegengesetzte  Ansichten  angeführt  werden,  ohne  jenen 
absprechenden  Ton,  in  dem  sich  einige  Horazinterpreten  immer  noch  ge- 
fallen. Meinungsverschiedenheiten  werden  ja  hier  immer  vorhanden  sein. 
So  scheint  uns,  um  nur  einiges  herauszugreifen,  s.  I  4,  21  nitro  delatis 
nicht  gut  auf  die  Schmeichler  bezogen,  »die  dem  bewunderten  Fannius 
kostbare  scrinia  und  ihr  Bild  zum  Geschenke  machen«.  Abgesehen  davon, 
dafs  hierbei  nitro  noch  weniger  erklärt  ist  als  bei  der  Auslegung  des 


40  Horatios. 

Scholiasten.  kann  zu  diesem  Abi.  absol.  nicht  wohl  ein  andres  logisches 
Subjekt  gedacht  werden,   als   das  daneben  stehende  Faunius.    —    Auch 
s.  I  6,  79  halten  wir  nicht  für  richtig  erklärt.    Denn  wenn,  wie  M.  glaubt, 
in  magno  ut  populo  mit  sequentis  zu  verbinden  ist  und  gesagt  wird, 
dafs   in   der  Grofsstadt  eben   die  Knaben   überhaupt    nicht  ohne  Beglei- 
tung  ausgehen  konnten,   so  konnte  doch  niemand  aus  diesem  Umstände 
einen  Schlufs  auf  den  Wohlstand  des  Vaters  machen;  die  Begleitung  ist 
dann  ja  selbstverständlich  und  kann  nicht  mehr  auffallen.  —  II  2,  3  hat 
sogar    Dillenburger    die    Autorität    des   Cod.  V.    verlassen    und    schreibt 
abnorrais,  während  M.  abnormi  giebt.     Dafs  Hör.  die  sprichwörtliche 
Redensart  crassa  Minerva   durch   einen  Zusatz,   zumal  ein  neben  crassa 
so  mattes  Attribut,  geändert  haben  soll,  ist  unwahrscheinlich.    —     ep.  I 
6,  7  hält  M.  an  Orellis  Erklärung  von  ludicra  fest.     Allein  die  von  M. 
citierte  Stelle   bei    Cicero   de  fin.  I  69   (ludicra  exercendi  aut  venandi) 
spricht  eher  gegen  den  absoluten  Gebrauch  von  ludicra  im  Sinne  von 
ludi.    —    Mit  Recht  verwirft  M.  s.  I  9,  27  (quis  te  salvo  opus   est) 
die  von  Schütz   und   Kiefsling  vertretene  Interpretation ,   als  ob   in   den 
Worten  auf  eine  Geisteskrankheit  des  Schwätzers  hingedeutet  sei.    Wenn 
in  derselben  Satire  zu  V.  69   (tricesima  sab b ata)  M.  fast  zwei  volle 
Seiten  auf  Reproduktion  der  verschiedenen  Meinungen  über  dieses  Juden- 
fest verwendet,    um   schliefslich   zu  konstatieren,   dafs   überhaupt  damit 
kein  besonderes  Fest  derselben  bezeichnet  werde,  so  hätte   hier  Orellis 
Gelehrsamkeit  ohne  Schaden   für  die  Interpretation   übergangen  werden 
können.     Doch   gehören   derartige  Weitläufigkeiten  zu   den   Ausnahmen. 
Sehr  gut  sind  u.  a.  behandelt  s.  I  2,  45;  6,  44;  II  1,  86;  3  57;  5,  102; 
6,  59.     ep.  I  7,  29;   16,  8;    18,  15.     Klar  und  lichtvoll  sind  die  Einlei- 
tungen  zu  den   einzelnen  Gedichten,   besonders   auch   zur   ars  poet.     In 
der  Chronologie  schliefst  sich  M.  den  Ausführungen  Vahlens  an. 

Der  Druck  ist  korrekt.  Zu  verbessern  sind:  s.  I  1,  15,  wo  nach 
En  ego  eine  Interpunktion  stehen  mufs,  wenn  es,  wie  der  Kommentar 
will,  nicht  mit  faciam  verbunden  werden  soll;  s.  I  2,  24  steht  in  der 
grofsen  Ausgabe  curreut,  aber  im  Index  currunt,  ebenso  in  der  klei- 
nen kritischeu  Ausgabe;  s.  I  5,  23  fehlt  nach  hora  der  Punkt;  s.  II  3, 
27  ff.  steht  die  Erklärung  nicht  im  Einklänge  mit  der  Interpunktion. 
Falsche  Citate  fanden  wir  zu  s.  II  1,  1  (videar),  wo  es  heifsen  mufs: 
c.  I  1,  4;  zwei  Zeilen  weiter:  sat.  I  2,  28  (nicht  1,  103). 

Die  mit  vorliegendem  Bande  abgeschlossene  Ausgabe  ist  durch  die 
glückliche  Heranziehung  der  reichen  Horazlitteratur  ganz  besonders 
geeignet  zur  Einführung  in  unsern  Dichter. 

8)  Quinti  Horatii  Flacci  opera  omnia.  The  works  of  Horace  with 
a  commentary  by  E.  C  W  ick  harn.  Vol.  II.  The  satires,  epistles  and 
de  arte  poetica.     Oxford,  Clarendon  Press  1891.     474  S.    8. 

Nach  längerem  Zwischenraum  (vol.  I  erschien  schon  1877)  läfst  mit 
vorliegendem  Bande  W.  die  Bearbeitung  der  Satiren  und  Episteln  folgen. 


Horatius.  41 

Dieselbe  darf  als  eine  der  überlegtesten  und  beachtenswertesten  Erschei- 
nungen auf  dem  Gebiete  der  fremdländischen  Kommentare  bezeichnet  wer- 
den, weniger  wegen  eigentlicher  Neuheiten  in  der  Interpretation,  als  wegen 
der  überaus  praktischen  Art,  wie  das  vorhandene  Material  ausgebeutet  ist. 
Nichts  von  jener  unfruchtbaren  Gelehrsamkeit,  die   in  so  manchen  Aus- 
gaben begierig  nach  Gelegenheit  sucht,  alle  möglichen  grammatischen  und 
metrischen  Sonderlichkeiten  der  lateinischen  Dichter  abzulagern,  sondern 
überall  mafsvolle  und  doch  ausreichende  Heranziehung  alles  Wesentlichen. 
Aufser  Heindorf,  Obbarius,  Schütz,  Wilkius,  Düntzer,  Dillenburger,  Ritter 
(Kiefsling  konnte  W.   nicht  mehr   benützen)    ist    es   vor    allem   ßentley, 
dem  W.  folgt,   von   seinen   neueren  Landsleuten  auch  Palmer.     So  sehr 
im  allgemeinen  Bentley  beachtet  wird,  sind  doch  dessen  zahlreiche  Kon- 
jekturen  meist  unbeachtet   geblieben      W.  folgt    in    kritischer   Hinsicht 
den  Blandinischen  Hss.,  weicht  aber  doch  da  und  dort  vom  Vetustissimus 
ab,  selbst  in  Stellen,  wo  Mewes  u.  A.  die  Lss.  von  V  verteidigen.    So  steht 
s.  I  1,  81  adfixit;  2,  110  pelli;  H  3,  1  sie;  7,  83  sibi  qui.    An  andern 
Stellen  hält  er  an  Lss.  fest,  die  jetzt  ziemlich  allgemein  aufgegeben  sind; 
so  z.  B.   steht  s.  I  6,  75   octonis   Idibus    aera,    da   die  Assonanz   in 
octonos   Idibus   aeris   nicht   recht  horazisch  sei.     Bei  aller  Vorliebe 
für  Bentley  sind  nicht  einmal  Besserungen  aufgenommen  wie:   s.  I  8,  41 
resonarint.     "Wenn  W.   für    das    hs.   resonareut    anführt,    dafs    die 
Handlung  des  resonare  »more  continous«  sei.  wie  auch  Wilkins  meinte, 
und  daher  das  Imperfectum  gesucht  sei,    so   ist  das  wie  Schütz  gezeigt 
hat,  nicht  stichhaltig.     Diese  Bedeutung  kann ,  zumal  nach  voraufgehen- 
dem  Praesens    unmöglich    im   Imperfect    an   und   für   sich  schon   liegen. 
Auch   Bentleys  musto   (s.  II  4,  19),    das    gleichfalls   von    den   meisten 
Herausgebern  rezipiert  ist,  wird  abgelehnt,  ebenso  dessen  olea  (ep.  II  1, 
31),  pacare  (a.  p.  197),  das  übrigens  auch  handschriftlich  gestützt  wird, 
und  artis  (a.  p.  423).     An   drei  Steilen    ist   eine  Lesart  als   verdächtig 
bezeichnet:    ep.  I  2,  31    (cessatum  ducere  curam),    II  2,  88  (huic)  und 
ep.  II  2,  114  (intra).    Überall  wird  in  den  Anmerkungen  Bezug  genommen 
auf   die    abweichende   Textüberlieferung,    meist    sogar  recht  eingehend. 
Kurz  ist  s.  I  2  behandelt,   wohl   aus  pädagogischen  Gründen.     Dagegen 
orientieren  Ausführungen  wie  z.  B.  zu  ep.  I  7,  29;  18,  91;  a.  p.  32;  120 
u.  V.  a.  rasch  über  alles  Wichtige.     Zu   dürftig  scheinen  uns  nur  wenige 
Stellen  behandelt  wie  ep.  I  16,  5;  a.  p.  92;  zu  ep.  I  6,  7  hätte  W.  mehr 
Wilkins  Bemerkung  beachten   sollen;   die   grammatische  Verweisung  auf 
Madvigs  Lehrbuch  zu  licet  esse  beatis  (s.  I  1,  19)  ist  wohl  entbehrlich; 
hinter  pingui  (s.  I  3,  58)  ist  die  Interpunktion  zu  tilgen;  auch  die  Ortho- 
graphie tetra  (s.  I  2,  33  u.  a.)  entspricht  nicht  der  besten  Überlieferung. 
Die  vorangeschickten  Erörterungen   über  die  Chronologie  der  ein- 
zelnen  Stücke  schliefsen    sich    au  die   Forschungen   von   Mommsen  und 
Vahlen   an   und   zeichnen   sich   ebenfalls   durch  Kürze  und  Klarheit  aus. 
Ohne  Weitschweifigkeit  werden   überall    die  Hauptgesichtspuukte  knapp 


42  Horatius. 

zusaramengestellt,  ancli  gegnerische  Fixierungen  der  Gedichte  (vergl, 
S.  328  über  cp.  II  1  oder  S.  332  über  a.  p.)  meist  erwähnt.  Besonders 
hervorzuheben  sind  die  lichtvollen  dispositiven  Inhaltsangaben  vor  den 
einzelnen  Satiren  und  Episteln.  S.  296  giebt  W.  ein  Kärtchen  der  Villa 
des  Horaz  im  Sabinerlande,  das  unter  den  uns  bekannten  Skizzen  dieser 
Art  weitaus  das  beste  ist.  W.  erwähnt  die  beiden  Lokalisierungen  des 
Horazischeu  Landhauses  ohne  sich  zu  entscheiden.  In  der  That  wird 
dies  auch  schwer  sein.  Nach  der  neuesten  Abhandlung  über  diesen 
Gegenstand  von  dem  Italiener  Mazzolini  (Rivista  ili  filolog.  1890)  wäre 
die  Ansicht  Rosas  und  Noel  de  Vergers'.  die  das  Landgut  weiter  oben 
bei  Rocca  Giovane  identifizierten,  unrichtig  und  wir  hätten  eher  einem 
Ort  unterhalb  Rocca  Giovane  anzunehmen,  und  zwar  etwas  weiter  nörd- 
lich und  mehr  in  der  Thalsohle  des  Digentiabaches.  Referent  hat  1887 
ebenfalls  die  Gegend  besucht  und  gesteht,  dafs  man  in  dieser  Frage  über 
ein  non  liquet  schwerlich  hinauskommen  kann. 

Zum  Schlüsse  giebt  W.  einige  Lss.  aus  einer  Oxforder  Horazhand- 
schrift  (XII.  Jahrb.),  die  aber  wenig  Bedeutung  hat. 

Das  Buch  ist,  was  besonders  gegenüber  den  in  Deutschland  er- 
scheinenden Ausgaben  hervorgehoben  werden  mag,  musterhaft  ausge- 
stattet. 

9)  Des  Q.  Horatius  Flaccus  Satiren  und  Episteln.  Für  d.  Schul- 
gebraucb  erkl.  von  G.  T.  A.  Krüger.  Zwölfte  Auflage,  besorgt  von 
Gustav  Krüger.  Zweiter  Teil:  Episteln.  Leipzig,  Teubner.  1890. 
206  S.     8. 

Auf  den  die  Satiren  umfassenden  ersten  Teil  macht  der  letzte 
Jahresbericht  S.  116f.  aufmerksam.  Die  typographischen  Änderungen 
durch  Beifügung  der  betr.  Verszahlen  in  den  Noten  sowie  durch  Trennung 
der  Anmerkungen  mittels  horizontaler  Striche  geben  auch  diesem  Teile 
eine  grölsere  Übersichtlichkeit.  Der  Text  weicht  nur  wenig  von  der 
letzten  Auflage  ab:  I  7,  29  ist  Bentleys  nitedula  st.  volpecula  aufge- 
nommen; wie  wir  glauben,  ohne  Not.  —  I  10,  2  — 5  ist  jetzt  im  An- 
schiufs  an  Kiefsling  ein  Punkt  gesetzt  vor  hac  in  re,  während  bisher 
wie  die  Bemerkung  im  Anhange  sagt,  urbis  aniatoreni  .  .  .  amatores, 
hac  in  re..dissimiles:  at  cetera. .auimisquid(|uid..etalter, 
adnuimus  pariter  interpungiert  wurde.  Übrigens  hat  bereits  die  uns 
vorliegende  6.  Auflage  die  jetzt  wieder  gewählte  Interpunktion  vor  hac 
in  le.  —  I  14,43  wird  nach  piger  interpuntriort ;  mit  Recht,  da  piger, 
wie  ausgeführt  wird,  zu  beiden  Subjekten  gchiiit.  —  I  20,  24  ist  zum 
hss.  solibus  aptum  zurückgekehrt,  dessen  vollkunimene  Richtigkeit 
M.  Hertz  jüngst  gezeigt. 

Andere  Erklärungen,  meist  nach  Kiefsling,  haben  mehrere  Stellen 
erfahren.  So  I  1,  37  und  51,  letzteres  im  Anschlüsse  au  Schütz.  Wäh- 
rend diese  beiden  Änderungen  Beifall  verdienen,  scheint  uns  I  4,  6  eras 


Horatius.  43 

in  der  früheren  Auflage  zutreffender  erklärt  zu  sein.  —  I  10,  37  wird 
mit  Vahlen  jetzt  violcns  prädikativ  zu  discessit  gezogen,  was  wohl 
nach  Vahleus  Ausführung  allgemein  anerkannt  werden  wird.  —  II  1,  7 
colunt  in  zwei  verschiedeneu  Bedeutungen  zu  nehmen  (erst  zu  terras 
im  Sinne  von  incolunt,  dann  mit  hominum  genus  als  excolunt),  wie 
Kiefsling  gethan,  dürfte  aber  bedenklich  sein.  —  II  1,  124  hat  Kiefsling 
militiae  richtig  als  Dativ  gefafst,  entsprechend  dem  folgenden  urbi; 
dagegen  hätte  Kr.  statt  des  von  dem  genannten  Erklärer  bevorzugten 
praesectum  (a.  p.  294),  wir  wir  glauben,  besser  an  perfectum  der 
früheren  Auflagen  festgehalten,  vergl.  Kellers  Epilegg. 

Die  im  Anhange  gegebenen  kritischen  Notizen  zeigen,  wie  sorg- 
fältig Kr.  die  neueste  Litteratur  überall  verfolgt,  und  sind  für  die  ge- 
lehrte Beschäftigung  mit  dem  Dichter  von  grofsem  Wert.  Obwohl  kürzer 
als  der  Schütz'sche  Anhang,  bietet  diese  Beigabe  doch  entschieden  weit 
mehr  und  vor  allem  besser  gesichtetes  Material. 

10)  Q.  Horatius  Flaccus.  Erklärt  von  A.  Kiefsling.  I.  Teil: 
Oden  und  Epoden.  Zweite  verbesserte  Auflage,  Berlin,  Weidmann. 
1890.     431  S. 

Der  Kommentar  dieser  neuen,  an  Umfang  nur  wenig  stärkeren 
Auflage  ist  vielfach  berichtigt  und  erweitert,  neue  Lesarten  sind  nur 
wenig  aufgenommen, 

C  I  1,  4  hatte  Kiefsling  früher  mctaquc  —  deos  als  ausmalenden 
Zusatz,  der  selbständig  eingefügt  sei,  betrachtet.  Jetzt  läfst  er  die  Inter- 
punktion nach  iuvat  fallen  und  beginnt  mit  palmaque  .  .  evehit  einen 
neuen  Satz,  »da  die  Kraft  des  farblosen  iuvat  nicht  über  meta  evitata 
(=  cvitavisse)  hinausreiche«;  evehit  gehöre  dann  auch  zu  dem  folgen- 
den hunc  und  illum  als  Prädikat.  Wir  können  dem  nicht  beipflichten; 
gerade  das  weiter  unten  nochmals  auftretende  multos  castra  iuvant 
(V.  23)  scheint  uns  darauf  hinzuweisen,  dafs  auch  hunc  und  illum  von 
iuvat  abhängig  sind.  Dazu  kommt  noch,  dafs  evehit  ad  deos  wohl  von 
den  tergeraini  honores  gelten  könnte,  aber  doch  kaum  für  den,  der  in 
seinen  Scheunen  möglichst  viel  Getreide  birgt.  —  ib.  20  folgt  über  das 
Zeugma  pocula  und  parteni  dem  er  e  eine  längere  Auseinandersetzung, 
die  sehr  feinsinnig,  aber  für  die  Interpretation  der  Stelle  doch  ohne  er- 
sichtlichen Belang  ist.  —  ib.  29  erklärt  K.  doctus  mit  »künstlerisch 
gebildet  und  mit  dem  Geist  griechischer  Poesie  vertraut«.  Es  liegt  aber 
in  doctus  vor  allem  auch  ein  Hinweis  auf  metrische  Fertigkeit,  wie 
L.Müller  (Horaz,  Leben  107ff.)  und  Weifsenfeis  (Horaz  p.  186)  gezeigt 
haben.  —  I  2,  43  ist  filius  nicht  mehr  als  Vokativ  gefafst,  sondern  = 
cum  filius  sis  erklärt  und  zum  folgenden,  nicht  wie  Nauck  u.  A.  thun, 
zum  Yoraulgeheuden  Satz  gezogen.  —  Die  Autfassung  von  alite  (I  6,  2) 
als  Abi.  abs.,  wird  noch  etwas  stärker  abgefertigt  als  »Albernheit,  den 
durch    die  Lüfte   sich   schwingenden  Schwan   mit  Dinte  und  Papier  hau- 


44  Horatius. 

tiercn  zu  lassen«.  —  I  12,  45  ist  jetzt  aevo  als  Dativ  gefafst  (früher: 
Dat.  oder  Abi.).  -  ib.  55  ist  orientis  (früher  Orientis)  von  der 
oriens  plaga  caeli  verstanden.  —  I  14,  6  giebt  K.  zu  funes,  das  er 
übrigens  wie  Schütz  im  Sinne  von  uTto^oj/iara  (Gurttaue)  nimmt,  eine 
ausführliche  Erklärung.  —  18,  16  wird  zu  perlucidior  die  Neigung 
des  Hör.  für  Komparative  (statt  einfacher  Vergleichung)  mit  Beispielen 
belegt.  —  Zu  tota  (I  19,  9)  wird  auf  den  alexandrinischen  Gebrauch 
von  dßpoog  verwiesen.  —  Bei  I  20  glaubt  K.,  dafs  dem  Interpolator  der 
Eingang  von  ep.  I  5  als  Motiv  seiner  Erfindung  vorgeschwebt.  —  Wert- 
voll ist  die  Ausführung  zu  .Scythae  (I  26,  4),  ebeuso  zu  Tiridates. 
Für  die  Wiedereinsetzung  der  Phrahates  »bald  nach  dem  Sommer  24« 
citiert  K.  Mommsen,  mon.  Ancyr.  135.  Darnach  floh  aber  Tiridates 
schon  26/25  zu  Augustus  und  man  wird  also  wohl  die  Rückkehr  des 
Phrahates  auf  den  Thron  früher  ansetzen  müssen.  —  sodales  (I  37,  4) 
aus  »Paul  p.  296:  quod  ex  suo  datis  vesci  soliti  sint«  zu  erklären,  dürfte 
doch  bedenklich  sein,  vergl.  Curtius  Grundz.*  S.  251.  —  Den  Vers  oux 
iör'  iv  ä\'Tfjucg  u.  s.  w.  (zu  II  2)  wird  man  jetzt  wohl  definitiv  Eurip. 
Phil,  zuschreiben.  —  II  6,  7  hält  K.  fest  an  Peerlkamps  domus.  Aber 
ist  das  nicht  schon  in  sedes  gesagt?  -  II  7,  10  findet  K.  im  Deminutiv 
parmula  eine  Abschwächung  des  Ausdrucks.  —  Deutlicher  ist  die  Note 
geworden  zu  II  13,  1;  V.  14  findet  K.  Lachmanns  Thynus  besser  als 
Roschers  Bospori  poenas.  Uns  scheint  Schütz  hier  mit  Recht  auf 
die  durch  Thynus  verloren  gehende  Pointe  hingewiesen  zu  haben.  Neu  und 
treffend  ist  die  Erklärung  zu  V,  30-  -  In  der  von  K.  für  interpoliert  be- 
zeichneten Strophe  II  16,  21 — 24  soll  der  Nachdichter  auch  das  aerata 
triremi  seiner  Vorlage  (III  1,  39)  niifsverstanden  als  Kriegsschiff  gefafst 
haben.  Wir  verstehen  nicht,  worin  dieses  Mifsverständnis  besteht;  der 
Gedanke  scheint  uns  genau  wie  III  1,  39,  wo,  genau  wie  hier  die  Curae, 
auch  Timor  und  Minae  mit  der  aerata  triremis  des  reichen  Mannes 
in  Verbindung  gebraclit  werden.  —  Die  durchgehende  Verbesserung  des 
Kommentars  ist  auch  der  nicht  immer  einfachen  und  leichten  Sprache 
zu  gute  gekommen.  Doch  zweifeln  wir,  ob  es  korrekt  ist  zu  sagen  (II 
18,  15):  »Aber  indem  das  Bild  der  sich  drängenden  Tage  und  des  unab- 
lässig sich  erneuernden  und  wieder  abnehmenden  Mondes  die  Vorstellung 
vom  schnellen  Flufs  der  Stunden  erweckt,  tritt  es  zugleich  in  die 
Funktion  eines  konzessiven  Vordersatzes  zu  dem  Unver- 
stand dessen,  der  diese  Spanne  Zeit  in  Nichtigkeiten  ver- 
trödelt.« -  c.  III  2  tritt  K.  Mommsens  Erklärung  bei;  dann  müfste  aber, 
meinen  wir,  fideli  silentio  eher  mit:  »treue  Verschwiegenheit«  über- 
setzt werden  als  mit  »still  verschwiegener  Treue«.  —  III  2,  9f.  sei  nicht 
(früher:  »unmöglich«)  direkte  Rede;  denn  wie  könne  es  sonst  heifsen: 
regius  sponsus?  Der  Satz  drücke  nur  die  Empfindung  der  Braut 
aus:  suspirare  heifse:  »mit  Seufzern  befürchten«  (früher  =  optare).  — 
III  4,  10   wird   mit  Mommsen  Pulliae   gelesen   und  dies  als  Name  der 


Horatius.  45 

märchenreichen  Amme  gefafst.  Diese  Beziehung  von  fabulosae 
ist  aber  doch  noch  sehr  zweifelhaft.  Neuerdings  hat  Born  für  die  Zu- 
gehörigkeit zu  palumbes  auf  die  sonst  bei  Horaz  übliche  Wortstellung 
hingewiesen.  —  III  4,  46  ist  Bentleys  umbras  fallen  gelassen  und  zum 
hs.  urbis  zurückgekehrt.  —  III  28,  6  liest  K.  jetzt  sentis  et  (früher 
ac),  weil  et  die  älteste  Überlieferung  sei.  —  III  29,  27  sieht  K.  jetzt 
in  Seres  und  Tanais  discors  mehr  als  blofse  poetische  Phrasen;  »wie 
V.  Gutschmid  gezeigt,  standen  damals  die  Chinesen  in  engen  Beziehungen 
zu  diesen  Ländern  und  hatten  vorher  im  J.  44  in  Baktrien  interveniert«. 
—  IV  2,  2  kehrt  K.  zum  hs.  lulle  zurück.  —  ib.  33  wird  Lachmanns 
CO  nein  et  auch  deshalb  für  nötig  erachtet,  weil  ein  episches  Lied  wohl 
Augustus  Thaten ,  nicht  aber  seinen  Einzug  und  die  Festfreude  der 
Bürgerschaft  feiern  könne.  —  IV  5,  4  ist  K.  geneigt,  mit  Fea  und 
Linker  consilio  statt  concilio  zu  setzen.  —  Sehr  ausführlich  und 
zugleich  treffend  ist  die  Bemerkung  zu  premit  comes  (5,  24).  —  Zu 
IV  7,  3  wird  es  wohl  richtiger  heifsen:  'die  nach  der  Jahreszeit  ver- 
schiedenen Wechsel'  als  'die  nach  dem  Ort'  .  .  —  Zu  IV  12,  18  steht, 
dafs  die  horrea  am  Tiberemporium  nach  ihrem  letzten  Besitzer,  dem 
Kaiser  Galba:  horrea  Galbae  genannt  seien.  Vielleicht  überzeugt 
sich  K.  aus  Richters  Topographie  (S  852),  dafs  es  nicht  der  Kaiser 
Galba  ist,  von  dem  der  Name  herrührt.  —  Ep.  1,  10  wird  jetzt  die 
Interpunktion  vor  feremus  getilgt  und  interpungiert:  an  hunc  labo- 
rem  ..  feremus,  et  te  ..  sequemur  pectore?  K.  hält  die  drei- 
fache Wiederholung  des  ferre  in  einem  Satze  für  besonders  nachdrucks- 
voll. —  Porphyrios  Bemerkung  zu  novendiales  (ep.  17,  48)  bedarf 
wohl  keiner  Korrektur  (»genauer  am  9.  Tage  nach  dem  Tode«),  wie 
Rohde  (Psyche  p.  213)  zeigt. 

Durch  Einrücken  der  verschiedenen  Verszeilen  ist  der  Druck  über- 
sichtlicher geworden.  Druckfehler  sind  beseitigt  bis  auf  I  17,  13  dies; 
24  metuens;  23,  19  patentia;  36,  17  steht  hinter  putris  ein  Punkt; 
37,  10  ebenso  hinter  impotens;  II  4,  6  captiva;  IV  2,  25  aure;  9,  49 
parti;  ep.  6,  10  cibam;  7,  12  fehlt  die  Interpunktion  hinter  feris;  17, 
23  capillius.  —  Im  Kommentar  steht  S.  42  male;  S.  150:  I  26  st.  I  24; 
S.  174  refixiv;  S.  175  iaformis;  S.  178  verlaufen;  S.  208  cohi- 
bebur;  S.  217  (zu  prospiciens)  abgelöst  und  (st.  um);  S.  378  par- 
vum.  Auch  die  Orthographie  der  Anmerkungen  stimmt  noch  nicht 
ganz  mit  jener  des  Textes,  immanis  und  inmanis,  quicquam  und  quid- 
quam,  nequis  und  ne  quis,  quodsi  und  quod  si,  finitumus  und  finiti- 
raus  u.  a. 

Kiefslings  Ausgabe  ist  unter  allen  neueren  Bearbeitungen  die  her- 
vorragendste durch  Selbständigkeit  und  Feinheit  des  Urteils.  Wer  sich 
mit  dem  Dichter  beschäftigt,  wird  notwendig  zu  ihr  greifen  müssen. 


46  Horatius. 

11)  Q.  Horati  Flacci  sernionuni  et  epistularum  libri.  Satiren  und 
Episteln  des  Horaz.  Mit  Anmerkungen  v.  Lucian  Müller.  I.  Teil. 
Satiren.  Prag-Wien-Leipzig.  Freytag.  1891.  XXXII  u.  277  S.  8. 
L.  M.  glaubt  (Vorrede  S.  3),  dafs  Kritik  und  Exegese  in  den  Sa- 
tiren und  Episteln  noch  lange  nicht  ihr  letztes  Wort  gesprochen  haben; 
daher  habe  er  sich  durch  mehrfache  Wünsche  bestimmen  lassen .  seine 
Erfahrungen  im  Gebiet  der  römischen  Poesie  für  eine  Bearbeitung  der 
Satiren  und  Episteln  zu  verwerten.  Unter  den  bisherigen  Leistungen 
giebt  er  Heindorfs  Ausgabe  den  Ehrenplatz,  auch  Peerlkamp,  ob- 
wohl glücklicher  in  den  Oden  und  Epoden,  sei  zu  beachten;  als  tieifsige 
Arbeiten  werden  auch  die  Kommentare  von  Düntzer,  Ki  r  ebner - 
Teuffei,  Keller- Holder ,  Schütz,  Fritzsche,  besonders  aber 
Orelli  -  Hirschfelder ,  Krüger  und  Kiefsling  angeführt.  Aber 
gerade  der  letztgenannte  zeige,  wie  nötig  eine  Bearbeitung  sei;  denn 
für  Wortkritik  und  Metrik  habe  Kiefsling  »wenig  oder  nichts  gethan«. 
Die  Differenzen  mit  letzterem  Herausgeber  beträfen  wichtige  Punkte, 
auch  hinsichtlich  einer  tieferen  Erkenntnis  des  Dichters.  Für  die  Text- 
kritik kommt  nach  M.  aufser  den  vier  Bland.  Hss.  cod.  Berneusis  in 
Betracht,  namentlich  aber  Bentley,  an  den  er  sich  möglichst  nahe  an- 
geschlossen habe.  Obgleich  die  Ausgabe  aufserordentlich  reich  an  Kon- 
jekturen ist,  so  nennt  sich  der  Herausgeber  doch  in  der  Textbehandlung 
konservativ,  insofern  er  diese  Vorschläge  nicht  in  den  Text  selbst  gesetzt 
hat,  sondern  in  die  Noten.  Für  Erklärung  sei  am  meisten  den  Philo- 
logen des  16.  Jahrhunderts  zu  danken  (Lambinus,  Fabricius,  Cruquius, 
Torrentius  u.a.).  Diejenigen  Gedichte,  welche  sich  auf  die  Geschichte 
der  römischen  Poesie  beziehen,  seien  von  keinem  seiner  Vor- 
gänger befriedigend  behandelt.  Kiefsling  tretfe  der  Vorwurf,  die 
Horazbiographie  wie  die  Enniusausgabe  des  Herausgebers  nicht  zu  Rate 
gezogen  zu  haben.  In  der  Interpretation  sei  besonders  berücksichtigt 
die  kritische  und  die  litterar-historische  Seite,  weniger  die  Realien. 

Die  Einleitung  giebt  eine  kurze  Geschichte  der  vorhorazischen 
Satire.  Ennius'  Satire  habe  nichts  gemein  mit  der  altrömischen,  nur 
dafs  auch  er  die  dialogische  Form  angewendet  habe.  Seine  Stoffe  waren 
manniclifach,  meist  ernst,  alle  Stilgattungen  umfassend  vom  Cynismus  bis 
zum  höchsten  Schwünge.  Lucilius  schafft  erst  den  Begriff  »Satire«  in 
unserem  Sinne  d.  h.  als  Lehrgedicht,  dessen  Stil  die  Umgangssprache 
der  Gebildeten  war.  An  ihn  schliefst  sich  Horaz  an,  als  er  41  n.  Chr. 
nach  der  Rückkehr  von  Philippi  aus  innerem  Drange  wie  durch  die  Not 
der  Zeit  mit  Dichtungen  hervortrat.  Es  entstanden  zuerst  s.  I  7,  dann 
I  2.  3.  4.  Wie  viel  Horaz  dem  Borystheniden  Bion  zu  danken  hat,  bleibt 
dunkel.  H.  liabe  gleich  Lucilius  die  beiden  Sonderausgaben  der  Satiren 
betitelt:  Saturarum  libri;  als  aber  später  die  Briefe  dazu  kamen,  war 
jene  Bezeichnung  nicht  mehr  passend,   daher  habe  er  die  ersteren  als 


Horatius.  47 

Sermon  es  bezeichnet,  nicht  in  Erinnerung  an  Bions  diazpcßat,  sondern 
weil  die  Gesprächsform  in  ihnen  so  bedeutend  vorherrsche.  S.  XXI  — XXX 
handelt  M.  eingehend  über  die  Metrik. 

Schon  äufserlich  betrachtet  zeigt  der  Text  durch  die  vielen  Kreuze, 
eckigen  Klammern  und  Zeichen  für  Lücken  eine  namhafte  Anzahl  von  Stellen, 
die  nach  L.  M.  verdorben  sein  sollen.  Von  Konjekturen  sind  in  den  Text 
folgende  aufgenommen:  I  2,  38  moechis  rem;  64  genero;  81  Cerin- 
tha,  tuo;  3,  20  haut;  71  amare;  121  nunc;  132  tonsor;  4,  33 
poetam;  5,  61  laeve;  6,  111  multis;  8,  29  manibus;  10,  4  isto; 
27  oblitos;  II  3,  86  Arri  et;  117  incubet  ulvae;  154  ingesta;  208 
cerebrique;  4,  45  adferat  atque  ars;  5,  103  illacrima;  e  rest; 
6,  58  egregium;  59  deperit;  7,  82  Signum;  88  in  quo;  8,  18 
miras;  30  porrexit  is.  —  In  Klammern  eingeschlossen  sind: 
I  2,  13  mit  Sanadon,  Lachmann  u.  a.;  3,  85  als  überflüssiger  Zusatz; 
5,  92  mit  Bentley;  II  2,  136  als  ganz  müfsiger  Zusatz;  3,  294  als  un- 
echt. —  Umstellungen  sind  vorgenommen  II  1,  48  und  49;  6,  17  ist 
nach  V.  19  gerückt  (mit  Kirchner).  Für  weitere  Umstellungen  tritt  der 
Kommentar  ein  zu:  I  10,  80,  hinter  welchem  Vers  »in  der  I.  Ausgabe 
wohl  V.  92  gestanden  sei«;  II  4  seien  die  Verse  37 — 39  vor  V.  45  ein- 
zuschalten; II  5  unterbräche  der  Abschnitt  von  V.  51 — 69  den  Zusammen- 
hang und  sei  wohl  vor  99  einzuschieben.  —  Lücken  soll  die  hs.  Über- 
lieferung mehrfach  bieten:   I  5  seien  vor  V.  34  einige  Verse  ausgefallen; 

I  6,  22  sei  eine  Lücke;  ebenso  II  3,  246;  ebenda  V.  280;  II  4,  47;  bei 
der  Umstellung  II  6,  17  scheine  gleichfalls  etwas  verloren  gegangen  zu 
sein;    einige  Verse   seien   vermutlich   auch  II  6,  23    ausgefallen;    ebenso 

II  6,  65  und  II  7,  64. 

An  einer  viel  gröfseren  Anzahl  von  Stellen  ist  die  handschriftliche 
Lesart  im  Texte  mit  einem  Kreuz  versehen;  wir  zählten  dieser  Art  gegen 
30  Stellen,  zu  denen  dann  im  Kommentar  Emendationen  vorgeschlagen 
werden;  zu  andern  wiederum  werden  Vorschläge  gemacht,  ohne  dafs  sie 
im  Texte  obelisiert  sind.  Es  würde  zu  weit  führen,  wenn  wir  die  ein- 
zelnen Konjekturen  alle  anführen  wollten.  Obwohl  der  Herausgeber  sie 
zu  begründen  sucht,  dürfton  doch  die  wenigsten  Anklang  finden.  So  um 
nur  einiges  anzuführen,  soll  I  1,  87  merearis  schlecht  überliefert  sein, 
weshalb  das  von  einigen  Hss.  gebotene  merearis  empfohlen  wird.  Aber 
der  Sinn  verlangt  doch  gerade  merearis,  nicht  merearis,  denn  vom 
kaufen  ist  keine  Rede,  wohl  aber  davon,  dafs  der  Geizhals  nur  den 
Mammon  kennt,  alles  andere  dagegen  hintansetzt.  Treffend  citiert  übri- 
gens Kiefsling  zu  d.  St.  nardo  vina  merebere  aus  c.  IV  12,  16.  —  I  2, 
33  eifert  L.  M.  wie  auch  3,  107  gegen  taeter  als  unhorazisches  Wort. 
Aber  spricht  nicht  auch  Catull  in  ganz  ähnlichem  Sinne  von  taeter 
morbus  =  araor?  Das  aus  B  entnommene  tecta  dagegen  (I  2,  33) 
scheint  in  diesem  Zusammenhange  ganz  unpassend;  abgesehen  von  dem 
Mangel  an  Belegstellen  für  den  Ausdruck  überhaupt,  versteht  man  nicht, 


48  Horatius. 

was  hier  die  geheime' Begierde  soll,  wo  lediglich  vom  geschlechtlichen 
Bedürlnis  die  Rede  ist.  Das  derbe  Wort  taeter  ist  auch,  wie  Mewes  zu- 
treffend bemerkt,  der  Sprache  des  borstigen  Cato  ganz  entsprechend.  — 
I  1,  29  soll  caupo  ein  Verderbnis  sein,  da  ofl'enbar  auf  die  V.  4 — 12 
geschilderten  Personen  Rücksicht  genommen  sei;  vielleicht  sei  perditus 
hie  causis  zu  lesen.  Ähnlich  werden  I  .3,  63—65  als  späteres  Ein- 
schiebsel betrachtet,  da  Horaz  in  den  Versen  55—95  die  verschiedenen 
Mängel  der  Freunde  nirgends  durch  konkrete  Beispiele  belege.  lu 
beiden  Fällen  wird  eine  bis  ins  kleinste  gehende  Concinnität  verlangt, 
die  doch  dem  Plaudertone  der  Satirc  eine  gar  zu  strenge  Fessel  anlegt. 
An  der  ersteren  Stelle  tritt  der  caupo  ein,  weil  eben  Horaz  den  vorher 
erwähnten  iuris  peritus  nicht,  wie  L.  M.  glaubt,  als  zünftigen  Advokaten 
betrachtet.  Das  erste  Mal  ist  von  der  Unzufri"Bdenheit  der  Menschen 
die  Rede,  von  V.  28  an  folgt  die  Erklärung  durch  die  Thatsache,  ilafs 
die  Menschen  von  Habsucht  erfüllt  seien.  Dafs  nun  die  Typen  für  die 
Jagd  nach  Gold  bis  ins  kleinste  die  nämlichen  sein  müssen  wie  jene  für 
die  Unzufriedenheit,  ist  um  so  weniger  nötig,  als  wir  in  den  Versen 
1  —  22  und  28—107,  wie  Heinze  und  neuerdings  Gercke  (Rh.  Mus.  1893 
S.  41ff.)  betont,  eigentlich  zwei  von  einander  ganz  unabhäugige  Themata 
haben.  —  Die  Eingangsverse  I  10,  1  —  8  hält  L.  M.  für  horazisch,  die 
8  Verse  seien  aber  später,  als  H.  das  erste  Buch  überarbeitete  um  es 
mit  dem  zweiten  herauszugeben,  getilgt  worden.  —  U  2,  55  schreibt 
L.  M.  nach  einer  Hs.  Feas  Aufidieiius  statt  Avidienus,  das  nur  von 
avidus  kommen  könnte  und  also  die  erste  Silbe  lang  haben  müfste.  Da- 
gegen wird  zu  Nasidienus  (II  8)  bemerkt,  es  lasse  sich  nicht  erweisen, 
dafs  dieser  Name  fingiert  sei.  Warum  soll  aber  dann  Avidienus  fingiert 
sein  und  von  avidus  hergeleitet  werden  müssen? 

In  der  chronologischen  Fixierung  der  einzelnen  Satiren  weicht 
L.  M.  mehrfach  von  der  landläufigen  Annahme  ab.  So  wird  I  1  ins  Jahr 
37  gesetzt,  weil  das  Gedi«  Iit  eine  gewisse  Befangenheit  zeige,  wie  sie 
II.  bei  der  ersten  Begegnung  mit  Mäcenas  zur  Schau  getragen;  1  3  ist 
40/39  angesetzt,  dazu  muls  aber  V.  G4  als  unecht  erklärt  werden;  die 
Reise  nach  Hrindisi  verlegt  M.  ius  Jahr  37  (Schütz:  Herbst  38;  als 
ältestes  Gedicht  betrachtet  M.  I  7,  das  41  verfafst  sei-  Während  Kiefs- 
ling  aus  der  »völligen  Objektivität  und  kühlen  Ruhe«  schliefst,  dafs  H. 
durch  die  Erinnerung  nicht  mehr  aufgeregt  werde,  meint  M.,  den  .\n- 
fänger  zeige  die  zu  umfängliche  Parenthese  (V.  10 — 18),  der  magere 
Witz  (V.  6)  und  die  dunkle  Darstellung  in  V.  7.  8.  10.  11.  27.  28  —  31. 
Man  wird  zugeben  müssen,  dafs  beide  Argumente  doch  zu  sehr  sub- 
jektiver Natur  sind  um  daraus  sichere  Schlüsse  zu  ziehen.  Dafs  das 
erste  Buch  aufser  l  und  7  nach  der  Zeitfolge  geordnet  sei,  wie  L.  M. 
p.  XXXI  sagt,  ist  nach  den  ungenügenden  Anhaltspunkten,  die  in  den 
Stücken  gegeben  sind,  weder  zu  bejahen  noch  zu  verneinen. 


HoratUis.  49 

lu  sachlicher  Hinsicht  zeichnet  sich  der  Kommentar  durch  aus- 
führliche Behandlung  der  formellen  und  besonders  der  metrischen  Eigen- 
tümlichkeiten aus.  Man  vergl.  die  Bemerkungen  zu  s.  I  2,  113  (über 
Synkope);  1,  5;  8;  83;  (gnatus);  2,  30  (zu  fornice);  3,  70  (hisce);  3,  101, 
(dein);  104  (über  die  Quantität  des  verbalen  o);  4,  93  (zu  li\idus);  115 
(über  die  Supina  auf  u);  II  2,  74  (Endung  is  im  Perf.  Conj.  und  II  Fut.) 
u.  V.  a.  Da  und  dort  verbreitet  sich  der  Kommentar  über  Dinge,  die 
für  Horaz  und  die  betr.  Stelle  ohne  Belang  scheinen.  So  steht  z.  B. 
n  6,  89  (über  ador) :  „Der  Genit.  des  Wortes  hat  sowohl  adöris  als 
adoris,  doch  findet  sich  meist  nur  der  Nom.,  cf.  Priscian  p.  700".  Zu 
s.  I  1,  40  (nil)  giebt  L.  M.  eine  ausführliche  Erörterung  über  das  "Wort 
nihil;  zu  I  6,  4  (imperitarent)  ist  von  induperare  des  Ennius  und  indu- 
perator  des  Lucilius  die  ßede.  —  Dai's  über  die  litterarhistorische  Seite 
eingehend  gehandelt  wird,  kündigt  der  Herausgeber  zum  voraus  an. 
Gerade  hier  wie  in  den  Abschnitten  über  die  Metrik  konnte  L.  M.  aus 
dem  Vollen  schöpfen  und  so  sind  denn  diese  Partien  (vergl.  zu  s.  I  4,  1 
über  Lucilius,  ebenso  I  10,  50  ff.  über  Lucilius,  Accius,  Enuius  etc., 
ir  5,  41  über  Furius,  II  8  über  Lucilius)  mit  erschöpfender  Aus- 
führlichkeit behandelt.  —  Neu  ist   in  der  eingehenden  Besprechung  von 

I  3  über  das  Verhältnis  des  Horaz  zu  Tigellius  die  Annahme,  dafs 
letzterer  zwar  eine  Neigung  zu  Extravaganzen  gehabt,  aber  eine  edle 
Natur  gewesen  sein   könne  und  dafs  ihm  Hör.  befreundet    war.  —  Dafs 

II  1,  85  (si  quis  opprobriis  dignum  latraverit)  dignum  adverbiales 
Neutrum  (=gebührend)  sein  soll,  von  dem  opprobriis  abhängig  ist, 
ähnlich  wie  certum  vigilans  u.  ä.,  ist  schwerlich  richtig;  das  nachfolgende 
integer  ipse  verlangt  eine  Charakterisierung  des  Angegriffenen  als 
eines  Menschen,  der  verdient  getadelt  zu  werden;  aufserdem  braucht 
latrare  im  Sinne  von  denotare  keiner  näheren  adverbialen  Bestimmung ; 
selbst  wenn  es,  wie  M.  glaubt,  nur  =  latratu  agnoscere  und  nicht 
=r  allatrare  ist,  kann  der  Sinn  durch  die  Angabe,  dafs  ein  opprobriis 
diguus  agnosziert  wird,  nicht  zweifelhaft  sein.  —  II  3,  72  wird  alienis 
malis  ridere  erklärt:  „er  lacht  so  herzhaft,  als  ob  er  mit  fremden 
Kinnbacken  lachte,  d.  h.  als  ob  er  den  Kinnbackenkrampf  nicht  zu 
fürchten  hätte."  Wir  glauben  nicht,  dafs  hier  vom  starken  Lachen  die 
Rede  ist;  wie  schon  Porphyrio  in  Erinnerung  an  das  homerische  Vor- 
bild erklärt,  ist  der  Ausdruck  wohl  nichts  anderes  als  nou  ex  animo 
ridebit.  —  II  6,  46  soll  rimosa  auris  nicht  von  einem  indiskreten, 
sondern  von  einem  gesunden  Ohr  zu  verstehen  sein,  das  mit  natürlicher 
Hörkraft  begabt  sei,  wie  purgata;  Gegensatz  sei  obtusa,  hebes.  Bei 
dieser  Auffassung  der  Stelle  scheint  aber  rimosa  ziemlich  müfsig  zu 
sein;  wenn  Hör.  ep.  I  1,  7  von  purgata  auris  spricht,  so  wird  das  Ohr 
als  für  die  leiseste  Mahnung  zugänglich  bezeichnet.     An  unserer  Stelle 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  LXXVI.  Bd.  (.1893.  n.j  4 


50  Uoratius. 

dagegen  ist  nicht  einzusehen,  weshalb  das  Ohr,  dem  mau  alltägliche 
Kleinigkeiten  sagt,  ausdrücklich  als  ein  gesundes  charakterisiert  wird. 
Von  einem  Gegensatz  zur  Taubheit  oder  Schwerhörigkeit  ist  doch  keine 
Eede.  Horaz  braucht  sich  nicht  gerade  als  unzuverlässigen  Schwätzer 
hinzustellen,  wenn  er  sagt,  seine  Unterhaltungen  mit  Mäcen  beträfen 
Dinge,  die  ohne  Gefahr  anderen  mitgeteilt  werden  kfjnnten;  rimosa  in 
aure  bene  deponere  ist  ein  hübsches,  zur  launigen  Schilderung  gut  passendes 
Oxymoron,  so  dafs  bene  deponere  und  rimosa  auris  ausdrücken, 
dals  diejenigen  Geheimnisse,  über  die  mit  Mäcen  gesprochen  wird,  jeder 
hören  dürfe ,  weil  sie  eben  nichts  geheim  zu  haltendes  betreffen.  — 
I  1,  8  (victoria)  ist  nach  M.  zu  beachten,  dafs  vincere  nicht  blofs  vom 
Besiegen  militärischer  Hindernisse  gilt,  da  diese  Worte  ein  vom  Sturm 
herumgeschleuderter  Kaufmann  spreche.  Aber  gerade  hier  kann  der 
Kaufmami  doch  nichts  anderes  meinen  als  den  militärischen  Sieg.  — 
Dals  I  1,  62  (quia  tanti  quautum  habeas  sis)  eine  Reminiscenz  aus 
Lucilius  sei,  ist  möglich;  Heinze  in  der  von  M.  eingangs  erwähnten 
Dissertation  p.  19  f.  hält  es  jedoch  für  unmöglich  zu  entscheiden,  ob 
liier  H.  aus  Lucilius  oder  aus  einer  griechischen  Quelle  schöpfte.  —  Die 
Übersetzung  von  indormis  (I  1,  71)  „Du  schnarchst"  liegt  in  dem 
Worte  und  auch  in  der  Situation,  die  geschildert  wird,  u.  E.  nicht  be- 
gründet. —  I  9,  13  fafst  M.  vicos  im  Sinne  von  „Dörfer,  Flecken"; 
„Stadtbezirke"  gebe  keinen  Sinn;  gleich  dai'auf  wird  pro sequar  (v.  16) 
für  besser  als  persequar  erklärt.  Wir  möchten  beide  Behauptungen 
bezweifeln.  Krüger  hat  persequar  mit  Eecht  als  zum  nachfolgenden 
quo  nunc  iter  est  tibi  viel  besser  passend  bezeichnet;  weshalb  das  vor- 
genannte vicos  =  „Stadtbezirke"  aber  keinen  Sinn  geben  soll,  ist  nicht 
zu  ersehen.  —  Entschieden  glücklich  sind  u.  a.  behandelt  I  1,  81  ad- 
fixit;  I  4,  44  magna  sonaturum;  I  10,  65  zu  urbanus;  II  7,  48 
intendit;  118,  7  (Interpunktion).  Da  und  dort  verwertet  M.  auch  seine 
russischen  Erfahrungen  (zu  I  6,  119;  II  2,  1J2;  3,  12). 

Im  Druckfehlerverzeichnis  vergessen  ist  I  4,  70  sim,  wofür  wohl, 
wie  die  Anmerkung  besagt,  s um  stehen  muls.  Das  Nachschlagen  würde 
erheblich  erleichtert,  wenn  oben  am  Rande  jeweils  Buch-  und  Ordnungs- 
zahl der  Stücke  notiert  wäre. 

Um  ein  abschlielsendes  Urteil  über  M.'s  Leistung  zu  erhalten, 
besonders  hinsichtlich  der  von  ihm  gegenüber  Kiefsling  in  Anspruch 
genommenen  Verdienste,  wird  man  erst  noch  die  unter  der  Presse 
befindliche  Ausgabe  der  Episteln  abwarten  müssen. 

J2)  Le  Epistole  di  Orazio,  commentate  da  R.  Sabbadini. 
Torino,  E.  Löscher.  1890.  143  S.  8.  —  Le  Satire  ibid.  1891.  140  S.  8. 

Unter  den  italienischen  Ausgaben  verdient  die  vorliegende  besondere 
Beachtung    durch    die  praktische  Anlage    wie  die  Selbständigkeit  der 


Iloratius.  51 

Arbeit.  8.  benutzt  zwar,  wie  er  iu  der  Vorrede  sagt,  die  bekamitestea 
unserer  deutschen  Ausgaben  und  Arbeiten  (Krüger,  Schütz,  Kiefsling, 
L.  Müller),  zeigt  aber  in  der  Interpretation  doch  eigenes  Urteil  und 
giebt  in  aller  Kürze,  was  die  Bedüi-fnisse  der  Schule  erheischen.  Den 
Episteln  gehen  Paraphrasen  in  Prosa  voraus,  deren  trefifliche  Ausführung 
der  Erklärung  am  besten  vorarbeitet,  den  Satiren  nur  kürzere 
Orientierungen  über  Inhalt,  Chronologie  und  Personalien.  Die  Text- 
behaudlung  bevorzugt  die  Blandinischen  Hss,  giebt  daneben  al)er  auch 
Konjekturen  grofsen  Spielraum.  S.  erwähnt  im  Vorworte  einige 
besonders:  s.  I  6,  102  (rusve  peregreve),  10,  5  (est);  19,  86  (Bibule); 
II  4,  19  (rausto);  ep.  I  2,  31  (cessantem);  18,  91/92  (nach  Meineke); 
II  1,  31  (olea);  2,  89  (huic  ut  Mucius  ille);  neu  werden  von  S.  vorge- 
schlagen: s.  I  1,  88  an  sie;  3,  9  saepe  velut  quis;  II  2,  29  carne 
tarnen  quom  avis  ducat  nil  haec  raagis  illa;  2,  84  ubi  quoi  (st.  ubique); 
ep.  I  6,  68  is  (=  iis)  st.  his;  II  2,  199  pauperies  immunda  procul 
demum  absit.  Nicht  in  den  Text  setzt  S.  folgende  weitere  Vorschläge : 
s.  II  1,  59  fors  si  ita;  3,  305  si  vis  st.  veris;  5,  79  venit  enim 
ambitum;  6,  59  luditur  st.  perditur;  ep.  I  19,  12 — 14  Quid?  sit 
quis  voltu  torvo  ferus  et  pede  nudo  Exiguaeque  togae  simulet  textura 
Catonem:  Virtutemue  .  .  .  Aufserdem  empfiehlt  S.  neue  Interpunktionen 
zu  s.  I  2,  80—82;  II  1,  49/51;  2,  2—4;  3,  201.  Von  all  den  neuen 
Konjekturen  möchte  Ref.  keine  einzige  empfehlen  zur  Aufnahme  in 
den  Text.  Hinsichtlich  der  chronologischen  Fixierung  der  einzelnen 
Gedichte  sei  erwähnt,  dafs  S.  den  Florusbrief  19  ansetzt,  die  ars  poet. 
aber  vor  ep.  I  19  datiert,  und  zw^ar  deshalb,  weil  nocturno  certare 
mero  putere  diurno  (ep.  I  19,  11)  „die  Karikatur  von  nocturno 
versate  manu  versate  diurna  (a.  p.  269)  sei;"  der  terminus  ante 
quem  für  die  ars  poet.  sei  damit  jedenfalls,  da  ep.  I  19  zwischen 
23  und  20  falle,  gegeben.  Bekanntlich  wird  die  ars  poet.  wie  auch 
ep.  II  2  von  vielen  früher  als  das  carm.  saec.  angesetzt,  ja  die  ars  poet. 
früher  als  alle  anderen  Episteln  überhaupt ;  das  von  S.  vorgebrachte 
Argument  scheint  uns  jedoch  am  wenigsten  stichhaltig.  Übrigens  ist 
die  ars  poet.  selbst  in  die  Ausgabe  S.'s  nicht  aufgenommen. 

De)'  Kommentar  ist  sorgfältiger  und  besser  als  in  den  landläufigen 
italienischen  Ausgaben  ähnlicher  Art.  Dem  praktischen  Bedürfnisse 
entgegenkommend,  begnügt  sich  S.  häufig  mit  einem  Winke  für  gute 
italienische  Übersetzung.  Durch  die  Vorw'egnahme  des  Gedankenganges 
der  einzelnen  Gedichte  in  den  voranfgeschickten  Einleitungen  kann  sich 
S.  auf  eine  knappe  Worterklärung  beschränken,  die  denn  auch  überall 
Vertrautheit  mit  dem  Dichter  zeigt.  Einzelnes  bleibt  allerdings  zu 
beanstanden.  Dafs  s.  I  6,  117  echinus  als  Salzfafs  verstanden  wird, 
mufs  doch  bestritten  werden.     Der  Comment.  Cruq.,  der  vom  vas  salis 

4* 


52  Horatlus.  v 

spricht,  irrt  hier  allem  Anschein  nach;  Acro  nud  Porphj'rio  und  auch 
fast  alle  neueren  Erklärer  verstehen  darunter  irgend  ein  Gefäls,  das 
hei  Bereitung  des  Tischtrunkes  eine  Rolle  spielt.  Horaz  spricht  au  der 
»Stelle  von  bescheidenem  Aufwand  beim  Essen,  aber  immerhin  von 
Aufwand,  und  nennt  dabei  lauter  Dinge,  die  auf  die  Einfachheit  des 
Mahles  schliefseu  lassen  (3  Sklaven,  duo  pocula  cum  cyatho,  cum 
patera  guttus).  Dabei  kann  er  wohl  nicht  vom  Salzfafs  reden,  denn 
das  ist  so  selbstverständlich,  dafs  es  auch  der  Ärmste  hat,  vergl.  s.  I  3, 14. — 
s.  I  4,  21  verstellt  S.  nitro  delatis  capsis  vom  Herab  tragen  nach 
den  Läden,  das  Fannius  selber  besorge;  ultro  sei  =  porto  da  se.  Aber 
kann  er  denn  überhaupt  alle  Exemplare  tragen  und,  vor  allem,  macht 
denn  das  so  glücklich,  wenn  er  statt  seines  Sklaven  die  Rollen  trägt? 
Da  und  dort  stimmen  Text  und  Kommentar  nicht  zusammen. 
So  steht  s.  I  10,  13  urbane  im  Text,  während  der  Kommentar 
urbaui  erklärt;  ebenso  II  1,  79  diffingere  im  Text,  diffiudere  im. 
Kommentar. 

13)  Quindecim  carmina  Horatii,  edidit  B.  D.  Christiania 
1891.     79  S.     kl.  8. 

Enthält  15  Oden  aus  den  3  ersten  Büchern  mit  nebenaustehender» 
im  Versmals  des  Originals  wiedergegebener  norwegischer  Übersetzung. 
Die  Ausstattung  ist  noch  hübscher  als  Ecksteins  bekannte  Ausgabe  für 
Bibliophile. 

Dem  Titel  nach  führen  wir  noch  au: 

14)  Miquel  R.  de:  Exposicion  grammatical,  critica,  lilosofica  y 
razonada  de  la  Epistola  de  Horacio  Flaco  ä  los  Pisones,  y  traduccioii 
en  verso  castellauo.     Madrid,  Jubera.     8.     114  p. 

15)  Horaz,  Oden.  Russ.  Ausgabe  mit  Einleitung  und  Über- 
setzung  von    D.    Naguiewski.     Kasan.     1891.     8.     250  S.     4  M. 

II.     ÜbersetzHiigen. 

10)  Horaz  in  deutscher  Übertragung  von  L.  Behrendt. 
Mit  beigefügtem  Originaltext.  I.  Teil:  Oden  und  Epoden.  Zweite 
Auflage.  Berlin  1890.  C.  W.  L.  Behrendt.  272  S.  II.  Teü:  Plaudereien 
(Sermones).  1891.  140  S.  III.  Teil:  Ansprachen  (Episteln).  1891. 
132  S.    H. 

Vorliegende  Übersetzung  ist  in  mehr  als  einer  Hinsicht  beachtens- 
wert und  originell.  Was  die  Oden  und  Epoden  angeht,  so  sind  sie 
nicht  nur,  wie  übrigens  auch  Satiren  und  Episteln,  im  Metrum  des 
Originals  übersetzt,  sondern  sie  enthalten  auch  den  Reim.    Diese  Ver- 


Horatius.  53 

biuduDg  antiker  und  moderner  Prinzipien  bot  nicht  geringe  Schwierig- 
keiten, die  auch  ein  unleugbares  Sprachtalent  nicht  immer  zu  überwinden 
vermag.  So  besonders  bei'  jenen  metrischen  Schemata,  wo  mit  der 
Kurzzeile  die  Langzeile  durch  den  Reim  verbunden  ist.  Wir  nennen 
beispielshalber  I  36: 

Die  treuwaltend  sich  ihm  erprobt, 
Bringt  den  Göttern  nunmehr  Opfer,  wie  wir's  gelobt I 

Weihrauch  dampfe,  ihr  Saiten  klingt! 
Kehrt  von  Spanien  ja  Numida  heim  und  bringt 

Küsse  allen  mit,  die  er  liebt, 
Seinem  Lamia  doch  mehr,  als  er  allen  giebt. 

In  der  3.  Asklepiadeischen  Strophe^Teimen  V.  1  und  2,  3  und  4, 
in  der  Sapphischen  Y.  1  mit  dem  kurzen  Adonius,  und  V.  2  mit  3. 
Dals  hierbei  die  Reime  an  Reinheit  oft  viel  zu  wünschen  übrig  lassen 
(wissen  —  müssen,  bedient  —  sühnt,  fest  —  läfst,  schweren  —  hören, 
umringelt  —  gezüngelt,  nennst  —  glänzt,  müden  —  Danaiden),  ist  wohl  zu 
begreifen.  Auch  an  Formen  wie  „seufzst",  „verhunzt",  „geh  brechen"  u,  a. 
fehlt  es  nicht;  der  Rhjthmus  wird  nicht  selten  gestört.  Man  achte 
z.  B.  in  der  Schlufsstrophe  von  c.  II  14  auf  den  Ictus  des  letzten  Verses: 

Mit  hundert  Schlössern  hütest  Du  Deinen  Wein: 
Zu  würd'gerem  Brauche  wird  einst  der  Erbe  Dein 

Mit  Stoff,  den  Priester  kaum  verprassen, 

Den  Mosaikgrund  sich  färben  lassen.    (— uu— uu— u— u) 

Bei  alledem  ist  grosse  Beherrschung  und  Gewandtheit  der  Sprache  un- 
verkennbar; die  Überschriften  der  Gedichte  sind  durchweg  glücklich 
gewählt. 

Neu  und  originell  ist  die  Wiedergabe  der  Satiren.  B.  hat  nämlich 
die  überlieferten  Namen  durchweg  in  der  Art  umgestaltet,  dals  die 
von  ihm  eingesetzten  griechischen  Namensformen  einen  Gleich- 
klang mit  den  überlieferten  zeigen.  Wie  er  anderswo  ausführt,  ist  der 
uns  erhaltene  Text  entstellt,  besonders  dadurch,  dafs  die  von  H.  ge- 
brauchten griechischen  Worte  ausgemerzt  wurden  und  an  deren  Stelle 
ähnliche  römische  traten.  Die  von  B.  repristinierteu  griechischen 
Namen  zeichnen  den  Charakter  der  geschilderten  Personen.  So  ist  die 
Rede  s.  I  4,  28  von  einem  „Prachtmann"  (Olbius),  51  von  „Querköpfel" 
(Paraphronius) ,  66  von  „Hechler"  (Sillius)  und  „Foppner"  (Coprias), 
69  von  „Raffbeut  u.  Stipitzner"  (Scylius  u.  Phorius),  72  von  „Ausdeutbold 
Stichelierers  Gelichter«  (=  vulgi  Hermenisque  Stigelli).  Aus  dem 
Gargonius  (c.  92)  wird  ein  „Grasonius  =  Schweifsachsler".  Aus  dem 
Satze:  Thraex  est  Gallina  Syro  par  (s.  II  6,  44)  wii'd  gar  ein  ganzer 
Satz:  ,,Tp'j;  ia-i,  ydhq  y.7.-'  oiruipav  .  .  =  das  ist  Most;  was  noch  di'aus 
wird,  das  ist  fraglich."     Bei  aller  Anerkennung  der  Konsequenz,    mit 


54  lloratius. 

der  B.  seine  Theorie  diircliföhrt,  können  wir  dieselbe  doch  nur  als  eine 
kühne,  kaum  ernst  zu  nehmende  Hypothese  betrachten. 

17)  Q.  Horatius  Flaccus  Werke.  Deutsch  in  den  Versweisen 
der  Trschrift  von  "W.  Binder.  Berlin.  Langenscheidt.  8.  verbess, 
Aufl.  T.  Oden  und  Epoden.  176  S.  5.  Aufl.  1885.  II.  Sat.  und 
Epist.     140  S.     8. 

Im  GegenstTtz  zu  Karstens  (s.  N.  20)  Bearbeitung  hält  sich  Binders 
in  vielen  Auflagen  vorliegende  Übersetzung  sehr  genau  an  den  Text  des 
Originals.  Die  voraufgehende  Einleitung  handelt  eingehend  über  das  Leben 
des  Dichters  (S.  1 — 22).  Poetisches  Kolorit  lälst  sich  der  Übersetzung  nicht 
nachrühmen;  dafür  aber  ist  sie  um  sie  treuer.  Formen  wie  ,,Liberu" 
als  Akkusativ  (c.  I  32,  9)  oder  „fernen"  für  entfernen  könnten 
wohl  beseitigt  werden.  Au  Druckfehlern  fallen  auf  Larissos  (c.  17,  11), 
versucht  st.  versuch  (c.  I  11,  3). 

18)  Horaz'  ausgewählte,  auf  Gymnasien  zumeist  ge- 
lesene Oden,  Epoden,  Satiren  und  Briefe,  in  den  Versmafsen 
der  Urschrift  verdeutscht  und  mit  erklärenden  Anmerkungen  versehen 
von  K.  J.  Creutz,  Kgl.  Oberstabsarzt  a.  D.,  Kreispliysikus  und 
Sanitätsrat.     Ausgabe  zum  Schulgebrauch.     Eupen  1890.     72  S.     8. 

Wie  die  Vorrede  bemerkt,  ist  die  Übersetzung  einer  von  Prima 
an  gehegten  Vorliebe  für  den  Dichter  entsprossen;  manche  Entwürfe 
reichen  zurück  bis  in  die  Kriegsjahre  1866  und  1870,  wo  C.  auch  mitten 
im  Ki'iegs-  und  Lagerleben,  am  Feuer  des  Feldlagers  seinen  Dichter 
nicht  vergafs.  Die  Übersetzung  selbst  ist  allerdings  nicht  ohne  grofse 
-Mängel  und  es  tritt  hier  wieder  die  öfter  gemachte  Wahrnehmung  deutlich 
hervor,  dafs  eine  Übersetzung  in  den  Versmafsen  des  Originals  ein 
nngewöhnliches  Sprachtalent  beansprucht,  wie  es  nur  wenigen  beschieden 
ist.  Hätte  sich  Cr.  entschliefsen  können,  ein  modernes  Gewand  für  die 
Oden  und  auch  für  die  Satiren  zu  wählen,  so  wäre  seine  Arbeit  vielleicht 
dankbarer  geworden. 

Störend  wirkt  zunächst  die  häufige  Wortbrechung  am  Ende  der 
Verszeilen  wie: 

I   12,  13  Wa.s  .sollt  eh'r  ich  singen,  als  wie  gewohnt,  All- 
vaters Lob     .  .  . 

I  22,  7     Durch  die  Steppen,   welche  bespült  der  sagen- 
hafte  Hydaspes. 

I  27,  5     Zuvor  war's  Frevel,  CUcuber  aus  der  ür- 
grossväter  Kellerräum  zu  entnehmen,  als 
der  P'ürstin  Wahn  dem  Capitole  .  . 


Horatius.  55 

Auch  in  eleu  Satiren  öfter,  wie: 

I  1,  37  Diese  jedoch  kriecht  nicht  mehr  hervor,  wenn  umdüstert  der  Wasser- 
mann das  sich  neigende  Jahr  .  . 

I  6,  121  Dass  ich  morgen  schon  früh  aufstehn  und  den  Marsyas  muss  auf- 
suchen .  . 

Gleich  darauf  ist  getrennt :  früh  —  stücke  etc.  Auch  die  cäsurlosen 
Verse  klingen  recht  hart: 

c.  I  1,  G  ff.  Zu  den  Göttern  emporjjhebt,  zu  den  Herren  der  Welt  .  .  . 
Jenen,  wenn  er  sich  aufjspeichert  in  eigner  Scheun, 
Was  von  Libyens  Frucht||böden  zuhauf  man  kehrt. 

Verkehrte  Wortstellung  findet  sich  gar  zu  häufig :  z.  B.  c.  I  35,  36 : 
Wovon  aus  Gottesfurcht  die  Jugend  die  Hand  zurückhielt? 

s.  I  1,  67:  Das  Volk  mich  auszischt  (als  Hauptsatz),  c.  IV  7,  3: 
Wechselt  die  Erd  ihr  Kleid  st.  die  Erde  wechselt  u.  v.  a.  Während 
Grazie  zweisilbig  gebraucht  ist  (c.  IV  7),  ebenso  Ausdaur  (c.  I  7), 
findet  sich  lasset  (s.  I  6,  78),  Nachbaren  (s.  I  1,  86),  Schwesteren 
(c.  IV  7,  5)  aber  Ikarerwelln  (c.  I  1,  15). 

Sprachwidrig  ist  auch:  „Knaben  vou  Stand,  die  links  am  Arme 
Tafel  und  Schultasch  hingen"  (s.  I  6,  75),  oder  ,, nicht  ihrer  die 
Schuld  sei"  (s.  I  6,  91).  Falsche  Betonung  enthalten  schon  die  oben 
gegebenen  Proben;  da  und  dort  wären  sie  aber  mit  geringer  Änderung 
zn  vermeiden  gewesen,  so  z.  B.  c.  I  9,  1:  Siehst  Du,  wie  weifs  dort 
raget  im  hohen  Schnee,  statt:  Du  siebst  . . .  Hexameter  wie  (s.  I  6, 108): 

Reiter  den  Biig.    Niemand  mir  schmutzigen  Geiz  wie  dem  Tillius 
oder  (s.  I  1,  114  ff.): 

.  .  .  der  sich  nicht  dem 

Gröfseren  Haufen  vergleicht,  der  arm  ist,  sondern  jetzt  dem, 

Dann  dem  trachtet  zuvor  es  zu  thun  .  .  . 

enthalten    doch    einen    unleidlichen  Widerstreit    zwischen    JVIetrum    und 
Wortsinn. 

An  Druckversehen  fehlt  es  nicht.  Die  Einleitung  spricht  vom 
zweiten,  durch  Octavian,  Antonius  und  Crassus  geschlossenen  Triumvirat; 
Marsyas  wird  S.  59  in  der  Anmerkung  als  Sylanus  bezeichnet;  mehrfach 
steht  epikureisch;  zu  verbessern  sind:  Klytemnestra,  Taliarchus, 
Bachus,  Char/bdis  etc.  —  Einen  Hügel  Quirinus  (S.  72)  giebt  es 
nicht.  —  Dafs  die  6  sog.  Römeroden  (III  1 — 6)  sich  nicht  auf  einen 
besonders  hervorzuhebenden  sittlichen  Inhalt  beziehen,  dafs  sie  ferner 
keine  innere  Einheit  haben  und  mit  den  von  Augustus  beabsichtigten 
oder  erlassenen  Gesetzen  über  Staats-  und  Verwaltungseinrichtungen, 
Verbesserung  der  Sitten  in  keinem  Zusammenhang  stehen,  wird  S.  24 
doch  nicht  genügend  erwiesen. 


5(j  Horatius. 

Die  auf  dem  Titelblatt  beigefüg-te  Notiz:  ,Aiisgabe  für  den 
Schulgebrauch'  verstehen  wir  nicht. 

19)  B.  Fahland:  Gereimte  Übersetzungen  einiger  Stellen  röra. 
und  griech.  Dichter.  Progr.  des  Gym.  Greifenberg  i.  Pommern,  1889. 
20  S. 

Die  Sammlung  enthält  aus  Horaz  nur  2  Stücke:  c.  III  30  uud 
epod.  2.  "Wie  Verf.  im  Vorwort  selbst  sagt,  glaubte  er  dem  Geschmacke 
der  Leser  dadurch  gerecht  zu  werden,  dafs  er  die  äuisere  Form  des 
Originals  geändert,  auf  wortgetreue  Wiedergabe  überhaupt  verzichtet 
hat  und  nicht  nur  Reim  und  Stropheneinteilung  anwendet,  sondern  auch 
vom  Inhalt  des  Originals  manches  wegläfst,  anderes  wiederum  weiter- 
ausführt, c.  III  30  ist  in  dieser  Weise  im  ganzen  gefällig  in  Verse 
gebracht  („übersetzt"  kann  man  es  nicht  nennen);  epod.  2  dagegen 
will  uns  trotz  aller  in  Anspruch  genommenen  Freiheit  doch  recht  trocken 
erscheinen.     Wir  eitleren  2  Strophen: 

Nicht  das  Perlhuhn  würde  so  behagen, 
Noch  das  Haselhuhn  aus  Attika, 
Als  des  Oelbaums  saft'ge  Frucht  dem  Magen, 
Die  er  sieht  auf  seinem  Tische  da. 

Als  Gemüse,  das  der  Gaumen  achtet, 
Weil  es  für  ihn  ist  gesund  und  süfs, 
Als  das  Lamm  am  Erntefest  geschlachtet 
Und  der  Bock,  den  er  dem  Wolf  entrifs. 

20)  Horaz.  Seine  Lj'rik.  Übertragen  von  Joh.  Karsten. 
4.  Ausgabe.     Hagen  1.  W.     1890.     223  S.     8. 

Im  Vorwort  sagt  der  Verf.,  dafs  Horaz  schon  oft  übersetzt, 
aber  noch  nicht  im  eigentlichen  Sinne  übertragen  worden  sei.  Um 
den  Gedankeninhalt  klar  und  verständlich  zu  macheu,  müsse  eine  dem 
deutschen  Sprachgeiste  entsprechende  Form  gewählt  werden,  wobei 
allerdings  anscheinende  Willkürlichkeiten  nicht  zu  umgehen  seien.  Statt 
trockener  Randglossen  über  die  vielfachen  Anspielungen  und  scheinbar 
absichtslosen  Bemerkungen  des  Dichters  sei  es  vorzuziehen,  diese  „auf 
möglichst  unverdächtige  Weise  mit  in  den  Text  aufzunehmen"  (p.  IX). 
Wir  haben  es  daher  hier  weniger  mit  einer  Übersetzung  der  Oden  als 
mit  einer  freien  Bearbeitung  Horazischcr  Gedanken  zu  thun.  Und  da 
läfst  sich  nicht  leugnen,  dal's  K.  oft  mit  grofser  Gewandtheit  und  poetischer 
Färbung  Horazische  Lieder  interpretiert,  c.  I  7  z.  B.  ist  meisterhaft 
und  auch  ziemlich  -im  Anschlüsse  an  den  Horazischen  Text  bearbeitet; 
der  scherzhafte  Ton  der  Ode  an  Merkur  (I  10)  ist  wohl  getroffen.  Die 
leichteren  modernen  Rhythmen,  zu  kunstvollen  kürzeren   und  längeren 


Horatius.  57 

Strophen  gereimt  verhimden,  gestatten  freiere  Bewegung  auch  in  Wieder- 
gabe des  Gedankens.  Bald  wii-d  eine  Ausführung  des  Originals  ganz 
fortgelassen  (so  ist  c.  I  4  das  von  Lycidas  Gesagte  ganz  weggelassen; 
ebenso  der  Schluls  von  I  5  u.  v.  a.),  bald  wird  ein  bei  Horaz  ange- 
schlagener Gedanke  breiter  ausgesponnen,  wodurch  allerdings  nicht 
selten  fast  ganz  neue  Gedichte  entstehen.  Aus  den  8  Zeilen  der  Ode 
an  Leuconoe  ist  ein  Gedicht  von  9  Strophen  geworden  mit  teilweise 
ganz  neuen  Gedanken,  c.  I  18,  „Beim  Wein"  überschrieben,  ist  zum 
Wechselgesang  (Horaz  und  Chor)  geworden,  der  14  Strophen  umfafst. 
c.  I  8  („Die  Diebin«  betitelt)  beginnt: 

Was  hast  Du  denn  aus  Sybaris  gemacht? 
Er  ward  ja  fast  ein  Sybarit  .  .  . 
Achill  geworden,  der  bei  Weibern  weilt; 
Achill  gewesen,  kampfergrimmt. 

c.  I  21  („Fragment"  überschrieben)  verteilt  K.  auf  4  von  ,,Volk,  Jüng- 
linge, Jungfrauen,  Alle"  vorgetragene  Strophen;  I  28  („Morituri")  zer- 
fällt in  zwei  Teile:  1)  Der  Schiffer,  vor  dem  Grabmale  des  Arch5'ta3 
an  der  Küste  vor  Calabrien,  2)  Ein  Schatten.  —  Zu  I  16,  13  ff.  er- 
geht sich  K.  in  folgender  Ausführung: 

Als  einst  Prometheus  Menschen  schuf. 
Da  fehlt  es  ihm  an  Lehm; 
Ein  Anlehn  war  zu  dem  Behuf 
Bei  Tieren  ihm  bequem. 

Vom  Löwen  nahm  er  etwas  Wut; 
Vom  Fuchs  ein  wenig  List; 
Vom  Hasen  Kärglichkeit  an  Mut; 
Vom  Schwein  Gesinnungsmist. 

Und  diesen  Zug  vom  Tiere  hat 

Der  Mensch  noch  nicht  verwischt; 

Noch  frifst  man,  gleich  dem  Schwein,  sich  satt, 

Wird  danach  aufgetischt. 

Noch  ist  das  Tier  in  uns  uns  lieb; 
Nicht  allen,  manchen  nur; 
Denn  mancher  zähmt  noch  nicht  den  Trieb 
Der  tierischen  Natur. 

Die  Furchtsamkeit  des  Hasen  ist 
Bei  manchem  nicht  erstickt; 
Und  manchen  macht  des  Fuchses  List 
Zu  manchem  noch  geschickt   .    .    . 


5ft  Horatius. 

Da  niid  dort  ist  freilich  der  Ausdruck  recht  ungewöhulicli.     So  wenn 
K.  von  „einheriiaheu"  (c   14,  4)  spricht,  oder  wie  es  c.  I  9  heifst: 

Siehst  Du  den  Sorakte  ragen, 
Aus  dem  Schnee  i*   und  Wälderreihn, 
Welche  kaum  die  Schneelast  tragen? 
Freuen  wir  uns,  einzuschnein! 

Neu  sind  Bildungen  wie  „Ge mächt"  für  Macht  (c.  1 12,  2.  Strophe) 
oder  Konstruktionen  wie:  ,, Pallas  mag  die  Nächste  sein,  der  sich 
Ehrfurcht  leiste". 

21)  Das  dritte  Buch  der  Oden  des  Horaz  in  freier  Nach- 
bildung von  H.  Lei  sc  ring.  Progr.  des  Sophien -Realgym.  Berlin 
(Gärtner)  1891.     24  S.     4. 

Der  erste  Teil,  Buch  I  und  II  umfassend,  ist  bereits  von  Hirsch- 
felder (Jahi'esber.  1884 — 87  S.  80  f.)  als  wohlgelungene  Übertragung 
bezeichnet  worden.  Auch  die  hier  vorliegenden  Gedichte  können  als 
meisterhafte  Leistungen  zu  dem  besten  gezählt  werden,  was  die  Über- 
setzungslitteratur  bietet,  und  es  wäre  zu  wünschen,  dafs  durch  Her- 
stellung einer  handlichen  Buchform  diese  Proben  dem  flüchtigen  Lose 
der  Programmlitteratur  entrissen  und  einem  gröfseren  Kreise  zugänglich 
gemacht  würden.  In  der  kurzen  Vorbemerkung  betont  L.,  dafs  er  im 
allgemeinen  möglichsten  Anschlufs  an  den  Text  gesucht  und  nur  da  sich 
kleine  Freiheiten  gestattet  habe,  wo  der  Geist  und  Zweck  dieser  Nach- 
bildung es  gebieterisch  forderte.  Da  er  selbst  seine  Übersetzung  eine 
Nachbildung  nennt,  so  darf  man  gegen  die  allerdings  grofse  Freiheit 
hinsichtlich  der  Textesworte  nichts  einwenden,  um  so  weniger,  als  die 
Sprache  durchweg  sehr  gewandt  und  geschmackvoll  ist.  Wir  führen 
als  Probe  den  Eingang  von  III  21  an: 

Altersgenosse  aus  Manlius'  Jahre, 

Ob  für  uns  Jammer  Dein  Bäuchlein  bewahre, 

Ob  draus  entsteige  uns  sprudelnde  Lust, 
Magst  Du  zum  Tüfteln  die  Geister  bewegen. 
Wildesten  Kitzel  der  Liebe   erregen, 

Senkst  Du  in  Schlummer  die  friedliche  Brust  .  .  . 

22)  Horazische  Oden  des  III.  n.  IV.  Buches  in  freier 
Nachdichtung  von  Wiesner.  Progr.  d.  ev.  Fürstenschule  zu  PI  eis. 
1891.     29  S.     4. 

Übersetzt  werden  in  8.  9.  11.  16.  23.  24.  28.  29.  30.  IV  2.  3. 
7.  8.  9.  12.  13.   14.  15. 

Die  meisten  Übersetzungen  sind  in  vierfüfsigen  .Jamben  gehalten. 
Doch  springt  W.  nicht  selten  dabei  in  dactylisch-trochäischen  Rhythmus 


Horatius.  59 

hinüber.      So    gleich   III  8    (Was   schmückt    am   heiligen   Feste    der 
Frauen  |  Der  Junggeselle  mit  ßosen  das  Haar?),  wenn  es  v.  16  lautet: 

Trink  auf  den  Freund  heut  hundert  Pokale, 
Denn  er  wurde  vom  grausigen  Tode  befreit  .  .  . 

Umgekehrt  wechselt  fallender  Rhythmus  mit  steigendem  in  Übersetzungen 
wie  zu  III  9.     Wie  soll  z.  B.  betont  werden  in  Versen: 

Calais,  der  herrliche  Sprols 
Eines  T huriners,  des  Ornytos, 
Liebt  mich  jetzt  mit  flammender  Glut, 
Und  ich  bin  ihm  von  Herzen  gut  .... 

oder  gar  III  24,  wo  Strophe  7  lautet: 

Will  jemand  die  Wut  der  Bürger  vertreiben 

Und  die  ruchlose  Lust,  die  zum  Morden  entbrannt. 

Will  er,   dafs   wir  auf  Marmor  schreiben: 

Er  hat  gerettet  sein  Vaterland! 

oder  IV  2: 

Dich  befrein  vom  Gelübde  zehn  Kühe  und  Stiere, 
Ich  werde  durch  ein  Kälblein  befreit, 
Das  der  Mutter  beraubt  in  dem  grünen  Reviere, 
Zu  meinem  Opferschmause  gedeiht. 

IV  14,  29  wii-d  Claudier  ^u—  gemessen,  v.  43  Italien  xjj_\jj_, 
Gallier  j_^j  jlu.  a. 

Die  Übersetzung  klingt,  wie  schon  die  Proben  zeigen,  im  ganzen 
sehr  prosaisch.     Man  nehme  z.  B.  III  24  gegen  Schluis: 

Und  verbotenes  Würfelspiel  macht  ihm  Vergnügen, 
Indessen  der  Vater  auf  Meineid  bedacht, 
Danach  trachtet,  den  Freund  und  den  Gast  zu  betrügen. 
Und  so  dem  Sohne  Vermögen  macht. 

Der  Ausdruck  ist  nicht  immer  korrekt,  wie  „den  Korken  schnüren"  (III  8, 
10).  —  „Durch  deren  Macht,  So  wie  sie's  verdient,  Die  Centauren  gefallen, 
Und  Chimära,  die  flammende,  umgebracht"  (IV  2,  16).  —  ,,Wen  Du 
bei  seinem  Eintritt  in  das  Leben  Mit  holdem  Blick,  o  Muse,  schautest 
an.  Wird  nicht  im  Faustkampf  nach  dem  Siege  streben"  (IV  3  1  IT.).  — 
Falsch  ist  u.  a.  III  24,  19  gegeben  mit: 

Dort  sind  die  Frauen  noch  nicht  verdorben, 
Sie  schauen  mit  liebendem  Blicke  noch  au 
Die  Kinder,  denen  die  Mutter  gestorben, 
Und  arm,  beherrschen  sie  nicht  den  Mann. 


(*,( )  Horatius. 

23)  Q.  Horatius  Flaccus.  Deutsch  von  C.  Bardt.  I.  Teil: 
Zwölf  Satiren.  Das  Buch  von  der  Dichtkunst.  Bielefeld  und  Leipzig, 
Velhagen  &  Klasing.     1890.     125  S.     8. 

Der  schon  1866  erschienene  II.  Teil,  welcher  die  Episteln  um- 
t'alst,  ist  bereits  im  Jahresber,  für  1884 — 87  besprochen.  Dem  dort 
gespendeten  Lob  kann  auch  für  diesen  Teil  durchaus  beigepflichtet 
werden.  Treu  in  der  Wiedergabe  des  Gedankens  und  im  Tone,  spricht 
B.  doch  eine  auch  dem  Modernen  deutliche  Sprache  und  sein  Wunsch, 
den  Deutschen  des  19.  Jahrh.  so  vernehmlich  zu  sein,  wie  etwa  Horaz 
mit  seinen  Versen  auf  seine  Zeitgenossen  gewirkt  hat,  darf  wohl  als 
erfüllt  bezeichnet  werden.  Der  von  B.  gewählte  fünffülsige  Jambus 
(nur  I  5  ist  in  freieren  vierfüfsigen  Rhythmen  gehalten)  eignet  sich  für 
diese  geistreichen  horazischen  Causerien  in  der  That  weit  besser  als 
der  gemessene  daktylische  Hexameter.  Aus  der  Charakteristik  des  ßuso 
(s.  I  3,  87-89)  macht  z.  B.  B.  folgende  hübsche  Fufsnote: 

Der  Leser  weifs  gewifs  von  dem  kein  Jota, 

Drum  sag  ich's  ihm  in  einer  kurzen  Nota, 

Der  Mann  war  reich  und  Dichter  vierter  Sorte, 

Er  lieh  auch  aus  für  Geld  und  gute  Worte. 

Und  jeder  mufst'  am  ersten  pünktlich  zahlen. 

Ob  Kapital,  ob  Zins  von  Kapitalen. 

Wer  nicht  bezahlte,  kam  nicht  ins  Gefängnis, 

Doch  harrte  sein  noch  härtere  Bedrängnis, 

Zur  Schlachtbank  ward  er  wie  ein  Schaf  getrieben 

Und  hfiren  mufst  er,  was  der  Manu  geschrieben. 

Auffallend  ist  der  etwas  reiche  Gebrauch  von  Fremdwörtern,  wie:  „als 
manche  Granden  unsres  Orts";  „die  liefs  man  nur  bei  Flavius  in- 
formieren** u.  a.  Immundus  Natta  (I  6,  124)  giebt  B.  mit: 
„Das  Natta  aus  den  Lampen  stiehlt,  das  Schwein"!  Als  ganz  be- 
sonders gelungen  mufs  die  Wiedergabe  der  ars  poet.  bezeichnet  werden 
(..Zerstreute  Betrachtungen  eines  weiland  Poeten,  zukünftigen  zur  Lust 
und  Lehre");  ausgelassen  sind  I  2.  7.  8.  II  4.  7.  8. 

24)  Die  Briefe  des  Q.  Horatius  Flaccus  im  Yersmafs  der 
Urschrift  verdeutscht  von  A.  Bacmeister  und  0.  Keller.  Leipzig, 
Teubner.    1891.     IV.     100  S. 

Adolf  Hacmeisters  eminentes  Übersetzertalent  ist  unbestritten 
anerkannt  und  seine  Horazübersetzung  zählt  zu  dem  Besten,  was  wir 
in.  dieser  Hinsicht'  haben.  Leider  umfafste  diese  nur  die  Oden  und 
Epoden;  die  Episteln,  die  bei  seinem  Tode  (1873)  im  Nachlasse  sich 
faiiden,  waren  unvollendet  und  bedurften  mancher  Korrektur,  ja  manche 


Horatius.  Gl 

Teile  mulsten  erst  noch  übersetzt  werden.  Dieser  Arbeit  unterzog  sich 
0.  Keller.  Vielleicht  wäre  es  wünschenswert  gewesen,  die  selbständig 
von  letzterem  beigefügten  Partien  als  solche  in  dem  Büchlein  irgendwie 
zu  bezeichnen ,  denn  nirgends  pflegt  geistige  Eigenart  stärker  hervor- 
zutreten und  dem  Charakter  einer  Kollektivarbeit  mehr  zu  widerstreben, 
als  bei  einer  Übersetzung.  Zwar  läfst  sich  nicht  leugnen,  dafs  die  vor- 
liegende Übertragung  nach  Geist  und  Ton  einen  einheitlichen  Charakter 
trägt  und  dem  Bändchen  der  Oden  und  Epoden  sich  würdig  anreiht. 
Der  abgeklärte,  geistvoll  überlegene  Zug,  der  in  dieser  Dichtgattung 
zum  Ausdruck  kommt,  tritt  auch  in  der  gewandten  Übersetzung  hervor; 
besonders  sei  hier  die  der  ars  poetica  hervorgehoben.  Einzelnes  ist 
Geschmacksache.  So  wenn  I  2,  62  ira  furor  brevis  est  gegeben  ist 
mit:  „Jähzorn  ist  periodische  "Wut",  oder  wenn  o,  26  von  „der 
Sorgen  eisigem  Sturzbad"  die  Rede  ist;  bene  nummatus  (6,  38)  wird 
gut  durch  ,, Millionär"  gegeben;  der  eques  (si  discordet  eques  II  1,  185) 
vielleicht  weniger  ansprechend  durch:  ,,Weun  sich  die  Logen  nicht 
fügen".  Dafs  a.  p.  32  an  der  Lesart  unus  festgehalten  ist  („mancher 
Gesell"),  dafs  v.  119  convenientia  durch  ,,was  innerlich  gleich  bleibt" 
gegeben  ist,  wird  nicht  allgemein  Beifall  finden,  doch  betrifft  das  nur 
einzelnes.  Metrisch  bedenklich  erscheint  uns  dagegen  der  dreisilbige 
Gebrauch  von  ^, Forderen"  (a.  p.  314),  während  z.  B.  umgekehrt 
,Mosaiken"  (I  10,  19)  auch  nur  dreisilbig  gemessen  ist;  ebenso  be- 
denklich ist  die  Messung  meine  (u  u)  I  1,  34,  seine  (u  u)  I  1,  14, 
einen  (u  u)  I  7,  29  etc.,  die  doch  sämtlich  trochäisch  zu  messen  sind. 
An  Druckfehlern  fanden  wir  II  1,  247:  ,,wenn  Du  sie  begünstig" 
und  a.  p.  284,  wo  die  Interpunktion  am  Schlüsse  fehlt. 

25)  Die  Episteln    des  Q.  Horatius  Flaccus.      Deutsch  von 
J.  Kipper.     Rostock  1890.     157  S.     kl.  8. 

Diese  den  Satiren  rasch  nachgefolgte  Übersetzung  der  Episteln 
ist  wie  die  ersteren  (s.  Jahrb.  1887—89  S.  122)  in  tunffüfsigen  Jamben 
gehalten.  Dieselbe  Frische  und  Leichtigkeit  des  Konversationstons,  die 
dort  zu  rühmen  war,  zeichnet  auch  dieses  Bändchen  aus.  Da  und  dort 
ist  vielleicht  zu  reichlicher  Gebrauch  von  Fremdwörtern  gemacht  (amü- 
sieren, normaler  Mensch,  offiziell,  ä  la  Cethegus  u.  a.).  Etwas  Glättung 
dürften  auch  Verse  erfahren  wie  ep.  I  15: 

Was  für  ein  Winter,  lieber  Vala,  herrscht 

In  Velia,  für'n  Klima  in  Salern? 

Was  für'n  Charakter  haben  die  Leute  dort  .  .  . 

In  rhythmischer  Hinsicht  sind  Härten  nicht  immer  vermieden,  wie  z.  B. 
a.  p.  79: 


(32  Horatius. 

Der  Jambus  ist  das  eigenste  Produkt 

Des  Archilochus  von  Faros,  den  als  Waffe  .  .  . 

oder  gleich  danach:  ,Feuriger  Jünglingsherzen  LiebesquaP  .. .  Ausdrücke 
wie  Schwarzbrotknacker  (a.  p.  249),  Stutzern  (a.  p.  246),  Schache- 
yos  (^-=  aenigo  a.  p.  330)  werden  leicht  zu  bessern  sein;  a.  p.  197  über- 
setzt K.  peccare;  dagegen  hat  Kiefsling  das  gleichfalls  überlieferte 
pacare  so  gut  verteidigt,  dals  dessen  Aufnahme  doch  unabweisbar 
scheint.     Im  ganzen  aber  ist  die  Übersetzung  recht  empfehlenswert. 

Nicht  zugegangen  sind  dem  Refer.: 

26)  Horatius.    Oden  und  Epoden.    Im  Versmafs  der  Urschrift 
übers,    und   mit  Anni.  versehen  von  J.  C.  Köhler.     Halle.     152  S. 

27)  Lieder,  treu  und  frei  nach  Horaz  von  A.  Daumiller. 

Ausländische  Übersetzungen,  welche  dem  Ref.  nicht  zugingen: 

28)  Q.  Horatius  Flaccus.    La  epistola  a  los  Pisones,  traducida 
y  comentada  por  M.  Correche  y  Ojeda.    Madrid  1890.    108  S. 

29)  Ödes,  trauslated  into  English  verse.     London.     244  S. 

30)  Les  Satire s,   traduites  avec  le  texte  en  regard  et  les  notes 
par  A.  Desportes.    Paris.     169  S. 

31)  Ödes  I  und  11  interlineary  translated  by  J.  Gibson.    London. 

32)  Gli  epodi,  messi  in  volgare  dalla  lingua  latina  sui  medesimi 
diversi  ritmi  e  con  il  numero  uguale  di  versi  da  St.  Mercantini.  31  S. 

III,    Abh an  (Illingen. 

Zur  Kritik  und  Exegese. 
A.    Allgemeines. 

3.3)  A.  Campaux:    Histoire    du    texte    d'Horace.     Paris- 
Nancy  1H91,  Berger-Levrault.     108  S.     8. 

■\Vir  verweisen  über  diese  Arbeit  auf  unsere  eingehende  Besprechung 
in  den  Glitt.  Gel.  Anzeigen  1892  No.  3  (p.  113—116).  Das  Resultat 
derselben  ist,  dafs  C.  statt  einer  eindringenderen  Behandlung  sich  über- 
wiegend nur  mit  bibliographischen  Angaben  begnügt,  besonders  aber  die 
Textgeschichte  des  19.  Jahrh.  zu  mangelhaft  behandelt  hat.  Zu  den 
von  uns  angeführten  Ausstellungen  vergl.  auch  noch  die  Anz.  von 
Lucian  Möller  in  Berl.  Phil.  Woch.  1892  (v.  14.  Mai). 


Horatius.  63 

34)  M.  Hertz:  De  Horatii  opeium  exemplari  olim  Guyetiano 
narratio  I  und  II,    Breslau,  Lektiouskatalog  1890  und  1891.  20  und  17  S. 

Auf  Guj^ets  (1575—1655)  kritische  Beschäftiguug-  mit  Horaz 
wurde  man  besonders  durch  Peerlkamp  aufmerksam.  Da  aber  dessen 
Citate  nicht  direkt  aus  Guyet  stammten,  sondern  aus  Sanadon,  der 
selbst  wieder  nur  das  gab,  was  Marolles  in  seiner  Ausgabe  (1660) 
aus  Guj-et  entnommen  hatte,  so  war  die  Kenntnis  der  kritischen 
Ansichten  des  gelehrten  Jesuiten  eine  unvoUstäudige ,  ja,  wie  jetzt 
gesagt  werden  kann,  sehr  unvollständige.  Bekanntlich  hat  sich  Guyet 
damit  begnügt,  in  seinem  Horazexemplar  (Ausg.  v.  Heinsius,  Leyden  1612) 
durch  kritische  Zeichen  die  von  ihm  für  unecht  gehaltenen  Partien  am 
Rande  zu  markieren.  Das  Exemplar  selbst  war,  nachdem  Marolles 
daraus  seine  Exzerpte  gemacht,  durch  verschiedene  Hände  gegangen  und 
schliefslich  verschollen,  bis  es  Prof.  Heitz  aus  Strafsburg  bei  einem 
Pariser  Antiquar  entdeckte  und  sich  erwarb.  Von  ihm  erhielt  es 
Studemund,  der  es  kurz  vor  seinem  Tod  M.  Hertz  übergab. 

Der  Yerf.  der  beiden  in  gewandtem  Latein  geschriebenen  Ab- 
handhingen giebt  uns  aus  dem  umfänglichen  Marginalienmaterial  Guyets 
zunächst  ein  Verzeichnis  der  notierten  Athetesen.  G.  verfährt  sehr 
j-adikal.  Nicht  blofs  einzelne  Worte  und  Strophen  (worauf  sich  MaroUes' 
und  seiner  Nachtreter  Citate  beschränkten),  sondern  ganze  Gedichte 
und  nicht  blofs  lyiische  werden  als  interpoliert  (S)  bezeichnet.  So  gleich 
c.  I  1  (durch  SS  obelisiert),  das  von  demselben  Interpolator  sei  vde 
ep.  I  1  und  ep.  I  19.  Nach  der  verschiedenen  Art  zu  stigmatisieren, 
scheint  G.  bald  mehr,  bald  weniger  von  der  TJnechtheit  überzeugt 
gewesen  zu  sein;  c.  11  4  hat  sogar  4  S! 

Auf  welche  Gründe  G.  diese  Athetesen  stützt,  ist  von  ihm  nicht 
gesagt.  Bemerkungen  wie:  quis  haec  spuria  esse  non  videt  (zu  c.  131), 
oder  sed  Horatianum  non  videtur  (zu  c.  m  13,  13  ff.),  ab  interpola- 
toribus  intrusa  sunt  propter  [xijxrjcjiv  coli  sequentis  (zu  c.  III  27,  69  ff.), 
haec  puerilia  non  Horatiana  videntur  (zu  epod,  6,  15  f.),  s-rmixi^si  autor, 
quod  Horatii  non  videtur  (zu  ep.  I  6),  Horatii  animum  non  sapit 
(ep.  I  19)  und  ähnliche  sind  doch  zu  lakonisch,  um  als  Begründung  zu 
gelten;  meist  fehlen  auch  sie  noch  und  G.  begnügt  sich  mit  einem 
davorgesetzten  S  oder  SS  oder  SSS  oder  auch  N.  So,  aufser  den  ge- 
nannten Gedichten  zu  c.  III  29.  30,  IV  4.  8.  14.  15.  s.  II  8.  ep.  I  2 
(SSS).  3  und  4  (SS).  5  (S).  6  und  8  und  10—12  (SSS).  14  (SS).  15  (SSS). 
16  (SS).  17  (S).  18-20  (SSS).  II  2  (NNN). 

Neben  diesen  ganz  athetierten  Stücken  haben  wir  dann  noch 
Athetesen  einzelner  Verse  und  Strophen,  zum  Teü  auch  von  solchen 
Gedichten,    die    G.    vorher   ganz    verworfen,    so    dafs    hier    Int  er- 


(',4  Iloiiitius.    • 

polationeii  der  Interpolatoren  selbst  wieder  dem  uuerbittliclien 
Obelos  verfallen,  wie  zu  c.  III  4.  25.  29.  30.  IV  8  (bemerkenswert,  dals 
die  darin  augefocliteuen  Verse  10.  12.  16.  19.  21.  26  gerade  die  seit 
Bentley  bemängelten  Verse  nicht  treffen),  IV  14  und  15.  Ganz 
besonders  ist  dies  der  Fall  bei  den  Episteln,  unter  denen  eine  wahre 
Verheerung  ungerichtet  wird.  Sie  sind  nahezu  alle  unecht:  Gnade 
findet  nur  17,  die  als  plane  digna  bezeichnet  wird  und  nur  einige 
Verse  einbüfst,  I  9.  13  und  II  1,  freilich  nicht  ohne  einige  Streichungen. 
Aus  der  ars  poet.  werden  69  Verse  ausgeschieden.  Am  besten  kommen 
die  Satiren   weg:    aufser  II  8    wird   kein  Stück   ganz    verworfen,    ja 

I  ö.  8.  9  bleiben  sogar  ganz  verschont. 

Indessen  ist  G.  selbst  wieder  an  recht  Melen  seiner  Athetesen 
hinterher  irre  geworden.  Die  krit.  Zeichen  sind  nicht  nur  häufig 
genug    nachträglich    wieder    radiert    (c.    II    13,    1 — 4,  ibid.    33 — 40; 

II  16,  33—40;  II  19,  29—32;  epod.  2,  43  f.  u.  v.  a.),  sondern  auch 
Gedichte,  die  erst  vollständig  verworfen  werden,  finden  wieder  Gnade; 
so  wird  ep.  I  10  erst  mit  SSS  notiert,  weiter  unten  aber  als  „Horatio 
non  indigna"  bezeichnet,  ebenso  ep.  I  12  und  17, 

Aus  den  sonstigen  Eandglossen  G.'s  giebt  Hertz  sodann  eine  von 
G.  Türk  besorgte  Zusammenstellung  der  Konjekturen  G.'s.  Wir  könnten 
aber  auch  nicht  von  einer  einzigen  sagen,  dals  sie  überzeugend  wäre. 
In  der  That  läfst  sich  nicht  einsehen,  was  gewonnen  sein  soll,  wenn 
z.  B.  c  1  7,  5  incidente  st.  imminente  gelesen  wird,  s.  I  8,  20 
pellere  st.  perdere,  II  5,  105  permissura  st.  commissum.  Ganz 
verunglückt  scheinen  Änderungen  wie  repedavit  st.  reparavit 
(c.  I  37,  24),  perhorruit  (c.  III  16,  18);  vigilem  st.  vitream 
(c.  I  17,  20),  mox  St.  nox  (III  28,  16)  u.  a. 

Was  schliefslich  die  Glossen  selbst  betrifft,  so  bieten  sie  fast 
nichts  eigenes,  sondern  sind  eine  Kompilation  aus  den  Schollen  von 
Poriihyrio,  Ps.  Acro,  Cruquius  und  anderer  Kommentatoren. 

Man  kann  sich  angesichts  dieser  dankenswerten  Mitteilungen  aus 
(iuyets  Exemplar  des  Gedankens  nicht  erw^ehren,  dafs  dessen  Horaz- 
kritik  für  die  Horazforschung  selbst  kaum  mehr  als  historischen 
wir  möchten  fast  sagen,  pathologischen  Wert  besitzt.  Mit  Recht 
bemerkt  Hertz,  dals  sie  nichts  gemein  hat  mit  Bentley,  der  auch  da,  wo 
er  unnötig  am  überlieferten  Wortlaut  korrigiert  und  konjiziert,  überall 
Methode  und  Zucht,  besonders  aber  grülste  Sorgfalt  zeigt,  um  für  seine 
Änderungen  (im  wesentlichen  doch  nur  Wortkritik)  treffende  Beleg- 
stellen beizubringen.  Mit  mehr  Recht  hat  man  behauptet,  dals  Peerlkamp 
auf  den  Schultern  Guyets  stehe.  Beiden  ist  ebenso  grofser  Scharfsinn 
als  Willkür  in  der  Behandlung  des  Textes  eigen.  Aber  während  sich 
der   hoUänd.    Philologe    mit   Ausscheidung    von  6  Gedichten   (keines 


Horatius.  65 

(lerselbeu  ist  auch  von  G.  verworfen  worden,  ja,  5  davon  bleiben  ganz 
ungeschmälert)  begnügt  und  bei  allem  Subjektivismus,  mit  dem  er  sein 
in  Horaz  geträumtes  Ideal  eines  ganz  vollkommenen  Dichters  von 
allen  Mängeln  zu  reinigen  sucht,  es  sich  nicht  verdrielsen  läfst, 
ästhetische  Momente  und,  wie  Bentley,  zahlreiche  Parallelstellen  für  seine 
Vorschläge  ins  Feld  zu  führen,  so  hat  G.  alle  und  jede  Achtung  vor 
der  Überlieferung  beiseite  geschoben.  Die  an  Manie  streifende  wilde 
Zuchtlosigkeit  wird  hier  zur  bizarren  Afterkritik,  die  etwa  an  Sanadons 
brutale  Durcheiuanderschüttelung  der  Horazischen  Gedichte  oder  gar 
an  des  dritten  Ordensgenossens  Hardouin  fast  nicht  mehr  ernst  zu 
nehmenden  krit.  Standpunkt  erinnert,  wonach  aufser  Cicero  ^Plinius  d.  A., 
Yirgils  Georgica  und  Horaz'  Sat.  und  Episteln  die  gesamte  lateinische 
Litteratur  apokryph  ist! 

35)  J.    Poiret:    Horace.     Etüde    psychologique    et    litteraire. 
Paris.     E.  Thorin.  1890.  351  S.     8. 

Der  Verf.  wurde  zu  dieser  psychologischen  Studie  angeregt  durch 
Oesterlens  bekanntes  Buch  über  ^Komik  und  Humor  bei  Horaz'.  Wie 
er  anführt,  schien  ihm  aber  die  wissenschaftlich-kritische  Darstellung 
des  schwäbischen  Gelehrten  den  Stoff  zu  sehr  zu  zerpflücken  und  als 
,, chirurgisches  Operationsmaterial"  (p.  4)  zu  behandeln.  Deutschland  ist 
ihm  das  Land,  oü  fleurissent  Fobjectif  et  le  subjectif  (p.  2);  vollends  zu 
fragen,  wie  Oesterlen  gethan:  combien  de  fois  Horace  a-t-il  ete  comique? 
ist  ihm  zu  scholastisch,  zu  arithmetisch;  um  über  der  mikroskopischen 
Untersuchung  das  Ganze  nicht  zu  verlieren,  giebt  er  nun  Im  vorliegenden 
Buche  ein  Bild  von  Horazens  Persönlichkeit  im  weitesten  Sinne.  In 
XI  Kapiteln  wird  über  des  Dichters  Erziehung,  Geschichte,  seine 
Schwächen  und  Vorzüge,  Lebensanschauung,  Philosophie  und  Dichtung 
in  jenem  unterhaltenden  und  gefälligen  Tone  gehandelt,  wie  er  den 
geistreichen  Causerien  französischer  Federn  eigen  ist.  Neues  bietet  P. 
nicht ,  aber  er  weifs  die  bekannten  Materien  in  einer  so  ansprechenden 
Darstellung  zu  geben,  dafs  die  Lektüre  zum  Genufs  wird,  besonders 
auch  dadurch,  dals  der  Verf.  hübsche  Parallelen  zwischen  Horaz  und 
französischen  Schöngeistern  zieht,  namentlich  Beranger,  Montaigne, 
La  Bi-uyere,  zwischen  dem  ganzen  Zeitalter  des  Augustus  und  jenem  der 
Ptolomäer  und  wiederum  dem  Ludwigs  XIV  (Boileau  und  Racine).  Die 
Vergleiche  fallen  entschieden  zu  Gunsten  des  Augusteischen  Zeitalters  und 
des  Horaz  aus.  Das  Charakteristische  in  der  Physiognomie  des  Dichters 
falst  er  (p.  345)  in  die  Worte:  ce  qui  domine  et  regne  dans  sa 
Physiognomie  c'est  le  sourire,  mais  un  sourire  k  lui  ce  n'est  pas  le 
charmant  sourire  d'une  äme  expansive,  ni  „raffreux"  (ou  malicieux) 
sourire  de  Voltaire;  on  peut  y  lire,  selon  qu'il  est  dispose,  ou  qu'ou  est 
Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.  LXXVI.  Bd.  (1893.  II.)  5 


6(3  Horatius. 

disposö,    le  mi^pris  des  autres  tempere  par  lindnlg-ence,  et  Testime  de 
soi-menie  adoucie  par  la  plaisanterie. 

36)  Hartman,  J.  J.:  De  Horatio  poeta.  Lugduni  Batavorum, 
Lipsiae.    Harassowitz.     1891.     202  S.    8.  (5  M.) 

Verf.  übt  an  den  lyrischen  Gedichten  eine  sehr  einschneidende, 
aber  ebenso  einseitige  Kritik,  nach  der  Horaz  aus  Mangel  an  poetischer 
Begabung  zu  den  ungeschicktesten  Wendungen  und  Ausführungen  greift. 
Auf  den  luterpolator  sei  nichts  abzuladen,  Horaz  selbst  sei  der  Stümper. 
Im  einzelnen  sei  auf  unsere  eingehende,  den  Standpunkt  des  Verf. 
verurteilende  Besprechung  in  den  Gott.  Gel.  Anzeigen  1892  No.  10 
(S.  389—398)  verwiesen. 

37)  W.  Gilbert:  Abgerissene  Bemerkungen  über  den 
ethischen  Gehalt  der  Oden  des  Horaz.  Festschrift  des  Gym.  zu 
Schneeberg.     1891.     4.     S.  73—90. 

Verf.  spricht  mit  Wärme  und  feinem  Verständnis  vom  tiefen 
ethischen  Gehalte  besonders  der  pathetischen  Oden,  wie  IV  2.  4.  14, 
III  29,  IV  9,  II  1,  der  sog.  Römeroden  III  1—6  u.  a.  Der  Hinweis 
auf  die  Anregungen,  welche  die  Lektüre  der  Oden  für  eine  tiefere,  eine 
christliche  Religiosität  bietet,  ist  frei  von  jeder  gezwungenen  Interpretation 
und  zeigt  an  einzelnen  Beispielen,  wie  überlegt  oft  gerade  die  Partien 
sind,  an  denen  das  kritische  Messer  der  Philologen  zu  beschneiden 
versucht  hat.  Um  nur  einen  Fall  herauszuheben,  so  hat  Hartmans 
eben  genannte  Schrift  an  c.  II  1  die  Erwähnung  des  Jugurtha  (v.  28) 
als  ganz  besonders  unglücklich,  ja  unsinnig  hinzustellen  gesucht.  Statt 
Jugurtha,  meinte  er  nach  dem  Vorgange  anderer,  hätte  Hör.  die  Punier 
nennen  sollen.  Gilbert  verweist  mit  Recht  darauf,  dal's  an  Jugiulha 
die  röm.  Nobilität  sich  versündigt  hatte,  indem  sie  ihn  durch  schmach- 
volle Bestechlichkeit  zum  gefährlichen  Gegner  Roms  heranzog,  dann 
hinterlistig  ihn  in  ihre  Hände  brachte  und  im  Kerker  ermordete. 
Gerade  die  Verworfenheit  der  Nobilität  aber  war  ein  Keim  des  ersten 
Bürgerkrieges,  an  den  sich  die  späteren  anschlössen,  die  in  der  Schlacht 
von  Thapsus  zunächst,  ihren  Abschlufs  fanden.  Die  Zurückführung  der 
Opfer  dieser  Schlacht  auf  die  Sünden  der  Nobilität  ist  daher  sittlich 
und  pragmatisch  ganz  berechtigt.  Zum  Schlüsse  bespricht  G.  die 
kunstvolle  Komposition  von  c.  I  37. 

38)  Schneidewin,  Max:  Die  Horazische  Lebensweisheit 
aus  den  fünfzehn,  den  Fragen  der  Lebenskunst  gewidmeten  Oden  ent- 
wickelt und  beurteilt.     Hannover.     Hahn.     1890.     40  S.     8. 

Verf.   will    mit    dem    kleinen,    nicht   ohne  Wärme   geschriebenen 
Büchlein  nicht  sowohl  ein  streng  wissenschaftliches  System  der  Horazischen 


Iloratius.  67 

Lebeuspliilosophie  liefern,  als  vielmehr  eine  Art  von  Kartennetz  der 
Lebensgruudsätze  des  Dichters,  zusammengesetzt  aus  den  in  15  Gedichten 
entwickelten  Prinzipien,  in  das  sich  dann  Verwandtes  aus  den  Satiren 
und  Episteln  leicht  einfüg-en  lasse.  Er  hat  gerade  diese  Stoffgruppe 
herausgegriffen,  weil  sie  das  Wesentlichste  aus  der  Horazlektüre  enthält 
und  als  wertvollstes  Besitztum  mit  ins  Leben  genommen  wird.  Die 
Gliederung:  I.  die  3  Forderungen,  die  Gegenwart  zu  geniefsen,  die  Affekte 
zu  beherrschen,  mit  dem  Lose  zufrieden  zu  sein,  II.  deren  Begründung 
(Verf.  führt  in  sorgfältiger  Disponierung  16  Momente  an)  ist  lichtvoll 
und  verständig  und  dürfte  für  eine  nach  längerer  Lektüre  immer  wieder 
zu  veranstaltende  Rekapitulation  förderlich  sein. 

39)  Er.  Gebhard:  Gedankengang  Horazischer  Oden  in 
dispositioneller  Übersicht  nebst  einem  krit.-exeget.  Anhang. 
Eestgrufs  an  die  Münch.  Pliil.-Vers.  München  1891.  X  und  63  und 
30  S.     8. 

Verf.  geht  davon  aus,  dafs  es  nicht  genüge,  von  der  sorgfältigen, 
klaren  Gliederung  des  Gedankengangs  in  den  Oden  Kenntnis  zu  nehmen, 
man  müsse  unbedingt  in  manche  Täuschung  verfallen,  wenn  man  sich 
nicht  ein  Bild  des  Gedankengangs  bis  in  seine  feinsten  Ver- 
ästelungen hinaus  konstruiere.  Leuchtenberger  (s.  den  letzten 
Jahresbericht  S.  133)  sei  auf  halbem  Wege  stehen  geblieben,  er  habe 
fälschlich  gemeint:  Horaz  habe  wohl  einen  Grundrifs  entworfen,  bei 
der  Ausführung  aber  habe  sich  ihm  in  Zahl  und  Folge  der  Teilge- 
dauken  oder  Unterteile,  wohl  auch  der  Hauptteile,  manches  ver- 
schoben. In  60  Detailanalysen  giebt  G.  nun  ausführliche,  bis  in  das 
Minutiöse  gehende  Dispositionen,  indem  er  glaubt,  dafs  der  Dichter  wie 
die  Hauptgedanken,  so  auch  die  dazwischen  liegenden  Nebenteile  in 
gleich  strenger  logischer  Gliederung  aufgebaut  habe,  und  dafs  durch 
eine  derartige  Disposition  zugleich  ein  Substrat  hergestellt  werde  für 
die  höhere  Kritik. 

Bei  aller  Anerkennung  des  von  G.  betonten  Satzes,  dafs  gerade 
in  den  Horazischen  Oden  strenge,  ja  sehr  strenge  Folgerichtigkeit 
herrsche,  erwehrt  man  sich  angesichts  der  vorliegenden  Zergliede- 
rungen kaum  des  Gedankens,  dafs  hier  des  Guten  zuviel  geschehen  sei. 
Man  betrachte  z.  B.  I  2,  dessen  Disposition  nach  G.  zu  den  mühe- 
vollsten aber  auch  lohnendsten  gehören  soll.  Wir  führen  von  derselben 
liier  nur  die  zu  den  letzten  11  Versen  gegebene  Analyse  an: 

b)  helfen  wird  Merkur  in  der  Gestalt  eines  jugendlichen  Mannes 
(Octavianus).  Ja,  er  weilt  in  Menschengestalt  bereits  unter  uns, 
der  Ersehnte  und  Beglückte: 


Pfi^  Horatius. 

cü)  der  Ersehnte  ==  in  welcher  Eigenschaft? 

aa)  privatim:    als   nicht  widerwilliger,    aber  auch   nicht   als 
enragierter  (patiens  vocari)  RScher  des  Caesar  —  ent- 
spricht III  2  a  ly.  rj/j. 
fl^)  publice: 

a)  domi:  als  Bringer  des  Frohsinns  (laetus)  und  der  Ge- 
rechtigkeit —   entspricht  III  2  a  c<  ßß. 

b)  militiaeque:  als  Sieger  über  die  auswärtigen  Feinde, 
Meder  —  entspricht  III  2  a  ß. 

ß)  der  Beglückte  =:  welches  wird  sein  Lohn  und  Dank  sein? 
05!)  miÜtiae:  Triumphe, 
ßß)  domi:  Verehrung  als  pater  und  princeps. 

"Was  soll  hier  die  feine  Unterscheidung  zwischen  der  Eigenschaft  als 
Ersehnter  unter  b  a  ßß  b,  wozu  die  v,  51  genannten  Meder  citiert 
werden,  und  der  Eigenschaft  als  Beglückter  unter  b  ß  aa,  wozu  die 
V.  49  genannten  Triumphe  angeführt  werden?  —  Das  kleine,  aus 
8  Zeilen  bestehende  Lied  I  38  wird  disponiert: 

I  (Negativ:)  Ich  mag  nicht  besondere  Vorkehrungen.- 

1)  persischen  Prunk, 

2)  Rosenkränze: 

a)  (Kunst:)  kunstvoll  geflochten, 

b)  (Natur:)  von  verspäteten  Rosen. 

II  (Positiv:)  Es  genügt  das  Naheliegende,  Einfachste: 

1)  einfache  Myrte, 

a)  für  Dich,    b)  für  mich; 

2)  das  dichtbelaubte  Rebdach. 

Der  kritisch- exegetische  Anhang  bietet  manche  neue  Auffassung, 
die  aber  schwerlich  allgemeine  Billigung  finden.  So  wenn  Verf.  I  2, 
9—12  in  der  „verkehrten  Welt"  eine  Anspielung  auf  die  Revolution 
erblickt:  Flucht  (Proteus),  Emporkommen  der  Niederen  (Fische  auf  den 
Bäumen),  Lavieren  der  Vornehmen  (Hirsche  im  Wasser).  —  I  12  soll 
Horaz  den  Cato  (v.  35)  mit  der  bestimmten  Absicht  aufgenommen 
haben,  um  den  Octavian  mehr  oder  minder  zart  an  die  Wandelbarkeit 
des  Geschicks  zu  erinnern,  welches  zwischen  Monarchie  und  Republik 
wechselt.  —  II  1,  21  f.  werden  die  duces  gerade  wie  cuncta  zu 
snbacta  gezogen:  'alle  grofsen  Führer  werden  gedemütigt,  nachdem 
sie  sich  rühmlich  gewehrt,  auch  alle  Länder  werden  unterworfen;  nur 
einer  giebt  sich  nicht  besiegt,  Cato'. 

Die  sehr  fleifsige  Arbeit  zeigt  lange  und  eindringende  Befassung 
mit  Horaz,  ob  aber  für  eine  fruchtbare  Lektüre  des  Dichters  in  der 
Schule  die  überaus  künstvollen,  um  nicht  zu  sagen,  gekünstelten  Analj'sen 
irgendwie  erforderlich,  ja  ob  sie  bei  der  immer  mehr  gekürzten  Stunden- 
zahl für  das  Lateinische  nur  möglich  sind,  scheint  uns  zweifelhaft. 


Horatius.  69 

40)  Sülskind:  Talmud  und  Horaz.  Monatsblätter  für  Belelu-ung* 
über  das  Judentum.     1891.     Februar.     S.  37—38. 

Der  „lebemänniscbe  Horaz,  dessen  naturalistische  Frivolität  die 
unseres  Heine  bedeutend  überbietet,"  verfolge  die  Anhänger  der  Stoa, 
vs'elche  mit  ihren  sittlich  strengen  Grundsätzen  die  römische  Gotteslehre, 
in  der  Jupiter  eine  so  skandalöse  Don  Juan-Rolle  spiele,  verachteten 
und  sich  zur  jüdischen  Lehre  hingezogen  fühlen  mufsten.  Die  sowohl 
bei  Hör.  wie  im  Talmud  vorkommende  Redensart  ,,auf  einem  Fufse 
stehend"  (cf.  s.  I  4,  10)  sei  im  Talmud  so  zu  erklären,  dafs  zu  dem 
Rabi  Hillel  ein  römischer  Heide  (Stoiker)  komme,  um  sich  ins  Judentum 
aufnehmen  zu  lassen.  Er  wolle  die  ganze  Tora  in  kürzester  Zeit, 
während  der  er  auf  einem  Fufse  stehe,  kennen  lernen  .  .  .  Die 
Redensart  selbst  sei  im  Hebräischen  aber  nur  die  Übersetzung  aus  dem 
Lateinischen,  bei  den  Juden  sei  sie  sonst  nicht  üblich  gewesen. 

41)  A.  Krawutschke:  Quibus  temporibus  Horatium  tres  priores 
carminum  libros  edidisse  verisimillimum  sit.  Troppau.  1889.  Progi\ 
24  S.     8. 

Fraukes,  nunmehr  überwiegend  als  sicher  angenommene  Chro- 
nologie der  3  ersten  Odenbücher,  wonach  die  Herausgabe  24/23  v.  Chr. 
fällt,  bekämpft  der  Verf.,  indem  er  zunächst  untersucht,  wann  das 
1 .  Buch  Episteln  veröffentlicht  worden  ist.  Die  Angabe  der  als  Epilog 
fungierenden  20.  Epistel:  'me  qiiater  undenos  sciat  implevisse  Decembres, 
coUegam  Lepidum  quo  duxit  Lollius  anno'  weise  keineswegs  auf  das 
Konsulatsjahr  der  beiden  genannten  (21)  oder  vielmehr  das  demselben 
folgende  Jahr  20  als  Abfassungszeit  hin.  Die  Worte  besagten  nur,  dafs 
Hör.  in*  jenem  Jahre  44  Jahre  alt  geworden  sei.  Dafs  aber  thatsächlich 
diese  letztverfafste  Epistel  des  I.  Buches  später  geschrieben  sei,  gehe 
daraus  hervor,  dafs  in  einigen  andern  Episteln  dieses  Buches  Dinge 
erwähnt  werden,  die  ins  Jahr  19  oder  18  fallen.  So  konnte  Hör.  ep. 
I  18,  55  ff.  von  den  Cantabrica  bella  und  dem  dux  qui  templis  Par- 
thorum  signa  refigit  nunc  erst  nach  der  Rückkehr  des  Augustus 
im  J.  19  reden.  Auch  ep.  I  12,  25  ff.  (Cantaber  Agrippae,  Claudi  vir- 
tute  Xeronis  Armenius  cecidit,  ius  imperiumque  Phrahates  Caesaris 
accepit  u.  s.  w.)  sei  nicht  vor  19  oder  18  zu  denken  und  da  ep.  I  1 
in  der  Art,  wie  die  Philosophie  empfohlen  wird,  mit  dem  Tone  m  ep. 
I  18  ziemlich  übereinstimme,  so  falle  auch  sie  ungefähr  in  dieselbe  Zeit. 

Dieselben  Ereignisse  seien  nun  auch  gestreift  in  Oden  wie  c.  n9,  19  tf. 
(=ep.  I  18,  56  f.);  III  8,  die  nach  v.  18  f.  ins  Jahr  20  falle  (=  ep. 
I  12,  25  ff.);  wenn  daher  ep.  I  18;  12;  19;  1  zuletzt  und  zwar  in  dieser 
Folge   in  den  Jahren    19  und  18    verfafst  seien,    so  müsse  die  letzte 


70  Uoratius. 

ep.  I  20  um  dieselbe  Zeit  angesetzt  werden.  Die  Bestimmung  me  quater 
undenos  Decembres  implevisse  sei  der  Neigung  zum  Gebrauch  der  Multi- 
plikation in  Verbindung  mit  Kardinal-  oder  Distributivzahlen  (quater 
undeni)  zuzuschreiben,  auch  habe  er  nur  um  seinen  Freund  LoUius  zu 
verewigen,  sein  Lebensalter  zur  Zeit  des  Jahres  21  angegeben.  Ja, 
sie  könnegar  nicht,  wie  Franke  meint,  gleich  das  Jahr  darauf  (also  20  v.Chr.) 
verfalst  sein,  denn  Hör.  vollendete  ja  im  J.  20  sein  4  5.,  nicht  erst  das 
44.  Lebensjahr.  Auch  kämen  bei  Frankes  Annahme  gar  zu  viele  Ge- 
dichte, aniser  lyrischen  noch  fast  die  Hälfte  der  Episteln  auf  das  eine 
Jahr  20. 

Die  Herausgabe  der  Oden  unter  23  herabzudrücken,  verlange,  wie 
das  Christ  u.  a.  gewollt,  besonders  auch  c.  I  3.  Nach  Donat  gehe 
das  Gedicht  auf  die  letzte  Reise  des  Dichters  Virgil,  falle  also  20/19. 
Somit  könne  die  Sammlung  nicht  vor  19  publiziert  sein. 

Wir  halten  die  hier  vorgebrachten  Argumente,  die  übrigens  nichts 
Neues  beibringen,  für  nicht  stichhaltig.  Dais  die  in  den  Episteln  er- 
wähnten polit.  Ereignisse  nicht  unter  Ende  20  heruntergedrückt  werden 
müssen,  ist  in  den  Kommentaren,  zuletzt  von  Kiefsling,  und  von  Gaebel 
(s.  d.  letzt.  Jahresber.  No.  88)  genugsam  gezeigt.  Was  die  Schlulsworte  von 
ep.  I  20  betrifft,  so  wäre  es  doch  recht  wunderbar,  wenn  Hör.  im  Jahr  18 
sagen  sollte:  er  habe  im  Jahr  21  das  44.  Jahr  vollendet!  Einen  Sinn  kann 
eine  derartige  Angabe  doch  nur  haben,  wenn  er  eben  zur  Zeit  der  Ab- 
fassung sein  45.  Jahr  noch  nicht  zurückgelegt  hatte,  (also  jedenfalls  vor  dem 
Dezember  20).  Und  liegt  in  der  blofsen  Nennung  des  LoUius  als  Konsuls 
denn  wirklich  eine  besondere  Ehrung  dieses  Mannes?  Was  nun  aber 
die  Publikation  der  3  ersten  Bücher  Oden  angeht,  so  hat  K.  auch  hier 
keinen  Umstand  angeführt,  der  gegen  das  Jahr  24,23  spräche.  Der 
„sich  selbst  bekiiegende  Meder",  der  ,,spät  besiegte  Cantabrer",  der 
Daker  Cotiso  u.  s.  w.  zwingt  nicht  dazu,  unter  23  herunterzugehen. 
Nicht  einmal  I  3,  das  den  grüfsten  Anstofs  gegeben,  am  genannten 
terminus  ad  quem  zu  rütteln.  Wo  sagt  denn  Donat,  dal's  Virgil  nur 
einmal  nach  Griechenland  ging,  wie  K.  8.  16  behauptet?  Kann  denn 
die  Reise,  und  wenn  es  die  einzige  und  letzte  gewesen,  nicht  Jahre 
vorher  geplant  gewesen  sein?  Nötigt  so  kein  Umstand  zum  Aufgeben 
des  Jahres  23,  so  scheint  das  für  diesen  Termin  sprechende  Moment 
allerdings  sehr  schwerwiegend.  Wir  meinen  als  solches  nicht  etwa,  dals 
Uoraz  auf  Marcellus,  Virgil,  Tibull  kein  Trauergedicht  verfalst  hat,  auch 
nicht,  dal's  er  die  auf  Murena  bezüglichen  Oden  II  10  und  III  19  nicht 
gestrichen,  sondern  die  von  K.  nicht  genügend  betonte  Stelle  I  12,  45: 
crescit  occulto  velut  arbor  aevo  fama  Marcelli.  Wie  konnte  der  Dichter 
einen  Passus  stehen  lassen,  der  vom  immernoch  wachsenden  Ruhme 
der   zu   so    hohen  Ehren    von  Augustus  bestimmten  Marcellus  spricht, 


I 


Horatius.  71 

nachdem  mit  dessen  Tode  die  schönsten  Hoifnungen  des  Aiigustus  so 
bitterlich  zu  Grabe  getragen  waren,  jenes  Jünglings,  dem  Virgil  eine 
frons  laeta  parum  et  deiecto  lumina  vultu  zugeschrieben  und  den  herr- 
lichen Nachruf  gewidmet  hat.  Ein  eigenes  carraeu  Ingubre  brauchte 
Hör.  nicht  zu  verfassen;  aber  diese  Stelle  mulste  nach  23  geändert 
werden,  wenn  nicht  ia  Augustus  eine  brennende  Wunde  aufgerissen 
werden  sollte.  So  lauge  dieses  Bedenken  nicht  gehoben  ist,  wird  man 
das  longum  intervallum  zwischen  den  3  ersten  Büchern  und  dem  vierten 
wohl  noch  nicht  auf  die  Jahre  von  19/18  bis  13/12  beschränken  wollen.  — 
Zu  den  Errata  typographica  am  Ende  der  im  ganzen  in  flielsendem 
Latein  geschriebenen  Abhandlung,  führen  wir  noch  an:  illo  als  Dativ 
S.  5  (unterste  Zeile)  imd  S.  28  (10.  Zeile);  Romonorum  (S.  7); 
annum  st,  anno  S.  8  (7.  Zeile);  Vergilio  S.  15  (5.  Zeile);  efferet 
St.  efferret  (ib.);  Livinius  (S.  19,  5.  Z.  v.  u.) 

42)  Wegener,  Phil.:  Zur  Methodik  desHoraz-Unterrichts 
in  Prima.  II.  Teil.  Progr.  d.  Gymn.  zu  Neuhaldensleben.  1890. 
Giebt  die  Fortsetzung  des  im  vorigen  Jahresb.  (No.  34)  besprochenen 
Programms. 

Der  Verf.  zeigt,  wie  die  Horazlektüre  eine  konzentrierende  Be- 
deutung in  dem  gesamten  Gebiet  der  Altertumsstudien  gewinnen  kann. 
Zimächst  gelte  es,  bei  der  Lektüre  die  individuellen  Momente,  welche 
zur  Erfassung  der  Persönlichkeit  des  Horaz  bedeutend  sind,  heranzu- 
ziehen, vor  allem  s.  I  6,  Bei  Besprechung  dieser  Satire  schlägt  der 
Verf.  vor  zu  interpungieren : 

12)  Contra  Laeviuum,  Valeri  genus,  unde  Superbus 
Tarquinius  regno  pulsus  fiigit,  unius  assis 
Non  unquam  pretio  pluris  licuisse.  —  Notante 

15)  Judice,  quo  nosti,  populo,  qui  stultus  honores 
Saepe  dat  indignis  et  famae  servit  ineptus, 
Qui  stupet  in  titulis  et  imaginibus,    quid  oportet 
Nos  facere?  —  A  volgo  longe  longeque  remotos! 
Namque  esto  .  .  . 

Die  Antwort  auf  die  Frage:  Was  sollen  wir  thun?  sei  enthalten  in: 
remotos  esse:  „fernbleiben;  denn,  angenommen  (wir  hielten  uns  nicht 
fern),  würde  das  Volk  u.  s.  w." 

Diese  Erklärung  begegnet  nach  unserer  Meinung  einem  sprach- 
lichen Bedenken.  Wii*  halten  nämlich  die  Weglassung  von  esse  für 
unzulässig,  sobald  remotos,  wie  W.  annimmt,  Prädikat  sein  soll. 

Bei  Lektüre  dieser  für  Horaz'  Entwicklungsgang  so  wichtigen 
Satire  empfiehlt  W.  Verweise  und  teilweise  (private)  Lektüre  von  Cicera 
Brutus  c.  89;    für  die  Schilderung  des  Landaufenthalts  sodann  Cato 


72  Horatlus. 

niaior  und  die  Elegien  des  Tibull.  —  Zur  Beleuchtung-  des  religiösen 
Standpunktes  des  Horaz  u)id  der  damit  zusammenhängenden  Fragen  sei 
Cicero  De  natura  deorum  (I  und  II)  heranzuziehen.  Ganz  besonders 
aber  müsse  bei  Behandlung  der  philosophischeu  Richtung  des  Dichters 
eine  Besprechung  der  antiken  Ethik  zur  Seite  gehen.  Gerade  die 
ethischen  Ideen  bei  Horaz  lassen  sich  zu  den  wertvollsten  Kon- 
zentrationsstoffen für  den  Unterricht  machen.  Ciceros  philosophische 
Schriften  (besonders  Tuscul.  IV  und  V)  sind  hier  zur  Vermittlung  der 
ethischen  Probleme  des  Altertums  von  höchstem  Wert.  "Wie  im  einzelnen 
die  Interpretation  dadurch  eine  Vertiefung  erfährt,  zeigt  W.  an  der 
Besprechung  von  ep.  I  1;  2;  16  und  c.  III  16. 

Nachdem  nunmehr  Weifsenfeis  seinem  ausgezeichneten  Buche 
über  Horaz  eine  Auswahl  aus  Ciceros  philos.  Schriften  hat  folgen 
lassen  (Teubner  1891),  so  dürfte  für  eine  eingehendere  Berücksichtigung 
der  Philosoph.  Seite  ein  gewil's  allen  willkommenes  Hilfsmittel  gegeben  sein. 

43)  0.  Friedel:  Einige  Horazstuudeu  in  Prima.  Aus  der 
Festschrift  zur  Feier  des  550 jähr.  Bestehens  des  Gymn.  zu  Stendal. 
1888.     16  S.     4. 

Vorliegende  Arbeit  ist  ein  Beitrag  zu  den  Frick-Richterschen 
Lehrproben  und  Lehrgängen.  Auf  dem  Boden  der  Herbartschen 
didaktischen  Grundsätze  stehend,  giebt  F.,  ohne  mechanisch  und  schema- 
tisch zu  verfahren,  eine  schulmäfsige  Behandlung  von  carm.  I  3.  Die 
auf  diese  Ode  verwendete  Zeit  betrug  2^2  Unterrichtsstunden,  —  mehr 
als  wohl  in  der  Regel  auf  die  Besprechung  eines  zumal  kleineren  Ge- 
dichts in  der  Schule  verwendet  werden  kann.  Aber  F.  ist  weit  entfernt 
zu  sagen,  dafs  jede  Horazode  so  erklärt  werden  muis  oder  kann  oder 
erklärt  zu  werden  braucht.  Nachdem  die  Ode  gelesen  ist,  und  zwar 
vom  Schüler,  folgt  die  Übersetzung;  dann  die  grammatische  und  sach- 
liche Analyse,  wobei  der  Inhalt  der  einzelnen  Abschnitte  immer  wieder 
zusammengefafst,  auf  den  Zusammenhang  aufmerksam  gemacht  wird 
u.  s.  f.  —  alles  in  gemeinsamer  Arbeit  von  Lehrer  und  Schüler.  Nach- 
dem dann  der  Lehrer  seine  Übersetzung  vorgetragen,  und  das  sprachliche 
wie  sachliche  Bedeutsame  behufs  Eintragung  in  die  Kollektaneen  zu- 
sammengefafst ist,  wird  übergegangen  auf  genauere  Darlegung  der 
Entwicklung  und  Gliederung  der  Gedanken,  Gesamtgruppierung  oder 
Disposition,  Mittel  der  poetischen  Darstellung  und  Ideengehalt.  Bei 
letzterem  Punkte  eröffnen  sich  für  den  Schüler  wichtige  Rückblicke  auf 
antike  und  moderne  Anschauungen  über  das  Verhältnis  des  Menschen 
zur  Natur  und  zu  den  höheren  sittlichen  Mächten. 

Diese  Lehrprobe,  aus  dem  Unterricht  selbst  hervorgegangen,  darf 
als  eine  musterhafte  Behandlang  einer  Horazinterpretation    bezeichnet 


Horatius.  73 

werden.  Ohne  die  grammatisch-formale  Seite  zu  vernachlässig-en,  verlegt 
sie  den  Schwerpunkt  in  eine  Analyse  des  ästhetischen  und  ethischen 
Gehalts  der  Ode. 


Über  die  Metrik  des  Horaz  handeln  2  Arbeiten: 

44)  N.  Franzutti:  Prospetto  metrico  dei  carmi  dl  Orazio 
ad  uso  dei  corsi  1.  e  2.  dei  licei.     Siena  1891.     63  S.     8. 

Das  kleine  Heft  will  nur  eine  für  Schulzwecke  (nach  der  Ver- 
ordnung- der  ital.  Unterrichtsverwaltung  vom  Sept.  1889)  brauchbare 
Zusammenstellung  der  metrischen  Schemata  geben.  Die  Vorrede  nennt 
L.  Müllers  und  Nancks  metrische  Einleitungen  als  besonders  brauch- 
bar; um  so  mehr  ist  es  zu  verwundern,  dal's  der  Verf.  sich  weder  dem 
einen  noch  dem  andern  angeschlossen  hat.  sondern  eine  ganz  mechanische 
Analyse  der  einzelnen  Verse  giebt.  So  besteht  der  Alkäische  Elfsilbler 
a)  di  una  tripodia  giambico  catalettica  (cioe  di  tre  (!)  giambi  e  mezzo) 
detta  anche  penthemimeris  .  .  .  .  b)  la  secunda  parte  e  una  tripodia 
logaedico  catalettica.  Der  Asklepiadeische  Vers  besteht  a)  di  una  base 
spondaica  b)  di  due  coriambi  c)  di  un  pirrichio  und  nun  folgt  als  Schema 
-L  u  I  -:-  uu  ^  ii  -!-  uu  —  I  uu-  Unter  den  Musterversen  dazu  ist  nirgends 
ein  Pirrichius  markiert,  wohl  aber  sämtliche  Schlufsworte  mit  langer 
Ultima  ausdrücklich  notiert.  Überhaupt  wimmelt  der  Druck  von  Fehlern. 
Man  liest:  Mäecenas,  sie,  frätres,  praeler  Jäpiga,  märe,  nävis,  fäeundus 
u.  v.  a.  Dais  der  versus  Glyconeus  auch  Leu coneus  heilst,  von  dem 
athenischen  Dichter  Leucon,  wird  als  bare  Münze  ohne  weiteres  an- 
genommen. Zum  Schlüsse  folgt  eine  Rekapitulation  in  Fragen  und 
Antworten.     Die  Ai'beit  ist  ganz  wertlos. 

45)  H.  Schiller:  Die  lyrischen  Versmafse  des  Horaz. 
Nach  den  Ergebnissen  der  neueren  Metrik  für  den  Schulgebr.  dar- 
gestellt.    3.  Aufl.     Leipz.  1891.     Teubner.     32  S.    8. 

Das  Werkchen  ist  seit  dem  Erscheinen  der  2.  Aufl.  zweimal  ins 
Italienische  übersetzt  worden;  auch  eine  französische  Übersetzung  ist 
1883  erschienen.  Mit  Recht  hat  der  Verf.  daraus  entnommen,  dafs  das 
Buch  den  Zwecken  der  Schule  wohl  entspricht  und  hat  daher  keine 
erheblicheren  Änderungen  vorgenommen  in  dieser  neuen  Auflage.  Einige 
Vorschläge  füi'  eine  weitere  Auflage  des  erprobten  "Werkchens  hat 
Refer,  in  der  Besprechung  desselben  (Berl.  Pliil.  Wochenschr.  1892  Xo.  44) 
gemacht. 


74  Horatius. 


B.    Einzelne  Stellen: 

46)  B.  Born:  Bemerkungen  zu  einigen  Odeii  des  Horaz 
mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Wortstellung.  Magde- 
burg.    Progr.  1891.     4.     40  S. 

Über  die  Wortstellung  in  den  Oden  hatte  Eggers  (De  ordiue 
et  figuris  vei'borura,  quibus  Hör.  in  carminibiis  usus  est)  gehandelt. 
Der  Verfasser  des  vorliegenden  Programms  behandelt  dasselbe  Thema 
von  anderen  Gesichtspunkten  aus,  indem  er  zeigt,  dals  ein  Teil  der 
im  einzelneu  besprochenen  Wortstellungen  allerdings  als  eine  Folge 
äulserlich  metrischer  Notwendigkeit  erscheint  ^  dafs  aber  viele  dm*ch 
innerliche  Gründe  bedingt  sind.  Besonders  erkennbar  ist  die  Bedeutung 
des  Verseinsclmittes.  Scheinbar  werden  dadurch  zusammengehörige  ge- 
trennt, doch  nur,  um  sie  gerade  durch  die  beiden  bezeichnenden  Vers- 
stellen in  der  Cäsur  selbst  und  unmittelbar  nach  derselben  als  zusammen- 
gehörig zu  bezeichnen.  Unter  anderen  zieht  Verf.  in  dieser  Weise  auch 
u.  I :!,  .32.   in  c.  I  3,  32  (semotique  prius  |  tarda  necessitas)  das  prius  nicht  mit 

I  1,  7  n.   Nauck  u.  a,  zu  semoti,  sondern  zu  tarda.  —  Zu  c,  I  1,  7  ff.  hunc  .  . 

illum  ,  .  ergänzt  B.  iuvat  aus  dem  Voraufgehenden;  wie  wir  glauben, 
mit  Recht.  Zwar  hat  Kielsling  in  der  2.  Aufl.  seiner  Oden  diese 
Konstruktion  aufgegeben,  weil  „die  Kraft  des  farblosen  iuvat  nicht  über 
meta  evitata  (=  metam  evitavisse)  reiche"  und  ergänzt  dazu  das  un- 
mittelbar vorhergehende  evehit.  Aber  Born  weist  darauf  hin,  dals, 
abgesehen  von  anderen  Momenten,  iuvat  au  derselben  Versstelle  v.  23 
ausdrücklich  noch  einmal  wiederholt  wird  (multos  castra  iuvant)  und 
dals  die  entsprechende  Stellung,  welche  hunc  und  illum  im  Verse  in 
Bezug  auf  sunt  quos  einnehmen,  diese  Ergänzung  als  allereinfachste 
fordert.  —  Über  die  Stellung  des  Pronomens  in  Gegensätzen,  entweder  zu 
Anfang  des  Verses  oder  des  Halbverses,  gewinnen  wir  durch  die  fleilsige 
Zusammenstellung  B.'s  klare  Übersicht;  nur  wird  man  sich  hüten  müssen, 
hier  allzu  viel  folgern  zu  wollen.     So  halten  wii'  es  für  verfehlt,  wenn 

II  II.  .-,].   D.  m  11,  51  gegen  die  hs.   Überlieferung  (nostri)  empfiehlt,    nostro 

zu  lesen,  weil  so  der  Gleichklang  des  Auslautes  der  beiden  Vershälften 
sich  ergebe  (p.  4);  ebenso,  wenn  er  aus  der  Beobachtung,  dafs  beim 
Verbnm  finitum  die  letzte  Silbe  meist  in  die  Vershebung  falle,  eine 
j]i -t. '.1.  Empfehlung  der  Peerlkarapschen  Umstellung  c.  III  9,  9:  me  nunc 
Thressa  regit  Chloe  zu  gewinnen  glaubt  (p.  13).  Dais  Ausnahmen 
von  der  die  Kegel  bildenden  Stellung  genug  vorkommen,  dafs  insbesondere 
die  kurzen  Verszeilen  der  Wortstellung  überhaupt  wenig  freien  Spiel- 
raum gewähren,  hebt  er  ja  selbst  hervor.  Über  die  Stellung  des  Imperativ 
falst  er  die  Wahrnehmungen  in  folgende  Regel  zusammen:  die  impera- 


Horatius.  75 

tivischen  Anssageformen  stehen  häutiger  nach  der  Cäsur  als  vor  der- 
selben; die  Imperativischen  Anssageformen  hat  Hör.  entweder  an  das 
Ende  des  Verses  oder  Halbverses  gestellt,  oder  an  den  Anfang  desselben 
mit  der  Einschränkung,  dafs  ein  einsilbiges  Wort  —  meist  als  repetitio 
eines  voraufgehenden  Begriffs  —  mitunter  vorhergeht  (p.  9  f.)  —  Die 
Bemerkung  Kiefslings  zu  III  30,  7,  dafs  usque  mit  crescam  zu  ver  c.  iii  30, 
binden  sei,  wird  dahin  von  B.  verallgemeinert,  dafs  „die  Partikel,  welche 
im  alkäischen  Elfsilbler  und  den  asklepiadeischen  Versen  ego  vorangeht, 
in  der  inversio  stehe  und  zum  Verbum  finitum  des  Satzes  gehöre"  (p.  19). 

47)  N.   Fritsch,    Zu    Horatius    Oden.     N.   Jahrbb.     1890. 
S.  213—223. 

C.  I  1,  3—6  pulverem  collegisse  mit  „Staub  aufzuwirbeln"  c.  i  1,3- 
zu  übersetzen,  verfehle  nicht  nur  die  Wortbedeutung,  da  colligere 
sammeln  heifse,  nicht  aber  aufjagen,  sondern  auch  die  Zeitbedeutung; 
denn  collegisse  könne  nur  eigentliches,  nicht  aoristisches  Perfekt  sein, 
da  ihm  evitata  (meta)  palma  d.  h.  accepta  palma  parallel  stehe.  Der 
Infinitiv  Perf.  bezeichne  eine  zur  Zeit  des  iuvat  vollendete  Handlung: 
Der  Sieger  freue  sich,  mit  olympischen  Staube  ganz  bedeckt  zu  sein. 
Ganz  entsprechend  werde  c.  IJ  1 ,  21  duces  non  indecoro  pulvere 
sordidos  gesagt.  Den  Wettfahrer  erfüllt  nach  der  Fahrt,  wenn  er  wieder 
im  Volke  erscheint,  der  Anblick  des  auf  ihm  liegenden  Staubes  mit 
Freude.  Also  sei  zu  übersetzen:  „manche  freut  es,  als  Wettfahrer  sicli 
mit  olympischem  Staube  bedeckt  zu  haben."  —  I  7,  8  f.  sei  Oudendorps  ,■.  i  7,  8. 
honore  aufzugeben,  da  das  hs.  in  honorem  dicet  als  allein  formell 
korrekt  erscheine;  plurimus  sei  Subjekt  zu  dicet;  natürlich  seien  in  der 
Reihe  alii  —  sunt  quibus  —  me  nur  Dichter  unter  dem  kollektiv  ge- 
brauchten Superlativ  zu  verstehen,  so  dafs  der  Sinn  und  die  Latinität 
(für  letztere  wii'd  noch  auf  das  analog  gebrauchte  multus  bei  Lncau 
III  707  f.  vei*wiesen)  tadellos  seien.  Nicht  gelöst  bleibt  bei  dieser 
Auffassung  von  plurimus  als  Subjekt  die  wichtigste  Frage,  wer  denn 
diese  plurimi  sein  sollen,  —  II  18,  36 — 40  non  vocatus  audit  (un- 
gerufen  hört  er)  habe  nur  Sinn,  wenn  man  vocatus  von  der  offenen  Bitte, 
non  vocatus  (=  non  voce,  sed  mente  h.  e.  tacite  rogatus  =  still  gebeten) 
von  der  stillen  Bitte  des  Armen  verstehe.  Einen  derartigen  Unterschied 
zwischen  lautem  und  innerem  Gebet  können  wir  aus  vocatus  und  non 
vocatus  nicht  herauslesen.  Die  scharfe  Nebeneinanderstellung  scheint  uns 
gebieterisch  einen  kontradiktorischen  Gegensatz  za  verlangen,  deraufserdem 
am  Schlüsse  höchst  wirkungsvoll  ist;  allerdings  mufs  dann  audit  zeug- 
matisch  gefafst  werden  (non  vocatus  venit).  —  III  24,  4  Apulicum  hat 
schwankende  Quantität  und  ist  von  H.  des  Metrums  willen  dreimal  in 
der  seltneren  gebraucht.     Sachlich  ist  es  besser  als  der  durch  Lachmauns 


c.  I 


7(5  Iloratius. 

Konjektur  hergestellte  Sinn.  Die  2  entgegengesetzten  Meere  entsprechen 
genau  den  2  entferntesten  Ländern  (Ai'abien  und  Indien),  während  das 
zu  omne  logisch  ganz  schief  stehende  Beiwort  publicum  und  das 
schon  an  sich  seltene  Subst.  terrenum  für  H.  unannehmbar  seien. 
Mit  Recht  ist  auch  darauf  hingewiesen,  dafs  durch  Lachmanns  Kon- 
jektur der  bestimmte  und  plastische  Ausdruck  völlig  verloren  geht.  — 
III  24,  5—8  das  Präsens  figit  bezeichne  eine  dauernde  oder  wieder- 
holte Handlung  der  Gegenwart  wie  expedies  eine  solche  der  Zukunft: 
da  das  Schicksal  fest  und  unerschütterlich  waltet,  so  wird  immer  der 
Tod  dich  in  seiner  Macht  halten  und  daher  dich  immer  Furcht  quälen, 
von  ihm  einmal  fortgerafft  zu  werden,  vertices  hält  F.  für  Giebel 
von  Gebäuden,  aber  nicht  von  menschlichen,  sondern  göttlichen;  der 
Gottheit  eigene  Bauten  seien  aber  ihre  Fügungen  und  Beschlüsse. 
Wie  I  35,  17  ff.  die  saeva  Necessitas  Nägel  und  Balken  etc.  führe  zur 
Befestigung  von  Bauten  der  Fortuna,  so  schlage  sie  hier  die  Nägel  in 
ihre  und  der  Fortuna  gemeinsame  göttliche  Bauten  d.  h.  Fügungen,  um 
dieselben  zu  festigen.  Diese  x\uffassuDg  scheint  uns  verkehrt.  Nachdem 
eben  mit  caeraentis  u.  s.  w,  von  einem  wirklichen  Bau  die  Rede  gewesen, 
kann  vertices  nur  den  Giebel  desselben  gehen.  Der  Bau  ist  fertig; 
das  Einschlagen  des  Nagels  drückt  wie  auf  dem  etruskischen  Spiegel 
symbolisch  aus,  dafs  dem  Bauherrn,  der  schon  glaubte,  ietzt  am  Ziele 
seines  Wunsches  zu  sein,  das  Todesverhäugnis  naht. 

48}  J.    Hilberg:    Zu    Horatius    und    Velleius.     Zeitsch.    f. 
öst.  Gym.     1891.     HL  Heft.     S.  197—200. 

C.  I  2,  21  (audiet  civis  acuisse  ferrum)  seien  die  Leiber  der 
Feinde  der  Wetzstein  für  die  Schwerter,  Im  Bürgerkrieg  werde 
von  Bürgern  an  Bürgern  das  Schwert  geschärft;  unter  cives  könne  man 
sowohl  die  Tötenden  als  die  Getöteten  verstehen.  Horaz  denke  an  die 
Proskriptionen,  die  das  Nachspiel  der  Bürgerkriege  bildeten.  —  Auch 
c.  II  8,  14—16  sei  mit  cote  cruenta  nicht  ein  gewöhnlicher  Wetz- 
stein, sondern  das  schwerverwundete  Menschenherz  gemeint,  dem 
das  heifse  Blut  aus  den  von  der  Liebe  geschlagenen  Wunden  entströme. 

49)  Fr.    Scholl:    Fronti    praeponere    olivam    (c.  I  7,   7). 
Archiv  f.  lat.  Lexikographie  VII,  Heft  3,     S.  441—442. 

Man  hat  sich  seit  Bentley  damit  begnügt,  praeponere  kurzweg 
im  Sinne  von  praetexere,  praecingere  oder  im ponere  zu  verstehen. 
Aber  wer  den  Kranz  ,fronti  praeponit',  bekomme  ihn  über  oder  vor  die 
Nase,  nicht  auf  den  Kopf.  Auch  frons  im  Sinne  von  ,Dichterstirne' 
sei  bedenklich.  Die  nach  dem  ganzen  Zusammenhang  gebotene  Bedeutung 
ist  nach  Seh.  eine  andere,  nämlich  die  frons  des  Gedichtes,  und  damit 


1 


Horatius.  77 

erhalte  auch  praeponere  seine  richtige  Bedeutung-  und  Beziehung. 
Zum  Belege  wird  verwiesen  auf  Ovid  Trist.  I  7,  32:  Hos  quoque  sex 
versus  in  prima  fronte  libelli  Si  praeponendos  esse  putabis  habe 
(folgt  das  Prooemium).  Horaz  ironisiere  die  kompilatorische  Art  jener 
Dichtungen,  zugleich  aber  auch  den  Fehler,  dafs  der  Verfasser  gleich 
im  Eingänge  den  Mund  voll  nahm  und  auf  seine  von  allen  Seiten  ab- 
gepflückten Olivenblätter  stolz  war.  —  I  2,  11  (et  superiecto  pavidae  c  i  j,  ii. 
natarunt  aequore  dammae)  ist  zu  superiecto  weder  terris  noch 
montibus  et  ulmo  zu  denken;  grammatisch  und  stilistisch  allein  richtig 
ist  superiecto  seil,  dammis,  wobei  dann  freilich  superiecto  aequore 
als  abl.  absol.  zu  fassen  ist:  ,Die  Hirsche,  da  das  Wasser  über  sie 
hereingebrochen,  schwimmen  —  gegen  die  Natur\ 

50)  A.  Elter:  Vaticanum.     Rhein.  Mus.  f.  Phil.    1891.    N.  F. 
46,  1,  1  p.  112  flf. 

Mons  Vaticanus  ist  ursprünglich  keine  an  einem  einzelnen  f.  1 20, 7. 
Punkte  des  Vaticanum  (dies  der  richtige  Name  des  Gebiets)  ausschliefslich 
tixierte  topographische  Bezeichnung;  welcher  der  vatikanischen  Berge 
bei  den  alten  Schriftstellern  gemeint  ist,  mufs  der  Zusammenhang  er- 
geben, wie  besonders  bei  Hör.  c.  I  20,  Zu  Horaz'  und  Juvenals  Zeit 
hat  der  Vaticanus  mons  als  Eigenname  noch  nicht  existiert.  Ursprünglich 
war  Vaticanum  Bezeichnung  einer  (etruskischen)  Änsiedlung,  dann 
des  ganzen  Gebiets  zwischen  Tiber  und  den  Bergen;  erst  seit 
der  Anlage  des  Neronischeu  Circus  wird  der  Name  an  diesem  fixiert. 
Mons  Vaticanus  ist  bei  H.  nur  der  Berg  im  Vatikauischen  d.h. 
in  unserem  Zusammenhange  das  heutige  Gianicolo,  Horaz  wählte  aber 
den  Ausdruck,  um  zu  sagen:  Der  Beifall  war  so  grofs,  dafs  er  bis  zum 
Tiber  und  die  Quais  (ripae)  entlang  und  über  Trans  Tiberim  und  hinaus 
bis  an  den  Berg  im  Vatikanischen  erschallte,  also  nicht  nur  an  Gianicolo 
sich  brach,  sondern  selbst  über  dies  hinausgegangen  bis  an  den  Vatikan 
hin,  gleichsam  ins  ganze  vatikanische  Land  sich  verbreitete.  Möglich, 
dafs  Hör.  bei  der  Wahl  dieses  fremden  und  wohl  etruskischen  Wortes 
eine  feine  Anspielung  an  des  Mäcenas  paternum  flumen  im  Auge  hatte. 

51)  J.  M.  Stowasser:  Der  Schiffbruch  des  Horaz  (c.  I  28). 
Ztsch.  f.  öst.  Gym.     1891.    III.  Heft.     S.  193—197. 

Gegen  Kiefsling  sei  die  einheitliche  Gedankenentwickelung  von  0.124 
c.  I  28  festzuhalten.  Die  Grundstimmung  sei  im  ganzen  vergleichbar 
c.  I  34,  wo  H.  dem  Epikureismus  entsage,  also  ebenfalls  eine  Palinodie 
und  zwar  diesmal  der  „mathematischen  und  seelenwanderischen  Welt- 
anschauung". Der  Kern  des  Gedichtes:  sed  omnis  una  manet  nox  et 
calcanda  semel  via  leti  ist  gegen  Pythagoras'  Ansicht  von  der  Seelen- 


78  Uoratius. 

wauderung:  gerichtet.  „Nicht  melirmals  stirbt  der  Mensch,  wie  jener 
gemeint,  sondern  nnser  aller  harrt  nur  einmal  die  Nacht  und  nur 
einmal  betreten  wir  den  Pfad  des  Todes."  Mit  dem  folgenden  nie 
(v.  21)  könne  Hör.  nur  sich  selbst  meinen.  „Mich  hat  der  Sturm  mit 
Wogen  überschüttet"  heilse  eben:  „ich  habe  Schiffbruch  gelitten".  Auf 
der  Düne  liegend,  male  sich  der  Dichter,  dem  Tode  nahe,  das  Bild 
näher  aus,  wenn  am  Strande  seine  Gebeine  unbegraben  liegen  werden. 
Die  Situation  erinnere  an  Scheffels  Gedicht,  da  er  fieberkrank  unter 
den  Palmen  Bordigheras  lag  und  zu  sterben  meinte,  oder  an  Körners 
„Die  AVunde  brennt".  Der  Schifl'brüchige  sei  also  ein  Lebender  und 
zwar  Horaz.  Dadurch  werde  auch  die  persönliche  Beziehung  des 
Sprechers  im  zweiten  Teil  zu  dem  im  ersten  erwähnten  Pythagoreismus 
hergestellt.  Für  diese  Auffassung  von  me  spreche  auch  c.  III  4,  26, 
wo  er  von  einem  und  zwar  demselben  Schiffbruche  rede:  nee  Sicula 
Palinurus  unda.  Dafs  der  zu  Anfang  genannte  Archytas  irgendwo  in 
Calabrien  gestrandet  ist,  kommt  nach  St.  wenig  in  Betracht;  übrigens 
wisse  man  nicht,  wo  das  matinische  Gestade  sei;  für  den  Dichter  komme 
es  sicher  nicht  in  Betracht  als  Scenerie,  sondern  der  stehe  nach  v.  2() 
an  der  Westküste  von  Italien  (Hesperiis  uudis).  Daher  dürfe  denn 
Illyricis  nndis  nicht  wörtlich  verstanden  werden,  sondern  per  enallagen : 
„ein  Süd,  wie  er  sonst  auf  dem  Ostmeer  zu  toben  pflegt." 

52)  Th.  Plüfs,  Zu  Horatius(c.  II20).   (Jahrbb.  f.  Phil.    1890. 
S.  783—785). 

c.  n  20.  Gegen  Naucks  (in  dessen  neuester  Aufl.  der  Oden)  Polemik  ver- 

teidigt der  Verf.  die  früher  von  ihm  entwickelte  Ansicht,  dal's  vates 
biformis  auf  die  Verbindung  von  Menschengestalt  (Gesicht,  Leib, 
Glieder)  und  den  blols  oben,  an  den  Schultern  und  Fingern  heraus- 
wachsenden Flaum  des  Schwans  zu  beziehen  sei.  Wenn  die  Alten 
derartige  Doppelgestalten  in  der  Plastik  ertragen  haben  (vergl.  die 
fliegenden  Windgötter,  Iris,  Victoria,  etruskischen  Todesgötter,  römische 
Laren),  so  sei  an  unserer  Stelle  um  so  weniger  Anstofs  zu  nehmen, 
als  das  tierische  Element  in  der  Doppelgestalt  nur  angedeutet  sei. 
Die  hier  von  Plüfs  angegebenen  Analogien  erscheinen  aus  dem 
Grunde  wenig  geeignet,  weil  bei  jeder  dieser  Gestalten  die  Flügel 
lediglich  nur  Attribute  dieser  göttlichen  Wesen  sind;  die  Göttertigui' 
ist  dabei  keineswegs  aufgegeben;  dagegen  handelt  es  sich  beim  Dichter 
um  eine  förmliche  Verwandlung  in  einen  Schwan,  wobei  die  frühere 
menschliche  Gestalt  vollständig  hinschwindet.  Gewifs  ist  mit  dem 
dircäischen  Schwan  (c.  IV  2,  25)  ein  wirklicher  und  leibhaftiger  Schwan 
gemeint.  Von  einer  Doppelgestalt  im  Sinne  Plüfs'  kann  daher  u.  E. 
keine    Rede    sein.     Wenn   anderer.seits    Nauck   u.    a.    unter    biformis 


Horatiua.  79 

„Schwan  und  Dichter  zugleich"  versteht,  so  entspricht  das  aller- 
dings, wie  Plül's  mit  Recht  betont,  der  Bedeutung  des  Wortes,  das  doch 
von  forma  kommt,  keineswegs.  Auch  darin  mag  Plül's  mit  O.  Jahn 
recht  behalten,  dal's  bei  der  hier  geschilderten  „Apokyknose"  schlielslich 
keine  Doppelgestalt,  sondern  lediglich  nur  die  einzige  forma  des  Schwanes 
herauskommt.  Aber  weshalb  mufs  denn  gerade  das  Endresultat  dieser 
Metamorphose  ins  Auge  gefalst  werden?  Die  ganze  Ode  zeigt  uns  den 
Beginn,  das  allmähliche  Werden  der  Verwandlung;  für  diese  erste 
Phase  der  Metamorphose  pafst  aber  jedenfalls  noch  das  wunderliche 
biformis, 

53)  H.   Müller:    Zwei    Oden    des    Horaz    (c.  11   14  u.  20). 
Zeitsch.  f.  öst.  Gym.     1891.    H  Heft.     S.  97—103. 

Dass  eine  stärkere  Betonung  der  humoristischen  Seite  der 
Horazischen  Dichtung  das  richtige  Verständnis  erschliel'sen  helfe,  will 
Verf.  an  der  Postumusode  (II  14)  zeigen.  Die  letzte  Strophe  habe  c.  ii  14. 
schon  Österlen  durch  Hervorhebung  der  scherzhaften  Züge  gerettet. 
Dagegen  habe  er  die  5.  Strophe  (visendus  ater  u.  s.  f.)  nicht  beachtet 
und  messe  der  Ode  immer  noch  zu  viel  Ernst  und  elegische  Ruhe  bei. 
Horaz  habe  unter  dem  Namen  Postum ns  eine  bestimmte  Person  an- 
geredet. Dies  zeigten  schon  die  individuellen  Züge  des  Angeredeten. 
W^enn  er  ihm  aber  in  der  betr.  Strophe  ,,die  Hölle  heils  mache", 
wenn  er  ii'onisch  seinen  Aberglauben  pietas  nenne,  ihn  selbst  mit 
amice  anrede,  gar  mit  ,, komischer  Derbheit"  v.  1  den  Namen 
zweimal  setze,  so  könne  das  alles  nicht  auf  einen  Freund  gehen.  Einem 
solchen  könne  er  unmöglich  Furcht  vor  dem  Tartarus,  ,,also  ein  böses 
Gewissen"  zuschreiben.  Vielmehr  sei  unter  dem  Pseudonym  Postumus 
(„der  Spätling"  oder  „ Nachgeborene ")  ein  Mensch  derb  verspottet,  der 
zwar  reich  sei,  aber  durch  sein  böses  Gewissen  doch  groi'se  Furcht  vor 
dem  Tode  habe.  Die  rechte  Beleuchtung  erhalte  die  Ode  durch  die 
vorhergehende:  Während  der  Dichter,  wenn  ihn  der  Baum  wirklich 
erschlagen  hätte,  mit  gutem  Gewissen  in  die  Unterwelt  hätte  gehen 
können,  biete  c.  14  als  Gegenstück  hiezu  das  Bild  eines  Mannes,  der 
vor  diesem  letzten  Gange  zittere. 

So  sehr  auch  zuzugeben  ist,  dafs,  wie  Österlen  schon  gezeigt, 
scherzhafte  Züge  in  der  Ode  enthalten  sind,  so  ist  doch  der  Grundgedanke, 
wie  Osterlen  lichtig  gesehen,  ein  durchaus  eraster.  Jedenfalls  fehlen 
aber  für  die  Ansicht,  dals  wir  einen  Adressaten  vor  uns  haben,  der 
ein  böses  Gewissen  hat,  alle  Anhaltspunkte.  Will  man  den  Charakter 
desselben  näher  bestimmen,  so  kann  man  ihn  wohl  nur  als  einen  Mann 
bezeichnen,  der  zäh  am  Leben  hängt,  sein  Hab  und  Gut  ängstlich  hütet, 
um  es  —  einem  unwürdigen  Erben  zu  hinterlassen.     Stimmt  es  so  in 


so  IJoratius. 

Tendenz  und  Aufbau  mit  c.  IV  7,  so  hat  auch  die  Ausmalung  des 
Orkus  so  wenig  auflfallendes,  als  dort  die  splendida  arbitria  des  Minos. 
In  den  Worten:  Imquenda  tellus  u.  s.  w.  vermögen  wir  aber  ebensowenig; 
eine  Verspottung-  zu  sehen,  als  in  amice  eine  Ironie;  ja  gerade  die 
mittlere  Strophe,  die  den  Hauptgedanken  enthält  (frustra  cruento  Marte 
carebimus),  klingt  elegisch.  — 

c.  II  20  gehe  das  vielbesprochene  biformis  auf  eine  Doppel- 
gcstalt,  wie  bei  Virgii  Minotaurus  und  Scylla,  bei  andern  Pan  und 
Glaucus  genannt  werden.  Zu  den  geflügelten  Wesen  gehören  aber 
nach  Eiirip.  Fragm.  903  auch  die  Sirenen  und  diese  seien  hier  geraeint. 
Ales  bedeute  ganz  allgemein  jedes  geflügelte  Wesen  und  wenn  sich  H, 
als  ein  „lichtes  Flügel wesen"  bezeichne,-  so  wolle  er  mit  dieser 
scherzhaften  Sirenenverwaudlung  auf  den  unwiderstehlichen  Reiz  musischer 
Kunst  hinweisen. 

Sicherlich  wird  ales  mehrfach  mythologischen  Wiesen  beigelegt 
wie  Perseus,  Mercur  u.  a.  Aber  mutari  in  album  alitem  ist  doch 
etwas  anderes  und  kann  wohl  nur  wie  auch  nachher  canorus  ales  (v.  15) 
von  der  Verwandlung  in  einen  Vogel  gedacht  werden.  (Siehe  übrigens 
Nummer  52,  Th.  Plüis  zu  c.  II  20.) 

Über  die  unterdessen  vom  Verf.  besorgte  Ausgabe  der  lyr. 
Gedichte  (Stralsburg  1892)  wird  der  nächste  Jahresbericht  referieren. 

54)  G.  H.  Müller:    Beiträge   z.   Erklärung  u.  Kritik  des 
Horaz.     Progr.  des  Lyceums  in  Stral'^burg  i.  E.  1888/9.     22  S.    8. 

Die  Bemerkungen,  welche  der  Verf.  zugleich  als  eine  Art  Begleit- 
schiff t  zu  seiner  Horazausgabe  bezeichnet,  betreffen: 

c.  I  1,  4—6  terrarum  dominos  ist  Objekt  von  evehit  und  be- 
zeichnet die  vornehmen  Römer  der  Horazischen  Zeit;  auch  die 
Römer  insgesamt  könnten  als  domini  terrarum  bezeichnet  werden, 
insofern  ihnen  ja  (cf.  c.  II  1,  23  f.  und  c.  III  3,  45  ff.)  die  Welt- 
herrschaft zukomme.  Der  Satz  metaque  —  deos  wird  parenthetisch  ge- 
falst:  „es  gebe  Römer,  welche  stolz  darauf  wären,  Olympische  Sieger 
zu  werden."  Bekanntlich  hatte  Ritter  unter  den  terr.  dominos  an  die 
Griechen  gedacht.  Das  eine  ist  aber  so  unstatthaft  wie  das  andere. 
Die  Schilderung  ist  eine  so  allgemeine,  alle  Kreise  umfassende,  dal's 
eine  Beschränkung  auf  die  vornehmen  Römer  wenig  angebracht  ist; 
der  Ausdruck  domini  terrarum  selbst  aber  kommt  auch  in  den  vom 
Verf.  angezogenen  Stellen  nur  als  prädikative  Bestimmung  zu 
Komani  vor,  nicht  aber,  auch  nicht  in  der  Vcrgilstelle  Aen.  I  2S2, 
als  Bchlechthinige  Bezeichnung  für  Romani.  Aufserdem  aber 
könnte  die  selbständige,  wie  M.  will,  parenthetische  Konstruktion  nur 
den  Sinn  haben:    ,die  adelnde  Palme  .  .  .  erhebt  die  Römer  (oder  die 


I 


Uoratius.  81 

Herren  der  Erde)  zu  den  Göttern".  Es  sind  aber  doch  nicht  alle  Römer 
oder  die  Römer  schlechthin,  sondern  nur  jene  gemeint,  welche  gesiegt 
haben!  Wir  halten  daher  die  Erklärung  für  verfehlt.  —  ib.  15  ff.  rura  c  i  i, 
bedeute,  wie  schon  Eitter  gesehen,  „Landgut":  oppidi  sui  rura  sei 
=  das  Landgut  bei  seinem  Städtchen.  Es  sei  also  von  zwei 
Wünschen  die  Rede:  Ruhe  (vor  dem  Sturme)  und  der  Besitz  des 
Landguts  beim  Städtchen.  Uns  scheint  dieser  doppelte,  auf  ganz 
verschiedene  Dinge  gehende  Wunsch  des  vom  sturmgepeitschten  Kauf- 
manns recht  wenig  bescheiden,  dann  aber  auch  dem  Sinn  der  Stelle 
fernliegend.  Es  handelt  sich  doch  nur  um  den  Gegensatz  zum  brausenden 
Meere.  Dieser  ist  aber  gegeben  in  der  „ländlichen  Ruhe  seines  Städtchens." 
Er  verlangt  gerade  wie  c.  II  16,  1  nur  eines:  otium,  und  diese  Ruhe 
ist  als  idyllische  durch  die  epexegetische  Beifügung  et  rura  oppidi  sui 
näher  charakterisiert.  —  c.  I  3  wird  mit  Recht,  wie  wir  glauben,  eis. 
auf  den  Dichter  Yirgil  bezogen.  In  durchaus  plausibler  Weise  führt 
Verf.  aus,  wie  Virgil  seine  letzte  Reise  wohl  jahrelang  mit  sich  in 
Gedanken  erwog,  vde  die  Aeueide  das  Produkt  einer  11jährigen  Arbeit 
ist.  Wohl  auch  möglich,  dafs  Virgil  in  seiner  ängstlichen  Weise  öfters 
selbst  mit  seinen  Freunden  über  diese  Reise,  ilire  Gefahren  etc.  redete. 
Alles  berechtigt  also  zur  Annahme,  dafs  das  Gedicht,  obwohl  es  auf 
Virgils  letzte  Reise  (die  allerdings  erst  19  wirklich  ausgeführt,  aber 
längst  projektiert  war)  geht,  doch  bereits  vor  23  v.  Chr.,  dem  Jahre 
der  Herausgabe  der  3  ersten  Bücher  Oden,  verfafst  ist.  —  c.  I  12,  21  fl'.  e.  i  12, 
liest  M.: 

proeliis  audax;  neque  te  silebo, 

libera  et  saevis  inimica  virgo  .  .  . 

Das  hs.  Liber  sei  aus  libera  verkürzt,  einem  allerdings  sonst 
nicht  nachweisbaren  Epitheton  der  Diana,  die  nach  Artem.  oneir.  II  35 
als  Artemis  'EXsüftspa  verehrt  worden  sei.  Libera  sei  die  Übersetzung 
davon.  So  lange  aber  nicht  bessere  Beweise  für  dies  angebliche  Attribut 
der  Artemis  beigebracht  werden  können,  wird  die  Vermutung  des  Verf. 
wenig  Glauben  finden.  —  c.  II  12  sei  die  gepriesene  Licymnia  nicht  c-  n  '- 
identisch  mit  der  Terentia,  Gemahlin  des  Mäcenas.  Denn  der  Dianae 
celebris  dies  (v.  20)  sei  der  13.  August,  der  von  Sklaven  und 
Sklavinnen  bezw.  Liber tinen  gefeierte  Dedikationstag  ihres  Tempels 
auf  dem  Aventin.  Auch  der  Name  Licymnia  (Xq-j^  uixvsiv)  weise  auf 
eine  Libertine  hin;  domina  brauche  nicht  notwendig  auf  eine  vornehme 
Dame  bezogen  zu  werden.  Letzteres  ist  richtig;  allein  der  dies  Dianae 
celebris  braucht  keineswegs  der  13.  August,  dieser  dies  servorum,  zu 
sein,  sondern  kann  recht  wohl  irgend  ein  anderes  Tempelfest  der  Diana 
sein.  Ganz  besonders  aber  liegt,  abgesehen  von  dem  ganzen  Ton  der 
Ode   und    abgesehen    von    der    ernsten   Persönlichkeit    des   Adressaten 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.  LXXVI  Bd.  (.1*^93  II.)  6 


g2  lliiatius. 

Mftoenas,  kein  Grund  vor.  weshalb  wir  der  so  bestimmt  auf  Terentia 
lautenden  Notiz  des  pseudakronischen  Scbulions  liier  nicht  glauben,  und 
in  der  dulcis  domina  Licymnia  eine  Libertine  uns  denken  sollen. 
„.  ,,,  —  c.  II  16,  19  liest  Verf.:  mutaraus  patriä  .  quis  exul  .  .  . 
niese  Konstruktion  sei  notwendig-,  weil  bei  niutare  aliquid  in  der 
Bedeutung  , etwas  eintauschen"  der  andere  Gegenstand,  für  den  etwas 
eingetauscht  wird,  nicht  ausgelassen  wei'den  könne,  ohne  dals  ünverstiiiid- 
lichkeit  entstände.  Mit  Recht  ist  dagegen  1)  eingewendet  worden,  dals 
durch  den  Beisatz  terras  alio  sole  calentes  eine  jede  Unklarheit 
beseitigt  ist  und  besondeis  2")  dafs    der  Gegensatz    se    quoque    fugit 

(■..21  ff.  das  patriae  bei  exul  kaum  entbehrlich  erscheinen  läfst.  —  c.  III  6,  21  ff. 
wird  in  Übereinstimmung  mit  Vahlen  (Berl.  Lektionskat.  188G)  niatura 

1  II.  iJ.  iin  Sinne  von  frühzeitig  (=  mature)  gefafst.  —  c.  III 11  und  12  weiden 
wie  die  2  vorangehenden  Oden  9  und  10  als  Ständchen  aufgefalst.  — 

I  3'..  7.  c.  in  26,7  wird  statt  des  überlieferten  arcus  vorgeschlagen:  asses 
Bohlen  oder  Balken,  welche  irgendwo  vielleicht  zum  Bau  aufgeschichtet 
zur  Hand  lagen  Verf.  verweist  auf  die  Analogie  mit  dem,  bei  römischen 
Belagerungen  und  Stürmen  gebrauchten  aries.  Ob  aber  hier  an  Waffen 
zum  Einrennen  im  engsten  Sinn  und  nur  an  solche  zu  denken  ist, 
ob  nicht  vielmehr  der  Bogen  als  Symbol  des  Liebesgottes  der 
Plastik  der  Darstellung  mehr  entspricht,    darf  billig  bezweifelt  werden. 

;  1.-,  ff.  —  c.  IV  8  ist  in  zweizeiligen  Strophen  verfalst;  Verf.  verwirft  nach 
dem  Vorgange  anderer  die  Worte  non  celeres  —  rediit,  verteidigt 
aber  die  gleichfalls  viel  angegriffenen  Verse  29  und  33  mit  guten  Gründen 

i:^.  21.  und  erhält  nun  30  Verse.  —  c.  IV  13,  21  wird  statt  nota  vorgeschlagen 
Iota:  der  Dichter  bezeichne  damit  nichts  anderes  als  das  hübsche 
Antlitz  der  Lyce.  Aber,  wird  man  fragen,  ist  der  Schönheit  nicht 
gclion  genügend  Erwähnung  gethan  in  den  voraufgehenden  Versen? 
Auch  ist  die  Bezeichnung  Iota  facies  für  Schönheit  doch  recht 
merkwürdig.     Das  Plautinische  est    lepida    ac    lauta    ist  doch  etwas 

1.2.37.  anderes.  —  epod.  2,  37  rt\  liest  M.:  quis  non  malaruni,  quas  labor 
(statt  amor)  curas  habet  --  „Wer  vergifst  hierbei  (unter  den  im  voiigen 
geschilderten  Annehmlichkeiten  des  Landes)  nicht  die  bösen  Sorgen  der 
Arbeit?"  Dieser  Gedanke  erscheint  uns  in  dem  Zusammenhang  dieser 
Epode  ganz  ungeeignet.  Denn  was  sollen  das  für  Sorgen  der  Arbeit 
seinV  Die  Arbeit  des  Landmannes  bietet  ja  nach  Ansicht  des  Alfius 
nichts  weniger  als  Sorgen;  sie  gewährt  vielmehr  lauter  Vergnügen!  — 
I  7.  ;,.  s.  [  7,  9  wird  statt  ad  regem  redeo  vorgeschlagen:  ad  rix  am  redeo. 
Warum  soll  aber  der  Dichter  nach  der  Digression  nicht  sagen:  ich 
komme  nun  auf  die  Geschichte    mit    dem  ßex   zurück?  —   Schlief slich 

10.  :^i.  bespricht  Verf.  in  Anführung  von  ep.  I  6,  31  die  Etymologie  und  Be- 
deutung des  Wortes  lucus  (von  luerej. 


llorativis.  83 

55)  P.  Seliger:    Die    ersten  sechs  Oden    im  3.  Buche  des 
Horaz.     N.  Jahrbb.  f.  Phil,  und  Päd.     1890.     S.  301—320. 

Verf.  bekämpft  die  neuerdings  von  Mommsen  und  Teuber  über 
diese  vielbesprochenen  sog.  Römeroden  geäufserteu  (s.  vorigen  Jahresbericht 
8.  152 — 156)  Ansichten.  Zunächst  schlägt  er  eine  Umstellung  vor,  um 
innern  Zusammenhang  in  diesen  Cyklus  zu  bringen,  und  zwar  folgen: 
1.  2.  6.  4.  5.  3.  aufeinander.  Er  unterzieht  zur  Begründung  dieses 
seines  Vorschlags  eingehend  Inhalt  und  Zusammenhang  der  6  Gedichte. 

Ode  1  sei  weder  eine  Theodicee  (Nauck)  noch  ein  „allumfassendes  c.  iii  i. 
Weltbild  mit  der  sittlichen  Auffassung  des  Idylls",  wie  Plüfs  wollte; 
Hör.  giebt  vielmehr  eine  Darstellung  der  Weisheit,  die  darin  gipfelt, 
dafs  man  mit  Vermeidung  alles  mafslosen  Strebens  sich  mit  dem  be- 
gnüge, was  nötig  ist.  —  In  Ode  2  habe  Mommsen  zuviel  hineinerklärt:  c.  ili  2. 
es  sei  lediglich  von  der  sittlichen  Erziehung  der  Jugend  zur  Tüchtigkeit 
und  Gottesfiu'cht  die  Rede.  Unmittelbar  an  den  Schlufs  der  Ode 
lehne  sich  nun  die  6.  Ode  an:  das  jetzige  Geschlecht  müsse  Frevel  der  o.  iii  6. 
Vorfahren  büfsen,  besonders  deren  VerDachlässigung  der  Götter  und 
Entheiligung  der  Ehe;  1.  2.  6  enthielten  so  eine  vollständige  Aufzählung 
der  Gebrechen  des  damaligen  Rom.  Dagegen  charakterisiere  sich  Ode  4  c.  iii  4. 
durch  seine  Einleitungsstrophe  als  Anfangsgedicht  einer  besondern  Reihe 
und  sei  voller  Beziehungen  auf  die  1.  Ode.  Wie  in  letzterer  vor  mafs- 
losem  Streben  gewarnt  werde,  so  zeige  das  Beispiel  der  Giganten  (III  4), 
wohin  die  vis  consili  expers  führe.  —  Ode  5  giebt  nach  S.  dann  analog  c.  iii  5. 
eine  Ausführung  des  Themas  der  2.  Ode:  was  in  letzterer  als  allgemeine 
Mahnung  ausgesprochen  werde,  belege  Ode  5  durch  das  Beispiel  des 
Regulus.  Von  einer  Aufforderung  an  den  Augustus,  die  Parther  zu 
bekriegen,  welche  Teuber  aus  den  3  ersten  Strophen  herausgelesen,  sei 
nichts  zu  finden.  Das  hoc  (v.  13)  gehe  nur  darauf,  dafs  der  römische 
Soldat  imPartherland  einheimisch  geworden  sei;  dissentientis  condicio- 
nibus  sei  von  Regulus  gesagt,  weil  er  die  ihm  von  den  Feinden 
gestellten  Bedingungen  (in  ihre  Verhältnisse  sich  einzuleben)  zurück- 
gewiesen habe.  Dadurch  unterscheide  er  sich  eben  von  den  römischen 
Gefangenen  im  Partherlande;  er  hätte  durch  sein  Beispiel  das  Verderben 
auf  künftige  Geschlechter  heraufbeschworen,  wenn  er  nicht  den  Rat 
gegeben  hätte,  die  Gefangenen  ohne  Gnade  umkommen  zu  lassen.  Die 
Gefangenen  im  Partherlande  aber  seien  auf  die  Bedingungen  (der  Parther) 
eingegangen,  hätten  sich  bei  ihnen  einheimisch  gemacht  und  so  dem 
Vaterlande  Schmach  bereitet,  p  e  r  i  r  e  t  sei  wörtlich  zu  fassen :  Wären 
die  10  000  nicht  auf  die  Bedingungen  der  Feinde  eiugegangen  und 
hätten  diese,  darüber  erbittert,  sie  getötet,  so  wäre  grofse  Schmach  er- 
spart geblieben  .  .  . 

6» 


«^4  Horatius. 

Am  bedenklichsten  scheint  uns  die  Auffassung  von  condicionibus 
im  Sinne  von  Bedingungen,  welche  die  Karthager  dem  Regulus  ge- 
macht haben  sollen,  sich  bei  ihnen  heimisch  zu  machen.  Denn  die 
ganze  Scene  ist  in  Rom,  nicht  in  Karthago  zu  denken,  und  zwar, 
wie  V.  45  f.  donec  labantis  consilio  patres  firmaret  auctoi'  numquam 
alias  dato  zeigt,  im  römischen  Senate.  Es  kann  sich  mithin  nur  um 
die  Bedingungen  handeln,  welche  Regulus  vom  karthagischen  Senate 
dem  römischen  zu  überbringen  hatte  und  deren  Annahme  er  selbst 
widerriet.  Auch  ist  ja  Regulus  nicht  deshalb  gestorben,  weil  er  das 
Anerbieten,  sich  in  Karthago  heimisch  zu  machen,  abwies,  sondern  weil 
er  gegen  den  Frieden  und  die  Annahme  der  Friedensbedingungeu  in 
Rom  gesprochen, 
c.  in  3.  Die  Anfangsworte  von  Ode  3,    welche  S.  an  sechster  Stelle  setzt, 

sollen  auf  Regulus  passen.  Aber  ardor  civium  prava  iubentium  mit 
labantes  patres  zu  identifizieren,  geht  doch  nicht  an.  Wenn  Zonaras 
berichtet,  dafs  u.  a.  Regulus'  Frau  und  Kinder  ihn  baten  (avsXaßovro)  zu 
bleiben,  so  kann  dies  doch  nicht  civium  ardor  genannt  werden.  Jubere 
ist  kaum  anders  als  von  einem  politischen  Volksbeschlufs  zu  fassen. 
Und  was  sollte  erst  voltus  instantis  tyranni  in  diesem  Zusammen- 
hange? S.  meint  das  Karthagische  Volk  könne  tjTannus  genannt  werden. 
Aber  wie  das  übrige  (dux  Hadriae,  magna  manus  Jovis)  zeigt,  ist  hier 
gewils  nicht  von  Regulus  die  Rede,  sondern  ganz  allgemein  von  der 
Unerschütterlichkeit  des  Gerechten  gegenüber  äufseren  Hindernissen. 
Die  Rede  der  Juno  deutet  S.  mit  Dillenburger  nur  auf  die  Mahnung, 
in  die  Sünden  zu  verfallen,  welche  den  Untergang  Trojas  herbeigeführt 
haben.  Unerklärlich  scheinen  uns  aber  bei  diesem  doch  nur  ganz  all- 
gemein verwendbaren  Bilde  (Sünden  der  Trojaner='Wiederaufbau  Trojas) 
die  ganz  s])ezialisierten  Züge  v.  65  f.  ter  si  resurgat  murus  aeneus 
auctore  Phoebo,  ter  pereat  meis  excisus  Argivis,  ferner  40  ff.  dum 
Priami  Pariflisque  busto  insultet  armentum  et  catulos  ferae  celent  inultae, 
stet  Capitolium;  auch  das  ne  nimium  pii  rcbusque  fidentes  avitae  tecta 
velint  reparare  Troiae  (v.  58  f.)  zwingt  doch  zu  einer  weniger  allge- 
mein gehaltenen  Interpretation  und  die  von  Mommsen  aufgezeigte  Be- 
ziehung auf  das  mit  der  Zunahme  des  römischen  Reiclies  immer  be- 
stimmter anfti-etendc  Projekt  einer  Verlegung  der  Residenz  nach  dem 
Osten  scheint  uns  kaum  abweisbar. 

Wenn  schlieCslich  S.  für  seine  Umstellung  der  2  Oden  (3  und  6) 
in  der  hs.  Überlieferung  eine  Stütze  zu  finden  glaubt,  insofern  aus 
Porphyrios  Worten  (/lafs  mit  III  17  eine  neue  Ode  beginne,  sei  irrig") 
eine  frühe  Verwlrriing  der  Reihenfolge  der  Oden  überhaupt  hervorgehe, 
so  dürfte  hier  zu  viel  gefolgert  sein.  Dafs  in  den  Hss  zwei  Oden  des 
gleichen  Metnims  in  ein  Ganzes   zusammengezogen   werden   und  umge- 


Horatius.  85 

kehrt,  ist  ja  uiclit  selten  (cf.  1 16  und  17,  umgekehrt  17,  15,  epocl.  2,  23), 
kann  aber  durchaus  nicht  für  eine  Verwirrung  der  Reihenfolge  gedeutet 
werden. 

56)  C.  Haeberliu:  Epilegomena  ad  Figurata  Carmina 
Graeca.     Philolog.     49.  Bd.     (N.  F.  III)     4.     p.  652. 

Die  Wendungen  c.  III  16,  1—8  .turris  aenea'  und  ^conversum  ein  m, 
in   pretium  deum'  entlieh  Hör.   dem  Epigrammendichter  Asclepiades 
V.  Samos,  der  identisch  ist  mit  Sikelidas. 

57)  J.  Lengsteiner,  Horaz  III  30.  (Zeitschr.  für  östcrr.  Grymn. 
1890.    S.  593-598). 

Für  Situs  in  der  konkreten  Bedeutung  (=  Bau)  fehlen  Belege,  c.  m  30. 
an  allen  gewöhnlich  angeführten  Stellen  könne  vielnielir  ruhig  für 
Situs  gefal'st  werden:  dispositio.  Situs  aber  im  Sinne  von  Nauck 
(Moder,  Schmutz,  Verwitterung)  brächte  einen  schneidenden  Gegensatz 
zu  regali  herein  („königlicher  Schmutz  oder  Verwitterung"),  der  auch 
nicht  durch  sog.  trajectio  epitheti  gehoben  werde.  Die  von  Kiefsling 
angezogene  Martialstelle  spreche  von  der  Unvergänglichkeit  des 
Ruhmes,  bei  Horaz  aber  sei,  wie  altius  beweist,  die  Höhe  betont. 

Lambinus  habe  mit  seiner  Erklärung  recht,  situs  sei  =  Status, 
cTC(3t;,  ÖEGi?  d.  h.  --Lage,  abstrakte  Höhe.  Wir  hätten  also  wie  III  24 
intactis  opulentior  thesauris  Arabum  et  divitis  Indiae  eine  sog.  kompen- 
diarische Ausdrucksweise:  H.  vergleicht  sein  Denkmal  hinsichtlich 
der  Höhe  mit  den  Pyramiden  (situs  ist  die  hohe  Lage,  wie  z.  B.  situs 
montium  vom  hohen  Aufbau  einer  Sache,  =  altitudo).  Statt  zu  sagen: 
„Ein  Denkmal,  das  hinsichtlich  seines  Aufbaues  (abstrakt)  höhier  ist  als  die  »^ 

P.  in  ihrem   majestätischen  Aufbau"   sagt  H.  kurzweg:    „ein  Denkmal, 
das  höher  ist  als  die  majestätische  Höhe  der  Pyramiden." 

Die  Aufforderung  surae  superbiam  im  Sinne  von:    „Fasse  Da  c.  iii  so, 
hohes  Selbstgefühl"  wirke  arrogant.     Es  liege  vielmehr   eine  Entschul- 
digung darin:    „Nimm  mein  zu  hoch  getriebenes    Selbstgefühl   als   ein 
solches  hin,  wozu  ich  mir  die   Berechtigung  erstrebt  habe." 

58)  J.  M.  Sto Wasser:  Anzeige  von  Kiefsling,  Horaz  Oden 
und  Epoden.  2.  Aufl.  In  Zeitschr.  für  österr.  Gymn.  1891.  6.  Heft. 
(S.  509—514): 

C.  m  14,  11  wird  vorgeschlagen:  c.  in  i4 

.  ,  vos  pueri  et  puellae 
iam  vicum  expertae  .  .  . 
d.  h.  ,,ihr,    die  ihr  des  Schicksals  Wechsel  erfahren  habt,"    also  ent- 
sprechender Gegensatz  zu  sospes.     So  sei  der  so  lauge  und  vergeblich 
gesuchte  Genetiv  von  vices  gefunden. 


Si;  Iloratius. 

;-,.  ^7.  Epod.   5,  S7  (vcuena  u.   s.  \v.)  Mag-uiim   sei   nichts  als  mäuum 

(=mauium),  eine  Form,  deren  Möglichkeit  von  manus  3  aus  Yarro 
1.  1.  VI  4  Fcstus  p.  122  ebenso  klar  werde,  wie  vom  Standpunkte  der 
daktylischen  Dichtung  ihre  Notwendigkeit  erhelle.  Dann  stünden  mane^^i 
und  humanam  vicem  im  Gegensatz:  auf  Erden  läfst  sich  Recht  und 
Unrecht  verkehren,  nicht  aber  in  der  Unterwelt.  St.  übersetzt  demnach: 
"Was  Recht  und  Unrecht  jenseits  ist,  kein  Zauber  kelirfs 
Ins  Gegenteil  nach  Menschenart!" 

59)  H.  Zschau:  tJber.Horaz  c.  IV  8.   Programm  des  städtischen 
Gymn.  zu  Schwedt  a.  0.     1891.     12  S.     8. 

Der  Verf.  imterzieht  dieses  von  der  Kritik  am  meisten  augegriffeue 
Gedicht  einer  erneuten  Prüfung.  Was  zunächst  Lehrs  gegen  den 
Anfang  der  Ode   vorgebracht,    wird  als  grundlos  bezeichnet;    dagegen 

,  7-s.  verwirft  Z,  die  Verse  7  und  8:  hie  saxo,  liquidis  ille  coloribus  Sollers 
nunc  hominem  ponere,  nunc  deum.  Wenn  nämlich  Censorinus  mit  den 
Namen  Parrhasius  und  Scopas  nicht  sofort  die  Vorstellung  des  Herr- 
lichsten und  Wertvollsten  verbinde,  sondern  ihm  erst  gesagt  werden 
müsse,  dals  der  eine  ein  Maler,  der  andere  ein  Bildhauer  sei  —  und 
„sonst  bedeuten  sie  weiter  nichts"  —  so  gehe  die  ganze  Pointe  verloren. 
Es  ist  kein  Zweifel,  dals,  wenn  die  beiden  Verse  weiter  nichts 
enthalten,  der  angeredete  Censorinus,  sofern  er  einer  solchen  Belehrung 
bedurfte,  ebenso  bedenklich  charakterisiert  wäre  als  die  Notiz  selbst 
herzlich  wenig  besagen  würde.  Es  steht  aber  mehr  darin.  Nicht,  dals 
der  eine  ein  Maler,  der  andere  ein  Bildhauer  gewesen,  ist  die  Haupt- 
sache, sondern  dafs  sie  herrliche  Götterbilder  und  Menscheu- 
statuen  (soUcrs  nunc  hominem  ponere,  nunc  deum)  geschaffen  haben. 
Diese  letzteren  werden  den  paterae,  aera,  tripodes  hinzugefügt,  viel- 
leicht umständlicher  hinzugefügt,  als  nötig  wäre,  aber  doch  weder 
formell  noch  auch  dem  Inhalt  nach  Anstofs  erregend. 

8,  13.  Wenn  weiterhin  v.  13  notae  publica e    von  manchen  auf  jene 

marmornen  Statuen  bezogen  wurden,  die  nach  Sueton  (Aug.  31)  Augustus 
im  J.  2  aufstellen  liefs  —  bei  welcher  Deutung  man  denn  richtig  den 
Interpolator  ertappt  zu  haben  glaubte  —  so  zeigt  Verf.  überzeugend, 
dafs  derartige  Statuen  längst  schon  grofsen  Männern  (gerade  z.  B. 
Scipio)  errichtet  waren,  sogar  von  Staats  wegen,  wenn  publicae  wirk- 
lich im  Sinne  von  publice  positae  zu  verstehen  ist,  wie  Verf.  meint. 

8,  17.  Der  am  meisten  angefochtene  Vers  17  (non  incendia  Oartha- 

ginis  iinpiae)  ist  nach  Z.  nicht  nur  aus  metrischen  Gründen,  sondern 
mehr  noch  des  historischen  Fehlers  halber  (dafs  es  übrigens  auch  ein 
litterarhistorischer  sein  kann  und  als  solcher  weit  weniger  ins  Gewicht 
fiele,  hat  Referent  seiner  Zeit  in  der  Abhandlung  über  diese  Ode  näher 


1 


Horatius,  87 

aiisgefübrt)  auszuscheiden.  Aber  damit  sei  nicht  geholfen:  v.  14 — 17 
mülsten  ausgeworfen  werden.  Denn  celeres  fugae  (v.  15),  das  nur 
auf  den  Rückzug  Hannibals  aus  Italien  bezogen  werden  könne,  sowie 
reiectae  minae  passe  nicht  zu  dem  voraufgehenden  non  in  eis  a  notis 
luarmora  publicis  (v.  13).  Denn  die  Thaten  müfsteu  doch  vor  den 
mariuora  stehen,  da  letztere  mehr  Gewähr  für  ein  Fortleben  bieten  als 
die  1'haten  selbst.  Es  könne  aber  in  diesem  Zusammenhange  überhaupt 
nicht  von  Thaten  die  Rede  sein,  da  es  sich  lediglich  um  die  Mittel, 
grofse  Thaten  fortzupflanzen,  nicht  aber  um  letztere  selbst  handle. 
Eine  Vergleichung  zwischen  Statuen,  Gedichte,  Thaten  sei  unstatthaft, 
denn  erstere  beide  verkünden  den  ßuhm,  die  Thaten  jedoch  machten 
den  E,uhm  aus. 

Zunächst  ist  gegen  diese  schon  von  Lehrs  und  Niemeyer  er- 
hobene Ausstellung  daran  zu  erinnern,  dafs  keineswegs  von  Thaten 
schlechthin  die  Rede  ist,  sondern  von  ganz  speziellen  und  zwar  gerade 
den  aller  berühmtesten  Thaten  der  römischen  Geschichte,  von  Ereig- 
nissen, deren  bloiser  Name  schon  geeignet  ist,  das  Andenken  Scipios 
zu  verewigen.  "Warum  soll  es  l.  B.  ungereimt  sein,  dem  Reiterstand- 
bild Friedrichs  d.  Gr.  den  Namen  Rofsbach  und  die  schimpf- 
liche Flucht  der  Franzosen  an  die  Seite  zu  stellen?  Verkünden 
nicht  beide  den  Ruhm  des  grofsen  Königs?  Oder  zu  sagen:  Nicht 
Marmorbilder,  nicht  „Salamis'  Eiland  und  des  Xerxes  jähe  Flucht  predigen 
lauter  das  Verdienst  des  Themistokles  als  die  Muse  des  Aschylus!"  Der 
Name  ,,Hannibar'  wie  die  Trümmer  von  Karthago  sind  vielleicht 
ein  wirksameres  Mittel,  an  die  Grofsthaten  Scipios  zu  mahnen,  als  Denk- 
mäler, ja  sie  sind,  wenn  man  mit  dem  Verf.  bei  incendia  an  den  Brand 
Karthagos,  die  Trümmer  jener  Stadt  denkt,  sogar  ein  recht  greifbares, 
sichtbares  äufseres  Mittel,  den  Preis  Scipios  zu  verkünden. 

Wenn  sodann  Z.  mit  Schütz  und  Verrall  in  den  Worten:  per 
quae  spiritus  et  vita  redit  bonis  Post  mortem  ducibus  einen 
Widerspruch  mit  dem  ,,Kern"  des  Gedichtes  findet,  weil  H.  in  einem 
Atemzuge  sage:  „Die  Unsterblichkeit  werde  durch  nichts  sicherer  er- 
langt als  durch  Gedichte"  und  wiederum:  ,,öifentliche  Denkmäler  seien 
geeignet,  grofsen  Feldherrn  nach  ihrem  Tode  die  Unsterblichkeit  zu 
verbürgen",  so  scheint  uns  dies  ganz  unbegründet.  Die  Tendenz  des 
Gedichtes  enthält  denselben  Gedanken  wie  ep.  II  1,  248: 

non  magis  expressi  vultus  per  aenea  signa, 
quam  per  vatis  opus  mores  animique  virorum 
clarornm  apparent. 

Dafs  Marmorbilder    sehr    wohl    geeignet    sind,    das   Andenken    grofser 
Feldherrn  zu  verewigen ,    ihnen  Leben  und  Atem  zurückzugeben ,  kann 


gj^  Horatius. 

die  Bedeutung  der  Poesie,  die  dasselbe  leiste,  doch  nur  erhöhen,  znnial 
einem  Adressaten  geg'enüber,  der  ja  nicht  zu  jenen  grol'seu  Feldherru 
g:ehört  und  also  wie  die  meisten  Menschen  auf  monumentale  Verewigung 
durch  Staudbilder  etc.  nicht  rechnen  kann.  Für  diese  greise  Kategorie 
von  Menschen  ist  der  Mund  des  Sängers  geradezu  das  einzige  Mittel,  ihr 
Verdienst  zu  preisen  (neque  si  chartae  sileant,  quod  bene  feceris,  nier- 
cedem  tuleris),  und  diese  Verherrlichung  ist  nicht  minder  vernehmlich 
und  wirkungsvoll  als  in  Stein  ausgehauen  zu  werden. 

Mit  Recht  weist  Z.  die  Ansicht  Verralls  ab,  der  nach  Ausscheidung 
der  V.   15 — 20  verbindet: 

Non  incisa  notis  marniora  publicis 
Per  quae  spiritus  et  vita  redit  bonis. 
Si  chartae  sileant  quod  bene  feceris, 
Mercedera  tulei  is  ? 

Abgesehen  davon,  dal's  es  dem  Dichter,  der  die  vorhin  von  uns  ange- 
zogenen Verse  epist.  II  1,  248  geschrieben,  kaum  in  den  Sinn  kommen 
kann,  leugnen  zu  wollen,  dafs  Standbilder  das  Andenken  grofser  Männer 
fortpflanzen,  so  könnten  die  2  ersten  Verse  nicht  heifsen  wie  Verrall 
meiut:  Xot  what  the  people  can  grave  upon  raarble  is  the  means 
wherebN'  the  good  return  to  breathiug  life,  sondern  nur:  Es  giebt 
keine  mit  Inschriften  versehene  Marmordenkniäler,  durch  welche  u.  s.  w. 
Nach  Verralls  Ansicht  müfste  aufser  der  Ellipse  von  sunt  nicht  nur  die 
Negation  unmittelbar  vor  marmora  stehen,  sondern  auch  statt  redit 
der  Konjunktiv  eintreten. 

In  v.  24  findet  Z.  ein  schweres  Bedenken :  si  tacituruitas  Obstaret 
meritis  invida  Romuli.  Aber  die  von  ihm  angeführte  Interpretation 
Gebhardis  (was  hätte  ein  Sohn  des  Mars  und  der  Ilia  vermocht,  wenn 
er  nicht  als  Romulus,  als  der  verdiente  Gründer  Roms  seinen  Säuger 
gefunden')  hebt  jedes  Bedenken  und  findet  eine  ganz  gewichtige  Stütze 
in  der  prägnanten  Stellung  von  Romuli.  Wir  halten  daher  die  Kon- 
jektur carminum  (an  Stelle  des  Romuli)  für  unnötig,  bezweifeln  auch, 
ob  taciturnitas  carminum  wirklich  eine  Verbesserung  wäre  für  das 
einfache  taciturnitas. 

V.  2.5.  28  und  3.3,  von  denen  namentlich  die  beiden  letzteren 
vielfach  beanstandet  wurden,  nimmt  Z.  in  Schutz;  nur  schlägt  er  vor 
v.  33  ornatis  (statt  ornatus)  zu  lesen,  weil  mau  erwarte,  dafs  ge- 
sagt werde,  wessen  Vota  Liber  ad  bonos  exitus  führe.  Er  thue 
das  nur  seinen  Verehrern,  die  sich  ihm  zu  Ehren  bei  Gelagen  mit 
grünem  Weinlaulj  bekränzt  haben.  Uns  will  scheinen,  als  werden 
infolge  dieser  Konjektur  nicht  sowohl  Bacchus  als  vielmehr  die  mit 
Weiulaub   Bekränzten    hervorgehoben    und  gera'lezu   als  das  dritte 


lloratiua.  89 

Glied  (Hercules,  Tyudaiidae,  ornati  vlridi  temporu  pampino)  hingestellt. 
Auch  beachte  man,  dal's  die  Concinnität  (inipiger  Hercules,  claruui  Tyn- 
daridae  sidus,  ornatus  Liber)  auch  ein  Attribut  zu  Liber  erlieiscut. 

Wenn  schliel'slich  durch  die  6  athetierteu  Verse  das  Gedicht  der 
sog.  lex  Meiuekiana  sich  fügt,  so  vermag  uns  dieses  Moment  von  der 
ßichtigkeit  der  Athetesen  nicht  zu  überzeugen.  Dagegen  ist  es  ein  an- 
sprechender, auch  von  Küster  schon  geäul'serter  Gedanke,  dais  wir  in 
vorliegender  Ode  ein  Geschenk  zum  Satui-nalienfeste  vor  uns  haben,  das 
einer  gewissen  Schalkhaftigkeit  nicht  ermangelt:  Censorinus  wünscht 
besungen  zu  werden.  Es  geschieht;  aber  wir  erfahren  über  ihn  nichts 
als  seinen  Namen  und  —  dal's  er  ein  Freund  der  Dichtkunst  ist,  so  dals 
in  der  That  das  Lied  für  ihn  zum  Danaergeschenk  geworden  ist. 

60)  Th.  Mommsen:  Commeutarium  ludorum  saecularium 
quintorum,  qui  facti  sunt  imperatore  Caesare  Divi  f.  Augusto  trib. 
pot,  VI.  Monumenti  antichi  pubblicati  della  Reale  Accademia  dei  lincei. 
vol.  I  fasc.  3. 1891  Sp.  617ff.  (auch  in  der  Ephemeris  epigr.  VIHp.  225 ff.). 

Für  die  Abfassung  des  carm.  saec.  durch  Horaz  im  Auftrage 
des  Augustus  liegt  durch  die  Auffindung  von  Bruchstüclieu  der  vom 
Senat  aufgestellten,  nunmehr  bei  den  1890  veranstalteten  Ausgrabungen 
am  Tiberufei"  gefundenen  Denksäule  ein  inschriftlicher  Beweis  vor.  Die 
Inschrift  enthält  ein  Schreiben  des  Kaisers  an  die  Fünfzehnmänner  und 
die  beiden  dadurch  hervorgerufenen  Beschlüsse  der  Behörden.  Danach 
fand  die  Feier  von  der  Nacht  des  31.  Mai  zum  1.  Juni  an  bis  3.  Juni 
17.  V.  Chr.  statt.  Die  hier  in  Betracht  kommende  Stelle  lautet  nach  M. 
(Z.  47  und  149):  sacrificioque  perfecto  pueri  XXVII,  quibus  denun- 
tiatum  erat  patrimi  et  matrimi  et  puellae  totidem  Carmen  cecinerunt, 
eoderaque  modo  in  Capitolio  .  .  .  Carmen  composuit  Q.  Horatius  Flaccus. 

61)  Th.  Mommsen:  Die  Akten  zu  dem  Säculargedicht  des 
Horaz.  (Wochenschr.  „Nation"  No.  11.  1891.     S.  161—163.) 

Die  inschriftliche  Angabe,  dal's  das  carmen  saec.  am  3.  Juni 
17  V.  Chr.  auf  dem  Palatin  und  Kapitol  (,,in  Palatio  . .  eodemque  modo 
in  Capitolio  cecinerunt")  gesungen  wurde,  eröffnet  zugleich  nach  M."s 
Ansicht  einen  Einblick  in  die  Werkstätte  des  Dichters.  Denn  die  beiden 
Götterreihen,  nach  denen  diese  Feier  geordnet  ist,  die  der  überirdischen 
(Jupiter,  Juno,  Apollo,  Diana)  und  die  unterirdischen  der  Mören, 
Ilithyien  und  ]\[utter  Erde,  hätten  für  einen  Dichter,  der  es  verstanden, 
,,der  Gelegenheit  ein  Gedicht  zu  schaffen",  die  rechten  Schwingen  sein 
müssen,  um  Sinn  und  Folge  sei  es  aus  ihnen  zu  entwickeln  oder  in  sie 
hineinzulegen,  um  den  auf  dem  Boden  der  Erde  zwischen  Himmel  und 
Erde   wandelnden  Menschen  die  Herrlichkeit  wie  die  Bedingtheit  ihres 


90  Iloratius. 

Loses  in  zweifacher  Bildermacht  vorzuführen,  Horaz:  habe  das  nicht 
gethan.  Er  nenne  wohl  die  Götter,  aber  in  aufgelöster  Folge,  was 
ein  rechter  Dichter  nicht  gethan  hätte,  und  ohne  die  so  nahe  liegende 
Verknüpfung. 

Noch  auffallender,  ja  fehlerhaft  sei  das  Verhalten  des  Festgedichtes 
zu  seiner  unmittelbaren  Aufgabe.  Gesungen  wurde  an  dem  dritten, 
dem  Apoll  und  der  Diana  gewidmeten  Feiertag;  entsprechend  beginne  es 
auch  mit  dem  Preise  dieser  Götter  und  schlielse  damit.  Dagegen  folge 
nach  Str.  9  eine  Anrufung  an  nicht  genannte  Götter.  Diese  seien 
Jupiter  und  Juno,  da  das  Opfer  in  weifsen  Eindern  bestehe.  Auf 
diese  beiden  Götter  passe  auch  der  Preis  besser  als  auf  Apollo  und 
Diana  (die  man  früher  mit  den  genannten  Partien  besungen  glaubte), 
da  nur  Jupiter  und  Juno  als  Schöpfer  Eoms  und  Spendei'  alles  Heils 
gefeiert  werden  könnten,  was  für  Apollo  und  Diana  doch  zu  übertrieben 
wäre.  Dazu  passe  endlich,  dafs  das  Lied,  wie  nun  bekannt,  auf  dem 
Palatin  und  dem  Kap i toi  gesungen  wurde,  also  auch  am  Heiligtum 
des  Jupiter  und  der  Juno.  Wenn  nun  auch  der  Standort  der  offenbar 
vom  Palatin  zum  Kapitol  und  wieder  nach  dem  Palatin  znrückziehenden 
Prozession  dem  Kundigen  die  Beziehung  der  mittleren  Partie  auf  Jupiter 
und  Juno  deutlich  ergeben  mochte,  so  hätte  H.  doch  für  einen  weiteren 
Leserkreis  —  und  an  den  mulste  ein  im  kaiserlichen  Auftrag  verfal'stes 
Festgedicht  denken  —  die  nach  Sti*.  9  sicher  gemeinten  Götter  (Jupiter 
und  Juno)  deutlicher  und  schärfer  bezeichnen  müssen.  So  zeige  denn 
Horaz  in  der  Ausführung  dieses  seines  Auftrages  ein  noch  bescheideneres 
Mals  von  Talent  als  man  es  sich  bisher  vorgestellt  habe. 

62)  F.  v.  Hoffs,  Zu  Horatius  epod.  3.    (Jahrbb.  f.  Phil.  1890. 
S   781-782.) 

Wiederholt  die  im  Trierer  Programm  1887  vorgetragene  neue 
Erklärung  der  3.  Epode  mit  einer  kleinen  Modifikation:  H.  hat 
die  Schnitter  gelobt  wegen  ilirer  Genügsamkeit,  Mäcenas  setzt  ilnn 
daher  schalkhaft  bei  nächster  Gelegenheit  die  Schnitterkost  vor,  um 
den  für  schlichte  Landkost  schwärmenden  Dichter  auf  die  Probe  zu 
stellen.  H.  schmeckt  den  Knoblauch,  von  dessen  Vorhandensein 
Mäcenas  selbst  vielleicht  gar  nichts  weils,  nicht  sofort,  erkennt  ihn  aber 
hinterher  an  seiner  Wirkung  und  vei wünscht  nun  das  Gericht:  ,;ich 
danke  für  das  verdammte  Zeug,  sollte  Dich  aber  jemals  danach  gelüsten 
(früher  hatte  Hoffs  gemeint,  Mäcenas  habe,  durch  die  Verwünschungen 
des  Dichtei's  nrugieiig  geworden,  selbst  Lust  gezeigt  zu  einer  Probe 
des  Gerichts),  dann  möge  vor  Deinem  Knoblauchatem"  etc. 

Mit  Recht  wird  dabei  gegen  Kielsliiigs  Auffassung  betont,  dals 
dieser  in  der  \.  Aufl.  um  quam  (v.  19)  iirigerweise  mit  ,,n  och  einmal''. 


Iloratius.  91 

in  der  2.  Aufl.  dagegen  gar  nicht  übersetzt  hat.  Auch  lu  der  Er- 
klärung von  tale,  das  Kiefsling  mit  incommodum  meum  oder  gandiuni 
incouimodi,  Österlen  gar  auf  das  Folgende  bezieht,  scheint  uns  Hoifs 
das  Richtige  getroffen  zu  haben. 

63)  0.    Imniisch:    Zu    griechischen    Dichtern.     Philologus 
49  Bd.    (N.  F.  ni)  2.  p.  19ü. 

Die  bei  Tzetzes  erwähnten  Verse  aus  Archilochus  frg.  22  u.  85 
(über  deren  kritisclie  Herstellung  und  Verbindung  eingehend  gesprochen 
wird)  sind  das  unverkennbare  Vorbild  für  Horaz  epod.  11:  <U'o(i.  u. 

dXXä  [x'  6  Xi>atjj.£Ä7]s,  w    Taipe,  Sa'ixvaxai  -oifo;. 

Petti,  nihil  nie  sicut  antea  iuvat 

scribere  versiculos,  amore  percussuni  gravi. 

Die  Komposition  der  Epode  ist  streng  archilochisch ,  ebenso  der 
asynartetische  Bau,  der  sich  im  Hiatus  und  syllaba  anceps  zeigt.  Das 
Gedicht  dient  dazu,  uns  einen  Begriff  vom  Liede  des  Pariers  zu  machen. 
Horazisch  ist  der  Personenname,  ferner  die  Rechnung  nach  dem  Dezember, 
seinem  Geburtsmonat,  endlich  wohl  auch  der  7,(u;xo;  sowie  der  apprjv 
spü);.  Der  Name  Lyciscus  weist  vielleicht  schon  auf  Horazens  Be- 
schäftigung mit  Alkaios.  Dagegen  wird  die  Gliederung  des  Ganzen 
(4  -^  2  -r  16  !-  2  +  4)  schon  bei  Archilochus  dieselbe  oder  ähnlich  gewesen 
sein.  Das  Mittelstück  stehe  offenbar  dem  Originale  am  nächsten.  Contrane 
hierum  nil  valere  candidum  ingenium  sei  ganz  des  Archilochus  Situation, 
der  dem  Lykambes  (um  niemand  anders  als  um  Neobule  könne  es  sich 
handeln)  den  Spitznamen  Äwx'i^r^<;  gab.  Das  Quodsi  nieis  inaestuet 
praecordiis  libera  bilis  möchte  sich  bei  Archilochus  noch  lebhafter 
geäufsert  haben. 

Horaz  schlage  mit  dieser  Epode  offenbar  einen  neuen  Ton  seiner 
Poesie  an.  Die  Wendung  vom  Jambus  zum  Melos  sei  zwar  bei  ihm 
sicher  nur  äufserlich  vorhanden,  ein  ordnendes  Pi'inzip  in  der  Auswahl, 
die  er  uns  aus  seinen  ersten  Arbeiten  bietet:  aber  auch  bei  Archilochus? 
Es  spreche  alles  dafür,  dals  das  Gedicht  wirklich  seine  epodische 
Dichtung  eröffnete,  dafs  er  also  Epoden  erst  nach  dem  Verhältnis  zu 
Neobule  gedichtet  habe. 

64)  M.  Graf:  Die  15.  Epode  der  Horaz.  Ein  Beitr.  z. 
Krit.  und  Erklärung  der  Hör.  Epoden.  Xenien  der  41.  Ver- 
sammlung D.  Philol.  in  München.     1891.     S.  15—19. 

Pecori  lupus  sei  ganz  unhaltbar:  dafür  sclüägt  G.  vor:  fureret   i-i.od.  ir>,  7. 
notus.     Der  Verf.  hat  gewifs  recht,    wenn  er  die  Ellipse    von   foret 


92  Uoratius. 

nurli  lupus  als  liart  bezeichnet;  ebenso,  wenn  er  auf  die  Schwierigkeit 
hinweist,  welche  bestehen  bleibt,  wenn  infestus  das  eine  Mal  als 
Prädikat,  das  zweite  Mal  als  Attribut  verstanden  werden  mul's. 
"Wenn  er  aber  gegen  die  hs.  Lesart  anführt:  was  denn  der  Wolf 
und  das  Lamm  bei  dem  Sternbild  des  Orion  zu  schatten  habe  und 
in  dieser  Zusammenstellung:  das  schlimmste  von  allem  Barocken  sieht, 
das  man  dem  Dichter  aufbürde,  so  verkennt  er,  wie  auch  seine  weitere 
Ausführung  zeigt,  ganz  und  gar  den  Sinn  der  Stelle.  Es  handelt  sich 
durchaus  nicht  um  einen  Schwur  bei  den  Sternen,  auch  nicht  um 
einen  Schwur  bei  Apollos-Lockenhaupt,  sondern  um  einen  Schwur 
bei  der  immerwährenden  Dauer,  bei  der  Ewigkeit  und  Un- 
veränderlichkeit  der  Leidenschaften,  , welche  in  feindseligen 
Wesen  der  Natur  wie  in  den  Elementen  herrscht.  Die  Ironie  liegt 
hierbei  nur  darin,  dals  die  Ewigkeit  der  Feindschaft  und  des 
Kampfes  das  Analogen  zur  Unverbrüchlichkeit  der  Liebe  und  Treue 
abgeben  mufs.  Das  Bild  selbst  aber  ist  dem  Dichter  nicht  fremd;  er 
hat  die  Ewigkeit  der  Leidenschaft  grade  aus  dem  Tierreiche  gleich  in 
der  folgenden  Epode  IG,  30  ff.  in  ganz  ähnlicher  Weise  illustriert. 
Dagegen  ist  ein  Schwur  in  den  Wind  („auch  den  Schwur  bei  Apollos 
Lockenhaupt  weht  der  Wind  fort"  sagt  der  Verf.)  den  Worten  des 
Dichters  wie  auch  dem  ganzen  Gedanken  völlig  fremd.  Dem  Aufruhr 
des  Meeres  durch  den  Sturm,  wie  dem  Schütteln  der  Locken  durch  den 
Wind  ist  der  Begriff  des  Fortwehens,  Sichverflüchtigens  sogar 
direkt  entgegengesetzt. 

V.  15  bezieht  G.  das  hs.  offensae  auf  parem,  ebenso  wie 
coustantia  die  Treue  der  neuen  Geliebten  sei.  Die  2  Verse  von 
Nee  semel  bis  dolor  lauten  in  der  von  G.  beigefügten,  metrischen,  auch 
sonst  öfters  den  Gedanken  freier  ausspinnenden  Übersetzung: 

„Diese  wird,  icli  glaub'  es  sicher, 
Treu  mir  sein,  sowie  sie  schön, 
Nicht  beim  ersten  Mifsvcrständuis 
Stolz  mir  gleich  den  Rücken  drehn. 
Händel  sind  ja  unvermeidlich, 
Oft  von  leisem  Scherz  geweckt ; 
Kennst  Du  nicht  das  alte  Sprichwort, 
Dafs  die  Liebe  gern  sich  neckt?" 

Man  sieht,  wie  der  Verf.  über  den  Wortlaut  des  Textes  doch 
gar  zu  weithinaufgreifen  muJs,  um  seine  Auffassung  von  semel  offensae 
und  certus  intrarit  dolor  zu  begründen.  In  der  That  ist  auch  der 
hier  vom  Verf.  eingeführte  „unvermeidliche  Liebeshader  *  der  Schilderung 
einer  eidbrüchigen  Geliebten,  die  er  mit  Schadenfreude  einem  andern 
überläfst,  ganz  und  gar  fremd. 


HoratiuB.  93 

65)  M.    Hertz:      Ein     paar     Horazische     Kleinigkeiten. 
Comment    Woelffliniauae.     S.  107—112.     8. 

Ep.  8,  17  f.  Inlitterati  nuni  minus  nervi  rigent  minusve  languet  epod.  8,  n 
fasciuum  erfordere  der  Sinn  ailerdiüg-s  das  von  Guj'et  und  Bentley 
verlangte  magisve,  H.  glaubt  aber  doch,  dafs  das  überlieferte  minusve 
beizubehalten  ist.  Nicht  die  Abschreiber,  sondern  Horaz  selbst  habe 
geirrt,  verleitet  durch  das  vorhergehende  minus.  —  ep.  13,  13  sei  cpod.  18.  i: 
pravi  St.  p  arvi  zu  lesen.  Der  schlimme  Skamander  scheine  im 
Munde  des  Kentanren,  der  die  Zukunft  schaue,  ganz  passend.  — 
s.  I  3,  7  sei  an  Bacche  nicht  zu  rütteln.  Das  langgebrauchte  e  solle  ?.  i  :•,,  7. 
die  Manier  des  Tigellius  nachahmen  und  verhöhnen,  der  seiner  bis  zum 
Übermals  bald  in  den  höchsten,  bald  in  den  tiefsten  Tönen  wiederholten 
Anrufung  des  Clottes  durch  eine  langgezogene,  auf  die  letzte  kurze 
Silbe  gelegte,  wohl  auch  mit  anschwellender  Stimme  vorgetragene  Fermate 
eine  immer  mehr  gesteigerte  Wirkung  auf  die  Zuhörer  zu  geben  sucht. 
—  ep.  I  7,  5  f  Das  Humoristische  der  Stelle  liege  darin,  dals  der  im  ep.  i  7,  5 
Gefühl  seiner  Würde  aufmarschierende  dissignator  für  den  nicht  ganz 
von  Trauer  erfüllten  Teilnehmer  an  einer  Leichenfeier  einen  komischen 
Eindruck  macht,  wenn  man  ihn  so  umgeben  sieht  von  meist  als  lictores 
verwendeten,  teils  blassen,  teils  wohlgenährten  und  angeröteten  Gevatter 
Schneider  und  Handschuhmacher  in  ihren  schäbigen  schwarzen  Fräcken 
oder  sonst  geliehenen  Röcken.  Decorare  als  Ausdruck  dieses  ziemlich 
fragwürdigen,  aus  Persönlichkeiten  der  untersten  Schichte  bestehenden 
Aufputzes  oder  Zierrates  des  von  ihnen  umgebenen,  in  seinem  Aufseren 
ganz  ähnlichen  dissignator  klingt  dann  allerdings  scherzhaft.  * 

66)  K.    Meiser:    Zu    lateinischen   Schriftstellern.     Bl.  f. 
bayer.  Gymn.     1891.     3.  u.  4.  Heft.     p.  178—180. 

S.  II  3,  294  f.  könne  die  Mutter  nur  gelobt   haben,    der  Knabe   s.ii.b,294 
solle  im  kalten  Wasser  stehen;    ripa   sei  daher  tälschlich  aus  limpa 
entstanden.  —  ib.  318  sei    maior    diraidio    einfältig   und    daher    un-   ^;.  ii  3,  .31 
möglich.     Die  Antwort  sei  vielmehr :  maior,  di,  multo.  —  Dann  folgen 
Konjekturen  zu  Porphyrio  (s.  I  1,  108;  4,  11;  47:  132;  6,  120:  10, 
24;  ep.  II  2,  1;  87:  2,  96). 

67)  F.  Ch.  Höger:    Kleine   Beiträge   zur   Erklärung   des 
Horaz.     Progr.  d.  Studienanst.  Freising.     1891.     8.  69—85.     8. 

S.  I  1,  18  sei    discedere  =  weggehen,    und    zwar    von    dem   s.  i  i,  is. 
Platze,  den  einer  bisher  eingenommen,  an  den  jenes,  mit  dem  er  gern 
tauschen  möchte;  zu  nolint  sei  nicht  esse  beatis  zu  ergänzen,  sondern 
mutatis  partibus  discedere.  —  69  quid  rides?    Der  Geizhals  lache,   ?■  i  i,  <» 
weil  er  sagen  will :  ich  bin  Tantalus  nicht ;  fabula  non  de  me  narratur. 


<»4  lloratius. 

—  71  sei  inbiaus  nicht  von  der  Begierde  nach  mehr  gesagt,  sondern 
der  Geizige  sei  von  Geldsäcken  umgeben  und  hat  Begierde  nach  Speise 
und  Trank,  er  üfifnet  den  Mund,  um  danach  zu  schnappen  (inhians  ^ 
captat),  aber  sie  entfliehen.  Die  Furcht  zu  verhungern,  ist  es,  die 
ihn  nicht  zum  Genuls  kommen  lälst.  So  ist  er  gezwungen,  selbst  das 
zu  schonen,  was  er  bereits  hat.  —  92  bedeute  finis  nicht  Ende, 
sondern  Ziel,  Grenze;  weiterhin  schlägt  II.  vor,  zu  lesen  neu  statt 
ne  oder  aber  vor  ne  stärker  zu  interpungieren :  „mach  es  nicht  wie 
Ummidius."  —  I  G,  46  bedeute  rodere  ^  beneiden;  dagegen  I  4,  81 
-----  culpare.  —  I  4.  14  verteidigt  II.  die  Lesart  accipe  iam  mit 
gnten  Gründen. —  105  f.  exemplis  notando  gehe  nicht  auf  den  Vater 
sondern  auf  den  Sohn  selbst  =^  ,dadurch,  dafs  ich  sie  (die  Fehler,  ihr 
I  ■••  «•■■'.  Scliändliches  und  Schädliches)  mii'  durch  Beispiele  einprägte.'  —  I  9,  43 
wird  zu  nemo  dexterius  fortuua  usus   est  ergänzt:    quam  tu.  — 

2.  i_>  ff.  II  2  (Druckfehler  im  Citat),  12  ff.  wird  vorgeschlagen:  seu  te  discus 
agit   per    cedentem    aera    missus.      Übrigens   seien  die  Verse  von 

II  6.  r.'.i.  Anfang  an  bis  116  als  Rede  des  Horaz  zu  fassen.  —  II  6,  59  wird 
das  hs.  perditur   verteidigt;    v.  18  sei   von    der   ambitio    nicht    des 

II  f.. 'tT.  Dichters,  sondern  seiner  Mitmenschen  die  Rede.  —  97  sei  zu  inter- 
pungieren:   haec  ubi  dicta  (sc.  sunt),  agrestem  pepulere;    domo 

■2,  II  tf.  levis  exsilit  ...  —  ep.  I  2,  11  ff.  hunc  amor  .  .  .  Die  Bezielumg 
des  huDC  auf  Agamemnon  sei  falsch,  denn  in  Sachen  der  Chryseis  habe 
Nestor  gar  nichts  zu  vermitteln.     Es  gehe  vielmehr  auf  Achill,    dem 

[  a  32  f.   Ehrgefühl  und  Liebe  zugleich  Thränen  entlocken.  —  I  3,  32  f.  at  vos 

i  sei  zu  lesen,  nicht  ac  vos.     Der  Satz  wäre  als  Anknüpfung  (durch  ac) 

matt  und  kraftlos,  auch  sei  hier  ein  „und"  in  kausaler  Bedeutung  eine 
zu  auffallende  Anknüpfung.     Aufs  folgende  bezogen  gebe  aber  at  einen 

II  1.  ii.  sehr  guten  Sinn.  —  II  1,  31  wird  Bentleys  Konjektur  olea  als  unnötig 
zurückgewiesen  und  das  hs.  oleam  verteidigt;  intra  wird  als  Präposition 
gefai'st,  statt  an  zweiter  Stelle  nun  auch  nucem  zu  schreiben,  habe 
Hör.  extra  in  nucc  gesagt,  um  anzudeuten,  dafs  das  durum  zwar 
aulserhalb  der  nux,  aber  doch  mit  ihr  verbunden,  darauf, 
daran  ist:  „Dann  ist  nichts  Hartes  innerhalb  der  Olive,  nichts  Hartes 
aul'seu  an  der  Nuis." 

68)  Proschberger:  Zu  Hör.  ep.  I  3,  26  (Bl.  f.  Bayer.  Gymn. 
1890.     26.  Bd.     10.     S.  533—535): 

.  1 .3,  2t;.  Die  genannten  Curae  sind  nichts  anderes  als  die  Unzufriedenheit 

mit  sicli  und  der  Welt,  die  seelische  Zerrissenheit,  der  Mangel  an  innerer 
Kühe  und  Befriedigung,  die  miseri  tnmultus  mentis  (c.  II  16).  Wie 
der  im  Fieber  Liegende  durch  frigida  fomenta,  kalte  Umschläge,  nur 
vorübergehende  Linderung  findet,  nicht  aber  auf  die  Dauer  gesund  wird. 


Horatius.  95 

so  mufst  Du  von  einer  nur  vorübergehenden  Bescliwichtiguug  der 
curae  absehen  und  dieselben  an  der  Hand  der  Philosophie  (vergl. 
ep.  I  18,  96  ff.)  gründlich  bekämpfen;  dann  erst  wird  die  tranquillitas 
animi  Dir  zu  teil  werden. 

69)  Luciani  Mülleri  do  Horatii  epistularum  II  1,  50  —  62 
disputatio.     Berlin,  Calvary,  1890.     16  S.     8. 

Verf.  widerspricht  mehrfach  Kiefsliugs  Interpretation  der  vor-  ep.  ii  i,  5t 
lieg;ende  Stelle.  Auch  dessen  Auffassung  von  s.  I  10,  64  ff.  sei  falsch,  b.  i  lo,  64 
denn  der  auctor  rudis  et  Graecis  intacti  carminis  sei  kein  anderer  als 
Enuius;  wenn  vorher  (v.  46)  Lucilius  als  inventor  bezeichnet  werde, 
so  spreche  dies  nicht  dagegen,  da  dieser  in  anderem  Sinne  als  Schöpfer 
der  Satire  gelte  (nämlich  der  neuereu,  an  die  alte  attische  Komödie 
sich  anlehnenden).  Die  Worte  ep.  II  1,  50  f.  Ennius  et  sapiens  etc. 
gehen  nur  auf  dessen  Annalen;  sapiens  auf  die  Eingangspartie  der- 
selben, worin  bekanntlich  pythagoreische  Lebren  vorgetragen  werden, 
fortis  gehe  nicht  auf  die  Kriegsthaten,  sondern  stehe  im  allgemeinen 
Sinne  =  vir  strenuus.  Das  Carmen  Naevii  sei  blofs  das  bellum 
l'unicum  desselben.  V.  56  heil'se  Pacuvius  doctus  nicht  wegen  der  , 
Vertrautheit  mit  griechischer  Kunst,  wie  Kiefsliug  meint,  sondern  wegen 
der  von  ihm  behandelten  entlegeneren  Stoffe  senis  gehe  nicht  auf  das 
hohe  Alter  beider,  sondern  auf  den  grofsen  Zwischenraum,  der  zwischen 
ihnen  und  der  Zeit  des  Horaz  liege.  Afrani  toga  conveuisse  di- 
citur  Menandro  stelle  blofs  die  urbanitas  des  Afranius  der  dtaxeiorrjc 
des  Menander  gleich.  Das  properare  (v.  58)  bezeichne  die  ars  breviter 
et  concinne  disponendi  argumenta;  übrigens  gehöre  ad  exemplar  nicht 
zu  properare,  das  gar  nicht  ad  zu  sich  nehmen  könne  (c.  IV  12,  21 
wird  statt  ad  quae  si  properas  gaudia  Sengers  Konjektur  empfohlen: 
raperis),  sondern  sei  =  exemplo  oder  more.  Endlich  sei  mit 
ediscit  verwiesen  auf  die  Annalen  des  Enuius  —  und  auf  das  bellum 
Punicum  das  Naevius,  neben  der  Odyssee  des  Livius  die  Hauptschul- 
bücher. Im  Gegensatz  zu  Kiel'sling,  der  bei  numerat  an  einen  krit. 
Kanon  dachte,  hebt  M.  hervor,  dals  es  sich  hier  nicht  von  Kritikern 
handle,  sondern  vom  röm.  Volke,  das  auf  jene  Autoren  hinweise,  wenn 
ihm  die  Griechen  Armseligkeit  ihrer  poet.  Leistungen  vorwerfen. 

70)  Fennell  (Cambridge  Philolog.  Society  1890.    N.  945  p.  412): 

C.  I  12   sei  gedichtet  26  v.   Gh.;   hinter  Fabriciumque  sei  ein  c  112. 
Fragezeichen  zu  setzen;  Catonis  nobile  letum  wird  verteidigt;  auch 
III  14,  III  29,  I  26   fallen    in    das    Jahr    26;    ein    Jahr    später  I  19, 
II  2  und  ni  8. 


96  Horatius. 

71)  A.  8.  Wilkins  (Academy  1890.     N.  942.     p.  357): 
verteidigt  in  einer  Anzeige  von  Eibbecks  Gesch.  der  röm.  Dichtung 

•.  IV  2. -2.       die  Form  Julius  Antonius;  Julius  sei  das  Nomen,  Antonius  das 
Cognoraen. 

Dagegen  polemisiert  W.  A.  Eamsay  (The  Antonius  and  Sallustius 
of  Horace,  Academy  1890,  N.  943  p.  376),  indem  er  auf  die  inschrift- 
liche Form  Julius  hinweist,  das  Vorname  sei,  während  der  Name 
Antonius  laute.  Aulserdem  stellt  er  den  Irrtum  "Wilkins  klar,  der 
das  Salluslische  Bergwerk  nach  Spanien  verlegt  hatte.  In  einer  weiteren 
Polemik  hält  aber  Wilkins  (ib.  N.  944)  fest  au  seiner  Ansicht  von 
Julius  Antonius,  die,  wie  jetzt  wohl  allgemein  angenommen,  falsch  ist. 

72)  A.  E.  Housman:    Adversaria    orthographica.     (Class. 
Eev.     1891.     N.  7.) 

IV  7. 15.  C.  IV  7,  15  dives  ist  falsch;  zu  lesen  sei:  saevos.  —  s.  II  3,  172 

II  •{.  172.  statt  et  ludere  zu  lesen:  ec  funder e  (!) 

73)  P.  Sandford  (ib.): 

II  11. '21.  C.  II  11,  21:  quis  deviam  ad  nos  eliciet. 

74)  H.  A.  Strong  (ib.): 

ip.  I  7.  2*1.  Ep.  I  7,  29  vulpecula  erkläre  sich  einfach  dadurch,    dafs    der 

Fuchs  sich  der  Mäuse  wegen  in  den  Kornbehälter  einschleicht.  0.  Jäger 
erwähnt  in  seiner  Nachlese  zu  Horaz  (Kölner  Progr.  1887)  die  sehr 
einfache  Lösung  eines  Laien,  dals  auf  dem  Kornboden  sich  wahrscheinlich 
viele  Mäuse  befunden  haben  und  der  Fuchs  sich  möglicherweise  an  diesen 
den  Magen  überladen  habe. 

75)  A.   Palmer:    Horatiana  (ib.  4): 

-.125.17.  schlägt    vor   zu    lesen  c.  I  25,  17  lenta  quod  pubes.  —  32,  15 

I  ii^^i'ff  ^^^^    cuique    solve.    —    c.  11  11,  21 — 24    scitam    (st.    scoitum).   — 

.  ir  1.5.  14.  13,  14  Bospori   poenas.  —  ni  8,  25 — 28  wird   Bonfinius'  Konjektur 

nV24^itt-  parte  empfohlen.  —  11124,  1  —  8  et  mare  sublicis.  —  IV  13, 17— 22 

V  13.  17  flf.  notaque    dotium  gratarum  facies.  —  c.  s.  25 — 28  (luod  seinel  dictum, 

c    P   25  ff 

lod.  17.  ."i.   ^6s    stabilisque    rerum    terminus    servet.  —  epod.  17,  55  albo    tundit 
.  III  ß.  -29.   salo.  —  c.  m  G,  29  coram  non  bene  conscio. 

76)  Postgate    (Cambridge    Philolog.    Society.     1890.     N.   943. 
S.  377): 

,  n  18,  ai.  Vorgeschlagen  wird  c.  II  18,  34    pueris  als  Spondeus  zu  lesen. 

.11.3,208.  —  s.  II  3,  208    alius   veris  (ebenso    auch    Gow);    für   scelerisque, 


Iloratius.  97 

wofüi'    Gow    cerebrique    konjiziert,    sei    iecorisque    zu    lesen,    — 

ep.  n  2,  87  sei   f rater   und   rhetor   gerade  zu  vertauschen,    weiter  ep.  ii 

dann  statt  consulti:  consulto  ita. 

77)  Derselbe  (ib.  N.  945.     p.  412  t): 

c.  rv  4,  65  für  evenit  sei  zu  lesen  exiit.  —  Zu  c.  III  6,  22   c.  iv - 

c    III 

verteidigt  P.  (N.  913)  das  Lehrs'sche  Roma  na. 

78)  Verrall  (Cambridge  Philol.  Soc.  1888;   19—21): 

C.  III  25  sei  zu  Ehren    des  G.  Julius  Caesar,    des    Sohnes    des   c.  ni ; 
Agrippa  und  der  Julia,  im  J.  20  geschrieben.     V.  vergleicht  dazu  Ovid 
ars.  am.  I  177. 


Nicht  zugegangen  sind  dem  Referenten: 

Th.  Arnold:  Die  griechischen  Studien  des  Horaz.     Neu  herausg. 
von  W.  Fries.     Halle  1891. 

P.  Lewicki:  de  natura  infinitivi  atque  usu  apud  Hör.  (I)  Progr. 
Lemberg.     1890. 

J.  Spika:  de  imitatione  Horatiana  in  Senecae  cauticis  chori.  Progr. 
Wien  1890. 

H,  Stimmer:   Kleidung  und  Schmuck    der  Römer  zur  Zeit  des 
Horaz.     Progr.     Meran.    1889. 

Dispositive  Inhaltsübersicht  ausgew.  Satiren  des  Horaz. 
(anonym).     Ansbach.     1890. 


Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.  LXXVI.  Bd.  (1893.  II.) 


Bericht 

über 

die  Litteratur  zu  den  römischen  Annalisten  in  dem 
Jahrzehnt  von  1883—1892 


Prof.  Dr.  Hermann  Peter, 

Rektor  zu  St.  Afra. 

Ein  Bericht  über  die  römischen  Annalisten  läfst  sich  in  ver- 
schiedener Ausdehuung  denken;  er  kann  entweder  alle  ihre  gelegent- 
lichen Erwähnungen  in  wissenschaftlichen  Abhandlungen  über  andere 
Stoffe  und  die  Untersuchungen,  welche  sich  von  ihnen  aus  auf  eigentlich 
geschichtliche  Themen  oder  die  erhaltenen  Historiker  erstrecken,  in 
seinen  Bereich  ziehen  oder  sich  auf  ihre  litterargeschichtliche  Behandlung 
und  die  Textesgestaltung  der  Fragmente  beschränken.  Ich  habe  den 
letzten  Weg  eingeschlagen,  weil  er  den  Zielen  dieser  Zeitschrift  besser 
zu  entsprechen  scheint,  während  der  andere  oft  in  das  Gebiet  anderer 
Mitarbeiter  hinüberleiten  würde;  daher  sind  z.  B.  alle  diejenigen  Auf- 
sätze, welche  sich  mit  dem  vielberufenen  Vei'hältnis  der  ersten  Bücher 
der  dritten  Dekade  des  Livius  zu  Polybius  beschäftigen,  ausser  acht  ge- 
lassen, ebenso  die  zahlreichen  chronologischen  Fragen,  welche  sich  an 
die  Gründungsära  des  Fabius,  des  Cincius  und  des  Gate  anknüpfen. 
Allerdings  wird  eine  mit  dem  engeren  Raum  sich  begnügende  Bericht- 
erstattung sehr  knapp  und  dürftig  ausfallen.  Zudem  sind  zwar  gerade 
von  den  Schriftstellern,  welche  uns  die  meisten  Fragmente  im  Wortlaut 
erhalten  haben,  während  der  letzten  Jahre  neue  kritische  Ausgaben  er- 
schienen; namentlich  die  monumentale  des  A.  Gellius  von  M.  Hertz 
(1883  und  1885),  ferner  von  Servius  die  längst  erwartete,  durch  ent- 
sagungsreiche Arbeit  auf  festem  Unterbau  aufgeführte  von  G.  Thilo 
(1881,  1884  und  1887;  der  von  H.  Hagen  versprochene  Abschlufs  steht 
leider  noch  aus),  von  Nonius  die  mit  grolsen  Hoffnungen  begrüfste  von 
Lucian  Müller  (1888);  von  Festus  ist  wenigstens  ein  getreues  Ab- 
bild der  handschriftlichen  Überlieferung  von  dem  ungarischen  Gelehrten 
Aem.  Thewrewk  de  Ponor  (1881»)  veröffentlicht  worden,  dem  ein 
zweiter  Teil  mit  dem  kritischen  Kommentar  nachfolgen  soll.  Indes  für 
Gellius  und  Servius'  war  mir  bereits  für  den  ersten  Band  meiner 
ilellifjuiae  (1871)  der  handscliriftliche  Ap])arat  von  ihren  Herausgebern 
zur  Verfügung  gestellt  worden;    die  Vorzüge  des  neuen  Nouius  liegen 


Römische  Annalisten.  99 

TDesondera  in  der  Konjekturalkritik,  durch  welche  L.  Müller  die  Frag- 
mente zu  verbessern  bestrebt  gewesen  ist;  für  die  handschriftliche  Über- 
lieferung- sind  neue  Quellen  von  Bedeutung  nicht  erschlossen  worden, 
weshalb  von  dieser  Seite  der  Ertrag  der  Ausgabe  die  Erwartungen 
nicht  erfüllt  hat  (s.  Fleckeisens  Jahrb.  Bd.  139  [1889]  S.  499—511). 
Ein  Vergleich  mit  der  genannten  Festusausgabe  hat  endlich  nur  für 
zwei  Fragmente  kleine  belanglose  Abweichungen  von  der  Müllerschen 
Kollation  des  Farnesianus  ergeben.  Wichtigere  Abweichungen  in  dem 
Wortlaut  der  Fragmente,  welche  wir  diesen  oder  anderen  Ausgaben 
(der  Catos  de  agri  cult.  und  Varros  rer.  rust.)  verdanken,  sei  es  durch 
Feststellung  der  richtigen  handschriftlichen  Lesarten,  sei  es  durch  Kon- 
jektur, werde  ich  im  folgenden  verzeichnen,  einsetzen  indes  erst  nach 
dem  Erscheinen  meiner  Ausgabe  der  Fragmente  (1883),  in  deren  Vor- 
rede ich  die  Ergebnisse  der  Beschäftigung  mit  dem  Text  der  Annalisten 
seit  dem  ersten  Band  der  Relliquiae  zusammengetragen  habe. 

Bened.  Niese,  De  annalibus  Roraanis  obseruationes.     Index  lect. 
aestiu.    1886.    Marburgi  typis  acad.     Rob.  Friedrich.    4.    XV  p. 

Eec:  Liter.  Centralbl.  1886  S.  1761  f.  von  Q.  Th(oui-et).  — 
Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  III  S.  1603—1605  von  G.  Thouret. 
—  In  diesen  Berichten  Bd.  52  S.  289  f.  von  H.  Schiller. 

—  —  De  annalibus  Romanis  obseruationes  alterae.    Ind.  lect.  aest. 
1888.     Marburgi  typ.  acad.     R.  Friedrich.     4.     XVI  p. 

Ber.  in  diesen  Berichten  Bd.  54  S.  130  von  H.  Schiller. 

Die  bekannte  Nachricht  des  Cornelius  Nepos  über  die  Origines 
Catoa  'horum  bellorum  duces  non  nominauit  sed  sine  nominihus  res 
notauif,  welche  durch  Plinius  n.  h.  VIII  11  bestätigt  wird,  vei'allgemeinert 
Niese  auf  alle  älteren  römischen  Annalisten  und  stellt  dem  gegenüber 
einerseits  den  Namenreichtum  in  der  Überlieferung  des  Livius  und 
Dionj'sius,  andererseits  die  Unsicherheit,  welche  in  ihr  über  gewisse 
Namen  herrscht,  und  das  Fehlen  der  Pränomina  bei  den  Frauen,  welche 
solche  in  alter  Zeit  geführt  hätten.  Jene  Zuthaten  stammten  zum 
gröfsten  Teil  aus  den  Konsularfasten ,  und  zwar  habe  man  zur  Er- 
gänzung durch  plebejische  Namen  vor  den  leges  Liciniae  Sextiae  zu 
verschiedenen  Mitteln  gegriffen,  zunächst,  wie  dies  Mommsen  gemeint, 
zu  dem,  dafs  man  Namen  aus  den  Gracchanischen  und  Sullanischen 
Parteikämpfen  in  die  früheren  übertrug,  aber  auch  zu  mannigfachen 
anderen.  Als  Beispiel  behandelt  N.  das  zweite  Jahr  des  Dezeravirats 
und  namentlich  die  Liste  der  nach  seinem  Sturz  gewählten  zehn  Volks- 
tribunen L.  Verginius,  L.  Jcilius,  P.  Numitorius,  C.  Sicinius,  M.  Duilius, 


200  Römische  Annalisten. 

M.  Titinius,  M.  Poniponins,  C.  Aproiiius,  Ap.  Yillius,  C.  Oppins  (Liv.  III 
51,10;  52,1;  54,11).  Der  Name  des  Vaters  der  Verginia  sei  er- 
dichtet nach  dem  der  Tochter,  'quae  uirginitatem  quam  uitam  maluit 
retineie'  (p.  VIII),  die  der  nächsten  vier  Tribunen  nach  denjenigen 
des  Jahres  471/283,  die  uns  der  aus  alten  Quellen  schöpfende  Diodor 
(XI  68)  und  in  anderer  Umrahmung  Livius  nach  Piso  (II  58)  nenne, 
jedoch  erst  in  der  Zeit  des  Cicero,  da  dieser  an  der  zeitlich  frühesten 
der  drei  Stellen,  an  denen  er  die  Dezemvirn  erwähne,  überhaupt  noch 
keinen  Namen  kenne,  an  der  zweiten  den  des  'Decimus"  Verginius,  erst 
an  der  dritten  auch  den  des  Appius  Claudius. 

Dals  zur  Ausfüllung  der  grofsen  Lücke,  welche  die  älteste  Anna- 
listik  zwischen  der  Sagenzeit  und  der  eigenen  Erinnerung  gelassen 
hatte,  stark  gefälscht  worden  ist,  wird  allgemein  angenommen;  auch 
dafs  Namen  von  anderen  Ereignissen  entlehnt  wurden,  ist  zuzugeben; 
dagegen  ist  die  Verallgemeinerung  der  Namenlosigkeit  in  deu  älteren 
Annalen  kaum  zu  billigen,  denn  sonst  würde  sie  Nepos  gew'ifs  nicht 
als  eine  Eigentümlichkeit  der  Origines  hervorgehoben  haben,  und  gar 
der  Vorsuch,  diese  Erdichtung  bis  in  die  Zeit  des  Cicero  hinunter  zu 
schieben,  beruht  auf  einer  sehr  schwachen  Unterlage,  wie  auch  die 
weitere  Folgerung,  dafs  das  Tribunat  überhaupt  erst  im  Jahre  471  ge- 
schaffen sei,  mit  Recht  auf  entschiedenen  Widerspruch  gestofseu  ist;  s. 
Joh.  Schmidt,  Herm.  XXI  S.  460  ff. 

Die  zweite  Abhandlung  will  den  späten  Ursprung  der  Livianisch- 
Dionysischen  Überlieferung  an  der  Darstellung  des  Scipionenprozesses 
bei  Livius  (38,  50 — 60)  erweisen;  er  verwirft  daher  die  Ansicht  von 
Moramsen,  der  (nach  ihm  Nissen)  sie,  abgesehen  von  geringen  Zusätzen,, 
auf  Valerius  Antias  zurückgeführt  hatte,  und  erklärt  sie  für  eine  Kon- 
tamination aus  ihm  und  aus  deu  Excrapla  des  Cornelius  Nepos. 
Besonders  betont  er  die  Erwähnung  von  Reden  des  Ti.  Gracchus  und 
des  r.  Scipio  (c.  56,  5  ff.),  welche  in  dem  Prozefs  gehalten  sein  sollen ; 
denn  wenn  Cicero  von  der  Beredsamkeit  des  letzteren  überhaupt  nichts 
wisse  und  deu  ersteren  de  orat.  I  9,  38  liomo  prudens  et  grauis,  haud- 
qiiaquam  elofjuens  nenne,  in  dem  später  verfafsten  Brutus  (20,  79)  ihn 
unter  den  Rednern  aufzähle  und  eine  griechische  Rede  von  ihm  erwähne» 
so  folge  daraus,  dals  erst  nach  Cicero  jene  Rede  des  Gracchus  habe 
erfunden  werden  können.  Cicero  aber  äufsert  sich  an  der  letzten  Stelle 
folgendeimafsen:  Erat  eisdem  iemporibus  Ti.  Gracchus  P.  f.,  qui  bis 
consul  et  cevsor  fuit,  atius  est  oratio  graeca  apud  Rhodios,  quem  ciuem 
cum  grauem  turn  etiam  eloquentem  constat  fuisse,  bezieht  also  keineswegs 
sein  Urteil  auf  die  gnecbische  Rede,  sondern  stellt  es  als  ein  ganz  all- 
gemeines hin,  und  sogar  jenes  zugegeben,  wird  nus  dem  Nichtwissen 
Ciceros  ohne   weiteres  auf  ein  Nichtvorhandensein    geschlossen    werden 


Römische  Annalisten.  101 

dürfen?  Rhetorische  Machwerke  waren  jene  Reden,  wie  auch  Livius 
andeutet  (si  modo  ipsorum  sunt  qiiae  feruntiir),  und  die  von  ihm  geraeinten 
können  sehr  wohl  dem  Cicero  unbekannt  geblieben  sein,  aber  der  Beweis, 
dafs  sie  jünger  als  er  gewesen  sein  müfsten,  ist  nicht  erbracht,  ebensD 
wenig  der  der  Abhängigkeit  des  Livius  von  Nepos,  womit  ich  natürlich 
nicht  für  die  Glaubwürdigkeit  aller  Livianischen  Angaben  über  den 
Prozefs  eintreten  will.  ^) 

A.  Volkmar,  De  annalibus  Eomanis  quaestiones.  I.  De  historia 
decemuiratus,  qua  aetate  confecta  sit.  II.  De  T.  Livio  fönte  Dionysl 
Halicamassei.     Dissert.  inaug.     Marburg  1890.     8.     74  p. 

Rec:    Sybels  histor.   Zeitschr.  LXVII  S.  490  f.  von  L.  Holz- 
apfel. —  Neue  philol.  Rundschau  1891  S.  118—121  von  J.  Bader. 

Die  Dissertation  tritt  ganz  in  die  Fufstapfen  von  B.  Niese,  dem 
sie  auch  gewidmet  ist,  und  sucht  die  von  ihm  ausgesprochene  Ansicht, 
dafs  die  Livianisch-Dionysische  Überlieferung  erst  nach  der  Zeit  des 
Cicero  entstanden  sei,  im  ersten  Teile  dadurch  weiter  zu  begründen, 
dafs  er  23  Punkte  in  ihrer  Geschichte  des  Dezemvirn  Appius  Claudius 
aufzählt,  welche  dem  Diktator  Cäsar  abgeborgt  seien.  Mit  ihr  ver- 
gleicht er  darauf  die  kurze  Erzählung  des  Dezemvirats  bei  Diodor  und  die 
mit  ihr  im  wesentlichen  übereinstimmenden  gelegentlichen  Erwähnungen 
des  Cicero  und  entwickelt,  wie  die  Zusätze  des  Livius  hätten  entstehen 
können.  Der  zweite,  umfangreichere  Teil  (S.  24 — 73)  soll  den  Nachweis 
liefern,  dafs  Dionys  den  gröfseren  Teil  des  Livianischen  Werkes  in  das 
seinige  hei  übergenommen  und  seine  Thätigkeit  hauptsächlich  darin  be- 
standen habe,  den  fremden  Grundstock  durch  Ausschmückungen  ver- 
schiedener Art  seinem  pragmatischen  Programm  anzupassen. 

Über  das  Mehr  oder  Minder  von  Citateu  neuerer  Bücher  wii"d 
man  verschiedener  Meinung  sein  können;  der  Verf.  aber  kennt  wichtige 
in  sein  Thema  einschlagende  Arbeiten  gar  nicht,  sonst  würde  er  in  dem 
zweiten  TeU,  in  welchem  er  nur  je  einmal  Nieses  De  ann.  Rom.  und 
die  Weifsenbornsche  Liviusausgabe  nennt,  zu  einer  klareren  Einsicht 
in  die  Schwierigkeiten  der  von  ihm  in  Angriff  genommenen  Frage  und 
dann  auch  zu  einem  anderen  Resultat  gekommen  sein.  Aber  auch  in 
dem  ersten  ist  sein  Blick  beschränkt.    Die  Übereinstimmungen  zwischen 


*)  S.  auch  desselben  Verfassers  Abhandlung  'das  s.  g.  Licinisch-Sextische 
Ackergesetz'  im  Hermes  XXIII  (1888)  S.  410—423,  wo  die  gewöhnliche 
'lediglich  auf  Livius  und  diesem  gleichaltrigen  Quellen  beruhende'  Über- 
lieferung über  dies  Gesetz  mit  der  des  Appian  und  Plutarch  zusammen- 
gestellt und  bis  in  die  Zeit  zwischen  dem  Ende  des  Hannibalischen  Kriegs 
und  dem  Jahre  180  herabgedrückt  wird. 


102  Römische  Annalisten. 

dem  Livianisch-Dionysischeu  Appius  Claudius  und  dem  geschichtlichen 
Cäsar  beziehen  sich  teils  auf  allgemeine  Züge,  wie  sie  jedem  rücksichts- 
losen Ilen-scher  eigen  sind  (ich  verweise  z.  B.  auf  W.  Roschers  Ab- 
handlung über  den  Cäsarismus),  sodais  Nitzsch  (Rom.  Annalist.  S.  142) 
in  jener  Schilderung  eine  'absichtliche  Parallele  mit  der  Stellung  und 
Haltung  der  Sullanischen  Nobilität'  finden  konnte,  teils  beweisen  sie 
nicht  das,  was  V.  meint.  So  stellt  er  an  die  Spitze  die  Angabe  des 
Livius  (III  35,  9  f.),  dafs  Appius  Claudius  sich  selbst  zum  Dezemvirn 
gewählt  habe,  und  die  Thatsache,  dafs  'eadem  ratione  noua  et  plane 
inaudita'  Cäsar  bei  seiner  Konsulwahl  verfahren  sei  (p.  4);  Mommsen 
hat  aber  im  R.  St.  R.  I  S.  402  Anm.  mehrere  derartige  Fälle  vor 
Cäsar  verzeichnet;  s.  Bader  a.  a.  0.  S.  119  ff.,  der  S.  122  auch  die  grofsfr 
Flüchtigkeit  in  den  Citaten  selbst  aufgestochen  hat.  Irgend  welche 
wissenschaftliche  Förderung  ist  also  in  dieser  Dissertation  nicht  zu 
suchen. 

Die  Annales  luaximi. 

Über  die  Entstehung  und  den  Zweck  der  A.  m.  hat  0.  Seeck 
(Die  Kalendertafel  der  Pontlfices.  Berlin,  Weidmann,  1885)  eingehend 
gehandelt;  er  bringt  die  'geweifste  Tafel'  in  Zusammenhang  mit  der 
kalendarischen  Wirksamkeit  des  Oberpriesters,  indem  er  als  ersten  Zweck 
die  tagweise  Veröffentlichung  des  Datums  ansieht,  und  wenn  jener  merk- 
würdige Vorfälle  in  kürzester  Form  angeschoben  habe,  so  sei  dies- 
weniger  der  künftigen  Geschichtsschreibung  halber  geschehen  als  um 
JJerksteine  innerhalb  des  Kalenders  zu  schaffen  (S.  61 — 65).  Ich  freue 
mich,  darin  mit  S.  mich  berührt  zu  haben,  dafs  auch  ich  (Relliq.  I 
p.  IX  sq.)  die  gewöhnliche  Annahme  der  Aufzeichnung  der  geschicht- 
lichen Ereignisse  am  Ende  jedes  Jahres  verworfen  und  wegen  der  be- 
stimmten Angabe  des  Servius  (zu  Verg.  Aen.  I  273  tahulam  dealhatam 
quotannis  pontifex  maxitnus  habuit,  in  qua  —  notare  consueuerat  — 
gestaper  singulos  dies)  tägliche  Aufzeichnungen  behauptet  habe;  darin 
weiche  ich  indes  auch  jetzt  noch  von  ihm  ab,  dals  ich  sie  nicht  kalen- 
darischem Zwecke  dienstbar  mache,  sondern  sie  mit  den  telegraphischeii 
Depeschen  vergleiche,  welche  heutzutage  an  den  Strafsen  angeschlagen 
werden,  um  wichtige  Mitteilungen  schnell  zur  Kenntnis  des  Volkes  zu 
bringen. 

Ein  besonderes  Kapitel  beantwortet  die  Frage:  'Was  ist  aus  der 
Pontifikalchronik  erhalten'?  (S.  83  —  100)  Ihre  ursprüngliche  Gestalt 
habe  die  Geschichtssclireibung  nur  in  geringem  Grade  beeinflufst,  in  desto 
höherem  aber  die  Schlufsredaktion  in  80  Büchern,  die  S.  jedoch  eine 
verfälschte  nennt.  Wirklich  selbständig  gekannt  hätten  sie  freilich  nur 
Cicero  und  Verrius  Flaccus,  und  wahrscheinlich  sei  sie  nie  in  die  Öffent- 


Römische  Annalisten.  103 

lichkeit  gedrungen:  'wer  sie  gebrauchte,  mulste  sie  wie  Atticus  iu  den 
Archiven  der  pontifikalen  Familien  aufsuchen'.  Aber  notwendig  müsse 
aus  ihnen  geschöpft  sein  die  Triumphliste  der  kapitolinischen  Fasten, 
die  ja  Verrius  Flaccus  zusammengestellt  haben  solle;  auch  die  geschicht- 
lichen Gedenktage  im  6.  Buch  von  Ovids  Fasten  gingen  durch  die  Ver- 
mittelung  des  nämlichen  Antiquars  auf  diese  Quelle  zurück.  Die  Ver- 
anlassung zu  der  Behauptung,  dafs  die  Schlufsredaktion  eine  gefälschte 
gewesen  sei,  hat  S.  namentlich  das  Citat  des  Gellius  gegeben,  dai's  die 
römische  Jugend,  als  etruskische  Hamspices  durch  einen  versuchten 
Betrug  sich  selbst  ins  Unglück  gestürzt  hätten,  auf  den  Strafsen  den 
Senar  gesungen  hätten  'Malum  consüium  considtori  jjessimum  est'.  Natüi*- 
licb  kann  dieser  auf  der  weifsen  Tafel  nicht  gestanden  haben,  Gellius 
aber  sagt  über  den  Ursprung  (IV  5,  6):  Ea  historia  de  aruspicibus  ac 
de  nersu  isto  senario  scripta  est  in  annalihus  maximis  lihro  widecimo 
et  in  Verri  Flacci  lihro  primo  rerum  memoria  dignarum,  scheidet  also 
zwischen  der  historia  über  die  Haruspices  und  über  den  Senar,  der,  wie 
er  hinzufügt,  aus  Hesiod  übersetzt  ist,  und  so  habe  ich  (Rellici-  I  p  XIV) 
nur  den  Kern  der  ersteren  den  Annales  max.  zugeschrieben,  was  mit 
der  Citierweise  des  Gellius  wohl  vereinbar  ist.  S.  indes  meint  'fällt  der 
Mantel,  so  mufs  der  Herzog  nach'  (S.  85),  und  auch  Bücheier  (Rh. 
M.  41  [1886]  S.  2  f.)  hält  es  für  sicher  'puerorum  gratia  aut  adeo 
puellarum  annales  quosdam  tanquam  fabulas  esse  compositos  inter 
Gracchana  et  SuUana  terapora'. 

Zum  Text:  fr.  4  (d.  Rell.,  3.  Fragm.)  bei  Gellius  IV  5,  3  oppo- 
situ  circum  iindique  altarum  aedium  Hertz  nach  0.  Jahn  Philol.  28,  8. 

Fabii  Pictores, 

Die  brennende  Frage  ist  hier  auf  das  Verhältnis  des  Diodor 
zu  den  griechischen  Annalen  des  Fabius  Pictor  gerichtet.  Nach 
dem  Vorgang  Dodwells  und  Niebuhrs  hat  Mommsen  die  knappen  No- 
tizen, welche  Diodor  über  die  ältere  römische  Geschichte  mitteilt,  mehr- 
fach als  Fabianisch  bezeichnet  und  mit  ihm  die  meisten  seiner  Schüler, 
aufserdem  A.  Schäfer  in  seiner  Quellenkunde.  Es  fehlt  aber  auch  nicht 
an  anderen  Aufstellungen;  Matzat  empfiehlt  mit  grofser  Zuversicht  den 
Zeitgenossen  des  alten  Fabius,  den  Cincius  Alimentus,  Clason  u.  a.,  be- 
sonders L.  Triemel  ('Diodors  Bericht  über  die  Censur  des  App.  Clau- 
dius Cäcus.  Ein  Beitrag  zur  Zeitrechnung  des  Fabius  und  Piso'  Fleck- 
eisens Jahrb.  139  [1889]  S.  345-354)  und  Klimke  ('Die  ältesten  Quellen 
zur  Geschichte  der  Gracchen'  Progr.  v.  Königshütte  1886)  den  L.  Cal- 
purnius  Piso  (dagegen  G.  Busolt  in  Fleck eisens  Jahrb.  141  S.  321  ff.), 
Harlels,  Holzapfel,  Soltau  die  lateinischen  Annalen  des  Fabius  Pictor, 
Büdinger  den  Claudius  Quadrigarius,  Nitzsch  den  Cn.  Flavius,  Ed.  Meyer 


104  Römische  Annalisten. 

('Untersuchuugen  über  Diodors  röni.  Geschichte'  Rh.  M.  37  [1882]  8. 
610—627)  im  allgeraeiuen  eine  lateinische  Quelle.  Wollte  ich  mich 
hierauf  genauer  einlassen,  so  würde  ich  dem  Berichterstatter  über  Diodor 
vorgreifen ;  nur  eine  recht  tüchtige  Dissertation,  welche  zahlreiche  Bei- 
träge zur  Geschichte  der  römischen  Annalistik  enthält,  darf  ich  auch 
hier  nicht  übergehen: 

Joann.  Bader,  De  Diodori  rerum  Romanarum  auctoribus.    Leipz., 
Diss.  (K.  Cichorius  gewidmet),  1890.     8.     78  p.') 

Indem  Bader  zuerst  die  Bücher  XI — XX  behandelt,  geht  er  der 
Reihe  nach  alle  Annalisten  (aufser  Fabius)  durch,  die  Diodor,  der  selbst 
hier  keinen  einzigen  historischen  Gewährsmann  nennt,  benutzt  haben 
könnte  und  nach  der  Meinung  einzelner  Gelehrten  (s.  ob.)  benutzt  hat, 
und  entwickelt  seine  Bedenken  dagegen  klar  und  übersichtlich  ( —  p.  46). 
Darauf  prüft  er  die  Gründe  für  Fabius ;  es  liege  überhaupt  nahe,  dals 
Diodor  einen  griechischen  Autor  herangezogen  habe,  und  es  fänden 
sich  auch  bestimmte  Spuren,  welche  auf  die  griechische  Sprache  seines 
Quellenwerkes  hindeuteten  (unschöne  Wiederholung  des  nämlichen  Wortes 
nach  kurzem  Zwischenräume,  die  ihm  selbst  nicht  zuzutrauen  sei) ;  sein 
Verfasser  scheine  Kriegsdienste  gethan  zu  haben  (wie  Fabius);  Diodor 
werde  ausführlicher,  sobald  er  auf  die  Geschichte  des  Fabischen  Ge- 
schlechtes zu  reden  komme;  XIX  72  beziehe  sich  e'w;  ruiv  y.aö'  f^[x5; 
ypovüjv  auf  die  Zeit  des  Pictor;  auch  die  Chronologie  stimme  bei  beiden 
überein.  So  gewinnt  B.  das  für  ihn  unzweifelhafte  Ergebnis,  dafs  für 
XI — XX  der  'primarius  fous'  des  Fabius  Pictor  griechische  Annalen 
gewesen  seien.  In  den  Büchern  VII — X  liege  die  Sache  anders;  denn 
wenngleich  hier  Fabius  Pictor  citiert  und  auch  sonst  eingesehen  worden 
sei,  so  ständen  hier  neben  ihm  Kastor,  der  das  chronologische  Gerüst 
geliefert  habe,  und  aufser  ihm  Polybius.  B.  hat  also  richtig  das  Ein- 
quellenprinzip  für  Diodor  verworfen  und  die  Autorität  des  Fabius  nur 
für  einen  Teil  seiner  römischen  Nachrichten  in  Anspruch  genommen;  er 
geht  aber  immer  noch  zu  weit,  und  die  Einwände  C.  Peters  (Zur  Kritik 
der  Quellen  der  älteren  röm.  Gesch.  S.  118  ff.)  sind  von  ihm  unwider- 
legt  geblieben.  Die  hohe  Schätzung,  welche  Diodor  bei  vielen  Forschern, 
besonders  bei  B.  Niese  geniefst,  verträgt  sich  schlecht  mit  der  Leicht- 
fertigkeit und  Nachlässigkeit,  die  wir  in  sicher  kontrollierbaren  Stücken 
ihm  nachweisen  können,  und  das  mehrfach  beliebte  Verfahren,  ein  Er- 


*)  C.  P.  Burger  'Ad  annalium  Romanorum  rcliquias  a  Diodoro  ser- 
uatas'  Mncmos.  nou.  ser.  XVI  (l.SSS)  p.  1  —  9  versucht  einige  Eigennamen 
in  Diodors  Geschichte  der  Samniterkriegc  zu  emendieren  und  gehört  nicht 
hierher;  s.  H.  Schiller  ob.  Bd.  52  S.  -'90  f. 


Römische  Annalisten.  105 

eignis  deshalb  anzuzweifeln,  weil  er  darüber  schweigt,  wird  sich  kaum 
rechtfertigen  lassen,  wenn  wir  bedenken,  dafs  in  den  vollständig  erhal- 
tenen Büchern  XI — XX,  welche  die  Geschichte  von  179  Jahren  um- 
fassen, nur  42  berücksichtigt  sind  (C.  Peter  a.  0.  S.  120). 

Dies  mahnt  uns  auch  zur  Vorsicht  gegenüber  den  kürzlich  von 
H.  von  Arnim  aus  dem  Vatikan  veröffentlichten  Chrieen  ('Ineditum 
Vaticanum'.  Herrn.  XXVII  S.  118—130),  welche  der  Entdecker  —  aller- 
dings nur  in  Form  einer  Frage  —  wegen  der  Verwandtschaft  mit  Diodor 
mit  Fabius  Pictor  in  Beziehung  gesetzt  hat. 

Aufserdem  hat  man  sich  vielfach  mit  dem  Verhältnis  der  latei- 
nischen Annaleu  des  Fabins  Pictor  zu  dem  griechischen  Werk 
des  gleichnamigen  Verfassers  beschäftigt,  ohne  jedoch  neue  gesicherte 
Ergebnisse  zu  gewinnen.  L.  Holzapfel  (Rom.  Chronol.  1885  'Anhang  II. 
Über  die  lat.  Annalen  des  Fabius'  S.  351  f.)  hat  sich  durch  die  Art, 
wie  Cicero  de  di\än.  I  21,  43  das  letztere  erwähnt  (Aeneae  somnium,  quod 
in  nosiri  Fabii  Pidoris  Graecis  annalihus  eins  modi  est)  bestimmen 
lassen,  das  griechische  und  lateinische  Werk  dem  gleichen  Verfasser  zu- 
zueignen (so  auch  Schwegler),  sonst  hätte  Cicero  schreiben  müssen  apud 
Fabium  nostrum,  qui  Graecos  annales  conscripsit.  W.  Soltau  ('Die  lat. 
Annalen  des  F.  P.'  Fleckeisens  Jahrb.  133  [1886]  S.  479  f.)  behauptet 
dagegen,  dafs  diese  Worte,  soweit  sie  einen  bindenden  Schlufs  zuliefsen, 
eher  auf  das  Gegenteil  führten,  und  löst  jeden  Zusammenhang  zwischen 
den  beiden  Annalen,  da  die  Fragmente  der  lateinischen  nicht  mit 
den  griechischen  zusammenträfen.  Zuletzt  hat  Bader  ('De  F.  P.,  qui 
latine  scripsit  annales'  p.  32—42)  überhaupt  geleugnet,  dafs  lateinische 
eines  F.  P.  einem  römischen  Historiker  bekannt  gewesen  seien  (Cic.  de 
or.  n  12,  51  meine  die  griechischen,  auch  de  legg.  I  2,  6),  und  die  Frag- 
mente, auf  welchen  bisher  diese  Annahme  beruhte,  entweder  den  griechi- 
schen oder  dem  Buch  des  F.  P.  über  das  ins  pontificium  oder  den 
Annalen  des  Fabius  Maximus  Servilianus  zugeteilt,  wobei  er  allerdings 
den  Nonius  einer  Verwechselung  des  Servilianus  und  Pictor  beschul- 
digen mufs. 

Eine  Bereicherung  der  Kenntnis  der  Persönlichkeit  des  alten  F.  P. 
verdanken  wir  H.  Diels  ('Sibylliuische  Blätter'.  Berlin,  Reimer,  1890); 
er  vermutet  nämlich  in  ihm  den  Verfasser  der  beiden  Androgynenorakel 
bei  Phlegon  (p.  75  sqq.  Keller,  S.  111  ff.  Diels),  der  mit  grofser  Klug- 
heit 'unter  der  Maske  der  alten  cumanischen  Wahrsagerin  das  geängstete 
Volk  mit  den  Göttern  versöhnte  und  zu  wiederholten  Malen  obscui-is 
uera  inuoluens  nach  Sibyllenart  politischen  Rat  und  Trost  erteilte' 
(S.  104  ff.),  und  weifs  aus  dem  Schatze  seines  Wissens  dies  überraschende 
Resultat  bis  zu  einem  gewissen  Grad  uns  wahrscheinlich  zu  machen  und 
den  ersten  Geschichtsschreiber  Roms  uns  auch  menschlich  näher  zu  rücken. 


10(3  Römische  Annalisten. 

Zum  Text:  fr.  1  der  lat.  Ann.  (Rell.  I  p.  109.  Fragm.  75)  hat 
Thilo,  weil  fahios  pkior  dicit  nur  der  cod.  Floriacensis  überliefert,  die 
Lesart  der  anderen  Hdschr.  alü  clicunt  in  den  Text  gesetzt;  s.  Bader 
p.  38  sq. 

fr.  3  (bei  Nonius)  liest  L.  Müller  in  dem  Titel  verum  Romanarum 
anstatt  des  handschriftlichen  rerum  gesfarum,  was  nicht  7A\  bean- 
standen ist. 

fr.  6  hat  Hertz  mit  Quicherat  duouicesimo  (für  die  Hdschr.  duoet- 
uic.)  in  den  Text  aufgenommen. 

L.  Cincins  Alimentus. 

C.  Trieber  ('Die  Idee  der  vier  Weltreiche'.  Herrn.  XXVII  S. 
321 — 342)  findet  eine  Bestätigung  der  Vermutung  Mommsens,  der  schon 
aus  anderen  Giünden  das  Gründungsjahr  Roms  728  nicht,  wie  dies  ge- 
wöhnlich geschehen  ist,  als  Ergebnis  der  Rechnung  des  Alimentus,  son- 
dern als  das  eines  Zeitgenossen  des  Dionj's  von  Halikarnals,  L.  Cincius 
angesehen  hatte,  darin,  dafs  es  genau  eine  Sothisperiode  oder  1460  Jahre 
nach  Beginn  des  assyrischen  Reiclis  falle,  wie  ihn  Ktesias  festgesetzt 
hatte  (2188),  was  natürlich  bei  dem  alten  Geschichtschreiber  nicht  zu 
glauben  sei. 

C.  Acilins. 

Dr.  Luigi  Cantarelli,  Gli  annali  greci  di  C.  Acilio  e  Q.  Claudio 
Quadrigario.  8.  25  S.  Torino,  Loescher,  1883.  (Separatabdruck 
aus  'Rivista  di  filologia  et  d'istruzione  class.'  ann.  XII  fasc.  1.) 

Der  Verfasser  verfolgt  in  diesem  Aufsatz,  welcher  die  gesamte 
Litteratur,  namentlich  die  deutsche,  vollständig  beherrscht,  die  Absicht, 
in  Italien  die  'Acilius-Frage'  bekannt  zu  machen.  Er  widerlegt  eingehend 
die  Ansicht  Kissens  (Quell,  d.  Liv.  S.  34  ff.),  dafs  der  von  Livius  an 
einer  Stelle  als  Übersetzer,  an  einer  zweiten  als  Benutzer  der  Annaleu 
des  Acilius  citierte  Claudius  von  Quadrigarius  verschieden  und  nur  jener 
vun  Livius  herangezogen  sei,  sowie  die  von  G.  F.  IJnger  (Philol.  Suppl. 
III  S.  3  ff.),  der  von  Claudius  Quadrigarius  zwei  Werke  verfafst  sein 
iJU'st.  eine  Übersetzung  des  Acilius  in  seinen  früheren  und  selbständige 
Annalen  in  seinen  reiferen  Jahren,  und  erkennt  als  die  allein  mögliche 
Lösung  diejenige  an,  welche  ich  in  Fleckeisens  Jahrb.  125  (1882)  S.  103 
—  106  vorgetragen  und  begründet  hatte,  dals  nämlich  Claudius  Quadr. 
den  Acilius  als  Gewährsmann  genannt  und  Livius  sich  auf  beide  Namen 
berufen  habe,  ein  in  der  alten  Litteratur  nicht  seltenes  Verfahren.  Auch 
A.  Schäfer  hat  sich  von  mir  überzeugen  lassen,  und  so  steht  in  der 
zweiten,  nach  seinem  Handexemplar  von  H.  Nissen  besorgten  Auflage 
seiner  röm.  Quellenkunde  (8.  46),  was  ich  S.  105  vorgeschlagen  hatte: 


Römische  Annalisten.  107 

Zu  den  Quellen  des  A.  Claud.  Q.  gehören  die  griechischen  Annalen  des 
C.  Acilius'. 

In  mancher  Beziehung  berührt  sich  mit  diesem  Thema: 

W.  Soltau,  'Eine  annalistische  Quelle  in  Cicero  de   officiis  III. 
Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  1890  S.  1239—1245. 

Ohne  gelegentliche  Mitteilungen  aus  dem  Gedächtnis  grundsätzlich 
auszuschlielsen ,  hält  S.  doch  die  gröfseren  Exkurse  über  römische  Ge- 
schichte, wie  wir  sie  namentlich  'III  22,  86 — 33,  116'  finden,  für  Lese- 
früchte und  zwar  erstens  wegen  der  Citate  aus  Polybius  und  Acilius  und 
dann  wegen  gewisser  Momente  in  der  Erzählung,  welche  wenigstens  an 
zwei  Stellen  (32,  113  und  31,  111  f.)  sich  nicht  leicht  in  den  Gedanken- 
gang Ciceros  einfügten  und  nur  durch  den  Zusammenhang,  in  welchem 
sie  ursprünglich  standen,  sich  rechtfertigen  liefsen.  Die  Vermutung,  dafs 
er  einige  Abschnitte  aus  einem  Annalisten  exzerpiert  und  diese  dann  in 
sein  bereits  dem  Abschluls  nahes  "Werk  ohne  wesentliche  Änderung  ein- 
geschoben habe,  werde  zur  Gewifsheit  dadurch,  dafs  'mit  höchster  Wahr- 
scheinlichkeit' alle  diese  Abschnitte  auf  einen  Annalisten,  nämlich  auf 
Claudius  Quadr.  zui'ückgeführt  werden  könnten  (S.  1241);  denn  III  30, 109 
lasse  dieser  bei  Ciaudium  einen  Frieden  geschlossen  sein  wie  Claud. 
fr.  18  (Liv.  IX  5,  2);  die  Episode  von  T.  Manlius  Torquatus  III  31,  112 
erzähle  Livius  VII  4  f.  'völlig  gleich,  oft  wörtlich  übereinstimmend', 
TTT  22,  86  nenne  Cicero  den  Verräter  des  Pyrrhus  einen  Überläufer 
(vgl.  Claud.  fr.  41  PeU.  I  p.  220).  Ferner  reihe  in  der  Erzählung  von 
dem  sophistischen  Eidbruch  der  gefangenen  Römer  nach  der  Schlacht  bei 
Cannä  der  letztere  III  32,  113  ff.  au  den  Bericht  des  Polybius  ebenso 
den  des  Acilius  unter  Nennung  beider  Xamen  an,  wie  Livius  XXII  58  ff. 
ohne  Namen  (Pell.  I  p.  45),  und  Gellius  bringe  ebenfalls  darüber  zwei 
Überlieferungen,  die  zweite  aus  Cornelius  Nepos,  und  zwar  müsse  dieser 
sie  schon  kontaminiert  vorgefunden  haben,  'weil  er,  die  Grenzen  beider 
verwischend,  die  uota  censoria  (über  die  zurückbleibenden)  aus  der 
zweiten  in  die  erste  überträgt.  Also  hätten  Cicero  und  Livius  eine 
Vorlage  vor  sich  gehabt,  in  welcher  Acilius  und  Polybius  schon  zusammen- 
gearbeitet gewesen  seien,  und  wenn  Claudius  'ein  Übersetzer  des  Acilius' 
gewesen  sei,  ein  polybiauischer  Bericht  auf  Acilius  bezogen  werde  (Nissen 
S.  169)  und  Livius  oft  auf  Claudius  Quadr.  fulse,  so  würde  dadurch  die 
Autorschaft  jener  historischen  Exkurse  bei  Cicero  höchst  wahrscheinlich 
gemacht,  wie  es  nun  auch  nicht  mehr  bezweifelt  werden  könne,  'dafs 
Livius  manche  polybianische  Berichte  nur  durch  Vermittelung  des  Claudius 
benutzt  habe,  ein  Resultat,  das  namentlich  für  die  Beantwortung  der 
Frage  nach  den  Quellen  des  Livius  im  21.  und  22.  Buch  von  nicht  ge- 
ringer Bedeutung  sein  dürfte"  (S.  1245). 


lOS  Rötnische  Annalisten. 

Nicht  glücklich  hat  S.  in  seinen  Nachweis  Gellius  hineingezogen, 
da  die  charakteristisclien  Merkmale  der  polj'bianischen  Erzählung  (dals 
nnr  einer  in  Rom  zurückgebliehen  und  dieser  vom  Senat  zu  Hannibal 
zurückgeschickt  sei)  in  seinen  beiden  Berichten  fehlen;  auch  kann  bei 
der  Aneinanderreihung  des  Polybius  und  Acilius  bei  Cicero  und  Livius 
sehr  wohl  ein  Zufall  gewaltet  haben;  dies  aber  hat  S.  gewifs  richtig 
gesehen,  dafs  Cicero  Lesefrüchte  aus  einem  Annalisten,  ohne  sie  in  allen 
Einzelheiten  dem  Zusammenhang  sorgfSltig  anzupassen,  in  seine  philo- 
sophiechen Werke  eingestreut  hat  (wodurch  die  gröfste  Vorsicht  in  der 
Annahme  von  Interpolationen  geboten  wird),  und  wenn  dieser  auch  nicht 
Claudius  Quadr.  ist,  von  welchem  bei  Cicero  sonst  keine  Spur  entdeckt 
ist,  so  hat  er  wenigstens  mit  Recht  die  Aufmerksamkeit  auf  Acilius  hin- 
gelenkt, der  also  von  Cicero  unmittelbar,  von  Livius  durch  die  Vermitte- 
lung  des  Cl.  Q.  benutzt  worden  wäre. 

Um  ein  neues  Stück  hat  Sieglin  (Philol.  Wochenschr.  1883  S. 
1449)  die  Sammlung  der  Fragmente  des  Acilius  vermehrt:  Isig.  Nie.  40 
(Acta  soc.  phil.  Lips.  I  39  ed.  Rohde)  'AxüXto?  ol  'Pwixatoc  btopixoc 
^TjCTt  T^jV  StxsXiav  lipo  Tou  xaTaxXucT]xou  }Jfy]  v^aov  eTvai  o>c  (ri^|X£pov,  Si)X 
T^rstpov  -csveaOai  ouvtjjijjlevtjV  ttj  uaxspov  'ItaXiot.  Ix  8k  xrfi  JuixXuaeax;  xüiv 
p£ü[xaTcuv  TtJüv  pt^mv  (Jjtojraailercjav  tou  'Airevvivou  xata  to  SxyXXatov  paYetuT)? 
T^;  TjTretpou  vrjdov  dnoxatadT^vai  xal  oia.  toüto  'Piq^iov  xXrjö^vai  xo  TiXs'jpov 
TTJc  M-aX''a;  ixslvo. 

A.  Postnmins. 

Jac.  Cortese  hat  in  der  Rivista  di  filol.  XII  (1884)  S.  396  fol- 
gendes in  der  Zeit  Cassiodors  geschriebene,  interessante  Bruchstück 
veröffentlicht  und  nach  ihm  Bücheier  Rh.  M.  39  (1884)  S.  623: 

is  cum  eo  tempore,  uf  narrat  in  historiae  s^iae  principio,  duae  quasi 
factiones  Romae  essenf,  quarum  una  graecas  artes  afque  disciplinas  ada- 
mahat,  altera  patriae  caritatem  praete[x]ebat,  acerrime  ab  illa  stellt  Al- 
binus.  hie  Athenis  siudiosus  audievdi  uersatus  est  adtdescentulus,  atque 
propterea  graecam  institutionem  prae  ceteris  extoUebat  non  sine  quadam 
iartatione  et  j)et\dantia.  inde  irae  atque  accusationes  aduersariorum,  qui 
minus  paterentur  graecum  sermonem  in  scriptionibus  usuiyari  ad  rem 
R.  spectantibus.  graece  autem,  ut  scimus,  historiam  ille  confecerat  Q. 
Ennio  inscriptam-  ceterum  satis  erat  in  eo  litterarum  et  philosophiae, 
cuius  alumnam  eloquentiam  inculcandam  aiebat,  dann  nach  zwei  unleser- 
lichen Zeilen  consulafu  arrepAo  cum  dilectu  .... 

Über  die  Herkunft  wissen  wir  nichts;  Cortese  hat  an  des  Nepos 
De  uiris  illustribus  gedacht,  ohne  jedoch  die  Zustimmung  Büchelers  zu 
finden.    Wie  dem  auch  sei,  so  lernen  wir  aus  diesem  Fund,  dafs  Postu« 


Römische  Annalisten.  109 

raius  seine  Annalen  dem  Dichter  Ennius  gewidmet,    sie  also  als  junger 
Mann  verfaist  hat,  und  gewinnen  zugleich  ein  neues  Fragment. 

M.  Porcii  Catonis  origines. 

Friedr.  Leo  ('Miscella  Cicer.'  im  Ind.  lect.  aest.  Gotting.  1892 
p.  15 — 17)  untersucht  im  Anschlufs  an  den  Anfang  des  zweiten  Buches 
von  Ciceros  De  re  publ.  (s.  Rell.  I  p.  CXXXV  sq.)  die  Bedeutung  des 
AVortes  oriijo  und  versteht  darunter  nicht  den  ersten  Anfang  eines  Staates, 
sondern  die  Entwickelung  bis  zur  festen  Gestaltung  (vgl.  Polj'b.  VI  4,  11 
£Tii  xas  exaaxu)v  xaxa  cpu Jiv  apya?  xal  '{vdatiz  xal  [xsTa^oXa?  eTciaxirjja?.  7,11 
«■JTT)  [-JasiXeiotc  ätXr|Oivrjs  apyr]  xal  Yevcjtc,  und  die  Übersetzung  von  Origines 
durch  Dionys  von  Halik.  111  ^sveocXo-^iat  töjv  h  IcaXiqt  iroXsojv);  dem- 
nach habe  an  sich  der  Titel  sowohl  die  ei'Sten  fünf  als  die  ersten  drei 
Bücher  begreifen  können  (bis  zum  Ende  des  zweiten  punischen  Kriegs 
oder  bis  zur  Vertreibung  der  Könige) ;  das  letztere  aber  entspreche  dem 
Sinne  des  Cato;  denn  de  rep.  II  1,  2  lasse  ihn  Scipio  den  römischen 
Staat  gegründet  sein  (constitutd)  aliquot  saeculis  et  aetatibus  und  II 11,  21  f. 
erscheine  das  junge  Volk  unius  uiri  consilio  (des  Romulus)  non  solum 
ortum  —  sed  aduUum  iam  et  paene  puberem  und  nach  der  Darstellung 
Scipios  werde  mit  den  Königen  ^quasi  perfectam  rem  p.^  sein.  Von 
Interesse  ist  bei  Leo  der  Vergleich  von  origo  mit  den  citierten  Poly- 
bianischen  und  Ciceronianischen  Stellen ;  dafs  sich  der  Titel  nur  auf  die 
drei  ersten  Bücher  beziehe  (dafs  demnach  diese  für  sich  veröffentlicht 
wurden,  was  auch  durch  andere  Gründe  bestätigt  wird,  s.  Seeck,  Ka- 
lendert.  S.  178),  ist  schon  oft  bemerkt  worden.  Die  gelegentlich  ge- 
gebene Deutung,  dafs  des  Nepos  atque  haec  oninia  capiiulatim  sunt 
dicta  von  den  fünf  ersten  Büchern  gelte,  und  dafs,  wenn  er  fortfahre 
reliquaque  bella  pari  modo  persecutus  est,  er  nur  die  vorher  erwähnten 
zwei  punischen  Kriege  meine,  ist  unmöglich;  pari  modo  kann  allein  ca- 
'pitulatim  aufnehmen,  was  allerdings  anders  erklärt  werden  mufs,  als  es 
Leo  thut.  Auch  die  von  ihm  gewollte  Einreibung  der  Gedanken  des 
ersten  Kapitels  von  Cicer.  de  rep.  II  unter  die  Fragm.  der  Orig.  kann 
ich  wegen  des  sie  einführenden  is  dicere  solebat  nicht  billigen. 

Im  übrigen  ist  die  Beschäftigung  mit  Catos  Origines  zu  einem 
Stillstand  gekommen;  die  Untersuchungen  über  das  Catonische  Gründungs- 
jahr Roms  (W.  Soltau  in  Fleckeisens  Jahrb.  131  S.  553  ff.,  L.  Triemer 
ebda.  133  S.  189  ff ,  137  S.  373  ff.,  C.  G.  Unger  ebda.  135  S.  419  ff. 
C.  Trieber  im  Herm.  XXVII  S.  342  ff.  u.  a.)  fallen  aufserhalb  des 
•Bereichs  unseres  Berichts,  ebenso  die  Versuche  W.  Soltaus,  die  Origiaes 
zu  einer  Vorlage  des  Polybias  zu  machen;  denn  nachdem  zuerst  Seeck 
(Kalendert.  S.  178)  dies  vermutet  hatte,  hat  er  den  Beweis  für  Polyb.  II 
14—22  Auf.  in  der  Wochenschr.  f.  klass.  Philol.     ('Neun  Kapitel  aus 


JIO  Römische  Annalisten. 

Catos  Origines  I.  11/  1886  Ö.  886—891.  916—925)  anzutreten  unter- 
nommen. Dafs  der  Kreis  der  Scipionen ,  wenn  auch  politisch  zu 
den  Gegnern  des  alten  Cato  gehörig,  sich  gegen  sein  Geschichtswerk 
nicht  völlig  ablehnend  verhalten  hat,  lehren  die  Worte  warmer  Ver- 
ehrung, welche  Cicero  in  dem  schon  erwähnten  Anfang  von  De  rep.  II 
dem  jüngeren  Scipio  in  den  Mund  legt:  nicht  nur  seine  Person,  sondern 
auch  seine  geschichtliche  Auffassung  über  das  Werden  der  Staaten  er- 
fahren dort  rückhaltlose  Anerkennung. 

Zum  Text:  0.  Keller  in  Wölfflins  Archiv  IV  S.  139  rügt  gleich 
im  ersten  Fragm.  das  'verunstaltende'  queis'.  in  meiner  Sammlung  hätte 
er  das  von  ihm  empfohlene  ques  (als  Pronomen  indefin.)  schon  linden 
können,  auch  den  Verweis  auf  das  S.C.  de  Baccanalibus. 

fr.  38.  Larius  locus  —  per  sex  et  triginta  tenditnr  milia 
W.  Sieglin  Phil.  Wochenschr.  1883  S.  1450. 

fr.  39.  In  Italia  Insuhres  terna  atque  qiiaterna  milia  succidiarum 
sali  er  e,  sus  —  crescere  solet  H.  Keil  im  Komment,  z.  Varr.  r.  r.  p.  162. 

fr.  65.  Cato  originum  lih.  V:  sed  indu  nauis  imtidas  —  com- 
meatum  ponere  solehant  L.  Müller  coli.  Liv.  XXV  3  sq. 

fr.  95b.  metiiere,  ne  si — faceremus.  Ne  —  essenf,  lihertaiis  suae  causa 
in  ea  sententia  fnisse  arhitror  Hertz  nach  A.  Schäfer  Philol.  XXIV  176. 

fr.  95 f.    Rodiensibus  uel  oherit  Hertz. 

fr.  95g.    minime  deici  uelini  vermutet  Hertz. 

fr.  109.  ecquis  nie  ob  meam  augurii  scientiam  augurem  capiet 
Hertz. 

fr.   125.    ne  praedia  in  ludihrium  diriherentur  L.  Müller. 

fr.  136.  Sieglin  Phil.  Wochenschr.  1883  S.  1450  läfst  die  Worte 
Catos  enden  mit  ui  captmn  und  schliefst  daran  die  Erklärung  j)roj;nw?o 
pedatn  et  secundo.  Derselbe  (S.  1448  f.)  will  noch  unter  die  Frag- 
mente aufgenommen  wissen  Lyd.  de  mag.  I  47,  weil  die  beiden  anderen 
Citate  des  Cato  hei  Lydus  aus  den  Origines  stammten. 

L.  Ca^sius  Hemina. 

Zum  Text:  fr.  5.  G.  Wissowa  ('Die  Überlieferung  der  röm. 
Penaten'  Herrn.  XXII  S.  38  f.)  lehnt  die  Behandlung  dieses  Fragments 
durch  Ritscbl  ab,  schreibt  den  Beinamen  des  L.  Cassius  'Censorius' 
einer  Verwechselung  des  Scholiasten  zu  und  hält  idemhistonarum  lihro  F 
für  verderbt;  keinesfalls  sei  an  Varro  zu  denken:  s.  auch  Pison.  fr.  2 
Kell.  I  p.   118. 

fr.  8,  welches  Mommsen  Chronol.  S.  155  angefochten  hatte,  geben 
dem  Cassius  zurück  Ed.  Meyer  Kh.  M.  37  S.  615,  Soltau  Chronol.  S.  420 
und  Bader  p.  55. 


Römische  Annalisten.  111 

fr.  36  bezieht  L.  Havet  (Revne  de  philo).  VIII  p.  10)  auf  die 
Verhandlungen  über  die  Bacchanalien  im  Jahre  186  unter  Vergleich 
von  Piatos  Ion  p.  534  A  at  ßax^rat  (JpuTovxai  ex  twv  iroxaixuiv  \iih.  xal 
-(■dfXa  xaT£y6(jL£va[,  e'ficppovec  6s  ou^ai  o'j  und  Liv.  39,   13,   12. 

C.  Fannias. 

0.  Hirschfeld  ('Die  Anualeu  des  C.  F."  Wiener  Stud.  VI  [1884] 
S.  127  f.)  zieht  aus  der  wiederholten  Erwähnung  von  Drcpauum  im 
8.  Buch  seiner  Aunalen  (fr.  3)  den  Schlufs,  dafs  in  diesem  Buch  der 
erste  punische  Krieg  enthalten  gewesen  sei  und  also  sein  Werk  eine 
gröfsere  Anzahl  von  Büchern  umfafst  habe;  auch  zweifelt  er,  gestützt 
auf  die  Autorität  des  Atticus  (fr.  9),  an  der  Identität  des  Geschichts- 
schreibers mit  dem  Schwiegersohn  des  Lälius. 

L.  Coelins  Antipater. 

K.  J.  Neumann  'Wann  schrieb  Cölius  Ant."  Philol.  45  (1886) 
S.  385—388. 

Nach  Plinius  (n.  h.  II  169  fr.  56)  berichtete  Nepos,  dafs  in  seiner 
Zeit  ein  gewisser  Eudoxus  vom  arabischen  Meerbusen  aus  Afrika  um- 
fahren habe,  lange  vor  ihm  aber  schon  Cölius  Ant.  'uldisse  se  qui  naui- 
gasset  ex  Hispmiia  in  Aethiopiani  commerci  gratid' ;  da  Cölius  den 
Tribunen  C.  Gracchus  überlebt  habe  (fr.  50),  so  könne  der  von  ihm 
gesehene  Afrikaumsegier  kein  anderer  als  sein  Zeitgenosse  Eudoxus 
von  Kj^zikus  gewesen  sein,  der  unmittelbar  nach  dem  im  Jahre  117  er- 
folgten Tode  von  Euergetes  II.  seine  Reise  angetreten  habe,  und  den 
bei  seinem  durch  Strabo  (II  o,  4)  bezeugten  Aufenthalte  in  Puteoli 
der  römische  Historiker  sehr  wohl  habe  sehen  können;  also  habe  dieser 
sein  Werk  erst  nach  dem  genannten  Jahre  verfafst,  eine  Vermutung, 
welche  sehr  viel  Ansprechendes  hat,  obwohl  sie  sich  auf  eine  durch 
einen  Irrtum  entstellte  Nachricht  des  Plinius  stützt. 

Die  Annahme  eines  historisch-antiquarischen  Werkes  neben  der 
Geschichte  des  zweiten  punischen  Krieges,  aus  welchem  zahlreiche,  in 
dem  letzteren  nicht  unterzubringende  Fragmente  des  Cölius  herrührten, 
hat  ihr  Vertreter  Sieglin  (in  seiner  Schrift  über  C.  A.  1879)  trotz 
des  Widerspruchs  von  Unger,  0.  Gilbert  und  R.  Pöhlmanu  (Philol. 
Anz.  X  S.  384—400)  u.  a.  in  der  philol.  Wochenschrift  1883  S.  1451  ff. 
wiederholt  und  E.  Zarncke  hat  sie  in  der  Wochenschr.  f.  klass.  Philol. 
1888  S.  515  f.  noch  dadurch  zu  begründen  gesucht,  dafs  Cicero  de 
diuin.  I  26,  55  den  Cölius  hinter  den  Gellii  nenne  (Omnes  hoc  historici, 
Fdbii,  Gellii,  sed  proxime  Coelius),  de  legg.  I  2,  6  dagegen  umgekehrt 
(Ecce  autem  successere  huic  [Coelio]  Gellii,  Clodius  etc.),  also  zwei  ver- 
schiedene Werke  kenne.    An  der  zweiten  Stelle  ist  aber  nicht  Gellii 


112  Römische  Annalisten. 

sondern  belli  überliefert,  und  die  von  Siegliu  aus  seinem  Hauptwerk 
ausgesonderten  Fi-agmente  können  sehr  wohl  in  geographischen  Exkursen 
ihren  Platz  gehabt  haben.     S.  Seeck,  Kalendert.  S.  106  f. 

Aus  der  die  Quellen  der  dritten  Dekade  des  Livius  betreffenden 
Litteratur  nenne  ich  wegen  der  genauen  Vergleichung  der  Fragmente 
des  Cölius  mit  der  erhaltenen  Erzählung  des  Livius: 

Joann.  Bapt.  Sturm,  Quae  ratio  inter  tertiam  T.  Livi  decadem 
et  L.  Coeli  Antipatri  historias  intercedat.  "Würzburg.  Dissert.  1883. 
8.     54  pp. 

Die  G.  F.  Unger  gewidmete  Dissertation  soll  beweisen,  dafs 
Livius  in  diesen  Büchern  den  Cölius  überhaupt  nicht  gekannt  habe: 
elf  seiner  Fragmente,  und  zwar  grade  inhaltsreichere,  widersprächen 
dem  Livianischen  Bericht,  die  Mehrzahl  sei  in  ihm  nicht  verwertet,  und 
aus  den  sechs  Fragm.,  welche  mit  ihm  übereinstimmten,  sowie  aus  dem 
Citate  fr.  39  lasse  sich  nichts  Sicheres  für  die  Benutzung  des  C.  er- 
schliefsen.  Sturms  Erörterungen  werden  zuweilen  zu  einer  schärferen 
Bestimmung  des  Verhältnisses  der  beiden  Überlieferungen  Veranlassung 
geben,  das  Schlufsresultat  aber  ist  verfehlt. 

Zum  Text:  fr.  1.  Gegen  Fr.  Marx,  der  das  Werk  des  C.  dem  L.Älius 
Stilo  gewidmet  sein  läfst  (s.  Adnot.  der  Fragm.  p.  XIII),  wendet  Sieglin 
a.  a.  0.  S.  1450  ein,  dafs  Cölius  um  180/574  geboren  zu  sein  scheine, 
Älius  Stilo  dagegen  151/603  oder  134'620,  dafs  demnach  das  Alters- 
verhältnis diese  Ansicht  nicht  begünstige;  jedoch  verschiebt  sich  dies 
um  ein  bedeutendes,  wenn  Mentz  (De  L.  Aelio  Stil.  p.  7  sq.)  richtig 
die  Geburt  des  Älius  in  das  Jahr  160/594  verlegt  und  Neumann  die 
Abfassung  des  Cölianischen  Geschichtswerkes  später  als  117/637.  Dafs 
in  der  Comificius-Stelle  (IV  12,  18)  noch  nicht  jeder  Zweifel  durch 
Marx  gehoben  ist,  räume  ich  ein. 

fr.  5  weist  Sieglin  a.  a.  0.  S.  1458  dem  Caecilius  zu,  L.  Müller 
in  seiner  Noniusausgabe  'diu  meditatus'  doch  wieder  dem  besser  be- 
zeugten Cölius,  obwohl  nicht  übler  Rhythmus  in  den  Worten  liege 
tnntum  bellum  suscitare  cövari  aduersdrios  \  contra  bellomm  genus. 
Wölflflin  (Berichte  der  bayer.  Akad.  1888  S.  198)  schwankt. 

fr.  15.  Alpis  in  longitudinemCCLCJO  miliapassuumpatere(i.li. 
250  000  Sehr.)     Sieglin  a.  a.  0.  S.   1453. 

fr.  17.  Vgl.E.  Wölfflin  ('DießettungScipios  am  Tessin' Herrn.  XXIII 
S.  307—310),  der  mit  Recht  die  Meinung  von  Luterbacher  und  Posner 
widerlegt,  dafs  T.ivius  XXI  46,  1  fälschlich  als  Gewährsmann  der  Rettung 
durch  einen  ligurischen  Sklaven  anstatt  des  Valerius  Antias  den  Cölius 
genannt  habe,  und,  da  Polybius  auf  die  Autorität  des  Lälius  hin  dem 
Sohn  das  Verdienst  zuweise,  den  Sohn  und  den  Sklaven  in  den  Rulim 
sich  teilen  läfst,  wenn  nicht  die  Beteiligung  des  ersteren  überhaupt  er- 


Römische  Annalisten.  113 

fanden  sei.  Durch  die  Überlieferung  des  Livius,  der  persönlich  g-ern 
dem  Cölius  glauben  möchte,  erhält  übrigens  die  Vermutung,  dafs  sein 
Werk  nicht  dem  Lälius  gewidmet  sei,  eine  neue  Stütze. 

fr.  23.  Primum  <in>  malo  piihlico  grata  singulatm  nomina 
L.  Müller  mit  der  Deutung  Romanos  adflictis  rebus  mutandae  in  melius 
fortunae  duces  et  auctores  circunispexisse. 

fr.  24.  Neben  dies  Fragment  will  Sieglin  a.  a.  0.  S.  1449  (mit 
Roth)  noch  folgendes  aus  Charisius  p.  126  eingereiht  wissen,  welches 
ich  Relliq.  I  p.  CCXXXI  sq.  wegen  der  Lückenhaftigkeit  des  Textes 
ausgeschlossen  hatte,  indem  er  unter  Verweis  auf  GeU.  IX  14  folgende 
HersteUung  durch  G.  Löwe  mitteilt:  'Du'  pro  'di'  siue  ^diei'  Lucanns. 
Paulus  enim  'libra  die  somnique  pares  uhi  fecerit  horas'  hoc  est  diei  di- 
centem  arguit  diique  uel  dies  pro  die  legendum  esse  definit  idqiie  in  Coeli 
Histormxvim  lihvo  notare  deprehendes. 

fr.  30.  Imperator  conclamat  de  medio,  [ut]  u£lites  a  (statt  in  d. 
Hdschr.)  sinistro  cornu  r emoueantur  h-Miiller;  utuelitantis  üi  sin.  c. 
H.  Peter  Fleckeisens  Jahrb.  139  S.  506. 

M.  Aemilins  Scanrns. 

Auf  dessen  Autobiographie  führt  Lichteufeldt  (De  Acon.  fönt,  ac 
fide  p.  73  sqq.)  aus  Asconius  zurück  p.  18,  20—19,  5.  p.  19,  11 — 17. 
p.  19,22  —  p.  20,  9.     p.  20,  18—23.     p.  24,  11—13. 

P.  Rutilius  Rufus. 

Die  Benutzung  seiner  'Ijxopia  pu)[xai7.7]'  durch  Poseidonios  ver- 
muten Diels  Sibj'll.  Blatt.  S.  23  und  G.  Busolt  in  Fleckeisens  Jahrb.  141 
(1890)  S.  437. 

L.  Cornelius  Sulla. 

Hinter  fr.  11  ist  mit  Siegliu  (a.  a.  0.  S.  1448)  folgendes  Frag- 
luent  einzuschieben:  Plut.  an  seni  s.ger.resp.  6  '0  os^uX^a?,  oxs  wv  iix'fuXiojv 
-o>i[Xü)v  TYjv  'I-aXiav  y.a{h^pac  Tpoff£|J.i$e  tv)  'Ptup-in  itpwTov,  ouoe  |xixpov  Iv 
T"^  vjy.Ti  xaTsoap&sv  G-o  -ffjfJo'j?  xai  /apa?  }xe7aXrj?,  üJ37:£p  7:v£U}JLaT0?,  dva- 
cpspofXcvoc  TYJV  «j/'J/TiV.     xai  Täüxa  Tuepl  auTou  YE^pä^sv  ev  toi?    u7:oixvY]|j.acJiv. 

Für  den  Einflufs,  welchen  Sullas  Memoiren  auf  die  spätere  Ge- 
schichtsschreibung ausgeübt  haben,  besitzen  wir  eine  beachtenswerte 
Untersuchung  in  G.  Busolts  'Quellenkritischen  Beiträgen  zur  Geschichte 
der  römischen  Revolutionszeit'  in  Fleckeisens  Jahrb.  141  (1890) 
S.  321—349.  405—438.  Nach  seiner  Meinung  hat  Diodor  verhältnis- 
mälsig  am  reinsten  die  sullanische  Darstellung  wiedergegeben,  aber  nur 
durch  Vermittlung  des  Poseidonios,  der  auch  von  Plutarch  und  Appian 
benutzt  worden  sei,  aber  in  verschiedener  "Weise;  jener  nämlich  bevor- 
zugte von  den  Bestandteilen  der  beiden  Richtungen,  welche  Poseidonios 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.  LXXVI  Bd.  (1893  II.)  8 


114  Römische  Annalisten. 

vereinigt  hatte,  die  sullanische  Erzählung,  dieser  die  nichtsullanische; 
dann  aber  verarbeiteten  sie  beide  mit  Livius,  dessen  Erzählung  ebenfalls 
teilweise  auf  Poseidon ios  und  auch  auf  Sulla  beruhte,  und  aufserdem 
Plntarch  noch  mit  Sulla.  Demnach  würden  uns  in  der  Plutarchischen 
Biographie  seine  Memoiren  vorliegen  erstens  in  unmittelbarer  Benutzung 
und  zweitens  in  einer  doppelten  mittelbaren,  einmal  durch  Poseidonios 
und  dann  durch  Livius.  Endgültig  ist  damit  die  Frage  noch  nicht 
gelöst;  namentlich  gilt  es  noch,  das  schwierige  Verhältnis  des  Plutarch 
zu  Appian  zu  bestimmen. 

Q.  Claudius  Qaadrigärius.    (S.  ob  S.  106  ff.) 

Zum  Text:  fr.  15.  Persuadent  i  cuiäam  adulescenti  Lucano 
M.  Hertz. 

fr.  32.  priuisqiie  dudortbus  indidere  reticula  galearia  L.  Müller. 

fr.  36.  offendit  montem,  loco  munitum  res  omnes  hah entern 
L.  Müller, 

fr.  38.    hie  desubito  utrisque  nuntiatus  L.  Müller. 

fr.  47.    adortei  sient  L.  Müller. 

fi*.  55.   patriae  ueteris  recordauit  L.  Müller. 

fr.  72.    eilico  populus  murmurari  coepit  L.  Müller. 

fr.  78.    equei  Jminibundei  L.  Müller. 

fr.  80.  0.  Rofsbach  De  Senec.  philos.  libris  recens.  p.  171  hält 
auch  die  folgende  Erzählung  von  Vettenus  für  Claudianisch. 

fr.  94.    annalibus:  inihi  lutus  erat  multus  L.  Müller, 

Talerins  Aelias. 

Fr.  Münzer,  De  gente  Valeria.  Berliner  Dissertation  (Oppoliae) 
1891.     8.     76  pp. 

An  der  Glaubwürdigkeit  des  Geschichtsschreibei's  des  vielgenannten 
Geschlechts  zu  zweifeln,  sind  wir  schon  von  Livius  gelehrt  worden,  und 
so  ist  gelegentlich  über  viele  seiner  Nnchrichten  der  Stab  gebrochen 
worden,  namentlich  über  die  seine  Geschlechtsgenossen  betreffenden. 
Der  Verf.,  der  sich  durch  eine  sehr  umfassende  und  gründliche  Litteratur- 
kenntnis  auszeichnet,  hat  aber  den  glücklichen  Gedanken  gehabt,  unter 
Zugrundelegung  des  von  Haakh  mit  gewohnter  Sorgfalt  in  der  Paulyschen 
Realencyklopädie  zusammengetragenen  Materials  (VII  S.  2322  ff.)  einmal 
alles  dasjenige  zusammcDzustellen,  was  in  der  Überlieferung  über  die  gens 
Valeria  einer  schärferen  Kritik  nicht  standhält. 

Nach  einer  Untersuchung  'De  nomine  origine  sacris  gentis  Valeriae' 
(p.  3—9)  begründet  das  zweite  Kapitel  (p.  9—18)  die  Abhängigkeit  des 
Plutarch  in  der  Vita  Poplicolae  von  Val.  Antias  aufs  neue  und  stellt 
unter  Ablehnung  der  Niebuhrschen  Vermutung  über  die  herrschende 
Stellung,  welche  dies  Geschlecht  in  der  Übergangszeit  von  dem  König- 


Römische  Annalisten.  115 

tum  zur  Republik  eingenommen  habe,  die  Valerische  Version  der  glaub- 
würdigeren des  Piso  gegenüber.  Das  dritte  Kapitel  (p.  18 — 25)  legt 
die  verschiedenen  Fäden  der  Überlieferung  über  M.  Val.  Maximus,  der 
gewöhnlich  der  Bruder  des  Poplicola  genannt  wird,  auseinander  und  be- 
seitigt namentlich  den  angeblichen  ersten  Diktator  M.'  Val.,  das  vierte 
(p.  25 — 34)  behandelt  die  Geschichte  des  M.  Val.  Corvus,  indem  auch 
die  gewöhnlich  dem  Claudius  Quadr.  zugeschriebene  Erzählung  von  seinem 
Zweikampf  mit  einem  Gallier  für  Val.  Antias  beansprucht  wird  (?), 
das  fünfte  ('Index  Valeriorum'  p,  34—54)  zählt  die  (73)  bekannten  An- 
gehörigen der  einzelnen  Familien  des  Geschlechts  bis  zur  Gemahlin  des 
Kaisers  Claudius  auf.  Das  sechste  Kapitel  endlich  ist  überschrieben 
'De  rebus  in  Valeriorum  honorem  fictis'  (p.  54 — 71);  hier  wird  zuvörderst 
auf  die  Vulgata  über  die  volksfreundliche  Gesinnung  als  mit  der  glaub- 
würdigen Geschichte  keineswegs  vereinbar  hingewiesen,  und  dann  werden 
die  zahlreichen  Valerier  besprochen,  welche  bei  genauerem  Zusehen  in 
der  Geschichte  teils  nur  eine  höchst  zweifelhafte  Existenz  führen,  teils 
den  offenbaren  Stempel  der  Erdichtung  an  der  Stirn  tragen,  meist  in 
der  Weise,  dafs,  wo  es  möglich  ist,  den  allgemeinen  historischen  Be- 
denken eine  Darlegung  der  Beziehungen,  welche  sie  mit  Val.  Antias 
in  Verbindung  setzt,  vorausgeschickt  wird.  An  der  Spitze  steht  die 
Schwester  des  Poplicola,  welche  der  Mutter  und  der  Gemahlin  des 
Coriolan  den  klugen  Rat  zur  Rettung  des  Vaterlandes  erteilt  haben 
soU;  es  folgen  die  Staatsgesandten  des  Namens  und  die  Kriegsfeldherren, 
der  Val.  Antias,  der  im  Jahre  215/539  die  Gesandten  des  Königs 
Philipp  und  Hannibals  in  den  Senat  geleitet,  die  Priester,  Magistrate, 
Zwischenkönige,  Militärtribunen.  Die  vielen  Vermutungen,  welche  der 
Verf.  hier  vorträgt,  eigene  und  fremde,  haben  ungleichen  Wert,  und 
raan  wird  ihnen  nicht  allenthalben  beipflichten  können;  sehr  oft  aber 
treffen  sie  gewifs  das  Richtige,  und  besonders  anzuerkennen  ist  die 
Vorsicht,  mit  welcher  er  sich  dagegen  verwahrt,  den  Val.  Antias  für 
alle  Erfindungen  verantwortlich  zu  machen.  Sie  seien  vielmehr  grofsen- 
teils  älteren  Ursprungs,  z.  T.  daraus  entstanden,  dafs  man  des  guten 
Vorzeichens  wegen  an  die  Spitze  der  Listen  der  Beamten,  Priester, 
Triumphatoren  u.  s.  w.  einen  'Valerius'  setzte;  Antias  habe  sie  aber 
gesammelt,  Flecken  in  der  Überlieferung  getilgt,  Ruhmesthaten  noch 
glänzender  aufgeputzt,  das  Eigentum  fremder  Geschlechter  geplündert 
und  namentlich  die  gesamte  Überlieferung  volksfreundlich  gefärbt,  nur 
einiges  selbst  hinzugefügt.  Die  Abfassungszeit  verlegt  er  in  der  vierten 
Senteutia  controuersa  in  das  Jahr  74/680  (ungefähr-). 

Für  die  Beurteilung  des  Valerius  Antias  und  die  Bestimmung 
seines  Verhältnisses  zu  Livius  würde  es  von  Wichtigkeit  sein,  zu  er- 
mitteln,   ob  er  wirklich  den  Polybius  benutzt  hat,    was  Mommsen  im 

8* 


116  Römische  Annalisten. 

Herrn.  XX  S.  151  als  wahrscheiulicli  bezeichnet;  doch  reicht  das  Material 
kaum  zu  einer  sicheren  Entscheidung  aus. 

L.  Cornelins  Sisenna. 

E.  Marks,  die  Überlieferung  des  Bundesgenosseukriegs.     Strals- 
burger  Dissertation  1884.     (S.  H.  SchiUer  ob.  Bd.  44  S.  73—76.) 

Da  die  Abhandlung  die  unmittelbare  Überlieferung  der  Jahre  91 
bis  89  V.  Chr.  einer  Durchsicht  unterwerfen  will,  so  muis  sie  vielfach 
auf  Sisenna  eingehen  und  teilt  S.  67  f.  nach  den  Fragmenten,  welche 
sie  teils  nach  den  festen  in  Ihnen  enthaltenen  Anzeichen,  teils  nach 
Vermutung  bestimmt,  den  Beginn  der  Erhebung  vielleicht  bis  zur 
Jahreswende  dem  ersten  Buch  zu,  den  Sommer  90  dem  zweiten  und  dritten, 
dem  vierten  den  Herbst  90  (mit  welchem  auch  Livius  das  74.  Buch 
begonnen  habe)  und  das  Jahr  89  (zum  Teil),  ohne  zu  entscheiden,  ob 
der  Stoff  chronologisch  oder  noch  Landschaften  geordnet  war. 

Zum  Text  verzeichne  ich  folgende  Änderungen  L.  Müllers: 

fr.     16.  quod  ex  aruis  in  oppidum  conportatum  erat. 

fr.     18.  et  arte  multifariam  confossa. 

fi\     26.  cum  clamore  utrorumque  commissum  est. 

fr.     29.  materihus  aut  lanceis  confligunt. 

fr.     43.  magno  cum  tumultu  conuenientium  (od.  coeuntium). 

fr.     44.  et  tunc  Curionis  hortatorem  (od.  Curioni  auctorem.) 

fr.     50.  animi  getilgt. 

fr.     51.  ut  reiro  per  callis  — posset  intra  fines  Asculanorum 

pervenire. 

fr.     52.  cui minus  sohrictas  mentis  ab  natura  tradita  uideretur. 

fr.     54.  fluuiam.,  quae  —  ad  mare  pertingebat. 

fr.     59.  Et  prope  editam  ad  fineni  ripae  perueyierant . 

fr.     67.  Victoribu^  propriae  spem  <virtutis> . 

fr.     77.  quid  re  publicae  suae  maxime  conducere  uideretur. 

fr.  109.  Egregias  et  longe  praestantis   aestumandas  aduer- 

sariorum  opes  esse. 

C.  Licinias  Macer. 

Nachdem  L.  M.  lange  Zeit  als  ein  gewissenhafter  Historiker  und 
ürkundenforscher  gegolten  hat,  ist  er  von  Mommsen  (Köm.  Forsch.  I. 
S.  315  ff.)  bekanntlich  der  Fälschung  bezichtigt  worden  und  steht  seitdem 
in  sehr  üblem  Rufe.  Seeck  (Kalendert.  S.  42  —  53)  hat  aus  dieser 
'Mischung  von  scharfsinniger  Kombination  und  unverfrorener  Fälschung' 
das  ius  Flavianum  efitstehen  lassen,  K.  Cichorius  ('De  fastis  consu- 
laribus  antiquissimis'  Leipzig.  Stud.  IX  p.  171  sqq.)  sieht  in  ihm  einen 
der  Hauptinterpolatoren  des  Konsularverzeichnisses  und  der  Triumph- 


Römische  Annalisten.  117 

liste;  die  erst  während  des  fünften  Jahrhunderts  d.  St.  im  Schriftgebrauch 
aufgekommenen  Beinamen  seien  nämlich  im  siebenten  Jahrh.  für  die 
frühere  Zeit  ( —  cca.  400)  hineiugefälscht  worden,  um  den  Verzeichnissen 
eine  gleichmäfsige  Gestalt  zu  verleihen  und  zwar  zunächst  von  Lic.  M., 
dem  einzigen  Annalisten,  der  vor  dem  Jahre  400  Cognomina  hinzufüge; 
von  ihm  stammten  sowohl  die  Konsullisten  des  Idacius  und  das  Chronicon 
Paschale  als  auch  wahrscheinlich  diejenigen,  welche  Livius  und  Dionys 
von  Halik.  befolgten;  aufserdem  aber  habe  sich  auch  ein  zweiter  Fälscher 
in  gleicher  Richtung  versucht,  von  dessen  Thätigkeit  bei  Diodor  Spuren 
sichtbar  seien,  und  dann  habe  Atticus  diese  beiden  Listen  zusammen- 
gearbeitet, sie  auch  noch  durch  Vaters-  und  Grolsvatersnamen  erweitert 
und  so  die  Grundlage  für  jene  beiden  amtlichen  Listen  und  für  die 
Konsuln  des  Chronographen  von  354  geschaffen. 

Die  Ergebnisse  dieser  Abhandlung  hat  jedoch  G.  F.  Unger  in 
ihren  Hauptsätzen  vollständig  zerstört  (Fleckeisens  Jahrb.  143  (1891) 
S.  289-321,  465—496,  625—655).  Vor  allem  ist  die  Voraussetzung, 
dafs  Lic.  M.  zuerst  für  die  Jalire  245 — 400  d.  St.  Beinamen  anführe, 
nicht  richtig  (S.  296  ff.),  wie  auch  der  Zusammenhang,  den  Cichorius 
zwischen  ihm  und  der  Idacischen  Fastenredaktion  behauptet  hatte,  in 
Wahi'heit  nicht  vorhanden  (S.  318  ff.);  es  finden  sich  Beinamen  schon 
vor  ihm  bei  Annalisten  und  in  'Kundgebungen  amtlicher  oder  halb- 
amtlicher Art  so  früh,  wie  uns  solche  überhaupt  begegnen',  wenn  sie 
auch  'im  erhabenen  und  feierliehen  Stil  der  hohen  Versammlungen  lange 
Zeit  verraiedeu  wurden'  (S.  292).  Auch  die  (zwei)  Verdachtsgründe, 
durch  welche  Mommsen  die  Autorität  der  libri  lintei,  der  vornehmlichen 
Urkunde  des  Lic.  M.,  angefochten  hatte,  werden  'erfolgreich  zurückge- 
wiesen und  ihre  Echtheit  von  neuem  gestüzt;  denn  wenn  nach  Livius 
(IV  7,  fr.  13)  die  prisci  annales  und  die  libri  magistratuum  von  den 
nachgewählten  Konsuln  des  Jahres  444/310,  um  welche  sich  die  Frage 
hauptsächlich  dreht,  nichts  gewufst  hätten,  so  habe  er  stillschweigend 
die  späteren  Annalen  ausgenommen  und  nach  dem  Veroneser  Palimpsest 
sei  in  folgendem  zu  lesen  Licinius  Macer  audor  est  etiam  in  foedere 
Ärdeatino  et  in  linteis  libris  ad  Monetae  ea  (die  Namen)  inuenta.  —  Übrigens 
soll  nach  Ungers  Ansicht  (S.  314—318)  Livius  im  4.  Buch  den  Lic.  M. 
bis  weit  über  c.  30  hinaus  nur  an  den  Stellen,  wo  er  oder  die  libri 
liutei  citiert  werden,  benutzt  haben,  und  zwar  erst  nachträglich. 

Zum  Text:  fr.  21  Nequaquam  (Yielleicht  nequiquam)  sui  leuandi 
<causa>  reluont  arma  [lue].    L.  Müller.  S.  Fleckeisens  Jahrb.  1 39  S.  505  f. 

L.  Yoltacilins  [Plotus]. 

M.  Hertz,    der  Name  des   ersten    römischen  Geschichtschreibers 
aus  dem  Stande  der  Freigelassenen.    Rh.  M.  XLIU  (1888)  S.  312—314. 


118  Römische  Annalisten. 

Von  dem  Namen  dieses  Geschichtschreibers  und  Lehrers  des 
Pompejus  in  der  Rhetorik,  dessen  Kenntnis  wir  Sueton  (und  Hieronymus) 
verdanken,  stand  lange  nur  der  Vorname  fest;  dann  haben  Eoth  und 
Reiflferscheid  für  das  *nomen  gentile  Voltacilius  als  die  ursprüngliche 
Lesart  des  Suetonischen  Textes  gesichert;  auch  an  den  *w.  uotacüius 
pytholaus'  bei  Macrobius  (sat.  n  2,  13),  d,  h.  M.  Voltacilius  Pitholaus, 
den  Urheber  des  Witzwortes  über  den  Eintagskonsul  des  Jahres  45/709 
(und  Verfasser  bösartiger  Epigramme  auf  Cäsar,  Suet.  75)  war  schon 
früher  erinnert  worden.  Endlich  hat  Hertz  vor  einigen  Jahren  eine 
Alizahl  Inschriften  dieses  Zweiges  der  gens  Voltacilia  in  einer  französischen 
oder  italienischen  Zeitschrift  gefunden,  und  so  wird  das  Cognomen 
Pitholaus  auch  für  den  Geschichtschreiber  bei  Sueton  (wo  die  Hdschr. 
pihitus,  pehäus,  pilhitus,  plutus,  pilatus,  bei  Hieronymus  Plotus)  gewonnen. 
Aelins  Tubero. 

G.  F.  Unger  (in  Fleckeisens  Jahrb.  143  S.  318  ff.)  entwickelt 
aus  fr,  3  (bei  Dionys  I  80)  die  Gesinnung  eines  eifrigen  Anhängers 
von  Cäsar  oder  Octavian  und  damit  der  demokratischen  Partei  und  will 
ihn  daher  nicht,  wie  es  gewöhnlich  geschieht,  mit  dem  Juristen  Quintus, 
der  unter  Pompejus  bei  Pharsalus  gefochten  hatte  und  durch  seinen 
Freiheitssinn  bekaimt  war,  identifizieren,  sondern  benennt  ihn  mit  dem 
bei  Gellius  X  28  von  mehreren  Handschriften  überlieferten,  aber  meist 
verschmähten  Vornamen  Kaeso  und  schreibt  bei  Livius  IV  23  (fr,  6), 
um  den  so  entstehenden  Widerspruch  zu  beseitigen  Valerius  Antias  atqiie 
Tuhero  (statt  des  hdschr.  Antias  et  Q.  Tubero).  Verfafst  habe  er  seine 
Annalen  zwischen  45  709  und  22ll^'2\  die  erste  Grenze  werde  durch 
fr.  3  bestimmt,  die  zweite  durch  die  Veröffentlichung  des  vierten  Buches 
des  Livius.  Der  Ausgangspunkt  dieser  Argumentation  ist  freilich  sehr 
unsicher. 

Scribonins  Libo. 

Unger  a.  a.  0.  S.  644 — 649  bestimmt  dessen  Werk  als  ein  dem 
Annalis  des  Atticus  nahe  verwandtes  Jahrbuch,  erschienen  wahrscheinlich 
46  708,  ärmer  an  Zusätzen  geschichtlichen  Inhalts  und  knapper  in  ihrer 
Fassung,  dafür  aber  au)ser  den  Konsuln,  Dezemvirn,  Konsulartribunen, 
Censoren,  Diktatoren  und  Reiterobersten  noch  die  Prätoren  und  Adilen 
verzeichnend  und  deshalb  von  Cicero  zu  Rate  gezogen,  nicht  allein  an 
den  Stellen,  wo  er  ihn  nennt,  sondern  z.  B.  auch  ep.  ad  diuers.  IX  21, 
wo  er  dem  Papirius  Pätus  den  Nachweis  liefert,  dafs  melirere  Familien 
seines  Geschlechts  patrizisch  seien,  und  sonst,  sowie  auch  von  der  Quelle 
des  Chronographen,  namentlich  dann,  wenn  das  dem  Libo  eigentümliche 
Interesse  für  die  ursprünglichen  Wortformen  hervortrete,  dessentwegen 
ihm  Varro  ein  gi-ammatisches  Werk  gewidmet  habe  (Macr.  sat.  III  18). 


// 


Bericht 

über 

die  Litter atur  zu  den  Scriptores  historiae  Augustae 

in  dem  Jahrzehnt  1883  —  1892 

von 

Prof.  Dr.  Hermann  Peter, 

Rektor  zu  St.  Afra. 

Über  die  s.  g.  Scriptores  historiae  Augustae  ist  in  dieser  Zeit- 
schrift erst  einmal  berichtet  worden,  und  zwar  von  dem  trefflichen 
A.  Eussner  über  die  Erscheinungen  der  Jahre  1874 — 1877  in  Band  XXII 
(1880)  S.  123—128.  Infolge  einer  dringenden  Aufforderung  der  Redaktion 
trete  ich  jetzt  in  die  Berichterstattung  ein,  glaube  jedoch  die  Jahre 
1878 — 1882  überspringen  zu  können,  nachdem  ich  bereits  im  43.  Bande 
des  Philologus  S.  137 — 194  eine  ausführliche  Darstellung  der  wissen- 
schaftlichen Arbeit  auf  diesem  Gebiete  während  der  Jahre  1865 — 1882 
gegeben  habe.  Wie  damals,  werde  ich  auch  jetzt  die  Litteratur  nicht 
Nummer  für  Nummer  besprechen,  sondern  eine  stoffliche  Einteilung  zu 
giTinde  legen,  um  die  Ergebnisse  der  Forschung  klarer  und  bestimmter 
hervorheben  und  zusammenfassen  zu  können.  Ich  schicke  ein  alphabe- 
tisches Verzeichnis  der  Verfasser  der  einschlägigen  Abhandlungen  und 
Bemerkungen  voraus,  indes  unter  Ausschlufs  solcher,  welche  nur  eine 
Stelle  betreffen  und  in  dem  letzten  Abschnitt  Erwähnung  finden  werden. 

1)  E.  Baehrens,  Noua  aduersaria  critiea  in  scriptores  bist.  Aug. 
Fleckeisens  Jahrbücher  Bd.  133  (1886)  S.  213—224. 

2)  R.  Bitschofsky,  Kritisch-exegetische  Studien  zu  den  scr.  h. 
A.  (Separatabdruck  aus  dem  Jahresberichte  über  das  k.  k.  Staats- 
gymnasium im  n.  Bezirke  von  Wien.)    Wien  1888.     44  S.     8. 

Rec:  BerUner  philol.  Wochenschi-.  Vin  S.  1437—1439  v. 
H.  Peter.  Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  V  S.  1458—1459  v.  W.  Ge- 
moll.  Neue  phüol.  Rundschau  1888  S.  361—363  v.  J.  Plew.  Blätter 
für  d.  bayr.  Gymn.  XXV  S.  215.  Ztschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  XL 
S.  955—956  v.  M.  Petschenig. 


120  Scriptores  historiae  Augustae. 

3)  C.  Cotta,  Quaestiones  grammaticae  et  criticae  de  uitis  a  scr. 
b.  A.  conscriptis.     Yratislauiae  1883.    IV.    84  p.    8.     (Dissertation.) 

4)  H.Dessau,  Über  Zeit  und  Persönlichkeit  der  Scr.  li.A.  Hermes 
XXIV  S.  337—392. 

5)  —  Über  die  Scr.  h.  A.    Hermes  XXVH  S.  561—605. 

6)  F.  Drechsler,  Ki-itische  Adversarien.    Ztschr.  f.  d.  österr. 
Gymn.  XXXIX,  darin  S.  295—297  über  die  Scr.  h.  A. 

7)  S.  Frankfurter,  Textkritisches  zu  den  Scr.  h.  A.     Wiener 
Studien  XIII  (1891)  S.  245-254. 

8)  W.  Fröhner,  Kritische  Analekten.  Philol.  Suppl.  Bd.  V,  darin 
S.  28—31  über  d.  Scr.  h.  A. 

9)  A.  Gemoll,  Die  Scr.  H.  A.    I.  Wissenschaftl.  Beilage  zum 
Progr.  des  Stadt.  Real-Progymn.  zu  Striegau  1886.     1  Bl.     14  S.    4. 

Rec. :  Ztschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  XXXVm  S.  788  von  A.  Kor- 
uitzer.     Wochenschr.  f.  klass.  Phil.  V  S.  205—206  v.  A.  Teuber. 

10)  F.  Görres,  Zur  Kritik  einiger  Quellenschriftsteller  der  röm. 
Kaiserzeit.  III.  Zu  Eusebius  (H.  e.  V  21)  und  Äl.  Spartianus  (Did. 
Jul.  c.  2  u.  Sept.  Sev.  c.  4).  Phil.  XXXXH  (1884)  S.  134-140  u. 
rV.  Zur  Kritik  einiger  auf  die  Geschichte  des  Kaisers  Aurelianus  be- 
züglicher Quellen  ebenda  S.  615—624. 

11)  J.  Go lisch,  Zu  den  Scr.  h.  A.  Fleckeisens  Jahrbb.  Bd.  127 
(1883)  S.  656. 

12)  Habcl,  Zu  den  Scr.  h.  A.  Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  VII 
(1890)  S.  418-421. 

13)  0.  Hirschfeld,  Bemerkungen  zu  der  Biographie  des  Septimius 
Severus.     Wiener  Studien  VI  (1884)  S.  121—127. 

14)  —  Zu  röm.  Schriftstellern.  Herm.  XXIV,  über  d.  Scr.  h.  A. 
S.  105—106. 

15)  El.  Klebs,  Die  Vita  des  Avidius  Cassius.  Rhein.  Mus.  N.  F. 
XLm  (1888)  S.  321-346. 

16)  —  Zu  den  Scr.  h.  A.  Philol.  XL  VII  (N.  F.  I.  1889) 
S.  559—562. 

17)  —  Die  Sammlung  der  Scr.  h.  A.  Rhein.  Mus.  N.  F.  XLV 
(1890)  S.  436—464. 

18)  -  Die  Scr.  h.  A.  Rhein.  Mus.  N.  F.  XLVII  (1892)  S.  1—52. 
515—549. 

19)  K.  Lessing,  Studien  zu  den  Scr.  h.  A.  Wissenschaftl.  Bei- 
lage zum  Progr.  des  Friedrichs- Gjnnn.  zu  Berlin  1889.    39  S.     4. 


Scriptores  historiae  Augustae.  121 

Reo,.:  Archiv  f.  lat.  Lexikogr.  VI  8.  302—303.  Berl.  philol. 
Wochenschr.  IX  S.  852—855  v.  M.  Petschenig.  Woclienschr.  f. 
klass.  Philol.  VI  S.  892—893  v.  R.  Bitschofsky.  Neue  philol.  Rund- 
schau 1890  S.  180—183  von  J.  Plew. 

20)  J.  Mähly,  Flavius  Vop.  in  d.  V.  Probi.  Phil.  XLVin  S.  644  f. 

21)  Th.  Mommsen,  Die  Scr.  h.  A.    Hermes  XXV  S.  228—292. 

22)  F.  Navarro  y  Calvo,  Escritores  de  la  historia  Augusta. 
Traduccion  directa  del  latin  por  F.  N.  y  C.  Madrid,  Hernando.  2  Bd(\ 
1889  u.  1890.     404  u.  354  S.     8.     6  M.  50. ') 

23)  B.  Nihues,  De  Vulcacii  Gallicani  uita  Auidii  Cassii  com- 
meutatio.  Verzeichnis  der  Vorles.  Winter  1885/86  zu  Münster. 
11  S.     4. 

24)  R.  Novak,  Zu  Gerd.,  Carin.,  Numer.  Sammlung  philol.  Ar- 
beiten, herausgeg.  zur  Feier  des  25jähr.  Jubiläums  des  Prof.  Kvicala 
(Böhmisch),  Prag  1884  S.  54  f. 

25)  —  Listy  filologike  1884  S.  194—205.  1885  S.  389—395. 
1886  S.   18—19.     360—363.     1887  S.  7—14. 

26)  —  Ztschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  XLII  (1891)  S.  392—394. 

27)  H.  Peter,  Zu  den  Scr.  h.  A.  Fleckeisens  Jahrb.  Bd.  129 
(1884)  S.  75—80. 

28)  —  Scr.  h.  A.  iterum  recensuit  adparatumque  criticum  addidit 
H.  P.  2  uoll.  Lipsiae  in  aed.  B.  G.  Teubneri  1884.  XLn.  300. 
n  402  S.     8.     M.  7,50. 

Rec:  Deutsche  Litteraturz.  1884  S.  1649  f.  von  H.  J.  Müller. 
Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  1885  S.  297—299  von  F.  Eyssenhardt. 
Revue  de  linstruction  publ.  en  Belgique  XXVIII  (1885)  p.  97—101 
,  von  A.  Ceuleneer.  Berlin,  philol.  Wochenschr.  V  (1885)  S.  428  ff. 
von  S.  Frankfurter.  Litter.  Centralbl.  1885  S.  581  f.  von  A.  E(ussner). 
The  contemporary  review,  Maiheft  1885.  Ztschr.  f.  d.  österr.  Gymn. 
XXXVI  (1885)  S.  610  f.  v.  M.  Petschenig. 

29)  —  Die  Scr.  h.  A.  Sechs  litterar-geschichtliche  Untersuchungen. 
Leipzig  bei  Teubner.    1892.    VID.     266  S.     8. 

30)  M.  Petschenig,  Zur  Kj-itik  der  Scr.  h.  A.  Wissenschaf tl. 
Abhandlungen  n.  63.    Wien  u.  Leipzig,     gr.  8.     o.  J,  (1885).     16  S. 

Rec:  Neue  philol.  Rundschau  I  S.  360  f.  von  C.  Wagener. 
Philol.  Anz.  XVI  S.  413—417  von  H.  Peter. 

31)  J.  Plew,  Kritische  Beiträge  zu  den  Scr.  h.  A.  Beilage  zum 
Progr.  d.  Lyceums  zu  Strafsburg  i.  E.  1885.     4.     32  S. 


^)  Mir  nicht  zugegangen. 


122  Scriptores  historiae  Augustae. 

Rec. :  Liter.  Centralbl.  1886  S.  512  f.  Deutsche  Litteraturz. 
1886  S.  1493  f.  von  E.  Klebs.  Jalu-esber.  Bd.  48  S.  288  v. 
H.  Schiller. 

32)  J.  Plew.  Quellenuntersuchung-en  zur  Geschichte  des  Kaisers 
Hadrian  (Stralsburg  bei  Trübner  1890),  darin  S.  11—53  'Die  Vita 
Hadriani  des  Spartianus'. 

33)  Fr.  Rühl,  Die  Zeit  des  Vopiscus.  Rh.  M.  N.  F.  XLIII  (1888) 
S.  597—604. 

34)  W.  Schmidt,  De  Romanorum  imprimis  Suetonii  arte  bio- 
graphica.     Mai'burger  Doktordiss.  1891.     8.     68  S. 

35)  0.  Seeck,  Studien  zur  Geschichte  Diocletians  u.  Constantins. 
ni.  Die  Entstehungszeit  der  h»  A.  Fleckeisens  Jahrbb.  Bd.  141  (1890) 
S.  609—639. 

36)  G.  Suster,  Gli  scrittori  della  storia  Augustea  secondo  lo  sto- 
rico  Flavio  Biondo.  Rivista  di  filologia  e  d'istruz.  class.  XVI  (1888) 
p.  1—6. 

37)  —  De  altera  quadam  scriptura  orationis  quae  a  Maecio  Falconio 
Nicomacho  Tacito  Augusto  habita  est.  Rivista XVII  (1889)  p.  247—254. 

38)  E.  Wölfflin,  Die  Scr.  h.  A.  I.  Sitzungsberichte  der  philos.- 
philol.  u.  histor.  Klasse  der  bayer.  Akad.  d.  Wiss.  1891.    S.  465 — 538. 

I.   Die  Zeit  der  Entstehung  der  historia  Augusta 

A.  Gern  oll  (n.  9)  hatte  noch  einmal  in  knapper  und  übersicht- 
licher Form  auf  14  Quartseiten  die  bis  dahin  geltenden  Ansichten  über 
die  litterargeschichtliche  Stellung  der  Scriptores  bist.  Aug.  zusaramen- 
gefai'st.  Um  eine  Probe  einer  gröfseren  Arbeit,  in  welcher  er  die  viel 
behandelte  Frage  über  die  Verfasser  der  Vitae  bis  Maximus  und  Balbi- 
nus,  so  weit  wie  möglich,  zur  Entscheidung  zu  bringen  verspricht,  vor- 
zulegen, hatte  er  über  die  Reihenfolge  der  BiograpMeen,  die  Überliefe- 
rung der  Autornamen,  die  Abfassungszeit,  Plan  und  Absicht,  die  Ver- 
weisungen, die  Widersprüche  und  die  Quellen  gehandelt,  dabei  das 
vorausgeschickte  Progi'amm,  nicht  von  einer  vorgefafsten  Meinung,  son- 
dern von  der  Überlieferung  auszugehen,  gewissenhaft  eingehalten  und 
einzelnes  hier  und  da  schärfer,  als  es  vorher  geschehen  war,  bestimmt, 
ohne  freilich  tiefer  in  den  Gegenstand  einzudringen.  Die  Zahl  der  'Wider- 
sprüche' in  der  h.  A.  beschränkt  sich  bei  ilim  auf  fünf.  Skeptischer 
hatte  sich  der  Vulgata  gegenüber  Rühl  (n.  33^  gestellt  und  die  Zeit  der 
schriftstellerischen  Thätigkeit  des  Vopiscus  bis  zu  der  des  Lampridius 
heiTintergedrückt,  die  Vita  Probi  in  die  Jahre  322  oder  323,  jedoch 
mit  der  Deutung  der  Stellen,  auf  welche  er  seine  Rechnung  stützt,  nicht 


Scriptores  historiae  Augustae.  123 

das  Richtige  getroffen   (s.  Mommsen  n.  21  S.  256—259.   Dessau   u.  4 
S.  347). 

Da  erschien  im  Jahi*  1889  Dessaus  Abhandlung  (n.  4)  und  er- 
regte durch  den  Scharfsinn  ihi-er  Entwickelung  und  durch  die  Fülle  ihrer 
Gelehrsamkeit  allgemeines  Aufsehen.  Er  entfaltet  zunächst  das  'Nest 
von  Rätseln  und  Widersprüchen',  in  welches  wir  nach  seiner  Meinung, 
sobald  wir  der  gewöhnlichen  Ansicht  näher  treten,  geraten :  der  nämliche 
Verfasser  habe  Viten  sowohl  Diocletian  wie  Constantin  gewidmet,  die 
Apostrophierung  der  Kaiser  zeige  einen  ganz  undenkbaren  Freimut,  es 
fehlten  alle  Anspielungen  auf  die  eigenen  Erfolge  der  Kaiser;  die  Ver- 
herrlichung des  Constantius  durch  Trebellius  passe  nicht  in  die  Zeit  kurz 
vor  303,  in  welche  die  Abfassung  seiner  Viten  gelegt  werde,  schliefse 
eine  Herausforderung  des  Italien  regierenden  Cäsars  Severus,  seines  Ober- 
kaisers Galerius  und  des  in  der  Nähe  von  Rom  wohnenden  Maxentius, 
des  Sohnes  des  alten  Herculius,  ein,  und  von  der  ihr  zuliebe  vorgenom- 
menen Fälschung  der  verwandtschaftlichen  Anknüpfung  an  den  berühmten 
Gothenbesieger  Claudius  finde  sich  sonst  um  jene  Zeit  keine  Andeutung; 
in  die  Monate  der  städtischen  Präfektur  des  Junius  Tiberianus,  wählend 
welcher  sich  dieser  an  den  Hilarien  mit  Vopiscus  nach  dessen  Darstellung 
(Aur.  1  f.)  unterhalten  und  ihn  zu  seiner  biographischen  Thätigkeit  be- 
redet habe,  sei  jenes  Fest  gar  nicht  hineingefallen;  denn  da  die  erste 
Verwaltung  des  Amtes  291/92  mit  den  übrigen  Zeitbestimmungen  im 
Texte  nicht  stimme,  so  könne  nur  an  die  zweite,  vom  14.  September 
303  bis  4.  Januar  304  (nach  dem  Chronogr.  v.  354,  Chron.  min.  ed. 
Momms.  I  p.  66)  gedacht  werden  und  die  (grofsen)  Hilarien  seien  am 
25.  März  gefeiert  worden;  ferner  würde  Vopiscus  (Aur.  43)  zu  wenig  an- 
erkennend von  dem  eben  zurückgetretenen  Diocletian  sprechen,  und  end- 
lich wolle  die  Nennung  des  Julius  Capitoünus  und  des  Älius  Lam- 
pridius  unter  den  Mustern  des  Vopiscus  (Prob.  2)  zu  dem,  was  wir  an 
anderen  Stellen  über  die  Zeit  dieser  drei  Scriptores  erfahren,  nicht 
stimmen.  Nachdem  Dessau  so  die  Glaubwürdigkeit  der  in  der  h.  A.  ge- 
machten Hindeutungen  auf  die  Zeit  der  Verfasser  genügend  erschüttert 
zu  haben  glaubt,  will  er  gerade  in  solchen  Erzählungen,  welche  auch 
sonst  unseren  Verdacht  erregen,  Spuren  einer  späteren  Zeit,  nämlich  der 
letzten  Jahrzehnte  des  4.  Jahrhunderts,  erkennen,  und  zwar  zunächst  in 
Namen  der  früheren  Geschichtserzählung  Beziehungen  auf  vornehme 
Männer  in  diesen  Jahrzehnten,  in  Toxotius,  dem  Gemahl  der  früheren 
Braut  des  Kaisersohnes  Maximinus  (Max.  27,  6),  eine  solche  auf  den  im 
Jahre  379  gestorbenen  Gemahl  der  aus  Hieronymus  bekannten  Aristo- 
kratin Paula  und  einen  Sohn  von  ihm,  der  'vermutlich'  um  die  Mitte  der 
90  er  Jahre  des  Jahrhunderts  eine  Tochter  aus  einem  der  vornehmsten 
Häuser  heimführte,    in  Ragonius  Celsus,  dem  Adressaten  eines  Briefes 


]24  Scriptores  historiae  Augustae. 

des  Septimiiis  Severns  (Pesc.  3,  9),  eine  auf  eiaen  Gerichtsredner,  Quästor, 
Consul  imd  Präfectus  annonae  vom  Ende  des  Jahrlmnderts,  in  Faltonius 
Probus,  dem  Proconsul  von  Asien  unter  Aurelian  (Aur.  40,  4),  eine  auf 
den  Stadtpräfekten  des  Jahres  291,  in  Clodius  Celsinus,  einem  Verwandten 
(Bruder)  des  Usurpators  Clodius  Albinus(Seu.  11,3,  Clod.  12,9;  11),  eine  auf 
den  Vater  des  eben  genannten  Präfekten.  Besonderes  Gewicht  legt  Dessau 
auf  die  Prophezeiung,  welche  nach  Prob.  c.  24,  1  f.  allen  Nachkommen  des 
Kaisers  Probus  die  höchsten  Ehren  verheilseu  haben  soll;  denn  diese 
lasse  sich  nur  begreifen,  wenn  man  daran  denke,  dafs  gerade  in  den 
letzten  Jahrzehnten  des  4.  Jahrhunderts  die  Familie  der  (Petronii)  Probi 
zu  Rom  ein  hohes  Ansehen  genossen  habe.  Auch  die  gotisch-alanische 
Abkunft  des  Kaisers  Maximinus  könne  nur  im  letzten  Viertel  desselben 
erdichtet  worden  sein,  weil  erst  damals  'Goten  und  Alanen  in  dem  Ge- 
sichtskreis eines  Römers  vereint  zu  erscheinen  pflegten'  (S.  360).  Schon 
wiederholt  bemerkt  ist  die  auffallende  Übereinstimmung  eines  längeren 
Stücks  der  V.  Marci  (16,  3  —  18,  3)  mit  Eutrop  und  eines  anderen  der 
V.  Seueri  (17,  5—19,  4)  mit  Aurelius  Victor,  welche  man  entweder  aus 
der  Benutzung  der  h.  A.  durch  die  Epitomatoren  oder  aus  der  einer 
gemeinsamen  Quelle  hergeleitet  hat;  die  letztere  Ansicht  ist  jetzt  meist 
vorgezogen  worden,  Dessau  aber  hält  sie  für  unvereinbar  mit  der  Selb- 
ständigkeit, mit  welcher  Aurelius  Victor  arbeitete,  und  sieht  in  den 
Caesares  (verfafst  360)  die  Vorlage  für  die  h,  A.  und  daher  auch  in 
Eutrop,  dessen  Breviarium  um  369  herausgegeben  ist.  So  gelangt  er  zu 
dem  Ergebnis,  dafs  'die  einzelnen  Stücke  der  Sammlung  im  Ausgang 
des  4.  Jahrhunderts  niedergeschrieben  seien  und  ihnen  von  ihren  Autoren 
der  Schein  einer  früheren  Entstehung  verliehen  worden  sei',  um  ihnen 
durch  ein  höheres  Alter  mehr  Ansehen  zu  geben  und  nebenbei  zeitge- 
nössischen römischen  Grofsen  durch  Erwähnung  ihres  Namens  in  der 
früheren  Geschichte  und  Zurückdatierung  ihres  Glanzes  zu  schmeicheln. 
Den  Einwand,  dafs  eine  Erdichtung  von  sechs  verschiedenen  Verfassern 
höchst  wunderlich  sei,  widerlegt  er,  indem  er  auf  die  'auffallend  vielen 
Berührungspunkte  und  Ähnlichkeiten'  in  ihren  Schriften  aufmerksam 
macht,  namentlich  das  gemeinsame  Prinzip,  den  Caesares  und  Usurpa- 
toren eigene  Biographieen  zu  widmen,  die  Ausfüllung  des  Raumes  durch 
Erdichtungen,  die  Hervorhebung  der  Sinnlichkeit  des  Helden,  die  Auf- 
nahme von  gefälschten  TTrkunden,  die  Art  des  Citierens,  das  Übersetzen 
griechischer  Verse,  das  Spielen  mit  Eigennamen,  den  gleichmäfsigen  Ge- 
brauch gewisser,  sonst  nicht  gewöhnlicher  Redensarten  und  Worte.  Sonst 
sei  alles  Maskerade,  warum  nicht  auch  die  Erfindung  von  G  Autoren? 
Der  Fälscher  habe  wohl  damit  auf  ein  grölseres  Interesse  gerechnet. 
Mit  der  lebhaftesten  Freude  hat  dies  Ergebnis  Seeck  (n.35)  begrüfst 
und  es,  wie  er  sagt,  für  Pflicht  und  Bedürfnis  gehalten,  in  den  Kampf 


Scriptores  historiae  Augustae.  125 

einzutreten,  um  es  einerseits  genauer  zu  begründen,  andererseits  noch 
weiter  auszuführen  und  gegen  Moramsens  inzwischen  erhobene  Bedenken 
zu  verteidigen.  Zu  dem  Zweck  schlägt  er  den  Weg  ein,  von  allen  den- 
jenigen Stellen,  auf  welclien  die  bisherige  Datierung  der  Viten  beruhte, 
'zu  erweisen,  dafs  sie  nicht  in  der  Zeit  geschrieben  sein  könnten,  in 
welcher  sie  sich  den  Anschein  geben'.  So  bespricht  er  der  ßeihe  nach 
die  Schwierigkeiten,  welche  nach  seiner  Meinung  bei  Vopiscus  liegen  in 
Aiu-.  30,  4,  Prob.  23,  3  ff.,  Car.  18,  3,  Aur.  I,  1  und  Bonos.  15,  10, 
dann  bei  Trebellius  in  der  Claudiuslegende,  der  Benennung  der  Victorina 
als  mater  castrorum  (Tyr.  5,  3.  6,  3.  25,  1.  31,  2)  und  des  Galerius  als 
Galerius,  die  den  Zeitgenossen  völlig  fremd  sei,  endlieh  in  der  Erwäh- 
nung eines  'Bruderzwistes'  Claud.  2,  6.  In  der  Reihe  der  Biographieen 
von  Hadrian  bis  Macrinus  nimmt  er  Anstofs  au  der  Beziehung  auf 
die  Thronfolgeordnung  Diocletians  Seuer.  20,  an  der  Bezeichnung 
der  Caesares  als  'quasi  quidani  principmn  fiUv  Ael.  2,  2  und  des  Clo- 
dius  Albinus  als  frater  durch  Kaiser  Severus  (Clod.  7,  3),  während 
Adoptivsöhne  den  leiblichen  gleich  gegolten  hätten  und  unter  Diocletian 
der  Cäsar  filius,  nicht  frater  des  regierenden  Kaisers  genannt  worden 
sei.  Auch  in  der  nächsten  Reihe  (von  Heliog.  bis  Max.  und  Balb.)  will 
er  Heliog.  24,  3,  Gord.  34  und  Alex.  67  nicht  die  gemeinten  Anzeichen 
späteren  Ursprungs  sehen  und  schliefst  nun,  dafs  'alle  Biographieen  auf 
eine  einheitliche,  überall  durch  die  gleichen  anachronistischen  Anschauungen 
bestimmten  Fälschungen  zurückgingen',  also  eine  homogene  Masse  bil- 
deten. Endlich  wisse  bis  ins  fünfte  Jahrhundert  hinein  niemand  von  der 
h.  A.  und  wie  allgemeine  Erwägungen  mehr  die  spätere  Entstehung 
empföhlen,  so  auch  die  Betrachtung  einzelner  Stelleu,  unter  welchen  er 
besonders  auf  HeUog.  7,  7,  Clod.  4,  1,  Prob.  24  und  Valer.  5,  4  ff.  Wert 
legt,  auf  welche  wir  zurückkommen  werden. 

Hatte  sich  Dessau  im  wesentlichen  mit  dem  Nachweis  der  Fäl- 
schung begnügt,  so  bezieht  Seeck  die  Verherrlichung  der  Nachkommen 
des  Claudius  auf  den  Usurpator  Flavius  Claudius  Constantinus,  der  vom 
Jahre  407  an  länger  als  drei  Jahre  in  den  gallischen  Provinzen  herrschte, 
läfst  die  in  die  h.  A.  eingestreuten  Deklamationen  über  die  Themen, 
dafs  grofse  Väter  nie  ihrer  würdige  Söhne  gehabt  hätten  und  dafs  die 
Thronfolge  im  römischen  Reich  nicht  erbUch  sein  dürfe,  gegen  den 
Schwächling  Honorius  gerichtet  sein  und  glaubt,  dafs  aus  Vorsicht  wäh- 
rend der  noch  schwebenden  Entscheidung  der  Verfasser  unter  falschem 
Namen  geschrieben  und  die  Entstehung  um  ein  Jahrhundert  hinaufgerückt 
habe,  eine  Vermutung,  welche  übrigens  auch  Dessau  in  seinem  späteren 
Aufsatz  (n.  5  S.  585)  nicht  gebilligt  hat. 

Mommsen  (n.  21)  läfst  der  Ai'beit  Dessaus  alle  Gerechtigkeit 
widerfahren,    nennt   sie    eine  'vortreffliche'   und  erklärt  zu  Anfang  der 


126  Scriptores  historiae  Augustae. 

eigenen  sie  unternommen  zu  haben  'supplendi  gratia  magis  quam  corri- 
gendi'.  Aber  doch  erscheint  ihm  seine  Hypothese  'verwegen'  (S.  245), 
und  sein  Ergebnis  fafst  er  in  den  Worten  zusammen  (S.  228):  'Die 
Sammlung  ist  nicht,  wie  Dessau  meint,  eine  Arbeit  aus  Theodosischer 
Zeit,  welche  fälschlich  in  der  Diocletianisch-Constantinischen  geschrieben 
sein  will,  sondern  sie  ist  im  wesentlichen  in  der  letzteren  Epoche  ent- 
standen und  nur  in  der  folgenden  Dj'^nastie  mit  einigen  relativ  nicht  be- 
deutenden Einlagen  versehen  und  hie  und  da  überarbeitet  worden'.  So 
sehen  wir  denn  unter  seinen  gewaltigen  Schlägen  einen  Pfeiler  nach  dem 
anderen  in  dem  Gebäude  Dessaus  zusammensinken.  Es  befremde,  argu- 
mentiert er,  dals  eine  unter  den  Yalentinianisch-Theodosischen  Djaiastie 
zusammengestellte  Kaisergesehichte  mit  Carus  abgeschlossen  worden  sei, 
die  Lobrede  auf  Claudius  des  Constantius  wegen  sei  unter  ihr  unbegreif- 
lich, die  Bebandluug  des  Christentums  und  des  Judentums  sei  in  der 
Sammlung  verschieden,  je  nach  der  Zeit  der  Abfassung  der  Viten,  ent- 
spreche aber  im  ganzen  der  Diocletianisch-Constantinischen  Periode, 
ebenso  die  administrativen  Ordnungen,  die  Civil-  und  Militärämter,  die 
Benennung  der  Truppenkörper,  des  Hofgesindes,  der  Geldsummen;  die 
seit  Constantiu  eine  so  grol'se  Rolle  spielenden  Comites  fehlten  noch  ganz 
und  gar,  auch  die  seitdem  geläufige  Unterscheidung  gleichnamiger  Truppen- 
körper  in  seniores  und  mniores,  die  domestici  als  Gardetruppen  u.  s.  w. 
Xachdem  so  Mommsen  die  Annahme  einer  Fälschung  in  späterer  Zeit, 
die  doch  jedenfalls  vor  zahlreichen  Anachronismen  sich  nicht  habe  hüten 
können,  zurückgewiesen  hat  (S.  228 — 243),  zerlegt  er  die  Sammlung  in 
ihi'e  Bestandteile  und  stellt  deren  Eigentümlichkeiten  und  Entstehungs- 
zeit fest.  Trebellius  Pollio  und  Flavius  Vopiscus  hätten  völlig  in  dem 
Sinn  derjenigen  Zeit  geschrieben,  in  der  sie  geschrieben  haben  wollten, 
und  es  liege  kein  Grund  vor,  an  den  Namen  irgend  zu  rütteln.  Dagegen 
herrsche  in  dem  vorausgehenden  Teil  (von  Hadrian  bis  Gordian  lU) 
grol'se  Verwirrung •,  eine  geringere  in  der  zweiten  Hälfte  von  Heliogabal 
an,  deren  Viten  wirklich  aus  dem  letzten  Decennium  Coustantins,  ver- 
mutlich alle  von  einer  Hand  herrührten,  (in  den  malsgebenden  Hand- 
schriften Heliog.  und  Alex,  von  Lampridius,  die  nächsten  von  Capito- 
linus) ;  die  ersten  teilt  er  nach  dem  Wert  ihrer  Nachrichten  in  (9)  pri- 
märe Viten,  d.  h.  die  der  Kaiser,  und  in  (7)  sekundäre,  d.  h.  die  der 
Mitherrscher,  Cäsaren  und  Usurpatoren;  denn  jene  seien  'echte,  aller- 
dings vielfach  zerrüttete  Geschichtsquellen,  die  in  der  zweiten  ßeihe 
enthielten  wenig  oder  gar  kein  eigenes  wirklich  geschichtliches  Material 
und  seien  wesentlich  entweder  aus  jenen  der  ersten  zusammengestoppelt 
oder  gefälscht"  (S.  246).  Entstanden  seien  die  primären  unter  Diocletian, 
die  anderen  unter  Constantin,  Den  handschriftlichen  Über-  und  Unter- 
schriften der  Viten  mifst  Mommsen  geringe  Bedeutung  bei;   zwar  hält 


Scriptores  historiae  Augustae.  127 

er  an  der  Mehrheit  der  Verfasser  der  diocletianischen  Reihe  bei,  aber 
er  scheut  sich,  den  einzelnen  ihr  Eig-entum  zuzusprechen,  und  erklärt 
die  der  Constantinischen  Reihe  alle  für  das  Werk  eines  Verfassers,  die 
Namen  in  den  Handschriften  für  gefälscht. 

Ein  'Samtredakteur',  am  naturgemäßesten  der  Verfasser  der  jüngsten 
Abschnitte,  habe  nämlich  in  dem  letzten  Jahrzehnt  Constantins  nicht 
allein  die  Biographieen  der  (wirklichen)  Kaiser  gesammelt,  indem  er  die 
des  Trebellius  und  Vopiscus  sämtlich  aufnahm,  aus  denen  der  übrigen 
auswählte,  sondern  auch  7Air  Vervollständigung  die  sekundären  in  der 
eben  bezeichneten  Weise  zusammengeschrieben  und  zu  den  anderen  Zu- 
sätze gemacht,  z.  B.  den  am  Schlufs  der  trig.  tyr.  (31,  7 — 33,  8)  und 
den  über  das  Alter  des  Adels  in  Byzanz  (Gall.  6,  9).  So  sei  die  Samm- 
lung um  das  Jahr  330  zu  einem  ersten  Abschlufs  gebracht  worden. 

Doch  hat  Mommsen  von  dem  Theodosischen  Ursprung  einzelner 
Stellen  sich  durch  Dessau  überzeugen  lassen  und  daher  noch  eine  zweite, 
spätere  Diaskeuase  zugestanden,  welche  die  Stücke  aus  Eutrop  in  der 
V.  Marci  und  aus  Aurelius  Victor  in  der  V.  Seueri,  das  Probusorakel 
(Prob.  c.  24)  und  überhaupt  die  Beziehungen  auf  die  mächtige  Familie 
der  Probi  eingeschoben  habe.  Sachliche  Quellen  aufser  den  beiden  Bre- 
viarien  hätten  ihr  indes  schwerlich  zu  Glebote  gestanden,  auch  liefse  sich 
nur  annähernd  bestimmen,  'inwieweit  der  zweite  Diaskeuast  sachlich 
und  sprachlich  die  Vorlage  umgestaltet  habe'.  Im  allgemeinen  scheint 
Mommsen  nicht  geneigt,  diesem  Theodosischen  Diaskeuasten  einen  gröfseren 
Einflufs  einzuräumen;  immerhin  leuchtet  ein,  dafs  der  Wert  der  h.  A. 
als  Geschichtsquelle  im  ganzen  um  ein  bedeutendes  sinkt,  sobald  im 
Prinzip  die  Einschiebung  gröfserer  Abschnitte  unter  Theodosius  ange- 
nommen wird ;  denn  für  die  Forschung  haben  dann  alle  Nachrichten  nur 
den  Wert  einer  um  ein  Jahrhundert  jüngeren  Überlieferung,  wenn  nicht 
die  Entstehung  unter  Diocletian  oder  Constantin  bestimmt  nachgewiesen 
werden  kann. 

Daher  hat  Klebs,  nachdem  ihm  die  beabsichtigte  Widerlegung 
der  Dessauschen  Vermutung  durch  Mommsen  vorweggenommen  war,  in 
seinem  dritten  Aufsatz  (n.  17)  eben  diejenigen  Stellen  einer  sorg- 
fältigen Prüfung  unterzogen,  welche  das  Werk  dieser  zweiten  Diaskeuase 
gewesen  sein  sollen,  um  so  den  endgültigen  Abschlufs  der  Sammlung 
wieder  in  die  Diocletianisch-Constantinische  Regierung  zu  verlegen. 
Zunächst  weist  er  mit  Recht  nach,  wie  für  die  Kapitel  der  V.  Seueri 
17,5—19,4  kein  ii'gend  glaublicher  Grund  zu  einer  späteren  Ein- 
schaltung, wofür  sie  Mommsen  ansieht,  gefunden  werden  könne,  wie 
vielmehr  ohne  sie  mehrere  Rubriken  in  der  üblichen  biographischen 
Schablone  fehlten,  die  genaue  Angabe  der  Todesart,  des  Todesortes, 
der  Regierungszeit  und    der  göttlichen  Ehren  nach  dem  Tode,    ferner 


128  Scriptores  historiae  Augustae. 

dafs  das  folgende  Stück  der  Biographie  19,  5  ff.  die  vorherige  Er- 
zählung des  Todes  voraussetze,  und  dal's  auch  sonst  bei  Spartian  Spuren 
einer  ebenfalls  von  Aurelius  Victor  benutzten  Kaiserchronik  vorhanden 
seien;  von  besonderem  Gewicht  aber  sind  die  Abweichungen  von  Aurelius 
Victor,  welche  Klebs  in  dem  Berichte  des  Spartian  aufdeckt;  nament- 
lich hat  dieser  sich  nicht  wie  Victor  die  Vermengung  des  Kaisers 
Didius  Julianus  mit  dem  Rechtsgelehrten  unter  Hadrian  Salvius  Julianus 
zu  Schulden  kommen  lassen,  ein  Fehler,  den  er  keinesfalls  vermieden 
hätte,  wenn  er  seiner  Quelle  eigen  gewesen  wäre.  Dals  in  der  V.  Marci 
'c.  16  u.  17'  (so  Mommseu)  ein  Doppelbericht  vorliegt,  ist  schon  oft 
bemerkt  worden ;  indes  lälst  er  sich  nicht  einfach  ausscheiden  und  auch 
er  entfernt  sich  in  mehi'eren  nicht  gleichgültigen  Punkten  neben  wört- 
licher Übereinstimmung  von  Eutrop  und  übergeht  einzelne  Nachrichten 
deshalb,  weil  sie  die  Biographie  schon  vorher  gebracht  hatte.  Ebenso 
überzeugend  hat  Klebs  die  anderen  Bedenken  Mommsens  beseitigt. 
Aus  dem  Probusorakel  hat  dieser  erst  durch  eine  Konjektur  ein  'Vati- 
cinium  post  euentum'  gemacht;  die  handschriftliche  Lesart  (posteri 
nuteni  videnfur  aeternitatem  habere,  von  modum)  enthält  vielmehr  eine 
höhnische  Bemerkung  gegen  die  Nachkommen  des  Kaisers  Probus 
(s.  meine  Untersuchungen  S.  47  f.),  als  welche  übrigens  die  gegen  das 
Ende  des  vierten  Jahrhunderts  blühenden  Petrouii  Probi  gar  nicht 
nachgewiesen  werden  können.  Der  Nachtrag  zu  den  trig.  tyr.  31,  7  ff. 
läfst  sich  besonders  durch  sprachliche  Übereinstimmungen  für  Trebellius 
wieder  gewinnen,  deren  Zahl  Wulffliu  (n.  38  S.  537  f.)  noch  vermehrt 
hat;  die  V.  Opilii  Macrini  wird  überhaupt  anders  zu  behandeln  sein, 
als  es  Mommsen  gethan  hat. 

In  einem  weiteren  Kreise  bewegt  sich  die  vierte  Abhandlung  von 
Klebs  (n.  18);  denn  nachdem  unterdes  Seeck  mit  Entschiedenheit  Dessaus 
Sache  verteidigt  hatte,  will  er  nun  auf  Grund  seiner  fortgesetzten  ein- 
gehenden Studien  im  allgemeinen  die  Frage  beantworten  'Ist  die  ganze 
Sammhuig  echt  oder  eine  Fälschung?'  und  zwar  in  der  Weise,  dal's  er 
ihre  gesarate  litterarisclie  Beschaffenheit  untersucht  und  aus  ihr  die 
Unmöglichkeit  der  Entstehung  durch  einen  Fälscher  ableitet.  So  hält 
er  in  der  Einleitung  Dessaus  Verurteilung  entgegen,  dafs  die  "Wid- 
mungen von  Viten  des  ersten  Teils  (bis  Gordian  III)  an  die  Kaiser 
Diocletian  und  Constantin  gerichtet  seien,  die  des  zweiten  an  Privat- 
personen, und  dafs  die  Verfasser  und  Widmungen  innerhalb  jenes  bunt 
durcheinander  gewürfelt  seien,  ferner  die  Beziehungen  auf  gleichzeitige 
Persönlichkeiten  und  Ereignisse  bei  Trebellius  und  Vopiscus,  das  Fehlen 
schwindelhafter  Citate  in  den  Viten  von  Hadrian  bis  Caracalla,  des 
Merkmals  von  Fälschungen,  die  blol's  der  Lust  am  Lügen  ihr  Dasein 
verdanken,  und  das  Nichtvorhandensein  eines  jeden  bestimmten  Zweckes 


Scriptores  historiae  Augustae.  129 

der  Erdichtung-,  die  Verschiedenheit  der  Verfasser  in  der  Auffassung 
des  Verhältnisses  zum  Senat  und  zu  einzelnen  Kaisern,  die  Berichtigung 
von  Irrtümern  innerhalb  der  Samn)lung  u.  a.  Noch  gröfsereu  Wert 
aber  besitzen  die  Einzeluntersuchungen,  zu  welchen  sich  Klebs  S.  15 
wendet.  Er  leugnet  einerseits  die  nahe  Verwandtschaft  nicht  ab,  welche 
in  der  Art  der  Darstellung  und  Behandlung  des  geschichtlichen  Stoffes, 
in  Stil  und  Sprache"  alle  Biographieen  vereint,  aber  er  erklärt  sie 
richtig  durch  die  Macht  der  Nachahmung  im  Altertum,  welche  kleine 
Geister  nicht  zur  Selbständigkeit  aufkommen  liels,  zumal  einer  so  aner- 
kannten Autorität  wie  Sueton  gegenüber,  und  entwickelt  darauf  im 
einzelnen,  wie  die  Scriptores  den  Aufbau  der  Biographie  und  die  Art 
der  Charakteristik  von  ihm  herübernahraen,  auch  gewisse  sprachliche 
Wendungen  und  Worte,  und  wie  Trebellius  und  Vopiscus  sogar  einen 
'auus'  und  der  letztere  noch  einen  'pater'  als  Zeugen  erdichteten,  weil 
Sueton  solche  citiert  hatte. ^)  Noch  enger  werden  sie  sich,  so  weit 
es  anging,  an  Marius  Maximus,  dessen  Werk  sich  bis  Heliogabal  er- 
streckte, angeschlossen  haben,  und  so  darf  es  nicht  wunder  nehmen, 
dafs  die  Biographieen  der  Kaiser  von  Hadrian  bis  Opilius  Macr.  oder 
Heliogabal  eine  Gruppe  für  sich  bilden,  welche  sich  als  solche  von  den 
folgenden  deutlich  abhebt.  Daher  ist  Klebs  durchaus  methodisch  ver- 
fahren, wenn  er,  um  die  Eigenart  der  Scriptt.  zu  schildern,  mit  dem 
letzten  angefangen  hat;  wie  über  sein  litterarisches  Eigentum  vor 
Dessau  nicht  gezweifelt  worden  ist,  so  hat  er  am  ehesten  seine  Per- 
sönlichkeit hervortreten  lassen  können,  da  er  den  seiner  Zeit  am  nächsten 
liegenden  Stoff  bearbeitete.  Für  Vopiscus  betont  also  Klebs  namentlich 
die  Nachahmung  des  Trebellius,  die  rhetorische  Schwärmerei  für  die 
Senatsrechte  und  die  Unvererblichkeit  der  Herrschaft  und  die  Stellung 
zum  Christentum ;  vorzüglich  gelungen  aber  ist  ihm  der  Nachweis  seiner 
sprachlichen  Besonderheiten,  der  mit  aufseror deutlicher  Belesenheit  und 
einer  Beobachtungsgabe  geführt  ist,  die  ihn  Wölfflin  würdig  zur 
Seite  stellt.  Diesen  Abschnitt  rechne  ich  zu  dem  ertragreichsten,  was 
über  die  Sprache  der  h.  A.  geschrieben  worden  ist.  Er  beginnt  mit 
der  Nachahmung  Ciceronianischer  Perioden,  für  welche  er  einige  treffende 
Beispiele  giebt,  zählt  dann  eine  ganze  Reihe  weiterer  Eigentümlich- 
keiten auf,  zeigt,  wie  er  die  Kunstmittel  der  Rhetorik  viel  geflissent- 
licher ausgenutzt  habe,  als  irgend  ein  anderer  der  Scriptores,  die  Wort- 
spiele namentlich  mit  Personennamen,  die  Allitteration  in  mehrfacher 
Form  u.  a.,  und  ergänzt  endlich  diese  Darlegung  durch  eine  Zusammen- 

M  Auf  dieselbe  Vermutung  war  gleichzeitig  Wölfflin  S.  537  gekommen. 
Andere  ähnliche  Fälle  siehe  in  meinen  Untersuchungen  S.  238. 
Jahresbericht  für  AUerthumswissenschaft.    LXXVII.  Bd.  (.1893.  II.)         9 


130  Scriptores  historiae  Augustae. 

Stellung    vou    Redewendungen    der    übrigen    Scriptt.,    welche   Vopiscus 
fremd  sind. 

Es  folgt  Trebellius  PoUio  (n.   18  S.  515  ff.);    auf   seinen  scharf 
ausgeprägten  politischen  Charakter  hatte  er  schon  anderweit  hingewiesen, 
jetzt  bringt  er  für  seineu  Sprachschatz  die   nötigen  Beispiele   bei  und 
knüpft  daran  mehrere  feine  Beobachtungen  über   kleinere  Verscliieden- 
heiteu  von  seinem  Nachahmer  Vopiscus.    Von  dem  ersten  Teil  der  h.  A. 
gehören  nach   seiner  Ansicht  dem  Spartian    aufser  den  handschriftlich 
bezeugten  Viten,  denen  des  Hadr.,  Did.,  Sev.,  Oarac.  und  AI.,  noch  die  des 
Pius,    Marcus,   Verus  und  Pertinax  (in  den  Hdschrr.   dem  Capitolinus) 
und  die  des  Commodus  (in  den  Hdschrr.  dem  Lampridius),  dem  Capito- 
linus die  des  Clod.,   Opil.,  der  Maxim.,  Gord.  und  des  Max.  und  Balb. 
(so  auch  in  d.  Hdschrr.),  ferner  die   des  Pescenn.  (in  d.  Hdschrr.  dem 
Spart.)  und    mit    dem  Zugeständnis,    dafs  sie    von   den  für  Capitolinus 
charakteristischen  Eigenheiten   wenig    aufweist  (S.  533)    die    des  Geta 
(in  d.  HdschiT.  unbestimmt,    s.  m.  Unters.  S.  25  f.),    dem  Lampridius 
die  des  Heliog.,    Alex,  und    wohl  auch  Diad.,    dem  Vulcacius   die  des 
Ävidius.      Auch   hier  arbeitet  Klebs  wieder   mit  reichem  sprachlichen 
Material,    obwohl    es   nicht    die  gleiche  Beweiski'aft    besitzen  kann  wie 
bei  Trebellius  und  Vopiscus,    da   wenigstens  die  Viten  bis  Heliogabal 
sich  alle  an  Marius  Maximus  (direkt  oder  indirekt)  und  an  eine  kürzere 
Kaiserchronik  inhaltlich  und  sprachlich  anlehnen.     Diese  Beschränkung 
erkennt  Klebs  selbst  an  (S.  520).     Trotzdem    aber  gebührt    ihm   ganz 
unzweifelhaft  das  Verdienst,  die  Existenz  von  sechs  verschiedenen  Schrift- 
stellern erwiesen    und  wenigstens  für  den  grölseren  Teil  der  Viten  die 
Autorschaft  der    handschriftlich    bezeugten  Namen  bestätigt    zu  haben. 
Manche  Bedenken  gegen  dieselbe  eiiedigen  sich,    sobald  man  nach  den 
Anreden    der  Kaiser  die    schriftstellerische  Thätigkeit  des  Capitolinus 
in   eine  Diocletianische   und  Constantinische  teilt;    Klebs    hat,    um  sie 
ganz  in  die  Regierung  des  Constantinus  zu  verlegen,  sowohl  in  der  V. 
des  Opil.  als  in  der  des  Pescenn.  den  Namen  des  Diocletian  in  den  des 
Constantin   ändern    müssen.      Vielleicht   erklären  sich  aus   dieser  zwei- 
fachen Abfassuugszeit  auch  manche  Ähnlichkeiten,  welche  ilm  bestimmt 
liaben,  vier  nach  den  Hdschrr.  Capitolinische  Viten  dem  Spai'tian  zuzu- 
schreiben; die  Anfänge  der  rhetorischen  Redeweise,  welche  den  V.  Maxim. 
—  Max.  et  Balb.  charakteristisch  ist,   hören  wir  schon  aus  der  V.  Marci 
heraus  (s.  Klebs  S.  521).     Die  gewichtigsten  Gründe   sprechen  gegen 
den  Namen  des  Spartianus  über    der  V.  Pescennii;    das  Bild,    welches 
uns  aus  ihr  entgegentritt,  will  zu  dem  aus  seinen  bezeugten  Viten  gar 
nicht  recht  stimmen; -z.  B.  hat  er  sonst  nii-gends  Aktenstücke  eingefügt; 
aber  trotzdem   kann   ich  mich   noch  nicht  mit  Klebs  für  Spartian  ent- 
scheiden :  ich  vermisse  in  ilir  Citate  sowohl  des  Cordus  als  des  Herodian, 


Scriptorcs  historiae  Augustae.  131 

welche  sich  sonst  in  allen  Viten  der  Constantinischen  Reihe  des  Capi- 
tolinus  finden,  und  bin  durch  die  Gegenbemerkung  von  Klebs  (S.  527) 
noch  nicht  beruhigt. 

Durch  diese  Abhandlung  ist  zugleich  die  Vermutung  Mommsens 
(S.  246  ff.)  zu  Falle  gebracht,  der  sich  noch  Wölfflin  zum  Teil  angeschlossen 
hatte,  dafs  die  Nebenviten  alle  von  den  Diaskeuasten  entweder  aus  den  pri- 
mären zusammengestoppelt  oder  gefälscht  seien;  gewil's  stehen  sie  au 
historischem  Wert  weit  hinter  den  übrigen  zurück,  indes  enthalten  sie 
mehrere  glaubwürdige  Nachrichten  allein  und  fügen  zu  anderen  die 
Quelle  hinzu,    welche  in  den  primären  fehlt  (s.  m.  Unters.  S.  80  ff.). 

Wölfflin  (n.  38)  hat  den  Schwerpunkt  seiner  Untersuchung  aus- 
drücklich auf  den  sprachlichen  Teil  gelegt  (S.  468)  und  von  der  sprach- 
lichen Analyse  aus  entwickelt,  'dafs  die  sechs  Schriftsteller  nicht  nur 
unmöglich  in  eine  Persönlichkeit  zusammengefafst  werden  können,  sondern 
auch,  dafs  sie  nicht  von  gleichem  Wert  sind.'  Zur  Erklärung  der 
nicht  zu  bestreitenden  Gleichföraiigkeit  der  Sprache  hält  er  die  allge- 
meine Nachahmung  Suetons  und  die  besondere  des  Trebellius  durch 
Vopiscus  sowie  die  bei  ihnen  schon  um  sich  greifende  romanische  Auf- 
lösung für  genügend,  alles  dies  mit  vollem  Recht,  während  ich  die  S.  472 
behauptete  'Umgangssprache'  für  Vopiscus  überhaupt  nicht,  für  Tre- 
bellius nur  zum  Teil  gelten  lasse,  auch  die  Benutzung  der  Vorgänger 
durch  Lampridius  (S.  476)  nicht  für  erwiesen  erachte.  Wie  Klebs  warnt 
aber  auch  er  davor,  diese  Gleichförmigkeit  allzu  weit  auszudehnen, 
widerlegt  aus  dem  reichen  Schatz  seiner  Sprachkenntnis  die  übertriebenen 
Aufstellungen  Dessaus  und  geht  dann  dazu  über,  die  Besonderheiten 
zuerst  des  Trebellius  Pollio  zu  schildern,  seine  allgemeinen  Anschau- 
ungen, seine  rhetorische  Bildung  und  Kenntnis  der  Geschichte,  sein 
Verhältnis  zum  Kaiserhaus  und  die  durch  seine  Darstellung  sich  hindurch- 
ziehende Claudiuslegende;  daran  schliefst  sich  eine  gleiche  Behandlung 
seines  'Fortsetzers  und  Nachahmers",  des  Flavius  Vopiscus,  dem  auch 
noch  eine  sehr  wertvolle  Beilage  gewidmet  ist,  welche  die  Phraseologie 
dieser  beiden  Scriptt.  miteinander  vergleicht  (S.  529 — 537)  und  es  voll- 
ständig begreiflich  macht,  dafs  sich  Trebellius  und  Vopiscus  zu  einer 
Gruppe  vereinen,  die  übrigens  auch  in  mehreren  äufserlichen  Dingen 
(Klebs  n.  18  S.  30  f.)  zu  den  anderen  in  Gegensatz  tritt.  Von  dem 
vierten  Kapitel  ('Die  Aktenstücke  des  Tr.  und  V.')  wird  in  unserem 
dritten  Abschnitt  die  Rede  sein;  das  fünfte  (S.  511 — 529)  ist  betitelt 
'Vop.  als  Herausgeber  und  Redaktor  der  Sammlung',  darin  nicht  genau, 
als  es  die  Viten  des  Capitolinus  und  Lampridius  von  dieser  Verarbeitung, 
die  zwischen  308  und  315  erfolgt  sein  soll,  ausnimmt  und  in  den  Be- 
reich seiner  Untersuchung  auch  von  den  übrigen  zunächst  nur  die  des 

Spartian  hineinzieht.     Dafs  namentlich  in  den  zwei  ersten  Dritteln  der 

9* 


132  Rcriptorcs  )li!^toriae  Augustae. 

h.  A.  (bis  (-rordiau  III)  viele  Sätze  durch   einen  imrichtigea  Platz  den 
Zusanimeuhang  stören,   ist  unschwer  zu  erkennen,  und  so  habe  ich  die 
nach    meiner  Meinung    unzweifelhaftesten    in    meiner    zweiten  Ausgabe 
ilurch  Winkelklammern  (<  >)  bezeichnet.    Von  diesen  schreibt  Wölfflin 
den    gröfsten   Teil    nebst    einer  Anzahl    anderer    dem  Vopiscus  zu  und 
ebenso  die  Hinzufügung  der  unter  dem  Namen  des  Spartian  gehenden  Neben- 
viten,  der  V.  des  Ael.,  Geta  und  Fescenn. ;  die  letzte  sei  die  IJberarbeitung 
einer  älteren  Vorlage,    die   beiden    anderen    aber   seien  durchaus  sein 
eigenes  AVerk,  wie  sprachliche  Übereinstimmungen  und  die  rhetorischen 
Ergüsse  lehrten.     Allerdings  kann  er  dies  Ergebnis  nur  durch  die  ge- 
waltsamen Mittel  aufrecht  erhalten,  dafs  er  die  Anrede  zu  Anfang  der 
V.  Getae   ^Constanthie'  in  'Diocletiane'  verwandelt ,  und  Seuer.   c.  20  f. 
als  Zusatz  ausscheidet,  weil  Spartian  sonst  in  seinen  Kaiserbiographieen 
(Hadr.,  Did.,  Seu.  und  Carac.)  den  Diocletian  nicht  anrede,    wie  dies 
hier  c.  20,  4  geschieht.     Auch  die  Worte   des  Vopiscus  Bonos.  15,  10 
supersunt  mihi  Garus,  Carinus  et  Numerianus,  nam  Diodetianus  et  qui 
secuntur  stilo  maiore  dicendi  sunt  sind  nicht  richtig  verstanden.    Wölfflin 
(S.  511)  meint,  Vopiscus  habe  damit  seine  Absicht  öffentlich  kund  ge- 
geben,  das  Leben  des  Diocletian  und  seiner  Mitkaiser  zu  beschreiben, 
und  wenn  er  Gar.  18,  5  eine  solche  Aufgabe  mit  Entschiedenheit  ab- 
lehne,   so  habe  ihm  solche  Änderung  ein  Wink  von   oben  eingegeben, 
und  daher  habe  er  sich  der  Darstellung  der  früheren  Kaiser  zugewandt. 
Allein  jene  erstere  Stelle  besagt  offenbar  ganz  dasselbe  wie  die  zweite, 
nur    mit    geringerer  Bestimmtheit    (s.  m.  Untersuch.   S.  21),    und    der 
Ausgangspunkt    der  Wölfflinschen  Vermutung    wird    dadurch    hinfällig. 
Aufserdem  beschränken   sich   die  Anzeichen  einer  Redaktion   nicht  auf 
Spartian  sondern  erstrecken  sich  zugleich  auf  die  Viten  des  Capitolinus 
und  Lampridius,  die  auch  nach  Wölfflin  später  als  Vopiscus  geschrieben 
haben,    sodafs    also    noch  eine  zweite  Hand  bei  der  Zusammenstellung 
des  Gorpus  thätig   gewesen  sein  müfste;    die   sprachliche  Begründung, 
durch  welche  er  seine  Ansicht  zu  stützen  gesucht  hat,    ist  von  Klebs 
(n.   17  8.  542  ff.)  zerstört   worden.     Ich  glaube  einfacher  diese  Frage 
dadurch  erledigt  zu  haben,  dafs  ich  den  spätesten  der  Scriptt.,  Capito- 
linus, zum  Schlufsredaktor  machte ;  Einschiebsel  in  Viten  des  Lampridius, 
die  durchgeführte  Gräcisierung  der  Kaisernamen  Caracallus  und  Helio- 
gabalus,   die  Anfügung  eines  Abschnittes  an  die  V.  üpilii,    welche  der 
ersten  Periode  der  schriftstellerischen  Thätigkeit  des  Capitolinus  ange- 
hört,   aus  dem    in  der  zweiten    zu  Grunde  gelegten  Herodian  erheben 
dies  wenigstens  zu  einem  hohen  Grad   von  Wahrscheinlichkeit  (Unters. 
S.  146  f.).      Dafs    der  Sclilulsredaktor   jedenfalls    sich    nicht    mit    der 
blofsen  Auswahl  aus  den  Werken  mehrerer  Verfasser  und  der  Abschrift 
der  gewählten  begnügt  hat,    erhellt  aus  allgemeinen  Erwägungen  und 


Scriptores  histoi  iac  Augustae.  1  33 

besonders  aus  der  sonst  nicht  erklärlichen  Komposition  der  V.  des 
Marcus,  Severus  und  Pescenuius,  in  welchen  auf  das  mit  der  Anrede 
des  Diocletian  auch  stofflich  zu  einem  gewissen  Abschlufs  gebrachte 
Werk  noch  ein  Abschnitt  mit  vielen  Wiederholungen  folgt  (Unters. 
S.  124  ff.,  140  ff). 

Mein  eigenes  Buch  (n.  29),  dessen  Erscheinen  durch  den  Setzer- 
streik verzögert  worden  ist,  ist  durch  die  Aufsätze  Dessaus,  Mommsens 
und  Seecks  insofern  veranlafst  worden,  als  ich  mich  entschlofs,  ziun 
Teil  ältere  Untersuchungen  in  ihrem  ganzen  Umfange  zu  veröffentlichen, 
während  ich  früher  nur  die  Ergebnisse  gelegentlich  in  einem  grölsereu 
Werk  hatte  vorlegen  wollen.  Die  erste  Hälfte  der  vierten  Abhandlung 
von  Klebs  (n.  18)  und  die  von  Wölffiin  sind  erst  erschienen,  als  ich 
mit  den  meinigeu  bereits  fertig  zu  sein  glaubte,  doch  kamen  sie  noch 
zeitig  genug,  um  das  Manuskript  teilweise  umzuarbeiten  und  dm-ch  sie 
die  Begründung  meiner  Ansichten  zu  vervollständigen,  mehreres  auch 
zu  kürzen,  da  ich  mich  auf  jene  beziehen  konnte.  Die  Form  der  Polemik 
ist  auf  die  fünfte  Untersuchung  eingeschränkt,  sonst  habe  ich  mich  be- 
müht überall  den  gesamten  Thatbestand  der  alten  Überlieferung  vorzu- 
legen und  von  ihm  aus  meine  Schlüsse  zu  ziehen.  Dafs  sich  dabei  häutig 
Gelegenheit  geboten  hat,  namentlich  von  Seeck  beanstandete  Stellen 
wieder  in  die  Diocletianisch-Constantinische  Zeit  zurückzuverlegen,  war 
natürlich;  aus  vielen  Beispielen  greife  ich  nur  eins  heraus.  Die 
Gleichung  Heliog.  24,  3  *idem  numquam  minus  centum  sestertiis  cenauit, 
hoc  est  argenti  libris  triginta'  hatte  Mommsen  (S.  243)  dadurch  erklärt, 
dafs  Lampridius  den  Sesterz  mit  dem  Diocletianischen  Denar  verwechselt 
habe,  Seeck  (S.  629  f.)  dadurch,  dafs  der  Fälscher  um  die  Wende  des 
vierten  Jahrhunderts  zum  fünften  'aus  Unkenntnis'  den  Sesterz  auf  die 
Hälfte  des  Denars  berechnet  habe;  mit  dem,  was  er  aus  seinen  gründ- 
lichen Münzstudien  zur  Widerlegung  seines  Vorgängers  beibringt,  hat 
er  gewils  das  Richtige  getroffen,  ist  dann  aber,  wo  er  auch  diese  Stelle 
zur  Begründung  der  späteren  Entstehung  verwerten  will,  recht  will- 
kürlich verfahren.  Die  Sache  verhält  sich  so,  dafs  die  Berechnung 
nach  einer  Tabelle,  welche  für  die  Zeit  vom  ersten  punischen  Krieg 
bis  auf  Nero  galt,  gefertigt  worden  ist;  nach  einer  solchen  waren 
100  000  Sesterzen  genau  gleich  30  Pfund,  so  dafs  bei  Lampridius  nur 
die  Zahl  von  10  000  Sesterzen  oder  von  300  Pfund  einzusetzen  ist. 
Eine  andere  verkehrte  Anwendung  eines  veralteten  antiquarischen  Hand- 
buches habe  ich  in  der  V.  Opil.  7,  2  aufgedeckt  (S.  28  f.),  auch 
Senatsberichte  sind  von  Vopiscus  nach  republikanischem  Muster  gefälscht 
worden  (S.  226  f.). 

In  diesen  ersten  Abschnitt  meines  Berichts  gehört  die  erste  und 
die  sechste  Untersuchung.    Jene  ('Persönlichkeit,  Plan  und  Zeit'  S.  1 — 49) 


J34  Scriptores  historiae  Augustae. 

entvs'ickelt,  meist  bekanntes  wiederholend,  die  Stellung-  der  h.  A,  in  der 
römischen  Litteratur  und  das  Verhältnis  ihrer  Verfasser  zu  den  beiden 
Kaisern  Diocletian  und  Constantin,  zum  Senat  und  zum  Christentum 
(wobei  auf  die  durch  die  Verschiedenheit  der  Abfassungszeit  bedingten 
Unterschiede  der  Auffassung  aufmerksam  gemacht  wird),  die  nüchterne 
Darstellungsweise  in  den  Viten  bis  Heliogabal  im  Gegensatz  zu  dem 
rhetorischen  Aufputz  des  Trebellius  und  noch  mehr  des  Vopiscus, 
welcher  mit  dem  vorgeschobenen  Programm  der  'Curiositas'  wenig 
stimmt,  und  setzt  dann,  soweit  es  möglich  ist,  unter  vielfacher  Be- 
richtigung und  Ergänzung  von'  Richters,  Brunners  und  eigenen  Ver- 
öffentlichungen die  Zeit  der  Abfassung  der  einzelnen  Viten  fest,  für 
welche  S.  49  folgende  Übersicht  gegeben  wird.^)     ~ 

I.  Die  Diocletian  gewidmeten  Viten: 
September  284—1.  Mai  305  Vulcacii  Auidius. 

1.  April  286  —  1.  Mai  305  Capitolini  Pius*,  Marcus,  Verus, 
Pertinax*,  Opilius. 

1.  März  293—1.  Mai  305  Spartiani  Hadrianus*,  Aelius,  Ju- 
lianus*, Seuerus,  Pascennius,  Caracallus*. 

II.  Die  Freunden  gewidmeten: 

Um  298  —  303  Trebellii  Valeriani,  Gallieni,  triginta  tyranni, 

Claudius. 
1.  Mai  305  —  25.  Juli  306  Vopisci  Aurelianus,  Tacitus. 
Gegen  307  Vopisci  Probus,  Fii-mus  etc. 
Vopisci  Carus  etc.  bis  Mai  311  (oder  3.  Dezember  316). 

in.    Die  Constantin  gewidmeten: 
Kurz   nach   324  oder  325  Lampridii  Commodus*,  Geta,  Diadu- 

menus*,  Heliogabalus,  Alexander. 
Capitolini   Clodius,   Maximini,   Gordiani,   Maximus  et  Balbinus. 

Die  sechste  Untersuchung  ('Über  die  augebliche  Entstehung  der 
h.  A.  durch  Fälschung  in  der  Zeit  Theodosius'  des  Grofsen'  S.  242—259) 
fafst  einerseits  die  mannigfachen  Verschiedenheiten  zusammen,  welche 
zwischen  den  Viten  und  Verfassern  bestehn  und  die  nur  einem  über 
die  Mafsen  raffinierten  und  in  der  Geschichte  bewanderten  Fälscher  zu- 
zutrauen sein  würden,  in  der  Aussprache  über  die  Thronfolge,  die 
Stellung  zum  Senat  und  die  Verehrung  der  Antonine,  in  der  Benutzung 
von  Vorlagen,    in  dem  Programm   der  Schriftstellerei ,    in  der  Art  der 


')  Die  Sterne  bedeuten  das  Fehlen    sicherer  Merkmale  für  die   Be- 
stimmung. 


Scriptores  historiae  Augustae.  135 

Fälschung  der  Urkunden,  namentlich  der  Senatus  consulta  (8.  225  ff.), 
vor  allem  in  der  Sprache.  Die  'groben  Schnitzer  und  der  'Blödsinn', 
welchen  Seeck  in  gewissen  Stellen  aufgestochen  haben  wollte,  waren 
meist  schon  bei  früheren  Gelegenheiten  beseitigt  worden,  sodals  nur  wenige 
Stellen,  die  nach  seiner  Meinung  nicht  in  die  Zeit  des  Übergangs  vom 
dritten  Jahrhundert  zum  vierten  pafsten,  noch  der  Klarlegung  bedurften 
und  schlielslich  behauptet  werden  konnte,  dafs  keine  derselben  ein  Jahr- 
hundert später  geschrieben  sein  müsse,  viele  nicht  um  diese  Zeit  ge- 
schrieben sein  könnten,  und  dafs  sich  damit  zugleich  die  Annahme 
einer  zweiten,  Theodosischen  Diaskeuase  erledige  (s.  ob.  S.  126).  Dafs 
ein  glaublicher  Zweck  der  Fälschung  noch  nicht  angegeben  sei,  war 
vorher  schon  eingewandt  worden,  auch  dafs  die  Claudiuslegende  noch 
nicht  das  letzte  Stadium  ihrer  Entwicklung  erreicht  habe  sondern  sich 
noch  in  demjenigen  befinde,  welche  etwa  für  das  J.  310  auch  sonst 
bezeugt  sei.  Über  die  Anreden  der  Kaiser  ist  S.  253  ff.  gehandelt 
worden,  um  sie  als  für  Diocletian  und  Constantin  wohl  passend  zu 
erweisen. 

Der  letzte,  der  sich  in  dieser  Frage  ausgesprochen  hat,  ist 
Dessau  (n.  5),  der  aber  weder  von  meinem  Buch  noch  von  der  zweiten 
Hälfte  des  letzten  Aufsatzes  von  Klebs  bei  der  Abfassung  des  seinigen 
Kenntnis  haben  konnte.  Hauptsächlich  ist  es  ihm  darum  zu  thun,  die 
Einwände,  welche  früher  Klebs  erhoben  hatte,  zu  widerlegen.  Er  weist 
daher  in  dem  ersten  Teil  (S.  561 — 590)  noch  einmal  kurz  auf  die 
Spuren  hin,  welche  auf  die  Valentinianisch-Theodosische  Zeit  (etwa  380 
— 395)  hinführen  (s.  ob.  123  f.),  und  stellt  den  Angaben,  welche  Trebellius 
und  Vopiscus  über  die  ihrige  machen,  die  Schwierigkeiten  gegenüber, 
welche  aus  den  Prophezeiungen  erwachsen,  die  zu  Gunsten  des  Con- 
stantinus  in  einem  Gebiet  niedergeschrieben  sein  wollen,  welches  gar 
nicht  innerhalb  des  Machtbereichs  dieses  Regenten  lag;  die  Schmeichelei 
hätte  also  nicht  allein  ihr  Ziel  nicht  erreicht  sondern  hätte  auch  dem 
Verfasser  höchst  gefährlich  werden  können.  "Was  Klebs  hiergegen  vor- 
gebracht habe,  sei  für  ihn  nicht  durchschlagend  gewesen.  Weiter  aber 
erklärt  er  den  Gesamtinhalt  der  h.  A.  für  unvereinbar  mit  der  früheren 
Zeit,  namentlich  die  Darstellung  der  Regierung  des  Carus  und  seiner 
beiden  Söhne  (282 — 284),  über  welche  20  Jahre  später  ein  Biograph 
jedenfalls  viel  mehr  hätte  ei'fahren  können,  als  Vopiscus  mitteilt,  und 
versucht  es,  Beweggründe,  'weshalb  die  Biographen  für  ihre  Fälschungen 
die  von  ihm  behauptete  Einkleidung  gewählt  hätten'  (S.  572),  unter 
Vergleichung  des  'Diktys'  und  'Dares'  und  italienischer  Inschriftenfälscher 
zu  entwickeln.  'Der  oder  die  Verfasser'  hätten  von  Anfang  an  gar 
nicht  die  Absicht  gehabt  eine  Fälschung  zu  liefern,  wie  sie  uns  jetzt 
vorliege,  erst  während  der  Arbeit  wären  sie  durch  ihre  Schwierigkeiten, 


"I  36  Scriptores  hlstoriao  Augustae. 

besonders  den  Stoffmang-el  dazu  s"edrängt  worden,  Geschichteu,  Urkunden 
und  Gewährsnüinner  zu  erfinden  und  hätten  nun,  um  'nicht  als  Schwindler 
erkannt  zu  werden',  unter  Verzicht  auf  Autorruhm  sich  entschlossen, 
sie  unter  falschen  Namen  zu  veröffentlichen  und  darauf  ohne  Scheu 
sich  jede  Erfindung-  erlaubt.  Die  dem  Claudius  über  seine  und  seiner 
Nachkommen  Regierungsdauer  geg-ebenen  Prophezeiungen  (Claud.  10) 
hält  Dessau  für  das  Werk  des  nämlichen  Verfassers,  der  auch  in  anderen 
Viten  die  Äneis  als  Stechbuch  habe  befragen  lassen,  weil  die  antwortenden 
Verse  aus  den  gleichen  Abschnitten  (derJ^eriieilsung  des  Anchises  an 
Äneas  VI  759 — 883  und  des  Juppiter  an  v  enus  im  1.  Buch)  stammten, 
und  meint,  dafs  die  Verherrlichung  der  Kaiser  ein  beliebter  Gegenstand 
in  den  Rhetorenschulen  gewesen  sei  und  Claudius^  also  recht  gut  auch 
100  Jahre  später  hätte  gelobt  werden  können.  Die  Geschicklichkeit 
der  Fälschung  sei  endlich  gar  nicht  so  hoch  zu  schätzen,  wie  mau  es 
gewöhnlich  thue.  Der  zweite  Teil  (S.  590 — 605)  will  nochmals  die 
Annahme  begründen,  dafs  die  Fälschung  von  einer  Hand  herrühre. 
Neu  ist  hier  die  Beobachtung,  dafs  in  verschiedenen  Gruppen  von  Viten 
dem  Kaiser  sein  Schicksal  durch  Virgilverse,  w'elche  'derselben  Stelle' 
entnommen  seien,  voraus  verkündet  würde,  während  sich  sonst  diese 
Sitte  der  Schicksalsbefragung  erst  um  das  Jahr  400  finde;  sonst  be- 
schränkt sich  Dessau  darauf  die  Ergebnisse  von  Klebs  abzuweisen, 
namentlich  die  Nachahmung  des  Trebellius  durch  Vopiscus,  und  leitet 
die  von  seinem  Gegner  ermittelten  Sprachverschiedenheiten,  welche 
er  'nur  zum  kleinsten  Teil'  für  zutreffend  erachtet,  aus  der  wörtlichen 
Herübernahme  der  Vorlagen  ab,  indem  er  sich  die  Sammlungen  Wölflflius 
zu  nutze  macht,  nach  welchen  sich  auch  in  den  Viten  anderer  Verfasser 
Spuren  von  der  Sprechweise  des  Vopiscus  fänden,  natürlich  ohne  sich 
dessen  weitere  Folgerungen  anzueignen. 

Ich  kann  indessen  nicht  sagen,  dafs  diese  Darlegungen  Dessaus 
in  irgend  einem  wichtigeren  Punkte  meine  Ansicht  erschüttert  hätten. 
Wenn  er  z.  B.  vermutet,  dafs  die  Düj-ttigkeit  und  der  (Charakter  der 
Nachrichten  über  Carus,  Carinus  und  Nuraerianus  nicht  denkbar  sei 
20  Jahre  nach  dem  Tode  des  Carinus  (S.  567),  so  ist  dem  entgegen- 
zuhalten, dals  eben  Vopiscus,  da  er  noch  bei  Lebzeiten  des  Diocletian 
schrieb,  nichts  mitteilen  wollte,  was  seinem  Kufe  hätte  schaden  können, 
also  auch  nicht,  dafs  Carinus  in  der  Entscheidungsschlacht  ihn  erst 
besiegt  habe,  und  dafs  er  alle  jene  schmutzigen  Klatschgeschichten  über 
den  Vorgänger  (übrigens  unter  Berufung  auf  Onesimusj,  obwohl  sie 
nicht  wahr  waren,  auftischt,  um  so  den  Diocletian  zu  heben,  v/ie  zu 
Ehren  des  Claudius  Trebellius  den  Gallienus  zu  einem  ganz  und  gar 
verkommenen  Fürsten  erniedrigt  hatte  (s.  m.  Unters.  S.  177).  Die  Er- 
wägungen,   was  Vopiscus    zur  Ermittlung  einer  kurz  vergangenen  Zeit 


Scriptores  historiae  Augustae.  137 

hätte  tliun  müssen,  sind  aus  modernen  Anschauungen  entsprungen  und 
entsprechen  nicht  den  Anforderungen,  welche  ein  antiker  Geschicht- 
schreiber an  sich  stellte.  Auch  den  Satz  bestreite  ich:  'Alles  drängt 
zu  der  Annahme,  dafs  die  Biographieen  einer  Zeit  angehören,  in  der 
jede  Erinnerung,  jede  Tradition  aus  der  geschilderten  Epoche  versiegt 
war':  man  vergleiche  die  in  unseren  Tagen  vorhandene  'Erinnerung  und 
Tradition'  20  Jahre  älterer  Ereignisse!  Ferner  kann  Dessau  die 
Prophezeiung  ewiger  Regierungsdauer  in  dem  Virgilverse  Hü  ego  nee 
meias  rerum  nee  tempora  ponam  (Ciaud.  10,  5)  nicht  ableugnen ,  sucht 
sie  aber  dadurch  abzuschwächen,  dafs  er  den  Autor  'einfach  nicht  über- 
legt" haben  läfst,  'was  die  Leser  bei  den  Worten  nee  tempora  ponam 
denken  würden',  und  stellt  ihr  das  erste  Orakel  (§  3)  entgegen,  in 
welchem  drei  G-eschlechtern  der  Thron  zugesagt  würde,  ein  zumal  bei 
der  Unsicherheit  der  Lesart  des  letzteren  sehr  bedenkliches  Verfahren; 
auch  der  Grund,  dafs  es  'in  all  diesen  angeblich  von  verschiedenen 
Autoren  herrührenden  Biographieen  dieselbe  Vergilstelle'  (er  meint 
Aeu.  VI  759 — 883)  sei,  die  für  diesen  Zweck  ausgebeutet  werde 
(S.  593),  geht  von  einer  unrichtigen  Annahme  aus;  zunächst  ist  es  nicht 
eine  Stelle,  sondern  es  sind,  wie  er  selbst  S.  584  angegeben  hatte, 
ihrer  zwei,  und  zwar  sind  eben  in  dem  hier  zur  Frage  stehenden 
Kapitel  sogar  zwei  Prophezeiungen  aus  dem  ersten  Buch  entlehnt; 
gerade  diese  beiden  virgilischen  Verheifsungen  eignen  sich  für  den  Zweck 
einer  derartigen  Befragung,  zu  anderen  sind  in  der  h.  A.  auch  andere 
Stelleu  aus  Virgil  verwertet.  Einwandfreie  Spuren  einer  späteren  Zeit 
hat  er  endlich  nicht  aufweisen  können;  die  S.  587  f.  aufgezählten  haben 
schon  in  meinem  Buche  eine  andere  Deutung  erfahren,  welche  sie  mit 
der  Diocletianisch-Constantinischen  in  Einklang  bringt. 

II.    Das  Verhältnis    der  h.  A.  zu    den   Quellen    und    die 
Komposition  der  Viten. 

Bekanntlich  sind  wii'  io  der  glücklichen  Lage,  eine  der  Vorlagen 
der  h.  A.  noch  zu  besitzen,  den  von  ihr  mehrfach  genannten  Herodian, 
und  es  liegt  nahe  genug,  einen  Vergleich  mit  ihm  zum  Ausgangspunkt 
der  Untersuchung  über  die  Arbeitsweise  der  h.  A.  zu  machen.  Dafs  es 
nicht  durchweg  geschehen  ist,  dafs  man  lieber  dem  erhaltenen  Herodian 
den  verlorenen  Marius  Maximus  vorgezogen  hat,  begreift  sich  nur  aus 
der  Art,  wie  heutzutage  'Quellenuntersuchungen'  oft  geführt  werden; 
um  gewisse  allgemeine  Sätze  auf  den  einzelnen  Fall  übertragen  zu 
können,  findet  man  es  natürlich  bequemer,  mit  einer  unbekannten,  be- 
liebig zu  gestaltenden  Gröfse  zu  rechnen.  Ich  habe  mich  daher  in 
meiner  zweiten  Untersuchung  (S.  49—102)  hauptsächlich  mit  dem  Ver- 


138  Scriptores  historiae  Augustae. 

bältnis  der  h.  A.  zu  Herodian  beschäftigt  und  bin  auch  deshalb  weiter, 
als  es  vielleicht  manchem  nötig  erscheint,  auf  das  Einzelne  eingegangen, 
da  es  zugleich  galt  die  Meinung  beseitigen,  dafs  er  durch  Vermittlung 
des  Dexippos  benutzt  sei.  Die  Parallelberichte  in  den  drei  Werken 
des  Capitolinus  Maxim.  —  Max.  et  Balb. ,  welche  mehrfach  dieselben 
Ereignisse  berichten,  dienten  zu  einer  wesentlichen  Unterstützung,  und 
so  wurde  denn  ermittelt,  dafs  der  Biograph  in  ihnen  denselben  Ab- 
schnitt des  Herodian  verschieden  wiedergiebt,  bald  mehr  bald  minder 
ausführlich,  und  dafs  er  ihn  durch  Einschiebsel,  kleinere  und  gi"ölsere, 
ergänzt;  Ungenauigkeit  und  Flüchtigkeit  ist  ihm  überhaupt  eigen  und 
zwar  um  so  mehr,  je  knapper  er  ihn  zusammenfafst,  aber  auch  eine 
gewisse  Selbständigkeit,  die  eine  wörtliche  tJbei-setzung  meidet  und 
durch  Übertreibung  und  Erweiterung  den  rhetorischen  Griechen  nocli 
zu  überbieten  trachtet  (s.  auch  Mommsen  S.  262  ff.).  Dies  Ergebnis 
pafst  indes  insofern  nicht  auf  die  Benutzung  lateinischer  Vorlagen,  als  aus 
solchen  ungescheut  mit  der  Thatsache  auch  die  Form,  in  welche  sie 
gekleidet  war,  entnommen  wurde,  was  eine  Anzahl  von  Vergleichsstellen 
sowohl  gegenüber  dem  Marius  Maximus  als  gegenüber  einer  ebenfalls 
verlorenen  aber  mit  Hilfe  des  Eutrop,  Aurelius  Victor,  Rufus  und  der 
Epitome  rekonstruierbaren  Kaiserchronik  unwiderleglich  beweist.  Allein 
sogar  in  diesem  Falle  sind  die  Scriptt.  nicht  einem  einzigen  Autor 
sklavisch  gefolgt,  sie  haben  auch  hier  kompiliert  und  kontaminiert. 

Dafs  sie  dies  wirklich  selbst  gethan  haben  und  dafs  ihre  Ver- 
sicherung, aus  'mehreren'  Büchern  zusammengeschrieben  zu  haben,  nicht 
aus  der  Luft  gegriffen  ist,  habe  ich  durch  Prüfung  der  Komposition 
der  Viten  in  der  dritten  Untersuchung  (S.  102—153)  weiter  auszuführen 
und  zu  begründen  versucht  und  nun  auch  den  Marius  Maximus  hinein- 
gezogen. Von  der  Anordnung  seiner  Biographieen  ein  Bild  zu  ge- 
winnen, mufste  hier  die  erste  Aufgabe  sein. 

Die  Fragmente  lehren,  dais  er  viel  breiter  erzählte  als  Sueton 
und  ganze  Urkunden  einreihte  (Plew  n.  31  S.  28  f.);  dafs  er  aber 
mit  der  Anordnung  in  die  Fufstapfen  seioes  Vorgängers  trat,  läfst  sich 
aus  des  Capitolinus  V.  Pii  erkennen,  die  ganz  nach  des  letzteren  Muster 
gearbeitet  ist,  aber  durch  ungeschickte  und  schiefe  Fassung  einzelner 
Nachrichten  verrät,  dafs  Capitolinus  ihr  Verhältnis  zu  der  Rubrik,  in 
welcher  sie  steht,  nicht  erfalst  hat.  Eine  wesentliche  Änderung  hat 
Marius  Max.  mit  seinen  Anhängen  eingeführt,  welche  teils  eine  Art 
Urkundenbuch  entliielten  (Pesc.  15,8),  teils  vielleicht  kritische  Nach- 
träge verschiedener  Art  und  von  mehreren  Scriptt.  nachgeahmt  worden 
sind  (jene  in  der  V.  Tac.  Com.  u.  a.,  diese  in  d.  V.  Max.,  Max.  et 
Balb.,  Gall.).  Im  Gegensatz  zu  der  V.  Pii,  welche  das  Vermögen  des 
Capitolinus    nach    einer  Vorlage   eine  Biographie    zu    schreiben    zeigt, 


Scriptores  historiae  Augustae.  139 

werden  darauf  die  Nebenviten  besprochen;  für  sie  fehlte  es  an  der 
einheitlichen  Grundlage,  welche  bei  den  Kaiserbiographien  bis  Heliogabal 
die  Arbeit  so  wesentlich  erleichterte  (Marius  Max,  hatte  die  der  Tyrannen, 
Mitherrscher  und  Cäsaren  in  jene  eingeflochten),  und  wenn  gerade  sie 
sich  abheben  wie  durch  Dürftigkeit  echten  Stoffes  so  durch  eine  die 
Klarheit  der  Ordnung  verwirrende  Aneinanderreihung  verschieden- 
artiger Stücke,  so  folgt  daraus  entweder,  dafs  schon  ihre  Vorgänger 
kontaminiert  haben  oder  dals  sie  es  selbst  gethan  haben.  Gegen  die 
erstere  Annahme  konnten  mehrere  Gründe  geltend  gemacht  werden, 
und  so  wiederholte  sich  hier  das  Ergebnis,  dafs  im  allgemeinen  den 
Scriptt.  das  Streben  und  das  Vermögen,  mehrere  Vorlagen  zusammen- 
zuarbeiten, nicht  abzusprechen  sei,  wie  sie  dies  ja  auch  selbst  als  ihr 
Progamm  hinstellen.  Dies  gab  den  Mafsstab  der  Beurteilung  der  Kaiser- 
biographieen  ab,  die  deutlich  teils  aus  einem  einfachen  Grundstock  mit 
kleineren  Einschiebseln  bestelm,  teils  aus  umfangreicheren  Abschnitten 
verschiedenen  Ursprungs.  Doch  wollte  sich  in  die  allgemeinen  Grund- 
sätze die  Komposition  von  3  Viten  (des  Marcus,  Severus  und  Pescennius) 
nicht  fügen,  und  da  in  ihnen  auch  andere  Anzeichen  die  Hand  eines 
Schlafsredakteurs  verrieten,  so  wurde  auf  dessen  Rechnung  die  Ein- 
fügung auch  gröfserer  Stücke  gesetzt,  der  Abschlufs  der  ganzen  Sammlung 
aber  nicht  über  das  Jahr  330  hinausgeschoben. 

Als  ein  besonders  lehrreiches  Beispiel  für  die  Komposition  dieser 
Biographieen  und  die  Art  ihrer  Quellen  hat  Klebs  (n.  15)  die  Vita 
des  Avidius  Cassius  einer  einschneidenden  Behandlung  unterzogen  und 
in  ihr  mit  Recht  zwischen  zwei  verschiedenartigen  Teilen  unterschieden. 
Den  einen,  besseren  (6,  5—9,  4)  führt  auch  er  auf  Marius  Maximus 
zurück,  jedoch  nicht  unmittelbar,  sondern  durch  Einschiebung  eines 
Auszuges,  den  er  auch  anderen  Abschnitten  der  vier  ersten  Scriptores 
zu  Grunde  legt,  ohne  indes  die  direkte  Benutzung  des  Originals  über- 
haupt in  Frage  stellen  zu  wollen;  doch  erklärt  er  nicht  alle  Nachrichten 
für  das  Eigentum  des  Marius  Max.,  sondern  nimmt  noch  eine  von  ihm 
unabhängige  kurze  Kaiserchronik  als  Quelle  an,  wie  ja  auch  neben  dem 
viel  autoritativeren  Sueton  eine  selbständige  Überlieferung  bestanden 
habe.  In  der  anderen  Hälfte  sieht  er  die  freie  Phantasie  eines  Rhetors 
über  das  Thema  'Avidius  Cassius,  der  strenge,  republikanische  Staats- 
mann, und  Marcus,  der  milde  Philosoph,  auf  dem  Thron'  und  vermutet 
wegen  der  vielfachen  Übereinstimmung  der  Fälschungen  mit  denen 
in  der  V.  Diadumeni,  dafs  sie  von  dem  in  der  letzteren  citierten  Lollius 
Urbicus  herrühren.  Dafs  wir  ihr  keinen  historischen  Wert  bei- 
zumessen haben,  wird  nicht  bestritten  werden  können,  auch  nicht,  dafs 
der  Biograph  selbst  sie  nicht  verfafst  hat;  im  einzelnen  wird  aber 
manches  anders  bestimmt  werden  müssen  (s.  m.  Unters.  S.  191  f.);  dafs 


140  Scriptores  lüstoriae  Augustao. 

die  Charakteristik  c.  3,  4  zu  dem  Bilde  seines  Fälschers  nicht  recht 
l>asse,  räumt  Klebs  selbst  ein  (S.  326). 

Unbekannt  scheint  ihm  geblieben  zu  seiu,  dafs  drei  Jahre  vorher 
schon  Xiehues  ein  Proömium  über  diese  Vita  geschrieben  hatte  (n.  23); 
doch  würde  er  schwerlich  durch  dasselbe  Veranlassung  bekommen  haben, 
seine  eigenen  Erörterungen  zu  ändern;  denn  N.  dringt  nirgends  tiefer 
iu  die  Sache  ein;  dafs  c.  6,  5 — 9,  4  auf  Marius  Maxiraus,  die  übrigen 
Stücke  auf  andere  Autoren  zurückgehen,  hat  auch  er  gesehen;  wenn  er 
aber  schliefst,  dafs  Vulcacius  aufser  den  citierteu,  Quadratus  und 
Aemilius  Parthenianus,  auch  noch  den  Älius  Cordus  gekannt  habe  und  ihm 
die  Urkunden  verdanke,  so  beruht  diese  Folgerung  nur  darauf,  dafs 
auch  dieser  derartige  eingelegt  habe.  Andere  Gründe  enthält  auch 
sein  Proömium  über  Cordus  (De  Aelio  Cordo  rerum  Augustarum  scrip- 
tore  commeutatio,  Münster,  Sommer,   1885)  nicht. 

Ein  verschiedenes  Ziel  verfolgt  Ple  w;  sein  Schulin'ogramm  von  1885 
(n.  31)  soll  in  seiner  ersten  Hälfte  (S.  3—20)  besonders  die  Auf- 
stellungen eines  früheren  ('Marius  Max  als  direkte  und  indirekte  Quelle 
der  Scr.  h.  A.'  1878)  gegen  die  Bemerkungen,  welclie  ich  Philol.  XLIIl 
S.  167  f.  eingewandt  hatte,  verteidigen;  er  bestreitet  nämlich  den  Scriptt. 
die  Fähigkeit,  mehrere  Autoren  zusammenzuarbeiten.  'Sie  exzerpieren', 
sagt  er  (Mar.  Max  S.  21),  'd.  h.  kürzen  ihn  (Marius  Max);  dies  ist 
ihre  einzige  Selbständigkeit  ihm  gegenüber',  und  da  sich  damit  die  Neben- 
viten  nicht  vereinigen  lassen,  so  schliefst  er  für  sie  auf  eine  mittel- 
bare Benutzung  des  Marius  Max.  und  nennt  sie  das  Exzerpt  einer 
fremden  Bearbeitung  desselben:  'die  Abhängigkeit  dieser  Skribenten 
von  ihren  Vorlagen  könne  man  sich  gar  nicht  grols  genug  denken' 
(a.  a.  0.  S.  45).  Polemik  gehört  nicht  in  einen  'Bericht';  ich  begnüge 
mich  also  mit  der  Angabe,  dafs  Plew  in  dem  zweiten  Programm  den 
Standpunkt  des  ersten  behaupten  will,  und  denke,  ohne  das  Verdienstliche 
seiner  Behandlung  mancher  einzehien  Stellen  heruntersetzen  zu  wollen, 
durch  die  zweite  und  dritte  meiner  Untersuchungen  im  allgemeinen  die 
Unhaltbarkeit  desselben  dargethan  zu  haben.  Demgemäfs  mufs  ich  auch 
«las  Endergebnis  der  Anwendung  dieses  Grundsatzes  in  der  V.  Hadriani 
(n.  32)  ablehnen.  Er  bezeichnet  sie  als  das  Werk  'der  den  Marius 
Max.  sinnlos  zerschneidenden  Papierschere'  und  gesteht  nur  'wenige 
Schnitzel'  aus  einer  anderen  Vorlage  zu;  die  Verschiedenheit  der  Tendenz, 
welche  die  Nachrichten  des  Spartian  scheidet,  sei  schon  bei  Marius  Max. 
vorhanden  gewesen  (S.  53).  Gerichtet  ist  diese  Auseinandersetzung 
namentlich  gegen  Dürr,  der  ('Die  Reisen  IJadrians'  S.  73—88)  zwar 
ebenfalls  für  den  Reisebericht  eine  Mittelquelle  zwischen  der  kaiser- 
lichen Autobiographie  und  Spartian  eingeschoben,  aber  diese  als  ver- 
schieden von  dem  älteren  Biographen  angesehen  hatte,  der  nur  'subsidiär' 


Scriptoros  historiae.Augustae.  141 

aufserdem  herangezog-en  worden  sei.  Auch  hier  hat  Plew  mehrere 
scharfsinnige  Beiträge  für  die  Erklärung  geliefert  und  mit  Recht  Marius 
Max.  einen  gröfseren  Teil  der  Nachrichten  des  Spartian  zugesprochen, 
als  es  Dürr  wollte  (s.  Berlin,  phlilol.  Wochenschr.  1890  S.  850—854); 
weiter  jedoch  kann  ich  ihm  nicht  folgen  und  raufs  die  Kompilation  aus 
einer  (anonymen)  Bearbeitung  der  Autobiographie  des  Hadrian  und  aus 
Marius  Max.  dem  Spartian  selbst  zutrauen  (s.  m.  Untersuch.  S.  121 — 124); 
freilich  wird  dieser  darum  mit  der  Menge  von  Widersprüchen  und 
Wiederholungen  in  unserer  Würdigung  nicht  eben  sehr  steigen,  und  ich 
wundere  mich,  dafs  Plew,  wenn  er  in  dem  zweiten  Teil  seines  Pro- 
gramms (S.  20 — 29)  den  Marius  M.  gegen  TJnterschätzung  verteidigt, 
nicht  selbst  den  Widerspruch  bemerkt  hat,  in  den  er  dadurch  gerät, 
dafs  er  die  so  ungünstig  beurteilte  Biographie  der  h.  A.  für  Ausschnitte 
aus  jenem  hält.  ^) 

Endlich  hat  im  Zusammenhang  mit  der  Anordnung  in  den  übrigen 
Biographieeu  der  römischen  Litteratur  Schmidt  (n.  34)  die  der  h,  A. 
p.  46—65  zergliedert.  Das  dankbare  Thema  ist  mit  Fleifs  bearbeitet 
worden;  bei  der  Ausdehnung  des  Stoffes  ist  jedoch  auf  die  Eigentümlich- 
keiten der  nachsuetonischen  Biographie  nicht  genauer  eingegangen  woi'den, 
und  dafs  die  Abhängigkeit  der  h.  A.  von  der  Suetonischen  Schablone 
schon  Philol.  XLIII  S.  154—164  dargelegt  war,  hat  der  Verf.  über- 
sehen; eine  gründlichere  Bekanntschaft  mit  der  einschlägigen  Litteratur 
hätte  ihn  wohl  auch  davon  abgehalten,  p.  62 — 65  eine  neue  Ansicht 
über  die  Verfasser  der  Viten  vorzutragen.  Dagegen  verdient  die  Wider- 
legung der  Nissenschen  Ansicht,  dafs  das  sog.  Monumentum  Ancyranum 
für  Sueton  das  Muster  für  die  stoffliche  Einteilung  'per  species'  ge- 
wesen sei,  und  die  Feststellung  gewisser  Unterschiede  in  seinen  eigenen 
Biographieen,  die  durch  Tabellen  veranschaulicht  werden,  alle  Beachtung. 

m.    Die  Glaubwürdigkeit. 

Obgleich  über  die  eigene  schriftstellerische  Fähigkeit  der  Scriptt. 
schon  längst  ungünstig  abgeurteilt  worden  ist,  hatten  doch  im  allgemeinen 
die  in  ihnen  enthaltenen  Urkunden  als  ein   wertvolles  Archiv  gegolten 


•)  Dafs  Plew  S.  29  die  Beziehung  der  Inschriften  bei  Borghesi 
Oeuvr.  V  457  ff.  auf  eine  Person  nicht  bewiesen  sein  lassen  will,  ist  Hyper- 
kritik;  die  Übereinstimmung  in  den  Namen  und  in  der  Ämterfolge  ent- 
rückt sie  allem  Zweifel,  wie  Klebs  in  seiner  Recension  S.  1493  bemerkt 
hat,  der  auch  die  anderem  Ausführungen  Borghesis  in  Schutz  nimmt,  ab- 
gesehen davon,  dafs  nach  der  jetzt  vollständiger  vorliegenden  Inschrift  von 
Ardea  (C.  I.  L.  X  6764)  L.  Mar.  Max.  Perpetuus  Aurelianus  nicht  nach 
seinem  zweiten  Konsulat  das  Prokonsulat  von  Afrika  verwaltete,  sondern 
vor  ihm,  zwischen  217  und  222. 


142  Scriptores  liistoriae  Augustae. 

und  zugleich  die  Darstellung  gehalten  und  gestützt.  Dagegen  sind  bei 
den  meisten  Historikern  die  Zweifel  an  der  Glaubwürdigkeit  gewisser 
Nachrichten  in  demselben  Malse  gewachsen,  als  ihre  Kenntnis  einzelner 
Abschnitte  der  römischen  Kaisergeschichte  fortschritt,  und  nur  ver- 
einzelte, darunter  aber  sogar  Kritiker  wie  Waddington  und  Renan, 
haben  die  Echtheit  verteidigt.  Indes  bezogen  sich  jene  Bedenken  immer 
nur  auf  einzelne  Urkunden,  an  einer  allgemeinen  Prüfung  und  Sonderung 
fehlte  es  noch. 

Mit  ihr  hat  Wölfflin  (n.  38  S.  498—511  'die  Aktenstücke  des 
Trebellius  PoUio  und  des  Vopiscus')  den  Anfang  gemacht.  Er  teilt 
dieselben  in  zwei  Gruppen;  die  mit  talis  fuisse  dicitur  oder  fertur,  sie, 
ita,  huiusmodi,  auch  hic^)  eingefülirten  stellt  er  den  rhetorischen  Er- 
zeugnissen des  Sallust  und  Livius  gleich;  wo  sie  aber  ponere,  extare, 
inserere  vorausschicken  oder  gar  (Vopiscus)  exemplum  und  damit  den 
Anspruch  auf  archivalische  Forschung  erheben,  verfallen  sie  bei  ihm 
dem  'Vorwurf  des  Schwindels'.  Dann  entwickelt  er  die  Tendenz  dieser 
Aktenstücke,  namentlich  die  der  'ludicia  principum',  d.  h.  der  An- 
erkennung der  Tüchtigkeit  von  Privatleuten,  welche  später  den  Kaiser- 
purpur getragen  haben,  als  'post  festum  fabrizierter  Atteste",  ferner 
das  Streben  des  Vopiscus  ,^  seinen  Gönnern  zu  gefallen  und  die  Gröfse 
Roms  zu  heben,  und  weist  auch  in  der  Sprache  einer  Rede  des  Ballista 
(trig.  tyr.   12,  4 — 8)  die  Hand  dieses  Biographen  nach. 

In  weiterem  Umfange  habe  ich  (n.  29)  S.  153—231  das  Thema 
behandelt  und  für  alle  (130)  Aktenstücke  ein  Urteil  zu  gewinnen  ge- 
sucht. Da  über  die  Autorschaft  des  Trebellius  und  Vopiscus  kein 
Zweifel  für  diejenigen  bestand,  welche  nicht  mit  Dessau  und  Seeck  an 
eine  Fälschung  glauben,  und  die  Persönlichkeit  von  ihnen  sich  am 
schärfsten  ausprägt,  so  mufste  von  hier  die  Untersuchung  ausgehen,  die 
mir  durch  die  sprachlichen  Sammlunge)i  von  Klebs  und  Wölfflin  ganz 
wesentlich  erleichtert  wurde.  Die  Tendenz  also,  welche  überhaupt  die 
Darstellung  des  Trebellius  beherrscht,  den  römischen  Namen  und  den 
Kaiser  Claudius  als  den  Vorfahren  des  Constantius  zu  verherrlichen, 
kehrt  in  seineu  Urkunden  wieder,  ebenso  die  militärische  Nomenklatur 
(über  welche  wir  jetzt  durch  Mommsens  ausführliche  Abhandlung  'Das 
römische  Militärwesen  seit  Diocietian"  Herrn.  XXIV  S.  195—279  zuver- 
lässige Kenntnis  erhalten  haben)  und  zahlreiche  sprachliche  Eigen- 
tümlichkeiten. Für  Vopiscus  ist  die  durch  Klebs  und  Wölfflin  festge- 
stellte Abhängigkeit  von  Trebellius  verhängnisvoll:  wie  seine  geschichtliche 


')  Aur.  23,  2  <mvi  milites  —  exposcerent,  respondit  his:  '■Canem'  inguit, 
negauV  etc.  ist  übrigens  his  nicht  Ablativ,  wie  Wölfflin  S.  504  meint,  sondern 
Dativ. 


Scriptores  historiae  Augustae.  143 

Darstellung-,  so  tragen  auch  seine  Urkunden  durchaus  den  Charakter 
der  übertreibenden  Nachahmung;  hatte  jener  z.  B.  nur  unbestimmt  von 
einem  Brief  behauptet  (tyr.  10,  9)  quam  ego  repertam  in'  authenticis  in- 
serendam  putaui.  fuü  enim  publica,  so  nennt  dieser  eine  ganze  Reihe 
von  archivalischen  Fundstätten  und  will  ein  Senatusconsultum  in  der 
Ulpischen  Bibliothek  'in  armario  sexto'  gefunden  haben  (Tac.  8,  1), 
wobei  es  das  Geschick  so  gefügt  hat,  dafs  gerade  in  diesem  die  Spuren 
eigener  Erdichtung  recht  augenfällig  zu  Tage  treten.  Auch  den  Inhalt  hat 
Trebellius  nachweislich  beeinflufst,  und  die  Sprache  erstrebt  Nachbildung 
des  Cicero  in  der  Ei'zählung  und  in  den  Urkunden.  Historische  Irr- 
tümer bestätigen  die  Erdichtung,  besonders  wieder  in  den  militärischen 
Bezeichnungen,  ferner  ein  Vergleich  mehrerer  Urkunden  mit  der  sie  be- 
gleitenden Erzählung  und  eine  genauere  Behandlung  von  einzelneu 
derselben. 

An  das  Paar  Trebellius  und  Vopiscus  reilit  sich  Vulcacius  an, 
dessen  Urkunden  von  Czwalina  (in  einer  Bonner  Dissertation  v.  1870) 
und  von  Klebs  (n.  15)  schon  so  sorgfältig  geprüft  waren,  dafs  ich  mich 
mit  einem  Referat  begnügen  konnte;  indes  konnte  er  selbst  von  der 
Erdichtung  freigesprochen  werden,  auch  sind  die  Acclamationes  senatus 
(c.  13)  vielleicht  als  echt  zu  retten.  Für  die  Schriftstücke  in  der  Con- 
stantinischen  Reihe  des  Capitolinus  gewährte  der  Untersuchung  einen 
wichtigen  Anhalt  der  Umstand,  dafs  er  in  zwei  Viten  an  einer  und  derselben 
SteUe  der  geschichtlichen  Ereignisse  völlig  verschiedene  Fassungen  eines 
solchen  mitgeteilt  hat  (Max.  16  und  Gord.  11.,  Max.  18  und  Gord.  14), 
von  welchen  natürlich  nur  eine  echt  sein  kann.  Als  Gewährsmann  für 
einige  Urkunden  wird  der  alberne  Junius  Cordus  genannt,  andere  deuten 
auf  einen  von  ihm  zu  trennenden  Ursprung  hin;  jedoch  in  beiden  Gruppen 
stofsen  wir  auf  schwerwiegende  Verdachtsgründe,  sprachliche  und  sach- 
liche, und  so  wird  zu  vermuten  sein,  dafs  sich  nach  dem  Muster  des 
Cordus  unser  Capitolinus  selbst  in  solchem  Machwerk  versucht  hat. 
Ahnlich  steht  es  mit  des  Spartian  V.  Pescennii,  des  Capitolinus  Opilius 
und  des  Lampridius  Diadumenus,  welche  wegen  der  Mehrheit  der  Ver- 
fasser einzeln  besprochen  werden. 

Dagegen  konnte  für  die  Senatus  consulta  in  des  Lampridius  V. 
Commodi  und  V.  Alexandri,  von  denen  das  erstere  ausdrücklich  auf 
Marius  Maximus  zurückgeführt  wird,  den  einzigen  Urkunden  in  diesen 
Viten  (abgesehen  von  einer  nicht  als  solche  auftretenden  Rede  Alexanders 
tum  nie  —  ita  coepit  53,  5—54,  3)  die  Echtheit  in  Anspruch  genommen 
werden,  am  bestimmtesten  für  das  erstere  durch  den  Vergleich  mit 
einer  Beglückwünschung  der  Arvalbrüderschaft  aus  dem  Jahre  213, 
während  die  Senatsberichte  bei  Vopiscus  schon  durch  das  beobachtete 
Schema  auffallen;  denn  es  ward  in  ihnen  nach  dem  republikanischen 


144  Scriptores  historiae  Augustae. 

Geschäftsgang-  verhandelt.  Auch  die  zum  Schluis  noch  zusammen- 
gestellten Inschriften  und  Übersetzungen  griechischer  Verse  ins  Lateinische 
luulsten  sämtlich  verurteilt  werden. 

Die  Ergebnisse  dieser  Untersuchung  sind  im  einzelnen  nur  zum 
Teil  neu  —  Mommsen,  Czv^'alina,  Wulff lin,  Klebs  verdanke  ich  die 
Mehrzahl  — ,  aber  ich  meine  das  Verdienst  zu  haben ,  sie  zum  ersten 
Mal  zu  einem  Gesamtbilde  vereinigt  zu  haben ,  in  welchem  auch  das 
fremde  Eigentum  in  hellerem  Lichte  erscheint  und  überzeugender  wirkt, 
und  so  für  eingehendere  Prüfung  der  einzelnen  Urkunden,  wo  eine 
solche  für  nötig  befunden  wird,  eine  Grundlage  geschaffen  zu  haben. 

Wird  man  deshalb  die  Scriptt.  'Fälscher'  nennen  müssen?  (s.  Unters« 
S.  231 — 242.)  Nach  unseren  heutigen  Anschauungen  Trebellius  und 
Vopiscus  unzweifelhaft,  zumal  da  auch  ein  Teil  ihrer  Citate  keinen 
Glauben  verdient,  sie  z.  B.  das  Zeugnis  eines  'auns\  Vopiscus  auch  noch 
das  eines  Spater  erdichtet  haben,  um  nicht  gegen  Sueton  zurückzustehen 
(s.  ob.  S.  129).  Jedoch  zog  sich  bei  den  Alten  nicht  eine  gleich  scharfe 
Grenzlinie  zwischen  der  Fälschung  und  der  rhetorischen  Ausschmückung 
hin,  und  so  wird  man  ohne  andere  Gründe  dies  Verdammungsurteil  nicht 
oluie  weiteres  auf  die  einfache  Berichterstattung  übertragen  dürfen. 
Günstiger  wird  jedenfalls  das  Urteil  über  Capitolinus  zu  lauten  haben, 
der  nirgends  sich  für  seine  Einlagen  archivalischer  Herkunft  rühmt  und 
gewifs  nicht  über  die  nämliche  Seuatssitzung  zwei  verschiedene  Berichte 
und  von  der  gleichen  Rede  zwei  verschiedene  Fassungen  mitgeteilt  hätte, 
wenn  er  es  auf  Betrug  abgesehen  hätte.  Auch  der  von  ihm  oft  citierte 
Alius  Junius  Cordus,  den  Mommsen  aus  der  Reihe  der  wirklichen  Bio- 
graphen gestrichen  hatte  (8.  271  f.),  wird  wieder  herzustellen  sein.  Für 
die  gröisere  Glaubwürdigkeit  der  Erzählung  spricht  der  Vergleich  mit 
Herodian,  mit  Aurelius  Victor  und  Eutrop  und  mit  den  Juristen;  alle 
möglichen  Arten  der  Ungenauigkeit  und  Flüchtigkeit  mag  man  den 
Scriptt.,  dem  einen  mehr,  dem  anderen  minder,  nachsagen,  einer  ab- 
sichtlichen Fälschung  der  Thatsachen  aber  werden  sie  nicht  beschuldigt 
werden  können,  ausgenommen  solche  Spielereien,  wie  die  Verknüpfung 
der  Abstammung  des  Constantius  mit  dem  Gotenbesieger  Claudius. 

lY.    Der  Sprachgebrauch. 

Die  Beschäftigung  mit  dem  Sprachgebrauch  der  h.  A.  war  ins 
Stocken  geraten,  nachdem  die  in  zwei  Königsberger  Dissertationen  (1869) 
unternommenen  Versuche,  durch  Beobachtungen  über  die  Verschieden- 
heit der  Sprache  das  Eigentum  der  Scriptt.  zu  bestimmen,  nicht  zu 
einem  Resultat  geführt  hatten.  Es  waren  mehrere  Besonderheiten  be- 
merkt worden,  aber  sie  verschwanden  vor  dem  Eindruck,  den  die  Über- 


Scriptores  historiae  Augustae.  145 

einstimmung  in  Sprache  und  Stil  hervorrief,  und  so  konnte  einerseits 
Plew  (Neue  phil.  Eundsch.  1890  S.  180)  meinen,  dafs  es  wohl  für 
immer  aufzugeben  sei,  auf  diesem  Gebiet  sichere  Kiiterien  für  die 
Verteilung  der  Viten  unter  die  Verfasser  zu  gewinnen;  andererseits  hat 
Dessau  (S.  386  ff.,  s.  auch  Seeck  S.  611)  eben  diese  Einheitlichkeit 
benutzt,  um  die  Abfassung  aller  durch  einen  Fälscher  zu  begründen. 
Darüber  sind  wir  aber  duixh  Wölfflin  (n.  38)  und  Klebs  (n.  17  und 
18)  eines  Besseren  belehrt  worden.  Beide  haben  den  erfolgreichen  Weg 
eingeschlagen,  dals  sie  mit  Trebellius  und  Vopiscus  aus  eben  demselben 
Grunde,  wie  ich  bei  der  Behandlung  der  Einlagen  (s.  ob.  S.  141),  an- 
fingen und  zunächst  hier  das  wirkliche  Vorhandensein  bestimmter  Eigen- 
heiten feststellten,  und  da  sie  über  eine  gleich  scharfe  sprachliche  Beob- 
achtungsgabe verfügen,  so  sind  sie  auch  zu  einem  im  wesentlichen  sich 
deckenden  Ergebnis  gelangt. 

Die  Abbandlungen  von  Cotta  (n.  31)  und  Lessing  (n.  19)  fallen 
noch    in  die  Zeit  ror  dieser  Erkenntnis.    Die  erstere  besteht  aus  zwei 
Teilen,   von   denen  sich  der  zweite  auch  auf  die  Frage  nach  den  Ver- 
fassern einläfsi  (p.  60  —  81),   die  er  nach  der  Zeit  der  Entstehung  und 
nach  den  Quellen  und  der  Art  ihrer  Benutzung  zu  beantworten  sucht; 
ihm  zufolge  soll  Spartian   unter  Diocletian  alle  Viten  von  Hadrian  bis 
Opilius  Macrinus  aufser  denen  des  Avidius,  Clodius  und  Geta  geschrieben 
haben,    Vulcacius   zu  gleicher  Zeit  die  des  Avidius,    Capitolinus  unter 
Constantin  die  des  Clodius,   der  Maximine,  Gordiane  und  des  Maximus 
und  Balbinus,    Lampridius   die  des  Geta,   Diadumenus,   Heliogabal  und 
Alexander,  und  zwar  Spartian  die  des  Alius,  Pescennius  und  Macrinus 
nach   zwei  Quellen,    von   denen  die  eine  wahrscheinlich  Junius  Cordus, 
die  andere  nicht  Marius  Maximus  war,  die  übrigen  mit  Ausnahme  von 
zwei  SteUen  allein  nach  dem  letzteren,  Vulcacius  die  seinige  nach  eben- 
demselben,  Lampridius  jede  Vita  nach  je  einer  Quelle,  Geta  und  Dia- 
dumenus nach  Cordus,    Heliogabal  nach  Marius  Max.,    Alexander  nach 
Acholius,   Capitolinus  nach  mehi'ereu,   besonders  Cordus  und  Herodian, 
auTserdem  Marius  Max.,  Alius  Sabinus,  Curius  Fortunatianus,  Vulcacius 
Terentianus  und  Dexippos.    Indes  hält  sich  die  Beweisführung  hier  auf 
der  Oberfläche  und  dreht  sich  im  Kreise  heram;  gründlicher  und  sorg- 
fältiger ist  der  erste  Teil  geai'beitet,  der  in  di'ei  Abschnitten  die  Ad- 
verbien, Präpositionen  und  Konjunktionen  bespricht  und  zahlreiche  falsche 
Angaben  seiner  Vorgänger  über  das  Vorkommen  gewisser  "Wörter  und 
Konstruktionen  bei  den  einzelnen  Scriptt.  korrigiert.    Erschöpft  hat  er 
freilich  den  Gegenstand  noch  nicht,  obwohl  Wölfflin  (S.  469)  etwas  zu 
hart  urteilt;    ein  Vergleich  mit  der  Schrift  von  Kraufs,    der  ein  Jahr 
voi'her  die  Präpositionen  in  der  h.  A.  behandelt  hat  (s.  Philol.  Anz.  1883 
Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.    LXXVII.  Bd.  (1893.  II.)       10 


■[46  Scriptores  liistoriac  Augustae. 

S.  78  ff.),  aber  Cotta  unbekannt  geblieben  ist,  zeigt  einen  bedeutenden 
Fortschritt. 

Lessing  beweist  in  dem  ersten  Kapitel  seines  als  tüchtig  aner- 
kannten Progi-anims  an  einzelnen  Stellen,  wie  notwendig  für  die  Kritik 
eine  genaue  Durchforschung  des  Sprachgebrauchs  sei ;  quin  habe  Madvig 
Clod.  1,  2  unrichtig  eingesetzt,  weil  die  h.  A.  diese  Konjunktion  mit 
dem  Konjunktiv  ebenso  wenig  kenne  wie  quominus:  der  feinere  Unter- 
schied zwischen  den  Pronominibus  aliquis,  quidam,  quisquam,  quispiam, 
zwischen  dem  Demonstrativum  und  Determinativura  sei  in  der  h.  A. 
schon  verwischt,  magnus  werde  schon  durch  nimius  und  ingens  (noch 
nicht  grandis)  verdrängt,  und  auch  sonst  zeige  sich  ein  Wechsel  in  der 
Walü  von  'KonkuiTenzwörtern'-,  die  afrikanische  Latinität  sei  nicht  ohne 
Einflufs  geblieben  u.  a.  Den  gröl'sten  Raum  nimmt  seine  Darstellung  der 
Kasussyntax  S.  13 — 34  ein,  in  welcher  namentlich  auf  das  Schwanken 
zwischen  dem  Streben  nach  Korrektheit  und  dem  Eindringen  des  Vulgär- 
lateins aufmerksam  gemacht  wird;  Nachträge  hat  Klebs  n.  18  S.  37  ge- 
liefert, derselbe  auch  S.  25  seine  Bedenken  gegen  die  'afrikanische  La- 
tinität' energisch  geäufsert;  zu  Vorsicht  hatte  schon  Wölfflin  in  seinem 
Archiv  VI  S.  302  gewarnt,  obwohl  er  sie  nicht  ableugnet.  Ich  würde 
mich  auf  die  Annahme  eines  gewissen  'Tumor'  beschränken,  der  aber 
nicht  den  Afrikanern  allein  eigen  ist  und  sich  in  der  h.  A.  aus  der 
rhetorischen  Nachahmung  Ciceros  entwickelt  hat. 

Von  Klebs  gehört  hierher  aufser  einigen  später  (n.  18  S.  537—540) 
vervollständigten  Bemerkungen  über  die  Nachahmung  des  Sallust  in  der 
h.  A.  n.  15  S.  330  f.  besonders  n.  18  S.  15—30.  34—52.  515—536. 
Die  Verwandtschaft  aller  sechs  Scriptt.  wird  zunächst  aus  der  im  Alter- 
tum allgemein  üblichen  Anlehnung  an  gewisse  Vorbilder  in  Sprache  und 
Stil  entwickelt,  in  unserem  Fall  an  Sueton,  von  welchem  viele  "Wen- 
dungen und  Ausdrücke  in  der  h.  A.  wiederkehren,  wahrscheinlich  auch 
an  Marius  Maximus;  dann  aber  werden  die  mit  scharfem  Blick  erkannten 
Besonderheiten  der  einzelnen  Verfasser  durchgegangen.  Vopiscus  er- 
öffnet die  Reihe:  die  Abhängigkeit  von  Cicero  bis  auf  ganze  Perioden 
ist  hier  zum  ersten  Mal  zu  klarer  Anschauung  gebracht.  'Auf  Grund 
eigener  Wahrnehmung  und  Feststellung',  welche  die  sorgfältigsten  Studien 
verrät,  werden  darauf  Eigentümlichkeiten  in  seiner  Sprache  und  seinem 
Stil  aufgezählt  und  diesen  mehrere  der  übrigen  Scriptt.,  die  man  bei 
ihm  vermifst,  entgegengestellt,  sodal's  sich  die  Persönlichkeit  des  Vopiscus 
deutlich  aus  der  Sammlung  heraushebt.  Dasselbe  läfst  sich  von  Trebellius 
sagen,  zu  dessen  Charakteristik  neben  seiner  politischen  Tendenz  auch 
das  Sprachliche  manche  Beiträge  liefert  (S.  515—517),  nicht  aber  von 
den  ersten  vier  Scriptt.:  denn  da  diese  die  nämlichen  Quellen  benutzt 
hätten,  'könne  von  einer  ausgeprägten  Eigenart  hier  nicht  die  Rede  sein' 


Scriptores  historiae  Augustao.  J47 

(S.  520).  Gleichwohl  versucht  es  Klebs,  wenig-stens  einzelne  Eigenheiten 
bei  ihnen  nachzuweisen  (s.  ob.  S.  130),  zunächst  bei  dem  formlosesten 
unter  ihnen,  welcher  daher  auch  keinen  eigenen  Stil  schreibe,  bei  Spartian; 
eine  geringere  Zahl  hat  er  bei  Capitolinus  gefunden,  eine  gröfsere  bei 
Capitolinus,  wenigstens  einige  in  der  einzigen  Vita  des  Vulcacius. 

Wölfflin  (n.  38),  dessen  Abhandlung  zwischen  dem  ersten  und 
zweiten  Teil  der  letzten  von  Klebs  erschienen  ist,  ist  es  nicht  darauf 
angekommen,  das  ganze  Material  zum  Nachweis  der  Mehrheit  der  Vei-- 
fasser  zu  erschöpfen;  er  verfügt  über  dasselbe,  wie  die  für  die  Nach- 
ahmung des  Trebellius  durch  Vopiscus  höchst  lehrreiche  Zusammen- 
stellung in  der  Beilage  'Aus  der  Phraseologie  des  Treb.  Pollio  und  des 
Vop.'  (S.  529 — 537)  beweist;  in  der  Abhandlung  selbst  aber  (1.  'Die 
Sprache  der  Scr.  h.  A.  S.  469—479.  2.  'Treb.  P.'  S.  480  -  492.  3.  'Vop> 
S.  492—498)  hat  er  sich  nach  Ablehnung  der  sprachlichen  Beobach- 
tungen Dessaus  (S.  477  ff.)  mit  einigen  charakteristischen  Beispielen  be- 
gnügt, nachdem  er  vorher,  wie  Klebs,  die  Bedeutung  der  Nachahmung 
des  Sueton  und  Marius  Max.  zur  Erklärung  der  allgemeinen  Gleich- 
artigkeit der  Sprache  erörtert  hatte.  Auch  sein  Schluisergebnis  geht 
dahin,  'dals  die  sechs  Schriftsteller  nicht  nur  unmöglich  in  eine  Persön- 
lichkeit zusammengefafst  werden  können,  sondern  auch,  dafs  sie  nicht 
von  gleichem  Werte  sind".  Dagegen  trennt  ihn  von  Klebs  erstens  die 
Annahme  einer  Schlufsredaktion  durch  Vopiscus,  der  die  Sammlung  auch 
dui'ch  mehrere  eigene  Viten  ergänzt  habe,  und  zweitens  die  Auffassung 
der  Sprache  als  Umgangssprache,  in  der  auch  bereits  die  Symptome  der 
romanischen  Auflösung  hervorträten.  Gegen  beide  Ansichten  hat  sich 
Klebs  in  einem  Anhang  zu  seinem  letzten  Aufsatz  mit  grofser  Ent- 
schiedenheit ausgesprochen  (S.  540—542.  546—548),  gegen  die  erste 
gewils  mit  Recht;  weniger  kann  ich  ihm  bei  der  zweiten  Meinungsver- 
schiedenheit beipflichten.  Die  Stelle  Heliog.  31,  7,  welche  mehrfach  als 
Beispiel  das  Eindringen  von  ad  c.  acc.  für  den  Ablativus  Instrumentalis 
angeführt  worden  ist  (rasit  et  uirilia  suhactoribus  ad  nouaclum  manu 
sua) ,  bezeichnet  er  selbst  (S.  532)  als  'höchst  auffällig  und  fehlerhaft', 
erklärt  es  aber  dadurch,  'dafs  Lampridius  weder  nouacula  et  manu  noch 
nouacula  manu  schreiben  wollte  und  sich  nicht  die  Mühe  'einer  kleinen 
Umschreibung  nahm'.  Indes  der  gleiche  Fall  liegt  Hadr.26,  1  ßexo  ad  pec- 
tinem  capillo  vor.  Es  ist  Klebs  einzuräumen,  dafs  sich  die  als  Spuren  der 
romanischen  Auflösung  bezeichnete  Abundanz  der  Präposition  bei  älteren 
Schriftstellern,  sogar  bei  Cicero  hier  und  da  findet;  ich  will  also  auf  verein- 
zelte Stellen  wie  cohjmbos  —  cum  piscihus  inpleuit  (Heliog.  23,  7),  pallia  de 
oenanfhio  fudisse  (Heliog.  23,  1),  notum  sibi  in  militia  (Hadr.  17,  6), 
potentisshnum  regem  tarn  in  re  quam  nomine  (Alex.  56,  7)  keinen  grol'sen 
Wert   legen;    aber   die  Unsicherheit   im  Gebrauch   der  Casus  und  der 

10* 


J48  Scriptores  historiae  Augustae. 

Präpositionen  ist  in  der  h.  A.  allgemein.  Daher  werden  die  letzteren  zu 
den  Städtenamen  oft  ebenso  unnötig  hinzugefügt,  wie  bei  den  Ländernamen 
weggelassen  (so  z.  B.  auch  im  bell.  Hispan.),  und  da  das  m  am  Schlufs 
eines  Wortes  nicht  deutlich  gesprochen  und  gehört  wurde,  so  ist  mit  in 
zunächst  der  Singular  falsch  konstruiert  worden,  dann  aber  auch  der 
Plural.  Flüchtigkeit  und  Unwissenheit  der  Abschreiber  mögen  diese  Ver- 
wiiTung  in  der  h.  A.  vergrölsert  haben,  aber  allein  verschuldet  haben 
sie  sie  nicht:  dies  hat  sich  mir  aus  einer  Vergleichung  mit  Ciceronischen 
Schi'iften,  welche  uns  in  Handschriften  des  9.  und  10.  Jahrhunderts, 
also  solchen,  welche  den  malsgebenden  der  h.  A.  gleichalterig  sind,  er- 
geben. Auch  andere  Eigenheiten  des  Übergangs  zum  Romanischen  lassen 
sich  in  grölserer  Zahl  beibringen,  namentlich  die  volleren  Formen,  z.  B. 
ipse  und  idem  für  is,  abgeleitete  Verba  für  die  einfachen  (despotisare 
u.  ä.),  Komposita  {aduiuere,  comedere,  addiscere,  condiscere  u.  s.  w.)  für 
das  Simplex,  der  Konjunktiv  Plusquamperfecti  für  das  Imperfectum. 
Von  vielen  anderen  hebe  ich  nur  noch  eine  hervor:  bekannt  ist  das 
Überhandnehmen  des  hie  für  is,  und  wenn  z.  B.  ob  hoc  oder  das  zeit- 
liche inter  haec  (für  interim  oder  interea),  von  welchen  Verbindungen 
die  erstere  Klebs  n.  18  S.  49  bei  den  übrigen  Scriptt.  24  mal,  die  an- 
dere 15 mal  gezählt  hat,  Vopiscus  überhaupt  gemieden  hat,  so  stimmt 
dies  zu  der  bei  diesem  auch  sonst  hervortretenden  strengeren  Beobach- 
tung der  Schriftsprache  und  bestätigt,  dafs  die  anderen  weniger  den 
Einfluls  der  gesprochenen  Sprache  haben  abwehren  können.  Klebs  ge- 
bührt das  Verdienst,  die  uninchtige  Vorstellung  über  den  Bildungsstand 
der  Scriptt.,  welchen  Bemhardy  mit  seinem  Urteil  'opifices  de  plebe' 
verschuldet  hatte,  gi'ündlich  zerstört  zu  haben,  aber  wir  würden  wieder 
auf  einen  falschen  Weg  geraten,  wenn  wir  ihre  Sprache,  weil  sie  schul- 
gemäl's  haben  schreiben  wollen,  danach  korrigierten  und  alle  Reste 
des  Vulgarismus  beseitigten  oder  auch  nur  eine  gewisse  Gleichmäfsigkeit 
der  Grammatik  herstellten. 

V.    Die  Überlieferung  bis  zum  XVI.  Jahrhundert, 

Für  die  handschriftliche  Grundlage  ist  von  Bedeutung,  dafs 
Mommsen  (n.  21  S.  281—288)  die  vor  Jahren  gelegentlich  im  Litte- 
rarischen Ceutralblatt  von  einem  Anonymus  hingeworfene  Bemerkung, 
dai'sB(ambergen8i8)  ausP(alatinus)  abgeschrieben  sei,  wieder  aufgenommen 
und  zu  begründen  versucht  hat.  Ich  will  dem  Umstand  weniger  Wert 
beimessen,  dals  nach  der  allgemeinen,  auch  von  Mommsen  nicht  bean- 
standeten Schätzung  B  aus  dem  9.  Jahrhundert  stammt  und  auch  die 
'sachkundigen  Freunde'  Mommsens  P  'nicht  jünger  als  das  10.  Jahr- 
hundert erachten'  (8.  281),  also  ilin  nicht  entschieden  in  das  neunte  zu 


Scriptores  historiae  Augustae,  149 

schieben  wagen.  ^)  Den  Ausschlag  mufs  der  Vergleich  der  Lesarten  geben. 
Hier  ist  freilich  ein  sicheres  Urteil  durch  die  zahlreichen  Korrekturen 
in  P  sehr  erschwert.  Auch  Mommsens  Korrespondent,  Dr.  Bethe,  er- 
kennt in  diesen,  wie  ich  (praef.  m.  Ausg.  p.  VII)  drei  Hände  an,  'welche 
übrigens  wohl  nicht  allein  in  der  Handschr.  später  herumkorrigiert  haben' 
('manus  tres  quattuorue  emendatrices'  hatte  ich  geschrieben),  die  des 
Schreibers  des  Textes  und  zwei  durch  grünliche  Tinte  wohl  von  dieser, 
aber  untereinander  schwer  unterscheidbare  Hände;  während  ich  aber 
viele  Korrekturen  der  helleren  Tinte  wegen  der  zweiten  Hand  zugewiesen 
hatte,  nimmt  sie  Bethe  zuversichtlich  für  die  erste  in  Anspruch,  und  so 
kann  Mommsen  sagen,  dal's  'der  Schreiber  von  B  durchgängig  den  von 
erster  Hand  emendierten  Text  wiedergegeben  hat'. 

Indes  läfst  sich  selbst  ohne  nochmalige  Einsicht  der  Hdschr.  be- 
haupten, dafs  eine  ältere  Hand  eine  von  dem  Archetypus  verschiedene 
herangezogen  hat;  denn  wenn  in  P  Pesc.  2,  6  miserat,  [quasi  imperat]or 
tantus  a  centurione  posset  occidi  die  eingeklammerten  Buchstaben,  die 
wegen  des  Homoioteleuton  leicht  übersprungen  werden  konnten,  später 
eingefügt  sind  (in  B  fehlen  sie  überhaupt),  so  wird  durch  die  Lesart  in  dem 
nicht  von  dem  Archetypus  des  P  abstammenden  R(egius)  miserat  korta- 
tus  a  centurione  erwiesen,  dafs  nicht  erst  das  Auge  des  Schreibers  von 
P  abgeirrt  ist ;  auch  die  Zeile  Carac.  8,  3  eumque  —  successisse,  die  erst 
von  P-  herrührt,  fehlt  (wie  in  B  so)  in  B  und  kann  also  nicht  in  dem 
Archetypus  gestanden  haben.  Daneben  aber  ist  P  ebenso  an  zahllosen 
Stelleu  später  verbessert  worden,  wo  in  B  von  Anfang  an  das  Richtige 
zu  lesen  war,  wie  umgekehrt,  und  so  darf  es  nicht  wunder  nehmen,  dafs 
bei  der  Menge  der  Änderungen  schliefslich  beide  Handschriften  selten  und 
nur  in  unwichtigen  Dingen  voneinander  abweichen.  B  heilt  allein  keine 
einzige  schwere  Verderbnis,  aber  auch  nicht  P.  Vielleicht  hat  sogar  ß 
selbst  oder  eine  Tochterhandschrift  einem  Korrektor  von  P  vorgelegen. 
Car.  8,  6  war  nämlich  in  P  zuerst  geschrieben  worden  (tonitruum)  quo 
contra  (territa  erant),  dies  ist  aber  dann  korrigiert  worden  in  quo  cuncta, 
wie  B  liest;  cuncta  rührt  jedoch  nicht  aus  dem  Archetypus  her;  denn 
eine  Pariser  Handschrift,  welche  trotz  ihrer  Jugend  für  die  Textesge- 
staltnng  von  Gewicht  ist,  weil  sie  auf  eine  von  B  und  P  unabhängige,  ihrem 
Archetypus  gleichwertige  Hdschr.  zurückgeht  und  z.  B.  auch  die  obi- 
gen Ergänzungen  bietet  (ich  nenne  sie  L),  hat  ebenfalls  contra  und  eine 
andere  Pariser,  welche  der  schlechten  Überlieferung  angehört,  circa. 

Unter  solchen  Umständen  wird  bei  der  Bestimmung  des  Verhält- 
nisses von  B  zu  P  von  allen  Stellen,  an  welchen  hier  oder  dort  herum- 
korrigiert worden  ist,  abgesehen  werden  müssen.    Dagegen  sind  von  Be- 


^)  'saec.  IX  vel  X'  bei  Stevenson  Catal.  Pal.  lat.  bibl.  Vatic.  I  p.  320. 


150  ,  Scriptores  historiae  Augustae. 

dewtung  einige  unangetastete  Verschiedenheiten  in  der  Wortfolge.  Max. 
et  Balb.  17,  2  schreibt  P  mit  L  generis  humani,  B  mit  ß  hmnani  ge- 
neris,  Gall.  20,  2  P  ponam  tarnen,  B  mit  L  und  R  tarnen  ponam,  Prob. 
12,  5  P  priuatus  cepit,  B  mit  L  und  R  c(o)epit  priuatus.  Sodann  wird 
Hadi".  5,  1  intendit  in  B  gegenüber  hnpeyuHt  in  P  gestützt  durch  einen 
V(aticauus)  und  L,  trig.  tyr.  31,  9  ist  in  B  (auch  in  R  und  Admont.) 
das  richtige  memor  erhalten,  in  P  (und  L)  in  tneror  verderbt,  32,  1 
steht  in  B  (und  R)  richtig  ut  Uli  dicunt,  in  P  (und  L)  falsch  ut  alii 
dicunt;  Claud.  13,  7  qvaereyis  richtig  in  B,  quae  res  falsch  in  PLR. 
Com.  5,  4  liegt  tiieptusque  in  B  dem  richtigen  ui  pretüsque  näher  als 
nuptiisque  in  P  (oder  nuptusque  L),  Max.  8,  4  siiit  in  B  dem  richtigen 
siuit  näher  als  fuit  in  P  und  L,  24,  3  fectis  in  B  dem  refectis  näher 
als  fecistis  in  P  und  L,  Opil.  4,  1  und  Max.  4,  6  imperatore  in  B  dem 
imperare  näher  als  imperatorem  in  P  und  L. 

Diese  Aufzählung  ist  nicht  vollständig,  doch  räume  ich  ein,  dafs 
auch  eine  solche  nicht  eine  erdrückende  Menge  beibringen  würde,  denke 
aber,  dafs  sich  die  geringe  Zahl  aus  der  gegenseitigen  Vergleichung  und 
Korrektur  erklärt  und  die  Abweichungen  von  B,  namentlich  die  in  der 
Wortfolge,  welche  durch  eine  andere  Handschriftenfamilie  bestätigt 
werden,  die  Selbständigkeit  von  B  erweisen.  Diese  Handschrift  wird 
also  auch  künftig  in  dem  kritischen  Apparat  als  die  Zwillingsschwester 
von  P  ihren  Platz  behaupten  müssen. 

Die  Aufgabe  weitereu  Suchens  wird  sein,  Handschriften  ausfindig 
zu  machen,  welche  möglichst  frei  von  den  im  Laufe  der  Zeit  eindrin- 
genden Fehlern  uns  ermöglichen,  den  Bruder  des  Archetypus  von  B 
und  P  zu  konstruieren  und  so  in  der  Textesgestaltung  noch  eine  Stufe 
weiter  hinaufzusteigen.  Oberdick  (Ztschr.  f.  die  österr.  Gymn.  1865 
S.  732  ff.)  hat  deshalb  die  jüngere  Handschriftenfamilie  (1),  von  welcher 
uns  ein  Vertreter  (R)  durch  Casaubonus  einigermafsen  bekannt  war, 
herangezogen  wissen  wollen,  und  Petschenig  (n.  30)  ist  durch  die 
Kollation  einer  Admonter  Handschrift  aus  dem  Jahre  1439  ebenfalls  auf 
diese  Ansicht  gekommen.  Er  gesteht  zwar  B  und  P  die  mafsgebende 
Autorität  bei  der  Gestaltung  des  Textes  zu  und  will  sich  mit  ihnen  be- 
gnügen, wo  sie  unzweifelhaft  das  Richtige  bieten.  Aber,  fügt  er  liinzu, 
'wo  B  und  P  differierende,  aber  an  sich  gleich  gute  Lesarten  haben 
(was  oft  der  Fall  ist),  treten  die  jüngeren  entscheidend  ein.  An  allen 
in  B  P  korrupt  überlieferten  Stellen  sind  die  übrigen  Handschriften  zu 
befragen.  Erst  dann,  wenn  sich  aus  den  letzteren  das  Richtige  nicht 
gewinnen  läfst,  tritt  die  Emendation  in  ihre  Rechte'  (S.  9). 

Ich  leugne  nicht,  dafs  an  einzelnen  Stellen  die  Handschriften 
der  schlechteren  Klasse  dasjenige  schon  bieten,  was  die  Ausgaben  als 
Konjekturen   neuerer  Gelehrten  anführen.    Aber   —  ich  darf  von  einer 


Scriptores  hiatoriae  Augustae,  151 

vollständig  verglichenen  Pariser  Handschr.  (R)  auf  die  früher  in  Italien 
eingesehenen  (praef.  m.  Ausg.  p.  XXIII — XXVI)  schliei'sen  —  ankeiner 
einzigen  der  in  B  und  P  schwerer  verderbten  Stellen  bieten  sie 
die  Heilung  oder  die  Andeutung  einer  solchen,  efferebant  fladr.  5,  2 
(statt  afferehant  in  B  P  und  anderen  Hdschrr.),  dicebat  5,  3  (statt  dice- 
bant  BP),  in  foro  diul  trayani  7,  6  (st.  Hadriani  BP),  texerit  17,  9 
(st.  texeret  BP'),  cuntos  19,  7  (d.  h.  cundos  ß;  centum  P  corr.,  conto 
B),  nimie  multam  21,  9  (st.  nimie  B,  nimiam  P  und  andere  Hdschr.), 
Sed  mortuo  24,  1  (st.  et  m.  BP  und  andere  Hdschrr.),  dies  ist  (aufser 
sibi  delatum  6,  4)  die  einzige  Ausbeute,  welche  für  die  V.  Hadiiani 
Petschenig  aus  seiner  Admonter  Hdschr.,  die  an  den  angeführten  Stellen 
bis  auf  eine  durchweg  mit  R  übereinstimmt,  zuteil  geworden  ist.  Und 
nun  halte  man  daneben  die  bodenlose  Verderbnis,  die  teils  aus  Lieder- 
lichkeit, teils  aus  systematischer  Willkür  durch  Interpolation,  Weglassung 
und  Umstellung  entsprungen  ist.  Die  Kollation  des  R  für  die  V.  Ha- 
driani in  meiner  Ausgabe  praef.  p.  XXXVII — XLI  gewährt  einen  Ge- 
samtüberblick; aus  den  übrigen  Viten  greife  ich  noch  einige  Proben  heraus 
(praef.  p.  XXV j:  Auid.  3,  7  petentes  eos  für  per  ordinem  paraeneseos;  14,  8 
fiUos  qui  für  phüosophi,  Heliog.  6,  3  cretani  in  etruria  f.  certamine  cu- 
ruli,  Prob.  22,  2  quem  inuenio  f.  quinquetinio,  Sat.  8,  6  calices  tibi  albos 
fortes  diuersi  coloris  f.  calices  tibi  allassoyites  uersicolores,  Car.  8,  5  cir- 
cumstantium  f.  corruscaiionum.  Der  Schreiber  des  Archetypus  dieser 
Klasse  hat  sich  um  den  Sinn  gar  nicht  bekümmert,  es  allein  auf  latei- 
nische Worte  abgesehen  und  verstümmelte  Stellen  in  der  aberwitzigsten 
Weise  zurechtgemacht;  z.  B.  lesen  B  und  P  Aur.  4,  7  ut  haberet  in  la- 
tere  uno  auetr,  in  alio  coronam;  sehr  fein  hat  Kellerbauer  aus  auetr  das 
hier  unbedingt  notwendige  'aue  imperator"  herausgefunden;  in  ß  und  A 
aber  steht  ut  haberet  in  latere  a  uentriculo  coronam!  Die  Editio  princeps, 
deren  Lesarten  ich,  um  zwischen  ß  und  P  in  zweifelhaften  Fällen  zu 
entscheiden,  in  meinen  Apparat  aufgenommen  habe,  ist  nur  ein  Not- 
behelf und  wird  hoffentlich  noch  einmal  durch  eine  bessere  Autorität  er- 
setzt werden;  Handschriften  von  der  Klasse  R  und  A  aber  würden  die 
Übersichtlichkeit  des  Apparates  stark  beeinträchtigen  und  für  ihre  ver- 
einzelten guten  Lesarten  nur  den  Wert  von  glücklichen  Treffern  im 
Raten  beanspruchen  können  (s.  praef.  1.  s.  und  Philol.  Anz.  XVI 
S.  415  f.). 

Die  Verderbnis  der  Überlieferung  der  h.  A.  im  allgemeinen  will 
Suster  (n.  37)  dadurch  charakterisieren,  dafs  er  neben  die  Rede  des 
Maecius  Faltonius  (so  B  P,  s.  Dessau  n.  4  S.  352  f.)  Nicomachus  iu 
des  Vopiscus  V.  Tac.  6  eine  abweichende  Version  'Metii  Vocouif  stellt, 
die  er  in  zwei  Handschriften  der  Panegyriker  aus  dem  15.  Jahrhundert 
(einem  Riccardianus  619   und  einem  Ottobonianus  1303)  gefunden  und 


]52  Scriptores  historiae  Augustae. 

schon  vor  ihm  Schwarz  im  Jahre  1721  aus  einer  Hdschr.  ('nunc  Caro- 
liruhensi  nel  Durlacensi')  herausgegeben  hatte,  indem  er  sie  für  das  Ori- 
ginal, die  bei  Vopiscus  für  eine  erweiterte  Verschlechterung  erklärte. 
Diese  Ansicht  bekämpft  Suster  mit  Recht,  denn  auch  die  Rede  des  'Vo- 
conius'  ist  durch  mehrere  sprachliche  Unmöglichkeiten  entstellt;  was  er 
aber,  um  ihre  Selbständigkeit  zu  retten,  beibringt,  bedeutet  auch  nicht 
viel.  Die  Kürzungen  sind  meist  Verbesserungen,  die  aber  durch  Ab- 
schneiden einzelner  rhetorischer  Auswüchse  nicht  schwer  fallen  konnten, 
und  die  Zusätze  und  kleinen  Änderungen  lagen  auch  sehr  nahe.  Exzerpte 
aus  der  h.  A.  sind  mehrfach  angefertigt  worden. 

Der  andere  Aufsatz  des  italienischen  Gelehrten  (n.  36)  will  einen 
Brief  des  Plavio  Biondo  aus  dem  Jahre  1443  für  die  Greschichte  der 
Überlieferung  nutzbar  machen,  legt  indes  dem  rhetorischen  Ergufs  zu 
grofsen  Wert  bei.  Biondo  läfst  den  Vulcacius  und  einzelne  Viten  der 
anderen  Verfasser  ganz  weg  und  nennt  den  Vopiscus  'Flauius  Eutripius', 
und  so  beruhen  ohne  Zweifel  auch  seine,  übrigens  wenigen  Abweichungen 
von  der  handschriftlichen  Verteilung  an  die  Verfasser  auf  einem  Ge- 
dächtnisfehler: nur  dafs  er  die  V.  Alexandri  dem  Spartian  zuweist,  wird 
auf  Rechnung  der  Hdschrr.  zu  setzen  sein,  da  die  schlechtere  Klasse  es 
ebenfalls  thut. 

Nachtrag. 

Fr.  Rühl  verdanke  ich  die  Mitteilung  (Berlin,  philol.  Wochenschr. 
1893  S.  56),  dals  Pierre  de  Nolhac  in  seinem  Buche  Petrarque  et 
rhumanisme  d'apres  un  essai  de  restitution  de  sa  bibliotheque 
(Paris  1892)  sich  auch  mit  der  handschriftlichen  Überlieferung  der  bist. 
Aug.  beschäftigt  hat.  Von  den  Handschriften  nämlich,  welche  sich  nach 
einem  alten  Katalog  im  Jahre  1426  zu  Pavia  befunden  und  vorher 
Petrarca  gehört  haben,  ist  mit  einem  grofsen  Teil  der  übrigen  auch  eine 
der  h.  A.  nach  Paris  in  die  Nationalbibliothek  gekommen  und  trägt  dort 
die  Nummer  5816.  Über  ihren  Schreiber  und  die  Zeit  der  Entstehung 
giebt  die  Subscriptio  genaue  Auskunft:  ^Scriptus  fuit  sub  millesimo 
CCC^  LVI  de  Mense  febr.  Et  scripsit  cum  fratev  Johannes  de  Cam- 
pagnola  Reginensis  dioc(esis).  Deo  gratias.  Amen.  Amen.  Amen.'  Noch 
bedeutungsvoller  aber  ist  eine  Angabe,  welche  früher  'sur  la  garde  du 
volume'  stand  'Hunc  feci  scribi  Verone  1356'  und  zwar  von  der  Hand 
Petrarcas  (S.  99;  s.  Delisle  Cabinet  des  manuscr.  de  la  bibl.  imp.  I 
p.  140),  die  Nolhac  auch  in  den  überaus  zahlreichen  Randbemerkungen 
verschiedensten  Inhalts  erkannt  hat  (S.  256—262).  Die  Handschrift  hat 
ihm  also  lange  Zeit  als  Handexemplar  gedient. 

Mir  war  sie  bei  einer  Musterung  der  Pariser  Handschriften  wegen 
ihrer  Verwandtschaft  mit  der  besten  Überlieferung  durch  B(arabergensi8) 


Scriptores  historiae  Augustac.  153 

und  P(alatinus)  aufgefallen,  und  so  war  es  meine  Absicht,  sie  für  die 
zweite  Auflage  meiner  Ausgabe  hier  in  Meilsen  auszunutzen.  Leider  aber 
verzögerte  sich  die  Übersendung,  eine  Zeitlang  schien  sie  überhaupt  sich 
nicht  ermöglichen  zu  lassen,  und  so  mufste  ich  damals  auf  die  Hdschi". 
verzichten  und  habe  sie  erst  später  verglichen,  ohne  indes  den  berühmten 
einstigen  Besitzer  zu  erkennen,  da  die  obigen  entscheidenden  "Worte  jetzt 
verschwunden  sind. 

Es  wäre  diese  Vergleichung  eine  unnötige  Arbeit  gewesen,  wenn 
Nolhac  mit  seiner  Annahme,  dafs  sie  aus  dem  Palatinus  abgeschrieben 
(S.  254  f.)  sei,  recht  hätte.  Er  schliefst  dies  aus  der  Übereinstimmung 
der  Lesarten  und  daraus,  dafs  der  Schreiber  der  Veroneser  Hdschr.  (ich 
nannte  sie  ob.  S.  149  L)  nach  Anweisungen,  welche  am  Eande  des  P  im 
14.  Jahrhundert  in  den  Viten  des  'Maximinus  et  Balbinus'  die  richtige 
Folge  der  Blätter  angegeben  hätten,  diese  Ordnung  beim  Abschreiben 
beobachtet  habe;  namentlich  aber  soll  die  dritte  Hand,  welche  im  P 
viele  Änderungen  des  Textes  vorgenommen  und  Bemerkungen  am  Rand 
gemacht  hatte,  die  Petrarcas  sein.  Hierüber  läfst  sich  nur  angesichts 
des  Kodex  selbst  eine  Entscheidung  treffen. ')  Dafs  indes  die  Bemer- 
kungen in  L  und  P  völlig  unabhängig  voneinander  sind,  räumt  Nolhac 
selbst  ein  (S.  255  f.),  und  dafs  in  dem  allgemeinen  Charakter  beider 
eine  gewisse  Ähnlichkeit  besteht,  fällt  nicht  schwer  ins  Grewicht,  da  sie 
sich  auch  auf  viele  andere  Handschriften  ausdehnt;  so  bestimmte  Be- 
ziehungen, wie  in  L  auf  'Stephanus  magnus'  d.  i.  Colonna  (S.  260),  fehlen 
in  P  gänzlich.  Doch  mag  dieser  immerhin  Petrarca  einmal  gehört  haben 
(später  war  er  in  dem  Besitz  'lanocii  Manetti'  [1396—1459],  nicht  in 
dem  der  Bibliothek  von  Pavia),  mag  dieser  ihn  auch  mit  Randbemer- 
kungen versehen  haben,  jedenfalls  hat  er  dem  Frater  Johannes  de  Cam- 
pagnola  nicht  vorgelegen.  Eine  Schwierigkeit  würde  schon  darin  zu 
finden  sein,  dafs  Petrarca,  der  von  1353 — 1362  seinen  ständigen  Wohn- 
sitz in  Mailand  hatte,  im  Jahre  1356  zu  Verona  eine  ihm  gehörige 
Hdschr.  kopieren  liefs  —  diese  Thatsache  würde  eher  dafür  sprechen, 
dafs  wir  das  Original  eben  hier  zu  suchen  haben  — ;  ferner  aber  erinnere 
ich  zum  Beweis  der  Unabhängigkeit  des  L  von  P  daran,  dafs  an  Stellen, 
wo  die  "Wortfolge  völlig  gleichgültig  ist,  sie  in  L  mit  B  und  nicht  mit 
P  übereinstimmt  (ob.  S.  150);  endlich  waren  in  dem  Archetj'pus  von  P 
(und  B)  in  den  V.  Alexandi'i,  Maximinorum,  Gordianorum,  Maximi  et 
Balbini  die  Lagen  aus  dem  Bande  gelöst  und  folgende  Verschiebung  ein- 


^)  In  dem  Catalog.  cod.  Palatin.  lat.  bibl.  Vatic.  I  v.  H.  Stevenson 
iun.  heifst  es  p.  321:  'In  toto  codice  insunt  adnotationes  uaria  manu,  sae- 
culi  praesertim  XV  et  lannotii  Manetti'. 


154  Scriptores  liistoriae  Augustae. 

getreten,  als  P  und  B  abgeschrieben  wurden:  b.  a.  li.  c  —  g  (s.  praef. 
m.  Ausg.  p.  XIV  sq.);  von  diesen  Lagen  entliielt  jede  etwa  300  Zeilen 
der  Teubnerschen  Ausgabe  (nämlich  a;  301,  b:  308,  c  —  g:  1235,^)  h: 
299).  In  L  aber  ist  b  (Alex.  43,  7  —  58,  1)  in  c.  15,  5  hinter  affecit 
eingeschoben  an  einer  völlig  unpassenden  Stelle,  wo  sie  allen  Zusammen- 
hang stört,  sodafs  hier  uumöglich  an  die  Thätigkeit  eines  Diaskeuasten 
gedacht  werden  kann.  Nun  beläuft  sich  die  Zahl  der  Zeilen  zwischen 
c.  15,  5  und  43,  7  auf  610,  demnach  auf  die  von  zwei  Lagen  des  Arche- 
typus von  B  und  P,  und  so  mufs,  wenn  nicht  ein  merkwürdiger  Zufall 
sein  Spiel  getrieben  hat,  in  diesem  Archetypus  die  lose  Lage  b  in  der 
Zeit  der  Benutzung  durch  Johannes  de  Campagnola  oder  richtiger  durch 
seine  Vorlage  fälschlich  noch  um  zwei  Lagen  weiter  zurückgeraten  sein. 
Von  dieser  Verwirrung  weist  indes  P  (und  B)  weder  eine  unmittelbare 
Spur  noch  die  Veranlassung  zu  einer  solchen  auf,  und  da  die  Lesarten 
auf  einen  engen  Zusammenhang  mit  P  und  B  hinführen,  so  bleibt  nur 
die  Möglichkeit  offen,  dafs  L  aus  dem  Archetypus  von  P  und  B  stammt, 
und  zwar  zusammen  mit  dem  Vaticanus  5301,  der  von  ßonaccursius  aus 
Pisa-)  in  der  editio  princeps  (des  Jahres  1475)  abgedruckt  worden  ist 
und  der  genau  durch  dieselbe  Lagenverschiebuiig  enstellt  ist  (praef.  m. 
Ausg.  p.  XVin  sq.)  wie  L  und  mit  diesem  auch  sonst  auf  das  genaueste 
übereinstimmt.  L  wäre  also  gegenüber  P  (und  B)  selbständig  und  bildet 
mit  der  ed.  pr.  zusammen  einen  dritten  Zweig  der  Überlieferung  aus 
dem  Stammkodex.  Ich  hoffe,  es  wird  mir  noch  einmal  möglich  sein,  die 
Folgerungen  hieraus  für  die  Textesgestaltung  zu  ziehen  und  dui'ch  Ver- 
bindung von  der  ed.  pr.  und  L  und  Rekonstruktion  ihrer  Vorlage  einen 
den  Hdschrr.  ß  und  P  gleichwertigen  Zeugen  zu  gewinnen.  Eine  irgend 
wesentliche  Änderung  der  Worte  der  bist.  Aug.  wolle  man  jedoch  davon 
nicht  erwarten ;  nur  der  kritische  Apparat  wird  ein  etwas  anderes  Aus- 
sehen annelimen,  indem  die  der  ed.  pr.  eigenen  Abweichungen  wegfallen 
und  an  die  Stelle  von  ihr  die  Vorlage  tritt,  aus  welcher  L  und  die  Vorlage  der 
ed.  pr.,  der  Vatic.  5301  abgeschrieben  sind.  Von  mafsgebender  Bedeutung 
wird  sie  nur  in  den  (wenigen)  Fällen  sein,  wo  B  und  P  auseinandergehen. 


*)  Ich  habe  infolge  dieser  Rechnung  für  den  Abschnitt  XIX  18,  2  — 
XXI  b,  2  jetzt  vier  Lagen  angenommen,  nicht  drei,  wie  früher. 

*)  Wie  mir  mein  Kollege  Dr.  0.  E.  Schmidt  nachgewiesen  hat.  be- 
gegnet uns  derselbe  in  einer  Quittung,  nach  welcher  der  Kanzler  des  Sforza 
Marcus  Trottus  'bonacursio  Pisano'  im  Jahre  1460  24  Pfund  ausgehändigt 
hat  'pro  scriptura  iibri  sancti  Tbomasii  de  rege  et  regno';  s.  Indagini  sto- 
rjche,  artistiche  et  bibliograpbiche  sulla  libreria  Visconteo-Sforzesca  (Milano 
lts75)  p.  ll'J  f. 


Scriptores  historiae  Augastae.  155 


VI.    Kritik  und  Erklärung. 

Die  zweite  Auflage  meiner  kritischen  Bearbeitung  der  h.  A. 
(n.  28)  steht  auf  der  nämlichen  kritischen  Grundlage  wie  die  erste,  da 
irgendwelche  handschriftlichen  Hilfsmittel  seitdem  nicht  ermittelt  worden 
waren;  doch  habe  ich  mich  bemüht,  die  Lesarten  der  malsgebenden  mög- 
lichst genau  zu  geben,  und  bin  darin  für  B  durch  eine  in  meinen  Besitz 
gelangte  bis  V.  Seuer.  c.  4  reichende  Kollation  von  Fr.  Haase  und  durch 
eine  von  Kellerbauer  wesentlich  unterstützt  worden.  Im  Text  hätte 
vielleicht  mancher  angesichts  der  1200  in  der  Zwischenzeit  ausgeschütteten 
Konjekturen  zahlreichere  und  tiefer  einschneidende  Änderungen  erwartet. 
Verzeichnet  habe  ich  sie  in  der  Adnotatio  alle,  bis  auf  die  sehr  wenigen, 
welche  mir  entgangen  waren,  aber  bei  der  Verschiedenheit  der  Verfasser 
lind  ihrer  Abhängigkeit  von  den  lateinischen  Quellen,  sowie  bei  dem  Hin- 
und  Herschwanken  zwischen  der  Sprache  der  Schule  und  des  Lebens 
schien  mir  die  äufserste  Vorsicht  geboten.  Daher  steht  z.  B.  Seuer.  19,  5 
Septizonium  im  Text,  aber  24,  3  und  Get.  7,  2  Septizodium  (vgl.  Araniian. 
XV  7,  3  Septemzodium  und  Schuchardt  Vokal.  I  S.  142),  Pius  9,  6  Ladii 
für  Lazi  (Schuchardt  I  S.  68  f.)  u.  ä. ,  auch  erweislich  falsche  Zahlen 
sind  gewöhnlich  nur  in  der  Anmerkung  korrigiert.  Daher  mufste  ich 
den  Vorwurf  übergrofsen  Konservatismus  erwarten,  aber  nicht  gefafst 
war  ich  auf  den  Plews,  'Widersprüche  durch  Textänderung  beseitigt  zu 
haben,  sodafs  die  Thatsachen  mitunter  eine  Änderung  erfahren  hätten' 
(n.  31  S.  4);  freilich  begründet  er  ihn  nur  durch  eine  einzige  Stelle 
(Marc.  16,  3  f.  S.  5—7)  und  kann  auch  hier  seinerseits  nicht  ohne  eine 
Änderung  des  offenbar  verderbten  Textes  auskommen.  Ich  habe  mich 
aber  selbst  über  das  Vorhandensein  von  Widersprüchen  gerade  in  der 
Beurteilung  des  Verus,  um  den  es  sich  hier  handelt,  Philol.  XLIII 
S.  150  flf.  ausgesprochen  und  bin  mir  bewufst,  dem  Grundsatz,  'die 
Handschriften,  nicht  die  Autoren  zu  verbessern',  auch  in  der  Textes- 
gestaltung treu  geblieben  zu  sein.') 


^)  Vgl.  Plews  Verfahren  S.  8  f.:  ich  hätte  nicht  genau  gelesen,  meint 
er  da,  was  er  gesagt  habe,  wenn  ich  (Philol.  a.  a.  0.  S.  154)  behauptet 
hätte:  'zwar  spricht  Plew  auch  diesen  (den  Einleitungen  zu  einzelnen  Viten) 
die  Selbständie;keit  ab'.  Plew  aber  schreibt  in  dem  von  mir  citierten  Pro- 
gramm über  Marius  Max.  S.  22  wörtlich:  'Ganz  selbständig  ist  aber  auch 
die  Einleitung  (zu  d.  V.  Aelii)  schwerlich'  und  S.  36:  'Da  zeigt  sich  zuerst, 
dafs  sogar  die  Selbständigkeit  der  Einleitung  in  den  Pesc.  Nig.  bezweifelt 
werden  mufs'  —  also  genau  dasselbe,  was  ich  gelesen  hatte!  Zu  seiner 
Rechtfertigung  druckt  er  a.  a.  0.  zwar  die  erste  Stelle  ab  und  zwar  'ganz' 
gesperrt,  die  zweite  aber,  die  von  mir  citiert  war,  hat  er  übersehenl 


156  Scriptores  historiae  Augustae. 

Eine  Neuerung  meiner  Ausgabe  war  die  Einführung  ge^^is8er 
Zeichen,  durch  welche  die  Einsicht  in  die  Zusammensetzung  der  Viten, 
welche  in  den  letzten  Jahren  durch  fruchtbare  Forschungen  in  der  er- 
freulichsten Weise  gefördert  war,  auch  dem  flüchtigen  Benutzer  erleichtert 
werden  sollte.  Manches  auf  diesem  Gebiete  ist  und  bleibt  streitig,  wenig- 
stens hindern  jene  eine  richtigere  Erkenntnis  nicht.  Die  Begründung  eines 
grofsen  Teils  ist  in  der  diütten  meiner  Untersuchungen  enthalten.  Der 
Index  ist  auf  155  Seiten  gewachsen  und  ist  auch  im  einzelnen  durch 
genaue  Bezeichnung  und  Unterscheidung  der  genannten  Persönlichkeiten 
gebessert  worden;  doch  bleibt  immer  noch  zu  thun  übrig. 

Die  Zahl  der  in  diesem  Jahrzehnt  veröifentlichteu  Konjekturen 
ist  wieder  eine  sehr  bedeutende  (gegen  500),  ohne  dafs  ihr  jedoch  der 
Ertrag  für  die  wirkliche  Verbesserung  des  Textes  entspräche.  Petschenig 
(Ztschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  40  S.  955  und  Neue  philol.  ßundsch.  1888 
S.  361)  läfst  z.  B.  in  dem  Programm  von  Bitschofsky  (n.  2),  in 
welchem  er  52  Stellen  der  Reihe  nach  und  27  gelegentlich  behandelt 
hat,  keine  einzige  Konjektur  gelten,  während  ich  (Berl.  ph.  Wochenschr. 
Vni  S.  1437  f.)  einige  wenigstens  wahrscheinlich  genannt,  auch  seine 
Bemühung,  handschriftliche  Lesarten  gegen  Konjekturen  zu  verteidigen, 
anerkannt  hatte.  Viele  Änderungen  lagen  bei  einem  schnellen  Lesen 
nahe  und  sind  daher  wiederholt  vorgeschlagen  worden,  sind  aber  gleich- 
wohl nicht  richtig,  weil  sie  sich  in  den  Sprachgebrauch  und  die  Schreib- 
weise der  Scriptt.  nicht  fügen;  namentlich  haben  Bährens  (n.  1)  und 
der  oft  sehr  gewaltsame  Novak  (n.  24 — 26)  ihre  Eigenheiten  nicht  be- 
rücksichtigt und  trotz  ihres  Talents  zum  Konjizieren  die  Kritik  in  ge- 
ringem Mafse  gefördert.  Gründlicher  ist  der  auf  eine  tüchtige  Sprach- 
kenntnis  sich  stützende  Lessing  (n.  19)  verfahren,  mehrere  glückliche 
Verbesserungen  verdanken  wir  Petschenig  (n.  30),  besonders  dadurch, 
dafs  er  bis  dahin  vernachlässigten  Spuren  der  Handschriften  sorgfältig 
nachgegangen  ist;  gelegentlich  hat  auch  Klebs  aufser  seinem  Aufsatz 
im  Philologus  (n.  16)  durch  Vergleichung  von  Parallelstellen  den  Text 
richtig  gestellt;  Frankfurter  (n.  7)  hat  namentlich  durch  Einschieben 
von  Worten  und  Silben  ihn  zu  heilen  versucht.  Wieder  können  wir  von 
0.  Hirschfeld  (n.  13  und  14)  einige  glückliche  Treffer  verzeichnen, 
noch  zahlreichere  von  Mommsen  (n.  21).  Die  (drei)  Konjekturen  von 
Golisch  (n.  11),  von  denen  ihm  die  wertvollste  (Seuer.  2,  3)  vierzehn 
Jahre  vorher  von  Hirschfeld  (Herm.  III  S.  230)  vorweggenommen  war, 
habe  ich  schon  in  meiner  Ausgabe  angemerkt,  auch  meine  eigenen,  die 
ich  mit  einer  kurzen  Begründung  in  Fleckeisens  Jahrbüchern  (n.  27) 
veröffentlicht  liatte;  die  von  Cotta  (n.  3)  beruhen  meist  auf  richtigen, 
zuweilen  feinen  Beobachtungen,  sind  aber  fast  alle  vor  ihm  schon  von 


Scriptores  historiae  Augustae.  157 

anderen    gemacht    worden.     Nicht  bedeutend  sind  die  Vorschläge  von 
Fröhner  (n.  8). 

Demnach    wiederholen  sich  alle  Erscheinungen  der  Konjektural- 
kritik,  welche  in  dem  Berichte  über  die  Litteratur  von  1865 — 1882  be- 
sprochen worden  sind,  in  dem  letzten  Jahrzehnt;  z.  B.  sind  wegen  der 
Verkennung  des  Sprachgebrauchs  zu  verwerfen  cum  hoc  simulacrum  post 
Neronis  cultum  —  Soli  consecrasset  ÜSidr.  19,  3  (Bährens,  statt  uultum; 
s.  über  die  brachylogische  Anwendung  von  post  Cotta  p.  17),  diligentia 
uilici  sumptus  conuiuii  constituit  Hadr.  22,  5  (Drechsler  statt  iudicis, 
d.  h.  eines  Civilbeamten,  wie  jetzt  auch  Novak  gesehen  hat,  der  früher 
ingenti  eingesetzt  hatte);   monitus  est  dis  penatibus  [eius]  Hadriani  si- 
mulacrum inserere  Ael.  3,  5  (Novak),  desponsa  est  Marc.  4,  5  (Novak  st. 
desponsata  est);    uides  multis  opus  esse  gladiis,  <non>  multis  eulogüs 
Auid.  14,  6  (Frankfurter  statt  elogiis,  vgl.  Seuer.  2,  6  fustibus  cum  sub 
elogio    eiusdem   praeconis    cecidit.    Alex.   34,  3);    quae   saepe   Gallienus 
<in~>  malo  generis  humani  —  dixerit  Gall.  6,  3  (Lessing  unter  Beistim- 
raung  von  Petschenig,  während  malo  Dativ  ist  und  'zum  TJnheir  heifst, 
s.  Klebs  n.  18  S.  515);   et  proaui  Gallieni  Gall.  19,  3  (Frankfurter  st. 
des  allgemeinen  aui).    Unnötig  sind  z.  B.  Marc.  25,  6  ne  <sanguine> 
eius  poUueretur  imperium  Novak    (neben  Madvigs  nece,    das    aber  auch 
vielleicht  entbehrt  werden  kann);  Seuer.  7,  3  inuenta  diriperent  Novak 
(für  inempta);    Heliog.  26,  3    Omnes  de  circa,  de  theatro,  de  stadio  et 
conmunibus  locis  et  balneis  meretrices  collegit  Bähi'ens  (st.  omnibus); 
Heliog.  32,  9    ad  omnes  drei  et  theatri  et  amphiiheatri  et  conmunium 
urbis  locorum  meretrices  Bährens  (st.  omnium);  Alex.  5,  3  cum  hie  magis 
adfinitate  Garacallo  iungeretur  Lessing  (st.  Caracalli),  Alex.  16,  2  ne  in- 
cogitati   dicere  cogerentur  de  rebus  urgentibus  Fröhner  (st.  ingentibus)] 
Alex.  33,  3  sed  speciosis   <et>    claris  uestibus  Frankfurter.     Dafs  der 
Text  durch  viele  Lücken  entstellt  ist,  läfst  sich  nicht  bezweifeln;  aber 
wenn  Novak    in    der  Charakteristik  der  Varietas  des  Hadrian  (14,  11) 
schreibt  seuerus  \laetus'\  comis,  grauis  lasciuus,  cunctator  <:festinans>, 
tenax  liberalis,  Simulator  <uerus>,  seuerus  Clemens,  also  zwei  Adjektive 
einschiebt  und  eins  streicht,  so  wird  er  schwerlich  überzeugen;  auch  sonst 
sind  die  Annahmen  des  Ausfalls  einzelner  Wörter  oft  nicht  zwingend: 
Peso.  1,  2  quae  magna  sunt,  in  eorum  honorem  <a  quibus  uicti  sunt> 
ab  scriptoribus  deprauantur  (Frankfurter);    Alex.  35,  5  quod  ementitos 
de   se   multa  <multos>    oder    <m,uUos>   multa  cognouerat  (Lessing); 
Marc.  27,  5  rhetorem  Eugamium  <prae  rhetoribu^>  sui  temporis  darum 
(ßährens);  Claud.  6,  5  quis  tandem  <nisi>  Xerxes  hoc  habuit  (Bährens); 
Car.  19,  2  qui  uelut  <.humi  funibus>  intentis  cothurnatus  ferretur  (No- 
vak), oder  qui  uelut  in  uentis  cot.  <funibus>  ferretur  (Drechsler). 

In  der  Aufzählung  der  mehrfach  veröffentlichten  Konjektui-en  be- 


158  Scriptorcs  historiae  Augustae. 

schränke  ich  mich  auf  den  ersten  Band :  Hadr.  3,  8  Snhnrano  bis  et 
Senuano  ifenon  coss.  Mommsen  (so  auch  ich  in  der  ersten  Auflage,  aber 
aufgegeben  wegen  der  Zemittung  des  Textes),  18,  2  uilis  materiae  causa 
Bährens  und  Mommsen  (st.  uUis  oder  ullius),  20,  1  quasi  seruantes 
Fröhner  und  die  Vulgata  (natürlich  ist  das  hdschr.  seruantis  Nora.  Plar., 
quasi  suhruentis  Bährens):  Marc.  13,  4  ne  quis  uhi  uellet  Novak  (so 
schon  in  meiner  ersten  Ausg.),  25,  9  et  omne  contionum  genus  Lessing 
(auch  schon  in  m.  erst.  Ausg.),  26,  3  in  omnihus  —  odiis  Eussner  (Zarn- 
ckes  Centralbl.  1885  S.  582)  und  Novak  (die  Hdschrr.  locis,  von 
welchem  Wort  in  m.  Ausg.  nach  der  Korrektur  das  l  abgesprungen  ist, 
oecis  Mommsen),  Clod.  6,  8  <.cum>  Pescennio  subrogare  Frankfurter 
und  die  Vulgata  {<prae>  Pesc.  Bährens);  Opil.  8,  1  subito  contra  Persas 
profectus  est  Novak  (und  meine  Ausg.),  Heliog.  10,  3  diuitias  enormes 
parans  Novak  und  Gemoll,  20,  6  exhibuit  et  patinas  ingentes  Novak  und 
Gruter,  Alex.  67,  3  His  carior  est  mihi  tuta  res  p.  Bährens  und 
Eyssenhardt. 

Als  beachtenswert  stelle  ich  noch  folgende  Konjekturen  zusammen, 
obgleich  ich  sie  noch  nicht  sämtlich  der  Aufnahme  in  den  Text  für  wert 
halte:  Hadr.  4,  5  eosdemque  saepe  linxisse  Mommsen  (saepe  appeiisse 
Bährens,  eisdemque  se  pollnisse  Novak);  11,  3  quod  apud  Sabinam  uxo- 
rem  in  xiisu  eius  familiarius  se  tunc  egerant  E.  N.  Bennett,  Classical 
review  V  p.  68  (uxorem  munium  sub  officiis  Bährens,  uxorem  inuisam 
ei  Frankfurter);  23,  7  tunc  liuore  Seruianum  —  mori  coe^^/^  Mommsen ; 
Pins  2,  1  ingenuitate  clarus,  moribus  f/emews  Frankfurter;  8,  9  <fa- 
bula^^  famosa  Novak;  10,  4  auaritiam  eiiam  mercedis  notauit  und 
Marc.  8,  10  assectatu  ornauit  Mommsen;  Ver.  4,  4  pudendis  aniori- 
bus  infamatus  est  Novak;  4,  11  haec  omnino  sciens  Petschenig;  Comni. 
5,  11  nee  irrumantium  in  se  inuenum  carebat  infamia,  10,  2  si  qui^ 
ante  se  mori  uelle  praedixisset  und  11,  2  gibbos  —  conuiuis  sinapi 
perfusos  exhibuit  Mommsen.,  13,2  uersus  ideo  multi  scripti  sunt  Kle\i%  \ 
20,  4  quoniam  leuia  percensui  und  Did.  2,  1  Scuerum,  classiarium 
militem  Novak:  3,  10  <:ob>tantas  necessitates  sollintus  Mommsen;  Seuer. 
2,  2  a  Juliano  praetore ,  2,  6  sub  ei%smodi  elogio  praeconis  und  6,  4 
septingenos  uicenos  aureos  legatis  dedit  Hirschfeld;  11,7  ac  derideri 
iussit  Novak;  13,  4  Ael(ium)  Stilonem  und  13,  7  Marcium  Asellionem 
Hirschfeld;  17,  7  dixisset  <se  fecisse>,  ille  quod  facturus  esset  Frank- 
furter; 19,  5  eiusdemque  Septimianae  Zangemeister  Rh.  M.  XXXIX 
S.  635  {eiusdemque  etiam  aliae  Hirschfeld,  Seuerianae  Hartel);  22,  3 
nomine  adscripto  Mommsen;  Pesc.  2,  4  qui  haberet  exercitus  seque 
tweri  posset  Bährehs;  3,  11  tamdiu  tumebit  Novak;  7,  4  alter  ad  li- 
bellos  appar Hisset  Madvig  Staatsverf.  I  S.  583  f.;  Clod.  2,  5  facul- 
tatem  vie  et  praesente  et  absente,  cum  Novak;  3,  2  ut  quidam  uolunt, 


Scriptores  historiae  Augiistae.  159 

arte  firmatum  Bährens ;  8,2  [warn]  cum  —  dedissent  Lessing:  13,  10 
senatus  nohis  consules  fadat  Steuding  Fleckeisens  Jahrb.  1889  S.  599 
(bonos  Hirschfeld);  14,2  adscisceret  <et>  apud  lul.  Petschenig;  Car. 
7,  5  niystice  tarnen  <Lunum>  deum  dicunt  Frankfurter:  Gret.  2,  2  uel 
patrem  suum  Frankfurter:  6,  6  rccitanti  fausta  pr aetori  Klehs:  Opil. 
3,  5  aut  quia  praenomen  tantum  Frankfurter;  4,  7  ohtenta  fadione 
Mommsen:  Diad.  1,  6  Antoninum  diu  uiuum  omnes  rogamus  Petschenig- 
und  Bährens;  Heliog.  4,2  ad  —  suhsellia  et  tarn  scribendo  adfmt  und 
9,  1  idque  factum  carminibus  et  consecratione.  inde  cum  Bährens ;  15,  7 
per  praetorem  urbanum  Mommsen;  17,  6  solus  quippe  omnium  Bäh- 
rens;  Alex.  10,  6  di  uerecundiae  tuae  Novak  (di  immortales  faueant 
uerec.  im  Fragm.  Cns.);  14,  4  terraeque  <marisque>  Frankfurter;  45,  3 
ambidabant  <nescn>,  ne  Bährens;  59,6  cui  Sitillia  nomen  est  Fröhner ; 
68,  1  imperatoris  parens  vir  insignis  und  Max.  26,  6  iussu  senatus 
Mommsen;  27,  7  harum  rerum  persecutor,  ei  fuisse  Novak;  28,  10  ne 
qui,  si  Cordum  legeret  Bährens;  Gord.  21,  2  et  quidem  plurimas  bibit 
Petschenig,  26,  5  et  uicit  et  Sapore —  et  post  Artaxia  duce  und  Max. 
et  Balb.  5, 1 1  quare  uolenti  senatus  —  detulit  Mommsen  (uolenter  Hirsch- 
feld, ueluti  <dignissimo>  Novak);  7,  3  a  Balbo  Cornelio  <et  a>  Theo- 
fane  Cichorius  Eom  und  Mytilene  S.  7;  15,  2  tamen  leuiter  pertime- 
scebat  Bährens ;  17,  4  quae  quanta  et  cuius  modi  sit  Lessing;  Valer.  3,  3 
cepisti  sed  fecisti  Petschenig  und  Bährens ;  Gall.  9,  4  epulis  dies  plures, 
alios  Mommsen;  12,  6  naualiue  hello  superati  sint  Bitschofsky;  16,  4 
corrigias  gemmeas  adnexuit  Mommsen;  17,  8  et  uenationibus.  lauabant 
Novak;  trig.  tyr.  6,  6  post  diuum  Posfumum  ßühl;  8,  11  enitar  denique 
Petschenig:  10,  12  fiblatoria;  ecum  ipse  misi  de  nostris  Bährens;  10,  6 
inlibata  se  in  suo  statu  res  p.  nostra  tenuisset  Novak;  11,2  cepit 
<aliquos>,  aliquos  —  addixit  und  23,  2  regeret,  <coactus>  ab  militihus 
sumpsit  imperium  Bährens;  26,  6  etenim  in  media —  solo  und  30,  1  im- 
perarent  et  quidem  <peregrinae> .  peregrina  enim  Petschenig:  30,  21 
Latini  sermonis  non  —  ignara  sed  ut  loqueretur  pudore  cohibita  Momm- 
sen; 32,  7  scifntia  materiae  facnltate  uerhosa  est  Novak;  Claud.  7,  7 
Quam  tantam  statuam  faciet  populus  Romanus  quae  tua  gesta  loquatur? 
Wölfflin  Sitzungsber.  d.  bayer.  Ak.  1892  S.  214;  12,  1  morbo  aeque 
exercitu  Labor  ante  Bitschofsky:  Aur.  4,  2  sacerdotem  Solis  sui  in  uico 
Mommsen:  21,  8  perodiendum  talem  principem  Hirschfeld  (perpetien- 
dum  Novak);  22,  1  ad  saeptiones  sacrae  urbis  Mommsen;  23,  5  sed 
citius  bona  eius  liberis  reddidi  und  36,  4  quod  nescio  quid  de  fumo 
suspicatus  esset  Bährens;  44,  4  Äurelianum  Gallizenas  consuluisse 
Dryadas  L.  Paul  (Fleckeisens  Jahrb.  CXLV  S.  796  f.  nach  Mela  III 
3,  48;  dafs  Druiden  gemeint  sind,  ist  nicht  zu  bezweifeln;  doch  mnfs 
die  Form  Dryadas  beibehalten  werden,  da  Alex.  60,  6  und  Numer.  14,  3 


160  Scriptores  historiae  Augustae. 

Dryas  vorkommt  und  die  hdscliriftl.  Überlieferung  überall  diesen  Nomin. 
voraussetzt);  Tac.  5,  2  habes  prudentem  et  honum  fratrem  Frankfurter; 
10,  3  scribi  publicitus  a  praefectis  archiis  iussit  und  11,  4  nitoris 
renatorii  Moramsen;  14,  8  inter  militares  Petsclienig;  15,  2  qui  ad 
Monam  msidam  proconsulem  mittat  und  Sat.  7,  4  haruspices,  medid 
omnes  Inda  ei,  Christiani  Mommsen;  8,  7  uenerantur  [et]  gentes  Bäh- 
j'ens  (eins  gentis  Novak);  Car.  4,  1  ut  prae  summa  ego  uarietate  Novak; 
4,  5  ipse  se  —  Romanum  uult  videri  Petsclienig  (ipse  sane  Bitschofsky) ; 
(),  3  ut  publico  sumptu  uelitis  Bitschofsky;  Num.  11,  2  inque  agoni- 
bus  inlustratus  Novak;  18,4  perreuerenies  Romani  senatum  Petsclienig 
(speciem  reu.  Bälirens);  20,  4  et  risit,  si  auiae  pallio  Novak  (et  con- 
cessit  auiae  pallio  —  ut  uteretur  Mommsen). 

Späi'licher  sind  die  Beiträge  für  die  Erklärung  geflossen.  Görres 
(n.  10)  findet  Did.  2.  1  und  Seuer.  4,  3  Spuren  eines  gegen  Angeberei 
gerichteten  Gresetzes  des  Marc  Aurel,  aus  welcliem  später  ein  Toleranz- 
edikt zu  Gunsten  der  Christen  gemacht  worden  sei,  und  lehnt  mit  Recht 
die  Vermutung  derjenigen  ab,  welche  eine  Christenverfolgung  des  Aureliaa 
aus  des  Vopiscus  Vita  herausgedeutet  hatten;    L.  Cantarelli  (Bullet, 
della  Commissione  archeclogica  di  Roma.    Serie  terza.    1888  p.  1  —  13) 
erklärt  im  Anschlufs  an  Gori  die  rätselhaften  anabolicae  species  (Aur. 
45,  1)  als  chirurgische  Instrumente.    Habel  (n.  12)  erörtert  'zwei  offen- 
bare Fälschungen'  des  Spartian,  um  so  'einen  kleinen  Beitrag  zur  Unter- 
stützung der  Ausführungen  Dessaus  zu  liefern'.    Er  vergleicht  deshalb 
Lampr.  Com.  5,  12,  wo  der  Tod  des  älteren  Claudius  Porapeianus,  des  Ge- 
mahls der  Lucilla,  also  Schwiegersohns  des  Marc  Aurel,  mit  dem  seines 
Sohnes  (aus  erster  Ehe),  der  den  Commodus  zu  ermorden  versucht  hatte, 
verwechselt  wird,   nachdem  c.  4,  4  richtig  der  Hinrichtung  des  Sohnes 
gedacht   war,    und    Spart.  Carac.  3,  8,    nacli    welcher  Stelle  Caracalla 
einen   jüngeren  Pompeianus    aus    der    zweiten  Ehe  mit  Lucilla  getütet 
haben  soll.    Die  Thatsache  der  Hinrichtung  der  zwei  Sühne  des  ange- 
sehenen   kaiserlichen    Schwiegersohnes    ist    auch    anderweitig    bezeugt, 
wälirend  der  Vater  noch  bis  in  die  Regierung  des  Pertinax  hinein  ge- 
lebt hat  (Dio  73,  3).    Wie  schon  von  anderen  bemerkt  worden  ist,  liegt 
also  Com.  5,  12  ein  Irrtum  vor;    weiter  aber  ersclieiut  es  unglaublich, 
dais  sowohl  von  Commodus  der  ältere  Sohn  als  von  Caracalla  der  jüngere 
beseitigt  worden  sei  'quasi  a  latronibus'  (so  au  beiden  Stellen  der  h.  A.). 
Solches  kann  nur  in  einem  Fall  geschehen  und  mufs  fälschlich  auf  den 
anderen    übertragen    worden    sein.     Unter    Beibringung    des    gesamten 
Materials  setzt  dies  Habel  richtig  auseiuaudei'.     Weniger  überzeugt  er 
mit    der  Annahme    eines    ähnlichen  Vorgangs    in  Spart.  Did.  8,  3    und 
Capit.  Pert.  4,  10  —  die  beiden  Handlungen  können  sehr  wohl  neben- 
einander bestehen  und  gleichen  sich  gar  nicht  in  demselben  Malse  wie 


Scriptores  historiae  Augustae.  101 

die  obigen  Stellen  — ,  aber  selbst  diese  zugegeben,  ist  die  Schlufsfolge- 
rung  unbegründet,  dals  deshalb  die  genannten  vier  Biograpliieen  aus 
der  Feder  eines  Litteraten  stammen  und  dafs  dadurch  die  Dessausche 
Ansicht  noch  mehr  in  den  Bereich  der  Wahrscheinlichkeit  gerückt 
werde  (s.  meine  Unters.  S.  146  f.,  wo  ich  von  Habeis  Darlegung  noch 
keine  Kenntnis  hatte).  —  Mehrere  Stellen  hat  Plew  gelegentlich  er- 
klärt —  besonders  ausführlich  n.  32  S.  26  if.  Hadr.  7,  4  in  senatu  quo- 
que  excusatis  quae  facta  erant  'auch  im  Senat  lehnte  er  jede  Verant- 
wortung für  das  Geschehene,  jeden  Anteil  daran  ab'  — ,  auch  ich  in 
meinen  Untersuchungen.  Ein  Kommentar,  wie  ihn  Mommsen  S.  281  ver- 
langt, 'welcher  für  jede  einzelne  Notiz  die  in  der  Sammlung  selbst  so- 
wie aufserhalb  derselben  auftretenden  Parallelstellen  vor  die  Augen 
führt  oder  auch  deren  Mangel  konstatiert',  bleibt  ein  dringendes  Be- 
dürfnis; ist  aber  erst  die  von  der  Berliner  Akademie  verheilsene  Pro- 
sopographie  der  römischen  Kaiserzeit  erschienen,  wird,  denke  ich,  auch 
zu  ihm  die  Zeit  gekommen  sein.  Ein  Wortverzeichnis,  die  zweite  For- 
derung Mommsens  (s.  auch  Klebs  n.  18  S.  52),  bereitet  Lessing  vor 
(Wölfflin  S.  537). 


JahresDericlit  für  Alterthumswissenschaft.    LXXVII.  Bd.  (.1893.  II.j        11 


Bericht  über  die  Litteratur  zu  Caesar  1891.  1892. 

Von 

Professor  H.  J.  Heller 

in  Berlin. 


Bellnm  Oalllcum. 

Eight  books  of  Caesars  Gallic  war  by  William  Rainey  Harper 
and  Herbert  Cashing  Tolman.  New -York.  Cincinnati.  Chicago, 
American  book  Company  1891.     502  S. 

Die  Verfasser,  welche  sich  im  Text  an  Kraner,  in  der  Einleitung 
über  das  Kriegswesen  an  ßüstow  anschliefseu,  und  welche  ihrem  Buche 
eine  Karte  von  Gallien,  Pläne  und  viele  Abbildungen  eingefügt  haben, 
machen  Anspruch  darauf,  für  den  Schulunterricht  manches  Eigentümliche 
einzuführen:  dies  besteht  hauptsächlich  in  grammatischen  Anleitungen, 
welche  an  die  Worte  des  Schriftstellers  angeknüpft  werden,  weniger 
darauf  berechnet,  das  Verständnis  derselben  zu  fördern,  als  den  Schülern 
für  ihre  eigenen  Übungen  im  Lateinschreiben  nützlich  zu  sein;  diese 
unter  dem  Text  augebrachten  Anleitungen  enthalten  die  Angabe  der 
grammatischen  Besonderheit  (z.  B.  Superlativ  mit  quam)  und  Hin- 
weisungen auf  die  Paragraphen  di'eier  in  Amerika  im  Gebrauch  befind- 
licher Grammatiken.  Von  einer  so  eng  nur  zu  sprachlichen  Zwecken 
betriebenen  Lektüre  der  alten  Schriftsteller  ist  man  jetzt  bei  uns  abge- 
kommen. Eigentliche  Erklärungen,  die  auch  nur  der  Auffassung  des 
Wortlautes  und  dem  Verständnis  der  Sätze  dienen,  sind  in  den  hinten 
angebrachten  Notes  beigebracht,  hinter  denen  sich  auch  Exercitien  be- 
finden zum  Übersetzen  aus  dem  Englischen  ins  Lateinische  im  Anschlul's 
an  das  Gelesene.  Angehängt  ist  ferner  ein  Vocabularium,  dem  Listen 
von  Wörtern  vorangehen,  welche  mehr  als  lOOmal,  50  bis  75 mal  u.  s.  w. 
vorkommen,  sowie  eine  Zusammenstellung  der  Verba  der  verschiedenen 
Konjugationen,  endlich  ein  Index  geographicus  und  ein  Namenverzeichnis. 
Unter  Inductive  Studies  befinden  sich  vor  dem  Text  Nachweisungen, 
wie  oft  cum  mit  dem  Konjunktiv  oder  Indikativ  und  in  welchen  Kapiteln 
des  I.  Buches,  ferner  wo  dort  Gerundium  und  Gerundivum  etc.  vor- 
kommen.    Was  diese  Zusammenstellungen  dem  Schüler  fruchten  sollen, 


Caesar.  163 

ist  mir  unerfindlich,  und  obgleich  das  einzige  Neue,  keineswegs  gut  oder 
brauchbar. 

C.  Julii  Caesaris  commentarii  de  hello  Gallico,  Edition  de  Fr. 
Dübner.  Avec  Observatious  graramaticales,  Notes,  Variantes  et  Index 
geographique,  par  Ed.  Degove.     Paris,  Victor  Lecoffre  1892. 

Dübner  hatte  nach  seiner  kritischen  Bearbeitung  eine  Schulausgabe 
veranstalten  wollen;  der  Tod  hat  ihn  daran  gehindert;  Degove  hat  nun 
diese  Aufgabe  erfüllt.  Aufser  einer  Karte  Galliens  und  verschiedenen 
Plänen  sind  in  den  Text  auch  Abbildungen  von  Kriegern  und  Waffen 
eingefügt.  Wenn  auch  im  ganzen  Dübners  Texte  folgend,  hat  der  Heraus- 
geber doch  in  nicht  wenigen  Stellen  sich  den  Entscheidungen  und  Ver- 
mutungen der  deutschen  Bearbeiter  und  Kritiker  angeschlossen,  auf 
eigene  Forschung  allerdings  gänzlich  verzichtend;  darüber  geben  die 
Variantes  Auskunft.  Die  dem  Buche  vorausgeschickten  Observatious 
grammaticales  sollen  dem  Schüler  die  Eigentümlichkeiten  der  Ausdrucks- 
weise Caesars  vorführen;  darunter  findet  sich  freilich  manches,  was  bei 
den  römischen  Schriftstellern  überhaupt  vorkommt,  wie  quam  vor  dem 
Superlativ;  einzelnes  ist  geradezu  verfehlt,  z.  B.  wenn  III,  10,  2  dem 
Substantiv  conjuratio  der  Satz  ne  —  reliquae  natioues  sibi  idem  arbitra- 
rentur  untergeordnet  sein  soll;  auch  fehlt  es  nicht  an  Druckfehlern  oder 
Nachlässigkeiten:  so  ist  in  dem  eben  angeführten  Satze  licere  hinter  idem 
fortgelassen;  in  einem  anderen  Beispiele  V,  25,  2  ist  gedruckt  Huic 
Caesar  pro  ejus  atque  in  se  benevolentia  ....  restituerat;  was  soll  der 
Schüler  mit  diesem  Satze,  aus  dem  virtute  hinter  ejus  ausgelassen  ist, 
anfangen  ?  Aus  I,  40,  5  wird  accipiunt  in  indirekter  Rede  statt  accepissent 
beigebracht.  Was  Schülern  in  die  Hand  gegeben  wird,  mufs  ohne  ihr 
weiteres  Nachschlagen  durchaus  verständlich  und  grammatisch  richtig 
sein.  Dafs  der  Herausgeber  non  dubitare  einfach  als  bald  mit  quin,  bald 
mit  dem  Infinitiv  verbunden,  anführt,  wird  selbst  schon  vorgerückteren 
Schülern  auffallend  erscheinen,  welche  die  verschiedene  Bedeutung  und 
Konstruktion  von  dubitare  zweifeln,  douter  und  dubitare,  Bedenken 
tragen,  hesiter  zu  unterscheiden  gelernt  haben.  Nichtsdestoweniger 
empfehle  ich,  wegen  der  Zusammenstellung,  die  Bemerkungen  des  Ver- 
fassers Lehrern  wie  Herausgebern. 

Bellimi  civile. 

Peskett,  Gai  Julii  Caesaris  commeutariorum  de  hello  civili  liber 
primus  with  introduction,  notes  and  maps.  Cambridge,  Universitj' 
Prefs  1890. 

Der  Verfasser,  von  welchem  früher  auch  das  bellum  Gallicura  er- 
schienen ist,  hat  aus  Nipperdeys,  Krauer-Hofmanns,  Moberlej^s  (1883), 

11* 


1 64  Caesar. 

Diuters,  Pauls  und  E.  Hoffmanns  Ausgaben  seine  Lesarten  ausgewählt, 
sonst  auch  die  neuesten  Werke,  J^Ieusels  Lexicon  Caesarianum,  Merguets 
Lexikon,    Gölers  Bürgerkrieg,    Stoffels  Histoire   de  Jules  C^sar,   Rud. 
Schneiders  Herda;  Nissens  Aufsatz  Der  Ausbruch  des  Bürgerkrieges  in 
von   Sybels  Historischer  Zeitschrift  XLIV   und  XLV  (1880  und  1881), 
Mommsens  Die  Rechtsfrage    zwischen  Caesar   und  dem  Senat,    Langes 
Römische  Altertümer,    sowie    ferner    manche  von  den  in  unseren  Zeit- 
schriften   enthaltenen  Besserungsvorschlägen    benutzt.     Man    sieht    ans 
dieser  Zusammenstellung,   dafs  der  englische  Herausgeber  —  mit  Aus- 
nahme des   allerdings  höchst  bedeutsamen  Werkes  Stoffels  —  lediglich 
auf  die  Arbeiten  deutscher  Gelehrter  angewiesen  gewesen  ist.    Eigene 
Vermutungen  hat  er  nicht  in  den  Text  gesetzt,  aber  im  Appendix  aus- 
gesprochen;  aufserdem  teilt  er  daselbst  eine  Anzahl  von  Emendationen 
mit,  welche  Dr.  Reid  ihm  hat  zugehen  lassen.    6,  3  schaltet  er  se  hinter 
passurum  ein,  nach  h,  weil  Caesar  nach  negare  niemals  das  Keflexivum 
weglasse;    7,  4  vermutet    Reid    tribunis    für    das    hdschr.    dona   und 
das  gewöhnlich  dafür  gesetzte  bona;    11,  2  schlägt  Peskett  selbst  vor 
si  peractis  consularibus  comitiis  non  profectus  esset,    was,    wenn   cons. 
com.  geschrieben  worden   war,    leicht    in  peracto  consulatu  hätte  über- 
gehen können;   er  schägfc  14,  1  vor  et  ad  pecuniam,  mit  Zufügung  von 
et;  16,  1  verteidigt  er  in  den  Noten  Firmo  in  derselben  Weise,  wie  ich 
es    immer    gethan    habe;    25,  3  möchte  Reid  ex  maritimis  lesen  st.  ab 
extremis,  und  27,  4  terraque  injecta  aequat  st.  terraque  inaequat;  32,  5 
scheint  Peskett    wegen    der  Variationen  der  Hdschr.    (non  postularent, 
alterorum  postularent)    zwischen  altere  und  postularent  ein  Wort  aus- 
gefallen zu  sein;  39,  2  glaubt  er,  es  sei  M  (mille)  hinter  hominum  weg- 
geblieben; 44,  4  hält  er,  unter  Beibehaltung  des  censuerant,  se  servare 
st.  des  blol'sen  servare  und  dimittere  st.  dimitti  für  ratsam;    55,  1  non 
ita  magnam  st.  des  hdschr.  quam  magnam  oder  des  von  Paul  dafür  ge- 
setzten permagnam;   62,  1  bringt  er  auch  im  Text  jam  rem  deduxerat 
st.     des     hdschr.     jam     reduxerat    rem     und     Pauls    jam     deduxerat 
rem,    weil   so    nach   seiner  Ansicht    die  Verschreibung  reduxerat  sich 
leichter    erklären    lasse;    63,  3  morari    iter    atque  impedire  st.  morari 
atque  iter  impedire;   69,  3  consilium  suum  summis  st.  des  hdschr.  con- 
silium  suum ;  78,  1  dierum  XII  st.  des  hdschr.  dierum  XXII  oder  Gölers 
dierum  VTII  und  Dinters  dierum  VII;  85,  9  ut  semper  fit,  sed  st.  Aldus' 
Verbesserung  ut  semper,    sed  st.  des  hdschr.  ut  semper  fit.  —  In  den 
erklärenden  Anmerkungen  ist  oben  nichts  Neues.    Zu  I,  64  giebt  er  an, 
dafs  in  praesentia  den  Ablativ  des  Substantivs,  nicht  den  Pluralis  des 
Neutrums  vom  Adjektivum  enthält;  er  hätte  hinzufügen  sollen,  dafs  es 
unter  den  gegenwärtigen  Umständen  bedeutet ,  ebenso  wie  in  bis  temporibus 
unter  den  obwaltenden  Zeitläuften  und  nicht  in  dieser  Zeit  sagen  will. 


, 


Caesar.  165 

C.  Julii  Caesaris  commentarii  de  bello  civili,  recensione  e  note 
di  Eusebio  Grarizio.     Torino,  Paravia  e  comp.  1891. 

Die  Ausgabe  macht  keinen  Anspruch  auf  kritische  Feststellung 
des  Textes,  sie  begnügt  sich  mit  der  dem  Verständnis  des  Anfängers 
am  meisten  entgegenkommenden  Auswahl  der  Lesarten  und  stimmt  an 
manchen  Stellen  mit  Dinter-Doberenz,  an  anderen  mit  Fr.  Hofmann 
(z.  B.  I,  80,  4  relictis  impcdimentis,  III,  25,  4  sive  ad  litora  Apolloniatium 
sive  ad  Labeatium  etc.)  überein.  In  den  Anmerkungen  überwiegen  die 
Worterklärungen,  welche  nur  wenig  Neues  bieten,  z.  B.  I,  33,  3  timoris 
causa,  raro  esempio  d'antico  classico,  dove  il  genitivo  con  causa  nou 
indica  la  causa  finale,  ma  il  motivo  esistente  in  luogo  deir  ablativo  solo 
0  deir  accusativo  con  ob  o  propter,  come  per  solito  si  usa.  —  Eine 
geographische  Karte,  sowie  eine  „Auswahl  der  Caesar  geläufigen  und 
eigentümlichen  Ausdrucks  weisen"  soll  den  Käufern  des  Buches  nach- 
geliefert werden;  mir  ist  beides  noch  nicht  zugegangen. 

Gai  Juli  Caesaris  de  bello  civili  commentariorum  I  edited  with 
Notes  and  Vocabulary  for  the  use  of  Schools  by  Malcolm  Montgomery, 
M.  A.,  London,  Macmillan  and  Co.   1891. 

Der  Text  dieses  zu  der  Sammlung  Elementary  Classics  gehörigen 
Buches  ist  lediglich  der  10.  Auflage  der  Kraner-Hofmannschen  Ausgabe 
entnommen;  aus  derselben  Quelle  sind  die  Einleitungen  über  Caesars 
Leben  und  die  römischen  Heereseinrichtangen  ausgezogen.  In  einer 
Schulausgabe  sollten  störende  Druckfehler,  wie  S.  7  gesserent  für  gesse- 
rint,  oder  gar  in  englischen  Wörtern,  wie  S.  64  the  mos  elementary 
für  most  etc.  nicht  vorkommen.  Die  dem  Text  angehängten  An- 
merkungen, durchaus  für  die  Schüler  berechnet,  könnten  in  ihrer  Kürze 
hier  und  da  bei  ihnen  Mifsverständnisse  hervorrufen;  so  4,  4  totum 
whoUy,  adverbial  use;  das  ist  doch  so  ausgedrückt,  als  wenn  totum  als 
Adverbium  gebraucht  werden  könnte;  zu  14,  1  Caesar  —  et  equites  — 
nuntiabantur  heilst  es:  The  personal  pass.  construction,  for  which  we 
use  the  impersonal;  sollte  das  nicht  in  dem  Schüler  die  Vorstellung  er- 
wecken, dafs  diese  Ausdi'ucksweise  bei  allen  lateinischen  Verben  an- 
wendbar, und  nicht  vielmehr  auf  die  verba  dicendi  etc.  beschränkt  ist? 
Wenn  gut  genug  für  englische  Schulen,  kann  ich  diese  Ausgabe  unseren 
Schulbuchherausgebern  zu  nützlicher  Kenntnisnahme  nicht  empfehlen. 

C.  Julii  Caesaris  commentarii  de  bello  civili.  Von  F.  Ramorino 
in  der  Bibliotheca  scriptorum  Graecorum  et  Romanorum  Hoepliana, 
Mailand,  Hoepli  1893. 

Der  Herausgeber  hat,  wie  er  in  der  Vorrede  angiebt,  sich  bemüht, 
für    die  Schule    einen  verständlichen  Text  herzustellen,    dabei  die  Ver- 


166  Caesar. 

besserungen  der  Kritiker  bis  anf  die  neueste  Zeit,  aus  der  er  Meusel 
und  Paul  namhaft  macht,  berücksichtigend  und  eigene  Änderungen  nicht 
vorbringend.     Dem  Text  geht  eine  kurze  historische  Einleitung  voran. 

Bellum  Alexandriunm. 

In  den  Blättern  für  das  bayer.  Gymnasialschulwesen  XXVI  Jahr- 
gang S.  393—400  und  511—523  setzt  Heinr.  Schiller  seine  Unter- 
suchungen „Vom  Ursprung  des  Bellum  Africanum"  weiter  fort,  dabei 
zeigend,  dafs  im  Gebrauch  einzelner  Wörter,  wie  des  Relativs,  des 
Pronomens  hie,  der  Konjunktionen  cum,  ubi  etc.  sich  kaum  ein  Unter- 
schied zwischen  B.  Gall.  VIII  und  B.  Alex,  findet,  und  dafs  nur  der 
Abschnitt  des  letzteren  über  Alexandria,  Kap.  1 — 32,  z.  B.  in  der  An- 
wendung von  cum  und  atque  eine  Sonderstellung  einnimmt,  „als  die 
eigentliche  Heimstätte  der  Abweichungen  von  lib.  VIII."  Die  Erzählung 
von  den  spanischen  Unruhen,  B.  Alex.  48—64,  hat  Landgraf  bekannt- 
lich auf  einen  Bericht  des  Asiuius  Pollio  zurückzuführen  versucht; 
Schiller  weist  diese  Vermutung  ab,  indem  er  an  den  von  jenem  Kritiker 
angeführten  Fällen  zu  zeigen  unternimmt,  dafs  in  den  angegebenen 
Kapiteln  des  B.  Alex,  weder  ein  Archaismus  noch  ein  Vulgarismus  zu 
finden  sei.  Er  schliefst:  „Die  bisherigen  Versuche,  dieses  Buch  dem 
Hirtius  ganz  oder  teilweise  abzusprechen,  sowie  die  Bestrebungen,  den 
Auetor  B.  Afric.  mit  der  Entstehung  desselben  in  nähere  Verbindung 
zu  bringen,  sind  nicht  von  Erfolg  begleitet  gewesen".  Es  darf  jedoch 
dabei  nicht  verschwiegen  werden,  dafs  der  Verfasser  es  für  nicht  möglich 
erklärt  hat,  in  seiner  Abhandlung  alle  Beweise  Landgrafs  zu  besprechen. 

Im  Philologus  1891  hat  Widmann  eine  Abhandlung  über  den 
Verfasser  des  bellum  Africanum  veröffentlicht:  dieser  Gelehrte  weist 
Landgrafs  und  Wölfflins  Annahme  der  Autorschaft  PoUios  aus  sachlichen 
Gründen  zurück;  nach  ihm  ist  der  Verfasser  des  Tagebuchs  über  den 
afrikanischen  Feldzug  ein  Angehöriger  der  V.  Legion  gewesen,  mit  der 
Pollio  in  keinem  Zusammenhang  gestanden  hat. 

Erläuterungsschriften. 

Caesar's  Expeditions  to  Britain  von  Henry  Elliot  Maiden  in 
The  Journal  of  Pliilology,  Vol.  XIX  No.  38. 

In  Vol.  XVII  dieser  Zeitschrift  hatte  derselbe  Gelehrte  geäufsert, 
dafs  Sir  George  Airy  „wissenschaftlich  die  Unmöglichkeit  der  Landung 
Caesars  bei  Deal  "nachgewiesen  habe;  ich  selbstbin,  trotz  Airys  Auseinander- 
setzungen (Athenaenm  1851.  1859.  Archaelogia  1852,  1862),  für  Deal 
eingetreten  (Zeitschr.  für  allg.  Erdkunde  1856,  Philol.  1867).  Als  Ab- 
fahrtsort nahm  Maiden  nur  für  das  erste  Mal  Wissant  au,  als  Landungs- 


Caesar.  167 

platz  Romney  Marsh.  Gegen  diesen  Aufsatz  wies  Ridgeway  in  Vol.  XIX 
No.  37  nach,  dafs  Caesar  beide  Male  aus  demselben  Hafen  und  zwar  aus 
Wissant  abgefahren  sei;  als  Landungsplatz  nahm  er  dagegen  Pevensey, 
fast  7  deutsche  Meilen  westsüdwestlich  von  Komnej'^  Marsh  an.  In  der 
oben  angefühlten  Abhandlung  giebt  Maiden  zu,  dafs  Caesar  beide  Male 
aus  demselben  Hafen  ausgefahren  sein  wird;  dafs  es  Wissant  gewesen 
sei,  glaubt  er,  sei  schon  dadurch  entschieden,  dafs  William  of  Poictiers 
und  William  of  Jumieges  kurz  nach  der  normannischen  Eroberung  von 
einem  und  demselben  Orte  sprechend,  der  eine  portus  Jcius,  der  andere 
portus  Wissanti  schreiben.  Bei  dieser  Abfahrt  hält  er  es  jedoch,  wegen  der 
Entfernung,  nicht  für  möglich,  dafs  Caesar  bei  Pevensey  gelandet  sein  könne. 

Caesar's  Invasion  of  Britain  von  William  Ridgeway  in  The 
Journal  of  Philology,  Vol.  XIX  No.  38. 

Der  Verfasser  sucht  zu  zeigen,  dafs  Caesar,  von  Wissant  aus- 
laufend, etwa  bis  South  Foreland  gelangt,  bei  angestrengter  Arbeit  der 
Ruderer  in  der  angegebenen  Zeit  recht  wohl  Pevensey  habe  erreichen 
können,  dabei  die  Ziffern  in  den  Kommentarien  und  bei  Strabo  unan- 
gefochten lassend,  gegen  welche  Maiden  Zweifel  erhoben  hat.  In  dem 
ganzen  Streit  zwischen  beiden  Gelehrten  handelt  es  sich  nur  um  die 
Leistung  der  Ruderer,  über  welche  die  Ansichten  beider  weit  ausein- 
andergehen. Am  Schlufs  seines  langen  Aufsatzes  (S.  200 — 210)  sagt 
Ridgeway  jedoch,  dafs  es  höchst  unwissenschaftlich  sein  würde  mit  Be- 
stimmtheit zu  versichern,  dafs  irgend  eine  gewisse  Stelle  der  Platz  der 
Landung  Caesar  gewesen  sei.  Ich  meinerseits  glaube  daher  an  Wissant- 
Deal  festhalten  zu  können. 

Heinr.  Schiller  wirft  in  den  Blättern  für  das  bayer.  Gymnasial- 
Schulwesen,  Jahrgang  XXVII  S.  119,  dem  von  Raimund  Öhler  heraus- 
gegebenen Bilder-Atlas  zu  Caesars  Büchern  de  b.  Gall.  vor,  dafs  er  zu 
seinen  Abbildungen  nicht  immer  die  besten  Originale  ausgewählt  habe, 
und  dafs  namentlich  der  Taf.  I  No.  5  abgebildete  Signifer  auch  nach 
Lindenschmits  Urteil  geradezu  eine  Karikatur  sei;  er  bestreitet  ferner 
die  Annahme  Öhlers,  dafs  die  Gallier  für  ihre  Schwerter  vom  Gebrauch 
des  Eisens  zur  Bronze  zurückgekehrt  sein  sollten;  er  behauptet,  dafs 
die  im  Atlas  abgebildeten  Schwerter  nicht  aus  dem  Zeitraum  von  Caesars 
Invasion  stammen.  Schliefslich  empfiehlt  jedoch  auch  er  das  Buch  den 
Erklärern  Caesars  und  gesteht,  viel  Interessantes  darin  gefunden  zu  haben. 

Colonel  Stoffel,  Guerre  de  Cesar  et  d'Arioviste  et  premieres 
Operations  de  Cesar  en  Tan  702.  164  p.  in  —  4^.  Avec  2  cartes  et 
5  plans.     Imprimerie  nationale.     Pr.  30  Francs, 

Durch  die  Berechnung  der  von  Caesars  Legionen  sieben  Tage 
hintereinander  und  ohne  Unterbrechung  ausgeführten  Märsche,  für  welche 


168  Caesar. 

man  täglich  nicht  mein-  als  27  Ivilouaeter  ansetzen  düi-fe,  wie  durch 
genaue  Besichtigung  des  Terrains  ist  der  Oberst  dazu  gelangt,  als  fest- 
stehend anzunehmen,  dal's  die  römischen  Truppen,  von  Besanron  auf- 
brechend, auf  ihrem  Umwege  um  den  nördlichen  Vorsprung  des  Jura 
über  Voray,  Rioz  Vallerois-le-Bois,  Villersexel  und  Arcey  und  ihrem 
geraden  IMarsche  über  Beifort  und  Cernay,  am  siebenten  Tage  an  der 
Fecht  anlangten  und  nördlich  von  Kolmar  zwischen  Gemar  und  Ostheini 
lagerten;  Ariovist  befand  sich  zuerst  etwa  zwischen  Germersheim  und 
Pelz  (nicht,  wie  Goeler  angegeben  hatte,  im  Württembergischen,  was 
wegen  der  Entfernung  Stoffel  für  unmöglich  erklärt),  sodann  als  er  näher 
an  Caesar  herangerückt  war,  zwischen  Eosheim  und  Dorlisheira,  an  der 
Brüche;  die  Zusammenkunft  beider  Feldherren  fand  auf  dem  Hügel  von 
Plettig  statt.  Zwei  Tage  darauf  setzte  Ariovist,  dem  der  Oberst  das 
Zeugnis  giebt,  ein  vortrefflicher  Taktiker  gewesen  zu  sein,  sich  am 
Fufs  der  Vogesen  an  dem  Giefsen  bei  Kestenholz  fest;  sodann 
marschierten  die  Germanen  durch  die  Berge,  wo  sie  nicht  angegriffen 
werden  konnten,  über  Kinzheim,  Saint-Pilt,  Bergheim  und  Rappolts- 
weiler  und  nahmen  Stellung  auf  den  östlichen  Abhängen,  welche  sich 
von  Zellenberg  bis  Bennweier  erstrecken.  Das  kleine  Lager,  durch 
welches,  nach  dieser  Umgehung  seines  groisen  Lagers  durch  die 
Germanen,  Caesar  seine  Verbindung  mit  den  Sequanern  und  den  Aeduern 
wiederherstellte,  setzt  Stoffel  entweder  auf  dem  Bühl  genannten  Hügel, 
in  der  Nähe  von  Bennweier  und  der  Weifs,  oder,  was  er  für  wahr- 
scheinlicher hält,  auf  dem  in  die  Ebene  der  Fecht  auslaufenden  Berg- 
vorsprung bei  Bebeinheim  an.  Die  Schlacht  fand  nach  seiner  Ansicht 
in  eben  dieser  Ebene,  am  Fufs  der  Anhöhen  von  Mittelweier,  Bebeln- 
heim  und  Zellenberg  statt,  obgleich  er  diese  Annahmen  durch  Nach- 
grabungen bisher  nicht  hat  stützen  können.  JNachträglich  wird  hier 
aber  die  Aufzählung  der  Funde  beigebracht,  welche  den  Verfasser  be- 
stimmt haben,  das  Schlachtfeld  des  Krieges  gegen  die  Helvetier  bei 
Montmort  festzusetzen;  er  giebt  aufserdem  den  Marsch  der  Helvetier 
und  Caesars,  sowie  die  Daten  der  verschiedenen  Vorgänge,  ferner  die 
Zahl  der  Kämpfer  und  der  Überlebenden  nach  einer  etwas  anderen 
Schätzung,  als  er  es  früher  in  der  Guerre  civile  gethan  hatte,  an.  Es  folgt 
sodann  eine  ausführliche  Schilderung  der  eigentümlichen  Kämpfe  des 
römischen  Feldherrn  mit  den  Germanen.  Trotz  der  Bestimmtheit  der 
Behauptungen  des  Obersten  darf  man  seine  Ortsangaben  im  Germanen- 
kriege, weil  sie  eben  noch  nicht  durch  materielle  Anzeichen  begründet 
sind,  wie  einleuchtend  er  sie  sonst  auch  zu  machen  weils,  vorläufig  nur 
noch  als  mutmafsliche- Annahmen  ansehen;  zwei  gröfsere  Karten  und 
ein  kleinerer  Plan  machen  übrigens  seine  Darstellung  völlig  deutlich. 
Einen  ziemlich   gi'ofsen  Teil   des  Buches    nimmt    die  Schilderung  der 


Caesar,  169 

gallischen  und  der  germanisclieu  Zustände  ein,  meistenteils  ein  über- 
flüssiger Auszug  aus  den  Kommentarien,  eine  Umschreibung  ihres 
Inhalts  mit  Zusätzen  aus  der  allgemeinen  Geschichte  der  Kelten  und 
der  Germanen,  wohl  eher  für  das  gröfsere  Lesepublikum  als  für  den 
Geschichtsforscher  berechnet.  Ob  die  Schlacht  bei  Magetobria  (Mageto- 
briga),  wie  Napoleon  I  im  Precis  annimmt,  bei  Pontailler  vorgefallen 
sei,  läfst  er  fraglich,  ohne  auf  die  anderen  Versuche,  den  Ort  zu  be- 
stimmen, einzugehen,  aber  wegen  Cic.  ad.  Att.  I,  19  verlegt  er  das 
TreÖ'en  in  das  Jahr  G94,  nicht  693,  wie  in  manchen  Geschichtsbüchern 
angegeben  wird.  Die  auf  S.  75 — 138  folgenden  Explications  et  remarques 
sollen  einzelne  Teile  der  vorangehenden  Erzählung  rechtfertigen  und 
aufserdem  einige  Betrachtungen ,  welche  der  Text  der  Kommentarien 
dem  Obersten  aufgedrängt  hat,  beibringen.  So  bezweifelt  er,  trotz  des 
Ausdruckes  Eodem  die,  48,  1,  die  Möglichkeit,  dafs  die  Abschickung  der 
Gesandten  von  Ariovist,  die  Absendung  des  Procillus  au  diesen  und  der 
erste  Marsch  der  Germanen,  der  28  Kilometer  betrug,  an  einem  und 
demselben  Tage  hätten  stattfinden  können;  die  "Worte  37,  3  qui  Rhenum 
transire  conarentur  will  er  nicht  übersetzt  haben,  welche  beabsichtigten 
oder  bereit  wären,  über  den  Rhein  zu  gehen,  er  meint,  die  Worte 
Caesars  schlössen  notwendig  schon  einen  Anfang  der  Ausführung  in  sich 
und  müfsten  aufgefafst  werden,  welche  es  unternähmen  etc.  Nach  den 
im  Auftrage  Napoleons  III.  vorgenommenen  Messungen  des  Obersten 
Stoffel  liest  man  jetzt  38,5  pedum  MDC  statt  DC;  nur  Thomann  hat 
gegen  diese  Änderung  Einspruch  erhoben;  der  Oberst  giebt  ihm  jetzt 
Recht,  da  Caesar  durch  reliquum  spatium  hat  bezeichnen  wollen, 
nicht  die  Breite  der  Basis  des  Berges  von  einer  Uferstelle  bis  zur 
entgegengesetzten  (oder  anders  ausgedrückt,  nicht  die  Breite  des  Terrains 
der  Enge,  welche  der  sich  krümmende  und  fast  an  denselben  Ort  zurück- 
kehrende Lauf  des  Flusses  bildet),  sondern  vielmehr  das  auf  der 
Mitte  des  Berges  befindliche  Plateau,  als  den  einzigen  Punkt,  von  dem 
aus  die  Stadt  hätte  angegriffen  werden  können ,  ein  Plateau ,  dm-ch 
welches  man  in  die  Stadt  gelangt,  und  aus  dem  die  Gallier  eine  Festung 
gemacht  hatten,  es  mit  einer  Ringmauer  umgebend;  dies  Plateau  ist  in 
der  That  ungefähr  600  Fufs  breit.  Stoffel  fügt  sogar  aufserdem  hinzu, 
dafs  die  Alten  nicht  das  Mittel  kannten,  die  Breite  eines  Berges  von 
einer  Stelle  der  Basis  desselben  bis  zu  der  gegenüberliegenden  zu 
messen.  Der  auf  S.  48  eingeschaltete  Plan  von  Vesontio  verdeutlicht 
diese  Auseinandersetzung.  Völlig  überzeugend  ist  übrigens  die  Dar- 
legung, durch  welche  Stoffel  nachweist,  wie,  unter  Annahme  des  von 
ihm  bezeichneten  Terrains,  Caesar  es  ruhig  mitansehen  mufste,  dafs  seine 
Verbindung  mit  den  Aeduern  und  den  Sequanern  abgeschnitten  wurde, 
und  warum  er,  trotz  des  in  seiner  Nähe  ausgeführten  Flankenmarsches 


170  Caesar. 

Ariovists  gänzlich  unthätig  blieb,  was  sich  nach  der  Meinung  des 
Obersten  nur  bei  dem  von  ihm  nachgewiesenen  Marsch  der  Germanen 
über  die  Bergabhänge  erklären  läfst,  so  dafs  der  römische  Feldherr  den 
ihm  von  Militärschriftstellern  deshalb  gemachten  Vorwurf  nicht  verdient. 
Nach  der  Berechnung  des  Verfassers  hat  die  Schlacht  gegen  die 
Helvetier  am  29.  Juni,  die  Schlacht  gegen  Ariovist  am  14.  September 
stattgefunden;  auf  den  18.  September  fiel  der  Neumond.  Den  Ober- 
befehl über  die  einzelnen  Legionen  hatte,  nach  Stoffels  Ansicht,  der 
erste  Soldatentribun;  der  Legat  oder  Quästor  sollte  nur  Zeuge  des 
Verhaltens  der  Soldaten  sein ;  bei  detachierten  Heeresabteilungen,  denen 
besondere  Unternehmungen  anvertraut  wurden,  führte  jedoch  der  an  die 
Spitze  gestellte  Legat  oder  Quästor  den  Oberbefehl.  Die  Centurionen 
vergleicht  er  mit  den  jetzigen  Kompagnieführern;  der  primipilus  entsprach 
etwa  dem  Bataillonskommandeur.  Die  dritte  Linie  erklärt  er,  trotz  der 
Ausnahme,  welche  die  Schlacht  bei  Pharsalus  darin  macht,  nicht,  wie 
Rüsch,  Goeler  und  Rüstow,  für  eine  allgemeine  Reserve,  sondern  die 
Kohorten  derselben  standen  nach  seiner  Annahme  zur  Verfügung  der 
an  der  Spitze  einer  oder  mehrerer  Legionen  stehenden  Legaten, 
Gleichwohl  glaubt  er,  entgegen  der  Ansicht  Goelers,  dafs  Crassus  in 
der  Schlacht  an  der  Pecht  dem  bedrängten  linken  Flügel  nicht  blofs 
die  Reserve  des  Centrums  und  eines  Flügels,  sondern  die  allgemeine 
Reserve  zu  Hülfe  geführt  habe,  hier  den  Ausdruck  r^serve  generale 
gebrauchend,  den  er  an  anderer  Stelle  verwirft;  diese  Annahme  ist  wohl 
wegen  der  Gröfse  der  Entfernungen  und  der  Dringlichkeit  der  Lage, 
schwerlich  gerechtfertigt,  auch  wenn  Caesar  der  Kürze  wegen  schlecht- 
hin tertiam  aciem  sagt,  womit  er  hier  wohl  nur  die  Abteilungen  der- 
selben, welche  hinter  dem  bedrängten  linken  Flügel  der  Römer  standen, 
meinen  kann.  Merkwürdigerweise  will  der  Oberst  es  für  einen  ein- 
gewurzelten Irrtum  ansehen,  dafs  die  Franzosen  für  eine  lateinische 
Rasse  gelten,  und  dafs  die  französisclie  Sprache  von  dem  Lateinischen 
abgeleitet  werde;  er  meint  im  Gegenteil,  dafs  viele  römische  Wörter, 
besonders  die  auf  den  Ackerbau  bezüglichen,  durch  die  Einfälle  der 
Gallier  in  Italien  aus  dem  Keltischen  in  das  Lateinische  übergegangen 
seien;  wenn  er  auch  recht  haben  sollte  in  seinem  Vergleich  des  Charakters 
der  Gallier  mit  dem  der  Franzosen,  so  bleibt  es  doch  im  philologischen 
Sinne  geradezu  abenteuerlicb,  nach  rein  ethnographischen  Betrachtungen 
dem  Französischen  seinen  lateinischen  Ursprung  absprechen  zu  wollen. 
Ungeachtet  einzelner  von  mir  erhobener  sachlicher  Bedenken  und  einer 
Ausstellung,  welche  man  an  der  Form  machen  könnte,  die  infolge  der 
vom  Verfasser  gewählten  Disposition  an  zahlreichen  Wiederholungen 
leidet,  ist,  nach  meiner  Auffassung,  das  W^erk  Stoffels  dennoch  die  ein- 
gehendste und  gründlichste  Erklärung,    welche   über  irgend  einen  Teil 


Caesar.  171 

der  Kommentarien  verfafst  worden  ist.  Wie  man  aus  einem  einge- 
schalteten Abschnitt  sieht,  hat  der  Verfasser  bei  der  Ausarbeitung 
seines  Buches  vorzüglich  an  die  Belehrung  jüngerer  Offiziere  gedacht, 
welchen  er,  neben  anderen  Schriften,  die  Kommentarien  angelegentlich 
empfiehlt,  und  für  die  ein  volles  Verständnis  derselben  allerdings  auch 
eher  zu  erwarten  ist  als  für  Tertianer  eines  Gymnasiums. 

Ein  zur  eigentlichen  Hauptaufgabe  des  Verfassers  nicht  gehöriger 
Anhang  behandelt  die  Anfänge  des  Feldzugsjahres  702;  er  will  hier 
einige  von  allen  seinen  Vorgängern  begangene  Irrtümer  berichtigen. 
Ihm  zufolge  konzentrierte  Caesar  seine  Legionen  nicht  in  Agedincum, 
sondern  im  Lande  der  Lingonen,  etwa  in  Chätillon-sur-Seine,  als  einem 
zwischen  Agedincum  und  dem  Gebiete  der  Trevirer  gelegenen  Punkte; 
sodann  marschierte  er  mit  dem  vereinigten  Heere  nach  Agedincum.  Diese 
Auffassung  hat  jedoch  den  Übelstand,  dal's  die  in  dem  letzteren  Ort 
stehenden  Legionen  nutzlos  erst  in  das  Land  der  Lingonen  marschiert 
sein  würden,  um  von  da  wieder  nach  Agedincum  zurückzu- 
gehen. Wenn  Caesar  VII,  9,  5  sagt  ad  reliquas  legiones  mittit,  so 
liegt  darin  keinesweges ,  dals  er  auch  den  in  Agedincum  liegenden 
Legionen  den  Befehl  erteilt  habe,  bis  in  das  Land  der  Lingonen  zu 
ihm  zu  stofsen;  es  genügte,  diesen  die  Weisung  zukommen  zu  lassen, 
sich  marschfertig  zu  halten ;  es  ist  noch  nicht  einmal  gewifs,  dafs  Caesar 
mit  den  aus  dem  Lande  der  Trevirer  und  dem  Lande  der  Lingonen  zu- 
sammengezogenen HeeresabteiluDgen  bis  Agedincum  vorgegangen  sein 
mul's;  er  kann  den  in  dieser  Stadt  befindlichen  Legionen  aufgegeben 
haben,  mit  Zurücklassung  zweier  von  ihnen  und  des  Gepäcks,  ihn  an 
irgend  einer  Stelle  seines  Marsches  zu  erw'arten  oder  anzutreffen  —  er 
sagt  deshalb  hier  auch  nur  in  unum  locum  —  und  das  um  so  mehr,  als 
es  unter  den  von  ihm  geschilderten  Umständen  ihm  hauptsächlich  auf 
Schnelligkeit  seiner  Unternehmungen  ankommen  mufste.  Vellaunodunum, 
auf  welches  Caesar  in  gerader  Linie  von  Norden  nach  Süden  losgeht, 
sucht  Stoffel  nicht  in  Ladon  oder  in  Chäteau  Landen,  auch  nicht  mit 
Napoleon  III.  in  Triguieres  an  der  Ouanne,  sondern  in  Toncy  an  der 
Ouanne,  ohne  dals  wenigstens  bis  jetzt  Bodenuntersuchungen  seine  als 
gewifs  ausgesprochene  Vermutung  bestätigt  hätten;  dann,  sich  von  dem 
Wege  zu  den  Bojern,  der  ihn  auf  Nevers  zu  führte,  abwendend,  rückt 
der  römische  Feldherr  gegen  Genabum  (Gien)  vor;  altero  die  in  71,1 
kann,  nach  des  Obersten  Meinung,  wegen  der  Entfernung  nicht  am 
folgenden  Tage,  sondern  mufs  alsdann  am  zweitfolgenden  Tage  oder  in 
zwei  Tagemärschen  bedeuten;  und  eben  diese  Bedeutung  legt  er  dem 
nur  noch  einmal  bei  Caesar  in  VII,  69,  2  vorkommenden  Ausdi'uck  bei, 
weil  von  dem  nach  seiner  Behauptung  ganz  unbestreitbaren  Schlachtfelde 
an    der  Vingeanne    die    römische    Armee    nur    in    zwei    Tagemärschen 


172  Caesar. 

Alesia  eiTeiclien  konnte,  während  ich  gerade  wegen  dieses  altero  die 
früher  die  Annahme  des  Schlaciitfeldes  an  der  Vingeanne  nicht  für  gut 
möglich  erklärt  hatte.  Der  Oberst  Stoffel  ist  jetzt  unstreitig  der  be- 
rufenste Ausleger  der  Kommentiu'ien;  auch  diese  seine  Auseinander- 
setzungen verdienen  daher,  ungeachtet  der  eben  von  mir  vorgebrachten 
Einwendungen,  die  sorgfältigste  Beachtung  aller  künftigen  Forscher. 

Im  Rheinischen  Museum  1892  ist  von  E.  Schmidt  die  Abhandlung 
Der  Ausbruch  des  Bürgerkrieges  im  Jahre  49  v.  Chr.  erschienen;  der 
Verfasser,  Ciceros  Briefe  als  die  wichtigste  Quelle  für  die  Streitfrage 
ansehend,  unterstützt  Nisseüs  Ansicht  (in  Sybels  Historischer  Zeitschrift, 
Bd.  44  und  46). 

Heerwesen. 

Dr.  Franz  Fröhlich,  Das  Kriegswesen  Caesars  III.  Teil  2  (Schlufs) : 
Gebrauch   und  Führung  der  Kriegsniittel.     Zürich,    Schulthess  1891. 

Der  Verfasser  behandelt  hier  die  Gefechtsleitung  und  unterzieht 
das  Verhalten  Caesars  in  den  wichtigsten  Schlachten  einer  eingehenden 
Kritik;  vom  2.  Kriegsjahre  an  kann  er  ihm  auch  ein  recht  günstiges 
Zeugnis  ausstellen.  In  den  folgenden  Abschnitten  werden  die  Offensiv- 
und  Defensivschlacht,  die  Seeschlacht,  die  Märsche,  die  Flufsübergänge 
besonders  besprochen;  in  dem  letzten  dieser  Kapitel  bekommt  Frfihlicli 
es  natürlich  auch  mit  der  liheinbrücke  zu  thun;  „als  Nichttechniker 
mafst  er  sich  nicht  an,  den  vielen  schon  vorgebrachten  Lösungen 
eine  neue  hinzuzufügen";  obgleich  er  meine  Bemühungen  um  die  Er- 
klärung des  Brückenbaues  anerkennt,  befriedigt  ihn  doch  am  meisten 
die  von  Menge  Philol.  XLIV  vorgetragene  Auffassung,  die  er  wiedergiebt, 
ohne  sich  zu  erinnern,  dafs  ich  dieselbe  Philol.  Siippl.  V  386  ausführ- 
lich widerlegt  habe;  so  kommt  er  denn  auf  den  von  mehreren  Erklärern 
begangenen  Irrtum  zurück,  dafs  utraque  und  utrimque  in  einem  und  dem- 
selben Satze  eine  und  dieselbe  Beziehung  gehabt  haben  sollen,  —  eine 
Wiederholung,  die  in  einem  Schüleraufsatze  unstatthaft,  und  deren  Be- 
schuldigung schon  für  einen  geringeren  Schriftsteller  als  Caesar  geradezu 
beleidigend  sein  würde;  utrimque  ab  extrema  parte  ist  doch  deutlich 
genug  soviel  wie  et  ab  exteriore  et  ab  interiore  parte  und  bildet  gerade 
80  ausgedrückt  den  besten  Gegensatz  zu  der  hier  nicht  angewendeten, 
sonst  aber  üblichen  Durchschlagung  der  fibulae  per  media  tigna;  extremus 
wird  aber,  sei  es  rechts  oder  links,  östlich  oder  westlich,  im  Gegensatz 
zu  medius  gebraucht.  Die  letzten  Kapitel  handeln  vom  Lager,  von  den 
Feldbefestigungen,  vom  Festungskrieg  und  von  der  Strategie;  „während 
Caesar  in  taktischer  Beziehung  als  Feldherr  nur  hier  und  da  selbst- 
thätig  eingriff,  war  er  in  Beziehung  auf  den  strategischen  Teil  der 
Kriegsführung  sein  eigener    und    alleiniger  Generalstabschef".     In  der 


Caesar.  173 

Beschreibung  des  Turmbaues  vor  Massilia  folgt  Fröhlich,  wenn  auch 
in  anderer,  ich  weifs  nicht  woher  entlehnter  Fassung-,  der  von  mir 
Philol.  Suppl.  V  gegebenen  Auseinandersetzung. 

Lexika. 

A  complete  lexicou  of  the  Latinity  of  Caesar's  Gallic  war  by 
E.  G.  Sihler.     Boston  Unit.    Stat.  Amer.  Ginn  et  Co.  1891.    188  S. 

Unabhängig  von  Merguet  und  Meusel,  wie  der  Verfasser  behauptet, 
schliefst  sich  dies  "Wörterverzeichnis  der  7  von  Caesar  selbst  verfafsten 
Bücher  an  Holders  Index  an;  für  Kritik  und  Erklärung  hat  er  nach 
der  Vorrede  Kraners  Ausgabe  und  meine  Berichte  im  Philol.,  auch,  wie 
man  aus  einzelnen  Anführungen  ersieht,  Pauls  Aufsätze  benutzt.  Die 
Wörter  haben  jedesmal  die  für  die  verschiedenen  Stellen  geeignete 
englische  Übersetzung,  die  Sätze  sind  in  den  hauptsächlichsten  Fällen 
kurz  beigefügt.  Die  unsicheren  Lesarten  werden  durch  ein  Zeichen 
angedeutet,  z.  B.  VII,  74,  1  ejus  discessu,  ohne  Angabe  der  versuchten 
Besserung;  si  ita  accidat,  ebenda,  fehlt  ganz.  Nur  selten  bringt  der 
Verfasser  zwei  Lesarten  bei;  so  salutem  sibi  reppererunt  (or  pepererunt, 
dies  letztere  aus  Nipperdeys  Ausgabe)  I,  53,  2.  Zum  Nachschlagen  ge- 
suchter Ausdrucksweisen  ausreichend. 

Prof.  Dr.  A.  Procksch,  Dir.  des  Herzogl.  Gymn.  in  Eisenberg, 
Anleitung  zur  Vorbereitung  auf  Caesars  Gallischen  Krieg,  Leipzig, 
Teubner  1890.     I.  Bändchen,  Buch  I— III. 

Der  Verfasser  giebt,  Satz  für  Satz,  sachliche  und  besonders  sprach- 
liche Erläuterungen,  welche  zum  Verständnis  und  namentlich  zu  einer 
passenden  Übersetzung  anleiten  sollen,  darunter  vieles,  was  der  Schüler 
sich  auch  ganz  gut  aus  dem  Wörterbuch  entnehmen  kann,  dessen  Ge- 
brauch bei  Benutzung  dieser  Prockschen  Präparation  fast  überflüssig 
gemacht  wird,  eine  Erleichterung,  die  ihm  zwar  Zeit  erspart,  aber  in 
gleichem  Mafse  seine  Selbstthätigkeit  verringert.  Es  ist  sogar  Gefahr 
vorhanden,  dafs  er  glaubt,  was  ihm  überall  so  bequem  ent^gengebracht 
wird,  brauche  dem  Gedächtnis  nicht  eingeprägt  zu  werden;  sicherlich 
behält  er  fester,  was  er  sich  selbst  herauszusuchen  bemüht  gewesen  ist. 
Ich  wünsche  stets  die  Besprechung  solcher  lediglich  pädagogischen 
Zwecken  dienenden  Schriften  auch  in  wissenschaftlicher  Beziehung  nutzbar 
zu  machen.  Zu  I,  14,  3  schreibt  Procksch:  „eo  invito,  gegen  seinen 
(Caesars)  Willen",  und  vorher:  „die  Sätze  mit  quod  geben  die  That- 
sachen  an ,  in  welchen  die  Beleidigungen  (besser  wohl  die  Gewaltthätig- 
keiten)  bestehen".  Der  Ausdruck  eo  invito  befindet  sich  in  einer  indirekt 
wiedergegebenen  Bede  Caesars;  in  einem  anderen  abhängigen  Satze  I,  8,  2 
heifst  es  dagegen  quo  facüius,  si  se  invito  transire  conarentur,  prohibere 


174  Caesar. 

possit.  Warum  hier  se  und  dort  eo  gebraucht  wird,  darüber  kann  der 
Schüler  auf  die  von  Procksch  aufgeworfene  Frage:  „also  entspricht  eo 
welcher  Person  der  direkten  Rede?"  nicht  genügende  Auskunft  geben 
oder  erhalten.  In  8,  2  gehört  se  invito  zu  Caesars  eigener  (subjektiven) 
"Willensäufserung;  in  14,  3  enthält  quod  eo  invito  iter  —  teraptassent 
den  (objektiven)  Thatbestand  der  recentiura  iujuriarum,  ein  Thatbestand, 
der  etwa  auch  so  hätte  ausgeführt  werden  können:  quae  in  eo  positae 
essent,  quod  Caesare  invito  iter  —  teraptassent.  Eine  Bemerkung  dieser 
Art  habe  ich  in  den  rait  Erklärungen  versehenen  Ausgaben  vermifst. 

Einen  ähnlichen  Zweck,  nämlich  den  Schülern  der  mittleren  Klassen 
die  Präparation  zu  erleichtern,  oder  im  vorliegenden  Fall  ganz  abzu- 
nehmen, verfolgt  die  Präparation  zu  Caesars^  Gallischem  Kriege  von 
Fritz  und  Julius  Ranke,  Hannover,  Norddeutsche  Verlagsanstalt  0.  Goedel 
1887.  Die  Wörter  sind  mit  ihrer  Ableitung  und  der  gerade  passenden 
Bedeutung  angegeben,  so  dafs  die  Hülfe  des  Lexikons  völlig  entbehrt 
werden  kann.  Wenn  die  Schüler  die  im  Französischen  und  im  Griechi- 
schen den  lateinischen  Vokabeln  entsprechenden  Wörter  des  Anhangs 
sich  einprägen  sollten,  würden  sie  einigen  Vorgeschmack  der  vergleichen- 
den Sprachkunde  empfangen;  ohne  dazu  angehalten  zu  werden,  möchten 
sie  aber  wohl  schwerlich  von  dieser  Abteilung  des  Buches  Gebrauch 
machen.  Nach  meiner  langjährigen  Erfahrung  haftet  im  Gedächtnis 
nur,  was  durch  eigene  Arbeit  erworben  wird,  ich  werde  jedoch  einer 
entgegengesetzten  Erfahrung  nicht  widersprechen. 

Dr.  Otto  Eichert,    Schulwörterbuch    zu    den  Kommentarien    des 
Cajus  Julius  Caesar  vom  GaDischen  Kriege.     Mit    einer    Karte   von 
Gallien.     Siebente  revidierte  Auflage.     Breslau,  Kerns  Verlag  1891. 
In  dieser  neuen  Auflage  sind  auch  die  vom  Kraner-Dittenbergschen 
Text  abweichenden  Lesarten  der  Ausgaben  von  Dinter  und  Holder  be- 
rücksichtigt worden.    Ein  besonders  für  einen  Schriftsteller  berechnetes 
Wörterbuch    soll    dem   Schüler  Winke    zu    passender  Übersetzung   der 
verschieden A  Stellen  geben.    So  hätte  denn  unter  intermittere  angeführt 
werden  können,  dafs  I,  38,  5  qua  liumen  intermittit  am  besten  übersetzt 
wird,  wo  der  Fhils  einen  Zwischenraum  lälst;  und  dais  I,  50,  1  instituto 
SUD,  mit  Baumstark  und  Stoffel,  verstanden  werden  mul's,  nach  seinem 
vorhergefafsten  Plan. 

Les  Noms  gaulois  chez  Cesar  et  Hirtius  par  H.  d'Arbois  de 
Jubainville,  Membre  de  l'Institut,  avec  la  collaboration  de  E.  Ernault 
et  G.  Dottin.  .  Premiere  serie,  les  composes  dont  rix  est  le  dernier 
terrae.     Paris,  I^mile  Bouillon  1891. 

Der  Verfasser  hat  seit  16  Jahren  Materialien  zu  einem  dictionnaire 
gaulois  gesammelt:  das  dem  gleichen  Zweck  dienende  grofse  Werk  Alfred 


Caesar.  175 

Holders  hat  ihn  sein  Unternehmen  aufgeben  lassen;    die  jetzt  von  ihm 
veröffentlichte  Arbeit  beschränkt  sich   auf  die  aus  dem  Keltischen  her- 
rührenden Eigennamen.     Er    behandelt    in    dem    bis  jetzt  erschienenen 
Teil  die  Zusammensetzungen    mit    rix    und    ausführlich    die    mit  dieser 
Endung  verbundenen  Wortstämme,  wie  Dumno-  oder  Dubno-,  Orgeto-, 
ßitu-,  Eporedo-,  Vercingeto-,  die  Vorsilben  Ver  und  Tri,  und  die  aus 
diesen  Elementen  hervorgegangenen  mannigfaltigen  Bildungen  von  Per- 
sonen-,   Völker-    und  Ortsnamen,    endlich    die    daher  stammenden  Be- 
nennungen   französischer,    deutscher,    englischer    und  spanischer  Städte 
und  Dörfer,  wobei  er,  wenn  auch  von  Caesars  Kommentarien  ausgehend, 
sich  auch  über  die  bei  anderen  römischen  und  griechischen  Schriftstellern 
oder    in    Inschriften    vorkommenden    Namen    verbreitet.     Nach    seinem 
eigenen  Geständnis    ist    ihm    der  Plan   zu  diesem  Buche  durch  Glücks 
Werkchen    die  bei  C.  J.  Caesar  vorkommenden  keltischen  Namen  ein- 
gegeben worden,  dessen  Annahmen  und  Angaben  durch  die  Forschungen 
deutscher,    englischer    und  französischer  Gelehrter  in  manchen  Stücken 
haben  Abänderungen    erfahren    müssen.     Die  Bedeutung  der  gallischen 
Namen  wird,    soweit  sie  sich  ermitteln  läfst,  von  dem  Verfasser  überall 
festgestellt.    Ausführliche  Register  erleichtern  das  Nachschlagen;  nur  in 
äufserst  seltenen  Fällen   sind  die  Seitenziffern  nicht  richtig  angegeben; 
ebenso  wechselt  auch  nur  in  wenigen  französischen  Namen    die  Ortho- 
graphie, Billom  neben  Billon,  Saint- Alban  neben  ^Saint-Albans,  Moutiers 
neben  Moustiers,  Yvois  neben  Ivois;  ich  führe  das  ausdrücklich  an,  um 
unter    dieser  Einschränkung  bemerken  zu  können,    dafs  die  Korrektur 
des  schwierigen  Druckes  überaus  sorgfältig  gemacht  ist.     In  kritischer 
Beziehung  für  Caesar  habe  ich  nur  zu  berichten,  dafs  d'Arbois  de  Jubain- 
ville    aus    etymologischen  Gründen  im  b.  Gall.  Mandubili  st.  Mandubii, 
im  b.  civ.  die  Schreibart  Octogaesa  st.  Octogesa,  im  b.  Alex.  48  Medu- 
briga  st.  Medobrega  oder  Medobriga  für  die  richtigeren  Formen  erklärt. 
Für  die  Wissenschaft  ist  die  Leistung  des  in  seinem  Fach  hervorragenden 
Forschers  sicherlich  höchst  bedeutsam,  für  die  Franzosen  aufserdem  noch 
interessant,   da  sie  in  Männern    wie  Vercingetorix ,    nach    welchem    sie 
sogar    eine  Strafse  in  Paris    benannt    haben,    längst  Verteidiger    ihres 
Bodens  gegen  fremde  Eindringlinge  zu  sehen  angefangen  haben. 

Einzelne  Stellen. 
Jahrbuch  für  klassische  Philologie  1891.  J.  Lange  schlägt  b,  Gall. 
VI,  1,  3  vor  sed  etiam  illae  (nämlich  facultates)  majoribus  augeri  copiis 
possent;  VI,  8,  6  paulum  modo  (statt  des  blofsen  modo);  V,  7,  6  ver- 
teidigt er  enim  mit  Beziehung  auf  den  erwarteten  und  nunmehr  ein- 
getretenen Ungehorsam  des  Dumnorix;  I,  16,  4  will  er  conquiri  für 
conferri  einsetzen;  VI,  14,  2  will  er  den  Satz  itaque  annos  nonnulli  — 


176  Caesar. 

memoriam  reniittaut  liinter  tradunt  versetzt  haben;  I,  49,  1  soll  hie 
locus  -  aberat  und  vorher  ad  eum  locum  venit  gestrichen  werden,  wo- 
durch  denn  die  fünffache  Wiederholung  des  Wortes  locus  auf  eine  drei- 
fache rednziert  wird;  I,  28,  5  hält  er  quosque  für  überflüssig;  VII, 
33,  1  soll  gelesen  werden  cui  ipse  semper  favisset  omnibusque  rebus 
ornasset  (aus  cui  soll  man  sich  quam  zu  ornasset  hinzudenken);  IV,  35,  2 
will  er  equites  hinter  secuti  eingeschaltet  haben;  VII,  45,  6  vermutet 
er  oniues  in  locum  munitionum  statt  illo  munitionum  der  lacunosi  oder 
illo  ad  munitionem  der  interpolati;  VI,  5,  3  omnia  st.  animo;  II,  19,  7 
etiam  inopinantibus  nostris  statt  et  jam  in  manibus  nostris;  VI,  40,  2 
etsi  st.  et  si,  mit  Streichung  von  confidunt. 

Ferdinand  Weck  erklärt  VI,  10,  5  ab  Suebis  und  ab  Cheruscis 
durch  „nach  der  Seite  der  Sueben",  was  mir  wenigstens  nicht  neu  ist. 

Deiter  schlägt  VII,  74.  1  vor  si  ita  accidat  ejus  accessus  st.  si 
ita  accidat,  ejus  discessu,  und  VIII,  36,  1  fugato  duce  altero  perterrito, 
statt  fugato   duce  altero  perterritos,  beides  schwerlich  richtig, 

Philologus  1890.  A.  Funck,  Beiträge  zur  Erklärung  und  Kritik 
des  Bellum  Africum.  Der  Verfasser  faist  3,  2  ad  defendendum  absolut, 
ohne  Hinzudenken  eines  Substantivs  oder  Pronomens,  verteidigt  5  as- 
census  gegen  das  auch  von  Wölfflin  vorgezogene  accessus ;  übersetzt 
19,  3  tantam  sese  multitudinem  auxiliorum  adversariis  subministraturum, 
er  wüi'de  den  Gegnern  mit  einer  solchen  Menge  von  Hülfstruppen  auf- 
warten; verteidigt  25,  4  capit  consilium  mit  dem  accusativo  cum  infini- 
tivo,  und  26,  5  trucidari,  das  Wölfflin  gestrichen  haben  will;  ferner 
28,  4  quam  fratrem  und  atque  ita  esse  interfectos,  und  47,  4  das  hinter 
quicquam  folgende  non  der  geringeren  Handschriften,  für  das  Wölfflin 
nihil  gleich  hinter  modo  einschaltet;  11,  4  vermutet  er  mente  für  das 
von  Wölffln  eingeklammerte  metu;  25,  1  sociis  für  das  eingeklammerte 
suis,  und  30,  2  Jubae  für  Juba. 


Vergilius. 

1889—1893. 

Von 
Otto  Güthling  in  Liegnitz. 

Le  bBcoliche  di  Virgilio  con  introduzione  e  commento 
di  Ettore  Stampini.  Parte  prima.  Ecloghe  I— V.  Torino,  Er- 
manno  Löscher,  1889.^)     8.    XXVIII  u.  90  S. 

Die  XXVIII  Seiteü  umfassende  Einleitung  bringt  alles  zum  Ver- 
ständnis der  Eklogen  notwendige  und  legt  zugleich  ein  Zeugnis  ab  von 
der  Belesenheit  des  Verf.,  denn  er  hat  alles  herangezogen,  was  für 
seinen  Zweck  zu  verwerten  war.  Die  Anmerkungen  sind  sehr  umfang- 
reich und  m.  E.  nicht  selten  überflüssig;  oft  findet  man  3 — 4  Verse 
Text  auf  einer  Seite  und  den  übrigen  Raum  derselben  nehmen  die  mit 
kleinen  Lettern  gedruckten  Anmerkungen  in  Anspruch.  Für  überflüssig 
halte  ich  nun  solche  Anmerkungen,  welche  eine  Untersuchung  über  die 
Etymologie  von  Eigennamen  enthalten;  so  nimmt  z.  B.  der  Name  Ti- 
tyrus,  dessen  etimologia  der  Verf.  selbst  „dubbia"  nennt,  I4V2  Zeile 
weg!  Für  überflüssig  halte  ich  ferner  die  vielen  Bemerkungen  über  die 
griechischen  Akkusativformeu,  die  Quantität  von  illius,  aberät  u.  s.  w., 
orthogi'aphische  Bemerkungen  wie  über  caespes  und  cespes  u.  dgl. 
Doch  alles  dies  vermag  nicht  den  günstigen  Eindruck,  den  Stampinis 
Buch  auf  mich  gemacht  hat,  abzuschwächen,  da  der  Kommentar  neben 
vielem  Überflüssigen  sehr  viel  Gutes  enthält,  und  nur  selten  wird  man, 
wenn  man  Erklärung  sucht,  von  dem  Buche  in  Stich  gelassen. 
Weniger  günstig  lautet  mein  Urteil  über 

P.  Vergili  Maronis  Bucolica.  Herausgegeben  von  Franz 
Hermes,  ordentlicher  (sie!)  Lehrer  am  Königl.  Friedrichs- 
gymnasium zu  Frankfurt  a.  0.  Dessau,  Rieh.  Kahle's  Buch- 
handlung (Heim.  Oesterwitz).     1890.     34  S. 


')  Das  Buch  ist  erst  Ende  1890  in  meine  Hände  gelangt,  konnte  also 
in  dem  vorigen  Jahresbericht  nicht  besprochen  werden. 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.    LXXVI.  Bd.  (1893.  II.)         12 


178  Vergilius. 

S.  1 — 22  enthalten  den  Text  der  Eklogen  mit  schönen  scharfen 
Lettern  und  auf  gutem  Papier;  aber  trotz  dieser  schönen  Ausstattung 
flimmerten  mir  bei  der  Lektüre  die  Augen:  Eine  solche  wüste  Kritik 
ist  mir  noch  nicht  vorgekommen.  Die  zweite  Ekloge  (ich  nehme  eine 
beliebige  heraus)  hat  bei  Hermes  folgende  Gestalt:  1  —  13,  17,  19 — 31, 
34,  36—38,  45—48,  51—52,  40—42,  56,  58—60,  66—68,  64—65, 
69 — 73,  und  in  ähnlicher  Weise  verfährt  er  mit  den  übrigen  Eklogen, 
von  denen  die  6,  9  und  10  noch  am  glimpflichsten  davongekommen  sind. 
In  einem  ^Nachwort'  (S.  34  ff.)  deutet  sodann  der  Verf.,  ohne  auf  jede 
Einzelheit  näher  einzugehen  und  den  Stoff  zu  erschöpfen,  die  Gründe 
an,  aus  denen  sich  seine  Fassung  des  Textes  ergeben  hat. 

Auch  P.  Deuticke  urteilt  in  der  Wochenschr.  f.  klass.  Phil.  1890 
No.  44  S.  1205  ff.  nicht  günstig  über  Hermes'  Buch;  M.  Rothstein 
sagt  in  der  deutsch.  Litt.-Ztg.  1890  No.  26  S.  964:  Die  Anschauungen 
des  Herausgebers  machen  eine  ernsthafte  Prüfung  nicht  notwendig,  und 
ein  französischer  Kritiker  (A.  Cartault,  Revue  crit.  21  S.  404  ff.) 
kommt  zu  dem  Resultate,  dafs  weder  Plan  noch  Ausführung  zu  recht- 
fertigen sind. 

Dazu  kommt  noch,  dafs  die  Begründung  des  Verfassers  oft  auf 
recht  schwachen  Füfsen  steht.  So  liest  man  S.  28:  „Der  Nachdichter 
hat  den  Bacchusdieust  hineingezogen  und  vergilische  Brocken  verwertet"  ; 
von  der  vierten  Ekloge  heifst  es  S.  30:  ,Die  Zusätze,  welche  das  Lied 
gefunden  hat,  bestehen  in  einem  dürftigen  und  unklaren  Vorwort  (1 — 3), 
drei  verkehrten  und  den  Zusammenhang  störenden  Schmeicheleien  für 
Polio  .  .  .  .,  einer  wahrhaft  lächerlichen  Ausmalung  des  42.  Verses  .  .  .  ., 
zwei  unnötigen  Erklärungen  u.  s.  w.  u.  s.  w.;  S.  32  (Ekl.  1):  „29/30 
sind  inhaltslos"  ....  „Oktavian  hat  keine  Veranlassung,  mit  Tityrus  zu 
sprechen"  .  .  .  „v.  73  ist  unpassend  im  Munde  des  Meliboeus,  der  eben 
auswandert".    Das  nennt  man  Begründung! 

Von  demselben  Verfasser  sind  ferner  erschienen:  Beiträge  zur 
Kritik  und  Erklärung  des  Catull.  1888.  Leipzig.  G.  Fock,  und  neue 
Beiträge  zur  Krit.  und  Erkl.  des  Catull.  Ebd.  1889.  Von  letzterer 
Schrift  fand  ich  eine  prinzipiell  gegnerische  Kritik  von  M.  Erdmann  in 
der  Wochenschr.  f.  kl.  Philol.  1890  No.  19  S.  520  ff.  Dieselbe  scheint 
also  in  demselben  Geiste  verfafst  zu  sein  wie  die  Ausgabe  der  vergi- 
lischen  Bukolika. 

Vergil    als    bukolischer  Dichter.     Vergilstudien   von  M. 
Sonntag.     Leipzig,  B.  G.  Teubner.     1891.     8.     249  S. 

Die  Abhandlungen  und  Schriften  über  die  Abfassungszeit  der 
Vergilischen  Eklogen  haben  nachgerade  eine  seeschlangenartige  Gestalt 
angenommen;  es  mag  genügen,  an  Namen  wie  Krause,  Bitschofsky, 


Vergilius.  179 

Przygode,  Feilchenfeld  u.  s.  w.  zu  erinnern.  Der  Verf.  des  ange- 
führten Buches  versucht,  einer  neuen  Anschauung  Bahn  zu  brechen. 
Den  Ausgangspunkt  seiner  Untersuchungen  bildete  indessen  nicht  die 
Frage  nach  Abfassungszeit  und  Reihenfolge  der  einzelnen  Eklogen,  son- 
dern die  nach  Bedeutung  und  Gedankengang  derselben.  Bei  genauer 
Zergliederung  des  Wortlautes  kam  er  zu  der  Überzeugung,  dafs  die 
landläufige  Auffassung  einiger  Eklogen  mit  diesem  im  Widerspruch  stehe. 
Es  handelte  sich  dabei  um  Unterschiede,  die  durch  leichte  Änderungen 
des  Textes  sich  ausgleichen  liefsen.  Es  mufste  versucht  v^^erden,  ob  sich 
nicht  Andeutungen  fänden,  nach  v^^elchen  sich  die  Abfassungszeit  ein- 
zelner Fklogen  anders  bestimmen  liefs.  In  der  That  enthielt  die  Wid- 
mung der  8.  Ekloge  die  Handhabe  zu  neuen  Festsetzungen.  Indem  der 
Verf.  5,  11  carmina  als  wirklichen  Plural  auffafste  und  auf  mehrere 
Eklogen  bezog,  bot  sich  ganz  ungesucht  eine  neue  Anordnung,  welche 
durch  Vergil  selbst  unerwartete  Bestätigung  erfuhr.  Als  die  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  richtigste  bewährt  sie  sich  auch  dadurch,  dafs  sie 
selbst  im  engen  Rahmen  der  bukolischen  Dichtung  eine  fortschreitende 
Entwickelung  des  Dichters  zu  erkennen  gestattet,  was  bei  der  vulgären 
Anordnung  weniger  der  Fall  ist.  Zur  Stütze  seiner  Theorie  bot  die 
Sammlung  der  römischen  Feldmesser  noch  unbenutztes  Material.  Da  die 
Frage  sich  dahin  zuspitzt,  ob  die  Eklogen  1 ,  9  und  6  vor  4  und  8  oder 
erst  nach  8  und  unmittelbar  vor  10  anzusetzen  sind,  so  war  es  wichtig 
festzusetzen,  welche  Arbeiten  mit  der  Ansiedelung  der  Veteranen  und 
mit  der  Verteilung  des  Gebietes  von  Cremona  verbunden  waren.  Die 
Inanspruchnahme  Mantuas  sollte  erst  durch  die  Unzulänglichkeit  des 
Cremonensischen  Gebietes  bedingt  gewesen  sein.  Gerade  hier  läfst  uns 
die  bisherige  Vergilerklärung  im  Stich,  und  doch  ist  dem  Leben  Vergils 
nur  durch  die  Äckerverteilungen  nach  der  Schlacht  bei  Philippi  die 
Wendung  gegeben  worden,  durch  welche  er  zu  dem  auch  uns  inter- 
essierenden römischen  Nationaldichter  geworden  ist.  Das  Allgemein- 
gültige bildet  die  Grundlage,  von  der  aus  wir  die  besonderen  Vorgänge 
verstehen  lernen.  Die  Kenntnis  desselben  gestattet  uns  zu  unterscheiden, 
wo  allgemeine  Verhältnisse,  wo  besondere,  gewaltthätige  Eingriffe  auf 
das  Leben  des  Dichters  bestimmend  eingewirkt  haben. 

Der  erste  Teil  (S.  15  ff.)  behandelt  die  Äckerverteilungen  der 
Triumvirn  und  die  Schlacht  bei  Philippi,  der  zweite  (S.  47  ff.)  die  erste 
Ekloge ,  der  dritte  (S.  61  ff.)  die  vierte,  der  vierte  Teil  (S.  88  ff.)  die 
Einleitungen  in  die  achte  und  in  die  sechste  Ekloge,  der  fünfte  (S.  119  ff.) 
die  Gedichte  der  ersten  Sammlung,  der  sechste  (S.  141  ff.)  die  zweite 
Sammlung,  der  siebente  (S.  175  ff.)  die  Anschauungen  der  Alten.  — 
Nach  Sonntags  Untersuchungen  kann  nun  die  erste  Ekloge  nicht  vor 
4em  Frühjahr  40  abgefafst  sein;    für  die  vierte  Ekloge  glaubt  S.  eine 

12* 


180  Vergilius. 

sichere  und  feste  Zeitbestimmung  gewonnen  zu  haben:  sie  ist  nach  dem 
Brundisinischen  Frieden  gedichtet,  nachdem  Polio  sein  Konsulat  wirk- 
lich angetreten  hatte.  Das  genauere  Datum  beider  Ereignisse  ist  zwar 
unbekannt^  doch  scheint  der  Brundisinische  Friede  nicht  vor  dem  Spät- 
sommer des  Jahres  40  abgeschlossen  zu  sein.  Die  vierte  Ekloge  fällt 
also  in  das  letzte  Drittel  dieses  Jahres.  Die  siebente  Ekloge  setzt  er 
in  den  Winter  40/39,  die  achte  in  den  Sommer  39.  Dann  dichtete 
Vergil  in  rascher  Folge  die  vier  Eklogen,  1,  um  seinen  Dank  auszu- 
sprechen für  den  Schutz ,  den  ihm  Oktavian  im  Herbst  39  und  Früh- 
jahi'  38  hatte  augedeihen  lassen,  9,  um  zu  zeigen,  mit  welchen  Ent- 
würfen er  sich  seit  jener  Zeit  beschäftigt  habe,  Entwürfe,  die  alle  durch 
seine  Flucht  unterbrochen  und  verurteilt  seien,  unvollendet  zu  bleiben, 
6,  welche  dem  Varus  eine  Schuld  der  Dankbarkeit  abtragen  und  ein 
gegebenes  Versprechen  einlösen  soll,  endlich  10,  welche  des  Cornelius 
Gallus  Namen  dem  Oktavian  empfehlend  vor  die  Augen  führt. 

H.  T.  Karsten  will  Mnemosyne  XIX  4  S.  373  ff.  Ekl.  3,  109  ff. 
so  lesen: 

et  vitula  tu  dignus  et  hie,  et  quisquis  amores 

aut  metuet  dulcis  aut  expedietur  amaris; 
und  7,  19 

coepere,  alternis  Musae  meminisse  valebant, 

sie  vermochten  im  Wechselgesang  ihr  Lied  zu  behalten.  Beide  Konjek- 
turen sind  überflüssig;  die  zweite  bietet  zum  Teil  nichts  Neues,  s.  For- 
biger  z.  d.  St, 

E,  Pascal  handelt  in  der  Rivista  di  filologia  XXI  7 — 9  S.  128  fif. 
über  Ekl.  4,  8  und  die  Göttin  Lucina.  In  derselben  Zeitschrift  XVII 
10 — 12  S.  565  &.  befindet  sich  eine  Abhandlung  von  demselben:  Asinio 
Pollione  nei  carrai  di  Virgilio.  Nach  L.  V(almaggi)  enthält  die  Ab- 
handlung manches  Ungenaue. 

A.  Colla,  Annotazioni  alla  Bucolica  e  su  le  Georgiche 
di  Public  Virgilio.    Ferrara  1889,    Tipografia  dell' Eridano.    96  S. 

Wie  der  Titel  besagt,  enthält  das  Buch  Bemerkungen  zu  Vergils 
Bukolika  und  Georgika.  Neues  habe  ich  nicht  gefunden,  und  so  kann 
ich  wohl  auf  eine  Inhaltsangabe  verzichten. 

Erich  Bethe,  Vergilstudien  11,  Zur  ersten,  neunten  und  achten 
Ekloge.  Rhein.  Mus.  47  (1892)  p.  576—596.  Dazu  0,  Ribbeck, 
Epikritische  Bemerkungen,     Ebenda  p.  597  f. 

Die  erste  und'  neunte  Ekloge  sind  aus  je  zwei  verschiedenen  Bil- 
dern zusammengesetzt,  von  denen  das  eine  durch  Vergils  Lage  und  Er- 
lebnisse   hervorgerufen    ist,    das   andere    durchaus  unabhängig  nur  die 


Vergüius.  181 

ideale  Hirtenwelt  zur  Voraussetzung  hat.  Ahnlich  ist  die  Entstehung- 
der  achten  Ekloge,  deren  drei  Teile  auseinanderfallen.  —  Von  Bethes 
Ansichten  über  die  achte  Ekloge  will  Ribbeck  nichts  wissen,  glaubt  so- 
gar, dafs  in  Bethes  Erörterungen  der  strophischen  Gliederung  ein  ge- 
wisser Widerspruch  zu  bemerken  sei. 

0.  Crusius,  ad  scrlptores  latinos  exegetica.  Rhein.  Mus.  47  (1892) 
p.  61 — 73  sagt  p.  66,  dafs  der  nach  Macrob.  Saturn.  V  16,  7  vice  pro- 
verbii  usurpatus'  Vers  (vgl.  A.  Otto,  Sprichw\  der  Römer  p.  296) 
G.  I  53 

et  quid  quaeque  ferat  regio  et  quid  quaeque  recuset 

vielleicht  auf  das  von  Plin.  N.  H.  XVIII  170  angeführte  ^rakel'  des 
Cato  zurückgehe:  Syi'ia  quoque  tenui  sulco  arat  ...  In  omni  quidem 
parte  culturae,  sed  in  hac  maxume  valet  oraculum  illud,  quid 
quaeque  regio  patiatur. 

J.  Geffcken,  Saturnia  teUus.  Hermes  27  (1892)  p.  381—388 
giebt  eine  quellenmäfsige  Ordnung  der  Citate  zum  Lobe  Italiens  von 
Dionysius  bis  zu  Verg.  Georg.  II  136  ff. 

Nicht  gesehen  habe  ich 

A.  Colla,  delle  traduzione  e  segnatamente  delle  opere 
di  Virgilio  e  di  Orazio.     Eerrara,  Eridano.     8.     21  S. 

Und 

R.  Della  Torre,  La  quarta  egloga  di  Virgilio  commen- 
tata  secondo  l'arte  grammatica.     Udine  1892.     201  S. 

Ferner  hat  R.  Unger  im  Philologus  XLIX  1  erste  Hälfte  (N.  F. 
in  1  I)  1890  S.  26—37  Ad  poetas  Latinos  miscellanea  critica  veröffent- 
licht. Ob  sich  unter  den  von  ihm  behandelten  Dichterstellen  auch  ver- 
gilische  befinden,  kann  ich  nicht  angeben,  da  mir  der  Philologus  hier 
nicht  zugänglich  ist. 

Vergil,  Georgics,  liber  I.  Edited  for  the  use  of  schools 
by  T.  E.  Page.  With  vocabulary.  London.  Macmillan.  18. 
120  S. 

Virgil's  Georgics  I.  II.  A  vocabulary  and  test  papers. 
By  Tutors  of  TJniversity  Corresp.  College.  London,  Olive  and 
Co.  8.  26  S.  —  L  IL  A  translation.  By  F.  P.  Shipmann 
Ibid.     8.     29  S. 

Mein  Urteil  über  die  vorstehenden  Bücher  ist  dasselbe  wie  über 
A.  Calverts  Ausgabe  des  VII.  Buches  der  Aeneide,  auf  welche  Ich  weiter 
unten  zu  sprechen  komme. 


1  g2  Vergilius. 

Virgil  Georgias  books  III.,  IV.  ed.  with  introduction  and 
notes   by  C.  S.  Jerrain.    Oxford  1892.    Parti  66  S.,  part  II  86  S. 

Anfser  Ribbecks  jmportant  edition'  hat  der  Verf.,  wie  er  introd. 
p.  19  erklärt,  ^consulted  Ladewig's  fourth  edition,  with  German  notes 
revised  by  Schaper  in  1883'  (soll  heiisen  1882,  und  für  fourth  edition' 
wohl  ^seventh  ed.'),  und  von  englischen  Ausgaben  die  von  Bryce,  Ken- 
nedy und  Sidgwick.  Der  Text  giebt  zu  Ausstellungen  keinen  Anlafs. 
Mein  Urteil  über  dies  Buch  lautet  genau  so  wie  über  desselben  Ver- 
fassers Ausgabe  von  Aeneid  I,  welche  ich  Jahresber.  1889  p.  137  f.  be- 
sprochen habe.  Wissenschaftlich  hat  das  Buch  wenig  Wert  wie  die 
meisten  Schülerausgaben  des  Vergil,  an  welchen  England  sehr  frucht- 
bar ist.  —  Von  demselben  Verfasser  ist  früher  Buch  I  und  II  in  ähn- 
licher Bearbeitung  erschienen. 

P.  Verg|ili  Maronis  Bucolica  et  Georgica.  Scholarum  in 
usum  ad  optimarum  editionum  fidem  iterum  recensuit 
G.  Fumagalli.     Editio  altera.     Veronae  1893.     94  S. 

Das  Buch  enthält  den  blofsen  Text  der  Bukolika  und  Georgika 
auf  starkem  Papier  und  in  schönem  Druck.  In  grofser  Menge  hat  der 
Herausgeber  Quantitätszeichen  im  Texte  gegeben:  der  Leser  wird  an- 
gewiesen, carmina,  ducite,  pocüla,  impröbus,  auröra,  agricölae,  poterunt, 
teUürem  u.  s.  w.    u.  s.  w.  zu  lesen.     Mehr  kann  man  nicht  verlangen. 

Von  den  Georgika  sind  zwei  italienische  Übersetzungen  erschienen, 
eine  von  C.  Monteverde,  Modena.  tip.  Sociale  16.  96  S.  und  von 
A.  B.  Constantini,  Caserta.  tip.  Marino.    8.     68  S. 

De  Georgicis  a  Vergilio  retractatis.  Scripsit  N.  Pulver- 
macher.    Berolini.     Heinrich  und  Kemke.     1890.    118  S. 

Jacob  van  Wageningens  Buch  de  Vergili  Georgicis  (Traiecti  1888) 
ist  dem  Verf.  erst  während  des  Druckes  des  seinigen  bekannt  geworden. 
Er  sagt  p.  118  Aum.  1:  Jacobi  von  Wageningen  librum  .  .  .  non  ante 
in  manus  meas  venisse  quam  haec  commentatio  tota  sub  ipso  esset  prelo 
doleo.  Multis  in  rebus,  quod  hoc  loco  addere  liceat,  illum  mecum  con- 
sentire  gavisus  sum;  in  aliis  etiamnunc  dissentio:  veluti  quod  ille  Geor- 
gica non  ante  a.  728/20  in  lucem  prodiisse  itaque,  propter  Donati  de 
Septem  annis  testimonium  (p.  60,  5  B,;  v.  s.  p.  23,  a.  721/33  scribi 
coepta  esse  statait  (p.  9  sqq.)  nuUa  fere  alia  de  causa  nisi  quod  Galli 
laudes  ex  edito  carmine  —  et  in  hac  re  rectissime  iudicat  —  exstingui 
non  potuerunt,  hanc  opinionem  eis  quae  supra  exposui  satis  refutatam 
esse  puto.  Das  Gesamtresultat  von  P.'s  Untersuchungen  ist,  dafs  die 
Georgika  zwischen  36  und  30  abgefafst,  im  folgenden  Jahre  dem  Augustus 
vorgelesen  und  bald  darauf  veröffentlicht  wurden,  und  dafs  wir  diese 
Ausgabe,  an  welcher  weiterhin  keine  Änderungen  vorgenommen  wurden, 


Vergiliufl.  183 

besitzen.  Wie  man  aus  p.  5  f.  ersehen  kann,  ist  der  Verf.  vertraut  mit 
der  älteren  und  neueren  Litteratur  über  die  Ueorgikafrage;  seine  Unter- 
suchungen sind  gründlich;  störend  wirkt  nur  eine  nicht  selten  bemerk- 
bare Breite  in  der  Darstellung. 

Reo.  A.  Zingerle,  Berl.  phil.  Wochenschr.  1891  No.  24  S.  745; 
M.  Rothstein,  deut.  Litt.-Ztg.  1892  No.  19  S.  625. 

Etüde    sur    Tepisode    d'Arist^e   dans    les  G6orgiques    de 
Virgile    par    Andre  Oltramare.     Genöve  et  Bäle  1892.     128  S. 

Das  Schriftchen  ist  eine  höchst  angenehme  Lektüre,  und  bei  aller 
Gelehrsamkeit  —  wie  P.  Thomas  in  der  Revue  critique  1892  No.  49 
p.  395  urteilt  —  führt  der  Verf.  seine  Feder  mit  Eleganz.  Derselbe 
kommt  zu  folgenden  Resultaten: 

1.  C'est  un  point  acquis,  ce  nous  semble,  et  mis  hors  de  doute 
que  la  calamite  qui  a  frapp6  les  abeilles  d'Aristee  repond  exatement 
ä,  la  desolation  des  campagnes  de  Fltalie  apres  les  guerres  civiles,  c'est- 
ä-dire  k  la  cause  meme  qui  a  fait  ecrire  les  Georgiques. 

2.  Celui  qui  etait  le  plus  directement  Interesse  k  remedier  aux 
maux  dont  il  etait  lui-merae  en  partie  responsable,  ne  peut  avoir  ete 
qu' Auguste  dans  la  pensee  de  Virgile.  C'est  lui  qui  a  joue,  comme 
Arist^e,  le  role  d'un  Apollon  guerisseur  etsauveur:  non  content  d'avoir 
assure  aux  Romains  les  bienfaits  de  la  paix  et  la  prosperite  materielle, 
il  a  cr6e  de  nombreuses  colonies  et  repeupl6  les  anciennes  cites ;  et,  pour 
apaiser  le  courroux  des  dieux,  il  a  releve  leurs  autels,  restaure  leurs 
temples  et  remis  en  honneur  les  cereraonies  de  la  religion  ofticielle. 

3.  La  mere  dAuguste,  Atia,  fut  sans  doute,  pour  lui  ce  que  Cyrene, 
dans  Virgile,  est  pour  son  fils  Aristee;  eile  l'encouragea  et  le  dirigea 
dans  l'oeuvre  de  restauration  de  la  societe  roraaine. 

4.  L'intervention  de  Protee,  personnitication  des  forces  qui  Pre- 
sident aux  metamorphoses  de  la  matiere,  n'a  rien  que  de  naturel  dans  les 
revolutions  politiques ;  il  represente  Taction  des  causes  qui  agissent  dans 
les  profondeurs  de  la  societ6.  On  peut  aussi  lui  rapporter  les  mouve- 
ments  variables  de  l'opinion  publique.  A  qui  sait  la  consulter,  eile  donne 
de  salutaires  conseüs;  eile  avertit  des  fautes  commises  et  met  sur  la 
voie  de  prendre  les  mesures  appropriees  k  la  Situation. 

5.  Si  Aristee  et  l'homme  d'Etat  aux  prises  avec  de  grandes 
difficultes,  Tesprit  positif  tout  occupe  des  besoins  presents,  Orphee  est 
le  type  des  natures  tendres  et  mystiques  qui  souffrent  au  milieu  de  con- 
flit  des  ambitions  dechainees.  II  n'a  pour  se  defendre  que  les  accents 
de  la  lyre.  Inconsolable  dans  le  deuil  qu'il  mene  de  ce  qu'il  avait  de  plus 
eher  au  monde,  il  ne  lui  reste  qu  ä,  oublier  en  sabreuvant  des  eaux  du 
L6the  (lethaea  papavera,  G^org.,  IV,  544).     De  meme,  ä  Rome,  tandis 


184  Vergilius. 

qu'  Auguste  triomphait  au  Capitole,  beaucoup  pleuraient  la  perte  irrepa- 
rable de  leurs  esperances;  car  la  republique  etait  bien  morte,  et  rien  ue 
pouvait  plus  la  rappeler  h  la  vie. 

6.  Nous  avons  cru  voire  dans  rinfortunce  Eurydice  l'image  touchante 
de  la  patrie,  victime  innocente  des  discordes  civiles;  mais  ce  que  nous 
avons  dit  de  Timportance  des  uymplies  en  general,  au  poiut  de  vue  des 
ph^nomenes  naturels,  suffirait  dejä  pour  que  la  figure  d'Eurydice  et  de 
ses  compagnes  eüt  sa  raison  d'ctre  dans  un  cpisode  destine  ä  l'illustration 
des  choses  rustiques.  Les  räpports  que  nous  lui  avons  attribues,  en 
outre,  avec  Rome  et  Tltalie,  -sont  assuröment  de  nature  assez  vague  et 
problematique;  mais  on  ne  s'arretera  pas,  croyons-nous,  ä  cette  difficulte, 
si  Ton  fait  reflexion  que  tous  les  Clements  narratifs  contenus  dans  un 
mythe  ou  dans  une  allegorie  ne  sauraient  avoir  leur  correlatif  dans  la 
realite,  de  meme  qu'inversement,  il  y  a  dans  celle-ci  des  faits,  en  nombre 
bien  plus  grand  encore,  qui  echappent  aux  prises  d'un  recit  fictif.  Ce 
que  Ton  est  en  droit  d'exiger,  c'est  que  Fidee  capitale  ressorte  avec  une 
clarte  süffisante.  Or  cette  condicion  nous  parait  remplie  dans 
l'episode  d'Aristee,  tel  que  nous  l'avons  compris. 

Avons  nous  trouve  leaiot  derenigme,oude  pursfantomesont-ilshante 
notre  esprit?  C'est  ä  d'autres  d'en  juger.  Chacun  appreciera  jusqu'ä,  quel 
point  nous  avons  r6ussi  k  justifier  d'un  reproche  qui  nous  semblait  immörite 
un  poete  digne  d'etre  toujoui'S  tres  haut  place  dans  Testime  de  ceux  qui 
aiment  encore  les  lettres  anciennes. 

In  der  Classical  Review  IV  1 — 3  S.  49  f.  findet  sich  unter  anderen 
eine  Erklärung  von  populea  sub  umbra  Georg.  IV  511  und  des  Bei- 
wortes der  Nachtigall  yXtopriiz  Hom.  Odyss.  XIX  518.  Das  Richtige 
scheint  übrigens  (wie  so  oft)  der  alte  Voi's  getrofi'en  zu  haben,  wenn  er 
zu  unserer  Stelle  bemerkt:  „Die  Pappel  wählte  der  Dichter  wegen  ihres 
schönen,  beweglicheu'uud  melancholisch  säuselnden  Laubes.  Die  dichtere 
Dunkelheit  im  Laube  am  sternhellen  Frühlingsabend  ist  Schatten  .  ." 
Ob  die  Nachtigall  auf  Pappeln  sich  aufhält  oder  nicht,  ist  einem  Dichter 
ganz  gleichgültig;  auch  heifst  yXojpTjic  in  der  Homerstelle  nicht  „gelblich- 
grün", denn  eine  solche  Spezies  giebt  es  nicht,  sondern  dei  „im  Grünen 
wohnende"  Nachtigall. 

Nettleship  erklärt  Journal  of  Philologie  XVIII  (36)  S.  328 
Georg.  1263  pecori  Signum  a.  n.  impressit  a.  nachServius:  id  est 
facit  aut  characteras,  quibus  pecora  signantur,  aut  tesseras,  quibus 
frumentonim  numerus  designatur:  nara  numerus  pro  litteris  posuit,  quibus 
numeri  contiiientur.  Sed  hoc  non  de  aestate,  qua  siguari  vel  fruges  vel 
animalia  solent,  sed  de  hierae,  qua  imber  frigidus  esse  potest,  loquitur. 
Hoc  autem  secundum  ea,  quae  aliter  dicuntur,  aliter  audiuntur,  dictum  est. 


Vergilius.  185 

A.  Levi,  del  concetto  delT  agricoltura  nelle  Georgiche, 
Rivista  di  filologia  XVIII  10—12  S.  p.  563—565 
ist  mir  nicht  zugänglich  gewesen. 

P.  Vergili  Maronis  Aeneis.  Cum  delectu  variae  lectionis 
edidit  Th.  Ladewig.  Editionem  alteram  curavit  et  multi- 
fariam  auxit  Paulus  Deuticke.  Berolini.  Apud  Weidmannes. 
1889.     8.     Xn  und  304  S. 

Schon  ein  flüchtiger  Vergleich  mit  der  im  Jahre  1 866  in  demselben 
Verlage  erschienenen  Ladewigschen  Textausgabe  zeigt,  dafs Deuticke  nicht 
blofs  eine  zweite  Auflage  besorgt  (curavit),  sondern  auch  vielfach  ver- 
mehrt hat  (multifariam  auxit).  Während  Ladewig,  dessen  kritische 
Anmerkungen  mehr  als  dürftig  sind,  nur  auf  FMPR  (ceterorum  librorum 
vel  omnes  vel  nonnuUi)  Rücksicht  genommen  hat,  ist  Deut,  hierin  viel 
weiter  gegangen,  wie  seine  Übersicht  der  libri  manu  scripti  p.  VIII  er- 
giebt.  So  hat  denn  der  Text,  welcher  an  vielen  Stellen  geändert  worden 
ist,  gegenüber  der  Ladewigscheu  Arbeit  ein  so  verändertes  Aussehen 
erhalten,  dafs  man  Deutickes  Ausgabe  als  eine  durchaus  eigene  betrachten 
mufs,  und  der  Verf.  hätte  dieselbe  getrost  als  seine  eigene  bezeichnen 
können  und  dürfen. 

Über  seinen  kritischen  Staudpunkt  spricht  sich  Deut,  in  der  prae- 
fatio  folgendermafsen  aus:  In  constituendis  poetae  verbis  ea  potissimum 
retinui,  quae  codex  M  exhibet  prima  manu  scripta,  sed  falsa,  sive  quod 
errore  mutata  sunt  sive  perpoliendi  studio  invecta,  in  M  quoque  inesse 
mihi  persuasi  eaque  paulo  plura,  quam  editores  recentissimi  statuerunt. 
ita  factum  est,  ut  aliis  locis  adiumentis  codicum  P  et  y  praelatis  ad 
Ribbecki  exemplarpropiusaccederem,  aliis  ceterorum  librorum  fidemamplec- 
terer  nee  deteriores,  sicubi  meliora  haberent,  sequi  vererer;  ein  Standpunkt, 
welchen  gewifs  jeder  besomiene  Kritiker  billigen  wird.  Fremden  Konjek- 
turen gegenüber  verhält  sich  der  Herausg.  möglichst  vorsichtig  und  seinen 
eigenen  Verbesserungsvorschlägen  hat  er  einen  Platz  in  der  adnotatio 
critica  angewiesen.  Einige  davon  sind  auch  wirklich  kühn,  so  z.  B.  wenn 
D.  I  268  für  regno  lieber  salva  lesen  möchte,  II  396  momine  st. 
numine,  III  510  requiem  st.  remos,  XI  356  pangas  st.  firmes  u.  s.  w. 
Auch  einige  Interpunktionsänderungen  hat  D.  vorgenommen,  so  tilgt  er 
z.  B.  das  Komma  nach  praeterea  I  49,  11  690  steht  hoc  tantum  in 
Parenthese,  wodurch  meiner  Ansicht  nach  der  Eindi-uck  der  schönen 
Worte  abgeschwächt  wird. 

Da  die  Aeneide  ein  in  Einzelheiten  bekanntlich  unvollendetes 
Gedicht  ist,  hat  der  Hrsg.  sich  nicht  blofs  damit  begnügt,  einen  les- 
baren Text  herzustellen,  sondern  er  hat  sich  auch  grofse  Mühe  gegeben, 
diese  Mängel   aufzudecken   und   im  Texte  hervorzuheben.     So  werden 


186  Vergilius. 

mehrere  Verse  darch  eingerückten  Druck  hervorgehoben,  womit  an- 
gedeutet werden  soll,  dals  diese  Verse  einen  öfter  wiederkehrenden  Ge  • 
danken  enthalten  und  bei  einer  späteren  Durcharbeitung  des  Gedichtes  von 
Vergil  geändert  worden  wären. 

Dank  verdient  der  Hi'sg.  für  die  praktische  Tabelle  (p.  IX  ff.) 
De  lacunis  codicum  sowie  für  die  übersichtlichen  Inhaltsangaben  vor 
den  einzelnen  Büchern.  Den  iudex  nominura,  das  stemma  regulorum 
und  die  vita  poetae  am  Schlufs  halte  ich  für  überflüssig.  —  Druckfehler 
habe  ich  mii*  folgende  notiert:  I  193  Anm.  1.  Servil,  381  Anra.  senis, 
ineu  Anm.  1.  614  st.  146,  VII  811  1.  aequore,  VIII  219  Anm.  1. 
219  st.  218,  731  Anm.  1.  731  st.  721,  1X785  ediderit,  X  890  Anm. 
1.  890  st.  879,  XI  293  ist  das  Komma  hinter  arma  zu  tilgen. 

Interessant  ist  übrigens  C.  Häberlins  (s.  u.)  Urteil  über  die  in 
den  letzten  Jahren  erschienenen  Vergilausgaben :  Ladevdg — Deuticke  ist 
eine  Ausgabe  für  Lehrer,  Güthling — Ribbeck  für  Schüler,  Kloucek  für 
Studierende,  Thilo  für  jedermann. 

Rec.  H.  Kern,  Neue  phil.  Rundsch.  1889  No.  15  p.  227  ff.  — 
C.  Häberlin,  Wochenschr.  f.  klass.  Phil.  1889  No.  44  p  1201  ff.  — 
A.  Zingerle,  Berl.  phil.  Wochenschr.  1890  No.  18  p.  567  ff.  —  Bolten- 
stern,  Ztschrft.  f.  d.  Gymnw.  XXXXIV  p.  138  ff.  —  M.  Rothstein,  Deutsch. 
Litt. -Ztg.  1890  No.  51  p.  1857.  —  H.  S.  Sedlraayer,  Ztschrft.  f.  d. 
öst.  Gymn.  XVII  No.  8/9  p.  737.  — 

Vergils  Gedichte.  Erklärt  von  Th.  Ladewig  und 
C.  Schaper.  Zweites  Bändchen:  Aeneide  Buch  I— VI.  Elfte 
Auflage,  bearbeitet  von  Paul  Deuticke.  Berlin,  Weidmannsche 
Buchhandlung.     1891.     8.     VI  und  286  S. 

„Das  ganze  Werk  als  bequemste  Handausgabe  zu  empfehlen,  er- 
scheint überflüssig,  da  es  durch  eine  stattliche  Reihe  von  Auflagen  be- 
kannt und  unerkannt  ist."  So  urteilte  P.  Deuticke  über  die  Schapersche 
Beaibeitung  der  Ladewigschen  Ausgabe  in  den  Jahresber.  des  philol. 
Vereins  1882  S.  144  ff.,  und  ich  möchte  dasselbe  Urteil  auch  über  das 
vorliegende  Bändchen  abgeben.  Der  neue  Herausgeber  hat  sich  seiner 
schwierigen  Aufgabe  mit  grol'sem  Gescliick  entledigt.  Der  Text  ist 
zwar  im  grofsen  und  ganzen  derselbe  geblieben,  aber  die  Anmerkungen 
sind  stark  verändert  worden,  wie  es  auch  Schaper  s.  Z.  gethan  hat. 
Die  Citate  sind  gesäubert  und  vermehrt  worden;  solche  aus  Dichtern 
und  Prosaikern,  welche  dem  Schüler  nicht  zur  Hand  sein  können,  sind 
ausgeschrieben;  sehr  zu  billigen  sind  die  wenigen  Citate  aus  modernen 
Dichtern;  dieselben  sind  überall  treffend  und  nicht  „bei  den  Haaren 
herbeigezogen",    wie   in  den  meisten  Fällen  bei  Brosin  und  Gebhardi. 


Vergilius.  187 

Verweisungen  anf  die  zwei  anderen  Bändchen  hat  der  Hrsg.  —  und 
auch  dafür  mufs  man  ihm  dankbar  sein  —  nach  Kräften  vermieden  und 
die  wichtigsten  Regeln  über  Dehnung,  Hiatus,  Synizese  u.  dgl.  aus  dem 
dritten  Bändchen  in  das  zweite  gezogen.  Umgekehrt  fehlen  allerlei 
stereotyp  gewordene  Verweisungen,  namentlich  auf  die  Besprechung  der 
Archaismen  auf  S.  7  des  ersten  Bändchens,  der  Hypermeter  zu  I  332, 
der  Halbverse  zu  1 534 ,  zuletzt  auch  der  verschiedenen  Fälle  der 
Allitteration  zu  HI  412  u.  a.  m.  Gestrichen  sind  auch  in  den  Anm. 
die  Angaben  über  Vergils  Neuerungen  im  Wortschatz  und  über  die 
Abweichungen  vom  prosaischen  Sprachgebrauch,  die  in  einen  Kommentar 
zu  einem  Dichter  nicht  gehören.  Doch  hätte  der  Hrsg.  hierin  noch 
etwas  weiter  gehen  können,  indem  er  Anmerkungen  gestrichen  hätte 
wie  1256  die  Bemerkung  über  libare,  335  die  über  dignari,  420  die 
über  aspectareu.  s.  w.  Eine  gründliche  Umarbeitung  hat  der  kritische 
Anhang  erfahren :  Ladewigs  Abweichungen  von  Ribbeck  und  Haupt  sind 
in  Wegfall  gekommen,  sofern  nicht  Abweichungen  vom  früheren  Texte 
oder  besondere  Erörterungen  dies  verboten.  Dafür  bringt  aber  der 
Anhang  mancherlei  Hinweise  auf  wichtige  Arbeiten  der  Neuzeit.  —  Das 
von  Ladewig  aufgestellte  Verzeichnis  derjenigen  Wörter,  welche  in  der 
Aeneide  des  Vergil  zuerst  vorkommen,  hat  Deuticke,  da  dasselbe  nicht 
uninteressant  ist,  mit  abdrucken  lassen  unter  Hinzufügung  folgender  An- 
merkung: „Lad.  folgt  hier  —  bewufst  oder  unbewufst?  —  einem  Vor- 
gänger aus  alter  Zeit:  schon  in  den  Zusatzscholien  zu  Servius  (cod.  a) 
sind  Worte  bezeichnet,  die  Vergil  zuerst  aufweise;  vgl.  E.  Thomas, 
Essai  sur  Servius  (Paris  1880  S.  112)."  Mit  Rücksicht  auf  das  „be- 
wufst oder  unbewufst?"  möchte  ich  behaupten,  dafs  Ladewig  von 
dem  angeführten  „Vorgänger  aus  alter  Zeit"  wohl  keine  Kenntnis  ge- 
habt hat ;  denn  sonst  hätte  er  unzweifelhaft  desselben  Erwähnung  gethan 
in  dem  Vorwort  zur  5.  Auflage  des  ersten  Bändchens,  wo  es  heifst: 
„An  Vorarbeiten  fand  ich  nur  die  syntaxis  priscorum  scriptorum  Latinorum 
und  die  syntaxis  Lucretianae  lineamenta  von  Holtze,  war  also  für  die 
lexikalische  Seite  und  für  die  Berücksichtigung  der  Prosa,  abgesehen 
von  einigen  Bemerkungen,  die  ich  den  wackern  Arbeiten  Nipperdeys  und 
Drägers  über  den  Tacitus  verdanke,  ganz  auf  meine  eigenen 
Sammlungen  angewiesen,  denn  unsere  lat.  Wörterbücher,  selbst  das 
in  der  6.  Auflage  so  vortreffliche  Georgessche,  geben  nur  unzuverlässige 
und  unvollständige  Auskunft  über  die  historische  Entwickeln  ng  des 
Gebrauches  der  einzelnen  Wörter." 

Rec.  von  C.  Häberlin,  Wochenschr.  f.  kl.  Philol.  1892  No.  15 
Sp.  953  ff.,  H.  Kern,  Neue  philol.  Rundsch.  1892  No.  17  u.  18  p.  264  ff. 
u.  278  ff.,  R.  Sabbadini,  Riv.  d.  filol.  XXI  1-3  p.  177  ff. 


188  Vergilius. 

Vergils  Aeneide.  Für  den  Schuigebrauch  erläutert  von 
Karl  Kappes.  Drittes  Heft:  Aeneide  VH  —  XII.  3.  Auflage. 
Leipzig,  B.  G.  Teubner.     1892.     120  S. 

Mit  der  zweiten  verglichen  ist  diese  dritte  Auflage,  obwohl  es 
nicht  auf  dem  Titel  ausdiücklich  vermerkt  ist,  eine  wirklich  verbesserte. 
Die  Anregung  zu  erneuter  Prüfung  und  Verwertung  des  Besseren  hat 
der  Verf.,  wie  er  in  der  Vorrede  angiebt,  ganz  besonders  dem  Beferenten 
und  P.  Deuticke  zu  verdanken.  Georgiis  Buch  „Die  antike  Aeneis- 
kritik  aus  den  Schollen  und  anderen  Quellen  hergestellt"  ist  ihm  erst  bei  den 
letzten  zwei  Korrekturbogen  bekannt  geworden  und  hat  deshalb  keine 
Verwertung  mehr  finden  können. 

Was  nun  den  Kommentar  anlangt,  so  habe  ich  denselben  genau 
durchgesehen  und  mit  der  zweiten  Auflage  verglichen:  Auch  nicht  eine 
Seite  des  Buches  ist  ohne  Verbesserungen  geblieben.  Dieselben  bestehen 
in  Streichungen,  Kürzungen  und  in  präziserer  Fassung  der  Anmerkungen ; 
Aen.  Vn  1  —  340  haben  die  Anmerkungen  an  ungefähr  115  Stellen  eine 
Änderung  und  zwar  zum  besseren  erfahren.  Im  einzelnen  ist  zwar  noch 
manches  verbesserungsfähig  und  verbesserungsbedürftig,  wie  z.  B.  VH  13 
nocturna  in  lumin a,  zu  nächtlicher  Leuchte,  dafs  es  hell  leuchtet  in 
die  Nacht,  warum  nicht  „zur  Erhellung  der  Nacht"?  93  ist  die  An- 
merkung zu  bidens  zu  ändern  (s.  meinen  vor.  Jahresber.  p.  181),  die 
Erklärung  vertique  regique  101  ist  unklar  u.  dgl.  m. ,  allein  die 
Ausgabe  ist  als  Schulausgabe  —  und  nur  das  will  sie  sein  —  brauchbar, 
und  der  Sekundaner  kann  bei  seiner  häuslichen  Vorbereitung  viel  aus 
dem  Buche  lernen,  da  dasselbe  ihm  über  manche  Schwierigkeit  hinweghilft. 

Möge  der  fleifsige  und  sorgfältige  Interpret  des  Vergil  noch 
manches  Jahr  der  Vollendung  seiner  Ausgabe  leben. 

P.  Vergili  Maronis  Aeneis.  Für  den  Schulgebrauch  er- 
klärt von  0.  Brosin.  IL  Bd.:  Buch  III  und  IV.  —  IIL  Bd.: 
Buch  V  und  VI.  3.  Aufl.  besorgt  von  L.  Heitkamp.  Gotha, 
Fl-.  A.  Perthes,  1892.  S.  139—423.  —  V.  Bd.:  Buch  X— XII  zu 
Ende  geführt  von  demselben.     Ibid.  1890. 

Brosin  hat  die  Textesrevision  bis  zum  Schlüsse  des  zwölften  Buches 
durchgeführt,  während  er  den  Kommentar  bis  XI  230  ausgearbeitet 
hinterlassen  hat.  —  Wenn  ich  in  dem  vorigen  Jahresberichte  (p.  153  f.) 
an  Brosins  Kommentar  die  vielen  Fragen  und  Parallelstellen  aus 
modernen  Dichtern  getadelt  habe  und  nachgewiesen  zu  haben  glaube, 
dafs  jene  häufig  höchst  überflüssig  und  diese  in  vielen  Fällen  nicht  zu- 
treffend sind,  und  wenn  ich  zu  dem  Resultat  gekommen  war,  dafs 
Brosins  Ausgabe  an  so  vielen  Mängeln  und  Verkehrtheiten  leide,  dafs 
dieselbe    als  Schulbuch   kaum  zu  gebrauchen  ist,    so  raufs  ich  dasselbe 


Vergiliüs.  189 

Urteil  auch  über  den  letzten  Band  fällen,    der   ja  zum   gröfsten  Teile 
noch  Brosins  Werk  ist. 

In  der  Vorrede  erklärt  Heitkamp,  dais  er,  je  mehr  er  sich  von 
den  Vorzügen  der  Brosinschen  Ausgabe  überzeugt  hatte,  desto  mehr 
fürchten  mufste,  diese  Verdienste  ^culpa  deterere  ingeni'.  Von  dieser 
Furcht  möge  sich  der  Herausgeber  befreien,  denn  nihil  detrivit  culpa 
ingeni.  —  Auf  Einzelheiten  einzugehen  halte  ich  für  unnötig,  da  mein 
Urteil  über  das  Buch,  welches  ich  in  dem  vorigen  Jahresberichte  aus- 
gesprochen habe,  ich  zu  ändern  nicht  in  der  Lage  bin. 

Vergils  Aeneis.  Für  den  Schulgebrauch  herausgegeben 
von  W.  Kloucek.    2.  verb.  Aufl.    Leipzig  1891,  G.  Freytag.    355  S. 

Der  Text  stimmt  genau  überein  mit  der  in  demselben  Verlage  im 
Jahre  1886  erschienenen  kritischen  Ausgabe  Klouceks.  Die  vorliegende 
Ausgabe  enthält  eine  deutsche  Einleitung  und  ein  Namensverzeichnis 
mit  deutscher  Erklärung.  Für  entbehrlich  halte  ich  die  deutschen 
Inhaltsangaben  der  zwölf  Gresänge.  Fremdwörter  findet  man  in  der 
Einleitung  in  nicht  geringer  Anzahl. 

Von  demselben  Verf.  ist  ferner  in  zweiter  verbesserter  Auf- 
lage erschienen: 

Vergils  Aeneis  nebst  ausgewählten  Stücken  der  Bucolica 
und  Georgica.     Wien  und  Prag  1890,  F.  Tempsky.     407  S. 

Die  Einleitung  handelt  von  Vergils  Leben  und  Dichtungen  und 
dem  Inhalt  der  Aeneis.  Von  den  Eklogen  sind  aufgenommen  I,  V,  VIT 
und  IX,  aus  den  Georgika  I  1—42;  118—159;  351—514;  II  109—176; 
458—540;  m  179— 208;  339-383;  478—566;  IV  8— 50;  116—148; 
149—227;  315—558.  Den  Schlufs  des  Buches  bildet  ein  ausführiiches 
Verzeichnis  und  eine  Erklärung  der  Eigennamen.  Hervorzuheben  ist 
die  schöne  Ausstattung,  hinter  welcher  die  italienische  Über- 
setzung dieses  Buches  von  G.  de  Szombathely  (2  ed.  migliorata) 
zurücksteht. 

P.  Virgili  Maronis  Aeneidos  epitome.  Accedit  ex  Geor- 
gicis  et  Bucolicis  delectus.  Scholarum  in  usum  edidit 
Emanuel  Hoffmann.  Editio  retractata.  Vindobonae,  C.  Gerold 
filii,  1889.     266  S. 

Der  Text  ist  der  Ribbecksche;  Abweichungen  von  demselben  sind 
p.  V — Vn  verzeichnet.  Von  Buch  I  der  Aeneide  sind  aufgenommen 
555  Verse  (756),  Buch  II  ganz,  von  III  677  (718),  von  IV,  was  ich 
nicht  verstehen  kann,  305  (705),  von  V,  das  ich  mit  Schülern  nie  wieder 
lesen  werde,  374  (871),  Buch  VI  fast  ganz,  von  VII  541  Verse  (817), 
von  VIII  511   (731),    von  IX  410   (818),    von  X  461   (908),    von  XI 


190  Vergilius. 

552  (915)  und  von  XII  692  (652).  Aus  den  Georgika  hat  Hoflfmann 
einige  schöne  Episoden  g-egeben  und  zum  Schlnfs  die  erste  und  die 
fünfte  Ekloge.  —  Das  Bach  ist  laut  h.  Ministerialerlafs  vom  17.  März 
1889  zum  Unterrichtsgebrauch  an  österreichischen  Gymnasien  allgemein 
zugelassen. 

Bei  uns  werden  hoffentlich  solche  ^beschnittene'  Ausgaben  von 
Klassikern  nicht  zur  Verwendung  kommen,  denn  der  Schüler  soll  und 
mufs  die  ganze  Aeneide,  den  ganzen  Horaz,  die  ganze  Odyssee  und 
die  ganze  Ilias  in  Händen  haben  (s.  den  vorigen  Jahresber.  p.  146). 
Zwar  bestimmen  die  „neuen 'Lehrpläne  und  Lehraufgaben  für  die  höheren 
Schulen",  dafs  Vergil  nach  einem  Kanon  gelesen  werde,  der  in  sich  ab- 
geschlossene Bilder  gewährt  und  einen  Dui'chblick  auf  das  Ganze  er- 
möglicht. Ich  glaube,  jeder  verständige  Lehrer  und  Pädagoge  wird 
nicht  blofs  aus  Vergil,  sondern  auch  aus  Horaz  und  aus  Homer  eine 
Auswahl  treffen;  sind  dazu  aber  Ausgaben  dieser  Dichter  in  Auswahl 
notwendig,  die  noch  dazu  teurer  sind  als  z.  B.  die  schönen  Teubnerschen 
Texte?  So  kostet  die  Werrasche  Auswahl  95  Pf.,  die  Langesche 
1,80  Mk.,  während  ein  guter  Text  der  ganzen  Aeneide  (z.  B.  Ribbeck, 
Thilo  u.  a.)  für  90  Pf.  zu  haben  ist. 

Auswahl  aus  Vergils  Aeneis.  Nach  den  Bestimmungen 
der  neuesten  Lehrpläne  für  den  Schulgebrauch  heraus- 
gegeben von  Adolf  Lange.  Berlin,  R.  Gärtners  Verlagsbuch- 
handlung (H.  Heyfelder),  1892.     VIU  u.  170  S.     1,80  M. 

Zu  demselben  Genre  gehört 

Vergils  Aeneis.  Für  den  Schulgebrauch  in  verkürzter 
Form  herausgegeben  von  Joseph  "Werra.  Münster,  Aschen- 
dorffsche  Buchhandlung  1892.     XVI  u.  192  S.     0,95  M. 

Beide  Bücher  enthalten  eine  Einleitung,  welcher  Ribbecks  Schilde- 
rung von  Vergils  Leben  und  Werken  (Gesch.  d.  röm.  Dicht.)  zu  Grunde 
gelegt  ist;  beide  haben  ferner  gesperrten  Druck  für  die  dem  Gedächtnis 
des  Schülers  einzuprägenden  Verse  gemeinsam.  Die  ausgewählten  Stellen 
sind  mit  Überschriften  versehen,  und  die  in  Wegfall  gekommenen  Stücke 
werden  inhaltlich  angegeben.  Wenn  Werra  von  dem  anerkannt  herr- 
lichen vierten  Gesänge  der  Aeneide  vier  Fünftel  streicht ,  dagegen  den 
dritten  Gesang  fast  ganz  bietet,  so  ist  das  ein  Verfahren,  das  wohl 
mifsbilllgt  werden  mufs;  lieber  will  ich  den  dritten  Gesang,  obwohl  der- 
selbe auch  schöne  dichterische  Stellen  enthält,  opfern  als  etwas  vom 
vierten;  Lange  hat  wenigstens  705  Verse  von  diesem  Gesänge  in  seine 
Auswahl  aufgenommen.  Zum  Widerspruch  fordert  die  Bemerkung  Werras 
Einl.  p.  VII  heraus:  ,,In  diesem  Werke  (Aeneis)  wollte  er  seinen  Lands- 
leuten   ein  Nationalepos    schaffen,    das    den    unerreichten   Mustern 


Vergilius.  191 

homerischer  Dichtkunst  würdig  an  die  Seite  gesetzt  werden 
könnte  und  den  Römern  Odyssee  und  Ilias  zugleich  sein  sollte."  Nichts 
lag  dem  bescheidenen  Dichter  wohl  ferner  als  das.  Den  Schlufs  bildet 
bei  beiden  Herausgebern  ein  Verzeichnis  der  wichtigsten  Eigennamen; 
Werra  giebt  noch  eine  Stammtafel  des  trojanischen  Königsgeschlechtes 
nach  Ladewig-Deuticke ,  Lange  Abweichungen  vom  Text  der  Ribbeck- 
schen  Ausgabe. 

P.    Vergili    Maronis    Äeneis.      Edidit    Geyza   Nemethy. 

Budapest  1889,  Lampel.     306  S. 

In  dieser  Schulausgabe  zeigt  sich  N.  als  Anhänger  der  konservativen 
Richtung  in  der  Textkritik  und  hält  die  Überlieferung  der  Hss.  des  4. 
und  5.  Jahrhunderts  für  genügend  zur  Herstellung  eines  guten  Textes, 
huldigt  dabei  aber  einem  vernünftigen  Eklekticismus.  Nur  in  wenigen 
Fällen  —  es  sind  im  ganzen  kaum  zwanzig  —  ist  er  von  seinem  Prinzip 
abgegangen;  von  Konjekturen  neuerer  hat  er  sechs  angenommen. 

Publii    Virgilii    Maronis    Aeneis    ex    recensione   C.    Gr. 

Heyne.     Variis  lectionibus  instruxit  atque  adnotatiunculis 

illustravit  Vincentius  Lanfranchiüs.    Lib.  IV — XTT.    Augustae 

Taurinorum,  ex  officina  Salesiana.     1889.     275  S. 

Die  dürftigen  Anmerkungen,  welche  kritisches  und  exegetisches 
Material  bieten,  sind  wertlos;  der  Text  ist  einerseits  entstellt  durch  die 
veraltete  Orthographie  (z.  B.  coelum),  andererseits  durch  die  vielen 
überflüssigen  Interpunktionen,  namentlich  Kommata,  und  das  Papier  ist 
dünn  und  schlecht.  An  vergangene  Zeiten  erinnert  die  Einleitung: 
Yincentii  Lanfranchii  de  Aeneide  cum  fructu  legenda.  Mich  erinnerte 
diese  ^acroasis'  an  die  oratio  de  praestantia  ac  dignitate  P.  Vir- 
gilii Maronis  Aeneidos,  habita  Tubingae  VI.  id.  iun.  anno  CIO. 
ID.  LXXIV  a  Nicodemo  Frischlino. 

Vergilio.     L'Eneide  commentata  da  Remigio  Sabbadini. 

Libri  I,    11   e  III.    Seconda   edizione   interamente   rifusa.     Torino, 

Ermanno  Löscher,  1892.    XV  u.  154  S. 

Die  erste  Ausgabe,  und  zwar  sämtliche  zwölf  Gesänge  der  Aeneide, 
erschienen  in  den  Jahren  1884 — 88,  habe  ich  im  vorigen  Jahresberichte 
p.  134  f.  besprochen.  Näher  auf  die  zweite  Auflage  des  ersten  Bänd- 
chens einzugehen  bin  ich  nicht  in  der  Lage,  da  mir  dasselbe  nicht  zu- 
gegangen ist.  Es  ist  aber  wohl  anzunehmen,  dafs  Sabbadini  an  Ver- 
besserungen es  nicht  hat  fehlen  lassen. 

Die  Ausgabe  der  Aeneis  commentato  da  A.  Monaci  kenne 
ich  nur  aus  der  Anzeige  von  C.  Weymann  (vgl.  Wochenschi'.  für 
klass.  Phil.  1891  No.  16  p.  436),  welcher  die  Arbeit  „sehr  anspruchslos" 
nennt.     Auch 


192  Vergilius. 

Virgilio,  L'Eneide  con  prefazione  di  Dom.  Cancogni. 
Koma.  2  voll.  470  S.  habe  ich  trotz  aller  Bemühungen  nicht  er- 
langen können. 

In  England  sind  während  der  Berichtsperiode  erschienen: 

Vergilii  opera.  With  introduction  and  notes  by  A.  Sidg- 
wick.     2  vols.     Cambridge.     9,60  M. 

Aeneid,  books  1 — 3,  edited,  with  introduction  and  notes 
by  T.  L.  Papillon  and  A.  E.  Haigh.    Oxford.    8.    152  S.    3,60  M. 

Unter  den  Notes  befinden  sich  manche  gute  und  treffende,  die- 
selben sind  aber  gar  zu  kurz  gehalten;  auch  vermifst  man  au  nicht 
wenigen  Stellen  eine  Erklärung. 

Virgils  Aeneid  b.  I  w.  notes  a.  argum.  abridged  frora 
Coningtons  edition  by  J.  Gr.  Sheppard,  vocabylary  by 
Shilleto. 

Saturd.  rev.  1767  S.  281  notiert. 

Virgils  first  book  of  Aeneid  by  Ch.  H.  Poole.     120  S. 
nennt    der  Recensent  im.  Athenaeum    vom   29.  Novbr.  1890  ,, nutzlos". 
Nicht   besser   ist   die  Ausgabe   von   lib.  VII   und   Vm   von  Arthur 
Calvert,  von  welcher  der  ßecensent  in  derselben  Zeitschrift  sagt,  dafs 
dieselbe  für  den  Schulgebrauch  ungeeignet  ist. 

Books  IX  und  X,  edited  by  A.  H.  Allcroft  and  W.  F. 
Masom.  London,  Clive.  12.  80  u.  86  S.  ist  mir  unbekannt  ge- 
blieben. Von  der  Ausgabe  des  zehnten  Buches  der  Aeneide  von  S.  Gr. 
Owen  urteilt  E.  S.  Shuckburg  in  The  Class.  Rev.  1891,  1/2  p.  67, 
dafs  die  Ausgabe  ihren  Zweck  erfüllt.  Der  Titel  lautet:  Aeneid  X 
edited  for  use  of  schools  by  S.  G.  Owen,  with  notes  and  vocabulary. 
London,  MacmiUan.     110  S. 

Vergilii  opera.  Texte  latin,  publi6  d'aprös  les  travaux 
les  plus  recents  de  la  philologie,  avec  commentaire  etc. 
par  E.  Benoist.  Eneide,  Livres  VIT— XII.  4  tirage.  Paris, 
Hachette.     8.     LH,  457  p.     7,50  M. 

Auf  diese  Ausgabe  gedenke  ich  im  nächsten  Jahresbericht  zurück- 
zukommen, um  dieselbe  dort  ausführlicher  zu  besprechen.  T.E.Page 
(The  Class.  Rev.  1891,  5  p.  221)  nennt  die  Arbeit  „sehr  klar  und  be- 
sonders solchen  Lesern  zu  empfehlen,  die  nach  der  Schulzeit  den  Vergil 
zum  Vergnügen  zu  lesen  wünschen."  Wer  hegt  aber  noch  solch  einen 
Wunsch? 

Von  der  kleineren  Ausgabe  Bönoists  ist  die  neunte  Auflage,  be- 
sorgt von  L.  Duvau,  erschienen;  dieselbe  ist  einige  Seiten  stärker  ge> 
worden.     Vgl.  den  vorigen  Jahresber.  S.  138  f. 


Vergilius.  198 

In  demselben  Verlage  ist  ferner  erschienen: 

Eneide.  Livre  \TII.  Explique  litteralement  par 
E.    Sommer.     Traduit    et    annote    par   A.    Desportes.     92  S. 

Eine  russische  Ausgabe  der  Aeneide  vom  ordentl.  Professor 
Darius  von  Naguiewski  in  Casan  ist  im  Jahre  1891  ersclüenen. 
Dieselbe  kann  ich  nicht  besprechen,  da  ich  russisch  nicht  verstehe. 
In  derselben  Lage  befinde  ich  mich  bei  der  ungarischen  Schulausgabe 
von  J.  David  und  G.  Fodor.  Budapest,  Lauffer.  8.  232  S.  Ygl. 
G.  Nemethy  in  Egyetemes  phil.     kuzlöny  XIV  p.  614—615. 

Vergils  Aeneide.  Buch  III,  V,  VII,  IL  In  freien  Stanzen 
übersetzt  von  Emil  Irmscher.  Programme  der  Zeidlerschen 
Realschule  in  Dresden  1889—1892. 

Im  vorigen  Jahresberichte  p.  162  habe  ich  Irmschers  Übersetzung 
von  Aeneide  VI  angezeigt  und  nachgewiesen,  dafs  der  Übersetzer  unfähig 
zu  solchen  Arbeiten  ist.  Die  Fortsetzung  habe  ich  nicht  gesehen,  worüber 
ich  mich  sehr  freue,  denn  es  macht  kein  Vergnügen,  derartige  Mach- 
werke zu  lesen,  und  ich  kann  nicht  annehmen,  dafs  dem  Verf.  die 
Übersetzung  der  angeführten  Bücher  besser  gelungen  ist  als  seine 
früheren.  Irgendwo  habe  ich  gelesen,  dafs  sich  z.  B.  Heime  finden,  wie 
verwest  —  Pest,  unglücksel'gen  —  schwelgen  u.  a.  Irmschers  Über- 
setzung des  VII.  Buches  ist,  wie  ich  aus  der  Berliner  phil.  Wochenschr.  1891 
No.  45  p.  1436  ersehe,  von  Karl  Siegen  „Litterarischer  Merkur"  1891, 
XI  No.  33  p.  260  besprochen  worden;  S.  kommt  zu  dem  Resultate, 
dafs  die  Übersetzung  einen  vorwiegend  erfreulichen  Eindruck  mache; 
ich  möchte  ein  bescheidenes  Fragezeichen  diesem  Urteil  hinzufügen. 

Karl  Troost,  Seebilder  aus  Vergil.  Versuch  einer  im 
Goetheschen  Sinne  ,, identischen"  Übersetzung.  Jahresbericht 
des  Progymnasiums  zu  Frankenstein  i.  Schles.  1892. 

Ist  mir  unbekannt  geblieben.  Auch  habe  ich  nirgends  eine  Anzeige 
oder  Rezension  gelesen. 

Von  ausländischen  Übersetzungen  mögen  noch  folgende  drei  er- 
wähnt werden: 

L'Eneide  di  P.  Virgilio,  versione  dell'  Aur.  Colla. 
Ferrara  1888,  LXXXIV,  381  S.  Selbstverlag.  Vgl.  H.  Kern,  Berlin, 
phil.  Wochenschr.  1891  No.  15  Sp.  459  f.  und 

L'Eneide,  tradotta  da  A.  Caro,  annotata  da  E.  Mestica. 
Firenze,  Barböra.     K).    VIII.     183  p. 

Virgil  in  english  verse:  Eclogues  and  Aeneid  I — VI. 
Ch.  Bowen.     London,  Murray.     2  ed.     306  S. 
Jaliresbericht  für  Alterthumswissenschaft.    LXXVI.  Bd.  (1893.  II.)        13 


1 94  Vergilius. 

Kemigio  Sabbadini,  Studi  critici  sulla  Eneide.  Inter- 
pietazione  —  Quaestioue  grammaticali  —  Composizione  — 
Cronologia.     Lonigo.  1889.     Prem.  Tip.  Gio.  Gaspari.     173  S. 

M.  Kothstein  (Deutsche  Litterat. -Ztg.  1889  p.  1415)  sagt,  die 
Schrift  sei  zwar  anregend  geschrieben,  aber  an  positiven  Ergebnissen 
arm,  besonders  im  kritischen  und  grammatischen  Teil;  Pais  (Riv.  di 
tilol.  XVIII  p.  451—453)  hält  dieselbe  für  bedeutend  (vgl.  noch  P.  Lejay, 
ßevue  critique  1890  No.  9  p.  163—164,  H.  Kern,  Berl.  phil.  Wochenschr. 
1890  No.  38  Sp.  1202  ff.  und  P.  Deuticke  in  d.  Jahresber.  des  phil. 
Vereins  1889  p.  367  f.).  —  Tra  ersten  Teile  (S.  11—49)  behandelt  S. 
über  100  Stellen  der  Aeueide,  namentlich  aus  der  zweiten  Hälfte,  im 
zweiten  ( —  S.  69)  findet  man  grammatische  Untersuchungen,  der  dritte 
60  S.  umfassende  ist  seinem  Inhalte  nach  ziemlich  identisch  mit  des 
Verfassers  im  Jahi-e  1886  erschienenen  Abhandlung  'quae  libris  III 
et  Vn  Aeneidos  cum  universo  poemate  ratio  interadat'.  Augustae 
Taurinorum  1886  (vgl.  den  vor.  Jahresber.  S.  108).  Der  vierte  Teil 
(cronologia)  kommt  zu  folgenden  Resultaten: 

L'Eneide  fu  commiciata  a  divulgare  negli  anni  26 — 25. 

I  Libri  11,  IV,  VI  furono  recitati  nel  23—22. 

I  Libri  I,  H,  IV,  VI,  Ylil,  IX  cadano  nel  28—26.  Piü  special- 
meute  si  fissa  il  27 — 26  per  tutto  il  libro  VIII  e  il  28  per  la  prima 
metä  del  libro  I. 

La  scena  del  X  118 — 142  e  anteriore  al  23.  L'ultiraa  parte  del 
X  e  anterioi'e  24. 

II  duello  del  übro  XU  cade  nel  27—26. 

L'episodio  del  VI  854—886  e  del  23.  La  scena  del  VI  788—807 
e  del  20.     D  Vn  606  e  del  20. 

Ferdinand  Noack,  Die  erste  Aeneis  Vergils.  Hermes  27 
(1892)  S.  407—445. 

Nach  Noack  bilden  die  Bücher  I,  11,  IV,  VI  für  sich  eine  Einheit, 
III  und  V  sollen  aus  chronologischen  und  anderen  Gründen  später  ab- 
gefafst  sein;  in  jenen  vier  Büchern  ist  die  erste  Aeneis  abgeschlossen 
und  ziemlich  rein  erhalten:  mit  dem  nachher  erweiterten  Plan  wird  die 
Hias  mehr  verwertet,  der  Stoff  von  VII— XII  herangezogen  und  je  ein 
Buch  vor  und  nach  IV  eingesetzt;  die  erste  Aeneis  ist  29  begonnen, 
der  erweiterte  Plan  war  25  bereits  gefafst  und  auch  dem  Properz 
(III  34)  bekannt  (vgl.  Berl.  phü.  Wochenschr.  1892  No.  44  Sp.  1405). 

E.  Bethe,  Vergilstudien.  I.  Die  Laokoonepisode.  Rhein. 
Mus.  46  (1891)  8.  511—517. 

Die  aus  der  mythographischen  Überlieferung  sich  ergebenden 
beiden    Versionen   gehen   bei    Vergil   unverbunden   nebeneinander   und 


Vergilius.  195 

durcheinander :  zu  Grunde  gelegt  ist  die  zweite,  jüngere,  wo  die  Beratung 
über  das  hölzerne  Pferd  am  Meeresgestade  stattfindet;  später  hat  Vergil 
die  beiden  Laokoonscenen  40 — 56;  199 — 233  eingelegt,  welche  die  ältere 
Version  (Beratung  vor  dem  Palaste  des  Priamos)  zur  Voraussetzung 
haben  (vgl.  Berl.  phil.  Wochenschr.  1891  No.  48  Sp.   1530). 

Gr.  Ettig,  Acheruntica  sive  descensuum  apud  veteres 
enarratio.     Leipziger    Studien  XIII.  Band,    2.  Heft,  S.  249 — 410. 

In  dieser  gehaltreichen  Abhandlung,  auf  die  ich  leider  nicht  aus- 
führlicher eingehen  kann,  hat  der  Verfasser  zuerst  alle  testimonia  über 
die  Unterwelt  und  den  Abstieg  zu  derselben  mit  Fleifs  gesammelt  und 
die  philosophischen  Ansichten  der  Alten  über  die  Unterwelt  erörtert, 
wobei  er  besonders  die  Lehren  der  Platoniker  und  den  Lucianischeu 
Menippus  genau  analysiert,  so  dafs  ein  möglichst  genaues,  gewifsermafsen 
dogmatisches  Gesamtbild  des  Unterweltsmythus  erzielt  wird.  —  Dafs 
Vergil  in  der  Darstellung  der  Unterwelt  seine  Vorgänger  bei  weitem 
übertreffe,  giebt  Ettig  zu ;  das  hat  bereits  E.  Eichler  in  seiner  bekannten 
Programmabhandlung  nachgewiesen . 

A.  Kornitzer,  Zur  Wanderung  des  Aeneas  durch  die 
Unterwelt.     Zeitschr.  f.  d.  öst.  Gymn.  XLII  S.  961  ff. 

In  Aen.  'Ml  260  fordert  die  Seherin  den  Aeneas  auf,  mit  gezücktem 
Schwert  (invade  viam  vaginaque  eripe  ensem)  die  Unterwelt  zu  betreten. 
Das  ist  wieder  eine  der  vielen  gedankenlosen  Entlehnungen  aus  Homer; 
denn  nirgends  findet  sich  ein  Aulafs,  dafs  Aeneas  sein  kampfbereites 
Schwert  gegen  die  Schatten  gebrauchen  könnte,  ja  dieselbe  Sibylle  wehrt 
ihm  wenige  Verse  weiter  selbst  ab,  da  gegen  die  Spukgestalten  mit 
irdischen  Waffen  nicht  anzukämpfen  sei.  Das  Gebot  der  Sibylle  ist 
vielmehr  eine  rein  äufserliche  Nachahmung  von  Hom.  x  516  ff. 

Karl  Baur,  Homerische  Gleichnisse  in  Vergils  Aeneide. 
I.     Progr.  der  Freisinger  Studienaustalteu,  1891. 

Auf  diese  Arbeit,  welche  einen  Beitrag  zur  Würdigung  der  nach- 
ahmenden Kunst  Vergils  (wie  P,  Cauer  in  dem  Kieler  Progr.  1885, 
vgl.  vor.  Jahresber.  p.  170)  liefert,  werde  ich  näher  eingehen,  sobald 
der  II.  Teil  erschienen  ist,  welcher  S.  64  in  Aussicht  gestellt  wird. 

L'Opera  di  Virgilio.  Lettura  pubblica  fatta  il  23  Set- 
tembre  1888  da  Gaetano  Quadri.  Estratto  Dagli  Atti  deUa  Reale 
Accademia  di  Science  Lettere  ed  Arti  in  Mantova  (biennio  1888 — 89), 
Mantova  1889  und  desselben  Verfassers  Schrift 

Suir  Enea  Virgiliano  Mantova  1893  sind  mir  unbekannt 
geblieben, 

13* 


-j  96  Vergilius. 

Nnr  aus  bucbhändlerisclien  Anzeigen  kenne  ich 

Onorato  Occioni,  Scritti  di  letteratura  latina.  Patavia 
—  Torino  1891  und 

A.  Rebellian,  De  Vergilio  in  informandis  mulicbribus 
(juae  sunt  in  Aeneide  personis  inventore.    Paris  1892. 

J.  Kvicala,  Novo  Kriticke  a  exegeticke  pfispevky  K 
Vergiliove  Aeneide  (Neue  kritische  und  exegetische  Beiträge  zu 
Vergils  Aeneis).     Prag  1892.     160  S. 

Diese  Abhandlung  des'iim  die  Kritik  und  Erklärung  verdienten 
Verfassers  habe  ich  in  der  Berl.  phil.  Wochenschr.  1892  No.  44  Sp.  1387  ff. 
angezeigt;  es  genügt  daher,  auf  das  dort  Clesagte  zu  verweisen.') 

Oskar  Kraulse,  Bemerkungen  zu  einigen  Stellen  der 
Aeneide.     Progr.  Rudolstadt  1890.     27  S. 

I,  3  ist  hinter  litora  stärker  zu  interpuugieren ;  es  folgt  sodann 
eine  längere  Erklärung  von  I  52  ff.,  mit  der  ich  mich  nicht  befreunden 
kann;  I,  78  vermutet  Kr.,  Aeolus  wolle  mit  V.  80  etwas  anderes 
liervorheben  als  den  Besitz  des  blofsen  Amtes,  und  z^\'ar  wolle  er  sagen, 
dafs  ihm  durch  Juno  auch  göttliche  Kraft  und  Autorität  zuteil  geworden 
sei,  der  zufolge  ihn  die  Winde  als  Herrn  und  Gebieter  anerkennen  und 
ihm  unbedingt  gehorchen  müssen.  In  ähnlicher  Weise  werden  behandelt 
I  81  ff.;  VI  585  ff.;  VIT  577  ff.;  59S  ff.;  VUI  169.;  296  ff.;  691  ff.; 
X  104  ff.;  XII  855  ff.,  welche  Stellen  ich  nicht  näher  erörtern  will, 
obgleich  sie  manches  Originelle,  aber  auch  Anfechtbare  enthalten. 

H.  C.  Michaelis,  Mnemosyne  XVIII  1  p.  23—30,  giebt  einige 
Bemerkungen  zu  Aen.  I.  35  bedeute  ruebant  s.  v.  a.  diruere,  ster- 
nere  nach  Douat  zu  Terent.  Adelph.  III  2,  20.  36  wird  sub  pectore 
als  gleich  mit  in  pectore  erklärt,  wie  durch  viele  Beispiele  ans  Vergil 
u.  a.  nachgewiesen  wird.  (Zwischen  sub  und  in  p.  ist  doch  wohl  ein 
Unterschied.)  49  will  M.  honores  („Opfergaben")  lesen.  147  drückt 
perlabitur  nicht  den  schnellen,  sondern  den  ruhigen,  ungehemmten 
Lauf  aus.  195  sei  die  Stellung  von  deinde  nicht  zu  beanstanden  (auch 
meine  Meinung;  bemerkt  sei  hier  gleich,  dafs  E.  Göbel.  N.  Jahrb.  f. 
Phil.  u.  Täd.  141  42.  Bd.  11.  Heft  p.  780  lesen  will:  deinde,  bonus 
(]uae  vina).  403  wird  divinum  a  vertice  in  Schutz  genommen;  574 
sei  agetur  nicht  durch  habebitur,  sondern  regetur  zu  erklären  (?). 
738  bedeute  increpitans  wie  auch  sonst  „zur  Eile  antreiben"  (V). 
In    derselben  Zeitschrift  (XIX  3  p.  271—283)  weist  M.  die  von 


')  Von  meiner  Rezension  dieses  Buches  ist  eine  Übersetzung  in 
böhmischer  Sprache  erschienen  und  zwar  in  der  Zeitschrift  „Krok",  Prag 
1892  p.  447-449. 


Vergilius.  197 

Bährens,  Speijer  und  Kvicala  zu  II  25 ;  59;  107  gemachten  Konjekturen 
zurück,  rechtfertigt  260  promunt  gegen  das  vorgeschlagene  pro dunt, 
305  rapidus  gegen  rabidus,  zu  26  wird  die  Bedeutung  von  ergo, 
zu  301  die  von  ingruit  entwickelt;  125  sei  et  nicht  adversativ. 

H.  Nettleship,  Journal  of  Philologie  XVIII  34  p.  157  erklärt 
Aen.  18  den  Ausdruck  quo  uumine  laeso  mit  Hinweisung  auf  Lucr. 
VI  68;  Aen.  II  183;  Horat.  epod.  15,3;  Liv.  11  36,  4;  Ovid.  Her. 
2,  31:  „Welches  Zeichen  ihrer  göttlichen  Gegenwart  ist  unbeachtet  ge- 
blieben" .  .  .  .,  also  numen  =  „die  durch  irgend  ein  Zeichen,  (Er- 
scheinung, Traumbild)  als  gegenwärtig  sich  erweisende  Gottheit". 

P.  Weifsäcker,  Korresp.-Bl.  f.  d.  Gel.-  u.  Realschulen  Württ. 
1891  9 '10  p.  389  f. 
erklärt  Aen.  I  75  ff.  concilias  =  reconcilias  („du  bürgst  mir  ja  für 
das,  was  ich  riskiere")  und  facis:  ,,du  erteilst  mir  jetzt  Vollmacht" 
(auf  deine  Verantwortung).  Die  kurzangebundene  Antwort  des  Aolus  ist 
widerstrebend  und  verdriefslich.    Davon  sehe  und  merke  ich  nichts. 

Schienger,  erklärendeBeraerkungen  und  Verbesserungs- 
vorschläge zu  einigen  Stellen  unserer  Schulklassiker.  Progr. 
Mainz  1890.     Vergil  p.  12  ff. 

Nach  Schi,  ist  1403  ambrosiae  „göttlich",  1X448  f.  domus 
Aeneae  ,,das  römische  Volk"  und  pater  Romanus  „Roms  Senat". 

Paul  Weyland,  Vergils  Beschreibung  des  libyschen 
Hafens    (Aen.  I  159—169).     Progr.     Gartz  a.  d.  0.    1891.     11  S. 

Abgesehen  von  einer  gewissen  lästigen  Breite  und  den  stellenweise 
gerade  nicht  kurzen  Sätzen  ist  die  Untersuchung  scharf  und  klar.  In- 
dessen scheint  mir  die  ganze  Frage  bereits  von  Gofsrau  (vgl.  dessen  An- 
merkung z.  d.  St.),  von  Kvicala  (Vergilstudien  S.  58  ff.)  und  nament- 
lich von  Plüfs  (Vergil  u.  d.  ep.  Kunst  S.   10  ff.)  erledigt  zu  sein. 

J.  S.  Speijer,  Verslagen  en  Mededeelingen  der  koninklijke  Aka- 
demie von  Wetenschappen,  1891  VII  3  p.  243  ff. 
behandelt  u.  a.  das  Wort  mag  all  a  Aen.  I  421 ;  IV  259,  welches  er  von 
mäpalia  scheidet  und  als  Namen  der  Vorstadt  Karthagos  deutet. 

Ders.,  Observationes  et  emendationes.  Groningen,  Wolters, 
1891.     79  S. 

Vgl.  L.  Müller,  Berl.  phU.   Wochenschr.  1892  No.  11  Sp.  334  flf. 

Der  dritte  Abschnitt  von  Speijers  Schrift  beginnt  mit  einer  Unter- 
suchung über  die  Deklination  der  griechischen  Feminina  auf  o  bei  Vergil. 
Nach  ihm  ist  Dido  IV  383  Vokativ  wie  Cynthia  bei  Prep.  I  18,  31. 
Sp.  bespricht  ferner  eine  Anzahl  Stellen  aus  Ciceros  Verrinen,  Plautus, 


198  Vergilius. 

Vergil  und  Tacitns.  Gegen  seine  Vermutung  Aen.  III  329  nie  faraulo 
famulam  Heleno  trausmisit  habendam  erklärt  sich  L.  Müller  aus 
metrischen  Gründen  entschieden.  „Speijers  Latein  läist  viel  zu  wünschen 
übrig." 

M.  T.  Tatham,  The  Class.  Rev.  VIS  p.  124 
liest  Aen.  1455  f.    inter   se  mirantur    (näml.  Aeneas  und  Achates) 
trotz  lustrat  und  videt. 

P.  Simpson  und  T.  E.  Tage,    The  Class.  Rev.  VI  8  p.  366  f. 
u.  414, 
verstehen  die  Worte  Aen.  III  510  sortiti  remos  von  einer  Verlosung 
der  Ruder,  die  im  Hinblick  auf  die  mitternächtliche  Abfahrt  vorher  vor- 
genommen ward. 

Ebend.  p.  367  vergleicht  W.  F.  R.  Shilleto  den  Sinn  von  Aschyl. 
Agam.  313  mit  dem  von  Aen.  V  305. 

J.  C.  P.  Boot,  Mnemosyue  XVIII  4  p.  362  f.  will  Ecl.  2,  71 
salicum  potius  und  Aen.  I  461  lacrimae  miseris  (=  miseriis), 
mentes  mortalia  tangunt  lesen. 

Jnl.  Gj'omlaj'  giebt  in  Egyetemes  Philologiai  Közlöui  (Zeitschr. 
für  allgemeine  Philologie),  Budapest  XIII  10  p.  725  ff. 
Parallelstellen  aus  Homer  zu  Vergil.  Aen.  I;  jedenfalls  eine  ganz  über- 
flüssige Arbeit.  —  In  derselben  Nummer  findet  sich  p.  782  flf.  eine  unga- 
rische Übersetzung  der  vierten  Ekloge  von  J.  Vietörisz. 

T.  E.  Page,  The  Class.  Rev.  in  p.  76 
giebt   eine  genauere  Interpretation  von  Aen.  II  492:    ,,die  (mit  Zapfen 
verseheneu)  Pfosten    werden    aus    den  Pfannen    (cardine)    gerissen  und 
stürzen  (samt  den  Thoi-flügeln)  nieder. 

F.  Weck,    zu  Vergilius    (Sinon  im    11.  Buche).     N.  Jahrb.  f. 
Phü.  u.  Päd.  141  p.  469  ff. 

W.  bespricht  das  Auftreten  Sinons  im  II.  Buche.  Er  erklärt  u.  a. 
76  füi'  unentbehrlich  und  interpretiert  quae  sit  fiducia  capto  als 
einen  zu  hortamur  gehörigen  finalen  Relativsatz  -^  ,,um  dem  Gefan- 
genen Mut  zu  machen."  —  Etwas  geschraubt! 

E.  Eichler,  Zeitschrift  f.  d.  öst.  Gymn.  XL  p.  22 

erklärt  die  verzweifelte  Stelle  Aen.  III  684  f.:  „Dagegen  warnen  die 
Einschärfungen  des  Helenus,  auf  die  Scylla  und  Charybdis  loszusteuern, 
da  die  Todesscheidegrenze  zwischen  beiden  AVegen  nur  schmal  sei."  "Wo 
kommen  da  in  aller  Welt  zwei  Wege  her? 


Vergilius.  199 

0.  Linsenbarth,    zu  Yerg.  Aen.  IV  402  ff.,  N.  Jahrb.  f.  Phil, 
u.  Päd.  1891  p.  706  f. 

rechtfertigt  die  Annahme,  dafs  Ameisen  Sämereien  einsammeln  und  des- 
halb dem  Dichter  eine  mangelhafte  Beobachtung  der  Natur  nicht  vor- 
geworfen werden  kann.  Vgl.  Cic.  d.  nat.  deor.  II  157;  Ovid.  ars.  I  94 
u.  a.  sowie  aus  neuerer  Zeit  W.  Marshall  „Leben  und  Treiben  der 
Ameisen",  Leipzig  1889  S.  134  f. 

Reichenhart,     Zur    Erklärung    einiger    Vergilstellen. 
Zeitschr.  f.  d.  öst.  Gymn.  XLITE  p.  491  ff. 

habe  ich  nicht  einsehen  können.  Bekannt  ist  mir  nur,  dafs  sich  darunter 
eine  neue  Erklärung  vom  Schilde  des  Aeneas  befindet;  der  Dichter  habe 
bei  dessen  Schilderung  nur  solche  Ereignisse  aus  der  römischen  Geschichte 
herausgegriffen,  bei  welchen  die  Existenz  der  Stadt  auf  dem  Spiele  stand, 
und  zwar,  damit  Aeneas  den  Glrundgedanken  erkenne:  aus  allen  Nöten 
hilft  Tapferkeit  und  Götterbeistand. 

P.  Sandford,  The  Class.  Rev.  III  9  p.  419. 

Aen.  IV  436  (und  Liv.  XXIV  48)  bedeutet  cumulata  gratia  „mit 
Zinsen".    Vgl.  noch  Liv.  II  47  und  II  23. 

Th.  Berndt    in    der  Festschiift  zur  350jährigen  Jubelfeier  des 
evang.  Friedrichsgymn.  zu  Herford,  1891  S.  8  f. 
will  Aen.  V  289  f.  lesen 

.  .  quo  se  multis  cum  milibus  heros 
Contulit  et  medius  tumuli  extructo  aggere  sedit. 

G.  Mc.  N.  R.  und  A.  Platt,    The  Class.  Rev.  V    S.  124,    232 
u.  337. 

Aen.  III  702  soll  fluvii  als  Spondeus  gelesen  werden,  vgl.  Georg. 
1482.  Aen.  VI  657  heifse  castigare  „tadeln",  und  sie  vergleichen 
den  Vers  mit  Claudian.  in  Ruf.  II  476—480  und  Plat.  Gorg.  525  A, 
aus  welcher  Stelle  Vergil  das  aTi[X(o;  vorgeschwebt  habe. 

H.  Nettleship,  Journ.  of  Phüol.  1890  No.  37  p.  110, 
liest  Aen    V  602  Troiaque  nunc  cursus  (oder  lusus)  statt  pueri. 

P.  J.  Scriberius  will  Mnemosyne  XVI  4  p.  307 
Aen.  VI  664    mit   geringer  Abweichung   von    der  Überlieferung    lesen 
memores  reliquos  fecere  merendo. 

E.  Norden,    N.   Jahrb.    f.  Phü.    und  Päd.    XVHI.    Suppl.-Bd. 
p.  342, 
kommt   bei   seiner  Abhandlung  über  Varros  Furien  auch  auf  Aen.  VI 
605  f.  zu  sprechen. 


200  Vergilius, 

R.  Whitelaw,  The  Class.  Rev.  V  p.  180 
nimmt  Aen.  VI  743  f.   manes  in  dem  Sinne  ,,Mäclite  der  Unterwelt"; 
725  Titania  astra  =  „Sonne    und  alle  Sterne"    und  spricht  sich  für 
Umstellung'    von    743/4   hinter  747  aus.    Was  dadurch  gewonnen  wird, 
vermag:  ich  nicht  einzusehen. 

J.  Martha,  Le  supplice  de  Phlegyas.  Revue  de  philologie  XII 
No.  2  p.  97. 

Wiederaufnahme  einer  oft  erörterten  Frage.  Aen.  VI  614  ff.  ist 
die  Reihenfolge  der  Strafen  'des  Phlegyas  so  seltsam  unterbrochen,  dafs 
\aele  an  irgend  eine  Interpolation,  andere  an  eine  schlimme  Duixhrütte- 
lung  der  Verse  gedacht  haben.  Um  letzteren  Fehler  zu  heilen,  hat 
L.  Havet  jüngst  vorgeschlagen,  die  vv.  615 — 620  an  den  v.  601  zu 
knüpfen,  und  Herr  Martha  findet  in  der  That,  dafs  durch  diese  Um- 
stellung der  Text  eine  logische  Gestalt  gewinne.  Ei-  macht  liierbei  auf 
den  Kommentar  des  Macrobius  zum  Somuium  Scipionis  aufmerksam,  in 
welchem  des  Phlegyas  Strafen  so  aufgezählt  werden,  als  wären  sie  in 
der  Aeneis  in  zusammenhängender  Reihe  genannt.  Aber  durch  die  Vers- 
umstellung bekommt  der  Stil  etwas  Ungelenkes ;  die  sinnähnlichen  Worte 
ne  quaere  doceri  und  non  mihi  si  linguae  centum  stehen  zu  nahe 
beisammen,  auf  fünf  Verse  Distance  wii'd  der  nämliche  Gedanke  in  bei- 
nahe denselben  Worten  ausgedrückt.  Dies  führt  den  Verf.  auf  die  Idee 
einer  doppelten  Rezension  derselben  Stelle  (014 — 615  und  625 — 627). 
Vergil  hat  die  Stelle  auf  zweierlei  Weise  verfafst,  eine  Version  sollte 
ausgemerzt  werden,  wenn  der  Dichter  sein  Werk  hätte  selber  revidieren 
und  herausgeben  können.  Dies  stimme  auch  mit  der  bekannten  skrupu- 
lösen Arbeitsweise  Vergils  und  mit  der  evidenten  Nichtvollendung  der 
Aeneis.  Berl.  phil.  Wochenschr.  1889  No.  47  p.  1508.  Wochenschr.  f. 
kl.  Phil.  1889  No.  11  p.  303  u.  No.  51  p.  1405. 

Th.  Reinach,  Pirithous  ou  SisypheV  Ebend.  XIII  No.  1 
p.  78  ff. 

Im  Anschlufs  an  L.  Havet  (vgl.  Wochenschr.  f.  kl.  Phil.  1889 
p.  303),  welcher  auf  Aen.  VI  601  die  vv.  616  ff.  folgen  läfst,  behauptet 
der  Verf.,  mit  den  Worten  saxum  ingens  volvunt  alii  sei  nicht 
Sisyphus  gemeint,  sondern  Pirithous,  auf  den  Vergil  die  Strafe  des  Si- 
.syphus  übertragen  habe. 

A.    Ciraa,    La    Rassegna    degli  Eroi    nel    Lib.  VI    delT 

Eneide    (v,  752segg.).    Estratto    dalla  Biblioteca    delle  Scuole  Ita- 

Uane  (No.  18,  vol.  III).     Parma  1891.  11  S. 

Ein  treffliches  Schriftchen,    welches  gelesen  zu  werden  verdient. 


Vergilius.  201 

H.  Ball,  N.  Jahrb.  f.  Phil,  und  Päd.  1889  p.  720, 
fafst  Aeu.  VII  37  ff.    advena    als  Substantivum    und    exercitus    als 
Adjektivum,  so  dafs  advena  exercitus  „der  geprüfte  (geplagte)  Fremd- 
ling (Ankömmling)"  d.  h.  Aeneas  ist.    Sollte  man's  für  möglich  halten?? 

E.  Brandes,  zum  6.  und  S.Buche  der  Aeneis,  N.  Jahrb.  f.  Phil, 
u.  Päd.  141  p.  59—77. 

Br.  legt  die  Komposition  des  8.  Buches  und  das  Verhältnis  des- 
selben zur  Nexuta  dar  und  vergleicht  sodann  die  Gliederung  des  Schildes 
des  Achilleus  bei  Homer  mit  der  des  Schildes  des  Aeneas  bei  Vergil. 
Sodann  stützt  Br.  Lessings  Ansicht  über  den  Schild  des  Achilleus 
gegen  Plüfs. 

In  derselben  Zeitschr.  1889  p.  511  ff.  wül  Br.  Aeu.  1X329  ff. 
schreiben: 

tris  iuxta  famulos  fernere  inter  tela  iacentis 
armigerum  regis  premit  aurigamque  sub  ipsis 
nactus  equis  ferroque  secat  pendentia  coUa. 
(Th.  Maurer  wollte  a.  a.  0.  1886  p.  100  premit  für  Remi). 

F.  Polle  ebend.  1891  p.  384 

schlägt  Aen.  VII  373  vor  zu  lesen  materqne  Mj'cenae  und  macht  auf 
die  seltsame  Erfindung  in  435  aufmerksam. 

In  der  Sitzung  der  Cambridge  Philological  Societj^  vom  22.  Mai 
1890  las 

Dr.  Verrall  über  Aen.  IX  48  und  403.  Das  et  ist  hier  wie  das 
griech.  xal  als  Folgerung  „und  so"  zu  nehmen.  —  In  Aen.  XI  199 — 202 
ist  die  Wiederholung  von  ardentibus  begründet;  es  ist  das  m3rthologisch 
begründete  Bild,  dafs  der  Schein  des  die  Toten  verzehrenden  Feuers 
in  den  Sternen  wiederkehrt. 

"W.  Gemoll,  Kritische  Bemerkungen  zu  lateinischen 
Schriftstellern.     Progr.   des  Gymn.  zu  Liegnitz  1890. 

G.  vermutet  IX  579  eminus  für  manus.  V  741  will  derselbe, 
wie  er  mir  mündlich  mitteilte,  quo  te  inde  ruis  lesen;  allein  der  refl. 
Gebrauch  von  ruere  ist  selten,  vgl.  Gell.  N.  A.  YII  (VI)  2,  8  und 
Apul.  flor.  I  p.  341. 

W.  J.  Evans,  The  Class.  Eev.  V  p.  128, 
versteht  Aen.  X  1  nicht  vom  Beginne  eines  neuen  Tages,    sondern  nur 
von    der  Eröffnung    der  Beratung,    um    die  Mitte    des    zweiten  Tages. 
Über 

Heribert  Bouvier,  Die  Götter  in  der  Aeneide  des  Vergil. 
Progr.     Krems   1890.     23  S. 
und 


202  Vergilius. 

H.    Blümner,    Über    die    Farbenbezeichnungen    bei    den 
römischen   Dichtern.      Niveus,   lacteus,  eburueus,  marmoreus,  ar- 
genteus,  ater,  Phüologus  XLVIIl  4  (n.  F.  114)  1889  p.  706-722 
kann  ich  keine  Anzeige  liefern,  da  ich  beides  nicht  erhalten  habe. 

In  den  Bl.  f.  d.  bayer.  Gymn.-W.  1891  3/4.  p.  164—237  be- 
handelt H.  Kern  in  einem  coroUarium  criticum  et  exegeticum 
dreizehn  Stellen  aus  Vergil,  je  eine  aus  den  Eklogen,  Georg.,  Cul.  u. 
Cii'.,  die  übrigen  aus  der  Aeneide.     Weiter  ist  mir  nichts  bekannt. 

M.  Manitius,  Rhein.  Mus.  46  p.  622  ff., 

untersucht  die  Hexameterausgänge  in  der  römischen  Poesie  von  Lu- 
cretius  bis  zu  den  Aenigmata  Eusebii  und  findet,  dafs  die  einsilbigen 
Ausgänge  abnehmen,  bei  den  christlichen  Dichtern  aber  zunehmen, 
dals  die  viersilbigen  früher  an  Eigennamen  gebunden  waren,  bei  den 
christlichen  Dichtern  nicht  in  gleichem  Mafse,  ebenso  die  fünfsilbigen, 
deren  Zahl  bei  den  christlichen  Dichtern  zugenommen  hat. 

J.  Örtner,  N.  Jahrb.  f.  Phü.  u.  Päd.  1890  p.  121  f., 
definiert  die  Cäsur  als  Pause,  diu-ch  welche  auch  in  der  Musik  die  Unter- 
brechung der  rhythmischen  Tonreihe  bezeichnet  werde. 

L.  Qu  ich  erat,  Revue  de  philologie  XIV  1—4  p.  51—55, 
behandelt  die  hypermetrischen  Verse  Vergils. 

Nicht  erlangt  habe  ich  folgende  Abhandlungen: 

W.  Meyer,  Über  die  weibliche  Cäsur  des  klassischen 
lateinischen  Hexameters  und  über  lateinische  Cäsuren 
überhaupt.  Sitzungsber.  der  Königl.  bayer.  Akad.  d.  Wiss.  zu 
München.     1889. 

B.  Gerathewohl,  Grundzüge  für  lateinische  Allitte- 
rationsforsehung.  Vortrag  vor  der  41.  Versammlung  deutscher 
Philologen  und  Schulmänner  in  München.     1892. 

Derselbe,  Allitteration  tontragender  Silben  an  den 
beiden  letzten  Arsen  des  Hexameters  in  Vergils  Aeneis. 
W.  V.  Christ  zum  sechzigsten  Geburtstage  dargebracht.  München  1891, 

J.  Rönström,  Metri  Vergiliani  recensio.   Luud  1892.  60  S. 

Die  Abhandlung  enthält: 

I.  Exordium  versus  (p.  2).  II.  Vicissitudo  dactylorura  et  spon- 
daeorum  prioris  versus  partis  (p.  5).  III.  Exitus  versus  (p.  11). 
IV.  Caesurae  versus  heroici  (p.  20).  V.  Licentiae  metricae:  a.  vocales 
concurrentes;  b.  productio  et  correptio;  c.  tmesis,  syncope  (p.  40). 
VI.  Excursus  (p.  58). 


Vergilius.  203 

Bemerkenswert  ist,  dafs  R.  Hauptcäsuren  nicht  anerkennt,  dafs 
vielmehr  alle  denselben  Wert  haben.  Im  übrigen  bietet  die  Arbeit 
nichts  Neues. 

A.  Ahlheim,  Gymnasium  1891,  1  p.  1—8,  Beitrag  zur  Be- 
handlung der  Vergillektüre. 

A.  skizziert  eine  Lehrstunde  über  Aen.  II  750—795,  woran  sich 
ein  deutscher  Aufsatz  über  das  Thema  „Verdient  Aeneas  den  Beinamen 
pius?"  schlielsen  soll.  Ich  mui's  offen  gestehen,  dafs  ich  nicht  verstehe, 
wie  mau  in  einer  Lehrstunde  mit  einem  solchen  Pensum  fertig  werden  will. 

L.  Weber,  Die  poetische  Lektüre  auf  dem  Gymnasium. 
I.  Progr.  d.  Luisengymn.  zu  Berlin.     1891.     24  S. 

Nach  W.  sollen  nur  Vergil  und  Horaz  gelesen  werden,  und  zwar 
von  Vergil  in  Sekunda  die  erste  Hälfte  der  Aeneide  in  Auswahl,  während 
eine  solche  aus  der  zweiten  Hälfte  in  Prima  neben  der  Ilias  gelesen 
werden  soll.  Aufserdem  soll  in  Sekunda,  ehe  man  mit  Vergil  beginnt, 
ein  Buch  Homer  gelesen  werden,  um  ein  besseres  Verständnis  in  den 
Schülern  für  das  Epos  zu  erwecken.  Hierzu  sei  eine  wöchentliche 
Stunde  genügend,  wenn  die  ganze  Dichterlektüre  der  Klasse  in  einer 
Hand  liege.  —  Hoffentlich  ein  Vorschlag,  der  nirgends  zur  Ausführung 
kommen  wird. 

J.  Sander,  Zur  Schriftstellerlektüre.  Bl.  f.  h.  Schulw. 
1891  p.  69, 
will  in  Obersekunda  für  Vergil  lieber  Horaz  lesen.  Vgl.  jedoch  die 
neuen  Lehrpläne  und  Lehraufgaben  für  die  höheren  Schulen  vom 
6.  Januar  1892,  nach  welchen  in  0  II  nur  Vergil  gelesen  werden 
soll.  Überdies  werden  auch  gute  Sekundaner  für  die  Lektüre  der 
lyrischen  Gedichte  des  Horaz  und  noch  weniger  für  die  Lektüre  der 
übrigen  Schriften  desselben  schwerlich  schon  geeignet  sein. 

F.  Ehr  lieh,  Mittelitalien,  Land  und  Leute  in  der  Aeneide 
Vergil  s.     Progr.  d.  königl.  Gymn.  zu  Eichstädt  1882.     82  S. 

Der  Verf.  (jetzt  in  Freising)  hat  seine  Abhandlung,  welche  aUes 
enthält,  was  sich  über  den  Gegenstand  in  der  Aeneide  findet,  für  streb- 
same Schüler  zur  Einfülmmg  in  das  Gedicht  bestimmt,  und  die  Schrift 
wird  gewifs  ihren  Zweck  erfüllen,  wenn  auch  manches,  namentlich  An- 
merkungen, über  den  Horizont  von  Schülern  hinausgehen  mag.  Druck- 
fehler sind  nicht  selten. 

Max  Hoffmaun,  Der  codex  Mediceus  pl.  XXXIX  No.  1  des 
Vergilius.     Pr.  Pforta,  1889.    XX  u.  36  S. 

M.  Eothstein,  Deutsch.  Litt.-Zeitg.  1889,  No.  34  p.  1232  sagt, 
dafs  hier  der  denkbar  höchste  Grad    von  philologischer  Zuverlässigkeit 


204  Vergilius. 

erreicht  sei;  doch  könne  der  Einrtuls  auf  die  Textgestaltung  kein  erheb- 
licher sein.  G.  Schepps  (Wochenschr.  f.  kl.  Phil.  1890  No.  3  p.  7H) 
lobt  die  kaum  zu  übertreffende  Gründlichkeit  dieser  Kollation,  welche 
A.  ß.  im  Litter.  Centralbl.  1890  No.  6  p.  190  „mustergültig"  nennt: 
H.  N.,  The  Class.  Kev.  IV  1/2  p.  45  sagt,  die  Schrift  sei  nützlicher 
für  das  Studium  der  Paläographie  als  für*  die  Gestaltung  des  Vergiltextes. 
Vgl.  uoch  A.  Zingerle,  Berl.  phil.  Wochenschr.  1889  No.  50  p.  1587  ff.: 
E.  Sabbadini,  Rivista  di  filologia  XVIII  4-G  p.  285  ff.;  P.  Lejay, 
Revue  crit  1890  No.  9  p.  161  f. 

P.  III — XX  enthalten  eine  ausführliche  Beschreibung  des  Kodex 
und  seiner  Schicksale:  p.  1 — 36  werden  ecl.  6,  48 — 10,  77,  Georg.,  Aen. 
I  und  VI  mit  Ribbecks  Text  verglichen. 

R.    Väri,    Egyetemes    Philologiai   Közlöni    1889,    Suppltbd.    p. 
361—365, 

handelt  über  ,ein  Viridariumcodex  des  ungarischen  Nationalmuseums". 
Die  Hs  stammt  aus  saec.  XV  und  enthält  Excerpte  aus  Prudentius, 
Claudianus,  Vergilius.  Gaius  Valerius,  Statins,  Lucanus  und  Ovidius. 
Wie  aus  den  mitgeteilten  Varianten  ersichtlich,  ist  der  Text  wertlos; 
dies  ein  für  allemal  zu  konstatieren,  machte  sich  der  Verf.  zur  Aufgabe. 

M.  Ihm,    Die  Scholien    im  cod.  Mediceus   des  Vergilius. 
Rhein.  Mus.  XLV  4  p.  622  ff. 

Mitteilung  der  Scholien  des  Med.  pl.  XXXIX  No.  1;  dieselben 
(im  Sammelkommentar  des  Pomponius  Sabinus  benutzt)  sind  wie  die 
subscriptio  ans  einer  anderen  Quelle  entnommen,  deren  Vergiltext  der 
minderwertigen  Überlieferung  angehörte,  wahrscheinlich  Donat. 

II.  Kothe,    Vergilius   und  Timaios.     iN.  Jahrb.  f.  Phil,  und 
Pädag.  1889  p.  358—360. 

Der  Grundgedanke  der  Aeneis  geht  nicht  auf  Timaios  zurück. 
Im  einzelnen  ergeben  sich  anscheinend  Berührungspunkte  in  ziemlich 
grofser  Zahl:  aber  diese  Berührungspunkte  beweisen  nicht,  dais  Verg. 
aus  Timaios  geschöpft  habe,  da  ihm  fast  überall  auch  andere  Quellen 
zu  Gebote  standen.  Die  Geschichte  des  Hirten  Daphnis  war  mit  Stesi- 
choros  (fr.  63  Bergk)  ein  Lieblingsgegenstand  der  sikelischen  Dichter, 
namentlich  der  Bukoliker,  von  denen  ja  Verg.  in  den  Eklogen  vielfach 
abhängig  ist.  Die  Einwanderung  der  Tyrrhener  aus  Lydien  berichtet 
schon  Herodot  (I  94);  die  Weichlichkeit  der  Etrusker  war  allgemein 
bekannt  (Catull.  39,  11);  der  Name  Trinacria  wird  durch  Münzen  sike- 
lischer  Städte  als  weit  verbreitet  erwiesen. 


Vergilius.  205 

M.  ßothstein,  Properz  und  Vergil.  Hermes  1889  (XXIV) 
p.  1—34. 

Die  Betrachtung  des  Zusammenhanges  der  Lyuceuselegie  ergiebt, 
daJ's  die  Einreihung  des  Properz  unter  die  berühmten  Liebesdichter  den 
Hauptgedanken  des  Gedichtes  bildet,  zu  dem  alles  andere  in  Beziehung 
stellt;  was  der  Dichter  sagen  will,  knüpft  er  mit  bewul'ster  Absicht  an 
Vergilische  Gedanken  an,  daher  widersprechen  die  auf  Vergilische  Ge- 
dichte bezüglichen  Stellen  keineswegs  jenem  Zusammenhang.  AVährend 
Properz  für  seine  Dichtungen  Vergils  Buc.  und  Georg,  vielfach  benutzte, 
verwertete  dieser  für  seine  Äeneide  Stellen  aus  den  während  seiner  Be- 
schäftigung mit  der  Dichtung  entstehenden  und  zur  Herausgabe  gelangenden 
Elegien  des  Properz. 

Wilfred  P.  Mustard,  The  Etymologies  in  the  Servian 
Coramentary  to  Vergil  (Reprinted  from  Colorado  College  Studies, 
vol.  III)  Colorado  Springs  1892.     8.     37  p. 

Über  diese  Abhandlung  vgl.  Klotz,  Wochenschrift  f.  klass.  Phil. 

1892  No.  44  p.  1202  ff.,  mit  dem  ich  mich  in  der  Beurteilung  derselben 

in  Übereinstimmung  befinde,  so  dafs  ich  nichts  weiter  hinzuzusetzen  habe. 

J.  L.  Moore,  Servius  on  the  tropes  and  figures  of  Vergil. 

The  Americ.  Journ.  of  philol.  1891  p.  157—192. 

Sammlung  von  Beispielen  zu  den  rhetorischen  Figuren  und  Rede- 
wendungen bei  Vergil,  wie  sie  von  Servius  aufgeführt  werden. 

K.  Hoppe,  De  Tib.  Claudio  Donato,  Aeneidos  interprete. 
Diss.  inaug.     Göttingen  1891,  31  S. 

Die  Dissertation  handelt  I.  De  Donati  indole  (a.  de  Donati  iudicio. 
b.  de  Donati  fide,  c.  quatenus  auctores  secutus  sit,  d.  de  confusis  inter 
se  unius  loci  interpretationibus).  IL  De  Donati  auctoribus  (a.  Don. 
num  quem  inspexerit  commentarium ,  b.  Don.  num  Servil  commentariis 
usus  Sit,  c.  quae  ratio  inter  Donatos  intercedat,  d.  quaedam  Ti.  Donati 
Aelio  vindicantur,  e.  de  Donati  auctore.  Die  Arbeit  verrät  Fleifs  und 
Geschick;  das  Latein  ist  oft  nicht  korrekt  und  schwer  verständlich. 

Gustav  Lämmerhirt,  De  priscorum  scriptorum  locis  a 
Servio  allatis.  Dissertationes  philologicae  Jenenses.  Leipzig  1890, 
Teubner.  IV.  311  S. 

Hinsichtlich  dieser  Arbeit  unterschreibe  ich  das  Urteil  B.  Kühlers, 
Berlin,  phil.  Wochenschr.  1891  No.  2  p.  46 — 49,  auf  das  ich,  ne  acta 
agam,  hiermit  verweise.  Eine  zweite  Besprechung  der  Schrift  ist  mir 
nicht  bekannt  geworden. 

M.  Manitius,  Vorbilder  und  Nachahmer  des  Valerius 
Flaccus,  Philologus  1889  (XLVIII,  2.  N.  F.  Bd.  II,  2  p.  248  ff.), 


206  Vergilius. 

liefert    eine  Zusammenstellung-    verwandter    Stellen    aus  Vergil,    Ovid, 
Lucan,  Statins  n.  a. 

Eob.  Ellis,  The  Jouru.  of  Philol.  XX  40  p.  159—161, 
bestätig:t  Munros    Ausführung    zu   Lucret.  III  1011,    dafs  Servius    zu 
Aen.  VI  596    von  Lucrez    und    nicht    von  Vergil    spreche,    aus  einen» 
Scholion  in  einer  IIs  von  Macrob,  zum  somniuni  Scipionis,  saec.  X — XI. 

H.  Georgii,    Die   antike  Aeneiskritik   aus  den  Scholieu 
und  andern  Quellen  hergestellt.   Stuttgart  1891.  VIII  und  570  S. 

In  der  Einleitung  (p.  1—41)  spricht  der  Verf.  zuerst  über  die 
Thatsache  der  Aeneiskritik,  zweitens  über  die  Serviusfrage  und  drittens 
über  die  Ermittelung  der  Aeneiskritik  aus  den  .Scholien.  Es  folgt  dann 
bis  Seite  557  ein  kritischer  Kommentar  zur  Aeneide,  zu  welchem  die 
ganze  bekannte  Litteratur  benutzt  und  verwertet  worden  ist.  Auch  viele 
Emeudationen  des  Scholieutextes  findet  man,  von  denen  manche  Beach- 
tung verdienen.  S,  558 — 570  enthalten  eine  Übersicht  der  Hauptgesichts- 
punkte der  ganzen  antiken  Aeneiskritik. 

Die  Rezensionen  des  Buches,  soweit  mir  solche  bekannt  geworden 
sind,  lauten  durchweg  anerkennend;  so  sagt  H.  H.  im  litter.  Centralbl. 
1892  No.  10  p.  327:  „Der  grofse  Vorzug  des  Buches  besteht  darin,  dafs 
es  die  Berechtigung  der  gegen  Vergil  erhobenen  ästhetischen  Kritik 
nachweist;  man  wird  überzeugt,  dals  Vergil  richtig  fühlte,  als  er  seine 
Aeneis  unzulänglich  fand  und  deren  Veröffentlichung  in  dieser  Gestalt 
nicht  verantworten  wollte."  A.  Kiefsling,  Deutsch.  Litt.-Ztg.  1892 
p.  467:  ,.Das  Buch  eröffnet  einen  umfassenden  Einblick  in  die  Thätig- 
keit  der  römischen  Vergiliomastiges."  Auch  E.  Thomas,  Revue  crit. 
1892  No.  15  p.  290  lobt  den  kühnen  erfinderischen  Geist,  der  logisch 
bis  zum  Extrem  sei,  mii'sbilligt  aber  die  dem  Horaz  ungünstige  Tendenz 
des  Buches.  Vgl.  noch  A.  Zingerle,  Berl.  phil.  Wochenschr.  1892. 
No.  12  p.  360  ff. 

Horst  Kohl,  Beiträge  zur  Kritik  Rahewius.    I.  Die  Ent- 
lehnungen  aus  fremden  Autoren.    Progr.  Chemnitz,  1890.  24  S. 

Es  sei  mir  gestattet,  aus  dieser  interessanten  Abhandlung  folgendes 
anzuführen : 

Rahewin:  nachgebildet: 

Parcere  prostratis  et  debellare  snperbos  .     .     .     .      Aen.  VI  854. 

Mortem  intentaret „         I     91. 

Ceptum  iter  peregit „      VI  384. 

Danaum  insidias r        II     65. 

Sed  praevaluit  auri  sacra  fames r      III     56. 

Bella,  qaornm  et  eventus  varius  est „       X  160. 

Letali  vulnere n      1^  ^^0. 


Vcrgilius.  207 

Fridericus  Seitz,  De  fixis  poetarum  latinorum  epithetis. 
I.    Vrogr.  Elberfeld,   1890.  30  S. 

Die  drei  grofsen  Dichter  der  augusteischen  Zeit  sind  von  grofsem 
Einflufs  auf  die  folgenden  Dichter  gewesen ;  das  beweisen  die  fixa  epi- 
theta  von  Göttern,  Heroen,  Bergen,  Flüssen,  Meeren,  Ländern  u.  s.  w. 
S.  20 — 25  enthält  eine  Abschweifung  gegen  B.  Deipser  „Über  die  Bil- 
dung und  Bedeutung  der  lateinischen  Adjectiva  auf  f er  und  ger,"  Progr. 
Bromberg  1886,  welche  der  Verf.  getrost  hätte  beiseite  lassen  können 
Heifst  übrigens  der  dem  fünften  Jahrhundert  angehörende  Dichter  Ru- 
tilius  Claudianus  Namatianus  oder  Namantianus?  Die  letztere  Form 
gebraucht  der  Verfasser  konsequent  (S.  10  u.  ö.).  Das  Latein,  welches 
der  Verf.  schreibt,  habe  ich  oft  nicht  verstanden  und  den  Sinn  eines 
Satzes  deshalb  erraten  müssen.  Auch  der  erklärteste  Gegner  des  Latein- 
schreibens mufs  zugeben,  dafs  es  eine  gerechte  Forderung  ist,  welche 
schon  L.  Döderlein  aufgestellt  hat:  Wer  Latein  schreibe,  habe  dafür  zu 
sorgen,  dafs  dasjenige,  was  Latein  sein  soll,  auch  wii'klich  Latein  ist. 
"Wenn  der  Verf.  ein  besseres  Latein  nicht  schreiben  kann,  so  ist  ihm 
dringend  zu  raten,  dafs  er  sich  seiner  Muttersprache  bediene. 

A.  Otto,  Die  geflügelten  Worte  bei  den  Römern.  Progr. 
Matthiasgymn.     Breslau,  1890.     XIV  S. 

Über  Vergil  handelt  p.  Xn — XTEI.  Derjenige  Dichter,  sagt  der 
Verf.,  w^elcher  am  meisten  gefeiert,  gelesen  und  nachgeahmt  wurde,  ist 
Vergil.  Dafs  eine  grofse  Anzahl  von  Vergilstellen  nach  Art  von 
Sprichwörtern  gebraucht  wurde  d.  h.  geflügelt  war,  bezeugt  mit  klaren 
Worten  Macrob.  Sat.  V  16,  6.  Nachdem  er  einige  Homerstellen  ge- 
nannt, welche  proverbiorum  loco  in  omnium  ore  sind,  fährt  er 
fort:  Nee  apud  Vergilium  frustra  desideraveris  und  beruft  sich 
auf  Ecl.  8,  63;  10,  69;  Georg.  I  145;  Aen.  XII  646;  X  467;  II  390; 
Ecl.  1,  53;  Aen.  III  57. 

Ernst  Grosse,  Über  die  Naturanschauung  der  alten 
griechischen  und  römischen  Dichter.  Progr.  Aschersleben, 
1890.     18  S. 

Das  ästhetische  Interesse,  das  Vergil  an  der  Natur  nimmt,  zeigt 
sich  besonders  in  seinen  Idyllen  und  in  dem  didaktischen  Gedicht  vom 
Landbau,  aber  auch  in  seinem  Nationalepos,  der  Aeneide,  fehlen  keines- 
wegs lebensvolle  Naturschilderungen,  obgleich  nach  dem  Charakter  dieser 
Dichtung  solche  nur  als  schmückendes  Beiwerk  ei'scheinen  und  so  einen 
geringen  Raum  einnehmen.  Als  Beweise  führt  sodann  der  Verf.  an, 
wie  Vergil  das  Leben  des  Meeres,  die  Schrecken  des  Meerstui-mes 
sowie   den  Frieden   des  Meeres    schildert;    ebenso    trefflich    sind   seine 


208  Vergilius. 

Schilderungen  des  "Wechsels  der  Jahreszeiten,  des  grausigen  Winters 
im  Sc\^henlande  u.  s.  w.  Auch  liat  Vergil  durch  fleifsiges  Beobachten 
ein  warmes  Interesse  und  eine  verständnisvolle  Teilnahme  an  dem  Leben 
und  Treiben,  Schaffen  und  Wirken  der  Natur  auch  in  der  niederen  Tier- 
welt gehabt;  das  zeigt  er  am  schönsten  durch  seine  Schilderungen  aus 
dem  Leben  der  Biene  (admiranda  levium  rerum  spectacula).  Auch  hat 
den  Dichter  seine  gemütvolle  Naturanschauung  zu  einem  tief  religiösen 
Menschen  gemacht;  das  beweisen  Georg.  IV  221 — 227  und  Aen.  VI  724 — 
727.  —  Die  höchst  lehrreiche  Abhandlung  ist  für  jeden,  der  sich  mit 
den  alten  Dichtern  beschäftigt,  von  grofsem  Werte. 

Fridericus  Leo,  Culex  carmen  Vergilio  ascriptum. 
Accedit  Copa  elegia.    Berolini.    Apud  Wefdmannos.    189L    122  S. 

S.  1  — 14  enthält  den  Culextext,  S.  15 — 111  die  praefatio  und 
den  commentarius,  S,  115—117  den  Copatext,  S.  119—122  einen  index 
carminum  und  einen  index  commeutai-ii. 

Ohne  Zweifel  mufs  jeder  dem  Verf.  für  seine  gründliche  Arbeit 
dankbar  sein;  dafs  er  aber  den  Culextext  auf  eine  Hs  basiert,  ist 
jedenfalls  nicht  ganz  berechtigt;  auch  hätte  er  mekr  die  kritischen 
Ai'beiten  Früherer  berücksichtigen  müssen,  besonders  was  Ellis  geleistet 
hat,  wenn  man  andererseits  auch  zugeben  mufs,  dafs  ^The  American 
Journal  of  Philology'  bei  uns  schwer  zu  haben  ist.  In  dieser  Zeit- 
schrift findet  sich  z.  B.  vol.  III,  No.  11  eine  14  Seiten  lange  Ab- 
handlung von  Ellis  ^On  the  Culex  and  other  poems  of  the  appendix 
Vergiliana':  ebenso  in  vol.  VIII,  No.  1,  4  und  IX  No.  3. 

Die  eine  Hs  nun,  auf  welche  Leo  den  Text  basiert  und  in  welcher 
er  die  Hauptquelle  der  Überlieferung  sieht,  ist  der  Kod.  Berab.  Von 
dem  Kod.  Vossianus  (saec.  XV),  welchen  Baehrens  für  den  besten  hielt, 
urteilt  Leo:  Lectionem  habet  ab  homine  docto  audacibus  coirecturis 
ittterpolatam  neque  quicquam  utile  praebet  praeter  coniecturas;  sed  in 
ultima  carminis  parte  exemplar  eius  variam  lectionem  habuisse  videtur 
ex  fragmento  codicis  nunc  amissi  ascriptam  (praef.  p.  20  f.).  Dies  Urteil 
kann  ich  nicht  unterschreiben  und  ich  gebe  E.  Thomas  recht,  wenn 
er  mit  Rücksicht  auf  Leos  kritisclien  Standpunkt  sagt  (Revue  crit.  1891, 
52  p.  504—506),  dafs  die  Arbeit  als  eine  endgültige  nicht  angesehen 
werden  kann. 

Siegfried  Lederer,  Ist  Vergil  der  Verfasser  von  Culex 
und  Ciris?  Zugleich  ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  Hexameters, 
Mit  einer  Tabelle  als  Beilage.     Leipzig,  Fock.     1890.     17  S. 

Lederer  untersucht  sämtliche  Gedichte  Vergils  auf  die  Ver- 
teilung von  Daktylen  und  Spondeen  in  den  vier  ersten  Füfsen  des 
^examete^s  und  kommt  zu  dem  Resultat,  dafs  dei-  Culex  vergilisch  sei. 


Vergilius.    (Güthling.)  209 

die  Ciris  nicht.  Von  solcher  unsicheren  Rechnerei  halte  ich  nichts  oder 
wenig  und  sehe  den  Wert  von  Lederers  Schrift  nur  in  dem  „Beitrag 
zur  Geschichte  des  Hexameters". 

Maximilianus  Röhrich,    De  Culicis  potissimis  codicibus 

recte    aestimandis.     Diss.    inaug.     Berlin    1891.     Heinrich   und 

Kemke.     48  S. 

"Wie  F.  Leo  (s.  oben)  glaubt  auch  Röhrich,  dals  der  Kod.  Voss, 
durch  viele  Änderungen  entstellt  ist,  während  der  Bemb.  und  der  Canta- 
brigiensis  (C)  saec.  X/XI  solche  nicht  aufweisen.  Letzteres  ist  richtig, 
über  ersteres  habe  ich  meine  dissentierende  Meinung  oben  angegeben. 
Cir.  5  wül  Röhr,  et  mens  lesen,  Cat.  9,  1  die  Lesart  der  codd,  dett. 
si  licet  beibehalten,  ib.  11,  50  verteidigt  er  meminisse,  ib.  13,  2 
weist  er  Bährens'  Konjektur  inde  für  das  hs  ire  zurück. 

A.  Bienwald,  De  Crippsiano  et  Oxoniensi  Antiphontis, 
Dinarchi,  Lycurgi  codicibus.    Diss.  inaug.    Görlitz  1889.    42  S. 
Die  dritte  unter  den  ,sententiae  controversae'  lautet:    Lydia   et 
Dirae  carmina  non  ab  eodem  poeta  conscripta  sunt. 

F.  Bücheier,   Coniectanea,   Rhein.  Mus.  XLIII  p.  321—334. 

Emendationen  und  Interpretation  mehrerer  Stellen  des  Moretum, 
der  Copa  und  des  Culex.  Bemerkenswert  ist  Büchelers  Ansicht:  „Cen- 
ties  restitui  oportet  Bembini  et  aüorum  codicum  scripturas  expulsas 
ab  editoribus". 

A.  Cima,  Analecta  Vergiliana.    Riv.  di  filol.  XII  No.  7 — 9 
p.  383  ff. 

In  der  ersten  Hälfte  der  Elegie  auf  Maecenas  Tod  versucht  C. 
eine  neue  Umstellung  einiger  Verse,  die  schon  Ribbeck  und  Bährens 
versucht  haben.  Mit  den  Umstellungen,  welche  diese  beiden  vor- 
genommen haben,  sei  wenig  anzufangen.  C.  versucht  es  noch  einmal 
und  stellt  das  Distichon  37/38  (marmorea  Aonia  vincent)  hinter 
V.  20,  die  V.  41 — 48  aber  ans  Ende  des  betreffenden  Abschnitts  nach 
V.  56,  so  dafs  der  Anschlufs  lautet:  (56)  misit  ad  extremos 
exorientis  equos.    (41)  Illum  piscori  viderunt  saxa  Pelori,  etc. 

W.  Fröhner,  kritische  Studien,  Rhein.  Mus.  XLVH  p.  303, 
wiU  Catal.  2,  2  atticae  vepres  und  7,  7  vale;  Sabini  iam  valete 
formosi  lesen. 

In  der  Berl.  phil.  Wochenschr.  1889  No.  47  p.  1505  fand  ich 
ein  Buch  (oder  eine  Abhandlung?)  verzeichnet 

J.  S.  Tunison,  Master  Virgil. 

"W.  Y.  Sellar  urteilt  über  dasselbe  (The  Class.  Rev.  1889  III,  6 
p.  265  ff.),   dafs  es  als  Materialsamralung  wertvoll,  in  der  Anwendung, 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    LXXVI.  Bd.  (1893.  11.)         14 


^]0  Vergilius.    (Güthling.) 

dem  V ersuche  einer  Herleitung  der  Sage  aus  dem  Leben  des  Dichters, 
wenig  ergiebig  sei.  —  Über  desselben  Verfassers  Buch,  Virgil  in 
the  Middle  Ages,  das  mir  ebenfalls  unbekannt  geblieben  ist,  sagt 
U.  Balzani  in  der  Wochenschrift  Academy  No.  892  (8.  Juni  1889) 
p.  390 f.:  Neben  Comparetti  hat  der  Verf.  ein  Buch  geschaffen,  in  welchem 
das  reiche  Material  nach  dem  ethnischen  Charakter  geordnet  ist;  es  ist 
der  Versuch  gemacht  nachzuweisen,  inwieweit  der  Sagenkreis  von 
lokalen  Einflüssen  abhängig  war. 

T.  F.  Grane,    A  uew'mediaeval   legend  of  Virgil,    ebend. 
No.  929  p.  134  f. 

In  dem  Recull  de  Exemplis  e  Miracles  (Barcelona  1881—1888) 
wird  eine  Erzählung  von  Vergil  mitgeteilt,  welche  auf  einer  Ver- 
wechslung mit  der  livianischen  Erzählung  des  Verginius  beruht. 

In  seinem  Aufsatze  ,,eine  untergegangene  Ortschaft  von 
Latium",  Berlin,  phil.  Wochenschr.  1889  No.  1  p.  36  sagt  Chr. 
Hülsen,  dafs  ihm  die  bei  Vergil.  Aen.  VII  630  zusammen  mit  Tibur 
superbum  genannte  Atina  potens  verdächtig  ist.  Die  bekannte 
Volskerstadt,  auf  welche  mau  die  Stelle  bisher  anstandslos  bezogen  hat, 
liegt  so  weit  vom  Schauplatze  der  Ereignisse  ab,  dafs  es  auffallen  mufs, 
sie  in  einer  Reihe  mit  Tibur,  Ardea,  Crusturaerium  und  Autemnae 
unter  den  Orten  genannt  zu  sehen,  welche  bei  den  Kriegsvorbereitungen 
n  erster  Reihe  stehen  (die  Aufzählung  der  von  fern  herkommenden 
Bundesgenossen  folgt  später  V.  647  ff.),  spielt  auch  sonst  in  der  römischen 
legendarischen  Überlieferung  gar  keine  Rolle.  Die  durchs  Metrum  be- 
dingte Licenz  Amitina  für  Amitinum  wäre  nicht  schlimmer  als  z.  B. 
Crustumeri  V.  631  und  Mutuscae  V.  711.  Aber  freilich  bietet  die 
Überlieferung  hier  keine  Handhabe  zur  Änderung. 

Die  Norddeutsche  Allgem.  Zeitung  berichtet  in  der  No.  379 
Tom  1.  August  1892  folgendes: 

Eine  Stelle  in  den  Satiren  des  Juvenal  hat  neuerdings  durch  einen 
archäologischen  Fund  ihre  Bestätigung  erhalten.  Juvenal  erzählt  nämlich, 
dafs  zu  seiner  Zeit  (zweite  Hälfte  des  I.  Jahrhunderts  n.  Chr.)  die 
Bildnisse  des  Horaz  und  Virgil  nebeneinander  in  den  Schulen  auf- 
gehängt gewesen  seien,  und  giebt  damit  Kunde  von  einer  tief  ins  Volk 
!»edrnngenen  Verehrung  für  seine  beiden  grofsen  Dichter  der  Augusteischen 
Zeit.  Nun  hat  ein  Fund  in  Pompeji  solche  Bildnisse  ans  Licht  gebracht, 
Marmormedaillons  von  gleicher  ^iröfse,  vollkommen  als  Gegenstücke  be- 
handelt und  auch  zusammen  gefunden.  Die  etwas  oberflächliche  Arbeit 
läfst  erkennen,  dafs  man  es  mit  einem  billigen  Massenartikel  zu  thun  hat. 


Vergilius.    (GüthUng.)  211 

Otto    Ribbeck,     Geschichte    der    römischen    Dichtung. 
IL  Augusteisches  Zeitalter.     Stuttgart  1889,  Cotta.     372  S. 

„Der  Preis  unter  den  Kapiteln  dieses  Buches  gebührt  nach  dem 
Urteil  des  Ref.  (r.  in  der  Berl.  phü.  Wochenschrift  1890  No.  5  p.  149 f.) 
unzweifelhaft  dem  über  Vergil;  wir  versprechen  uns  von  dieser  liebevollen 
und  meisterhaften  Schilderung  der  Art  des  Vergil  den  Erfolg,  dafs  der 
in  neuerer  Zeit  viel  mifsachtete,  viel  milskannte  Dichter  zu  verdienten 
Ehren  kommt  —  auch  im  Gymnasialunterricht.  Mau  hört  ihn  vielfach 
als  für  den  Schüler  zu  schwierig,  wenn  nicht  gar  langvi^eilig  bezeichnen; 
das  können  nur  die  sagen,  denen  es  selbst  Schwierigkeiten  macht,  und 
die  aus  Mangel  an  ausreichendem  Verständnis  seinen  Vorzügen  nicht 
gerecht  zu  werden  vermögen  und  daher  auch  nicht  imstande  sind,  ihn 
andern  verständlich  und  schmackhaft  zu  machen.  Man  vertraue  die 
Vergillektüre  nur  dem  richtigen  Manne  an!"  Diese  Worte  des  mir  un- 
bekannten Referenten  sind  mir  aus  der  Seele  gesprochen;  mögen  sie 
auf  fruchtbaren  Boden  fallen!  —  Vgl.  auch  Ä.  R..  Litt.  Centr.-Bl.  1889 
No.  46  p.  1583:  ,,Die  Aeneide  stellt  Ribbeck  so  hoch,  dafs  nur  leb- 
haft zu  wünschen  wäre,  es  möchten  alle,  die  nach  heutiger  Mode  dieses 
Gedicht  gering  schätzen,  Ribbecks  überzeugende  Ausführungen  sorgfältig 
prüfen  und  beherzigen."  —  P.  Weizsäcker,  Wochenschr.  f.  klass. 
Phil.  1890  No.  24  p.  653 fi".;  ,,Fast  möchte  man  meinen,  er  habe  mit 
zu  liebevollem  Pinsel  gemalt;  allein  gegenüber  den  vielfachen  Ver- 
kleinerungen, welche  ein  Vergil,  Ovid  u.  a.  zu  verschiedenen  Zeiten 
und  von  verschiedenen  Seiten  erfahren  haben,  berührt  es  wohlthuend, 
hier  neben  dem  Nachweis  der  Abhängigkeit  von  griechischen  Mustern 
und  einer  i'ichtigen  Abschätzung  des  Verhältnisses  von  Original  und 
Nachahmung  eine  eingehende  und  gerechte  W^ürdigung  der  Originalität 
der  römischen  Dichter  und  der  Vorzüge  zu  finden,  die  sie  in  vielen 
Stücken  vor  den  griechischen  Quellen  voraushaben."  —  M.  Hertz, 
Deutsch.  Litt.-Zeitg.  1890  No.  47  p.  1720:  „Schilderungen  von  untrüg- 
licher Wahrheit  und  packender  Lebendigkeit." 


Nachtrag. 

Soeben  lese  ich  N.  Jahrb.  f.  Phil,  und  Päd.  1893  p.  64  ff.,  dafs 
A.  Nehring  noch  einmal  auf  bidens  hostia  zu  sprechen  kommt. 
Diese  Frage  hat  A.  Spengel,  Bl.  f.  d.  Bayer.  Gymu.-W.  1888  p.  262if., 
so  ins  reine  gebracht,  dafs  sie  jetzt  nicht  mehr  als  eine  offene  an- 
gesehen werden  kann.     Vgl.  meinen  vor.  Jahresb.  p.  181. 

14* 


212  Vergilius.    (Güthling.) 

Scbliefslicli  bitte  ich,  wie  am  Schliisse  meines  vorigen  Jahres- 
berichts, auch  diesmal  die  Herren  Pachgenossen ,  mir  den  Vergil  be- 
treffende Programmabhandlungen,  Dissertationen  sowie  be- 
sonders in  Fachzeitschriften  veröffentlichte  kleinere  und 
gröfsere  Mitteilungen  direkt  zugehen  zu  lassen,  da  sie  auf  buch- 
händlerischem Wege  in  der  Regel  nicht  zu  erlangen  sind.  Ich  bin  gern 
bereit,  dieselben  auf  Verlangen  zurückzusenden. 


21 


Bericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  philosophischen 
Schriften  aus  den  Jahren  1887—1890. 

Von 

Dr.  P.  Schwenke 

in  Königsberg. 

Der  vorliegende  Bericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  philo- 
sophischen Schi-iften  aus  den  Jahren  1887—1890  ist  zum  grofsen  Teil 
schon  Anfang  1891  niedergeschrieben.  Dringende  anderweite  Inanspruch- 
nahme des  Berichterstatters,  welche  ihn  auch  zwingt,  das  Referat  hier- 
mit niederzulegen,  haben  leider  die  Fertigstellung  verzögert,  weshalb 
Redaktion  und  Leser  des  Jahresberichts  um  Entschuldigung  gebeten 
seien.  Die  Jahre  1891 — 92  noch  nachträglich  hinzuzuziehen,  was  aller- 
dings wünschenswert  gewesen  wäre,  war  aus  mehreren  Gründen  nicht 
thunlich,  und  es  sind  daher  auch  Hinweisungen  auf  die  Litteratur  dieser 
Jahre  möglichst  vermieden. 

Die  Arbeiten  auf  unserem  Gebiete  sind  in  der  Berichtsperiode 
nicht  so  umfangreich  gewesen  wie  in  den  unmittelbar  vorhergehenden 
Jahren.  Nur  die  Industrie  der  Schulausgaben  blühte  mehr  als  je,  nicht 
allein  in  Deutschland,  sondern  auch  in  England,  Frankreich  und  Italien. 
Diese  Litteratur  ist  mir  nur  zu  einem  kleinen  Teile  zugänglich  gewesen, 
und  ich  habe  irgendwelche  Anstrengungen,  um  ihrer  habhaft  zu  werden, 
nicht  für  nötig  gehalten,  vielmehr  hier  und  da  auf  eine  Anzeige  in  den 
kritischen  Zeitschriften  verwiesen.  Im  übrigen  habe  ich  Rezensionen 
nur  dann  angeführt,  wenn  sie  —  was  selten  genug  der  Fall  ist  — 
Selbständiges  enthalten. 

Die  Gesammtausgabe  der  philosophischen  Schriften  von  Th. 
Schiebe  (vgl.  Jahresber.  Bd.  47,  S.  267)  ist  nur  um  die  Tusculanen 
(Bd.  5)  vorgeschritten,  während  Cato  Maior  und  Laelius  (Bd.  9)  in 
Neudrucken  erschienen  sind.    Das  einzelne  darüber  s.  unten. 


214  Cicero,  philosoph.  Scbriften.     (Schwenke.) 

Nicht  unwesentliche  Fortschritte  sind  während  der  Berichtsjahre  in 
der  Erforschung  der  handschriftlichen  Überlieferung  gemacht 
worden.  Von  allgemeineren  Beiträgen  auf  diesem  Gebiete  ist  hier  zu 
erwähnen : 

1.  Karl  Lehmann,  Wie  kann  man  Lesarten  verlorner  Hdss. 
finden  und  für  die  Kritik  verwerten?  Wochenschr.  f.  kl.  Philol.  V 
(1888),  Sp.  470-478. 

2.  Ders.,  Zu  Cicero.  Berliner  Philol.  Wochenschr.  VIII  (1888), 
Sp.  508. 

Ausgegangen  von  der  Prüfung  der  handschriftlichen  Lesarten,  die 
in  der  1528  von  Cratander  in  Basel  gedruckten"  Oiceroausgabe  für  die 
Briefe  ad  Atticum  benutzt  sind,  hat  Lehmann  auch  mehrere  philoso- 
phische Schriften  in  dieser  Ausgabe  untersucht  und  ist  zu  ziemlich 
sicheren  Ergebnissen  gelangt  (oben  No.  1):  Die  Cratandersche  Ausgabe 
beruht  auf  der  ersten  und  zweiten  des  Ascensius.  Wenn  sie  nun  in  den 
Acad.  post.  (Lehmann  sagt,  um  die  Verwirrung  in  den  Citaten  hier  noch 
zu  vermehren,  ,,Ac.  11"!)  weder  Varianten  am  Rand  noch  im  Text 
nennenswerte  Abweichungen  von  jener  Gnindlage  aufweist,  obgleich 
gerade  hier  für  die  Konjektur  ein  weites  Feld  vorlag,  so  ist  das  nur 
so  zu  erklären,  dass  Cratander  —  oder  vielmehr  sein  Korrektor  —  über- 
haupt nicht  willkürlich  geändert  hat  und  dals  ihm  speziell  für  diese 
Schrift  eine  neue  Handschrift,  nach  der  er  hätte  arbeiten  können,  nicht 
vorlag.  Andererseits  düi-fen  in  den  übrigen  Schriften  alle  Abweichungen, 
mögen  sie  an  den  Rand  gesetzt  oder  in  den  Text  aufgenommen  sein, 
als  auf  Handschriften  beruhend  angesehen  werden.  Auf  dieser  wohl  un- 
anfechtbaren Grundlage  hat  L.  die  Cratanderschen  Lesarten  zu  De  finibus, 
die  ja  bereits  von  iladng  gewürdigt  worden  sind,  vervollständigt.  Wenn 
er  nun  aber  auch  für  andere  Schriften,  Lucullus  (er  schi'eibt  „Acad.  I"), 
De  Officiis,  De  Legibus,  eine  gleiche  oder  wenigstens  annähernde  Be- 
achtung der  (Jratanderschen  Lesarten,  die  er  zum  Teil  ausgezogen  hat, 
verlangt,  so  übersieht  er  wohl,  dass  wir  in  diesen  Schriften  fast  durch- 
weg in  der  Lage  sind  den  Archetj^ius  unserer  Handschriften  aus  diesen 
selbst  zu  rekonstruieren  und  dazu  nicht  der  doch  recht  unvollständigen 
Überlieferung  Cratanders  bedürfen.  Dafs  aber  diese  Überlieferung 
auf  eine  von  jener  ganz  unabhängige  Quelle  zurückgehen  sollte,  ist 
an  sich  ganz  unwahrscheinlich.  L.  legt  in  dieser  Beziehung  viel 
zu  grolses  Gewicht  auf  einzelne  „gute  Lesarten",  ohne  zu  bedenken, 
dafs  diese  der  Mehrzahl  nach  auch  in  jetzt  existierenden  jungen  Hand- 
schriften, natürlich  aus  Konjektur,  vorkommen  und  dafs  es  darum  wahr- 
scheinlicher ist,  dafs  eben  solche  junge  Handschriften  für  die  Cratander- 
sche Ausgabe    vorgelegen  haben.     Immerhin    stimmen    wir    mit  ihm  in 


Cicero,  philosoph.  Schritten.     (Schwenke.)  215 

dem  Wunsche  überein,  die  alten  Ausgaben  möchten  nach  denselben 
Gesichtspunkten  einzeln  untersuclit  werden,  freilich  mehr  im  Interesse 
der  Geschichte  des  Textes,  als  in  dem  (Glauben,  dafs  dabei  viele  Körn- 
chen alter  Überlieferung  gerettet  werden  könnten.  —  An  der  zweiten 
angeführten  Stelle  macht  Lehmann  auf  die  Lesarten  aufmerksam,  die 
Turnebus  in  seinen  Adversarien  aus  alten  Handschriften  citiert.  Aus 
den  philosophischen  Schriften  führt  L.  nur  je  zwei  zu  Cato  Maior  und 
zu  den  Tusculanen  an.  Von  den  ersteren  bestätigt  sich  eine  (§  46  fehlt 
magistro)  durch  Cod.  Voss.  0.  79,  die  letzteren  sind  höchst  verdächtig. 
Übrigens  ist  Turnebus  so  sparsam  in  der  Anführung  handschriftlicher 
Lesarten,  dafs  ihm  bei  Ausarbeitung  der  Adversaria  gewiss  nur  ganz 
vereinzelte  Notizen  vorlagen,  aus  denen  ein  Urteil  über  die  Handschriften, 
die  er  in  Händen  gehabt  haben  mag,  schwerlich  zu  gewinnen  ist. 

Über  die  handschriftliche  Überlieferung  der  Sammlung  philoso- 
phischer Schriften,  die  mit  Nat.  Deor.  beginnt  und  die  ich  nach  ihren 
Hauptvertretein  Voss.  F.  84  und  86  die  „Vossianische"  nennen  möchte, 
vgl.  unten  No.  25—27. 

Dafs  die  Veröffentlichung  von  textkritischen  Vermutungen 
sich  in  mäfsigen  Grenzen  gehalten  hat,  darf  als  erfreulich  bezeichnet 
werden,  und  dieses  Urteil  wird  durch  die  beiden  hier  anzuführenden 
Schriften  dieser  Art  lediglich  bestätigt: 

3.  Emendationes  Tullianae.    Miscella.  Scripsit  Em.  Spanoghe. 
Lugduni  Bat.,  E.  J.  BriU;  Lovanii,  Car.  Peeters  1890.  Vn,  67  S.  8". 

4.  Tulliana  scripsit  Ern.  Lohsee.     Beil.  z.  Progr.  d.  Leibnitz- 
Gymn.  Berlin  1890.  18  S.  4". 

Der  Verfasser  von  No.  3,  ein  Belgier,  denkt  von  seiner  Arbeit, 
zu  der  ihm,  wie  er  klagt,  die  litterarischen  Hilfsmittel  gefehlt  haben, 
angeblich  selbst  sehr  bescheiden :  wenn  etwas  darin  richtig  sei,  werde  es 
vielleicht  manchem  nützen,  das  Falsche  aber  werde  niemand  schaden. 
Da  aber  von  der  ersteren  Art  kaum  etw^as  vorhanden  ist,  so  wäre  es 
doch  wohl  besser  gewesen,  das  Schriftchen  nicht  zu  veröffentlichen  oder 
—  da  er  Ac.  I  2  emendiert  nimium  temperantis  enim  arbitror  scribere 
quod  occultari  velit  —  überhaupt  das  Konjizieren  zu  lassen.  Er  be- 
handelt S.  1—27  nahezu  70  Stellen  aus  allen  philosophischen  Schriften 
mit  Ausnahme  der  Paradoxa  und  des  Cato  Maior,  ohne  eine  andere  Aus- 
gabe zu  kennen  als  die  Teubnersche  (nur  Bd.  1  und  2  von  Müller,  Bd.  3 
von  Klotz),  den  Laelius  von  Seyffert  nnd  Nat,  Deor.  von  Goethe.  Dieser 
Umstand  hat  ihm  grosse  Unbefangenheit  gewahrt  und  ihn  merkwürdiger- 
weise auch  nicht  dazu  geführt,  alte  Vermutungen  als  neue  vorzubringen. 
Denn  die  seinen  sind  eigenartig,  kühn  und  einschneidend,  alles  bisher 
dagewesene  hinter  sich  lassend.     Mit  solcher  Genialität  bewegt  er  sich 


216  Cicero,  philosoph.  Schriften.    (Schwenke.) 

z.  B.  in  dem  Fragment  der  Academica  posteriora,  das  auf  diese  Weise 
viel  von  seiner  Hoffnungslosigkeit  verliert:  §  1  ut  mos  est  amicorum 
inter  se  salutantium  longo  interuallo;  5  nihil  apta  interpretatione 
coucludunt  .  .  .  qnoniam  utramque  rem  ueram  artem  esse  nostri 
putant  .  .  .  cogemur  uti;  8  iucunditate  quadam  ad  legendum  inuita- 
uimus  et  lusionibus:  in  libris  ipsis  antiquitatum  philosophiae 
prooemia  scribere  uoluimus;  27  materiam  quandam  .  .  .  quae  loca 
omnia  cecupare  possit  .  .  .  atque  ex  omni  parte  aeque  ac  totam 
interii-e.  Diese  Beispiele  genügen  jedenfalls,  um  die  Art  der  Textes- 
behandlung zu  charakterisieren.  Weitere  Anführungen  bei  den 
einzelnen  Schliffen  zu  machen  ist  zwecklos. 

Lohsee  (No.  4)  beschränkt  sich  auf  10  Stellen  der  philoso- 
phischen Schriften;  obgleich  auch  seine  positiven  Vorschläge  schwerlich 
Gläubige  finden  werden,  sind  sie  doch  an  ihrem  Ort  anzufühi-en.  S.  13  —  16 
enthalten  einen  längeren  Exkurs  über  non  modo  non  —  sed  ne  quidem. 

In  mehr  als  einer  Beziehung  werden  die  Arbeiten  auf  unserem 
Gebiete  gefördert  werden  durch 

5.  Lexikon  zu  den  Schi-ifteu  Ciceros  mit  Angabe  sämtlicher 
Stellen  von  H.  Merguet.  2.  Teil.  Lexikon  zu  den  philosophischen 
Schriften.  (1.  Bd.  Jena  1887—89.  938  S.  4.  Im  Weitererscheinen 
begiiffen.) 

Die  Einrichtung  ist  die  aus  dem  Lexikon  zu  Ciceros  Reden  be- 
kannte; innerhalb  des  einzelnen  Wortes  sind  die  Stelleu,  an  denen  es 
vorkommt,  nach  sj'utakfisch-phraseologischen  Gesichtspunkten  geordnet 
verzeichnet.  Ohne  Zweifel  ist  diese  Ordnung  eine  etwas  äusserliche  und 
mechanische,  aber  andererseits  ist  der  Umstand,  dass  auf  diese  Weise 
der  Sprachstoff  unverarbeitet  und  von  subjektiver  Auffassung  ziemlich 
unberährt  vorgelegt  wii*d,  ein  unleugbarer  Vorteil.  Dem  mit  der  Ein- 
richtung vertrauten  Benutzer  wird  es  in  den  meisten  Fällen  leicht  sein, 
die  Stellen  nach  seinen  Zwecken  zu  gruppieren,  zumal  sie  so  ausführlich 
wiedergegeben  sind,  dafs  ein  Nachschlagen  der  Ausgabe  in  der  Regel 
unnötig  ist.  —  Die  Vollständigkeit  und  Genauigkeit  der  Citate  ist  eine 
ganz  aulserordentliche.  In  ersterer  Beziehung  ist  nur  zu  bedauern,  dafs 
Merguet  die  Eigennamen  im  weitesten  Umfang  ausgeschlossen  hat:  sogar 
die  Namen  der  Sternbilder  Corona,  Draco  u.  s.  w.  fehlen.  Gerade  für 
die  philosophischen  Schiüften  handelt  es  sich  nicht  nur  um  grammatisch- 
lexikalische Gesichtspunkte,  sondern  man  verlangt  auch  Auskunft  auf 
Fragen  des  Inhalts,  die  sich  vielfach  an  Eigennamen  ausclüielsen  und 
durch  die  vorhandenen  Namenindices  keine  genügende  Beantwortung 
erhalten,  ganz  abgesehen  von  Fällen,  wo  auch  der  Gebrauch  von  Namen  an 
sich  von  Interesse  ist.     Wer  für  die  Schreibung  von  N.D.  I  1  sich  über 


Cicero,  philosoph.  Schriften.     (Schwenke.)  217 

den  Gebrauch  von  Academia  und  Acaderaici  unterrichten  will,  wendet 
sich  vergebens  an  das  Lexikon.  Einen  recht  wichtigen  Bestandteil  des 
Sprachschatzes  der  philosophischen  Schriften,  die  griechischen  Wörter, 
erhalten  wir  hoifentlich  in  einem  Anhange.  —  Eine  schwache  Seite  des 
Lexikons  sind  die  Angaben  über  verschiedene  Lesarten,  die  den  Benutzer 
über  die  Beglaubigung  des  vorliegenden  Materials  unterrichten  könnten. 
Dafs  hier  eine  gewisse  Beschränkung  geboten  war,  mufs  zugegeben 
werden,  aber  das  müfste  man  fordern  können,  dafs  es  ersichtlich  gemacht 
wäi'e,  wenn  ein  Wort  aus  nicht  absolut  sicherer  Vermutung  eingesetzt 
ist.  Als  Beispiele  von  Stellen,  wo  dies  nicht  geschehen  ist,  führe  ich 
nur  au  N.D.  I  61  consessus,  66  hamata,  116  adlicere,  H  153  accedit. 
Es  ist  um  so  nötiger,  wenn  es  sich  um  selten  oder  nur  einmal  vor- 
kommende Wörter  handelt,  wie  z.  B.  agnitio,  das  höchst  wahrscheinlich 
ganz  zu  streichen  ist.  Etwas  reichlicher  sind  die  Bemerkungen  über 
Abweichungen  anderer  Ausgaben  von  dem  Müllerschen  Text,  der  dem 
Lexikon  zu  Grunde  gelegt  ist;  hier  fehlt  dann  aber  häufig  der  Verweis 
unter  dem  abweichenden  Worte.  —  Auf  Einzelheiten  kann  an  dieser 
Stelle  nicht  weiter  eingegangen  werden,  doch  sei  im  Vorbeigehen  be- 
merkt, dafs  afluG  von  adfluo  zu  trennen  ist.  Hier  und  da  wird  etwas 
zu  mechanisches  Excerpieren  bemerkt,  durch  das  manche  Stellen  unter 
falsche  Wortverbindungen  geraten  sind.  Derartige  und  andere  kleine 
Verbesserungen  weisen  nach  J.  B.  Mayor,  Class.  Review  IE  (1888),  212; 
G.  Andresen,  Wochenschr.  f.  kl.  Philol.  V  (1888),  920  ff. 

Die  bis  jetzt  (Anfang  1891)  erschienenen  Lieferungen  reichen  bis 
inquam,  und  es  ist  von  dem  Pleifse  des  Herausgebers  zu  erwarten,  dass 
das  Werk  in  wenigen  Jahren  abgeschlossen  vorliegen  wird. 

Für  die  Erläuterung  der  philosophischen  Schriften  im  allgemeinen, 
namentlich  für  die  Quellenuntersuchungen,  kommen  in  Betracht: 

6.  Epicurea.    Edidit  H.  Usener.    Lipsiae,  Teubner,  1887. 

7.  Carlo  Giarabelli,  Appunti  suUe  fonti  deUe  opere  filosofiche 
di  Cicerone.  Rivista  di  filologia.  Ann.  16  (1888),  S.  430—444. 
552—563;  A.  17  (1889),  S.  116—134.  222—246. 

8.  Ders.,  Una  nota  sugli  studi  Aristotelici  di  Cicerone.  Ebendas. 
A.  18  (1890),  S.  105-108. 

9.  Ders.,  Gli  studi  Aristotelici  e  la  dottrina  d'Antioco  nel  „De 
Finibus'S  I.     Ebendas.  A.  19  (1890/91),  S.  242-276. 

10.  Demokritstudien.  I.  Demokrit  in  Ciceros  philosophischen 
Schriften.  Von  Dr.  Wilh.  Kahl.  Beil.  z.  Gymn.-Progr.  Dieden- 
hofen  1889.     28  S.     4. 

Usener  hat  in  der  Einleitung  (S.  LXV— LXVni)  Gelegenheit, 
sich  über  Ciceros  philosophische  Schrift  stellerei  überhaupt  auszusprechen. 


218  Cicero,  philosoph.  Schriften.    (Schwenke,) 

der  sich  nicht  die  Zeit  genommen  habe,  die  eingehenderen  Werke  der 
griechischen  Philosophen  zu  studieren,  sondern  dieselben  nur  sehr  ober- 
flächlich benutzt  habe.  Es  sei  deshalb  für  die  Forschung  wichtig,  nicht 
nm-  zu  sehen,  welcher  Quelle  er  folge,  sondern  auch  wie  er  ihr  folge. 
Usener  wii'ft  den  bisherigen  Untersuchungen  (und  manchen  gewils  mit 
Recht)  vor,  dafs  sie  darauf  zu  wenig  eingegangen  sind.  In  den  beiden 
gröfseren  epikureischen  Stücken,  in  Nat.  Deor.  I  und  Fin.  I,  hat  Cicero 
nach  Usener  die  Lehre  kurz  und  im  ganzen  gut,  aber  ohne  tieferes  Ein- 
dringen dargestellt:  igitur  scholas  expressit  nel  potius  (quod  in  alterum 
locum  cadere  mihi  certum  est)  summa  capita  (xa  xe^cicXatoc,  wie  Atheno- 
dorus  Calvns  sie  für  De  Off.  anfertigen  mufste)  a  Graeculo  officioso 
breuiter  consignata  largiore  stilo  prosecutus  est.  Glänzender  und  ge- 
lehrter ist  er  in  den  akademischen  Partien,  den  Widerlegungen,  wo  ihm 
die  Schriften  des  Kleitomachos  (auch  N.  D.  I,  61  ff.)  und  Antiochos 
(Fin.  II)  die  Gelehrsamkeit  an  die  Hand  gaben.  Ihnen  entnimmt  er  bis- 
weilen sogar  die  Darstellung  der  gegnerischen  Lehre,  wenn  ihm  nicht 
vorhandene  oder  eigens  bestellte  Exzerpte  zu  Gebote  standen.  Denn  die 
Akademiker  waren  genötigt,  die  Lehren  der  Dogmatiker  zusammenzustellen 
und  in  Handbüchern  ihren  Schülern  vorzulegen.  Ein  solches  erkennt 
Usener  in  Xat.  Deor.  U,  vermischt  mit  Stücken  aus  Poseidonios,  und 
weils  die  einzelnen  Fragmente  desselben  in  §§  4 — 39  und  57  f.  mit 
grofser  Sicherheit  abzugrenzen.  —  Bei  anderer  Gelegenheit  (S,  LVII  f.) 
leitet  er  Tusc.  V,  68 — 82  aus  des  Poseidonios  llpoTps^tTixoc  (dagegen  ist 
Hartlich,  Leipz.  Stud.  XI,  290)  und  83—120  aus  Antiochos  ab.  — 
Unter  den  Fragmenten  kommen  die  epikureischen  Stücke  Ciceros,  nament- 
lich die  aus  Fin.  I  und  Nat.  Deor.  I,  zum  Abdruck.  Man  hat  hier  besser 
als  in  den  Ausgaben  Gelegenheit,  sie  mit  den  entsprechenden  griechischen 
Stellen  zu  vergleichen.  Auf  einige  Textesänderungen  und  Vermutungen 
Useners  ist  unten  bei  den  einzelneu  Ciceronischen  Schriften  verwiesen. 
Die  Lehre  vom  „Gehülfen"  wird  auch  von  L.  Reinhardt  (unten 
No.  29)  anerkannt.  Zu  einer  in  gewissem  Sinne  ähnlichen  Vorstellung 
von  Ciceros  Quellen  ist  Giambelli  (No.  7)  gekommen,  freilich  auf  einem 
etwas  wundei-lichen  Wege.  In  der  bekannten  Stelle  ad  Att.  XII,  52,  S 
(nach  seiner  Schreibung  lautet  sie:  de  lingua  latina  securi  es  animi, 
dices,  qui  talia  conscribis.  'A-^-fpa^a  sunt;  minore  labore  fiunt;  uerba 
tantum  affero,  quibus  abundo)  erklärt  er  d-o'-fpocfa  als  „Nachschriften 
von  Vorlesungen",  und  da  sich  vollends  Cicero  selbst  des  öfteren  auf  den 
Unterricht  seiner  griechischen  Lehrer  beruft,  so  steht  Giambelli  nicht 
an  zu  sagen  (X^^,  .562):  ..  .  .  noi  avremo,  quasi  direi,  una  certezza 
assoluta  che  gli  scritti  filosofici  di  Cicerone,  eccetto  quelli  De  Re  publica 
8  fors'anco  i  libri  De  Legibus,  derivano  in  gran  parte  da  quelli  apograti, 
cioe  sunti   di  lezioni   de'    suoi    precettori".     So  erklären  sich  ihm  auch 


Cicero,  philosoph.  Schriften.    (Schwenke.)  219 

Ciceros  Fehler  auf  die  einfachste  Weise:  es  ist  eben  nicht  leicht  einer 
Vorlesung  ohne  jede  Ungenauigkeit  zu  folgen. 

Als  epikureische  Lehrer  Ciceros  stehen  Zenon  und  Phaidros  zur 
Verfügung.  Giambelli  entscheidet  sich  für  den  letzteren  (XVII,  119), 
und  ihm  will  er  auch  lieber  als  dem  Philodemos  die  Schrift  -epl  euaeßsia; 
zuschreiben,  von  der  er  allerdings  eine  etwas  unklare  Vorstellung  zu 
haben  scheint.  Aus  Phaidros  ist  also  alles  Epikureische  abzuleiten,  be- 
sonders in  F'm.  I.  In  Nat.  Deor.  I  mag  vielleicht  einiges  Zeaon  ge- 
hören. —  In  ähnlicher  Weise  geht  er  die  anderen  Philosophen  durch, 
die  in  Betracht  kommen,  zählt  ihre  Werke  auf  und  führt  die  Stellen  an, 
in  denen  sie  bei  Cicero  erwähnt  werden.  Mehr  auf  solchen  Aulserlich- 
keiten  als  auf  einer  Analyse  der  Ciceronischen  Schriften  beruht  sein 
Urteil  über  die  in  diesen  benutzten  Quellen.  Beispielsweise  soll  den 
akademischen  Teilen  von  Nat.  Deor.  nicht  unmittelbar  Kleitomachos  zu 
Grunde  liegen,  weil  sein  Name  darin  nicht  genannt  wird,  sondern 
Philon,  natürlich  auch  dieser  durch  ein  „apografo"  seiner  Lehrvorträge. 
Denn  das  ist  der  Refrain,  der  in  der  weitschweifigen,  unübersichtlichen 
und  von  Mii'sverständnissen  durchaus  nicht  freien  Darstellung  immer 
wiederkehrt.  Sogar  Panaitios  -epl  -xaörjxovTo;  soll  Cicero  nur  in  einem 
Auszuge  gelesen  haben. 

No.  8  behandelt  hauptsächlich  die  Stelle  über  Orpheus  Nat.  Deor. 
I  107,  die,  wenn  sie  auf  Aristoteles  -epl  '^iXo-o'fia?  zurückgehe,  jeden- 
falls nicht  unmittelbar  aus  diesem  Werke  genommen  sei  [was  jetzt  wohl 
auch  niemand  glaubt].  —  No.  9  beginnt  eine  weitere  Serie  von  Artikeln, 
die  aber  für  Cicero  neues  kaum  zu  bieten  verspricht.  Ich  setze  nur 
die  Überschriften  der  Abschnitte  her:  I.  La  tradizione  Peripatetica  e  la 
leggenda  sulle  opere  Aristoteliche  nei  tempi  Cicerouiani.  Divisione 
deUe  opere  Aristoteliche  in  due  classi.  II.  I  libri  e^wtepiy.ol  d'Aristotele 
presso  M.  Tullio.  I  dialoghi  e  i  commeutarii;  la  ivoeXe/eia  =  (evxsXr/eia); 
ed  i  Tot  irptuTa  xara  (pujiv;  citazioni  indirette  e  dirette. 

Kahl  (No.  10)  bespricht  die  auf  Demokrit,  zunächst  sein  Leben, 
seine  Ethik,  Physik  und  Psychologie  bezüglichen  Cicerostellen  und  führt 
sie  in  letzter  Linie  auf  Theophrastos  zurück.  Was  die  unmittelbaren 
Quellen  Ciceros  betrifft,  so  folgt  er  meist  den  von  anderen  ausgeführten 
Ansichten.  Für  De  Fato,  das  noch  nicht  eingehend  auf  die  Quellen 
untersucht  worden  ist,  nimmt  er  unter  Vergleich  von  §  22  f.  mit  Nat. 
Deor.  I  69  Quellengleichheit  mit  letzterer  Stelle  (Kleitomachos)  an.  — 
Ein  arges  Mifsverständnis  ist  S.  23  die  Beziehung  der  Worte  Fat.  21 
eam  plag  am  potius  accipiam  auf  die  Bewegung  der  Atome  /.axa  -XTj^rjv. 

11.    Einzelbeiträge    zur    Kritik    und    Erklärung    des    Lncullus 
Zu  §  5    vermutet  Ed.  Schwartz    im  Rostocker  Ind.  lect.  aest.    1889. 


220  Cicero,  philosoph.  Schriften.    (Schwenke.) 

4.  8.  4  in  legatione  illa  nobili,  quam  e  ceusura  obiit,  während  andere 
in  dem  überlieferten  ante  censuram  ein  Versehen  Ciceros  angenommen 
haben,  —  A.  M.  C(ook),  Note  on  Cic.  Academica.  Class.  Review  II 
(1888),  S.  39  f.  leugnet  gegenüber  Reid  mit  Recht,  dafs  Luc.  14  der 
Konjunktiv  cum  perturbare  .  .  .  uelitis  in  iterativem  Sinne  gebraucht 
sei.  —  Zu  75    schlägt  A.  Otto,    Arch.    f.    lat.  Lexicogr.  VI    (1889), 

5.  338  vor  coutorta  et  acu  enucleata  sophismata.  --  Zu  80  vermutet 
R.  Ellis,  Journal  of  philol.  vol.  XVI  (1888),  S.  320  hoc  est  uerum 
esse  confidere  suis  testibus  et  in  torquata  insistere  mit  Beziehung  auf 
den  Taubenhals  in  §  79,  E.  Lohsee  (No.  4)  dagegen  conf.  s.  test.  et 
incohata  insistere.  —  §  104  schreibt  Lohsee  a.  a.  0.  Nam,  ut  placeat 
eum,  qui  de  omnibus  rebus  contineat  se  ab  adsentiendo,  moueri  tamen 
et  agere  aliquid  relinquique  eins  modi  uisa,  quibus  ad  actiouem  ex- 
citemur,  item  usw.;  wogegen  Goethe,  Wochenschr.  f.  kl.  Phil.  VII 
(1890),  Sp.  1370  vorschlägt  Etenim  cum  placeat .  .  .,  relinqui  ut  eius 
modi  uisa  .  .  .,  item  ea  usw.  —  Luc.  107  At  id  quidem  perspicuum 
est  (sc.  fieri  posse)  verteidigt  ein  Ungenannter,  Class.  Rev.  II  (1888), 
S.  40  gegen  Reids  Änderung  (et  id  qu.  persp.  esse). 

12.  M.  TuUio  Cicerone.  I  cinque  libri  de  finibus  bonorum  et 
malorum  commentati  da  Carlo  Giam belli.  Vol.  I.  Libri  I — III. 
Torino,  Erm.  Loescher,  1889.  (CoUezione  di  classici  greci  e  latini  con 
note  italiane.)    XIX,  228  S.     8. 

13.  M.  Tullii  Ciceronis  de  finibus  bonorum  et  malorum  libri 
quinque.  Ed.  Geyza  Nemethj'.  Budapestini,  R.  Lampel.  1890. 
(Bibliotheca  scriptorum  gr.  et  rom.  in  usum  scholarum  edita  cur.  Aem. 
Thewrewk  de  Ponor.)    180  S.    8. 

G i am b ellis  Ausgabe  enthält  nach  einer  Einleitung  über  Ciceros 
philosophische  Schriften  überhaupt  und  De  Finibus  insbesondere  den 
Text  der  drei  ersten  Bücher  mit  erklärenden  Anmerkungen,  darnach 
note  critiche  über  einige  Stellen  (S.  218—223)  und  ein  chronologisches 
Verzeichnis  der  angeführten  Philosophen.  Der  Text  ist  fast  vollständig 
der  von  C.  F.  W.  Müller  bis  auf  wenige  Stellen,  an  denen  sich  aber, 
soweit  ich  sehe,  auch  nichts  neues  oder  dem  Herausgeber  eigentümliches 
findet.  Giambelli  hat  selbst  14  Handschriften  benutzt,  die  meisten  der 
Laurentiana  gehörig  und  fast  alle  aus  dem  15.  Jahrhundert;  er  führt 
sie  auch  öfter  an,  aber  neues  oder  sichereres  haben  sie  ihm  natürlich 
nicht  geboten.  Eigentümlich  berührt  S.  219  das  Bekenntnis  seiner  Un- 
sicherheit darüber,  welche  Handschrift  mit  A  bezeichnet  werde.  Kritische 
Anmerkungen  finden  sich  nicht  nur  in  dem  Anhang,  sondern  vielfach 
auch  in  den  Anmerkungen,  welche  im  übrigen  ganz  zweckmälsig  sind, 
nur  etwas  überladen  mit  Citaten  und  nicht  ganz  frei  von  Irrtümern. 


Cicero,  philosoph.  Schriften.    (Schwenke.)  221 

Nemethys  Ausgabe  beschränkt  sich  auf  den  Text,  den  er  im 
Anschlufs  an  Madvig",  aber  selbständig,  herzustellen  gesucht  hat.  Die 
Abweichungen  von  Madvigs  3.  Ausgabe,  die  N.  in  der  kurzen  Vorrede 
zusammenstellt,  zeigen  einerseits  das  Bestreben,  sich  enger  an  Cod.  A 
bezw.  wo  dieser  fehlt,  an  BE  anzuschlielsen,  meist  in  Übereinstimmung 
mit  C.  F.  W.  Müller,  manchmal  auch  in  nicht  unbedenklicher  Weise 
über  ihn  hinausgehend.  Andrerseits  hat  N.  an  den  Stelleu,  an  denen 
die  Überlieferung  verdorben  ist,  die  vorsichtigeren  Herausgeber  aber 
an  einer  sicheren  Herstellung  verzweifeln,  die  kühnsten  Konjekturen  in 
den  Text  gesetzt  und  so  zwar  die  Kreuze  beseitigt,  die  Urkundlichkeit 
seines  Textes  aber  nicht  eben  gefördert,  zumal  derartige  Stellen  nicht 
gekennzeichnet,  sondern  nur  aus  der  Vorrede  ersichtlich  sind.  Die 
besten  unter  den  aufgenommenen  Konjekturen  sind  die  von  Langen 
(s.  No.  14),  schon  bedenklich  die  von  Madvig  nur  in  den  Anmerkungen 
versuchten,  am  wenigsten  einleuchtend  (nur  mit  Ausnahme  der  Ergänzung 
in  V,  69)  die  von  N.  selbst,  die  hier  zusammengestellt  sein  mögen: 
I  19  iterum  attulit  rem  commenticiam ;  II  78  nisi  <noster>  eris; 
107  si  hie  perstiteris;  III  61  neque  uirtute  retin emur  in  uita;  IV  40 
nam  si  omnia  omnino  neglegemus;  59  non  facilia  illa  quidem  nee 
contemnenda  esse;  66  conferam  item  auum  tuum;  V  69  quae  quidem 
sapientes  uidentes  (Madv.)  sequuntur  duce  natura  tarn  quam  <deo>. 
Eine  Begründung  dieser  Konjekturen  hat  N.  jedenfalls  in  seinem  Aufsatz 
„Coniecturae  in  libros  Ciceronis  de  finibus"  in  Egyetemes  philol.  közlöny 
XIV  (1890),  S.  1  — 7  gegeben,  leider  ist  mir  aber  gerade  das  betreffende 
Heft  dieser  Zeitschrift  nicht  zugänglich  gewesen. 

Über  eine  1890  erschienene  Ausgabe  von  De  Finibus  mit  An- 
merkungen und  Übersetzung  „for  London  University  examination"  von 
S.  Moses  und  C.  S.  Pearnside  (Bibl.  philol.  class.  1890,  S.  116)  ist 
mir  nichts  näheres  bekannt  geworden. 

14.  P.  Langen!  ad  nonnuUos  locos  Ciceronis  de  finibus  libro- 
rum  adnotationes.  Part.  (1.)  2.  Ind.  lect.  der  Akad.  zu  Münster  f. 
S.-S.  1888  u.  W.-S.  1888/89.     4.     S.  3-7  bezw.  3—8. 

Von  diesen  wertvollen,  scharfsinnigen  Bemerkungen,  welche  eine 
Reihe  von  Stellen  vortrefflich  illustrieren  und  teils  zur  Verteidigung 
fremder,  teils  zur  Aufstellung  eigener  Konjekturen  führen,  enthält  das 
erste  Programm  die  zu  Buch  I — II,  das  zweite  die  zu  III — V.  Es 
kann  hier  nicht  die  Erörterung  selbst,  sondern  nur  das  Resultat  mit- 
geteilt werden,  welches  natürlich  nicht  immer  einwandfrei  ist:  I  30 
prompta  et  aperta  indicari  (Lamb.);  33  temporibus  autem  quibusdam 
uelut  officiis  debitis  (von  Nemethy  in  den  Text  aufgenommen);  37  (uolupt.) 
quae  suauitate  aliqua  naturam  ipsa  mouet  (desgl.);  39  numquidnam  manus 


222  Cicero,  philosoph.  Schriften.    (Schwenke.) 

tua  sie  affecta  quemadmodum  <mea>  affecta  nunc  est,  desiderat? 
(desgl.);  II  32  non  illa  stabili,  sc.  utitur,  (desgl.);  57  M.  Crassus  .  ., 
(ini  tarnen  solebat  uti  suo  beue.  Die  schwierige  Stelle  III  22  schreibt 
Ij  .  mit  Ausscheidung  von  et  tarnen  ut  omnia  faciat  quo  propositum  asse- 
quatur  und  quäle  nos  summum  in  uita  bonum  dicimus  folgeudermafsen : 
L't  enim  si  cui  propositum  sit,  collineare  hastam  aliquo  aut  sagittam, 
huic,  in  eiusmodi  similitudine,  omnia  sint  facienda,  ut  collineet  et  sit 
lioc  quasi  ultimum,  illud  autem,  ut  feriat,  quasi  seligendum,  non  ex- 
petendum,  sie  nos  ultimum  in  bonis  dicimus.  Ill  62  neque  uero  haec 
inter  se  congruere  possunt,  ut  natura  et  procreari  uellet  et  diligi  pro- 
creatos  non  curaret;  IV  ß  .  .  .  de  iustitia  de  temperantia  de  fortitudine 
de  amicitia  de  aetate  degeuda  [de  philosophia]  de  capesseuda  re  publica; 
haec  sunt  non  hominum  spinas  uellentium  etc.;  V  16  ille  enim  uidit; 
45  sin  autem  <re ferenda >  est  in  ea;  89  quemadmodum  in  senatu 
saepe  est  aliquis  qui  Interpretern  postulet. 

15.  0.  R(iemann),  Note  sur  un  passage  du  „De  Finibus*.  — 
E.  Boutroux,  Comparaisou  d"un  texte  du  De  Finibus  avec  un  texte 
correspondant  du  De  Fato.  Revue  de  philologie.  N.  8.  XIII  (1889), 
S.  86—88. 

R.  analysiert  die  gegen  die  epikureische  Physik  gerichtete  Stelle 
Fin.  I  17 — 21  uud  kommt  zu  dem  ganz  unzweifelhaften  Ergebnis,  dafs 
es  sich  in  den  "Worten  (§  20)  ne  illud  quidem  physici  credere  aliquid 
esse  minimum  nicht,  wie  die  bisherigen  Erklärer  anzunehmen  scheinen, 
um  die  Atomentheorie  handelt,  sondern  um  das  eXcxyiartov,  um  welches 
ein  Atom  von  der  senkrechten  Linie  abweicht  Er  macht  bei  dieser 
Gelegenheit  darauf  anfmerksam,  dafs  die  Worte  erit  hoc  quasi  pro- 
uincias  atomis  dare  auf  demselben  Vergleich  beruhen  wie  Fat,  46  num 
sortiuntur  inter  se  (atomi),  quae  declinet  quae  non?,  da  eben  um  die 
Provinzen  gelost  wird.  —  Im  Anschlufs  daran  führt  Boutroux  aus, 
dafs  an  beiden  Stellen  Epikur  auf  etwas  verschiedene  Weise  ad  absurdum 
geführt  werde,  an  der  ersten,  indem  eine  bestimmende  Thätigkeit  (pro- 
uincias  dare)  als  notwendig  vorausgesetzt  werde  (?),  die  Epikur  fremd 
sei,  an  der  andern,  indem  der  epikureische  blinde  Zufall  acceptiert  werde. 

IG.  Von  vereinzelten  kritischen  Beiträgen  zu  De  Finibus  sind 
noch  folgende  zu  verzeichnen:  Im  I.  Buche,  das  er  zum  grofsen  Teil 
in  seine  Epicurea  aufgenommen  hat  (vgl.  oben  No.  6),  setzt  Usener 
(S.  199)  in  §  19  hinter  itaque  das  Zeichen  der  Lücke,  so  dafs  erst 
attulit  den  Hairptsatz  wieder  aufnimmt;  30  (S.  350  als  Nachtrag  zu 
S.  188)  negat  opus  esse  oratione  neque  disputatione;  45  (S.  268) 
Zeichen  der  Lücke  hinter  expleantur:  „intercidit  colon,  quo  cupiditates 
naturales  nee  necessariae  defiuitae  erant,"  was  mir  ganz  unverständlick 


Cicero,  Philosoph.  Schriften.    (Schwenke.)  223 

ist;  52  (S.  270)  wird  der  ganze  Satz  Neque  homini  infanti— magia 
conueniunt  eingeklammert,  nicht  als  unecht,  sondern  als  nicht  dahin 
gehörig.  Wahrscheinlich  habe  Cicero  einen  Marginalzusatz  seiner 
Quelle  an  die  falsche  Stelle  gesetzt.  —  Die  schwierige  Stelle  II  23  mit 
dem  Citat  aus  Lucilius  stellt  K.  Dziatzko  im  Rhein.  Museum  N.  F.  44, 
(1889),  634 — 637  in  höchst  überzeugender  Weise  so  her:  mundos, 
elegantis,  optimis  cocis  .  .  .  uitantis  <:eorum>  cruditatem,  „quibus 
uiaum  defusum  e  pleno  sit  -/pujt'Cov,"  ut  ait  Lucilius,  „cui  nildum 
situis  (Bodensatz)  [et]  sacculus  abstulerit",  adhibentis  ludos  etc.  Xpuui'Cov 
lälst  Dz.  selbst  zweifelhaft.  —  III  2  verteidigt  Lohsee  (No.  4)  S.  11 
die  handschriftliche  Lesart  uec  uero  ullum  probetur  ut  summum  bonum 
quod  uirtute  careat,  qua  nihil  possit  esse  praestantius.  —  Ebend.  §  15 
will  S.  Linde,  Hermes  XXV  (1890)  S.  638,  schreiben  uam  cum  in 
graeco  sermone  haec  ipsa  quondam  rerum  nomina  nouarentur,  noua 
uidebantur  (!)  etc.  —  V  93  vermutet  Lohsee  a.  a.  0.  uirtutis  causa, 
nisi  ea  uoluptatem  habere t,  offenbar  ohne  die  bisherigen  Behandlungen 
der  Stelle  zu  kenneu.  Drechsler,  der  pararet  oder  pareret  vor- 
geschlagen hatte  (vgl.  Jahresber.  Bd.  47,  S.  280),  entscheidet  sich  im 
Programm  des  deutscheu  Staats-Obergymu.  in  Olmütz  1887,  S.  3  f.  für 
das  zweite  und  führt  Belegstellen  dafür  aus  Ciceros  Reden  an,  und 
zwar  ohne  zu  sagen,  dafs  er  sie  durchaus  Merguet  entnimmt.  Mit  ihm 
wird  er  nun  wohl  auch  zu  einer  ,, genaueren  Beobachtung  des  Cicero- 
nischen Sprachgebrauchs"  in  den  philosophischen  Schriften,  die  doch 
hier  zunächst  in  Betracht  gekommen  wären,  vorgedrungen  sein.  Dafs 
er  die  Stelle  selbst  nicht  noch  einmal  nachgeschlagen  hat,  geht  daraus 
hervor,  dafs  er  sie  immer  noch  in  das  vierte  Buch  verlegt. 

17.  M.  TuUii  Ciceronis  Tusculanarum  Disputationum  ad  M.  Brutum 
libri  quinque.  Erklärt  von  Dr.  Gustav  Tischer.  2.  Bändchen. 
Buch  lU— V.  8.  Auflage  besorgt  von  Dr.  Gustav  Sorof.  Berlin, 
Weidmannsche  Buchhandlung.     1887.     172  S.     8. 

18.  M.    TuUi    Ciceronis    Tusculanarum    Disputationum    libri 
•  quinque.     Scholarum  in  usum  edidit  The  od.   Schlehe.     (M.  T.  Cic. 

libri  qui  ad  rem  publicam  et  ad  philosophiam  spectant . .  ed.  Th.  Schiebe. 
Vol.  V.)     Vindobonae  et  Pragae,  F.  Tempskv;   Lipsiae,   G.  Freytag. 
.  1888.     XIH.  173  S.     8. 

Das  2.  Bändchen  von  Tischer-Sorofs  8.  Auflage  zeigt  überall 
eine  sorgfältige  Revision  sowohl  des  Textes  als  der  Anmerkungen.  Was 
ersteren  betrifft,  so  ist  er  gegenüber  der  7.  Auflage  an  einigen  zwanzig 
Stellen  geändert,  meist  in  engerem  Anschlufs  an  die  Handschriften  und, 
mit  ganz  wenigen  Ausnahmen,  in  Übereinstimmung  mit  C.  F.  W.  Müller, 
dessen  Ausgabe  zwar  schon   in    der  7.  Auflage  vom  3.  Bogen  au  be- 


224  Cicero,  philosoph.  Schriften.    (Schwenke.) 

nutzt  worden  war,  aber  jetzt  auch  in  diesen  Partien  von  erneutem  Ein- 
fluls  gewesen  ist. 

Schieb  es  Praefatio  enthält,  wie  in  den  anderen  Bänden  der 
Ausgabe,  Auskunft  über  die  Grundlagen  des  Textes,  die  Zeit  der  Ab- 
fassung und  den  Inhalt  des  Werkes;  den  Text  begleitet  ein  kurzer 
kritischer  Apparat,  den  Beschluls  macht  ein  Index  nominum.  Über  den 
Torliegenden  Band  hat  sich  Referent  bereits  in  der  Berl.  Philol.  Wochen- 
schrift Vni  (1888),  Sp.  916—919  geäufsert  und  möchte  daher  hier 
nur  wiederholen,  dafs  die  Bearbeitung  eine  durchaus  zweckentsprechende 
und  sorgfältige  ist  und  dafs  nur  dem  kritischen  Apparat  eine  kleine 
Erweiterung  zu  wünschen  gewesen  wäre.  Wenn  der  Text  nicht  durchaus 
befriedigt,  so  liegt  das  zum  grolseu  Teil  an  dem  Zustand  der  Über- 
lieferung (in  den  Handschriften  G  und  R),  die  Schiebe  an  zahlreichen 
Stellen  zu  retten  gesucht  hat,  wo  sie  von  den  anderen  Herausgebern 
aufgegeben  ist,  zum  Teil  aber  auch  daran,  dafs  er  mehr  als  anderwärts 
eigene,  noch  nicht  genügend  geprüfte  Vermutungen  in  den  Text  gesetzt 
hat.  In  den  ziemlich  eingehenden  Besprechungen  von  Degenhart 
(N.  philol.  Rundsch.  1888,  S.  196—199),  Staugl  (Blatt,  f.  d.  Bayer. 
Gjonn.-Schulw.  XXIV  1888,  S.  425—428)  und  Sorof  (Wochenschr. 
f.  klass.  Philol.  VI  1889,  Sp.  1140 — 45)  haben  nur  zwei  von  diesen 
etwa  20  Konjektiu'en  je  zwei  billigende  Stimmen  erhalten  (I  73  uel 
aspectum;  V  88  <in>  dolore),  fünf  weitere  nur  je  eine.  —  Gegen  die 
in  der  Vorrede  ausgeführte  Ansicht,  dais  die  Tuskulanen  bereits  im 
Juli  45  vollendet  seien,  hat  aufser  dem  Referenten  auch  Degenhart 
a.  a.  0.  Einwendungen  erhoben. 

19.  Death  no  bane:  a  new  translation,  with  copious  illustra- 
tive notes,  of  Cicero's  first  Tuscnlan  Disputation.  By  Robert  Black. 
London,  Sampson  Low  etc.  1889.     XU,  172  S.     8. 

Eine  gute  und  lesbare,  zugleich  sehr  hübsch  ausgestattete  englische 
Übersetzung  des  ersten  Buchs  der  Tuskulanen,  nicht  zur  Hilfe  für  Latein- 
beflissene, sondern  zum  Gebrauch  filr  Leser,  „who  are  innocent  of  Latin," 
fnr  welche  auch  die  S.  103 — 171  füllenden  Anmerkungen  bereclmet  sind. 

20.  Eduard  Strubel,  Die  Tuskulanen  im  Cod.  Vaticanus  3246. 
Philologus  Bd.  49  (N.  E.  3).  1890.  S.  49—64. 

In  dem  genannten  Codex  hat  Strubel  bei  seinen  Cicerostudien  in 
der  Vaticana  eine  Handschrift  gefunden,  die  zwar  auf  Grund  älterer 
und  unvollständiger  Vergleichungen  schon  hier  und  da  in  den  Ausgaben 
angeführt  wurde,  die  sich  aber  erst  jetzt  schon  um  ihres  Alters  willen 
als  R  und  G  ebenbürtig  erweist.  Str.  giebt  eine  genaue  Beschreibung 
der  Handschrift  und  erörtert  alle  damit  zusammenhängenden  Fragen  in 
so  vorzüglicher  und  methodischer  Weise,  dafs  seine  Resultate  auch  ohne 


Cicero,  philosoph.  Schriften.    (Schwenke.)  225 

Veröffentlichung  der  ganzen  Kollation  als  gesicherte  gelten  dürfen.  Hier 
nur  die  Hauptpunkte:  Vat.  3246  (V),  IX.  Jahrh.,  bietet  von  1.  Hand 
einen  Text,  welcher  R  und  G  ganz  nahe  steht  und  in  vielen  Fehlern 
mit  beiden  übereinstimmt,  andere  wieder  nur  mit  einer  von  beiden  Hand- 
schriften gemein  hat,  so  jedoch  dafs  die  Verwandtschaft  mit  G  gröfser 
ist  als  mit  R  (vorausgesetzt,  wie  Str.  selbst  bemerkt,  dai's  eine  neue 
Kollation  von  R  nicht  anders  ergiebt;  dafs  kleine  Nachträge  zu  den 
Angaben  der  2.  Züricher  Ausgabe  zu  machen  sind,  zeigt  eine  Ver- 
gleichung  der  bei  Chatelain  facsimilierten  Stelle).  Dagegen  hat  wieder 
V  an  ungefähr  60  Stellen  die  richtige ,  jetzt  bereits  im  Text  stehende 
Lesart,  wo  R  G  übereinstimmende  Fehler  haben.  Str.  glaubt  daher 
auch  einige  bisher  kontroverse  oder  noch  nicht  beanstandete  Stellen 
auf  Grund  von  V  verbessern  zu  dürfen,  von  denen  ich  anführe  I  105 
Hectorem  (Hectora  hat  V  durch  Korrektur  des  letzten  Buchstabens), 
ni  43  tu  (ut  V)  huic  acupenserem  .  .  .  dabis,  77  o  Cleanthe  (acl.  V), 
IV  40  in  quo  operae  plurimum  ponitur,  V  5  qui  non  modo  nos  (wobei 
jedoch  Str.  wohl  übersehen  hat,  dafs  auch  Lact.  Inst,  m  13  quid  liest), 
73  cum  fortunam  contemnere.  Fast  noch  grösseres  Interesse  beansprucht 
die  um  wenig  jüngere  zweite  Hand  von  V,  welche  die  Handschrift 
nach  einer  Vorlage  (am  Ende  steht  Contulimus)  durchkorrigierte.  Sie 
hat  mehrmals  allein  von  allen  bekannten  Handschriften  die  jetzt  rezipierte 
Lesart,  darunter  mehrere  Tilgungen  und  Ergänzungen  (z.  B.  III  3  populus 
accessit;  34  humana  humane)  und  noch  mehr  richtige  Lesungen  dieser 
Art  teilt  sie  mit  jüngeren  Handschriften,  aus  denen  sie  bereits  in  den 
Text  gelangt  sind.  Die  Vorlage  dieses  Korrektors  scheint  also  einer 
von  GRV^  unabhängigen  Überlieferung  anzugehören.  Freilich  enthält 
V^  auch  manche  offenbar  willkürliche  Änderungen,  welche  Ströbel  selbst 
veranlassen,  bei  Benutzung  von  V^  gröfste  Vorsicht  anzuwenden.  Von 
den  Lesai-ten  von  V^,  welche  er  als  beachtenswert  anführt,  greife  ich 
nur  heraus  I  16  <sed  maiora  molior>;  20  corpus  negauit  esse  ullum 
(so  Schiebe);  70  quae  est  eins  natura;  104  is  quidem  <eadem>  sentiens; 
III  47  summamque  <esse>  uoluptatem,  u.  a.  Auf  pallida  leto  nubila 
tenebris  loca  hat  nach  dem  Bruxell.,  der  es  ebenfalls  schreibt,  und  nach 
Ribbeck,  der  es  aus  Bergks  Konjektur  aufgenommen  hat,  auch  Fleck- 
eisen,  Jahrbücher  f.  Philol.  Bd.  135  (1887),  S.  87  aufmerksam  ge- 
macht. —  Strubels  Arbeit  ist  ohne  Zweifel  der  bedeutendste  Beitrag", 
den  wir  seit  Jahren  zur  Textkritik  der  Tuskulanen  erhalten  haben. 

Eine  andere  von  dem  Archetypus  R  G   unabhängige  Textesquelle 
sucht  nachzuweisen 

21.     Karl  Lehmann.     Eine  verlorene  Handschrift  zu  Ciceros 
Tusculanen.     Berl.  phüol.  Wochenschr.  IX.    1889.    Sp.  1482—84. 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    LXXVI.  Bd.   (.1893.  II.J        15 


226  Cicero,  philosoph.  Schriften.    (Schwenke.) 

L.  macht  auf  die  Lesarten  aufmerksam,  welche  in  Lambins  erster 
und  zweiter  Ausg-abe  (1560  und  1572)  mit  der  Bezeichnung  „vetus 
codex''  augeführt  werdeu  (worunter  allerdings  nicht  immer  dieselbe  Hand- 
schrift zu  verstehen  sei)  und  welche  gegenüber  gemeinsamen  Fehlern 
von  RG  Verbesserungen  bieten,  die  einem  Schreiber  oder  einem  ge- 
lehrten Humanisten  nicht  zuzutrauen  seien.  Auf  Grund  von  Lambins 
Angaben  will  L.  daher  auch  schreiben  I  21  [uel  animam];  28  sed  etiam 
<uictoriae>  nuntii;  92  [nou  modo  ipse]:  100  mortis,  si  est  misera; 
V  90  muuera  autem  ista,  quibus  delicatus  es.  Mir  scheinen  diese 
Schreibungen,  vielleicht  mit  Ausnahme  der  letzten,  recht  unnötig  und 
schon  deswegen  nicht  unverdächtig,  weil  die  Angabe  „v.  c."  meist  erst 
in  der  nicht  von  Lambin  besorgten  zweiten  Ausgabe  auftritt.  V  90  ver- 
mutet Lambin  selbst  deliciaris  oder  deliciatus  es  und  erwähnt  von 
delicatus  es  gar  nichts. 

22.  A.  Spengel,  Die  Personenzeichen  in  den  Handschriften 
von  Cicero's  Tusculanae  disputationes.  Philologus  Bd.  48  (N.  F.  2). 
1889.    S.  367—369. 

Sp.  führt  aus,  dafs  A  und  M  nicht  als  Anfangsbuchstaben  be- 
stimmter lateinischer  Wörter  betrachtet  werden  dürfen,  sondern  willkür- 
lich gewählte  Zeichen  füi*  die  beiden  redenden  Personen  seien.  Er  glaubt 
.sogar,  dafs  für  die  Wahl  von  M  seine  Gestalt  als  doppeltes  A  von  Ein- 
flufs  gewesen  sein  könne. 

23.     Einzelbeiträge   zur  Kritik  und  Erklärung   der  Tuskulanen: 
I  1    will  W.    Gebhardi,    Jahrbb.  f.  Philol.  Bd.  133  (1886),    S.  864 
schreiben  uon  quin  philosophia  .  .  .  percipi  posset.  —  Zu  16  ver- 
mutet J.  S.    van  Veen,    Hermes  Bd.  23  (1888),    S.  316  delectatione 
aliqua  afficere  lectorem,  —  I  15  will  Th.  Staugl,  Blätter  f.  d.  bayer. 
Gymnasialschul w.  Bd.  24  (1888),  8.  427  das  handschriftliche  et  quoniam 
wiederherstellen  und  ebendas.  S.  77  streicht  A.  Eussner  in  dem  Satz 
§  108  ut  mortuorum  corpora  nihil  sentire  uiui  sentiamus  nur  das  Wort 
uiui,  worin  mit  ihm  J.  S.  van  Veen  a.  a.  0.  zusammengetroffen  ist.  — 
HI  28  liest  Usener  (Nr.  6)  S.  290  opinionem  mali  aegritudinem  esse, 
<ea>  natura,  ut  u.  s.  w.;  41  nimmt  ders.  S.  120  nach  den  griechischen 
Parallelen  eine  Lücke  an  (ausdrückliche  Erwähnung    der  6i'  d^ppootstcov 
r|6ovai):  detrahens  eas  quae**,  <detrahens  eas  quae>  auditu  e  (so  mit 
Sorof  und  Schiebe)  cantibus  u.  s.  w.  —  III  79  vermutet  Stangl  a.  a.  0. 
quamnam    quisque    curationem    recipere    possit:    IV  32  F.  G.  Sorof, 
Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  VI  (1889),  Sp.  1144  mouent  eum  multa 
efferata.  —  Zu  V  6  hat  Referent,  Berl.  phil.  Wochensclu'.  VIU  (1888) 
Sp.  917   darauf   aufmerksam    gemacht,    dafs  aus    dem  Citat   bei  Lact. 
Inst,    m  14    audeat    in    den   Text    zu    setzen  ist.   —   V  104   schlägt 


Cicero,  philo&oph.  Schriftea.    (Schwenke.)  227 

A.  Eussner  a.  a.  0.  vor  operarios  barbaros[(iue] ;  ebd.  111  streicht 
TJsener  (No.  6)  S.  336  das  Wort  audiamus  und  112  vermutet  er 
sine  notatione  rerum.  —  H.  Kothe,  Timaios  und  Ciceros  Tusculanen 
(V,  §  57—63),  Jahrbb.  f.  Philol.  Bd.  139  (1889),  S.  637—640  handelt 
nur  von  der  Zahl  der  Lebens-  und  Regierungsjahre  des  älteren  Dionysios 
und  das  Verhältnis  der  Ciceronischen  Angaben  zu  Timaios  und  Ephoros. 

24.  M.  TuUii  Ciceronis  de  natura  deorum  libri  tres.  Für  den  Schnl- 
gebrauch  erklärt  von  Dr.  Alfred  Gloethe.  Leipzig,  B.  G.  Teubner. 
1887.    .IV,  242  S.     8. 

Wie  Schömanns  Ausgabe  von  N.  D.,  bisher  die  einzige  mit  deutschem 
Kommentar,  geht  auch  die  vorliegende  über  die  Zwecke  der  Schule 
hinaus  und  darf  allen,  die  sich  ^tiber  die  nach  vielen  Richtungen  hin 
interessante  Schrift  orientieren  wollen,  aufs  wärmste  empfohlen  werden. 
In  der  Einleitung  wird  hauptsächlich  über  den  Stand  der  Religion  und 
Religionsphilosophie  zu  Ciceros  Zeit  und  über  die  von  ihm  benutzten 
Quellen  gehandelt.  Was  die  letzteren  betrifft,  so  befindet  sich  Goethe 
in  den  strittigen  Punkten  im  ganzen  in  Übereinstimmung  mit  dem  Ref. 
(Jahrbb.  f.  Philol.  Bd.  119),  nur  dafs  er  die  einleitende  Polemik  des 
epikureischen  Vortrags  auf  eine  von  dem  Folgenden  verschiedene  Quelle 
(Phaidros)  zurückführt.  Für  den  Text  ist,  was  in  neuerer  Zeit  an  hand- 
schriftlichem Apparat  und  ki'itischen  Bemerkungen  veröffentlicht  worden 
ist,  gewissenhaft  benutzt.  Das  angehängte  Verzeichnis  der  Stellen,  in 
denen  von  C.  F.  W.  Müllers  Text  abgewichen  ist,  zeigt  noch  engeren 
Anschlufs  an  die  Handschriften  und  eine  gröfsere  Wertschätzung  von  B. 
In  ersterer  Beziehung  ist  Goethe  häufig  mit  Mayor  zusammengetroffen, 
der  jedoch  darin  erheblich  weiter  geht  und  in  Class.  Review  III  (1889), 
160  ff.  dies  namentlich  für  11  75  eam  esse  generatam  begründet  hat. 
Von  den  neu  aufgenommenen  Konjekturen  kommen  die  meisten  auf 
Rechnung  des  Herausgebers  selbst,  der  eine  Anzahl  schon  in  den 
Jahrbb.  f.  Philol.  Bd.  129  n.  133  vorgetragen  hatte  (vgl.  Jahi'esber. 
Bd.  47,  287 f.).  Nur  in  die  Anmerkung  gesetzt  hat  er  von  diesen  seine 
Ergänzung  zu  I  25,  und  II  61  inteUegi  für  regi  (diese  Vermutung  billigt 
Mayor  a.  a.  0.).  Dagegen  sind  neu  hinzugekommen  11  11  <apud> 
hortos  Scipionis;  24  respuit;  89  alia  multa  hinter  das  Citat  gesetzt; 
123  alterius  generis  bestiis;  135  <item>  depellit;  III  53  [Atrei  .  .  . 
fuit];  65  sedfsumemus;  74  id  [quoque].  Ich  kann  weder  in  diesen 
noch  in  den  früher  veröffentlichten  eine  überzeugende  Verbesserung 
sehen;  trotzdem  mufs  der  Text  als  sorgfältig  hergestellt  bezeichnet 
werden.  Das  Hauptgewicht  ist  indes  auf  den  Kommentar  zu  legen,  der 
natürlich  auf  den  Schultern  von  Schömann  und  Mayor  steht,  aber  überall 
selbständiges  Urteil  und  gründliche  Kenntnis  nach  der  sprachlichen  wie 

15* 


228  Cicero,  philosoph.  Schriften.    (Schwenke.) 

sachlichen  Seite  hin  zeigt.  Dals  für  Nachträge  und  auch  Berichtigungen 
noch  ein  weites  Feld  übrig  bleibt,  ist  bei  der  Schwierigkeit  des  Gegen- 
standes nicht  zu  verwundern.  Eine  Anzahl  solcher  haben  zusammen- 
gestellt Stangl  BL  f.  d.  bayer.  Gyuin.  24  (1888),  296f.,  Sorof  Berl. 
philol.  Woch.  9  (1889),  179 ff.,  Mayer  a.  a.  O. 

Die  französische  Schulausgabe  des  II.  Buches  von  E.  Maillet 
(Bibl.  philol.  class.  1887,  S.  57)  ist  mir  nicht  zugänglich  gewesen,  ebenso- 
wenig dessen  französische  Übersetzung  (ebend.)  und  die  italienische  von 
T.  C.  Malvezzi  (Bibl.  1890,  ^.  180). 

25.  J.  S.  Reid,  The  Merton  Codex  of  Cicero.  Journal  of  phi- 
lology.     Vol.  17  (1888),  S.  294-302. 

26.  P.  Schwenke,  Zum  Cicerokodex  Vindobon.  189.  Berl.  philol. 
"Wochenschr.     Jahrg.  9  (1889),  Sp.  618—620. 

27.  P.  Schwenke,  Apparatus  criticus  ad  Ciceronis  libros  de 
natura  deorum.  Classical  Review.  Vol.  4  (1890),  S.  347—355.  400—404. 
454—457.     (Fortsetzung  und  Schlufs  in  Vol.  5.) 

Den  Kodex  des  Merton  College  in  Oxford  (XII.  Jahrh.),  der  unter 
anderem  Nat.  Deor.  und  Diuin.  I  1  — 106  (bezeichnet  als  N.  D.  IV)  ent- 
hält, hatte  Mayor  für  seine  Ausgabe  der  ersteren  Schrift  benutzt  und 
trotz  einiger  Schwierigkeiten,  die  noch  entgegenzustehen  schienen,  seine 
Stellung  dahin  bestimmt,  dafs  er  aus  Vindobon.  189  (V)  abgeschrieben 
sei  zu  einer  Zeit,  als  in  diesem  noch  nicht  alle  Korrekturen  vorgenommen 
waren  (vgl.  Jahresber.  Bd.  35,  S.  91).  Reid  hat  nun  dieselbe  Hand- 
schrift (Mn)  für  das  darin  enthaltene  Stück  von  Diuin.  untersucht  und 
findet  die  Abweichungen  von  V  (nach  den  Angaben  der  2.  Züricher  Aus- 
gabe) so  grofs  und  die  Übereinstimmung  bald  mit  V-  gegen  V^  bald 
mit  V  gegen  V-  so  wechselnd,  dafs  er  M"  nicht  auf  V  selbst,  sondern 
beide  auf  ein  gemeinsames  Original  zurückführen  zu  müssen  glaubt.  — ■ 
In  der  kleinen  unter  No.  26  angeführten  Notiz  habe  ich  auf  Grund 
meiner  eigenen  Vergleichung  von  V  gezeigt,  dafs  die  Schwierigkeiten 
nur  auf  der  Mangelhaftigkeit  der  früheren  Kollation  beruhen,  und  habe 
zugleich  die  für  die  Frage  wesentlichsten  Verbesserungen  derselben  an- 
gegeben. In  der  That  entspricht  M°  fast  vollständig  dem  Stande  von  V 
nach  Vornahme  der  ersten  Korrektur  (V-).  Diese  ist  leider  eine  so  um- 
fassende gewesen  und  für  die  Kritik  so  wertlos,  dafs  M"  auch  als  Ersatz 
für  V  in  den  in  N.  D.  I  und  II  fehlenden  Stücken  nur  mit  Vorsicht  zu 
brauchen  ist.  Übrigens  ist  er  nicht  unmittelbar  aus  V  abgeschrieben 
und  in  dem  anzunehmenden  Mittelglied  liegt  jedenfalls  der  Grund  der 
noch  verbleibenden  Abweichungen. 

Der  Aufsatz  von  Reid  war  ein  neuer  Beweis  dafür,  dafs  als 
Grundlage    für   alle    weiteren  Untersuchungen   auf  diesem  Gebiete  eine 


Cicero,  philosoph.  Schriften.    (Schwenke.)  229 

genauere  Kenntnis    der   ältesten  Handschriften  durchaus  notwendig  sei, 
und  so  bin  ich  gern  einer  Anregung  Jos.  B.  Mayors  gefolgt,    die  Er- 
gebnisse  meiner   diesbezüglichen  Arbeiten  für  Nat.  Deor.  zu  veröffent- 
lichen   (No.  27).     Die    Form    einer   Ergänzung    und  Berichtigung    zur 
zweiten  Züricher  Ausgabe,  wie  sie  Deiter  in  seinen  Programmen  gewählt 
bat,  schien  mir  wegen  der  Schwierigkeit  der  Benutzung  ausgeschlossen. 
Ich   habe    deshalb    meine  Kollationen  der  drei  Leidener  Codices  Voss. 
F.  84  (A),  86  (B)  und  Bibl.  publ.  118  (C  =  H),  des  Florentiner  Mar- 
cianus  257  (F),  des  Monacensis  (Univ.-Bibl.  528  =  M)  und  des  Vindo- 
bonensis  189  (V),  sehr  vollständige  Mitteilungen  über  den  Palatinus  1519 
(P),  und  endlich  die  Lesarten  des  Hadoard  (K)  zu  einem  neuen  Appa- 
rate verarbeitet,   von  dem  allerdings  die  alten  Citate  und  die  Lesarten 
der  Herausgeber  ausgeschlossen  bleiben  mufsten.    Infolge  des  stückweisen 
Erscheinens   gehört    nur    der    Anfang  (Einleitung  und  Buch  I)    in    die 
gegenwärtige    Berichtsperiode.     .Die    Einleitung    enthält    zunächst    eine 
kurze  Beschreibung  der  Handschriften  und  eine  summarische  Erörterung 
ihrer  Verwandtschaft  untereinander.     In    letzterer    Beziehung    bin    ich, 
namentlich    dank   der   Liberalität  der    Leidener    Bibliotheksverwaltung, 
die  mir  eine  nochmalige  und  gleichzeitige  Uniersuchung  von  A  und  B 
ermöglichte,  zu  einem  neuen,  nicht  nur  für  Nat.  Deor.,  sondern  für  die 
ganze  „Vossianische"  Sammlung    wichtigen  Resultate  gelangt.     Es  war 
schon  aus  der  Bearbeitung  der  Hadoard-Excerpte  (K)  klar,   dafs  diese 
und  F  in  Nat.  Deor.  und  Diuin.  mit  B,  und  zwar  immer  mit  B^,    zu- 
sammengingen, in  den  übrigen  Stücken  aber  mit  A  bezw.  A-.    Es  schien 
schon  damals  nicht  unmöglich,  dafs  F  in  der  zweiten  Hälfte  (Tim.,  Fat. 
Top.,  Parad.,  Luc,  Leg.)  aus  A  abgeschrieben  sei,  was  für  Leg.  bereits 
Vahlen  behauptet  hatte.    Durch  die  erneute  Prüfung  von  A  und  B  auf 
diese  Frage  hin  hat  sich  nicht  nur  dies  bestätigt,  sondern  auch  heraus- 
gestellt,   dafs    die    erste  Hälfte    von  F  (Nat.  Deor.  und  Diuin.)  aus  B 
dii-ekt  geflossen  ist.    Vor  Herstellung  dieser  Abschriften  war  die  erste 
Hälfte  von  B  und  die  zweite  von  A  sorgfältig  durchkorrigiert  worden, 
jedenfalls  von  demselben  Korrektor,  einem  nicht  ungelehrten  Manne,  dem 
offenbar    aufser  A  und  B  sonst  keine  Überlieferung  des  Textes  vorlag. 
Bei  Herstellung  des  Ajchetypus  der  Vossianischen  Sammlung  sind  also 
nicht  nur  F  und  die  eng  damit  zusammenhängenden  Excerpte  des  Ha- 
doard   (die    nun  zeitlich  vielleicht  etwas  herabzurücken  sind),    sondern 
auch  A^  B^  auszuscheiden.    Es  bleibt  für  die  eine  Handschriftenklasse  B, 
für  die  andere  A  und  der  leider  defekte  V,  zu  denen  C  (=^  H)  in  Nat. 
Deor.,    Diuin.,    Leg.  und  P  in  N.  D.  und  Diuin.  hinzukommen,    diese 
beiden    freilich    um    100—200  Jahre   jüngere    und  nicht  immer  unver- 
dächtige Zeugen.  —  Trotz  dieser  Erkenntnis  habe  ich  in  die  angeführte 
Veröffentlichung    auch  F    und    die  aus  A  und  F  gemischte  Münchener 


230  Cicero,  philosoph.  Schriften.    (Schwenke.) 

Handschrift  aufgenommen,  einmal  um  eine  Nachprüfung  zu  ermöglichen 
und  ferner  um  die  Bestimmung  von  Handschriften,  Äie  in  Zukunft  noch 
werden  verglichen  werden,  zu  erleichtern.  In  eine  kritische  Ausgabe, 
welche  lediglich  die  Grundlagen  des  Textes  bieten  soll,  wüi'den  F  und 
M  natürlich  nicht  gehören.  —  Die  Einleitung  enthält  ferner  zur  Ent- 
lastung des  Apparates  eine  zusammenfassende  Übersicht  über  die  rein 
orthographischen  Varianten.  —  In  dem  ersten  Stück  der  Kollationen 
(Vol.  IV,  S.  400 — 404)  ist  störend,  dafs  die  Zeichen  für  radierte  Buch- 
staben, gegen  meinen  "Willen,  über  die  Zeile  gesetzt  sind.  Auch  sonst 
haben  sich,  namentlich  dadurch,  dafs  mir  nur  eine  Korrektur  zu  lesen 
möglich  war,  einige  Fehler  eingeschlichen,  deren  Nachweis  ich  der 
Durcharbeitung  des  Apparates  durch  Herrn  stud.  Di  eckhoff  in  Göttingen 
verdanke.  Ich  benutze  die  Gelegenheit,  die  wichtigeren  für  die  ganze 
Kollation  hier  zu  berichtigen.  Es  mufs  heifsen  bei  I  5,  34  ut  earum] 
B^CFMK;  63,  n  .  .  .  Divin.  II  127  .  .  .;  66,  22  iieri  simili  t.  similiora 
B^FMT;  30  aut  haec]  ad  haec  C;  107,  7  tantaque  C;  gll  31,  i5  cum] 
B-FM-V  .  .  .;  65,  19  planius  quam]  BCFP;  99,  17  strirpium  C^;  141,  19 
etiam  war  cursiv  zu  setzen;  159,  2  gestare  B-FM;  HI  5,  i3  in  priore 
loco  om.  C^;  53,  25  carensem  B'   craetensem  B^;  58,  u  matre  B-FM. 

28.  Posidonius  Werk  itspl  detüv.  Von  Dr.  phil.  Paul  Wend- 
land.   Archiv  für  die  Geschichte  der  Philosophie  I  (1888),  S.  200—210. 

29.  Die  Quellen  von  Cicero's  Schrift  de  deorum  natura  von 
Dr.  Leopold  Reinhardt.  Breslau.  W.  Koebner.  1888.  (Breslauer 
philologische  Abhandlungen.     Bd.  3.    Heft  2.)    3  El.,  68  S.     8. 

Wendland  macht  auf  die  Übereinstimmung  der  stoischen  Ein- 
teilung der  Götter  bei  Ps.-Plut.  Plac.  I,  6  (Diels  Doxogr.  295  ü.)  und 
Clemens  Alex.  Protr.  p.  22  P.  mit  der  bei  Cicero  N.  D.  11  49  ff. 
(2.  Abschnitt  der  stoischen  Theologie)  aufmerksam.  Offenbar  gehen 
alle  drei  auf  dieselbe  Quelle  zurück.  Die  Ähnlichkeit  zwischen  Cicero 
und  den  Placita  erstreckt  sich  aber  auch  auf  den  ersten  Abschnitt  der 
stoischen  Einteilung  (p.  293  Diels).  Es  ergiebt  sich  daraus,  dafs  die 
beiden  Teile  bei  Cicero  nicht  verschiedenen  Quellen  zuzuschreiben  sind. 
Nimmt  man  dazu  die  bekannten  Übereinstimmungen  zwischen  Sextos 
Emp.  und  Ciceros  erstem  und  drittem  Teil,  so  ist  die  einheitliche  Quelle 
von  N.  D.  n  ziemlich  sicher  gestellt  und  man  wird  sie  um  so  mehr  in 
Poseidonios  Tiepl  deuiv  suchen  dürfen,  weil  dieser  Philosoph  in  der  doxo- 
graphischen  Litteratur  viel  benutzt  worden  ist.  Die  Einflüsse  desselben 
Werkes  findet  Wendland  wieder  in  der  Schrift  -epi  %6a\Lou,  bei  Areios 
Didymos  und  in  Dien  Chrysostomos  12.  Rede.  (In  der  Deutschen  Litte- 
raturzeit.  1888,  Sp.  1491  fügt  er  noch  einen  Verweis  auf  die  Clemen- 
tinischen   Rekognitionen  VIII,  20  ff.    hinzu,    wo    sich    allerdings   ganz 


Cicero,  philosoph.  Schriften.     (Schwenke.)  231 

schlagende  Parallelen  zu  Ciceros  3.  und  4.  Teile  finden.)  Die  unge- 
sclückte  Benutzung  der  einen  stoischen  Quelle  erkläre,  sagt  Wendland, 
genügend  den  öfteren  Mangel  an  Zusammenhang  bei  Cicero. 

Umgekehrt  geht  Reinhardt  gerade  von  den  Unebenheiten,  for- 
mellen wie  materiellen,  der  Ciceronischen  Darstellung  aus  und  kommt 
so  überall  zur  Annahme  einer  Mehrheit  von  Quellen.  Im  zweiten  Buche, 
um  bei  diesem  zu  bleiben,  scheidet  er  zunächst  1  —  12  und  60 — 72  als 
wesentlich  selbständig  verfafst  aus.  Was  dazwischen  übrig  bleibt,  beläfst 
er  allerdings  mit  Wendland  und  gegen  Hirzel  bei  einer  Quelle.  Da  aber 
Baibus  zu  Anfang  den  Vorschlag  macht,  nur  den  ersten  und  zweiten 
Teil  der  stoischen  Theologie  zu  behandeln,  und  den  zweiten  mit  „restat 
ut  .  .  ."  einleitet,  so  kann  Cicero  nicht  nach  Poseidonios'  Werk  7i£pl 
öetüv  gearbeitet  haben,  in  dem  die  ganze  Theologie  einschliefslich  der 
Vorsehung  enthalten  war.  Weil  nun  in  dem  genannten  Abschnitt  mehr- 
fach Chrysippos  mit  besonderem  Lobe  genannt  wii'd  [woraus  alle  anderen 
geschlossen  haben,  dafs  eine  nachchrysippeische  Quelle  zu  Grunde  liegt], 
findet  Reinhardt  als  einzig  mögliche  Quelle  dessen  Schrift  :rspl  OecDv. 
Wendlands  Nachweis  beseitigt  er  damit,  dafs  Poseidonios  den  Chi^sippos 
benutzt  habe;  dafs  Ref.  die  §§  29 — 33  vorausgesetzte  Psychologie  als 
nicht-chrysippeisch  erwiesen  hat  (Jabrbb.  119,  136)  erwähnt  er  nicht 
und  ebensowenig  macht  er  den  Versuch,  die  verhältnismäfsig  reichlich 
vorhandenen  Fragmente  von  Chrysippos  uepl  OeSv  mit  Ciceros  Darstellung 
zu  vergleichen.  Ich  habe  schon  Berl.  Philol.  Wochenschr.  VIII  (1888) 
Sp.  1304  ff.  auf  das  Bedenkliche  dieser  Methode  hingewiesen  und  kann 
trotz  des  Protestes  von  Reinhardt  (ebend.  IX,  1889,  Sp.  202—204) 
und  nach  erneuter  Prüfung  nur  wiederholen,  dafs  durch  die  Arbeit  die 
ganze  Frage,  die  namentlich  im  I.  Buche  recht  verwickelt  ist,  nicht  ge- 
fördert worden  ist.  Zu  demselben  Urteil  ist  auch  Wendland,  Deutsche 
Litteraturz.  1888,  Sp.  1490—1492,  und  zwar  nicht  nur  bezüglich  des 
II.  Buches  gelangt.  Günstiger  urteilt  J.  Degenhart,  Neue  Philol. 
Rundsch.  1889,  198  ff.  Ich  begnüge  mich  hier,  Reinhardts  Ergebnisse 
kurz  zusammenzustellen,  möglichst  mit  seinen  eigenen  Worten:  I  1 — 24 
Cicero,  25 — 41  Philodemos  und  zwar  von  einem  Gehülfen  für  Cicero 
bearbeitet,  42 — 56  Zenon;  57 — 102  Kleitomachos  (63—64  von  Cicero 
eingeschoben),  103—124  Poseidonios  (106—108  und  117—120  von 
Cicero  eingeschoben,  letztere  mit  Unterstützung  eines  „Handlangers"). 
II  1—12  Cicero,  13—60  Chrysippos,  60 — 72  Cicero  mit  Benutzung  der 
philosophischen  Gedanken  des  Chrysippos;  73 — 153  Panaitios  (jedoch 
104—115  und  133  Cicero),  154—167  Poseidonios.  IH  1—13  Cicero, 
14 — 15  Cicero  mit  Benutzung  eines  Gedankens  des  Karneades-Kleito- 
machos,  16 — 38  Kleitomachos,  39 — 93  Cicero  mit  Benutzung  der  philo- 


232  Cicero,  philosoph.  Schriften.    (Schwenke.) 

sophischen  Gedanken  des  Karneades-Kleitomachos  aufser  42  und  53 — 60, 
die  aus  einem  alexandrinischen  Sammelwerk  stammen. 

30.  In  Useners  Behandlung  der  epikureischen  Stellen  des  I.  Buchs 
(vgl.  No.  6)  sind  die  einzelnen  Entscheidungen  für  Lesarten  der  Hand- 
schriften oder  bisherigen  Bearbeiter  (z.  B.  20  eadem  si  est,  eadem  re- 
quiro;  49  cernantur  .  .  .  series;  114  afluant,  wie  auch  51  richtig  afluen- 
tius  geschrieben  ist)  bemerkenswerter  als  seine  eigenen  Konjekturen-. 
21  spatio  tamen  qualis  ea  fuerit  intellegi  <qui>  potest?  und  24  si 
minima  ex  parte  carnificetui*.  Erstere  Stelle  behandelt  auch  A.  Eussner, 
Blätter  f.  d.  bayer.  Gymnasi^lschulw.  Bd.  24  (1888),  S.  77—78  und 
glaubt  mit  der  einfachen  Änderung  der  Interpunktion  quam  nulla  circum- 
scriptio  temporum  metiebatur  spatio ;  tamen  .  .  .  intellegi  potest  aus- 
kommen zu  können,  allerdings,  wie  ich  fürchte,  ohne  seinerseits  ver- 
ständlich zu  werden.  —  Von  sonstigen  Einzelbeiträgen  sind  zu  nennen: 
A.  Romizi.  Rivista  di  filologia  Ann.  18  (1890).  S.  243—245  führt  aus 
einer  gegebenen  Veranlassung  aus,  dafs  I,  7  ff.  dem  primum  ipsius  rei 
publicae  causa  in  der  Aufzählung  entspricht  hortata  etiam  est  u.  s.  w., 
was  aber  auch  schon  Goethe  ausdrücklich  angemerkt  hat.  I  10  will 
letzterer,  Jahrbb.  f.  Philol.  Bd.  137  (1888).  S.  482  nach  BF  auctori- 
tates  einsetzen;  die  handschriftliche  Lesart  ist  aber  vielmehi"  aucto- 
ritatis  (so  schon  Philol.  Suppl.-Bd  V,  540)  und  dies  ist  sicher  richtig. 

—  n  17  vermutet  Useuer,  Jahrbb.  f.  Phüol.  Bd.  139  (1889).  S.  390 
caeli  pleniorem  <umore>  naturam;  31  beanstandet  Goethe  ebendas, 
Bd.  137  (1888),  S.  481  —  482  nam  quid  potest  esse  mundo  ualentius: 
man  müsse  entweder  in  mundo  setzen  oder  annehmen,  dafs  Cicero  einen 
Genetiv  xoÜ  xoa|i.ou  bei  seinem  Gewährsmann  falsch  bezogen  habe.  120 
schreibt  L.  Havet,  Revue  de  philol.  XIII  (1889),  S.  137—138  prin- 
cipio  eorum  quae  gignuntur  e  (H.  setzt  überall  fälschlich  a)  teiTa  et 
quae  radicibus  continentur,  stirpes  et  stabilitatem  dant  iis  quae 
sustinent,  et  e  terra  sucum  trahunt  quo  alantur;  obducunturque  libro  aut 
cortice  [trunci],  quo  sint  .  .  .  tutiores.  —  §  135  vermutet  J.  B.  May  er, 
Class.  Review  Vol.  III  (1889),  S.  162  cum  delapsum  (so  schon  in  der 
Ausgabe)    et  quasi  detrusum  cibum  accepit,    <denuo  ipse>    depellit. 

—  Zu  147  verteidigt  Goethe  a.  a.  0,  die  Lesart  von  Cod.  B  ex  quo 
uidemus  quid  ex  quibusque  rebus  efficiatur  idque  ratione  concludimus. 

—  III  8  vermutet  Sorof,  Berl.  philol.  Wochenschr.  IX  (1889),  Sp.  181 
tu  autem  cum  id  quaeris.  —  In  §  55  tritt  Usener,  Jahrbb.  f.  Philol. 
Bd.  139  (1889),  S.  391  für  den  Namen  Memalius  ein,  den  er  mit  dem 
homerischen  Maip.aX''or,c  in  Zusammenbang  bringt.  —  82  schreibt  J.  By- 
water,  Journal  of  philol.  Vol.  17  (1888),  S.  75  Zenonem  Eleatem 
tormentis  necatum  (Eleatem  oder  Eleaten  in  schreiben  auch  ältere  Aus- 
gaben). 


Cicero,  philosoph.  Schriften.    (Schwenke.)  233 

31.  Zu  den  Büchern  De  Diuinatione  sind  nur  einzelne  Kon- 
jekturen zu  verzeichnen:  I  12  Lohsee  (No.  4)  obseruata  sunt  haec  .  .  . 

et  in  significatione  euentus  animaduersa  [et]  notata  (?);  15  H.  Deiter, 
Philol.  Bd.  47  (N.  F.  1),  1889,  S.  677  uoluipedesque  boues  (--  bIU- 
^TooEs).  —  Fernere  Konjekturen  zum  I.  Buche  hat  H.  Usener  an  der 
bereits  angeführten  Stelle,  Jbb.  f.  Philol.  Bd.  139  (1889),  S.  391—392, 
veröffentlicht:  16  cur  (haec  arbor)  arandi  maturitatem  ad  Signum  floris 
commodet;  17  (stellae)  quae  uerbo  ex  falso  Graiorum  motibus 
errant;  101  cuius  generis  duo  sumo  ex  multis  exempla.  56  verteidigt 
er  die  Überlieferung  quaesturam  petenti  und  ebenso  121  auium  reliquo- 
rumque  signorum.  —  Derselbe  a,  a.  0.  ändert  II  47  scammoniam  ari- 
stolochiamque  radices.  An  derselben  Stelle  will  Lohsee  a.  a.  0. 
schreiben  redemptor  ...  ad  istam  horam  retardatus  est  (mit  Hottinger). 
56  vermutet  F.  J.  Drechsler,  Progr.  des  Staats-Ob.-Gymn.  in  Olmütz 
1887,  S.  3  hoc  igitur  per  gallinas  Juppiter  Thebanae  ciuitati  Signum 
dabat:  62  Lohsee  a.  a.  0.  cui,  cum  ad  eum  rettulisset,  mit  einem 
älteren  Vorschlag  von  Vahlen  übereinstimmend,  wie  L.  selbst  nachträg- 
lich bemerkt  hat .  —  Zur  Erklärung  der  Stelle  über  die  akrostichischen 
Orakel  II  112  ist  Diels,  SibylHnische  Blätter  (1890)  S,  26  zu  ver- 
gleichen. 

32.  Zu  De  Fato  vermutet  H.  Usener  a.  a.  0.  (vgl.  No.  31) 
S.  392 — 93  in  §  22  sequitui-  etiam  (für  enim),  ut  u.  s.  w.  und  leugnet  das 
Yorhandensein  einer  Lücke  am  Ende  von  §  35,  indem  er  vielmehi- 
korrigiert  an  ut  eae  res  causam  adfen-ent  amoris?  Den  darauf  folgenden 
Satz  (§  36)  Interesse  autem  —  necesse  sit  hält  er  zwar  für  ciceronisch, 
aber  für  einen  späteren  und  schlecht  untergebrachten  Zusatz.  §  48 
ergänzt  er  quod  omne  pondus  nulla  re  inpediente  <deorsum>  moueatur 
et  feratur  necesse  est.  —  In  Fragm.  2  aus  Servius  will  Drechsler 
a.  a.  0.  (vgl.  No.  31)  S.  7  schreiben  quae  suo  ordine  et  lege  sua 
uariatur,  ohne  zu  sehen,  dafs  das  sie,  welches  er  durch  sua  ersetzt, 
auf  grund  der  handschriftlichen  Überlieferung  jetzt  bei  Servius  ge- 
strichen ist  und  daher  mit  gutem  Recht  auch  von  C.  F.  W.  Müller 
getilgt  war. 

33.  M.  TuUi  Ciceronis  Cato  Maior  de  senectute,  Laelius  de 
amicitia.  Scholarum  in  nsum  edidit  Theod.  Schlehe.  (JI.  T.  Cic. 
libri  qui  ad  rem  publicam  et  ad  philosophiam  spectant .  .  ed.  Th.  Schlehe. 
Vol.  IX.)  Vindobonae  et  Pragae,  F.  Tempskj';  Lipsiae,  Gr.  Freytag 
1890.     Vin,  60  S.     8. 

34.  M.  Tnlli  Ciceronis  Cato  Maior  de  senectute.  Für  den 
Schulgebrauch  erklärt  von  Carl  Meissner.  3.  verbess.  Aufl. 
Leipzig,  B.  G.  Teubner,  1888.     2  Bl.,  67  S.    8. 


234  Cicero,  philosoph.  Schriften,    (Schwenke.) 

35.  M.  Tullii  Ciceronis  Cato  Maior  de  senectute.  Erklärt  von 
Julius  Sommerbrodt.  11.  Aufl.  Berlin,  Weidmannsche  Buchh.  1889. 
87  S.     8. 

36.  M.  Tulli  Ciceronis  Cato  Maior  de  senectute.  Scholarum 
in  usum  edidit  Aloisius  Kornitzer.  Vindobonae,  C.  Gerold,  1888. 
2  Bl.,  56  S.    8. 

37.  M.  Tullii  Ciceronis  Cato  Maior  de  senectute  et  Laelius  de 
amicitia.  Scholarum  in  usum  recensuit  Robertus  Noväk.  Pragae, 
A.  Storch,  1889.     1  Bl.,  77  S.     8. 

38.  M.  Tullii  Ciceronis  Cato  Maior  de  senectute.  Für  den 
Schulgebr.  erklärt  von  H.  Anz.  Gotha,  F.  A.  Perthes,  1889.  IV,  66  S.  8. 

39.  M.  Tullii  Ciceronis  Cato  Major  seu  de  senectute  dialogus. 
Texte  latin  publie  avec  sommaires  et  notes  en  fran^ais  par  J.  B. 
Lechatellier.     Paris,  Poussielgue  freres,  1886.     IV,  66  S.    18. 

Die  Neuausgabe  von  Schiebe  mit  der  Jahreszahl  1890  ist  voran- 
gestellt, weil  auch  schon  1887  ein  Neudruck  dieser  Ausgabe  (vgl. 
Jahresber.  Bd.  47,  S.  291  f.)  erschienen  ist,  sogar  mit  der  Bezeichnung 
„editio  altera  correctior. "  Dieser  Zusatz  ist  mit  Recht  wieder  beseitigt; 
denn  es  liegt,  so  viel  ich  sehen  kann,  nur  ein  neuer  Abzug  vor, 
wahrscheinlich  von  Stereotypplatten,  an  denen  nur  einige  Kleinigkeiten 
geändert  worden  sind.  So  erklärt  sich  auch  das  vollständige  Schweigen 
über  die  seit  der  ersten  Ausgabe  (1884)  aufgefundenen  Handscluüften 
(vgl.  Jahresber.  a.  a.  0.  S.  295  ff.). 

Dem  Text  der  Meissnerschen  Ausgabe  (No.  34)  ist  jetzt,  wie 
der  Herausgeber  in  der  Vorrede  sagt,  „die  Ausgabe  von  C.  F.  W.  Müller 
zu  gründe  gelegt",  und  es  werden  deshalb  im  Anhang  die  Abweichungen 
von  dieser  Ausgabe  aufgeführt  wie  früher  die  von  der  Baiterschen. 
Sehr  zahlreiche  Änderungen  sind  indes  durch  diesen  Wechsel  der 
„Grundlage"  nicht  bedingt  worden.  Von  den  vielen  Athetesen  sind 
einige  wenige  aufgehoben,  dafür  eine  neue  hinzugekommen.  Die  An- 
führungen von  Handschriften  im  Anhang  stammen  ganz  aus  Müller; 
daher  natürlich  noch  keine  Spur  von  V  zu  finden  ist. 

Dagegen  hat  Sommerbrodt  (No.  35)  die  neueren  Ausgaben 
und  Abhandlungen  sehr  gewissenhaft  benutzt  und  infolgedessen  seinen 
Text  an  einer  gi-öfseren  Anzahl  von  Stellen  (ich  zähle  18)  geändert. 
Zweimal  hat  er  nach  F.  W.  Otto  Klammern  gesetzt,  einmal  aus  eigener 
Initiative:  76  num  [igitur]  ea  desiderant.  Dafs  seine  Konjektur  §  65 
jetzt  lautet  non  omnis  hominis  natura  gegen  früheres  hominum,  ist 
wohl  nur  die  Berichtigung  eines  Versehens.  —  Die  Anmerkungen  sind 
wenig  geändert.  Die  Einleitung  enthält  aufser  einigen  kleineren 
Korrekturen    einen  Einschub    von  8  Zeüen,    welcher   leider   eine    von 


Cicero,  philosoph.  Schriften.    (Schwenke.);  235 

A.  Otto  (unten  No.  44)  übernommene  grofse  Unrichtigkeit  enthält,  indem 
das  Ad  Att.  XVI  3,  1  erwähnte  a'jvTa7iJ.a  auf  den  C.  M.  bezogen  wird 
anstatt  auf  De  Gloria  (das  Richtige  schon  Jahresber.  Bd.  47,  S.  298). 
Es  ist  unbegreiflich,  dafs  die  Herausgeber  des  C.  M.  sich  immer  noch 
nicht  entschliefsen  können,  in  ihren  Einleitungen  die  Daten  der  Briefe 
anzugeben,  in  denen  die  Schrift  erwähnt  wird.  Dann  würde  ein  solcher 
Irrtum  unmöglich  sein. 

Von  den  zum  ersten  Mal  erschienenen  Ausgaben  enthalten  die  von 
Kornitzer  und  Noväk  nur  Text  ohne  Kommentar.  Kornitzer 
(No.  36)  gibt  ausserdem  einen  ausführlichen  Index  nominum  und  ein 
Verzeichnis  seiner  Abweichungen  von  C.  F.  W.  Müller.  Es  sind  im 
ganzen  18,  davon  15  mit  Schiches  Text  übereinstimmend  und  auch  die 
übrigen  3  nicht  neu.  Von  den  Ergebnissen  der  neueren  Handschriften- 
forschung scheint  auch  er  nicht  Notiz  genommen  zu  haben. 

Dasselbe  ist  offenbar  bei  Noväk  (No.  37)  der  Fall.  In  der 
umfangi'eichen  Adnotatio  critica,  die  er  dem  Text  nachgesetzt  hat, 
existiert  noch  kein  Codex  V.  FreiUch  haben  die  Handschriften  für 
Noväk  nur  einen  untergeordneten  Wert;  denn  er  behandelt  den  Text 
mit  vollständiger  Souveränität.  Neben  stärkeren  Abweichungen  von  der 
Überlieferung,  wie  25  tradere  statt  prodere,  60  peruenisse  für  perduxisse, 
hat  er  es  vor  allem  auf  die  Modi  und  Tempora  abgesehen,  die  er  nach 
irgend  einer  Schablone  korrigiert  (er  ist  ein  abgesagter  Feind  des 
Konjunktiv),  ohne  sich  darum  zu  kümmern,  dals  er  dadurch  die  feineren 
Nuancen  des  Gedankens  zerstört.  Ferner  fallen  auf  den  ersten  Blick 
die  zahlreichen  Klammern  auf:  an  fast  40  Stellen  sind  im  C.  M. 
Wörter  oder  Sätze  als  unecht  bezeichnet,  wozu  noch  eine  ganze  Anzahl 
kommen,  die  spurlos  aus  dem  Text  verschwunden  sind.  Dagegen  ist 
Meissner  noch  ein  konservativer  Kritiker.  Bei  alledem  mufs  sich  Noväk 
noch  sehr  bescheiden  vorkommen;  denn  in  der  Adnotatio  critica  erhalten 
wir-  noch  eine  sehr  grosse  Zahl  Unechtheitserklärungen  und  Anderungs- 
vorschläge. Er  mag  für  seine  Person  davon  überzeugt  sein,  dafs  er  auf 
diesem  Wege  den  echten  Cicerotext  herstelle,  anderen  aber,  denen  es 
nm  wissenschaftliche  Kritik  zu  thun  ist,  wird  er  nicht  verdenken  dürfen, 
wenn  sie  über  seine  Einfälle  zur  Tagesordnung  übergehen.  —  Über  den 
Laelius  s.  unten  zu  No.  46/48. 

Weit  bedeutender  ist  die  Ausgabe  von  Anz  (No.  38).  Während 
Einleitung  und  Anmerkungen  durchaus  für  die  Bedürfnisse  des  Schülers 
berechnet  sind,  der  zum  ersten  Mal  an  eine  philosophische  Schrift 
Ciceros  herantritt,  und  daher  hier  nicht  weiter  in  Frage  kommen,  ist 
der  Text  mit  durchaus  selbständigem  Urteil  und  mit  Benutzung  der 
neuesten  Hülfsraittel  hergestellt.    Anz  hat  sogar  eine  bisher  unbekannte 


236  Cicero,  philosoph.  Schriften.     (Schwenke.) 

Handschrift,  einen  Bruxellensis  saec.  X  (die  Signatur  ist  nicht  ange- 
geben) in  einer  Kollation  von  E.  Hedicke  benutzen  können,  welcher 
L  sehr  nahe  verwandt  ist  und  für  die  richtige  Würdigung  dieser  Hand- 
schrift von  grofser  Bedeutung  zu  werden  verspricht  (vgl.  unten  No.  40). 
Allerdings  hätte  sich  Anz  gerade  durch  den  Bruxellensis  von  Konjekturen 
abhalten  lassen  sollen,  welche  auf  ganz  singulären  Fehlern  von  L  be- 
ruhen, wie  18  praescribo  quodam  modo,  Karthagini  cum  male  .  .  ., 
37  uigebat  in  illa  domo  domini,  patris  diciplina,  ebenso  §  31  von 
der  Schreibung  uere  praedicans.  Auch  sonst  sind  seine  Vermutungen 
etwas  kühner  und  sogar"  gewaltthätiger  Art,  aber  nicht  ohne  eine 
gewisse  ansprechende  Originalität.  Auf  allgemeine  Zustimmung  wird 
freilich  kaum  eine  rechnen  können.  Die  wichtigsten  sind:  §  20  sie 
senem  percontauti  in  Naeui  poetae  Lüde  respondentur ,  28  senis 
sedata  et  mitis  oratio,  49  uidi  amore  miro  dimetiendi,  55  disciplinam; 
<nara>  Curio,  56  sed  redeo  ad,  58  Habeant  igitur  alii  sibi  equos, 
64  splendide  umgesetzt  vor  peregisse.  AVeitere  Erwägung  verdient  72 
respondit:  senectnte  für  respondisse  senectute  L^Br(A^);  dicitur  wäre 
danach  in  den  anderen  Handschriften  interpoliert,  nachdem  aus  der 
Dittographie  responditse  senectute  geworden  war  respondisse  sen.  Die 
Umsetzung  des  Serit  arbores  u.  s.  w.  (§  24)  in  einen  Senar  verbietet 
wohl  das  gleichlautende  Citat  Tusc.  I  31  und  damit  fällt  auch  die  von 
Anz  versuchte  Herstellung  von  Senaren  aus  Dis  inmortalibus  — 
prodere  (§  25). 

Die  Ausgabe  von  Lechatellier  (No.  30),  welche  in  den  vorigen 
Bericht  gehörte,  mir  aber  erst  nachträglich  zugegangen  ist,  enthält  die 
übliche  Einleitung,  Inhaltsaugaben  zwischen  und  Anmerkungen  unter 
dem  Text.  Letzterer  ist  nach  der  Baiterschen  unter  gleichzeitiger 
Berücksichtigung  der  Meissnerschen  Ausgabe  abgedruckt  und  (charak- 
teristisch für  den  Standpunkt  der  Benutzer)  mit  Accenten  versehen. 
Eine  2.  Auflage  ist  bereits  1890  erschienen. 

Nicht  zugänglich  gewesen  sind  mir  die  in  der  Bibliotheca  philol. 
class.  angeführten  Schulausgaben  von  J.  Genouille  Paris  1889; 
L.  Huxley  London  1887  („the  book  is  one  which  should  never  have 
been  printed"  Class.  Rev.  I,  111),  E.  W.  Howson  ib.  eod.,  A.  Stickney 
New  York  1887  (mit  Laelius  zusammen;  vgl.  die  Anzeige  Berl.  phil. 
Wochenschr.  VIII.  1888.  Sp.  780  von  H.  Deiter,  welcher  die 
Konjektur  §  49  Mori  <paene>  uidebamus  daraus  anführt),  ferner 
zwei  anonyme  London,  Gill,  1889  und  ebenda,  Clive,  1889;  eine  dänische 
von  G.  F.  V.  Lund,  4.  Aufl.,  Kopenhagen  1889;  endlich  eine  Über- 
setzung mit  Anmerkungen  von  G.  Caffi  Pavia  1887. 


Cicero,  philosoph.  Schriften.    (Schwenke.)  237 

40.  Fei.  Ramorino,  Notizla  dl  alcuni  manoscritti  italiani  del 
Cato  Maior  e  del  Laelius  dl  Cicerone.  Rivista  di  filologia.  Ann.  15. 
1887.     S.  247—262. 

41.  Exercitationes  palaeographicas  in  bibliotheca  TJniversitatis 
Lugduno  -  Batavae  instaurandas  indicit  S.  G.  de  Vries.  (Inest 
commentatiuücula  de  codice  Ciceronis  Cat.  Mai.  Ashburnhamensi  nunc 
Parisino.)     Lugd.-Bat.,  E.  I.  Brill,  1889.     45  S.    8. 

42.  Corn.  Hofstede  de  Groot,  Zur  Handschriftenkunde  des 
Cato  Maior.     Hermes.  Bd.  25.    1890.    8.  293—300. 

43.  M.  Petschenig,  Codex  monasterii  Admontensis  383  saec. 
XII,  ad  Ciceronis  Catonem  Maiorem  et  Laelium  collatus  cum  editione 
C.  F.  W.  Muelleri  (Lips.  1879).  Wiener  Studien.  Jg.  12.  1890. 
S.  321-326. 

Ramorino  (No.  40^  bespricht  zunächst  Handschriften  des  C.  M. 
in  der  Ambrosiaua,  der  Laurentiana  und  der  Universitätsbibliothek  in 
Pavia,  die  meisten  sehr  jungen  Datums,  und  giebt  die  vollständige 
Kollation  dreier  Laurentiani  mit  der  Ausgabe  von  C.  F.  W.  Müller, 
nämlich  von  plut.  50,  45  saec.  XI  (von  R.  bezeichnet  Ma),  45,2  saec.  XIV 
(Mb)  und  76,31  saec.  XII  (Mc).  Während  er  feststellt,  dafs  Mb  ganz 
unmittelbar  und  nicht  ganz  so  eng  auch  Mc  mit  dem  Rhenaugiensis  127 
(R)  zusammenhängen  und  somit  für  die  Kritik  weiter  nicht  in  Betracht 
kommen,  glaubt  er  für  Ma  ein  näheres  Verhältnis  zu  P  und  V  und  daher 
gröfsere  Bedeutung  in  Anspruch  nehmen  zu  dürfen.  Meines  Erachtens 
mit  Unrecht;  denn  Ma  hat  doch  schon  viele  Interpolationen,  welche  in  den 
Halmschen  codd.  BJS  vorkommen,  repräsentiert  als  keine  reine  Über- 
lieferung, sondern  ist  als  aus  Mischung  und  Korrektur  hervorgegangen  za 
betrachten.  Über  den  von  R.  mit  Mb  bezeichneten  Codex  (^  a  in  den 
Catilinarischen  Reden)  macht  einige  Mitteilungen  auch  K.  Lehmann, 
Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  V  (1888),  Sp.  958.  Er  setzt  ihn  in  das 
12/13.  Jahrb.  und  legt  ihm  auch  für  CM.  undLaelius  einen  „nicht  zu  unter- 
schätzenden" Wert  bei. 

Einen  wirklichen  Vertreter  der  alten  Überliefei'ung  lehrt  uns  in 
höchst  dankenswerter  Weise  der  Konservator  der  Leidener  Handschriften 
de  Vries  (No.  41)  kenneu  in  dem  ehemals  im  Martinskloster  in  Tours 
befindlichen,  jetzt  aus  der  Bibliothek  des  Grafen  Ashburnham  zurück- 
erworbenen Codex  der  Pariser  Nationalbibliothek  Nouv.  Acq.  454  saec.  IX, 
welcher  auch  das  Somnium  Scipionis  und  den  Kommentar  des  Macrobius 
enthält.  De  Vries,  bei  dessen  Mitteilungen  man  das  angenehme  Gefühl 
absoluter  Zuverlässigkeit  hat,  behandelt  Herkunft,  äussere  Beschaffenheit, 
Schrift  u.  s.  w.  des  Codex ,  den  er  mit  A  bezeichnet,  und  fügt  die  Ver- 
gleichung  des  C.  M.  mit  der  MüUerschen  Ausgabe  hinzu  (leider  ohne 
Angabe  der  Paragraphenzahlen).     Die  Verwertung  für  die  Herstellung 


238  Cicero,  philosoph.  Schriften.    (Schwenke.) 

des  Textes  behält  er  einer  künftigen  Arbeit  über  die  Kritik  des  C.  M. 
überhaupt  vor  und  konstatiert  nur,  dafs  A  mit  den  bisher  bekannten 
besten  Handschriften  L  P  V  gleichberechtigt  ist  und  in  besonders  naher 
Beziehung  zu  L  steht.  Wenn  nun  aber  de  Vries  urfter  Betonung  des 
Umstandes,  dafs  in  einer  Eeihe  von  Stellen  AL  gegenüber  den  andern 
das  Richtige  erhalten  haben  oder  wenigstens  dem  Richtigen  näher  stehen, 
der  "Übereinstimmung  von  A  und  L  besonderes  Gewicht  beilegt,  so 
schiefst  er  über  das  Ziel  hinaus.  Hätte  er,  was  er  wohl  nur  mit  Rücksicht 
auf  eine  zu  erwartende  Publikation  von  E.  Hedicke  unterlassen  hat, 
zugleich  eine  Kollation  von  L  hinzugefügt,  so  würde  sich  eine  noch  viel 
gröfsere  Übereinstimmung  beider  in  den  Fehlern,  auch  ganz  kleinen, 
scheinbar  leicht  zu  verbessernden,  und  in  Auslassungen  ergeben  haben. 
Wird  dadurch  die  Autorität  der  Übereinstimmung  einigermafsen  ge- 
schmälert, so  entsteht  auf  der  anderen  Seite  der  grofse  Gewinn,  dafs  wir 
jetzt  — und  noch  viel  besser,  wenn  der  neue  Bruxellensis  (vgl.  oben  No.  38) 
veröffentlicht  sein  wird  —  in  der  Lage  sind  einen  Archetypus  A  L  (Br.) 
herzustellen  und  alles,  was  eine  von  diesen  Handschriften  allein  hat  ohne 
Übereinstimmung  mit  einer  anderen  alten  wie  P  und  V,  als  zufällig  und  erst 
im  letzten  Gliede  entstanden  eliminieren  können. 

Wie  auch  im  vorigen  Bericht  S.  296  bemerkt  ist,  lassen  die  beiden 
veröffentlichten  Vergleichungen  des  Cod.  V  (Voss.  Oct.  79)  von  Dahl  und 
GemoU  an  nicht  wenigen  Stellen  Zweifel  über  die  wii'kliche  Schreibung  der 
Handschrift.  Dieser  Unsicherheit  ist  jetzt  durch  die  Arbeit  von  Hofstede 
de  Groot  (No.  42)  abgeholfen,  welche  eine  mit  minutiöser  Sorgfalt  aus- 
geführte Ergänzung  und  Berichtigung  der  Dahlschen  Kollation  enthält. 

Die  von  Petschenig  (No.  43)  mitgeteilte  Kollation  des  Admonter 
Cod.  383,  saec.  Xu.,  zeigt  eine  Handschrift  von  der  oben  erwähnten 
Gruppe  BJS. 

44.  A.  Otto,  Die  Interpolationen  in  Ciceros  Cato  maior. 
Philologische  Abhandlungen,  Martin  Hertz  dargebracht.  Berlin  1888. 
8.    S.  94—104. 

Otto  bespricht  die  Unebenheiten,  Wiederholungen  und  scheinbar 
überflüssigen  Zusätze  im  C.  M.,  die  namentlich  Meissner  zur  Annahme 
einer  weitgehenden  Interpolation  geführt  haben,  und  sucht  sie  teils  durch 
genauere  Erörterung  des  Gedaukenzusammeuhangs  als  unverdächtig  zu 
verteidigen,  teils  aus  einer  nochmaligen  Überarbeitung  durch  Cicero  selbst 
zu  erklären.  Dafs  die  von  ihm  hierfür  augeführte  Belegstelle  falsch  ist, 
habe  ich  schon  oben  S.  234  bemerkt;  dafs  die  auffallenden  Stellen  aber  zum 
grolsen  Teil  auf  eine  lässige  Schlufsredaktion  zurückzuführen  sind,  steht 
aufser  Zweifel.  Von  Meissners  Athetesen  lälst  Otto  nur  bestehen  12  bella, 
63  consuli,  72  sie  hominem-natura  dissoluit;  er  selbst  scheidet  78  haee 


Cicero,  philosoph,  Schriften.    (Schwenke.)  239 

Piatonis  fere  aus.  Durch  ein  Versehen  beim  Abschreiben  des  Original- 
manuskripts, meint  er,  seien  die  Stellen  §  73  Solonis  quidem  —  con- 
sequatur  und  der  ganze  §  76  miteinander  vertauscht  worden  und  daher 
unizustellea. 

45.  Von  vereinzelten  Konjekturen  zum  C.  M.  sind  zu  erwähnen: 
§  20  sie  enim  percontantur  ut  scitis  iu  Naeui  poetae  Ludo  Th.  Stangl, 
Blätter  f.  d.  bayer.  Gymnasialschulw.  Bd.  24  (1888),  S.  484;  58  id 
ipsum  ut  cuique  lubebit  H.  Steuding,  Jahrbb.  f.  Philol.  Bd.  137 
(1888),  S.  862;  74  de  quo  non  ita  longa  disputatione  opus  esse  uidetur 
Th.  Stangl,  Tulliana  et  Mario- Victoriniana  (Progr.  d.  Luitp.-Gymn. 
München  1888)  S.  9. 

46.  M.  Tulli  Ciceronis  Laelius  de  amicitia.  Für  den  Schulgebrauch 
erkläi-t  von  Carl  Meissner.  Leipzig,  B.  Gr.  Teubner,  1887.  2  Bl., 
70  S.     8.     Dazu  gehörig: 

47.  Karl  Meissner,  Zu  Ciceros  Laelius.  Jahrbücher  für 
Philologie  u.  Pädag.    Bd.  135  (1887),  S.  545—557. 

48.  M.  Tulli  Ciceronis  Laelius  de  amicitia.  Scholarum 
in  usum  edidit  Aloisius  Kornitzer.  Vindobonae,  C.  Gerold,  1888. 
2  Bl.,  55  S.    8. 

Aufser  diesen  Sonderausgaben  des  Laelius  liegen  auch  die  mit  Cato 
Maior  vereinigten  unter  No.  33  und  37  aufgeführten  Texte  vor.  Voir 
Schiebe  ist  nur  zu  erwähnen,  dafs  er  §  41  jetzt  quoquo  modo  potuimus 
liest  (Meissner:  quoque  modo  nach  cod.  P).  —  Noväk  hat  den  Text 
des  Laelius  in  derselben  "Weise  bearbeitet  wie  den  des  C.  M. :  wir  zählen 
über  30  Klammern.  Als  Beispiel  sonstiger  Änderungen  sei  nur  die  viel 
behandelte  Stelle  in  §  41  angeführt:  serpit  primo  res,  quae  procliuis 
ad  perniciem;  cum  semel  coepit,  labitur.  Dabei  die  Bemerkung  zu  primo 
für  deinde:  „violenter  talia  mutant  saepe  ipsi  librarii  ,  .  ."  und  zum 
ganzen  Satz :  „subesse  septenarius  videtur  hie :  'serpit  primo  res  proclivis, 
ät  cum  coepit,  labitur';  illa  'quae'  'perniciem'  'semeF  ex  interpolatione 
orta  iudico."  Das  genügt  jedenfalls,  um  eine  Vorstellung  von  der  Inter- 
polation zu  geben,  die  Novak  für  möglich  hält. 

Meissners  Ausgabe  stimmt  in  der  Anlage  überein  mit  der  bereits 
in  mehreren  Auflagen  erschienenen  des  Cato  Maior  (oben  No.  34).  Das 
Hauptgewicht  ist  auf  die  für  die  Schule  berechnete  Einleitung  und  die 
erklärenden  Anmerkungen  gelegt  und  es  wird  von  der  Kritik  allseitig 
anerkannt,  dafs  diese  ihrem  Zweck  in  hervorragender  Weise  entsprechen. 
Dem  Text  liegt  auch  hier  die  Müllersche  Teubner- Ausgabe  zu  Grunde; 
die  Abweichungen  von  ihr  hat  Meifsner  in  dem  unter  No.  47  auge- 
führten Aufsatze  motiviert.    Zu  Athetesen  hat  ihm  der  Laelius  sehr  viel 


240  Cicero,  philosoph.  Schriften.    (Schwenke.) 

weniger  Veranlassung  gegeben  als  der  C.  M. :  zum  ersten  Mal  erscheinen 
Klammern  in  §  5  disputatio  est  [de  araicitia],  64  aut  [si]  in  bonis,  76  in 
amicitiis  [dimittendis],  81  [agrestibus],  während  die  in  den  Jahrbb.  vorge- 
schlagene Ausscheidung  §  50  quam  [ad  amicitiam]  similitudo  im  Text  nicht 
zum  Ausdruck  gekommen  ist.  Dagegen  sind  Einschiebungen  vorgenommen, 
m.  E.  ebensowenig  mit  Recht  wie  die  Ausscheidungen,  in  15  introieram 
<in  uitam>,  68  spem  adferunt  <fore>  ut,  89  <nimirum>  comitas  adsit, 
91  <item>  sie  habendum  est.  Von  sonstigen  Änderungen  sind  anzuführen 
34  sinautemadadulescentiamperducti  essent,  41  serpit  enim  in  dies  res; 
68  in  ipso  equo,  74  alio  quodam  modo  honestandi,  77  grauiter,  at  cum 
bonitate.  Als  gelungen  darf  von  diesen  Änderungen  wohl  nur  die  in 
§  34  bezeichnet  werden.  —  Kornitzer  (No.  48;  über  die  Einrichtung 
vergl.  oben  36)  zählt  8  Abweichungen  von  C.  F.  W.  Müller  auf,  von 
denen  7  mit  Schiebe  übereinstimmen.  —  Aufserdem  werden  in  der  Bibl. 
philol.  class.  aufgefühi-t  zwei  Ausgaben  mit  Übersetzung  (die  eine  ohne, 
die  andere  mit  Anmerkungen)  von  A.  Legouez,  Paris  1887  und  1888; 
Text  mit  Anmerkungen  von  E.  Charles,  nouv.  6d.,  Paris  1888;  Text 
mit  Einleitung,  Anmerkungen  und  Übersetzung  „by  the  Editors  of 
Cicero  pro  Balbo,"  London  1890;  ein  Text  (ed.  3)  Augustae  Taurin.  1889. 
Endlich  drei  englische  Übersetzungen,  zwei  mit  Cato  Maior,  von 
W.  Melmoth,  London  1889,  und  C.  R.  Edmonds,  ib.  eod.,  eine 
zusammen  mit  pro  Balbo,  von  J.  Gribson,  ib.  1890. 

49.  Die  Mitteilungen  zur  Handschriftenkunde  des  Laelius 
(No.  40  und  43)  betreffen  nur  jüngere  oder  wenigstens  als  Grundlagen 
der  Kritik  nicht  in  Betracht  kommende  Codices.  Ramorino  beschreibt 
3  Ambrosiani  saec.  XIV  und  5  Laurentiani,  darunter  die  drei,  deren 
Kollation  zum  Cato  Maior  er  gegeben  hat  (vgl.  oben  zu  40;  die  dort  an- 
gefühlte Notiz  von  K.  Lehmann  enthält  auch  einige  Lesarten  zum 
Laelius  aus  cod.  plut.  45,  2).  Die  beiden  anderen(plut.  76,  20  und  23),  saec. 
XII,  enthalten  nur  den  Laelius,  aber  auch  in  interpoliertem  Zustand.  — 
Die  Handschrift  Petschenigs  (oben  No.  43)  gehört  auch  im  Laelius 
zur  Klasse  B  S. 

50.  K.  Schliack,  Jahrbb.  f.  Philol.  Bd.  139  (1889),  S.  57  f. 
vermutet,  dafs  Lael.  37  zu  schreiben  sei  Tl.  .  . .  Gracchum  .  .  .  a  [Q.] 
Tuberone  Aelio  aliisque  amicis  derelictum  uidebamus,  und  dem  §  41  will 
er  durch  eine  Umstellung  aufhelfen,  indem  er  den  Satz  Serpit  (oder 
serpsit?)  deindc  res  —  labitur  unmittelbar  hinter  die  Erwähnung  des 
Todes  Scipios  und .  vor  Nam  Carbonem  —  augurari  setzt.  Wie  dann 
jenes  deinde  mit  der  angenommenen  Zeit  des  Gesprächs  in  Einklang  zu 
bringen  ist,  erörtert  er  freilich  nicht.  —  In  §  50  möchte  Franz  Müller, 
Berl.    phil.    Wochenschr.    VIII  (1888),    Sp.  746    die  Worte    nihil    est 


Cicero,  philosoph.  Schriften.    (Schwenke.)  241 

euira  —  quam  natura  als  Zusatz  ausscheiden.  —  Bemerkungen  besonders 
erklärenden,  hier  und  da  auch  kritischen  Inhalts  zu  einer  grossen  Anzahl 
von  Stellen  giebt  im  Anschluss  an  Meissners  Ausgabe  Wilh.  Nitsche, 
Wochenschr.  f.  klass.  Philo).  V  (1888),  Sp.  523-527. 

51.  M.  Tullii  Ciceronis  Paradoxa  ad  M.  Brutum.  Für  den  Schul- 
gebrauch erklärt  von  Heinr.  Anz.  Grotha,  F.  A.  Perthes,  1890. 
(Bibliotheca  Gothana.)     2  El.     38  S.     8. 

Es  ist  nicht  Aufgabe  des  Jahresberichts  zu  prüfen,  ob  die  Para- 
doxa für  die  Schullektüre  geeignet  sind.  Unter  der  Voraussetzung,  dals 
sie  es  sind,  kann  Einleitung  und  Kommentar  der  vorliegenden  Ausgabe 
im  ganzen  als  geeignet  bezeichnet  werden.  Der  Text  der  von  Cicero 
schnell  hingeworfenen  Schrift  bietet  erhebliche  Schwierigkeiten  und 
harrt  noch  einer  eingehenden  Bearbeitung.  Die  des  Herausgebers  ist 
jedenfalls  kein  Fortschritt  gegen  C.  F.  W.  Müller,  dessen  Text  er 
zunächst  ,zu  Grunde  gelegt"  hat.  Doch  will  er,  wie  es  scheint,  über- 
haupt nicht  mit  wissenschaftlichem  Mafsstab  gemessen  sein,  da  er  sagt, 
dafs  „die  Beschaffenheit  der  Textüberlieferung  in  Rücksicht  auf  das 
Bedürfnis  der  Schule  öfter  einschneidendere  Änderungen  nötig  machte" 
und  da  er  weder  Deiters  Nachkollation  der  Vossiani  noch  des  Referenten 
Hadoardus- Exzerpte  kennt.  Er  hätte  sich  aus  diesen  Hilfsmitteln  wohl 
klar  machen  können,  dals  es  sich  in  der  Handschriftenkritik  der  Paradoxa 
im  wesentlichen  nur  um  die  Hdss.  B  einerseits  und  A  V  andererseits 
handelt  und  dafs  die  „geringeren  Codices",  die  er  im  Verzeichnis  der 
Abweichungen  vom  Müllerschen  Text  mehrfach  anführt,  überhaupt  nicht 
in  Betracht  kommen.  Von  gröfseren  Änderungen  seien  nur  erwähnt: 
11  quemcumque  regum  uultis  a  Bomulo,  quem  uultis  post  liberam 
ciuitatem;  20  .  .  .  pertinet.  <Et>  peccare  .  .  .;  31  te  cum  omnes 
leges  uelint,  quem  appellet  inimicus?  Leges  exulem  esse  iubent;  44  animus 
hominis  diues  <esto>;  von  §  44  wird  aufserdem  der  grölste  Teil, 
jedoch  in  anderer  Ordnung,  hinter  §  50  versetzt.  In  der  Beibehaltung 
des  non  modo  non  repugnanti  in  §  17  ist  Anz  mit  Lohsee  (oben  No.  4) 
S.  13  zusammengetroffen. 

52.  M.  TuUi  Ciceronis  de  offieiis  libri  tres.  Scholarum  in  usum 
ed.  Aloisius  Kornitzer.   Vindobonae,  C.Gerold,  1889.   (2  Bl.,  210  S.) 

Kornitzers  Ausgabe  der  Officien  ist  ebenso  eingerichtet  wie  die 
oben  angeführten  Ausgaben  des  C.  M.  und  Laelius.  Einen  verhältnis- 
mäfsig  grofsen  Raum  nimmt  der  erklärende  Index  nominum  ein  (S.  165 
bis  210).  Das  Verzeichnis  der  Abweichungen  von  der  MüUerschen 
Textausgabe  zählt  23  Stellen  auf,  von  denen  16  mit  Schiebe  überein- 
stimmen, nicht  wenige  sich  auch  schon  in  Müllers  erklärender  Ausgabe 
finden. 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    LXXVI.  Bd.    (1893.  II.)        16 


242  Cicero,  philosoph.  Schriften.    (Schwenke.) 

Nicht  vorgeleg-en  babeu  mir:  eine  Ausgabe  mit  erklärenden  An- 
merkungen von  P.  Dcttweiler,  Gotha  (Perthes)  1890,  au  welcher  iu 
den  erschienenen  Anzeigen  gerühmt  wird,  dafs  sie  reine  Schülerausgabe 
sei  und  welche  sich  selbst  als  pädagogische,  nicht  als  philologische 
Arbeit  bezeichnet;  eine  Schulausgabe  mit  französischen  Anmerkungen 
von  H.  Marchand,  Paris  (Hachette)  1889,  und  Buch  I  und  11  von 
E.  Maillet,  ebend.  (Belin)  1887;  Buch  III  ,,with  iutroduction,  analysis 
and  commentary  by  H.  A.  Holden,  7.  ed.,  Cambridge  1888",  wohl 
ein  Auszug  aus  seiner  Gesamtausgabe,  vgl.  Jahresber.  Bd.  47,  S.  302  f. 
Über  die  Ausgabe  von  Sabbadini,  welche  Referent  vergebens  beim 
Verleger  des  Jahresberichts  in  fester  Rechnung  bestellt  hat,  vgl.  die 
folgende  No. 

53.  Prof.  Remigio  Sabbadini.  La  critica  del  teste  del  De 
Officiis  di  Cicerone  e  delle  poesie  Pseudo-Vergiliane  secondo  due 
nuovi  codici.  Dissertazione  letta  .  .  .  nella  R.  Universitä  di  Catauia. 
Catania,  tipogr.  Fr.  Galati,  1888.     (64  S.) 

Mit  der  Kritik  der  Officien  beschäftigen  sich  S.  10 — 39.  In  der 
Ableitung  der  in  letzter  Zeit  benutzten  Handschriften  stimmt  Sabbadini  im 
ganzen  mit  Popp  überein,  doch  will  er  nur  L  als  eigentlichen  Vertreter 
der  zweiten  Klasse  anerkennen,  während  p  und  c  eine  .^sekundäre 
Strömung"  in  derselben  bilden.  Eine  analoge  ,, isolierte"  Stellung  in 
der  ersten  Klasse  weist  er  dem  neu  von  ihm  untersuchten  Ambrosianus 
F  42  sup.  (M)  zu,  einer  Handschrift  des  XII.  Jahrhunderts  (falls  sich 
S.  in  dieser  Bestimmung  nicht  irrt),  welche  unzweifelhaft  zu  BHb  ge- 
hört, aber  neben  einigen  Berührungen  mit  der  anderen  Klasse  (S.  weifs 
allerdings  nur  wenige  anzuführen)  namentlich  mit  manchen  Lesarten, 
die  c  eigentümlich  sind,  übereinstimmt.  Mit  seiner  Theorie  der  „correnti 
secondarie"  will  S.  beweisen,  dafs  nicht  alle  besonderen  Lesarten  und 
Umstellungen,  wie  sie  p  und  c  und  mindestens  in  demselben  Mafse  M 
bieten,  als  Schreibfehler,  Willkürlichkeiten  und  Konjekturen,  sondern 
zum  Theil  wenigstens  als  gute  alte  Überlieferung  anzusehen  seien. 
Die  Konsequenzen  dieser  an  sich  ganz  unklaren  Theorie,  welche  an  die 
Stelle  der  glücklich  gewonnenen  festeren  Giundsätze  wieder  vollständige 
Willkür  setzt,  zieht  S.  in  den  ,,questioni,  congetture  ed  emendamenti", 
die  er  auf  jene  Erörterungen  folgen  läfst  und  in  denen  er  eine 
sehr  grofse  Zahl  von  Stellen  bespricht,  ersichtlich  in  der  Absicht  seine 
neue  Handschrift  zu  Ehren  zu  bringen.  So  sollen  Auslassungen  in  31 
auf  Glosseme  hindeuten;  Lesarten  von  M  werden  gegen  alle  anderen 
Handschriften  als  die  richtigen  hingestellt  oder  es  wird  mindestens  daraus 
auf  die  Schreibung  des  Archetypus  geschlossen,  wobei  natürlich  die  be- 
liebten mifsverstandenen  ,, Abkürzungen"  eine  Rolle  spielen,  wie  sie  in 


Cicero,  philosoph.  Schriften.     (Schwenke.)  243 

der  Zeit  des  Archetypus  nie  angewandt  worden  sind.  Eine  solche  Kritik 
kann  nur  als  Rückschritt  bezeichnet  werden  und  macht  auch  gegen  die 
übrigen  Bemerkungen  S.'s  mifstrauisch.  Glücklicherweise  hat  er  nicht 
alle  Lesarten,  welche  er  hier  für  richtig  erklärt,  in  seine  oben  erwähnte 
Ausgabe  aufgenommen,  in  deren  Einleitung  auch  der  betreffende  Teil 
der  vorliegenden  Gelegenheitsschrift  wieder  abgedruckt  ist.  Vgl.  nament- 
lich Th.  Stangl,  N.  Philol.  Rundschau  1889,  S.  67—70,  der  aber  auch 
so  den  Text  als  merklich  umgestaltet  bezeichnet.  —  Eine  ausführliche 
Behandlung  widmet  Sabbadini  S.  34 — 39  dem  Abschnitt  III  19—32  und 
der  Disposition  des  III.  Buches  überhaupt.  Er  sucht  nachzuweisen, 
dafs  dieses  durchaus  planvoll  angelegt  ;sei,  wenn  man  den  genannten 
Abschnitt  heraushebe,  welcher  erst  eingefügt  sei,  nachdem  Cicero  von 
Athenodorus  Calvus  den  Auszug  aus  der  Schrift  des  Poseidonios  (aber 
es  ist  höchst  wahrscheinlich,  dafs  sich  der  Auszug  nicht  darauf  be- 
schränkte!) erhalten  hatte.  Dieser  Schrift  entspreche  also  jener  Abschnitt. 
Als  Cicero  den  Athenodorus  mahnen  liefs  (ad  Att.  XVI  11,  4),  seien 
bereits  die  anderen  Teile  des  III.  Buches  in  Arbeit  gewesen,  das  ganze 
Werk  deshalb  sicher  im  November  44  vollendet. 

54)  De  Ciceronis  librorum  de  officiis  fontibus.  Diss,  inaug.  quam  . . . 
def.  Paulus  Klohe.     Gryphiswaldiae  1889.     2  Bl.,  42  S.     8. 

55)  Wilh.  Soltau,  Eine  annalistische  Quelle  in  Cicero  de 
officiis  III.  Wochenschr.  f.  klass.  Philologie.  Jahrg.  7  (1890),  Sp.  1239 
bis  1245. 

Klohe  will  hauptsächlich  klarstellen,  in  welchem  Verhältnis  die 
beiden  ersten  Bücher  de  Off.  oder  genauer  I  1—151  und  II  1—85  zu 
den  drei  Büchern  des  Panaitios  -spi  xa{}r,y.ov-oj  stehen.  Er  geht  zu 
diesem  Zwecke  die  ganze  Ciceronische  Darstellung  durch  und  kommt 
zu  dem  Schlufs,  dafs  Cicero  sehr  viel  selbständiger  ist  als  man  bisher 
anzunehmen  gewohnt  war,  oder,  um  Klohes  eigene  Worte  zu  brauchen, 
mit  denen  er  S.  20  den  ersten  Abschnitt  (I  1—60,  entsprechend  dem 
ersten  Buch  des  Panaitios)  abschliefst,  die  er  aber  auch  auf  die  folgenden 
Abschnitte  ausgedehnt  wissen  will:  ,,Ciceronem  de  libro  I  Panaetii 
tantum,  ut  ita  dicam,  florem  lactis  dehausisse  eaque  quae  dehausit  cum 
additamentis  tarn  arte  coniunxisse,  ut  vix  agnosci  possiut."  Trotzdem 
äufsert  sich  Kl.  im  einzelnen  vielfach  recht  bestimmt  über  die  Urheberschaft; 
nur  wird  es  nötig  sein,  seine  Aufstellungen  einer  erneuten  und  genauen 
Prüfung  zu  unterwerfen.  Besonders  neigt  er  zu  der  Ansicht,  dafs  alles, 
was  an  frühere  Schriften  Ciceros  anklingt,  aus  diesen  selbst  genommen 
sei.  So  soll  Off.  I  11—14  aus  Ein.  II  45  ff.  stammen;  da  aber  erst- 
genannte Stelle  gegenüber  der  anderen  ein  Mehr  aufweist,  welches  mit 
späteren  Partien  von  Off.  I  übereinstimmt,  so  ist  die  ganze  Stelle  erst 

16' 


244  Cicero,  Philosoph.  Schriften.     (Schwenke.) 

nach  Vollendung-  des  I.  Buches  eingeschoben!  —  Sehr  kurz  behandelt 
Kl.  die  übrigen  Teile  des  Werkes  (Schlufs  des  I.  und  II.  und  das 
III.  Buch),  merkwürdig-erweise  ohne  das  von  Athenodorus  Calvus  für 
Ciceros  Zwecke  gelieferte  u~o[xvY)!J.a.  auch  nur  zu  erwähnen.  III  50.  54. 
91  sollen  aus  dem  Werke  eines  Akademikers  genommen  sein.  — 
So  1  tau  (Nr.  55)  weist  nach,  dafs  eine  Anzahl  Stellen  des  III.  Buchs, 
welche  Ereig-nisse  der  römischen  Geschichte  behandeln ,  nicht  rein 
Ciceros  Gedächtnis  entstammen,  sondern  auf  einer  schriftlichen  Vorlage 
beruhen  müssen.  Als  solche  vermutet  S.  mit  grofser  Wahrscheinlichkeit 
die  Annalen  des  Claudius  Quadrigarius. 

56.  Behandlungen  einzelner  Stellen  aus  De  Officiis:  zu  I  104 
führt  A.  Zingerle,  Kleine  philol.  Abhandlungen  Heft  4,  Innsbruck  1887, 
S.  43  für  seinen  Vorschlag  honorato  horaiue  dignus  (Zeitschr.  f.  d. 
österr.  Gynin.  1883,  S.  418)  Belegstellen  aus  Salvianus  de  gnbern.  dei 
an.  —  m,  1  will  K.  Schliack,  Jahrbb.  für  Philologie  Bd.  139  (1889), 
S.  232  schreiben  ut  neque  cessaret  umquani  et  [interdum]  colloquio 
alterius  non  egeret,  indem  interdum  aus  dem  folgenden  §  eingedrungen  sei. 

57.  C.  Wachsmuth,  Zu  Ciceros  Schrift  de  republica.  Leipziger 
Studien  zur  klassischen  Philologie.     Bd.  11   (1889),  S.  197—206. 

Wachsmuth  weist  nach,  dafs  die  Person,  der  Cicero  sein  Werk 
De  Eepubl.  widmete,  nur  sein  Bruder  Quintus  sein  kann.  Damit  ver- 
liert allerdings  die  Nachricht  des  Laurentins  Müller  von  einer  Hand- 
schrift der  „libri  Ciceronis  de  Republica  ad  Atticum"  („codex  Sar- 
maticus")  bedeutend  an  Glaubwürdigkeit.  Ferner  scheidet  W.  einige 
Glosseme  aus:  I  1  [commemorare  eos  desino],  5  [Athenieusium],  6  [caedes 
eonim  multorum],  so  dafs  der  Satz  lautet:  uel  acerbissima  Marii  clades 
uel  principum  pestes  quae  paullo  post  secutae  sunt.  Endlich  schlägt 
er  folgende  Änderungen  vor,  von  denen  mir  die  erste  und  dritte  am 
meisten  gesichert  erscheinen:  I  2  uirtus  in  usu  [sui]  tota  posita  est 
(Dittographie) ;  3  anteponenda  bene  constitutae  ciuitatis  publico  iuri 
et  moribus,  7  ex  saeuitia  (statt  des  schon  kurz  vorher  gebrauchten 
laetitia)  improborum;  14  P.  Africanus  Luci  Pauli  filius  (dagegen  ver- 
teidigt die  Cberlieferuug  Th.  Stangl,  N.  phil.  Rundschau  1889,  S.  70).  — 
Zu  R.  P.  II  59  vermutet  Lohsee  (oben  No.  4)  S.  12  fuerat  fortasse 
aliqua  ratio  maioribus  nostris  ilico  aeri  alieno  medendi.  —  Einige 
Vermutungen  zum  Somn.  Scip.  siehe  unter  No.  60. 

58.  M.  TuUii  Ciceronis  Somnium  Scipionis.  Für  den  Schul- 
gebrauch erklärt  von  Heinr.  Anz.  Gotha,  F.  A.  Perthes,  1890. 
(Bibliotheca  Gothana.)     2  Bl..  22  S.     8. 

59.  M.  Tullio  Cicerone.  II  Sogno  di  Scipione,  epilogo  della 
Repubblica,    con  proemio  e   note    di    Arturo    Pasdera.      Torino, 


Cicero,  philosoph.  Schriften.     (Schwenke.)  245 

Erm.  Loescher,   1890.     (Collez.  di  classic!  gv.  e  lat.   cou  note  ital.) 

XXXVin,  38  S.     8. 

No.  58  gleicht  in  der  Einrichtung  den  anderen  in  diesem  Be- 
richt besprochenen  Schulausgaben  desselben  Herausgebers.  Die  Ein- 
leitung ist  knapp  und  auch  die  Anmerkungen  weniger  reichlich  als  in 
der  Ausgabe  von  Meissner.  Der  Text  ist  der  seit  Halm  und  Eyssen- 
hardt  ziemlich  feststehende,  der  sich  allerdings  nicht  auf  eine  voll- 
ständige Benutzung  der  vorhandenen  alten  Handschriften  gründet,  aber 
vielleicht  auch  nach  deren  Durchforschung  sich  nicht  erheblich  ändern 
wird.  Von  Abweichungen  sind  zu  notieren  §  9  (17)  in  quo  sunt  infixi, 
111 0  qui  uoluuntur,  stellarum  cursus  sempiterui  und  21  (29)  animus 
[uelocius]  .  .  .  peruolabit.  Über  die  Schiefheit  des  auch  bei  Anz  wieder- 
kehrenden Ausdrucks,  dafs  das  S.Sc.  „durch  den  Kommentar  desMacrobius 
erhalten"  sei,  vgl.  Jahresber.  Bd.  47,  S.  310. 

Die  Ausgabe  von  Pasdera  (No.  59)  zeichnet  sich  durch  eine 
umfangreiche  Einleitung  aus,  welche  sich  auch  über  das  Eortleben  und 
die  Benutzung  der  Ciceronischen  philosophischen  Schriften  und  be- 
sonders von  De  Rep.  im  Mittelalter  verbreitet,  allerdings  weder  ganz 
vollständig  noch  ohne  Irrtümer.  So  werden  z.  B.  die  unter  dem  Namen 
des  ßaeda  überlieferten  Ciceroexcerpte  unbedenklich  für  echt  genommen. 
Auch  die  Anmerkungen  unter  dem  Text  gehen  nicht  selten  über  das 
zum  unmittelbaren  Verständnis  nötige  und  über  die  Grenzen  der  deutscheu 
Schulausgaben  hinaus.  Sie  werden  ergänzt  durch  ein  Supplemente  alle 
note  S.  29—32  und  durch  Bemerkungen  zur  Textki-itik  S.  32—34. 
Letztere  enthalten  jedoch  nichts  neues,  wie  überhaupt  Pasdera  im  Text 
lediglich  seinen  Vorgängern  folgt.  Der  Realindex  zu  den  Anmerkungen 
S.  35 — 38  ist  wohl  dem  Vorbild  von  Meissner  zu  verdanken.  —  Eine 
andere  italienische  Ausgabe  von  Cl.  Vignali,  Turin  1889,  wird  in 
der  ßibl.  philol.  class.  angeführt. 

60.  A.  Eussner,  Blätter  f.  d.  bayer.  Gymn.  Bd.  24  (1888), 
S.  78,  scheidet  im  Somn.  Scip.  9  (17)  den  Satz  [supra  lunam  sunt 
aeterna  omnia]  aus;  ebenso  erklärt  er  in  10  (18)  nam  terra  nona 
inmobilis  u.  s.  w.  das  Wort  nona  für  Interpolation. 

61.  Von  den  Büchern  De  Legibus  ist  eine  italienische  Über- 
setzung ,.con  prefazione  e  note"  von  S.  Martini,  Sanremo  1889,  er- 
schienen. Im  übrigen  ist  nur  über  die  Behandlung  einzelner  Stellen  zu 
berichten:  Zu  I  1  weist  P.  Thomas,  Revue  de  Tinstruction  publ.  en 
Belgique  T.  33  (1890),  S.  1,  darauf  hm,  dafs  die  Erklärung  von  ut 
ait  Scaeuola  de  fratris  mei  Mario  als  ,,Scaevola  im  Gedicht  Marius" 
aus  dem  einfachen  Grunde  unmöglich  ist,  weil  der  angeführte  Vers  ein 
Pentameter  ist,    der  „Marius"  aber  in  Hexametern  abgefafst  war.     Es 


246  Cicero,  pbilosopli.  Schriften.    (Schwenke.) 

lumdelt  sich  also  sicher  um  ein  Epigramm  auf  denselben.  Ebend.  S.  2 
bemerkt  Thomas,  dal's  in  §  24  nulla  gens  est  ueque  tarn  mansueta  netiue 
tarn  fera  kein  besonderes  Gewicht  auf  mansueta  zu  legen  ist,  sondern 
durch  den  Gegensatz  nur  jeder  mögliche  Kulturzustand  bezeichnet  werden 
soll.  —  I  16  vermutet  E.  Lohsee  (Xo.  4)  S.  12  nullo  in  genere  dis- 
putando  omnia  ista  patefieri;  §  17  Nettleship,  Journal  ofPhilology 
Vol.  18  (1889),  S.  140  tum  haec  tractanda  quae  composita  sunt  et 
descripta  iura  [et  iussa]  populorum,  indem  er  et  iussa  für  ein  Glossem 
zu  iura  erklärt.  Zu  §  42  hatte  F.  J.  Drechsler  (s.  Jahresber.  Bd.  47, 
S.  313)  vermutet  <incognifa:>  aut  indicta  causa  und  führt  nun  im 
Progr.  d.  St.-Ob.-Gymn.  Olmütz  1887,  S.  4,  Stellen  dazu  aus  Merguct 
an,  welche  aber  mit  einer  Ausnahme  nicht  die  Zasammenstellung  beider 
Termini  enthalten.  Ebensowenig  treffen  die  Parallelstellen  zu,  welche 
H.  Lattmann,  Philologus  Bd.  49  (1890),  S.  189—191  für  seinen  Vor- 
schlag anführt  152  zu  schreiben  libenter  enim  <facerem>,  frater, 
quod  <ad>  istam  orationem  tecum  prolaberer,  was  sachlich  wie 
sprachlich  unmöglich  ist.  —  II  20  vermutet  H.  Usener,  Jahrbb.  f. 
Philol.  Bd.  139  (1889),  S.  390  (sacerdotum  genus)  quod  interpretetur 
fatidicorum  et  uatium  cofata  incognita,  quom  senatus  populusque 
asciuerit.  —  Eine  sehr  ausführliche  Besprechung  hat  H.  Burckhard, 
Zeitschrift  der  Saviguy-Stiftung  f.  Eechtsgesch.  Bd.  9  (1888),  Roman. 
Abt.  S.  286—330  der  schwierigen  Stelle  Leg.  11  48—53  (Übergang 
der  Sacra  priuata  bei  Todesfall)  gewidmet.  Den  Kern  der  Abhandlung 
bildet  die  Erklärung  von  §  50  in  donatione  hoc  idem  secus  inter- 
pretantur  etc.  Nach  Burckhards  Meinung  liegt  hier  ein  weiterer  Modus 
des  „minus  capere"  vor,  v/odurch  die  Übernahme  der  Sacra  seitens 
des  Legatars  vermieden  werden  sollte,  indem  dieser  entweder  selbst  oder 
durch  seinen  Haussohn  von  dem  Legat  etwas  verschenke,  um  die  Summe 
desselben  zu  verringern.  Dieser  Erklärung  ist  mit  Recht  B.  Kühler, 
ebend.  Bd.  11  (1890),  S.  37 — 45  entgegengetreten  und  hat  nachgewiesen, 
dals  es  sich  nur  um  die  mortis  causa  donatio  des  Ilaussohnes,  welcher 
nicht  testierfähig  ist,  handeln  könne.  Für  die  Einzelheiten  der  Stelle» 
welche  auch  so  nach  Anordnung  und  Inhalt  manches  Befremdliche  ent- 
hält, mufs  auf  die  genannten  Aufsätze  verwiesen  werden. 

C2.  Zu  Aristoteles  Protreptikos  und  Ciceros  Ilortensius.  Von 
H.  Diels.  Archiv  für  Geschichte  der  Philosophie.  Bd.  1  (1888), 
S.  477-497. 

63.  De  exhortationum  a  Graecis  Romanisque  scriptarum  historia 
et  indole  disseruif  Paulus  Hartlich.  Leipziger  Studien  zur  klass. 
Philologie  Bd.  11,  1889,  S.  207-336. 

Diels   giebt  eine  allgemeine  Charakteristik    des  Hortensius,    als 


Cicero,  philosoph.  Schriften.     (Schwenke.)  247 

dessen  Grundzug  er  eine  warme  religiöse  Empfindung  bezeichnet,  und 
liefert  mehrere  Beweise  für  die  Abhängigkeit  einzelner  durch  die  Frag- 
mente überlieferten  Gedanken  vom  Protreptikos  des  Aristoteles.  Für 
die  Fragmente  nimmt  er,  und  mit  Recht,  auch  in  Anspruch  August. 
Soliloqu.  I  17  nullo  modo  appetendas  esse  diuitias,  sed  si  prouenerint, 
sapientissime  atque  cautissime  administrandas.  Damit  stellt  er  die  in 
den  Fragmeuten  öfter  wiederkehrende  Polemik  gegen  die  Lust  zu- 
sammen, leugnet  aber,  dafs  sich  darin  stoischer  Einflufs  zeige:  „Dais 
Cicero  des  Poseidonios  Protreptikos  gekannt  und  neben  Aristoteles  hier 
und  da  benutzt  habe,  ist  auch  mir  wahrscheinlich.  Aber  er  kann  un- 
möglich Hauptquelle  gewesen  sein.  Sonst  würden  die  Fragmente  es 
deutlich  ausweisen." 

Andrer  Ansicht  ist  Hartlich  (No.  63),  der  auf  den  Hortensius 
nicht  nur  in  dem  ihm  eigens  gewidmeten  Abschnitte  (S.  291 — 300), 
sondern  auch  bei  der  Behandlung  der  entsprechenden  Schriften  des 
Aristoteles  und  Poseidonios  näher  eingeht  und  an  der  Hand  der  Frag- 
mente eine  Skizzierung  des  ganzen  Dialogs  versucht.  Er  konstatiert 
in  einigen  Punkten  Übereinstimmung  mit  Aristoteles  und  Poseidonios  zu 
gleicher  Zeit  und  hält  es  deshalb  nicht  für  ausgeschlossen,  dafs  die 
aristotelischen  Gedanken  durch  Poseidonios  zu  Cicero  gekommen  seien. 
Er  will  aber  doch  lieber  beide  als  nebeneinanderstehende  Quellen  des 
Hortensius  annehmen.  Indes  erscheint  in  den  Vergleichungen  zu  den 
Fragmenten  ganz  überwiegend  Aristoteles,  und  in  dem  Abschnitt  über 
Poseidonios  vermag  Hartlich  viel  mehr  dessen  Einflufs  auf  andere 
philosophische  Schriften  als  gerade  auf  den  Hortensius  nachzuweisen. 
Er  findet  ihn  in  den  „Einschüben"  Tusc.  I  61 — 64  und  auch  68 — 70, 
Leg.  I  22  und  im  Prooemium  von  Tusc.  V.  —  Die  Fragmente  will 
Hartlich  bereichern  durch  Lact.  Instit.  HI  16  2  (so!),  wo  aber  wohl 
nur  ein  Auszug  aus  R.  P.  I  2  vorliegt.  Von  wenig  Kritik  zeugt  auch, 
dals  er  unbedenklich  Fragm.  92  bei  Baiter-Kayser  verwendet.  Es  be- 
ruht nur  auf  Roger  Bacon  (!),  der  nach  dem  Brauch  des  späteren 
Mittelalters  den  Lucullus  , .Hortensius"  nennt,  und  ist  bei  C.  F.  W.  Müller 
schon  beseitigt.  Umgekehrt  hat  Diels  nur  die  Müllersche  Sammlung 
benutzt  und  so  nicht  gesehen,  dafs  das  bei  August,  de  gramm.  c.  20 
überlieferte  philosophi  morturiunt  nach  Fr.  Schneider  schon  von  Baiter 
unter  die  Fragmente  des  Hortensius  (93)  aufgenommen  war. 

Aus  dem  Hortensius  soll  nach  Usener  Epicurea  S.  LXXV,  2 
auch  genommen  sein  die  ,,sententiarum  pugnantium  conlatio  et  acutissima 
et  cum  fide  instituta"  Lact.  Inst.  III  17,  3 — 6,  was  schwerlich  richtig  ist. 


Jahresbericht  über   Calpurnius  Sicnlus.    Nemesianns. 
Ausonius.    Claudianus, 

Von 

Otto  Gttthliug 

in  Liegnitz, 

Calpurnius  Siculus. 

0.  Eibbeck,    Geschiclite    der   römiscben  Dichtung.     III. 
Dichtung  der  Kaiserherrschaft.     Stuttgart  1892.    Cotta. 

Calpurnius  Siculus  S.  47—51. 
Schon  im  Anfange  der  Regierung  Neros  war  in  höfischen  Kreisen 
die  Parole  vom  goldenen  Zeitalter  ausgegeben,  welches  das  augusteische 
noch  überstrahlen  werde.  Im  Anschlufs  an  Vergil  wurde  auch  jetzt  die 
Pastorale  dazu  ersehen,  Glanz  und  Glück  der  Gegenwart  gleichsam 
durch  den  Mund  des  Volkes  in  kriechenden  Tiraden  auszuposaunen.  Den 
Text  lieferte  ein  gewisser  Calpurnius.  Gleich  sein  erstes  Gedicht  ist 
eine  rauschende  Prophezeihung  der  neuen  Ära;  in  der  vierten  Ekloge 
tragen  zwei  Brüder  einen  Wechselgesang  in  Doppelstropheu  zum  Lobe 
der  gegenwärtigen  Zeit  vor;  einmal  (7)  kehrt  Corydon  von  Rom  zurück, 
wo  er  ein  neues,  glänzendes  Schauspiel  gesehen  hat,  welches  der  junge 
Kaiser  in  der  Arena  gab;  als  Kitharöden  und  Dichter  feiert  den  Kaiser 
die  erste  der  Einsiedler  Eklogen.  Die  übrigen  Eklogen  haben  nach 
Ribbeck  w'eiter  keinen  Wert.  Es  sind  leidlich  elegante,  aber  unselb- 
ständige Nachbildungen  älterer  Muster,  vielleicht  jene  in  der  vierten 
Ekloge  ei wähnten  Jugendversuche:  gegenseitige  Neckerei  und  Heraus- 
forderung zum  Wettgesang,  ohne  dafs  es  dazu  kommt  (6);  ein  Wechsel- 
gesang in  vierzeiligen  Strophen,  Bewerbung  um  eine  gemeinsame  Ge- 
liebte (2),  eine  reumütig  eifersüchtige  Liebesklage  zur  Versöhnung  eines 
beleidigten  Mädchens  (3).  Ganz  lehrhaft  im  Stil  der  Georgika  sind  die 
praktischen  Anweisungen  für  Schaf-  und  Ziegenzucht,  welche  ein  alter 
Hirt  seinem  jungen  Schüler  erteilt.  —  Die  bekannten  Motive  und  Rede- 
blumen der  bukolischen  Poesie  sind  gleichsam  aufgefrischt  durch  neue 
Auswahl,    Anordnung,    zierliche  Variationen,  wie  ein  erfindungsarmer 


Calpurnius  Siculus.    Nemesianus.    (Güthling.)  249 

Musiker  sich  ein  Konzertstück  aus  berühmten  Originalen  zusammenborgt 
und  sich  mit  ein  paar  Harmonien  eigener  Mache  begnügt.  So  Ribbeck. 
"Wahrscheinlich  aus  demselben  Kreise,  vielleicht  gar  aus  der- 
selben Feder  stammt  das  Lobgedicht  auf  Piso,  ein  poetischer  Bettel- 
brief eines  unbemittelten  Jünglings  unter  20  Jahren  (72;  261)  von  niederer 
Herkunft  (254  f.).  Der  Verfasser  wünscht  unter  die  Freunde  des  leut- 
seligen und  freigebigen  Calpurnius  Piso  aufgenommen  zu  werden.  Aller 
AYahrscheinlichkeit  nach  meint  er  den  bekannten  Verschwörer  gegen 
Nero,  der  im  Jahre  G5  sterben  mufste,  denn  seine  Persönlichkeit,  wie 
sie  von  Tacitus  geschildert  wird,  stimmt  völlig  zu  dem  Bilde  des  Lob- 
gedichtes: ein  altadeliger  Herr  von  stattlichem  Aussehen,  populär  durch 
seine  Liebenswürdigkeit  und  seine  erfolgreiche  Beredsamkeit  als  Ver- 
teidiger vor  Gericht,  gutmütig  und  begabt,  aber  leichtfertig.  Verwiesen 
unter  Caligula,  ist  er  von  Claudius  zurückberufen  und  zum  Ersatz-Konsul 
auf  kurze  Zeit  ernannt  worden.  Vgl.  Teuffel-Schwabe,  Geschichte 
der  römischen  Litteratur,  5.  Aufl.    1890.    S.  748  ff. 

Calpurnius,  the  eclogues,  rendered  into  Euglish  verse 
by  E.  J.  L.  Scott.  London.  Bell.  Vgl.  E.  D.  A.  Morhead,  The 
Class.  Rev.  V  7  S.  327—328.  —  Athenaeum  Nr.  3327  (L  August 
1891). 

Der  Eezensent  in  der  zuletzt  angeführten  Zeitschrift  sagt,  dafs  die 
Übersetzung  vortrefflich  sei,  auch  vom  archäologischen  Staudpunkt.  Ich 
selbst  habe  das  Buch  nicht  gesehen,  bin  also  nicht  in  der  Lage,  ein 
Urteil  abzugeben.  Eine  deutsche  Übersetzung  ist  meines  Wissens  nach 
,,Des  Titus  Kalpurnius  von  Sicilien  elf  erlesene  Idyllen  nach  der  Becki- 
sclien  Rekognition  des  Textes  übersetzt  und  mit  diesem  zugleich  heraus- 
gegeben von  Gottlieb  Ernst  Klausen,  Altona  1807"  nicht  erschienen, 
und  ein  Bedürfnis  nach  einer  solchen  dürfte  auch  wohl  nicht  vorhanden 
sein.  Angeregt  ist  übrigens  Klausen  zu  seiner  Übersetzung  durch 
J.  F.  Degen,  welcher  im  zweiten  Bande  seiner  Litteratur  der  deutschen 
Übersetzungen  der  Römer  (1794— 97)  sagt:  „Es  wäre  zu  wünschen,  dafs 
uns  ein  Mann,  der  für  alte  bukolische  Poesie  Gefühl  und  Sprache  genug 
besitzt,  den  schönen  Nachlafs  Kalpurns,  des  so  wenig  bekannten  Buko- 
likers  der  Römer,  ganz  liefern  möchte.  Bisher  müssen  wir  uns  noch 
mit  einzelnen  Versuchen  begnügen,  die  aber  meines  Erachtens  den  Grad 
der  Vollendung  noch  nicht  haben,  den  man  der  ganzen  Sammlung 
wünschen  würde." 

Nemesianus. 

Neues  ist  nicht  za  verzeichnen. 


250  Ausonius.     (Gütbling.) 

Ausonius. 

0.  Ribbeck  u.  a.  0. 

Ausonius  S.  342-348. 

Nur  anhangsweise  behandelt  Ribbeck  in  seinem  trefflichen  Werke 
einige  Spätlinge,  welche  sich  an  dem  Bau  antiker  Dichtung  durch  Bei- 
träge von  eigentümlichem  und  dauerndem  Werte  beteiligt  haben.  An  der 
Spitze  steht  Decimus  Magnus  Ausonius.  Der  grölste  Teil  seiner 
poetischen  Kleinigkeiten  (Memorierverse  für  seine  Schüler,  den  Sohn, 
den  Enkel,  den  kaiserlichen  Prinzen  u.  s.  w.  u.  s.  w.)  haben  nur  Inter- 
esse als  Proben  und  Zeugen  damaliger  Bildung,  und  auch  der  Verfasser 
selbst  denkt  bescheiden  von  dem  Wert  seiner  Gedichte  und  verhehlt  sich 
nicht,  dafs  sie  geringen  Anklang  finden.  Auch  seine  Grab-  und  Erinne- 
rungsgedichte an  Verwandte  und  an  verstorbene  Professoren  der  Schule 
von  Burdigala,  so  gut  sie  gemeint  und  so  reich  an  bemerkenswerten 
Zügen  sie  sind,  können  auf  künstlerischen  Wert  keinen  Anspruch  er- 
heben. Zu  der  ehrbaren  Philisterhaftigkeit  des  Inhalts  stehen  die  an- 
spruchsvollen oder  gekünstelten  Ij^rischen  Formen  bisweilen  in  unfreiwillig 
komischem  Gegensatz.  —  Das  einzige  Gedicht  grüfseren  Urafangs  (gegen 
.500  Hexameter)  des  Ausonius  hat  für  uns  Deutsche  den  Wert  eines 
nationalen  Denkmals.  Seine  Berufung  nach  Trier  gab  dem  empfäng- 
lichen Manne  Gelegenheit,  die  Reize  der  Mosellandschaft  kennen  zu 
lernen.  Ihr  hat  er  als  Sechziger  in  seiner  Moseila  eine  begeisterte 
Schilderung  gewidmet,  welche  das  damalige  Leben  an  jenen  gesegneten 
Ufern  in  treuem  Bilde  anmutig  vergegenwärtigt.*)  Vgl.  noch  Teuffel- 
Schwabe  a.  a.  0.  S.  1062  ff. 

P.  Jullian,  Ausone  et  son  temps.  I.  Revue  historique  Nr.  91, 
nov.  —  dec.  1891.  II.  La  vie  dans  une  cite  gallo-romaiue  ii  la  veille 
des  invasions.     Rev.  bist.  janv.  —  fevr.  1892. 

Die  Revue  historique  ist  mir  nicht  zugänglich  gewesen,  so  dafs 
ich  aufser  stände  bin,  die  angeführten  Abhandlungen  zu  beurteilen. 

F.  Stahl,  De  Ausonianis  studiis  poetarum  Graecorum. 
Diss.  Kiel.     Lipsius  und  Tischer.    1886.     8.     48  S. 

Das,  womit  sich  die  angeführte  Doktordissertation  beschäftigt, 
ergiebt  sich  aus  dem  Titel.  S.  5—7  handelt  St.  von  den  griechischen 
Lyrikern,  die  Ausonius  gekannt  hat,  dessen  Anklänge  an  dieselben  an- 
geftihrt  werden,  vgl.  bes.  Pythag.  carm.  aur.  40 — 43,  mit  Auson.  de  vir. 


*)  Ich  erlaube  mir,  an  dieser  Stelle  noch  einmal  aufmerksam  zu 
machen  auf  „Decimus  Magnus  Ausonius  Mosella,  frei  nachgebildet 
von  H.  Viehoff."  Neue  Ausg.  Trier  1885.  Lintz.  111.  47  S.  Vgl.  meinen 
vorigen  Jahresbericht.    LXllI.  Bd.    (1890.  II.)    S.  101  f. 


Ausonius.    (Güthling.)  251 

boD.  XXX  14 — 16.  S.  7 — 10  werden  die  Stellen  aus  den  poetae  scenici 
angeführt,  welchen  die  aus  den  poetae  epici,  namentlich  Homer  (S.  10 — 15) 
folgen.  Der  Verf.  kommt  sodann  auf  die  poetae  Alexandrini,  ^e  quibus 
quamquam  nominat  nullum,  tarnen  sunt  qui  Ausouio  vestigia  impresse- 
rint'  (S.  15 — 16).  Arati  phaenomena  et  prognostica  und  Ciceros  Aratea 
kommen  nicht  in  Betracht,  wohl  aber  des  Germanicus"  Aratea  (S.  17  ff.). 
S.  22  geht  A^erf.  über  auf  Auson.  XVII  Epitaphia  heroum,  qui  beUo 
Troico  interfueruut,  quae  ipse  in  praefatiuncula  dicit  e  Graeco  versa 
esse.  Fontem  eorum  Aristotelis  qui  fertur  Peplum  dudum  viri  docti  erue- 
runt.  Überhaupt  hat  Auson.  vieles  aus  griechischen  Epigrammen  ent- 
lehnt; vgl.  ß.  Peiper,  N.  Jahrb.  f.  Phil,  und  Päd.  XI.  Supplmtbd. 
S.  229  ff.;  den  Schlufs  bildet  eine  Abhandlung  über  das  Thema  Qua 
arte  Ausonius  in  vertendis  Graecis  usus  sit. 

Das  Latein,  welches  Stahl  schreibt,  leidet  an  nicht  unbedenklichen 
Mängeln:  wo  findet  man  z.  B.  ein  Wort  vi  tu  p  er  i  um  (S.  29)?  Sae- 
piuscule  (ebend.  u.  S.  11)  ist  ohne  sicheren  Beleg;  wer  konstruiert 
contingit  (S.  28)  mit  dem  Infinitiv?  Ich  würde  meinen  Schülern  eine 
solche  Konstruktion  als  groben  Fehler  anrechnen,  wenn  sich  dieselbe 
auch  einmal  bei  Cicero  (pr.  Arch.  4;  s.  Halra-Laubmann  z.  d.  St.)  und 
in  der  späteren  Latinität  findet.  Sibi  place re  in  aliqua  re  (S.  42) 
ist  deutsch-latein ;  dafür  sagt  Cicero  (s.  Madvig  zu  de  fin.  I  39)  de- 
lectari  in  aliqua  re,  Sallust.  Cat.  7,4  lubidinem  habere  in  ali- 
qua re;  deutsch-latein  ist  ferner  ex  ipsius  sera  confessione  con- 
cludere  possumus  (S.  2);  non  semper  dubitatione  exemptum 
est  (S.  11);*)  quod  in  tanta  materiae  louginquitate  haud  miruni 
(S.  15)**)  und  vieles  andere.  Junge  Philologen,  die  wirklich  Latein 
schreiben  können,  scheinen  quasi  aves  albae  (Cic.  ep.  VII  28,  2)  zu 
sein.  —  Auf  der  Rückseite  des  Titels  findet  sich  die  Bemerkung:  Jra- 
primatur.    A.  Stimming,  h.  t.  prodecanus,' 

M.  Mertens,  Zu  Ausonius.   Jahrb.  f.  Phil,  und  Pädag.    141.  Bd. 
(1890),  S.  785—790. 

Die  neueren  Herausgeber  haben  die  Abfassung  der  Ephemeris  vor 
dem  Jahre  367  angesetzt;  II.  nimmt  an,  dafs  dieselbe  an  das  Ende  des 
Jahres  378  oder  an  den  Anfang  des  folgenden  zu  setzen  ist.  Sodann 
handelt  M,  über  die  Zeitbestimmung  der  Parentalia  und  der  damit  eng 
verbundenen  Commemoratio  professorum  Burdigalensium  und  kommt  zu 
folgendem  Ergebnis: 

1)  Die  Parentalia  sind  nach  379  begonnen,  aber  nicht  vor  389 
vollendet  worden. 


*)  Dubitatio  heifst  nie  „Zweifel",  sondern  „Bedenken". 
**)  Unverständlich. 


252  Ausonius.    Claudianus.    (Güthling.) 

2)  Die  Professores  und  Epitapliia  sind  nach  389  entstanden.  Die 
Mutter  des  Dichters  starb  ungefähr  353. 

Derselbe  will  ebend.  1892  S.  142  flf. 

Grat.  act.  18,82  inaccessa  lesen,  et  Galliam  veterem  als 
Glossem  beseitigen  und  epist.  9,  31  statt  des  unverständlichen  Genonis 
schreiben  Gelonis. 

W.  Drexler,  Miscellauea.    Jahrb.  f.  Phil,  und  Pädag.  145.  Bd. 

(1892),  S.  357 

bemerkt  zu  dem  Worte  Tiillianum  in  Auson.  epist.  22,48,  dafs  auf 
Grund  einer  von  Mionnet  beschriebenen  Münze  von  Sai'des  in  Lydien 
Tj'los  in  der  AVeise  des  Triptolemos  dargestellt  wurde;  mithin  müssen 
ihm  auch  die  Eigenschaften  des  Triptolemos  zugeschrieben  worden  sein. 
Es  sei  daher  nicht  kühn  zu  vermuten,  dafs  der  Name  dieses  Heros  in 
Tullianum  verborgen  liege.  —  R.  Peiper  schreibt  an  dieser  Stelle 
uilliconum,  was  einen  ganz  guten  Sinn  giebt. 

Claudianus. 

0.  Eibbeck  a.  a.  0. 

Claudianus  S.  348—365. 
Gröfser  angelegt  als  Ausonius,  eine  reiche  Dichternatur  und 
besserer  Zeiten  würdig  war  Claudius  Claudianus,  der  begeisterte 
Lobsänger  Stilichos,  von  welchem  er  ein  Idealbild  zeichnet.  Er  versteht 
gut  zu  charakterisieren,  er  zeichnet  scharf  und  anschaulich,  nur  zu 
giüudlich  im  einzelnen,  bis  zur  Ermüdung  (z.  B.  die  Persönlichkeit  des 
jungen  Honorius  VHI  513  ff.).  Am  unangenehmsten  berührt  das  Über- 
mafs  an  Hyperbeln:  keine  Gottheit  und  kein  Heros  der  Vorzeit  ist 
sicher  vor  demütigenden  Vergleichen  mit  den  Helden  dieses  Dichters. 
Stilicho  ist  ihm  mehr  als  Äueas  und  Achill,  ein  Herkules  und  Atlas, 
ein  Argus  an  Wachsamkeit  und  Umsicht.*)  Sein  Triumphzug  gleicht 
dem  des  Mars,  wenn  er  von  den  Skythen  heimkehrt  (XXII  367  ff.) ;  der 
Argonautenzug  und  Jasons  Verdienst  ist  nichts  gegen  die  Leistungen 
Stilichos  (XXVI  9  ff.).  Der  Besieger  Alarichs  vereinigt  in  sich  Eabius, 
Marcellus  und  Scipio  (XXVI  141).  Ebenso  erblafst  vor  der  Schönheit 
und  Tugend  seiner  Gemahlin  Serena  der  Glanz  aller  edelsten  Frauen- 
gestalten  der  Griechen  wie  der  Römer  (XXIX  1  ff'.).  Dagegen  ist  recht 
hübsch,  frei  und  zierlich  die  kleine  Gruppe  lyrischer  Gesänge,   welche 


*)  Vgl.  Teuffel-Schwabe  a.  a.  0  S.  1125:  Oft  stöfst  Claudiaa  ab 
durch  das  Mii«verhältnis  zwischen  den  aufgebotenen  Mitteln  und  der  Klein- 
lichkeit des  Gegenstandes,  sowie  durch  das  Gesuchte  und  die  rhetorische 
Mafölosigkeit  seiner  Ausführungen. 


Claudianus.    (Güthling.)  253 

unter  dem  Titel  'fescennischer  Lieder'  erhalten  sind,  und  pikanter  als 
die  Lob-  und  Prunkgedichte  ist  die  grimmige  Invektive  (in  zwei 
Büchern  XVIII.  XX)  gegen  den  Eunuchen  Eutropius  (f  399).  den 
Minister  des  Arcadius.  Sein  Hauptwerk  ist  ^der  Raub  der  Proserpina', 
von  Ribbeck  ein  ,, wunderschönes"  Gedicht  mit  Recht  genannt.  —  Vgl. 
Teuffel-Schwabe  a.  a.  0.  S.  1124  ff. 

Claadii  Claudiani  carmina.  Recensuit  Theodorus  Birt. 
Accedit  appendix  vel  spuria  vel  suspecta  continens.  Berolini,  apud 
Weidmannes.    1892.     CCXXX.     610  S.     30  M. 

Vgl.  M.  Manitius,  Preufs.  Jahrb.  71  S.  346—351. 

Die  umfangreiche,  CCIV  Seiten  umfassende  Einleitung  ist  höchst 
wertvoll  und  beweist  nicht  blofs  des  Verfassers  grofse  Belesenheit,  son- 
dern auch  philologischen  Scharfsinn.  Es  folgt  dann  noch  ein  Corollarium 
collectanea  grammatica  metrica  continens  (I.  De  orthographia;  IL  Ob- 
servationes  metricae;  LII.  Grammaticae  observationes) ;  Carminum  numeri 
Gesneriani  cum  titulis  et  numeratione  carminum  huius  editionis  compo- 
siti  und  endlich  Locorum  in  praefatione  indicatorum  vel  meraoratorum 
delectus  (—  S.  CCXXX). 

Claudius  Claudianus  ist  aus  dem  griechischen  Osten  gebürtig  und 
wohl  nicht  vor  dem  Jahre  375  geboren;  seine  Heimatsstadt  ist  wahr- 
scheinlich Canopus.  In  Alexandrien,  das  er  als  seine  zweite  Heimat  be- 
trachtete, lernte  er  die  Dichter  kennen  und  beschäftigte  sich  mit  Rhe- 
torik und  Geschichte ;  dafs  er  sich  auch  mit  anderen  Disziplinen  befafste, 
ist  unzweifelhaft,  da  zu  seiner  Zeit  Alexandrien  noch  die  Metropole  von 
Bildung  und  "Wissenschaft  war.  Als  Alexandriner  dichtete  Claudian,  da 
er  die  griechische  Sprache  vollständig  beherrschte,  in  dieser  Sprache  bis 
zum  Jahre  394;  sein  erstes  Gedicht  in  lateinischer  Sprache  ist  der  Pa- 
negyricus  dictus  Probino  et  Olybrio  consulibus  (Anfang  des 
Jahres  395),  was  bei  der  äufseren  Formvollendung  desselben  wunder 
nehmen  kann,  da  Claudian  bis  dahin  nur  in  griechischer  Sprache  ge- 
dichtet hat.  Man  kann  nur  annehmen,  dafs  Cl.  auch  vorher  manche 
poetische  Versuche  in  lateinischer  Sprache  angestellt  hat.  Vgl.  Birt 
p.  VIII:  Xoli  tamen  credere  Claudiauum  nuUum  antea  versum 
Latinum  panxisse.  Imme  cum  in  prirao  hoc  panegyrico  et  ser- 
monis  poeticiet  artis  metricae  paene  fastigium  iam  escende- 
rit,  similia  eum  curiose  exercuisse  antea  quam  fontes  bibit 
Romanos  necesse  est;  item  in  lectione  scriptorum  Latinorura 
iam  tum  multus  fuerat  Vergilii,  Statu,  Horatii,  Lucani,  Silii 
Italic!,  Ovidii,  Juvenalis  aliorum.  Id  vero  tenendum,  nullum 
eum  Carmen  Latinum  edidisse  nullumve  edendi  causa  compo- 
suisse  ante  Olybrium  et  Probinum  consules. 


254  Claudianus.    (Güthling.) 

Noch  in  demselben  Jahre  erschien  das  (unvollendete)  Epos  De 
raptu  Proserpinae  in  drei  Büchern.  Der  Anfang-  des  Gedichtes  ist 
dem  römischen  Stadtpräfekten  Plorentinus  gewidmet,  welcher  während 
des  Krieges  mit  Gildo  von  Rom  jfamem  avertit,  commcatu  anno- 
uario  urbi  securitatem  reddidit  ipsumque  cardinem  quasi 
fulsit  totius  mundi'  (p.  XVI).  Wie  Claudian  dazu  gekommen  sein 
mag,  dieses  Gedicht  oder  wenigstens  den  Anfang  desselben  dem  Floren- 
tinus  zu  widmen,  ist  nicht  recht  klar;  mit  Recht  vermifst  Gesner  jeden 
Zusammenhang  mit  dem  Raub  der  Proserpina  und  meint,  dies  Vorwort 
passe  zu  jedem  anderen  Gedicht,  Wedekind  (Übers,  des  Claud.  S.  299) 
scheint  es  ein  Vorwort  zu  einem  Dankgedicht  auf  Stilicho  zur  Befreiung 
Italiens  aus  grofser  Gefahr  und  Stilicho  selbst, der  „Florentiner"  zu  sein; 
(doch  dagegen  s.  Birt  p.  XVI  1).  Von  Rom  begab  sich  Claudian  nach 
Mailand  (Birt  p.  XXI  f.),  wo  damals  der  Sitz  der  römischen  Regierung 
war,  und  anno  vel  402  vel  401  in  cursu  bonorum  iam  ita  eum 
processisse  videmns,  ut  in  schola  tribunorum  ac  notariorum 
locura  haberet.  Aus  seinen  Beziehungen  zum  Hofe  gingen  hervor 
seine  Panegyrici  auf  das  dritte  und  vierte  Konsulat  des  Ho- 
norius,  und  die  moralischen  Partien  aus  dem  letzteren  Gedichte  ge- 
hören zu  den  meistgekannteu  Stellen  im  Mittelalter  (S.  weiter  unten 
M.  Manitius,  Beiträge  zur  Geschichte  römischer  Dichter  im  Mittelalter). 
Einen  seiner  Muse  würdigen  Helden  fand  nun  Claudian  in  Stilicho. 
Seiner  Geburt  nach  wahrscheinlich  ein  Vandale,  aber  seiner  Bildung 
nach  ein  Römer,  gelangte  er,  nachdem  er  früh  in  Kriegsdienste  getreten 
war,  unter  Theodosius  zu  hohen  Würden  und  grofsem  Anselm,  so  dals 
ihm  der  Kaiser  seine  Nichte  Serena  zur  Gattin  gab,  und  der  spätere 
Kaiser  Honorius  Stilichos  älteste  Tochter  Maria  und  nach  deren  Tode 
die  jüngste  heiratete.  Zunächst  sicherte  Stilicho  die  Grenzen  des  Reichs 
gegen  die  Germanen,  zog  dann  nach  Westen  und  schaffte  den  Vormund 
des  Arcadius,  des  älteren  Bruders  des  Honorius,  den  elenden  Schurken 
Rufinus,  durch  den  Goten  Gainas  aus  dem  Wege.  Darauf  kämpfte  er 
mit  dem  Westgotenkönige  Alarich,  welcher  Griechenland  mit  seineu 
Scharen  übei'schwemmt  hatte,  wenn  auch  ohne  Erfolg,  infolge  der  Treu- 
losigkeit des  oströmischen  Ministers  Eutropius,  welcher  die  von  ihm  ge- 
sandten Hülfstruppen  zurückrief,  und  so  entkam  Alarich,  der  bereits 
in  den  Gebirgen  Arkadiens  eingeschlossen  war  (vgl.  Bell.  Get.  517  fl'. 
und  de  IV  consul.  Honor.  478  if.).  Im  Jahre  398  unterdrückte  er  den 
Aufstand  der  Mauren  unter  Gildo.  Dann  wurden  seine  Talente  auf  die 
höchste  Probe  gestellt,  als  Alarich  und  fast  gleichzeitig  das  Barbaren- 
heer unter  Radagais  in  Italien  einfielen.  Unter  heftigen  Kämpfen  suchte 
Alarich  nach  Rom  vorzudringen,  wurde  aber  wiederholt,  zuletzt  in  der 
entscheidenden  Schlacht  bei  Pollentia  und  Verona  geschlagen. 


Claudianus.    (Güthling.)  255 

Diese  Tliaten  seines  Helden  sucht  nun  Claudian  durch  seine 
Schmähgedichte  gegen  Rufinus  und  Eutropius  in  ein  noch  lielleres 
Licht  zu  stellen.  Gegen  ersteren,  den  Verwalter  des  Ostens,  einen  harten, 
grausamen,  geizigen  und  habsüchtigen  Menschen,  welcher  von  dem  öffent- 
lichen Hasse  beladen  war,  verfafste  Claudian  im  Jahre  396  ein  Gedicht, 
das  im  Grunde  genommen  mehr  ein  Panegyricus  auf  Stilicho  ist.  Es 
folgten  sodann  der  Panegyricus  auf  das  vierte  Konsulat  des 
Honorius,  das  Hochzeitsgedicht  aus  Anlal's  der  Vermählung 
des  Honorius  und  der  Tochter  Stilichos  Maria  sowie  das  Gedicht 
auf  die  glückliche  Beendigung  des  Krieges  gegen  Gilde.  Dann 
griff  er  in  drei  Büchern  den  Eutropius  an,  welcher  den  Rufinus  ge- 
stürzt hatte  und  an  dessen  Stelle  getreten  war.  Dieser  verrufene  Eunuch 
zeichnete  sich  ebenfalls  durch  Habsucht,  Feigheit  und  Grausamkeit  aus. 
Nach  Vollendung  seines  Lobgedichtes  auf  Stilicho,  welches  er  in 
Rom  vorlas,  hatte  Claudian  den  Gipfel  des  Anselms  und  der  Ehre  er- 
reicht und  ihm  wurde  eine  Bildsäule  auf  dem  Forum  Traianum  bewilligt; 
die  Inschrift  (s.  Birt  S.  LXXXHI)  wurde  daselbst  im  Jahre  1493  ge- 
funden. Diese  Ehre  einer  Statue  und  den  Rang  eines  Patricius  erhielt 
der  Dichter  zwischen  400—402.  Seine  beiden  letzten  Gedichte  sind  die 
über  den  pollentinischen  Krieg  und  der  Panegyrikus  auf  das 
sechste  Konsulat  des  Honorius;  ersteres  las  er  ebenfalls  in  Rom  vor. 

Von  den  sogenannten  kleineren  Gedichten  Claudians  haben  die 
meisten  meines  Erachtens  wenig  Wert.  Dahin  rechne  ich  die  fünf 
Briefe  anSerena,  in  welchen  er  sich  bei  derselben  bedankt  für  ihre 
Hilfe  bei  seiner  Brautwerbung,  anOlybrius,  Probinus,  Gennadius 
procos.  u.  s.  w.;  ferner  das  auf  Personen  bezügliche  Epigrammatische, 
wie  z.  B.  die  ironische  Abbitte  eines  tadelnden  Urteils  über 
die  Gedichte  desQuästorsAlethius,  de  Theodore  etHadriauo, 
de  sene  Veronensi,  qui  suburbium  numquam  egressus  est.  Für 
ganz  wertlos  vollends  halte  ich  die  Gedichte  auf  Tiere  wie  de  phoe- 
nice  ave,  de  hystrica  (Beschreibung  eines  Igels),  de  torpedine  (Be- 
schreibung eines  Zitterrochens),  ferner  Gedichte  über  Örtlichkeiten 
(Aponus  u.  dgl.),  auf  die  Statuen  der  Brüder  Amphinomus  und 
Anapis,  welche  bei  einem  Ausbruche  des  Ätna  ihre  Eltern  gerettet 
hatten  u.  s.  w.  In  mehreren  Claudianhandschriften  finden  sich  Gedichte, 
welche  unmöglich  den  Claudian  zum  Verfasser  haben  können:  Das 
Epithalamium  Laurentii,  de  salvatore,  laus  Christi,  miracula 
Christi,  in  Sirenas,  laus  Herculis.  Die  kleinen  in  griechischer 
Sprache  verfafsten  Gedichte  hält  Birt  für  echt;  ich  glaube  das  auch 
trotz  Schenkl  und  Jeep,  welche  sämtliche  griechischen  Gedichte  dem 
jüngeren  Claudianus  zuschreiben,  den  sie  für  einen  Verwandten  des  la- 
teinischen Dichters  halten. 


256  Claudianus.     (Güthling.) 

"Weiter  handelt  Birt  de  traditione  Claudiani  maioris  (S.  LXXVI  ff.), 
de  Claudiaui  maioris  codicibus,  de  Claudiaui  maioris  carminum  ordine 
und  de  Claudiani  minoris  codicibus  (S.  CXLVIIff.).  Claudians  Gedichte 
warei^  nämlich  im  Mittelalter  in  zwei  Gruppen  geteilt,  die  panegyrischen 
nannte  mau  Claudianus  maior,  die  übrigen  Claudianus  minor,  eine  Ein- 
teilung, welche  nicht  nur  handschriftlich  überliefert  ist,  sondern  sich 
auch  in  mittelalterlichen  Citaten  findet.  Eine  Handschrift,  welche  sämt- 
liche Gedichte  Claudians  enthält,  giebt  es  demnach  nicht.  Die  Anführung 
und  Beurteilung  der  Handschriften  ist  ausführlich  und  genau,  und  von 
einer  jeden  bekommt  man  ein  klares  Bild.  Unter  Heranziehung  der 
besten  aus  dieser  Menge  von  Handschriften  hat  nun  Birt  den  Text  kon- 
stituiert; er  folgt  aber  nicht  blindlings  oder  einseitig  den  besten  Hand- 
schriften, sondern  verschmäht  auch  einige  Male  das  Gute  nicht,  was 
bisweilen  die  sogenannten  Codices  deteriorcs  bieten;  enthalten  diese 
letzteren  doch,  wie  mir  jeder  zugeben  wird,  unter  vielen  Schlacken  auch 
manches  Goldkörnchen.  Konjekturen  gegenüber,  wenn  sie  das  Eichtige 
zn  treffen  scheinen,  verhält  er  sich  nicht  ablehnend,  und  nicht  wenige 
gute  Verbesserungsvorschläge,  eigene  wie  fremde,  hat  er  in  den  Text 
gesetzt,  ein  Verfahren,  das  bei  der  gerade  nicht  guten  Überlieferung 
der  Gedichte  Claudians  wohl  allgemeine  Billigung  finden  wird.  Unein- 
geschränktes Lob  verdient  auch  der  mit  grofsem  Fleifse  hergestellte 
Index  nominum  propriorum  und  noch  viel  mehr  der  Index  vocabulorum. 
Je  bereitwilliger  ich  anerkenne,  dafs  die  Ausgabe  Birts  eine  tüch- 
tige und  verdicDstliche  Leistung  ist,  so  dafs  auf  lange  Zeit  hin  der  von 
ihm  konstituierte  Text  mafsgebeud  sein  wird,  um  so  weniger  kann  ich 
die  nachfolgende  Bemerkung  unterdrücken.  Noch  ist  das  Lateinische  die 
einzige  Sprache,  welche  in  den  Kreisen  der  Gelehrten  allgemein  ver- 
standen wird.  Ihr  Gebrauch  ist  deshalb  notwendig  in  wissenschaftlichen 
Arbeiten,  welche  auch  jenseits  der  Grenzen  der  Heimat  auf  Beachtung 
rechnen  wollen.  Die  Pflege  des  lateinischen  Ausdrucks  ist  darum  nicht 
überflüssig.  In  erster  Linie  liegt  dieselbe  den  Meistern  der  pliilologischeu 
Wissenschaft  ob,  welche  den  Jüngern  der  Wissenschaft  Vorbild  und 
Muster  sein  sollen.  Ich  gebe  gern  zu,  dafs  dem  Gelehrten,  welcher  nur 
der  Wissenschaft  dienen  will,  eine  freiere  Benutzung  des  Sprachmaterials 
gestattet  ist,  wie  denn  F.  A.  Wolf,  Eeisig,  G.  Hermann,  Haase  und 
Schümann  ein  gutes  Latein  geschrieben  haben,  ohne  sich  ängstlich  an 
die  sogenannte  klassische  Latinität  zu  binden.  Doch  haben  diese  Ge- 
lehrten niemals  ohne  Not  das  Latein  der  Nachklassiker  für  zulässig  ge- 
halten, am  wenigsten  die  Sprache  der  Poesie  und  Prosa  vermengt.  Birt 
ist  nun  im  Ausdrucke  durchaus  nicht  wählerisch.  Ob  er  etwas  aus 
Plautus  oder  einem  der  späteren  Nachklassiker  entnimmt,  und  zwar 
selbst  dann,  wenn  die  klassische  Latinität  einen  entsprechenden  Ausdi'uck 


Claudianus.    (Güthling.)  257 

bietet,  macht  ihm  wenig  Sorge.  Folgende  Proben,  die  ich  aus  meinen 
Aufzeichnungen  noch  reichlich  vermehren  könnte,  mögen  genügen,  damit 
der  Leser  sich  selbst  ein  Urteil  bilden  könne.  Wir  lesen  p.  I  nomen 
gentile  paene  praenomiuis  vicem  habet  (?)•,  p.  III  locum  moleste  tur- 
batum  explanem  necesse  est;  p.  IX  quo  de  disputabitur  in  alio  capite; 
p.  X  ut  ad  panegyricum  retro  vertani;  p.  XII  non  sine  Stiliconis 
despectu  sensus  est  (?);  p.  XVII  illud  .  .  .  minore  obscuritate  laborat 

(deutsch!);  p.  XVIII  tum  enim  sane  diu  fuit  quod  Roma vi- 

derat  (für  cum  .  .  .  .);  p.  XX  an  usus  castreusis  fiduciam  ei  dedit, 
ut  .  .  .  .  änderet?;  p.  XXII  seuex  Veronensis  quiete  putat;  p.  XXVII 
eodem  traho  (refero?)  Claudiani  locum;  p.  XXIX  Hunos  .  .  quo  modo 
repellere  contigerit,  tacet  historia;  p.  XXX  frenos  Orientis  arri- 
puit  Eutropius;  ibid.  barbaris  feliciter  inclnsis;  p.  XXXI  hello  fei i- 
citer  confecto;  p.  XXXV  infelicissime  rem  gerere;  p.  XXXVII 
usque  ad  medium  .  annum  396  carminis  perfectionem  protendit  (?); 
p.  XL VIII  non  dissuadente  Orientis  aula;  p.  LH  Grothis  discessus 
über  coucessus  est  (deutsch!);  p.  LXXVII  annus  Claudiani  emor- 
tualis;  p.  LXXVIII  neque  panegyi'icus  Aniciorum  aut  adeo  Eaptus 
neglectionem  passi  sunt;  p.  CIX  (CXIII)  merita  huius  libri  si 
enumerarem,  rem  ego  actara  agerem;  p.  CXLIII  quo  disputandi  curri- 
culo  permeato  iam  in  eo  sumus  ut  metam  tangamus  u.  s.  w.  u.  s.  w. 

II  ratto  di  Proserpina,  con  commenti,  critica  e  tradu- 
zione  in  versi  di  L.  Garces  De  Diez.  Messina,  fratelli  Messina. 
8.     605  S. 

Vgl.  U.  Amico,  II  ratto  di  Proserpina  di  Claudio  Claudiano,  con 
commenti  etc.    Recensione.    Caltanissetta  1891,  tip.  Punturo.   8.    10  S. 

Fr.  Trump,  Observationes  ad  genus  dicendi  Claudiani 
eiusque  imitationem  Vergilianum  spectantes.  Diss.  Breslau 
1887.     8.     64  S. 

Der  erste  Teil  behandelt  die  Kasuslehre  (Akkusativ  S.  5 — 9, 
Dativ  S.  9—14,  Genetiv  S.  14—17,  Ablativ  S.  17—20),  den  Infinitiv 
(S.  20—31),  den  accus,  c.  inf.  (S.  31—35),  den  nom.  c.  inf.  (S.  35—36), 
den  imperat.  infin.  und  den  sogenannten  infinitivus  historicus  —  eine 
Bezeichnung,  die  nachgerade  ein  überwundener  Standpunkt  sein  sollte  — 
(S.  36  f.).  Der  zweite  Teil  (S.  38  —  64)  de  imitatione  Vergiliana  giebt 
ebensowenig  wie  der  erste  Anlafs  zu  Ausstellungen,  da  gegen  eine  Samm- 
lung von  Stellen  aus  beiden  Dichtern  und  der  Sichtung  und  Klassifi- 
cierung  derselben  nichts  einzuwenden  ist. 

E.  Stöcker,  De  Claudiani  poetae  veterum  rerum  Roma- 
narum scientia,  quae  sit  et  unde  fluxerit.    Diss.  Marburg.  1889 
8.     97  S. 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    LXXVI.  Bd.  (1893,  II.)       17 


258  Claudianus.    (Güthling.) 

Claudians  veterum  rerum  ßomanarum  scientia  etc.  ist  geflossen 
aus  Ennius  (S.  1  —  16),  aus  Livius  eiusque  asseclis  —  letzteres  Wort 
würde  ich  in  dem  vom  Verf.  gebrauchten  Sinne  nicht  anwenden  — 
(S.  16 — 71),  wie  es  in  der  Natur  der  Sache  liegt,  nicht  nur  der  um- 
fangreichste Teil  der  Abhandlung,  sondern  auch  der  interessanteste. 
S.  71 — 82  handelt  von  Sallustius,  dessen  Historien  sowie  auch  sämtliche 
Bücher  des  Livius  dem  Claudian  bekannt  gewesen  sind,  und  den  Schluls 
(S.83 — 92) bildet Tacitus  und  eine  conclusio,in  welcher  es  heifstrSatis  firmis 
igitur  arguraentis  evicisse  videmur  ad  historiam  perdiscendam  non  acquie- 
visse  Claudianum  in  deteriorum  scriptorum  epitomis,  sed  proposuisse  sibi 
exempla  cum  alios  tum  Ennium  Livium  Sallustium  Tacitum.  Quibus 
scriptoribus  deditus  haud  parvam  sibi  paravit  rerum  gestarura  cognitio- 
nem  poeta,  ut  semel  tantum,  quod  inveniamus,  erraverit  in  Syphacis 
morte  describenda  (cf.  p,  55  sq.). 

Julius  Koch,  de  codicibus  Cuiacianis,  quibus  in  edendo 
Claudian 0  Claverius  usus  est.    Diss.    Marburg  1889. 

Vgl.    H.    Frey  tag,    Wochenschr.   f.    klass.    PhU.     VII.    Nr.  20. 
S.  548—550. 

Auf  Veranlassung  von  Th.  Birt  hat  Koch  den  Claudiankodex  Am- 
brosianus M  9  sup.  in  Mailand  untersucht.  Den  Gegenstand  seiner 
Dissertation  bilden  die  bei  seiner  Prüfung  der  Hs  wahrgenommenen 
Beziehungen  derselben  zu  der  im  Jahre  1602  in  Paris  erschienenen 
Claudianausgabe  des  Stephanus* Claverius  sowie  zu  einigen  Marginalien 
des  Cuiacius.  Das  erste  Kapitel  handelt  ^De  codicum  lectionibus  quas 
Claverius  ad  Raptum,  ad  panegjTi'icum  Olybrii  et  Probini  et  ad  minora 
nonnulla  carmina  protulit"  ( —  8.  8),  das  zweite  ,De  Cuiacii  in  exem- 
plari  Gottingensi  marginalibus"  ( —  S.  12),  das  dritte  ^De  Cuiacii  mar- 
ginalium  Claveriique  codicum  consensu'  ( —  S.  21),  das  vierte  ^De  co- 
dice  Ambrosiano  M  9  sup.  a  Cuiacio  et  Claverio  adhibito'  ( —  S.  41), 
das  fünfte  .De  codice  X  vel  altere  codice  Claverii'  ( —  S.  46),  das 
sechste  ,De  Claudiani  operum  catalogo,  quem  et  Claverius  tradidit  et 
codex  Ambrosianus"  ( —  S.  52)  und  das  siebente  ,De  codicis  X  aucto- 
ritate  et  pretio'  ( —  S.  62). 

Die  Arbeit  zeugt  von  Fleil's  und  Gründlichkeit,  und  keiner,  der 
sich  mit  Claudian  beschäftigt,  darf  dieselbe  unbeachtet  lassen.  Aber 
das  Latein,  welches  Koch  schreibt,  ist  nicht  einwandsfrei :  es  ist  in 
der  Regel  Deutschlatein  z.  B.  noraen  praetereundo  tangere, 
alibi  Stephanus  Claviger  se  nuncupans,  accuratiore  tractatu 
digni  esse  mihi  videntur  (S.  1),  superest  de  codicibus  .  .  ob- 
servatio  (S.  2),  Claverius  .  .  .  frequenter  in  uno  vetere  advo- 
cando  se  continet  (?)  (S.  3),    itaque  (S.  9)    sollte  man  doch  nicht 


Claudianus.    (Güthling).  259 

an  die  zweite  Stelle  setzen,  prima  manus  diictu  utitur  satis 
pingui  (ebd.),  de  paucis  exceptionibus  vide  iufra  pg.  33—36*; 
(S.  21),  pretium  (S.  53)  bedeutet  nie  ^geistiger,  innerer  Wert',  econ- 
tra  (S.  54)  für  das  einfache  contra  sollte  man  nicht  schreiben  (s. 
Schmalz,  Antibarb.  I  S.  441),  und  zum  Schlüsse  (S.  61)  heifst  es: 
atque  iam  ad  calcem  curriculi  uostri  pervenimus  (ist  sehr 
geziert  ausgedrückt).  Ich  will  meine  Leser  mit  mehr  Beispielen  nicht 
ermüden;  jeder  kann  primo  obtutu  —  um  Kochs  Lieblingsausdruck 
zu  gebrauchen  —  solche  linden. 

Dissertationes    philologae    Vindobonenses.     IV.      Wien, 
Gerolds  Sohn.     1893.     203  S.     8. 

Dieser  Band  enthält  drei  Abhandlungen,  von  welchen  die  dritte 
betitelt  ist 

De    iraaginibus    similitudinibusque,    quae    in    Claudiani 
carminibus  inveuiuntur,  disputavit  Carolus  Müllner. 

Dieselbe  steht  S.  99  ff.  Die  Abhandlung  ist  mir  nicht  zugegangen; 
ich  setze  deshalb  hierher,  was  M.  Heller  über  dieselbe  in  der  Wocheu- 
schr.  f.  klass.  PhU.  1893  Nr.  20  S.  544  gesagt  hat. 

Als  Ergänzung  der  Arbeiten  von  Ribbeck,  Zingerle,  Gramlewicz, 
Jeep  u.  a.  giebt  Müllner  aus  eingehender  Lektüre  des  Dichters  heraus 
eine  Gesamtübersicht  über  die  bei  Claudian  sich  ündenden  Bilder  und 
Vergleichungen.  Er  behandelt  nacheinander  die  Ausdrücke,  welche  auf 
Götter,  Menschen,  Tiere  und  leblose  Gegenstände  sich  beziehen.  Doch 
scheint  dieses  Einteilungsprinzip  nicht  sehr  glücklich  gewählt  zu  sein, 
da  es  füi'  die  Erkenntnis  der  Kunst  des  Dichters  ganz  irrelevant  ist. 
Da  Verf.  die  verschiedenen  poetischen  Ausdrücke  stets  auf  ihre  griechi- 
schen und  lateinischen  Vorbilder  zurückzuführen  sucht,  so  dürfte  eine 
Einteilung  des  Stoffes  nach  dem  Gesichtspunkt  der  mehr  oder  minder 
grofsen  Abhängigkeit  Claudians  von  seinen  einzelnen  Vorgängern  wohl 
fruchtbringender  gewesen  sein.  Doch  wird  die  Arbeit  auch  in  dieser 
Eorm  von  Freunden  der  Muse  Claudians  nicht  unbeachtet  bleiben. 

Th.    Birt,    De    velis   Judaicis,     Rhein.    Museum   45   (1890) 
S.  491—493. 

B.  behandelt  die  Stelle  in  Eutrop.  350—357,  besonders  die  vela 
Judaica,  die  mit  Indiens  luftigen  Wesen  bemalt  sind,  und  kommt  mit 
Berufung  auf  Plaut.  Pseud.  147  zu  dem  Schlüsse,  dafs  es  wahrscheinlich 
sei  ,vela  a  Judaeis  Alexandrinis  iam  Plauti  aetate  fabricata  vel  venum 
ire  solita  esse  eamque  ibi  mercaturam  floruisse  per  annorum  millenornm 

•)  Ein  prächtiges  Deutsch-Latein  für:  de  paucis  ....  postea  disputa- 
bimus.    cf.  pg.  33—36'. 

17* 


200  Claudianus.    (Güthling.) 

plus  quam  diniidiura,  a  niaximo  inde  Scipiouum  usque  ad  magnum  Theo- 
dosiuni.  —  G.  L.  König  wollte  übrigens  356/57  streichen,  Burraann 
vinctos  lesen  für  iunctos,  Lydiacis  für  Judaicis  H.  Grote, 
Niliacis  oder  in  Attalicis  Heinsius:  alles  überflüssig;  dagegen  not- 
wendig scheint  mir  zu  sein  L.  Jeeps  quod  für  quae  357,  ut  coniun- 
geudum  esset  quidquid  inane  ludia  nutrit,  quod  pingitur  Ju- 
daicis velis,  quae  structura  paulo  liberior  nee  tarnen  ea  inaudita". 

Th.  Birt,  Zwei  politische  Satiren  des  alten  ßom.  Ein 
Beitrag  zur  Geschichte  der  Satire.  Marburg  i.  H.  Elwert.  1888. 
III.     IBO  S. 

Ebensowenig  wie  Ed.  Z e  (vgl.  Lit.  Centralblatt  1888,  Nr.  35 

S.  1195  f.)  kann  ich  Birt  beistimmen,  welcher  seine  Ansicht  zu  be- 
gründen sucht,  Claudian  sei  in  seiner  Invektive  gegen  Eutropius  durch 
des  Lucilius  26.  Buch  angeregt  und  bei  der  Durchführung  desselben 
wesentlich  beeinflufst  worden.  Vgl.  noch  E.  Zarncke,  Burs.-Müll.  Jahres- 
ber.  LXXIII(1892.  III)  S.  322;  Fr.  Marx,  Deutsche  Litterat. -Ztg.  1888 
Nr.  18  S.  662  f.;  J.  Mähly,  N.  philol.  Rdsch.  1888  Nr.  15  S.  236  ff.; 
J.  Stowasser,  Ztschrft.  f.  d.  öst.  Gymn.  XXXIX  11  S.  984  1;  J. 
Proschberger,  Blätter  f.  d.  bayr.  Gymn.  XXV  7  S.  334  ff.;  L.Jeep, 
Berl.  phil.  Wochenschr.  1890  Nr.  21  S.  664  f.,  nach  welchem  Birts  Ver- 
mutung sehr  viel  "Wahrscheinlichkeil  für  sich  hat. 

M.  Manitius,  Beiträge  zur  Geschichte  der  römischen 
Dichter  im  Mittelalter.  2.  Claudianus.  Philologus  49  (1890), 
S.  554—560. 

Claudian  findet  sich  nur  selten  in  alten  Handschriftenkatalogen 
erwähnt,  und  mit  der  Seltenheit  solcher  Erwähnungen  stimmt  die  ge- 
ringe Anzahl  der  erhaltenen  Handschriften  überein.  Doch  so  unbekannt, 
wie  es  darnach  scheinen  könnte,  ist  der  Dichter  im  Mittelalter  nicht 
geblieben,  denn  Citate  aus  seinen  Gedichten  finden  sich  bei  vielen  mittel- 
alterlichen Schriftstellern,  und  die  moralischen  Partien  aus  de  IV  cous. 
Honorii  gehören  beinahe  zu  den  meistgekannteu  Stellen  überhaupt.  Da 
in  späterer  Zeit  die  Gedichte  ad  Eufinum  und  in  Entropium  zu  den 
Schulbüchern  gehörten,  müssen  dieselben  sehr  verbreitet  gewesen  sein. 
Mehrere  Verse  Claudians  finden  sich  nun  bei  Augustinus,  Orosius,  Paulus 
Diaconus,  in  der  Historia  miscella  des  Landulfus  Sagax  und  bei  Otto 
von  Freising;  aus  der  älteren  Zeit  haben  namentlich  folgende  Autoren 
den  Claudian  benutzt:  Alcimus  Avitus  (s.  Peiper  im  Anhange  seiner  Aus- 
gabe und  Manitius,  Ztschrft.  f.  d.  öst.  Gymn.  1886  S.  244  ff.),  Sidonius 
Apollinaris,  welcher  sich  sehr  stark  an  Claudian  anlehnt  (s.  L.  Jeeps 
Ausg.  II  p.  LVII  ff.),    Ennodius,  Corippus  und  Venantius  Fortunatus, 


Claudianus.    (Güthling.)  261 

welcher  unseren  Dichter  sehr  stark  benutzt  hat.  Jedenfalls  ist  Claudian 
zur  Zeit  Karls  d.  Gr.  auch  ins  Frankenreich  gelangt,  da  einige  seiner 
Werke  in  Frankreich  und  Deutschland  schon  im  neunten  Jahrhundert 
vorhanden  waren.  Es  scheint  allerdings  lange  gedauert  zu  haben,  bis 
sich  die  Kenntnis  seiner  Werke  etwas  verbreitete. 

Nach  den  interessanten  Zusammenstellungen,  die  Manitius  nun  über 
die  Bekanntschaft  mit  den  Gedichten  Claudians  giebt,  war  derselbe  am 
meisten  in  Frankreich  bekannt  und  verbreitet,  wo  z.  B.  Alanus  de  In- 
sulis  sich  in  dem  Anticlaudianus  gegen  Claudian  richtet  und  seinen 
Antirufinus  dem  Rufinus  des  Claudian  gegenüberstellt;  ferner  in  Deutsch- 
land und  England,  weniger  in  Italien  und  noch  weniger  in  Spanien.  — 
Von  Florilegien  ist  der  Cod.  Berol.  ms.  Diez.  B.  Santen.  60  zu  er- 
wähnen, wo  sich  Fol.  I^  findet  ,proverbia  Claudiani',  Fol.  25^  ^Claudianus 
contra  Ruphinum'.  —  In  derselben  Weise  behandelt  Manitius  noch 
ITartialis. 

Julius  Koch,  Claudianea.  Philologus  49  (1890),  S.  567— 570 
und  744—748. 

In  Eutrop.  I  504  will  Koch  lesen  Agnosco  fremitum  quo  palluit 
Eurus;  in  Eutrop.  II  pf.  32  via  facit  pretium;  Epithal.  de  Nupt.  Hon. 
108  fordert  er  für  rapi  eine  andere  Wortbedeutung,  indem  er  zunächst 
erinnert  an  seine  Verwendung  für  sorberi  wie  in  Ruf.  I  207,  II  122. 
Venus  wird  gleichsam  von  den  Spiegeln  eingeschlürft  und  zwar  immer 
von  demjenigen,  auf  den  sie  blickt,  so  dafs  quocumque  videt  durch 
Atti'aktion  gesagt  ist  für  rapitur  a  tecto  quodcumque  videt.  Zur 
weiteren  Empfehlung  dieser  Wortbedeutung  wird  Juvenal.  VII  183  (al- 
gentem  rapiat  cenatio  solem)  und  Plin.  Hist.  Nat.  37,  132  (qui- 
dam  causam  nominis  [sc.  astrion]  reddunt,  quod  astris  opposita 
fulgorem  rapiat  et  regerat)  herangezogen.  De  tert.  cons.  Hon.  pf.  3 
schreibt  Koch  in  Anlehnung  an  die  Florentiner  Excerpte: 

e  scisso  saliit  cum  tegmine  proles. 

De  tert.  con.  Hon.  116  ff.  findet  K.  einen  auffallenden  Sprachgebrauch 
in  den  Worten  in  te,  wofür  Heinsius  per  te  lesen  wollte,  und  schlägt 
vor  zu  schreiben 

rursusque  locutae 

Uenti  Chaoniae  moverunt  carmina  quercus, 

S.  744  f.  handelt  K.  von  dem  syntaktischen  Zusammenhange  der  Stelle 
in  Mall.  Theod.  311  ff.  Er  hält  es  nicht  für  notwendig,  mit  Jeep  nach 
315  den  Ausfall  eines  Satzes  anzunehmen;  die  Punkte  in  315  und  319 
werden  zu  tilgen  sein.  De  quart.  cons.  Hon.  190  schlägt  Koch  Arctis 
für  astris  vor;    de  sext.  cons.  Hon.  48  arvaque  für  aeraque;    ebd. 


2()2  Claudianus.    (Giithling.) 

205  hie,  rursus  tum  pacta  movet;  Bell.  PoUeut.  174  devia  rura 
für  devia  rerum:  ebd.  632  ft".  acies  araisit  in  annis.  Anstofs 
nimmt  Koch  schliefslich,  ohne  eine  Emendation  vorzuschlagen,  an  in 
Curetium  10  ea  dem  und  de  piis  fratribus  20  meruere. 

R.  Vari,  Egyetemes  Philologai  Közlöni  (Zeitschrift  für 
allgemeine  Philologie),  Budapest  1889,  Supplementband  S.  361—365, 

handelt  über  ^einViridariumkodex  des  ungarischen  Nationalmuseums'. 
Die  Hs.  stammt  aus  saec.  XV  und  enthält  Excerpte  aus  Prudentius, 
Claudianus,  Vergilius,  Caius  Valerius,  Statins,  Lucanus  und  Ovidius. 
"Wie  aus  den  mitgeteilten  Vai-ianten  ersichtlich,  ist  der  Text  wertlos, 
dies  ein-  für  allemal  zu  konstatieren,  machte  sich  der  Verf.  zur  Aufgabe. 


/ 

JAHRESBERICHT 


über 


die  rortschiitte  der  classischen 

Alterthumswissensehaft 

begründet 
von 

Conrad   Bursian, 

herausgegeben 
von 

Iwan  V.  Müller, 

ordentl.  iiü'entl.  Piolessor  der  classischen  Philologie  an  der  Universität  München. 


Siebenundsiebenzigster  Band. 

Einundzwanzigster  Jahrgang.    1893 

Dritte  Abtheilung. 

ALTERTHUMSWISSENSCHAFT. 

Register  über  die  drei  Abtheilungen. 


>7 


BERLIN  1894. 

VERLAG  VON  S.  CALVARY  &  CO. 
NW.,  Luisenstr.  31. 


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JAHRESBERICHT 

über 

die  rortscMtte  der  classischen 

AlteFthumswissensehaft 

begründet 
Ton 

Conrad   Bursian, 

herausgegeben 

von  ^,    v_,  ,„,   ,  •  .> 

Iwan  V.  Müller, 

ordontl.  iiä'eiitl.  Professor  der  classischen  Philologie  an  der  Universität  München. 

Siebenundsiebenzigster  Band. 

Einundzwanzigster  Jahrgang.    1893. 

Dritte  Abtheiluug. 

ALTERTHUMSWISSENSCHAFT. 

Register  über  die  drei  Äbtheilungen. 


BERLIN  1894. 

VERLAG  VON  S.  CALVARY  &  CO. 
NW.,  Luieenstr.  31. 


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T 11  h  a  1 1  s  •  V  e  r  z  e  i  c  h  11  i  s  s 

des  sieltonundsiebeuzigsten  Baudet:. 


.Tahn'sluM'icht  üIxt  die  (TiMiorapJiic  von  .Aüttcl-  und  OIhm- 
Italion.  dem  iMiniisflicn  Gallien,  P)j-itainii(Mi  und  Hispa- 
ni(Mi.    \(.n  Dil.  Prot.  Dl.  I)  Detletsen  in  Glückstadt.     1—28 

Bei'iclit  iil)t'r  Geograidiie  von  (iiiecheniaiid.  Von  Prof. 
Dr.  Eniicn   Olx^rliunijiicr  in  ^[ünrlien    ....       29  — 9fi 

Jahresboriclit  über  die  lateinische  Graniinatik.  \on 
Direktor  Dr.  A\'.  Deecke  in  ^lühlhaiisen      .     .     .     97 — Höti 


Jahresbericht  über  die  Geographie  von  Mittel- 

und  Ober-Italien,  dem  römischen  Gallien, 

Britannien  und  Hispanien. 

Von 

Direktor  Professor  Dr.  D.  Detlefsen 

in  Glückstadt. 


I.  Allgemeiner  Teil. 

Der  letzte  Jahresbericht  über  die  Geographie  der  nördlichen  Pro- 
vinzen des  römischen  Reiches  erschien  im  Jahre  1881  (Bd.  XXVIII,  380 
bis  396).  Inzwischen  haben  sich  erfreulicher  Weise  die  Studien  diesem 
Gebiete  in  so  ausgedehnter  Weise  zugewandt,  dafs  es  nicht  wohl  mög- 
lich ist,  einen  Bericht  darüber  zu  geben,  der  nicht  einen  allzugrofsen 
Raum  in  Anspruch  nähme.  Es  geschieht  daher  im  Einverständnis  mit 
der  Redaktion,  dafs  der  Berichterstatter  dies  Mal  den  weitschichtigen 
Stoff  in  zwei  Abteilungen  trennt,  deren  erste  sich  auf  die  Quellenschrift- 
steller des  Altertums,  und  zwar  in  der  Kürze  auch  auf  solche,  die  über 
den  Rahmen  der  Nordprovinzen  des  Römerreiches  hinausgehen,  bezieht, 
während  der  zweite,  den  Provinzen  der  Reihe  nachfolgend,  die  Fort- 
schritte verzeichnen  wird ,  welche  die  geographische  Erforschung  der- 
selben gemacht  hat.  Die  Anordnung  der  ersten,  hier  vorzulegenden  Ab- 
teilung wird  sich  der  zeitlichen  Folge  der  Quellenschriftsteller  möglichst 
anschliefsen;  doch  wird  es  nicht  angebracht  sein,  hier  die  Resultate  der 
Einzelkritik  hervorzuheben,  die  in  der  zweiten  Abteilung  ihren  Platz 
finden  mögen,  sondern  die  Gesichtspunkte  und  Richtungen,  welche  die 
Einzelstudien  festgehalten  und  eingeschlagen  haben,  kurz  anzugeben.  Vor- 
anzustellen sein  wird  der  Bericht  über  ein  paar  allgemeinere  einschlägige 
litterargeschichtliche  Arbeiten. 

1)  Dr.  M.  C.  P.  Schmidt,  Zur  Geschichte  der  geographischen 
Litteratur  bei  Griechen  und  Römern.  Prog.  des  Askanischen  Gymn. 
zu  Berlin   1881.  27  S.  4. 

Die  Arbeit  giebt  eine  allgemein  verständliche ,  zeitlich  geordnete 
Darstellung  einer  Reihe  alter  geographischer  Schriftsteller  von  den  Kar- 
thagern Hanno  und  Himilko,  dem  Griechen   Skylax  an  bis  zu  Herodot; 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft  LXXVII.  Bd.  (1898.  III.J  1 


2  Älteste  Geographen. 

sie  entspricht  also  nicht  voll  ihrem  Titel.  Ist  sie  auch  mit  Fleifs  gear- 
beitet, so  enthält  sie  doch  kaum  etwas  wissenschaftlich  Neues.  Mit  Vor- 
liebe macht  der  Verf.  auf  solche  Nachrichten  der  Alten  aufmerksam,  die 
in  der  Neuzeit  teils  ihre  Bestätigung,  teils,  nachdem  sie  lange  für  wahr 
gehalten,  ihre  Widerlegung  fanden. 

2)  H.  Berger,  Geschichte  der  wissenschaftlichen  Erdkunde  der 
Griechen.  Erste  Abt.  Die  Geographie  der  Jonier.  Leipz.  1887,  Veit 
&  Co.  145  S.  8.  2.  Abt.  Die  Vorbereitungen  für  die  Geographie  der 
Erdkugel.     Ebd.  1889.  150  S.  8. 

Dies  Werk  ist  sicherlich  die  bedeutendste  wissenschaftliche  Lei- 
stung des  letzten  Jahrzehnts  auf  dem  Gebiete  der  Geschichte  der  älteren 
griechischen  Erdkunde,  deren  Umrisse  dadurch  wohl  auf  lange  Zeit  fest- 
gelegt sind.  Beide  Abteilungen  habe  ich  in  der  Berliner  philol.  Wochen- 
schrift 1887,  244  ff.  und  1892,  löff.  kurz  angezeigt.  Da  sie  die  römische 
Erdkunde  und  ihre  Quellen  noch  kaum  an  irgend  einem  Punkte  be- 
rühren, so  darf  ich  hier  wohl  auf  ein  näheres  Eingehen  verzichten. 

3)  H.  Entz,  Über  den  Periplus  des  Hanno.  Progr.  von  Marien- 
burg 1884.  48  S.  4. 

Der  Verf.  ist  mit  all  den  Fragen,  die  bei  der  Behandlung  dieser 
altehrwürdigen  Urkunden  in  Betracht  kommen,  sehr  genau  vertraut;  er 
stellt  es  sich  zur  Aufgabe,  die  bisherigen  Ansichten  über  die  Stationen 
und  die  Ausdehnung  der  in  ihr  beschriebenen  Entdeckungsreise  noch 
einmal  nachzuprüfen  und  zu  klären.  Dazu  zieht  er  neu  heran  die  Karten 
und  besonders  die  Reiseberichte  der  Neueren  über  die  afrikanische  West- 
küste, indes  nicht  ohne  sie  stets  mit  den  älteren  zu  vergleichen.  So  ver- 
folgt er  schrittweise  in  Einzeluntersuchungen  den  Weg  Hannos  von  den 
Säulen  des  Herkules  an,  als  welche  er  Gades  und  das  Kap  Spartel  er- 
mittelt. Über  die  ersten  Stationen  sind  die  Abweichungen  von  C.  Müller 
(in  den  Geogr.  gr.  min.)  weniger  bedeutend ,  wohl  aber  in  den  letzten. 
Er  setzt  den  Chretes  gleich  dem  Senegal,  den  Krokodilflufs  gleich  dem 
Gambia,  das  'Eanifjou  y.ipag  gleich  dem  Golf  der  Elfenbeinküste,  SziLv 
o/JjIw.  gleich  dem  Ningo  Peak ,  das  ^ötou  xifja^  gleich  dem  Golf  von 
Benin.  Die  Vermutungen  über  diese  Örtlichkeiten  werden  aber  damit 
wohl  nicht  abgeschlossen  sein,  da  sie  auf  einer  vielfach  unsicheren  Grund- 
lage beruhen.  Der  Druck  der  griechischen  Citate  ist  leider  übervoll  an 
Fehlern. 

4)  J.  Geffken,  Timaios  Geographie  des  Westens  (Philol.  Unters, 
herausg,  von  A.  Kiessling  und  M.  von  Wilamowitz-Möllendorf.  13.  Heft) 
Berl.  1892.  206  S.  8. 

Müllenhoff  hatte  gegen  den  Schlufs  des  ersten  Bandes  seiner  deut- 
schen  Altertumskunde  die   Untersuchung   über   die  auf  Timäus  zurück- 


Timaeus.  3 

gehenden  Bestandteile  der  ältesten  Kunde  vom  Westen  und  Norden 
Europas  in  umfassender  Weise  aufgenommen  und  mit  mehr  oder  minder 
Wahrscheinlicbkeit  besonders  aus  den  pseudo-aristotelischen  Mir.  ausc. 
und  aus  Diodor  den  zuletzt  in  den  Fragm.  bist,  graec.  B.  1  gesammelten 
Schatz  der  Bruchstücke  jenes  Schriftstellers  beträchtlich  vermehrt.  Seinen 
Spuren  ist  G.  gefolgt,  aber  noch  weit  über  sie  hinausgegangen,  indem 
er  (S.  1 — 99)  nicht  nur  Müllenhoffs  Untersuchungen  nachprüft  und  die 
Resultate  erweitert,  sondern  auch  indem  er  den  Lykophron  und  dessen 
Scholien,  sodann  den  Trogus,  Varro,  Vorgil  und  Silius  Italicus  als  Aus- 
nutzer des  Timäus  heranzieht.  Zwar  hat  er  auch  auf  diesen  Gebieten 
hier  und  da  Vorarbeiter  gehabt,  indes  in  so  umfassender  und  systema- 
tischer Weise,  wie  von  ihm,  waren  diese  Fragen  noch  nicht  behandelt 
worden. 

Auf  Grund  dieser  Einzeluutersuchungen  hat  G.  dann  (S.  100 — 171) 
all  die  Bestandteile  jener  Schriftsteller,  die  er  auf  Timäus  zurückführt, 
geographisch  geordnet,  so  dafs  Sicilien,  die  umliegenden  Inseln,  Illyrien 
mit  Liburnien,  Italien,  Ligurien  mit  Gallien  und  Spanien,  Britannien, 
Libyen ,  endlich  Korsika  und  Sardinien  die  einzelnen  Abschnitte  be- 
zeichnen. 

»Das  wäre  also  etwa  Timaios'  Geographie  des  Westens,  wie  sie 
sich  heute  noch  zurückgewinnen  läfst,  vielleicht  eher  noch  zu  wenig  als 
zuviel«;  so  beginnt  der  Verf.  einen  letzten  Abschnitt  (S.  172—191)  mit 
der  Überschrift:  Schlufsresultat.  Er  giebt  hier  eine  ausgeführte  Charak- 
teristik des  Schriftstellers,  weiter  eine  Übersicht  seiner  Nachwirkung  und 
seiner  Gegner  bis  zu  Dionysius  von  Halicarnafs,  während  er  bei  Plinius 
mit  Zweifeln,  bei  den  späteren  Schriftstellern,  die  den  Timäus  nennen, 
sicher  keine  unmittelbare  Entlehnung  annimmt.  An  das  so  gewonnene 
Urteil  des  Altertums  über  Timäus  knüpft  er  endlich  noch  einige  beach- 
tenswerthe  Bemerkungen  über  die  Bedeutung  der  von  ihm  gesammelten 
Nachrichten  für  die  Ethnographie. 

Überhaupt  haben  diese  Nachrichten  ja  mehr  einen  mythographi- 
schen,  historischen,  antiquarischen  und  ethnographischen  als  im  engeren 
Sinne  geographischen  Wert,  und  die  Fülle  sowie  der  reiche  Inhalt  der- 
selben in  jenen  Beziehungen  ist  in  G.'s  Zusammenstellung  in  der  That  über- 
raschend. Ob  freilich  alle  seine  Aufstellungen  stichhaltig  befunden  werden, 
darf  vielleicht  bezweifelt  werden,  denn  wie  G.  öfters  von  Müllenhoff  und  dessen 
Rezensenten  Gutschmid  abweicht,  so  werden  andere  Gelehrte  ohne  Zweifel 
wieder  von  ihm  in  manchen  Einzelheiten  abweichen;  läfst  sich  doch,  wie 
überall  auf  diesem  Gebiete,  so  auch  hier  nur  zu  einer  mehr  oder  minder 
beschränkten  Wahrscheinlichkeit  gelangen,  und  ist  doch  bei  der  ganzen 
mehr  nur  sammelnden  Thätigkeit  des  Timäus  ein  klares,  ihn  von  andern, 
ähnlichen  Schriftstellern  späterer  Zeit  deutlich  unterscheidendes  Merkmal 
gar  nicht  oder  nur  selten  nachweisbar.  Als  Beispiel,  dafs  G.  nicht  immer 
die  neuesten  Hilfsmittel  verwertet  hat,  führe  ich  eine  merkwürdige,  un- 

1* 


4  Polybius. 

sere  nordische  Geographie  betreffende  Stelle  an,  in  Betreff  deren  er  sich 
blindlings  auf  ein  veraltetes  Citat  Müllenhoffs  verlassen  hat.  In  dem  von 
Timäus  benutzten  Berichte  über  das  Bernsteinland  (bei  Plin.  N.  H.  37,35) 
schliefst  er  sich  (S.  68)  ganz  jenem  (in  der  Deutschen  Altertsk.  1,  476 ff.)  an, 
der  von  der  in  Silligs  Ausgabe  vorgezogenen,  schlechteren  Überlieferung 
jüngerer  Handschriften  ausgehend  gutonibus  in  teutonibus  ändert  und 
die  Lesart  der  besten  Handschrift  B  guionibus  nicht  einmal  erwähnt, 
auf  Grund  deren  Müller  in  seinem  Ptolem.  1,  423  zu  ganz  andern  Re- 
sultaten kommt,  indem  er  dafür  Suionibus  einsetzt.  Ob  dies  mit  Recht 
geschehen,  will  ich  nicht  entscheiden;  denkt  man  mit  MüUenhoff  an 
die  Nordseeküste  als  Wohnort  des  bei  Plinius  genannten  Volkes,  so  kann 
man  in  den  Guiones  auch  wohl  eine,  vielleicht  .schon  auf  Pytheas  zu- 
rückgehende Verstümmelung  aus  Inguiones,  d.  h.  Inguaeones  sehen.  Aber 
auch  Müller  bat  so  wenig  wie  MüUenhoff  und  G.  im  weiteren  Text  die 
bessere  Überlieferung  zu  Rate  gezogen.  Freilich  ist  das  letzte  Buch 
der  Nat.  Hist.  in  allen  Handschriften  arg  entstellt  und  verstümmelt,  dafs 
aber  Sillig  hier  die  Verwandtschaftsverhältnisse  derselben  in  keiner  Weise 
durchschaute,  glaube  ich  in  meiner  1873  erschienenen  Ausgabe  desselben 
bewiesen  zu  haben.  Danach  ist  der  Name  des  aestuarium,  in  dem  der 
Bernstein  vorkam,  nicht  Metonomon,  wie  G.  nach  MüUenhoff  schreibt, 
sondern  Metuonis  (Metuonidis  nomine),  ein  Name,  dessen  Endung  —  is 
auf  griechische  Überlieferung  hinweist,  während  die  Silbe  —  uon  — 
wohl  als  eine  germanische  Ableitung  zu  deuten  ist. 

Indes,  mögen  auch  noch  manche  andere  Stellen  des  Buches  Zweifel 
und  Widerspruch  veranlassen,  es  ist  jedenfalls  sehr  anregend  und  wird 
sicherlich  der  weiteren  Forschung  über  Timäus  und  die  alten  Geographen 
vielfachen  Anstofs  geben. 

5)  Wagner,  Die  Erdbeschreibung  des  Timosthenes  von  Rhodos. 
Leipzig  1888. 

Das  Buch  ist  mir  erst  nachträglich  und  nur  dem  Titel  nach  be- 
kannt geworden. 

6)  M.  C.  P.  Schmidt,  Über  die  geographischen  Werke  des  Poly- 
bios,  in  Fleckeisens  Jahrb.  28.  Jahrg.  1882.  S.  113 — 122. 

Der  Verf.  widerlegt  die  von  verschiedenen  Gelehrten  aufgestellten 
Ansichten,  dafs  Polybios  aufser  dem  34.  Buch  seiner  Geschichte  noch 
geographische  Abhandlungen  geschrieben  habe.  Zwei  angebliche  Schriften 
de  zonis  et  polis  mundi  und  ein  periplus  oris  libycae  sind  ohne  Schwierig- 
keit zu  beseitigen,  die  dritte  r.tpi  zr^q  -stA  tuv  lar^jispivov  ocx^cracug, 
welche  von  Geminos  citiert  werde,  ist  nach  dem  Verf.  wohl  nur  als  ein 
Teil  von  B.  34  anzusehen,  wie  denn  auch  bei  anderen  Schriftstellern  bis- 
weilen Teile  einzelner  Bücher  mit  Sondcrtiteln  bezeichnet  werden. 


Artemidor,  Posidonius,  Varro.  5 

7)  G.  Rüge,   Quaestiones  Artemidoreae  in  doii   Commentationes 
Ribbeckianae.  Lips.  1888.  S.  475—485. 

Der  Verfasser  behandelt  die  §§8  —  19  des  Agathemerus,  die  einen 
Periplus  der  Hauptmeerbusen  und  die  Mafsangaben  der  Erdteile  ent- 
halten, um  zu  ermitteln,  aus  welcher  Quelle  sie  stammen.  Als  solche 
stellt  er  teils  Eratosthenes,  teils  Artemidor  auf.  Manche  Punkte  hatte 
ich  bereits  in  der  unter  No.  10  zu  besprechenden  Arbeit  behandelt,  die 
dem  Verf.  unbekannt  geblieben  war.  Unsere  Resultate  stimmen  vielfach 
nicht  zusammen,  doch  glaube  ich  auf  den  meinen  bestehen  zu  dürfen. 

8)  F.  Schühlein,  Studien  zu  Posidonius   Rhodius.     Progr.  von 
Freising.  1886.  80  S.  8. 

Die  Arbeit  besteht  aus  einer  Reihe  einzelner  Studien,  deren  fünf 
erste  sich  auf  die  Chronologie  der  Lebensgeschichte  des  Posidonius  be- 
ziehen. Der  sechste  behandelt  seine  Reisen,  nach  dem  Westen  bis  Gades 
hin,  sucht  deren  Zeit  und  Dauer  sowie  die  Umstände,  unter  denen  sie 
gemacht  wurden,  näher  zu  bestimmen,  ohne,  wie  es  scheint,  wesentlich 
Neues  zu  ermitteln.  Die  letzten  vier  betreffen  wieder  Einzelheiten  aus 
der  Lebensgeschichte,  vier  kurze  Anhänge  geben  sachliche  Erklärungen 
zu  einzelnen  geographischen  Fragmenten. 

9)  R.  Reitzenstein,  Die  geographischen  Bücher  Varros,  im  Her- 
mes XX  (1885)  514—551. 

Die  Arbeit  behandelt  in  vortrefflicher  Weise  die  Fragen  nach  dem 
Inhalt  der  libri  disciplinarum,  legationum  und  de  ora  maritima,  sowie 
der  Bücher  VHI — XHI  der  antiquitates  Varros,  in  denen  de  locis  ge- 
handelt war.  Zwar  kann  hier  vielfach  nur  mit  Möglichkeiten  und  nur 
selten  mit  Wahrscheinlichkeiten  gerechnet  werden,  indes  sind  die  Aus- 
führungen des  Verf.  mit  grofser  Umsicht  und  Vorsicht  gegeben.  Die 
beiden  zuerst  genannten  Werke  werden  aus  der  Zahl  der  eigentlich  geo- 
graphischen ausgeschieden,  in  den  Büchern  de  ora  maritima  wird  eine 
Art  von  Belehrung  und  Anweisung  für  Schiffer  gefunden,  da  von  den 
Winden,  den  Wettervorzeichen,  den  Flutströmungen,  den  Seeküsten  und 
ähnlichem  gehandelt  war.  Solin  citiert  das  Buch  nachlässig  unter  dem 
Titel  de  litoralibus,  Vegetius  als  libri  navales. 

Dagegen  werden  die  zahlreichen  chorographischen ,  mit  Sicherheit 
oder  Wahrscheinlichkeit  auf  Varro  zurückzuführenden  Bruchstücke  viel- 
mehr den  Büchern  de  locis  in  den  antiquitates  zugewiesen.  Besonders 
gelungen  scheint  der  Nachweis  zahlreicher  Reste  derselben  bei  Festus, 
die  sich  vielfach  mit  Stellen  in  Plinius  geographischen  Büchern  nahe 
berühren  und  auf  eine  umfassende  Benutzung  der  antiquitates  durch 
letzteren  schliefsen  lassen.  Auch  die  Konkordanzen  zwischen  Mela,  Pli- 
nius und   gewissen  Solinstellen  werden  hierfür  ausgenutzt.     Ich  möchte 


6  l'liuius. 

CS  gar  für  wabrscheiulich  lialteu,  was  der  Verf.  uicbt  ausführt,  dafs  die 
von  mir  auf  Varro  zurückgeführten  Teile  der  Beschreibung  Spaniens  bei 
Pliüius  (s.  Comment.  Momnis.  28)  auf  dieselbe  Schrift  zurückgehen,  zumal 
da  die  Zeit,  in  der  sie  verfafst  sein  müssen,  dazu  stimmt;  denn  als 
solche  glaube  ich  die  Jahre  zwischen  705  und  727  festgestellt  zu  haben, 
während  die  libri  antiquitatum  im  Jahre  707  verfafst  zu  sein  scheinen. 
Besonders  im  Plinius  dürfte  eine  methodische  Untersuchung  noch  manche 
weitere  Reste  varrouischer  Gelehrsamkeit  mit  nicht  geringer  Wahrschein- 
lichkeit nachweisen  können,  die  denselben  Büchern  zuzuschreiben  sind. 

Der  Wunsch,  den  ich  am  Schlufs  des  Jahresberichtes  von  1881 
ansprach,  es  möge  die  Untersucliung  über  die  geographischen  Bücher 
des  Plinius  und  ihre  Quellen  mit  neuen  Kräften  aufgenommen  werden, 
ist  inzwischen  nach  verschiedenen  Seiten  hin  erfüllt  worden.  Eine  An- 
zahl von  Gelehrten  hat  eine  gewisse  Gruppe  von  Quellenschriften,  die 
durch  besondere  Eigentümlichkeiten  leicht  im  übrigen  Texte  erkennbar 
sind,  zum  Gegenstand  ihrer  Forschungen  gemacht,  und  nicht  ohne  Er- 
folg. Immer  deutlicher  tritt  nach  Inhalt,  Umfang  und  Form  besonders 
das  statistische  Werk  hervor,  welches  eine  Übersicht  der  Gemeinden  des 
römischen  Reiches  zur  Zeit  des  Augustus  enthielt;  über  dessen  Verfasser 
freilich  sind  die  Ansichten  noch  geteilt.  Auch  über  andere  Quellen  ist 
mancherlei  Äufschlufs  gewonnen. 

10)  D.  Detlefsen,  Die  Mafse  der  Erdteile  nach  Plinius.  Pro- 
gramm von  Glückstadt  1883.  16  S.  4. 

Plinius  bestimmt  das  Gröfsenverhältnis  der  Erdteile  zu  einander 
aus  den  Summen  ihrer  Küstenausdehnung  längs  des  Mittelmeeres  und 
ihrer  gröfsten  gemessenen  Breite  innerhalb  des  Umfanges  des  römischen 
Reiches.  Diese  Mafsangaben  hat  Plinius  gröfstenteils  aus  Artemidor 
entlehnt.  Während  sie  2,  242 ff.  in  ihrer  Gesamtheit  zusammengestellt 
sind,  kehren  die  meisten  einzeln  in  der  Länderbeschreibung  der  folgen- 
den Bücher  wieder.  Alle  diese  Zahlen  werden  unter  Hinzuziehung  der 
sonstigen  Überlieferungen  textkritisch  behandelt,  wobei  insbesondere  die 
dem  Plinius  eigentümliche  Zahlenschreibuug  berücksichtigt  wird. 

11)  D.  Detlefsen,  Untersuchungen  zu  den  geographischen  Bü- 
chern des  Plinius.  2.  Die  Quellen  des  Plinius  in  der  Beschreibung 
des  Pontus.     Philologus  Bd.  oo,  S.  691—704. 

Die  Arbeit  enthält  eine  der  obigen  ähnliche,  sich  besonders  au  die 
Zahlenüberlieferung  anschliefsende  Untersuchung  über  die  Quellen  des 
Plinius  in  der  Beschreibung  des  in  sich  abgeschlossenen  Gebietes  des 
Pontus.  Eratosthenes,  Varro,  Artemidor  und  Agrippa  kommen  dabei  be- 
sonders in  Betracht. 

Einen  ganz  verschiedenen  Weg  schlägt  ein 


Augustus.  7 

12)  E.  Seh  weder,  Beiträge  zur  Kritik  der  Chorographie  des 
Augustus.  Dritter  Teil.  Über  die  »Chorographia«,  die  römische  Quelle 
des  Strabo,  uud  über  die  Provinzialstatistik  in  der  Geographie  des 
Plinius.     Kiel  1883.     59  S.  8. 

Über  Teil  1  dieser  Beiträge  s.  Jahresb.  VIII,  310,  über  Teil  2  ebd. 
XXIII,  91;  diesen  3.  Teil  habe  ich  bereits  im  Philol.  Anz.  1883,  566ff. 
recensiert.  Hier  werde  nur  kurz  wiederholt,  dafs  der  Verf.  schon  im 
Teil  2  die  von  Mülleuhoff  und  Mommsen  aufgestellte  Ansicht  verfochten 
hatte,  dem  Werke  des  Mela  und  den  geographischen  Büchern  des  Plinius 
liege  hauptsächlich  eine  gröfsere,  auf  Aniafs  des  Augustus  verfafste 
Schrift  über  den  gesamten  Erdkreis  zu  Grunde.  Er  versucht  nun  diese 
Ansicht  weiter  auszuführen  und  ebenfalls  bei  Strabo  einen  gröfseren  Be- 
standteil jenes  Werkes  nachzuweisen.  Ist  die  Arbeit  auch  mit  grofsem 
Fleifse  ausgeführt  und  durch  die  Zusammenstellung  der  Konkordanzen 
dankenswert,  so  kann  ich  doch  ihren  Schlufsfolgerungeu  in  den  Haupt- 
sachen eben  so  wenig  beitreten,  wie  denen  der  früheren  beiden  Teile. 

13)  E.  Borraann,  Bemerkungen  zum  schriftlichen  Nachlasse  des 
Kaisers  Augustus.  Rektoratsprogramm  der  Universität  Strafsburg  für 
1884.    Marb.  1884.  40  S.  4. 

Die  Abhandlung  beschäftigt  sich  in  ihrem  ersten  Teile  mit  dem 
Monumentum  Ancyranum,  im  zweiten  (S.  33flf.)  mit  der  augusteischen 
Reichsstatistik  und  insbesondere  mit  der  äufseren  Form  der  darin  gege- 
benen Gemeindeverzeichnisse,  doch  beschränkt  sie  sich  nur  auf  Italien. 
B.  kommt  zu  der  durch  die  Form  dieser  Verzeichnisse  bei  Plinius  nahe 
gelegten  Ansicht,  dafs  die  einzelnen  Namen  in  der  Form  des  Ethnikon 
aufgeführt  seien,  und  dafs  Plinius  durch  zufällige  Beisätze,  die  er  bei 
einzelnen  Namen  hinzufügte,  veranlafst  sei,  hie  und  da  den  Ortsnamen 
selbst  einzusetzen,  so  dafs  er  regelmässig  z.  B.  Amerini,  Attidiates  u.  s.  w., 
nur  ausnahmsweise  z.  B.  Caesena,  Claterna  u.  s.  w.  schrieb.  Doch  kann 
dieser  Wechsel  in  der  Form  wohl  auch  mit  dem  in  manchen  ähnlichen 
Dingen  erkennbaren  Streben  des  Plinius  zusammenhängen,  das  er  in 
der  Praef.  15  ausspricht:  Res  ardua  vetustis  novitatem  dare  .  .  .  obso- 
letis  nitorem  .  .  .  fastiditis  gratiam;  er  wollte  einfach  Wechsel  in  die 
Eintönigkeit  bringen,  wie  er  denn  auch  die  jenem  Verzeichnis  sicher 
entlehnten  oppida  der  Provinz  Afrika  (5,  29  f.)  wieder  in  anderer  Form 
als  Assuritanum,  Abutucense  u.  s.  w.  aufführt.  Welche  Formen  also 
Augustus  im  Verzeichnisse  vorgezogen  habe,  läfst  sich  auf  diesem  Wege 
schwerlich  bestimmen ;  die  aus  mehreren  Werken  zusammengesetzten  Na- 
men der  Kolonien  und  Municipien  der  Provinzen  wird  er  aber  schwerlich 
mit  dem  Ethnikon  angeführt  haben.  Beifall  wird  auch  die  Ansicht  B.s 
schwerlich  finden,  dafs  Augustus  die  von  ihm  selbst  angelegten  Kolonien 
Italiens  durch  den  Beisatz  »coloni  mei«  von  den  übrigen  unterschieden 


g  Augustus. 

habe,  für  welche  absonderliche  Aunahme  die  augeführten  Gründe  schwer- 
lich ausreichen. 

14)   0.  Cuntz,  De  Augusto,  Plinii  geograpborum  auctore.  Doktor- 
diss.  Bonnae  1888.  49  S.   8. 

Diese  Arbeit  behandelt  ausführlich  einige  von  mir  in  den  Comment. 
Mommseuianae  S.  23  —  34  nur  kurz  angedeutete  Fragen  über  die  Ein- 
richtung der  augusteischen  Reichsstatistik;  sie  beschränkt  sich  auf  die- 
jenigen westlichen  Provinzen  des  Reiches,  über  welche  die  hierher  ge- 
hörigen Angaben  am  vollständigsten  vorliegen,  und  sucht  durch  Beob- 
achtung der  in  den  Städtereihen  vorkommenden  und  noch  nicht  vor- 
kommenden Rang-  und  Nameuangaben  genauer  zu  bestimmen,  zwischen 
welchen  Jahren  die  Gemeindeverzeichnisse  der  einzelnen  Provinzen  an- 
gelegt sind.  Dem  Verf.  steht  es  also  nicht  von  vornherein  fest,  was  an 
sich  doch  wahrscheinlich  ist,  dafs  der  Urheber  der  Verzeichnisse,  ob  es 
nun  Agrippa  oder  Augustus  war,  den  genauen  Gemeindebestand  des 
Reiches  in  einem  bestimmten  Zeitpunkte  habe  angeben  wollen.  Streng 
genommen  hätte  der  Verf.  auch  die  drei  spanischen  Provinzen  gesondert 
und  nicht  als  ein  Ganzes  betrachten  müssen,  indem  er  festellt,  dafs 
deren  Listen  nach  19  oder  15  v.  Chr.  Geburt  und  vor  den  letzten  Jahren 
des  Augustus  verfafst  seien.  In  der  Textgestaltung  der  Listen  dieser 
Provinzen  schliefst  er  sich  in  allem  Wesentlichen  den  von  mir  aufgestellten 
Ansichten  au  und  begründet  S.  12  f.  ausführlicher  die  Eigenschaft  von 
Bilbilis  als  Kolonie. 

In  ähnlicher  Weise  behandelt  er  dann  die  Städtelisten  der  Narbo- 
nensischen  Provinz.  Besonders  schwierig  ist  in  der  augusteischen  Be- 
schreibung Italiens  die  Lösung  der  Frage,  welcher  Art  und  welchen  Ur- 
sprungs die  Kolonien  sind,  welche  dort  genannt  werden.  Der  Verf.  be- 
handelt sie  zunächst  iu  einem  Exkurs  S.  19tf.  de  coloniis  Tiberianis,  in- 
dem er  nachzuweisen  sucht,  dafs  Kolonien  mit  dem  Beinamen  Julia  oder 
Julia  Augusta  nicht  nur  auf  Augustus,  sondern  auch  auf  den  Kaiser 
Tiberius  zurückgeführt  werden  können.  Seine  Gründe  und  die  ange- 
führten Beispiele  scheinen  mir  sehr  beachtenswert.  Sind  sie  richtig,  so 
liegt  kein  zwingender  Grund  zu  der  Annahme  vor,  dafs  es  auf  einem 
Fehler  beruhe,  wenn  gewisse  Städte  mit  jenen  Beinamen  nicht  unter  den 
bei  Plinius  genannten  italischen  Kolonien  erscheinen.  Indes  die  Frage, 
aus  welchen  Gründen  nur  die  von  Plinius  bezeichneten  Kolonien  als 
solche  vorkommen,  bleibt  doch  noch  vielfach  in  Dunkel  gehüllt,  und  we- 
der die  von  Beloch  (der  italische  Bund  [1881]  iff.)  und  von  Moramsen 
(die  italischen  Bürgerkolonion  von  Sulla  bis  Vespasian,  im  Hermes  XVIII 
[1883]  161-213),  noch  die  von  Kuntz  versuchten  Lösungen  sind  bisher 
befriedigend  zu  nennen.  Ähnliche  Schwierigkeiten  erheben  sich  bei  den 
Listen  der  Städte  Illyricums,  Siciliens  und  Afrikas,  auf  die  im  Einzelnen 
hier  einzugehen  zu  weit  führen  würde. 


Agrippa  und  Augustus.  9 

Die  vom  Verf.  ermittelten  Zeiträume,  innerhalb  welcher  die  Ge- 
meindelisten der  einzelnen  Provinzen  abgefafst  seien,  widersprechen  nicht 
der  von  mir  (Comm.  Momms.  31)  auf  anderem  Wege  gewonnenen  Be- 
stimmung, dafs  die  Schrift  von  Augustus  nach  dem  Jahre  10  nach  Chr. 
Geburt  verfafst  sei.  Aufgefallen  ist  mir,  dafs  der  Verf.  mit  keinem 
Worte  die  Stellung  der  gentes  in  diesen  Listen  erwähnt,  die  doch  in 
den  Listen  der  spanischen  Provinzen  und  der  Regionen  Italiens  eine  be- 
stimmte Rolle  spielen.  Dafs  die  Listen  beim  Census  zu  Grunde  gelegt 
wurden,  ist  längst  angenommen  und  nicht  erst  eine  Entdeckung  des 
Verfassers. 

15)  0.  Cuntz,  Agrippa  und  Augustus  als  Quellenschriftsteller  des 
Plinius  in  den  geographischen  Büchern  der  Nat.  Hist.  (Abdruck  aus 
dem  17.  Supplementb.  von  Fleckeisens  Jahrb.  S.  474  — 526). 

Der  Verf.  giebt  hier  die  Fortsetzung  und  den  Abschlufs  der  obigen 
Untersuchung,  bewegt  sich  in  denselben  Geleisen  und  fügt  die  dort  noch 
nicht  behandelten  Provinzen  hinzu. 

Dafs  in  Lyciens  Beschreibung  Spuren  der  augusteischen  Listen 
enthalten  seien,  scheint  mir  jedoch  sehr  unwahrscheinlich;  der  Verf.  er- 
hält dies  ihm  selbst  zweifelhafte  Resultat  nur  dadurch,  dafs  er  den 
ersten,  dem  folgenden  ganz  gleichartigen,  aber  nicht  alphabetischen  Teil 
der  Liste  dortiger  Städte  ganz  unberücksichtigt  läfst.  Bei  der  Behand- 
lung der  Provinz  Asien  ist  mir  aufgefallen,  dafs  die  ihrer  Natur  nach 
meines  Erachtens  auf  die  augusteische  Statistik  zurückgehende  Nach- 
richt am  Schlufs  der  Provinzialbeschreibung  5,  150:  is  (sei.  Bosporus) 
finis  Asiae  est  populorumque  CCLXXXIL  qui  ad  eura  locum  a  fine  Lyciae 
numerantur,  nicht  berücksichtigt  wird.  Leider  sind  die  Einzelzahlen  in 
der  Beschreibung  nicht  ausreichend,  um  mit  ihnen  eine  genügende  Kon- 
trolle anstellen  zu  können. 

In  einzelnen  Punkten  scheint  der  Verf.  über  das  Ziel  hinauszu- 
schiefsen.  Ein  wesentlicher  Grund,  weshalb  er  die  Gemeindelisten  auf 
Augustus  zurückführt,  ist  der,  dafs  die  Namen  oft  in  der  Form  des  Eth- 
nikons  erscheinen  (s.  zu  No.  13),  als  ob  diese  nicht  auch  bei  anderen 
Schriftstellern  oft  genug  vorkämen.  Ja,  dies  ist  für  ihn  der  Hauptgrund, 
um  die  4,  85  angeführten  Städte  der  taurischen  Halbinsel  als  aus  der 
Statistik  entlehnt  anzusehen,  da  sie  doch  aufser  aller  alphabetischen  Ord- 
nung angeführt  sind,  die  meines  Erachtens  ein  Hauptmerkmal  der  Sta- 
tistik ist.  Aus  demselben  Grunde  scheint  mir  auch  die  Annahme  um- 
fänglicher Benutzung  der  Statistik  in  der  macedonischen  Provinz,  in  Sar- 
dinien und  Korsika  kühn  zu  sein.  Ebensowenig  wird  man  wohl  den 
wiederholt  angeführten  Grund  anerkennen  dürfen,  dafs  gewisse  Listen 
sonst  völlig  unbekannte  Namen  enthalten  und  deshalb  der  Statistik  ent- 
nommen sein  müssen.  Wie  viele  der  geographischen  Quellenwerke,  die 
Plinius  benutzt  hat,  sind  nicht  verloren  gegangen! 


10  Agrippas  Weltkarte. 

Auch  iu  dieser  Arbeit  sucht  der  Verf.  für  jede  Provinz  die  zeit- 
lichen Grenzen  zu  bestimmen,  innerhalb  deren  die  Listen  ihrer  Gemein- 
den verfafst  seien.  Am  Schlufs  (S.  523)  stellt  er  seine  Resultate  zu- 
sammen, aus  denen  sich  dann  ergeben  soll,  dafs  die  syrischen  und  cilici- 
schen  Listen  schon  vor  20  vor  Chr.  Geburt,  die  italischen  und  pannoni- 
sehen  erst  nach  9  vor  Chr.  Geburt  verfafst  seien.  Bei  der  so  überaus 
lückenhaften  Kunde,  die  wir  über  die  Einzelgeschichte  so  vieler  Städte 
und  Gemeinden  haben,  für  welche  Thatsache  grade  die  fleifsige  Arbeit 
des  Verf.  zahlreiche  Beweise  bietet,  wird  man  kaum  weiter  schliefsen 
dürfen,  als  dafs  die  Aufstellungen  des  Verf.  möglich  sind.  Noch  kühner 
aber  ist  seine  weitere  Folgerung,  dafs  die  angeblich  älteren,  im  5.  Buch 
der  N.  H.  vorkommenden  sjrischen  und  cilicischen  Listen  von  Agrippa, 
die  jüngeren  von  Augustus  stammen,  alle  aber  ~in  einer  gemeinschaft- 
lichen Schrift  unter  beider  Namen  veröffentlicht  seien,  die  dann  auch 
noch  die  zahlreichen  dem  Agrippa  zugeschriebenen  Mafsangaben  über 
einzelne  Länder,  die  sich  bei  Plinius  finden,  enthalten  haben  soll.  Wenn 
der  Verf.  zu  dieser  Annahme  sich  besonders  durch  die  Thatsache  be- 
stimmen läfst,  dafs  der  Name  des  Augustus  nicht,  wohl  aber  der  des 
Agrippa  unter  den  Auetoren  des  5.  Ruches  des  N.  FL  erscheine,  so  legt 
er  darauf  zu  viel  Gewicht;  denn  es  steht  fest,  dafs  Plinius  in  der  An- 
gabe seiner  Auetoren  durchaus  nicht  vollständig  ist,  wie  ich  denn  z.  B. 
bereits  im  Philol.  31,  433  nachwies,  dafs  Vitruv  an  mehreren  Stellen  von 
B.  31  und  33  wörtlich  ausgeschrieben  ist,  ohne  im  Auctoreuverzeichuis 
zu  denselben  vorzukommen. 

So  reichlich  und  wichtig  daher  auch  besonders  das  inschriftliche 
und  numismatische  Material  ist,  das  der  Verf.  zur  Erklärung  der  Bruch- 
stücke der  Reichsstatistik  in  seinen  beiden  Schriften  beigebracht  hat,  so 
scheint  mir  doch  die  Frage  nach  deren  Umfang,  Inhalt  und  Einrichtung 
auch  durch  sie  noch  nicht  abgeschlossen. 

Mit  der  augusteischen  Reichsstatistik  stand  die  Weltkarte,  deren 
Darstellung  Agrippa  veranlafste,  in  zeillichem  und  wohl  auch  sachlichem 
Zusammenhang.  Da  sie  zudem  wohl  mit  Recht  als  die  Grundlage  der 
gesamten  mittelalterlichen  Kartenzeichnung  angesehen  wird,  knüpft  sich 
an  die  Ermittelung  ihrer  Einrichtung  ein  nicht  geringes  wissenschaft- 
liches Interesse. 

IG)  D.  Detlefsen,  Untersuchungen  zu  den  geographischen  Büchern 
des  Plinius.  1.  Die  Weltkarte  des  M.  Agrippa.  Progr.  von  Glück- 
stadt 1884.   17  S.  4. 

In  dieser  Arbeit  versuchte  ich  die  von  mir  in  den  Comment. 
Momms.  33  nebenher  ausgesprochene  Ansicht,  dafs  alle  von  Plinius  nach 
Agrippa  angeführten  Ländermafse  auf  die  von  letzterem  in  der  porticus 
Vipsania  dargestellte  Weltkarte  zurückgehen,  ausführlicher  zu  begründen 
und  zu  entwickeln.     Dazu  zog  ich  die  Angabe  der  Dimeusuratio  proviu- 


Weltkarte  des  Augustus.  1 1 

ciarum  und  der  Divisso  orbis  heran,  die  ihrer  Form  und  Fassung  nach 
auf  dieselbe  Quelle  zurückgehen  müssen.  Bisher  hatte  man  gemeint, 
alle  drei  Fassungen  seien  einem  Buclie  des  Agrippa  entnommen  (vgl.  o. 
No.  15);  ich  suchte  dagegen  nachzuweisen,  dafs  die  Angaben  unmittelbar 
von  einer  Karte  abgelesen  seien,  nur  so  könne  man  einerseits  die  eigen- 
tümliche Zusammenlegung  gröfserer  und  kleinerer  Ländergebiete  zum 
Behuf  der  Angabe  ihrer  Längen-  und  Breitenmafse  und  andererseits  die 
verschiedene  Reihenfolge  dieser  Ländergebiete  in  der  Dimens.  und  Div. 
genügend  erklären.  Auf  der  Karte  sei  die  ganze  Erde  in  24 1)  einzelne 
Ländergruppen  eingeteilt,  die  so  zusammengestellt  seien,  dafs  eine  jede 
entweder  das  Mittelmeer  und  den  Pontus  oder  den  Ocean  berührt.  Auf 
den  inselfreien  Raum  der  Meere  seien  die  Mafse  der  Länder  einge- 
schrieben gewesen.  Wo  sich  im  Binnenlande  keine  natürliche  Grenzen 
fanden,  seien  sie  durch  west-östlich  oder  nord-südlich  gezogene  Linien 
bezeichnet  worden;  als  Läugenausdehnuug  sei  die  Richtung  von  West 
nach  Ost,  als  Breite  die  von  Nord  nach  Süd  angesehen  worden.  Wäh- 
rend die  von  Plinius  nach  Agrippa  angegebenen  Mafse  wirklich  von  der 
Orginalkarte  abgeschrieben  seien,  gebe  sowohl  die  Dimens.  als  auch  die 
Div.  einzelne  Änderungen  in  den  Ländergruppen  und  Mafsen,  die  wohl 
so  zu  erklären  seien,  dafs  Nachbildungen  der  Originalkarte  vorhanden 
waren,  die  nach  den  Zeitverhältnissen  verändert  seien;  aus  ihnen  stam- 
men dann  jene  abweichenden  Angaben. 

17)    E.  Schweder,   Über  die  Weltkarte  und  Chronographie  des 
Kaisers  Augustus,  in  Fleckeisens  Jahrb.  Bd.  145/6  (1892)  S.  113—132. 

Seh.  hält  an  der  von  Müllenhoff  schon  1856  ausgesprocheneu  An- 
sicht fest,  »dafs  Augustus  aus  den  Kommentarieu  seines  Schwiegersohnes 
auch  eine  Schrift  zusammenstellte  und  zum  Gebrauch  neben  der  Karte 
herausgab«  (s.  o.  No.  12).  Die  Ausdehnung  der  Karte  in  der  Vipsani- 
schen  Säulenhalle  schlug  Müllenhoff  (im  Hermes  9,  194)  zu  40  Fufs  in 
die  Höhe  und  mehr  als  80  Fufs  in  die  Länge  an.  Seh.  hat  nun  (S.  114) 
noch  weiter  berechnet,  dafs  sie  »sehr  wahrscheinlich  mehr  als  12  000 
(vielleicht  16  000)  geographische  Namen  enthalten  habe«.  Auf  diese 
Karte  führt  man  die  Peutingersche  Tafel  zurück,  wie  auch  die,  welche 
dem  Anon.  Rav.  vorlag;  beide  enthalten  jedoch  nach  Seh.  (S.  115)  »nur 
wenig  über  4000  Namen,  von  denen  etwa  2500  der  Urkarte  entstammen 
mögen,  während  die  übrigen  später  aufgenommen  sind«.  Jene  römische 
Chorographie  der  augusteischen  Zeit  stellt  sich  nun  Seh.  so  vor,  dafs  sie 
sämtliche  12  000  Namen  der  Weltkarte  enthielt.  »Bei  Plinius  und  Mela 
mögen   uns   aber  aus  ihr   etwa   4500,    höchstens   5000  Namen   erhalten 


1)  Diese  Zahl  ist  wohl  nicht  ohne  Bedeutung  für  den  Kartenentwurf 
des  Anon.  Rav.  gewesen,  der  auch  24  patrias  annimmt  und  jede  einer  be- 
stimmten Tages-  oder  Nachtstunde  zuweist. 


12  Weltkarte  des  Augustus. 

sein«.  Sehr  grofs,  meint  Seh.  daher,  sei  die  Aussicht  eben  nicht,  aus 
den  Konkordanzen  der  Peut.  und  des  Rav.  mit  Plinius  und  Mela  wesent- 
liche Teile  der  Urkarte  herzustellen,  und  er  sei  lange  vor  dieser  mühe- 
vollen Arbeit  zurückgeschreckt ,  indes  als  er  die  von  Plinius  5,  9.  10 
erhaltenen  Angaben  des  Polybius  beim  Rav.  wiederfand,  schien  ihm  die 
Untersuchung  doch  belehrend  und  gewinnbringend.  Er  zieht  in  dieselbe 
auch  die  Angaben  der  kleineren  römischen  Geographen  hinein. 

Aus  diesen  verschiedeneu  Quellen  stellt  er  dann  eine  nicht  unbe- 
deutende Anzahl  von  Konkordanzen  zusammen,  was  sehr  dankenswert 
ist,  und  ich  will  gerne  zugeben,  dafs  manche  Namen  von  Inseln,  Flüssen, 
Ortschaften  in  ihnen  auf  die  Weltkarte  des  Agrippa  zurückgehen,  doch 
vermag  ich  nicht  einzusehen,  wie  damit  das  Vorhandensein  jenes  umfang- 
reichen Kommentars,  der  die  Karte  begleitet  haben  soll,  bewiesen  sei. 

Erst  auf  S.  129  kommt  Seh.  dann  »zu  den  von  Plinius  5,  9 f.  an- 
geblich dem  Polybius  entlehnten  Angaben  über  die  Westküste  Afrikas«, 
die  ihn  zur  Abfassung  seiner  Arbeit  veranlafsten.  Als  Citat  aus  Poly- 
bius giebt  er  die  Worte  5,  9  inde  .  .  ,  flumen  Darat,  in  quo  crocodilos 
gigni  ...  10.  dein  sinum  u.  s.  w.  bis  GaeUüos  Daras;  schlägt  man  aber 
die  Stelle  nach,  so  wird  man  sehen,  dafs  Seh.  hier  einen  grofsen  Irrtum 
begangen  hat;  denn  Plinius  citiert  diese  Worte  gar  nicht  aus  Polybius, 
sondern  aus  Agrippa.  Will  Seh.  sie  in  seinem  Sinne  auslegen,  so  hätte 
es  einer  eingehenden  Beweisführung  und  Erklärung  für  diese  Auflassung 
bedurft;  denn  bisher  hat,  soweit  ich  sehe,  weder  ein  Herausgeber  des 
Plinius  noch  des  Polybius  letzterem  die  angegebenen  Worte  zugeschrieben. 
Indes  ist  die  Stelle  in  der  bisherigen  Fassung  dunkel,  woher  sich  das 
wegwerfende  Urteil  Viviens  de  S.  Martin  über  sie  und  wohl  auch  der 
Irrtum  Sch.s  erklären  mag.  Meines  Erachtens  ist  sie  so  zu  ordnen,  dafs 
die  bekannten  Worte  zu  Anfang  von  §  9  über  die  Fahrt  des  Polybius 
an  der  Westküste  Afrikas  mit  einem  Punkte  nach  generat  Africa  abzu- 
schliefsen  sind.  Dann  ist  weiter  zu  interpungieren:  ad  Humen  Anatim 
CCCCLXXXXVI  ab  co,  Lixum  CCV  Agrippa,  Lixum  a  Gaditauo  freto 
CXII  abesse,  inde  sinum  u.  s.  w. ,  und  wie  diese  Worte,  gehören  auch 
alle  folgenden  bis  zum  Schlufs  von  §  10  Mauretaniae  proditum  dem 
Agrippa  an^).  Zur  Erklärung  füge  ich  noch  hinzu,  dafs  im  obigen  Satze 
die  Worte  ab  eo  sich  auf  den  unmittelbar  vorher  genannten  mons  Atlas 
beziehen,  so  dafs  von  dessen  Vorgebirge  aus  die  Entfernungen  ad  flumen 
Anatim  und  nach  der  Stadt  Lixus  und  weiter  nach  dem  fretum  Gadi- 
tanum  nach  Agrijipa  angegeben  werden.  Indes  ein  Flufs  Anatis  wird 
weder  von  Pliniu.«,  noch  von  sonst  einem  Sciuiftsteller  an  der  Westküste 
Afrikas  genannt;  ich  möchte  ihn  für  den  spanischen  Anas  halten  und 
jene  eigentümliche. Accusativform,   wenn   man  sie  nicht  anerkennen  will, 


J)  Diese  Ausdehnung  des  Citates  hat  auch  Philippi  in  seiner  Sammlung 
der  Agrippacitate  (De  lab.  Peuting.   1876,  S.  35)  nicht  erkannt. 


Strabo.  13 

in  die  gewöhnliche  Anam  ändern.  Dann  haben  wir  hier  eine  quer  über 
das  Meer  gezogene  Entfernungslinie,  wie  solche  auch  sonst  von  Plinius, 
z.  B.  4,  60  und  6,  209,  nach  Agrippa  angegeben  werden.  Auf  die 
Schwierigkeiten,  die  der  weitere  Text  bietet,  einzugehen  ist  hier  nicht 
des  Ortes. 

Wie  die  geographischen  Bücher  des  Plinius,  so  hat  auch  Strabo 
im  letzten  Jahrzehnt  eine  Anzahl  von  Gelehrten  zu  wissenschaftlichen 
Arbeiten  angeregt,  die  sich  teils  auf  die  Textkritik,  teils  auf  die  von 
Strabo  verfolgten  wissenschaftlichen  Ziele,  teils  auf  die  von  ihm  benutzten 
Quellen  beziehen.     Ich  zähle  sie  nach  dieser  Anordnung  auf. 

18)  G.  Cozza  Luzi,  Della  geografia  di  Strabone  frammenti  scoperti 
in  membrane  palinseste.  Parte  prima.  Roma  1884.  Estratto  dal  perio- 
dico  »Gli  studi  in  Italia».  85  S.  8. 

Die  leider  in  recht  ungenügender  Weise  mitgeteilten  Reste  einer 
mindestens  dem  8.  Jahrh.  zuzuschreibenden  Handschrift  können  nach 
sorgfältigerer  Untersuchung  der  Originalblätter  für  die  Textgeschichte 
Strabos  vielleicht  einige  Bedeutung  gewinnen.  Die  erhaltenen  Stücke 
gehören  zu  B.  8,  10  und  17.  Eingehende  Recensionen  sind  von  A.  V. 
im  Philol.  Anz.  XVI  (1886)  103  —  109  und  von  mir  in  der  Berliner  Philol. 
Wochensch.  1885  Sp.  1122—1125  gegeben. 

19)  E.  Pais,  Straboniana.  Contributo  allo  studio  delle  fonti  della 
storia  e  dell'  amministratione  romana.    Torino  1886.  150  S.  8. 

Eine  frisch  und  lebendig  geschriebene  Darstellung  des  schrift- 
stellerischen Charakters  und  der  wissenschaftlichen  Bedeutung  der  Geo- 
graphie des  Kleiuasiaten  Strabo.  Sie  zerfällt  in  vier  Abschnitte,  deren 
erster  (S.  1  —  26)  vom  politischen  Charakter  seines  Werkes  handelt. 

Strabo  behaupte  zwar  an  mehreren  Stellen,  geographische  Studien 
seien  für  einen  Politiker  notwendig,  und  er  schreibe  für  solche;  indes 
für  Römer,  wie  Niese  (im  Hermes  XIII,  1878,  S.  45)  behaupte,  schreibe 
er  offenbar  nicht,  dazu  berücksichtige  er  sowohl  römische  Schriftsteller, 
zumal  zeitgenössische,  als  auch  römische  Verhältnisse  viel  zu  wenig. 
Wie  seine  Quellen  durchweg  griechische  seien,  so  auch  ohne  Zweifel 
das  Publikum,  von  dem  er  gelesen  zu  werden  wünsche.  Wenn  er  wirk- 
lich politische  Ziele  im  Auge  habe,  so  seien  sie  durchaus  von  den  An- 
schauungen der  griechischen  Philosophen  und  Gelehrten  seiner  Zeit  ab- 
hängig, Das  beweise  die  Ausführlichkeit  und  Befangenheit,  mit  der  er 
die  homerische  Geographie  behandle,  das  genaue  Eingehen  auf  die  Ver- 
fassung und  die  Altertümer  zahlreicher  griechischer,  besonders  klein- 
asiatischer Städte,  selbst  untergegangener,  neben  denen  er  die  altbe- 
kannten Verhältnisse  Athens  und  Spartas  absichtlich  übergehe,  wäh- 
rend die  Altertümer  und  früheren  Zustände  Roms  nur  kurz  besprochen 
werden. 


1 4  Strabo. 

Der  zweite  Abschnitt  (S.  27—50)  handelt  von  den  Nachrichten 
Strabos  über  die  römische  Verwaltung  der  griechischen  Provinzen.  Der 
Verf.  zeigt,  wie  nachlässig  die  Grenzen  der  Provinzen  und  juridischen 
Konvente  angegeben  werden,  wie  unvollständig  die  Nachrichten  über  die 
Rangverhältnisse  der  einzelnen  Städte  und  über  manche  andere  Zu- 
stände seiner  Zeit  sind.  Des  Verf.  Ansicht  geht  dahin,  dafs  Strabo,  der 
früher  ein  sich  an  Polybius  anschliefsendes  Geschichtswerk  verfafst  hatte, 
in  seiner  Geographie  nur  eine  Art  etluiographischer  und  topographi- 
scher Erläuterung  und  Ergänzung  zu  demselben  geben  wollte. 

Der  dritte  Abschnitt  (S.  51  — 120)  handelt  von  den  Nachrichten 
über  die  Verwaltung  der  westlichen  Provinzen  des  Römerreiches.  Auch 
hier  zeigen  sich  dieselben  Mängel  und  Fehler.  In  Italien  schenke 
Strabo  den  römischen  Staatsstrafsen  besondere  Beachtung,  worin  er  dem 
Polybius  folge.  Zeitgenössische  und  besonders  römische  Quellen  scheine 
er  nur  in  geringem  Mafse  benutzt  zu  haben,  seihst  den  ywpoypdifog, 
aus  dem  er  für  Süditalien  und  den  benachbarten  Inseln  eine  Anzahl  von 
Mafsen  mitteilt,  wagt  der  Verf.  nicht  mit  der  Weltkarte  des  Agrippa 
gleichzustellen  ;  aber  auch  der  neuerdings  angenommenen  augusteischen 
Chorographie  (s.  o.  No.  12  u.  17)  schenkt  er  keinen  Glauben  (S.  62fiF.). 
Während  das  übrige  Italien,  selbst  Rom,  verhältnismäfsig  kurz  abgethan 
werde,  behandele  Strabo  ünteritalien  recht  ausführlich,  gebe  die  Grün- 
dungsgeschichten und  manche  sonstige  Nachrichten  von  den  griechischen 
Städten  daselbst  und  auch  von  solchen  an  der  adriatischen  Küste.  Auch 
hier  seien  seine  Quellen  rein  griechische  (S.  68f.).  Von  Noricum,  Pan- 
nonien,  Mösien,  Dalmatien  und  Germanien  gebe  er  keine  einzige  die 
Verwaltung  betreuende  Nachricht.  Die  Behandlung  der  gallischen  Pro- 
vinzen beruhe  auf  alten  griechischen  Quellen  und  bevorzuge  wieder  die 
griechischen  Kolonien,  ^'öllig  falsch  sei  die  Grenze  zwischen  der  lug- 
dunensischen  und  der  belgischen  Provinz  angegeben;  auch  die  Nach- 
richten über  die  aquitanischen  Völkerschaften  seien  ungenau.  Mannig- 
fache, wertvolle  Einzelheiieu  über  Gallien  verdanke  er  vielleicht  einem 
Geschichtswerke. 

Einen  der  besten  Teile  seiner  Geographie  bilde  Buch  3  mit  den 
Angaben  über  Spanien,  welche  dem  Polybius,  Artemidor  und  Posidonius 
entlehnt  seien;  dagegen  berichte  er  von  den  Zuständen  seiner  Zeit  aucli 
hier  nur  weniges  und  mehr  zufällig,  ohne  nach  Vollständigkeit  zu  streben, 
wie  er  gerade  die  Nachrichten  in  den  Geschichten  der  dort  geführten 
Kriege  fand.  Eine  ausführlichere  Stelle  über  die  Verwaltung  der  spa- 
nischen Provinzen  zu  seiner  Zeit  (B.  3  S.  1G6)  hält  der  Verf.  für  ein 
später  von  Strabo  hinzugefügtes  £]inschiebsel  (S.  lOSfif.).  Die  Beschrei- 
bung Afrikas  (S  109lf.)  beruhe  hauptsächlich  auf  Artemidor,  nur  zu  ge- 
ringen Teilen  auf  Polybius  und  Posidonius;  eingefügt  seien  Einzelheiten 
aus  den  punischen  und  den  späteren  Kriegen. 

Der  vierte  Abschnitt  (S.  120—150)  enthält  Bemerkungen  über  Zeit 


Strabo.  15 

und  Ort,  wann  und  wo  Strabo  seine  Geographie  verfafst  habe.  Der  Verf. 
schliefst  sich  der  Ansicht  Meinekes  an,  der  auf  Grund  der  Stilunter- 
schiede annimmt,  Strabo  habe  das  Werk  stückweise  geschrieben,  und  es 
sei  unvollendet.  Einen  Hauptbeweis  dafür  entnimmt  er  der  Anwendung 
des  Wortes  vewari,  mit  dem  doch  nur  Ereignisse  der  letzten  Vergan- 
genheit angeführt  werden  könnten.  Es  sei  aber  gebraucht  bei  solchen 
der  Jahre  18  und  23  nach  Chr.  Geburt  und  wieder  der  Jahre  44,  40 — 35, 
31,  25  vor  Chr.  Geburt  und  überall  von  weit  aus  einander  liegenden 
Zeiten.  Das  Resultat  dieser  Untersuchung  geht  dahin,  dafs  Strabo  sein 
Werk  zuerst  etwa  im  Jahre  11  vor  Chr.  Geburt  oder  kurz  nachher  ent- 
warf, später  aber  Nachträge  einfügte. 

In  Bezug  auf  den  Ort  der  Abfassung  wird  aus  der  Erwähnung  des 
Dionysosbildes  des  Aristides  (B.  8  S.  381  vgl.  mit  Dio  Cass.  50,  10)  ge- 
schlossen, dafs  Strabo  im  Jahre  31  nach  Chr.  Geburt  in  Rom  war,  aus 
der  Stelle  vom  Tode  des  Seluros  (B.  6  S.  273  vgl.  mit  App.  b.  civ.  5,  131  f. 
u.  Gros.  6,  18),  dafs  er  schon  30,  aus  seiner  Bekanntschaft  mit  dem  Ser- 
vilius  Isauricus  (B.  12  S.  568  f.),  dafs  er  44,  aus  der  mit  Tyiannion  (B.  12 
S.  548),  dafs  er  46  dort  war,  aus  seiner  Erzählung  von  der  Neugrün- 
dung Korinths  (B.  8  S.  379),  dafs  er  44  dort  war.  Vom  Jahre  25  oder 
24  an  bis  wenigstens  13  oder  12  befand  er  sich  in  Ägypten,  meist  in 
Alexandrien.  Wo  er  seine  späteren  Lebensjahre  zugebracht,  bleibt  un- 
sicher. 

Auch  in  diesen  Untersuchungen  hat  der  Verf.,  wie  in  den  übrigen 
Teilen  seines  Buches,  mit  grofsem  Fleifs  und  viel  Umsicht  manches 
Neue  beigebracht,  um  die  Art,  in  welcher  Strabo  gearbeitet  hat,  und 
den  wissenschaftlichen  Wert  seiner  Arbeit  näher  zu  bestimmen.  Bei  wei- 
teren Forschungen  auf  diesem  Gebiete  wird  man  seiner  Anleitung  nicht 
entraten  können. 

20)    Dr.  F.  M.  Schröter,   Bemerkungen   zu   Strabo.     Progr.  des 
Stadt.  Realg.  zu  Leipzig.  1887.  17  S.  4. 

Die  Bemerkungen  beziehen  sich  zunächst  auf  das  Geburtsjahr 
Strabos,  als  welches  mit  Wahrscheinlichkeit  das  Jahr  67  vor  Chr.  Geburt 
festgestellt  wird,  sodann  auf  seine  Lehrer,  seine  Reisen,  die  ihm  zuzu- 
sprechende Glaubwürdigkeit,  die  besonders  im  Gegensatze  zu  Niese  ver- 
teidigt wird.  Mit  grofser  Ausführlichkeit  wird  schliefslich  die  von  Lins- 
mayer (Der  Triumphzug  des  Germanicus,  München  1875)  aufgestellte 
Ansicht  bekämpft,  Strabo  sei  nicht  Zeuge  des  Triumphes  vom  Jahre  17 
gewesen.  Diese  mit  Umsicht  geführte  Untersuchung  leitet  zu  der  wich- 
tigen und  vielfach  behandelten  Frage  über  die  Abfassungszeit  der  Geo- 
graphie Strabos  und  schliefst  mit  den  Sätzen:  »Strabos  Geographie  ist 
kein  innerhalb  eines  kurzen  Zeitraums  einheitlich  und  als  Ganzes  ent- 
standenes, abgeschlossenes,  abgerundetes  Werk,  sondern  rührt  aus  ver- 
schiedenen Zeiten  her  und  wurde  im  Laufe   der  Zeit   möglichst  ergänzt 


16  Strabo. 

und  verbessert.  Strabo  hat  auch  dieses  sein  Werk  nie  herausgegeben, 
nicht  einmal  teilweise,  geschweige  denn  ganz.«  Eine  ausführlichere 
Begründung  dieser  Ansicht  wird  für  ein  anderes  Mal  versprochen,  ist 
aber  meines  Wissens  noch  nicht  erschienen.  Doch  kommt  zum  selben 
Resultat 

21)    Dr.  P.  Meyer.   Strabouiana.    Programm  von  Grimma.  1890. 
34  S.     4. 

Der  Verf.  stellt  sich  die  Aufgabe,  eine  gerechtere  Würdigung  des 
Strabo,  als  sie  besonders  in  der  Neuzeit  ihm  oft  zu  teil  geworden,  zu  be- 
gründen; zumeist  bekämpft  er  Nieses  im  Hermes  XIII  aufgestellte  An- 
sichten. Zuerst  behandelt  er  die  Frage:  für  wen  wollte  Strabe  schrei- 
ben? und  beantwortet  sie  dahin,  dafs  er  in  erster  Linie  auf  gebildete 
griechische  Leser  rechnete;  für  die  Römer  habe  er  verbindliche,  für 
die  Griechen  nützliche  Worte;  während  er  über  Sparta  und  Athen 
kurz  berichte,  weil  diese  Orte  mit  ihrer  Geschichte  allzu  bekannt  seien, 
gebe  er  über  römische  Verhältnisse  bis  ins  Einzelnste  Belehrung.  Weiter 
wird  von  Strabos  Reisen  gehandelt.  M.  sieht  keinen  Grund,  Strabos 
Worte  S.  117  zu  bezweifeln,  dafs  wenige  Geographen  so  weit  gereist 
seien  wie  er.  Sorgfältige  Listen  der  von  Strabo  genannten  Geburts- 
orte griechischer  Schriftsteller  (schon  Pais  hatte  sie,  weun  auch  etwas 
unvollständig,  gesammelt),  der  wichtigsten  Marmor-  und  Steinbrüche, 
der  berühmtesten  Weingegenden,  endlich  der  durch  Kunstwerke  be- 
kannten Orte  werden  aufgestellt.  Aus  der  letzteren  Liste  wird  gefol- 
gert, dafs  Strabo  nicht  die  Absicht  gehabt  habe,  eine  Übersicht  der 
berühmtesten  Künstler  zu  geben,  denn  manche  der  namhaftesten  er- 
wähnt er  nicht;  vielmehr  liege  die  Vermutung  nahe,  dafs  er  nur  solche 
Kunstwerke  nenne,  die  er  selbst  gesehen,  und  diese  Vermutung  wird 
durch  weitere  Stellen  zu  begründen  versucht. 

Am  wichtigsten  ist  der  dritte  Abschnitt:  »Strabo  hat  seine  Geo- 
graphica nicht  selbst  herausgegeben «.  Im  Verfolg  schon  früher  aufge- 
stellter Vermutungen  behandelt  der  Verf.  eine  gröfsere  Anzahl  von 
Stellen,  von  denen  die  meisten  schon  bisher  Anstofs  erregten.  Er  glaubt, 
und  wie  es  scheint  mit  Grund,  dafs  hier  Einschiebsel  in  den  ursprüng- 
lichen Text  vorliegen,  die  oft  in  ungeschickter  Weise  den  Zusammen- 
hang unterbrechen.  Meist  enthalten  sie  Mitteilungen  über  Ereignisse 
und  Zustände  aus  der  späteren  Lebenszeit  Strabos,  die  zur  Vervollstän- 
digung oder  Berichtigung  des  ursprünglich  Geschriebenen  dienen.  Der 
Verf.  stellt  daher  die  Vermutung  auf,  Strabo  habe  sein  Werk  schon  in 
früheren  Jahren  ausgearbeitet,  sei  schon  im  Jahre  6  oder  5  vor  Chr. 
Geburt  damit  beschäftigt  gewesen.  Nach  und  nach  habe  er  später  jene 
Nachträge  an  den  Rand  seines  Buches  beigeschrieben,  sei  aber  nicht 
dazu  gekommen,   sie   in  den  Text  zu   verarbeiten.      Nach  seinem  Tode 


Strabo.  1 7 

liabe   ein  Unbekannter  in  ungeschickter  Weise   die  Beischriften   in  den 
Text  anfgenoramen  und  ihn  so  herausgegeben. 

Ausführlicher  werden  gegen  den  Schlui's  die  Schwierigkeiten  be- 
handelt, die  sich  bei  der  Vergieichung  der  Angaben  Strabos  über  den 
Tod  Jubas  von  Mauretanien  und  die  Thronbesteigung  seines  Sohnes 
Ptolemäus  mit  den  Legenden  ihrer  Münzen  ergeben.  Die  gründliche 
Arbeit  wird  gewifs  dazu  beitragen,  das  Verständnis  und  die  Beurteilung 
Strabos  zu  klären. 

22)  K.  J.  Neumann,  Strabous  Quellen  im  elften  Buche.    I.  Kau- 
kasien.     Habilitationsschrift.     Leipzig  1881. 

Diese  Schrift  hat  mir  nicht  vorgelegen,  doch  zeigt  die  eingehende, 
in  den  meisten  Punkten  zustimmende  Rezension  des  gründlichsten  Kenners 
der  griechischen  Geographen,  H.  Bergers,  in  Fleckeisens  Jahrb.  XXVIII, 
1882,  S.  373,  dafs  es  dem  Scharfsinn  des  Verf.  gelungen  ist,  die  ein- 
zelnen Teile,  welche  Strabo  dem  Artemidor,  Theophanes,  Metrodor,  Hj'p- 
sikrates  u.  a.  entlehnt  hat,  insbesondere  aber  das  Eigentum  des  Erato- 
sthenes  aus  seinem  Texte  herauszuschälen.  Die  Bereicherung  der  Frag- 
mente des  letzteren  scheint  ein  Hauptverdienst  der  Arbeit  zu  sein. 

23)  G.  Beloch,    Le    fonti    di  Strabone    nella  descrizione    della 
Campania.    Roma  1882.     22  S.  in  4. 

24)  ß.  Zimmermann,  Quibus  auctoribus  Strabo  in  libro  LEI 
conscribendo  usus  sit  quaeritur.  Pars  prior,  Diss.  Hai.  Halle  1883 
38  S.  in  8. 

Beide  Schriften  sind  mir  nur  durch  die  A.  V.  unterzeichnete  Re- 
zension im  Philol.  Anz.  XIV  (1884)  383—385  bekannt  geworden.  Da- 
nach ist  das  Resultat  beider,  dafs  die  Angaben  Strabos  über  die  Küsten 
in  den  behandelten  Abschnitten  fast  ausschliefslich  aus  dem  Werke  des 
Artemidor  von  Ephesus  entlehnt  sind,  das  auch  Plinius  ziemlich  aus- 
giebig verwertete,  während  der  Rez.  die  weitere  Vermutung,  auch 
Strabo  habe  es  benutzt,  für  nicht  ausreichend  begründet  hält.  Insbe- 
sondere der  zweiten  Schrift  wird  Verständnis  und  Umsicht  in  der  Be- 
handlung der  Aufgabe  nachgerühmt. 

25)  R.  Zimmermann,  Posidonius  und  Strabo  (im  Hermes  XX ITT, 
1888,  102—130), 

Diese  Arbeit  enthält  zwei  gesonderte  Aufsätze,  deren  erster  unter 
dem  Titel:  Ein  verborgenes  Fragment  des  Posidonius  bei  Strabo,  aus 
der  Charakteristik,  welche  Strabo  2,  3,  8  und  3,  2,  9  vom  Stil  und  von 
der  Auffassungsweise  des  Posidonius  giebt,    die  Folgerung  zieht,    dafs 

Jahresbericht  für  Alterthuinswissenschaft.    LXXVII.  Bd.    (1893.  III.)         2 


18  Strabo. 

die  diesen  entsprechenden  Worte  Strabos  1,  3,  8  f.  über  die  Verände- 
rungen der  Landlinien  an  den  Flufsmündungen  auf  jenen  zurückgehen. 
Weit  umfangreicher  ist  der  zweite  Aufsatz:  Die  Erdkarte  in  meu- 
tern Strabonis  ist  eine  Erdkarte  nach  Posidonius.  Es  werden  die  Haupt- 
stellen gesammelt,  in  denen  Strabo  von  der  Gestalt  und  Gröfse  der 
oixoujxEvr,  handelt,  zuerst  die  über  den  Breitegrad  vom  Issischen  Busen 
bis  zum  heiligen  Vorgebirge,  über  dessen  Strecke  von  Rhodus  nach  Osten 
Strabo  mit  Eratosthenes  übereinstimmt,  nicht  aber  über  die  nach  Westen 
hin.  Hier  werden  dann  die  Mafse  Spaniens,  die  Silphionzone,  Land 
und  Leute  südlich  von  ihr,  die  Kassiteriden  besprochen,  endlich  die 
Parallele  von  Gades  nach  Rhodus.  Darauf  wird  die  Gestalt  der  oixoujxsvy; 
nach  Strabos  Angaben  behandelt  und  nachgewiesen,  wie  diese,  an  ver- 
schiedene Stellen  zerstreut,  nicht  nur  in  einem  inneren  Zusammenhang 
stehen,  sondern  auch  dai's  sie  einigen  Andeutungen  nach  auf  Posidonius 
zurückgehen.  Ist,  wie  es  scheint,  diese  Angabe  richtig,  so  gewinnt  das 
Bild,  welches  wir  uns  von  der  Erdauschauung  des  letzteren  macheu 
können,  dadurch  eine  grofse  Bereicherung. 

26)  G.  Rüge,  Quaestiones  Strabonianae,  Lips.  1888.    107  S.  in  8. 

Diese  Doktorarbeit  untersucht  Teile  der  Bücher  3,  13,  16  und  17 
Strabos  auf  die  Quellen  hin.  Sie  ist  recht  unbequem  zu  bewältigen, 
da  der  Verf.  meist  nicht  den  Inhalt  der  besprochenen  Stellen,  sondern 
nur  die  Kapitel-  und  Seitenzahlen  angiebt  und  es  dem  Leser  überläfst, 
sie  hin  und  her  nachzuschlagen.  Um  über  die  Resultate  ein  begründetes 
Urteil  abzugeben,  bedarf  es  daher  einer  umfänglichen  Arbeit.  Ich  be- 
schränke mich  hier  auf  eine  kurze  Inhaltsangabe.  Buch  3  über  die 
spanische  Halbinsel  wird  am  ausführlichsten  besprochen  auf  S.  1 — 46; 
doch  werden  bis  S.  8  auch  Stellen  aus  dem  13.  Buch  in  die  Unter- 
suchung hineingezogen.  Am  eingehendsten  wird  der  Periplus  behandelt. 
Der  Verf.  sucht  zunächst  Eigentümlichkeiten  in  der  Beschreibung  auf, 
die  sich  nur  aus  bestimmten  Zeitverhältnissen  erklären  lassen,  und  weist 
dann  in  ausführlicher  Behandlung  einige  Stellen  dem  Polybius,  andere 
dem  Posidonius,  andere  dem  Artemidor,  noch  andere  römischen  oder 
sonstigen  Quellen  zu,  so  daf's  danach  die  Mehrzahl  der  Paragraphen 
mosaikartig  zusammengesetzt  wäre.  Mir  macht  die  Arbeit  öfters  den 
Eindruck,  als  ob  der  Verf.  zu  viel  beweisen  zu  können  meine. 

Die  Untersuchung  über  B.  16  (S.  46—71)  und  17  (S.  71—99) 
beschränkt  sich  vornehmlich  darauf,  aus  Artemidor  entlehnte  Bestand- 
teile im  Texte  aufzufinden,  und  da  mag  es  dem  Verf.  wohl  eher  ge- 
lungen sein  (vgl.  o.  No.  7),  eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit  für  seine 
Ansätze  zu  erreichen.    Diese  Bücher  behandeln  den  Orient  und  Afrika. 


Tacitus.    Dionysius.  1 9 

27)  Dr.   L.  Schumacher,    De    Tacito    Germaiiiae    geographo. 
Programm  des  Fr.  Wilh.  Gymn.  zu  Berliu.     1886.     28  S.  in  4. 

Der  Verf.  hat  sich  die  Aufgabe  gestellt,  aus  den  Schriften  des  Tacitus 
zu  sammeln,  was  über  die  geographischen  Verhältnisse  Germaniens  berichtet 
wii"d,  und  den  Wert  dieser  Berichte  vom  geographischen  Standpunkt 
aus  zu  bestimmen.  Er  handelt  zunächst  vom  Gebrauch  und  von  der 
Ausdehnung  des  Namens  Germania  im  Sgl.  und  Plural,  von  den  Grenzen, 
die  Tacitus  dem  Lande  steckt,  von  den  Flüssen  und  Gebirgen,  die  er 
in  ihm  nennt.  Es  stellt  sich  heraus,  dafs  Tacitus  dabei  fast  nirgendwo 
eigentlich  geographische  Gesichtspunkte  im  Auge  hat,  dafs  seine  An- 
gaben freilich  keine  Irrtümer  enthalten,  aber  sehr  oft  nicht  genügen, 
um  daraus  eine  klare  Vorstellung  von  Germanien  zu  erhalten.  Tacitus 
will  nicht  in  geographischer  Beziehung  belehren,  sondern  setzt  bei 
seinen  Lesern  die  Kenntnis  des  Landes  voraus,  und  was  er  mitteilt,  ist 
nach  rednerischen  Grundsätzen  ausgewählt.  Die  Art  der  Untersuchung, 
in  der  allerdings  schwierige  geographische  Fragen  nur  kurz  berührt 
werden,  ist  besonnen  und  mafsvoll.  Eine  versprochene  Fortsetzung  wird 
vermutlich  näher  auf  die  Völkerverhältnisse  Germaniens  eingehen. 

28)  G.  F.  Unger,    Dionysios  Periegetes  (in  Fleckeisens  Jahrb. 
XXVIII,  1882.     S.  449-464). 

Der  Verf.  wendet  sich  gegen  die  von  Tycho  Mommsen  (der  Pe- 
riegete  Dionysios,  Frankfurt  a.  M.  1879;  s.  Jahresber.  XXI,  1881,  99) 
ausgesprochene  Ansicht,  dafs  Dionysios  seine  Periegese  bereits  zwischen 
den  Jahren  92  und  83  v.  Cbr.  Geburt  verfafst  habe.  Er  sucht  Momrasens 
Behauptungen  der  Reihe  nach  zu  entkräften ;  besonders  inhaltreich  sind 
seine  Ausführungen  über  das  Verhältnis  Roms  zu  den  Parthern,  über 
ihren  Vertilgungskrieg  gegen  die  Nasamonen  unter  Domitian  im  Jahre  87 
und  vor  allem  über  die  Verhältnisse  Sjaiens  von  den  Zeiten  des  Sulla 
und  Pompejus  an  bis  in  die  Kaiserzeit. 

Die  Untersuchung  über  die  Zeit  des  Dionysius  erhielt  eine  ganz 
andere  Grundlage  durch  die  bald  darauf  erfolgte  Entdeckung  Leues, 
der  zwei  Arkrosticha  im  Texte  desselben  fand,  die  über  Ort  und  Zeit 
der  Abfassung  berichten.  Seine  Mitteilung  darüber  ist  mir  nicht  zu 
Gesicht  gekommen,  wohl  aber  folgende  zwei  Abhandlungen,  die  den 
Gegenstand  betreffen: 

29)  G.  F.  Ungar  tritt  in  Fleckeisens  Jahrb.  XXXIII,  1887, 
S.  53 — 61  gegen  Leue  auf.  Er  sieht  in  dem  ersten  Akrostichon,  welches 
den  Dionysios  als  tSv  Ivto?  <I)apou  bezeichnet,  einen  Beweis  dafür,  dafs 
wir  in  ihm  den  von  Suidas  genannten  alexandriuischeu  Grammatiker 
und  kaiserlichen  Bibliothekar  aus  der  Zeit  von  Nero  bis  Trajan  zu  er- 

2* 


20  Dionysius.    Ptoleraäus. 

kennen  haben.  Das  zweite  Akrostichon:  öeoc'Epixrjc  £7:1' A8piavou  bezieht 
er  nicht  auf  den  Kaiser  Hadrian,  bis  in  dessen  Zeit  Dionysios  nicht 
gelebt  haben  könne,  sondern  er  übersetzt  es  mit  den  Worten :  „ein  Gott 
ist  Hermes  (geworden)  unter  Hadrian",  indem  er  annimmt,  dafs,  wie 
das  erste,  in  den  Anfängen  der  Verse  109  —  134  enthaltene  sich  an  die 
V.  115  genannte  OapiV^v  aXa  anschliefse,  so  dies  zweite  der  Verse  513  —  532 
eine  Anmerkung  zu  524  sei.  Wahrend  bei  jeder  der  in  den  benach- 
barten Versen  genannten  Inseln  zugleich  die  wichtigste  dort  verehrte 
Gottheit  angeführt  sei,  fehle  ein  solcher  Beisatz  bei  Imbros,  und  auf 
diese  Insel  beziehe  sich  daher  -das  Akrostichon.  Dort  seien  in  älterer 
Zeit  die  Kabiren  als  Hauptgötter  verehrt,  neben  denen  Hermes  als  Diener 
erscheine;  später  aber  habe  sich  dies  Verhältnis  umgekehrt,  und  Hermes 
habe  die  Stellung  der  Hauptgottheit  in  der  Gruppe  erhalten.  Diese 
etwas  kühne  Vermutung  sucht  der  Verf.  durch  ein  inschriftliches  Zeug- 
nis zu  beweisen.  Der  im  Akrostichon  genannte  Hadrian  sei  nicht  der 
Kaiser,  sondern  irgend  ein  Beamter  der  römischen  Provinzialverwaltung 
oder  wahrscheinlicher  ein  Priester  des  imbrischen  Heiligturas,  dessen 
Inschriften  überhaupt  nach  den  Priestern  datiert  seien. 

Gegen  diese  Annahmen  erhob  sich 

30)  0.  Crusins,  Dionysios  Periegetes  und  der  irabrische  Hermes- 
dienst, ebd.  S.  525-528. 

Er  weist  nach,  dafs  Hermes  in  den  saraothrakischen  und  imbrischen 
Mysterien  stets  eine  Hauptrolle  spielte,  nicht  erst  in  späterer  Zeit.  So- 
dann löst  er  das  zweite  Akrostichon  in  zwei  Hälften  auf,  sieht  in  der 
ersten  fteoc  'Ep}l.r^i  einen  Ausruf  des  frommen  Dichters,  der  wahrschein- 
lich selbst  ein  Myste  jenes  Götterdienstes  war,  und  fafst  die  zweite 
ETTi  'Aoptavoü  als  Zeitangabe  auf,  die  denn  doch  nur  auf  den  Kaiser  be- 
zogen werden  kann.  Beide  Erklärungen  empfehlen  sich  offenbar  durch 
ihre  Einfachheit. 

31)  Claudii  Ptolemaei  geographia.  E  codicibus  recognovit,  pro- 
legomenis,  annotatione,  indicibus,  tabulis  instruxit  Carolas  Müllerns. 
Voluminis  primi  pars  prima.     Parisiis  1883.     570  S.  in  gr.  8. 

Der  verdiente  Herausgeber  der  Geogr.  graeci  minores  hat  seinen 
Verdiensten  ein  neues,  hochbedeutendes  hinzugefügt  in  der  lange  er- 
sehnten Ausgabe  des  Ptolemäus.  Der  oben  bezeichnete  erste  Abschnitt 
derselben  enthält  den  Text  der  drei  ersten  Bücher  der  Geographie  mit 
ausführlichen  Anmerkungen.  Zum  ersten  Mal  ist  hier  eine  sichere  hand- 
schriftliche Grundlage  für  den  Text  gewonnen;  indes  wird  eine  aus- 
führliche darüber  berichtende  Vorrede  erst  mit  dem  zweiten  Teile  er- 
scheinen, während  der  dritte  Band  die  gcograpliischen Karten  enthalten  soll. 


Ptolemäus.  •  Ammianus.  21 

Die  Anmerkuiigeu  gebeu  teils  die  Lesarten  der  Handschriften, 
teils  Begründungen  und  Erläuterungen  zum  Texte.  Nicht  weniger  als 
38  Handschriften,  wenn  auch  manche  wolil  frag'mentiert,  und  die  älteste 
Ausgabe,  eine  Ingolstädter.  sind  benutzt  und  mit  Siglen  bezeichnet,  so 
dal's  in  der  Tbat  der  Wust  der  Lesarten  bisweilen  viel  Platz  einnimmt;  man 
möchte  von  vornherein  glauben,  dal's  in  den  Handschrilten  Merkmale 
genug  zu  finden  seien,  um  manche  als  Abkömmlinge  älterer,  noch  er- 
haltener nachweisen  und  dadurch  für  die  Kritik  beseitigen  zu  können. 
Indes  ist  ein  Urteil  über  diese  Grundfrage  erst  möglich,  wenn  der 
Herausgeber  seine  Einleitung  veröffentlicht  hat,  die  über  diese  Punkte 
ohne  Zweifel  manche  Aufklärung  bringen  wird.  Gegenwärtig  liegt 
daiüber  nur  noch  das  vor,  was  Mommsen  (Zur  Kritik  der  Geographie 
des  Ptolemäus)  und  Müller  selbst  (Codex  Vaticanus  No.  191)  im  Hermes 
XV  (1880),  297  ft\  und  300  ff.  mitgeteilt  haben,  nämlich  dass  die  ge- 
nannte vatikanische  Handschrift  (X  bei  Müller)  in  ihren  älteren  Be- 
standteilen (B.  I  3 — 19  Mitte  und  II  2,  5  bis  zum  Schlufs)  allen 
anderen  Quellen  gegenüber  ihren  besonderen,  hervorragenden  Platz  ein- 
nimmt. Klare  Beweise  dafür  finden  sich  sowohl  in  diesen  Aufsätzen 
als  auch  an  vielen  Stellen  der  Ausgabe ;  wenn  die  in  ihr  mit  2  <&  T 
bezeichneten  laurentianischen  Handschriften  oft  mit  X  übereinstimmen, 
so  darf  man  wohl  vermuten,  dafs  sie  aus  letzterer  entstammen. 

Aber  den  umfangreicheren  Teil  der  Anmerkungen  Müllers  nehmen 
die  Erklärungen  ein,  welche  wichtige  Prägen  auf  dem  gesamten  Ge- 
biete der  Geographie  behandeln,  über  die  aber  im  einzelnen  zu  berichten, 
bei  ihrer  Mannigfaltigkeit,  unmöglich  ist.  Der  auf  diesem  Gebiete  wie 
kein  anderer  bewanderte  Herausgeber  hat  nicht  nur  die  Parallelstellen 
aus  den  alten  Geographen  in  weitem  Umfange  beigebracht,  sondern  auch 
die  Ausgleichung  mit  den  gegenwärtigen  Ortsnamen  überall  erstrebt, 
so  dafs  die  Anmerkungen  einen  ungemein  reichen  Stoff  enthalten,  und 
zwar  nicht  blofs  einen  Eohstoff",  sondern  einen  nach  den  strengsten  An- 
forderungen der  Wissenschaft  verarbeiteten. 

32)  Th,  Mommsen,    Ammiaus  Geographica;    im    Hermes  XVI 
(1881)  S.  602—636. 

Die  reichhaltige  Arbeit  giebt  eine  Durchsicht  und  Erweiterung 
der  von  Gardthausen  im  Jahre  1873  (in  Fleckeisens  Jahrb.  6.  Suppl. 
S.  509—565)  vorgelegten  Untei-suchung  über  die  geographischen  Quellen 
Ammians.  Dieser  für  seine  Zeit  belesene  Schriftsteller  fügt  an  ver- 
schiedenen Stellen  seines  Geschichtswerkes,  vielleicht  nach  dem  Vorbilde 
Sallusts,  Beschreibungen  gröfserer  Ländergebiete  ein,  die  sich  meist  an 
die  Diözesen  des  damaligen  römischen  Reiches  anschliefsen.  Wenn  Gardt- 
hausen meinte,  ihm  habe  eine  nach  diesem  Gesichtspunkte  verfafste  Erd- 


22  Ammianus. 

beschreibnng  vorgelegen,  die  er  nur  auszog,  so  ist  M.  im  Gegenteil  der 
Ansicht,  Ammian  habe  selbst  nach  einem  bestimmten  Schema  jene  Be- 
schreibungen zusammengestellt. 

M.  untersucht  nun,  welche  Quellen  Ammian  benutzte,  und 
da  sind  zuerst  die  geschichtlichen  Angaben  über  den  Eintritt  der  ein- 
zelnen Länder  in  das  römische  Reich  dem  Rufius  Festus  entnommen. 
Besonders  beweiskräftig  ist  dafür  die  aus  Kufius  13  entlehnte  Stelle 
22,  16,  24,  in  die  ein  grober  Irrtum  mit  hinüber  genommen  ist,  indem 
aus  der  Person  des  Königs  Ptolemäus  Apion  von  Kyrene  zwei  gemacht 
werden.  Gelegentlich  sind  auch  Nachrichten  aus  Val.  Max.  und,  wie  es 
scheint,  den  Periocheu  des  Livius  aufgenommen. 

Weiter  lag  dem  Ammian  ein  Verzeichnis  der  Reichsprovinzen  und 
Reichsgemeinden  vor,  geordnet  nach  den  damaligen  Diözesen,  wie  die 
uns  erhaltene  Notitia  Galliarum  und  des  Hierocles  Suve'xörjixo^;  als  Zeit 
seines  Ursprungs  bestimmt  M.  die  kurz  vor  der  Einrichtung  der  neuen 
gallischen  Provinzen  Lugdunensis  111  und  Senonia. 

Die  dritte  Quelle  ist  die  Geographie  des  Ptolemäus,  die  Ammian 
für  die  aulserhalb  des  römischen  Reiches  liegenden  Gebiete,  das  asiatische 
Sarmatien,  das  Perserreich  und  Libyen,  vielleicht  auch  sonst  heranzog. 

Für  die  Ursprungsgeschichte  der  Gallier  nennt  Ammian  den  Ti- 
mogenes  seinen  Gewährsmann.  M.  weist  ihm  aufser  15,  9,  2 — 3  mit 
Recht  auch  c.  10,  9  zu,  kommt  ferner  zu  dem  Schluf^,  dafs  das  benutzte 
Werk  des  Timogenes  ein  Periplus  gewesen,  und  macht  es  wahrschein- 
lich, dals  auch  die  Beschreibung  der  europäischen  Küste  vom  Athos 
bis  Byzanz,  der  asiatischen  von  Alexandria  Troas  bis  zum  Phasis  (22, 
8,  2 — 24)  ihm  verdankt  wird,  vielleicht  auch  noch  einige  andere  Stellen. 

Umfangreich  ist  die  Benutzung  des  Solin,  neben  dem  auch  Plinius 
in  Betracht  zu  kommen  scheint. 

Beachtenswert  sind  die  Schlufsworte  M.'s:  „Die  Untersuchung, 
die  ich  hier  angestellt  habe,  hat  mir  in  erschreckender  Weise  den 
ilifsbrauch  gezeigt,  der  mit  ammianischen  Nachrichten  in  den  geogra- 
phischen Handbüchern  getrieben  wird;  hunderte  (?)  von  Namen,  die 
Ammian  aus  Ptolemäus  abgeschrieben  hat,  laufen  in  ihnen  um  und  ge- 
hören einfach  vor  die  Thüre.  Freilich  zeigte  sie  mir  nicht  minder  die 
Endschuldbarkeit  dieses  Mi/sbrauchs.  Wer  jemals  geographische  Nach- 
richten zusammengestellt  hat,  weifs  aus  Erfahrung,  wie  unmöglich  es 
ist,  in  jedem  einzelnen  Falle  dem  einzehien  Zeugnis  diejenige  Stelle  zu- 
zuweisen, die  ihm  in  der  That  zukommt.  Wir  brauchen  eine  Bear- 
beitung dieser  Abschnitte,  welche,  so  weit  das  möglich  ist  —  und  in 
weitem  Umfange  ist  es  möglich  —  einer  jeden  Angabe  das  Ursprungs- 
zeugnis beisetzt".  M.  weist  eine  solche  Bearbeitung  einer  neuen  Aus- 
gabe der  Geographi  minores  zu. 


Peripl.  mar.  Eryth.     Julius  Honorius.  23 

33)  B.  Fabricius,  Der  Periplus  des  Erythräischeu  Meeres  von 
einem  Unbekannten.  Griechisch  und  deutscli  mit  kritischen  und  er- 
klärenden Anmerkungen  nebst  vollständigem  Wörterverzeichnisse. 
Leipzig  1883.     IV  und  188  S.     iii-8. 

Das  Werk  ist  mir  nur  durch  eine  Rezension  von  K.  J.  Neumann 
im  Philol.  Anz.  XVI  (1886)  S.  213—220  bekannt.  Danach  ist  die 
litterarhistorische  Einleitung  samt  den  kritischen  Anmerkungen  zu  breit 
angelegt,  die  Erklärungen  dagegen  berücksichtigen  in  umfassender  und 
fruchtbarer  Weise  die  x^ngaben  der  besonders  in  letzter  Zeit  reichlich 
erschienenen  Reiselitteratur. 

Auch  die  letzten  Ausläufer  der  römischen  Geographie  haben  neuer- 
dings eingehende  Beachtung  gefunden. 

34)  Dr.  W.  Kubitschek,  Kritische  Beiträge  zur  Cosmographia 
des  Julius  Honorius.  I  und  II.  Beigaben  zu  den  Jahresberichten  des 
k.  k.  Gymn.  in  Oberhollabrunn  1882  und  1883.    40  und  36  S.    in  8. 

35)  Derselbe,  Die  Erdtafel  des  Julius  Honorius.  In  den  Wiener 
Studien  VII  (1885)  S.  1—24  und  278—310. 

Es  ist  eine  wenig  erfreuliche  Aufgabe,  sich  mit  einem  Schriftwerke, 
wie  es  die  sog.  Cosmographia  des  Julius  Honorius  ist,  eingehend  zu  be- 
schäftigen, nicht  allein  weil  es  die  wüste  Arbeit  eines  unwissenden 
Schreibers  aus  dem  5.  oder  dem  Beginn  des  6.  Jahrhunderts  ist,  sondern 
auch  weil  es  als  Schulbuch  schon  in  der  nächstfolgenden  Zeit  mannig- 
fache Interpolationen  und  Entstellungen  erlitten  hat,  wie  die  Hand- 
schriften sie  in  wirrem  Durcheinander  bieten,  so  dals  es  kaum  möglich 
ist,  den  ursprünglichen  Text  festzustellen.  Hier  und  da  tauchen  in  dem- 
selben Namen  und  Angaben  auf,  denen  man  auf  den  ersten  Blick  einen 
wissenschaftlichen  Wert  zuschreiben  möchte,  aber  geht  man  näher  darauf 
ein,  so  zerfliefsen  sie  meist  in  Nebel  und  Finsternis. 

Der  Text  der  Schrift  war  von  Riese  in  der  Geogr.  lat.  minores 
herausgegeben  (s.  Jahresber.  1880,  3  S.  88—91);  Riese  hatte  sich  der 
bunten  Überlieferung  gegenüber  nicht  anders  zu  helfen  gewufst,  als  indem 
er  die  des  ältesten  Kodex  A  (Paris.  4808  aus  dem  6.  Jahrb.),  der  allein 
eine  besondere  Rezension  enthält,  mit  Ausmerzuug  der  Fehler  abdruckte 
und  daneben  eine  zweite  Rezension,  wie  sie  sich  aus  einer  Reihe  jüngerer 
Handschriften  ergebe.  Im  Gegensatz  dazu  hat  K.,  wie  auch  ich  es  für 
nötig  erklärt  hatte,  den  Grundtext  einheitlich  herzustellen  unternommen; 
doch  hat  er  ihn  nicht  im  Zusammenhange  der  Handschriften  abgedruckt, 
sondern  die  sachlichen  Rubriken,  nach  denen  derselbe  in  den  vier  Ab- 
teilungen der  Quadranten  des  Erdkreises  geordnet  ist,  vereinigt.  Diese 
Rubriken    enthalten    in   gleicher  Ordnung    die  Aufzählung    der  IVIeere, 


24  Julius  Honorius. 

Inseln,  Beri^e,  Länder  (provinciae),  Städte,  Flüsse,  Völker  des  östlichen, 
westlichen,  nördlichen  und  südlichen  Quadranten,  und  diese  sind,  wie  es 
im  Eingänge  der  Schrift  heilst,  deshalb  von  einer  ursprünglich  zum 
Werke  gehorendeu,  jetzt  aber  verlornen  Weltkarte  zusammengestellt, 
weil  sie  der  auf  dieser  augewandteu  gekrümmten  oder  akrostichisch*;n 
Schreibweise  wegen  nicht  überall  leicht  zu  lesen  waren.  All  diese  Ru- 
briken bis  auf  eine  enthalten  denn  auch  nur  trockene  Nameulisten,  und 
die  Überlieferung  beweist,  dals  auch  ihr  Verfasser  die  Namen  nicht 
immer  richtig  gelesen  hat,  oder  aber,  dafs  die  Karte  sie  sehr  undeutlich 
und  fehlerhaft  gab.  Nur  bei  den  Flüssen  sind  noch  Angaben  über  Ur- 
sprung, Mündung  und  Länge  hinzugefügt  (doch  fehlen  letzlere  Angaben 
meist  in  A),  bisweilen  auch  ausführlichere  Notizen  über  den  Lauf  gegeben. 

Die  kritischen  Beiträge  K.s  behandeln  uuu  zunächst  die  Geschickte 
der  Überlieferung  und  die  Verwandtschaft  der  Handschriften  unter- 
einander. Er  unterscheidet  drei  Klassen:  1.  den  wenig  interpolierten 
cod.  A,  2.  eine  durch  5  Handschriften  (C  V  P  ß  S)  vertretene,  schon 
mannigfach  interpolierte  Gruppe,^)  3.  eine  Anzahl  jüngerer,  noch  mehr 
entstellter  Handschriften.  K.  hat  jedoch  den  Apparat  Rieses  nur  um 
einige  unbedeutende  Angaben  vermehren  können,  sein  Hauptverdieust 
besteht  in  der  richtigen  Verwendung  desselben. 

Darin  hat  er  in  der  That  manches  Gute  geleistet,  zunächst  in  den 
Städteverzeichnissen.  lu  ihnen  finden  sich  zwar  auch  Namen,  die  unter 
andern  Rubriken  als  die  von  Ländern,  Völkern  u.  a.  wiederkehren,  und 
oft  noch  dazu  in  entstellten  Formen,  so  dafs  mancher  Stern  beigefügt 
ist.  Will  man  sich  auf  ihre  Verbesserung  einlassen,  so  ist  es  von 
Wichtigkeit,  dabei  die  Spuren  der  Anordnung  zu  verfolgen,  die  K.  nach- 
zuweisen versucht  hat.  Doch  ist  bei  der  augenscheinlichen  Verworren- 
heit der  Namen  auch  damit  noch  nicht  immer  viel  gewonnen,  und  es 
kommen  selbst  Wiederholungen  vor,  z.  B.  c.  9  n.  10  und  18  Tarchi 
(vielleicht  Parthi  nach  Riese),  ebenso  wohl  n.  6  und  21  Sallenites  und 
Salchamies,  was  beides  gleich  Saleantes  sein  mag,  dem  wunderlichen 
Namen,  der  bei  den  Flüssen  im  Gangesgebiet  (c.  7  und  8;  s.  u.)  vor- 
kommt. Besonders  der  östliche  Quadrant  bietet  allerlei  Rätsel.  Die 
Interpolationen  der  Jüngeren  Handschriften  scheinen  bisweilen  aus 
Strafsenkarten  zu  stammen.  Die  Zusammenstellung  der  Städte  weist 
darauf  hin,  dais  der  Verfasser  die  zu  Grunde  gelegte  Karte  durch  eine 
Längen-  und  eine  Breitenlinie  in  Viertel  zerlegte  und  besonders  die  an 
den  äufseren  und  inneren  Rändern  der  Quadranten  liegenden  Orte  der 
Reihe  nach  aufzählte. 


*)  Die  in  c.  18  f  eingeschobenen  zahlreichen  Namen  von  Provinzen  und 
Städten  Italiens  weisen  darauf  bin,  dafs  diese  Gruppe  in  Oberitalien  über- 
.arbeitet  ist. 


Julius  llonorius.  25 

Aus  den  verworrenen  Verzeichnissen  der  Inseln,  Meere  und  Berge 
ist  noch  weniger  Nutzen  zuziehen;  auch  die  der  provinciae  geben  nichts 
Merkwürdiges,  während  sich  unter  den  gentes  einige  selten  genannte 
finden.  Im  Ostviertel  möchte  ich  c.  13  n.  19  in  den  Oraccae  die  indi- 
schen Oratae  (Plin.  6,  75)  wiedererkennen,  im  Westvieitel  statt  der 
JutuDgi,  wofür  A  tutuncii  bietet,  nach  dem  sog.  Athicus  (bei  Riese  p.  84,  3) 
Turungi  lesen.  Die  seltensten  Namen  giebt  das  südliche  Viertel,  die 
Bacuates  (wohl  die  Baquates  des  C.  I.  L.  VIII,  9663),  Barbares,  zwischen 
denen  nach  c.  4,  7  der  Flul's  Malva  hindurchfüelst,  Beguenses,  Ferra- 
tenses,  Mazices,  Musunei,  Quinquegentiani.  Die  Barzufulitani  dürften 
den  Barsunli  beim  An.  Rav.  p.  163,  16  P.  et  P.  entsprechen.  Einige 
Namen,  die  Beitani  (etwa  gleich  Belalitani  im  C.  I.  L.  VIII,  1360), 
Bures,  Flumineuses,  Gurbissenses  sind  noch  nicht  sonst  nachgewiesen, 
doch  scheinen  mir  die  letzteren,  sowie  der  mens  Gurbessa  auf  Ourubis 
in  der  Nähe  von  Karthago  bezogen  werden  zu  können. 

Am  wichtigsten  nehmen  sich  auf  den  ersten  Blick  die  Listen  der 
Flüsse  aus,  die  im  Texte  immer  erst  an  vorletzter  Stelle  stehen.  Ilinen 
vor  allen  ist  K.s  Aufsatz  in  den  Wiener  Studien  gewidmet,  der  besonders 
aus  ihnen  die  Anlage  der  zu  Grunde  liegenden  Weltkarte  nachzuweisen 
sucht.  Cod.  A  ist  hier  vielfach  kürzer  als  die  übrigen  Rezensionen,  er 
bietet  z.  B.  nur  im  östlichen  und  zum  Teil  im  nördlichen  Quadranten 
die  Längenangaben.  Auf  letztere  Thatsache  scheint  mir  K.  zu  wenig 
Gewicht  zu  legen.  Freilich  ist,  wie  er  ausführt,  zwischen  der  angeb- 
lichen und  der  wirklichen  Länge  der  Flüsse  kein  Ausgleich  zu  finden, 
allein  an  eine  genaue  Messung  jener  meist  aufserhalb  der  römischen 
Reichsgrenzen  gelegenen  Flüsse  ist  im  Altertum  doch  schwerlich  zu 
denken.  Aber  auf  der  Karte  sind  die  Mafse  wohl  angegeben  gewesen. 
Allzu  künstlich  und  gewagt  dürfte  jedoch  K.s  Verfahren  sein,  von  den 
Angaben  bei  den  spanischen  Flüssen  auszugehen  und  mit  ihnen  die 
bei  den  andern  Flüssen  in  ein  ursächliches  Verhältnis  zu  setzen,  als  ob 
jene  das  Grundmafs  für  alle  abgegeben  hätten.  Aber  auch  in  den  Flufs- 
beschreibungen  bleibt  manches  dunkel,  selbst  In  den  Namen.  Der 
Theriodes  im  Ostviertel  ist  wohl  vielmehr  ein  Meerbusen  (s.  Anon.  geogr. 
comp,  bei  Müller,  Geogr.  gr.  min.  2,  591),  ganz  verworren  und  schein- 
bar durcheinander  geworfen  sind  die  Beschreibungen  der  Flüsse  Oxus, 
Ganges  und  Indus,  die  dabei  erwähnten  Saleantes  möchte  man  als 
Salientes  erklären,  wozu  die  bei  Plin.  6,  65  gegebene  Schilderung  der 
Gangesquellen  pafst.  Im  wunderlichen  Namen  Sj'gogan  oder  Sj'gaton  c,  8 
möchte  man  einen,  mii-  zwar  nicht  nachweisbaren  Zu^wtov  finden,  zu 
welchem  Namen  die  dunkle  Beschreibung  einigermafsen  stimmt.  Die 
erste,  ganz  unerklärliche  der  beiden  Erwähnungen  des  Chrysorroas 
c.  10  und  11  dürfte  wohl  einfach  zu  streichen  sein. 


2G  Julius  Honorius. 

Im  Westviertel  bietet  die  jüngere  Rezension  einige  beachtenswerte 
Mehraugaben  als  A,  sie  nennt  den  hier  fehlenden  ßaetis  mit  dem  Neben- 
flufs  Singilius  als  vom  mons  Salurius  d.  1.  Solorius  entspringend.  Der 
Durius  kommt  von  mons  Caia,  in  dem  K,  den  Caunus  bei  Liv.  40,  50^ 
den  Gaius  bei  Mart.  1,  49,  5  und  4,  55,  2,  den  jetzigen  Moncayo  wieder- 
erkennt. Er  durchfliegst  den  Paramus,  eine  bisher  sonst  nur  aus  einer 
Inschrift  nachgewiesene  Gegend,  die  aufserdem  als  campus  Paramus  bei 
Victor  Tannunensis  ed.  Roncalli  2  p.  342  (s.  Rankes  Weltgesch.  4,  340  n.  3) 
erwähnt  wird.  Wie  im  Orient  dem  Anschein  nach  Oxus,  Ganges  und 
Indus,  so  waren  im  Westviertel  auch  Rhone  und  Rhein  miteinander 
verbunden;  letzterer  wird  aber  aufser  mit  seinem  eigentlichen  Namen 
auch  als  Bicornius  bezeichnet.  Dieser  Name  stammt  aus  Verg.  Aen.  8,  727 
(Rhenus  bicornis)  und  wird  von  Servius  erklärt:  bicornis  autem  aut 
commune  est  omnibus  fluviis,  aut  proprie  de  Rheno,  quia  per  duos  alveos 
fluit:^)  per  unum,  qua  Romanum  Imperium  est,  per  alterum,  qua  interluit 
barbaros,  ubi  iam  Vahal  dicitur  et  facit  insulam  Batavorum.  Auch  aus 
Symmachus  paneg.  in  Gratian.  c.  9  habe  ich  jene  Bezeichnung  notiert. 
Dadurch  wird,  glaube  ich,  die  von  mir  vorgeschlagene  Lesung  u.  8  fluvius 
Bicornius  dictus  st.  Vicorni  iunctus  gesichert.  In  der  Beschreibung  des 
Rhodanus  n.  5  f.  mufs  es  dann  heilsen:  cum  sit  unus  et  individuus  st. 
et  dimidius  und  n.  6,  8  schwerlich,  wie  K.  vermutet:  aquae  alveum  per- 
tortuosum,  sondern  unter  Vergleiclmng  der  Nilbeschreibung  4,  1,  6  eher 
anguillationem  oder  vielleicht  angulationem  pert.,  d,  h.  eine  mannigfache, 
aalartige  oder  winkelreiche  Krümmung.  Zur  Erklärung  des  Namen» 
Geobonna,  der  bei  Athicus  23  Geon  heilst,  mag  man  die  Egona  j.  Yonne 
den  Nebenflufs  der  Seine,  beim  An.  Rav.  p.  235,  10  und  236,  2  heranziehen. 

Von  wertvoller  Überlieferung  aus  guter  Zeit  ist  iii  dem  ganzen 
Machwerk  nicht  viel  zu  spüren,  das  nur  dadurch  seine  Bedeutung  hat, 
dafs  es  uns  den  traurigen  Bestand  des  Schulwesens  etwa  im  6.  Jahr- 
hundert erkennen  liiist.  K.  versucht  (S.  303  ff.)  das  Bild  der  Karte  zu 
entwerfen,  die  dem  Verf.  vorgelegen,  und  fügt  den  Entwurf  einer 
Zeichnung  bei,  nach  der  ihre  nordsüdliche  Ausdehnung  sich  zur  west- 
Ostlichen  etwa  wie  2  zu  3  verhält,  und  auf  der  die  Halbierungslinien 
sich  ein  wenig  südwestlich  vom  Peloponnes  schneiden.  Letzteres  mag 
richtig  sein;  mit  Grund  aber  mag  man  zweifeln,  ob  statt  der  sonst  im 
Altertum  nicht  nachgewiesenen  ovalen  Form  nicht  vielmehr  eine  kreis- 
runde anzunehmen  sei. 

36)  E.  Schweder,  Über  die  Weltkarte  des  Kosmographen  von 
Ravenna.  Versuch  einer  Rekonstruktion  der  Karte.  Mit  zwei  Karten- 
skizzen.    Kiel  1880. 


So  heifst  auch  der  Gianicus  bei  Ovid.  met.  11,  TCi)  bicornis. 


Anonymus  Rav.  27 

Pinder  nnd  Partliey  fügten  ihrer  Ausgabe  des  An.  Rav.  vom 
J.  1860  eine  von  Kiepert  gezeichnete  Kartenskizze  bei,  auf  der  sie 
Jerusalem  als  Mittelpunkt  der  dem  An.  einst  vorliegenden  Karte  an- 
setzten, um  den  sich  die  Länder  der  Welt  im  Kreise  ordneten.  Seh. 
weist  auf  die  Unzuträglichkeiten  des  so  gewonnenen  Bildes  hin  und 
konstruiert  ein  neues,  zwar  auch  kreisrundes,  doch  eigentümliches.  Er 
nimmt  an,  dals  die  je  12  Stunden  der  Nacht  und  des  Tages,  auf  die 
der  An.  die  Länder  der  Welt  verteilt,  nach  Ravenna,  der  spätrömischen 
Hauptstadt,  als  Mittelpunkt  orientiert  seien,  legt  aber  diese  Stadt  nicht 
in  den  Mittelpunkt  der  Karte,  sondern  etwa  in  die  Mitte  des  nordwest- 
lichen Quadranten.  Von  da  aus  teilt  er  den  Raum  des  Kreises  in  je 
12  winkelgleiche  obere  und  untere  Sektoren,  jene  für  die  Nacht-,  diese 
für  die  Tagesstunden.  Zwar  werden  so  einige  Schwierigkeiten  ver- 
mieden, die  sich  bei  der  "Unterbringung  der  einzelnen  Länder  in  die 
Felder  der  Kiepertschen  Karte  ergaben,  doch  ist  diese  Konstruktion 
mit  keinem  Worte  im  Text  des  Rav.  angedeutet  und,  wie  mir  scheint, 
überhaupt  zu  künstlich  für  diesen  halbbarbarischen  Schriftsteller. 

Mir  scheint  es  nötig,  zunächst  ein  klareres  Verständnis  der  räson- 
nierenden  Teile  seines  Textes  zu  gewinnen,  dessen  Schwierigkeiten  bisher 
von  den  Gelehrten  allzusehr  umgangen  sind.  In  einer  Rezension  (in  der 
Berl.  Philol.  Wochenschrift  1887  S.  107  ff.)  habe  ich  dazu  einige  Bei- 
träge zu  geben  versucht.  Indem  ich  auf  sie  verweise,  füge  ich  hier 
nur  noch  an,  dafs  auch  ich  Ravenna  als  Mittelpunkt,  aber  als  wirklichen, 
nicht  als  excentrischen  der  Kreiskarte  ansehe  und  auf  diese  Art  ein 
Kartenbild  gewonnen  zu  haben  meine,  das  in  der  That  den  Angaben 
des  Textes  in  den  wesentlichsten  Punkten  entspricht. 

Eine  im  ganzen  Seh.  zustimmende  Rezension  gab  K.  J.  Neumann 
im  Philol.  Anz.  XA^I  (1887),  73—76. 

37)   J.  W.  Kubitschek,    Der    Text    der    Ravennatischen    Erd- 
beschreibung; im  Hermes  XXII  (1887)  S.  471—478. 

Der  Verf.  sucht  den  Zusammenhang  der  Handschriften  unterein- 
ander und  ihren  Wert  zu  bestimmen.  Er  stellt  zunächst  aus  gemein- 
samen Verderbnissen  fest,  was  ja  schon  bei  dem  Alter  der  drei  Hand- 
schriften, deren  keine  über  das  13.  Jahrhundert  hinaufreicht,  wahrschein- 
lich ist.  dals  keine  unmittelbar  aus  dem  Archetypus  stammt,  sondern 
alle  aus  einer  nachlässigen  Abschrift,  sodann  dafs  keine  aus  einer  der 
beiden  andern  stammt,  sondern  dafs  sie  nebeneinander  stehen,  und  zwar 
so,  dafs  cod.  A  und  C  einander  näher  verwandt  sind,  und  ebenso  B 
und  die  Handschriften  des  Guido,  die  eine  kürzere,  aber  mit  fremden 
Zusätzen  versehene  Fassung  des  Textes  geben. 


28  Weltkarte. 

Erwähnung  und  nähere  Untersuchung  hätte  verdient,  was  Parthey 
im  Hermes  IV,  134  ff.  anführt,  dafs  ein  Hchriftsteller  vom  Schlufs  des 
13,  Jahrhunderts,  Ricobaldus  Ferrariensis,  den  Eavennaten  ausge- 
schrieben hat. 

38)  E.  Schweder,  Über  eine  Weltkarte  des  achten  Jahrhunderts; 
im  Hermes  XXIV  (1889)  S.  587-604. 

Der  Verf.  macht  auf  eine  in  dreifacher,  doch  nicht  ganz  gleich- 
artiger Wiederholung  erhaltene  und  bereits  herausgegebene  Karte  des 
spanischen  Benediktiners  Beatus  aufmerksam,  die  derselbe  einem  im 
Jahre  787  verfafsten  Kommentar  zur  Apokalypse  beigefügt  hat.  Ist 
sie  auch  den  Weltkarten  des  frühen  Mittelalters^  nahe  verwandt,  z.  B. 
darin,  dal's  Osten  oben  auf  der  Karte  liegt,  so  finden  sich  doch  auch 
deutliche  Spuren  eiuer  Verwandtschaft  mit  der  Tab.  Peut.  und  der 
Karte,  die  dem  An.  Rav.  voilag:  doch  fehlen  auf  ihr  die  eigentüm- 
lichen und  besonders  wertvollen  Bestandteile  des  letzteren,  welche  eine 
Einsicht  in  die  Verhältnisse  der  von  den  Germanen  im  5.  Jahrhundert 
in  Gallien  gegründeten  Reiche  gewähren.  Immerhin  bleibt  die  Karte 
des  Beatus  ein  beachtenswertes  Mittelglied  zwischen  den  spätrömischen 
Strafsenkarten  und  den  Weltkarten  des  Mittelalters. 

39)  Nicetae  Serrarum  episcopi  i-ythnii  de  marium,  fluviorum, 
lacuum,  moDtium,  urbium,  gentium,  lapidum  noniinibus 

sind  von  L.  Cohn  in  Fleckeisens  Jahrb.  XXXII  (1886)  S.  649—661 
herausgegeben  und  besprochen.  Der  Verf.  gehört  dem  11.  Jahrhundert 
an.  Er  schleppt  Namen  zusammen  aus  Homer,  Apollonius  Rhodius, 
Lykophron,  dem  Periegeten  Dionysius  u.  a.,  bis  auf  einige  wenige  alle 
wertlos.  Unter  jenen,  deren  Quelle  der  Herausgeber  nicht  nachweisen 
kann,  findet  sich  z.  B.  der  Flulsuame  'Hpetatvo»,  der  wohl  gleich  dem 
'Hpexsvo;  (bei  Ael.  h.  anim,  14,  8)  oder  dem  'Hpiovvo'c  ist. 

40)  Die  von  F.  Lenormant  angeblich  im  J.  1863  zu  Athen 
im  Laden  eines  Tabakhändlers  gefundenen  Reste  eines  griechischen 
geographischen  Lexikons,  herausg.  im  Philol.  XXV  (1867)  147  f.  und 
in  den  Fragm.  bist,  graec.  V,  1  p.  LXVI  if.  wurden  von  Mordtmann 
und  Mommsen  im  Hermes  XVII  (1882)  452  ff.  endgültig  als  Fälschung 
abgethau. 

Der  Bericht  über  die  Fortschritte  der  Geographie  der  westlichen 
und  nördlichen  Provinzen  des  römischen  Reiches  wird  demnächst  folgen. 


i1 


Bericht  über  Geographie  von  Griechenland. 

Von 
Professor  Dr.  Eugen  Oberhummer 

in  München, 

III.    Kypros. 

Nachdem  im  ersten  Bericlite  des  Referenten  (Bd.  64  S.  347 — 446) 
die  Griechenland  im  allgemeinen  betreif  ende  Litteratur,  im  zweiten 
Artikel  (Bd.  69  S.  251 — 86)  diejenige  über  die  westgriechischen  Inseln 
im  besonderen  zur  Besprechung  gelangt  ist,  soll  nunmehr  die  ost- 
griechische Inselwelt  ihre  Berücksichtigung  finden.  Ich  beginne  in 
diesem  Jahrgange  mit  der  gröfsten  und  wichtigsten  der  hierher  ge- 
hörigen Inseln,  Kypros,  auf  welcher  die  archäologische  Forschung  in 
den  letzten  Jahrzehnten  überaus  thätig  war.  Aber  mehr  noch  als  die 
archäologischen  Arbeiten  sind,  hauptsächlich  infolge  der  englischen 
Besitzergreifung,  die  geographischen ,  touristischen  und  politischen 
Publikationen  über  diese  Insel  zu  einer  solchen  Menge  angeschwollen, 
dafs  diese  nicht  immer  leicht  zugängliche  Litteratur  nur  mehr  von  den 
wenigen  übersehen  werden  kann,  welclie  ihr  ein  spezielles  Studium  ge- 
widmet haben.  Es  mag  daher  auch  gerechtfertigt  erscheinen,  wenn  die 
so  überaus  wichtige  und  vieldurchforschte  Insel  diesmal  den  Gegenstand 
besonderer  Berichterstattung  bildet. 

Ich  stelle  an  die  Spitze  einen  bibliographischen  Versuch,  die 
umfängliche  Litteratur  über  Kypros  zusammenzustellen  und  zu  ordnen : 

An  Attempt  at  a  Bibliograpby  of  C3'prus.  By  Claude  Delaval 
Cobham.     Nicosia,  1886.  8.   12  S.  —  Second  Edition.     1889.    24  S. 

Der  Verfasser,  seit  langen  Jahren  als  höherer  Verwaltungsbeamter 
auf  der  Insel  thätig,  giebt  in  dieser  Schrift  ein  Verzeichnis  der  über 
K.  erschienenen  Litteratur  vom  Ende  des  L5.  Jahrhunderts  bis  1889, 
wobei  auch  die  wichtigeren  Artikel  in  Zeitschriften  berücksichtigt 
wurden.  In  besonderen  Rubriken  sind  zusammengestellt:  Numismatik, 
Inschriften  und  Sprache,  Blaubücher  (Cyprus  Parliamentary  Papers) 
1878 — 88,  in  K.  erschienene  Zeitungen  und  Cesnola  Controversy  (nteist 
Artikel    in  Zeitschriften    und  Ta^esblättern).     Für   die    drei   letzteren 


30  Geographie  von  Griechenland. 

Abteilungen,  welche  erst  in  der  2.  Ausgabe  beigefügt  wurden,  mufs 
man  dem  Verf.  ganz  besonders  zu  Dank  verpflichtet  sein.  Aber  auch 
das  Hauptverzeichnis,  obwohl  es  auf  unbedingte  Vollständigkeit  keinen 
Anspruch  machen  kann,  ist  sorgfältig  gearbeitet  und  mit  Nutzen  zu  ge- 
brauchen. Leider  wird  hiei"zu  auf  dem  Kontinent  wenig  Gelegenheit 
gegeben  sein,  da  die  kleine  Schrift  auf  Privatkosten  gedruckt  und  nicht 
in  den  Buchhandel  gelangt  ist.  Eine  dritte  Ausgabe  befindet  sich,  wie 
mir  der  Verf.  eben  schreibt,  in  Vorbereitung. 

Für  griechische  Litteratur  ist  auf  das  in  den  beiden  vorigen 
Berichten  bereits  mehrfach  erwähnte  Verzeichnis  von  Miliarakis^)  zu 
verweisen  (S.  88-90). 

Im  Anschlufs  an  die  Bibliographie  wäre,  hier  die  periodische 
Litteratur  über  K.  zu  erwähnen,  so  weit  sie  ausschliefslich  dieser  Insel 
angehört.  Da  dieselbe  jedoch  nur  unter  ganz  besonderen  Verhältnissen 
erreichbar  ist  und  überdies  nur  zum  geringsten  Teil  wissenschaftliches 
Interesse  hat,  verweise  ich  einfach  auf  das  Verzeichnis  bei  Cobhara^  23 
und  begnüge  mich  mit  der  Erwähnung  der  einzigen  kyprischen  Zeitschrift, 
welche  auch  aufserhalb  der  Insel  eine  gewisse  Vorbereitung  erlangt  hat, 
nämlich  der  Oid  ('Eule').  Dieselbe  erschien  seit  Sept.  1888  zu  Nikosia 
in  doppelter  Gestalt ,  nämlich  als  "Wochenschrift  politischen  und  wirt- 
schaftlichen Inhalts  u.  d.  T.: 

The  Owl.  A  Weekly  Newspaper  and  Review  (Folio), 
welche  uns  trotz  mancher  für  die  Kenntnis  von  K.  wertvollen  Artikel 
und  Nachrichten  hier  nicht  näher  beschäftigen  kann,  und  als  halbmonatliche 
Beilage  wissenschaftlichen  Charakters  u.  d.  T.: 

The  Owl.     Science,  Literature  and  Art,     Edited  by  Max  Ohne- 
falsch-Richter (Quart). 

Hiervon  erschienen  11  Nummern  zu  8  S.  (bis  März  1889)  mit 
10  T.  Illustrationen,  zahlreichen  Druckfehleren  etc.;  die  Hauptartikel 
sind  folgende: 

F.  Duemmler,  The  Alabastron  of  Pasiades.     No.  1,  T,  L 

J.  Naue,    The   Copper,    Bronze    and  Iron  Weapons  of  Cyprus 
No.  2—4,  T.  II— [V. 

M.  Ohnefalsch-Richter,  Ancient  Idalion  and  Neighbourhood 
No.  6—8,  mit  Plan  u.  T.  V. 

E.  Oberhummer,  Ancient  Idalion.     No.  7  und  8. 

A.  Weissb.ach,  Craniological  Studies.     No.  9/10,  T.  VI. 


»)  Vgl.  Bd.  64  S.  340  und  437. 


Kypros  (Zeitschriften.)  31 

M.  Ohnefalsch-Richter,  Excavations  for  Sir  Charles  Newton. 
Teraenos  of  Artemis -Kybele  at  Achna»).    No.  10/11,  T,  IX/X. 

Im  April  1889  wurde  Oivl  II  in  eine  selbständige  Zeitschrift  um- 
gewandelt u.  d.  T.: 

The  Journal  of  Cypvian  Studies.  Edited  by  Max  Ohnefalsch- 
Richter.  4. 

Hiervon  erschien  nur  eine  einzige  Nummer  zu  24  S.,  welche 
folgende  gröfsere  Aufsätze  enthält: 

M.  Ohuefalsch-Richter,  Ledrai-Lidir^)  and  the  Copper- 
Bronze-Age;  hierzu  zwei  (entsetzlich  überfüllte)  Tafeln. 

J.  Di  eck,  Cyprus,  reveille-toi! 

Hierzu  kommen  u.  d.  T.  „Linguistic  and  Epigraphic  Studies" 
verschiedene  dialektologische  Mitteilungen  von  0.  Hoffmann,  C.  D. 
Cobham,  E.  Koustantinides  u.  s.  w.     Vgl.  Nachtrag. 

Ein  Anlauf  zu  einer  periodischen  Veröffentlichung  wurde  auch 
u.  d.  T.  The  Cyprus  Museum  unternommen.  Meines  Wissens  erschienen 
nur  zwei  Hefte,  von  denen  das  erste,  mit  der  Sonderbezeichnung  A  Short 
Account  of  Operations  4  S.  Text  und  3  T.  in  4°  umfafst  und  eine  Mitteilung 
von  D.  Pierides  d.  d.  Nov.  1883  über  drei  epichorische  Inschriften  aus 
dem  Gebiet  von  Kythraia  enthält.  Im  2.  Heft,  8  S.  in  8°  mit  dem 
Sondertitel  A  Bilingual  Inscription  (Phoenician  and  Kypriote), 
2nd.  Edition,  Nicosia  1886  behandeln  F.  Warreu  u.  D.  Pierides 
eine  phönizisch-epichorische  Bilinguis  aus  Tamassos,  welche  ebenso,  wie 
die  drei  vorgenannten  Inschriften,  seitdem  in  neuerer  und  leichter  zu- 
gänglicher Ausgabe  vorliegt  (s.  u.). 

Ich  wende  mich  von  der  periodischen  Litteratur  zu  der  eigentlichen 
Grundlage  des  geographischen  Studiums,  den  Karten  der  Insel. 

Wie  in  den  meisten  der  europäischen  Kultur  entrückten  Ländern 
ist  auch  in  K.  die  genaue  Aufnahme  der  Küsten  derjenigen  des  Innern 
vorausgegangen.  So  bildete  auch  seit  der  Mitte  unseres  Jahrhunderts 
die  Grundlage  aller  Karten  von  K,  die  Aufnahme  der  britischen 
Admiralität 

2074.  Cyprus.  Surveyedby  Captain  Thomas  Grav es.  1849.  2V2  sh. 

DasBlatt,  welches  1851  veröffentlicht  wurde  und  mit  Berichtigungen 
bis  auf  die  neueste  Zeit  —  mein  Exemplar  bis  1885  —  versehen  ist^), 


')  Zwischen  Famagusta  und  Larnaka. 

-)  Der  Löwenhügel  bei  Nikosia  (s.  u.  Topographie). 

')  Soeben  ersehe  ich  aus  Peterm.  Mitteil.  1893  Lit.-B.  N.  188,  dalä 
eine  neue  Ausgabe  dieses  Blattes  in  1  :  260800  zum  Preise  von  2  sh,  er- 
erschienen ist. 


,•^9  Geographie  von  Griechenland. 

hat  den  Mal'sstab  von  0,3"  =.  1  tnile  (1  :  243455)  und  enthält  aufser 
der  Hauptkarte  Spezialpläne  von  Liraassol  (1849),  Larnaka  (1849), 
Famagusta  (1878/9),  Salamis  und  Kerynia,  sowie  Küstenansichten  von 
den  genannten  Plätzen  und  Kap  Kormakiti.  Die  Karte  steht  an 
Detailausführung  den  besseren  englischen  Küstenkarten  aus  griechischen 
Meeren  entschieden  nach  und  ist  für  das  Innere,  für  welches  nur  einige 
Andeutungen  gegeben  sind,  jetzt  wertlos. 

Aufserdem  veröffentlichte  die  britische  Admiralität  folgende 
Spezialpläne: 

846.  Limasol.  Surveyed  by  Lieutenant  Lord  John  T.  Browne. 
1849.  1:26960.  Veröffentlicht  1878.  IV2  sh.  Korrekturen  meines 
Ex.  bis  1885. 

847.  Famagousta  and  Salamis.  Surveyed  by  Lieutenant  A.  L. 
Mansell,  1849,  and  Staff  Commander  John  Miliard,  1878/9. 
1  :  22059  (Famagousta  Harbour  1  :  10050).  Veröffentlicht  1879.  IV2  sh. 
Korrekturen  meines  Ex.  bis  1885. 

848.  Larnaka.  Surveyed  by  Mr.  J.  Stokes.  1849.  1  :  29470. 
Veröffentlicht  1878.  1\'2  sh.  Korrekturen  meines  Ex.  bis  1885.  In 
der  Ecke  r.  u.  eine  Ansicht  des  (mittelalterlichen)  Turmes  von  Kiti. 

Auch  die  fianzösische  Marineverwaltung ^)  ist  mit  einigen,  zum  Teil 
auf  englischer  Vorlage,  zum  Teil  auf  selbständigen  Aufnahmen  beruhenden 
Karten  hervorgetreten,  nämlich: 

2057.  Carte  du  canal  compris  eutre  la  cote  de  Caramanie  et  l'ile 
de  Chypre.     1863.     Korrekturen  bis  1879.     2  fr. 

2179.  Carte  de  la  cote  möridionale  de  File  Chypre.  1865.  Kor- 
rekturen bis  1892.     2  fr. 

Die  beiden  Blätter  sind  eine  Kopie  (in  gleichem  Mafsstab)  der 
englischen  Karte  2074  mit  Hinzufügung  eines  Stückes  der  Südküste 
Kleiiiasiens  und  Umsetzung  von  Mals  und  Schrift  ins  Französische.  Bei- 
gegeben sind  auch  die  Spezialpläne  von  Kerynia,  Larnaka,  Salamis,  Li- 
ma88ol,  letzterer  nach  No.  3243,  die  übrigen  nach  englischer  Vorlage. 

3243.  Croquis  du  mouillage  de  Limassol  fait  sous  la  direction 
de  Mr.  Duseutre  par  M.  M.  Desporte  etDelile.  1873.  1  :  20000, 
0,50  fr.     Korrekturen  meines  Ex.  bis  1882. 


*)  Früher  Depot  des  cartes  et  plans  de  la  Marine^  jetzt  Service 
hydrographique  de  la  Marine;  vgl.  Bd.  04  S.  437.  Der  dort  vermifste  Katalog 
ist  mir  jetzt  zugänglich  u.  d.  T.  :  „Catalogue  par  ordre  geographique  des 
cartes,  plans,  vues  de  cotes,  memoires,  Instructions  nautiques,  etc.,  qui 
composent  l'hydrographie  fran^aise."    Paris.  Impr.  Nation.  1893.  VIU  430  S. 


Kypros  (Karten),  33 

3244.  Croquis  du  mouillage  de  Larnaca  Iev6  en  1861  par  M.  M. 
Desmoiilin  et  Du  Laurens.  Veröffentlicht  1873.  1:20000.  Kor- 
rekturen meines  Ex.  bis  1886.     0,75  fr. 

37J6.     Famagouste.    1879.    Port  de  Famagouste.   1:10000.1fr. 

Kopie  nach  der  englischen  Karte  No.  847,  welche  übrigens  vor- 
zuziehen. 

Von  dem  festen  Rahmen  der  englischen  Seekarte  gingen  bis  vor 
kurzem  alle  Versuche  aus,  die  Karte  von  K.  auch  für  das  Innere  zu 
konstruieren.  Der  erste  wissenschaftliche  Versuch  dieser  Art  war  die 
Karte  von  L.  de  Mas  Latrie  (s.  u.  S.  49  f.),  welche  jedoch  nicht  mehr 
in  den  zeitlichen  Rahmen  unseres  Berichtes  fällt.  Aus  neuerer  Zeit  ist 
zu  erwähnen: 

New  Original  Map  of  the  Island  of  Cyprus  by  Henry  Kiepert. 
Scale  1:400000.     Berlin,  Dietrich  Reimer.     1878.     M.  2. 

Die  Karte  hat  das  Verdienst,  nicht  nur  das  allgemein  zugäng- 
liche Material,  sondern  auch  die  (leider  nur  teilweise)  veröffentlichten 
Reiseergebnisse  Dr.  Paul  Schröders  (s.  u.)  und  einige  andere  noch  nie- 
mals ausgebeutete  Quellen  verarbeitet  zu  haben,  worüber  eine  Legende 
des  Kartenblattes  Aufschlufs  giebt.  Die  Karte  ist,  wie  bei  dem  Verf. 
nicht  anders  zu  erwarten,  klar  und  übersichtlich  gezeichnet,  das  Terrain 
in  geschummerter  Manier;  jetzt  ist  dieselbe  durch  die  neue  englische 
Aufnahme  völlig  überholt  und  nur  bei  Ermangelung  der  letzteren,  so- 
wie zur  Übersicht  der  türkischen  Verwaltungsgrenzen  noch  von  praktischer 
Bedeutung. 

Eines  der  wichtigsten  wissenschaftlichen  Ergebnisse  der  englischen 
Besitzergreifung  von  K.  ist  die  Durchführung  einer  topographischen 
Aufnahme  und  einer  hierauf  beruhenden  Karte,  welche  unter  folgendem 
Titel  erschien: 

A  Trigonometrical  Survey  of  the  Island  of  Cyprus  executed  and 
published  by  command  of  H.  E.  Mayor  General  Sir  R.  Biddulph  — 
High  Commissioner,  under  the  direction  of  Captain  H.  H.  Kitchener, 
R  E.,  Director  of  Survey.  Hillshading  by  Lieutenant  S.  C.  IN.  Grant, 
R.  E.  1882.  Scale  of  1  Inch  to  1  Statute  Müe  =  1  :  63360.  London, 
Edward  Stanford.  1885.  15  Bl.  nebst  Titel-  u.  Übersichtsblatt.  Preis 
3  £.  10  sh. 

Da  ich  mich  über  diese  grundlegende  Karte  bereits  an  anderer 
Stelle  ausgesprochen  und  dort  auch  die  wichtigsten  litterarischen  Nach- 
weise gegeben  habe,^)  mag  es  hier  genügen,  unter  Beziehung  auf  jene 


1)  Ztschr.  d.  Ges.  f.  Erdk.  1890  S.  188  ff. 
Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.  LXXVII.  Bd.  (1893.  III.) 


34  Geographie  von  Griechenland. 

Bemerkungen,  daran  zu  erinnern,  dafs  für  jeden,  der  sich  irgendwie 
näher  mit  K.  zu  beschäftigen  hat,  diese  Karte  unentbehrlich  ist.  Be- 
züglich der  antiken  Topographie  sei  bemerkt,  dafs  die  hierauf  bezüg- 
lichen Namen  durch  besondere  (gotische)  Schrift  ausgezeichnet,  übrigens 
vielfach  verunstaltet  oder  willkürlich  angebracht  sind.  Die  in  grofser 
Zahl  und  mit  anerkennenswerter  Sorgfalt  eingetragenen  Ruins  können 
ebensowohl  antike  als  irgendwelche  jüngere  Trümmerstätten  (Kirchen- 
ruinen u.  dgl.)  bezeichnen. 

Nur  als  Übersichtskarte  kann  zum  Ersatz  dienen  eine  Verkleine- 
rung auf  Vö  des  ursprünglichen  Verhältnisses,  w^elche  u.  d.  T. : 

Cyprus.    Scale  1  :  316800.    London.    Published  by  Edward  Stan- 
ford.')     1886.     M.  5. 

erschien.  Trotz  seiner  Übersichtlichkeit  und  ausdrucksvollen  Zeichnung 
—  das  Gelände  ist  in  Strichmanier  bei  Annahme  nordwestlicher  Be- 
leuchtung gehalten  —  ist  dieses  Kartenblatt  nur  mit  Vorsicht  zu  be- 
nutzen, da  sich  bei  der  Verkleinerung  der  Originalkarte  mehrfache 
Fehler  und  Mifsverständnisse  eingeschlichen  haben.  Immerhin  ist  es  z.  Z. 
die  einzige  Karte,  welche  bei  handlichem  Format  und  billigem  Preis 
ein  an  Einzelheiten  reiches  und  annähernd  richtiges  Bild  der  Insel  giebt. 
Mit  der  gröfseren  Karte  beschäftigt  sich  eingehend  ein  Aufsatz  von 

H.  Zimmerer,    Die    englische    Generalstabskai'te    von    Cypeni. 
Blatt,  f.  d.  bajT.  Gymnasialschulwesen  1888  S.  152—7,  224—9,  328—33. 

Derselbe  enthält  allerdings  nur  zum  kleineren  Teile  eine  Be- 
sprechung der  Karte  und  ergeht  sich  vielmehr  in  allgemeinen,  von  viel- 
seitiger Litteraturkenntnis  zeugenden  Betrachtungen  über  die  Bedeutung 
der  Lisel  und  die  neueren  Forschungen  über  dieselben;  doch  sucht  der 
Verf.  durch  Anführung  zahlreicher  Einzelheiten  sowohl  eine  Vorstellung 
von  der  Reichhaltigkeit  der  Karte  zu  geben  als  auch  daraus  den  Nach- 
weis eines  fast  unvermischten  Hellenentnms  der  Bewohner  zu  führen. 

Neben  der  topographischen  Karte  hat  die  Inselregierung  auch 
Spezialpläue  der  drei  wichtigsten  Städte  Nikosia,  Larnaka  und  Fama- 
gusta  aufnehmen  lassen,  welche  jedoch  leider  nicht  zur  Veröffentlichung 
bestimmt  sind.  Diese  Pläne  sind  in  dem  grofsen  Mafstsab  von  1  :  2500 
aufgenommen  und  mit  grofser  Sorgfalt  ausgeführt,  so  viel  mir  bekannt, 
durch  den  Topographen  Carle tti.    Nur  der  Plan  von  Famagusta  wurde 


')  Eine  früher  (lb78)  bei  Stanford  erschienene  Karte  u.  d.  T.  „Cypru.s. 
Showing  the  Administrative  Divisions  and  Identified  Ancient  Sites",  welche 
natürlich  jetzt  keinen  Wert  mehr  haben  kann,  ist  mir  nicht  zu  Gesicht  ge- 
kommen. 


Kypros  (Allgemeines).  35 

einiger  in  afsen  zugänglich  gemacht,  da  von  demselben  eine,  tj^pographisch 
freilich  sehr  unvollkommene  Vervielfältigung  erschien  u.  d.  T. : 

Plan  of  Famagusta.  Scale  1  :  2500.  Published  under  the  dii-ection 
of  Lieut.  S.  C.  N.  Grant. 

Meines  Wissens  wurde  nur  eine  kleine  Zahl  von  Abdrücken  her- 
gestellt, die  wieder  nur  durch  besondere  Vermittelung  zu  beziehen  sind. 
Die  Hauptergebnisse  dieses  Planes  sind  übrigens  in  die  Seekarte  No.  847 
(o.  S.  32)  aufgenommen.  Von  dem  grolsen  Doppelplan  von  Larnaka 
wurde  für  den  Bef.  eine  Kopie  gefertigt,  aufser  welcher  neben  dem 
Original  wohl  keine  zweite  existieren  dürfte.  Der  Plan  von  Nikosia, 
dessen  Veröffentlichung  für  das  Studium  der  Geschichte  und  Topographie 
dieser  Stadt  von  gröfster  Wichtigkeit  wäre,  vermodert  leider  ungenützt 
im  Survey  Office. 

Ich  wende  mich  nun  zu  den  Büchern  und  Aufsätzen  allgemeiner 
Natur,  mit  Einschlufs  der  Reisebeschreibungen,  und  gebe  dieselben 
in  chronologischer  Folge.  Selbstverständlich  können  hierbei  nicht  Artikel 
ganz  vorübergehenden  Charakters  berücksichtigt  werden,  Mie  sie  anläfs- 
lich  der  englischen  Besitzergreifung  fast  jede  gröfsere  Zeitung  brachte, 
und  kann  ich  auch  in  anderer  Hinsicht  bei  der  Flut  von  Litteratur  eine 
Sicherheit  für  Vollständigkeit  nicht  übernehmen. 

E.  Paridant  van  der  Gammen,  £tude  sur  l'ile  de  Chypre,  Bru- 
xelles  1874.  Unzugänglich.  Vgl.  M.  Ohnefalsch-Richter  in  ^Unsere 
Zeit"   1880  n  S.  302. 

G.  d'Orcet,  Paphos,  ses  monasteres  et  la  fete  de  Venus.  Sou- 
venirs d'une  mission  archeologique,  Revue  britannique  1874  V  5 — 31, 
283—320  (belgische  Ausgabe). 

Die  Reise  des  Verf.  nach  dem  Westen  der  Insel  fand  im  J.  1862 
im  Znsammenhang  mit  der  bekannten  Untersuchung  der  Insel  durch  die 
französischen  Archäologen  de  Vogüe,  "Wad dington  u,  a.  statt.  So  weit 
sich  der  Inhalt  obiger  Artikel  auf  diese  Reise  selbst  bezieht,  sind  die- 
selben nicht  ganz  ohne  Wert,  zumal  bezüglich  gewisser  sozialer  Ver- 
hältnisse (Zustände  im  griechischen  Klerus  u.  s.  w.).  Leider  wird  jedoch 
der  meiste  Raum  durch  sprachlich -mythologische  Erörterungen  in  An- 
spruch genommen,  in  denen  der  haarsträubendste  Unsinn  mit  einer  wahr- 
haft verblüffenden  Dreistigkeit  vorgetragen  wird.    Vgl.  u.  S.  36. 

Reisen  in  der  asiatischen  Türkei  von  Julius  Sei  ff.  Leipzig, 
J.  C.  Hinrichs.    1875.    Vm  533  S.     M.  7,50. 

Kap.  II  (S.  65—132)  führt  die  Überschrift  „Reise  durch  die 
Insel  Cypern"  und  enthält  (von  S.  76  ab)  die  oberflächliche  Schilderung 

3* 


36  Geographie  von  Griechenland. 

einer  Reise  von  Larnaka  über  Athienu  und  Dali  nach  Nikosia,  dann 
über  Yatili  nach  Pamagosta,  Salamis,  Varosia,  Ormidia,  Larnaka,  Ania- 
thus,  Limassol,  Kolossi,  Kiirion,  Paphos,  Chrysorrogiatissa,  Kykku, 
Kambos,  Karavostasi,  Nikosia,  Larnaka,  Zahlreiche  Ungenauigkeiten 
nnd  Druckfehler.    Ein  Auszug  erschien  u.  d.  T. : 

Wanderung  auf  der  Insel  Cypern.    Ausland  1875.    S.  498—502. 

J.  V.  Zwiedinek,  Die  wirtschaftlichen  Verhältnisse  der  Insel 
Cypern.    Ost.  Monatsschr.  f.  d.  Orient  II  (1876)  182—86. 

Nach  der  im  Titel  angedeuteten  Beziehung  beachtenswert,  sonst 
voll  Ungenauigkeiten,  besonders  in  der  Schreibung  der  Eigennamen. 

G.  d'Orcet,  Chypre  (une  des  guerites  de  l'isthme  de  Suez). 
Revue  britannique  N.  S.  1877  77—104.    Vgl.  o.  S.   35. 

Eine  von  chauvinistischer  Gesinnung  durchtränkte  Aufforderung 
au  Frankreich,  sich  K.  zu  bemächtigen,  um  gegen  die  damals  angeblich 
geplante  Besetzung  Kretas  durch  England  ein  Gegengewicht  zu  gewinnen. 
Hieran  schliefst  sich  eine  Schilderung  einiger  der  bekanntesten  Plätze 
der  Insel,  besonders  vcoi  Nikosia  und  Famagusta,  welche  dem  Verf. 
Gelegenheit  zu  kmisthistorischen  und  geschichtlichen  Abschweifungen 
geben.  Den  Schlufs  bilden  einige  ethnologisch  bemerkenswerte  Mit- 
teilungen über  die  karpasische  Halbinsel.  Ein  anderer  Artikel  desselben 
Verfassers, 

Chypre  et  sa  valeur  stratßgique  et  commerciale.    Revue  de  France 
1878,  1.  Aoüt, 
ist  mir  nicht  zugänglich. 

Wir  wenden  uns  nun  zu  demjenigen  Werke,  an  das  sich  haupt- 
sächlich der  Aufschwung  der  k3'prischen  Altertumsforschung  knüpft,  und 
welches  wir  wegen  seines  allgemeinen  Interesses,  den  rein  archäolo- 
gischen Publikationen  vorausgreifend,  am  besten  an  dieser  Stelle  er- 
wähnen: 

Cyprus.  Its  Ancient  Cities,  Tombs  and  Temples.  A  Narrative 
of  Researches  and  Excavations  during  a  Ten  Years'  Residence  as 
American  Consul  on  that  Island  by  General  Louis  Palma  di  Ces- 
nola.  With  Maps  and  Illustrations.  London,  John  Murray.  1877, 
XX  448  S.    61  T.    M.  60. 

Cypern,  seine  alten  Städte,  Gräber  und  Tempel.  Bericht  über 
zehnjährige  Forschungen  und  Ausgrabungen  auf  der  Insel  von  Louis 
Palma  di  Cesnola.  Autorisierte  deutsche  Bearbeitung  von  Ludwig 
Stern.  Mit  einleitendem  Vorwort  von  (xcorg  Ebers.  Mit  mehr  als  500 
in  den  Text   und   auf  96  Tafeln   gedruckten  Holzschnittillustrationen, 


Kypros  (Cesnola).  37 

12    lithographierten    Schrifttafeln    und    2    Karten.     Jena,    Hermann 
Costenoble.  1879.  8.  XXIV  442  S.  CX  T.  M.  3G.  '). 

So  grois  die  Bedeutung  dieses  Buches,  wie  verschieden  man  auch 
«onst  [über  seinen  Wert  urteilen  mag,  für  die  kyprische  Altertums- 
forschung ist,  so  wird  doch  niemand  nach  so  langer  Zeit  noch  eine  ein- 
gehende Analyse  des  Inhalts  an  dieser  Stelle  erwarten.  Indem  ich  viel- 
mehr in  dieser  Hinsicht  auf  die  seiner  Zeit  erschienenen  Besprechungen 
verweise-),  will  ich  zunächst  zui*  äufseren  Orientierung  nur  hervorheben, 
dals  von  dem  stattlichen  Band  der  deutschen  Ausgabe,  die  ich  hier  zu 
Grunde  lege,  lediglich  288  S.  grolser  Ciceroschrift  auf  den  eigentlichen 
Text  entfallen,  während  der  Best  durch  die  Vorreden,  die  Anmerkungen 
des  Übersetzers  (S.  291 — 311),  eine  Abhandlung  über  „die  Ringe  und 
Gemmen  im  Schatze  von  Kurium"  nach  dem  Englischen  von  C.  W.  King 
(S.  312 — 354),  eine  andere  „über  die  kyprischen  Thongefäfse"  von 
A.  S.  Murray  (S.  355 — 366),  eine  gänzlich  unbrauchbare  Sammlung 
gi'iechischer  Inschriften  (S.  367 — 91),  die  zum  grofsen  Teil  schon  ander- 
weitig viel  besser  herausgegeben  waren  ^),  die  Erläuterung  zu  den 
Tafeln,  einschliefslich  der  (facsimilierten)  epichorischen  und  phönizischen 
Inschriften,  nebst  Register,  und  vor  allem  durch  die  zahlreichen  Tafeln 
in  Anspruch  genommen  wird.  In  letzteren  liegt  der  Hauptwert  des 
Buches.  Denn  obwohl  dieselben  weit  entfernt  sind,  den  Anforderungen 
der  archäologischen  "Wissenschaft  zu  genügen,  veranschaulichen  sie  doch  eine 
Fülle  von  Material  und  werden  wohl,  trotz  wertvoller  gröfserer  Publikationen 
(worüber  später)  noch  auf  lange  hinaus  ein  wichtiges  Hilfsmittel  für  das 
Studium  kyprischer  Altertümer  bilden.  Ungleich  geringwertiger  ist  der 
Text,  von  dem  übrigens  noch  44  S.  auf  eine  historische  Einleitung  entfallen. 
Legt  man  an  denselben  den  Mafsstab,  von  dem  man  nach  dem  Titel 
und  dem  Vorwort  des  Verf.  (S.  IX)  auszugehen  berechtigt  wäre, 
nämlich  den  einer  wissenschaftlichen  Berichterstattung  ,,über  zehnjährige 
Forschungen  und  Ausgrabungen  auf  der  Insel",  so  mufs  die  hier  ge- 
zogene Summe  als  ein  höchst  klägliches  Ergebnis  bezeichnet  werden. 
AVas  der  Verf.  über  die  einzelnen  Ruinen-  und  Äusgrabungsstätten  mit- 


*)  Eine  italienische  Übersetzung  des  Werkes  (Turin  ISST),  welche 
G.  Hirschfeld  im  Geogr.  Jahrb.  XIV  173  No.  215  erwähnt,  ist  mir  nicht 
näher  bekannt. 

2)  Bursian  im  Liter.  Centralbl.  1880  Sp.  498-500;  H.  Scheube  im 
Ausland  1880  S.  420-4;  C.  T.  Newton  in  Aeademy  1878  XIII  58  f.,  81-3; 
Athenaeiim  1878  I  24—6;  Bayard  Taylor  in  North  American  Review 
Bd.  126  (1878)  S.  118—23  und  viele  andere. 

^)  Besonders  bei  Lebas,  vgl.  Bursian  a.  a.  0.  und  Röhl  in  diesem 
Jahresbericht  Bd.  36  S.  53,  sowie  (bezüglich  der  epichorischen  Inschriften) 
Deecke  in  Bd.  19  S.  32  und  Bd.  44  S.  270. 


38  Geographie  von  Griechenland. 

zuteilen  weils,  steht  in  gar  keinem  Verhältnis  zur  Dauer  seines 
Aufenthaltes  auf  K.,  zur  Zahl  seiner  Reisen,  welche  die  am  Schlufs  bei- 
ge^ebene  Routenkarte  veranschaulicht,  und  vor  allem  zu  dem  Umfang 
der  von  ihm  veranstalteten  Ausgrabungen.  Die  mannigfachen  persönlichen 
Erlebnisse  und  Abenteuer,  deren  Erzählung  einen  beträchtlichen  Teil  des 
an  sich  wenig  umfangreichen  Berichts  füllt,  lesen  sich  zwar  sehr  unter- 
haltend, können  aber  für  die  Dürftigkeit  und  Unzulänglichkeit  der 
eigentlichen  Berichterstattung  nicht  entschädigen.  Man  ersieht  klar, 
dal's  der  Verf.  als  reiner  Dilettant  und  ohne  jegliche  Vorbereitung  au 
die  kyprischen  Altertümer  herangetreten  ist,  und  seine  Sammlungen 
und  Ausgrabungen  ohne  Rücksicht  auf  wissenschaftliche  Interessen 
lediglich  zum  Zweck  der  Erwerbung  möglichst  vieler  beweglicher  (und 
verkäuflicher)  Gegenstände  augelegt  hat  ^);  erst  später,  als  man  in 
gelehrten  Kreisen  auf  die  von  Cesnola  angehäuften  Schätze  aufmerksam 
geworden  war,  kam  derselbe,  wie  er  selbst  in  seiner  Vorrede  andeutet. 
zu  dem  Bewulstsein,  für  seine  Thätigkeit  auf  K.  auch  Rechenschaft 
schuldig  zu  sein,  und  nun  wurde  aus  offenbar  höchst  mangelhaften 
Tagebuchnotizen  und  anscheinend  noch  mehr  aus  unsicherer  Erinne- 
rung —  der  Verf.  hatte  K.  inzwischen  bereits  verlassen  —  ein 
Btich  zusammengeschrieben,  das  den  Sammler  Cesnola  zum  wissen- 
schaftlichen Archäologen  stempeln  sollte.  Leider  ist  dieser  Versuch 
vollständig  mii'sglückt  und  hat  den  Verf.  sogar  in  den  Verdacht 
eines  Fälschers  gebracht.  Der  Marlgel  au  wissenschaftlicher  Schulung 
könnte  ja  immerhin  entschuldigt  werden  bei  einem  Manne,  der  seine 
Berührung  mit  der  Archäologie  doch  nur  dem  zufälligen  Umstand  seiner 
Berufsstellung  als  amerikanischer  Konsul  zu  verdanken  hatte.  Ebenso 
würde  man  über  das  mehr  geschäftliches  als  wissenschaftliches  Interesse 
verratende  Verfahren  Cesnolas  bei  seinen  Ausgrabungen  hinwegsehen 
können ,  denn  auch  bei  vielen  von  anderer  Seite  unternommeneu  Aus- 
grabungen auf  K.  ist  die  Wissenschaft  häufig  nur  der  Deckmantel  für 
geschäftliche  Spekulation  gewesen.  Aber  schlimmer  ist  die  That- 
sache,  dal's  auch  das  wenige  Positive,  das  Cesnola  über  seine  Aus- 
grabungen mitteilt,   vor  der  nachprüfenden  Kritik  fast  nirgends  Stand 


')  In  dem  Aufsatz  von  Perrot  II  374  (vgl.  u.  S.  45),  der  im  übrigen  noch 
ganz  in  der  ersten  Begeisterung  über  Cesnolas  Erfolge  niedergeschrieben  ist, 
finde  ich  folgende,  die  Art  seiner  Ausgrabungen  scharf  kennzeichnende 
Stelle:  ,,Pour  celui-ci  (Cesnola),  les  restes  de  cet  edifice  (sog.  Tempel  von 
Golgos)  n'ont  ete  qu'une  mine  ä  exploiter  en  toute  häte,  pour  y  trouver 
des  objets  de  coUection  et  de  vente.  La  fouille  ainsi  comprise  est  brutale 
et  destructrice ;  eile  ä'enfonce  dans  le  so!,  eile  rejette  les  terres  ä  droite  et 
ä  gauche  sans  s'inquieter  de  ce  qu'elles  recouvrent  en  retombant  ä  lourdea 
pelletees:  eile  sacrifie  tout  ä  la  conquete  de  la  proie  qu'elle  poursuit." 


Kypros  (Allgemeines).  39 

hält.  In  der  lebhaften  Kontroverse,  die  sich  über  die  Cesnola-Frage 
entsponnen  hat,  und  auf  welche  wir  später  noch  zurückkommen  werden, 
ist  diese  TJnzuverlässigkeit  von  Cesnolas  Angaben  wiederholt  aufs 
schärfste  gerügt  worden,  ja  dem  Verf.  der  Vorwurf  bewnl'ster  Fälschung 
nicht  erspart  geblieben.  Mag  man  nun  immerhin  annehmen,  dals 
Cesnola,  wie  so  manche  fromme  Fälscher  des  Mittelalters,  sich  der 
Tragweite  und  Verantwortlichkeit  seiner  irreführenden  Angaben  nicht 
bewnl'st  war  und  manche  derselben  vielleicht  nur  aus  trügerischer 
Erinnerung  bona  fide  gemacht  sind  —  denn  brauchbare  Auf- 
zeichnungen hat  der  „General"  oifenbar  nie  besessen  — ,  so  bleibt  doch 
leider  die  Thatsache  bestehen,  dals  seine  Mitteilungen  durchaus  un- 
zuverlässig sind,  und  sich  oft  gerade  da,  wo  sie  den  Schein  gröfster 
(Tenauigkeit  tragen,  als  reine  Luftgebilde  erweisen.  Es  ist  hart,  über 
ein  rasch  zu  Verbreitung  und  hohem  Ansehen  gelangtes  Buch  ein  solches 
Urteil  fällen  zu  müssen,  aber  gerade  dieser  Umstand  macht  es  auch  zur 
Pflicht,  weitere  Kreise  —  für  Archäologen  ist  dies  längst  nicht  mehr 
nötig  —  vor  allzu  vertrauensseliger  Benutzung  zu  warnen.  Cesnolas 
thatsächliche  Verdienste  um  die  kyprische  Altertumsforschung,  die  jetzt 
auch  von  einem  seiner  erbittertsten  Gegner  ruhiger  gewürdigt  werden,  ^) 
sollen  damit  in  keiner  Weise  angegriffen,  sondern  nur  die  litterarische 
Verwertung  seiner  Ausgrabungen  in  ihrer  Mangelhaftigkeit  gekennzeichnet 
werden. 

Cypern.  Eeiseberichte  über  Natur  und  Landschaft,  Volk  und  Ge- 
schichte von  Franz  von  Löher.  Stuttgart,  J.  G,  Cotta.  1878.  IV 
376  S.  —  3.,  um  Yorwort  und  (chromolith.)  Karte  verm.  Aufl.  1879. 
X  376  S.    M.  6. 

Cyprus,  Historical  and  descriptive.  Adapted  from  the  German 
with  much  additional  matter  by  Mrs.  A.  B.  Joyner.  London, 
W.  H.  Allen.     1878.     324  S.,  2  Karten.     10  sh.  6  p. 

So  verschieden  Löhers  Buch  von  dem  vorgenannten  nach  Anlage 
und  Ausstattung  ist,  teilt  es  mit  demselben  doch  eine  Eigentümlichkeit, 
dals  es  nämlich  lange  Zeit  hindurch  entschieden  überschätzt  worden  ist. 
Der  durch  zahlreiche  Schi'iften  auf  dem  Gebiet  der  Länder-  und  Völker- 
kunde begründete  schriftstellerische  Ruf  des  Verfassers  und  insbesondere 
der  rein  zufällige  Umstand,  dafs  das  Buch  gerade  zur  Zeit  erschien, 
als  infolge  der  englischen  Besitzergreifung  die  Augen  aller  Welt  auf 
K.  gerichtet  waren,  haben  demselben  eine  Verbreitung  und  ein  Ansehen 
verschafft,  welches  nicht  ganz  im  Verhältnis  zur  Bedeutung  des  Inhaltes 
steht.    Schon  die  Thatsache,  dafs  der  Verf.  nur  sehr  kurze  Zeit  (14  Tage) 


*)  Ohnefalsch-Richter,  Kultusstätten  S.  II  u.  ö. 


40  Geographie  von  Griechenland. 

auf  K.  weilte  und  nicht  einmal  Zeit  fand,  einen  Platz  von  so  aufser- 
ordentlichem  geschichtlichen  und  touristischen  Interesse  wie  Famagusta 
zu  besuchen,  läfst  Löhers  „Cypern"  gegen  andere,  vorzugsweise  die 
englischen  Bücher,  welche  auf  viel  umfassendere  Anschauung  gegründet 
sind,  zurücktreten.  Den  in  grofser  Zahl  eingestreuten  historischen  Be- 
trachtungen, welche  die  Lücken  der  eigenen  Beobachtung  verdecken 
sollen,  wird  man  manche  Anregung  entnehmen,  aber  sie  sind  doch  zu 
wenig  tiefgehend,  um  eine  wissenschaftliche  Bedeutung  beanspruchen 
zu  können.  Auch  kann  nicht  verschwiegen  werden,  dass  die  Natur- 
schild erungeu  grofsenteils  auf  dem  trefflichen  Werk  von  F.  Unger  und  Th. 
Kotschy  ^)  beruhen,  weit  öfter,  als  der  Verf.  dies  ausdrücklich  hervorge- 
hoben hat;  überhaupt  ist  dieses  für  die  physikalische  Geographie  der 
Insel  grundlegende,  in  historischer  Beziehung  freilich  auch  dilettantenhafte 
Buch  von  neueren  Schriftstellern  über  Kypros  in  umfassendster  Weise 
ausgenützt  worden  (wie  schon  Hirschfeld  bemerkt  hat-),  ohne  dafs  es 
deshalb  in  weiteren  Kreisen  das  Ansehen  erlangt  hätte,  das  so  mancher 
seichteren  Arbeit  in  reichlichem  Mal'se  zu  Teil  wurde. 

Die  3.  Auflage  von  Löhers  „Cypern"  unterscheidet  sich  von  der 
1.  und  2.  nur  durch  Beigabe  einer  Übersichtskarte  und  einer  Vorrede, 
welche  allerdings  manchen  seusationsbedürftigen  Leser  enttäuschen  wird. 
Als  Reiseroute  des  Verf.  ergiebt  sich  aus  der  Reihenfolge  der  Kapitel: 
Larnaka,  Athienu,  Nikosia,  San  Chrj'sostomo,  Buffavento,  Evrychu, 
Troodos,  Trooditissa,  Chrysorrogiatissa,  Paphos,  Kurion,  Limassol,  Ama- 
thus,  Mazotos,  Larnaka.  Die  Schreibweise  ist,  wie  bei  dem  Verf.  nicht 
anders  zu  erwarten,  gewandt  und  wortreich,  mitunter  etwas  manieriert. 

Lediglich  ein  Auszug  aus  dem  vorgenannten  Buche  ist  der  Artikel 

Die  Insel  Cypern.     Ausland  1878.     S.  646-9,  668—73. 

Im  Anschluls  hieran  mag  auch  gleich  desselben  Verf.  übersicht- 
liche Skizze  der  Geschichte  der  Insel  genannt  sein,  welche  den  Titel  führt 

Cypern  in  der  Geschichte.  Von  Franz  vonLöher.  Berlin  1878. 
48  S.  M.  1.  (Samml.  gemeinverständl.  Vorträge  XIII.  Ser.    Heft  307.) 

Meine  zweite  Reise  auf  Cypern  im  Frühjahr  1873.  Von  Dr.  P. 
Schröder.  (Aus  Briefen  an  Prof.  Heinrich  Kiepert).  Globus  XXXIV 
(1878)  S.   135—9,  152-6,  168-72,  183—6. 

Gegen  die  Flut  meist  oberflächlicher  Erzeugnisse,  welche  das 
englisch -türkische  Übereinkommen  hervorgerufen  hat,  stehen  diese  an- 
spruchslosen, aber  inhaltreichen  und  zuverlässigen  Reisenotizen  in  einem 
erfreulichen  Gegensatz.     Sie  erinnern  in  ihrer  gediegenen  Schlichtheit 


»)  Die  Insel  Cypern.    Wien  1865. 
^J  Geogr.  Jahrbuch  X  422. 


Kypros  (Allgemeines).  41 

an  die  Reisebeschreibung-  von  L.  Rois  *),  die,  obwohl  ia  weiteren  Kreisen 
wenig  bekannt,  zu  dem  Besten  g-ehört,  was  über  K.  geschrieben  wurde, 
und  noch  heute  eine  reiche  Quelle  der  Belehrung  bildet.  Die  Reise- 
route ist  Larnaka,  Nikosia,  Lapitho,  Larnaka  Lapithu,  Myrtu,  Levka, 
Pyrgo,  Kykku,  Troodos,  Paphos,  Limassol,  Athienu,  Larnaka;  Akanthu, 
Jalusa,  Rhizokarpaso,  H.  Andreas,  H.  Theodore,  Levkoniko,  Treraithus, 
Larnaka.  Der  Hauptwert  des  Berichtes  besteht  in  den  Mitteilungen 
über  die  Ruinenstätten  von  Akanthu  bis  zur  NO-Spitze,  einem  von 
Schröder  zum  ersten  Mal  genauer  durchforschten  Gebiet.  Aulserdem 
hat  der  Verf.  auf  der  ganzen  Reise  auch  treffliche  geographische  Beob- 
achtungen gesammelt,  welche  bereits  Kiepert  in  seiner  o.  S.  '6'6  erwähnten 
Karte  verwerten  konnte. 

Derselbe  Band  des  „Globus"  enthält  auf  S.  105—8  und  124—8, 
anscheinend  aus  der  Feder  des  Herausgebers  Richard  Kiepert,  einen 
anonjTiien  Ai'tikel  „Cypern",  welcher  aus  den  besten  neueren  Quellen  zu- 
sammengestellt, im  übrigen  ohne  Originalwert  ist;  nur  die  Tabelle  über 
den  Schiffsverkehr  im  Jahre  1876/7  (S.  126)  scheint  aus  einer  unver- 
öffentlichten Quelle  (KonsularberichtV)  zu  stammen. 

Über  den  gleichfalls  für  die  neueren  Verhältnisse  beachtenswerten 
Artikel  von  A.  zur  Helle  von  Samo  (Mitteil.  d.  Geogr.  Ges.  in  Wien 
1878)  soll,  da  derselbe  sich  gleichzeitig  auch  auf  die  türkischen  Inseln 
des  Archipels  bezieht,  im  nächsten  Jahresbericht  referiert  werden.  Doch 
mag  hier  erwähnt  sein,  dals  eine  (abgeküi'zte)  englische  Bearbeitung 
der  auf  K.  bezüglichen  Mitteilungen  zur  Helles  im  GeograpMcal  Maga- 
zine  V  (1878)  S.  167—71,  198—201  erschien,  woran  sich  daselbst  eine 
von  einer  gröfseren  Karte  begleitete  Notiz  über  K.  (201 — 3),  sowie 
Auszüge  aus  Vorträgen  über  die  Insel  (S.  273—76)  schlielsen. 

Am  fruchtbarsten  war  das  Jahr  1878  natürlich  an  englischen 
Büchern,  von  denen  mir  jedoch  die  Mehrzahl  nui-  dem  Titel  nach  be- 
kannt ist.  Dies  gilt  leider  auch  von  einem  allseitig  lobend  anerkannten 
Buche,  das  von  einem  Offizier,  A.  R.  Savile,  in  dienstlichem  Auftrag 
verfafst,  in  London  1878  (Intelligence  Brauch,  Quartermaster-Generars 
Department,  Horse  Guards)  erschien,  aber  nicht  in  den  Buchhandel  ge- 
langte und  überdies  jetzt  ganz  vergriffen  sein  soll.  Das  Buch,  von 
welchem  ich  ein  Exemplar,  jedoch  ohne  Titelblatt,  einmal  flüchtig  bei 
einem  englischen  Beamten  in  K.  sah,  soll  eine  sorgfältige  Kompilation 
aus  den  besten  Quellen  über  K.  sein.  S.  Baker  (s.  u.  S.  47)  S.  X 
sagt  darüber:  „It  is  impossible  to  praise  the  latter  work  too  highly,  as 
every  (?)  authority,  whether  ancient  or  modern,  has  been  studied,  and 


*)   Reisen  nach  Kos,  Halikarhassos,  Rhodos  und  der  Insel  Cypem. 
Halle  1852  (=  Bd.  4  der  griechischen  Inselreiseu). 


42  Geographie  von  Griechenland. 

the  Information  thus  carefiüly  collected  has  been  classed  under  special 
heading^  and  offered  to  the  reader  in  a  concise  and  graphic  form  which 
renders  it  perfect  as  a  book  of  reference."  Auszüge  aus  dem  histo- 
rischen Teil  haben  J'Anson  und  Vacher  in  ihrer  später  zu  besprechenden 
knnstgeschichtlichen  Arbeit  (S.  8 — 13)  gegeben. 

Lediglich  aus  Cobhams  Verzeichnis  kenne  ich  eine  in  dem  gleichen 
amtlichen  Verlag  erschienene  Schrift  von: 

E.  H.  H.  Collen,  A  Report  on  Cyprus,  1845—77.    London  1878. 

Dasselbe  gilt  von  folgenden  Büchern,  deren  Titel  ich  zum  Teil 
nach  der  Bihl.  philol.  class.,  „Petermanns  Mitteilungen"  und  dem  Englisk 
Catalogue  of  Books  ergänzt  habe.     Vgl.  Nachtrag. 

Cyprus  and  Asiatic  Turkey.  A  handy  general  Description  of 
our  New  Lastern  Protectorate,  from  „The  Euglish  Cyclopaedia". 
London,  Bradbury.     1878.    12.    248  S.,  Karte.     3  sh.  G  d. 

Cyprus  Past  and  Present,  with  Map.  London,  A.  H.  Moxon. 
1878.     12.     6  d. 

Cyprus.     Its  Value  and  Importauce  to  England.     London  1878. 

J.  L.  Farley,  Egypt,  Cyprus  and  Asiatic  Turkey.  London, 
Trübner.     1878.     268  S.     10  sh.  6  d. 

F.  H.  Fish  er,  Cyprus,  our  new  Colouy,  and  what  we  know 
about  it,  with  Maps.    London,  Routledge.    1878.    12.    128  S.    1  sh. 

C.  B.  Harris,  Cyprus,  its  Past,  Present  and  Future.    London  1878. 

J.  J.  Lake,  Ceded  Cyprus.  Its  History,  Conditiou,  Prospects, 
and  Products.    London,  E.  Wilson.    1878.     40  S.     1  sh. 

Phil.  Robinson,  Cj^prus.  Its  phj'sical,  economical,  historical, 
commercial,  and  social  Aspects,  Compiled  from  Encyclopaedias, 
official,  trade,  and  other  Reports  and  foreign  Publications.  London, 
Clowes     1878.     32  S.     Karte.     1  sh. 

Aus  eigener  Lektüre  kenne  ich 

Cyprus:  Its  Resources  and  Capabilities,  with  Hints  for  Tourists. 
ßy  E.  Gr.  Ravenstein.  With  Mups  and  Plans.  London,  CTeorge 
Philip  &  Son.     1878.     IV  56  8.     1  sh.  6  d. 

Knrae  Kompilation  aus  Gaudry,  Unger-Kotschy,  Mas-Latrie, 
Cesnola,  Löher,  Engel  u.  s.  w.  Die  beigegebene,  derb  gezeichnete  Karte 
in  1  :  507  000  enthält  auch  die  Pläne  von  Kerynia,  Salamis,  Famagusta, 
Larnaka,  Limassol(nach  den  englischen  Seekarten,  s.o.  8. 32),  ferner  Neben- 


Kypros  (Allgemeines).  43 

kärtchen  zur  Veranschaulichung'  der  orographischen,  geologischen,  land- 
wirtschaftlichen und  religiösen  Verhältnisse.  ^) 

Weit  bedeutender  als  dieses  Büchlein  und  wohl  auch  die  meisten 
der  Vorgenannten  ist 

Cyprus:  Its  History,  its  präsent  Eesources,  and  future  Prospects. 
By  R.  Hamilton  Lang.  With  two  Illustrations  and  four  Maps. 
London,  Macmillan  and  Co.    1878.     XII  370  S.     14  sh. 

Chypre,  son  pass6,  son  present  et  son  avenir.  Traduit  de  l'anglais 
par  V.  Dave.    Paris  1879.     12.     3  fr. 

Die  Hälfte  des  Buches  (Kap.  1 — 8)  ist  der  Geschichte  von  K., 
und  zwar  hauptsächlich  im  Altertum,  gewidmet;  dieselbe  ist  auf  Grund 
der  bekanntesten  Hilfsmittel  nicht  ohne  Geschick  zusammengestellt, 
entbehrt  aber  selbständiger  wissenschaftlicher  Bedeutung.  Auch  wird 
man  einzelne  Unrichtigkeiten  dem  Verfasser ,  der  als  Dilettant 
fern  von  dem  litterarischen  Apparat  unserer  Kulturzentren  schrieb, 
nicht  zu  hoch  anrechnen  dürfen.  Dem  historischen  Teil  folgen  die 
Kapitel  IX  Our  prospects  in  the  new  era  ^),  X  Agriculture  and  produce, 
XI  Drought  and  locusts,  XU  Minerals  and  sali,  XIII  Turkish  and 
futiire  admmistratic*^ ;  denselben  ist  inhaltlich  das  Schlufskapitel  (XVIII) 
My  farm  in  Cyprus  anzureihen.  Dieser  Teil  des  Buches  ist  für  die 
Kenntnis  der  wirtschaftlichen  und  sonstigen  Verhältnisse  von  K.  in 
der  letzten  Zeit  türkischer  Herrschaft  aulserordentlich  wertvoll  durch 
die  Fülle  eigener  Erfahrungen,  welche  der  Verf.  während  eines  mehr 
als  zehnjährigen  Aufenthaltes  auf  der  Insel  als  Konsul,  Bankdirektor 
und  Landwirt  sammeln  konnte.  Kapitel  XIV  Ä  trip  through  the  island 
enthält  nur  einige  Bruchstücke  von  Reiseskizzen,  die  Kapitel  XV  Archeo- 
logy,  XVI  Eocktombs  and  their  conients  und  XVII  Andent  coins  sind 
ebenfalls  sehr  kurz  gehalten,  doch  findet  mau  darin,  vorzugsweise  über 
die  Geschichte  von  Längs  eigenen  Ausgrabungen,  manche  beachtens- 
werte Notiz.  Wir  werden  dem  Verf.  auf  archäologischem  Gebiet  noch 
später  begegnen;  von  seinen  sonstigen  Arbeiten  wären  hier  ein 

Handbook  to  Cyprus,  and  Catalogue  of  the  Exhibits  (Colonial 
and  Indian  Exhibition).    London,  Clowes.    1886.    12.  39  S.  mit  Karte, 

sowie  ein 


^)  Lediglich  auf  Ravenstein  und  dem  u.  S.  44  angeführten  Artikel 
des  Nautical  Magazine  beruht  ein  Aufsatz  „Die  Insel  Cypern"  in  „Annalen 
der  Hydrographie"  1878  S.  472-9. 

-j  Mit  echt  anglikanischem  Selbstbewufstsein  nennt  der  Verf.  S.  199 
die  englische  Regierung  the  model  government  of  the  worldl 


44  Geographie  von  Griechenland. 

Report  upon  the  Results  of  the  Cyprus  Representation  at  the 
Coloüial  and  Indian  Exhibitiou  of  1886.     London.     1886.     12, 

zu  nennen,  doch  kenne  ich  beide  Schriften  nur  aus  Cobhams  Liste, 
wie  mir  auch  die  von  dem  Verf.  vor  dem  Erscheinen  des  oben  be- 
sprochenen "Werkes  in  MacmiUaiis  Magazine  veröflfeutlichten  Artikel 
nur  aus  Anführungen  bekannt  sind. 

Unter  den  Längs  Buche  beigegebenen  Tafeln  verdient  die  jetzt 
natürlich  veraltete  gröfsere  Karte  der  Insel,  welche  ähnlich  wie  die  Be- 
gleitkarte zu  ßavenstein  (s.  o.  S.  42)  auch  Spezialpläne,  darunter  einen 
solchen  von  Nikosia  und  Umgebung,  enthält,  ferner  die  landwirtschaft- 
liche und  die  geologische  Übersichtskarte  hervorgehoben  zu  werden. 

Eine  gedrängte  Beschreibung  der  Insel  vom  seemännischen  Stand- 
punkte, d.  h.  vorzugsweise  ihrer  Küsten  und  Ankerplätze,  erschien 
u.  d.  T.: 

Cyprus  and  Sokotra.    Nautical  Magazine  Bd.  47  (1878)  S.  792—9. 

Der  anscheinend  aus  amtlichen  Kreisen  der  englischen  Marine 
stammende  Artikel  enthält  im  wesentlichen  nur  in  kürzerer  Fassung 
dasselbe,  was  mau  auch  im  Mediterranean  Pilot  vol.  II  (2.  Aufl.  1885) 
S.  279—92  lindet.  Auf  letzteres  "Werk,  als  unsere  Hauptquelle  für  die 
Kenntnis  der  Mittelmeerküsten,  mag  hier  neuerdings  hingewiesen  werden.^) 

Die  englische  Besitzergi-eifung  von  K.  wurde  einer  mehr  scharfen, 
als  sachlich  berechtigten  Kritik  unterzogen  in  einem  Aufsätze  des  be- 
kannten Korrespondenten  der  Daily  News 

Archibald  Forbes,  The  'Fiasco'  of  Cyprus.  Nineteenth  Centuiy 
1878  IV  609—26. 

Dieser  einst  viel  Aufsehen  erregende  Artikel  erschien  seinem 
wesentlichen  Inhalt  nach  auch  u.  d.  T.: 

„Eine  englische  Stimme  über  den  "Wert  Cyperns"  im  „Ausland" 
1878  S.  849—54. 

Von  den  französischen  Publikationen  des  J.  1878  ist  mir  unzu- 
gänglich 

H.  F.  P.  de  l'Auberivere,  Aper(;u  rapide  sur  Tile  de  Chypre. 
Montpellier  1878. 

Diese  von  Cobham  angeführte  Schrift  scheint  identisch  zu  sein 
mit  einem  in  Peterm.  Mitteil.  1879  S.  362  u.  Ztschr.  d.  Ges.  f.  Erdk. 
1879  S.  508  ohne  Verfasser  verzeichneten  Aitikel 

Apercu  rapide  sur  le  role  actuel,  la  transformation,  Thistoire  et 
la  g^ogi'aphie  de-  Tile.  BuU.  Soc.  Langued.  de  Geogr.  1879  S.  207 
—32,  320  flf. 


^)  Vgl.  Bd.  54  S.  377  f.,  auch  o.  S.  43  A.  1. 


Kypros  (Allgemeines).  45 

Ebenso  kenne  ich  nur  aus  fremden  Anführung-en  die  Aufsätze  von 

Ch.  E.  Ruelle,    Les  Anglais   dans  File  de  Chypre.     ReMie  de 
g^ographie  IV  179  flf, 

und  von  Marquis  L.  de  Sassenay  (ib.  111337  ff.),    von  welchen  der 
letztere  auch  besonders  erschien  u.  d.  T.: 

Chj'pre.     Histoire  et  geographie.     Paris,   Ch.  Delagrave.     1878. 
32  S.     1  K. 

Ein  Aufsatz  von 

H.  Capitaine,  Chypre.  L'Exploration  1878  Bd.  VI  S.  241—50 
strotzt,  wie  die  meisten  derartigen  Gelegenheitsartikel,  von  geogi-aphi- 
schen  Ii-rtümern  und  enthält  nur  einen  Originalbeitrag,  nämlich  die 
Ziffern  des  Schiffsverkehrs  von  Larnaka  für  1870/1  (S.  247), 

Eine  weit  solidere  Arbeit  leistete  der  bekannte  Archäologe 
George  Perrot  in  drei  Aufsätzen,  welche  u.  d.  T. :  „L'ile  de  Cypre. 
Son  role  dans  Fhistoire"  in  der  Revue  des  deux  mondes  erschienen  ist. 
Der  erste  derselben  bringt  unter  der  Überschrift  ,Le  climat  et  la  na- 
ture  de  l'ile,  son  agriculture  et  son  Industrie"  (1878  XXX  508—48) 
eine  geographische  Skizze,  woran  sich  ein  kulturhistorischer  Überblick 
schliefst;  der  zweite:  „Fouilles  et  decouvertes.  Le  general  de  Cesnola 
et  le  musee  metropolitain  de  New- York"  (1879  XXXI  564—605)  giebt 
einen  dankenswerten  Überblick  über  die  Geschichte  der  archäologischen 
Forschung  auf  K. :  der  dritte  Aufsatz  endlich:  „L'art  et  la  religion  ä 
Cypre,  les  ^lömens  pheniciens  de  la  civilisation  grecque"  (1879  XXXIII 
373 — 413)  enthält  Grundzüge  einer  kyprischen  Archäologie,  welche  seit- 
dem bekanntlich  vom  Verf.  in  seiner  „Histoire  de  Tart  dans  Tantiquite" 
(s.  u.  S.  76)  zu  einer  wissenschaftlichen  Darstellung  der  phönizisch-kypri- 
schen  Kunst  erweitert  worden  sind. 

Cypern.    Eine  Abhandlung   von    Paulus  Cassel.    Berlin  1879. 
Rothberger  u.  Komp.     19  S.    M.  0,60. 

Kulturgeschichtliche  Betrachtungen,  mit  Seitenblicken  auf  Ceylon. 

Spazierritte    durch  C3^pern.     Von  C.  Cin.     Alte   u.  Neue  Welt. 
XIII  (Einsiedeln  1879). 

Der  Verlauf  der  Reise  ergiebt  sich  aus  der  Überschrift  der  ein- 
zelnen Artikel:  L.Vom  kitischen  Meerbusen  (S.  552 — 7).  2.  Über 
Idalion,  Golgos  nach  Levkosia  (S.  566 — 70).  3.  In  der  cyprischen  Haupt- 
stadt (S.  603—6).  4.  Nach  Kerynia  u.  St.  Hilarion  (S.  646—50). 
5.  Nach  Bellapais  u.  Lapithos  (S.  708 — 14).  6.  Von  Lapithos  nach 
Vasilia  u.  Larnaka  tu  Lapithu  (S.  727 — 31).  Für  das  Altertum  be- 
deutungslos, enthalten  die  „Spazierritte"  doch  einige  schätzenswerte  Be- 


46  Geographie  von  Griechenland. 

merkungen  zur  Kenntnis  der  heutigen  Verhältnisse  und  verdienen  insbe- 
sondere wegen  der  in  gröfserer  Zahl  beigogebenen  Ansichten  (in  Holz- 
schnitt) Beachtung;   ich   hebe   unter  letzteren  hervor  S.  649  Kerynia. 
709  Bellapais,  712  f.  dgl.  u.  St.  Hilarion. 
Ganz  unbedeutend  ist  ein  Artikel  von 

Friedrich  von  Hellwald,  Die  Insel  Cypern.  Deutsche  Rund- 
schau f.  Geogr.  u.  Statistik.    I  (1879)  S.  3—9. 

Mit  der  ganzen  Unwissenheit  und  Nachlässigkeit  eines  litterarischen 
Dilettanten  ist  zusammengeschrieben 

Die  Insel  Cypern  in  ihi'er  heutigen  Gestalt,  ihren  ethnographischen 
und  wirtschaftlichen  Verhältnissen.  Von  Victor  Graf  Folliot  de 
Crenneville.  Wien  1879.  Verlag  von  Faesy  u.  Frick  (jetzt  Carl 
Fromme).    8.    49  S.    M.  1,60. 

Der  Verf.,  damals  k.  und  k.  Vice-Konsul  in  Srayrna,  hat  im  Jahre 
1876  mit  Generalkonsul  von  Zwiedinek  von  Beirut  (s.  o.)  die  Insel  be- 
sucht und  anläfslich  der  Ereignisse  des  Jahres  1878  obige  Schrift  heraus- 
gegeben, welche  von  den  gröbsten  sachlichen,  orthograpliischen  und 
Druckfehlern  wimmelt.  Das  einzige,  was  darin  brauchbar  sein  könnte, 
nämlich  die  Tabelle  über  Ein-  und  Ausfuhr  (S.  44  ff.),  wirj!  bei  der 
Leichtfertigkeit,  mit  welcher  der  Verf.  sonst  zu  Werke  geht,  kein  Ver- 
trauen erwecken. 

Cypern  unter  den  Engländern.  Reise -Skizzen  von  Karl  Schneider. 
Köln  1879.    M.  Du  Mont-Schauberg.    8.    VIII  155  S.    M.  3. 

Verf.  war  kurz  nach  der  englischen  Besitzergreifung  als  Bericht- 
erstatter der  Kölnischen  Zeitung  nach  K.  geschickt  worden;  die  hie- 
rüber entstandenen  Zeitungsartikel  sind  hier  in  Buchform  vereinigt.  ,,Es 
sind  Kinder  des  Augenblicks  und  sie  wollen  als  solche  beurteilt  sein. 
Spätere  Änderungen  ei-schienen  mir  überflüssig;  ich  hätte  sonst  ein  ge- 
lehrtes Werk  schreiben  müssen,  und  das  liegt  mir  fern."  Mit  diesen 
Worten  hat  der  Verf.  sein  Buch  selbst  hinlänglich  gekennzeichnet.  Es 
ist  nicht  besser  oder  schlechter  als  manche  andere  derartige  Gelegen- 
heitsschriften, liest  sich  leicht  und  enthält  manche  brauchbare  Beobach- 
tung. Auf  den  Druck  hätte  allerdings,  ohne  deshalb  ein  „gelehrtes  Werk 
schreiben  zu  müssen,"  mehr  Sorgfalt  verwendet  werden  und  viele  störende 
Schnitzer  verbessert  werden  können.  Die  Ausnützung  eines  Buches  wie 
Unger-Kotschy  kann  ich  dem  Verf.  nicht  so  schwer  anrechnen,  als  es 
von  anderer  Seite  geschehen  ist;')  Verf.  teilt  diese  Eigentümlichkeit  auch 
mit  anderen  Schriftstellern  über  K.  (s.  o.  S.  40).    Reiseroute:  Larnaka, 


')  Hirschfeld  im  Geogr.  Jahrb.  X  422. 


Kypros  (Allgemeines).  47 

Nikosia,  Kerynia  und  Bellapais,  Famagusta,  Moii)hu,  Kykku,  Troodos, 
Limassol. 

Cj'pnis  as  I  saw  it  in  1879.  By  Sir  Samuel  White  Baker. 
London:  Macmillan  and  Co.    1879.    XX  501  S.    12  sh.  6  d. 

Cypeni  im  Jahre  1879.  Von  Sir  Samuel  White  Baker.  Aus  dem 
Englischen  von  ßichard  Oberländer.  Autorisierte  Ausgabe.  Mit  einer 
lithographierten  Karte.  Leipzig,  F.  A.  Brockhaus.  1880.  XVIII 
385  S.    M.  8. 

Auszüge  im  „Ausland"  1881  S.  186—92,  „Globus"  XXXIX  (1881) 
255,  263—6,  282—5,  297—301. 

Der  berühmte  Afrikareisende  hat  die  Insel  während  eines  acht- 
monatlichen Aufenthaltes  in  allen  Teilen  kennen  gelernt  und  seine  Beob- 
achtungen in  obigem  Buche  niedergelegt.  Dieselben  beziehen  sich  vor- 
zugsweise auf  die  wirtschaftlichen  Verhältnisse,  in  deren  Beurteilung  der 
Verf.  reiche  Erfahrung  und  einen  praktischen  Blick  bewährt;  für  historische 
und  archäologische  Dinge  dagegen  fehlt  ihm  offenbar  Interesse  und  Ver- 
ständnis, und  es  ist  deshalb  nur  zu  loben,  dafs  der  Verf.  hierauf  so 
wenig  als  möglich  eingeht.  Dagegen  finden  wir  besondere  Kapitel  über 
Weinbau,  Waldwirtschaft,  Bewässerung,  Besteuerung,  Politik  u.  s.  w.  Der 
Anhang  enthält  Bruchstücke  meteorologischer  Beobachtungen ,  eine 
Denkschrift  über  Einnahmen  und  Ausgaben  u.  s.  w.,  woran  sich  noch 
ein  die  Auffindung  von  Einzelheiten  erleichterndes  Register  schliefst. 
Die  gewandte,  nicht  selten  witzige  Schreibweise  macht  das  Buch  zu 
einer  anziehenden  Lektüre.  In  der  deutschen  Ausgabe  ist  der  Anhang 
weggelassen  und  dafür  ein  gefälliges  Übersichtskärtchen  beigefügt. 

Sunshine  and  Storm  in  the  East,  or  Cruises  to  Cyprus  and  Cou- 
stautinople.  By  Mrs.  Brassey.  London:  Longmaus,  Green  a.  Co. 
1880.  XXII  448  S.  11  T.  21  sh.  —  Populär  Edition.  1882.  Post 
8°.  7  sh.  6  d.  —  1886.  6  d.  —  Tauchnitz  Edition.  Vol.  1882/3 
(Leipzig  1880).     3,20  M. 

Sonnenschein  und  Sturm  im  Osten.  Seefahrten  und  Wanderungen 
vom  Hyde-Park  zum  Goldenen  Hörn,  mit  besonderer  Berücksichtigung 
Konstantinopels,  seines  Volkslebens,  des  Hofes,  der  Harems  u.  a.  m. 
geschildert  von  Mrs.  Annie  Brassey.  Für  deutsche  Leser,  vorzüg- 
lich Frauen,  frei  bearbeitet  durch  Anna  Helms.  Mit  111  Illustra- 
tionen.   Leipzig,  Ferdinand  Hirt  u.  Sohn.    1881.   Vin264S.    6,60  M. 

Die  Eeihe  der  über  K.  schriftstellernden  Damen  eröffnet  Annie  B., 
Gattin  des  als  Politiker  und  MarineschriftsteUer  bekannten  Thomas  B., 
Verfasserin  des  auch  in  deutscher  Übersetzung  viel  verbreiteten  Buches 


48  Geographie  von  Griechenland. 

A  Yoyage  in  ilie  Siinheani  ii.  a,  K.  nimmt  in  obigem  Werke  allerdings 
nnr  einen  ziemlich  kleineu  Raum  ein  (S.  250 — 306),  in  welchem  die 
Landung  bei  Paphos  und  Limassol,  die  Reise  von  Larnaka  nach  Nikosia, 
K^-thraea  und  Mathiati,  der  Besuch  von  Famagusta  und  die  Fahrt  um 
die  Insel  nach  Kerynia,  sowie  die  Reise  von  dort  nach  Bellapais,  Levka 
und  K3'kku  geschildert  werden.  Bei  der  kurzen  Dauer  des  ganzen 
Aufenthalts  in  K.  (10  Tage!)  ist  an  neuen  Aufschlüssen  von  vornherein 
nichts  zu  erwarten;  auch  leidet  die  Darstellung  vielfach  an  Irrtümern. 
Von  den  beigegebenen  Illustrationen  ist  die  Ansicht  von  Kerynia  her- 
vorzuheben. 

S.  Brown,  Three  Months  in  Cj'prus  during  the  Winter  of  1878—9. 
Paper  read  at  Meeting  of  British  Association  at  Shefßeld.  London, 
Stanford.     1879.     12     34  S.     1  sh. 

Unzugänglich. 

British  Cyprus  by  W.  Hepworth  Dixon.  London,  Chapmau  and 
Hall.     1879.     XIL     368  S.     15  sh. 

Wer  dieses  Buch  des  bekannten  und  vielseitigen  Schriftstellers 
mit  der  Erwartung  zur  Hand  nähme,  darin  eine  eingehende  touristische 
Beschreibung  der  Insel  zu  finden,  würde  es  bald  getäuscht  von  sich 
legen.  Xur  wenige  einzelne  Örtlichkeiten  der  Insel  werden  näher  be- 
schrieben, während  man  von  den  Reisewegen  des  Verf.  so  gut  wie  gar 
nichts  erfährt.  Dagegen  liegt  der  Schwerpunkt  in  der  Schilderung  so- 
zialer und  politischer  Verhältnisse,  insbesondere  des  Gegensatzes  der 
neuen  Herrschaft  gegen  die  türkische  Zeit,  sowie  in  der  Charakteristik 
der  christlichen  und  muhammedanischen  Bevölkerung.  Derartige  poli- 
tisch gefärbte,  oft  weit  ausgesponnene  Betrachtungen  und  Stimmungs- 
bilder füllen  den  gröfsten  Teil  des  Buches,  das  deshalb  für  die  Kenntnis 
der  öffentlichen  Verhältnisse  in  der  Übergangszeit  und  den  Anfängen 
der  englischen  Verwaltung')  nicht  ohne  Interesse  ist;  in  geographischer 
Beziehung  sind  hauptsächlich  die  topographische  Besclu'eibung  von  Ni- 
kosia (Kap.  XV,  vgl.  Kap.  XXIV)  und  die  Kapitel  über  Famagusta, 
Kerynia,  Paphos  und  Limassol  (XXVIII— XXXII)  hervorzuheben. 

Admiral  Sir  W.  F.  Martin,  Cj'prus  as  a  Naval  Station  and  a 
Place  of  Arms.     London  1879. 

TJnzogänglich. 


')  Mehr  ergötzlich  als  überzeugend  i.st  das  Kap.  XIV  Our  Right  in 
Cyprm,  worin  das  Anrecht  Englands  auf  K.  allen  Ernstes  auf  die  vorüber- 
gehende Besetzung  der  Insel  durch  Richard  Löwenherz  zurückgeführt  wirdl 


Kypros  (Allgemeines).  49 

Our  Home  in  Cj^^rus,  by  Mrs.  Scott-Stevenson.  With  Hlu- 
strations  and  a  Map.  London:  Chapman  and  Hall.  1879.  2nd  Ed. 
1880.     XXVin  332  S.     14  sh. 

Die  Gattin  eines  englischen  Offiziers,  welcher  lange  Zeit  mit  der 
Verwaltung  des  Distriktes  Kerynia  betraut  war  und  in  dieser  Eigen- 
schaft eine  sehr  erspriefsliche  Thätigkeit  entfaltete,  hat  in  diesem  Buche 
ihre  Erfahrungen  und  Eindrücke  während  des  ersten  Jahres  ihres  Aufent- 
haltes auf  K.  niedergelegt.  Wissenschaftliche  Zwecke  lagen  der  Ver- 
fasserin von  vornherein  fern,  und  man  wird  es  ihr  gerne  zu  Gute  halten, 
wenn  sie  in  archäologischen  und  historischen  Dingen,  die  glücklicher- 
weise nur  sehr  wenig  berührt  werden,  blindlings  dem  Buche  Cesnolas 
folgt.  Im  übrigen  ist  die  ganze  Darstellung  von  einer  warmen  und  durch- 
aus berechtigten  Begeisterung  für  die  landschaftlichen  Schönheiten  der 
Insel  und  die  Vorzüge  ihres  Klimas  durchweht  und  reich  an  touristischen 
Beobachtungen,  die  naturgemäfs  am  eingehendsten  über  den  Norden,  den 
Distrikt  Kerynia,  fliefsen.  Die  vom  Gemahl  der  Verf.  gezeichnete  Karte 
giebt  eine  farbige  Übersicht  der  6  Verwaltungsdistrikte. 

J.  Thomson,  Through  Cyprus  with  the  Camera  in  the  Autumn 
of  1878.  With  60  permanent  Photographs.  2  vols.  London,  Low. 
1879.     4.     5  £.  15  sh. 

Bei  der  Seltenheit  guter  Ansichten  aus  Cypern  kann  ich  nur  be- 
dauern, dieses  leider  sehi-  kostspielige  Werk  noch  nicht  zu  Gesicht  er- 
halten zu  haben.  Kaum  einen  nennenswerten  Ersatz  bietet  dafür  ein 
Vortrag  des  Verf.  über  seine  ßeise,  welcher  u.  d.  T.: 

A  Journey  through  Cyprus  in  the  Autumn  of  1878,  in  Procee- 
dings  R.  Geogr.  Soc.  1879  S.  97—104 

erschienen  ist,  woran  sich  S.  104  f.  einige  Bemerkungen  von  Captain 
F.  J.  Evans  und  Dr.  Phene,  sowie  eine  Skizze  von 

H.  C.  Rawlinson,  Rough  Notes  on  Pre-histoiic  Cyprus  (S.  106 — 9) 
schliefsen. 

Der  berühmte  Orientalist  unterscheidet  hier  4  Bevölkerungsschichten 
auf  K.:  1.  Kittim  (Gen.  10,  4),  ein  turanisches  (?)  Volk,  2.  Phönizier, 
3.  Kyprier,  „verwandt  mit  Karern,  Lykiern  und  anderen  pelasgischen 
Stämmen",  4.    Griechen. 

L'ile  de  Cbypre,  sa  Situation  presente  et  ses  Souvenirs  du  moyen- 
äge  par  L.  de  Mas  Latrie.  Avec  une  carte.  Paris,  Eirmin-Didot. 
1879.    12.    Vni432  S.     5  Fr. 

Unter  den  vielen,    die  anläfslich  der  englischen  Besitzergreifung 
mit  Büchern  über  K.  hervorgetreten  sind,  war  der  verdiente  Erforscher 
Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.  LXXVII.  Bd.  (1893.  in.)        4 


50  Geographie  von  Griechenland. 

der  mittelalterlichen  Geschichte  der  Lisel  sicher  einer  der  bernfensten. 
Das  Buch  trägt  durchaus  den  Stempel  solider,  selbständiger  Arbeit,  wo- 
bei es  sich  der  Verf.  allerdings  insofern  ziemlich  leicht  gemacht  hat, 
als  der  gröfsere  Teil  lediglich  aus  dem  "Wiederabdruck  früherer  Publi- 
kationen besteht;  freilich  erwächst  dem  Leser  daraus  der  Vorteil,  mehrere 
früher  in  Zeitschriften  zerstreute  Abhandlungen  nunmehr  bequem  und 
handlich  vereinigt  zu  finden.  Durchaus  neu  ist  nur  der  erste  Abschnitt 
(S.  1 — 117),  welcher  auf  Grund  der  Litteratur^)  und  der  eigenen  Auf- 
zeichnungen des  Veif.  die  Conditions  physiques  et  agricoles  —  Districts 
de  l'ile  —  Commerce  —  Industrie  —  Gouveriiement  behandelt.  Geo- 
gi"aphisch  besonders  wertvoll  ist  hierin  die  Beschreibung  der  16  (früheren) 
Distrikte  der  Insel  mit  ihren  wichtigsten  Ortschaften  und  wirtschaft- 
lichen Verhältnissen.  Der  zweite  Abschnitt  —  Construction  de  la  carte 
de  Chypre  —  Limite  des  districts  —  Tahleaux  des  villes  et  villages 
(S.  118—203)  ist  ein  wenig  veränderter  Abdruck  einer  früher  erschie- 
nenen Abhandlung ;  -)  das  gleiche  gilt  von  dem  folgenden  Abschnitt 
Souvenirs  historiques  I  =  Relations  de  l'ile  de  Chypre  avec  l'Äsie  Mi- 
neure  au  moyen  äge^)  (S.  205 — 339),  wie  auch  die  Inscriptions  du 
moyen  äge  (S.  340 — 401)  von  dem  Verf.  schon  früher  veröffentlicht  worden 
zu  sein  scheinen.  *)  Eine  wertvolle  Zugabe  ist  der  Etat  des  prindpaux 
fiefs  et  des  terres  du  domaine  royal  souß  les  Frangais  et  les  Venitiens 
(S.  401 — 30),  eine  alphabetische  Aufzählung  der  I.  Fiefs,  U.  Terres  du 
domaine  royal  mit  Rückweiseu  auf  des  Verf.  Hauptwerk,  ^)  welche  hier- 
durch einigermafsen  für  den  Mangel  eines  Ortsregisters  zu  letzterem 
aulkommt.  Die  beigegebene  Karte  ist  dem  Atlas  zu  den  Geographi 
Graeci  minores  (T.  XXVI)  entnommen. 

Henry  Tache,  L'ile  de  Chypre,  ses  ressources  et  son  avenii*. 
Joiu-nal  des  economistes   IV  5  (1879)  420—7. 

Wesentlich  nur  ein  Auszug  aus  dem  Buche  von  Lang  (s.  o.  S.  43), 
sowie  aus  einem  Vortrage  von  Wilson,  worüber  ebd.  IV  4  (1878)  86. 

Unzugänglich  sind  mir  die  beiden  von  Miliarakis  unter  No.  1034  f. 
angeführten  Aufsätze 

*)  Besonders  des  trefflichen  Werkes  von  A.  Gaudry,  Recherches  scien- 
tifiques  en  Orient.    Paris  1855. 

^)  Notice  sur  la  construction  ~d'une  carte  de  l'ile  de  Chypre.  Biblioth. 
de  TEcole  des  chartes  S^r.  V  T.  IV  1—50  (1863,  auch  separat). 

=>)  Ib.  S6r.  II  T.  I  .'101—30,  485—521,  II  121—42  (1845/6). 

*)  Angeführt  als  „Inscriptions  de  Chypre  et  de  Constantinople.  Paria 
1850.  3,50  fr."  leb  habe  mich  bisher  vergeblich  bemüht,  dieser  Schrift 
habhaft  zu  werden. 

^)  Histoire  de  File  de  Chypre  sous  le  regne  des  princes  de  la  maison 
de  Lusignan.     3  vols.    Paris  1852—61.     Vgl.  u.  S.  58  A.  1. 


Kypros  (Allgemeines).  51 

'H  v^tjoj  KuTTpö?  |XST7.  7£o>Yp.  -ivav.o;  ut:o  'P.  Uz\z/.'iar^.  'Ev  tcS 
B'jCäVTtVlüi  'H[j.£poXo7icp    tou    1879. 

OixovofjLixa  T^c  Kujrpou.    Oixov.  'E^ziösuip,  Vtl  134 — 9  (1879). 

Die  Insel  Cypern.  Von  Gustav  Hirschfeld.  Deutsche  Eund- 
schaü  XXin  (1880)  257—70. 

Enthält  eine  Darlegung  der  weltgeschichtlichen  Bedeutung  von  K. 

Cyprische  Reisestudien.  VonMax  Ohnef  alsch-ßichter.  Unsere 
Zeit  1880  I  699—710,  H  284—302,  456—69. 

I.  Erste  Eindrücke  von  und  in  Larnaka.  II.  Über  Dali  und  Tre- 
mithoussa  nach  Aschia.    III.  Von  Aschia  nach  Levkosia. 

P.  Chaix,  L'Ue  de  Cypre.  Le  Globe  XIX  (1880)  105  —  13.  Mit 
einer  autographierten  Karte.    Unbedeutend, 

Luigi  Luiggi,  L'isola  di  Cipro,    Roma  1880. 

Unzugänglich;  ebenso  eine  Arbeit  des  italienischen  Vizekonsuls 
Magni,  welche  nach  Ohnefalsch-Richter  a.  a.  0.  II  302  in  der  Revista 
maritima  und  der  Gazzetta  uffidale  erschien  (vgl,  u.  S.  95),  sowie 

Raoul  de  Oazenove,  Notes  sur  Tue  de  Chypre.  Souvenii's  et 
Impressions  d'un  voyage  ä  travers  les  livres.  Avec  carte.  80  S.  Lyon, 
La  Roquette.     1881.     2  fr. 

Dafs  in  dem  Handhook  to  the  MediUrranean  von  Playfair 
(2.  Ed.  1882)  K.  in  einem  besonderen  Kapitel  behandelt  ist,  habe  ich 
bereits  früher  erwähnt  (Bd.  54  S.  411), 

Cypern.  Ein  Kulturbild  aus  dem  Jahre  1883  von  Max  Ohne- 
falsch-Richter.     Unsere  Zeit  1884  I  ,346—66,  778—96. 

I.  Die  Kirchen,  Klöster,  die  religiösen  und  profanen  Bräuche  und 
Sitten.  IL  Die  geistige  Bildung.  Die  Inselpresse.  Der  Volkscharakter. 
Das  Schulwesen.  Die  Administration,  III.  Klima,  Wald,  Boden  und 
"Wasser.    Die  Landesprodukte,    Export  und  Import,    Schlufswort, 

Eine  Übersicht  der  Geographie  von  K.  im  Sinne  moderner  Länder- 
kunde gab 

E.  Reclus  in  seiner  Nouvelle  Geographie  Universelle  IX :  L'Asie 
anterieure  (1884)  S.  666—85  (8.  681  Ansicht  von  Kerynia). 

Cyprus  Guide  and  Directory.  1885,  Printed  and  published  by 
J.  W,  Williamson  &  Co.,  Limassol.     8.     208  S. 

Dieses  Buch,  das  erste  in  englischer  Sprache,  welches  in  K,  ge- 
dinickt  wurde,  eröffnet  ein  Gedicht  The  Birtli  of  Cyprus,  von  Lieut. 
H.  M,  Johnstone;  hierauf  folgen  Records  of  the  Ottoman  Conqiiest  of 
Cyprus^  von  Major  D.  A.  Donne  (S.  9—60),  dann  das  eigentliche  Hand- 


52  Geographie  von  Griechenland. 

buch,  dessen  Verfasser  sich  nicht  nennt.  Dasselbe  behandelt  Geogra- 
phical  Position  (S.  66—8),  Geology  (S.  69  f.),  Miner-als  (S.  70—2), 
Woods  and  Forests  (S.  72—8),  Natural  Products  (S.  78—83),  Sport 
(S.  83 — 6),  Birds  and  Beasts  (S.  86 — 90),  Administrative  Divisions 
(S.  90—3),  Police  (S.  94),  Agriculture  (S.  95—102),  Flora  (S.  103—5), 
The  Locust  (S.  106—8),  Trade  (S.  109),  Customs  and  Excise  (S.  110  f.), 
Wine  Assessment  (S.  112),  Turkish  Tribute  (S.  113  f.),  Taxes  etc. 
(S.  115 — 7),  List  of  Conditions  to  he  fulfilled  by  any  Person  undertaking 
Excavations  in  Cyprus  (S.  118  f.),  dann  folgen  Mitteilungen  über  Post, 
Telegraph,  mohammedanischen  Kalender,  Schiffsverkehr  u.  s.  w.,  stati- 
stische Nachi'ichten  über  die  Städte  Nikosia  (S.  139—42),  Limassol 
(S.  143—6),  Paphos  (S.  147—9),  Larnaka  (S.  150—3),  Famagusta 
(S.  154 — 6),  Kerynia  (S.  157 — 9),  endlich  eine  Art  Adrefsbuch  der  be- 
kanntesten Persönlichkeiten,  ein  kurzer  Beiseführer  (S.  180 — 9)  und 
Geschäftsanzeigen. 

'E^yeipiotov  ywpo^pa^iac  xal  -fevtx^s  taxopta?  xr)?  KuKpou  ut:o  Eupu- 
ßiaöou  N.  Opa 7x06 St).  'Ev  'AXs$av8p£ta  1885/6.  Tutioi?  'Ofiovoi'as. 
2  Hefte.     x3'  78  S.  und  131  S. 

Das  erste  Heft,  welches  mir  allein  zu  Gesicht  gekommen  ist,  ent- 
hält einen  dilettantischen  Abrifs  der  Geographie  von  K.,  voll  von  Un- 
genauigkeiten.  Vgl.  im  übrigen  die  u.  angeführten  Werke  von  Sakellarios. 
I  800  f.  und  A.  Smith  324  ff. 

G.  G.  Hake,  Cyprus  since  the  British  Occupation.  Journ.  of  the 
See.  of  Arts.  Bd.  34  (1886)  No.  1750,  sowie  ein  Artikel  desselben 
Verf.  in  Science  (?)  1887  Juli  ist  mir  unzugänglich. 

Through  Cyprus  by  Agnes  Smith.  lUustrated,  with  Map.  London: 
Hurst  and  Blackett.    1887.    X  352  S.    5  T.    15  sh. 

Die  Verfasserin,  mit  ihrem  wahren  Namen  Mrs.  S.  S.  Lewis, ^) 
ist  uns  bereits  durch  ein  Buch  über  Griechenland  bekannt,  das  freilich 
nur  dem  Titel  nach  erwähnt  werden  konnte  (Bd.  54  S.  419).  Sie  ist 
eine  klassisch  gebildete,  sogar  mit  dem  Ai-abischen  vertraute  Dame, 
welche  uns  hier  ihre  Beobachtungen  auf  einer  im  J.  1886  von  London 
über  Ägypten  und  Beirut  nach  K.  unternommenen  Reise  vorlegt.  Ein 
nicht  unbeträchtlicher  Teil  des  Buches  (Kap.  1—6)  beschäftigt  sich 
mit  den  Erlebnissen  bis  zur  Ankunft  in  K.,  welche  oft  sehr  breit  aus- 
gemalt sind;  dieses  persönliche  Moment  tritt  auch  bei  der  Reise  auf 
der  Insel  selbst  (Larnaka  —  Famagusta  —  Trikomo  —  Kythräa  — 
Nikosia  —  Levka  —  Kykku  —  Chrysorrogiatissa  —  Paphos  —  Kplossi 
—  Limassol  —  Larnaka)  stark  hervor,  ist  aber  nicht  ohne  Geschick  zur 

*)  Ich  entnehme  dies  einer  Notiz  von  Hogarth,  Devia  Cypria  35  A.  3. 


Kypros  (Allgemeines).  53 

Belebung  der  Darstellung  verwertet.  Kap.  16  und  17  enthalten  eine 
hauptsächlich  aus  Engel  und  Phrankudis  (s.  o.)  geschöpfte,  im  wesent- 
lichen richtig  wiedergegebene  Übersicht  der  Geschichte  von  K.  Die  bei- 
gefügten Bruchstücke  meteorologischer  Beobachtungen  sind  kaum  von  Wert. 
L,  Paisios,  'Eif^eipiSiov  TOiro^pacpia?  xal  taxopiac  t^c  vtqoou  KuKpoo. 
Varoschia  (Famagusta)   1887.     12. 

Unzugänglich. 

T.  Massarani,  Cipro  antica  e  moderna.  Nuova  Antologia  in  14 
(1888)  41-70,  255—79.    Vgl.  Nachtrag  (u.  S.  95). 

Cyprus.  By  Lieut.  General  Sir  Robert  Biddulph,  late  H.  M. 
HighCommissioner,  Cyprus.  Proceedings  ß.  Geogr.  Soc.  1889  S.705 — 19. 

Kurze  geographische  Skizze  der  Insel,  welche  durch  die  Persön- 
lichkeit des  Verf.,  des  ehemaligen  Gouverneurs  von  K.,  an  Interesse 
gewinnt.  Besonders  hervorzuheben  sind  die  Mitteilungen  über  die  Be- 
kämpfung der  Heuschreckenplage. 

Devia  Cypria.  Notes  of  an  Archaeological  Journey  in  Cyprus  in 
1888  by  D.  G.  Hogarth.  "With  Map  and  Illustrations.  London: 
Henry  Frowde.     1889.    VIII  124  S.    6  sh. 

Obwohl  vorwiegend  archäologischen  Charakters,  mag  dieses  gehalt- 
volle Buch,  da  es  in  die  Form  eines  Reiseberichtes  gekleidet  ist  und 
auch  allgemeinere  geographische  Gesichtspunkte  berührt,  bereits  an  dieser 
Stelle  seinen  Platz  finden.  Es  enthält  im  wesentlichen  die  Ergebnisse 
einer  Forschungsreise,  die  der  Verf.  im  J.  1888  im  Auftrag  des  Cyprus 
Exploration  Fund  unternahm  und  welche  die  Blofslegung  des  Aphrodite- 
tempels zu  Alt-Paphos  zum  Hauptzweck  hatte.  Neben  diesen  und  einigen 
anderen  Ausgrabungen,  über  welche  in  besonderen  Publikationen  be- 
richtet wurde  (s.  u.),  konnte  jedoch  der  Verf.  in  zwei  wenig  besuchten 
Teilen  der  Insel,  dem  Paphos- Distrikt  im  "W.  und  der  karpasischen  Halb- 
insel im  NO.  zahlreiche  Beobachtungen  machen,  welche  im  obigen  Buche 
vereinigt  sind.  Hervorzuheben  sind  die  Mitteilungen  über  Neu-Paphos 
(auch  einige  Inschriften),  C.  Drepano  und  Vorgab.  Akamas  (Fontana 
amorosa!),  verschiedene  Orte  im  Gebirge  von  Paphos,  darunter  das 
Kloster  Chry so rrogiatissa  und  die  Spuren  eines  Heratempels  daselbst, 
das  Dorf  Achelia  (zwischen  Alt-  und  Neupaphos),  von  dessen  Kirche 
eine  architektonische  Beschreibung  von  Elsey  Smith  eingefügt  und 
zwei  prächtige  Holzschnitzwerke  (Pult  und  Baldachin)  des  16.  Jahr- 
hunderts in  Photographie  beigegeben  sind,  endlich  über  die  beiden  Mono- 
lithe^) an  der  Küste   bei  Alt-Paphos  (gleichfalls    mit  Photographie), 


*)  Man  vgl.  hierzu  einen  Artikel  über  Monoliths  in  the  Island  of  Cyprus 
von  Guillemard  und  Hogarth  im  Athenaeum  1888  I  474  f. 


54  Geographie  von  Griechenland. 

welche  gewöhulich  für  Kultusobjekte  und  Bestandteile  eines  phönizischen 
Heiligtums  gehalten  wurden,  von  Hrn.  Hogarth  aber,  nach  Analogie 
ähnlicher  in  K.  gefundener  Steine,  für  die  Pfeiler  einer  —  Ölpresse  aus- 
gegeben werden!  Ich  mufs  es  dem  Leser  überlassen,  sich  über  diese 
etwas  überraschende  Lösung  des  Eätsels,  welche  wohl  noch  zu  manchen 
Diskussionen  Anlafs  geben  wird,  an  der  Hand  von  Hogarths  Aus- 
führungen selbst  ein  Urteil  zu  bilden,  und  wende  mich  zum  zweiten  Teil 
des  Buches  „The  Carpass^^.  Nach  einer  geographisch-historischen  Ein- 
leitung über  diesen  Teil  von  K.  im  allgemeinen  giebt  der  Verf.  einige 
Nachrichten  über  Salamis  und  dessen  Umgebung,  aus  welcher  auch 
mehrere  kürzere  Inschriften  mitgeteilt  werden,  sowie  über  merkwürdige 
und  bisher  kaum  beachtete  Ruinen  bei  H.  Theodoros,  welche  er  auf  eine 
angebliche  kyprische  Stadt  Knidos  bezieht,  während  sie  meiner  Meinung 
nach  mit  dem  IlaXaia  des  Stad.  m.  m.  §  306  s.  in  Verbindung  zu  bringen 
sind.  ^)  Hierauf  wird  die  karpasische  Halbinsel  bis  in  ihre  äulserste 
Spitze  durchzogen  und  die  Nordküste  nach  W.  verfolgt  bis  Akanthu, 
dessen  Umgebung  au  Euinenfeldern  aufserordentlich  reich  ist.  Der 
Verfr  hat  auf  dieser  Strecke  eine  reiche  Fülle  topographischen  und 
archäologischen  Materiales  gesamm  elt,  das  sein  Buch  zu  einer  der  wich- 
tigsten Quellen  für  die  Kenntnis  dieses  Teiles  der  Insel  macht.  Leider 
sind  ihm  die  Beobachtungen  seines  Vorgängers  Schröder  (s.  o.  S.  40  f.)  ent- 
gangen, denen  er  viele  wertvolle  Winke  hätte  entnehmen  können,  so 
bezüglich  der  Lage  von  Urania,  das  H.  irrig  bei  Aphendrika  ansetzt.-) 
'Ayaiüiv  ax--q  verlegt  H.  nach  Galunia,  Aphrodision  nach  Jastrika, 
Makaria  nach  Mulos.  3)  Für  weitere  Einzelheiten  und  die  beigegebeuen 
Pläne  und  Skizzen  mufs  ich  den  Leser  auf  das  Buch  selbst  verweisen. 
In  einem  3.  Kapitel  Miscellanea  behandelt  der  Verf.  noch  einige  topo- 
graphische Einzelheiten  aus  andern  Teilen  der  Insel,  so  bezüglich  der 
Lage  von  Marion,  das  er  entgegen  der  jetzt  ziemlich  allgemein  ange- 
nommenen Anschauung^)  wieder  an  der  Südküste  (bei  Mari  und  Maroni) 
zu  suchen  geneigt  ist,  ferner  von  Larnaka,Kuklia  (Mesarea)  und  Soloi. 
Aus  dem  Gebiet  der  letzteren  Stadt  werden  2  Inschriften  mitgeteilt,  von 
denen  die  erste  (auf  Kaiser  Marcus)  bereits  früher  von  mir  herausgegeben 


*)  Vgl.  hierüber  meine  Bemerkungen  in  Ztschr.  d.  Ges.  f.  Erdk. 
1S92  S.  458. 

2)  Vgl.  M.  Ohnefalsch -Richter  in  ßerl.  Philol.  Wochenschr.  1891 
Sp.  1000  und  meine  Bemerkungen  a.  a.  0.  S.  451. 

^)  Näheres  hierüber  s.  in  meiner  eben  angeführten  Schrift  S.  448  £F. 

•)  S.  meine  Nachweise  in  Sitzungsber.  d.  bayr.  Ak.  d.  W.  1888 
S.  321  und  Ztschr.  d.  Ges.  f.  Erdk.  1890  S.  337,  wo  jedoch  im  Text  die 
irrige  Bemerkung  von  der  Zerstörung  Marions  durch  Kimon  zu  berichtigen  ist. 


Kypros  (Allgemeines).  55 

war, ^)  während  ich  die  zweite,  jetzt  fast  ganz  unleserlich  gewordene 
im  Hause  meines  Wirtes  in  Morphu  wiederfand.  -)  Im  Appendix  werden 
die  bisher  bekannten  Pi'oconsuln  der  Insel  zusammengestellt.  Ein  Re- 
gister erleichtert  die  Anfündung  der  einzelnen  Örtlichkeiten.  Die  bei- 
gegebene Karte  enthält  die  karpasische  Halbinsel  und  ist  von  der  ver- 
kleinerten Generalstabskarte  abgenommen. 

In  an  Enchanted  Island  or  a  Winters  Retreat  in  Cyprus  by 
W.  H.  Mallock.  London,  Richard  Bentley  &  Son.  1889.  300  S.  — 
3.  Ed.    1892.    Vm  408  S.     12  sh. 

Der  Standpunkt  des  Verf.  erhellt  aus  dem  1.  Kap.  The  True 
Traveller.  Nur  wer  unbehelligt  durch  wissenschaftliche  oder  materielle 
Interessen  sich  rückhaltlos  dem  Genufs  hingiebt,  welchen  das  Reisen 
an  sich  gewähi't,  indem  es  uns  aus  Sphären  des  Alltäglichen  heraus- 
reifst und  mit  neuen  Eindrücken  erfüllt,  ist  nach  seiner  Meinung  der 
wahre  Reisende.  Obwohl  M.  selbst  zunächst  durch  eine  sehr  materielle 
Rücksicht,  nämlich  die  Hoffnung  auf  Ausbeutung  einer  Art  Verde  antico, 
zur  Reise  nach  K.  bestimmt  wurde,  nahm  ihn  dort  der  Zauber  einer 
neuen,  ihm  bisher  vollständig  fremden  Welt  völlig  gefangen  und  ver- 
anlafsten  ihn,  seine  lebhaften  Eindrücke  hieran  in  obigem  Buche  nieder- 
zulegen. Insbesondere  die  romantische  Erscheinung  mittelalterlicher 
Städte  und  Burgen  inmitten  einer  südlichen  Natui*  schildert  der  Verf. 
mit  tiefer  Empfindung  und  in  blühender  Sprache ;  in  diesem  vSinne  kann 
das  Buch,  trotz  des  grundsätzlich  ablehnenden  Standpunktes  gegen 
wissenschaftliche  Belehrnng,  als  eine  anerkennenswerte  Bemcherung  der 
Litteratur  über  K.  gelten. 

Die  Insel  Cypern.  Eine  geographische  Skizze  von  Eugen  Ober- 
hummer. Jahresber.  d.  Geogr.  Ges.  in  München  f.  1888/9  (Xm.  Heft) 
S.  71  —  102. 

Ei-w^eiterte  Bearbeitung  eines  Vortrages,  in  welchem  Ref.  versucht 
hat,  auf  Grund  der  Fachlitteratur  und  eigener  Anschauung  ein  dem 
heutigen  Stande  unserer  Kenntnis  entsprechendes,  abgerundetes  Bild  der 
Insel  in  geographischer  Beziehung  zu  entwerfen ;  der  Entwickelung  unter 
englischer  Verwaltung   ist   hierbei   besondere    Beachtung    gewidmet,  s) 

Aus  Cypern.     Tagebuchblätter   und  Studien  von  Eugen  Ober- 
hummer.   Ztschr.  d.  Ges.  f.  Erdk.  z.  Berlin  1890  S.  183—240  T.  111. 
Dasselbe,  II.  Teil.    Ebd.  1892  S.  420—86. 

')  Sitzungsber.  d.  bayr.  Ak.  1888  S.  317  No.  7. 
')  Ztschr.  d.  Ges.  f.  Erdk.  1892  S.  428. 

^)  Sonderabdrücke  dieser  Skizze  stelle  ich,  soweit  der  Vorrat  reicht, 
Interessenten  gerne  zur  Verfügung. 


56  Geographie  von  Griechenland. 

Der  I.  Teil  enthält  im  Rahmen  eines  Berichtes  über  des  Ref. 
erste  Reise  im  Jahre  1887  einige  Ergebnisse  seiner  litterarischen 
Studien  und  sucht  im  allgemeinen  den  Stand  der  wissenschaftlichen  Er- 
forschung der  Insel  nach  verschiedenen  Beziehungen  zu  kennzeichnen, 
zu  welchem  Zweck  möglichst  umfassende  Nachweisungen  der  neueren 
Litteratur  gegeben  werden.  Die  Einleitung  versucht  darzulegen,  nach 
welchen  Richtungen  die  wissenschaftliche  Forschung  auf  K.  bisher  haupt- 
sächlich thätig  wai',  hierauf  folgt  eine  Charakteristik  der  wichtigsten 
Karten,  dann  wird  auf  Grund  des  vom  Ref.  gesammelten  (inzwischen 
von  ihm  bedeutend  vermehrten)  Quellenmaterials  der  Übergang  des  alten 
Kition  in  das  moderne  Larnaka  und  die  Entwickelung  des  letzteren 
verfolgt,  sowie  die  Überreste  des  alten  Kition  besprochen.  Die  Reise 
nach  Nikosia  giebt  Gelegenheit  zu  einem  Exkurs  über  die  für  die 
centrale  Ebene  so  überaus  charakteristischen  Tafelberge  und  über 
die  merkwürdigen  Ruinen  auf  einem  solchen  bei  Nikosia  (dem  sogen. 
Löwenberge  s.  o.  S.  31  A.  2),  von  welchem  ein  Plan  beigegeben  ist.  Ref. 
bringt  dieselbe  mit  der  Vorgeschichte  von  Nikosia,  dem  alten  Ledrai, 
in  Beziehung,  für  welche  die  Zeugnisse  aus  der  antiken  und  frühmittel- 
alterlichen Litteratur  zusammengestellt  werden.  Der  weitere  Verlauf 
der  Reise  führt  nach  dem  alten  Soloi  und  dessen  angebliche  Mutter- 
stadt Aipeia  (Plut.  Sol.  26),  deren  Lage  nachgewiesen  wii'd,  ferner 
nach  Limenia  (Str.  XIV  6,  3),  dessen  Peststellung  durch  archäologische 
Funde,  welche  kurz  vor  des  Ref.  Ankunft  gemacht  wurden,  und  durch 
Vergleichung  bisher  unbeachteter  Stellen  der  hagiographischen  Litteratur 
möglich  wurde.  Die  Weiterreise  am  Rande  des  wenig  besuchten  Ge- 
birgsgaues  der  Tylliria  giebt  Anlafs  zu  Mitteilungen  über  den  kypri- 
schen  Muflon,  sowie  über  den  in  neuester  Zeit  (ohne  Erfolg)  wieder 
versuchten  Bergbau,  dann  wird  Marion-Arsinoe  und  Paphos  besucht 
(S.  230  f.  A.  Zusammenstellung  der  meteorologischen  Litteratui-)  und 
mit  einer  Nachricht  über  den  Aphroditetempel  von  Alt-Paphos  der 
Bericht  abgebrochen. 

Der  U.  Teil  hält  sich  im  Rahmen  der  zweiten  Reise  von  1891, 
berücksichtigt  dabei  jedoch  auch  solche  Strecken  der  ersten  Reiseroute, 
welche  in  dem  (unvollendeten)  I.  Teil  nicht  mehr  zur  Sprache  kamen. 
Wie  letzterer  dem  Westen,  so  ist  der  II.  Bericht  hauptsächlich  dem 
Norden  und  Osten  der  Insel  gewidmet.  Nach  kurzen  Mitteilungen  über 
die  neueste  Entwickelung  von  Larnaka  und  Nikosia  berichtet  Ref.  über 
seine  Reise  in  die  Gegend  von  Morphu,  welche  ihm  Gelegenheit  gab, 
mehrere  der  von  Rols  erkundeten  Ruinenstätten  aufzusuchen,  wendet 
sich  dann  über  Myrtu  an  die  Nordküste  nach  Lapethos  und  Kerynia, 
behandelt  mit  eingehenden  Quellennachweisen  die  Geschichte  der  drei 
BergschlüSßer  Ililarion,  Buffavento  und  Kantara,  sowie  der  Abtei 


Kypros  (Allgemeines).  57 

Bellapa'is,  tenier  die  Euinenstätten  bei  Akanthu  und  H.  Theodoros 
(vgl.  0.  S.  54),  die  historische  Bedeutung  von  Salamis -Famagusta, 
sodann  die  Ruinen  von  Leukolla  und  Thronoi  im  SO.  Die  letzte 
Reise  führte  von  Nikosia  über  Tamassos  nach  Amathus,  Limassol 
nach  Kolossi  und  Paphos,  sowie  nach  den  Gebirgsklöstern  ChrysoiTo- 
giatissa,  Kykku  und  Trooditissa,  endlich  auf  den  Gipfel  des  Troodos. 
Der  Schwerpunkt  der  Abhandlung  liegt  in  den  historisch-geographischen 
Ausführungen,  wobei  hauptsächlich  die  früher  so  gut  wie  gar  nicht  aus- 
gebeuteten mittelalterlichen  Quellen  herangezogen  werden.  Die  antike 
Topographie  wurde  aus  äufseren  Gründen  weniger  berücksichtigt.  In 
das  Gebiet  der  physikalischen  Geographie  fallen  die  Mitteilungen  über 
den  Gebirgsbau  der  Insel  und  über  die  Witterungsverhältnisse. 

r£ü)p-)fiou  2.  Opa-jfxouSrj  Kurpi;.  'H  KuTrpo;  xrj?  (Tiq[xspov.  'iTcopt'a 
T^C  K'jTipou  ^Tro  Tcüv  }jLUi}oXoYiXüiv  y^povcüv  JAEXP'  OTQ^tspo''-  To7roYpa<pia 
Ku-pou  Y]  TTEpiT^YTioi;  (ävÄ  TTiv  v^Gov.  'Ev 'AOi^vat;.  ExooTTji  'AXs^avopo; 
na-a7£(üp7iou.    1890.    is'  516  S. 

Das  Buch  enthält  nicht  sowohl  die  Ergebnisse  eigener  Forschung, 
als  eine  historisch  -  geographische  Beschreibung  der  Insel  zn  Nutz  und 
Frommen  der  Landsleute  des  Verf.,  deren  panhellenische  Gelüste  bei  jeder 
Gelegenheit  gekitzelt  werden.  Dafs  die  englische  Verwaltung  dabei  als 
ein  Ausbund  von  Tyrannei  und  Unterdrückung  hingestellt  wird,  wie 
übrigens  auch  bei  dem  o.  S.  52  erwähnten  Namensvetter  des  Verf.,  versteht 
sich  von  selbst.  Abgesehen  hiervon  enthält  der  erste  Abschnitt 
schätzenswerte  Beiträge  zum  kyprischen  folklore,  wähi-end  der  weit  um- 
fänglichere zweite,  eine  Übersicht  der  Geschichte  von  K.,  ganz  ohne 
wissenschaftlichen  "Wert  ist.  JSützlicher  ist  der  dritte  Abschnitt  (Reisen 
des  Verf.)  durch  die  Reichhaltigkeit  an  topographischen  Einzelheiten, 
zu  deren  Erläuterung  eine  roh  gezeichnete  Übersichtskarte  dient.  Leider 
fehlt  ein  alphabetisches  Register. 

Ta  Kurpiaxa  Y]TOt  7£a)7pa<pia,   lUTopia  xai    7Xtu(jaa  xyjj   vr^aou  KuTipoo 

dito  Tüiv  dp^ratOTaxtuv  ypovwv  ji-e^pi  oy^ixspov  üirö  'AOavaatou  A.   2axeX- 

Xapi'ou.     'Ev  'AdiQvat?,  tuttoss  xai  dvaXtuixaoi  11.  A.  2axeXXapiou.     T6[xo; 

A'.  reoj7pa9ia,  iTuopia,  OY)[ji.oaio?    xal  iSkutixo?  ßi'o?.  1890.  x8'  844  S.  2  T. 

12  M.  —  TofJLOC    B'.  'H    h  KuTrpio    7Xwcrja  1891.    r^t    896  S.      13  M. 

Eine    durchaus    achtenswerte    Leistung    liegt    in    diesen    beiden 

stattlichen  Bänden  vor  uns,  deren  Verf.  den  Kennern  der  Speziallitteratur 

über  K,  kein  Neuling  ist.     Waren  doch  seine  Kurpiaxa  schon  in  ihi-er 

ersten,    weit    weniger    umfangreichen   Ausgabe^)    ein    auch    aufserhalb 

^)  T(i  Kurpiay.«.  T.  I.  Athen  1855.  iß'  304  S.  T.IU.  'H  sv  K^rpu)  -(iM^za. 
1868  v;'  432  S.  (Bd.  II,  welcher  die  Geschichte  enthalten  sollte,  ist  nicht 
erschienen). 


58  Geographie  von  Griechenland. 

Griechenlands  viel  benutztes  Handbuch,  das  trotz  der  axiich  ihm  an- 
haftenden Mängel  doch  unbedingt  zu  den  besseren  derartigen  Erzeugnissen 
der  neueren  griechischen  Litteratur  gehörte.  Verf.  hatte  vor  Ausarbeitung 
seines  ersten  Werkes  4  Jahre  auf  der  Insel  zugebracht  und  dieselbe 
wiederholt  in  allen  Teilen  bereist;  seitdem  scheint  er  nicht  mehr  dorthin 
zurückgekommen  zu  sein,  so  dal's  also  seine  eigenen  Beobachtungen  vor 
das  J.  1854  fallen.  Eür  die  neueste  Zeit  hat  er  einige  der  wichtigsten 
(aber  bei  weitem  nicht  alle)  über  K.  erschienenen  Werke  benutzt, 
darunter  auch  solche  in  englischer  Sprache,  deren  Kenntnis  sonst  bei 
seinen  Landsleuten  noch  wenig  verbreitet  ist.  Die  Citate  aus  der  nicht- 
griechischen  Litteratur  leiden  freilich  auch  hier  an  den  unvermeidlichen 
störenden  Schreib-  und  Druckfehlern.  Der  erste, Band  enthält  nach  einer 
mit  grofser  Unverfrorenheit  aus  Cobhams  Liste  abgedruckten  Biblio- 
graphie zunächst  die  Geographie  der  Insel,  welche  hauptsächlich  aus 
der  Beschreibung  der  Ortschaften  (S.  29 — 225)  besteht.  Unter  den 
Litteratui'nachweisen  finden  sich  da  und  dort  auch  dankenswerte  An- 
führungen aus  der  noch  so  wenig  ausgenützten  Litteratur  des  Mittel- 
alters. Im  übrigen  wird  in  diesem  Abschnitt  ein  breiter  Raum  durch 
den  Abdruck  von  Lischriften  (auch  epichorische  in  Umschrift)  ein- 
genommen, die  aber  weder  vollständig,  noch  sonst  in  einer  Weise 
wiedergegeben  sind,  dafs  sie  die  Benutzung  der  Originalpublikationen 
entbehrlich  machen  würden;  höchstens  für  das  augenblickliche  Bedürfnis 
können  sie  zur  Orientierung  genügen.  Das  Kapitel  über  die  Natur- 
produkte (S.  226 — 63)  ist  in  erster  Linie  durch  die  neugriechischen 
Bezeichnungen  der  einzelnen  Gegenstände  von  einigem  Wert.  Den 
gröfsten  Teil  des  Bandes  nimmt  die  politische  Geschichte  ein 
(S.  264—608),  für  das  Mittelalter  und  die  neuere  Zeit  die  ausführlichste 
zusammenhängende  Darstellung",  die  wir  bis  jetzt  besitzen.  ^)  Hieran 
schlierst  sich  als  dritter  Teil  (or|[jLoato?  xal  iokutixoc  ßtoc)  eine  Zusammen- 
fassung dessen,  was  wir  in  der  Altertumswissenschaft  als  Antiquitäten 
zü  bezeichnen  pflegen  (Verfassung,  öffentliches  Leben,  Sitten  und 
Gebräuche  u.  s.  w.),  einschlieJslich  der  Leistungen  von  Kypriern  auf 
dem  Gebiet  der  Kunst  und  Litteratur ,  wobei  ebenso  das  alte  wie  das 
neue  K.  berücksichtigt  werden.  Eingeschaltet  ist  ein  Verzeichnis  der 
Münzen  (S.  63G— 88),  hauptsächlich  nach  Six  (autonome  M.),  Mionnet 
(Kaiserm.),  Lambros  (Mittelalter).  Beigegeben  sind  ein  ausfülu'liches 
Inhaltsverzeichnis  (aber  leider  kein  Ortsregister),    ein  Register   der  in 


^)  Das  unvollendete  Hauptwerk  von  Mas  Latrie  [Histoire  de  VUe  de 
Chypre)  umfafst  nur  den  Zeitraum  von  1191—1291  in  fortlaufender  Darstellung 
(Bd.  I)  und  Quellenmaterial  für  die  Zeit  von  1191— 1G70  n.  Chr. 
(Bd.  II  und  III).    Vgl.  o.  S.  50  A.  5. 


Kypros  (Allgemeines).  59 

den  abgedruckten  Inschriften  vorkommenden  Eigennamen,  eine 
synoptische  Tafel  der  epichorischen  Schiift  und  eine  nach  der  ver- 
kleinerten englischen  Karte  (s.  o.  S.  34)  abgezeichnete  und  umgeschriebene 
Übersichtskarte. 

Ist  es  schon  beim  ersten  Bande  nicht  möglich,  bei  der  Meuige  des 
Materials  auf  eine  Kritik  der  Einzelheiten  einzugehen,  so  entzieht  sich 
noch  mehr  der  zweite,  für  den  Dialekt-  und  Folklore-F ovschev  berechnete 
Band  hier  einer  eingehenden  Besprechung.  Derselbe ,  welcher  dem 
ersten  an  Umfang  nicht  nachsteht,  enthält  nach  einer  grammatischen 
Einleitung  und  einer  Zusammenstellung  kürzerer  Sprachdenkmäler  des 
15.  Jahrh.  eine  reichhaltige  Sammlung  von  Volksliedern,  Sprüchen, 
Märchen  u.  s.  w.  (S.  9 — 358),  ein  altkyprisches  Glossar  nach  Hesychios, 
den  übrigen  Grammatikern  und  den  Inschriften  (S.  359—421)  und  ein 
mit  grolsem  FleiTse  ausgearbeitetes  mittel-  und  neukyprisches  "Wörter- 
verzeichnis (S.  422 — 875)  sowie  Nachträge  und  Berichtigungen  zu 
beiden  Bänden.^) 

Max  Ohnefalsch -Eichter,  Cypern  im  Altertum.  Eine 
historische,  kultur-  und  kunstgeschichtliche  Skizze.  Die  Nation  VIII 
1890/1  S.  601—4. 

Derselbe,  Cypern  unter  englischer  Verwaltung.  Ebd.  S.  691—5, 
S.  708—12. 

Derselbe,  Die  Insel  Cypern.  Eine  geographisch-  etlinograpliische 
Skizze.  Deutsche  Rundschau  für  Geographie  und  Statistik  XIII  (1891) 
S.  241—7,  312—9. 

Von  diesen  drei  Aufsätzen  sucht  der  erste  über  die  Haupt- 
ergebnisse der  kyprischen  Altertumsforschung  zu  orientieren,  der  zweite 
giebt  eine  im  ganzen  wohl  zutreffende  Schilderung  der  Entwickelung 
von  K.  unter  den  neuen  Verhältnissen,  um  deren  gerechte  Wüi'digung 
gegenüber  übelwollenden  oder  aus  sachlicher  Unkenntnis  entsprungenen 
Angriffen  sich  der  Verf.  entschieden  ein  Verdienst  erworben  hat.  Der 
dritte  Aufsatz  deckt  sich  inhaltlich  zum  grofsen  Teil  mit  dem  zweiten, 
formell  ist  er  noch  abgerissener  und  nachlässiger  gehalten.  Beigegeben  sind 
eine  Übersichtskarte  der  Insel  in  1 :  700000  und  nach  Photographien 
gefertigte  Bilder  von  Bellapais  und  dem  Hochwald  am  Troodos 
(S.  248  f.),  sowie  von  Kerynia  und  H.  Heraklides  (Klosterhof). 

Ehe  ich  mich  von  den  Arbeiten  allgemeiner  Natur  über  K.  zu  den 
besonderen  Wissenszweigen  wende,  mufs  ich  noch  einer  der  wichtigsten 


^)  Man  vgl.  auch  die  Besprechungen  von  Krumbacher  im  Litt. 
Centralbl.  1891  S.  676—8  u.  Byzant.  Zeitschr.  I  171,  sowie  von  G.Meyer  in 
Berl.  Philol.  Wochenschr.  1893  Sp.  344  f. 


92  S. 

C. 

4188. 

72  S. 

C. 

4694. 

76  S. 

C. 

4961. 

66  S. 

C. 

5251. 

60  Geographie  von  Griechenland. 

Quellen  für  die  Kenntnis  der  Insel  gedenken,  nämlich  der  sog.  Blau- 
bttcher  oder  amtlichen  Berichte  der  englischen  Regierung.  Wenn  es 
auch  nicht  möglich  ist,  dieselben  hier  einzeln  zu  besprechen  oder  auch 
nur  vollständig  aufzuzählen/)  so  kann  ich  doch  nicht  umhin,  auf  die 
wichtigsten  derselben  hinzuweisen.  In  erster  Linie  stehen  die  jährlichen 
Berichte  des  Statthalters 2),  von  welchen  bis  jetzt  folgende  erschienen 
sind  (2.  in  hoch  4°,  die  übrigen  in  8°): 

1.  Report  by  H.  M.  High  Commissioner  for  the  Year  1879.  IV  346  S. 
C.  2543. 

2. for  1880.    94  S.    C.  3092. 

3. for  1881.    96  S.    C.  3385. 

4. for  1882.  100  S.    C.  3772. 

5. from   1.  Jan.  1883  to  31.  March  1884. 

6.  —  —  for  the    Year  ending  31.  March   1885. 

7. for   the  Year    ending  31.  March  1886. 

8. for  the  Year  ending  31.  March   1887. 

9. for  1887/8.     98  S.  C.  5749. 

10. for  1888/9.  26  S.  C.  6189. 

11. for  the  Years  1889/90  and  1890/1.    37  S.     C.  6764. 

In  der  Regel  sind  die  Berichte  so  gehalten,  dafs  auf  einen  kurzen 
allgemeinen  Bericht  des  Statthalters  diejenigen  der  Vorstände  der 
einzelnen  Verwaltungszweige  und  Distrikte  folgen.  In  den  beiden 
letzten  Reports  hat  man  jedoch,  wahrscheinlich  aus  Sparsamkeits- 
rücksichten, von  dem  Abdruck  der  Sonderberichte  abgesehen  und  ist 
dafür  der  allgemeine  Teil  etwas  ausführlicher  gehalten.  Ergänzend 
treten  dazu  besondere  Finanz-  und  Wirtschaftsberichte,  von  denen  mir 
zwei  vorliegen,  u.  d.  T.: 

Further  Con-espondence  relating  to  the  Affairs  and  Finances  of 
Cyprus  1889.  VI  162  S.    C.  5812,  und  1890.  IV  62  S.  C.  6003.  Hoch  4. 

In  diesen  beiden  Heften  wird  u.  a,  auch  die  Beschwerde  der 
griechischen  Bevölkerung  bei  der  Krone,  welche  in  der  athenischen 
Presse  in  üblicher  Weise  ausgebeutet  wurde,  eingehend  behandelt. 

Als  geschichtliche  Urkunden  über  die  Erwerbung  von  K.  durch 
Eogland  sind  von  Wichtigkeit  (sämtlich  hoch  4°) 

Correspondence  respecting  the  Convention  between  Great  Britain 
and  Turkey  of  June  4,  1878.    8  S.    C.  2057. 


*)  Man  vgl.  das  bis  1888  reichende  Verzeichnis  von  Cobham  (o.  S.  29) 
*)  Sämtlich,  wie  auch  die  meisten  übrigen  Blaubücher  um  geringen  Preis 

zu  beziehen  durch  Eyre  4  Spottiswoode  in  London.    Bei  Bestellungen  ist  die 

Nummer  (C.  2.543  etc.)  anzugeben. 


Kypros  (Geologie).  61 

Further  Correspondence    respecting   etc.  (wie  o.).  6  S.  C.  2090. 

Further  Correspondence   respecting   the  Affairs  of  Turkey.    8  S. 
C.  2138. 

Dgl.  für  die  neue  Verfassung  der  Insel: 

Papers  relating  to  the  Constitution  of  a  New  Legislative  Council. 
1883.    IV  22  S.     C.  3791. 

Das  meiste  und  allgemeinste  geographische  Interesse  unter  den 
Blaubüchern  beansprucht  jedoch  der 

Eeport   on    the  Census    of  Cyprus,    1881,    with  Appendix.     By 
Frederick  W.  Barry.     London  1884.    Hoch  4.    58  S.    C.  4264. 

Es  ist  dies  die  erste  auf  wirklicher  Zählung  beruhende  Statistik 
der  Bevölkerung  nach  Gemeinden  und  Ortschaften,  Religion,  Mutter- 
sprache, Geburtsland  u.  s.  w.  und  daher  für  die  politische  Geographie 
der  Insel  von  grundlegender  Bedeutung. 

"Wegen  anderer,  oft  nur  ganz  spezielle  Verwaltungsangelegenheiten 
betreffender  Blaubücher  verweise  ich  auf  Cobham,  sowie  auf  diejenigen, 
welche  gelegentlich  noch  unten  namhaft  gemacht  werden. 

Ich  wende  mich  nun  zu  denjenigen  Schriften,  welche  die  Insel  K. 
nicht  im  allgemeinen,  sondern  nur  nach  irgend  einer  bestimmten  Richtung 
betreffen,  und  beginne  mit  den  Ai'beiten  zur  physikalischen  Geographie 
und  zwar  zunächst  zur  Geologie. 

Die  Geologie  von  K.  beruht  in  der  Hauptsache  immer  noch  auf 
den  Arbeiten  von  Albert  Gaudry,  die,  einer  viel  früheren  Zeit  als 
dieser  „Jahresbericht"  angehörig,  von  mir  bereits  an  anderer  Stelle 
aufgezählt  worden  sind.^)  Nur  die  dort  bereits  namhaft  gemachte 
englische  Übersetzung  von  F.  Maurice  (London  1878)  wäre  der  Zeit 
nach  hier  zu  erwähnen,  sowie  ein  mir  nicht  zugänglicher  Aufsatz, 
welchen  Gaudry  u.  d.  T. : 

La  geologie  de  Chypre  in  La  Natur e  1879  No.  295 

veröffentlicht  hat.    Ebenfalls  unzugänglich  ist  mii*  eine  Abhandlung  über 

Les   richesses   minerales    de  File  de  Chypre.     Journ.    du  comm. 
marit.  11.  Aug.  1878. 

Eine  kurze  Skizze  nach  Gaudry  und  Unger  giebt 

Wandt,   Geologisches  aus  Cypem.     Ausland  1878  S.  816—9. 

Dieselbe  ist  insofern  bemerkenswert,  als  bereits  hier  gegen  TJngers 
Behauptung  von  dem  jurassischen  Alter  der  Nordkette  gegründete  Zweifel 


*)  Aus  Cypern  I  138  f.  A. 


62  Geographie  von  Griechenland. 

erhoben  werden.  Dieselben  Zweifel  änfserte,  unabhängig  hiervon,  Herr 
Prof.  V,  Zittel  sofort  nach  einer  mündlichen  Darlegung  der  geographischen 
Verhältnisse  Cyperns  meinerseits,  und  veranlafste  in  der  Folge  einen 
seiner  Schüler,  Herrn  Dr.  A.  Bergeat,  zu  einer  geologischen  Studien- 
reise nach  K.,  deren  Ergebnisse  letzterer  niedergelegte  in  der  Abhandlung 

Zur  Geologie  der  massigen  Gesteine  der  Insel  Cypern.  Von 
Alfred  Bergeat.  Tschermaks  mineral.  und  petrograpb.  Mitteil.  N.  F. 
Xn  (1891)  S.  263—312,  T.  Vni/IX  (auch  als  Münchener  Inaugural- 
Dissertation  erschienen).  • 

"Wie  schon  aus  dem  Titel  ersichtlich,  fällt  der  Schwerpunkt  dieser 
Arbeit  in  eine  andere  Richtung  als  ursprünglich  beabsichtigt  war,  indem 
eine  sichere  Altersbestimmung  der  Nordkette  mangels  leitender  Ver- 
steineningen  noch  nicht  geglückt  ist;  doch  enthält  die  Schrift  neben 
der  Untersuchung  der  Massengesteine  auch  eine  dankenswerte  Übersicht 
der  Sedimentformationen  von  K.  und  bezeichnet  jedenfalls  den  bedeu- 
tendsten Fortschritt  unserer  geologischen  Keftitnis  der  Insel  seit  Gaudry 
und  TJnger. 

Über  ein  neues  Mineral^)  aus  K.,  den  Cyprusü,  berichtet 

P.  F.  Reinsch,  On  a  New  Mineral  found  in  the  Island  of  Cj'prus. 
Proceed.    R.  Soc.  Lond.  XXXin  (1882)  S.  119—21. 

Über  das  Klima  von  K.  lagen  vor  der  englischen  Zeit  nur  Bruch- 
stücke von  meteorologischen  Beobachtungen  vor,  deren  Nachweis  ich 
teils  an  anderer  Stelle  -),  teils  bei  den  o.  S.  47  u.  52  f.  von  Baker  und 
Smith  angeführten  Werken  gegeben  habe.  Auf  diesem  älteren  Material 
beruhen  die  Zusammenstellungen  von 

A.  Buch  an,  The  Climate  ofCyprus,  from  Observations  made  by 
Th.  B.  Sandwith  1866—70.  Joum.  Scott.  Meteor.  Soc.  N.  S.  V 
(1880)  189—93,  und 

J.  Hann,  Klima  von  Cypern.  Zeitschr.  d.  Österr.  Ges.  f.  Meteor. 
1878  S.  405-7. 

Seit  1881  sind  in  den  6  Distriktshauptorten  amtliche  Beobachtungs- 
stationen eingerichtet,  deren  Ergebnisse  leider  nicht  unmittelbar  ver- 
öffentlicht werden.  Nur  die  Monatsmittel  des  ersten  Jahrganges  wurden 
gedi-uckt  in  dem  (nicht  in  den  Handel  gelangten)  Blaubuch 

Second  Annual  Report  of  the  Sanitary  Commissioner  with  the 
Government  of  Cyprus  for  the  Year  1881.  With  Appendices.  8.  93  S.^*) 

*)  Näheres  in  meiner  Abhandlung  „Aus  Cypern"  I  226. 

-}  Aus  Cypern  I  230   A.  3. 

^)  Vgl.  „Aus  Cypern"  1  230  f.    A.  4. 


Kypros  (Klima  und  Flora).  63 

Eine  Reihe  von  Beobachtungen  (2.  Apr.— 8.  Aug.  1882)  erschien 
auch  in  der  Lokalzeitung  Cyprus  Herald  1882  No.  25—43.  Grlück- 
lich erweise  konnte  sich  Prof,  J.  Hann  in  das  amtliche  Material  mehrerer 
Jahrgänge  Einsicht  vei'schaflfen  ^),  aus  denen  die  ]\[onatsmittel  für  die 
Jahre  1881—86  berechnet  und  in  den  „Jahrbüchern  d.  k.  k.  Central- 
anstalt  f.  Meteorologie  und  Erdmagnetismus"  1881  S.  301,  1882  S.  325  f., 
1887  S.  266 — 71  veröffentlicht  wurden.  Auf  Grund  dieser  Auszüge  gab 
Hann  auch  eine  übersichtliche  Darstellung  des 

Klima  von  Cypern.     Meteor.  Ztschr.  1889  S.  427—33. 
In    engem    Zusammenhang   mit    den    klimatischen   Verhältnissen 
steht  ein 

Report  on  the  Fevers  of  Cyprus  by  F.  C.  Hei  denstam.  1886.  18  S. 

Derselbe  ist  wie  der  o.  angeführte  Report  of  the  Sanitary  Com- 
miss ioner  für  das  Colonial  Office  gedruckt  und  nicht  im  Handel. 

Die  Flora  von  K.  ist  seit  den  gi'undlegenden  Arbeiten  von 
Unger  und  Kotschy  neuerdings  von  Paul  Sintenis  eingehender  studiert 
worden;  sein  (unvollendet  gebliebener)  Reisebericht,  welcher  weitaus 
überwiegend  botanische  Beobachtungen  enthält,  erschien  u.  d.  T.: 

Cypern  und  seine  Flora  in  „Österreich,  botan.  Ztschr."  1881 
S.  150—8,  189—94,  225—32,  255—60,  285-91,  324—30,  390-5; 
1882  S.  18—22,  51—5,  120—9,  190—5,  259—64,  290-3,  364—6, 
396—400. 

Von  gröfster  Wichtigkeit  bezüglich  der  Waldverbältnisse  der  Insel 
sind  die  folgenden  amtlichen  Berichte: 

Report  by  A.  E.  "Wild  on  the  Forests  in  the  South  and  "West 
of  the  Island  of  Cypnis.     London  1879.     C.  2427.     Hoch  4.     13  8. 

Forest  Conservancy  in  the  Island  of  Cypnis.  By  P.  Gl.  Madon. 
London  1881.     Hoch  4.     41  S. 

Letzterer  Bericht  (nicht  im  Handel!),  dessen  Verf.,  ein  Schweizer 
Forstmann,  längere  Zeit  als  Principal  Forest  Officer  in  K.  fungierte, 
zerfällt  in  2  Teile:  The  Eeplanting  of  the  Island  of  C.  (S.  1—24)  und 
The  Preservation  of  the  Forests  of  the  Island  of  C.  (S.  25 — 41). 

In  gemeinverständlicher  Weise  behandelt  denselben  Gegenstand 
an  leicht  zugänglicher  Stelle 

Max  Ohnefalsch-Richter,  Cypems  Wälder  und  Waldwirt- 
schaft.    Ausland  1883  S.  744—50. 


^)  Ref.  besitzt  aufserdem  eine  Abschrift  der  Monatsmittel  aus  den 
Jahren  1881—6,  sowie  Beobachtungen  aus  dem  Troodosgebirge,  s.  „Aus 
Cypern"  I  230  f.  A.  4. 


(54  Geographie  von  Griechenland. 

Über  eine  interessante  Einzelheit  berichtet 

J.  D.  Hooker,  On  the  Discovery  of  a  Variety  of  the  Cedar  of 
Lebanon  on  the  Mountains  of  Cyprus;  with  Letter  thereupon  from 
Sir  Samuel  Baker.  Journ.  of  the  Linnean  Soc,  Botany  XVII 
(1880)  517—9.     Vgl.  Geogr.  Jahrb.  IX  173,  Globus  XXXVII  383. 

Zu  allen  Zeiten  hat  der  Wein  von  K.  besondere  Aufmerksamkeit 
auf  sich  gezogen.     Ich  nenne  von  neuerer  Litteratur  hierüber 

Max  Ohnefalsch-Richter,  Cyperwein  und  Branntwein.  Österr. 
Monatsschrift  f.  d.  Orient  1881  S.  131—4.     Vgl.  ebd.  1884   S.  55. 

P,  A.  Schmölder,  Les  Vins  de  Commanderie.  Le  Moniteur 
Vinicole  1884  No.  1  S.  2,  No.  2  S.  5,  No.  6  S.  22. 

Enthält  u.  A.  eine  chemische  Analyse  von  Neubauer.  Nach  den 
einleitenden  Worten  v/ar  eine  Monographie  des  Cyperweines  in  der- 
selben Zeitschrift  im  Juni  1883  erschienen,  doch  sind  mir  die  betreffenden 
Nummern  nicht  zugänglich  geworden. 

Chi c CO ,  II  vino  di  Cipro,  Notizie  suUa  viticultura,  viniiicazioue  etc., 
dair  epoca  della  occupaziouo  inglese  (1878)  fino  a  tutto  il  1885.  Boll. 
consol.     Rom  1886  XXII  No.  3. 

Unzugänglich. 

La  Commanderia.  Eine  historisch -geographische  Skizze  (Von 
S.  B.)    Ausland  1888  S.  11—15. 

Cyprus  Wines.  The  Owl  1888  No.  2—5. 
Auch  über  die  Fauna  sind  mehrere  wichtige  Arbeiten  namhaft 
zu  machen.  Über  die  für  die  Landwirtschaft  der  Insel  so  verhängnis- 
volle Heuschreckenplage  sind  eine  Reihe  amtlicher  Berichte  erschienen, 
welche  Cobham  a.  a.  0.  S.  21  f.  verzeichnet  hat.  Ein  neuerer  liegt 
mii*  vor  u.  d.  T.: 

Report  on  the  Locust  Campaiga  of  1890  by  Captain  J.  H.  Bor. 
Hoch  4.     8  S.    1  T.     C.  6486. 

Aufserdem  findet  man  mehrere  Artikel  über 
The  Locust  in  Cyprus    and  other  Countries,  in  The  Owl  1888 
No.  4-6,  10. 

Ein  nützliches  Insekt  behandelt 

Max  Ohnefalsch-Richter,  Die  cyprische  Biene  und  deren  Zucht 
auf  Cypern.  ,,Der  Bienenvater  aus  Böhmen"  1882  S.  156 — 61,  173 — 6, 
1883  S.  8—11,  24—7.0 

*)  Eine  daselbst  angeführte  Abbandlang  von  E.  Cori  im  „Bienen- 
freund"  1874  No.  3—8  ist  mir  nicht  zugänglich.  Vgl.  über  dieselbe  auch  dea 
Artikel  The  Cyprus  lloney  Bee  in  The  Owl   1888  No.  3. 


i 


Kypros  (Fauna).  65 

Hierher  gehört  auch  desselben  Verf. 

Cyprischer  Honig.     Ost.  Monatsschr.  f.  d.  Orient  1880  S.  72  f. 

Beiträge  zur  Wirbeltierfauna  von  K.  geben 

0.  Böttger,  Die  Reptilien  und  Amphibien  von  Syrien,  Palästina 
und  Cypern.  Bericht  über  die  Senckenberg.  naturforsch.  Ges.  1879/80 
S.  132—219,  T.  III  f.    Vgl.  Schmarda  im  Geogr.  Jahrb.  IX  243  f. 

Gr.  A.  Boulenger,  List  of  Eeptiles  and  Batrachians  from  Cyprus. 
Annais  and  Magazine  of  Nat.  Hist.     V  20  (1887)  S.  344  f. 

Ders.,  Second  List  of  Reptiles  and  Batrachians  from  Cyprus. 
Ib.  VI  2  (1888)  S.  505  f. 

A.  Günther,  Notice  of  a  Collection  of  Mammals  and  Reptiles 
from  Cyprus.     Proceed.  Zool.  Soc.  1879  S.  741. 

Am  meisten  ist  die  Kenntnis  der  Vogelwelt  gefördert  worden 
durch  die  Arbeiten  von 

F.  H.  H.  Guillemard,  Ornithological  Notes  of  a  Tour  in  Cyprus 
in  1887.  With  a  Preface  by  Lord  Lilford.  The  Ibis  V  5  (1888) 
S.  94—124,  T.  II. 

Ders.,  Cyprus  and  its  Birds  in  1888.    Ib.  VI  1  (1889)  S.  206—19. 

Lord  Lilford,  A  List  of  the  Birds  of  Cyprus.    Ib.  S.  305—50. 

Endlich  bringt  uns  eine  von  einer  kolorierten  Abbildung  be- 
gleitete Monographie  des  merkwürdigsten  Säugetiers  von  K.,  des  Muflon,  ^) 

John  Biddulph,  On  the  Wild  Sheep  of  Cyprus.  Proceed.  Zool. 
Soc.  1884  S.  593—6,  T.  58.    Vgl.  Globus  Bd.  48  (1885)  S.  127. 

Wenden  wir  uns  nunmehr  zu  den  Bewohnern  von  K.,  so  mag 
zunächst  das  Wenige  angeführt  sein,  was  über  dieselben  in  anthro- 
pologischer Hinsicht  veröffentlicht  worden  ist.  Bezüglich  ihrer  körper- 
lichen Eigenschaften  sind  mir  nur  die  beiden  folgenden  Abhandlungen 
bekannt: 

R.  Virchow,  Über  alte  Schädel  von  Assos  und  Cypern.  Abhandl. 
d.  k.  Ak.  d.  W.  z.  Berlin  1884. 

Enthält  auf  S.  38—55  u.  T.  IV/V  die  Beschreibung  zweier  von 
Cesnola  ausgegrabener  Schädel  von  Maki-astyka  und  Alambra. 

Eine  neuere  kraniologische  Untersuchung  von  A.  Weisbach, 
welche  sich  auf  drei  aus  einem  Grabe  bei  Linu  stammende  Schädel  be- 
zieht, wurde  bereits  o.  S.  30  angeführt. 

Ethnologisches  Material  ist  sowohl  in  den  oben  verzeichneten 


*)   Vgl.   hierüber   die    erschöpfenden   Nachweise    aus    der  früheren 
Litteratur  in  meiner  Abhandlung  „Aus  Cypern''  I  23G  und  239  f. 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.   LXXVII.  Bd.  (1893.  III.)        5 


QQ  Geographie  von  Griechenland, 

Reisewerken  wie  in  den  unten  anzuführenden  historischen  und  archäo- 
logischen Publikationen  in  reicher  Fülle  enthalten.  An  dieser  Stelle 
möchte  ich  nur  folgende  Arbeiten  nennen,  die  sich  keiner  der  andern 
Gruppen  passend  einfügen: 

Aouxa?,  OtXoXoYixal  lTziay(.i<\>£ii  tüjv  ev  tw  ßio)  xciv  vswTepwv  Ku- 
rpiwv  }jLVTf)[j.eia)v  tüjv  dp^aiojv.     I.     Athen  1874. 

Ich  kenne  das  Bnch  nur  aus  einer  ausführlichen  Anzeige  von 
P.  d'Estournelles  im  Annuaii-e  de  Tassociation  pour  Tencom-agement 
des  etudes  grecques  en  France  1875  S.  395 — 405,  wonach  es  in  zwei 
Abteilungen  (1.  Mythologie,  2.  Sitten  und  Anschauungen)  zerfällt,  und 
wertvolles  Material  zur  Kenntnis  des  kyprischen  folMore  enthält.  Dafs 
in  letzterer  Hinsicht  auch  die  Werke  von  Phrankudis  und  Sakel- 
larios,  besonders  letzteres,  vieles  beibringen,  wurde  bereits  o.  S.  57 
u.  S.  59  hervorgehoben.     In  diese  Richtung  fällt  auch  ein  Aufsatz  von 

Max  Ohnefalsch-Richter,  Parallelen  und  Gebräuche  der  alten 
und  der  jetzigen  Bevölkerung  von  Cypern.  Verhandl.  d.  Berl.  Ges. 
f.  Anthi-.,  Ethnol.  und  Urgesch.     1891.     S.  34—43. 

Derselbe  bezieht  sich  hauptsächlich  auf  antike  und  moderne  Ge- 
räte in  Töpfer-,  Holz-  und  Flechtarbeit  und  ist  durch  mehrere  Ab- 
bildungen erläutert. 

Die  ethnologische  Litteratur  führt  uns  unmittelbar  zu  den  For- 
schungen über  die  Sprache,  welche  als  eine  der  wichtigsten  lokalen 
Eigentümlichkeiten  hier  natürlich  nicht  übergangen  werden  darf.  Doch 
ist  hierbei  nur  kurz  auf  die  betreffenden  Schriften  hinzuweisen,  da  eine 
sachliche  Würdigung  derselben  in  den  Bericht  über  Dialektforschung  gehört 
und  hier  ebenso  ausgeschlossen  ist,  wie  ein  näheres  Eingehen  auf  rein 
geschichtliche,  archäologische  oder  naturwissenschaftliche  Arbeiten.  Ins- 
besondere gilt  das  für  die  Erforschung  der  Sprachdenkmäler  in  epicho- 
lischer  Schrift,  welche  sich  seit  zwei  Jahrzehnten  zu  einem  besonderen, 
freilich  nur  von  sehr  wenigen  gepflegten  kleinen  Zweig  der  Altertums- 
wissenschaft ausgebildet  hat.  Da  über  diese  Forschungen  der  berufenste 
Vertreter  derselben,  W.  Deecke,  in  diesem  Jahresbericht  bis  zum  J.  1885 
in  erschöpfender  Weise  referiert  hat,^)  beschränke  ich  mich  darauf, 
unter  Hinweis  auf  seine  dort  und  in  seiner  grundlegenden  Sammlung 
der  k3'prischen  Inschriften  -)  gegebenen  Litteraturnachweise,  lediglich  die 
wichtigsten  seither  erschienenen  Arbeiten  über  den  altk3^prischen  Dialekt 


')  Bd.  11  S.  125-31,  Bd.  19  S.  32-5,  Bd.  28  S.  220-5,  Bd.  44 
S.  266-72. 

^)  Die  griechisch -kyprischen  Inschriften  in  epichorischer  Schrift. 
Samml.  d.  griech.  Dialektinschr.  v.  H.  Colli tz.    Bd.  I  (1884)  S.  1—80. 


Kypros  (Sprache).  67 

namhaft   zu   machend      Das    reiche  luschriftenmatei'ial   wurde   in   um- 
fassender Weise  systematisch  verarbeitet  iu  dem  bekannten  Werke 

Die  griechischen  Dialekte  auf  (Trundlage  von  Ahrens'  Werk  „De 
Graecae  linguae  dialectis"  dargestellt  von  Richard  Meister.  II.  Bd. 
Eleisch,  Arkadisch,  Kyprisch.  Gröttiugen,  Vandenhoeck  u.  Euprecht 
1889.    S.  131—203,  320—7,  VI- IX. 

Einen  hiervon  in  wesentlichen  Punkten  abweichenden  Standpunkt 
nimmt  Otto  Ho  ff  mann  ein,  dessen  scharfe  Angriffe  auf  Meisters 
Buch-)  letzterer  abwehrt  in  der  Schrift 

Zum  eleischen,  arkadischen  und  kyprischen  Dialekte.  Leipzig, 
(rriesecke  u.  Devrient.    1890.    45  S.   M.  1,20. 

Von  Hoff  mann  selbst  erschienen  aufserdem 

Neue  Lesungsvorschläge  zu  den  kyprischen  Inschriften.  Beiträge 
z.  Kunde  d.  indogerman.  Sprachen  XIV  (1889)  266—98. 

Die  kyprischen  Glossen  als  Quelle  des  kyprischen  Dialektes.  Ebd. 
XV  (1889)  44—100. 

Die  griechischen  Dialekte  in  ihrem  historischen  Zusammenhange 
mit  den  wichtigsten  ihrer  Quellen  dargestellt.  I.  Bd.  Der  südachäische 
Dialekt.    Göttingen,  Vandenhoeck  u.  Ruprecht.    1891.    S.  35 — 99. 

Von  der  aufserdeutschen  Litteratur  nenne  ich 

Herbert  Weir  Smith,  The  Arcado-Cj^prian  Dialect.  Trans- 
actions  of  the  Amer.  Philol.  Association  1887  S.  59 — 133,  158  f. 
Vgl.  Ch.  E.  Bennett 3)  in  Class.  Review  1889  S.  48—52. 

Derselbe,  On  Poetical  Words  in  Cyprian  Prose.  Amer.  Journ.  of 
Philol.  1887  S.  467—71. 

Über  den  mittleren  und  neueren  kyprischen  Dialekt  handeln 

G.  Meyer,  II  dialetto  delle  cronache  di  Cipro  di  Leonzio  Machera 
e  Giorgio  Bustrone.    Rivista  di  filol.  IV  (1876)  S.  255—86. 

Derselbe,  Romanische  Wörter  im  kyprischen  Mittelgriechisch.  Jahr- 
buch f.  roman.  u.  engl.  Sprache  u.  Lit.    N.  F.  III  (1876)  S.  33—56. 

Mondry  Beaudouin,  Quelques  particularites  du  dialecte  chy- 
priote.    Bull,  de  corr.  hell.  1879  S.   110-20,  202—11. 


^)   Vgl.  Meister  a.  a.  0.  136  f.,  wo   die    seit  Deeckes  Sammlung  er- 
schienene Litteratur  bis  zum  J.  1888  vollständig  verzeichnet  ist. 
-)    Gott.  gel.  Anz.  1SS9  S.  873—904  (kyprisch  S.  886  ff.)- 
^)    Ein  Aufsatz  von  Bennett,  On  the  Sounds  and  Inflections  of  the 
Cyprian  Dialect,    in  University  Studies,    publ.   by  the  Univ.  of  Nebraska  I 
nS88)  131—94,  welchen  Meister  II  320  anführt,  ist  mir  unzugänglich. 

5* 


68  Geographie  von  Grieclieoland. 

Derselbe,  l^ltude  du  dialecte  chypriote  moderne  et  medieval.  Paiis» 
E.  Thorin.  1884.  148  S.  (Bibl.  d.  Ecoles  fran?.  d'Ath^nes  et  de 
Rome  fasc.  36.) 

Das  umfassendste  Werk  über  den  neukyprischen  Dialekt  ist  der 
II.  Bd.  von  Sakellarios  KuTzpiaxa,  worüber  o.  S.  59. 

Eine  wichtige  Quelle  für  die  Kenntnis  der  sprachlichen,  der  ethno- 
graphischen und  historischen  Verhältnisse  bilden  die  Inschriften,  deren 
wir  in  K.  solche  in  epichorischer  Schrift,  solche  in  griechischer  xotviQ  und 
phönizische  zu  unterscheiden  haben.  Die  Litteratur  über  die  erste  dieser 
Gruppen  fällt  mit  derjenigen  über  den  altkyprischen  Dialekt  zustimmen. 
Bezüglich  der  zweiten  Gruppe  mag  auf  die  bis  zum  Jahre  1887  reichen- 
den Berichte  über  Epigraphik  in  dieser  Zeitschrift  verwiesen  werden.') 

Von  der  seither  erschienenen  Litteratur  ist  anzuführen 

Eugen  Oberhummer,  Griechische  Inschriften  aus  Cj'^pern. 
Sitzungsber.  d.  k.  bayer.  Ak.  d.  Wiss.  Pliilos.-philol.  Kl.  1888  I 
S.  305—48,  523—6. 

Verf.  hat  hier,  nach  einer  in  der  Einleitung  gegebenen  Übersicht 
der  früheren  Veröffentlichungen  gemeingriechischer  Inschriften  aus  K. 
(seit  Pococke-),  eine  Anzahl  teils  neuer,  teils  mangelhaft  bearbeiteter 
Inschrifttexte  mitgeteilt  und  die  vorhandenen  Varianten  der  Lesung,  so- 
wie ausführliche  historische  und  antiquarische  Erläuterungen  beigefügt. 
Die  von  mir  nur  unvollständig  gelesene  Inschrift  No.  10  von  Paphos  ist 
jetzt  nach  wiederholten  Versuchen  von  Gardner  ziemlich  sicher  herge- 
stellt. 2)  Eine  eingehende  Studie  ist  unter  No.  14  der  Gruppe  der  Seleu- 
kos-Inschriften  gewidmet,  zu  welcher  die  Ausgrabungen  in  Paphos  noch 
einiges  neue  Material  beigebracht  haben,*)  sowie  unter  No.  24  den  auf 
die  byzantinische  "Wasserleitung  von  Kythraia  nach  Salamis  bezüglichen 
Inschriften.  ^) 

Einige  Inschriften  von  Calliers  Reise  (1830—4)  hat  aus  dessen 
NachlaJs  kiü-züch  S.  Rein  ach  in  der  Rev.  d.  et.  gr.  III  (1890)   S.  85 

*)  C.Curtius  Bd.  2  S.  1239-41,  Bd.  4  S.  291  f.,  Bd.  15  S.  79,  H.  Röhl 
Bd.  36  S.  53-5,  W.  Larfeld  Bd.  (;6  S.  33—7. 

^)  Übersehen  wurde  nur  der  Hinweis  auf  C.  T.  Newton,  Coli,  of  An- 
cient.  Greek  Inscr.  in  the  Brit.  Mus.  (Oxf.  1883)  S.  152-6  No.  382— 398d. 

^)  In  dem  unten  anzuführenden  Bericht  über  die  Ausgrabungen  in 
Paphos,  im  Journ.  Hell.  St.  IX  259  No.  :;,  wozu  auch  ib.  249  No.  102,  250 
No.  105  f.  zu  vgl. 

*)  A.  a.  0.  S.  225  No.  2,  232  No.  20,  233  No.  23,  235  No.  30,  238  No.  44, 
239  No.  47,  246  No.  89. 

'^)  Den  S.  341 B  u.  345  genannten  Erzbischof  Plutarchos  konnte  ich 
inzwischen  bei  Leontios  Machairas  p.  is  Miller  (s.  u.  S.  91)  nachweisen. 


Kypros  (Inschriften,  Münzen).  69 

herausgeg-eben.  Im  übrigen  ist  jedoch  die  bedeutendste  Ausbeute  an 
neuen  Inschriften  den  Ausgrabungen  der  letzten  Jahre,  besonders  zu 
Paphos  und  Salamis,  zu  verdanken ,  über  welche  unten  bei  der  topogra- 
phischen Litter atur  berichtet  wird  (S.  85  ff.). 

Die  zahlreichen  phönizischen  Inschriften  aus  K.  sammelt  in  muster- 
gültiger Weise  das 

Corpus  Inscriptionum  Semiticarum  ab  Academia  inscriptionum  et 
litterarum  humaniorum  conditum  atque  digestum.  Prs.  I.  Tom.  I  (Paris 
1881).    Pag.  35—116,  Tab.  V-XIII. 

Topographisch  wichtig  ist  darin  insbesondere  der  S.  35  gegebene 
Plan  von  Larnaka,  welcher  auch  eine  Andeutung  des  Umrisses  des  alten 
Kition  enthält.^)  Die  seither  neu  hinzugekommenen  Inschriften-)  sollen 
in  einem  schon  seit  längerer  Zeit  vorbereiteten  Supplemente  vereinigt 
werden,  von  welchem  jedoch  meines  Wissens  noch  nichts  erschienen  ist. 

Im  Anschlufs  an  die  Inschriften  möge  hier  auch  in  Kürze  der 
Münzen  von  K.  gedacht  sein.  Die  Berichte,  welche  hierüber  in  dieser 
Zeitschrift  veröffentlicht  wurden,^)  reichen  leider  nur  bis  1876.  Seitdem 
erschien  jedoch  die  grundlegende  Arbeit  von 

J.  P.  Six,  Du  classement  des  series  cypriotes,  Rev.  numism.  III. 
S.  I  (1883)  S.  249—374,  T.  VI— VIII, 
unentbehrlich  für  jeden,  der  sich  mit  der  Topographie  oder  Geschichte 
der  Insel  beschäftigt.  ^)  Nachträge  hierzu  gab  Six  selbst  im  Numismatic 
Chronicle  1888  S.  121 — 32.  Andere  Zusammenstellungen  kyprischer 
Münzen  findet  man  in  den  bekannten  Werken  von  F.  Imhoof-Blumer^) 
und  B.  V.  Head.G) 

Aus  den  letzten  Jahren  ist  zu  nennen 

Falk  Warren,  Notes  on  Coins  found  in  Cyprus.  Num.  Chronicle 
1891  S.  140—51  T.  V. 


^)  Hierauf  beruht  im  wesentlichen  auch  meine  Skizze  „Aus  Cypern" 
I  201,  wozu  jedoch  jetzt  auch  ebd.  II  467  A.  4  zu  vgl.  ist. 

-)  Man  vgl.  einstweilen  die  Nachweise  über  die  Inschriften  von  Ta- 
massos  „Aus  Cypern"  II  470  A.  2,  dazu  Cpt.  R.  Ac.  Inscr.  1887  S.  155  f., 
203  —  10  (Inschr.  v.  Idalion),  ferner  die  Zusammenstellung  der  epigraphischen 
Litteratur  bei  Cobham  S.  18  ff. 

2)  R.  Weil  in  Bd.  1  S.  236  u.  Bd.  7  S.  459  f.;  der  Bericht  in  Bd.  32 
S.  388  ff.  (bis  1880)  enthält  nichts  über  K.  Im  übrigen  vgl.  man  die  Litte- 
raturnachweise  bei  Friedlaender,  Repertorium  305  f. 

^)  Man  vgl.  auch  die  Anzeige  von  Deecke  in  Bd.  44  S.  270  dieses 
Jahresberichts. 

^  Monnaies  Grecques  (Leipzig  1883)  S.  379—83. 

^)  Historia  Numorum  (Oxford  1887)  S.  620—8. 


70  Geographie  von  Griechenland. 

Für  das  Mittelalter  (vgl.  Nachtrag  S.  95)  bietet  uns  ein  Hilfsmittel 

ilauAo;  Aa|X7:poc,  'Avexooxa  vo|xij[jLaTa  xou  [xeaaKDVtxou  ßaaiXstoi» 
T^c  KuTipou.  'Ev  'Aörjvat?  1876.  4.  Auch  franz.  u.  d.  T.  „Monnaies 
inedites  du  Royaume  de  Chj'pre  au  moyen  äge". 

Diese  Monographie  scheint  eine  Neubearbeitung:  der  früher  bei 
Sathas  gedruckten  Abhandlung  zu  sein,  worüber  u.  S.  90;  Auszug  bei 
Sakellarios  I  671—88  (o.  S.  58). 

Von  Ai'beiten  zur  alten  Geographie  der  Insel  ist,  abgesehen 
von  den  topographisch-archäologischen  Forschungen  (s.  u.),  nur  zu  nennen 

Studien  zur  alten  Geograplüe  von  Kypros.  Von  Eugen  Ober- 
hummer. Abhandl.  a.  d.  Gebiete  d.  klass.  Altertumswiss.  W.  v.  Christ 
zum  60.  Geburtstag  dargebracht  von  seinen  Schülern  (München  1891) 
S.  88—106. 

Die  Abhandlung  beschäftigt  sich  mit  „den  antiken  Flufs-  und 
Bergnameu  der  Insel"  (einschliel'slich  der  Vorgebirge).  Auf  Grund  der 
besten  dem  Ref.  bekannten  kritischen  Hilfsmittel  werden  die  antiken 
Schriftquellen  für  jeden  Namen  zusammengestellt,  geprüft  und  mit  den 
Angaben  der  mittelalterlichen  und  neuereu  Litteratur  in  sachlicher  Be- 
ziehung verglichen.  Besonders  hervorzuheben  möchte  sein  die  Erörte- 
rung über  den  Namen  Bokaros  mit  Rücksicht  auf  Eur.  Bacch.  407 
Nauck\)  die  Zurückweisung  des  Namens  Olympos  für  die  höchste 
Erhebung  der  Insel-)  sowie  des  Vorgebirges  Dinaretou,  das  nur  auf 
einer  falschen  Lesart  bei  Plin.  n.  h.  V  129  beruht.  Beigegeben  ist  eine 
Kartenskizze,  in  welche  sämtliche  Berg-  und  Flufsnamen,  sowie  die 
wichtigsten  antiken  Ortschaften  eingetragen  sind. 

AVas  über  die  alte  Geschichte  von  K.  in  neuester  Zeit  ge- 
schrieben wurde,  steht  gröfstenteils  unter  dem  Einflufs  der  in  den  letzten 
Jahrzehnten  auf  der  Insel  so  überaus  thätigen  archäologischen  Forschung 
und  ist  auch  von  Arbeiten  der  letzteren  Richtung  kaum  strenge  zu 
trennen.  Eine  knappe  Übersicht  mit  Litteraturnachweisen  gab  G.  Hertz- 
berg in  der  Allgem.  Encykl.  II  41  (1887)  42-8.^) 

Als  vermutlich  in  diese  Gruppe  gehörig  erwähne  ich  eine  mir  un- 
zugängliche Abhandlung  von 

Robert  Unger,  Paralipomenarerum  Oypriacarum.  Halis.  1875.  4. 
Auf  einen  die  ethnographischen  Verhältnisse  im  Altertum  beruh - 


*)  Vgl.  Wecklein  in  diesem  Jahresber.  Bd.  71  S.  246. 

^)  Doch  sind  hierzu  auch  meine  ergänzenden  Bemerkungen  im  „Au.s- 
land"  1S92   S.  305  A.  2  u.  „Aus  Cypern"  II  485  A.  2  zu  vgl. 

")  Vorausgehend  und  nachfolgend  zwei  sehr  summarisch  gehaltene 
Artikel  von  E.  Kaufmann  über  Geographie  und  neuere  Geschichte  der  Insel. 


Kypros  (Alte  Geschichte).  71 

rendeii  kleinen  Aufsatz  von  H.  C.  ßawlinson  wurde  bereits  oben 
(S.  49)  hingewiesen.    An  ihn  schliei'se  ich 

Frangois  Lenormant,  Kittim.  Etüde  d'eihnographie  biblique. 
Revue  des  quest.  bist.     Bd.  34  (1883)  S.  225—46. 

Diese  mit  umfassender  Litteratui'keuntiiis  g-eschriebene  Abhandlung 
erörtert  die  Bedeutung  des  biblischen  Namens  Kittim,  welcher  wenigstens 
in  den  älteren  Büchern  sicher  auf  K.  zu  beziehen  ist;  hierbei  werden 
u.  a.  auch  die  assyrischen  und  hieroglyphischen  Bezeichungen  für  K.  so- 
wie die  ältere  Geschichte  der  Stadt  Kitiou  besprochen.  Mehr  ober- 
flächlich streift  den  biblischen  Namen  die  ein  buntes  Gemisch  semitisclier 
und  keltischer  Studien  enthaltende  Schrift 

Kitim-Chitim.  Ein  Sendschreiben  an  Prof.  A.  H.  Sayce  in  Oxford 
von  D.  Paulus  Gas  sei.  Augehängt  sind  einige  wissenschaftliche 
Erinnerungen  an  die  Januar-  und  Februartage  in  London.  Berlbi 
1887,  W.  H.  Kühl.    (IV)  32  S.     M.  0,60 

Unzugänglich  ist  mir  eine  Schrift  von 

T.  Thain  Davidson,  Cyprus,  England's  New  Possession.  Its 
Place  in  Bible  History.    London,  Hodder.    1878.    18.    58  S.    1  sh. 

Hierher  wären  auch  zu  ziehen  die  Aufsätze  von 

Max  Ohuefalsch-Richter,  Cypern,  die  Bibel  und  Homer. 
Ausland  1891, 

deren  bunter  Inhalt  aus  den  Überschriften  der  Abschnitte  erheUt :  I.  1 . 
Das  Lied  der  Debora.  2.  König  Hirams  Herrschaft  auf  der  Insel 
(S.  501 — 4);  n.  3.  Baal  und  Zeus.  4.  Melqart  und  Herakles.  5.  'Astar 
und  Kamos,  die  bärtige  Aphrodite.  6.  Eesef,  ApoUon,  Hadad  und  Jahwe. 
7.  Kinyras  und  Agamemnon  (S.  546 — 50);  III.  und  IV.  8.  Einige  weitere 
semitische  und  arische  Gottheiten  (S.  576 — 80  und  586 — 9). 

Näher  auf  dieses  urwüchsige  Gemisch  von  kühnen  Kombinationen 
auf  dem  schlüpfrigen  Gebiet  der  vergleichenden  Religionsgeschichte  ein- 
zugehen, ist  hier  nicht  der  Ort;  ohnehin  ist  dasselbe  nur  als  ein  Vor- 
läufer des  gleichnamigen  Hauptwerkes  des  Verf.  zu  betrachten,  worüber 
unten  S.  79  f.  Im  Anschlufs  hieran  erwähne  ich  einen  Aufsatz  des  gleichen 
Verf.  über 

Die  vorbabylonischen  und  babylonischen  Einflüsse  in  Hissarlik  und 
Cypern.  Die  cypr.  Bronzezeit  vorhellenisch  und  vorphönikisch.  I. 
Phrygisch-thrakische  Zeit.     Ztschr.  f.  Assyriol.  III  (1888)  62—8. 

Die  am  Schlul's  versprochene  Fortsetzung  ist  meines  Wissens  nicht 
erschienen. 


72  Geographie  von  Griechenland. 

Hieran  diü'fte  am  passendsten  anzureihen  sein 

Kritische  Versuche  zur  ältesten  griechischen  Oeschichte.  I.  Kypros 
und  der  Ursprung  des  Aphroditekultus.  Von  Alex.  Enmann.  Mem. 
de  FAc.  Imp.  des  Sei.  de  St.-Petersbourg.  VII.  Ser.  T.  XXXIV 
No.  13  (1886).    85  S.    4. 

Über  den  Inhalt  dieser  das  geographische  Gebiet  nur  in  ethno- 
graphischer Beziehung  streifenden  Abhandlung  kann  ich  hier  um  so  eher 
hinweggehen,  als  dieselbe  schon  an  anderer  Stelle  dieses  Jahresberichts 
eine  ausführliche  Besprechung  gefunden  hat.  ^) 

Eine  historische  Skizze  von  K.  im  Altertum,  wobei  auch  die  neueren 
archäologischen  Forschungen  berücksichtigt  sind,  gab 

Eudolf  V.  Scala,  Cypern  vor  der  römischen  Herrschaft.  Öster- 
reich. Monatsschi-,  f.  d.  Orient  1887  S.  83—5,  100—2. 

Der  Löwenanteil  v^issenschaftlicher  Forschungen  auf  K.  entfällt 
auf  die  Archäologie.  Die  Eutwickelung  der  kyprischen  Altertums- 
forschung knüpft  sich  hauptsächlich  an  die  Namen  zweier  Persönlich- 
keiten, L.  Palma  di  Cesnola  und  M.  Ohnefalsch-Richter.  Merkwürdiger- 
weise sind  beide  ohne  die  geringste  archäologische  Vorbildmig  an  die 
Sache  herangeti-eten  und,  nur  durch  äufsere  Verhältnisse  zufällig  nach 
K.  verschlagen,  dort  zur  Ausgrabung  und  Sammlung  von  Altertümern 
veranlafst  worden.  Archäologen  von  Fach  haben  bisher  nur  selten  und 
auf  kurze  Zeit  auf  K.  geweilt,  und  keiner  der  durch  Vorbildung  und 
Lebensstellung  hierzu  berufenen  Vertreter  dieser  "Wissenschaft  hat  sich, 
so  \ie\  ich  beurteilen  kann,  bisher  so  eingehend  und  anhaltend  mit  den 
kj^prischen  Altertumsfunden  beschäftigt,  um  das  gewaltige  Material 
methodisch  zu  verarbeiten  und  demselben  die  gebührende  Stellung  innerhalb 
des  Gesamtgebietes  der  Wissenschaft  anzuweisen.  Der  einzige  nennenswerte 
Versuch,  der  in  dieser  Richtung  gemacht  worden  ist,  nämlich  derjenige 
von  Perrot  (s.  u.  S.  76),  kann  leider  nicht  befriedigen,  nicht  aus  Schuld  des 
um  die  Ai'chäologie  hochverdienten  Verfassers,  sondern  wegen  der  Un- 
zuverlässigkeit  des  von  Cesnola  gelieferten  Materiales,  das  zudem  auch 
inhaltlich  durch  die  Ausgrabungen  der  jüngsten  Zeit  weit  überholt  ist.  So 
trägt  die  kyprische  Archäologie  noch  immer  den  Stempel  der  Zerfahren- 
heit an  sich,  der  ihr  auch  durch  das  neueste,  an  sich  sehr  verdienstliche 
Werk  von  Ohnefalsch-Ricliter  (s.  u.S.  79f.)  kaum  benommen  werden  dürfte. 

Es  ist  selbstverständlich  ganz  unmöglich,  hier  auf  Einzelheiten 
der  kyprischen  Altertumskunde  einzugehen,  zumal  ja  dieser  Bericht  auch 
kein  archäologischer  sein  soll.    Wer  sich  hierfür  näher  interessiert,  findet 


')  F.  Back  in  Bd.  ßO  S.  327—31;    vgl.   auch  A.  Bauer  in  Bd.  GO  S.  97 
u.  Dümmler  in  der  Wochenscbr.  f.  klass.  Philol.  1887  Sp.  1313 — 18. 


Kypros  (Cesnola).  73 

eine  knappe,  wenn  auch  nicht  unbedingt  vollständig-e  Übersicht  über 
den  Fortgang  der  Entdeckungen  in  der  seit  1883  von  Salomon  Rei- 
nach in  der  Revue  archeologique  eröffneten  Chronique  d' Orient,  welche 
längst  zu  einem  unentbehrlichen  Orientierungsmittel  über  die  Fortschritte 
der  Ausgrabungen  im  griechischen  Orient  geworden  sind.  Die  bis  zum 
Jahre  1890  erschienenen  Berichte  wurden  in  einer  dankenswerten  Sonder- 
ausgabe vereinigt  u.  d.  T.: 

Chroniques  d'Orient.  Documents  sur  les  fouilles  et  decouvertes 
dans  l'orient  hellenique  de  1883  ä  1890  par  Salomon  Eeiuach. 
Paris,  Firmin  Didot  et  Cie.    XVI  788  S.    1  T.    15  M. 

Über  die  K.  betreffenden  Abschnitte  dieses  Sammelbandes  giebt 
der  sorgfältige  Index  Aufschlufs.  Seither  erschien  eine  Fortsetzung  in 
Rev.  arch.  ni  19  (1892),  wo  von  K.  auf  S.  115  f.  und  417  f.  gehan- 
delt ist.  ^)  Auch  das  American  Journal  of  Archaeology  bringt  gelegent- 
lich Berichte  über  den  Fortgang  der  kyprischen  Altertumsforschung. 

Versuchen  wir  es,  hier  wenigstens  die  Hauptmomente  dieser  Ent- 
wickelung  herauszuheben,  so  müssen  wir  zunächst  wieder  auf  Luigi 
Palma  di  Cesnola  zurückgreifen,  dessen  Hauptwerk  wir  seines  allge- 
meineren Interesses  wegen  bereits  oben  S.  36  ff.  besprochen  haben.  Die 
ersten  Arbeiten,  mit  denen  Cesnola  vor  die  Öffentlichkeit  trat,  waren 
meines  Wissens  die  beiden  Aufsätze 

Scoperta  del  tempio  di  Venere  a  Golgos  nell'  isola  di  Cipro.  Atti 
della  R.  Accad.  di  Sei.  di  Torino  VI  (1870/1)  S.  554-68  mit  2  T., 
und 

Scavi  neir  isola  di  Cipro.  Ebd.  XI  (1875/6)  S.  495—522,  T. 
III-V. 

Über  die  von  ihm  gesammelten  Gegenstände  erschienen,  abgesehen 
von  einem  bereits  1870  durch  Fröhner  herausgegebenen  Auktions- 
kataloge,-) den  ich  nicht  gesehen  habe, 

Die  Sammlung  Cesnola  beschrieben  von  Johannes  Doell.  Mem. 
de  r  Ac.  Imp.  des  Sei.  de  St.-Petersbourg.  VII.  Ser.  T.  XIX  No.  4 
(1873).     76  S.,  mit  17  Steiiukucktafeln.    4. 

The  Antiquities  of  Cyprus  discovered  (principally  on  the  Sites  of 
ancient  Golgoi  and  Idaiium)  by  General  Luigi  Palma  di  Cesnola. 


^)  Reinach  veröffentlichte  aufserdem:  „Tetes  chypriotes  en  calcaire  du 
musee  de  Constantinople".     Gaz.  arch.  ISSö  S.  11  f.,  T.  III. 

-)  Antiquites  chypriotes  provenant  des  fouilles  faites  en  1S6S  par 
M.  de  Cesnola.  Paris  1870.  Roy.  8,  mit  (i  T.  Vgl.  Perrot,  Rev.  des  deux  mondes 
31  (.1879)  598  A. 


74  Geographie  von  Griechenland. 

Photog^'aphed  by  Stephen  Thompson,  from  a  Selection  made  by 
C.  T.  Newton.  With  an  Introduction  by  Sidney  Colvin.  London 
1873.     Fol.    4  S.  Text  u.  36  T.  Photographien. 

A  descriptive  Athis  of  the  Cesnola  Collection  of  Cypriote  Anti- 
quities  in  the  Metropolitan  Museum  of  Art,  New  York,  by  Louis 
Palma  di  Cesnola.  Vol.  I.  With  Preface  by  Sam.  Birch.  5  Parts. 
Berlin  1885.  Asher  &  Co.  Fol.  150  T.  in  Lichtdruck  mit  150  Bl. 
Erklärungen  u.  12  S.  Text.     210  M. 

Ist  auf  drei  Bände  berechnet. 

Von  kleineren  Arbeiten  über  Cesnolas  Ausgrabungen  verdient 
wegen  der  biographischen  Nachrichten  über  den  ,,  General  •*  hervorgehoben 
zu  werden 

G.  Regaldi,  Le  antichitä  di  Cipro  e  il  generale  di  Cesnola. 
Nuova  Antologia  Bd.  43  (1879)  S.  248—65. 

Wie  schon  oben  augedeutet,  entspann  sich  über  Cesnolas  Aus- 
grabungen ein  lebhafter  Streit,  an  welchem  als  Gegner  des  Generals 
hauptsächlich  die  Amerikaner  G.  L.  Feuardent  und  W.  J.  Stillmau, 
sowie  Max  Ohnefalsch-ßichter  beteiligt  waren.  Die  hierher  gehörigen 
Schriftstücke  sind  zum  grofsen  Teil  in  amerikanischen  Zeitschriften  und 
Tagesblättern  veröffentlicht  und  sollen  in  ilirer  Gesamtheit  mehrere 
Kisten  füllen.  Glücklicherweise  ist  die  Mehrzahl  derselben  weder  mir 
noch  hoffentlich  auch  meinen  Lesern  zugänglich,  und  begnüge  ich  mich 
daher,  auf  die  von  Cobham  S.  24  getroffene  Auswahl  und  die  wenigen 
Artikel  hinzuweisen,  die  mir  aus  eigener  Anschauung  bekannt  sind.  Die 
deutsche  Lesewelt  wurde  meines  Wissens  zuerst  durch  einen  in  heftiger 
Sprache  gehaltenen  Aufsatz 

Altertumsfälscher  auf  und  mit  Cypern.  Von  Max  Ohnefalsch- 
Richter.    Repertor.  f.  Kunstwiss.  1884  S.  275—80 

ans  ihi'er  Begeisterung  für  Cesnolas  Erfolge  aufgerüttelt.  Während 
hier  jedoch  die  Anklage  mehr  allgemein  gehalten  ist  und  sich  als  ein 
Ableger  der  in  Amerika  bereits  mit  grofser  Erbitterung  geführten  Fehde 
darstellt,  fand  sich  bald  auf  darauf  ein  scharfer,  sachlich  begründeter 
Angriff"  von 

Henri  de  Morgan,  Quelques  observations  sur  le  „Cyprus"  de 
M.  de  Cesnola,  im  „Courier  de  l'art"  1884  S.  569—72  u.  580-2. 

Hierher  gehören  auch  zwei  anonyme  Artikel 

Le  Scandale  du  ,, Metropolitan  Museum  of  Art"  de  New  York. 
Ebd.  1885  S.  317  f.,  und 


Kypros  (Archäologie).  75 

M.  de  Cesnola.    Ebd.  S.  580-2, 

sowie  eine  Besprechung  des  Buches  von  Perrot-Chipiez  (s.  u.)  von 

Eugene  Veron  in  „L'Art"  1885  Bd.  38  S.  29—31. 

Das  umfassendste  und  vernichtendste,  was  mir  von  den  Cesnola- 
Streitschriften  bekannt  wurde,  ist  jedoch  der 

Report  of  "W.  J.  Stillman  ou  the  Cesnola  Collection.    Privately 
printed.    New  York  1885.    8.    33  S. 

Indem  ich  bezüglich  dieser,  auf  Veranlassung  der  American  Nu- 
mismatic  and  Archaeological  Society  of  New  York  unternommenen  Unter- 
suchung, mit  welcher  übrigens  der  Streit  keineswegs  abgeschlossen  ist, 
auf  die  Bemerkungen  von  Deecke  in  Bd.  44  S.  269  f.  dieses  Jahresberichts 
verweise,  wende  ich  mich  von  diesem  unerquicklichen  Gegenstande  ab 
und  gedenke  zunächst  derjenigen  Männer,  welche  sich  gleichzeitig  mit 
Cesnola  an  der  kyprischen  Altertumsforschung  beteiligten.  Unter  ihnen 
ist  neben  Hamilton  Laug^)  insbesondere  der  früh  verstorbene  fran- 
zösische Archäologe  Georges  Colonna-Ceccaldi  (f  1879)  zu  nennen, 
dessen  in  verschiedenen  Jahrgängen  der  Revue  archeologiqiie  zerstreute 
Arbeiten  vereinigt  wurden  u.  d.  T.: 

Monuments    antiques    de    Chypre,    de  Syrie   et  d'Egypte.     Paris, 
Didier  et  Cie.    1882.    314  S.,  34  T.    25  Fr. 

Dieses  schön  ausgestattete,  leider  wenig  bekannte  Buch  enthält 
nach  einer  biographisch- bibliographischen  Einleitung  (S.  3 — II)  im 
1.  Kap.  „Decouvertes  en  Chypre"  (S.  15 — 34)-)  Mitteilungen  über  Alter- 
tumsfunde in  Larnaka  (mit  Planskizze),  Pyla,  Alasso,  Ormidia,  Dali 
(Planskizze),  Athienu,  Lympia,  Alambra;  Kap.  2  „(rolgos"  (S.  35 — 82)  ^^ 
behandelt  Funde  aus  der  herkömmlich  mit  diesem  Namen  bezeichneten 
Euinenstätte  bei  Athienu,  Kap.  3  „Idalie"  (S.  83 — 135)^)  dgl.  von 
dieser  Stadt  (mit  Planskizze),  Kap.  4  dgl.  von  ,,Amathonte"  (S.  137 
—51)5),  g;ap.  5  ^^Les  Fouilles  de  Cuiium"  (S.  153— 82). ß)  In  Kap.  6 
,,Epigraphie"  (S.  183 — 210)')  werden   eine  grölsere  Zahl    griechischer 


')  Vgl.  0.  S.  43  f.  und  u.  S.  83. 

-)  Rev.  arch.  21  (1870)  S.  23-36,  353  f. 

^J  Rev.  arch.  22  (1870/1)  S.  361—72,  23  (1872)  S.  335-7,  24  (1872) 
S.  221—8,  25  (1873)  S.  31  u.  159—65,  29  (1875)  S.  22—9. 

0  Rev.  arch.  24  (1872)  S.  304-16,  25  (1873)  S.  18-30,  37  (1879) 
363 — 75,  Magasin  pittoresque  1876  S.  228  f. 

=)  Rev.  arch.  31  (1876)  25—36. 

«)  Rev.  arch.  33  (1877)  S.  1  —  11,  177—89. 

')  Rev.  arch.  27  (1874)  S.  69-95,  29  (1875)  S.  95—101. 


76  Geographie  von  Griechenland. 

Ins clirif teil,  meist  Grabschriften  ans  später  Zeit,  vorzugsweise  von  Lar- 
naka,  dann  Dali,  Atliieuu  u.  s.  \v.  mitgeteilt.  Der  II.  und  III,  Teil 
des  Buches  beschäftigt  sich  mit  verschiedenen  Denkmälern  in  Syrien  und 
Ägypten,  der  „Appendice"  enthält  dann  wieder  eine  nachg-elasseue 
Studie  des  Verf.  über  „La  Ceramique  de  Chypre"  (S.  269—80),  An- 
zeigen der  Werke  von  Lang-,  Cesnola^)  und  Rodet -j  (S.  285—9),  so- 
wie einig-e  Mitteilungen  von  dem  Bruder  des  Verf.,  Tiburce  Colonna- 
Ceccaldi,  vormals  Konsul  in  Larnaka.  über  Dali  und  einige  andere 
Funde  auf  K.  (S.  293— 308). s)  Die  Tafeln,  darunter  auf  PI.  I  ein 
grofser  Plan  der  Ausgrabungen  in  Dali,  sind  durchwegs  sehr  sauber 
ausgeführt. 

In  die  Zeit  Cesnolas  fällt  ferner  auch  eine  wichtige  Ai'beit  von 

Thomas  B.  Sandwith,  On  the  diflferent  Styles  of  Pottery  found 
in  Ancient  Tombs  in  the  Island  of  Cyprus.  Archaeologia  Bd.  45 
(1877)  S.  127—42,  T.  IX— XIIL 

Der  Verf.,  welcher,  wie  Lang,  als  Vicekonsul  auf  K.  lebte,  hat 
in  dieser  aus  einem  1871  gehaltenen  Vortrag  erweiterten  Abhandlung 
zuerst  die  methodische  Behandlung  der  kyprischeu  Altertumsfunde  an- 
gebahnt und  zur  Unterscheidung  der  Hauptperioden  den  Weg  gezeigt.  *) 

Unter  den  Veröffentlichungen,  welche  die  Funde  Cesnolas  u.  Anderer 
für  die  Wissenschaft  nutzbar  oder  weiteren  Kreisen  bekannt  zu  machen 
suchten,  nenne    ich,    neben  Schriften,  yne    G.  Begaldi  (o.  S.   74)    und 

Jakob  Keller,  Die  kyprischen  Altertumsfunde.  Berlin  1881. 
32  S.    M.  0,G0.    (Samml.  gemeinverst.  Vortr.    XVI.  Ser.    Heft  363), 

vor  allem  die  ausgezeichnete  Darstellung  der  phönikisch-kyprischen 
Kunst  bei 

Georges  Perrot  und  Charles  Chipiez,  Histoire  de  Tart  dans 
Fautiquite.    T.  III.    Phenicie-Cypre.     Paris  1885. 

Für  K.  kommen  hauptsächlich  in  Betracht  S.  261 — 91:  Le  temple 
k  Cypre,  and  S.  479—628:  Cyin-e  et  la  sculpture  cypriote.  Vgl.  auch 
0.  S.  45  und  S.  72. 

Gleichzeitig  erschien 


»)  Rev.  arch.  38  (1879)  S.  324—6. 

-)  Rev.  arch.  32  (1876)  S.  280.    Vgl.  Bd.  11   S.  129  f.  dieses  „Jahres- 
berichts". 

^)  Rev.  arch.   18    (1868)    S.  367,     19    (1869)     S.  2.37   f.,     20    (1869) 
S.  208—13. 

Vgl.  Ohnefalsch-Richter,  Cultusstätten  S.  III. 


4^  v, 


Kypros  (Archaeologie).  77 

Die  alten  Kyprier  in  Kunst  und  Cultus.  Studien  von  A.  E.  J. 
Holwerda.  Mit  mehreren  lithographischen  Abbildungen  und  einer 
Lichtdrucktafel.  Leiden,  E.  J.  Brill.  1885.  XII  61  S.  8  T. 
M.  4,50. 

Den  wesentlich  archäologischen  und  deshalb  hier  nicht  näher  zu 
besprechenden  Inhalt  des  Buches  mögen  die  Kapitelüberschriften  an- 
deuten: 1.  Die  antiken  Heiligtümer  bei  Athienu  und  Dali;  2.  Kyprische 
Kunsterscheinungen;  3.  Die  Bronzeschale  von  Idalion;  4.  Alte  Kultus- 
gebräuche. Weihung  des  eigenen  Bildes;  5.  Die  Kj-progeneia.  Die 
zahlreichen  Druckfehler  und  sprachlichen  Verstöfse  wird  man  dem  Verf. 
als  Ausländer  zu  gute  halten  müssen. 

Beruhen  die  vorgenannten  Arbeiten  noch  ganz  auf  dem  zu  Ces- 
nolas  Zeit  gesammelten  Material,  so  werden  wir  in  eine  neue  Aera  hin- 
übergeleitet durch  die  grundlegenden  Untersuchungen  von 

F.  Dümmler,  Mitteilungen  von  den  griechischen  Inseln.  lY. 
Älteste  Xekropolen  auf  Cypern.  Mitteil.  d.  deutsch,  arch.  Inst.  1886 
S.  209—62,  III  T.  (vgl.  Nachtrag).  V 

sowie  durch  einen  Vortrag  von 

J.  Xaue,  Die  Bronzezeit  in  Cj^pern.  Korrespondenzbl.  d.  deutsch. 
Ges.  f.  Anthr.,  Etlmol.  u.  Urgesch.  1888  S.  123—7.    Vgl.  o.  S.  30. 

Letztere  Publikationen  berühren  sich  bereits  enge  mit  den  Ar- 
beiten desjenigen  Mannes,  der  im  ersten  Jahrzehnt  der  englischen  Ver- 
waltung, ebenso  wie  Cesnola  im  letzten  der  türkischen  Herrschaft,  haupt- 
sächlich anregend  auf  die  kyprische  Altertumsforschung  gewirkt  hat, 
nämlich  Max  Ohnefalsch-Richter,  Derselbe  ist  uns  bereits  als 
Herausgeber  und  Verfasser  verschiedener  Veröffentlichungen  über  K. 
bekannt-),  meist  rasch  hingeworfener  Aufsätze,  die  nicht  nur  inhaltlich 
vielfach  den  Stempel  der  Flüchtigkeit  tragen,  sondern  auch  eine  oft  die 
Grenzen  des  Erlaubten  überschreitende  Vernachlässigung  der  sprachlichen 
und  stilistischen  Form  aufweisen.  Von  letzterem  Vorwurf  sind  auch  die 
archäologischen  Arbeiten  des  Verf.  nicht  frei  zu  sprechen,  wenngleicli 
zuzugeben  ist,  dafs  in  dem  jüngsten  gröfseren  "Werke  etwas  gröfsere  Sorg- 
falt zu  Tage  tritt.  Was  den  sachlichen  AVert  derselben  betrifft,  so  haben 
wir  uns  zunächst  zu  vergegenwärtigen,  dafs  der  Verf.  ohne  jede  wissen- 
schaftliche Vorbildung,  wenigstens  für  die  Altertumsforschung,  nach  einer 


')  Dümmler  veröffentlichte  aufserdem :  SUberner  Schmuck  aus  Cypern, 
Jahrb.  d.  Arch.  Inst.  1887  S.  85—94,  T.  VIII,  und  Attischer  Lekythos  aus 
Cypern,  ebd.  1G8-78,  T.  XI.    Vgl.  auch  o.  S.  30  und  u.  S.  96. 

-)  S.  0.  S.  30  f.,  51,  59,  68  ff.,  71,  74. 


78  Geographie  von  Griechenland, 

wechselvollen  Laufbahn  als  Landwirt,  Maler  und  Photograph  in  Deutsch- 
land, Österreich  und  Italien,  kurz  nach  Besitzergreifung  der  Insel  durch 
die  Engländer  als  Zeitungsberichterstatter  nach  K,  kam,  dort  eine  Zeit 
laug  als  Forstbeamter  thätig  war  und  erst  seit  1879  anfing,  sich  mit 
archäologischen  Dingen  zu  beschäftigen.  ^)  Verschiedene  Aufträge,  die 
ihm  von  wissenschaftlichen  Instituten  und  Privaten  zu  teil  wurden,  gaben 
ilim  Gelegenheit  zu  Ausgrabungen  an  zahlreichen  Plätzen  der  Insel  und 
ermöglichten  es  ihm,  sich  während  eines  zwölfjährigen  Aufenthaltes  auf 
derselben  -)  mit  den  kyprischen  Altertümern  in  einem  Umfang  praktisch 
vertraut  zu  machen,  wie  es  aulser  Cesnola  wohl  niemand  vergönnt  war. 
Letzterem  gegenüber  hat  O.-ß.  jedoch  den  unbestreitbaren  Vorzug,  dais 
er  sich  von  Anfang  an  genauer  Aufzeichnungen  und  eines  methodischen 
Vorgehens  bei  seinen  Ausgrabungen  befleifsigCe.  Es  ist  hauptsächlich 
das  Verdienst  des  bekannten  Malers  und  Prähistorikers  Julius  Naue 
in  München,  der  sich  selbst  auch  durch  mehrere  Veröffentlichungen  an  der 
kyprischen  Altertumsforschung  beteiligt  hat  3),  O.-ß.  auf  diese  Bahn 
geleitet  und  seine  Tliätigkeit  für  die  Wissenschaft  nutzbringend  gemacht 
zu  haben.  Das  Urteil  über  O.-R.'s  archäologische  Arbeiten  wird  indessen 
verschieden  ausfallen,  je  nachdem  nur  die  Gewinnung  und  Veröffent- 
lichung des  ]\raterials  oder  die  wissenschaftliche  Verwertung  desselben 
und  die  Einreihung  in  die  Gesamtheit  der  antiken  Denkmäler  in  Frage 
kommt.  Ohne  ihm  nach  letzterer  Richtung  jedes  Verdienst  abzusprechen 
und  zu  verhehlen,  dafs  O.-R.  vielfach  das  Richtige  erkannt  und  zu  wei- 
teren Studien  die  Anregung  gegeben  hat,  ist  doch  nicht  zu  leugnen, 
dafs  der  völlige  Mangel  philologisch-historischer  und  archäologischer 
Schulung  ihn  zu  manchen  bedenklichen  Seitensprüngen  und  höchst  ge- 
wagten Kombinationen  veranlafst  und  seinen  Ausführungen  liäufig  einen 
dilettantenhaften  Charakter  aufprägt,  der  alle,  die  in  archäologischen 
Dingen  nicht  auf  eigenen  Füfsen  stehen,  zu  einer  grol'sen  Zurückhal- 
tung und  Vorsicht  nötigt.  Nur  in  diesem  Sinne,  nicht  um  O.-R.  einen 
Vorwurf  aus  etwas  zu  machen,  was  bei  seinem  Lebens-  und  Bildungs- 
gange unvermeidlich  war,  möchte  ich  auf  dieses  Sachverhältnis  aufmerk- 
sam machen,  über  das  sich  übrigens  Urteilsfähige  kaum  je  einer  Täuschung 
hingegeben  haben  dürften.    Was  nun  0,-R.'s  archäologische  Arbeiten  im 


*)  Mitteilungen  über  seinen  Entwicklungsgang  findet  man  bei  S.  Rei- 
nach, Chron.  ir,9  ff.  (Rev.  arch,  1885  II  340  ff.),  aufserdem  in  seinen  „Kul- 
tusstätten" S.  III  ff.  u.  58. 

^)  O.-R.  kehrte  1890  nach  Deutschland  zurück  und  befindet  sich 
meines  Wissens  gegenwärtig  in  Amerika. 

■'')  Vgl.  0.  S:  30  u.  S.  77,  ferner  „Kupfergoldringe  von  Cypern"  Antiqua 
(Zürich)  1885  N,  1  (mir  unzugänglich),  und  „Kupferwaffen  aus  Cypern"  ebenda 
S.  17-24,  T,  IV-VL 


Kypros  (Ohnefalsch-Richter).  79 

einzelnen  betrifft,  so  beziehen  sich  dieselben,  so  weit  noch  von  K.  aus 
veröffentlicht,  meist  auf  bestimmte  Örtlichkeiten  und  sind  deshalb  erst 
im  folgenden  zu  besprechen.  Allgemeineren  Charakters  sind  aul'ser  dem, 
was  schon  früher  angeführt  wurde,  die  leidenschaftlich  geschriebenen 
Aufsätze 

Das  Museum  und  die  Ausgrabungen  auf  Cypern  seit  1878.  Repert. 
f.  Kunstwiss.  1886  S.   193-206,  309—28,  456—65. 

Man  findet  hier  über  die  Art,  wie  unter  den  Engländern  auf  K. 
Ausgrabungen  betrieben  wurden,  sowie  über  die  Einrichtung  des  Museums 
in  Nikosia,  manche  beachtenswerte  Mitteilungen,  die  allerdings  nicht 
immer  den  Eindruck  der  Unparteilichkeit  machen. 

Eine  kurze,  zur  raschen  Orientierung  geeignete  Übersicht  seiner 
Forschungsergebnisse  bietet  ein  Vortrag 

Cyperns  Kultur  im  Altertume.  Mitteil.  d.  anthrop.  Ges.  in 
Wien  1890  S.  [90]  —  [95]. 

Neuerdings  hat  O.-R.  die  Ergebnisse  seiner  Arbeiten  und  Studien 
in  K.  in  einem  gröfseren  Werke  zusammengefafst.  Als  Vorläufer  des- 
selben erschien 

Die  antiken  Cultusstätten  auf  Kypros.  Zusammengestellt  von 
Max  Ohnefalsch-Eichter.  Mit  18  Tafeln.  Als  Dissertation  behufs 
Erlangung  der  Doktorwürde  der  philosophischen  Fakultät  der  Uni- 
versität in  Leipzig  eingereicht  von  Max  Ohnefalsch-Richter.  Berlin, 
Druck  von  H.  S.  Hermann.     1891.     4.     XII  58  S.     XVm  T. 

In  dieser  mit  aufsergewöhnlichem  Luxus  hergestellten  Abhandlung 
giebt  der  Verf.  eine  Geschichte  seiner  Thätigkeit  auf  K.,  beschreibt 
hierauf  42  antike  Cultusstätten  der  Insel  und  geht  sodann,  nach  einem 
Kapitel  über  „Cj'perns  Bedeutung"  (S.  31  —  6),  zur  Erklärung  der 
Tafeln  über.  Den  Schluls  bildet  eine  kurze  vita  des  Verf.  Die  in 
Lichtdruck  ausgeführten  Tafeln  enthalten  aufser  einer  lithographierten 
Übersichtskarte,  welche  auf  meiner  Routenkarte  (o.  S.  55)  beruht,  neben 
Abbildungen  rein  archäologischen  Charakters  auch  einen  topographischen 
Plan  von  Idalion  und  Umgebung  (Il/IU),  eine  Wiederholung  der 
englischen  Aufnahme  vom  Aphroditetempel  zu  Alt-Paphos  (IX)  und 
.  Spezialpläne  mehrerer  vom  Verf.  erforschter  Heiligtümer. 

Diese  Abhandlung  ist,  mit  Ausnahme  der  Einleitung,  übergegangen 
in  das  jetzt  vorliegende  Hauptwerk 

Kypros,    die   Bibel  und  Homer.     Beiträge  zur  Kultur-,    Kunst- 
und  Religionsgeschichte  des  Orients  im  Altertume.    Mit   besonderer 


J30  Geographie  von  Griechenland. 

Berücksichtigung  eigener  zwölfjähriger  Forschungen  und  Ausgrabungen 
auf  der  Insel  Cypern.  Von  Max  Ohnefalsch-Richter.  Mit  einem 
Briefe  von  W.  E.  Gladstone  an  den  Verfasser.  Berlin.  Verlag  von 
A.  Asher  u.  Co.  1893.  4.  1  Bd.  Text,  VIII  535  S.,  1  Bd.  mit 
9  farbigen  und  210  schwarzen  Tafeln.     M.  180.  i) 

Die  Einteilung  des  dem  Erbprinzen  Beruhard  von  Sachsen-Meiuiugen- 
Hildburghausen  gewidmeten  Werkes  ist  folgende:  Das  1.  Kapitel  wird 
diu'ch  die  Abhandlung  über  die  antiken  Cultusstätten  gebildet  (==  S.  1 
— 31  der  vorigen  Schrift) ;  dann  folgt  der  umfangreichste  Abschnitt  des 
ganzen  Werkes  über  den  „Bailmkultus  und  dessen  Übergang  zum  anthropo- 
morphen  Bilderkultus"  (S.  32 — 227),  hierauf  als  dritter  „die  Gottheiten, 
Fabelwesen  und  deren  Kulte"  (S.  228—343).  Den  Schlufs  bildet  die 
Erklärung  der  Tafeln  (S.  349—515),  von  denen  auch  diejenigen  zu 
T.  I — XVIII,  welche  bereits  in  der  vorigen  Schrift  enthalten  sind,  neu 
gedruckt  und  mehrfachen  Änderungen  unterworfen  wurden.  Beigefügt 
ist  ferner  ein  Ortsregister,  ein  Verzeichnis  der  Textabbildungen  und 
eine  lange  Druckfehlerliste,  Dagegen  vermifst  man  ein  systematisches 
Inhaltsverzeichnis. 

Da  ich  voü  dem  Werke  erst  in  letzter  Stunde  vor  Drucklegung 
dieses  Berichtes  Einsicht  erhielt,  mufs  ich  auf  eine  eingehende  Prüfung 
hier  verzichten;  dieselbe  würde  ohnehin,  wie  man  aus  der  Inhaltsangabe 
ersieht,  mehr  Sache  eines  Berichtes  für  Mythologie  und  Archäologie  als 
für  Geographie  sein.  Den  allgemeinen  Eindruck,  welchen  eine  flüchtige 
Durchsicht  gewährte,  kann  ich  wohl  dahin  zusammenfassen,  dafs  der 
Verf.  mit  kühnen,  ja  gewaltsamen  Kombinationen  und  den  Früchten 
einer  ziemlich  ausgebreiteten,  aber  nur  teilweise  verdauten  Belesenheit 
ein  gewagtes  Spiel  treibt,  das  ihm  wohl  noch  manchen  Straufs  mit  geschul- 
teren Vorkämpfern  auf  dem  schwierigen  Arbeitsfelde  der  vergleichenden 
Religionswissenschaft  kosten  dürfte.  Dabei  leidet  das  Ganze  unter  einer 
gewissen  Effekthascherei,  die  sich  bereits  in  dem  Titel  ausspricht, 
welcher  offenbar  mehr  für  das  Sensationsbedürfnis  englischer  und  ameri- 
kanischer Bibel-  und  Romer-Enthusiasten  als  für  den  nüchternen  Gelehrten 
berechnet  ist.  Noch  weniger  angenehm  berührt  das  stete  Vordrängen  der  Per- 
sönlichkeit des  Verf.  und  die  Art  der  Polemik  gegen  andere  Forscher  (vgl. 
z.  B.  S.  502  ff.).  Diese  Schattenseiten,  zu  denen  noch  die  Unvollkommen- 
heit  der  äulscren  Form  tiitt,  hauptsächlich  aber  der  Mangel  an  strenger 
wissenschaftlicher  Zucht,  beeinträchtigen  erheblich  den  Wert  des  Buches, 
das  auf  der  anderen  Seite    gleichwohl    den    wichtigsten  Erscheinungen 


*)  Die  gleichzeitig  erschienene  englische  Ausgabe,  welche  ich  nicht 
gesehen  habe,  führt  den  Titel  „Kypros,  the  Bible  and  Homer.  Oriental 
Civilisation,  Art  and  Religion  in  Ancient  Times"  und  kostet  216  M.I 


Kypros  (Kition).  81 

der  modernen  archäologischen  Litteratur  beigej^ählt  werden  mufs.  Die 
Fülle  des  Materials  ist  eine  so  anfserordentlich  grofse,  die  bildliche 
Wiedergabe  desselben  eine  so  gute,  mitunter  sogar  glänzende,  dafs  ohne 
Zweifel  die  Wissenschaft  viele  neue  Anregungen  aus  demselben  ziehen 
wird.  Für  kyprische  Archäologie  im  besonderen  wird  es,  neben  den 
Bilderwerken  über  die  Cesnola-Sammlung,  auf  lange  hinaus  grundlegend 
bleiben.  Leider  ist  der  Preis  ein  so  hoher,  dafs,  in  Deutschland 
wenigstens,  nur  sehr  wenige  Privatpersonen  in  der  Lage  sein  dürften, 
tine  so  grofse  Summe  für  eine  Spezialität  wie  kyiirische  Altertums- 
kunde anzulegen. 

Indem  ich  hiermit  die  Reihe  der  K.  im  ganzen  betreffenden  Arbeiten 
beschliefse,  wende  ich  mich  nun  zu  denjenigen  Veröffentlichungen,  welche 
sich  nur  auf  einzelne  Örtlichkeiten  beziehen,*)  und  zwar  zunächst  in 
archäologischer  Hinsicht.  Ich  beginne  hierbei  mit  derjenigen  Stadt, 
welche  herkömmlich,  wenn  auch  vielleicht  mit  Unrecht  als  älteste  auf 
K.  gilt  und  im  Mittelpunkt  des  phönizischen  Machtbereiches  steht, 
nämlich  Kition,  Hierher  gehören  zwei  Aufsätze  von  Max  Ohnefalsch- 
Richter, 

Die  Akropolis  von  Kition  und  ein  Sanktuarium  der  syrischen 
Astarte.     Ausland  1879  S.  970—4,  und 

Altes  Bauwerk  bei  Larnaka.  Arch.  Zeitung.  Bd.  39  (1881) 
S.  311—4,  T.  18. 

Die  erstere  Arbeit  beschäftigt  sich  mit  den  Gebäuderesten,  welche 
bei  der  teilweise  durchgeführten  Abtragung  des  Burghügels  von  K.  zum 
Zweck  der  Ausfüllung  des  versumpften  alten  Hafens  zum  Vorschein  kamen, 
die  zweite  giebt  uns  nach  Rofs  -)  die  beste  Beschreibung  von  dem  merk- 
würdigen alten  Bauwerk,  welches  als  H.  Phaneromeni  bekannt  ist. 

Einen  zusammenfassenden  Artikel  über  Kition  schrieb  Karl  Wilke 
für  die  Allgem.  Encykl.  II  36  (1884)  S.  323—5.  Ergebnisse  eigener 
Studien  mit  einer  Planskizze,  welche  auf  dem  Plan  des  Corp.  Inscr. 
Sem.  I  35  beruht,  und  Litter aturnachweisen  veröffentlichte  Ref.  „Aus 
Cypern«  I  192  f.,  199—204,  II  467.    Vgl.  Nachtrag  S.  96. 


^)  Natürlich  kann  es  sich  hier  nicht  darum  handeln,  die  in  den  früher 
genannten  Schriften  enthaltenen  Bemerkungen  über  jede  Örtlichkeit  aus- 
zuziehen \md  zusammenzustellen,  sondern  nur  um  Anführung  derjenigen 
Bücher,  Aufsätze  u.  s.  w.,  die  nach  Titel  und  Inhalt  eben  nur  eine  bestimmte 
Örtlichkeit  betreffen.  Im  übrigen  verweise  ich  wiederholt  auf  die  trefflichen 
Berichte  von  S.  Reinach  (o.  S.  73). 

-)  Arch.  Zeit.  Bd.  9  (1851)  S.  327  f.,  T.  285. 
Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.    LXXYII.  Bd.  (1893.  III.)        6 


82  Geographie  von  Griechenland. 

Landeinwärts  von  Kition  sind  hauptsächlich  di'ei  Stellen  dm*ch 
Ausgrabiuigen  bekannt  geworden;  von  denselben  entsprechen  zwei 
sicher  den  wohlbekannten  Städten  Idalion  u.  Tamassos,  während  die  Be- 
nennung der  dritten  strittig  ist.  Es  sind  das  die  Heiligtümer  bei  Athienu,  in 
denen  man  seit  der  Reise  der  französischen  Archäologen  (1862)  das 
schon  von  Mannert  in  diesem  Teile  von  K.  gesuchte  Golgoi  erkennen 
wollte. ')  Diese  besonders  durch  Cesnola  ^)  populär  gewordene  Ansicht 
wurde  indessen  erheblich  erschüttert  durch  die  Abhandlung  von 

Richard  Neubauer,.  Der  angebliche  Aphi'oditetempel  zu  Golgoi 
und  die  daselbst  gefundenen  Inschriften  in  kyprischer  Schrift.  Comment. 
philol.  in  hon.  Th.  Mommseui  (Berol.  1877)  673—93. 

Obwohl  diese  Abhandlung  unter  einem  anderen  Gesichtspunkt, 
nämlich  dem  sprachUch-epigraphischen,  bereits  an  anderer  Stelle  dieses 
Jahresberichts  besprochen  worden  ist,  ==)  müssen  wir  doch  hier  wieder 
darauf  zurückkommen,  da  sie  auch  die  Ortsfrage  eingehend  erörtert. 
Nach  Prüfung  der  antiken  Belegstellen,  insbesondere  Paus.  VIII  5,  2, 
kommt  nämlich  der  Verf.  zu  dem  Ergebnis,  dafs  Golgoi  nicht  der  Name 
einer  Stadt,  sondern  einer  Örtlichkeit  zu  Alt-Paphos  war,  eine  Vermutung, 
die  übrigens  schon  von  Munter  geäussert  wurde.*)  Aufserdem  macht 
es  N.  sehr  wahrscheinlich,  dafs  der  angebliche  Aphroditetempel  Cesnolas 
thatsächlich  ein  Apolloheiligtum  war.  Wenn  wir  nun  in  ersterem 
Punkte  dem  Verfasser  auch  nicht  sogleich  beistimmen  können,  so  ist 
hier  doch  nicht  der  Ort,  die  Streitfrage  zur  Entscheidung  zu  bringen 
und  begnüge  ich  mich  deshalb  mit  dieser  kurzen  Andeutung  der 
Sachlage.  Aufserdem  möchte  ich  nochmals  auf  die  Arbeiten  Colonna- 
Ceccaldis^)  über  dieselbe  Stätte  hinweisen,  welche  neben  den 
Mitteilungen  Cesnolas  wenig  bekannt  geworden  zu  sein  scheinen. 
Unzugänglich  ist  mir  ein  von  Miliarakis  No.  1048  angeführter  Aufsatz 

AI  h  ToXydic  (ipxatOTTQTSc  uto  Xp.  ria-aoo-o'JXou.  AquTiT.  'Aar/^p  11 
417  f.  (1887). 

Westlich  von  Athienu,  und  wie  dieses,  ungefähr  in  gleicher  Ent- 
fernung von  Larnaka  und  Nikosia  liegt  die  Stätte  des  alten  Idalion, 
bekannt  als  Fundort  des  umfänglichsten  Sprachdenkmals  in  epichorischer 


')  Vgl.  W.  H.  Engel,  Kypros  I  145  ff.,  Krause  in  der  Allg.  Encykl.  I 
73  S.  337,  Rev.  arch.  1862  VI  244  f. 

-)  Cypern  S.  90  ff.  Vgl.  dazu  die  Bemerkungen  von  L.  Stern  S.  302  ff. 
und  die  Kritik  von.  Morgan  (o.  S.  74)  über  Cesnolas  Angaben. 

")  Bd.  11  S.  129  (von  Deecke). 

*)  Engel,  Kypros  I  145. 

*)  Monuments  S.  35  ff.;  vgl.  o.  S.  75  f. 


Kypros  (Golgoi,  Idalion,  Tamassos).  83 

Schrift,  das  so  lange  den  Scharfsinn  der  Gelehrten  vergeblich  heraus- 
gefordert hat  (Roeths  „Proklamation  des  Amasis"!).  Später  hat  sich 
um  die  Durchforschung  des  Bodens  von  Idalion  neben  Colonna-Ceccaldi 
(o.  S.  75)  und  Cesnola  hauptsächlich  Hamilton  Lang  verdient  ge- 
macht. Der  Bericht  über  seine  Ausgrabungen  daselbst  ist,  nach  einer 
früheren  Mitteilung  in  den  Transact.  Soc.  Bibl.  Arch.  1871,  nieder- 
gelegt in 

Narrative  of  Excavations  in  a  Temple  at  Dali.  Transact.  R,  Soc. 
Lit.  n.  Ser.  XI  (1878)  30—54,  mit  1  Plan  u.  5  T.,  dazu  Observations 
by  R.  S.  Poole,  ib.  54—79. 

Neuerdings  hat  auch  Ühnefalsch-Richter  zu  I.  eingehendere 
Forschungen  angestellt  und  hierüber  sowohl  in  seiner  Zeitschrift  The 
Oid  (o.  S.  30)  als  in  seinen  GultiisstäUen  (o.  S.  79;  S.  6  f.,  16—20, 
36  ff.,  53  berichtet.  Einen  leider  typographisch  ^■ielfach  entstellten 
Aufsatz  über  die  Geschichte  von  I.  lieferte  Ref.  in  The  Owl  (o.  S.  30). 

Noch  mehr  Ei'folge  als  zu  Idalion  erzielte  Ohne  f  als  ch-Ri  cht  er  in 
dem  noch  weiter  westlich  gelegenen  Tamassos,  wo  derselbe  wiederholt, 
zuletzt  für  die  k,  Museen  in  Berlin,  Ausgrabungen  geleitet  hat.  Die 
Ergebnisse  derselben  sind,  so  viel  ich  nach  den  wenigen  bis  jetzt  ver- 
öffentlichten Mitteilungen,  ^)  den  in  Berlin  vorläufig  zur  Ausstellung  ge- 
langten Gfegenständen  und  hauptsächlich  nach  den  von  mir  im  Jahre  1891 
besuchten  Grabkammern  beurteilen  kann,  von  grofser  kulturhistorischer 
Bedeutung  und  lassen  eine  baldige  Bearbeitung  des  offenbar  sehr  reich- 
haltigen Materials  dringend  wünschen. 

Weiter  nördlich  als  die  genannten  drei  Städte,  unweit  der  heu- 
tigen Hauptstadt  Nikosia,  ist  in  den  letzten  Jahren  eine  früher  fast 
ganz  unbeachtet  gebliebene  Ruinenstätte  auf  dem  sogenannten  Löwen- 
hügel (Acovrapt  ßouvo),  einem  der  Tafelberge  der  Mesaria,  bekannt  ge- 
worden. Nachdem  ich  selbst  mit  Herrn  Ohnefalsch-Richter  im  Jahre 
1887  die  Stelle  zum  ersten  Male  wissenschaftlich  untersucht  und  letzterer 
dort  auch  gegi'aben  hatte,  unternahmen  die  Archäologen  der  englischen 
Schule  in  Athen  im  folgenden  Jahre  dort  Ausgrabungen,  über  welche 
M.  R.  James  im  Journ.  Hell.  St.  1888  S.  152—58  berichtete  (s.  u.  S.  85). 
Ohnefalsch-Richter  veröffentlichte  seine  Forschungen  in  dem  o.  S.  31 
angeführten  Aufsatz  des  Joxirn.  Cypr.  St.,  welchem  auch  die  Reduktion 
des  von  Williams  aufgenommenen  Planes  beigegeben  ist.  Ich  selbst 
habe  eine  kurze  Schilderung  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Terrain- 
verhältnisse und  vollständigem  Litteratarnachweis  an  anderer  Stelle  ge- 


^)   Ich    habe    die  Nachweise   hierüber   zusammengestellt  in  meinem 
Bericht  „Aus  Cypern"  II  470:  dazu  vgl.  noch  Reinach,  Chron.  704. 

6* 


84  Geographie  von  Griechenland. 

geben/)  woselbst  ebenfalls  der  vorgenannte  Plan,  leider  in  noch  klei- 
nerem Mafsstabe,  vi^iederholt  ist.  Obwohl  das  Alter  der  jetzt  am  meisten 
in  die  Augen  fallenden  Ruinen  auf  jenem  Hügel  noch  zweifelhaft  ist, 
ja  ein  mittelalterlicher  Ursprung  derselben  nicht  ausgeschlossen  erscheint, 
haben  doch  die  Ausgrabungen  Ohuefalsch-Richters  und  der  Engländer  den 
Beweis  geliefert,  dafs  wir  uns  hier  auf  dem  Boden  einer  uralten  Ansiede- 
lung befinden,  welche  wahrscheinlich  mit  dem  schon  in  assyrischen 
Denkmälern  auftretenden  Ledroi,  der  Vorgängerin  des  späteren  Ni- 
kosia, in  Verbindung  zu  bringen  ist. 

Wenden  wir  uns  von  Kition  der  Küste  entlang  nach  W.,  so  be- 
gegnet uns  Amathus  als  nächste  unter  den  altkyprischen  Königsstädten. 
Auf  ihrem  Boden  wurde  die  bekannte  Kolossalstatue  des  sogenannten 
phönizischen  Herakles  gefunden,  jetzt  eines  der  Hauptstücke  des  Mu- 
seums in  Konstantinopel.    Eine  Beschreibung  gab 

A.  Sorlin-Dorigny,  Statue  colossale  decouverte  k  Amathoute. 
Gaz.  arch.  1879  S.  230-6,  T.  XXXI. 

Bezüglich  der  nächstfolgenden  grüfseren  Stadt,  Kurion,  ist  zu- 
nächst an  die  Abhandlung  von  Colonna-Ceccaldi  (o.  S.  75)  zu  er- 
innern, sowie  an  den  Streit  um  den  berüchtigten  Tempelschatz  Ces- 
nolas  (o.  S.  74).  Zwei  archäologisch  sehr  merkwürdige  Silberschaleu-) 
aus  Kurion  behandelt 

A.  Marquand,  A  Silver  Patera  from  Kourion.  Am.  Journ.  of 
Arch.  1887  S.  322—37,  T.  XXX,  und 

An  Archaic  Patera  from  Kourion.  Ib.  1888  S.  169—71,  T.  VII, 
Eine  Anzahl  Bleiplättchen  mit  Beschwörungsformeln  (dirae),  welche 
neuerdings  zu  Kurion  gefunden  wurden,  veröffentlichte 

Miss  L.  Macdonald,  Inscriptions  relating  to  Sorcery  in  Cyprus. 
Proceed.    Soc.  Bibl.  Arch.  XHI  (1891)  160—90.-') 

Vorläufig  nur  dem  Titel  nach  bekannt  ist  mir 

de  Castillon  Saint-Victor,  Rapport  sur  les  fouilles  de  Curium. 
(Extrait.)  Paris,  Leroux.  38  S.  Vgl.  Bibl.  phil.  class.  1892  S.  81; 
Reinach,  Chron.  476  u.  642. 

Das  archäologisch  wichtigste  Gebiet  im  westlichen  Teile  von  K. 
ist  das  von  Paphos,    in  welchem  Alt-Paphos  die  Hauptstätte  des  ky- 


1)  Aus  Cypem  I  207  ff;  vgl.  o.  S.  56. 

^)  Man  vgl.  hierzu  auch  Gesnola-Stern  T.  66;  Colonna-Ceccaldi,  Mou. 
166-82,  T.  IX  (-=Rev.  arch.  1877  XXXIII  177—89). 

')  Vgl.  A.  Dieterich,  De  hymnis  Orphicis.    Marp.  Gatt.  1891.  P.  47  ss. 


Kypros  (Amathus,  Kurion,  PapLos).  85 

prischen  Aphroditekultes,  Neu-Paphos  der  Sitz  des  einheimischen 
Königtums,  sowie  der  Mittelpunkt  der  römischen  Verwaltung  von  K. 
war.  Einen  Teil  der  ausgedehnten  und  mannigfaltigen  Ruinen  letzterer 
Stadt  ^)  behandelt 

E.  Pottier,   Les  hypogees  doriques  de  Nea-Paphos.    Bull.  coit. 
hell.  1880  S.  497—505. 

Li  Alt-Paphos  haben  von  jeher  die  Reste  des  berühmten  Aphro- 
ditetempels die  Aufmerksamkeit  der  Reisenden  in  Anspruch  genommen, 
aber  bei  dem  Zustand  ihrer  Erhaltung  nur  zu  willkürlichen  Veraiutungeu 
Anlals  gegeben.  Eine  thatsächliche  Erweiterung  unserer  Kenntnis 
brachten  erst  die  von  der  Englischen  Schule  in  Athen  mit  Unterstützung 
des  Cyprus  Exploration  Fimd  und  der  Society  for  the  Promotion  of 
Hellenic  Siudies  im  Jahre  1888  unter  Leitung  E.  A.  Gardners  unter- 
nommenen Ausgrabungen,  worüber  derselbe  in  Verbindung  mit  den  an- 
deren beteiligten  Forschern  berichtete  in 

Excavations  in  Cyprus,  1887 — 88.    Paphos,  Leontari,  Amargetti. 
Journ.  Hell.  Studies  1888  S.  147—271,  T.  VII— XI. 

Die  Abhandlung  zerfällt  in  folgende  Abschnitte: 

1)  The  First  Seasons  Work,  Preliminary  Narrative. -)   —    D.  G. 
Hogarth.     (S.  149—74.) 

2)  On  the  History  and  Antiquities  of  Paphos.  —  M.  R.  James 
(S.  175—92.) 

3)  The  Temple  of  Aphrodite:  its  Architectural  History  and  Re- 
mains.  —  R.  Elsey  Smith.     (S.  193—202,  mit  Plan  des  Tempels.) 

4)  The  Temple:  Results  of  the  Architectural  Evidence.  —  E.  A. 
Gardner.     (S.  203—15.) 

5)  Contents  of  the  Temple.  —  E.  A.  Gardner.     (S.  216—24.) 

6)  Inscriptions  of  Kuklia  and  Amargetti.^)  —  E.  A.  Gardner, 
D.  G.  Hogarth,  M.  R.  James.     (S.  225—63.) 

7)  Tombs.    D.  G.  Hogarth,  M.  R.  James.     (S.  264—71.) 

Auf  den  Inhalt  dieser  wichtigen  Publikation  näher  einzugehen, 
ist  bei  dem  ohnehin  schon  grofsen  Umfang  dieses  Berichtes  ebensowenig 


')  Vgl.  mein  „Aus  Cypern"  I  231  ff. 

^)  Enthält  auch  den  Bericht  über  die  Ausgrabungen  am  Löwenhügel, 
worüber  o.  S.  83  f. 

^)  Ort  im  Gebirge  20  km  nördlich  von  Alt-Paphos,  wo  ein  merkwür- 
diges Apollo-Heiligtum  aufgedeckt  wurde,  worüber  auch  Hogarths  Devia 
Cypria  zu  ^gl. 


36  Geographie  von  Griechenland. 

möglich  als  bei  den  im  folgenden  angeführten  Abhandlungen  desselben 
Jo7(rnal.  Die  topographischen  Ergebnisse  derselben  werden  in  dem  bald 
erscheinenden  gröfseren  Werke  des  Ref.  über  K.  verarbeitet  werden. 

Auch  im  Nordwesten  der  Insel  war  die  Forschung  sehr  thätig. 
Über  die  Ausgrabungen  Ohnefalsch-ßichters  bei  Polis  bis  Chrysochu, 
wo  man  wohl  mit  Recht  das  alte  Marion  sucht,  ^)  berichtet 

Paul  Herr  mann,  Das  Gräberfeld  von  Marion  auf  Cji)ern. 
48,  Progr.  zum  Winckelmaunsfeste.  Mit  3  Tafeln.  Berlin,  Georg 
Reimer,  1888.     4.     64  S.     3  T.     M.  4. 

Die  Ai'beit  ist  in  erster  Linie  archäologischen  Charakters,  bietet 
aber  zugleich  für  die  Topographie  und  Geschichte  wertvolles  Material. 
Inzwischen  wurden  auch  von  den  englischen  Archäologen  in  den  Jahren 
1889  und  1890  dort  Ausgrabungen  unternommen;  die  Ergebnisse  der- 
selben sind  niedergelegt  in 

Excavations  in  Cyprus,  1889.  Second  Seasou's  Work.  Polis 
tes  Chrysochou.  Limniti.     Journ.  Hell.  St.  1890  S.  1—99,  T.  III— V. 

Der  Bericht  zerfällt  in  5  Abschnitte,  von  denen  I.  Preliminary 
Narrative,  11.  The  Tombs,  JJl.  Contents  oftlie  Toynhs  von  J.  A.  R.  Munro, 
lY.  Inscriptions  und  V.  Limniti  von  H.  A.  Tubbs  bearbeitet  sind.  Der 
letzte  (S.  82—99)  bezieht  sich  auf  eine  Örtlichkeit  der  Nordküste  westlich 
von  Soloi,  w^elche  ich  mit  Herrn  Ohnefalsch-Richter  im  Jahre  1887  be- 
suchte und  welche  ich  später  als  das  Limne  (Limuetis)  der  Hagio- 
graphen  und  wahrscheinlich  auch  das  Limenia  Strabos  nachgewiesen 
habe.^)  Im  Jahre  1890  wurden  die  Allheiten  auf  der  Stätte  von 
Marien  wieder  aufgenommen  und  darüber  berichtet  von 

J.  A.  R.  Munro,  Excavations  in  Cyprus.  Third  Season's  Work. 
Polis  tes  Chrysochou.  Journ.  Hell.  St.  1891  S.  298—333,  T.  XIII— 
XV  A. 

Wenden  wir  uns  nun  über  das  Gebiet  des  alten  Chytroi,  in 
welchem  Ohnefalsch-Richter  ein  „Heiligtum  des  Apollon  bei  Voni" 
aufdeckte,^)  nach  dem  Osten  der  Insel*),  so  tritt  uns  hier  als  weitaus 
wichtigste  Stätte  antiker  Kultur  das  alte  Salamis  entgegen.  Nach 
dieser  Stadt  betitelt  sich  das  anspruchsvoll  ausgestattete  Buch 


^)  Ebd.  1  227,  wo  jedoch  die  Worte  „schon  449  v.  Chr.  durch  Kimon 
zerstört"  zu  berichtigen  sind;  vgl.  o.  S.  54  A.  4. 

2)  Aus  Cypern  I  220  f.;  vgl.  o.  S.  56. 

=>)  Mitteil.  d.  Inst.  1884  S.  127—39;  vgl.  seine  „Cultusstätten"  S.  3-7. 

*)  Über  die  Nordküste  von  Kerynia  bis  zum  Karpäs  vgl.  was  o.  S.  4Uf , 
54,  57  von  Schröders,  llogarths  und  meinen  Arbeiten  gesagt  ist. 


Kypros  (Marion,  Salamis).  87 

Salaminia  (Cyprus).     Tbe  History,  Treasures,  &  Antiquities    of 
Salamis  in  the  Island  of  Cyprus.     By  Alexander  Palma  di  Cesnola. 
With  an  lutroduction  by  Samuel  Birch,  and   with   upwards   of  700 
Illustrations  and  Map  of  Ancient  Cyprus.  London,  Trübner  &  Co.  1882. 
XL VIII  330  S.  Second  Edition,  Whiting  &  Co.  1884.  XLV  276  S.  M.  25. 
Noch   weniger   Fachmann    als   sein  Bruder,    hat  der  Verf. ')   in 
diesem  Werke,    das    bereits  an    anderen  Stellen    des    „Jahresberichts" 
Erwähnung    gefunden    hat,-)    lediglich    eine   (wissenschaftlich  ganz  un- 
genügende) Beschreibung  der  von  ihm  bei  Salamis  wie  an  verschiedenen 
anderen  Orten  der  Insel    gesammelten  Altertümer    gegeben.      Für  die 
Topographie  von  Salamis  bietet  das  Buch  gar  nichts  als  die  ungeheuer- 
liche Vermutung,  dafs  das  merkwürdige  alte  Gebäude  der  H.  Katharina 
(s.  u.)   ein  Überrest  der  Hafenmauer  sei  (S.  2)!    Die  beigegebene  Karte 
des   alten  K.    ist    eine  Verkleinerung    nach  Abraham  Ortelius  (1584)! 
Nicht    zu    Gesicht   gekommen    ist    mir    eine   italienische    Ausgabe    des 
Werkes^),   ein    (jetzt  vergriffenes)  Album  mit   etwa   1000  Abbildungen, 
welches  nach  p.  XXIV  s.  1881  erschien  und  die  Grundlage  zu  obigem 
Werke  bildete,  sowie  ein  anscheinend  gi'öfseres  Bilderwerk  welches  über 
die  „Lawrence-Cesnola  Collection"*)  of  Cypriote  Antiquities"    in  Boston 
1884  ff.  erschienen  sein  soll;  doch  vgl.  u,  S.  96. 

Mehrere  wertvolle  Mitteilungen  über  S.  verdankt  man  Max  Ohne- 
falsch-Bichter.    Derselbe  veröffentlichte 

Von  den  neuesten  Ausgrabungen  in  der  cyprischen  Salamis.    Mit- 
teil, d.  Inst.  1881  S.  191—208,  244-55,  T.  VIII. 

Mitteilungen  ans  Cypern.  1.  Nekropole  im  Norden  von  Salamis. 
2.  Neue  Gräberfunde  aus  der  Nekropole  westlich  von  Salamis.  Ebd.  1883 
S.  133—40. 

On  a   Prehistoric   Building   at   Salamis.     Journ.  Hell.    St.  1883 

s.  111—6,  T.  xxxni  f. 

Letztere  Publikation  enthält  eine  vorzügliche  Aufnahme  des  ur- 
alten Bauwerkes  (Quellentempel?)  der  H.  Katharina,  wovon  auch  von 
den  englischen  Ingenieiu'en  der  Insel  (S.  Brown  u.  s.  w.)  eine  minder 


^)  Eine  biographische  Notiz  über  ihn  enthält  die  Vorrede  zur  2. 
Ausgabe. 

-j  Bd.  44  S.  266  f.  und  Bd.  66  S.  33. 

"J  Salamina.     Torino  1888  ? 

*)  So  benannt  zum  Unterschiede  von  der  Sammlung  L.  Cesnolas, 
nach  AI.  C.'s  Schwiegervater  Edwin  H.  Lawrence,  welcher  die  Kosten  der 
Ausgrabungen  getragen  hatte  und  die  Sammlung  in  seinem  Hause  zu  London 
aufstellte.  Über  das  spätere  Schicksal  der  letzeren  vgl.  S.  Reinach  Rev. 
arch.  1888  I  382  (Chron.  476). 


88  Geographie  von  Griechenland. 

f?ut  ausgestattete  Besclu-eibung  in  der  Zeitschrift  The  Builder  1883  S.  706 
g-egeben  wurde,    die  ich  vor  langer  Zeit  einmal  flüchtig  gesehen  habe. 

Über  Ohnefalsch -Eichters  Arbeiten  in  Salamis  sind  auch  dessen 
Mitteilungen  im  Kep.  f.  Kuustwiss.  (o.  S.  79)  S.  202  ff.  u.  s.  „Cultus- 
stätten"  S.  26  ff.  zu  vgl. 

An  letzterer  Stelle  beschäftigt  sich  derselbe  auch  mit  den  be- 
deutenden Ausgrabungen  des  Cyprus  Exploration  Fund,  mit  welchen 
die  Ei'forschung  von  S.  in  ein  neues  Stadium  getreten  ist.  Die  Ergeb- 
nisse derselben,  welche  eine  Fortführung  der  auf  halbem  Wege  steheu- 
gebUebeneu  Ausgrabungen  äufs  dringendste  wünschen  lassen,  veröffent- 
lichten die  Leiter  des  Unternehmens,  J.  A.  R.  Munro  und  H.  A. 
Tubbs  in 

Excavations   in  Cyprus,    1890.     Third  Season's  Work.     Salamis. 
Journ.  Hell.  St.  1891  S.  59—198,  T.  IV- X. 

I.    The  Excavations  (Tubbs)  S.  61—122. 
n.    The  Finds  (Munro)  S.  122—69. 
III.    Inscriptions  (Tubbs)  S.  170—98. 

Ein  näheres  Eingehen  auf  den  wichtigen  Inhalt  mufs  ich  mir  an 
dieser  Stelle  ebenso  wie  bei  den  o.  S.  85  f.  angeführten  Publikationen 
versagen. 

Knüpfen  wir  an  die  Forschungen  über  das  alte  Salamis  die  Arbeiten 
über  Topographie  und  Geschichte  von  Famagusta,  das  als  die  mittel- 
alterlich-moderne Nachfolgerin  jener  Stadt  bezeichnet  werden  kann, 
so  haben  wir  als  wichtigsten  Beitrag  die  amtlichen  Berichte  über  die 
Bedeutung  von  F.  als  Hafen  anzuführen,  nämlich 

Reports  made  to  the  Admiralty    on  the  Anchorages  etc.  of   the 
Island  of  Cyprus.    London.    1879.     C.  2224.    Hoch  4.    12  S.    3  T. 

Report   by   Mr.  Ormiston    on  Improveraents   proposed    at   the 
Harbour  of  Famagousta.    London.    1880.   C.  2544.  Hoch  4.  6  S.  6  T. 

Das  erstere  Schriftstück  enthält  „Remarks  on  Famagousta  Har- 
bour" von  Vice-Adniiral  Sir  G.  Philipps  Hornby,  einen  „Report  on 
Famagousta"  von  Captain  Harry  H.  Rawson,  und  ein  „Memorandum 
on  the  Anchorages  ot  Cj'prus;  and  on  other  Questions,  chiefly  nautical, 
connected  with  that  Island.  By  the.  Hydrograph  er  to  the  Admiralty" 
(F.  J.  Evans).  Auch  der  letztere  Abschnitt  handelt  hauptsächlich 
von  F.,  wie  auch  die  drei  beigefügten  Pläne  lediglich  diesen  Hafen  be- 
treffen. Die  zweite  Schrift  giebt  technische  Vorschläge  über  die  Ver- 
besserung des  Hafens  und  ist  von  farbigen  Zeichnungen  begleitet. 

Aktenstücke  aus  der  Blütezeit  von  F.  veröffentlicht 


Kypros  (Famagusta,  Nikosia).  89 

Cornelio  Desimoui  in  „Actes  passes  il  Famagouste  de  1299  h 
1301  par  devant  le  notaire  genois  Lamberto  di  Sambuceto".  Archives 
de  rOrient  Latin  H  2  (1884)  S.  1—130. 

Unzugänglich  sind  mir  folgende  von  Cobham  und  Miliarakis  an- 
geführte Schriften  und  Aufsätze: 

Aless.  Podacataro,  Eelazione  de'  successi  di  Famagosta  dell' 
anno  1571  ora  per  la  prima  volta  pubblicata.     Venezia  1877. 

Del  successodiFamagosta.  Diariod'unContemporaneo.  Venezial873. 

'ApyaioXoYixa  irfi  KuTipou  utio  Xp.  UanzaooTzoüXou.  Oepl  zr^^  Ir.i- 
■fpafff,;  Tou  Iv  'Afip-oycoffTtp  xsiyou?  xou  Nicolao  Foscarino.  A'quTiTiaxos 
'AoTr>  I  145—57  (1886). 

riepl  Tüiv  ev 'AixjjLoytuJTtp  Xa;£UTojv  xacptuv  utio  Xp.  YlaizaooTtooXou. 
Ib.  221—3  (1887). 

^OXi'ya  uspi  'AjxjxoycujTOU  uizb  Xp.  IlaiiaoououXou.  Ib.  II  401 
s.  (1887). 

Eine  eingehende  Beschreibung  der  Hauptstadt  Nikosia  mit  einer 
Anzahl  selbstgezeichneter  Ansichten  lieferte  Erzherzog  Ludwig  Sal- 
vator  von  Toskana  in  einem  seiner  ersten  Werke ^) 

Levkosia,  die  Hauptstadt  von  Cypern.  Prag.  Druck  und  Verlag 
von  Heinr.  Mercy.     1873.     4.    (X)  90  S.     12  T. 

Levkosia.  The  Capital  of  Cyprus.  Hlustrated.  London,  Kegan 
Paul.     1881.     70  S.     10  sh.  6  d. 

Auf  Nikosia  beziehen  sich  auch  mehrere  historische  Veröffent- 
lichungen, worüber  u.  S.  92. 

Unzugänglich  ist  mir 

'H  £v  Asuxcuaia  üdü>|xavixrj  ßißXiodrjxiQ  utto  Xp.  IlaTraooTrouXou. 
Al'iUT.T.  Ajtt^p  I  305-7  (1887). 

Ebenfalls  nur  aus  Miliarakis  kenne  ich  ferner  die  beiden  Aufsätze 

'H  [xovTj  TTj?  neXXaTcatoo? -)  iv  Kuirpcp  utio  0.  A.  riaTraoocxrj.  (MsTot 
s'ixovo?).  "Ecr-spoc  I  290  (1882). 

'H    [xovfj   Toü    Ktxi'ou.      (MsTa   EIXOVOS).     "EjTTSpOJ    1884   S.    17. 

Diesen  Arbeiten  über  einzelne  Örtlichkeiten  der  Insel  mag  an- 
gereiht sein 

Der  Berg  des  heiligen  Kreuzes  auf  Cypern.  Von  Eugen  Ober- 
hummer.    Ausland  1892  S.  364—6,  380—3,  394—7,  407—10. 

Ref.  hat  hier  zum  ersten  Male  versucht,  die  Nachrichten  über  den 
von  Legende  und  Cultus  des  Mittelalters   gefeierten  Berg   von  Strabo 

')  Vgl.  mein  „Ä-us  Cypern"  I  S.  215  u.  239. 

-)  Abtei  Bellapais,  worüber  „Aus  Cypern"  II  438  ff. 


90  Geographie  von  Griechenland. 

bis  zur  Gegenwart  möglichst  vollständig  zusammenzustellen.  Einige 
nachträgliche  Ergänzungen  v^airden  „Aus  Cypern*  II  471  A.  4  und 
485  A.  2  gegeben. 

Nur  ganz  kurz  können  hier  die  Arbeiten  über  mittlere  und  neuere 
Geschichte  von  K.  Erwähnung  finden.  Hierher  gehören  in  erster 
Linie  die  wertvollen  Ausgaben  der  Quellenwerke  aus  der  Zeit  der 
Lusignans,  deren  griechische  Originale^)  von  Mas  Latrie  in  seinem 
Hauptwerk  (o.  S.  50  A.  5,  58  A.)  nicht  herangezogen  waren.  Bahn- 
brechend war  hier  das  verdienstvolle  Sammelwerk 

Mssatwvix:?)  ßißXio&T^xY)  zmaxarsici.  K.  N.  2ada.    6  Bände.    Venedig 
1872—7.2) 

Hiervon  ist  Bd.  II  (1873)  ausschliefslich  den  Xpovo7pa<poi  BaaiXeiou 
Ku-pou  gewidmet  und  enthält  nach  einem  ausführlichen  -npoXoYo?  des 
Herausgebers  (p^o'  S.)  1.  Nsocpuxou^)  upotepov  pLova/oü  xal  ey/Xsicitou, 
Tiepl  Tüiv  xaxa  tyjv  yiopav  KuTipou  axaiüiv;  2.  Fspixavoü  Tiaxp.  KcovaxavT. 
lirtTCoXT)  axaXeija  ev  xrj  vtq(Jüj  Kuirpci)  —  dp^jiepaxeuovxoc  ev  xt]  aux-^  vy^acp 
xou    xupoü    Nsocpuxou    xal    dtva-cxaCojxEvou    rcapa   Aaxivwv  uTiOxa-c^vat  auxoi?; 

3.  Tou     auxou    a'(.    xupou    Tspixavoü    eTziaxo'kri     p'    Tipoc    xoui;   Ku-piou?; 

4.  Ai7]7Y)(7ic  X(ov  a.  q'  6s.  TraxepcDV  xcSv  öta  irupoc  xsXenodevxwv  rapa  xtuv 
Aaxi'vüjv  —  iv  xw  ,ct{^X&'  l'xei;  5.  'EttwxoXy)  xoü  otYtcox.  xupoü  FspixavoÜ 
apyts-,  Koivaxavx.  —  Trpo?  xov  irarrav  rpyj-i-optov;  6.  'H  xoü  izdiza.  s-tJxoX-?) 
rpTfjYopiou  rpo?  xov  oixoup,.  raxp.  x.  Fepixavov;  7.  Aeovxiou  Ma^^atpSf*) 
Xpovixov  Ku-pou  (S.  51 — 410);  8.  FswpYiou  Bousxptüviou^)  Xpovixov 
Ku-pou  (S.  411 — 544);  9.  n.  Acffiirpou  'AvexSoxa  vo[xi<jfjLaxa  xoü  [izatxi- 
(uvixoü  ßajtXeiou  xrjc  Ku-pou  (S.  544 — 96,  dazu  9  T. ;  Vgl.  0.  S.  70). 
Am  Schlüsse  ist  ein  das  sprachliche  Verständnis  erleichterndes  YXwssrjfxa 
beigegeben. 

Der  VI.  Band  (1877)  des  Werkes  wird  zum  gröfsten  Teil  (S.  1 
— 497)  eingenommen  durch  die  Ausgabe  der  'Aai^ai  xoü  [üaatXsiou  xtov 
'IepoaoXu|X(üv  xal  x^c  Kuirpou.*')  Aufserdem  finden  sich  in  demselben  noch 
(S.  514 — 85)   'EXXir)vixoi  vo[xoi  isyuovxs?  ev  Kuirptu  It:\  x^c  <lJpa7xoxpax''ac. 

Bilden  die  Assisen  nebst  den  vorgenannten  Chroniken  für  uns 
eine  unschätzbare  Quelle  zur  Kenntnis    des  mittelkyprischen  Dialektes 


*)  Vgl.  hierüber  im  allgemeinen  jetzt  Krumbacher,  Gesch.  d.  byzant. 
Litt.  S.  475  ff. 

-)  Der  Titel  Rihliotheca  Graeca  medü  aevi,  unter  welchem  gewöhnlich 
citiert  wird,  findet  sich  nur  auf  den  Umschlägen. 

')  Krumbacher  88;  vgl.  u. 

*)  Krumbacher  477  ff.;  vgl.  u. 

^)  Krumbacher  479  f. 

')  Krumbacher  475  ff. 


Kypros  (Neuere ,  Geschichte).  91 

(vgl.  0.  S.  67  f.) ,  wie  wir  sie  ans  dem  Mittelalter  sonst  von  keinem  Teile 
des  griechischen  Sprachgebietes  in  diesem  Umfange  besitzen,  so  ent- 
halten anderseits  die  Chroniken  auch  eine  Fülle  noch  ungehobenen 
Materials  zur  historischen  Topographie  der  Insel,  dessen  Verwertung 
im  Zusammenhang  mit  den  in  Dokumenten  romanischer  Zunge,  in  mittel- 
alterlichen und  späteren  Reiseschriften,  sowie  bei  orientalischen  Hchrift- 
stellern  erhaltenen  Nachrichten  sich  Ref.  zur  Aufgabe  gemacht  hat. 

Seit  der  dankenswerten  ersten  Ausgabe  der  griechischen  Chro- 
nisten von  K.  bei  Sathas  erschien  der  wichtigste  derselben,  Leontios 
Machairas,  in  neuer  Bearbeitung,  zu  welcher  eine  zweite  (Oxforder) 
Handschrift  herangezogen  wurde,  nebst  Übersetzung,  Glossar  und  Index, 
sowie  einer  venezianischen  Karte  des  16.  Jahrh.  u.   d.   T. 

Chronique  de  Chypre  par  Leonce  Macheras.  Texte  grec  et  tra- 

duction  francaise  par  E.  Miller  et  C.  Sathas.  2  vols.  XX  432  S., 

1  T.;  Vni  440  S.     Paris    1881/2.     (Publ.    de  rficole  des    langues 
Orient.  Vivantes.     11.  Serie.     T,  II  u.  III). 

Der  vorerwähnte  Neophytos  erschien  auch  im  „Recueil  des 
hlstoriens  des  croisades,  Historiens  Grrecs"  I  (1875)  S.  559—63,  vgl. 
S.  Xin  u.  555  f.;  eine  andere  Schrift  desselben  nebst  Bemerkungen 
über  die  vorgenannte  enthält  die  Abhandlung 

The  „Ritual  Ordinance"  of  Neophytus.  By  the  Rev.  Frederick 
Edward  "Warren;  and  an  Account  of  the  „Misfortunes  of  Cyprus" 
by  Neophytus,  and  the  Condition  of  the  Island  in  bis  Time.  By 
Edwin  Freshfield.     Archaeologia  Bd.  47  (1882)  S.  1—40. 

Auch  von  den  Chroniken  in  romanischen  Idiomen  wurden  neuer- 
dings mehrere  veröffentlicht,  von  denen  besonders  Florio  Bustron^) 
für  historische  Topographie  eine  überraschend  reiche  Ausbeute-)  ge- 
währt: 

Chronique  de  l'ile  de  Chypre  par  Florio  Bustron  publice  par  Rene 
de  Mas  Latrie.  CoU.  de  docum.  ined.  sur  l'hist.  de  France.  IV. 
Ser.  Melanges  bist.  T.  V  (1886)  S.  1—532. 

Andere  Chroniken  wurden  herausgegeben  u.  d.  T. 

Les  Gestes  des  Chiprois.  Recueil  de  chroniques  frangaises  ecrites 
en  Orient  au  XIII.  et  XIV.  siecles  (Philippe  de  Navarre  et  Gerard 
de  Monreal)  publie  pour  la  premiere  fois  par  Gaston  Raynaud. 
Publ.  de  la  Soc.  de  l'Orient  Latin.  Serie  bist.  T.  V  (1887).  XXVHI 
393  S. 


*)  Krumbacher  479. 

=)  Vgl.  „Aus  Cypern"  II  436  f.,  453,  485  A.  2. 


92  Geographie  von  Griechenland. 

In  der  gleichen  Sammlung'  erschien  früher  die  altfranzösische 
Reimchronik  der  Eegierung  Peter  I 

La  prise  d'Alexandrie  ou  chronique  du  roi  Pierre  I  de  Lusignan 
par  Guillaume  de  Machaut  publiee  pour  la  premiere  fois  par  L.  de 
Mas  Latrie.     Ib.  I  (1877).     XXXVII  327  S. 

Der  Heransgeber  der  letzteren,  der  verdiente  Altmeister  auf  dem 
Gebiet  der  mittelalterlichen  Geschichte  von  K.,  Graf  Louis  de  Mas 
Latrie,  dessen  1879  erschienenes  Buch  über  K.  wir  bereits  o.  (S.  49  f.) 
kenneu  gelernt  haben,  ist  auch  in  den  letzten  Jahrzehnten  noch  mit 
neuen  Arbeiten,  meist  Quellenpublikationen,  hervorgetreten,  von  denen 
mir  folgende  bekannt  geworden  sind: 

Nouvelles  preuves  de  Thistoire  de  Chypre.  Biblioth.  de  r£cole 
des  chartes  1871  S.  341—78,   1873  S.  47—87,   1874  8.  99—158. 

Le  b.  Hugues  de  Pise,  archeveque  de  Nicosie.  Eevue  bist.  V 
1877  S.  68—83. 

Genealogie  des  rois  de  Chypre  de  la  famiUe  de  Lusignan.  Archivio 
Veneto  XXI  1881  S.  309—59. 

Documents  nouveaux  servant  de  preuves  ä  Thistoire  de  lile  de 
Chypre.  Coli,  de  doc.  ined.  sur  Thist.  de  France.  IV.  S.  Mel.  bist. 
T.  IV  (1882)  S.  337—620. 

Histoire  des  archeveques  latins  de  lile  de  Chypre.  Archives  de 
rOrient  Latin  n  (1884)  S.  207—328. 

Documents  genois  concernant  l'histoire  de  Chypre.  Ib.  II  2 
8.  170—76. 

Texte  officiel  de  l'allocution  adressee  par  les  barons  de  Chypre 
au  roi  Henri  II  de  Lusignan  pour  lui  notifier  sa  decheance.  Revue 
des  quest.  bist.  43  (1888)  8.  524—41. 

D^couvertes  rdcentes  en  Chypre.  Ib.  44  (1888)  S.  225—30  (be- 
trifft Nikosia,  nach  Mitteilungen  von  Sil"  T.  Chamberlaine). 

In  dem  Sammelwerke  der  Archives  de  l'Orient  Latin  findet  man 
aufser  den  beiden  Arbeiten  von  Mas  Latrie  u.  der  o.  8.  89  angeführten 
Veröffentlichung  über  Famagusta  noch  folgende  Beiträge  zur  Ge- 
schichte von  K.: 

P.  Viollet,  Les  Remembrances  de  la  haute  cour  de  Nicosie. 
I  (1881)  610—13. 

G.  Schlumberger,  Fonctionnaires  byzantins  du  theme  de  Chypre. 
n  (1884)  8.  436—8. 


Kypros  (Neuere  Geschichte).  93 

C.  Sathas,  Vies  des  Saints  aUemands  de  Feglise  de  Chypre. 
II  2  (1884)  S.  405—26. 

Nichts  Näheres  ist  mir   bekannt  über  eine  Schrift,    deren  Titel 
ich  deshalb  auch  nicht  verbürgen  kann,  von 

Strubles,  The  Medieval  Kingdoms  of  Cyprus  and  Armenia  Minor. 
London  1879. 

Einzelne  Episoden  aus  der  mittleren  und  neueren  Gresclüchte  von 
K.  behandeln  ferner 

F.  V.  Löher,  Kaiser  Friedrich  II.  Kampf  um  Cypern.  Abhandl. 
d.  k.  bay.  Ak.  d.  Wiss.  Hist.  Kl.  XIV  2  (1879)  S.  109-80. 

Hans  Müller,  Der  Longebardenkrieg  auf  Cypern  1229 — 33. 
Mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Gestes  des  Chiprois  des  Phelippe 
de  Novaire.     Halle  a.  S.  1890.     8.     63  S.     Diss. 

Fr.  Zarncke,  Der  Priester  Johannes.  IL  5.  Die  Mongolengesandt- 
schaft in  Cypern.  Abhandl.  d.  k.  sächs  Ges.  d.  Wiss.  XIX  (Phil.  Kl. 
Vin)  1876  S.  78—81. 

Is.  Jos.  H.  Paul  Herzsohn,  Der  Überfall  Alexandriens  durch 
Peter  L,  König  von  Jerusalem  und  Cypern,  aus  einer  ungedruckteu 
arabischen  Quelle  mit  historischen  und  kritischen  Anmerkungen  dar- 
gesteUt.     1.  Heft.    Bonn  1886.    8.    XXVI  52  S.  Diss. 

Cyprische  Königsgestalten  des  Hauses  Lusignan.  Von  Karl 
Herquet.  Halle  a.  S.,  Buchhandlung  des  Waisenhauses.  1881.  8. 
IV  182  S.    1  T.     M.  5. 

Erweiterte  Neubearbeitung  von  „Charlotte  von  Lusignan  und 
Caterina  Coruaro,  Königinnen  von  Cypern."     Eegensburg  1870. 

Henry  Simonsfeld,  Caterina  Cornaro.  Allg.  Zeit.  Beil.  1879. 
No.  187—9. 

Dasselbe  italienisch  mit  Zusätzen  von  Lorenz o  Fietta  im  Ai'ch. 
Ven.  XXI  1881  S.  40—81. 

Ders.,  In  Sachen  der  Caterina  Cornaro.  Korrespondeuzbl.  d. 
deutschen  Archive  1881  No.  10  u.  12. 

Ders.,  TJn  documento  di  Caterina  Cornaro.  Arch.  Ven.  XXI 1881 
S.  293  f. 

De  Cheon,  L'ile  de  Chypre  et  la  Eepublique  Frangaise  au  con- 
gres  de  Berlin.     Paris  1878.     8.     (Cobham). 

Über  die  englischen  Aktenstücke  zur  neuesten  Geschichte  von  K. 
s.  0.  S.  60  f. 


94  Geographie  von  Griechenland. 

Die  kirchlichen  Verhältnisse  findet  man,  abgesehen  von  den 
allgemeineuWerken  und  den  o.  S.  00  ff.  erwähnten  Arbeiten,  behandelt  in 

Eiorjasi;  iaxoptxal  Trspt  x^s  £xxXr)aias  t%  Kurpou  ouXXsYeTaai  xal 
ex5i6o[JLevai  uro  OiXitttiou  Fetupifiou.  'AOrjVrjaiv  ex  xoü  xuTro^pa^eiou 
,'Eptxou .     1875.     8.    r)'  185  S. 

C.  W.  Sandford,  Our  Church  in  Cyprus.  A  Sermon.  Oxford. 
1886.  8.  —  'H  iv  KuTiptü  IxxXTjtjta  [xas.  (Übersetzt  von  C.  D.  Cob- 
bam.)    Larnaka.     1886.    8. 

Letztere  beiden  Schriften  sind  mir  nur  aus  Cobhams  Verzeichnis 
bekannt. 

Sehi'  wertvolle  Beiträge  zur  Kulturgeschichte  von  K.  im 
Mittelalter  enthält  das  ausgezeichnete  Werk  von 

W.  Heyd,  Geschichte  des  Levantehandels  im  Mittelalter.  2  Bde. 
Stuttgart  1879. 

Man  vgl.  besonders  Bd.  I  396  ff.,  n  3  ff.,  406  ff. 

Den  Baudenkmälern  von  K.  aus  dem  Mittelalter  ist,  abgesehen 
von  den  älteren  Ai'beiten  von  L.  de  Mas  Latrie^)  und  Gr.  ßey,-) 
folgende  schöne  Publikation  gewidmet: 

Mediaeval  and  other  Buildings  in  the  Island  of  Cj^prus.  A  Paper 
read  at  a  Meeting  of  the  Royal  Institute  of  British  Architects  by 
Edward  J'Anson.  With  Notes  by  Sydney  Vacher.  London  1883. 
4.  20  S.,  20  T.  Extracted  from  the  Transactions  1882/3  of  the 
R.  Institute  etc. 

Nachtrag. 

Zu  S.  30  f.  Wie  ich  aus  einer  eben  eingetroffenen  freundlichen  Zu- 
sendung von  Herrn  C.  D.  Cobham  ersehe,  erscheint  Oivl  I  noch  immer 
und  erhält  von  nun  ab  wieder  eine  wissenschaftliche  Beilage  in  4°  unter  dem 
Titel  Excerpta  Cypria,  in  welcher  von  Cobham  Auszüge  und  Über- 
setzungen aus  älteren  geschichtlichen  und  ßeisewerken  über  K.  mitge- 
teilt werden.  IT.  a.  findet  sich  in  den  mir  bis  jetzt  vorliegenden  Bogen 
(S.  1 — 38)  auch  ein  Abdi'uck  der  bis  1685  zurückreichenden  Grab- 
schriften in  dem  kleineu  englischen  Kirchhof  zu  St.  Lazarus  bei  Lar- 
naka, über  welchen  ich  an  anderer  Stelle  kurze  Nachweisungen  ge- 
geben habe.  ^) 

Zu  S.  36.     Der  Aufsatz  von  dOrcet  steht  Bd.  V  des  Jg.  1887. 


»)  Arch.  d.  miss.  scient.   I.  Ser.    T.  I  (1850)   S.  .002-56. 

^)  Etüde  sur  les  monuments  de  rarchitecture  militaire  des  croises 
en  Syrie  et  dans  l'ile  de  Chypre.  Coli,  de  doc.  ined.  s.  l'hist.  de  France. 
I.  Serie    T.  47  (1871)  S.  229—52,  T.  XXlll  s. 

')  Aus  Cypern  I  197  A.  6.. 


Kypros  (Nachtrag).  95 

Zu  S.  51.  Die  mir  unzugängliche  Arbeit  des  italienischen  Vice- 
konsuls  führt  nach  Cobham  S.  15  den  Titel 

Renato  Magni,  La  casa   di  Savoia  e  l'isola  di  Cipro.  Appunti 
storici.     Boll.  consolare  XV  7  (1879). 

Zu  S.  53.  Die  beiden  Artikel  von  Tullo  Massarani,  welche 
ich  infolge  eines  ungenauen  Citates  lange  vergeblich  gesucht  hatte,  sind 
mir  erst  im  Augenblick  der  Drucklegung  dieses  Bogens  zugänglich  ge- 
worden und  kann  ich  nach  flüchtiger  Durchsicht  nur  bemerken,  dafs 
dieselben  hauptsächlich  auf  Litteraturstudium  beruhen  und  nach  einer 
Anmerkung  der  Redaktion  einem  gröfseren  "Werke  entnommen  sind, 
das  jedoch  m.  W.  bisher  noch  nicht  erschienen  ist. 

Dem  Accessionskatalog  des  Britischen  Museums^)  entnehme  ich 
noch  die  Titel  folgender  mir  sonst  nicht  bekannter  Schriften 

F.  T.  Gammon,  Cyprus.    Its  History.    London  1878.     16. 

A.  Rostovitz,  Cyprus.    London  1878. 

L.  Palma  di  Cesnola,  Oro  e  vetri  antichi  di  Cipro.    Torino.  1884. 
8.     97  S. 

A.  Padula,  Marie  de  Lusignan  et  la  Maison  Eoyale  de  Chypre. 
Genes.     1884.     112  S. 

Einen  Abrifs  der  physischen  Geographie  der  Insel,  hauptsächlich 
nach  Gaudry  und  Unger-Kotschy,  enthält  der  Ai-tikel  von 

G.  Li^tard  im  Dictionn.  encyclop.  d.  sciences    medicales  XVII 
(1875)  S.  183—96. 

Von  sonstigen  zusammenfassenden  Artikeln  encyklopädisclier  Natur 
(vgl.  0.  S.  70  A.  3)  sind  zu  erwähnen  ein  solcher  in  der  Encyclopaedia 
Britannka  9.  Ausg.  VI  (1877)  747—50  (von  E.  H.  B.\  im  Dictionn.  de 
geogr.  univ.  von  Vivien  de  Saint-Martin  I  (1879)  741  f.,  und  besonders 
von  A.  Berthelot,  C.  Kohler  und  M.  Beaudouin  in  La  Grande  Encydopedie 
XI  334—9. 

Zu  S.  63.  Einige  Nachweise  medizinischer  Artikel,  hauptsäch- 
lieh  für  die  Zeit  der  englischen  Okkupation,  giebt  der  „ Index- Catalogue  of 
the  Library  of  the  Surgeon  General's  Office.     U.  S.  Army"  III  573  f. 

Zu  S.  70.  Wegen  mittelalterlicher  Münzen  ist  besonders  auch 
zu  vergleichen  das  umfassende  "Werk  von 

G.  Schlumberg  er,  Numismatique  de  l'Orient  Latin.   Paris.  1878. 
4.     S.   144—213. 


*)   G.  K.,  Fortescue,  A   Subjeet  Index    of  the  modern  Works  added 
to  the  Library  of  the  British  Museum.     1880—5.     Dgl.  1885-90. 


96  Geographie  von  Griechenland. 

Zu  S.  77.  Übersehen  wurde  o.  der  Hinweis  auf  den  Abschnitt 
„Der  kyprische  geometrische  Stil"  bei  F.  Dümmler,  Bemerkungen  zum 
ältesten  Kunsthandwerk  auf  griechischem  Boden.  Mitteil.  d.  arch.  Inst. 
(Athen)  1888  S.  280—94,  wobei  auch  au  die  Ausführung  über  ky- 
prische Vasen  bei  Fr.  Winter,  Vasen  aus  Karlen  (ebd.  1887  S.  234 
— 40)  zu  erinnern  wäre. 

Zu  S.  74  f.  Über  den  Cesnola-Streit  vgl.  man  auch  S.  Reinach, 
Clu'oniques  d'Orient  S.  267. 

Zu  S.  81.  Über  Funde  zu  Kition  sind  auch  die  Nachweise  von 
S.  Reinach,  Chroniques  173  f.  (Rev.  arch.  188511344  f.)  zu  vgl.;  ebd. 
705  f.  (R.  a.  1890  II  252)  über  einige  Funde  von  Paphos. 

Zu  S.  87.  Wie  ich  nachträglich  aus  einer  Anzeige  hinter  der 
ersten  Ausgabe  von  A.  Cesnolas  Salaminia  ersehe,  führte  das  von  dem- 
selben herausgegebene  „Album"  den  Titel 

Lawrence -Cesnola  CoUectiou.  Cyprus  Antiquities  excavated  by 
Major  Alexander  Palma  di  Cesnola,  1876  to  1879.  London  1880. 
60  Photographien  in  Querfolio.  Vgl.  auch  Ohnefalsch-Richter,  Cultus- 
stätten  S.  48  A;  Biblioth.  philol.  class.  1881  S.  182. 

Die  von  mir  vorgefundene  Notiz  über  ein  unter  ähnlichem  Titel 
zu  Boston  erschienenes  Werk  scheint  hiernach  ungenau  zu  sein. 

Endlich  möchte  ich  noch  auf  die  Serie  von  Photographien  hin- 
weisen, welche  W.  Dörpfeld  gelegentlich  einer  Reise  durch  K.  aufge- 
nommen hat;  dieselben  beziehen  sich  in  erster  Linie  auf  Denkmäler 
des  Altertums,  dann  aber  auch  auf  Bauwerke  des  Mittelalters  (besonders 
Bellapais)  und  sind  vom  k.  deutschen  archäol.  Institute  in  Athen  käuflich 
zu  beziehen;  s.  das  Verzeichnis  im  Jahrbuch  d.  k.  deutschen  arch. 
Inst.     1891.     S.  89  ff. 


Jahresbericht  über  die  lateinische  Grraininatik 

für  die  Jahre   1885  —  1892. 

Von 

Direktor  Dr.  W.  Deecke 

in  Mülhausen  i.  E. 

Nach  längerer  Pause  erscheint  hiermit  wieder  ein  Jahresbericht 
über  die  lateinische  Grammatik,  und  zwar,  während  der  letzte 
nur  zwei  Jahre  umfafste,  über  die  acht  Jahre  von  1885—1892.  Die 
Verzögerung  hat  zunächst  in  persönlichen  Verhältnissen  gelegen,  durch 
die  mit  meiner  Versetzung  nach  Mülhausen  i/E,  verbundenen  Berufs- 
mühen,  sowie  anderweitige  Arbeiten;  dann  aber  schien  es  mir  auch 
sachlich  geraten,  einen  längeren  Zeitraum  abzuwarten,  um  zu  sehen, 
wie  die  beiden  im  letzten  Jahresbericht  signalisierten  neuen  Richtungen, 
diejenige  der  junggrammatischen  Schule  und  diejenige  der  historischen 
Grammatik ,  sich  weiter  entfalten  würden.  Es  ist  dies  denn  auch  in 
einer  grofsen  Fülle  von  Einzelarbeiten,  doch  ohne  die  erwarteten  neuen 
epochemachenden  Entdeckungen,  geschehen,  und  von  den  gi'ofsen,  zu- 
sammenfassenden Werken  ist  K.  B  r  u  g  m  a  n  n  s  Grundrifs  der  Vergleichenden 
Grammatik  der  Indogermanischen  Sprachen,  das  Hauptwerk  der  ersteren 
Schule,  erst  bis  zur  Wortbildungslehre  vollendet;  die  grofse  wissen- 
schaftliche Grammatik  der  lateinischen  Sprache  in  vier  Bänden  aber, 
von  Landgraf,  Schmalz,  Stolz  und  Wagener,  welche  das  Standard- 
work  der  historischeu  Schule  werden  soll,  ist  überhaupt  erst  angekündigt; 
doch  kann  man  allerdings  die  im  2.  Bande  des  Handbuchs  der  klassischen 
Altertumswissenschaft  von  Iwan  v.  Müller  erschienene  Lateinische 
Grammatik  von  Fr.  Stolz  und  J.  H.  Schmalz,  2.  Aufl.  1890,  als 
einen  vorläufigen  Abrifs  jenes  gröfseren  Werkes  betrachten.  Um- 
fassendere Vorarbeiten  liegen  ferner  vor  in  der  inzwischen  vollendeten 
Neuausgabe  von  K.  Eeisigs  Vorlesungen  über  lateinische  Sprachwissen- 
schaft, mit  den  Anmerkungen  von  Fr.  Haase,  neu  bearbeitet  von 
B.  Hagen,  F.  Heerdegen,  J.  H,  Schmalz  und  G.  Landgraf,  in 
Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.    LXXVII.  Bd.  (1893.  ni.)        ^ 


98  Lateinische  Grammatik. 

Calvarys  Philologischer  und  archäologischer  Bibliothek  in  15  Bändchen 
1880  —  1890  (s.  Jahresbericht  für  1879—80  u.  1883—84);  dann  in  der 
mit  dem  2.  Bande  begonnenen  3.  Ausgabe  von  Fr.  Neues  Formenlehre 
der  lateinischen  Sprache  von  C.  Wagener,  auch  bei  Calvary  u.  Co.  seit 
1889  (s.  desselben  Hauptschwierigkeiten  der  lat.  Formenlehre,  Gotha, 
Perthes,  1887);  teilweise  in  gedi-ängter  Form  überholt  durch 
K.E.Georges  Lexikon  der  lateinischen  Wortformen,  Leipzig,  Hahn, 
1890;  endlich  in  der  6.  Auflage  von  Krebs  Antibarbarus  der  lateinischen 
Sprache  durch  J.  H.  Schmalz,  Basel  (Schwabe)  1886 — 88,  sownie  in 
der  8.  Aufl.  von  Nägelsbachs  Lateinischer  Stilistik  für  Deutsche  von 
Iwan  V.  Müller,  Nürnberg  (Geiger)  1888,  alle  diese  Werke  höchst 
sorgsam  überarbeitet,  ja  umgearbeitet.  Auch  Ed.  Wölfflins  Archiv 
für  lateinische  Lexikographie  und  Grammatik,  Leipzig  (Teubner),  ist 
inzwischen  rüstig  fortgeschritten  bis  in  den  8.  Band ;  der  Gedanke  eines 
umfassenden,  wissenschaftlichen,  lateinischen  Lexikons  aber,  der  von 
Wölfflin  bis  zu  grofsen  Vorarbeiten  und  Druckproben  bis  „acceptus"  ge- 
fördert worden  war,  ist  in  gewaltigerem  Mafsstabe  aufgenommen  worden 
von  Martin  Herz  De  thesauro  latinitatis  condendo,  Programm  zum 
Sommer-Lektionskatalog  der  Universität  Breslau  1892;  doch  haben  die 
Preufsische  Akademie  der  Wissenschaften  und  die  Staatsregierung,  event. 
das  Deutsche  Reich,  ohne  deren  thatkräftige  Unterstützung  das  Riesen- 
werk nicht  gelingen  kann,  zu  der  Sache  noch  nicht  Stellung  genommen. 

Die  eigentliche  Signatur  der  letzten  acht  Jahre  aber  bildet  die 
Flut  lateinischer  Schulgrammatiken,  die  teils  in  verbesserten  Auf- 
lagen, teils  in  Überarbeitungen,  teils  neu  erschienen  sind,  veranlafst 
einerseits  durch  die  Reformen  im  höheren  Schulwesen,  besonders  die 
Verkürzung  der  lateinischen  Unterrichtszeit  und  die  Veränderung  der 
Ziele,  andererseits  durch  den  steigenden  und  sich  ausbreitenden  Wunsch, 
die  Ergebnisse  der  Sprachvergleichung  und  historisch -grammatischen 
Forschung  für  die  Praxis  zu  verwerten  und  so  den  Unterricht  wissen- 
schaftlicher, anregender,  fruchtbarer  zu  gestalten.  Wenn  nun  auch  von 
diesen  Jahresberichten  die  Schulgrammatiken  an  sich  bisher  ausge- 
schlossen gewesen  sind,  da  sie  durchweg  keine  selbständigen  Forschungen, 
sondern  nur  pädagogischeVerarbeitungenvonAnderen  gewonnener  Resultate 
enthielten,  so  ist  das  jetzt  wesentlich  anders  geworden,  und  manche 
dieser  Grammatiken  sind  zugleich  höchst  achtungswerte  wissenschaftliche 
Leistungen.  Kaum  mehr  für  den  Unterricht  in  der  Schule,  wohl  aber 
auf  der  Universität,  benutzbar  ist  die  2.,  mit  Hufe  von  Alfr.  Surber 
gänzlich  umgearbeitete,  Auflage  von  H.  Schweizer-Sidlers  Grammatik 
der  lateinischen  Sprache,  1.  Teil  (Laut-,  Wortbiegungs-  und  Wortbildungs- 
lehre), Halle,  Waisenhaus,  1888.     An  eigentlichen  Schulgrammatiken 


Allgemeines.  99 

erwähne  ich  diejenigen  von  Berger  (bearbeitet  von  Wagener  und  Land- 
graf); Ellendt-Seyffert  (bearbeitet  von  M.  A.  Seyffert  und  Tries); 
P.  Harre;  K.  Heraus;  Fi-.  Holzvs^eifsig;  G.  Landgraf  (mit 
Litteraturnachweisen  und  Bemerkungen) ;  H.  Menge;  Aug.  Scheindler; 
J,  H.  Schmalz  u.  C  Wagener  (mit  Erläuterungen  von  Schmalz); 
Ferd.  Schultz  (neubearbeitet  unter  Mithilfe  von  M.  Wetzel).  Ostern  1893 
habe  auch  ich  selbst  bei  Calvary  u.  Co.  in  Berlin  eine  lateinische  Schal- 
grammatik, 300  S.  8,  nebst  einem  Bande  (pädagogischer  und  wissenschaft- 
licher) Erläuterungen,  477  S.  8,  erscheinen  lassen.  Zu  erwähnen  sind 
auch  wohl  die  mannigfaltigen,  wenn  auch  vorwiegend  praktischen,  auf 
einem  eigenen  Standpunkte  stehenden  Arbeiten  zum  lateinischen  Unter- 
richt von  J.  Lattmann  und  H.  D.  Müller,  von  denen  die  „Kurzge- 
fafste  lateinische  Grammatik"  von  des  ersteren  Sohne  H.  Lattmann 
in  7.  Auflage  neu  bearbeitet  worden  ist  (Göttingen  1892). 

Auch  im  Auslande  haben,  wesentlich  auf  Grundlage  der  deutschen 
Forschungen,  von  hervorragenden  Gelehrten  tüchtige  Neubearbeitungen 
der  lateinischen  Schulgrammatik  stattgefunden:  so  in  Frankreich  von 
Louis  Havet;  von  Mich.  Breal  u.  L^once  Person;  umfangreicher  von 
Sal.  Reinach,  denen  sich  in  gleicher  Sprache  die  belgische  Bearbeitung 
von  Jos.  Janssens  anschliefst;  in  England  von  E.  A.  Sonnenschein  (in 
der  Parallel  Grammar  Series),  während  H.  J.  ßoby's  Grammar  of  the 
Latin  language  from  Plautus  to  Suetonius  (5.  ed.  London,  MacmiUan 
1887,  520  p.  8)  einen  wissenschaftlicheren  Charakter  trägt;  in  Nord- 
Amerika  von  Harper  and  Purgess  Inductive  Latin  method,  New-York, 
Jvison  &  Cie  1889;  in  Italien  von  L.  Broccardi  Grammatica  latiaa 
secondo  i  metodi  piü  recenti,  I.  Fonologia,  11.  Morfologia,  Torino 
(ßisso)  1889,  684  S.;  L.  Valmaggi  Grammatica  latiua  (in  den  ManuaJi 
Hoepli),  Milano  1892;  Fr.  Scerbö  Grammatica  della  lingua  latina, 
L Fonologia  e Morfologia,  Firenze  (leMonnier)  1891, 124  S.;  Enr.  Cocchia 
la  Sintassi  latina,  esposta  scientificamente  ad  uso  delle  scuole  di  magi- 
stero,  Napoli  (Morano)  1890,  Werke,  auf  die  ich  zum  Teil  unten, 
bei  Betrachtung  der  einzelnen  Teile  der  Grammatik,  zurückkommen 
werde. 

Die  sprachvergleiclienden  Arbeiten,  die  das  Lateinische  be- 
rühren, findet  man,  bis  1888  eingeschlossen,  in  H.  Ziemers  „Jahres- 
uiid  Litteraturbericht  über  allgemeine  und  vergleichende  Sprachwissen- 
schaft, mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  alten  Sprachen"  (im  Jahresber. 
über  die  Fortschr.  d.  klass.  Altertumswissenschaft  LIV,  138 — 368);  für 
die  letzte  Zeit  im  Anzeiger  für  indogermanische  Sprach-  und  Altertums- 
kunde von  W.  Streitberg,  Beiblatt  zu  den  seit  1891  bei  K.  Trübner 
in  Stralsburg  i/E.   erscheinenden  „Indogermanischen  Forschungen"  von 

7' 


IQQ  Lateinische  Grammatik. 

K.  Brugmann  und  "W.  Streitberg,  —  Ich  erwähne  hier,  aufser  den 

oben  angegebenen  Werken,  als  von  allgemeinerer  Bedeutung: 

H.  Hübschmann,  Das  indogermanische  Vokalsystem.    Strafsburg, 

Trübner,  1885.     192  S.     8. 

Die  Arbeit  beruht  im  wesentlichen  auf  de  Saussures  Memoire 

sur  le  Systeme  primitif  des  voyelles  dans  les  langues  indo-europeennes 

(s.  Jahresber.  über  d.  lat.  Gramm.  1879—80,  S.  186—7),  nur  dafs  als 

idg.  Imperfektpräsens  der  a- Wurzeln  z.  B.  nicht  ä  g^  ö,  sondern  ä  g^  ö 

angesetzt  wird,  wozu  dann  als  Aoristpräsens  ä  g^  ö  tritt.     Nachdem  der 

erste  Teil  (S.  7 — 68)    die    schwere  Vokalreihe  des  Sanskrit  behandelt 

hat,  führt  der  zweite  (S.  69 — 180)  die  Vokalreihen  der  idg.  Ursprache 

in  den  wichtigeren  Wurzeln  und  Suffixen  vor,  -mit   ihrer  "Vertretung  in 

den  hauptsächlichsten  Töchtersprachen,  auch  im  Latein,  und  zwar: 

I.     Die  ^-Reihe: 

12  3  4 

idg.       ö  e  ä  — 

lat.        ö  e  a  — ; 

doch  fehlt  ein  Beispiel  für  ö.  Es  schliefsen  sich  hieran  die  starren 
e- Wurzeln. 

n.     Die  ä- Reihe: 

idg.       ö 

lafr.        ö 
auch  hier  fehlt  lat.  ö. 

III.  Die  ö-Reihe: 

idg.       ö 
lat.       ö 
wobei  die  1.  und  2.  Stufe  zusammenfallen. 

IV.  Die  e-Reihe: 

idg.       0  e  e  — 

lat.        0  e  e  — ; 

hier  fallen  die  2.  und  3.  Stufe  zusammen;  die  4.  Stufe  nimmt  bei  den 
kurzen  nasalen  Sonanten  einen  vorschlagenden  Hilfsvokal  e  (resp.  1) 
an,  bei  den  liquiden  o  (resp.  u);  bei  den  langen  Liquiden  nach- 
schlagendes ä  oder  vorhergehendes  ä;  anderes  ist  unsicher  (S.  134  ff.). 

V.  Die  ffl-Reihe: 

idg.       ä  ä  ä  — 

lat.       ä  a  a  — ; 

so  dafs  die  2.  und  3.  Stufe  wieder  ineinanderfliefsen ;  einige  unsichere 
Beispiele  folgen  S.  163  ff. 

VI.  Die  o-Reihe: 

idg.       ö  0  0  — 

lat.        ö  0  0  — , 


a 

ä 

ä 

a 

ö 

ä 

ö 

a 

Allgemeine  vergleichende  Lautlehre.  101 

wieder  mit  Mengung  von  Stufe  2.  und  3.     In  einem  Scblufsworte  werden 
de  Saussures  zweisilbige  Wurzeln,  wie  lat.  gene-  anerkannt. 

Die  Fragen,  welches  denn  eigentlich  von  den  vier  angesetzten 
Stufen  die  Grundstufe  sei,  und  was  als  die  letzte  Ursache  der 
Vokalschwächungen  oder  auch  -Steigerungen  anzusehen  sein  möge,  werden 
nicht  erörtert.  Dals  verschiedene  unter  den  6  Reihen  sich  unterein- 
einander  so  berühren,  dafs  sie  schwer  auseinander  zu  halten  sind,  wird 
schon  in  den  Nachträgen  anerkannt  (s.  unten  Johansson  Morphol.  Stud.); 
aber  auch  sonst  bleiben  Schwierigkeiten  genug. 

Umfassender  und  kritisch  schärfer  ist  das  Werk: 
Fr.   Bechtel,    Die  Hauptprobleme    der   indogermanischen  Laut- 
lehre seit  Schleicher.     Göttingen,    Vandenhoek    und  Ruprecht,  1892, 
X  und  414  S.  8. 

Kap.  1  behandelt  historisch  die  sprachwissenschaftlichen  Unter- 
suchungen, durch  die  man  seit  Schleicher  dahin  gekommen  ist.  die  Vo- 
kale a,  e,  0  der  idg.  Grundsprache  zuzuschreiben;  es  werden  dabei  die 
Nachweise  des  ä  als  unzureichend  hingestellt,  während  o  sich  als  eine 
Art  Ablaut  zu  e  stellt.  —  Im  2.  Kap.  „über  die  Steigerung"  wird 
gezeigt,  wie  man  zur  Erkenntnis  der  Unhaltbarkeit  der  indischen  Lehre 
von  den  zwei  Steigerungsstufen  gekommen  ist.  „In  Wahrheit  bilden 
sie  Teile  einer  nach  zwei  entgegengesetzten  Seiten  hin  sich  vollziehen- 
den Bewegung:  einer  absteigenden,  die  wir  Schwächung  nennen, 
und  einer  aufsteigenden,  die  ich  Dehnung  heifsen  will."  —  Das 
Ergebnis  des  3,  Kapitels  „über  die  Schwächung"  ist,  dafs  e  und  o 
bald  zu  d  (lat.  a)  reduziert,  bald  ausgestofsen  werden;  dafs  ei  und  eu 
durch  i  und  ü  sich  zu  i  und  u  schwächen;  während  für  die  letzt  erreich- 
bare schwache  Form  von  e  +  Nasal  oder  Liquida  am,  9n,  ar,  al  (lat. 
em,  en,  or,  ol,  modifiziert  im,  in,  ur,  ul)  gelten  müssen :  ein  Ergebnis, 
durch  welches  mit  den  gesamten  sonanten  Nasalen  und  Liquiden  der 
Junggramm aiischen  Schule  aufgeräumt  wird  (vgl.  J.  Schmidts  Plural- 
bildungen S.  218).  Auch  mir  sind  die  n,  nn,  nn  u.  s.  w.  in  jüngster 
Zeit  sehr  zweifelhaft  geworden.  —  Die  Ursache  der  betrachteten 
Schwächung  ist  nicht  immer  in  einem  folgenden,  sondern  bisweilen 
auch  in  einem  vorhergehenden  Accent  zu  suchen.  —  Das  4.  Kap. 
„über  die  Dehnung"  weist  e  und  ö  als  Dehnungsprodukte  von  e  und 
o  nach,  und  sucht  die  Entstehung  der  Länge  in  der  Vereinigung  von 
zwei  Kürzen,  deren  Art  und  Ursprung  freilich  noch  dunkel  bleiben.  — 
Im  5.  und  6.  Kap.  werden  ä,  e,  ö  als  ursprachliche  Längen  anerkannt 
und  belegt,  während  die  langen  sonantischen  Nasale  und  Liquiden,  wie 
oben  die  kurzen,  abgelehnt  werden:  an  ihre  Stelle  treten  die  Verbin- 
dungen am,  an,    ai*,  al    (lat.  mä,   nä,  rä,  lä,    aber  auch  am,  an,  ar,  al) 


1Q2  Lateinische  Grammatik. 

geschwächt  aus  ema,  ena,  era,  ela,  ebenso  wie  i,  ü  aus  eia,  eua  (s.  unten 
Kretscbmer  Idg.  Acc-  und  Lautstudien!).  Die  so  gewonnenen  langen 
konsonantischen  Nasale  und  Liquiden  sind  freilich  auch  recht  zweifel- 
hafte Wesen.  —  Das  7.  Kap.  behandelt  dann  die  Schwächung  von 
ä,  e,  5  zu  ä,  e,  ö  infolge  eintretender  Vortonigkeit;  die  so  verkürzten 
Vokale  können  dann  unter  weiterem  Anstofs  ganz  ausfallen.  —  Ein 
zweites  ursprachliches  tonloses  a  (s.  das  erste  im  obigen  ema,  eia 
u.  s.  w.)  lautet  mit  betontem  e  in  zweiter  Wortsilbe  hinter  dem  Tone 
ab  (s.  S.  208).  —  Wie  die  Diphthonge  ei,  oi,  eu,  ou  nur  spezielle  Er- 
scheinungen in  der  e-E,eihe  sind,  erwartet  man  auch  Diphthonge  mit 
langem  ersten  Komponenten:  von  diesen  wird  im  8.  Kap.  öu  als  der 
sicherste  nachgewiesen,  und  eine  doppelte  Verkürzung,  zu  ü  und  au 
belegt.  —  Auch  von  diesen  letzten  Resultaten  bleibt  manches,  trotz  der 
schai'fsinnigen,  aber  nicht  immer  gut  geordneten  Beweisführung  des  Ver- 
fassers, unsicher  und  dunkel,  und  eine  Fülle  neuer  ungelöster  Fragen 
drängt  sich  auf.  Immerhin  sind  die  Ergebnisse,  wenn  sie  richtig  sein 
sollten,  auch  für  die  Auffassung  des  lateinischen  Vokalisraus  von  viel- 
seitiger Wichtigkeit. 

Die  beiden  letzten  Kapitel  beschäftigen  sich  mit  konsonantischen 
Fragen,  und  zwar  werden  im  10.  drei  Guttural  reihen  als  Ergebnis 
aUer  bisherigen  Untersuchungen  festgestellt,  indem  neben  der  Eeihe 
k\  (kh^),  g\  gh\  welche  palatale  Spiranten  bezeichnet,  eine  doppelte 
k-Reihe  angenommen  wird,  deren  verschiedene  Nachkommen  in  den  nicht- 
labialisierten  und  in  den  labialisierten  Gutturalen  der  Griechen,  Italiker 
(auch  im  Latein),  der  Kelten  und  Germanen  zu  erkennen  sind,  während 
sie  in  den  nichtlabialisierten  Gutturalen  der  Arier  und  Lituslaven  ver- 
schmolzen. Freilich  bleibt  auch  so  eine  gröfsere  Zahl  unerklärter  Ent- 
sprechungen übrig,  und  die  verwickelte  Frage  ist  keineswegs  gelöst 
(s.  unten  verschiedene  Ergänzungen  hierzu  bei  der  Phonetik  des  Latei- 
nischen im  besonderen!).  —  Kap.  11  endlich  eignet  das  1  (neben  r)  der 
Ursprache  zu,  indem  Fortunatovs  Regel  (Bezz.  Beitr.  VI,  215  ff.)  an- 
erkannt wird,  dafs,  während  r  -f  Dental  im  Sanskrit  unverändert  bleibt, 
1  -j-  Dental  einen  Lingual  ergiebt ;  die  Ausnahmen  werden  auf  Dialekt- 
mischung geschoben.  Auch  hier  ist  doch  gröfsere  Vorsicht  geboten,  als 
bisher  geübt  worden  ist;  s.  die  Bestätigung  durch  E.  Windisch  in 
Kuhns  Zeitschr.  XXVII,  168;  aber  die  Bedenken  von  K.  Brugmann 
Vgl.  Gramm.  I,  211.  —  Ein  dankenswerter  Wortindex  schliefst  das  Buch. 

Ein  neuer  Versuch  einer  vergleichenden  Grammatik  des 
Griechischen  und  Lateinischen  ist  gemacht  worden  in: 

Vict.  Henry,  Precis  de  grammaire  comparee  du  grec  et  du  latin. 
Paris,  Hachette,  1887. 


Vergleichung  mit  Griechisch  und  Keltisch.  103 

Der  Verfasser,  durch  seine  Esquisses  raorphologiques  I — IV,  Douai 
1882—7;  V,  Paris,  Thorin  1889  (s.  meine  Anzeige  der  4  ersten  in  der 
Berl.  Phil.  Woch.  VIII,  1095  ff.)  rühmlich  bekannt  und  im  Vollbesitze 
der  Ergebnisse  deutscher  Forschungen,  hat  auch  manche  eigene  Ge- 
danken, die  zum  Teil  unten  näher  werden  besprochen  werden.  Im 
ganzen  tritt  jedoch  bei  ihm  der  lateinische  Teil  gegen  den  griechischen 
sehr  zurück.     Ähnlich  ist  es  mit  dem  englischen  Werk: 

J.  E.  King  and  C.  Cookson,  Introduction  to   the  comparative 
grammar  of  Greek  and  Latin.     Oxford  1890,  222  p.  8; 
vgl.  von  denselben  Verfassern  The  principles  of  sound  and  inflexion  in 
Greek  and  Latin,    ebendort  1887,    besprochen    von  G.  Meyer  in  der 
Berl.  Phil.  Wochenschi-.  IX,  943  ff. 

Erwähnt  mag  dazu  auch  werden: 

R.  T.  Elliot,    On  the  laws  of  analogy  in  Greek  and  Latin,    in 
den  Transactions  of  the  Oxford  Philol.  Society  1887/88,  24  ff. 

Vgl.  auch  H.  Schweizer-Sidler,  Über  die  Beziehungen  zwischen 
der  griechischen  und  lateinischen  Sprache  (zur  Züricher  Philologen- 
versammluug  1887). 

Freilich  ist  die  engere  Verwandtschaft  des  Lateins  mit  dem 
Griechischen  eine  immer  wieder  bestrittene  Hypothese,  und  es  ist 
z.  B.  nicht  zu  leugnen,  dafs  Whitley  Stokes  in  seinem  längeren 
Aufsatz  Celtic  Declension,  in  Bezzenbergers  Beiträgen  z.  Kunde  d.  idg. 
Sprachen,  Bd.  XI  (1886),  S.  64 — 175  den  überzeugenden  Beweis  ge- 
liefert hat,  dafs  wenigstens  in  der  Deklination  der  Nomina  und 
Zahlwörter  einst  zwischen  Latein  und  Keltisch  fast  vollkommene 
Übereinstimmung  geherrscht  hat.  —  Für  die  Konjugation  ist  dieser 
Nachweis  teilweise  versucht  worden  in: 

Fr.  Prestel,  Das  Aoristsystem  der  lateinisch-keltischen  Sprachen. 
Prgr.     Kaiserslautern  1892,  51  8.  8; 
doch  freilich,  nach  meiner  Ansicht,  mit  wenig  Glück  und  Geschick:  ich 
komme  bei  der  Tempuslehre  darauf  zurück. 

Dagegen  ist  die  Übereinstimmung  der  beiden  Sprachgruppen  im 
passivischen  r  in  gründlichster  Weise  neu  erörtert  und  bewiesen 
worden  in: 

H.  Zimmer,  Keltische  Studien.  8.  Über  das  Italokeltische  Passivum 
und  Deponens,  in  Kuhns  Zeitschi'ift  f.  vergl.  Sprachf.  XXX  (1889), 
224—292. 

Damit  stimmt  in  den  Thatsachen,  wenn  auch  durchaus  nicht  in 
der  Deutung,  überein: 

Ernst  Windisch,  Über  die  Verbalformen  mit  dem  Charakter  r 
im  Arischen,    Italischen  und  Keltischen,    in  den  Abhandl.  d.  philol. 


104  Lateinische  Grammatik. 

histor.  Kl.  d.  königl.  Sachs.  Ges.  d.  "Wissenschaften,  Bd.  X,  Leipzig 

1887,  66  S.  8;  s.  das  Nähere  unten! 

Auch  ich  neige  mich  der  Ansicht  zu,  dafs  in  der  That  zwischen 
den  italischen  und  keltischen  Dialekten  eine  nähere  Beziehung  statt- 
findet, als  zwischen  den  italischen  und  hellenischen. 

Indem  ich  nun  zum  Lateinischen  selbst  übergehe,  gilt  es,  nach 
verschiedenen  Seiten  hin,  die  mir  gestellte  Aufgabe  schärfer,  als  bisher, 
abzugrenzen.  Zunächst  schliefse  ich  das  Altlateinische  d.  h.  das 
vorlitterarische  Latein,  wie  es  in  den  älteren  Lischriften,  den  Zwölf- 
tafelgesetzen, den  Fragmenten  religiöser  Lieder  und  einzelnen  Glossen 
vorliegt,  aus;  nicht  dagegen  das  archaische  Latein  der  epischeu  und 
dramatischen  Fragmente,  des  Plautus,  Cato,  Lucilius  u.  s.  w.  Dann 
aber  niufs  ich  auch  das  Vulgär-  und  das  Spätlatein  fernhalten,  über 
die,  infolge  der  neueren  grofsen  Ausdehnung  der  Forschung,  besondere 
Jahresberichte  erschienen  sind;  doch  will  ich  hier  wenigstens  drei  be- 
deutendere Sclmften  erwähnen: 

W.Meyer,  Die  lateinische  Sprache  in  den  romanischen  Ländern, 
in  Gröbers  Grundril's  der  romanischen  Philologie.  2.  Lieferung, 
S.  351—382;  Strassburg,  Trübner,  1886. 
ein  Werk,  das  nicht  nur  die  bis  dahin  erzielten  Resultate  über  das 
Vulgärlatein  zusammengefafst  und  durch  viele  neue  Forschungen  vermehrt, 
sondern  auch  auf  viele  Gebiete  des  klassischen  Lateins  neues  Licht  ge- 
worfen hat;  ferner  die  Vollendung  von: 

G.  Gröber,  Vulgärlateinische  Substrate  romanischer  Wörter,  in 
Bd.  I — YII  des  Archivs  für  lateinische  Lexikographie  1884 — 91, 
von  besonderer  Wichtigkeit  für  die  Quantität  der  Vokale  (auch  im  klassi- 
schen Latein),  für  die  Aussprache  der  Konsonanten,  die  Betonung  u.  s.  w. ; 
s.  meinen  Jahresbericht  für  1883 — 84,  S.  137 — 9;  endlich,  noch  nicht 
vollendet: 

Gust.  Körting,  Lateinisch-romanisches  Wörterbuch,  Paderborn, 
Schöningh,  seit  1890,  gr.  8, 
eine  unentbehrliche  Fundgrube  für  die  mannigfachsten  Einzelheiten  der 
Lautverhältnisse,    der  Wortbedeutungen    und  Wortschicksale,    auch  im 
klassischen  Latein. 

Ferner  schliefse  ich,  wie  bisher,  mit  Ausnahme  der  oben  genannten 
Schulgrammatiken  neuerer  Art,  alle  praktischen  Lehrbücher  aus, 
alle  Schriften  über  lateinische  Unterrichtsmethode,  Übersetzungskunst 
n.  8.  w  :  dann  aber  auch  alle  lexikalischen,  semasiologischen  und 
rein  statistischen  Werke,    soweit  sie  nicht  etwa  nebenbei  von  be- 


Allgemeine  Werke.  105 

sonderer  grammatischer  Wichtigkeit  sind.  Nicht  minder  übergehe  ich 
alle  prosodischen  und  metrischen  Schriften,  obwohl  ein  Abrifs 
dieses  Gebiets  den  lateinischen  Grammatiken  beigefügt  zu  werden  pflegt. 
Endlich  habe  ich  von  den  Werken  und  Abhandlungen  über  den  Sprach- 
gebrauch einzelner  Autoren  oder  Gruppen  derselben,  nur  diejenigen 
berücksichtigt,  welche  einzelne  Punkte  in  fördernder  Weise  und  im 
Zusammenhange  der  Sprachentwickelung  behandeln,  da  ich  einerseits 
sonst  dasselbe  Buch  bei  vielen,  ja  mitunter  fast  bei  allen  Gebieten  der 
Grammatik  wieder  anführen  mül'ste,  andererseits  eine  losgerissene  Einzel- 
untersuchung ohne  historische  Verbindung  oft  von  sehr  zweifelhaftem 
Werte  bleibt. 

Ich  erwähne  nun  zuerst  ein  Werk  allgemeinen  Inhalts: 

Osk.    Weise,     Charakteristik    der    lateinischen    Sprache.      Ein 
Versuch.     Leipzig,  Teubner,  1891,  141  S.  8. 

Der  Verfasser,  einer  der  gründlichsten  Kenner  des  gesamten  latei- 
nischen Wortschatzes  und  seiner  Entwickelung,  wie  das  grofse  Preiswerk 
über  die  griechischen  Wörter  im  Latein  (Jahresber.  1881 — 2,  S.  341) 
und  verschiedene  kleinere  Schriften  zeigen,  hat  hier  seine  so  gewonnene 
Anschauung  über  das  formale  und  geistige  Wesen  der  lateinischen 
Sprache  aus  dem  Vollen  heraus  in  gedrängter  Kürze  darzulegen  versucht, 
wesentlich  zu  pädagogischem  Zwecke,  zur  Vertiefung  des  Sprachunter- 
richts. Das  Buch  ist  scharf  gegliedert  in  4  Abteilungen  mit  123  kleineren 
Abschnitten.  Die  1.  Abt.  behandelt  die  Beziehungen  zwischen  der  latei- 
nischen Sprache  und  dem  römischen  Volkscharakter,  in  Formen- 
lehre und  Satzgefüge,  Wortbildung  und  Wortbedeutung;  die  2.  die  Ein- 
wirkungen der  verschiedenen  Zeit-  und  Kulturströmungen  auf  die 
Entwickelung  des  Wortschatzes,  der  Ausdrucksweise,  des  Stils;  die  3. 
die  hervorstechendsten  Züge  der  dichterischen  Sprachform  und 
deren  Ausbildung;  die  4.  die  Sprache  des  Volkes  in  ihrer  Trennung 
von  der  klassischen  Litteratursprache,  ihr  Weiterleben  neben  derselben, 
ihre  eigentümliche  stille  Ausbildung,  endlich  ihr  Empordringen  in  die 
oberen  Schichten  der  Bevölkerung  und  ihren  schlieislichen  Sieg.  Stete 
Vergleichungen  mit  dem  Griechischen  und  Deutschen  klären  die  Auf- 
fassung und  beleben  das  Interesse.  Der  Verfasser  verkennt  auch  nicht 
die  Schattenseiten  und  Schwächen  des  römischen  Wesens:  die  Äufser- 
lichkeit  der  Religion,  die  einseitige  und  mangelhafte  Kunstbegabung, 
die  geringe  Gestaltungsfähigkeit  und  Beweglichkeit,  und  er  zeigt,  wie 
sich  diese  Züge  in  der  Sprache  wideispiegeln.  Eine  schwache  Seite  des 
Buches  sind  die  zwar  durchweg  geistreichen,  aber  vielfach  falschen  oder 
wenigstens  sehr  unsicheren  Etymologieen. 


IQQ  Lateinische  Grammatik. 

Die  wichtigste  Grammatik  der  lateinischen  Sprache  aus  dem  vor- 
liegenden Zeitabschnitt  ist  die  schon  oben  erwähnte  von: 

Fr.  Stolz  und  J.  H.  Schmalz,  Lateinische  Grammatik.  Hand- 
buch der  klassischen  Altertumswissenschaft,  herausgegeben  von  Iwan 
V.Müller.  1.  Aufl.  Nördlingen,  Beck.  Bd.  n,  S.  129—411,  1885; 
2.  Aufl.     München,  Beck.     Bd.  II,  S.  237—584,   1890. 

Die  Laut-  und  Formenlehre  hat  Stolz,  einer  der  tüchtigsten 
Gelehrten  der  neueren  Schule,  die  Syntax  und  Stilistik  Schmalz,  der 
gröfste  Kenner  der  historischen  lateinischen  Grammatik,  bearbeitet,  so 
dafs  das  Werk  schon  in  dei*  ersten  Auflage  auf  der  Höhe  der  Wissen- 
schaft stand;  s.  Jahresber.  f.  1883—4,  S.  123.  Indessen  ist  die  2.  Auf- 
lage so  bereichert,  ergänzt  und  berichtigt  worden,  dafs  ich  mich  hier 
vorwiegend  an  diese  halten  werde.  —  Die  Stolzesche  Arbeit,  auch  jetzt 
noch  kurz,  knapp  und  inhaltsreich,  zeigt  allerdings  doch  recht  schlagend, 
wie  wenig  die  grofsen  Schwierigkeiten  der  lateinischen  Laut-  und 
Formeulehre  noch  gelöst  sind.  Es  liegt  dies  zum  Teil  an  der  Spärlich- 
keit der  Reste  des  Altlateins,  die  freilich  auch  in  der  2.  Auflage  noch 
nicht  ganz  ausgenutzt  sind;  dann  ist  ohne  umfangreiche  Heranziehung 
der  noch  dürftiger  überlieferten  und  erst  mangelhaft  erforschten  anderen 
italischen  Sprachen  die  Gestaltung  des  Lateinischen  nicht  erklärlich. 
Vor  allem  rätselhaft  ist  der  tiefe  Rifs,  der  diese  Sprachgruppe  in  der 
Betonung,  der  Konjugation,  der  Namengebung,  der  Mythologie  vom 
Griechischen  trennt  und  der,  neben  der  oben  hervorgehobenen  engeren 
Beziehung  zum  Keltischen,  auf  grofse  unbekannte  Volksschicksale,  Um- 
wälzungen, AVanderungen,  vielleicht  Mischungen  schliefsen  läfst:  die 
sicheren  Anknüpfungsfäden  an  die  älteren  Zustände  sind  meist  noch 
sehr  dünn  und  wenig  haltbar.  —  Die  historische  Folge  der  Sprach- 
erscheiuungen  ist  auch  wohl  noch  schärfer  festzuhalten,  als  Stolz  dies 
gethan  hat,  und  das  Vulgär-  und  Spätlatein  vorsichtiger  zu  verwenden ; 
zweifelhaftes  Material,  wie  unsichere  Überlieferung,  fehlerhafte  Inschriften, 
latinisierte  "Wörter  anderer  italischer  Dialekte  und  fremder  Sprachen 
sind  strenger  auszuschliefsen.  Für  die  Statistik  der  Formen  aus  der 
litterarischen  Zeit  bieten  die  Werke  von  Neue,  Georges,  Wagener  eine 
einigermafsen  sichere  Grundlage;  aber  die  Aussprache,  darunter  be- 
sonders die  Quantität  der  Vokale  vor  Position,  steht,  wie  wir  unten 
sehen  werden,  noch  wenig  fest. 

Die  Einleitung  der  Stolzeschen  Abteilung  behandelt  auf  wenig 
Seiten  die  Geschichte  und  Methode  der  lateinischen  Grammatik,  die  Ge- 
schichte der  lateinischen  Schriftsprache  und  die  Stellung  des  Lateinischen 
zu  den  verwandten  Sprachen  und  den  übrigen  italischen  Dialekten,  wohl 
etwas  zu  kurz.    In  der  Lautlehre,  die  am  ausführlichsten  behandelt 


AUgemeiae  Werke.  107 

ist,  aber  auch  so  dem  rein  klassischen  Philologen  meist  unverständlich 
bleiben  wird,  ist  die  Seelmann  sehe  Definition  der  Laute  (s.  Jahresber. 
1883—4,  S.  123—136)  in  der  2.  Auflage  weggefallen;  der  Abschnitt 
über  die  Vokale  in  konsonantischer  Funktion  ist  genauer  gegliedert 
worden;  die  Abschnitte  über  Vokalabstufung,  Vokalwandel  (der  eigent- 
lich die  -abstufung  einschliefst),  Quantitätsminderung  und  -steigeriiag' 
sind  erheblich  verbessert  worden,  soviel  Zweifelhaftes  hier  auch  noch 
bleibt,  was  bei  der  etwas  apodiktischen  DarsteJUung  allerdings  dem 
Nichteingeweihten  meist  verborgen  bleibt.  Die  Liquiden  und  Nasale 
folgen  jetzt  den  Vokalen,  uaid  zwar  als  Konsonanten  und  als  Sonanten, 
letzteres  Gebiet  wieder  sehr  unsicher  nnd  dunkel.  Bei  den  übrigen 
Konsonanten  (der  Ausdruck  „Verschlufslaute"  pafst  nicht  auf  alle)  sind 
der  Rhotacismus  und  der  kombinatorische  Lautwandel  sorgfältiger  be- 
handelt. Es  folgt  das  wieder  noch  sehr  rätselvolle  Kapitel  über  die 
Betonung.  —  Im  ganzen  habe  ich  doch  auch  aus  dieser  besten  Dar- 
stellung den  Eindruck  gewonnen,  dafs  eine  systematische  Behandlung 
der  lateinischen  Lautlehre,  mit  hinreichender  Feststellung  und  Begrün- 
dung der  Lautgesetze  und  genügendem  Nachweis  der  Mittelglieder,  noch 
nicht  möglich  ist. 

In  der  Formenlehre  fehlt  die  "Wortbildung:  nur  die  Nominal- 
komposition ist  kurz  behandelt:  sie  bildet  mit  den  Numeralia  und  der 
Steigerung  der  Adjektiva  einen  „Anhang«  zur  Deklination,  eine  wenig 
logische  und  zweckmäfsige  Anordnung.  Unvollständig  ist  auch  die 
Motion  behandelt.  Die  Flexion  des  Verbums  ist,  mit  Ausnahme  der 
Bildung  der  Präseusstämme ,  entschieden  zu  kurz  gekommen.  Die 
Lieblingsidee  Stolzes,  das  Imperfekt  Konj.  als  alten  lautgesetzlichen 
Vertreter  des  Indikativs  des  s  -  Aorist  zu  betrachten,  findet  sich  auch 
hier  wieder;  doch  führt  er  auch  andere  Deutungen  an.  Im  ganzen 
herrscht  bei  den  Junggrammatikern,  auch  bei  Stolz,  in  der  Formenlehre 
zu  sehr  die  Theorie  der  Analogien,  die  in  ihrer  "Willkürlichkeit  nur 
zu  leicht  über  alle  Schwierigkeiten  hinweghilft:  hier  wird  die  fort- 
schreitende Forschung  noch  mächtig  aufräumen  müssen. 

Die  Syntax  von  Schmalz  giebt  in  der  neuen  Auflage,  nach 
kurzer  Einleitung,  über  7  enggedruckte  Seiten  Litteratur,  mit 
aufserordentlicher  Sorgfalt  zusammengetragen;  doch  wächst  naturgemäfs 
diese  Rubrik  noch  von  Jahr  zu  Jahr.  —  Die  Inhaltsangabe  über  den 
einfachen  Satz  stimmt  nicht  ganz  zur  Ausführung;  auch  ist  hier  die 
Unterteilung  nicht  logisch:  Subjekt;  Prädikat  mit  Kongruenz-  und  Zeit- 
formenlehre; Attribut  und  Apposition;  Kasuslehre.  Die  im  Inhalt  auf- 
geführten Aufforderungssätze  sind  nachher  nicht  besonders  behandelt; 
die  Ausrufungssätze  fehlen  ganz ;  zu  kurz  sind  die  Fragesätze  abgemacht 


108  Lateinische  Grammatik. 

worden.  Beim  zusammengesetztenSatze  geht  die  Beiordnung  korrekter 
Weise  voran ;  die  Unterordnung  ist  folgendermafsen  eingeteilt :  a.  Unter- 
ordnung ohne  Pronomina  oder  Konjunktionen,  wo  die  Lehre  vom  In- 
finitiv und  Acc.  c.  Inf.  angehängt  ist,  jedenfalls  nicht  der  richtige  Platz 
dafür  und  auf  falscher  Auffassung  letzterer  Konstruktion  beruhend; 
b.  Unterordnung  mittels  relativer  Pronomina  und  Konjunktionen.  Die 
Konjunktionen  sind  nach  den  Kasus  geordnet,  wobei  neben  ut,  ubi, 
quoad  u.  s.  w,,  quom  als  Lokativ  gilt,  so  auch  donec  (wegen  doneque 
cum),  während  quin  als  modal,  indem  ein  eigener  Kasus  „Modalis"  an- 
genommen wird,  quo  als  ablativisch  bezeichnet  wird.  Bei  einer  jeden 
Konjunktion  wird  deren  Geschichte  kurz  durchgeführt;  doch,  wie  schon 
die  2.  Auflage  viele  kleine  Besserungen,  Ergänzungen,  Änderungen 
gegenüber  der  ersten  enthält,  so  sind  dergleichen  auch  für  die  Zukunft 
noch  zahlreich  zu  erwarten,  insofern  das  ganze  Litteraturgebiet  noch 
keineswegs  hinreichend  durchforscht  ist.  Historisch  ist  auch  die 
Stilistik  behandelt,  doch  aufserordentlich  knapp,  wie  denn  z.  B.  der 
Satz-  und  Periodenbau  nur  5  Seiten  ausfüllt.  Auch  die  Reinheit  und 
Angemessenheit  der  Sprache,  der  Reichtum  und  die  Mannigfaltigkeit 
der  Darstellung,  die  Einfachheit  und  Kürze  des  Ausdrucks  sind  auf 
wenigen  Blättern,  fast  nur  schematisch,  dargestellt.  Da  in  dem  ganzen, 
von  Schmalz  behandelten  Abschnitte  immer  auch  die  archaische  Sprache, 
die  vulgäre  Ausdrucksweise  und  meist  das  Spätlatein  berücksichtigt  sind, 
so  ist  hier  überall  eine  solche  Eülle  von  einzelnen  Kenntnissen  und 
Resultaten  zusammengedrängt,  dafs  sie  die  Übersicht  nicht  selten  er- 
schwert. Eine  dankenswerte  Zugabe  der  2.  Auflage  ist  der  Sach-  und 
Wortindex,  der  auch  Brugraanns  Griechische  Grammatik  im  selben  Bande 
in  sich  begreift. 

Nur  die   erste  Hälfte    der  Grammatik   umfafst    das    oben    schon 
erwähnte  Buch: 

H.    Schweizer  -  Sidler    und    Alf.    Surber,    Grammatik    der 

lateinischen  Sprache.   Erster  Teil,  2.  Aufl.   Halle,  Waisenhaus  1888. 

280  S.     8. 

Die  erste  Auflage  von  1869,  die  sich  wesentlich  in  den  Grenzen 
einer  Schulgrammatik  hielt,  ist  hier  nach  den  Resultaten  der  dazwischen- 
liegenden 20  Forschungsjahre  wissenschaftlich  umgearbeitet  worden,  so 
dafs  das  Werk  jetzt  auf  diesem  Gebiete  eine  ehrenvolle  Stellung  ein- 
nimmt :  es  ist  besser  geordnet,  reichhaltiger,  kritischer,  zum  Selbststudium 
auch  klassischer  Philologen  geeigneter,  als  die  oben  besprochene  Grammatik 
von  Stolz,  die  dagegen  den  Vorzug  der  gründlicheren  Herleitung  aus 
den  älteren  Formen,  der  Litteraturnachweise  und  Quellenangaben,  sowie 
der  häufigen  Anführung  abweichender  Ansichten  hat.  In  Schweizers 
Grammatik  folgt  nach  kurzer  Einleitung  die  Lautlehre  (S.  5 — 70), 


Allgemeine  Werke.  109 

und  zwar  zuerst  Allgemeines  über  Alphabet.  Aussprache  (zu  dürftig) 
und  Betonung  (dergleichen);  dann  die  Sonorlaute,  unter  welche  die 
Sonanten  verteilt  sind,  so  dafs  in  der  Eegel  von  dem  lateinischen  Laut 
oder  der  Lautverbindung  (em,  en,  or  u.  s.  w.)  in  ihrer  verschiedenen 
Bedeutung  ausgegangen  und  jedesmal  die  Entstehung  kurz  beigefügt 
wh'd.  So  wird  ein  9  faches  ä,  ein  11  faches  e  (mit  mehreren  Unterarten), 
ein  10  faches  Ö  u.  s.  w.  angeführt,  woraus  man  schon  sieht,  wie  ver- 
wickelt die  lateinische  Lautlehre  ist.  Zusammenfassende  Übersichten 
und  entsprechende  Ableitungen  fehlen.  —  Ebenso  sind  dann  die  Konso- 
nanten behandelt  z.  B.  die  Gutturale  in  10  Rubriken,  die  Liquiden  in 
12  u.  s.  w.  Beiden  Hauptarten  der  Laute  folgen  die  Affektionen.  — 
Die  Flexion  (S.  72—175)  ist  wesentlich  innerhalb  des  Rahmens  und 
Schemas  der  Schulgrammatik  geblieben.  An  die  Deklination  der  Adjek- 
tiva  ist  die  Steigerung  angeschlossen;  auf  die  Konjugation  folgen  die 
Partikeln  ohne  Erläuterungen.  Eingehender  und  wissenschaftlicher  ist 
dann  wieder  die  Wortbildung  (S.  175 — 214)  behandelt:  abgeleitete 
und  zusammengesetzte  Verba,  und  Bildung  der  Nomina;  doch  fehlt  auch 
hier  die  Begründung.    Dankenswert  ist  der  Wortindex. 

Vollendet  worden  ist  dagegen  innerhalb  des  vorliegenden  Zeitab- 
schnittes das  gleichfalls  schon  oben  erwähnte  Werk: 

K.  Reisig,  Vorlesungen  über  lateinische  Sprachwissenschaft,  mit 
den  Anmerkungen  von  Fr.  Haase,    neu  bearbeitet    von  H.  Hagen, 
F.  Heerdegen,  J.  H.  Schmalz  und  G.  Landgraf.    In  Calvarys  Philol. 
und  Archäol.  BibUothek  in  3  Teilen  mit  XV  Lieferungen  (Bäudchen  49  — 
55;  78—8;  86—8),  Berlin  1880—90,  428+768^-154^LVI  S.     8. 
Die  früher  erschienenen  Abschnitte:  1.  Teil  (Lfg.  I — IIL  Laut- 
und  Formenlehre)  und  3.  Teil  (Syntax),  Lfg.  IV— VI  S.  1—288, 
enthaltend  die  Konstruktion  der  Substantiva,  Pronomina,  Adjektiva,  Ad- 
verbia,    Negationen,    Konjunktionen    (teilweise)    sind   von  mir    in    den 
Jahresber.  f.  1879—80,    S.  196    und  f.  1883-4,    S.  187—9    erwähnt 
worden.     Hinzugekommen    sind:    3.  Teil,    Lfg.  VII— XII  (Schlufs), 
S.  289—768,  1886—7:  Rest  der  Konjunktionen;  Fragepartikeln; 
Tempus-  und  Moduslehre;  Kasussyntax;  Präpositionen;  Parti- 
cipium,  alles  im  wesentlichen  von  Landgraf  bearbeitet,   mit  einigen 
Ergänzungen    durch    Schmalz;    dann    der  2.  Teil    (Lfg.  XIII — XIV): 
Semasiologie.     Neu  bearbeitet  von  F.  Heerdegen  1888—90,  154  S.; 
endlich  Wort-,  Sach-  und  Stellenregister  (Lfg.  XV),   von  Land- 
graf, 1890,  LVI  S. 

Inbetreff  dieser  neuen  Abschnitte  gilt  vom  Schlüsse  des  3.  Teiles 
das,  was  ich  schon  im  letzten  Jahresbericht  1883 — 4,  S.  188  gesagt 
habe,    dafs  „die  ganze  Anlage  und  Methode  des   zu  Grunde   liegenden 


110  Lateinische  Grammatik. 

Buches  zu  veraltet  war,  und  dais  eine  Neuschöpfung  (wie  sie  jetzt  von 
mehreren  der  Mitarbeiter  angekündigt  ist)  praktischer  gewesen  wäre." 
Zudem  schaden  die  doppelten,  mitunter  dreifachen  Anmerkungen  der 
Übersichtlichkeit.  So  enthält  die  Syntax  wolü  ein  sehr  reiches,  be- 
richtigtes, ergänztes  Material,  aber,  trotz  aller  Mühe  und  Sorgfalt  der 
Überarbeiter,  mangelhaft  geordnet,  ungenügend  verarbeitet  und  schwer 
benutzbar.  Ein  ganz  selbständiges  Werk  dagegen  ist  Heerdegens 
Semasiologie,  wofür  er  nur  unbedeutendes  und  dürftiges  Material 
vorfand,  so  dafs  ihm  eine  ganz  freie  Ausführung  möglich  war.  Für  diese 
hatte  er  in  den  3  Heften  seiner  „Untersuchungen  zur  lateinischen 
Semasiologie",  Erlangen  1875 — 81,  den  Grund  gelegt.  Eingehender 
werde  ich  seine  Arbeit  unten  bei  der  ,,Bedeutungslelu'e"  besprechen. 

Vor  dem  Eingehen  in  die  Einzelheiten  der  Lautlelu"e  erwähne 
ich  noch  ein  allgemeines  ausländisches  Werk: 

S.  Consoli,  Fonologia  latina  esposta  secondo  il  metodo  scientifico 
agli  alunni  delle  scuole  classiche,  2.  verbesserte  Auflage,  Mailand 
(117.  Bd.   der  manuali  Hoepli),  1892.     205  S.     8. 

Schon  der  Umfang  zeigt,  dafs  das  Buch  nicht  für  Schüler  bestimmt 
ist.  Es  enthält  in  7  Kapiteln :  Das  Verhältnis  des  Lateins  zu  den  ver- 
wandten Sprachen;  die  Laut-  und  Schriftzeichen;  die  Vokale;  die  Kon- 
sonanten; den  An-  und  Auslaut;  die  Prosodie  und  Betonung,  und  die 
Silbe.  —  Die  Arbeit  ist  fieifsig,  hauptsächlich  nach  deutschen  Quellen, 
entworfen,  sorgsam  ausgeführt  und  ergänzt,  doch  ist  immerhin  manches 
Veraltete  stehen  geblieben,  ob  aus  Nichtkenntnis  oder  vorsichtiger  Zu- 
rückhaltung gegen  die  neuesten  Forschungen,  bleibt  vielfach  unentschieden. 

Die  Frage  der  Aussprache  des  Lateinischen  ist  nach  dem 
grofsen  Werke  Seelmanns  (s.  Jahresber.  1883—4,  S.  123—136)  nur 
in  kleineren  Schriften,  ohne  wesentlichen  Fortschritt,  behandelt  worden. 

Ganz  verfehlt  ist: 

K.  Pötzl,  Die  Aussprache  des  Lateinischen.  Leipzig,  Friedrich, 
1888.     130  S.     8. 

Er  kommt  durch  gewagte  Schlüsse  und  kühne  Sprünge  zu  der 
„sicheren"  Behauptung:  ,,Die  heutzutage  in  Italien  übliche  Aus- 
sprache des  Lateinischen,  welche  sich  eng  an  das  heimische  Idiom  an- 
schliefst, ist  auch  die  der  alten  Kömer  gewesen."  Die  neueren  tief- 
gehenden Forschungen  sind  dabei  ganz  ignoriert:  in  anmal'sendstem  Ton 
vdrd  gegen  das  jetzt  freilich  in  mancher  Hinsicht  veraltete,  aber  seiner 
Zeit  doch  verdienstvolle  und  meist  noch  immer  grundlegende  Werk 
Corssens  höchst  ungerecht  polemisiert.  Vgl.  meine  Anzeige  in  der 
Berl.  Philol.  Woch.  1889,  S    315  f. 


Aussprache.  111 

Obile  wissenschaftlichen  Wert  ist  auch: 

Aug.  Faulde,  Die  Reformbestrebungen  auf  dem  Gebiete  der 
lateinischen  Orthoepie  und  ihr  Verliältnis  zur  Schule.  Neifse,  1888. 
38  S.     8. 

Nach  einem  summarischen  Überblick  über  die  betreffenden  Be- 
strebungen empfiehlt  der  Verfasser  einen  Mittelweg,  nämlich  quantitäts- 
mäfsige  Aussprache  der  Vokale,  aber  Assibilation  des  c  und  t.  Jeden 
anderen  Änderungsversuch  hält  er  für  aussichtslos.  Vgl.  meine  Anzeige 
in  der  Berl.  Philol.  Woch.  1889,  S.  1313. 

Im  Auslande  hat  inzwischen  die  Reform  der  lateinischen 
Aussprache  die  klassischen  Philologen  eifrig  zu  beschäftigen  begonnen, 
namentlich  im  Sprachgebiet  des  Englischen,  wo  die  Abweichung  von 
der  mutmafslichen  Aussprache  der  alten  Römer  am  schärfsten  hervortritt 
und  dem  gewissenhaften  Forscher  das  lebhafteste  Unbehagen  erregen 
mufs.     Eine  umfassende  Übersicht  der  Frage  giebt: 

M.  Fish  er,  The  three  Pronunciations  of  Latin.  New -York, 
Appleton,  1885.     229  S.    8. 

Eine  weitere  Folge  der  durch  dieses  Buch  für  Amerika  gegebenen 
Am*egung  war  dann  die  Schrift  von: 

H.  Th.  Peck,  Latin  Pronunciation.     New- York,  1890; 
vgl.  die  Anzeige  von  F.  D.  Allen  in  der  Classical  Review  V,  60  f. 

In  England  haben  beide  alten  Universitäten  die  Sache  angegriffen: 
so  einerseits: 

H.  Nettleship,    On  the  Evideuce  given    by    the    ancient  Latin 
Grammarians  on  the  Pronunciation  of  Latin,  in  den  Transact.  of  the 
Oxford  Philol.  See.   1887—88.     S.  9  ff., 
wie  alle  Arbeiten  des  kenntnisreichen  Verfassers,  gründlich  und  tüchtig. 

Andrerseits  erschien: 

Peille,  Postgate  aud  Reid,  Pronunciation  of  Latin  in  the 
Augustan  period  (Statement  of  the  Committee  of  the  Cambridge  Philol. 
Soc),  London,  Trübner,  1887.  8  S.  8;  s.  Acad.  1887,  p.  186  ff. 
vgl.  von  denselben  Verfassern:  Scheme  of  the  reformed  pronunciation 
of  Latin,  in  der  Academy  1886,  S.  170  f;  dazu  H.  Roby,  Reform  of 
Latin  Pronunciation,  ebd.  S.  187;  Ellis  and  Postgate,  Reform  of 
Latin  Pronunciation,  ebd.  205;  J.  P.  Postgate,  The  reformed  Pronun- 
ciation of  Latin,  in  der  Classical  Review  I,  40  ff. 

Alle  diese  Reformversuche  sind  vorläufig  freilich  noch  weit  davon 
entfernt,  auf  den  Brittischen  Inseln   durchgedrungen  zu  sein:    vielmehr 


112  Lateinische  Grammatik. 

ist  die  alte  irrationelle,  aus  dem  17.  Jahrhundert  stammende  Aussprache 
noch  immer  weitaus  die  herrschende.  So  giebt  die  oben  erwähnte,  in  der 
Parallel  Grammar  Series  erschienene  Latin  Grammar  von  E.  A.  Sonnen- 
schein (M.  A.  Oxon.),  1889,  die  „nach  den  neuesten  Forschungen  wahr- 
scheinlich richtige"  Aussprache  des  Lateins  nur  im  Anhange.  —  Im 
ganzen  übrigens  schliefsen  sich  die  englischen  Forscher  für  die  Vokale 
der  deutschen  Aussprache  an,  nur  dafs  sie  ei  und  eu  getrennt  sprechen, 
06  meist  als  langes  geschlossenes  e-,  bei  den  Konsonanten  verwerfen 
sie  die  deutsche  Assibilation  des  c  und  t  mit  Recht;  ebenso  die 
"Weichheit  des  s  zwischen  Vokalen,  indem  der  weiche  s-Laut  für  das  z 
der  Fremdwörter  verspart  bleibt;  im  übrigen  stimmt  die  Aussprache 
auch  hier  zum  Deutschen,  selbst  bei  h  und  n  vor  Guttural. 
Fürs  Französische  sind  zu  erwähnend 

L.  Havet,  Sur  la  prononciation  des  syllabes  initiales  latines,  in 
den  Mel.  latines,  Extrait  aus  den  Mem.  d.  1.  Soc.  de  Linguistique  VI, 
1885.     34  S.     8.  (s.  unten  bei  der  Betonung!) 

M.  Brealj  Sur  la  prononciation  du  c  en  Latin,  Mitteilung  in  der 
Acad.  d.  Inscr.  26.  Sept.  1890;  s.  Eev.  crit.  No.  41;  Mem.  d.  1.  soc. 
d.  Lingu.  VI,  149—156. 

Die  französischen  Forscher  halten  in  begrenzter  Weise  an  der 
Assibilation  fest:  so  giebt  Breal  auch  in  seiner  Grammatik  ausdrück- 
lich an,  die  alten  Römer  hätten  das  c  und  t  in  ci  und  ti  vor  Vokalen 
wie  ein  hartes  s  gesprochen,  während  er  für  c  vor  blofsem  e  und  i  die 
Aussprache  kj  anzunehmen  geneigt  ist.  Im  praktischen  Gebrauch  halten 
sie  die  Trübung  des  u  und  die  Nasalierung  fest,  welche  letztere  sie  auch 
den  alten  Römern  zuzuschreiben  geneigt  sind;  doch  soll  u  vor  m  und  n 
im  Silben-  und  Wortschlufs  wie  o  lauten,  in  letzterem  auch  m  und  n 
nicht  nasaliert  werden;  gn  wird  rein  gesprochen. 

Dagegen  nimmt  Enr,  Cocchiain  seiner  Rassegna  critica  (s.  unten!) 
Kap.  V,  mouillierte,  aber  nicht  nasalierte  Aussprache  des  gn  für  das 
Altlateinische  an. 

Für  Deutschland  s.  noch,  vom  praktischen  Standpunkt  aus,  Fritsch, 
Über  die  Aussprache  des  lateinischen  c  und  t,  im  Gymnasium  V,  337  flf. 
Die    schwierige  Frage  der  Vokalquantität  in  geschlossenen 
Silben  ist  weiter  gefördert  worden  durch: 

Anton  Marx,  Hülfsbüchlein  für  die  Aussprache  der  lateinischen 
Vokale  in  positionslangen  Silben.  Mit  einem  Vorworte  von  Franz 
Bücheier.  Wissenschaftliche  Begründung  der  Quantitätsbezeichnungen 
in  den  lateinischen  Schulbüchern  von  H.  Perthes.  Zweite  Auflage. 
Berlin,  Weidmann,  1889,  84  S.    8. 

Wenn  ich  im  Jahresber.  f.   1883—84    die    erste  Auflage  dieses 


Vokalquantität.    (Deecke).  113 

Büchleins  mit  Freuden  begrülst  habe  als  den  ersten  wirklich  wissen- 
schaftlichen Versuch  zur  Lösung  dieser  wichtigen  Aufgabe,  so  fügte  ich 
doch  hinzu,  dals  viele  Verbesserungen  und  Ergänzungen  in  Aussicht 
ständen.  Diese  Vermutung  hat  die  zweite  Auflage  über  Erwarten  be- 
stätigt, und  diejenigen  sind  schwer  hereingefallen,  die  voreilig  die  Marxi- 
schen Angaben  in  ihre  Grammatiken  und  Lesebücher  eingeführt  hatten. 
Durch  Beschränkung  der  Lachmannschen  Regel  über  die  Dehnung  des 
Vokals  vor  ausgefallener  oder  assimilierter  Media  auf  nur  11  Fälle 
ist  für  eine  sehr  grofse  Zahl  der  gebräuchlichsten  Verbalformen  und 
ihrer  Ableitungen  das  Längenzeichen  wieder  geschwunden;  dasselbe 
ist  in  as-,  os-,  us-  für  abs-  u.  s.  w.  geschehen.  Dagegen  ist  bei  aUen 
inkohativen  Verben  die  Längung  neu  durchgeführt.  Aber  auch  sonst 
haben  eine  gröfsere  Zahl  Substantiva  und  Adjektiva  ihre  Quantität  nach 
der  einen  oder  anderen  Seite  hin  verändert:  so  unsicher  ist  hier  noch 
alles!  Ich  freilich  halte  auch  die  Dehnung  vor  ns  und  nf  nicht  für 
eine  ganze,  echte,  sondern  nur  für  eine  halbe,  unechte,  für  die  gezierte 
Aussprache  gewisser  vornehmer  Kreise,  die  wir  nicht  annehmen  sollten; 
auch  vor  gn  ist  die  Dehnung  ganz  unsicher ;  vor  gm  hat  man  sie  über- 
haupt schon  wieder  fallen  lassen.  Andi-erseits  ist  die  Verkürzung  jeder 
Länge  im  Lmern  der  Wörter  vor  nt,  nd  mit  folgendem  Vokal,  wie  die 
romanischen  Sprachen  zeigen,  ebensowenig  gesichert  (vgl,  meine  Er- 
läuterungen zur  lat.  Schulgr.  S.  9).  Einer  gründlichen  Reform  bedürften 
die  etymologischen  Bemerkungen,  bei  denen  fast  jede  Spalte  Fuhaltbares 
oder  Zweifelhaftes  bietet.  Vgl.  meine  eingehende  Anzeige  in  der  Berl. 
Philol.  Woch.  1890,  S.  255  ff. 

Zusammengefafst  sind  die  neueren  Untersuchungen  über  die  Aus- 
sprache des  Lateinischen  in: 

H.  T.  Karsten,  De  uitspraak  van  het  Latijn.     Amsterdam, 
Delsmami,  s.  a.,  166  S.    8. 

Eine  fieifsige  sorgsame  Arbeit  ohne  eigene  Neuerungen. 

Eine  Hauptquelle    für  die   Fixierung    der  Vokalquantitäten 
ist  eingehend  behandelt  worden  in: 

Jac.  Christiansen  de  apicibus  et  i  lougis.  Kieler  Inaugural- 
dissert.,  Husum,  1889,  61  S.    8. 

Der  Verfasser  hat  mit  grofsem  Fleiis  die  bis  dahin  erschienenen 
Bände  des  Corpus  Inscr.  Lat.  und  die  sonstigen  wichtigeren  zuverlässigen 
Quellen  durchgearbeitet  und  nicht  unbedeutende,  ziemlich  sichere  Re- 
sultate erzielt.  —  Der  apex,  dessen  beide  ältesten  FäUe,  von  150  u. 
120  V.  Chr.  für  nachträgliche  Zusätze  erklärt  werden  (?),  da  auch  die 
nächsten  Fälle  von  71  u.  59  v.  Chr.  vereinzelt  sind  und  er  erst  seit 
40  V.  Chr.  häufiger  vorkommt,  hatte  anfangs  verschiedene  Formen,  seit 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    LXXYII.  Bd.  (18'J3.  III.)        8 


114  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

August  regelmälsig  diejenige  des  Akuts.  Der  Vei-fasser  Mit  den 
M.  Terentius  Yarro  für  den  Erfinder  des  Zeichens,  was  sehr  gewagt  ist. 
Dasselbe  hält  sich  dann  in  ausgedehntem  Gebrauch  bis  150  u.  Chr.  — 
das  Monumentum  Ancyranum  hat  375  apices  — ,  dann  wird  es  seltener 
bis  Diokletian,  wo  es  verschwindet:  auf  das  i  tritt  es  erst  im  2.  Jahr- 
hundert n.  Chr.  (doch  vereinzelt  schon  excidere  im  Mon.  Aucyr.):  fehler- 
haft steht  es  sogar  auf  i  longa  und  Diphthongen.  Am  häufigsten  und 
exaktesten  angewandt  findet  der  apex  sich  in  Rum  selbst  oder  in  Kopieen 
römischer  Inschriften,  wie  das  Mon.  Ancyranum:  dann  in  Hispania, 
Gallia  Narbonensis  u.  s.  w.,  unsicher  in  Afrika,  gar  nicht  in  Britannia: 
die  Steinmetzen  der  Provinz,  je  weiter  von  Rom,  waren  um  so  weniger 
gebildet.  Mitunter  dient  er  zur  Unterscheidung  gleichlautender  Formen 
z.  B.  mänibus  von  mänibus.  Xicht  zu  verwechseln  ist  er  mit  dem  die 
Konsonantenverdoppelung  bezeichnenden  sicilicus,  sowie  mit  gewissen, 
ihm  oft  ähnlichen  Abkürzungszeichen.  —  "Während  Accius  das  lange  i 
durch  den  Diphthong  ei  bezeichnete,  findet  sich  seit  Sulla  und  besonders 
im  1.  Jahrhundert  nach  Chr.,  doch  nie  konsequent  durchgeführt,  dafür 
die  i  longa  ( | ),  vielleicht  auch  von  Varro  wenigstens  empfohlen;  da- 
neben bezeichnet  sie  auch  an- wie  inlautendes  j,  endlich  kontrahiertes  ii; 
bisweilen  ist  sie  nur  dekorativ,  falsch  angewendet. 

An  Resultaten  ergiebt  sich:  1.  Längung  des  Vokals,  doch  ohne 
jede  Konsequenz,  oft  angezeigt  vor  ns,  nur  einmal  (durch  apex>  vor  nf; 

2.  bisweilen  vor  nc,  ng,  ugu,  nx;    in  quinque  und  seinen  Ableitungen; 

3.  vor  et  in  victus  „besiegt",  doch  erst  spät  (durch  Eiuflufs  von  victus 
»Lebensweise"?);  4.  vor  x  =  gs  und  in  träxi  (Prise,  träxi);  nicht  vor  x  = 
CS,  ausgen.  düxi;  5.  vor  gm  (natürliche  Länge?),  nicht  immer  vor  gn  (sogar 
cögnitus):  6.  vor  r  impura  in  Märti  und  Marcus,  quilrtus,  ördo,  örnare, 
forma,  Hercules;  7.  vor  sc  in  den  Inkohativen  (stets?),  in  viscera, 
Priscus,  Röscius;  8.  vor  st  in  jflstus,  pästor,  Pestus  u.  s.  w.,  nicht  z.  B. 
in  magister,  minister;  9.  oft  in  -issimus,  doch  auch  sonst  vor  ss,  11,  rr 
(vgl.  die  französische  Aussprache);  10.  nicht  selten  vor  nt  (gegen  die 
bekannte  Regel);  ferner  Mäulius,  cönjunx;  11.  emptum.  —  pius  und  dies 
hatten  vulgäres  I;  Vib|us  ist  Vibjus  zu  lesen.  ('?  s.  etr.  vipiies). 

Greifen  diese  beiden  letzten  Abhandlungen  schon  in  die  Lehre 
von  den  Vokalen  und  Vokalaffektionen  hinüber,  so  will  ich  doch, 
ehe  ich  zu  dieser  übergehe,  die  mit  der  Aussprache  eng  zusammen- 
hängende Itetojiujig'slrago  besprechen.  Die  wichtigste  Untersuchung 
darüber  ist  enthalten  in  dem  unten  noch  zu  besprechenden  Buche: 

R.  Seymour  Conway  Verner's  law  in  Italy,  an  Essay  in  the 
history  of  the  indo-european  sibilants,  with  a  dialect  map  of  Italy 
by  E.  Heawood.     London,  Trübner,  1887,  120  8.    8. 


Betonung.    (Deecke).  115 

Nach  dieser  Untersuchung  ist  die  Stimmhaftwerdnug-  des  s  zu  z, 
nnddes  letzterenÜbergang-  in  r,  derRhotazismns,  durcli  Tonverhältnisse 
bedingt,  und  es  ergiebt  sich  für  das  Lateinische  daraus  die  Schluls- 
folgerung,  dafs  der  lateinische  Accent  ursprünglich  weder  durch 
Quantität,  noch  durch  Silbenzahl  gebunden  war:  dafs  er  dann  zunächst, 
ehe  der  Rhotazismus  begann,  also  vor  450  v.  Chr.,  durch  die  Quantität 
gebunden  wurde,  sodals  er  über  eine  lange  vorletzte  oder  drittletzte 
Silbe  nicht  zurückgehen  konnte  (erster  Accentwechsel);  dafs  er  dann, 
nach  der  Vollendung  des  Rhotazismus,  also  nach  350  v.  Chr.,  auch  durch 
die  Silbenzahl  gebunden  d.  h.  auf  die  drittletzte  Silbe  beschränkt 
Avard,  selbst  wenn  diese  und  die  vorletzte  kurz  waren  (zweiter  Accent- 
wechsel). —  Es  bleiben  allerdings  bei  dieser  Annahme  viele  Schwierig- 
keiten, die  der  Verfasser  nicht  immer  befriedigend  zu  beseitigen  gewufst 
hat.  Vgl.  meine  eingehende  Anzeige  in  der  Woch.  f.  klass.  Philol. 
1888,  No.  24. 

Allgemeiner,  aber  ohne  Spezialforschung,  ist  die  ungefähr  gleich- 
zeitig geschriebene  Abhandlung: 

Fr.  Stolz,  Giebt  es  wirklich  keine  Spuren  einer  älteren  Betonung 
des  Lateinischen.     Wiener  Studien  1886,  S.  149—158. 

Auch  Stolz  entscheidet  sich,  gegen  verschiedene  konservative  Ver- 
treter der  altklassischen  Philologie  und  z.  T.  Corssen,  für  die  Be- 
jahung jener  Frage,  ohne  wie  Conway  2  Stufen  zu  unterscheiden;  er 
führt  für  die  ältere  Betonung  folgende  Fälle  an:  die  Erhaltung  des  v 
in  nävis  (=  väFoc),  bovis,  JoAds,  gravis,  aevüm  u.  s.  w.,  während  v  nach 
dem  Ton  ausfiel  (dagegen  Brugmann  Vgl.  Grammatik);  die  Schwächung 
des  "Wurzelvokals  in  peperci,  fefelli  u.  s.  w. ;  sowie  des  Vokals  der  zweiten 
Silbe  in  Tärentum  (noch  jetzt  Täranto),  Hercules  u.  s.  w.:  den  Ausfall 
des  i  in  bäl(i)neum,  vig(i)lias  (C.  I.  L.  I,  1239)  u.  s.  w.;  die  Schwächung 
im  2.  Teil  der  Komposita,  wie  iucTdo,  conscendo  u.  s.  w.,  auch  inqui- 
linus  u.  s.  w.;  im  ersten  Teil  derselben,  wie  Opiter  =  *avi-pater;  nun- 
cupo  =  *nümi-cupo  (auch  im  2.  Teil  geschwächt);  Tröiugena  (neben 
Asiagenus);  Xaepori  =  " Xaevi-pueri ;  Benventod,  oinvorsei,  vinde- 
mia  u.  s.  w.,  auch  benivolus,  malivolus;  ferner  in  Fremdwörtern  'Alixen- 
trom,  'Agrigentum:  PöUux,  cüpressus  u.  s.  w.:  dann  im  Vokativ  Väleri(e)y 
doch  s.  unten!;  reccidi,  repperi  u.  s.  w.  =  rececidi  u.  s.  w. ;  mäximus  = 
=  *  mäg(i)sumus ,  ebenso  oxime,  proxime  u.  s.  w.;  jüxta  =  *jug(i)sta; 
indigeo,  indigito  =  *ind(u)-agito,  aa.;  auch  ganze  Silben  fallen  weg,  wie 
in  se(mi)libra.  Thurneysen  glaubt  im  Voranfange  des  Saturniers  die 
Betonung  bicorpores,  Gigäntes  nachweisen  zu  können  (s.  Jahresber.  über 
Altlateinisches  u.  s.  w.);  dialektisch  sind  die  Elisionen  in  Herclo,  Popdis, 
Visni  u.  s.  w.  Stolz  nimmt  im  5.  Jalu-hundert  der  Stadt  noch  die 
ältere  Betonung  an;  vor  der  litterarischen  Periode  war  sie  beseitigt. 


\IQ  Lateinische  Grammatik.     (Deecke.) 

Ähnlich  stellt  Enr.  Cocchia  iu  seiner  Rassegna  critica  di  filo- 
logia  e  ling-uistica  (Turin,  LJischer,  1887,  113  S.  8)  in  Kap.  II,  S.  31 
—32,  neue  Beweise  dafür  auf,  dals  das  Lateinische  archaisch  unab- 
hängig von  der  Quantität  der  paenultima  betonte;  dagegen  sucht  er 
festzustellen,  dals  der  Vokativ,  wie  der  Genitiv,  Valeri  lautete  und  der 
angebliche  Unterschied  der  Betonung  eine  Erfindung  der  Grammatiker 
sei.  Auch  ist  sehr  zweifelhaft,  ob  das  -i  des  Vokativs  aus  -ie  ent- 
standen ist  (Brugmanu,  Vgl.  Gramm.  II,  540). 

Zwei  verschiedene  Accente  nimmt  wieder  L.  Havet  in  seinen 
Melanges  latines  (Paris,  Impr.  Nat.,  1885,  34  S.  8)  an,  indem  er  im 
ersten  Abschnitt  die  Behauptung  aufstellt:  „Die  Anfangssilbe  hatte  im 
Lateinischen  stets  einen  exspira torischen  Accent  (Wortton),  ver- 
schieden vom  musikalischen  Accent  auf  der ~ sogenannten  Tonsilbe." 
Von  jenem  ersten  energischen  Accent  leitet  er  die  Vokalschwächung 
der  folgenden  Silben  her,  welche  der  musikalische  Accent  nicht  hindern 
konnte.  Erst  in  später  Zeit,  nach  der  klassischen  Periode,  verwandelte 
sich  der  musikalische  Accent  in  den  exspiratorischen  der  romanischen 
Sprachen.  So  verschiedene  Anschauungen  giebt  es  hier  noch;  vgl.  noch 
Jahresber.  1883—4  über  Seelmanns  „Aussprache",  S.  124. 

Die  eben  gestreifte  Frage,  ob  der  Wortton  in  der  altlateini- 
schen Poesie  zur  Geltung  gekommen  sei,  von  W.  Meyer  „Wortaccent 
in  der  altlateinischen  Poesie"  (München,  Franz,  1884,  4)  behandelt,  ist 
jüngst  von  C.  M.  Zander  De  lege  versificationis  latinae  summa  et  anti- 
quissima  (ans  den  „Gelehrten  Schriften  der  Universität  Lund",  Bd.  26, 
28  S.  4)  entschieden  verneint  worden,  auch  für  den  Saturnier  der 
ältesten  Zeit;  vgl.  dagegen  meine  „Erläuterungen  zur  lat.  Schulgr." 
S.  20-22. 

Kleinere  Besprechungen  sind: 

J.  Netuschil,  Zur  Theorie  der  altlateinischen  Betonung,  in  der 
Russ.  Phil.  Rundschan  11,  202  (in  russ.  Sprache). 

W.  M.  Lindsay,  Latin  Accentuation ,  in  der  Class.  Review  V, 
373  ff.  u.  402  ff.  (über  Enklisis). 

Hickcthier,  Zur  Betonung  des  Lateinischen.  Prgr.  Cüstrin 
1889,  12  S.    4. 

Eine  praktische  Spezialfrage  ist  behandelt  in: 

C.  Wagener,  Über  die  Betonung  der  mit -que,  -ve,  -ne,  -ce  zu- 
sammengesetzten Wörter,  im  Gymnasium  IV,  737  ff.; 

Vgl.  dazu  S.  Dosson  que,  ne,  ve  apres  un  e  bref  in  der  Revue 
de  phiiol.  XIV,  55  f.,  so  wie  unten  in  der  Syntax  bei  -que!  Entschieden 
sind  die  Einzelheiten  dieser  Frage  noch  nicht;  s.  meine  ,, Erläuterungen 
z.  lat.  Schulgr."  S.  21—22. 


Lautlehre,    (üeecke).  117 

Zur  Lautlelirc  der  Vokale  i;nd  Konsonanten  erwähne  ich 
zunächst  als  fürs  Lateinische  vielfach  wichtig;^) 

P.  Kretschmer,,  Indogermanische  Accent-  und  Lautstudien,  in 
Kuhns  Zeitschrift  für  vergleich.  Sprachforschung,  Bd.  XXXI,  S.  325 
—472. 

Die  erste  Abhandlung  freilich  (S.  325 — 65)  „über. den  Accent" 
bewegt  sich  durchaus  auf  vorlateiniscliem  Gebiete;  die  zweite  aber  ,,Zum 
indogermanischen  Vokalismus"  (S.  366— 411)  behandelt  im  2.  Abschnitt 
,, Yokalabstufung  in  unbetonten  Silben"  (S.  378  ff.)  zunächst 
die  Entstehung  eines  lat.  a  aus  e  =^  gr.  i  in  derartigen  Silben  z.  B.  quattuor 
=-=  TTiaups?  (mit  sekundärem  Accent);  pando  (s.  auch  pateo)  neben  m-^riiu 
(ebenso);  scando  neben  ay.tovrjix';  palleo,  pallidus  neben  t:iav6c;  lapis  neben 
al'iiki'\i  (kühn!);  vgl.  auch  maneo  neben  \i.hio,  aper  neben  ahd.  ebur.  Be- 
stätigt sich  diese  noch  keineswegs  gesicherte  Auffassung,  so  würde  sie 
weitergreifende  wichtige  Folgen  haben.  —  Von  S.  380  an  werden  eine  Reihe 
von  I  und  ü  betrachtet,  die  entstanden  sein  sollen  durch  Verschmelzung 
von  i,  resp.  u  mit  einem  kurzen  Vokal,  der  teils  vorherging  und  auf 
Schwächung  einer  Länge  beruhte,  teils  folgte,  und  dann  entweder  der- 
selben Entstehung  war  oder  sich  unkoutrahiert  als  ä,  e,  ö  darstellt. 
Solche  Beispiele  sind:  vi-giuti,  zweimal  mit  dualem  i  =  i-e  (s.  unten  bei 
den  Zahlen!);  tri-gintä  zu  -pia:  genitri-x,  regi-na  u.  s.  w.  zu  gr.  li; 
simus  u.  s.  w.  ^  sia-,  s.  siem;  vi-vus  =via-,  s.  C'']<70[ji,ai,  i^tupo?,  C'^--  nait 
^  =  g^i-;  sti-pare,  sti-ria  mit  13  neben  ind.  sthjä-;  vi-tis,  vitor,  vimen  mit 
19  neben  viere;  ira  mit  ia  neben  Cwpoc  (doch  s.  oben!),  sl.  jarü  „iratus" 
(a  aus  ä);  anticus,  -iquus  zu  oq  ,,Auge",  also  „nach  vorn  sehend"  ('?); 
ferner:  ürina  aus  U9,  s.  ind.  väri  Wasser;  dürus  zu  or^v  =  *oFäv;  andrer- 
seits pö-culum  u,  s.  w.  aus  *poi-  zu  *p5i;  üva  aus  uu-va  von  üu-  (?); 
mörus,  -rio  zu  [j.oupaiv8i;  zweifelhaft:  fücus  zu  »cpr,;:  sura  zu  Spr]  = 
'•'cFwpY);  ferner  wieder  sicher:  rümor  neben  rävus,  raucus  u.  s.  w.;  nügae 
neben  naugae,  nögae;  zweifelhaft:  cörus  neben  caurus  zu  got.  sküra 
„Eegenschauer" ;  suo,  spuo,  vielleicht  mit  urspr.  ü  =  iau;  moveo  zu  ind. 
mivati ;  glöria  neben  in-clutus  von  Wurzel  kleu .  Vor  folgender  Doppel- 
konsonanz pflegt  die  Kontraktion  zu  unterbleiben.  —  Eine  andere  Be- 
hauptung (von  S.  422  an)  leugnet  ursprüngliche  lange  liquida  oder 
nasalis  sonans  (s.  oben  B  echt  eis  Probleme!)  und  nimmt  statt  dessen 
zweisilbige  Wurzeln  an,  mit  zwei  starken  Formen  z.  B.: 

I.   era,    europ.  eiä;    tonlos  »ra,    vor  Vokalen  H':    trat    ein    zweiter 

Accent  vor,  so  schwand  das  ^ 
II.  rä*,  europ.  rä^,  tonlos  rä  (doch  nur  selten);  zweifelhaft  ob  auch 

är,  tonlos  ar? 

^)  Diese,  wie  die  folgenden  Arbeiten,  enthalten  auch  schon  viele  Ety- 
mologieen,  die  ich  unten  nicht  wiederhole. 


113  Lateinische  Grammatik.    (Deecke). 

L  a  t  e  i  n  i  s  c  li  e  Beispiele  solcher  zweisilbigen  Wurzeln  sind :  domi-tus, 
-tor;  dome-s-ticus  (s.  ösp-a-;),  domi-nus;  genitor  neben  gnä-tus,  -scor; 
ana-(t)s  neben  v/^-jaa;  simi-la  neben  «yiaaOoc;  tene-brae  neben  tem-ulentus, 
iüd.  tami-sra-;  jaui-trices  -^  *j*nc>-.  Es  tritt  dabei  ablautender  Wechsel 
von  ä,  e,  ö  ein  z.  B.  strätus  =  jTptu-o?;  gnätus  neben  ^vv^ato;,  -/viotoc: 
trägula  =  Tpcu-j'X-^;  plenus  neben  -Xaöo;  (dialekt.  =  -Xri&os), 

Die  dritte  Abhandlung  „Zum  indogermanischen  Kon- 
sonantismus" (S.  412  ff.)  bespricht  unter  1.  Die  anlautenden  Ver- 
bindungen von  Labialen  und  Gutturalen  mit  Dentalen  z.  B.  lat. 
(p)sternuo  neben  -(3)-ctpv'j[jLt  (von  pstrnu-);  zwfh.  con-sterno  u.  s.  w. 
neben  -tapcu;  ferner  silva  =  *ksulva  neben  i'JXov;  sicher:  (k)super 
aus  ec-super,  E;-'j-cp-9e  u.  s.  w.,  auch  (k)sub  (mir  höchst  unsicher); 
zwf.  scruta  =  ex-  YpuTr^  (nach  Osthoff) ;  sicher  sex  —  k-svek's;  südor  zu 
ind.  ksvidate;  (ks)novacula  von  *novare  „scheren"  zu  *ksneumi,  iud. 
ksnaüti  „er  wetzt"  (s.  Nachtrag  S,  470);  (p)simila  zu  ij^a'fxaöo;,  (s.  oben!) 
neben  (p)sabulum  (ps  aus  bhas  zerreiben,  kauen);  vielleicht  tata  = 
*ptata  zu  pater  (?) ;  ferner  veru  =  *bdveru ,  s.  ["-ioapoi  neben  ^apos?  = 
oEvopa;  tilia  =  -TsXsa:  vesper-(p)tilio  zu  —i'Äov  „Flügel-',  von  pet 
fliegen  (er  =  ro);  pro-(p)tervus  (vielleicht  Fest.  245  altlat.  erhalten; 
nach  Vokal,  wie  ior-wj-o;)  neben  zpo  -  -tzr^x  so  auch  Lehnwörter 
(S.  471),  wie  (p)tisana;  (C)Tesifon;  (c)tunica;  anders,  init  erhaltenem 
ersten  Element:  im-buo  (b  =  bb  =  bd)  neben  aXt-Vyju),  sonst  6uw  (nach 
S.  Bugge);  perna  = -tepva  (zwf.);  pinso,  pistor  zu  -ticjsto;  quartus  = 
*ctvartos  (eher  =  *quatrtus);  heri,  hes-ternus  neben -/öej;  immus,  homo, 
humilis  u.  s.  w.  neben  yöcuv,  y{>a|xaXo?  (Grundform  g^dxhöm);  vielleicht 
tran(s)-quillus  zuy.ti'Xoc;  situs  „Moder"  zu 'filiji;,  ind.kHitis(Grdf.kH'^i-ti-).— 

Es  ergiebt  sich  hieraus  eine  zweite,  dem  s  sich  nähernde  Dental- 
reihe: t^,  t-^h,  d^',  (d^h);  so  führen  gr. /t,  t:t,  9 ö  auf  t\  t-^h  +  Guttural 
oder  Labial,  mit  Umstellung,  zurück,  während  lat.  z.  ß.  spuo  =  tttuw 
dafür  s  zeigt,  indisch  s  oder  s.  —  2.  u-Epenthese,  lateinisch  intaurus; 
clünis  neben  y.ÄovPi;  (S.  448 — 9).  —  Es  folgt  noch  ein  Exkurs  über 
öu  im  Latein  (S.  451  ff.).  Lateinisches  ü  entsteht  nicht  aus  ou,  eu, 
sondern  aus  ou,  auch  eu,  schwach  au  z.  B.  im  Dual  duu,  ambö,  auch 
octö  =  -öu;  ferner  bös;  söl  =  *söul,  am*,  söl;  ös;  nögae  neben  naugae; 
Omentum  zu  -uo  in  ind-uo  (anders  Windisch,  s.  u.);  tömentum  s.  gr. 
T'j/.r,;  glös  =  -,'aXüjF?  (danach  flös,  rös  u.  s.  w.);  Gen.  domos  (Augustus 
nach  Suet.  87)  ^=  *domöus,  s.  avest.  bäzäus  (also  kann  das  ü  in  diu, 
noctu  u.  s.  w.  nicht -^  lokat.  öu,  ind.  äü  sein);  zwf.  mötum,  fötum,  vötum; 
sicher  lötum,  lömentum  zu  Xo'jtu,  lavo;  nönus,  s.  avest.  näumö  „der 
neunte";  tötns;  rubus;  röblgo;  glöria  ^  *clövesiä  (s.  oben!);  öpilio,  s.  ind. 
ävi-kam;  die  Komposita  prörsus,  aliörsus  u.  s.  w.  aus  *provorsus,  *prö- 
ursus  u.  s.  w.;  ömen,  alt  ösmen,  vielleicht  =  *övismen,  s.  oFtw,  dviuFiaxo;. 


Lautlehre.    (Deecke).  119 

Nicht  begTüüdet  ist  denmacli  das  o,  sondern  irrtünilicli  eingedrungen  in 
nöntiare^  lösna,  uondiuum,  Pöblicai,  coraverunt  u.  s.  w.  (Vulgärformen). 

—  Andrerseits  darf  li  nicht  auf  öu,  ö  zurückgeführt  werden,  auch 
nicht  auf  öi,  öi,  die  gleichfalls  ö  geben,  wie  im  Dat.  Sg.  der  2.  Dekl., 
in  pö-tus  u.  s.  w.  von  der  "Wurzel  pöi_  (schon  indogermanisch?),  in  nön  = 
*üöinom  u.  s.  w.  Demnach  ist  hüc  =  *hoi-c(e)  u.  s.  w.  Unklar  ist 
für  neben  cpcop;  hnmanus  scheint  durch  Mischung  von  hum-  und  höm- 
entstanden  (?);  lacüna  steht  neben  lacöna,  wie  gr.  /eXu?  neben  -/eÄwvr,, 
es  gehört  zu  lacus  (laccus)  =  *Xa-/.Fo?,  Xaxxo?;  das  Part.  Fut.  -türus 
(resp.  -sürus)  gehört  nicht  zu  -tör,  sondern  ist  aus  *-tü-ro-s  ent- 
standen, gehört  also  zum  Supinum  (?,  s.  u.  beim  Vei'bum !) ;  vgl.  sa-tü-r(os) 
und  die  Desiderativa  auf  -tü-rire  (resp.  -sü-rire)  von  -tü-ro-;  die  Ab- 
strakta  auf  -türa  (resp.  -süra)  enthalten  noch  keinen  Futurbegriff  (doch 
s.  natura!).  Die  iuschriftlichen  Ablative  [objlatud,  [nefjastud  u.  s.  w. 
sind  wieder  vulgäre  Entartungen.  —  Es  läfst  sich  nicht  leugnen,  dafs 
hier  recht  beachtenswerte  Gesichtspunkte  mit  Konsequenz  durchgeführt 
sind,  doch  ist  jedenfalls  eine  genaue  Nachprüfung  sehr    wünschenswert. 

Eine  andere  gründliche  und  geistvolle  Arbeit,  die  beide  Gebiete 
der  Lautlehre  berührt  und  sich  speziell  mit  dem  Lateinischen  be- 
schäftigt, ist: 

F.  Fröhde,    Zur  lateinischen  Lautlehre,    in  Bezzenbergers  Bei- 
trägen z.  K.  d.  idg.  Sprachen.   Bd.  XIV,  80—116  u.  XVI,  181—221. 

Vgl.  von  demselben  Verfasser  im  Jahresber.  für  1881  —  82, 
S.  324 — 7  „Über  den  lateinischen  Ablaut".  —  Die  erste  der  obigen 
Untersuchungen  betrifft  die  Lautgruppe  vit,  nebst  im  und  labialem 
/c-Laut  mit  ?<  (quü,  guü),  und  enthält  eine  eingehende  Prüfung  der  Vor- 
arbeiten, besonders  von  Corssen,  Brambach,  Bersu.  Es  werden 
drei  Fragen  aufgestellt  und  beantwortet:  I.  Hat  das  Latein  jene  Laut- 
gruppe aus  dem  Indogermanischen  ererbt?  Nein!  Diese  Untersuchung 
fiQlt  aufserhalb  des  Lateinischen.  —  IL  Giebt  es  spätere  Formen,  welche 
jene  Lautgruppe  im  vorhistorischen  Latein  als  selbständig  entwickelt 
voraussetzen?  Auch  darauf  antwortet  der  Verfasser  mit  „Nein",  und 
geht  die  einzelnen,  in  Betracht  kommenden  Fälle  in  8  Gruppen  durch: 
1.  Der  nom.  und  acc.  der  Stämme  auf -f o,  -2«o  behielt  diese  Lautform ; 
-quo  ward  nicht  zu  -co  (gegen  Bersu).  —  2.  Dieselben  Stämme  be- 
hielten das  0  vor  suffixalem  1  z.  B.  Deminutiv  servolus.  —  3.  das  ö 
des  gen.  pl.  derselben  Stämme  blieb  z.  B.  divöm,  später  divoni;  aber 
duüm-virüm,  dessen  beide  ü  vielleicht  auch  später  nicht  verkürzt  wurden, 

—  4.  In  konsonantischen  Stämmen  der  gen.pl.:  bovom  oder  boura ; 
ebenso  lovom  oder  loum.  —  5.  Im  nom.  sg.  der  Neutra  auf  -e/os  trat 
Zusammenziehung  ein  z.  B.  thüs=9'joc;  püs  =  tcuos;  rüs;  jus,   alt 


120  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

Jons  (ind.  jo>) ;  aber  stercus  =  *sterqu-us.  —  6.  In  der  3.  pl.  praes. 
lud.  .j.  conj.  blieb  das  urspr.  0  nach  V,  u,  qu:  -out,  -ontur:  aber  bount 
(wie  boum).  —  7.  Es  blieb  vol-  im  Anlaut:  Yolcanus,  volnus,  voltus  i\.  s.  w. ; 
bei  Verkürzung-  trat  ul-  ein:  Ulsiuiensibus  uebeii  Yols-;  ulcisci,  bei 
riautus  auch  noch  volcisci;  Ulcus ;  ultro;  zwf.  adulter  (zu  velle?).  — 
Ein  Exkurs  behandelt  die  Lautverbindung-  ol,  oll,  die  verschiedenen 
Ursprungs  ist,  der  nicht  immer  leicht  zu  erkennen  ist:  ol  =  I,  Ablaut 
von  el.  ^0-1;  oll  =  11,  =  ol-n  u.  s.  w.  —  8.  enthält  Einzelheiten: 
Mavortei  und  Maurte,  indem  vo  vor  r  + Konsonant  durch  vu  zu  u 
wird  (s.  unten!);  uxor,  bei  Plautus  auch  noch  voxor  (zu  au^w?);  avon- 
culus;  furunculus  aus  *ferv-  oder  *forv-ou-culus  zu  fervere  (?);  uncus 
aus  *voncos  —  Fo-j-y.o;,  s.  lit.  wanszas;  ungustus  zu  deutsch  „winkel". 
Es  wird  nämlich  07ic,  und  so  auch  vonc,  regelmäl'sig  zu  unc  (doch  s. 
avonciüusl);  07ig  bald  zu  ung,  bald  bleibt  es.  —  III.  Wie  verhält  sich 
das  Latein  in  seiner  geschichtlichen  Entwicklung  zu  der  obigen 
Lautgruppe?  —  In  der  archaischen  und  klassischen  Zeit  bis  gegen  Ende 
der  Republik  ward  sie  konsequent  gemieden;  erst  in  der  Augusteischen 
Zeit  tritt  sie  auf.  Aulser  den  schon  unter  11  gegebenen  Beweisen 
kommen  hierfür  noch  folgende  Fälle  in  Betracht:  ferbui  mitb  statt  v(?); 
vgl.  büra  u.  s.  w.  zu  -jüpo?;  bübo  zu  puFa; ;  vielleicht  bulla,  ebuUire  u.  s.w.(?). 
Nicht  aus  *divos  entstand  dius,  nu-dius,  sondern  es  enthält  ursprüngliches 
u,  wie  diu,  diütinus,  diuturuus  u.  s.  w.,  so  auch  sub  diu;  aber  diurnus-= 
*divornus  (s.  oben  JMaurte!);  ferner  steht  calumnia,  neben  calvi,  für 
"calvomnia  (?) ;  cuturnium  für  *cutvornium  (s.  gr.  y.-jT-apo;  = '■'-/.'jtF-), 
danach  analogisch  gebildet:  gutturnium;  faustus  =  *fa(v)us-tus  aus 
'^favostus;  aber  auch  ürina  =  *v5rina,  s.  ind.  väri  (anders  oben 
Kret Schmer);  ob-turare  =  *ob-tvörare,  s.  gr.  jcüpo;  =*TFu)p6c;  surus  = 
*svöros,  s.  ind.  sväru  Pfahl;  subüra  zu  uTiFojpeio;:  vier  Fälle,  die 
zeigen,  dafs  ör  regelmälsig  zu  iir  wurde  (Ausnahme  ignöro;  Suffix 
-tör-  u.  s.  w.;  doch  -türa,  s.  oben!).  Anlautendes  vor  wurde  itr  z.  B. 
urgeo  -^  *vorgeo,  Wurzel  verg  (doch  vorto,  vorsus  mit  Ablaut?);  ur- 
runcum  zu  o-üpa/o;  =  Fopa-a/o;  (a  =  n?),  Wurzel  vers;  urbs  zu  persisch 
vardana-:  urvus  zu  ind.  vrgina-  (doch  osk.  uruvu!);  auch  nach  Guttu- 
ralen: curro  =  qvrso,  s.  equirria  =- ""equi-quirs-ia;  vielleicht  gurdus  = 
•grordus  oder  gvijdus;  gurges  zu  ahd.  quercha  oder  gr.  ppuy-  =  *gvrgh-.  — 
Es  folgt  ein  Exkurs  über  t'  nach  Konsonanten:  dv  wird  anlautend  b, 
inlautend  du;  /?•  anlautend  t,  inlautend  tu  (doch  nicht  ohne  i^usnahmen!); 
•sra  bleibt;  sva  wird  sa('.'');  sve  bleibt  (suescere),  ausgenommen  se  „sich",  wo" 
V  vielleicht  schon  vorlateinisch  geschwunden  war,  s.  got,  si-k;  dasselbe  ist 
wohl  für  sex  und  serenus  anzunehmen,  da  anlautendes  sve  sonst  zu  so  wird; 
aber  severus  =  ''segverus  (.');  sons  zu  dtsch.  „sünde"  (anders  Brugmann, 
s.u.!);sonticus  zugr.ayösv-ty.o;;  svi  wird  si  z.B.sidus  zu  lit.  s^^dus  glänzend; 


Lautlehre.    (Deecke).  121 

sifilus  u.  s.  w.  zu  got.  sviglon,  gi".  ciFt^cu;  sino  zu  aiir.  svina  schwinden-, 
Situs  „Moder"  zu  mhd.  svinen;  sinus  zu  ahd.  svibogo  (?);  sibi;  arch. 
sis  =  suis;  Sic,  si  u.  s.  w.;  svö  wird  so:  arch.  sös  =  suös;  sodälis  zu 
iud.  svadhä  (?):  ebenso  soleo  (mit  1  =  dh);  aber  solidus  zu  got.  ga-suljan, 
dtsch.,, schwelle";  solum,  soliuni,  soleazu  gr.  uMa,  got.  sulja  —  ■■svljä  u.s.w. ; 
südare  =  *svoidäre.  Parallel  den  betrachteten  u-  Verbindungen  stehen 
ji,  ii,  auch  diese  nicht  indogermanisch.  Im  vorhistorischen  Latein 
ward  ji  zu  i;  ii  zu  i  oder  durch  Dissimilation  ie  z.  B.  ebiietas  (vielmehr 
blieb  das  korrektere  e  erhalten!),  lienis  (später  lieuis),  variegare;  ver- 
einzelt mediocris.  Die  Ausnahmen  im  Perfekt,  wie  periimus,  petiimus, 
erklären  sich  aus  Systemzwang;  n  blieb  teils,  teils  ward  es  zu  i.  —  Es 
ergeben  sich  so  folgende  Orthographieen  und  Kontraktionen:  l.Gäi, 
Gräis;  Vei,  -is;  plebei,  -is;  2.  imperi,  aber  egregii,  wo  das  i  hinter  g 
vielleicht  von  anderer  Qualität  war  (s.  consilii  =  *consilji  in  Versen; 
3.  gen.  Ovis  =  *ovjis  u.  s.  w,;  4.  capis,  -it  =  capjis,  -jit  u.  s.  w. ;  farcis, 
-itis  =  *farciis,  -iitis;  capimus  ^  *capjimus  u.  s.  w.  (nach  Brugmann  Vgl. 
Gr.  II,  1055  ist  !  Tiefstufe  von  io);  aber  caperis  =  *capjeris,  mit  e 
wegen  des  folgenden  r;  ferner  ais,  ait  =  *aliis,  -it;  5.  audis,  -imus,  -itis 
=  *audijis  u.  s.  w. ;  6.  -icio  in  Kompositen  von  jacio;  arch.  projecitad; 
7.  alis,  alid  ^=  aliis  u.  s.  w. 

Die  zweite  Abhandlung  untersucht  die  Dehnung  kurzer 
Vokale  zum  Ersatz  für  ausgefallene  Konsonanten  und  zerfällt  in  einen 
negativen  Teil,  der  die  Fälle  fälschlicher  Annahme  solcher  Dehnung 
widerlegt,  und  in  einen  positiven  Teil,  der  die  wirkliche  gesetzliche 
Ersatzdehnung  nachweist.  — 

I.  Fälschlich  ist  Ersatzdehnung  angenommen  in  folgenden 
Fällen:  1.  divisi,  viso,  casus,  esus,  ösus,  Visus  u.  s.  w. :  in  divisi  hat  Dehnung 
durch  Ablaut  stattgefunden,  wie  injoussi  neben  jubeo;  ebenso  in  veixi, 
vixi  neben  vigeo  (oder  Verkürzung  im  Präsens?);  viso  ist  eigentlich 
Futurum  =  *veiso,  wie  oeicw;  casus  vielleicht  nach  Analogie  von  ünxi, 
sensi  (?);  esus,  ösus,  Visus  nach  edi,  ödi,  vidi;  casa  =  *skansä,  gr.  axävä, 
zu  castra,  dtsch.  „schanze";  rosa  sicher  nicht  =  *rodsa,  trotz  pooov.  — 
2.  vor  ns  war  schon  vorher  Dehnung  eingetreten  (?  s.  die  Erläuterungen 
zu  meiner  Schulgr.  S.  9):  so  a)  im  acc.  pl.  -ös  aus  *-öns  für  *-ons; 
ebenso  -Is,  -üs;  -es  aus  -*ens  =  *-ens  =  -*ns-;  b)  in  den  Adverbien  auf 
-ie(n)s ;  c)  in  den  Ordinalien  wie  vice(n)simus  =  *vi-cut-(s)-tumo-s,  mit 
sekundär  entwickeltem  s  wie  in  potestas  =  *potent-(s)-täs;  egestas  u.  s.  w., 
vgl.  Mö(n)stellaria;  nst  zwischen  Vokalen  ging  in  ns  über,  wie  in  ve(n)sica, 
censor;  d)  in  einzelnen  "Wörtern,  wie  ä(ns)lum;  fresus,  mäsucius,  piso, 
scäla,  prötelum,  töles,  tösillae  u.  s.  w.;  in  -ösus,  -a,  -um  war  Natur- 
länge vorhanden.  —  3.  Speziell  sind  zu  erörtern  folgende  Lautver- 
bindungen:   a)    cn,    an    nach   kurzem  Vokal  werden  zu  gn,  gm  ohne 


122  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

Dehnung;  Ausnahme  acu(u)a  zu  axatva;  in  conqui(c)uisco  fiel  das  e 
aus  Euphonie  aus;  -du,  -dinis  bei  Tiernameu  entspricht  gr.  -rjcuv,  -oo'voc, 
es  liegt  also  keine  Ei'weichung  aus  tn  vor  (gegen  Thurneysen;  s. 
Jahresber.  1881 — 2,  S.  328);  auch  die  Abstrakta  auf  -edo,  -ido,  -üdo 
entsprechen  den  griechischen  auf  -yjocov,  -ovo;  u.  s.  w.  ;  dagegen  ist  bei 
denjenigen  auf  -ägo,  -igo,  -ügo  das  g  wirklich  aus  c  vor  n  im  Genitiv 
t-ntstanden,  doch  direkt  z.  B.  vorcTg(i)nis  aus  ''"voräc-n-is ;  aber  pango 
ist  nicht  aus  *pacno  entstanden;  vielmehr  ist  das  n  schon  vorlateinisch; 
s.  germ.  fanhan  (anders  Bartholomft,  s.  u.!).  —  b)  gn,  gm  bleiben  un- 
verändert (doch  s.  c!).  Ausnahmen:  exämen,  wenn  es  zu  exigere  ge- 
hört; exriminare,  wenn  zu  a?'.o;;  poumilio,  pumilus,  entlehnt  aus  -07- 
jj-aio;  (doch  s.  d!).  Die  Dehnung  vor  gn,  gm  ist  nicht  allgemein;  man 
vergleiche  noch  die  Deminutiva  wie  sigillum  von  Signum;  tigillum  von 
tignum  (s.  auch  Cocchia  ßassegua  critica);  zweifelhafte  Fälle  sind  cömis, 
vielleicht  aus  cosmis,  s.  das  Quirinaltöpfchen ! ;  deui  statt  *deceni: 
tlamma,  nicht  zu  flag-rare,  sondern  zu  dtsch.  ^glimmen"  (!);  flemina, 
nicht  zu  (pKrj-stv,  sondern  zu  dtsch.  „blase";  frümen  u.  s.  w.  nicht  zu 
früg-,  sondern  aus  *furmen  zu  anr.  barki,  gr.  9apu7?(V);  llmare  zu  ahd. 
slimen;  temo  zu  ahd.  dihsala  —  das  meiste  zweifelhaft!  — c)  einfaches  g 
fällt  ohne  Dehnung  aus  vor  dem  Suffix  -mulo-:  sti(g)-  mulu-s;  cu-(g)-mulus 
zu  lit.  kügis;  fa(g)mulus  zu  ind.  bhag.  —  d)  nach??-,  vielleicht  i,  fallen 
c  und  g  vor  m  und  n  aus;  sonst  wird  c  nach  langem  Vokal  zu  g: 
lü(c)-meu;  jü(g)-mentum ,  fru(g)-mentum;  sü(g)-nien;  rü(g)-minare  zu 
T'-rügere;  ferner:  fru(g)niscor;  pru(g^nus,  s.  gr.  Trpoüixvov;  spT(c)-nus, -na 
zu  spica;  aber  aug-meutum,  reg-num;  pro-päg-men;  segnis  zu  gr.  ^xa 
(vgl.  secius  zu  vjxiaxa).  —  4.  Dehnung  tritt  vielfach  ein  vor  wc,  ng -h 
folgendem  Konsonanten  (n,  m,  v,  s,  t  ?):  qulni  =  *quinc-ni  (aber 
auch  oft  qulnque);  s.  qumtus  neben  QuTnctius;  finis  =  *flng-nis  zu  lit. 
beng-iü ;  änus,  -ulus  =  '•  änc-nus,  Wurzel  ind.  afic,  wie  vänus  zu  ind. 
vaüc;  hämus,  mit  unechtem  h,  gleichfalls  zu  ind.  afic;  doch  s.  Hesych 
-/«[jLov  -/.afXTTuXov ;  iTmus  zu  lit.  li-nkti,  lat.  linquere,  wozu  auch  iTmes,  llmus 
„Gürtel",  limen;  contri(ng)minare;  anderes  bleibt  zweifelhaft;  die  wider- 
sprechenden cognatus,  Tgnanis  u.  s.  w.  werden  durch  künstliche  Deutung 
beseitigt.  —  5.  tn  und  dn  werden  zu  7in:  annus  ^  'atnus  zu  got.  a|)n: 
cunnus  zu  x'jt-o;;  penna  zu  pet  „tiiegen",  während  pesna  =  *petsna  ist; 
mercennarius  aa. ;  nie  wird  tn  (gegen  Thurneysen,  s.  ob.)  zu  nd:  fundus 
zu  air.  bond;  uuda  zu  lit.  wandu  (ind.  udnas  aus  *und-nas);  pando  s. 
I)andus;  tendo  von  ten-,  wie  fendo  von  fen-  u.  s.  w.;  -ndus  des  Gerundivs 
aus  dem  part.  praes.  —  -nt-nus  (mit  Erweichung;  s.  andere  Ansichten 
unten  beim  Verbum !).  —  6.  pin,  hm  geben  nach  Kürze  mwt,  nach  Länge 
mm  oder  nur  m:  summus;  aber  ru(p)-mentum,  auch  rummentum;  glii(b)ma; 
sqüäma  zu  dtsch.  „schuppe";  lamentum  (V);    aber  ämitto  nicht  von  ab; 


Lautlehre.    (Deecke).  1 23 

ammeutiim,  ämentiim,  Glosse  admentum  —  •''ad-s-mentum  (?),  doch  s.  ad- 
iiiittere;  vgl.  II,  1,  c.  —  7.  rZ,  gl  bleiben,  oder  werden,  mit  dem  Stirara- 
laut  des  1,  zu  cid,  gul:  er,  gr  bleiben  ebenfalls  oder  werden  in  bestimmten 
Fällen  zu  cer,  ger;  daher:  cülus -^  air.  cül  (nicht  -= /cuxXoj);  mülus  ^ 
[luyXo;;  ex-ilis  zu  cc/rp;  telum  —  *tex-lum,  s.  t6;ov;  möles  zu  [jlwXos; 
v;Trus  nicht  zu  Wurzel  ind.  vaüc  (s.  Bezz.  Beitr.  VIII,  141).  Schein- 
bare Ausnahmen:  vllla  ^=  *vTcla  (eher  =  *vTnla)-,  vervella  neben  vervex 
(eher  =  *verves-la);  paullus  nicht  zu  pauc-us,  sondern  zu  -^m^oz  (?).  — 
8.  üvere,  üllgo,  ümor  s.  II,  1,  c  u.  e;  mävis,  -volt  nach  Analogie  von 
mälo.  — 

II.  Bei  "Wegfall  der  Spiranten  s  (0)  und  7t  vor  Konsonanten, 
mit  denen  sie  Position  bildeten,  werden  kurze  betonte  Vokale  gedehnt, 
d.  h.  an  die  Stelle  der  Positionslänge  tritt  Naturlänge.  Falsch  (?)  ist 
der  Eintritt  der  Länge  nach  Wegfall  von  c,  b,  r,  g  vor  Doppelkonsonanz, 
^Yie  in  sescenti  (=*secs-);  süscipio  (=*subs-);  Fü(r)scus;  fülmen  (von 
fnlgere);  ebenso  in  förtis  =  forctis;  törtus  u.  s.  w. ;  auch  ürsus  =^  *urcsus: 
nilmentum  von  fulcire;  dagegen  gehört  västus  zu  ahd.  wuosti;  misceo 
(wenn  richtig)  zu  [i-f/cuuij-t;  vi(c)s-cum  zu  Fi^oj  (mit  i?);  füscus  nicht  zu 
furvus  u.  s.  w. ;  es  werden  dann  noch  eine  Reihe  Ausnahmen  widerlegt. 
Als  Beispiele  echter  Dehnung  werden  angeführt.  1.  s,  resp.  z\  auch  x: 
a)  vor  d  z.B.  dldere;  edere  =  *esdere  =  *exdere;  Idem,  quidam  (aber 
ejus-dem  u.  s.  w. ;  weil  loser  verbunden),  nidus,  nödus,  pedere  ('?), 
sedecini.  —  b)  vor  l:  neu  etwa:  älea  zu  ind.  akisa-;  ilia  zu  i|u?;  päla 
zu  pas-tinum,  sl.  pachati  (?);  pälari  zu  dtsch.  „faseln";  vilis  zu  dtsch. 
„Wechsel"  (?).  —  c)  vorw  (doch  auch  Kürze  mit  mm):  neu  etwa:  sufflämeu 
zu  gr.  dXa'afxa  (schon  Pott);  ümor  =  *uxraor  zu  ind.  uks;  remus^ 
*ret-s-mo-s  mit  euphonischem  s,  wie  im  folgenden;  cacümen  =  *kakud- 
s-men;  lämina,  auch  lammina,  zu  dtsch.  „latte";  rä,mus  zu  gr.  paöa[xvoc; 
mamma,  mämilla  zu  [xaCo?.  —  d)  vor  n:  pänicula  zu  dtsch.  „faser"; 
prüna  zu  ind.  pru5;  sacena  zu  ahd.  sahs;  nie  werden  sm,  sn,  zu  rm,  rn. 
—  e)  vor  v:  üvere  =  *üxvere  s.  umor;  demnach  Minerva  nicht  =  *Mines- 
va:  larva  nicht  zu  Lar  (?).  —  2.  /«,  vor  j,  1,  m,  n,  r:  fjlum  zu  Wurzel 
dhigh;  mülus  (s,  oben!);  velatura  (vellatura),  veles  zu  vehere;  aränea; 
läna  zu  XayvYj;  flämen  (ml.)  =  ind.  brahman  (von  Leo  Meyer);  plüma 
zu  dtsch.  „flug";  träma  zu  trahere;  vömis  zu  preufs.  wagnis;  fömes  zu 
AVurzel  dhagh;  Ausnahme  figmentum,  spät  nach  pigmentum  (aber 
pimentum!)  —  Den  Anhang  bildet  ein  Exkurs  über  jubeo,  wonach 
joubeatis  im  S.  C.  de  Bacch.  27  Schreibfehler  nach  jousiset  sein  soll  (?). 

So  geistreich  eine  ßeihe  der  obigen  Ideen  ist  und  so  schlagend 
manche  Etymologie,  so  sind  doch'  vielfach  entgegenstehende  Momente 
nur  ungenügend  berücksichtigt  worden,  und  die  Ausnahmen  sind  nur 
mangelhaft  aufgeführt  oder  erklärt;    auch  wechselt  der  Verfasser  selbst 


124  Lateinische  Grammatik.    (Deecke). 

seine  Anscbauuugen  bisweilen  von  einem  Aufsatz  zum  andern  (s.  die 
fiüheren  Jahresberichte!).  Es  wird  jetzt  von  den  Sprachforschern  gar 
zu  oft  ein  neuer  Gesichtspunkt,  der  auf  den  ersten  Blick  etwas  Be- 
stechendes hat,  ohne  Umsicht  rücksichtslos  durchgeführt,  mag  biegen  und 
brechen,  was  da  will.  — 

Kleineren  Umfang,  gemischt  mit  Flexionsuntersuchungen,  hat  die 
Abhandlung: 

W.  Meyer,  Kleine  Beiträge  zur  lateinischen  Grammatik.  In  Kuhns 
Zeitschr.  f.  vergl.  Sprachf.  Bd.  XXVin,  S.  162—176. 

1.  Zur  schwächsten  Stufe  der  n-Stllmme:  lat.  pollen, 
pollis  aus  *polu- ,  neben  polen-ta;  fuUo,  fellis,  puUus,  alle  mit  11  =  In ; 
andrerseits  pannus  aus  altem  *pänö(n),  Gen.  '-'pannos,  s.  pannibus, 
pannunculus;  amnis  zu  *abhö(n),  *abhn6s;  dom(i)nus  durch  Ausgleichung 
von  *dübenos.  Gen.  domnl.  —  2.  ös  aus  *ost;  Gen.  *ostis,  dann  nach 
dem  Nomin.  *osis,  daraus  ossis  (!  s.  andere  Erklärungen  unten  !).  — II— dv, 
Iv:  mel  =  *med(u),  Gen.  mellis=  *medvis;  culleus  =  *kulvei_os,  gr  y.oyXsös 
=  xoXF-;  pallidus  zu  lit.  palvas;  mullus  zu  lit.  mulvas;  pollere  zu 
ToAuc,  -oXX- =  7:oXF-;  anguüla  zu  e-|7£Xu?  =  *enghelnä,  angeleimt  an 
anguis;  sollus  =  oSXo?.  Scheinbare  Ausnahmen:  mit  s:  hel(s)vus  zu  lit. 
gelsvas;  Silva  zu  uXr,  =  *gul(s)vä,  mit  Vokalsclnvächung  aus  Verbindungen, 
wie  in  silva,  de'  silva  (!);  ferner  mitSj^nkope:  malva  zu  jj-aXa/r,;  pelvis 
zu  ind.  pälavi;  calvus  zu  Calavius,  iud.  kulvas  =  *kalivos  (?):  endlich 
mit  V  aus  u:  solvo,  volvo,  milvus;  gilvus  zu  ind.  gaunis.  —  3.  Zur 
Konsonantengeraination  u.  aa.:  nn  =  Dental  (auch  s)  +  n  (s.  oben 
Eröhde!);  dahin  auch  transen-na  zu  AVurzel  at,, gehen";  annona  zu  got. 
asans  (?);  pinna  zu  piscis  (s.  u.  Brugmann);  cunnus  zu  xujöoj; 
cachinnus  zu  xa^/aCw  =  -ijdiö  u.  s.  w.  Zur  Beseitigung  scheinbarer  Aus- 
nahmen wird  angenommen:  kurzer  Vokal  -]  Dental  +  sn  giebt  Kürze -H 
nn,  so  dafs  penna  auch  ^  petsna  sein  kann  (aber  pesna!);  kurzer  Vokal  -r 
sn,  rn,  Guttural  +  sn  giebt  Länge  +  n  z.  B.  lena  =  *leg-sna  zu  Xa7(j)vo;; 
cäuus  =*casnus;  penis  =  *pesnis  u.  s.  w. ;  ts  nämlich  wird  zu  ss,  dies  mit  n 
zu  sn  (tonlos),  daraus  nn;  Guttural  mit  s  wird  zu  gs,  dies  mit  n  zu  zn 
(tönend),  daraus  Länge -i- n  (dies  alles  ist  nicht  haltbar!).  —  4.  dh  +  i 
wird  zdh,  s]),  endlich  st  z.  B.  aestus  zu  eidh;  custös  zu  keudh;  hostus, 
hasta  zu  ghedh,  ind.  gadhja-  festhalten;  manifestus,  infestus  zu  bhedh; 
neben  ns  in  infensus,  defensus  aus  -nst,  wie  in  censor  (s.  ob.  Fröhde); 
die  scheinbaren  Ausnahmen  divisus,  lassus,  fossus,  gressus  kommen  nicht 
in  Betracht  (V);  credo  ist  =  *crez-do,  ind.  grad-dhä-  (mit-do  statt-dho); 
battere  nebst  fusti8(ü  =  ö?)  zu  bhedh-t-(?);  västus  =  gäl.  fad  aus  *vaz- 
dos  =  *vad-dhos  =^  *vadh-tos  von  Wurzel  vedh  erheben,  wozu  vielleicht 
auch  ind.  üdhr  „Euter"  (!).  —  5.  -idus  aus  einem  s-Stamm  mit-do- von 


Lautlehre.    (Deecke.)  125 

Wurzel  dö  z.  B.  frigidiis  =  ^-ges-do-s  ==-gez-dos  „Kälte  gebend"  (vg-1.  schon 
Corssen!);  hlcidus  =  'lüces-dos;  ebenso  frIgedo=*frTgesdo,Gen.-ged(l)nis= 
'-gesdnos:  daher  steht  neben  diesen  Bildungen  gewölinlich  ein  Maskulinum 
auf  -or,  -öris  aus  -ös,  ^'^-ösis;  libido  statt  -edo  nach  cupido  von  ^cupire, 
s.  cupivi,  -itum;  formido,  ördo  dunkel  (die  Erklärung  des  letzten  Wortes 
bleibt  unklar).  —  6.  Etymologisches:  bös  statt  *vös  oskisch  (!); 
vielleicht  auch  bitümen;  bilis  zu  lit.  dvylas  „schwarz"  (?);  viverra, 
ein  slavisches  (?)  Fremdwort,  s.  lit.  vovere;  dam(m)a  keltisch  oder  ligurisch, 
zu  dtsch.  ,,gemse,  gams";  lam(ni)ina  zu  dtsch.  „latte"  (s.  ob.  Fröhde!); 
scurra  zu  ahd.  scern;  s.  rr-=rn  auch  in  cerrus  neben  cornu;  sarrare 
neben  sl.  chraniti  „bewahren";  11  =  hl  in  per-cellere,  s.  clädes,  gr.  y.Xao-; 
sallere  zu  dtsch.  „salzen";  mollis  (vgl.  ob.);  pilleus  zu  dtsch.  „filz",  aber 
7:1X0;  =  *pilsos?;  ferner:  sappinus  (schon  bei  Kato),  ligurisch  oder  gallisch 
sap  —  pinus;  siccus  =  *sitcus  zu  sitis;  peccare  =  *ped-care  (?) ;  floccus — 
*tlod-cus,  s.  gr.  cpXa!£iv;  dann:  prerao  =^  *per-dh-mo  zu  -opi)[xo?,  eig. 
Meerenge  (!),  wie  dormio  =  *dor-dh-mio  zu  öocpöävcü;  bestia  zu  lit.  dvesti 
atmen  (s.  animal  von  an  atmen);  nütis  zu  mei  nafs  sein;  for(c)tis, 
hor(c)tari  zu  dhergh  fest  seiü,  ind.  darh;  cevere  zu  kiev,  lud.  cju;  floces 
zu  lit.  zlauktai ;  fremere  zu  -/peixi^s'-v ;  förmica  statt  -meca  (s.  sübtilis  zu 
tela  u.  s.  w.),  gr.  [xupfxrjC  assimiliert  aus  *9up[ji.r,; ;  gemere  zu  i£[jL£tv; 
imber  zu  dcppoc,  ind.  abhra-;  laetus  zu  kelt.  leit  weifs  (?);  laus  zu  körn, 
laud  „joyful";  macer  zu  |xa-/p6?,  dtsch.  mager;  larix,  laridus  zu 
lit.  laszas  Tropfen;  rigere  zu  lett.  sa-rikt  gerinnen;  rudere  zu  litt,  rüdau, 
rüsti  brüllen;  rüga  zu  lit.  rcziu  schneiden;  runcare  (aus  *roncare)  zu 
lit.  rinkti  sammeln.  —  Auch  hier  bleibt  vieles,  soweit  es  nicht  schon 
von  früher  her  feststeht,  unsicher! 

0.  H 0 f  f  m  a n n,  Zur  indogermanischen  Lautlehre.    In  Bezzenbergers 
Beitr.  z.  Kunde  d.  idg.  Sprachen,  Bd.  XVIII,  S.  149—159. 

1.  idg.  2,  «5.  «3^^  iiQ<i  ^v,  gv,  ghv  im  Anlaut.  Lat.  pTus  zu 
ved.  cäjü-  (schon  S.  Bugge),  piare  zu  cäjate,  gr.  t(£)i'co,  dial.  -ö-'w,  got. 
fijan  zu  einer  Wurzel  kvei,,  nicht  qei;  ör^p,  dial.  '.pr,p,  lat.  ferus,  genn. 
ber  Bär,  zu  idg.  zhver,  nicht  a^her.  Der  Widerspruch  von  quatuor  zu 
idg.  kvetvor  wird  ungenügend  zu  beseitigen  versucht.  Ferner  wird  ge- 
zogen: populus  zu  *kvelo-,  ind.  küla,  gr.  teXo?,  dial.  a--£XXa,  germ.  folk; 
festus  zu  *ghvedhij3- bitten,  gr.  9£aT6c,  dial.  903x6;,  got.  bidja-;  fenus  = 
*ghveno-s,  s.  gr.  a-<p£vos  neben  £'j-i)£V£a>.  —  II.  gehört  nicht  hierher.  — 
III.  von  S.  156  an  (gegen  K.  Brugmann,  Vgl.  Gr.  I,  54):  Lateinisches 
unbetontes  ew,  em(auch  =  n)  in  geschlossener  Silbe  gelitin  in,  im 
über;  durch  Analogie  auch  in  betonter  Silbe  z.  B.  Präposition  und 
Negation  in  (ingredior,  incültus  —  der  ältere  Accentstand  ist  nicht 
berücksichtigt!);    andrerseits:  intiraus  u.  s.  w.  (desgl.);    in  betonter  ge- 


126  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

schlossener  Silbe  geschieht  dies  nur,  wenn  ein  Guttural  folgt,  doch 
nicht  vor  Labialen  aus  q- Lauten,  also  einerseits:  -mentum;  -ens,  -entis; 
argentum,  centum,  commentus  u.  s.  w.;  gens,  mens  u.  s.  w. :  temiis  zu 
ind.  tanvi  (wb.) ;  tempus  ^^  *teüqos  zu  got.  j^eihs  =-  "|)inhs;  andrerseits: 
Suffix  -inquus,  quinque,  cingere,  clingere  u.  s.  w.  Ausnahmen:  in,  im 
vor  Doppelkonsonanten,  wie  viginti  u.  s.  w.;  aber  templum,  membrum 
u.  s.  w. !;  juvencus  nach  juvenis  (?).  Überall  ist  hier  die  ursprüngliche 
13etouung  nicht  berücksichtigt  worden:  auch  ist  die  Verwickelung  nicht 
gehoben. 

Von  auswärtigen  Forschern  führe  ich  an: 

L.  Havet,  Melanges  latines.     Extrait  des  Meraoires  d,  1.  See.  d. 
Linguistique,  T.  VI,  fasc.  1 ;  Paris,  Imprim.  nation.     1885,  34  p. 

Einzelne  Bemerkungen  über  Lautlehre  und  Etymologie:  L  über 
die  Betonung  der  Anfangssilben  s.  S.  116  u.  112!  —  2.  au  aus  on 
in  avilla,  avis,  lavo,  caveo,  cavus,  paveo,  faveo  (zu  gr.  i)oo?!),  favilla, 
Favonius,  favissa,  gravis  (?);  ferner  in  auris,  lautus,  autumo,  vielleicht 
in  frans,  favus  (zu  yoT]!);  dagegen  ovis  aus  dem  Griechischen  entlehnt; 
auch  Ovare  zu  gr.  sua^stv,  mit  ov  aus  ev.  —  3.  patruus  ^=  *patr-avus  (?)  ? 
4.  vesci  zu  [joaxeaöai  (anders  G.  Meyer,  s.  u.);  5.  cavilla  zu  y.oßaXoc, 
Wurzel  kogv;  ervum,  opo^-Joc  =  *erogv- ;  doch  s.  ahd.  araweiz!;  6.  pejero 
von  pejor,  danach  dejero  (doch  finden  sich  verba  derivativa  von 
Komparativen  erst  im  afrikanischen  Latein!):  7.  aestimare  von  '"'■aes- 
tuma  „Bronzezerschneider";  8.  Lehnwörter  aus  dem  Griechischen: 
bos,  taurus,  vitulus;  ovis  (s.  2);  bracchium,  latera  =  Xa-apa  (?);  9.  der 
Quantitätswechsel  in  aries,  -ietis  u.  s.  w.  ist  alt  und  beruht  auf  Stamm- 
abstufung; vgl.  gr.  aXc6-r,^,  -exo?,  und  vöx  mit  gr.  Gen.  o-6c;  10.  Juno 
Söspita,  volksetj^mologisch  für  Seispita  (inschriftlich);  11.  Faunus  zu 
zvi-^-fi:  12.  modus,  Gen.  *-eris  (s.  moderari)  Melodie  =  gr.  ixiXoc,  ver- 
mengt mit  modus  Mafs;  13.  melior  zu  gr.  fxaXXov;  s.  xpsiorffwv  neben 
y.paTo?;  14.  Vokalassimilation,  progressiv  in  alacer,  elementum,  volumus 
aus  *volomus,  sonst  -iraus,  -mus:  15.  lucrum  eig.  Lösung,  Bezahlung  zu 
Äu-rpov;  16.  -aris  (aus  -alis)  durch  Dissimilation;  ebenso  -crum,  -rum, 
-brum,  -rare  (?);  17.  vacca  =  *vet-ca:  s.  FixaXo?;  18.  arfui-= '''an-fui; 
Carmen  —  *canmen;  germen  —  *gen-men(?):  19.  suäviörem  mit  Umspringen 
der  Quantität  aus  *suädTosm  (?);  20.  imbuo  =-•  i|xcpua);  21.  beluaaus  bes  (s. 
liestiaj  und  Ina  Löwin  ---=  *)ÄVy.  (!):  22.  Vor  gn  und  gm  wird  e  zu  i  z,  B. 
Signum  zu  secare,  Demin.  sigillum;  tignum  zu  tec-  in  texere,  tigillum, 
aber  es  tritt  keine  Längung  ein  (s.  Cocchia);  23.  die  Perfekta  cävi: 
fävi,  lävi,  -pävi.sind  ^  *cav-vi  n.  s.  w.;  ablui  =  *ab-lavvi;  24.  Bisweilen 
entspricht  ui  dem  gr.  u.  —  Sehr  vieles  hiervon  ist  wieder  unsicher  oder 
zweifellos  irrig. 


Lautlehre.    Vokale.    (Deecke).  127 

Enr.  Coccliia,  Eassegna  critica  di  filologia  e  liuguistica.  Torino, 
Loescher,  1887,  113  p.  8. 

I.  Vok.  Valeri  wie  der  Genitiv  (s.  S.  116!). —II.  Über  alt- 
lateiuische  Betonung(s.  S.  115!). —  III.  Über  die  im  Romanischen 
sich  reflektierende  qualitative  und  quantitative  Differenz  des  lateinischen 
a.  Der  Verfasser  nimmt  mit  Seelmann  für  das  klassische  Latein  nur 
letztere  Differenz  an.  —  IV.  Ob  /  zwischen  Vokalen  die  vorher- 
gehende Silbe  längt?  Ja!  Auf  S.  44—45  wird  eine  beweisende 
Zusammenstellung  der  ursprünglichen  Kürzen  und  Längen  gegeben.  — 
V.  Das  (jn  wurde  nicht  nasiliert,  doch  mouilliert  gesprochen  (s.  ob.). 
Längung  des  vorhergehenden  Vokals  ist,  wie  die  Zusammenstellung 
S.  69—70  zeigt,  nicht  sicher  (gegen  Marx,  s.  S.  113!).  —  VI— IX  gehören 
nicht  hierher. 

Was  die  Vokale  im  besonderen  betrifft,  so  enthalten  keine 
■wesentliche  Förderung: 

P.  Eeynaud,  le  veritable  Systeme  vocalique  iudo-europeen ,  in 
der  Rev.  d.  Lingu.     1890,  Januar,  März  —  April. 

Derselbe,  les  grandes  lignes  du  vocalisme  et  la  derivation  des 
langues  europeennes,  Paris,  Hachette,  1890; 
vgl.  die  Anzeige  von  G.  M(eye)r  im  Litter.  Centralblatt  1890,  S.  1296. 

Aus  dem  Englischen  gehört  hierher: 

C.  A.  M.  Eennell,  Indo  -  european  vowel  -  sj^stem  (reprint), 
London  1889,  33  p.  8. 

Bedeutend  wertvoller  ist : 

E.  E.  Wharton,    on    the  vocalic  laws    of   the  Latin    language, 
3  Artikel  in  den  Transact.   of  the  Oxford  Philol.  See.  1888—1890, 
p.  43 — 58.    s.  den  Nachtrag! 

Über  die  Ablautreihen  im  Latein  s.  oben  Hübsch manns 
„Vokalsystem";  über  die  Vertretung  der  sogen,  sonanten  Nasale 
und  Liquiden  s.  B  echt  eis  „Hauptprobleme". 

Gewisse  Eückschlüsse  auf  den  Vokalismus  des  klassischen  Lateins 
gestattet: 

W.  Meyer,  Zur  Quantität  und  Qualität  der  lateinischen  Vokale. 
Kuhns  Zeitschr.  f.  vergl.  Sprachf.  Bd.  XXX,  S.  335—345. 

Vorwiegend  freilich  enthält  die  Abhandlung  aus  dem  Romanischen 
erschlossene  Ergebnisse  für  das  Vulgärlatein.  Die  Längung  des 
Vokals  vor  gm,  gn  wird  gegen  Havet  und  Cocchia  (s.  dort!)  aufrecht 
erhalten.  —  S.  342  heilst  es:  «Im  Altlateiuischen  waren  die  betonten 
Vokale  im  Hiatus  je  nach  ihrer  Herkunft  lang:  oder  kurz.    Dann  trat 


128  Lateinische  Grammatik.     (Deecke.) 

wie  vor  mclirtaclier  Ivonsouanz  (nur  metrisch?)  Verkürzung  ein,  ohne 
flal's  jedoch  die  alte  Qualität  dadurch  verändert  wurde.  Nur  altes  i 
blieb  i  und  fällt  dadurch  mit  \  zusammen.  Auch  die  alten  e  und  <". 
bleiben  geschlossen;  nur  vor  i  und  u  entstehen  (j  und  o  durch  Dissimilation, 
dringen  dann  aber  w'eiter  vor".  —  S.  344:  „Ererbt  besai's  das  Latein 
ein  e  und  i,  kurz  oder  lang,  betont  oder  unbetont,  aber  nur  von  einer 
Klangfarbe.  Erst  als  die  Sprache  schon  schriftlich  fixiert  war,  traten 
ijualitative  Differenzen  hinzu:  e  wurde  zu  e-,  e  zu  e;  i  zu  i;  i  zu  i; 
tonloses  e  wurde  vor  r  zu  q,  sonst  zu  e.  In  gebildeten  Kreisen, 
wesentlich  unter  dem  Eiuflufs  der  Metrik,  blieb  der  alte  Quantitäts- 
unterschied, ja  überwog  die  Qualität;  nur  e  wird  im  allgemeinen  durch 
e;  e  durch  i  wiedergegeben;  danach  ward  auch  das  tonlose  e  reguliert 
z.  B.  mereto  wie  m^'nus"  u.  s.  w. 

Ich  schliefse   hier  gleich  an,    vom    selben  Verfasser  herrührend: 

W.  Meyer- Lübke,  o  und  seine  Verwandlung  in  u  im  Latein. 
Zweiter  Aufsatz  in  den  Philol.  Abhandlungen,  H.  Schweizer-Sidler  zur 
Feier  des  50jährigen  Jubiläums  seiner  Docententhätigkeit  an  der 
Züricher  Hoclischule  gewidmet  von  der  1.  Sektion  der  philos.  Fak. 
d.  Hochsch.  Zürich.    4.  Abhdl.     Zürich  1891,  79  S.    4. 

Der  Verfasser  sucht  die  Gesetze  jener  Vokalwandlung  auf  und 
erklärt  die  Ausnahmen,  Erledigt  ist  die  schwierige  Frage  nicht, 
namentlich  der  Wechsel  von  or  und  ur;  s.  Schuchardt  Litt.  Bl.  f. 
germ.  u.  rom.  Philol.  XII,  412  ff. 

Ich  erwähne  ferner,  im  Anschlufs  an  die  erste  Schrift  Meyers: 

J.  Stadelmauu,  de  quantitate  vocalium  latinarum  terminantium, 
Dissert.  von  Zürich,  gedruckt  Luzern  1884. 

Die  schwankende  Quantität  so  vieler  lateinischer  Endvokale  hängt 
mit  der  Eigentümlichkeit  der  lateinischen  Betonung  zusammen,  dieselbe 
im  Gegensatz  zum  Griechischen  für  die  Stellung  des  Accents  unbe- 
rücksichtigt zu  lassen.  Die  Feststellung  der  Quantität  in  Prosa  unter- 
liegt daher  besonderen  Schwierigkeiten ;  auch  scheint  nicht  immer  die 
Länge  das  Ursprüngliche  zu  sein,  namentlich  nicht  beim  i  und  u.  Die 
obige  Untersuchung  ist  daher,  obwohl  sie  mehr  in  das  Gebiet  der 
Prosodie  gehört,  doch  auch  für  die  Grammatik  nicht  unwichtig.  Im 
ganzen  hatte  Corssen  zu  viele  Kürzungen  angenommen.  Nacli  ab- 
gefallenem Konsonanten  bleibt  z.  B.  die  Länge;  ebenso  in  einsilbigen 
"Wörtern.  Von  den  jambischen  Wörtern  aus  hat  sich  die  Kürzung 
weiter  verbreitet,  z.  B.  auf  das  -a,  -ia  der  Neutra  der  e/o-Stämme 
(eher  von  den  konson.  Stämmen  aus!).  Ob  die  Ablative  auf  -e  In- 
strumentale sind,  ist  mir  zweifelhaft.     Vergleiche  noch: 


Lautlehre.    Vokale.     (Deecke).  19() 

F.  Y.  Edgeworth,  observatioiis  relating  to  several  quantitles. 
Hermathena  XIU,  p.  279  ff. 

Hier  glaube  ich  auch  am  besten  erwähnen  zu  können: 

G.  Gröber,  Verstummung  des  h,  m  und  positionslange  Silbe  im 
Latein.  In  den  Commeutationes  Wölfflinianae,  Leipzig,  Teubner  1891, 
410  S.  8;  24.  Beitrag,  S.  169  ff. 

Bei  auslautendem  Vokal,  m    und  h  vor  Vokal  trat  der  Legate- 
Vortrag    ein,    bei    konsonantischem  Auslaut  vor  Konsonanten    und    im 
konsonantischen  Silbenauslaut  der  Staccato- Vortrag,  im  letzteren  FaUe 
mit   Dehnung;    bei    muta    cum    liquida    nach    Vokal    mit    fakultativer 
Dehnung;  endlich  im  Wortinnern   bei  einfachen  Konsonanten  zwischen 
2  Silben,   ausgenommen  h.     Daher    stammen    die    metrischen  Elisionen 
und  der  romanische  Lautstand. 
Das  kurze  u  behandelt: 
E.   Ernault,    Etudes  comparatives   sur  le  grec,    le  latin   et  le 
celtique.     L  la  voyelle  breve  on.     Poitiers  1885,  20  p.     8. 

Die  Lautverbindung  vo,  ve,  die  er  schon  früher  besprochen 
hatte  (s.  Jahresber.  f.  1883—4,  S.  141),  erörtert  von  neuem: 

L.  Havet,  vo,  ve  en  Indien  prehistorique  et  en  latin.  Mem.  d. 
la  Soc.  d.  Lingu.     V  (1885),  p.  42  ff. 

Der  von  demselben  Verfasser  in  den  Melanges  (s.  oben!)  be- 
handelte Lautwechsel  von  av  aus  altem  ov  ist  in  einem  besonderen 
Aufsatz  untersucht  worden  von: 

R.  Thurneysen,  Lateinischer  Lautwandel.  Kuhns  Zeitschr.  f. 
vergleich.  Sprachf.  XXVIII,  S.  154—162. 

Er  erörtert  folgende  Fälle:  1.  octävus;  2.  faveo  zui*  Wurzel  bheu; 
3.  caveo;  4.  cavus  neben  co(h)us,  -um;  5.  lavo  neben  lötus,  elütus  (ver- 
mengt mit  luo);  6.  favilla  neben  foveo;  7.  avis  neben  oFtcovo;;  8.  Favi, 
alt  Fovii  bei  P.  Diak.  Exe.  F.  87  M.  —  Die  Ausnahmen  werden  so  er- 
klärt: bovis  u.  s.  w.  nach  bös;  ovis  (entlehnt?)  neben  regelrechtem 
avillus,  au-bubulcus;  auch  ö-pilio  (üpilio)  ist  korrekt  (s.  ob.  Havet); 
Ovum  ist  =  *öivnm  aus  *övium  =  (uFiov  (?).  —  Bisw'eilen  hindert 
auch  ein  zwischenstehender  Konsonant  den  Vokalwandel  nicht :  1.  valvae 
neben  volvere;  2.  salvus  neben  sollus,  sölus,  sölari,  solere,  solidus; 
sollemnis  von  *sollem(i)nus,  Partie,  von  einem  Verb  *solleri,  durch  An- 
lehnung an  annus:  sollennis;  3.  vacare  neben  arch.  vocare;  s.  vacuus.  — 
Exkurs  I.  vo  nach  Vokal  wird  zu  u:  Gnaeus;  Gaius  (aus  *Gavios, 
■'"Gaivos);  deus  (S.  155).  —  IL  ou  ward  ö,  nicht  direckt  ü:  nönus, 
mötus,  fötus,  glöria  (=  *clousia),  tötus  (S.  156).  —  III.  au  aus  ö  in 
cautes,  plaudo,  ausculari,  cauda,  caupo,  aula,  claudus,  fauces,  Plautus, 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    LXXVn.  Bd.  (189.3.  III.)        9 


130  Lateinische  Grammatik.     (Deecke.) 

liaurii'e:  umgekehrt  vulgär  ö  aus  au  in  örum -r.  aurum  u.  s.  w.  —  Siehe 
hierzu  oben  Havets  Melanges  2  u.  Kretschmers  Exkurs    über   öu; 
auch  Wharton,  Voc.  laws,  im  Nachtrag. 
An  den  Exkurs  I  schliefse  ich  an: 
Fred.    D.    Allen,    Gajus    or   Ga'ius.    Harvard  Studies  in  class. 
philology.     Vol.  n,  Boston  1891;  p.  71—87,  8. 

1.  Ursprünglich  Gävius,  wie  die  italienischen  Dialekte  zeigen.  — 

2.  seit  190  v.  Chr.  Gäius,  in  den  Provinzen  zum  Teil  erst  später.  — 

3.  Gaius  blieb  die  Aussprache  bis  mindestens  100  n.  Chr.,  wenigstens  bei 
den  Gebildeten;  Grund  unbekannt. 

Mit  dem  i,  i  und  j  beschäftigt  sich  auch: 

C.Pascal,  di  alcuni  fenomeni  dell' I  greco-latino,  in  der  Riv.  di 
filolog.  XX,  18  ff.   (j  blieb  nur  nach  langem  Vokal). 

Über  vu,  Konsonanten  -|-  v,  ji  s.  oben  F.  Fröhde,  Zur  lat. 
Lautlehre. 

Den  Übergang  zu  den  reinen  Konsonanten  machen  die  sonanten 
Nasale  und  Liquiden,  deren  Berechtigung  in  neuster  Zeit  wieder  ernstlich 
in  Frage  gestellt  wird.  Vergleiche  hierzu  aufser  dem  oben  citierten 
Werke  von  Bechtel  und  Kretschmers  Aufsatz  II: 

C.  A.  M.  Fennell ,  Brugmanns  theory  of  the  nasalis  sonans.  Class. 
Rev.  V,  451  ff. 

G.  Dünn,  the  nasal  sonant.  Class.  Rev.  VI,  189  ff. 

A.  Meillet,  n,  in  en  latin.    Mem.  d.  1.  S,  d.  Lingu.  VII,  p.  167  ff. 

Die  sonanten  Nasalen  hielten  sich  im  Italischen  bis  ziemlich  spät. 
3Ian  hat  lat.  en  =  en  und  en  --  n  zu  unterscheiden,  z.  B.  quinque  = 
*kvenkve:  lingua  =  *dnghvä;  auslautendes  -en,  -em  ward  -in,  -im; 
ausl.  -ij,  m  ward  -en,  -em,  z.  B.  nonien,  patrem.  Assimilation  liegt  vor 
in:  viginti,  similis,  limpidus,  siniplic-  (aber  undecimV). 

Andi-erseits  hat  man  jetzt  auch  ein  vokalisches  z  aufzufinden 
geglaubt : 

R.  Thurneysen,  Vokalisches  z  im  Indogermanischen.  Kuhns 
Zeitschr.  f.  vergleich.  Sprachf.  XXX,  S.  351-53;  vgl.  Osthoff 
ebdt.  XXIII,  S.  87  ff. 

Als  Beispiele  fürs  Lateinische  werden  angeführt:  frivolus, 
fi'iare  -  "^frijare  zu  gr.  yptu)  aus  *ghrzjö,  weitergebildet  fricare; 
hordeum  zu  gr.  -/plOr]  ---=  *ghrzdhä;  trivi  =  *trlgvi,  tritum  =  *trig- 
vitum,  dazu  auch  triticum  und  -trio  in  septemtrioues  =  *trlvo, 
zu  gr.  -p/;ioj  =  *trzg^rv,  pol-luere  oder  po-lluere  nebst  lustrum 
-Pfütze"  von  einer  Wurzelform  zlü-,  s.  gr.  iXu-;:  daneben  zlü  oder 
slü,  8.  saliva;  frigere  zu  ^bhrzgö  =  gr.  op'j-.co  (mit  u  statt  l  wegen  der 


Lautlehre.    Konsonanten.    (Deecke.)  131 

Nähe  des  9);    zweifelhaft:    gero,  gestus,    wenn  zu  gr.  dc7lv£(o,   «-(osroc; 
nillia  =  [xOpioi  (wieder  ü  statt  i  wegen  des  [x),  wenn  zu  ixsuto;. 

Vgl.  auch: 

F.  G.  Plaistowe,  on  sonant  z.  Class.  ßev.  V,  253  tf.  (Bestätigung). 

Von  den  Konsonanten  im  allgemeinen  handelt: 

E.  R.   Wharton,    on  Latin  consonant   laws.     Traiisact.   of  the 
Oxford.    Philol.  Soc.  1888—90;  N.  3. 

Die  wichtigste  und  viel  behandeltste  Frage  ist  dabei  diejenige 
über  die  Gutturalreihen.  Für  das  Lateinische  speziell  ist  sie  er- 
örtert worden  in: 

Phil.  Bersu,    Die   Gutturalen    und  ihre   Verbindung    mit  v    im 
Latein.     Berlin  1885,  Weidmann.     234  S.     8. 

Nach  einer  Einleitung  über  den  Stand  der  Guttui'alfrage  be- 
handelt der  erste  Teil  die  Geschichte  der  Labialaffektion  der 
Velaren  Gutturalen,  und  zwar  aufsteigend  zunächst  im  historischen 
Latein,  wobei  die  Abhängigkeit  des  labialen  Nachklangs  von  folgendem 
u,  0,  a,  e,  i  und  Konsonanten  durch  möglichst  alle  Beispiele  verfolgt 
wird;  dann  im  vorhistorischen  Latein,  wobei  besonders  der  Einfluls 
folgender  Konsonanten  oder  Vokale  (u,  0,  a,  e,  i)  auf  die  Labialisierung, 
ihre  Erhaltung,  ihr  Entstehen,  iJir  Verschwinden  zu  eingehender  Be- 
trachtung kommt.  Der  zweite  Teil  hat  Alter  und  Ausdehnung  des 
Labialisierungsprozesses  im  Latein  selbst  zum  Gegenstande,  und 
zwar  erstens  die  Labialisierung,  zweitens  die  Labiallosigkeit. 
Das  Ergebnis  ist  im  wesentlichen  folgendes:  Aus  dem  Latein  ist  zu  er- 
schliefsen,  dafs  v  hinter  velaren  Gutt oralen  ungefähr  in  gleichem  Um- 
fange aufgetreten,  wie  unterblieben  ist,  und  zwar  hält  bei  der  media, 
media  aspirata,  und  inlautend  bei  der  tenuis,  die  Labiallosigkeit  der 
Labialisierung  so  ziemlich  das  Gleichgewicht;  nur  im  Anlaut  über- 
wiegt weitaus  das  nicht  affizierte  k.  Bei  der  allgemeinen  Voraus- 
setzung nun,  dafs  die  Affektion  das  Reguläre  sei,  würde  die  Ausnahme 
ebenso  stark,  eventuell  stärker  sein,  als  das  Gesetz,  d.  h.  das  Gesetz 
existiert  nicht.  Die  aus  der  Ursprache  überkommenen  velaren 
Gutturale  sind  vielmehr  in  Westeuropa  in  zwei  Reihen  auseinander- 
gegangen: die  eine  entwickelt  ihre  tiefere  Klangfarbe  zu  einem  labialen 
Nachklange,  die  andere  blieb  rein.  Nach  den  von  Bersu  gesammelten 
westeuropäischen  Beispielen  blieb  die  Affektion  in  105  Fällen,  fehlt  in 
150.  In  den  Einzelsprachen  dauerte  der  Labialisierungsprozefs  weiter 
fort,  erlosch  aber  auch  in  ihnen:  im  Latein  ergiebt  sich  das  Verhältnis 
von  34  zu  14  Fällen. 

Die  Schrift,  eine  gekrönte  Preissclirift,    ist  fieifsig  und  sorgsam; 

nur  wird  auch  hier  zu  viel  mit  fingierten  Formen  und  mit  der  Analogie 

9* 


-[)]2  Lateinisclie  Grammatik.    (Deecke.) 

gearbeitet.  Die  Frage  selbst  ist  nicht  befriedigend  gelöst,  da  für  dit- 
Labialisieruüg  keine  Gesetze  gefunden  worden  sind;  auch  scheint  die 
ganze  Sache,  wie  die  zunächst  zu  besprechenden  Schriften  beweisen,  viel 
verwickelter,  als  selbst  Bersu  sie  erfafst  hat. 

Ich  erwähne  zunächst: 

A.  Bezzenberger,  Die  indogermanischen  G uttural reihen ,  in 
desselben  Beitr.  z.  indog.  Sprachforschung  XVI,  S.  234 — 2G0. 

Es  werden  hier  zunächst  3  Eeihen  von  Gutturalen  unterschieden^ 
deren  zweite  und  dritte  aber  wieder  doppelt  sind,  je  nachdem  sie  palatale 
Affektion  erleiden  oder  nicht,  so  dais  eigentlich  5  Reilien  entstehen. 
Im  Lateinischen  fallen  die  1.  u.  2.  Hauptreihe  zusammen,  während 
die  3.  vielgestaltig  erscheint:  nämlich  1.  q,  z,  zh  =  lat.  c,  g,  h;  2  a 
u.  b:  k,  k;  g,  g;  gh,  gh  =  lat.  c,  g,  h;  3  a  u.  b:  q,  q-,  a,,  r?,;  aji,  dji 
=  lat.  q(c),  b(v,  g),  f(b,  gu,  v).  Eine  Anzahl  Etymologieen  sollen  diese 
Ansätze  bestätigen:  fürs  Latein  befinden  sich  darunter:  seques-ter,  secus 
zu  ind.  säcä  „mit",  ii*.  sech  „praeter"  (anders  unten  Zimmermann); 
baetere  zu  av.  gaeth,  lett.  gaita;  faraulus  zu  lit.  gimine  familie;  caterva 
zu  ir.  cethern,  asl.  cetä;  callus  =  ind.  kina  „Schmiele";  callere,  -idus 
zu  kyrar.  call  ,,astutus",  ind.  kaläjati  er  bemerkt;  callis  zu  gr,  xsXsuöoc, 
kymr.  celydd  Genosse  (?);  calpar  ist  kein  Lehnwort,  sondern  verwandt 
mit  gr.  y.aX-y),  --i;,  ind.  karpara-,  kharpara-;  clädes  zu  gr.  xXaoapo;, 
-p£'j£tv,  kymr.  claddu  ich  grabe,  russ.  kladu  ich  verschneide;  marcere, 
-idus  zu  lit.  merkti  einweichen,  lett.  märka  Flachsröste;  habere  zu 
v-'/aöo;,  7asio;(?);  violare  zu  ^Tvecü,  ind.  ginäti  er  überwältigt;  bitümen 
zu  ind.  gätu-Lack;  anr.  kvädaHarz;  carmen  zu  dor.  y.apu;,  ind.  krirü-(?); 
cälidus  „weifsstirnig"  zu  cäligo,  s.  gr.  xr^Xac  (?) ;  uncare  =  ovxaofxat, 
sl.  jfjcati;  catinus  zu  gr.  xotuXt],  ind.  catant  sich  versteckend  (?);  gerro, 
ganire  zu  gr.  osipi^v,  ind.  garate  er  rauscht;  cingere  zu  lit.  kenge  Klinke, 
gr.  xo[i.'-io;(?);  valere  zu  kj^mr.  gwaladr  (d.  i.  *valatros)  Oberherr,  dtsch. 
„walten";  favilla  zu  gr.  T£(ppa,  idg.  dhagh  brennen;  grex  zu  ir.  graig 
Pferdeheerde;  gr.  vap-^apa  u.  s.  w. 

Einige  Ausnahmen  in  der  Gutturalentsprechung  sucht  weg- 
zuräumen : 

Osk.  Wie  dem  an  n.  Zur  Gutturalfrage.  Indogerm.  Forsch.  I, 
255—57. 

Er  nimmt  ein  idg.  qv  an,  verschieden  von  q  mit  Labialisierung: 
jenes  giebt  lateinisch  v:  so  in  vapor  von  Wurzel  qvep;  in-vitus,  in-vitare 
von  Wurzel  qveit.  Dagegen  liegt  in  vermis  (trotz  ind,  krmi-),  vellere, 
verrere  ursprüngliches  reines  v  vor.  Vgl.  liierzu  unten  .1.  Schmidt, 
die  griech.  Ortsadverbien  auf  -ui  u.  s.  w. 


Lautlehre.    Konsonanten.    (Deecke).  133 

Kleinere  Beiträge  zur  Gutturalfrage  enthalten  noch: 

C.  Blick,  9r^p,  fera  and  the  Greek  and  Latin  representatives  of 

Indo  -  European    initial    palatals.     American  Journ.   of  Philol.  1890, 

p.  211  ff. 

Sl.  zveri,  balt.  zveris  von  ghner-  zu  &r^p,   fera.  —  Ital.  k^^   u. 

j^a  =  lat.  qu  (umbr.  ekvine  entlehnt);  g^  =  gu ;  idg.  gh-  ^  ital.  y"'  aber 
idg.  ghu  =  ital.  yu  =  f :  so  auch  lat.  formus,  wie  fera.  Aber  es  bleiben 
Schwierigkeiten:  fundere  zu  gr.  yu-;  fulvus  neben  helvus;  liumus  aus 
^hmus,  aber  osk.  huntruis  u.  s.  w. 

Vgl.  oben  0.  Ho  ff  manu,  Zur  idg.  Lautlehre. 

E.  Lenz,  Zur  Physiologie  und  Geschichte  der  Palatalen  (Zeitschr. 
f.  vgl.  Sprachf.),  besonderer  Abdruck,  Gütersloh  1887,  62  S.     8. 

P.  Merlo,  Kispondenza  di  §a  del  sanscrito  a  ka  del  greco  e  latino. 
Milano  1886,  Hoepli. 

Innerhalb  des  Lateinischen  bewegt  sich: 

A.  Zimmermann,  Kann  intervokalisches  et  sein  c  im  Latein 
verlieren?     Rhein.   Mus.  XLV,  493—96. 

Nach  Konsonanten  ist  dies  allgemein  anerkannt,  z.  B.  quintus 
neben  quinque,  aber  auch  nach  Vokalen  ist  es  vulgär  gewesen,  indem 
et  zu  tt,  dieses  zu  t  mit  Ersatzdehnung  ward.  Das  Italienische  hat 
die  Mittelstufe  erhalten  z.  B.  otto,  atto,  schon  im  decr.  Dioclet.  lattucae. 
Die  Inschriften  zeigen  beide  Stufen  z.  B.  Vittorius  und  Vitorius,  Yitrix, 
invito  (=invicto);  Vectius,  Yettius,  Yetins  mit  vielen  Ableitungen;  Autus 
vgl.  autor  (auch  author),  autumnus  in  Mss. ;  bei  Cicero  Coctia  lege,  aber 
Cottius  (wenn  derselbe  Name !) ;  fata  =  facta.  Die  Eücksicht  auf  die 
etj-mologische  Deutlichkeit  that  klassisch  auch  hier  der  vulgären  Laut- 
neigung Einhalt,  doch  fiel  bei  Eigennamen,  Adverbien  u.  s.  w.  dieser 
Grund  ganz  weg  oder  trat  doch  zurück.  So  der  Beiname  Natta  aus 
*Nacta,  daneben  nacca;  Coattenus  (?),  auch  coatores;  brattea  hat  schon 
Lukrez;  blatta  gehört  zu  lett.  blaktis  A\^anze;  Ambatus,  -ta  neben 
ambactus;  ferner  setius  neben  sectius  (Gell.  XVin,  9,  4—6),  so  dafs 
auch  wohl  der  Beiname  Setus  nicht  immer  ==  Zethus  ist,  vgl.  Setia, 
Settidius,  Setidius,  Setuleia,  Setonius  (hier  ist  aber  auch  an  Suetus, 
Suetonius  u.  s.  w.,  Septidius  u.  s.  w.  zu  erinnern!).  Sicher  ist  auch 
xitor  neben  di  Gnixi  =  nictor;  es  sollte  wohl  der  Gleichklang  mit  nictor 
„ich  zwinkere"  vermieden  werden  (?);  vita  steht  neben  victus  (doch.  s. 
vivus!);  cuturnix  neben  cij-  und  cocturnix  zu  dtsch.  ,,wachtel",  die  Kürze 
wohl  nach  cötbm-nus  (!). 

Auch  die  Dentalreihe  hat  man  zu  spalten  begonnen,  s.  oben 
Kretschraers  t^,  t-^h,  d  ,  d-Mi,  dem  s  sich  nähernd  (in  der  Abhandlung  III). 


134  Lateinische  Giaumiatik.    (Deecke.) 

Andere  Probleme  der  Dentalreilie  behandeln: 

Jos.  Zubaty,  Die  ursprüngliche  tenuis  aspirata  deutalis  iiu 
Arischen,  Griechischen  und  Latein.  Kuhns  Zeitschr.  f.  vergl. 
Sprachf.  XXXI,  S.  1—9. 

Das  ursprüngliche  th  wird  lateinisch  zu  t:  so  in  rota,  ita,  iteni 
(vgl.  ind.  ka-thäm),  pon(t)-s,  cento  (zu  ind.  kautlul  Flickwerk);  ebenso 
wird  sth  im  Anlaut  zu  st:  stare,  (s)tegere;  im  Inlaut  dagegen  zu  ss: 
Gen.  ossis;  Superlativsuffix  -issumus  aus -istho -^  t(a)mo-s  (?).  Ausnahmen: 
sisto  (nach  sto),  ostium  zu  ind.  östha  aa. 

E.  Seymour  Conway,  on  the  change  of  d  to  1  in  Italic.  Indo- 
germau.  Forsch.  II,  S.  157 — 167. 

Xach  Aufzählung  der  bisher  nachgewiesenen  oder  wahrschein- 
lichen Fälle  dieses  Übergangs  stellt  der  Verfasser  fest,  dal's  derselbe 
dem  Lateinischen  nicht  ursprünglich  angehört  haben  kann,  sondern 
aus  einem  der  anderen  italischen  Dialekte  in  jenes  eingedrungen  sein 
mufs.  Nach  Eliminierung  der  übrigen,  bleibt  nur  der  sabiuische  als 
solcher  übrig.  Wir  haben  in  ihm  folgende  Beispiele:  Di  Novensiles; 
lepestae,  lepista  „vasa  vinaria"  zu  oettcx?;  den  Bach  Digentia,  jetzt 
Licenza;  vielleicht  auf  der  Inschrift  1. 1.  M.  (Zwet.)  VI,  3  Zunom  statt 
duuom;  zweifelhaft:  rivus  Cousuletus  zu  considere  (?);  aquae  Cutiliae  =^ 
*Quatidiae  zu  quatere  ('?);  von  scheinbaren  Ausnahmen  widerlegt  sich 
idus  als  etruskisch;  fedus -^  haedus  bleibt  unerklärt;  Medullia  hat  d  = 
dh  =  f ;  Hadria  hatte  eigentlich  tr  (doch  s.  unten!).  Von  S.  165  au 
werden  die  lateinischen  "Wörter  geordnet  vorgeführt:  1.  nie  echt 
lateinische  J"'ormen,  wie  praesilium,  impelimentum  u.  s,  w. ;  2a.  echt» 
aber  an  AVörter  mit  echtem  1  angelehnt:  lingua  an  lingere;  levir  an 
laevus  vir  (?);  lacrima  an  lacer,  lacerare  (?):  miles  an  mille,  milia; 
olere  an  olea  (?);  lautia  an  lautus;  delicatus  an  deliciae;  supercilium 
(von  cadere  .')  an  -cellere;  calamitas  an  calamus;  illlgo  an  fuligo  u.  s.  w, ; 
solum,  solea  (zu  sedere?)  an  sollus;  2b.  entlehnt  zugleich  mit  der 
Sache:  consul  (zu  sedere),  solium  (de?g].),  silicernium  (desgl. V), 
lüdus  (V);  malus  (Mastbaum;  sabinische  Bäume  zum  Schiffsbau'?); 
Xovensiles  (s,  oben);  larix,  laurus;  Seliquastra  (?);  remeligines  zu 
mederi;  pröles  zu  got.  frasts  (!);  3,  entlehnt,  zur  Ergänzung  des 
Wortschatzes:  mulier  zu  gr.  [xuSaXeo;  (V);  baliolus  zu  badius  (?). 
Da  ein  starker  Bestandteil  der  ursprünglichen  Bevölkerung  Roms 
sabinisch  war,  und  auch  später  noch  viele  Sabiner  zuwanderten,  sind 
daraus  die  Entlehnungen  und  die  vulgäre  Neigung  unschwer  zu  er- 
klären. —  Die  Beweise  des  sabinischen  Ursprungs  aber  sind  thatsächlich 
doch  zu  schwach,  die  Etymologieen  durchweg  unsicher,  manche  viel  zu 


Lautlehre.    Künsouanten.    (Deecke.)  135 

gewagt.  Man  kommt  aucli  hier  mit  der  angeblichen  Ausnahmslosigkeit 
der  T>autgesetze  nicht  zum  Ziel.     Vgl. 

E.  E.  Whartoü  Latin  1  for  d.     Academy  1885,  p.  369 f. 

Andererseits  wird  d  auch  zu  r: 

Luigi  Ceci  Appunti  glottologici.    Torino,  Loescher,  1892,  26  p. 

Beispiele  sind:  meridies  (mit  Dissimilation;  s.  darüber  unten  bei 
den  Etymologieen!);  Larinum  (oskischV);  monerula  (zweimal  bei  Plautus); 
apor  (marsisch  apur);  in  Glossen  auch  pror  =  prod-;  zwf.  simitur, 
igitur  (Ablative  oder  Imperative?);  ferner  ar==ad,  vor  f,  v,  b  (umbr. 
vor  f  u.  v);  Anderes  findet  sich  als  vulgär  in  Glossen,  bei  Isidor  u.  s.  w. 
Klassisch  sind  nur  meridies  und  arbiter  (dessen  Etymologie  aber  dunkel 
isti).  —  Der  übrige  Teil  der  Arbeit  enthält  andere  Etymologieen,  s,  dort! 

Zum  vulgären  Wechsel  von  1  und  r  s.  unten  Wölfflin  Dissimi- 
lation der  littera  canina! 

Über  den  lautlichen  Wert  der  3  Mediä  s.  noch: 

S.  Conway  the  value  of  the  mediae  (b,  g,  d)  in  Old  Latin  and 
Italic.  Americ.  Journ.  of  Philol.  1891,  p.  302 ff. 

B,  d,  g  waren  altitalisch  stimmlos  und  behielten  diesen  Laut  in 
den  Dialekten  nach  der  Trennung,  oskisch  und  umbrisch  länger,  als 
lateinisch ,  wo  sie  in  der  geschichtlichen  Zeit  stimmhaft  wurden.  Aus 
der  Stimmlosigkeit  erklärt  sich  die  Mengung  mit  der  Tennis:  so  fehlen 
altumbrisch  d  und  g,  b  ist  selten ;  oskisch  mehrfach  k  statt  g ;  faliskisch 
p  =  b,  g-=c;    lateinisch    bis  300  v.  Chr.   nur  noch  k(c)u.  g  gemengt. 

Den  Wechsel  zwischen  tenuis  und   media  im  Auslaut  bespricht: 

A.  Bezzenb erger  Indogermanische  Tenuis  im  Auslaut.  Bei- 
träge zur  Kunde  d.  idg.  Spr.  XIV,  S.  176—7. 

Das  im  Sanskrit  gültige  Gesetz  der  Erweichung  auslautender 
tonloser  tenuis  zur  tönenden  media  vor  tönenden  Anlauten  scheint 
wesentlich  schon  indogermanisch  gewesen  zu  sein,  und  indem  in  der 
einen  abgeleiteten  Sprache  die  tenuis,  in  der  anderen  die  media  sich 
verallgemeinerte,  entstand  in  ihnen  verschiedener  Auslaut.  Hierher 
gehört  aus  dem  Latein:  das  d  des  neutr.  sg.  der  pronomina,  aus  t, 
zum  Fron,  to;  das  d  der  3.  sg.  im  altlat.  Verbum,  aus  t,  ti,  zu  dem- 
selben Pronomen  z.  B.  fecid,  fhefhakid,  osk.  fefacid  u.  s.  w.;  das  d 
des  abl.  sg,  in  altlat.  -äd,  -ed,  -öd,  -nd  =  -a  +  ot(o)  u.  s.  w.,  s.  lud. 
-tas,  lat.  -tus;  ferner  vereinzelt  ad  =  lit.  at;  ab  neben  ap-erio,  gr.  a-o; 
snb  neben  superus,  gr.  u-o;  ob  neben  op-erio,  s.  gr.  Itti;  andrerseits 
ist  in  der  Endung  von  lat.  long-iuqu-us  neben  lit.  god-ing-as  u.  s.  w. 
die  ursprüngliche  tenuis  erhalten. 

Der  Rhotacismus  im  Lateinischen  hat  die  erste  tiefer  be- 
gründende Bearbeitung  gefunden  in: 


136  Lateinische  Grammatik,    (Deecke.) 

R.  Seymour  Conway  Veriier's  law  iu  Italy,  an  essay  in  the 
liistory  of  the  indo  -  european  sibilants,  witli  a  dialect  map  ot  Italy 
by  E.  Heawood.  Londou,  Trübner  and  Co.,  1887,  120  p.  8.  s.  ob.  S.  1 14. 

Der  Verfasser  behandelt  in  eingehender  scharfsinniger  Unter- 
suchung: 1.  die  lautliche  Verwandtschaft  von  s  und  r  (tonloses  s  geht 
in  tönendes  z,  zh,  oder  in  sh,  rh,  endlich  in  r  über);  2.  s  zwischen 
Vokalen  im  TTmbrischen  und  Oskischen;  3.  den  Ehotacismus  in  den 
kleineren  italischen  Dialekten;  4.  s  zwischen  Vokalen  im  Lateinischen, 
nebst  Betrachtung  seines  Überganges  in  r,  und  mit  Untersuchung  des 
Accentwechsels.  Der  Übergang  des  s  iu  r  beruht  auf  Zurückziehung, 
Erhebung  und  Zuspitzung  des  Zungenvorderteils,  aus  Bequemlichkeit 
}iach  unbetonter  Silbe  oder  langem  Vokal,  od^3r  durch  Einfluls  von  1 
oder  u.  Ein  Anhang  erörtert:  die  fernere  Geschichte  des  s  zwischen 
Vokalen  im  Latein  und  Eomanischen ;  auslautendes  s  im  Arischen;  aus- 
lautendes s  und  r  im  Umbrischen;  die  Entwicklung  des  lateinischen 
Perfekts  (s.  unten!).  Den  Schlufs  bildet  ein  sorgsamer  Wortindex.  — 
Die  in  der  Einleitung  zusammengestellten  Ergebnisse  sind  fürs 
Latein  folgende:  Schon  im  Uritalischeu  wurde  das  stimm-  oder  tonlose 
s  zwischen  Vokalen  nach  unbetonter  Silbe  zum  stimmhaften  oder 
tönenden  z  (=  weichem  deutschen  s),  und  so  überkam  es  das  Lateinische. 
Beim  ersten  Accentwechsel  in  letzterem  aber  (s.  oben  bei  der  Betonung  I) 
wurden  zum  teil  andere  s  von  der  Erweichung  betroffen,  während  jene 
älter  entstandenen  z  zum  teil  wieder  hart  wurden  (?);  das  s  aber  diente 
zum  Ausdruck  beider  Laute.  Seit  etwa  450  v.  Chr.  aber,  vor  dem 
zweiten  Accentwechsel,  der  nach  350  v.  Chr.  anzusetzen  ist  (?),  ging 
das  z  in  r  über.  Nach  betonter  Silbe  behauptete  sich  das  s  zwischen 
Vokalen,  ausgenommen  allerdings  nach  langem  Vokal  (auch  Diphthong), 
und  nach  i  und  u,  vor  folgendem  i  und  u  z.  B.  quaeso  neben  quaeris  u.  s.  w., 
quaerunt;  miser,  aber  dir-imit;  doch  sind  diese  Ausnahmen  sehr  zahl- 
reich, und  erleiden  selbst  wieder  eine  Menge  Unterausnahmen,  wie  quaero, 
maereo,  dirimere  u.  s.  w. ,  die  auf  Analogiezwang  u.  s.  w.  zurück- 
geführt werden,  so  dafs  schliefslich  nicht  mehr  hindurchzufinden  ist. 
Vor  Nasalen  ging  s  nach  unbetonter  Silbe  ohne  Ersatzdebnung  ver- 
loren, wie  in  Ca(s)mena;  nach  betonter  Silbe  trat  vor  und  nach  (V) 
dem  Jahrhundert  der  Rhotacisierung  Ersatzdehnung  ein,  wie  in  ahenus  == 
*ahes-nus,  dimovet  neben  älterem  dismovet;  während  desselben  ward 
s  zu  r,  wie  in  Carmen,  vOrua,  diürnus  (V);  auch  dies  wieder  mit  vielen 
Ausnahmen  und  schwer  vorstellbar.  Freilich  sucht  Conway  alle  Eälle, 
und  ihrer  ist  eine  .sehr  grolse  Zahl,  in  denen  sich  später  noch  s  zwischen 
Vokalen  findet,  durch  Analogiezwang  oder  als  Lehnwörter,  auch  aus 
italischen  Dialekten,   zu  erklären;    aber  ohne  die  gröfste  "Willkür  geht 


Lautlehre.     Konsonanten.    (Deecke.)  137 

«s  hier  nicht  ab.     Dies  s  blieb,  wie  alle  s  überall,  bis  nach  Quintilian 
stimmlos,  hart.    Sehr  häufig  übrigens  ist  es  aus  ss  entstanden,  das  nach 
langem  Vokal  schwächer  lautete  und  sich  so  vereinfachte.    Dies  ss  aber 
ist  eine  spezifisch  lateinische  Bildung,  aus  Dental  -r  i,  die  altitalisch  tt 
ergaben,  so  dal's  die  als  altlateinisch  angeführten  BildUDgen  mit  tt,  wie 
adgrettus,  futtilis,  mattus  u.  s.  w.,  wieder  auf  Analogie  (V)  oder  Ent- 
lehnung   beruhen    sollen.     Pälignisch    oisa    wird    als    „unica"    erklärt; 
lat.  caus(s)a  auf  *caudo    zurückgeführt,    das    mit  cüdo    verwandt  sein 
soll.     Die  übrigen  Schwierigkeiten  sind  zum  teil  in  meiner  Anzeige  in 
der  Wochenschrift  für  klassische  Philologie  1888,  No.  24,  hervorgehoben. 
Gewisse  Vermeidungen  und  Wandlungen  des  r  selbst  erörtert: 
Edu.  Wölfflin,    Die  Dissimilation  der   littera  canina.     Archiv 
f.  lat.  Lexikographie  IV,  S.  1 — 13. 

Er  geht  aus  von  der  Eorm  meletrix  bei  Turpilius  und  Afranius 
(ital.  Dial.  meltrice);  spät,  mit  anderer  Dissimilation,  meneris  (Arch.  III, 
539).  Die  ganze  Erscheinung  dieses  Lautwechsels  ist  vulgär  und  daher 
auf  die  romanischen  Sprachen  vererbt.  Aber  auch  klassisch  finden  sich 
Spuren:  1.  Vermeidung  des  gen.  pl.  auf  -rorum,  -rarum;  so  beim  part. 
fut.  act.  klassisch  und  augusteisch,  ausgenommen  futurus  und  Ovid 
Met.  XV,  835;  plurimorum,  -arum  statt  *plerorumque  u.  s.  w.;  vielfach 
Genitive  auf  -um;  auch  Cicero  hat  liberum  in  den  älteren  Reden, 
später  ist  er  grammatisch  strenger;  hierher  auch  amphorum  und  triarium, 
adversarium  (vereinzelt).  —  2.  Vermeidung  von  Komparativen  auf 
-rior,  -erior  z.  B.  nicht  *ferior,  *dirior  (erst  Tertull.),  "mirior,  *deco- 
rior,  *sacrior,  *gnarior  (erst  Augustin)  u.  s.  w.;  doch  wird  vieles  ge- 
duldet, sogar  spätlat.  pluriores  (doch  frz.  plusieurs).  —  3.  Aus  der 
Konjugation  gehören  hierher  vielleicht  teilweise  die  synkopierten  Formen 
von  fero,  wie  ferre,  ferrem,  ferrer;  ferner  der  Abfall  des  -er  im  Inf. 
Präs.  Pass.,  wenn  derselbe  von  den  Formen  auf  -rier  ausgegangen  ist  (sehr 
zweifelhaft!);  endlich  hat  kein  mit  r  beginnendes  Verb  eine  Eedu- 
plikatiou.  —  4.  In  der  Wortbildung  und  Ableitung,  auch  bei  Lehn- 
wörtern: balbus  =  papßapoj;  gurgulio  =  7ap7ap£cuv;  balat(h)ro  = 
ßapaöpov  (?);  ferner,  mit  verkürzter  Verdoppelung:  susurrus  neben 
murmur;  ebenso  cicirrus,  Mamers  neben  Marmar,  Pabaris  neben  Far- 
faris;  mit  dissimilierter  Verdoppelung:  Cancer  neben  carcer,  auch  can- 
celli;  Perpenna  =  -erna;  febris  zu  fervere  (?);  dann,  mit  vulgärem 
Wechsel  von  1  und  r:  flagro  neben  fragro;  clustrum  neben  crustulum; 
Suffixe  -äris,  -ärius  neben  -älis;  -cluni  neben  -crum;  -bulum  neben 
-brum  u.  s.  w.;  vereinzelt:  Cere(r)älia;  per  -creb(r)ui;  pistrix  =  zpi7-'.?.  — 
5.  Zusammensetzung:  nie  re  vor  anlautendem  r;  impraesentiarum  aus 
in  praesentia  rerum  (?);  pe(r)jero;  praest(r)igiae;  vielleicht  prae-  statt 
praeter-;  porrigo  aus  *prörigo  (V)  aa. 


138  Lateiaiscbe  Grammatik.    (Deecke.) 

Kon  soll  au  tcuverb  in  düngen  sind  zum  teil  schon  oben  ge- 
legentlich besprochen  worden:  so  bei  Kretschmer,  Indogerm.  Accent- 
nnd  Lautstudien  III,  1  die  anlautenden  Verbindungen  von  Labialen  und 
(Gutturalen  mit  Dentalen ;  bei  Fröhde  Zur  lateinischen  Lautlehre,  erste 
Abhdlg.,  8  r  +  Konsonant  nach  vo;  Exkurs  über  Konsonant  +  v  (dv, 
tv,  sv);  zweite  Abhdlg:  I,  1  Dental  4-  s;  2.  ns,  us,  nt  -h  t,  ns  +  t 
u.  s.  w. ;  3.  cn,  cm;  gn,  gm;  4.  nc,  ng  vor  Konsonanten;  5.  tn,  dn; 
6.  pm,  bm;  dm;  7.  cl,  gl;  er,  gr;  8.  xv,  xl,  xm  u.  s.  w.,  s.  II;  gv; 
II  s,  z,  x,  h  vor  Konsonanten;  c,  b,  r,  g  vor  Doppelkonsonanz;  W.  Meyer 
Kleine  Beiträge  zur  lat.  Gramm.  2.  U  aus  dv,  Iv;  Iv  aus  Isv,  durch 
Synkope;  3.  Dental  +  n  =  nn;  Dental  +  sn  =  *ssn,  *sn,  nn;  sn, 
rsn,  Guttural  -4-  sn  =  *zn,  n  (mit  Dehnung);  4.  dh  +  t  =  *zdh, 
*sth,  st;  nst  =  ns  (s.  oben!);  5.  s  +  d  —  *zd,^  d;  6.  rn  =  nn;  Id  =  11: 
Dental  +  c  --  cc;  rdh  -r-  m  =  rm;  rc  H-  t  =  rt;  0.  Eloffmann  zur 
idg.  Lautlehre:  I.  anlautendes  p  aus  kv;  f  aus  zhv,  ghv;  Wi e do- 
rn ann  Zur  Gutturalfrage  im  Latein:  anlautendes  v  aus  qv  (s.  unten 
Joh.  Schmidt  anlautendes  u  aus  quu);  Zimmermann:  inlautendes 
tt,  t  aus  et;  Zubaty:  sth,  anlautend  zu  st,  inlautend  zu  ss;  Conway 
Verners  law:  s  ^  Nasal;  Dental  4-  t.  —  Vgl.  noch  Stolz  Lat.  Gramm. - 
iiOlff. ;  Schweizer- Sidler  Lat.  Gramm.-  57. 

Ferner  gehören  hierher: 

E.  R.  Wharton  the  combination  hl  in  Latin.     Academy  188ß, 
p.  187  f. 

R.  Thurneysen  Italisches.  Kuhns  Zeitschr.  f.  vgl.  Sprachf.  XXXIL 
S.  554—572. 

Auf  das  Lateinische  speziell  beziehen  sich :  4.  Ursprüngliches  dr 
im  Lateinischen.  Dasselbe  fehlt  im  Anlaut:  unsicher  ist  drua  nebst 
andruare  (Festus):  onoraatopoietisch  sind  drindrare,  drensare;  (umbrisch 
der  Beiname  Drusus) ;  im  Inlaut  begegnet  es  nur  in  quadru-,  quadrare, 
quadrans  u.  s.  w.  —  Whartons  Vermutung  (in  den  Etyma  Latina, 
s.  unten!),  dals  dr  zu  tr  geworden,  ist  richtig,  bedarf  aber  besserer 
Begründung:  zunächst  gehören:  taetro-  zu  taedere;  atrox  zu  odium  (?); 
nutrire  zu  ahd.  niozan  (?;  Georges  giebt  nü-);  utro-,  utri-  zu  uSpi'a; 
lutra  ist  ^-  ind.  udra-,  angelehnt  an  lutum  (V);  ferner  kann  das  tru- 
in  trucidare  dem  keltischen  verstärkenden  dru-  entsprechen  ( ? ) ;  uterus 
steht  für  *utrus  (nach  numerus  u.  s.  w.)  und  dies,  =^  gr.  ^oepoj,  ind. 
udäram,  trat  für  *uderus  ein,  infolge  von  Vermengung  mit  uter  (s.  ob.): 
vgl.  noch  utriculus  (zu  künstlich!);  auch  das  Lehnwort  •/.io^o';  ward  zu 
citrus.  All  diesem  widerspricht  nun  scheinbar  quadr-  neben  quatuor: 
es  ist  aber  vermengt  mit  quad-  „eckig",  zu  germ.  hvat  „scharf";  vgl. 
quadrus  „viereckig";  die  regelmäfsige  Verschiebung  zeigt  triquetrus; 
vielleicht  auch  wurde  ein  ursprüngliches  *quetruquadä-   „das  Viereck'' 


Lautlehre.    Konsonanten.    (Deecke.)  139 

zu  quadrä-  (?):  daher  käme  dann  auch  das  a  der  ersten  Silbe.  — 
5.  dj  ward  jj  =  Dehnung  mit  j:  jejünus  ist  mit  falscher  Reduplikation 
lür  "^ejunus  eingetreten,  =  ind.  ädjünas  „gefräfsig",  aus  *edi-ünos 
„speiseleer"  (?);  pejor  entstand  aus  *pedjüs,  s.  peccare  ■=  *ped-care; 
caja  „Prügel"  =  *cajja  aus  *caid-jci;  aemulus  ==  *ad-jemo-los  zu  ind. 
jaraä-  Zwilling  (verschieden  von  vi-gämau-,  wozu  gemini).  Alles  dies 
ist  sehr  unsicher.  —  6.  cedere  zu  ir.  cet  Erlaubnis,  cetlem  ich  willige 
ein,  indem  cet  =  *kez-do,  ^keddo  ist,  lat.  cedo  =  *cez-do  (zu  dare), 
analog  credö.  —  Auch  dies  scheint  mir  unmöglich. 

Ich  erwähne  endlich  noch,  wegen  einiger  Ergebnisse  fürs  Latein : 

Chr.  Bartholomä  Studien  I.  Indogermanisches  ss.  Halle,   Nie- 
meyer, 1890; 
s.  die  Anzeige  von  Fr.  Stolz  in  der  Berliner  Philol.  Wochenschrift  X, 
1120  if. 

An  die  KonsouantenverbinduDgen  schliefst  sich  die  Lehre  von  der 
Assimilation  in  Zusammensetzungen  an,  und  daran  wieder  die 
Untersuchung  über  den  Gebrauch  gewisser  Doppelformen  von  Prä- 
positionen und  Konjunktionen  vor  bestimmten  Anlauten,  als  ein  Teil 
der  Satzphonetik. 

Jos.    Dorsch   Assimilation  in    den  Kompositis  bei  Plautus  und 
Terentius.    Prag  1887,  50  S.     8^. 

Die  Abhandlung  stammt  aus  den  ,, Prager  Philologischen  Studien" 
und  beschränkt  sich  für  Plautus  auf  die  12  von  Götz,  Löwe  und  Scholl 
herausgegebenen  Stücke,  ohne  eigene  Manuskriptstudien,  auf  die  es 
bei  dieser  Frage  zuletzt  doch  ankommt.  Zur  Vergleichung  sind 
besonders  die  Inschriften  herangezogen.  Innerhalb  dieser  Grenzen  ist 
die  Arbeit  sorgfältig.  Es  ergiebt  sich,  dafs  die  nicht  assimilierten 
Formen  keineswegs  durchweg  die  älteren  sind;  vielmehr  war  die  Assi- 
milation ein  archaisch  vulgärer  Akt,  gegen  den  die  Klassicität  aus 
etymologischen  Gründen  reagierte.  Es  ist  erklärlich,  dafs  Komposita 
ohne  gebräuchliches  Simplex  sich  leichter  assimilierten;  andrerseits 
mehr  selbständige  Vorsilben  schwerer,  als  mehr  abhängige,  z.  B.  in 
negativum  später,  als  die  Präposition  in;  so  findet  sich  noch  inpurus 
neben  impleo.  Kürze  der  Stammsilbe  scheint  die  Assimilation  begünstigt 
zu  haben.  S.  44  sind  die  Resultate  für  sämtliche  Präpositionen,  füi- 
dis-  und  re-,  zusammengestellt.  Ein  alphabetisches  Register  bildet 
den  Schlufs. 

Einen  kleineren  Beitrag  lieferte: 

Edu.    Wölffliu    Zur   Konsonantenassimilation.     Archiv   f.    lat. 
Lexikogr.  III,  506. 

Das  Bewufstsein  der  Zusammensetzung  zeigt  sich  vollständig 
verloren  schon    in    des  älteren  Plinius'    adalligare.  —  Celsus  hat   nui' 


140  Lateinische  Grammatik.    (Deecke). 

noch  dissimilis,  da  absimilis  in  der  Aussprache  schon  mit  adsirailis 
zusammenfiel:  ebenso  Tacitus,  Quintilian,  während  Scribonius  Largus 
und  Sueton  noch  absimilis  kennen. 

Zur  zweiten  Frage  gehören: 

H.    Meusel   ä  und  ab    vor  Konsonanten.     Jahrbücher  f,  klass. 
Philol.  1885,  S.  402—7;  ergänzt  durch  Fr.  Härder  ebdt.  S.  882—4. 

Meusel  behandelt  die  Litteratur  von  Plautus  bis  Tacitus.  Es 
ergiebt  sich  grofse  Übereinstimmung  mit  dem  Verfahren  in  der  Kom- 
position. So  entspricht  ä  dem  in  der  Komposition  vorkommenden  ä-, 
as-,  au-:  es  steht  regelmäf^ig  vor  den  Labialen  (b,  p,  f,  v,  m);  fast 
immer  vor  g,  q;  weit  überwiegend  vor  c,  t:  ab  steht  in  der  älteren 
Zeit  häufiger  vor  d,  j,  1,  n,  r,  s;  später  schwankt  es  mit  ä;  endlich 
dringt  letzteres  durch,  so  allmählich  auch  bei  Cicero.  Der  Verfasser 
schliefst  daraus  für  den  Cäsar,  dafs  die  bislierige  "Wertschätzung  der 
Handsclu-iften  irrig  ist.  —  Härder  hat  die  Fragmente  der  älteren 
römischen  Poesie  untersucht  und  fast  vollkommene  Übereinstimmung  mit 
Meusels  Resultaten  gefunden:  ä  steht  immer  vor  Labialen  und  n; 
häufiger  vor  c  und  s;  ab  steht  immer  vor  j  und  r,  häutiger  vor  d  und  1; 
vor  t  steht  ä,  ausgenommen  abs  te ;  doch  zweimal  ä  te  und  einmal  abs 
vor  anderem  t. 

H.  J.    Müller   im   Jahresbericht    des  Berliner   Philol.    Vereins 
Bd.  XIV,  1888,  S.  113 
bemerkt  zu  Livius,  dafs  in  Dekade  1 — 8  vor  f  111  mal  ä,  nur  4  mal  ab 
sich  findet,  und  davon  einmal  mit  Variante. 

Spätere  Litteratur  behandelt: 

Job.  Haussleiter  ä,  ab,  abs.  Archiv  f.  lat.  Lexikogr.  III, 
S.  148—9, 
nämlich  zwei  Schriften  des  älteren  afrikanischen  Kirchenlateins:  die 
versio  Palatina  des  pastor  Hermae  und  das  Evangelium  Palatinum. 
Es  bestätigt  sich  auch  hier,  dafs  ab  vor  Konsonanten  immer  mehr 
schwindet,  in  der  Volkssprache  zuletzt  ganz.  Zur  Vergleichung  wird 
Plautus  herangezogen,  der  ab  nur  vor  Labialen  (auch  Labiodentalen) 
und  Gutturalen  gar  nicht  hat;  mit  a  schwankend  vor  1,  n,  t;  häufiger 
vor  d;  ausschliefslich  vor  j,  s,  r.  Dem  gegenüber  findet  sich  ab  in  den 
obigen  Schriften  nur  noch  vor  s  impurum,  wo  wohl  schon  der  Hilfs- 
vokal e  zu  tönen  anfing;  ferner  einmal  ab  deo  (und  noch  dazu  nicht 
ganz  sicher);  sonst  nur  Spuren;  abs  te  kommt  im  evangelium  noch 
fünfmal  gegen  zweimal  ä  te  vor,  im  pastor  Hermae  nur  einmal.  Ahnlich, 
wie  in  diesen  Schriften,  steht  es  mit  dem  Psalmkommentar  des  Augustin 
(nach  Bergmüllerj. 

Fr.  Härder  e  und  ex  vor  Konsonanten  in  den  Fragmenten  der 
älteren  lömischen  Poesie.    Jahrb.  f.  klass.  Philol.  1890,  S.  771—77. 


Lautlehre.    Orthographie.    (Deecke.)  141 

Auch  hier  stimmt  die  Formanwendung  wesentlich  zu  derjenigen 
in  der  Komposition.  In  der  älteren  Zeit  und  später  noch  im  Drama 
überwiegt  ex  z,  B.  noch  bei  Lucilius  11  ex,  9  e;  aber  Varro  hat  schon 
nur  3  ex  neben  11  e;  Cicero  (in  seinen  Dichtungen)  2  ex,  22  e;  regel- 
raäfsig  haben  beide  letzteren  ex  vor  s,  Varro  noch  einmal  vor  r, 
Cicero  vor  c  (ex  caelo,  sonst  e  caelo).  Abgesehen  von  ihnen,  steht  e 
vor  g,  1,  m,  r,  v;  ex  vor  d,  n,  j,  meist  vor  p,  s,  t,  q,  c  (ausgenommen 
e  conspectu);  vor  b  bleibt  der  Gebrauch  zweifelhaft.  Die  archaische 
Form  ec  ist  von  Herausgebern  gegen  die  Überlieferung  an  verschiedenen 
Stellen  eingesetzt:  sie  findet  sich  regelmäi'sig  vor  f,  bisweilen  vor  1,  m,  r, 
einmal  vor  p  (ec  partibus). 

P.  Stamm,  ac  und  atque  vor  Konsonanten.  Jahrb.  f.  klass. 
Philol.  1888,  S.  171—9;  ergänzt  durch  Max  C.  P.  .Schmidt  ebdt. 
S.  711  —  12. 

Stamm  hat  den  Sprachgebrauch  besonders  bei  Cicero,  Cäsar, 
Salliist  und  Livius  verfolgt,  und  es  ergiebt  sich:  1.  atque  neben  ac 
steht  bei  Anfügung  eines  einzelnen  Wortes,  selten  mit  Zusatz,  innerhalb 
eines  Satzes.  —  2.  ac  steht  notwendig  bei  Anfügung  eines  Satzes  oder 
selbständigeren  Satzteiles,  besonders  in  der  Epexegese;  sehr  oft  mit 
Negation  ac  non,  ac  ne,  oder  mit  Präpositionen,  Konjunktionen,  Adverbien, 
wie  ac  post,  ac  si,  ac  primum  u.  s.  w.  So  heilst  es  z.  B.  de  instituto 
atque  (oder  ac)  judicio  meo,  aber  nur  ac  de  judicio  meo.  Aus  euphonischen 
Grründen  steht  im  Satzanfange  nie  atque  oder  ac  vor  quanquam, 
quoniam,  quum  u.  s.  w.,  sondern  dafür  et.  —  3.  Beide  Formen  stehen 
nach  Ausdrücken  der  Ähnlichkeit  und  nach  simul,  doch  heilst  es  immer 
nur  proinde  ac  si  u.  s.  w.  —  Schmidt  liefert  eine  Ergänzung  für 
Curtius.  Danach  steht  1.  ac  nicht  vor  Gutturalen  (bei  Livius  gegen 
Ende  seines  Werkes  abnehmend),  doch  einmal  ac  conjuges  (auch  bei 
Livius  ac  con-).  —  2.  atque  wie  bei  Stamm,  mit  wenigen  Ausnahmen, 
die  wegemendiert  werden,  was  schwerlich  zu  billigen  ist.  —  Hier  sollen 
also  dem  Formenwechsel,  was  bedenklich  ist,  zum  Teil  logische  Gründe 
unterliegen. 

Die  letzterwähnten  Untersuchungen  greifen  schon  gewissermafsen 
ins  Gebiet  der  Orthographie  über.  Dahin  gehören  auch  teil- 
weise mehrere  der  oben  erwähnten  Schriften  zur  Lautlehre,  wie 
Christiansen  de  apicibus  et  i  longis;  Kretschmer  „Idg.  Accent-  und 
Lautstudien " :  über  den  Wechsel  von  ü  und  ö,  im  Exkurs  über  öm; 
Fröhde  „Zur  lateinischen  Lautlehre,"  erste  Abhandlung:  über  t'w,  u 
oder  vo\  quu,  m  oder  rp(o\  onc  oder  unc\  ji,  ü  oder  i;  zweite  Abhandlung: 
I,  2.  Acc.  Mehrz.  auf  -is  (von  z- Stämmen);  Adverbia  auf-  ies; 
Ordinalia  auf  -esimus-,  Adjektiva  SLut  -ösus;  6.  mm  neben  m  in  ämentum, 


142  Lateinische  Grammatik.    (Deecke). 

ammeutum;  ebenso  II,  1  c:  lämina,  lammina;  II,  2  velatiira  nebeu 
vellatura;  Exkurs:  joubeatis  falsch  statt  jubeatis;  W.  Meyer  „Kleine 
Beiträge"  6.  damma  neben  däma;  lammina  neben  lämina  (s.  oben!); 
L.  Havet  Melauges  7,  aestumare;  24.  ui  =  j':  Allen  Gäius  bis 
100  n.  Chr.;  Bersu  „Die  Gutturalen":  über  quo,  quu,  cu  u,  s.  w. 
(s.  oben!);  Zimmermann  über  tt,  t  =  et;  endlich  Marx  Hültsbüchlein, 
s.  S.  112.  Anderes  wird  unten  bei  der  Formenlehre  und  Etj^mologie 
erwähnt  werden. 

An  eigenen  orthographischen  Schriften  kann  ich  nur  wenige 
kleinere  erwähnen: 

J.  Ob  er  dick,  Studien  zur  lateinischen  Ortographie  II.  Prgr. 
Breslau  1886,  12  S.  4:  JII.  Prgr.  Breslau  1891,  4  S. 

Vgl.  den  Jahresb.  für  1881—82  S.  321—22  über  I.  Im  dritten 
Hefte  werden  unter  anderm  besprochen  und  festgesetzt :  cottidie;  Suebi; 
.Tuppiter;  tentare  aa. 

Zwei  auswärtige  Aufsätze  sind: 

A.  E.  Housman  adversaria  orthographica.    Class.  Bev.  V,  293  tf. 

C,  Fumagalli  dizzionario  ortografico  della  lingua  latina  con 
app.  sulla  interpunzioue.  4.  ed.  Milano  34  p.  16;  wesentlich  nach 
W.  Brambachs  Hülfsbüchlein  für  die  lateinische  Rechtschreibung, 
Leipzig,  Teubner,  3.  Aufl.  1884,  bearbeitet. 

Die  Umschreibung  der  griechischen  Lehnwörter  in  späterer 
Zeit  ist  erörtert  in  dem  unten  noch  genauer  zu  betrachtenden  Werke: 

G.  A.  Saalfeld,  de  bibliorum  sacrorum  Vulgatae  editionis 
Graecitate.     Quedlinburg  1891,  180  S.  8. 

In  den  p.  X — XYI  vorausgeschickten  quaestiuuculae  etymologicae 
wird  als  ratio  translationis  angegeben:  I.  ipsa  translatorum  vocabulorum 
elementa  respicienda  sunt:  y,  z;  ch,  th,  ph;  ferner  c  =  y;  t  =  {>;  p  =  'f; 
s,  SS  =  C,  h=';  nicht  entlehnt  sind  Wörter,  wenn  sich  entsprechen: 
g,  h  =  y;  f,  d  =  9;  f,  b  =  cp,  ausgenommen  fides,  fortax,  fucus. 

Ich  schliefse  hier  an: 

K.  Zangemeister,  Entstehung  der  römischen  Zahlzeichen. 
Sitzungsber.  d.  K.  Preuls.  Akad.  d.  Wissensch.  v.  1.  Dec.  1887,  18  S.  4. 

Der  Verfasser  geht  vom  Gebrauch  und  Namen  des  decussare 
„kreuzen",  als  Zeichen  der  Multiplikation  mit  10,  aus,  und  läfst  so  aus 
I  =  ]  zunächst  >  (etr.  auch  +)  =  10  entstehen,  wovon  das  lat.  V 
die  obere,  das  etr.  A  =  5  die  untere  Hälfte  bildet;  durch  zweite 
Kreuzung  entstand  X'  ^^^'-  '"^"^h  )|(  =  100;  daneben  ]^,  (  X,  daraus, 
durch  Einflufs  von  centum,  C  (?);  die  Halbierung  ergab  \J/  =-  50, 
auch  J,,  J.,  endlich  lat.  L.  Für  1000  war  die  ursprüngliche  Form  $$, 
daraus  (X),  (X),  X,  CD,  während  M  der  Anlaut  von  mille  war. 
Die  Hälfte  jenes  Zeichens  <)   gestaltet  sich  zu  D  um,  etr.  auch  O  Q. 


Formenlehre.    Allgemeines.    (Deecke).  143 

Dagegen  hält 

Th.  Mommsen  Hermes  XXIII,  S.  152—56 
am  Ursprung  der  Zahlzeichen    für  10,  50,  1000    aus  den  überflüssigen 
griechischen  Buchstaben  fest  =  X,  W,  <1>. 

Vgl.  noch  unten  Buche  1er  (Etymologieen)  über  0  =  gr.  9, 
O  =  100  und  den  Ursprung  von  C  daraus  durch  Halbierung,  mit  An- 
lehnung an  centum. 

Ich  komme  zur  Foriueulelire.  Hier  ist  zunächst  wieder  die 
dritte  gänzlich  neu  bearbeitete  Auflage  der  „Formenlehre  der  Lateinischen 
Sprache"  von  Fr.  Neue  zu  erwähnen,  deren  2.  Band,  enthaltend  die 
Adjektiva,  Numeralia,  Pronomina,  Adverbia, Präpositionen,  Konjunktionen 
und  Interjektionen  in  16  Lieferungen,  von  C.  Wagener  vollendet  vor- 
liegt, Berlin,  Calvary  u.  Co.  1889—92,  1000  S.  8,  ein  Werk  von 
aufserordentlichem  Fleifse,  als  Quell-  und  Nachschlagebuch  unentbehrlich. 
Bei  Aufrechthaltung  der  Hauptabschnitte  ist  im  einzelnen  eine  gröfsere 
logische  Anordnung  durchgeführt  (immer  noch  nicht  ausreichend),  der 
Druck  ist  übersichtlicher  gestaltet,  die  Fortschritte  der  kritischen 
Forschung  sind  möglichst  berücksichtigt  worden,  die  späteren  Schrift- 
steller bis  zum  Untergang  des  weströmischen  Kaiserreichs  teils  neu 
durchforscht,  teils  neu  hinzugefügt;  endlich  ist  die  neueste  Litteratur 
nachgetragen  und  ergänzt.  Ganz  besondere  Sorgfalt  soll  den  Registern 
zugewendet  werden;  doch  hat  der  2.  Band  keinen  eigenen  Index,  wohl 
aber  ein  sehr  ausführliches  Inhaltsverzeichnis.  Auf  das  Altlateinische 
und  die  Vergleichuug  der  italischen  Dialekte  ist  verzichtet.  Der  zunächst 
erscheinende  3.  Band  wird  das  Verbum  behandeln. 

Ebenso  ist  von  neuem  hier  anzuführen  K.  E.  Georges  „Lexikon 
der  lateinischen  Wortformen"  d.  h.  aller  irgendwie  bemerkenswerten, 
seltenen,  unregelmäfsigen,  archaischen  und  archaistischen  Formen  aus 
der  ältesten  litterarischen  Zeit  des  Lateins  bis  gegen  500,  eine  höchst 
verdienstliche,  fleifsige  und  sorgsame  Arbeit,  die  einstweilen  den  fehlenden 
Index  des  Neueschen  Werkes  bis  zu  einem  gewissen  Grade  ersetzt. 
Die  Arbeit,  in  Grofsoktav,  758  S.,  ist  in  Leipzig  bei  Hahn  1889—90 
erschienen.  Bei  der  noch  keineswegs  vollendeten,  sondern  meist  noch 
im  Flusse  begriifenen  Feststellung  der  Texte  wird  es  stets  an  Änderungen 
und  Besserungen  nicht  felüen:  so  finden  sich  gleich  hinten  14  Spalten 
Berichtigungen  und  Zusätze.  Neue  Ausgaben  werden  daher  bald  folgen ; 
doch  ist  der  Grund  einmal  gelegt.  Ein  Verzeichnis  der  benutzten  Schrift- 
stellerausgaben bildet  den  Schlufs.  Die  entstellten  Vnlgärformeu  der 
Inschriften  und  Glossen  sind  mit  Recht  grofsenteils  ausgeschlossen. 

Einen  kleinen  besonderen  Beitrag  enthält: 

K.  W^otke    Über  alte  Formen  bei  Vergil.    Wiener  Studien  VIII 
(1886),  S.  131—148. 


144  Lateinische  Grammatik.    (Deecke). 

Es  ist  dies  eine  dankenswerte  Zusammenstellung  der  Arcliaisraen 
des  Dichters,  geordnet  nach  Substantiven,  Adjektiven,  Pronominen» 
Numeralien,  Adverbien,  Partikeln,  Verben,  unter  steter  Vergleichung 
der  älteren  verwandten  Dichter,  besonders  des  Ennius  uud  Lukrez. 
Der  Verfasser  kommt  zu  dem  auf  gründliclier  Prüfung  beruhenden 
Resultate,  dafs  Ribbeck  dem  Dichter,  nach  ungenügendem  Material, 
weit  zu  viel  Archaismen  imputiert  hat,  dais  derselbe  sie  vielmehr 
sparsam  und  vorsichtig  verwendet  hat,  meist  aus  metrischem  Zwang 
oder  in  ererbten  epischen  Formeln.  Ob  Einzelnes  Absicht  oder  Zufall 
ist,  läfst  sich  nicht  immer  feststellen,  wie  wenn  potis  nur  in  negativen  Sätzen 
vor  Vokalen  erscheint,  der  Infinitiv  auf  -ier  nur  im  5.  Versfufs  u.  s.  w. 

Für  die  Entstehung  der  lateinischen  Formen  sind  jetzt 
die  beiden  oben  citierten  Werke  allgemeineren  Inhalts  die  Hauptquelle: 
Karl  Brugmanns  , Vergleichende  Grammatik  der  indogermanischen 
Sprachen",  und  Fr.  Stolz' s  Lateinische  Grammatik  (Laut-  und  Formen- 
lehre)^ in  Jw.  V.  Müllers  Handbuch. 

Nächstdem  ist  zu  erwähnen  Schweizer-Sidlers  Grammatik  in 
der  2.  mit  Unterstützung  Surbers  umgearbeiteten  Auflage,  sowie  die  „Er- 
läuterungen" zu  meiner  „Lateinischen  Schulgrammatik ",  Berlin  ,^ 
Calvary  1893. 

Im  einzelnen  ist  zunächst  die  Deklination  zu  betrachten.  Da 
ist  von  allgemeiner  Wichtigkeit: 

J.  Strachan  Abstufung  in  Kasussuffixen.  Bezzenbergers  Beitr. 
z.  Kunde  d.  idg.  Sprachen  Bd.  XIV,  S.  173—6. 

Hier  ist  zusammengefafst,  was  einzeln  schon  hie  und  dort  gemut- 
mafst  war,  auch  von  mir,  dafs  nämlich  in  der  indogermanischen  Ur- 
sprache, wie  in  den  Stämmen  vieler  Wörter  und  den  Ableitungssuffixen, 
so  auch  in  den  Kasusendungen  eine  zwei-  bis  dreifache  Abstufung 
geherrscht  hat.  So  lassen  sich  für  den  Genitiv  Sg.  die  Endungen 
-OS,  -es,  -s  nachweisen;  für  denlnstr.  Sg.  -ä,  -a,  —  (richtiger  wohl  -o,  -e,  — ) 
für  den  Dat.-Lok.,  als  einen  ursprünglichen  Kasus  betrachtet  (s^  mein 
Mülhauser  Progr.  1890,  S.  32)  -ai,  -i,  -i  (richtiger  wohl  -oi,  -ei,  -i); 
Instr.  PI.  -ais  (?),  -is  z.  B.  in  ix6>a?,  jx6-/ic  (richtiger  wohl  -ojs,  -eis,  -is). 
Im  Nom.  Sg.  Ntr.  steht  nömiT  —  ind.  nämä  neben  nomn  -=  lat.  nömen.  Es 
liefse  sich  dies  noch  weiter  verfolgen.  Gründe  für  die  Wahl  der  Formen 
(Satzdubletten?)  oder  Gesetze  ihrer  Anwendung  sind  noch  nicht  gefunden; 
insofern  ist  die  Frage  nach  der  Richtigkeit  noch  nicht  endgültig  entschieden. 

Sehr*  weitgehende,  tiefeingreifende,  aber  in  ihren  Resultaten  zum 
grolsen  Teil  sehr  anfechtbare  Untersuchungen  über  Stamnibildung 
und  Flexion  hat  angestellt: 


Formenlehre.    Deklination.    (Deecke.)  145 

K.  F.  Johansson  Morphologische  Studien.  I.  Bezzenbergers 
Beitr.  z.  K.  d.  idg.  Spr.  XIV,  S.  151—173;  IL  ebdt.  XV,  S.  304—18: 
in.  ebdt.  XVI,  S.  121—170. 

An  allgemeinen  oder  speziell  für  das  Latein  gültigen  Ergebnissen 
stellt  der  Verfasser  folgendes  auf: 

I.  „Die  idg.  Kasusformen  waren  ursprünglich  fliefsend  und  un- 
bestimmt, besonders  bei  den  Pronominen;  eine  Kasusform  kann  durch 
gelegentlichen  Gebrauch  für  die  andere  substituiert  werden."  —  Schon 
diese  grundlegende  Behauptung  halte  ich  für  unerwiesen  und  im 
Principe  falsch.  —  „Das  ursprüngliche  Material  einer  Serie  von  Formen 
oder  grammatischen  Kategorie  kann  aus  etymologisch  ganz  verschiedenen 
Wörtern  und  Elementen  bestehn:  die  erste  Flexion  war  Heteroklisie."  — 
Auch  dies  kann  ich  im  allgemeinen  nicht  für  richtig  halten:  man  würde 
so  die  Ausnahme  zur  Regel  machen.  Die  älteste  Sprache  hatte  sicher 
kaum  zwei  verschiedene  vollkommen  synonyme  Formen.  Auch  mit 
der  Annahme  verschiedener  Satzformen  kommt  man  nicht  weit.  — 
„Mehrere  nur  durch  mechanische  Lautgesetze  differenzierte  Formen 
können  den  Ursprung  mehrerer  Kategorieen,  sowohl  in  der  Pronaminal-, 
als  in  der  Nominalflexion,  ausgemacht  haben."  —  Diese  nur  als 
Möglichkeit  ausgesprochene  These  läfst  sich  schon  eher  wohl  für  einzelne 
Fälle  beweisen,  schwerlich  aber  für  eine  nennenswerte  Zahl  derselben, 
so  dafs  auch  diese  Erscheinung  nicht  als  Regel  gelten  kann.  —  Nach 
Johansson  sind  demnach  in  der  Deklination  von  anderen  Bildungen 
zu  unterscheiden:  1.  Kasus,  die  als  ßeflexe  von  ursprünglich  isolierten 
Satzwörtern  entstanden  sind;  2.  einzelne  derartige  Kasus,  die  als 
Stämme  auch  in  andere  Kasus,  mehrere  oder  wenigere,  eingeführt  sind.  — 
Bei  der  ältesten  Heteroklisie  gehörten  die  verschiedenen  Formen  ursprüng- 
lich verschiedenen  Kasus  an:  vgl.  ind.  ahan,  ahar,  ahas  als  sich  er- 
gänzende Stämme  eines  Paradigmas;  die  Durchführung  eines  sogen. 
Stammes  durch  das  ganze  Paradigma  ist  eine  spätere  Uni- 
formieruug.  (?)  —  Es  knüpft  sich  hieran  eine  Untersuchung  über 
den  Ursprung  der  Adjektiva:  1.  Ursprünglich  war  die  sprach- 
liche Form  für  Substantiv  und  Adjektiv  gleich:  der  Unterschied 
lag  nur  im  logischen  Zusammenhang.  Dann  trat  Attraktion  eines 
Substantivs  durch  das  andere  in  genus,  numerus  und  casus  ein: 
so  entstanden  i\djektiva:  vgl.  deutsch:  feind,  fromm,  ernst;  lat.  vetus 
(  =  gr.  Fetoc  Jahr).  —  2.  entstanden  Adjektiva  durch  Hypostasierung 
von  Kasusformen,  auch  unter  Anhäugung  besonderer  Endungen,  wie 
z.  B.  die  Possessi va  (gewöhnlich  wird  hier  der  umgekehrte  Weg  an- 
genommen), deutsch:  hiesig,  dortig,  ein  zues  Fenster;  lat.  aus  Kasus- 
formen: Labie-nus.   Pompe-ius,  extre-mus  u.  s.  w. 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    LXXYII.  Bd.    (l.S'J3.  III.)    10 


146  Lateinische  Grammatik.     (Deccke.) 

II.  „Ablaut  ist  jeder  Wechsel  der  sonantischen  Elemente  in 
einer  verwandten  "Wort-  oder  Suffixgnippe."  Er  ist  doppelter  Art: 
1.  Der  qualitative  Ablaut  beruht  wahrscheinlich  auf  musikalischeu 
Touverhilltnisseu,  —  2.  Der  quantitative  d.  i.  Eeduktions -Ablaut  be- 
ruht wahrscheinlich  auf  exspiratorischen  Ton  Verhältnissen  d.  i.  auf 
der  Tonstärke.  Diese  beiden  Arten  des  Ablauts  nun  kreuzen  sich  und 
bringen  dadurch  verwickelte  Verhältnisse  hervor,  die  noch  keineswegs 
genügend  aufgeklärt  sind  (s.  ob.  HavetI).  —  3.  entsteht  ein  Ablaut  auch 
noch  durch  andere  z.  T.  unbekannte  Gesetze.  —  4.  wirken  verschiedenartige 
Analogieen  auf  die  Lautabstufungen  fördernd,  hemmend  oder  störend  ein. 
—  Was  nun  den  qualitativen  Ablaut  betrifft,  so  meint  Johansson,  dafs, 
wie  e  einerseits  in  ä,  andrerseits  in  ö  ablautet,  so  auch  e  einerseits  zu  ä. 
andrerseits  zu  ö  in  ablautendem  Verhältnis  stehe  z.  B.  lat.  färi  neben 
fetialis  (gr.  «fcuvr,);  com-päges  neben  pegi;  gr.  xäpoj,  att.  y.7]p6;  neben  lat. 
cera.  Aber  es  ist  überhaupt  zwischen  beiden  Reihen  kein  fester  Unter- 
schied, da  erstens  die  kurzen  Vokale  e,  ä,  ö  in  quantitativem  Ablauts- 
verhältnis zu  den  langen  e,  ä,  ö  stehen,  zweitens  beide  Gruppen  sich  zu 
=>^  (^)'  —  schwächen;  vgl.  für  ersteres:  tegula:  tego,  toga;  veni:  venio; 
sedi:  sedeo:  fregi  zu  got.  brikan  aus  *brekan  u.  s.  w.  Die  gesamten 
Ablautsverhältuisse  werden  dann  durch  verschiedene  Wurzeln,  besonders 
aber  dui'ch  13  Prouominalstämme  durchgeführt,  wobei  freilich  vieles 
unsicher  bleibt. 

III.  Die  Erörterungen  über  die  Laut  Verhältnisse  der  Pro- 
nomina werden  fortgesetzt,  besonders  der  deutschen:  dann  wird  über- 
gegangen zu  einem  dort  besonders  häufig  begegnenden  Ortssuffix  -r, 
wie  in  „hier,  dar"  u.  s.  w.  Dies  wii-d  8.  130  im  Lateinischen  wieder- 
gefunden im  2.  Teil  von  ec-cere,  worin  cere  =•  germ.  hii'i  sein  soll(?); 
ferner  in  cor-go,  dessen  ersten  Teil  man  in  ind.  kär-hi  wiedertrifft  (V) ; 
in  cm-  vom  Stamme  quu;  in  arch.  apor,  apur  ==  germ.  afar;  amb-r-ices, 
amf-r-actus;  in  pe-r,  po-r,  doppelt  in  po-r-r-ö  (S.  137).  Solche  Orts- 
adverbien oder  Ortskasus  liegen  ferner  zu  Grunde  in  einer  Anzahl  mit 
w-Suffix  weiter  gebildeter  Adverbien  und  davon  abgeleiteter  Adjek- 
tive, wie  sup-er-ne,  inf-er-ne,  pöne  (=*porne?):  prönus,  hornus,  super- 
nus,  infernus,  internus,  externus  und  extruneus,  subternus,  nocturnus, 
dim-nus,  aeternus  nebst  sempiternus,  diuturnus,  hodiernus,  vernus, 
hlbernus,  Velitemus  u.  s.  w.  Hier  ist  also  nirgends  das  r  aus  s  ent- 
standen. —  Sicherlich  jedoch  sind  diese  Adjektiva  verschiedenen  Ur- 
sprungs, und  der  Verfasser  ist  in  einseitiger  Verfolgung  seines  Einfalls 
zu  weit  gegangen. 

Weiter  entwickelt  und  erweitert  hat  er  dann  seine  Idee,  mit  be- 
sonderer Beziehung  auf  die  Ableitung,  in: 


Formenlehre.    Deklination.    \,Deecke.)  147 

K.  F.  Johansson  Über  den  Wechsel  von  pai-allelen  Stämmen 
anf  -s,  -n,  -r  u.  s.  w.  nnd  die  daraus  entstandenen  Kombinations- 
formen in  den  indogermanischen  Sprachen.  Bezzenbergers  Beitr. 
z.  K.  d.  idg.  Spr.     Bd.  XVIII,  S.  1-55. 

Die  das  Latein  betreffenden  Formen  sind  folgende:  1.  aevi-ternus 
enthält  einen  Lokativ  auf  -i;  ebenso  Veli-ternus  =  in  valle.  —  4.  Lok. 
auf  -r,  mit  n  kombiniert,  in  noctur-nus,  auf  -i  in  nocti-um  (!).  — 
5.  s-Kasus  (oder  s-Suffix)  in  aurör-a  =  *aurös-a,  neben  Lok.  auf  -i  in 
Auri-gena.  —  6.  Desgl.  in  crepus-culum,    neben    r-Kasus  in  creper-us. 

—  7.  n-Kasus  in  hemon-,  homin-.  Hier,  wie  in  vielen  der  folgenden  Fälle, 
ist  aus  einer  Kasusform  ein  neuer  "VVortstamm  entstanden.  —  8.  s-Kasus  in 
Venus.  — 9.  Lok.  auf  -i  in  semi-,  verwandt  mit  deutsch  „sommer",  eig. 
,, Halbjahr"  (?).  —  10.  r-Kas.  und  n-Kasus  kombiniert  in  hiber-n-us.  —  12. 
n-Kas.  in  nun-diu-ae;  daneben  r-Kas.  in  dier-um,  beide  kombiniert  in 
4iu-r-n-us.  —  13.  n-Kas.  in  domin-us.  —  14.  s-  u.  r-Kas.  kombiniert  in 
tenebrae  aus  *tenes-r-ae.  —  15.  n-Kas.  in  pen-n-a  ^  *pet-n-a;  daneben 
r  in  acci-piter,  pro-pter-vos  (kombiniert  mit  v).  —  16.  r-K.  in  snper, 
mit  n  kombiniert  in  superne,  -nus.  —  18.  n-K.  in  Valön-a.  kontaminiert 
Vallönia  ==  *Valu-ön-ia;  daneben  Lok.  auf  -i  in  Veü-trae,  -ternus  (s.  1). 

—  19.  s-K.  in  saceua  =  *saces-n-a,  kombiniert  mit  n;  saxum  =  *sac-s- 
um.  —  20.  s-K.  in  aesculus  =  *aeg-s-culus,  *aex-culus;  ilex  =  *ig-s-lex, 
*ix-lex.  —  21.  r-K.  in  acer.  —  22.  s-K.  in  sedes  (s  nicht  Nominativ- 
zeichen). —  24.  Desgl.  in  esca  =  *ed-s-ca.  —  25.  Desgl.  in  acus,  -ceris; 
daneben  n  in  ag-n-a;  v  in  äcer.  —  26.  n-K.  in  Lävin-ium  zu  XaF?.  — 
27.  s-K.  in  onus.  —  28.  Desgl.  in  aes,  ahenus  =  *ahes-n-us,  kombiniert 
mit  n.  —  34.  Desgl.  in  ilia  =  ^ena^-s-lia,  neben  n  in  iuguen,  r  und  n 
kombiniert  in  nef-r-ön-es,  Wurzel  (e)nea,h.  —  .35.  r-K.  in  lacer-tus,  -ta, 
neben  s  in  locus-ta.  —  37.  s-  u.  r-K.  kombiniert  in  as-s-er,  neben  n 
in  s-an-gvis;  Grundform  *es,  Gen.  *as-nas.  —  38.  n-K.  in  Ufen-s,  neben 
r  in  über.  —  39.  s-K.  in  femus,  neben  n  in  femiu-,  r  in  femur;  der 
Nom.  fernen  ist  Lokativform.  —  40.  s-K.  vielleicht  in  jecus-culum;  n 
in  jecin-,  r  in  jecur,  n—  s  oder  n -r  r  in  jecinor-;  n  +  n  in  jecunanum. 

—  41.  s-K.  in  OS  =  *oss,  aus  dem  Genitiv  ossis  abstrahiert  =  *osth-s-es 
zum  Nomin.  Ntr.  *usthos;  s-t-u  in  ossu,  -ua,  -uum.  —  42.  s-K.  in 
näsus  aus  *näsos  (Ntr.),    Gen.  nas-s-ös;    neben  lokativem  i  in  uäri-um. 

—  44.  Lok.  auf  -i  in  auri-s  neben  aus-cultare.  —  45.  n-Kas.  in  cor-n-u 
.  (kombiniert  mit  u):  s  —  n  -t-  u  in  cernuus  =  *cer-s-n-u-us;  s  —  r  in  cere- 

brum  =  *cer-es-r-um;  cräbro  =  *crä-s-r-ö(n)-  (kombiniert  mit  n);  aqua 
Crabra.  —  51.  r-Kas.  in  glö-r-ia  (?)  zu  gr.  -js^vöcv,  Fe/iovTc;.  —  58.  n-Kas. 
neben  r-Kas.  in  idg.  ki'eu-r,  Gen.  kreu-ntos,  daraus  lat.  cruentus.  — 
59.  n-Kas.  in  peUis=  *pel-u-is.  —  03.  s-Kas.  in  vap-or  aus  *vap-os 
2u  dtsch.  „wabern"  (?),  neben  u-Kas.  in  vappo  ^  *väp-ou  „Lichtmotte'. 

lü* 


148  Lateinische  Grammatik.    (Deecke). 

—  65.  s-Kas.  in  ang-or,  s.  angus-tus.  —  66.  Desgl.  in  tep-or,  s.  tepidus  = 
*tepes-(lo-s.  —  70.  s-  u.  r-Kas.  kombiniert  in  umbra  -^-  *im-s-r-fi,  s.  gr. 
mit  r:  ö'vap.  —  71.  s-Kas.  in  fulgor.  —  72.  Desgl.  in  IJnxia=*üug- 
s-ia,  neben  n  in  ungu-en.  —  74.  Desgl.  in  Cer-es,  neben  sili-cer-n-iuni ; 
beide  Stämme  kombiniert  in  cena  —  *cer-s-n-ä.  —  75.  s-Kas.  in  il-lü(c)- 
s-tris,  neben  t  in  Luc-et-ius;  s  4- n  in  lüna,  alt  lösna  —  *löc-s-u-a ; 
lucubrare  =  *luc-us-r-äre:  r—  u  in  luc-er-n-a.  —  76.  s-Kas.  in  maximus 
^=  *magli-s— mmo-s,  neben  n  in  mag-u-us.  —  77.  Desgl.  in  verb-er: 
s  +  n  in  verbena  -=  *verb-es-n-ri.  —  78.  Idg.  bhrou-r,  Gen.  bhron-n-tos. 
mit  r-  neben  n-  K.:  daraus  altlat.  *frouor,  mit  Dissimilation  "^-'fouor,  *för; 
Genit.  *froimtis,  *fröntis;  kontaminiert  fons,  fontis  (!)  zu  Wurzel  bher(e) 
„brennen,  sieden",  s.  lat.  fervere.  —  80.  s-Kas.  in  vexare  —  '''vegh-s-äre 
von  iiegh,  „fahren"^  oder  ue  a^h  „scharf  sein",  s. -convexus,  devexus ;  dazu 
auch  vömis  (s.  oben!).  —  81.  s-Kas.  in  geu-us,  neben  r  in  gen-er  „der 
im  Geschlecht  Seiende"  (lokativer  r-Kasus);  ind.  gärä- =  *gü-r-ö-.  — 
90.  S-Kas.  in  op-us  u.  s.  w.  —  91.  (S.  41)  Das  Particip  auf  -n-o-s 
steht  in  unlösbarem  Zusammenhange  mit  dem  Infinitiv  auf  -n,  s.  gr. 
/i'/eiv,  alt  Xe^ev,  Lokativ  auf  v;  daneben  Inf.  mit  s:  leg-er-e;  n -r- 1  im 
Part.  Präs.,  ebenso  in  den  Adjektiven  auf  -nt.  —  92.  s-Kas.  in  pubes 
für  *puraes:  daneben  mit  r  von  der  Wurzel  pum  ein  Lokativ  *pum-er  „in 
Mannbarkeit";  davon  ein  Nom.  Sg.  *pumr-(s)  „in  Mannbarkeit  seiend": 
dieser  ging  über  in  "pubr,  puber,  s.  noch  pubertas;  dies  b  drang  dann 
in  pubis  ein.  —  93.  Ähnlich  von  Wurzel  tum :  tuber  aus  *tum-r  neben 
s  in  tumor  =  *tum-ös.  Neben  den  Endungen  -es,  -en,  -er  kommen  auch, 
mit  m  verbunden,  vor:  -mes,  -men,  -mer.  Indem  zu  einem  Nominativ 
-mes  oder  -mer  ein  Genitiv  -m(e)n-tos  gebildet  ward,  entstand  daraus 
das  Suffix  -ment-,  =  -mento-  =  -*mnto-  u.  s.  w. ,  woraus  wieder  ein 
Nomin.  auf  -men.  — -  94.  Dasselbe  gilt  bei  den  Endungen  -ues,  -uen. 
-ner.  —  101.  s-  oder  r-Kas.  sti-r-ia;  s-Kas.  in  vires  neben  ind.  väjas. 

—  103.  Komparativsuffix  -er-o-,  -ter-o-  von  Lokativen  auf  -er,  -ter  z.  B. 
super-  superus;  *exter-  exterus;  inter-  *interus,  s.  iuträ,  intrö-  u.  s.  w. 

—  Ähnlich  -io-  vom  Lokativ  auf  -i.  —  Das  Weitere  gehört  nicht  hier- 
her. —  Die  von  W.  Scher  er  in  seiner  „Geschichte  der  deutschen 
Sprache"  hingeworfene  Idee  der  Entstehung  mancher  Nomina  aus  Lokativen 
ist  hier  gewissermalsen  zu  Tode  gehetzt.  Weder  ist  die  Sprache  so 
eintönig,  noch  so  armselig  in  ihren  Mitteln.  Indem  ich  synonyme 
Lokative  auf  alle  möglichen  Endungen  ansetze  und  mit  deren  Kombinie- 
ruug  und  Koutamiuieruug  weiter  operiere,  kommt  alles  zuletzt  doch 
wieder  auf  eine  ganz  mechanische  Zerlegung  hinaus.  Einzelne  geistvolle 
Etymologieen  und  Gedankenverknüpfungen  will  ich  in  obigen  Aufsätzen, 
gerne  anerkennen. 


Formenlehre.    Deklination.    (Deecke.)  149 

Einen  Teil  dieser  Kombinationen  finden  wir,  wenn  auch  in  anderer 
Hichtung,  noch  weiter  verfolgt  in: 

Holger  Pedersen  r-n-Stärarae.  Kuhu's  Zeitschr.  f.  vergl.  Sprach- 
forschung.    Bd.  XXXII,  S.  240-273. 

Der  Verfasser  sucht  nachzuweisen,  dafs  sich  eine  grofse  Zahl 
idg.  Nomina  finden,  deren  Stamm  im  Nominativ  (nebst  Vokativ)  und 
Accusativ  Siugularis  entweder  kein  Stammsuffix  hat  oder  auf  ä,  i,  u\ 
i\  l,  s  ausgeht,  während  der  Genitiv  Sg.  und  die  andern  Kasus  ursprüng- 
lich n  als  Stammbildungssuffix  zeigen.  Dabei  sind  die  r-  und  1-,  auch 
n-  Stämme  noch  bisweilen  durch  einen  andern  Konsonanten  erweitert. 
So  konstruiert  er  einen  Stamm  jecur(d)  =■-  *Ijeqvt,  während  er  j(3cur(d) 
=  abgeläutetem  *ljöqrt  setzt,  daneben  jecus-culum;  vielleicht  jecur  = 
*ljeqos  (vgl.  S.  261);  ferner  sal(d)  wegen  sallire  =^  *saldire  (s.  ob.); 
assir(g)  neben  sangu-is,  s.  ind.  lisrg,  äsan;  acci-piter(g)  wegen  gr. 
-TspuE,  neben  penua  =  pet-n-a ;  su-(s)cerd-a,  mü-scerd-a  neben  gr.  cxtup, 
--/.axo?.  Kontaminiert  aus  r  und  n  ist  noetum-us,  neben  vux-cop,  vjx- 
Tcpt?:  pinguis  geht  vielleicht  zurück  auf  *piv-n-a,-is;  nebeneinander  stehn 
r  und  n  in  femur  und  feminis ;  kontaminiert  ist  wieder  itineris  neben  iter . 
neben  cruor  steht  crueutus;  s  und  n  wechseln  in  lämina,  das  zu  anr 
Ms  „Schlofs"  aus  *laras  (?)  gehurt;  u,  resp.  v,  und  n  ersetzen  sich  in 
cervus  neben  corn-ü  (kontaminiert?);  ebenso  in  nu-dius,  diu  neben  nun, 
diuae;  i  und  n  erscheinen  kontaminiert  im  Suffix  -tüd-in-  (Nom.  -tüdö) 
neben  blofsem  i  in  -tüt-i-  (Nom.  -tüs);  1  und  n  wechseln  in  pugil  neben 
pugn-us;  in  umbil-icus  neben  umb-ö(n)-.  Es  kommen  aber  auch  sonstige 
Wechsel  vor,  wie  zwischen  r  und  i  in  labrum  neben  labium,  —  Als 
Nachtrag  zu  r  und  n  wird  noch  angeführt:  mürus,  moen-ia.  —  Als 
Schlufsfolgeruug  soll  sich  ergeben,  dafs  ui sprünglich  nur  zwei  Kasus 
anzusetzen  seien:  ein  casus  rectus  auf  r  u.  s.  w.  und  ein  casus  obliquus 
auf  n.  Johansson  mit  semer  Lokativtheorie  wird  ebenso  bekämpft, 
wie  Zimmer  mit  seinen  Untersuchungen  über  das  passivische  r  (s.  unten !); 
aber  mit  Pedersen  selbst  ibt  nicht  selten  die  Phantasie  durch- 
gegangen, und  die  obigen  Zusammenstellungen  sind  meist  willkürlich 
und  mechanisch  gemacht.  —  Der  Exkurs  über  einige  Zahlwörter 
(S.  271)  gehört  nicht  hierher. 

Ein  Teil  der  Unregelmäfsigkeiten  der  Deklination,  die  zu 
den  letztbesprochenen  Arbeiten  Aulafs  gegeben  haben,  ist  wieder  von 
einem  anderen  Gesichtspunkte  aus  behandelt  worden  in: 

M.  Bloomfield  On  adaptation  of  Suffixes  in  Congeneric  Classes 
of  Substantives.  Beprinted  from  the  American  Journal  of  Philology. 
Vol.  XII,  N.  45,  p.  1—29.     Baltimore,  Hopkins,  1891. 


1')Q  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

Der  Verfasser  hebt  die  Thatsaclie  hervor,  dafs  die  Heteroklisie : 
idg-.  Nom.  Sg.  -r,  Gen.  -nes  sich  fast  ausschliel'slich  bei  Körperteilen 
findet:  Leber,  Euter,  Blut,  Schenkel,  Flügel,  Sehne,  Kot,  Eingeweide, 
Galle,  Mund,  Hand,  und  sieht  darin  eine  Anpassung  begriffsverwandter 
Wörter  an  einander  zu  einer  geschlossenen  Gruppe  gleicher  Flexion. 
Leider  ist  dies  doch  immer  nur  ein  geringer  Bruchteil  aller  Körper- 
teile, und  gerade  die  wichtigsten  fehlen,  während  die  1 1  nachgewiesenen 
unter  sich  wieder  sehr  disparater  Natur  sind.  —  Das  Grundwort  für 
.Blut"  wird  näher  bestimmt  als  *esrg,  Gen.  *(a)snes;  durch  Eindringen 
des  g  in  den  Genitiv  entstand  *süges,  daraus  sanguis  (anders  oben 
Pedersen!).  —  Eine  andere  Gruppe  von  16  Körperteilen  ging  im 
Nominativ  auf  -s  aus,  doch  gehört  sie  nicht  hierher.  —  Es  werden 
noch  9  andere,  auf  wenige  Wörter  beschränkte  Fälle  der  Adaptation 
angeführt:  rouc  nach  oöoo;;  got.  fötus  nach  tunjius;  rechts  und  links; 
Verwandtschaftsnamen;  Zeitteile  u.  s.  w.,  die  alle  das  Lateinische 
wenig  berühren;  doch  s.  dexter,  sinister;  vir,  levir  aa.  —  Im  ganzen 
ist  die  Erscheinung  noch  sehr  unklar  und  wenig  festgestellt. 

Die  Stammabstufung  der  idg.  Neutra  auf  -os,  mit  besonderer 
Berücksichtigung  des  Lateinischen,  ist  behandelt  in: 

W.  Deecke,  Beiträge  zur  Auffassung  der  lateinischen  Infinitiv-, 
Gerundial-  und  Supinum-Konstruktioneu.  Prgr.  JMülhausen  iE.  1890. 
50  S.     4. 

Bei  Gelegenheit  der  Deutung  des  Inf.  auf  -ere  als  Lokativ  Sg. 
eines  Ntr,  auf  -os,  -eris  findet  sich  S.  6 — 23  ein  Exkurs  über  die 
Neutra  auf  -us,  in  dem  6  Formen  dieses  Suffixes  (mit  Einschlufs  der 
männlich -weiblichen  Komposita  und  Abarten)  nachgewiesen  werden: 
-es,  -öS.  -es,  -OS,  -as,  -s  z.  B.  lat.  1.  Ceres,  plebes,  pübes;  2.  arch.  bonos, 
colös,  labös;  3.  hones-tus,  tempes-tas,  penes:  mit  Übergang  in  -er:  Ntr. 
de-gener,  arch.  veter;  Gen.  -er-is  u.  s.  w. ;  Ableitungen  gener-osus, 
moder-ari,  temper-ies;  mit  Übergang  in  -eb:  funeb-ris,  celeb-er,  cereb- 
rum;  4.  arch.  opos,  Venös,  sonst  zu  -us  geworden;  mit  Übergang  in  -or: 
aequor,  spät  röbor,  Gen.  -oris,  in  Komposition  Ntr.  bi-corpor;  5.  -is  in 
cinis,  pulvis,  vomis;  6.  far  =  *far-s,  plebs,  mens-is  u.  s.  w.  Vgl.  Brug- 
manns  Vgl.  Gramm.  II,  386  ff. 

Eine  andere  Spezialfrage  der  indogermanischen  Deklination  ist 
behandelt  worden  in: 

Vict.  Henry,  Esquisses  morphologiques.  IV.  Le  nominatif- 
accusatif  pluriel  neutre  dans  les  langues  indo-europeennes.  Douai  1887, 
27  p.  8;  s.  auch  Le  Mus6on  VI,  558  ff. 

Zur  Vermittlung  des  gi*.  -a,  lat.  -a,  ind.  -i  nimmt  der  Verfasser 
als  ursprüngliches  Suffix  desNom.  Acc.  PI.  der  Neutra:    -ä  = -a  an. 


Formenlehre.    Deklination.    (Deecke.)  151 

Dies  verschmilzt  im  Lateinischen  mit  dem  Auslaut  der  o/e-Stämme  zu  -ä: 
es  bestand  daher  ursprünglich  ein  Unterschied  zwischen  magna  und 
scelerä:  durch  Assimilation  oder  Analogie  wurde  aber  auch  das  kurze  -a 
gedehnt,  z.  B.  scelerä;  später  wurden  dann  beide  ä  gleichzeitig  gekürzt, 
so  dafs  auch  magna  entstand.  Mit  i  und  u  verschmolz  das  ursprüngliche  ä 
(d)  zu  i  und  ü,  s.  tri-ginta,  vielleicht  tri-ni  (?),  ind.  purü,  baktr.  agrü, 
so  dais  lat.  tria,  cornua  u.  s.  w.  Neubildungen  sind. 

In  weit  umfassenderem  Sinne  hat  dies  Problem  aufgenommen: 

Joh.  Schmidt,  Über  die  Pluralbildung  der  indogermanischen 
Neutra.     Weimar,  Böhlau,  1889,  456  S.     8. 

Schmidt  hält  die  Neutra  PI.  und  die  Feminina  Sg.  im  Grunde 
für  identisch,  parallelisiert  also  bis  zu  einem  gewissen  Grade  das  -ä 
beider  und  hält  wegen  des  weibl.  gr.  -ta  auch  im  Ntr.  PI.  -ia  für  älter 
als  -i,  das  freilich  unter  gewissen  Betonuugs-  oder  Sandhiverhältnissen 
auch  schon  in  der  Ursprache  dafür  eingetreten  sein  könne;  ebenso  ist 
dann  -ua  älter  als  -ü.  Osthoff  und  Brugmann  haben  sich  dieser 
Ansicht  nicht  angeschlossen :  sie  halten  auch  das  i  in  genetri-x,  regi-na 
für  ursprünglicher,   als  das  gr.  -la  in  ^iXioi'j.,  (j'^jaToa  =  *397pia  u.  s.  w. 

Für  die  Ursprünglichkeit  des  -i  und  -ü,  ohne  die  Möglichkeit 
eines  idg.  -ia,  -ua  gänzlich  zu  leugnen,  ist,  auf  Grund  der  gortynischen 
Form  a-i  =  *a-Ti  (s.  baktr.  ja  ci-ca),  noch  eingetreten: 

F.  Solmsen,  Zur  Pluralbildung  der  Neutra.  Bezzenbergers  Bei- 
träge z.  K.  d.  idg.  Sprachen.    Bd.  XVHI,  S.  144—146. 

Damit  ergiebt  sich  zugleich  die  Unmöglichkeit  von  Schmidts 
Annahme,  das  a  der  griechischen  Ntr.  PI.  sei  allein  von  den  i-  und  u- 
Stämmen  ausgegangen.  —  Freilich  ist  die  Länge  des  i  in  axt  durchaus 
nicht  sicher. 

Einzelheiten  der  Deklination  behandeln: 
J.    Kozlovski,    Sur    l'origine    du    genitif  singulier.     Internat. 
Zeitschr.  f.  allgemeine  Sprachwissenschaft  m,  286  ff. 

M.  Breal,  Un  genitif  latin  en  -üs.  Mem.  d.  1.  Soc.  d.  Lingui- 
stique  V,  229  (poinäs  aus  den  XII  tb.  bei  Fest.  371). 

G.  Ferrara,  11  preteso  genitivo  latino  in  -ccis.  Riv.  di  filo- 
logia  XVI,  p.  353  ff. 

Es  handelt  sich  um  das  angebliche  Prosepnais  ^  Proserpinae  auf 
einem  Spiegel  von  Orbetello  (s.  unter  anderni  Schneider,  Exempla  53), 
worin  das  s  eher  Einfassungsstrich  ist  (s.  Bezzenb.  Beitr.  II,  164). 

Luc.  Müller,  De  genitivo  in  -ü  exeunte.  Jahrb.  d.  kais.  russ. 
Ministeriums  der  Völksaufklärung  1889,  Febr.    3.  Abt.    S.  73  ff. 

Vgl.  dazu  Brugmann,  Vgl.  Gramm.  II,  385. 


152  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

A.  Procksch,  Zur  lateinischen  Grammatik.  Jahrb.  f.  klass. 
Phüol.  1885,  S.  369—373. 

Hierher  gehört  2.  (S.  372  f.)  über  den  Cienitiv  von  neiiier.  Der 
Genitiv  lautet  bekanntlich  bei  den  Grammatikern,  mit  generis  verbunden, 
stets  neuti"i:  sonst  ist  diese  Form  zweifelhaft;  vielmehr  hat  Cicero  zwei- 
mal nentri  als  Dativ:  einmal  ad  Attic.  XII,  31,2  den  Gen.  neutrius,  der 
auch  bei  Varro  1.  1.  IX,  1;  Ascon.  zur  Miloniana  30;  Sueton.  Jul.  Gas.  75 
vorkommt,  aber  bei  Nepos  und  Cäsar  fehlt.  Wie  steht  es  mit  Sallust, 
Livius  u.  s.  w.? 

Einen  andern  Kasus  behandelt: 

Gust.  Ziel  er,  Beiträge  zur  Geschichte  des  lateinischen  Ablativus. 
Leipziger  Dissert.,  Bonn  1892,  88  S.     8. 

Der  Verfasser,  ein  Schüler  Brugmanns,  untersucht  die  Ent- 
stehung des  lateinischen  Ablativs  aus  dem  idg.  Ablativ,  Lokativ  und 
Instrumentalis,  welche  3  Kasus,  wie  das  Umbrische  und  Oskische  zeigen, 
schon  in  der  italischen  Urgemeinschaft  verschmolzen;  docli  blieb  der 
Lokativ  in  gewissen  Eormen  lebendig.  Auf  der  col.  rostr.  ist  wohl 
[obsidio]d,  nicht  [obsidionejd  zu  ergänzen;  im  Sen.  Cons.  de  Bacch.  steht 
eigentlich  magistratuo  (nicht  -tud),  vielleicht  geraengt  aus  -tu  und  -to; 
doch  s.  oblatud;  dictatored  auf  der  col.  rostr.  ist  vielleicht  bei  der 
späteren  Wiederherstellung  geändert.  In  anxius  anirai  u.  s.  w.  sieht 
Ziel  er  keinen  Lokativ,  sondern  Genitiv,  wegen  anxia  mentis.  —  Vgl. 
mein  Mülhauser  Prgr.  v.  1890,  bes.  S.  31  ff.,  auch  die  unter  der  Syntax 
zu  besprechende  Abhandlung  von  Andr.  Bell  über  den  Lokativ. 

Über  einzelne  Kasus  s.  noch: 

Mich.  Breal,  Le  genit.  pl.  en  latin.     Melanges  1887,  p.  234. 

V.Henry,  Essai  de  systematisation  des  desinences  en  *-hh  daus 
la  langue  latine.     M6m.  d.  1.  Soc.  d.  Lingu.  VI,  102  ff. 

Dazu  ein  einzelner  Fall: 

W.  Petschenig,    Ruribus.     Archiv    f.  lat.  Lexikogr.  VII,  408. 

Er  weist  nach,  dafs  diese  Form  sich  bei  August,  contra  litt.  Peti- 
liani  m,  31,  36  findet,  so  dafs  seine  Konjektur  in  Coripp.  Joh.  VI,  244 
eine  Bestätigung  erhält. 

Den  Dual  behandelt: 

Rud.  Meringer,  Beiträge  zur  Geschichte  der  indogermanischen 
Deklination.  Kuhns  Zeitschr.  f.  vergl.  Sprachf.  Bd.  XXVIII, 
S.  217—239. 

Als  älteste  indische  Deklinationssuffixe  des  Duals  der  o- Stämme 
werden  festgestellt:  Nom.  -öu,  vor  Kons,  -ö;  Gen.  -aus;  Dat.  Abi.  Instr. 


Formenlehre.    Konjugation.    (Deecke.)  15o 

-abbjäm;  Acc.?;  Yok.  -ä;  Lok.  -au  d.  Ii.  singularische  Flexion  eines 
-üU-Stammes  (!) ;  octö,  octöni  verhält  sich  zu  octävus,  wie  hemö,  hemönis 
zu  hünitänus  (?).  —  Ein  zweiter  Abschnitt  behandelt  die  Flexion  der 
Zweizahl,  wobei  das  duö  in  duö-bus,  duö-decim  (die  richtige  Form 
ist  aber  duö-decim)  aus  duö(u)  erklärt  wird. 

Von  der  Zweizahl  handelt  auch: 

"W.  Studemund,  duos-duo.  Archiv  f.  lat.  Lexikogr.  III,  S.  550 — 2. 

Es  wird  konstatiert,  dais  der  Acc.  Masc.  duös  bei  Plautus  zwei- 
silbig ist,  duö  einsilbig  -=  *duö.  Die  widerstrebenden  Stellen  werden 
emendiert,  dort  3  sichere,  .3  schwankende,  hier  1  sichere,  2  schwankende, 
im  ganzen  9,  so  dafs  die  Regel  doch  wenig  fest  scheint.  Zu  obigem 
Resultate  sollen  auch  die  sonstigen  vereinzelten  metrischen  Stellen 
stimmen,  bei  Terenz,  Laberius,  Accius,  in  Inschriften :  doch  sind  auch 
sie  zum  Teil  sicher  widersprechend  oder  schwankend. 

Ich  knüpfe  hier  an: 

Max  Ihm,  Vulgärformen  lateinischer  Zahlwörter  auf  Lischriften. 
Arch.  f.  lat.  Lexikogr.  VII,  S.  65—72. 

Die  Ergebnisse  sind  spärlich:  2.  Acc.  Masc.  duus;  Xtr.  dua.  — 
3.  Nora,  tris,  trea.  —  4.  quatuor,  quattor,  auch  quator  u.  s.  w.,  vulgäre 
Analogiebildungen,  Assimilationen,  erleichterte  Aussprache  u.  s.  w. 

Als  Dual  fafst  vi-ginü  auf  W.  Schulze  in  Kuhns  Zeitschr.  f. 
vgl.  Sprachf.  XXVHI,  S.  277. 

Zur  Konjugation  im  Allgemeinen  sind  wieder  zu  vergleichen 
Brugmann,  Stolz  und  Schweizer-Sidler. 

Eine  Gesamtdarstellung  der  lateinischen  Konjugation  liegt 
vor  in: 

Max  Engel  ha r dt.  Die  lateinische  Konjugation  nach  den  Er- 
gebnissen der  Sprachvergleichung.   Berlin,  Weidmann,  1887,  140  S.  8. 

Das  "Werk  enthält  keine  selbständige  Forschung,  sondern  eine 
nicht  ungeschickte  Verarbeitung  der  bis  zum  Jahre  seines  Erscheinens 
gewonnenen  wissenschaftlichen  Resultate,  freilich  nur  eklektisch,  ohne 
Sj'Stem  und  Kritik,  die  nur  aus  eigenen  eingehenden  Untersuchungen 
sich  ergeben  können.  Es  ist  hauptsächlich  zum  Gebrauch  für  Lehrer 
der  oberen  Gymnasialklassen  bestimmt,  um  die  Schüler  tiefer  in  die 
Sprache  einzuführen  und  den  Unterricht  gründlicher  und  interessanter 
zu  gestalten.  Von  den  11  Kapiteln  enthält  das  erste  eine  allgemeine 
Einleitung;  das  zweite  behandelt  die  Tempusstärame,  das  dritte  die 
Modi,  das  vierte  die  Reste  der  Konjugation  auf  -mi;  5 — 7  die 
thematische  Konjugation:  thematischer  Vokal,  reiner  Stamm,  Präsens- 
stamm; im  achten  werden  die  Perfekt-  und  Aoriststämme  erörtert,  im 


154  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

nennten  das  Supinum  und  die  Participia  auf -tus,  -turiis,  -tuusu,  s.  \v. : 
im  zelinten  sind  die  unregelmäl'sigen  Formen  zusammengestellt;  d;is 
elfte  endlich  enthält  Tabellen.  Diese  sind  dann  noch  in  besonderer 
Überarbeitung  herausgegeben  in: 

Max  Engelhardt,  Die  Stammzeiten  der  lateinischen  Konjugation, 

wissenschaftlich  und  pädagogisch  geordnet.   Handbuch  für  Lateinlehrer. 

BerliD,  Weidmann,  1892,  47  S.     8. 

Phantastisch  und  daher  weder  wissenschaftlich,  noch  praktisch 
brauchbar  ist: 

H.  D.  Müller,  Zuv  Entwicklungsgeschichte  des  indogermanischen 
Verbalbaues.     Göttingen,  Vandenhoeck  u.  Ruprecht,  1890,  177  S.     8. 
Noch  schlimmer  aber  ist: 

P.  Aug.  Weifs,    Grundzüge    des    griechischen  und  lateinischen 
Verbums.     Regensburg  1891,  23  S.     8. 
Allgemeinen  Inhalts  ist  auch: 

C.  Pascal,  I  suffissi  formatori  della  conjugazione  latina.  Rivista 
di  filol.  XIX,  S.  449  ff.  s.  den  Nachtrag. 

Die  Präsensbildung  ist  in  umfangreichster  Weise,  kühn  und 
eigenartig,  behandelt  in: 

Otto  Ho  ff  mann,  Das  Präsens  der  indogermanischen  Grund- 
sprache in  seiner  Plexion  und  Stammbildung.  Ein  Beitrag  zur  indo- 
germanischen Formenlehre.  Göttingen,  Vandenhoeck  u.  Ruprecht, 
1889,  145  S.     8. 

Für  das  Lateinische  sind  daraus  keine  sicheren  neuen  Resultate 
zu  gewinnen. 

Nui'  einen  Teil  dieser  Bildungen  bespricht: 
Holger  Pedersen,  Das  Präsensinfix  n.     Indogerm.  Forschungen 
Bd.  n,  S.  285—332. 

Für  das  Latein  ergeben  sich  folgende  Thatsachen:  Die  un- 
thematische Flexion  ist  überhaupt  im  Latein  fast  ganz  verschwunden. 
L  Die  ind.  7.  Klasse  ging  daher  gleichfalls  in  die  ö-Konjugation  über: 
so  in  frango,  linquo,  finde,  scindo;  fest  wurde  das  n  in  juugo  (s.  junxi); 
fnngor  (s.  functus);  altlat.  friiniscor  ^  *frün6g-scor  (nach  S.  239  ist 
fruor  ein  Aoristpräsens  zu  fungor,  dissimiliert  aus  *frungor?);  con- 
quinisco  —  *-quenec-sco,  aber  Pf.  conquexi;  vgl.  ind.  junäg-mi-  *junea3-mi. 
Erweiterung  durch  i  liegt  vor  in  pinsio,  sancio,  —  IL  Die  indische  9.  Klasse 
gab  zu  verschiedenen  Bildungen  Anlafs:  vom  Singular  -nä-mi  u.  s,  w. 
aus  entstanden  firspernä-ri,  con-sternä-re,  de-clinä-re;  vom  Plural  -ni-mäs 
=  *-na-mes  oder  *-n9-m6s  aus,  lat.  sternimus,  spernimus,  temnimus, 
wurden  die  neuen  Singulare  sterno,  sperno,  temno  gebildet.     Ferner  ge- 


Formenlehre.    Konjugation.    (Deecke.)  155 

liören  hierher:  degüno  =  *-gusno;  tolle  ==  *tlno:  pello  -=  *pel-no,  daneben 
ap-pellare  (wie  de-clinäre);  per-cello,  vielleicht  zu  ind.  (^'rnämi;  wahr- 
scheinlich coquinare,  farcinare,  lancinare  (zu  lacer),  cärinare,  wenn  das  i 
auf  Anaptyxis  beruht,  wie  z.  B.  in  nömiuis  u.  s.  w.  Durch  Analogie  mit 
Kl.  7  entstanden  pando  neben  ziTvr)|jLt;  cumbo  neben  cubäre,  vgl.  rumpo. 
Nicht  hierher  sollen  gehören  danunt,  soliuunt  u.  s.  w. ,  die,  mit  Jo- 
hansson (in  den  Festschriften  auf  S.Bugge  s.  u.)  auf  *dan(t)  4-  unt  u.  s.  w., 
mit  doppelter  Personalendung,  zurückgeführt  werden  (?).  —  III.  Aus  der 
5.  ind.  Klasse  entsprangen  minuo,  steruuo  (vgl.  gr.  TiTapv'Jixt),  deren  u 
aus  eu=^ind.  ö  entstanden  ist;  der  Plural  mul's  ursprünglich  *minumus  u.s.w. 
gelautet  haben  =  ind.  -uumäs;  aus  *cernumus,  cernimus  wurde  der  Sing, 
cerno  rückgebildet  (vgl.  unten  Job!);  s.  Pf.  crev-i  ("?);  ähnlich  sinimus, 
sino,  siv-i,  auch  de-sinä-re  (s.  II);  vielleicht  hierher  strav-i;  lev-i, 
s.  ob-liv-iscor  (?).  —  Zur  Erklärung  des  n  in  der  7.  Klasse  werden 
ursprünglich  2-  bis  3-silbige  Wurzeln  angenommen,  z.  B.  leinep^ 
Präs.  linep-mi,  PI.  limp-mes ;  Pf.  lel(ji(m)pa,  PL  lelip-mä  u.  s.  w.  Hier 
ist  Verschiedenes  nicht  in  Ordnung,  und  zumal  ist  die  Trennung  von 
Klasse  9  und  5  kaum  zulässig. 

Die  unter  II.  adoptierte  Ansicht  von  Johansson  ist  aus- 
gesprochen in: 

K.  F.  Johansson,  Einige  Worte  über  die  lateinischen  Verbal- 
büdungen  mit  n  im  Präsensstamm  (in  dänischer  Sprache).  Zweiter 
Artikel  in  den  Akademischen  Abhandlungen  zu  S.  Bugges  Jubiläum, 
Christiania  1889,  S.  21  ff. 

Vgl.  auch  L.  Job  Mem.  d.  1.  Soc.  d.  Lg.  VI,  352  ff.,  der  die 
Verben  wie  tollo,  pello  aus  der  1.  pl.  tollimus  u,  s.  w.  für  *tol-nu-mus 
u.  s.  w.  entstehen  läfst. 

Eine  andere  Präsensbildung  behandelt: 

Ch.  Ploix,  Des  verbes  latins  en  -scö.  Mem.  d.  1.  Soc.  d.  Lg.  VI, 
399  ff.;  s.  Jahresber.  1883—4,  S.  175. 

Das  lateinische  Imperfekt  Indik.  sucht  neu  zu  deuten: 
Chr.     Bartholomä,     Studien     zur    indogermanischen    Sprach- 
geschichte.   II.    Halle,  Niemeyer,  1891,  202  S.     8. 

Hierher  gehört  nur  die  2.  Abhandlung,  in  welcher  der  Verfasser 
die  F  ick  sehe  Deutung  von  lat.  eräs  =  ind.  isis  annimmt,  aber  die 
beiden  Formen  auf  einen  Aorist  auf  =  äi  zurückführt,  der  freilich  auf 
sehr  schwachen  Füfsen  steht;  S.  187  ff.:  eröm  =jon.  £'(=^)tiv;  eräs  = 
l'(a)rjcj-&a.  —  S.  195:  /"mY  =  *bheu-i-t  oder  *bhuu-ei-t,  nicht  wahrschein- 
lich. —  Für  den  obigen  Vokalwechsel  wird  das  Präsens  der  9.  ind.  Klasse 
herangezogen,  z.  B.  1.  Sg.  kripami,  1.  PI.  krinimas  (s.  oben  Pedersenll); 
vgl.    noch  Doppelformen,    wie  mugire  neben  umbr.  mugätu,    gr.  jiuxaQ- 


156  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

p.ai;  capio  neben  oc-cupäre.  So  geht  auch  lat.  -bäs  auf  *-bhuais 
zurück;  aus  der  2.  Ps.  Sg.  entwickelten  sich  dann  die  andern.  Hier 
bleiben  Schwierigkeiten  genug,  und  das  Richtige  ist  sicher  noch  nicht 
gefunden.  —  Gelegentlich  wird  der  unthematische  Ursprung  auch  für 
die  andern  Verben  auf  -äre  wahrscheinlich  gefunden,  ebenso  für  die- 
jenigen auf  -ere,  -ire.  Altlat.  feced  ist  =  {U)^t^y.z,  aber  auch  die 
Endung  der  3  sg.  -it,  -id  ist  alt;  als  gleich  alt  werden  ferner  in  der 
3.  pl.  -erunt  und  -erunt  bezeichnet.  —  S.  95  ff.  werden  zurückgeführt: 
tendö  auf  *tentnö  für  *te-tnö,  nach  ten-eö;  loaixgö,  pmdö,  Q-mungö  auf 
*pae3k-,  pant-,  mu?ak-n5  von  Wurzeln  auf  Tennis. 

Russisch  gesclu'ieben  ist: 

A.  Sobolewski,  Das  lateinische  Futurum  auf  -bo  und  das 
Imperfekt  auf  -bam.  Zeitschr.  des  kais.  russ.  Miiiisteriums  der  Volks- 
aufklärung, 1887,  3.  Abt.  S.  43  ff. 

Englisch : 

J.  B.  Bury ,  Latin  tenses  in  -bo,  -bam.    Class.  Review  III,  p.  165  ff. 

Die  Herkunft  von  der  "Wurzel  ind.  bhü,  lat.  fu  lälst  sich,  wegen 
der  Formen  der  altitalischen  Dialekte  und  des  Keltischen,  nicht 
anfechten. 

Eine  vielfache  Behandlung  haben  die  verschiedenen  lateinischen 
Perfektbildungen  erfahren,  die  ein  noch  ungelöstes  Problem  darbieten. 
Ich  erwähne  zuerst: 

Fr.  Scerbö,  Saggi  glottologici.  Firenzo,  le  Monnier,  1891, 
p.  60,  8. 

Hierher  gehört  von  den  4  Abhandlungen  nur  die  dritte  „del 
perfetto  forte  Latino",  die  aber  nicht  ganz  befriedigt.  Der  Verfasser, 
der  schon  in  den  beiden  ersten  Abhandlungen  _die  Physiologie  in  der 
Glottologie"  und  „der  Gegenstand  der  Glottologie"  sich  gegen  die 
junggrammatische  Schule  der  Indogermanisten  gew'endet  hat  und  deren 
Hauptsätze,  wie  denjenigen  von  der  Ausnahmslosigkeit  der  Lautgesetze, 
bekämpft,  verlangt  auch  hier  die  Rückkehr  zu  Bopp,  Schleicher,  Corssen, 
Curtius  und  deren  einfacheren  Ansichten.  —  Die  4.  Abhandlung  be- 
antwortet die  Frage,  „ob  eine  Universalsprache  möglich  sei,"    mit  Ja. 

Ferner:  E.  Ernault,  Du  parfait  en  grec  et  en  latin.    Paris  1886. 

A.  Harkness,  On  the  formation  of  the  Tenses  of  Completed 
Action  in  the  Latin  Finite  Verb.  Transact.  of  the  Amer.  Pbilol. 
Assoc.  V,  14  ff.:  VI,  5  ff. 

A.  Funck,  cecurrit.     Archiv  f.  lat.  Lexikogr.  VI,  S.  565. 

Er  weist  darauf  hin,  dafs  diese  von  Gellius  VII,  9  mit  Berufung  auf 
Probus  behandelte  Form,  in  einer  Inschrift  von  Theveste  (s.  Job.  Schmidt 


Formenlehre.    Konjugation.    (Deecke.)  157 

Rhein.  Mus.  XLIY,  S.  185)  zum  Vorschein  gekommen  ist,  spät,  vulgär, 
aber  zugleich  archaisch. 

Der  aoristische  Ursprung  des  lateinischen  Perfekts  ist  über 
(Tebühr  erweitert  in: 

Fr.  Prestel,  Das  Aoristsystem  der  lateinisch-keltischen  Sprachen. 
Prgr.  Kaiserslautern  1892,  51  S.     8. 

Hier  wird  nämlich  auch  das  reduplizierte  Perfekt  des 
Lateinischen  auf  eine  Aoristbildung  zurückgeführt.  Im  ganzen  werden 
a  aoristische  Bildungen  unterschieden:  1.  der  reduplizierte  Aorist: 
dazu  altlat.  (pisaurisch)  3.  pl.  deda(nt)  =  *de-dnt  (V);  vielleicht  3.  sg. 
dedet.  —  2.  Der  einfache  nicht  thematische  Aorist  hat  im  Latein 
keine  sichere  Spur  hinterlassen.  —  3.  Der  einfache  thematische 
Aorist:  altlat.  faet;  ferner  zu  erschliefsen  aus  den  Konjunktiven,  wie 
tagam,  tulam,  venam  u.  s.  w.  —  4.  Der  5- Aorist:  hierher  2  sg.  dixti 
und  ähnliche  Porraen  =  *dic-s-ti;  das  -ti  ist  nach  der  1.  sg.  auf  -i 
assimiliert  aus  -ta  =^  ind.  -tha,  welche  Endung,  nach  Ausweis  der 
europäischen  Sprachen,  nicht  blofs  dem  Perfekt  zukam,  sondern  auch 
als  aoristisch  gelten  kann;  der  PI.  dazu  ist  dixtis;  ebenso  gehören 
liierher  negä-s-ti,  -tis,  die  nicht  aus  negävisti,  -tis  kontrahiert  sind  (?). 
Dagegen  ist  eine  1.  sg.  Indik.  *negässem  =  *negäv-sm  anzusetzen; 
wozu  als  Konj.  -ässo,  als  Optativ  -ässim;  desgleichen  prohibessis, 
ambissit  u.  s.  w.  —  5.  Der  5a- Aorist,  und  zwar  erster  Ordnung  1.  sg. 
fixem;  3.  sg.  faxet  (?);  zweiter  Ordnung  3.  sg.  dixit;  1.  pl.  dixi- 
mus  (?). —  6.  Der  is-Aorist:  1.  sg.  fui  aus  *fu-ei(sm);  2.  sg.  inter-i- 
eis-ti;  3.  sg.  fuit  ■=  *fu-ei(s)t,  entsprechend  den  indischen  Endungen 
-äisam,  -äis,  äit.  Daneben  kann  fu-is-ti  auf  die  Form  -is,  fuit  auch 
auf  -it  zurückgehn  (?),  wie  fuimus  auf  *fu-is-mus;  fuistis  =  *fu-is-ti-s; 
fuerunt  auf  *fu-es-unt,  neben  *fuere  aus  fuesent,  so  dafs  die  Dehnung 
sekundär  ist  (?);  auch  ist  die  Endung  -re  älter  als  -runt.  —  7.  Der 
s?s-Aorist.  Diesem  gehört  dixi  an  =  *dic-sism.  ind.  -sisam.  — 
8.  Der  ^-Aorist,  nicht  lateinisch. —  Wie  man  sieht,  ist  dieser  Aufbau 
des  lateinischen  Perfekts  —  das  auf  -vi,  -ui  ist  noch  unberücksichtigt 
geblieben  —  viel  zu  künstlich,  um  wahrscheinlich  zu  sein. 

Dänisch  geschrieben  ist: 

Chr.    Blinkenberg,    Om    resterne    af   det  sigmatiske    aorist  i 
Latin.     Kjöbenh.  philol.    Samfund.  XXXI,  S.  C8  f. 

Hierher  gehört  auch  die  künstliche  tabellarische  Konstruktion  des 
lateinischen  reduplizierten  und  si-Perfekts  in  Conway's  Verner's  Law 
p.  110—11,  nach  Thurneysen,  Osthoff  und  Brugmann,  mit  eigenen 
Besserungen. 


158  Lateinische  Grammatik.    (Deecke). 

Über  das  -rZ-Perfekt  hatte  noch  geschrieben: 
G.    Curtius,    Das    lateinische    Perfekt    auf   -vi    und    -ui.     Ab- 
handlungen der  königl.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wissensch.  1885,  S.  421  ft. 
Ferner: 

F.  W.  Walker,  The  v-Perfect  (Philological  notes  VII).     Class. 
Eeview  ni,  243  ff. 

Während  diese  Arbeiten  sich  der  hergebrachten  Ansicht,  Ab- 
leitung von  der  Wurzel  fu,  anschlössen,  ist  eine  ganz  andere,  geistreiche, 
aber  nicht  baltbare  Hypothese  aufgestellt  worden  in: 

W.  Schulze,    Das  lateinische  v-Perfektum.     Kuhns  Zeitschr.  f. 
vergl.  Sprachf.    Bd.  XXVIII,  S.  266—274. 

Er  geht  vom  erstarrt  gebrauchten  Nom.  Sg.  Neutr.  des  Part. 

Per  f.  Akt.  aus,   als  dessen  Suffix  er  -ves  ansetzt  z.  B.  von  se  „säen": 

seves;   ebenso   aniä-ves,    audi-ves,    deleves,  habeves,    dömäves  u.  s.  w. 

Mit  den  Endungen  der  1.  und  2.  pl.  entstanden  dann  z.  B.  die  Formen: 

*seves-mos,    ^sövezmos,    daraus    seviraus  (vgl.  frigidus  =  *friges-do-sh 

*sevestis,   sevistis.     Nach  Analogie    bildete    man    weiter    den  Sg.  sevi, 

-visti,  -vit;    ferner   (nach  dem  Präsens)  3.  pl.  *seves-ont,  *sevezont,  st'- 

verunt.     Es  entstanden  ebenso  die  Plusquaraperfekta:  aus  *seves-esäm 

(alte  Form  fllr-eram):  *sevesam,  söveram  u.  s.  w.;  aus  *seves-essem: 

*sevessem,    sevissem;  das  Fut.  0  aus  *söves-esö  (alte  Form  für  -ero): 

*seveso,  severo;  der  Inf.  Perf.  aus  *sGves-esse:  *sevesse,  sevisse,  nach 

dem  im  Lateinischen  häufigen  Wegfall  der  ersten  von  2  gleichlautenden 

oder    gleichanlautenden    Silben,    wie    fastidium  =  *fastitldium ;    calami- 

tösus  r= -ität-ösus;  vgl.  noch  die  Zusammenziehung  von  nanctos-es(i)  zu 

nanctus,  von  nanctos-esti  zu  nanctust;  von  potis-esset  zu  potisset  u.  s.  w. 

Das  erstarrte  indeklinable  Ntr.  Sg.  liegt  auch  vor  in  pote-sum  u.  s.  \v. 

Analogiebildung  ist  severim  aus  *-ves-im,  *-vez-im.    Die  3.  pl.  lautete, 

ohne  Kopula,    ml,  *seves-es,  daraus  *severes,    severe,  wenn  dies  nicht 

gradezu  Dual  ist  (s.  Havet).    Durch  Kontamination  entstanden  -erunt  und 

-ere  (V).     Ähnlich    sind    aus    den  andern  oben  angeführten  Participien 

die  Formen  des  Perfekts    und    der  abgeleiteten  Zeiten    entstanden.  — 

Hauptbedeaken  sind:    1.  Das  betreffende  Particip  hat  in  den  italischen 

Sprachen  sonst  keine  Spur  hinterlassen :  weder  cadäver,  noch  papäver,  nocJi 

osk.  sipus   (nach  Joh.  Schmidt  Kuhns  Zeitschr.  XXVI,  372  zu  einem 

Pf.  *sepi  =  sapui)  sind  als  solche  haltbar.  —  2.  Das  Neutrum  ist  sehr 

auffällig;   s.    daneben  das  Mask.  PI.;   pote  ist  nicht  Neutrum,  sondern 

aus    poti(s)  entstanden,    wie  mage  aus    magis.    —  3.  Die  Formen  der 

italischen  Dialekte  mit  fn-  und  hu-  bleiben  unerklärt.  —  Als  Beispiel, 

wie   durch   falsche  Abstraktion    aus    milsverstandener  Zusammensetzung 

ein  neuer  Stamm  entstehen  könne  —  wie  der  Perfektstamm  sevi-  aus 


Formenlehre.    Konjugation.    (Deecke.)  159 

sevimus  u.  s.  w.  —  führt  Schulze  den  Stamm  sue-  an,  abstrahiert  aus 
suesco,  das  entstanden  war  aus  *suedh-sco  zu  gr.  (5F)-^9-oc,  neben  sol- 
ere  aus  *svedh-ere  zu  gr.  (aFyi-bo^,  ind.  svadh-ä(?);  fälschlich  wird 
auch  sodes  herangezogen,  da  dies  ö  hat. 

Die  obige  Notiz  über  -ere  als  Dual  bezieht  sich  auf: 
Louis  Havet,  Le  duel  en  -ere.  Archiv  f.  lat.  Lexikogr.  III,  558. 
Es  war  dies  nach  Quintil.  I,  5,  43  die  Ansicht  des  Antonius 
Rufus;  Cicero  orat.  157  spielt  darauf  au.  Wichtig  aber  sind  die 
Didaskalien  vor  des  Terenz  Eun.,  Heaut.  und  Phormio,  wo  egere  vor 
2  Namen  steht,  neben  egit  vor  einem;  in  derjenigen  der  Adelphi  stehen 
fecere  und  egere;  s.  noch  Macrobius  (Gramm.  Lat.  V,  632,  3  K.),  der 
die  Vertreter  dieser  Ansicht  subinepti  nennt  wegen  Vergils  „Conti- 
cuere  omnes." 

Ich  erwähne  fern  er: 

Mich.  Breal,  Une  trace  des  formes  ä  augment  en  Latin.    M6m. 
d.  1.  Soc.  d.  Lingu.     VII,  3. 

Verg.  Äneid.  IX,  266  ist  dat  Aorist  —  ind.  ädät  (s.  auch  Mem. 
ebdt.  326). 

Beiträge  zum  Gebrauche  der  vollen  und  zusammengezogenen 
Formen  des  vi-Perfekts  liefern: 

L.  Sehe  ff  1er,    De   perfecti   in  -vi  exeuntis  formis   apud  poetas 
Latinos  dactylicos  occurrentibus.     Mai'burg  1890. 

Th.    Birt,     Verbalformen     vom    Perfektstamme     bei    Claudian. 
Arch.  f.  lat.  Lexikogr.  IV,  589—94. 

Claudian  zeigt  sich  im  Gebrauche  dieser  Formen  feinfühlig: 
er  kontrahiert  regelmäfsig  vor  s  (ausgen.  debellavisse  Bapt.  Proserp.  3,79), 
nicht  vor  r  (wenige  Ausnahmen);  im  Auslaut  oder  vor  t  findet  sich 
sowohl  ii  als  i,  sogar  Pf.  redi,  redit.  Vergil  ist  weniger  exakt,  wenn 
er  auch  im  ganzen  dieselben  Regeln  beobachtet:  so  finden  sich  bei  ihm 
z.  B.  vitavisse;  andererseits  pacarit,  violarit,  laudarit,  sogar  vocaris 
(an  sich  zweideutig):  sacrarunt  u.  s.  w. ;  regelmäfsig  kontrahiert  sind 
die  r-Formen  von  nosse:  noram  u.  s.  w. 

Auf  die  vom  Perfekt  abgeleiteten  Zeiten  beziehen  sich: 
Fr.  Gramer,    Das    lateinische  Futurum   exactum.  Arch.    f.   lat. 
Lex.  IV,  594  ff.  (s.  die  Syntax). 

P.  Giles,    The    origin    of  thc   latin  pluperfect  subj.  and  other 

etj'mologies.     Transact.    of   the  Cambridge  Philo].  Soc.  III,    126  ff. 

Vgl.    dazu   Chr.    Bartholomä   in  Bezzenb.    Beitr.  XVII,   112, 

der  z.  B.    vertissem   zu  vertimus    entstehen    läfst   nach  Analogie    von 

amässem  zu  amämus. 

Die  sekundäre  Imperativbildung  hat  erörtert: 


160  Lateinische  Grammatik.     (Deecke). 

0.  Rieraann,  La  question  de  Tiraperatif  en  -to.  Revue  de 
phil.  X  (1886),  S.  161  —  188. 

Allerdings  ist  die  Frage  mehr  syntaktisch  behandelt  (s.  dort!). 
Während  H.  Schmalz  diesen  Imperativ  emphatisch-vulgUr  auffafst,  sucht 
Riemann  aus  seinem  Gebrauch  bei  Plautus  und  Terenz,  in  Ciceros 
Reden  und  Briefen  nachzuweisen,  dafs  er  wirklich  mehr  ein  Imper. 
Futuri,  ein  Jussiv,  ist,  doch  selten  in  Verboten,  ausgen.  Gesetze,  Ver- 
träge u.  s.  w.:  im  besonderen  vi'eist  er  auf  seinen  Gebrauch  in  Sen- 
tenzen und  Rezepten  hin.  Die  Formen  es  und  sei  werden  ihrer 
Kürze  wegen  gemieden;  sonst  hat  auf  den  Gebrauch  der  verschiedenen 
Formen  die  Zweideutigkeit  der  Form  auf  -to  als  2.  u.  3.  Ps.  Einflufs, 
bei  den  Dichtern  das  Metrum;  speziell  konzessive  Bedeutung  (Kühner) 
ist  nicht  nachweisbar.  Im  ganzen  haben  die  Formen  mit  -to  u.  s.  w. 
infolge  der  Gesetzesspi'ache  etwas  Archaisches;  -tor  ist  klassisch  nur 
poetisch. 

Gegen  die  gewöhnliche  Herleitung  des  -tö  aus  dem  Abi.  töd  >,vou 
da  an"  erklärte  sich  E.  Wind is eh.  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  "Wiss. 
1889,  S.  21  ff. 

Der  lateinische  Konjunktiv  hat    eine  Erörterung  gefunden  in: 

Vi  ct.  Henry,  Esquisses  morphologiques.  HI.  Le  Subjonctif 
Latin.     Douai,  1885,  20  p.    8. 

Mit  Berücksichtigung  von  Thurneysens  Aufsatz  in  Bezz. 
Beitr.  VIII  (s.  meinen  Jahresber.  1883—4,  8.  160  ff.)  und  anderen 
neueren  Arbeiten  versucht  der  Verfasser  eine  vereinfachte  Ableitung 
der  lateinischen  Konjunktivzeiten.  Ausgeschieden  werden  zunächst  die 
ursprünglichen  Optative:  sira,  velim,  edim,  duim  u.  s.  w. ;  ferner  amem, 
-es  u.  s.  w.;  viderim  aus  * veidesiem  =  gr.  (F)£tÖ£(j)iY)v,  während  videiö 
aus  *veidesö  =^  dem  Konj.  F£io£(3)(o  ist,  nebst  allen  ähnlichen  Bildungen. 
Als  altitalischer  Indik.  Präs.  der  3.  Konj.  muis,  nach  dem  Griechischen, 
angenommen  werden  z.  B.  vehö,  *vehes,  *vehet;  *vehomus,  *vehetis, 
*vehout,  woraus  die  gewöhnlichen  lateinischen  Formen  nach  allgemeinen 
Lautgesetzen  regelmäfsig  entstanden,  nur  dals  vehimus  (aus  *velmmus 
oder  *vehemus?  s.  sumus,  volumus,  andrerseits  unten!)  sich  im  Mittel- 
vokal an  vehis,  -it,  -itis  assimilierte.  Da  nun  der  altidg.  Konjunktiv 
durch  Dehnung  des  Suffixvokals  gebildet  wurde,  so  ergaben  jene  voraus- 
gesetzten Formen  als  Konjunktiv:  *vehö,  -hes,  vehet,  vehömus,  -hetis, 
-hont.  Diese  Formen  haben  sich  erhalten  als  Fut.  I  Indik.:  nur  ward 
durch  Analogiezwang  (?)  das  e  durchgeführt;  vgl.  als  1.  sg.  arch. 
dice,  facie;  3.  sg.  vehet  ist  regelrecht  verkürzt;  1.  pl.  vehemus;  3.  pL 
*vehent,  regelrecht  verkürzt  vehent.  Auf  letztere  Form  mögen  docent, 
ament  eingewirkt  haben;  auch  kann  dem  vehemus  ein  älteres  indi- 
kativisches  vehemus,    als    Vorstufe    von    vehimus,    zu  Grunde    liegen 


Formenlehre.    Konjugation.    (Deecke.)  161 

(s.  oben!).  Nach  Analogie  anderer  Zeiten  erhielt  dann  die  1.  sg. 
ein  m:  *vehem,  dessen  Übergang-  in  vehäm,  wie  überhaupt  das  ä 
des  späteren  Konj.  Präs.,  unerklärt  bleibt,  indem  auf  Thurneysen  ver- 
wiesen wird.  —  Entsprechend  dem  griechischen  Konj.  Aor.  I  Akt.  auf 
-3(ü,  -jetc  (älter  als  -jtjc)  aus  *-aeai  u.  s.  w.,  wird  ein  altlat.  Konj.  Aor. 
konstruiert  z.  B.  faxö  (x  ^^  es),  *faxes,  -et;  faxomus,  faxetis,  faxont, 
woraus,  wie  oben,  die  bekannten  Formen  faxö,  -is,  -it,  -imus,  -itis,  -int, 
als  arch.  Fut.  11  Indik.  gebräuchlich,  entstanden,  wobei  -int  statt  -unt 
durch  den  Optativ  faxint  von  faxim,  als  Konj.  Perf.  gebraucht,  be- 
einflufst  sein  kann;  ebenso  gebildet  sind  capso,  rapsit,  occisit  u.  s.  w.; 
ferner  habessö,  ambissö  u.  s.  w.,  auch  die  Präs.  Ind.  lacessö,  facessö, 
petissö  u.  s.  w.;  doch  wird  das  ss  nicht  erklärt  (s.  unten  Esqu.  V). 
Wie  nun  im  Griechischen  durch  Dehnung  der  neue  Konjunktiv  -ato 
-(j7)s  (aus  *-ariai),  -a?)  (aus  *-aYjTi)  u.  s.  w.  gebildet  wurde,  so  aus  faxö 
u.  s.  w. ,  mit  Anlehnung  an  *faciem  (s.  ob.):  faxem  (verkürzt  faxem), 
-es,  -et  (verkürzt  faxet);  faxemus,  -xetis,  -xent  (verkürzt  faxent);  doch 
könnten  faxes,  -et,  -emus  u.  s.  w.  auch  Konjunktive  eines  ursprünglichen 
Fut.  I  faxö,  wie  gr.  öet'Ew,  sein  (?).  Nach  faxem  u.  s.  w.  von  Wurzel 
fac  bildete  sich  dann  essem  von  Wurzel  es.  Dies  Impf.  Konj.  lehnte 
sich  dann  zufällig  an  den  Inf.  Präs.  esse  an,  ursprünglich  Dativ  eines 
Neutrums;  doch  sind  die  synkopierten  Formen  esse,  ferre  {=  *fer-se), 
veUe  (=*vel-se),  esse  (=  *ed-se)  sekundär,  da  die  ursprüngliche 
Endung  -esei  war  z.  B.  veh-ere  aus  *vehesei,  wie  mit  abweichender 
Behandlung  des  Auslauts  (?) ,  gen-eri  aus  *gen-es-ei,  Dativ  von  geuus 
(aus  *gen-os);  s.  darüber  unten!  Nach  Analogie  von  esse:  essem 
bildete  man  dann  aus  vehere:  veherem;  aus  amäre:  araärem  u.  s.  w. ; 
endlich  auch  aus  legisse  (wie  entstanden?):  legissem;  andrerseits  nach 
essem:  esse  aus  faxem:  faxe;  dixem:  dixe.  Der  Verfasser  entdeckt 
selbst  die  Antinomie,  dafs  essem  älter  als  esse  sein  soll,  vehere  älter 
als  veherem;  aber  es  liegen  auch  andere  Widerspräche,  Bedenklichkeiten, 
grundlose  Analogieen  in  dieser  Entwickelung ,  so  dafs  sie ,  wie  so  vieles 
andere,  ein  geistreiches  Spiel  bleibt. 
Zu  erwähnen  sind  noch: 
Moulton,  The  suffix  of  the  Subjunctive.    Amer.  Journ.   of  Philol. 

X,  285  ff. 

M.  Breal,  ITu  mot  sur  les  subj,  latins  en  -am.    Mem.  d.  la  Soc.  d. 

Lingu.  VI,  409  ff.  (s.  ebds.  347  L.  Job). 

F.  Gramer,    Zu    den    alten  Optativ-  und  Konjunktivformen  im 

Lateinischen.     Gymnas.  Bd.  Vm,  S.  701  ff. 

Wir  kommen  zum  verbum  infinitum,  und  zwar  zunächst  zu  den 
Infinitiven..   Diese  sind  wieder  behandelt  von: 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    LXXVII.  Bd.   (1893.  III.)      H 


1(52  Lateinische  Grammatik.    (Deecke). 

Vi  ct.  Henry,  Esquisses  morphologiques  V.    Les  infinitivs  latins. 

Paris,    Thorin,    1889,  30  p.  8;  s.  auch  Les  inf.  mediopassifs  latins. 

Mem.  d.  1.  Soc.  d.  Lingu.  VI,  62  flf. 

Zuerst  werden  die  mit  blofsem  s  gebildeten  Infinitive  betrachtet, 
teils  Lok.  Ntr.,  wie  dare  (aus  *da-s-i),  stäre,  ferre  u.  s.  w.  (s.  ob.  Esq.  III), 
auch  fore,  ire;  teils  Dat.  Ntr.,  wie  dari  (aus  *da-s-ei),  fem,  iri,  färi, 
in  deponentiale  und  passive  Bedeutung  übergegangen.  Hier  kann  nicht 
überall  eine  Synkope  angenommen  werden  (s.  Esq.  III),  sondern  eher 
liegt  eine  schwächere  Form  des  Stammsuffixes  vor.  Als  Lok.  (Femin.?) 
werden  auch  angesetzt  dixe,  vixe,  vexe  =  gr.  ozl^ai,  XeTtJ;at,  pi'j^at,  also 
nicht  aus  dixisse  u.  s,  w.  zusammengezogen.  Nach  estis:  esse  ward 
ferner  gebildet  fuistis:  faisse  (!);  nach  estis:  esse  ebenso  edistis:  edisse; 
danach  dann  tulisse,  dedisse,  dixisse  u.  s.  w.  —  Die  vollere  Suffixform 
-es  erscheint  im  Lokativ  als  -ere  =  *-es-i  in  vehere,  arch.  fiere,  dann  legere, 
facere,  capere  u.  s.  w.;  ferner  amäre,  docere,  audire  u.  s.  w.,  endlich  capes- 
sere  vom  ursp.Fut.I,  mit  doppeltem  Futursuffix,  capesso;  impeträssere.  Der 
Dativ  ist  regelrecht  nur  erhalten  im  deponential-passiven  fieri;  danach  gab 
es  auch  w^ohl  einst*veheri,  *caederiu.s.w.;  nachAnalogie  entstanden  aniäri, 
doceri,  audiri,  u.  s.  w.  (doch  s.  unten!).  Drittens  aber,  und  das  ist  Henrys 
«igene  Vermutung,  ist  auch  ein  suffixloser  Lokativ  *fier  als  Infinitiv  anzu- 
setzen —  vielleicht  in  einer  oder  der  anderen  Stelle  des  Plautus  er- 
halten, wo  man  fiere  oder  fieri  vor  Vokalen  liest  —  und  danach  bildete 
man  capier,  dann  legier,  endlich  amärier,  pollicerier  u.  s.  w.  (?);  *fier 
ginge  auf  *fei-es  zurück,  wie  aisc,  penes  —  warum  ist  aber  in  diesen 
das  s  geblieben?  —  Als  Dativ  Sg.  eines  konsonantischen  oder  (weib- 
lichen?) i- Stammes  ist  der  Inf.  legi  zu  betrachten  =  *leg-ei  oder  *leg- 
ej-ei,  und  ebenso  agi,  mori,  oblivisci  u.  s.  w. ;  danach  vielleicht  amäri 
u.  s.  w.  (doch  s.  oben!).  —  Als  Inf.  Präs.  Akt.  (nicht  als  Particip)  ist 
endlich  auch  die  2.  pl.  Präs.  Iraperat.  Pass.  u.  Depon.  zu  betrachten,  auf 
-mini  =gr.  -jxsvai  z.B.damiDi^66jxevai;legimini  =  Xs^eiAsvai;  während  die- 
selbe Form  al82.  pl.  Indik.  Präs.  =  -jaevoi  ist  (Wackernagel  Verhdlgen  d. 
39.  Philol.  Versammlung,  S.  28  ff.) ;  s.  dagegen  oben-e  -=  gr.-at  in  dixe  u.  s.  w . ! 
Indem  ferner  Henry  die  Ansicht  Havets  M^m.  d.  1.  Soc.  d.  Lingu.  VI,  6 
adoptiert,  dal's  die  Gerundialendung  -ndus  aus  -|jl(£)vo;  entstanden  sei 
z.  B.  legendus,  älter  legundus,  *legondos,  aus  *legomnos  =  Xe-foixsvoc, 
vgl.  leguraina,  führt  er  auch  den  Genitiv  Gerundii  auf  jenen  Infinitiv 
mit  Synkope  zurück  z.  B.  nendi  ^  *nem(i)ni  =  vr^jAsvai;  dann  linendi, 
endlich  amandi  u.  s.  w.  (?).  Durch  Mengung  mit  dem  Gerundiv  ent- 
stand dann  die  weitere  Flexion  Dat.  nendö,  Acc.  nendum,  Abi.  nendö(d). 
Auch  diese  AnsiQhten  sind  geistreich,  aber  schwer  haltbai'.  Eine  weit- 
reichende alte  Bildung  wie  agier  u.  s.  w.  aus  einer  einzigen  und  noch 
dazu  gar  nicht  nachgewiesenen,  sondern  nur  zweifelhaft  fingierten  Form 


Formenlehre,    Konjugation.    (Deecke.)  163 

durch  Analogie  entstehen  zu  lassen,  ist  der  Gipfel  junggraramatischer 
Spekulationswillkür,  zumal  auch  der  Rhotacismus  Schwierigkeit  macht 
und  die  Formen  aie?,  penes  auch  Accusative  sein  können.  Ebenso  ist 
der  Übergang  von  mn  in  nd  im  Latein  unglaublich  (s.  amnis,  sollemnis 
u.  s.  w.),  abgesehen  von  der  unwahrscheinlichen  Synkope  und  der  un- 
möglichen Annahme,  dals  zwei  lautlich  und  begrifflich  so  verschiedene 
Formen  wie  legimini  und  legendi  ursprünglich  identisch  sein  sollen  und 
wieder    mit    dem  lautlich  und  begriiflich  abweichenden  Xs^eixevat  gleich. 

C.  Pascal,  La  formazione  degl'  infinitivi  latiui.  Riv.  d.  filol.  XIX, 
471  ff. 

Auch  ich  selbst  habe  die  lateinischen  Infinitive  behandelt  in: 

W.  Deecke,  Beiträge  zur  Auffassung  der  lateinischen  Infinitiv-, 
Gerundial-  und  Supin-Konstruktionen.  Prgr.  Mülhausen  i/E.  1890, 
50  S.  4. 

Ist   die  Arbeit    auch  wesentlich  syntaktisch,    so  ist  ihr  doch  ein 
etymologischer  Teil  über  den  Ursprung  der  Infinitive  vorangeschickt, 
und  zwar  wird  zuerst  der  Inf.  Präs.  Akt.  auf  -se  resp.  -re  betrachtet, 
(esse,  esse,  posse,  ferre,  velle,  dare,  nebst  -dere  u.  s.  w.,  nicht  fore  = 
*fu-ese),    dann  derjenige    auf  -ere,    der  vollkommen  zum  Abi.  Sg.  der 
Neutra  auf  -us,  -eris  stimmt,  der  aber  ursprünglich  Lokativ  war,  indem 
das  auslautende  -e  gesetzmäfsig  aus  -i  entstand,    während    der  Ablativ 
ursprüglich  -ed  hatte,    eine  Endung,    die  beim  Infinitiv  nie  vorkommt; 
auch  ist  die  Bedeutung  des  Infinitivs  stets  lokativisch,  nie  ablativisch. 
Ich  verwerfe  also  die,  nach  Analogie  des  Griechischen,  beliebte  Deutung 
des  betreffenden  Infinitivs  als  Dativ,    teils  der  Bedeutung  wegen,    teils 
weil  das  auslautende  -e,  dessen  ursprüngliche  Länge  durch  einige  Stellen 
der    Komiker   keineswegs  gesichert    ist  (s.  Prgr,  v.  Mülh.  i.  E.   1890, 
S.  34),  zu  den  übrigen  lateinischen  Dativen  nicht  stimmt,  und  ebenso- 
wenig   zum  gr.  -ai,    dessen    dativischer  Ursprung    übrigens    auch  nicht 
einmal  feststeht.     Insofern  stimme  ich  mit  Henry  überein,  doch  deute 
ich  die  Endungen  -äre,  -ere,  -ire  der  abgeleiteten  Verba  nicht  aus  Analogie 
sondern  aus  *-a-j-ese,  -e-j-ese,  -i-j-ese;  an  sie  haben  sich  in  der  Form 
die  einfachen  Verben  wie  näre,    -plere,    -fire  angeschlossen,    soweit  sie 
nicht  einfaches  -se  oder  -ese  haben  sollten,   was  sich  nicht  entscheiden 
läfst:  ebenso  sind  den  Verben  auf  -ere  gleich  geworden  die  Komposita 
^uf   -dere  von  dare;    sistere,  serere,  cernere,  sinere  u.  s.  w.,    in  denen 
-ere  aus  -a-se  enstanden  ist.  —  Den  Infinitiv  Pf.  auf  -isse  halte  ich  für 
zusammengesetzt  mit  esse.  —  Den  Inf.  Präs.  Pass.  u.  Depon.  der  3.  Konj. 
auf  -i  leite  ich,  allerdings  zweifelnd,  aus  -ies(e)  ab,  während  andererseits 
daraus  -ier  entstand,  und  setze  die  passivische  Bedeutung  in  das  i,  ent- 
sprechend dem  indischen  passiven  i  z.  B.  pusjäse  (nur  dafs  dies  dativischer 

11* 


1(14  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

Inf.  ist)  „zur  Blüte  gebracht  werden,  aufblühen"  von  peus  „zur  Blüte 
bring:en".  Dann  beruhen  allerdings  amäri,  -rier  u.  s.  w.  auf  Analogie; 
ebenso  dari,  arch.  dasi,  ferrier  u.  s.  w.  Auch  diese  Infinitive  also  sind 
alle  Lokative,  nicht,  wie  Henry  von  denen  auf  -i  meint,  Dative.  Die 
perfoktischen  Infinitive  auf  blofses  -se,  wie  dixe,  scripse,  lassen  sich  von 
den  griechischen  auf  -jai  schwerlich  trennen,  nur  dal's  auch  hier  ein 
sicherer  Lokativ  vorliegt;  doch  wurden  diese  Infinitive  später  als 
Kontraktionen  aus  dixisse  (altbetont  dixisse),  scripsisse  u.  s.  w,  auge- 
sehen, und  danach  auch  andere  Infinitive  kontrahiert.  Dasselbe  gilt  von 
den  Inf.  auf  -ässe,  -esse,  -isse.  Die  ganze  Sache  ist  übrigens  noch  nicht 
spruchreif.  —  Neubildungen  nach  der  3.  Konj.  sind  die  Inf.  Fut.  auf 
-ässere.  Das  Resultat  ist  also  (S.  31 ) :  1.  Der  Inf.  Präs.  hatte,  mit  wenigen 
Ausnahmen,  in  denen  das  e  vor  s  synkopiert  ist,  wie  in  es-se,  die  Endung 
-ese,  die  im  Passiv  und  Deponens  an  den  durch  i  erweiterten  Verbal- 
stamm trat.  Das  -es-  ist  dasjenige  der  Neutra  auf  -us,  Gen.  -er-is 
aus  *-es-is .  —  2.  Der  Inf.  Perf.  Akt.  kürzerer  Form  hat  die  Endung 
-se,  nach  Vokalen  verstärkt  zu  -sse,  die  an  den  starken,  schwachen  oder 
umgeformten  Verbalstamm,  bisweilen  auch  an  den  Präsensstamni  tritt. 
Das  s  in  ihr  ist  dasjenige  des  indischen  und  griechischen  Aorists  und 
des  lateinischen  Perfekts  auf  -si,  das  vielleicht  mit  der  Wurzel  es, 
schwach  s,  „sein"  zusammenhängt.  Das  s  also  in  dicere  ^^  *deic-es-e 
und  in  dixe  =  *deic-s-e  ist  ganz  verschiedenen  Ursprungs,  und  nur  dies 
erklärt  den  temporalen  Unterschied;  in  dixisse  =  *deic-si-  (e)sse  stecken 
beide  s  und   die  Wurzel  es  vielleicht  zweimal. 

Eine  andere  Deutung  des  passiven  -ier  giebt: 

A.  Miodonski,  Zur  Erklärung  der  Infinitive  auf  -ier,  -rier.   Arch. 
f.  lat.  Lexikogr.  VII,  S.  132. 

Unter  Verwerfung  von  K.  Brugmanns  allerdings  sehr  unwahr- 
scheinlicher Ansicht  (Vgl.  Gramm.  II  469),  das  -er  sei  die  angehängte 
Präposition  ar  =  ad  (wie  im  umbr.  asam-ar  =  ad  aram),  stellt  er  die 
noch  viel  unwahrscheinlichere  Ansicht  auf,  nach  einem  vulgär  abge- 
kürzten Inf.  Präs.  Akt.  auf  -er  z.  B.  biber  habe  man  das  passive  -i 
zu  -i-er  erweitert,  z.  B,  bibi-er,  vielleicht  zum  Unterschiede  vom  Perf. 
Akt.  bibi  (!);  s.  auch  V.  Henry  Mem.  d.  1.  Soc.  d.  Lingu.  VI,  62  ff. 

Dieselbe  Frage  behandeln: 

E.  H.  Miles,  tlie  passive  Infinitive  in  Latin.  Class.  Rev.  V,  198  f. 

L.    Ceci,    L'infinitivo    presente    passivo    latino    (truc,   glottol.) 
Giorn.  d.  filol.  class.  I,  257  ff. 

Der  Inf.  Fut.  Akt.  ist  erörtert  in: 


Formenlehre.    Konjugation.     vDeecke.)  165 

J.  P.  Postgate,  the  Latia  Future  Infinitive  in  -turum.  Proceed. 
of  the  Cambr.  riiUül.    Soc.  1889,   p.  6  ff.  u.  Classic,   ßev.  V,  301. 

Schon  Studemund  hatte  daraufhingewiesen,  dafs  im  archaischen 
Latein  Spuren  einer  Nichtflexion  dieses  Infinitiv  erhalten  seien,  und  zwar 
in  der  Form  auf  -urum  esse  (C.  Gracchus:  inimicos  dictui'um,  auch 
Plautus).  Conway  leitet  ihn  vom  Sup.  auf  -ü  mit  erum  =  esse  ab; 
Kretschmar  (in  Kuhns  Ztschr.  s.  o.)  aus  demselben  Supin  mit  Suff.  -ro. 
Ich  habe  dagegen  in  den  „Erläuterungen  zu  meiner  Schulgrammatik* 
(S.  376)  bemerkt,  dafs,  wenn  nicht  eine  syntaktische  Entartung  vorliegt, 
man  an  Ursprung  von  amätürum  esse  aus  amätörum  esse  als  Gen.  Part. 
denken  kann,  ja  dafs  vielleicht  das  ganze  Part.  Fut.  Akt.  erst  aus  dieser 
Form  entstanden  ist;  vgl.  wegen  des  ü  z.  B.  praetor,  praetüra  u.  s.  w.  und 
s.  u.  Schmalz. 

Über  den  Inf.  Fut.Pass.  aus  demSupinum  und  iri  s.  meinMülhauser 
Prgr.  v.  1890,  S.  48  (auch  49),  wo  ich  darauf  aufmerksam  gemacht 
habe,  dafs  die  passive  Form,  durch  einen  logisch-grammatischen  Fehler, 
am  Verbum  ire  ausgedrückt  ist,  statt  am  Supinum:  so  heifst  raptum 
iri  „zum  Eauben  gegangen  werden",  statt  „zum  Geraubtwerden  gehen" ; 
man  müfste  denn,  in  recht  gezwungener  Weise,  den  Inf.  iil  unpersönlich 
fassen;  s.  meine  ,, Erläuterungen  zur  Schulgrammatik"  S.  86. 

Vgl.  noch  in  russischer  Sprache: 

0.  Schebor,  Der  lateinische  infin.  fut.  passivi.   Russische  Philol. 
Rundschau  U,  198  ff. 

Auf  eine  durch  Abwerfung  des  auslautenden  -m  des  Supinums 
entstandene  kontrahierte  Form  auf  -uii*i  ist  man  erst  in  neuester  Zeit 
aufmerksamer  geworden;  s.: 

Sam.  Brandt,  Infinitivi  fut.  pass.  auf  -uiri,   Arch.  f.  lat.  Lexikogr, 
n,  349—54. 

Zu  vergleichen  ist  circuire  neben  circumire,  auch  coire  neben  comes, 
comitium  u.  s.  w. ,  vor  allem  aber  der  Schwund  des  m  im  Verse  vor 
Vokalen;  vgl.  noch  circitor  neben  circuitor.  Jener  Infinitiv  ist  bei 
Cato  nicht  sicher;  häufiger  in  den  Digesten  (doch  nicht  hierhier  metuiri 
XX,  1,26  §  1),  sechsmal  bei  Laktanz. 

Andere,  klassische,  Stellen  in: 

J.  H.  Schmalz,  Der  infin.  fut.  pass.  auf  -uiri  auch  bei  Cicero 
Jahrb.  f.  klass.  Philol.  1892,  S.  79—80. 

Bei  Cic.  ad  Qu.  fr.  II,  5  ist  statt  redituro,  das  nach  Hoppe's 
und  Tummelins  Untersuchungen  unmöglich  ist,  da  Cicero  das  part. 
fut.  act.,  wie  Plautus  und  Terenz,    nur  mit  esse  gebraucht,    reddituiii 


lQ[j  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

zu    lesen;    vgl.    bell.  Alexandr.  19,2  sublatuiri  statt  sublaturi.  —  Sehr 
zweifelhaft! 

Den  Übergang  von  Infinitivformen  in  Participien  behandelt: 

Mich.  Bröal,  anciens  infinitifs  latins  changes  en  participes. 
Mem.  d.  1.  See.  d.  Lingu.  VII,  3;  s.  oben! 

Das  Part.  Präs.  Akt.  bespricht: 

Chr.  Bartholomä,  Zur  Flexion  der  nt-  Participien.  Bezzenb. 
Beitr.  z.  Kunde  d.  idg.  Sprachen.     Bd.  XVI,  S.  261—279. 

Gegen  J.  Schmidt  macht  er  geltend,  dafs  zwei  Accente  zu 
unterscheiden  seien,  die  keineswegs  immer  zusammen  fielen,  der  exspi- 
ratorische  und  der  musikalische.  Wenn  betont,  hatte  das  Präsens 
den  exspiratorischen  Ton  auf  der  Stammsilbe:  so  auch  das  Particip, 
aber  es  kann  z.  B.  idg.  der  Nom.  PI.  bherontes  geheifsen  haben,  der 
Gen.  Sg.  bherentos  mit  verschiedenem  musikalischen  Accent  (?).  Bei 
Ausgleichung  der  Formen  drang  im  Griechischen  in  der  Mittelsilbe  o 
durch,  im  Latein  e,  mit  Ausnahme  vereinzelter  Formen  wie  eunt-. 

Anders  erfafst  den  letzteren  Fall: 

Jos.  Weisweiler,  Zur  Etymologie  des  lateinischen  partic.  praes. 
act.     Jahrb.  f.  klass.  Philologie  1889,  S.  790—6. 

Er  nimmt  keinen  ursprünglichen  Wechsel  von  -ent-  und  -ont-, 
resp.  -unt-,  an:  der  Genitiv  von  iens:  *eentis  ist  umgeformt  nach  eunt 
und  eundum;  ebenso  bei  quire,  wo  queentes  erhalten  ist  (?);  sons  (zu 
dtsch.  , Sünde"),  mons,  pons,  fons,  frons  sind  keine  Participia;  flexüntes 
steht  für  *flexuentes  (?);  lucuns  ist  Lehnwort  aus  7Xux6£t;,  s.  kretisch 
(bei  Athenäus)  -/Xuxuv?;  voluntas  gehört  zu  *volö,  -önis;  s.  juventas. 
u.  s.  w. 

In  böhmischer  Sprache  ist  abgefafst: 

J.  Zubaty,  Das  Suffix  des  Part.  Perf.  Akt.  Listy  filologicke 

xn,  p.  75  ft: 

Vgl.  die  oben  erwähnte  Abhandlung  von  W.  Schulze  über  das 
lateinische  v-Perfekt. 

Die  lateinischen  Gerundia  sind  vielfach  behandelt  worden,  ohne 
dafs  eine  überwiegend  anerkannte  Ansicht  vorgebracht  worden  ist:  vgl. 
oben  die  Havet-Henrysche  des  Ursprungs  des  Gerundivs  aus  dem 
idg.  Part.  Präs.  Medio-Passivi  (-ndus  =  -mnos),  des  Gerundiums  aus 
dem  Inf.  Präs.  Akt.,  und  zwar  zunächst  des  Genitivs  (-ndi  =  -mnaj 
oder  -mnaj);  s.  noch  Mich.  Brcal  Participes  moyens  en  latin.  Mem. 
d.  1.  Soc.  d.  Lingu.  VI,  412  ff. 


Formenlehre.    Konjugation.    (Deecke.)  167 

Ferner : 

K.  Brugmaun,  Der  Ursprung  der  lateinischen  Gerundia  und 
Gerundiva.  American  Journ.  of  Philol.  VIII,  N.  4.  (1887—88). 
S.  441—448. 

Er  geht  auf  Thurneysens  Entstehung  lateinischer  nd  aus  tn 
zurück,  findet  für  den  altpers.  Infin.  auf  -tanaij  und  das  lit.  part.  neces- 
sitatis  auf  -tina-s  eine  gemeinsame  idg.  Suffixform  -timo-  neben  -tno-, 
und  deutet  so  lat.  piandus  aus  *piiä-tnos;  vgl.  das  Sekundärsuffix  -tijno-, 
-tno-  =  lat.-tinus  in  cräs-tinus,  diütinus  u.  s.  w.  8o  ist  ferner 
dandus  =  *datnos;  -bundus  =  lit.  bütinas;  -cundus  =  *-cö-tnos,  von 
Nominalstämmen  auf  -co,  s.  rubicare  neben  rubicundus  (andrerseits 
aegrötus);  ähnlich  ist  rotundus  =  *rotö-tnos  zu  rota;  secundus  =  *secü- 
tnos.  Der  Wechsel  von  ferend-  mit  ferund- ,  faciend-  mit  faciund-  be- 
ruht auf  Analogie  nach  dem  Part.  Präs.  Akt.;  s.  noch  flexüntes  neben 
*flexentes  von  *flexere,  wie  texere ;  voluntas  =  *volunti-tas  (s.  dagegen 
oben  "Weisweiler!).  Altpersisch  ist  die  Form  substantivisch  gebraucht 
(als  Infin.),  litauisch  adjektivisch,  lateinisch  als  Gerundium  substantivisch, 
als  Gerundiv  adjektivisch.  Vgl.  hierzu  mein  Progr.  v.  Mülhausen  i.  E. 
1890,  S.  43 — 47,  wo  ich  aber  amandus  (urspr.  mit  ä)  zurückführe  auf 
*amaje-tnos;  docendus  auf  *doceje-tnos ;  audiendus  auf  *audije-tnos ;  vgl. 
aslav.  prije-tinü  „liebenswert" ;  secundus  aus  *sequondus  neben  sequendus 
u.  s.  w.  Das  Gerundium  ist  nichts  weiter,  als  das  unpersüulich  ge- 
brauchte Neutrum  des  Gerundivs;  doch  s.  unten! 

W eis w eiler  in  seiner  unten  in  der  Syntax  zu  besprechenden 
Schrift  leitet  dagegen  das  Gerundiv  vom  Part.  Präs.  mit  angehängtem 
-no-  ab;  vgl.  noch: 

A.  Döhring,  Die  Etymologie  der  sogenannten  Gerundivformen. 
Prgr.  Königsberg  1888,  21  S.  4. 

Er  vergleicht  -ndo-  mit  der  griech.  Nominalendung  -v9o-,  die 
aber  ganz  andere  Bedeutung  hat;  auch  widerspricht  ital.  nn  dem  Ur- 
spi'ung  aus  ndh. 

E.  S.  Conway,  The  origin  of  the  latin  Gerund  and  Gerundive. 
Class.  Rev.  V,  296  ff.  u.  VI,  150  ff. 

G.  Dünn,  On  Conway's  theory  as  to  the  origin  of  the  latin. 
Gerund.  Cl.  Eev.  VI,  1  ff.;  VI,  264  f. 

Carlsson,  Gm  det  latinska  Gerundivum  och  Gerundium.  Pedagog. 
Tidskr.  1891,  p.  349  ff 

In  seiner  Vgl.  Grammatik  II,  1425  denkt  K.  Brugmann  an  Ur- 
sprung aus  dem  ital.  Infin.  auf  -om  und  der  Postposition  -dö  „zu"  (s.  en-do 
aa.)  oder  -de  =  gr.  -6s. bundus  könne  nicht  mit  dem  -bö-  Fut.  ver- 
bunden werden,  sondern  gehe  auf  das  Nominalsuffix  -bho,  -bhä  zurück 
odei"  Zusammensetzung  mit  -bhu-o  von  bheu. 


168  Lateinische  Grammatik.     (Deecke.) 

Den  Nameu  endlich  bespricht: 

Fr.  Scholl,  Bedeutung  des  Namens  Gerundium.  Alte  Probleme  I. 
Arch.  f.  lat.  Lexikogr.  II,  203—5. 

Nach  A^erwerfung  aller  anderen  Erklärungen  des  Wortes  geht  er 
auf  die  Deutung  des  Cledonius  (19,31  k.)  zurück:  quod  nos  aliquid 
gerere  significat,  so  dafs  es  synonym  mit  Activum  ist,  wie  Supinum  mit 
Passivum;  zur  Bildung  s.  crepundia  von  crepere. 

Über  die  Supina  ist  gleichfalls  mein  Mülhauser  Prgr.  1890, 
S.  48 — 50  nachzusehen,  wo  die  Zusammengehörigkeit  beider  Kasus  und 
die  aktive  Bedeutung  auch  'des  zweiten  Supinums  nachgewiesen  worden 
ist;  vgl. 

J.  Golling,  Das  zweite  Supinum  ein  Verbalsubstantiv  im  Ablativ. 
Gymnasium  1886,  S.  665  ff. 

Indem  ich  zu  den  gener a  verbi  übergehe,  sind  zunächst  zwei 
gleichzeitige ,  aber  grundverschiedene  Arbeiten  über  das  rätselhafte 
passivisch-deponentiale  r  zu  nennen: 

H.  Zimmer,  Keltische  Studien.  8.  Über  das  italo  -  keltische 
Passi\Tini  und  Deponens.  Kuhns  Zeitschr.  f.  vgl.  Sprachf.  Bd.  XXX, 
S.  224—289;  Nachtrag  bis  292. 

Zimmer  geht  aus  von  dem  in  der  Deklination  vorkommenden 
Wechsel  von  Stämmen  auf  -r,  -rt  im  Auslaut  mit  solchen  auf  -n,  -nt 
vor  weiter  antretenden  flexi  vischen  Suffixen:  so  konstruiert  er  idg. 
bhervr.  Gen.  bhrvnt-ös  (so  schreibt  er)  die  Quelle;  vadar,  Gen.  udn-ös 
das  "Wasser,  gr.  Goax- =  *udnt-;  ind.  jäkrt,  Gen.  jaknäs  die  Leber,  gr. 
v^-aT-  =  *jeknt-  (s.  ob.  Johanssen,  Pedersen).  Ähnliches  findet  sich 
in  der  Konjugation  (S.  232)  z.  B.  idg.  3.  pl.  praes.  ind.  act.  bheronti 
„sie  tragen"  neben  zusammengesetzten  pro-bheror;  ednti  „sie  essen" 
neben  pro-eds;  snti  „sie  sind"  neben  -sr;  daher  3.  pl.  aor.  ind.  act, 
e-deik-sr;  andrerseits  3.  pl,  perf,  ind.  act.  se-sd-r  neben  der  3.  sg.  se- 
sode  von  sed  „sitzen".  Fürs  Italische,  speziell  Lateinische,  wird 
daraus  Folgendes  abgeleitet  (S.  274  flf.):  es  gab  eine  3.  pl.  praes.  ind. 
act.  ^fjro-veh-or,  daraus  *pro-veh-ur,  Kouj.  *pro-vehär;  ebenso  *com-edur 
(mit  ur  -r);  Aor.  *deixur,  auch  Konj.;  Perf.  *dedur,  *(fe)facur  neben 
*fecur.  Aus  der  Bedeutung  „sie  fahren"  entstand  „man  fährt",  dann 
„es  wird  gefahren".  So  bildete  sich  aus  Mischung  von  vehit  und  *vehur 
die  Form  vebitur,  woraus  dann  weiter,  nach  Analogie  von  vehit:  vehunt, 
abgeleitet  wurde  vehuntur.  Aus  diesen  Formen  abstrahierte  man  dann 
ein  passivisches  Suffix  -ur.  Durch  Ausgleichung  des  activen  *vehur  mit 
dem  passiven  vehuntur  entstand  weiter  als  spezifisch  lateinische  (nicht 
tialische)  Bildung  das  Deponens  z,  B.  sequuntur.    Im  Aor.  (lat.  Perf. 


Formenlehre.    Konjugation.    (Deecke.)  169 

auf-si)  mischten  sich  *deixur,  *dedur  mit  der  Neubildung  Cnach  dem  Präsens) 
*deixont,  *dedont  (oder  -unt);  und  so  entstanden  deixuront,  dedront  (auch 
*dedrent?),  daraus  die  verschiedenen  bekannten  Formen  (!).  Die  2.  sg.  praes. 
vehere  ist  eigentlich  aktiv  =  *vehesi;  nach  Analogie  von  vehis  bildete 
sich  dann  veheris;  die  medial-passivische  Form  war  ui-sprünglich  *vehero 
ans  *veheso,  daraus,  nach  vehis,  *vehesos;  s.  utarus,  spatiarus.  —  Es  ist 
dies  eine  Häufung  geistreicher  Unwahrscheinlichkeiten  mit  stärkstem 
Mifsbrauch  der  Analogie.  —  Anders: 

Ernst  Windisch,  Über  die  Verbalformen  mit  dem  Charakter  r 

im  Arischen,  Italischen  und  Keltischen.   Abhandlung,  d.  Philol.-Histor. 

Klasse  d.  Köuigl.  Sachs.  Gesellsch.  d.  Wissensch.  Bd.  X,  Leipzig  1887, 

66  S.     8. 

Hierher  gehört  die  Erklärung  von  agitur  aus  *ageto  ^=  gr.  TJ-fexo  -f- 
r;  von  aguntur  =  *agonto  =  gr.  yj-Yovto  H-  r;  ebenso  deponential  sequitur, 
sequuntur.  Das  r  wurde  dann  auf  aktive  Formen  übertragen:  ago-r, 
agimu(s)-r;  die  2.  sg.  age-re  ist  eigentlich  Imperativ  ==  *age-so,  *age- 
ro;  aus  *age-ro  +  dem  aktiven  -is  entstand  einerseits  mit  Verlust  des  o: 
ageris,  andrerseits  mit  Verlust  des  i :  utarus,  figarus,  spatiarus.  Durch  An- 
hängung des  r  bildete  sich  ferner  agere(m)-r  u.  s.  v^. ;  2.  sg.  mit  dem  aktiven 
-is:  *ageres-r-is  ^  agereris  u.  s.  w.  Im  Infinitiv  agie-r  bleibt  das  ie 
unerklärt.  —  Die  3.  pl.  perf.  ind.  act.  auf  -re  gehört  zum  Ind.  medialen 
-re,  -ii'e  (neben  akt.  -ur).  —  Auch  hier  ist  das  meiste  unhaltbar  z.  B. 
die  Mengung  primärer  und  sekundärer,  aktiver  und  medialer  Endungen. 
E,.   S.  Conway,  The  Origin  of  the  Latin  Passive,  illustrated  by 

a  recently  discovered  Inscription.  Proceed.  of  the  Cambr.  Philol.  Soc. 

1890,  4.  Dec;  p.  16  if. 

Mediale  Endungen  im  Aktiv  findet  auch: 

J.  Speyer,  Observations  de  grammaire  latine:  1.  desiuences  moy- 
ennes  conservees  dans  le  verbe  latin.  —  2.  -tis.  —  3.  tendisti. 
M6m.  d.  1.  Soc.  d.  Lingu.  V,  185  ff. 

1.  I.  sg.  pf.  act.  -i  (-ei)  =  ind.  -e;  2.  sg.  imperat.  pass.  u.  dep. 
-re  =^  gr. -cjo ;  s.  zu  ersterem  revertor:  -ti;  assentior:  -si.  2.  -iis  Dualis 
^  ind.  -thas,  got.  -ts;  nach  Osthoff.  Ztschr.  f.  d.  östr.  Gy.  1880, 
S.  70:  agitis  zu  agis,  wie  agite  zu  age. 

Zu  der  Lehre  von  den  Deponentien  lieferte  einen  Beitrag: 

J.  Bodiss,  de  forma  et  natura  verborum  deponentium.   Budapest 

1891,  48  S.  8. 

Vgl.  die  , Erläuterungen  zu  meiner  Lat.  Schulgr."     S.  79. 
Die  Konjugation  einzelner  Verbalgruppen  oder  einzelner  Verba, 
besonders  unregelmäfsiger,  hat  auch  verschiedene  Bearbeiter  gefunden. 


170  Lateinische  Grammatik.    (Deecke). 

F.  Fröhde,  Zur  griechischen  und  lateinischen  Konjugation. 
Bezzenb.  Beitr.  z.  Kunde  d.  idg.  Spr.  Bd   IX,  S.  107—126. 

Es  sind  hier  unter  anderen  die  Verba  der  1.  Konj.  mit  -ui,  -itum 
behandelt:  sie  sind  keine  Denominativa ,  sondern  domare  z.  B.  ist  = 
SafiaCetv,  s.  ind.  damäjäti;  es  verhält  sich  zu  SafivTjfit,  wie  spernere  zu 
äspernari;  das  i  in  domitus,  -tor  ist  aus  a  entstanden,  s.  gr.  aSaixato?, 
7:avoa[xaT(üp;  ähnlich  ist  es  mit  cubare  neben  cumbere  ^  *cub-nere;  zu 
secare  (Sup.,  mit  elidiertem  1:  sectum)  vgl.  den  ind.  Aor.  aööhäm. 
"Weniger  sicher  ist  der  nicht  denominative  Ursprung  für  sonare,  tonare, 
s.  sonus,  Tovoc,  andrerseits  arch.  sonere,  tonere.  —  Auf  ein  *olemi 
neben  (uXe-ja,  oXe-(a)a)  geht  ab-oleö  zurück:  reminiscor  ist  =  re-raena- 
scor;  s.  [JH[jLVT](JXü>  =  *[xi|xev(i-!jx(u  (!). 

O.  J.  Fehrnborg,  de  verbis  latinis  in  uo  divisas  desinentibus 
disputatio.     Stockholm  1889,  70  S.  8. 

Eine  Neubehandlung  eines  Teiles  der  Verba  auf  -uere,  nach 
K.  Paulis  älterer  Arbeit  (Stettin  1865).  Der  etwas  gezierte  und  doch  nicht 
exakte  Titel  (die  Verba  auf  -uo,  -uare  sind  unbeachtet  geblieben)  schliefst 
diejenigen  Verba  aus,  bei  denen  u  mit  einem  vorhergehenden  q  oder 
g  einen  Laut  bildet,  oder  als  v  zu  lesen  ist  z.  B.  sequi,  volvere.  Die  be- 
trachteten Verba  zerfallen  wieder  in  2  Gruppen:  ursprüngliche  und 
abgeleitete,  deren  erstere  wieder  in  5  Untergruppen  zerlegt  werden: 
1.  -uo  aus  *-euö  z.  B.  nuo  =  vsuw,  pluo  =  ttXeFu),  indem  eu  in  ou,  u,  u 
überging,  letzteres  nach  der  Regel  vocalis  a.  v.  corripitur.  Freilich 
zeigt  die  verschiedene  griechische  Formung  an,  dafs  auch  diese  Gruppe 
nicht  einheitlichen  Ursprungs  zu  sein  scheint.  —  2.  -uo  aus  *-üa^hö,  wie 
in  fluo,  struo.  Aber  auch  diese  sind  wieder  verschieden  gewesen,  wie 
die  romanischen  Weiterbildungen  zeigen ;  auch  confluges,  fluvius  u.  s.  w.  — 
3.  -uo  aus  -*üiö,  wie  suo,  spuo;  doch  liegt  eigentlich  -ieuiö  zugrunde,  wobei 
das  «"Ste  i  vielleicht  aus  Dissimilationsgründen  schwand.  —  .4  -nuo  in 
mi-nuo,  sternuo  aus  -neu-mi.  —  5.  Reste  von  Aoristen  (?),  wie  duam 
und  duim.  — 

Die  abgeleiteten  Verba  stammen  teils  von  m-,  teils  von  ew-Stämraen. 
—  Vgl.  die  „Erläuterungen  zu  meiner  lat.  Schulgr."  S.  215—21. 

Ed.  Wölfflin,  accerso.  arcesso;  accersio,  arcessio.  Arch.  f.  lat. 
Lexikogr.  VIII,  S.  279—287. 

Die  beiden  ersten  Formen  schwanken  von  Plautus  an,  daneben 
adcerso;  doch  ist  eine  neue  Untersuchung  der  Handschriften  nötig;  die 
älteste  Form  war  wohl  arcesso  -^  arcedere  facio ;  bei  Untergang  des  ar 
trat  die  Umwamilung  in  accerso  ein:  ja  schon  bei  Terenz  regelniäfsig 
ac(c)erso,  aus  dem  Scipionenkreise.  Die  ältere  Form  dagegen  bewahrten 
Kato,  Caec  Statins,  Kornificius,  Cäsar,  Cicero  (nach  den  besseren  Hand- 


Formenlelire.    Konjugation.    (Deecke.)  171 

Schriften);  auch  später  die  Gerichts-  und  Juristensprache.  Petronius  und 
die  Itala  haben  accerso.  Die  korrekte  Form  *  accesso,  den  Grammatikern 
unbekannt,  ist  in  den  Handschriften  nicht  selten.  —  Neben  dem  Perf. 
-ivi  begegnet  auch  -ii  und  kontrahiert  -i:  bei  den  Grammatikern  sowohl 
accersi,  als  arcessi;  accersit  Kurt.  III,  3,  2,  s.  Ter.  Andr.  515  accersitum. 
andrerseits  Inf.  arcessiri  Frontin.  1,  9,  3;  accersiri  in  der  Itala  u.  s.  w. ; 
spät  auch  Präs.  accersio. 

Vgl.  die  ,, Erläuterungen  zu  meiner  lat.  Schulgr."  S.  213,  wo  ich 
arcessere  ebenso  erkläre,  aber  accersere  auf  die  in  currere  steckende 
Wurzel  quers  zurückführe,  so  dafs  hier  zwei  Verba  verschiedenen 
Ursprungs  zusammengeflossen  sind. 

E.  Stange,  de  archaismis  Terentianis  I.  Progr.  Wehlau  1890, 
34  S.  8. 

Diese  erste  Abhandlung  behandelt  nur  die  archaischen  Formen  von 
esse  und  seinen  Kompositis  (auch  posse)  und  die  Infinitive  auf  -ier; 
alles  damals  noch  in  allgemeinem  Gebrauche,  bestätigt  durch  die  älteren 
Inschriften  und  Ciceros  Zeugnis.  S.  13  enthält  eine  Tabelle  über  sim 
u.  s.  w.  und  siem,  sies,  siet,  sient  (nie  siemus,  sietis),  wonach  auf  272 
klassische  Formen  80  archaische  kommen.  S.  21  hat  eine  ähnliche 
Tabelle  über  die  Infinitive  auf  -i  (341)  und  -ier  (39),  letzteres  fast 
stets  im  Versausgang.  —  Eine  zweite  Abhandlung  soll  die  dem  Terenz 
eigenen  Nomina,  Verba  u.  s.  w.  bebandeln. 

Eug.  Zimmermann,  Quaestionum  Plautinarum  et  Terentianarum 
Über  prior.  De  verbi  posse  formis  dissolutis.  Progr.  Lörrach  1889, 
24  S.  4. 

Es  handeln :  §  1  de  potis  et  pote  apud  Plautum,  und  zwar  a.  mit 
esse,  b.  ohne  esse;  §  2.  Dasselbe  für  Terenz.  Der  Verfasser  bringt 
etwa  1000  Fälle  bei,  aus  denen  sich  ergiebt,  dafs  weder  zwischen  beiden 
Dichtern,  noch  zwischen  den  losen  und  den  zusammengezogenen  Formen 
ein  Unterschied  des  Gebrauches  oder  des  Sinnes  stattfindet;  durchweg 
scheinen  metrische  Gründe  zu  entscheiden.  Doch  finden  sich  nie  potis 
(pote)  esse,  potis  (pote)  esset,  wohl  aber  potisse,  potisset,  auch  potissit 
(in  einem  AVort);  zu  beachten  sind  auch  potine,  potin?  neben  potin  es, 
potin  est.    Die  gewöhnlichen  Formen  sind  potis  es,  -est,  -sunt,  -sim,  -sis. 

J.  S.  Speyer,  Observationes  et  emendationes.  Groningen  1891, 
79  S.  gr.  8. 

Hierher  gehört  das  erste  Kapitel  (S.  1 — 13)  über  die  Doppel- 
formen von  edo.  Es  wird  nachgewiesen,  dafs  noch  in  der  klassischen 
und  silbernen  Latinität  die  kurzen  Formen  mit  es-  die  allein  üblichen 
gewesen;  edim,  edis  u.  s.  w.  waren  damals  Konjunktiv.    Erst  gegen  Ende 


172  Lateinische  Grammatik.     (Deecke.) 

des  1.  Jabrb.  u.  Ch.  entstand  der  neue  Konj.  edam,  edas  u.  s.  w.  nach 
Analogie  (doch  schon  bei  Ovid!);  dann  die  Indikativformen  edis,  edit, 
editis;  Inf.  edere;  Imper.  ede,  edite;  Imperf.  Konj.  ederem  u.  s.  w.  Das 
e  in  den  Formen  mit  es-  soll  kurz  gewesen  sein,  gegen  die  Grammatiker. 

Ehe  ich  zur  Wortbildungslehre  übergehe,  will  ich  die  wenigen 
semasiologisehen  Schriften,  die  inzwischen  erschienen  sind,  einschieben. 
Dabei  ist  zuerst  anzuführen  der  schon  oben  erwähnte  zuletzt  erschienene 
zweite  Teil  von  Reisig-Haase,  bearbeitet  von  Fr.  Heerdegen, 
Berlin,  Calvary,  1888—1890,  154  S.  8. 

Davon  enthalten  S.  1 — 38  den  älteren  düi'ftigen  Text  mit  Noten 
Heerdegens,  die  eine  klarere  Fassung  des  Begriffs  einer  objektiv- 
wissenschaftlichen Bedeutungslehre  zu  geben  versuchen.  Es  folgen 
S.  39 — 154  die  von  dem  Uberarbeiter  ganz  neu  geschaffenen  „Grund- 
züge der  Bedeutungslehre".  Sie  enthalten  zunächst  eine  vorbereitende 
Einleitung  (bis  S.  55).  Die  Grammatik  zerfällt  danach  in  4  Teile: 
Etymologie,  Flexionslehre,  Semasiologie  (Bedeutungslehre)  und  Syntax. 
Die  Aufgabe  der  Semasiologie  ist,  „die  in  der  Entwickelung  der  einzelnen 
Wortbedeutungen  herrschenden  Analogieen  festzustellen".  Sie  hat 
2  Grundprinzipien:  Translation  (Metapher,  Association)  und  Deter- 
mination (Spezialisierung).  Beispiel  für  die  erstere  ist  z.  B.  fingere 
kneten  —  erdichten;  für  die  zw^eite:  hostis  Fremder  —  Feind.  —  Es 
folgt  der  1.  Allgemeinere  Teil  (bis  S.  116),  der  als  drittes  Prinzip 
die  Substitution  (abhängiger  oder  bedingter  Bedeutungswandel)  hin- 
zufügt z.  B.  dicere  anzeigen  für  orare  reden.  Die  3  Prinzipien  werden 
dann  in  ihren  Unterarten  und  Modifikationen  dargelegt  und  die  richtige 
Methode  ihrer  Anwendung  gesucht.  Es  ergeben  sich  die  logischen 
Vorfragen  nach  Bedeutungsumfang  und  Bedeutungswechsel,  wie 
fides  Treue  und  Glauben;  malum  Übel,  dann  Schläge;  ferner  nach  der 
Verwendung,  besonders  in  ablassendem  oder  abstumpfendem  Sinne, 
wie  bei  vivere  =  esse;  magnopere  =  sehr.  Der  besondere  Teil  (bis 
S.  154)  behandelt  den  formalen  und  modalen  Bedeutungswechsel  und 
führt  die  Prinzipien  durch  Beispiele  breiter  aus;  s.  oben  und  z.  B.  noch 
magistratus  „Amt",  dann  „Beamter".  Doch  ist  das  Material  gering, 
da    das  Lateinische   gerade    an  semasiologischer  Entwickelung  arm  ist. 

Eine  Weiterbildung  der  Semasiologie  ist  versucht  in: 

Oskar  Hey,  Semasiologische  Studien.  Abdruck  aus  dem  18.  Spl.- 
Bande  der  Jahib.  für  klass.  Philol.  S.  83  —  212.  Leipzig,  Teubuer 
1891. 

Der  Verfasser  fügt  den  3  Grundprinzipien  Heerdegens  als  Abart 
der  Determination  die  Bedeutungsdifferenzierung  hinzu  und 
möchte  statt  der  Substitution  die  Bedeutungserweiterung  oder  Ver- 


Semasiologie.    (Deecke.)  173 

allgemeinenuig-  als  weiter  reichend  einsetzen.  Es  müfsten  dann,  nm  die 
Wissenschaft  zu  vollenden,  für  jeden  Bedeutungswechsel,  jede  Bedentungs- 
modiftkation  die  Gründe  und  Ursachen  nachgewiesen  werden,  und  dies 
könne  nur  mit  Hilfe  der  historischen  Methode  durch  eine  prag- 
matische Greschichte  jedes  einzelnen  Wortes  geschehen.  Dabei  sind  zu 
unterscheiden:  das  objektive  Element,  welches  den  stofflichen  Anstofs 
zur  Um-  und  Ausbildung  des  Objekts  des  Begriffes  ermittelt,  und  das 
subjektive  Element,  welches  die  psychologischen,  allgemein  gültigen 
Analogieen  für  jene  Begriffsänderungen  selbst  aufweist.  Zu  betrachten 
ist  dann  auch  noch  die  besondere  Art  des  Zusammenwirkens  beider 
Elemente,  Vernachlässigt  scheint  hier  als  drittes  Element  das  persön- 
liche, die  schöpferische  Thätigkeit,  die  Laune,  das  Wagnis  des  einzelnen 
Schriftstellers  oder  Dichters,  dessen  Einfall  oder  Neuerung  nicht  selten 
von  der  späteren  Litteratur  rezipiert  wird.  In  Übereinstimmung  mit 
Heerdegen  zeigt  Hey  dann,  dafs  die  semasiologische  Entfaltung  der 
römischen  Litteratur-  und  Volkssprache,  und  besonders  die  Entwickelung 
der  Differenzierungen,  eine  sehr  geringe  und  ärmliche  gewesen  ist,  und 
zwar  infolge  der  allgemeinen  geschichtlichen  und  kulturellen  Zustände 
der  Römer,  Die  Bedeutungsdifferenzierungen  sind  demnach  nur  spärlich, 
wie  gnatus :  natus;  Juventus  — juventa;  noxia  —  noxa  (?).  —  Freilich  ist 
auch  die  Sammlung  des  Materials  bisher  noch  eine  geringe,  und  nähere 
Erforschung  der  Sprache,  namentlich  in  den  Gebieten,  in  denen  das 
geistige  Leben  der  Eömer  sich  vor  allem  bewegte,  wie  Krieg,  Staats- 
und Rechtsleben  (trotz  alles  Konservatismus),  Beredsamkeit  u.  s.  w., 
wird  ohne  Zweifel  noch  reicheren  Stoff  zuführen. 

Abseit  stehen  die  Untersuchungen  von: 

Volk  mar  Hölzer,  Beiträge  zu  einer  Theorie  der  lateinischen 
Semasiologie.  Berlin,  Calvary  u.  Cie.  1889.  194  S.  8.  (Aus  den 
Berliner  Studien  f.  klass.  Philol.  n.  Ai'chäol,    Bd.  VI,  Hft.  3). 

Hölzer  schliefst  sich  an  den  eigentlichen  Begründer  der  Sema- 
siologie Nägelsbach,  von  dem  als  Lehrer  allerdings  auch  Heerdegen 
ausgegangen  ist,  an,  und  bestimmt,  in  Erweiterung  und  Vertiefung  der 
Auffassung  jenes,  die  Semasiologie  als  „die  Wissenschaft  der  Ent- 
wickelung der  Wortbedeutung,  welche  darzulegen  hat,  welche  Vor- 
steUungsreihen  das  römische  Volk  im  Laufe  seiner  geschichtlichen  Ent- 
wickelung, besonders  in  der  Blütezeit  seiner  Litteratur,  erworben,  in 
seiner  Sprache  niedergelegt  und  vermöge  der  ihr  eigenen  inneren  Form 
in  Worten  ausgedrückt  hat".  Die  Betrachtung  der  inneren  Sprachform 
wird  dann,  im  Anschlufs  an  W.  v.  Humboldt  und  H.  Steinthal,  weiter- 
geführt und  an  einem  Kapitel  des  Kornelius  Nepos  wie  an  einem  deut- 
schen Geschichtstext    gezeigt,    wie  man   die  darin  vorkommenden  Vor- 


174  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

Stellungsreihen  herauslösen,  ordnen  und  mit  einander  vergleichen  kann, 
so  dals  für  die  Übersetzung  die  richtige  Wortwahl  getroffen  werden  kann. 
Diese  Untersuchung,  schwierig  und  etwas  umständlich,  ist  fein  durch- 
geführt und  giebt  immerhin  interessante  Ergebnisse.  Diese  Ergebnisse 
werden  dann  an  den  10  ersten  vitae  des  Nepos  weiter  erprobt  und  daran 
Yorschläge  praktischer  Art  für  das  Vokabellernen  und  die  Lexikographie 
geknüpft.  Es  öffnet  sich  so  ein  weites,  ja  fast  unermefsliches  neues 
Arbeitsfeld,  auf  dem  endgültige  Resultate  erst  nach  Durcharbeitung  der 
ganzen  bedeutenderen  römischen  Litteratur,  von  dem  angegebenen  Ge- 
sichtspunkte aus,  gezogen  werden  können. 

Eine  Einzelprobe  semasiologischer  Bearbeitung  bietet: 

Ad.  Müller,  Curvus,  uncus  und  Komposita.  Arch.  f.  lat.  Lexi- 
kogi-.  III,  S.  117—130;  236—250  (auch  als  Progr.  Flensburg  1886, 
38  S.). 

Der  Verfasser  giebt  erst  die  für  curvus  versuchten  Etymolo- 
gieen,  das  am  ehesten  mit  Cucurbita,  gr.  xupßetc,  xupxo?,  got.  hvairban 
„drehen"  verwandt  scheint,  bestimmt  danach  die  Grundbedeutung 
„gekrümmt",  bespricht  sein  spärliches  Vorkommen  in  der  klassischen 
Prosa,  die  das  abgeleitete  curvatus  vorzieht,  ausgenommen  die  Fach- 
schriftsteller  für  Baukunst  u.  s.  w.,  und  geht  dann  in  geordneter  Reihe 
die  Gegenstände  durch,  auf  die  es  sich  angewendet  findet:  landwirt- 
schaftliche Geräte,  Angurstab,  Musikinstrumente,  Waffen-,  dann:  Wasser, 
Meeresküste,  Schiff;  Gewächse,  Tiere,  Menschen  und  deren  Teile;  ferner: 
gewölbte  Flächen;  endlich,  in  übertragener  Bedeutung,  logische  und 
ethische  Verkrümmtheit.  Als  genauere  Bedeutung  ergiebt  sich  aus  dieser 
mannigfaltigen  Verwendung  diejenige  der  krummen  Linie  oder  Fläche, 
und  zwar  wesentlich  im  Schönheitssinne,  konvex,  wie  konkav.  Es  folgen 
die  spärlichen  und  seltenen  Komposita:  in-,  re-,  pro-,  subcurvus.  — 
In  derselben  Weise  wird  dann  das  in  jeder  Hinsicht  zurückstehende  uncus 
betrachtet,  verwandt  mit  Sl'(xü\o<;,  07x0c,  ahd.  angul,  ind.  aücärai  „ich 
krümme".  Wenn  es  auch  dichterisch  vielfach  mit  curvus  wechselt,  so 
wird  es  doch  im  besonderen  von  spitzig  gekrümmten,  hakigen  Dingen 
gebraucht,  wie:  Pflugschar,  Angelhaken,  Nase,  Krallen,  Hand,  Schnabel, 
Hauern,  Hörnern.  Komposita  sind  ad-,  red-,  obuncus,  ersteres  auch 
in  der  klassischen  Prosa.  —  Zu  vergleichen  ist  im  ersten  Jahrgange 
des  Archivs  (1884),  S.  329—343,  Ed.  Wolf f lins  Untersuchung  über 
das  begriffsverwandte  pandus. 

Ins  semasiologische  Gebiet  fällt  auch: 

Herrn.  Suchier,  Der  Untergang  der  geschlechtlosen  Substantiv- 
form.    Arch.  f.  lat.  Lexikogr.  III,  S.  161—7. 

Der  Verfasser   sucht   genauer  den  Verlauf  des  Prozesses  festzu- 


Semasiologie.    (Deecke.)  175 

stellen,  der  selbst  schon  in  den  dem  vorigen  Jahresbericht  ange- 
hörenden Schriften  von  Em.  Appel  De  genere  neutro  intereunte  in 
lingua  Latina  (Erlangen  1883)  und  W.  Meyer  Die  Schicksale  des  la- 
teinischen Neutrums  im  Romanischen,  dargelegt  worden  war.  Genauer 
handelt  es  sich  eigentlich  nicht  um  den  Untergang  des  Neutrums 
überhaupt,  sondern  vielmehr  um  den  Übergang  der  neutralen  Substan- 
tiva  zum  männlichen  oder  weiblichen  Geschlecht,  denn  die  neutralen 
Formen  der  Pronomina  und  der  Adjektiva  blieben  im  Singular  erhalten, 
um  auch  fernerhin  auf  nicht  substantivisch  ausgedrückte  Begriffe  be- 
zogen zu  werden.  Nur  im  Plural  verschwand  das  Neutrum  gänzlich.  — 
Schon  vorlitterarisch  hatten  die  neutralen  Adjektivformen  auf  c,  t,  d, 
p,  b  durch  Annahme  des  nominativischen  s  sich  im  Nom.  (Vok.)  Sg.  den 
kommunen  (eig.  männlichen)  Formen  angeschlossen.  Die  weitere  Ent- 
wickelung  beruht  nicht,  wie  Appel  meinte,  auf  einem  Werke  der  Phan- 
tasie, wie  die  ursprüngliche  indogermanische  geschlechtliche  Personifi- 
kation, sondern  nur  in  veränderten  Associationen :  entweder  schlofs  sich 
das  betreffende  Wort  in  seinem  Geschlecht  d.  h.  in  seiner  Kongruenz 
an  solche  an,  mit  denen  es  begrifflich  associiert  war,  oder  an  solche,  an 
die  es  durch  seine  Lautform  erinnerte.  —  Zuerst  nun  fielen,  infolge  Ver- 
stnmmens  des  auslautenden  s  und  m,  die  Neutra  der  2.  Dekl.  im  Sin- 
gular ganz  mit  den  Maskulinen  zusammen,  s.  vulgär  schon  bei  Petronius 
fatus,  vinus  (auch  unter  Einflufs  des  Griechischen?  s.  ttotijlo?,  oIvo?!);  an 
die  Neutra  der  2.  Dekl.  schlössen  sich  diejenigen  der  4.  Dekl.  —  Im 
Plural  blieben  die  durch  häufige  Anwendung  dem  Sprachgefühl  fest  ein- 
geprägten Formen  erhalten,  wie  folia,  fata,  cornua;  die  infolge  seltneren 
Gebrauchs  verdunkelten  aber  schlössen  sich  an  die  Maskulina  an,  z.  B. 
PI.  N.  tecti,  Acc.  tectos,  —  In  der  3.  Dekl.  waren  an  die  Stelle  der 
alten  Nominative  Sg.,  wie  antistes,  princeps,  durch  Vermittelung  des 
Akkusativs  neue  getreten,  wie  antistite(m)-s ,  principe(m)-s,  und  dieses 
s  trat,  wie  bei  den  Adjektiven,  auch  an  die  Neutra,  wie  rete-s,  mare-s, 
nome(n)-s.  —  Die  Neutra  auf  -us  richteten  sich  nach  den  Adjektiven 
auf  -US,  z.  B.  tempus  bonus;  von  Einflufs  war  auch  der  Gebrauch  des 
Ablativs  als  Akkusativ,  z.  B.  per  multo  tempore  C.  I.  L.  X,  3344. 
—  Endlich  unterlagen  in  manchen  Gebieten,  wie  die  romanischen  Sprachen 
derselben  zeigen,  auch  die  a-Plurale,  während  sie  in  anderen  sogar  neue 
Singulare  bildeten.  —  In  Italien  dauernd,  in  Frankreich  vorübergehend, 
erhielten  die  neutralen  a-Plurale  das  s  der  weiblichen,  z.  B.  folias,  mira- 
bilias,  und  es  wurden  aus  ihnen  dann  neue  weibliche  Singulare  auf  -a 
gebildet:  folia,  mirabilia  u.  s.  w.;  einige  blieben  pluralia  tantum,  wie 
fian^ailles.  —  Zu  untersuchen  wäre  noch,  bei  der  verschiedenen  Ent- 
wickelung  in  verschiedenen  Ländern,  der  etwaige  Einflufs  der  einheimi- 
schen Sprachen. 


176  Lateinische  Grammatik.    (Deecke). 

Eine  verwandte  Untersuchung  ist: 

A.  "Weinhold,  Der  Genuswechsel  der  Derainutiva.    Arch.  f.  hit. 
Lexik.  IV,  S.  169-188. 

Bekanntlich  sollen  der  Regel  nach  die  Deminutiva  im  Latein, 
abweichend  vom  Griechischen  und  Deutschen,  das  Genus  der  Primitiva 
haben  —  aber  es  giebt  Ausnahmen.  Der  Umfang  dieser  Erscheinung 
läfst  sich  nicht  genau  bestimmen,  da  die  Deminutivbildung  wesentlich 
vulgär  ist  und  die  vulgäre  Sprache  nur  in  beschränktem  Umfange  über- 
liefert ist.  Zu  einem  wirklichen  Deminutiv  nun  gehören  3  Bedingungen: 
1.  dafs  der  primitive  N'ominalstamm  nachweisbar  ist;  2.  dafs  die 
Verringerung  in  der  Bedeutung  ei'kennbar  ist:  3.  das  Deminutiv- 
suffix. Es  giebt  ferner  Deminutiva  1.  und-  2.  Grades.  Suffixe  des 
1.  Grades  sind  -la  (richtiger  -lo/e,  wbl.  -lä)  und  -ca  (richtiger  -co/e, 
-cä).  Vor  -la  wird  der  Stammvokal  der  2.  u.  1.  Dekl.  zu  o,  nach 
Konsonanten  zu  u  z.  ß.  fillolus,  -la;  hortulus,  sportula;  bei  -ro, 
-lo,  -no,  -na  tritt  Synkope  und  Assimilation  ein  z.  B.  coröna:  coröl-la; 
nicht  bei  -ra  z.  B.  ära:  ärula;  bei  -inus,  -ina  ist  das  ursprüngliche  e  be- 
wahrt z.  B.  asinus:  asellus;  bei  den  Nominativen  auf  -er  tritt  das  Suffix 
an  diese:  ager:  agellus;  puer:  puellus;  bei  Konsonant  -f  ro-  wird  ein 
6  (vokalisierter  Stiramlaut),  seltener  ein  i,  eingeschoben  z.  B.  labrum: 
labellum;  transtrum:  transtillum  (übrigens  ist  auch  das  e  in  agellus  -= 
*agr-lo-s  eigentlich  Stimmlaut).  Irrig  trennte  man  dann  -ulus,  -a,  -um 
als  Deminutivsuffix  ab  und  hängte  es  an  konsonantische  Stämme :  regulus, 
civitatula;  von  der  4.  Deklin.  bildete  man  erst  später  Deminutiva  auf 
-u-lus  u.  s.  w.;  in  der  3.  Dekl.  entstand  aus  -on  -lus:  -ullus  z.  B.  homullus. 
Die  meisten  Stämme  der  3.  aber,  und  regelmäfsig  diejenigen  der  4.  u. 
5.  Dekl.,  haben  das  zusammengesetzte  Suffix  -adus,  -a,  -um,  bei  kon- 
sonantischen Stämmen  an  den  Nominativ  gehängt:  api-cula,  vulpe-cula 
(gemischt  clavlcula);  sucula;  uxorcula,  passerculus,  flösculus,  corpusculura; 
diöcula;  das  -u  der  4.  Dekl.  schwächt  sich  zu  -i:  versiculus;  das  o  von 
-on  der  3.  Dekl.  wird  u  z.  B.  homunculus.  Selten  sind  Deminutiva  auf 
blofses  -cus,  -a,  -um,  und  dann  nicht  mehr  als  solche  empfunden  z.  B. 
nover-ca  (?).  —  Übergangen  sind  Bildungen  wie  homuncio.  —  Auf 
ältere  Formen  des  Primitivs,  wieder  mit  Synkope  des  Stammauslauts 
und  einem  Stimmlaut  i,  gehen  Bildungen  zurück  wie:  axilla  zu  äla  ^^ 
*axla;  vexillum  zu  velum  —-  *vexlum,  '^veh-slum  u.  s.  w.  —  Manche 
Deminutiva  haben  als  Kosenamen  das  Primitiv  ganz  ersetzt  z.  B.  in 
pueri  et  pufllae.  —  Deminutiva  2.  Grades  sind  z.  B.  agnellus  ^  *agnu- 
lulus;  pocillum  (?,  s.  unten!);  ja  noch  weiter  abgeleitet  sind  cistellula 
(PI.  Rud.  391),  spät  agnicellulus  aa.  —  Keine  Deminutiva  sind  die 
Wörter  auf  -nleus,    die    adjektivische  Gleichartigkeit  ausdrücken  (V,  s. 


Semasiologie.    Wortbildung.     (Deecke.)  177 

acnleus);  auf  -asfer,  das  instrumental  ist  ('?,  eher  peggiorativ) ;  -äceus, 
(rein  adjektivisch),  -edula,  das  keine  Grundform  hat  (doch  s.  oben  -edö, 
-üdö  von  Tliieren !).  Auch  sind  die  Deminutiva  nicht  zu  verwechseln 
mit  den  Instrumentalia  auf  -ulum  (?),  -culum,  -bulum  u,  s.w.;  spät 
stehen  nebeneinander  indiculus  (dem.)  und  indiculum  (instr.).  Auf  Ver- 
raengung:  scheinen  die  isolierten  Bildungen  wie  cunabula,  naustibulum  (?) 
zu  beruhen.  Auch  anguilla,  ungula  u.  s.  w.  sind  keine  Deminutiva,  wie 
die  verwandten  Sprachen  zeigen ;  doch  sind  sie  an  dieselben  in  der  Torrn 
angelehnt.  Wo  nun  das  Geschlecht  der  Deminutiva  abweicht,  liegt 
immer  ein  bestimmter  Grund  vor:  1.  Das  Deminutiv  hat  das  ur- 
sprüngliche Geschlecht  bewahrt  z.  B.  calculus,  cultellum.  —  2.  Das 
Geschlecht  des  Primitivs  schwankt  z.  B.  canalicula,  diecula.  —  3.  Die 
Bedeutung  hat  gewechselt  z.  B.  digitellum  Hauswurz;  geniculus  Rohr- 
knie. —  4.  Das  Deminutiv  ist  persönlicher  Beiname  z.  B.  Corculus, 
Ocella.  —  5.  Das  Deminutiv  hat  doppeltes  Geschlecht  z.  B.  avicellus, 
-IIa.  —  6.  Es  sind  Pflanzennamen,  bei  denen  auch  im  Primitiv  schon 
oft  das  Geshhlecht  schwankt  z.  B.  betaculus,  fabulus.  —  7.  Einflufs 
eines  begriffsverwandten  Substantivs  z.  B.  agellum  (nach  rus,  praedium). 
—  8.  Analogiebildungen  z.  B.  morsiuncula,  accentiuncula.  —  9.  Ver- 
einzelte Bildungen,  wie  arbusculus  und  -um  (s.  arbustum);  cerebellus; 
corpusculus  u.  s.  w.  —  10.  Zweifelhafte  Überlieferung.  —  Im  ganzen 
also  ist  die  Zahl  gering  und  die  Abweichung  durchweg  erklärbar,  so 
dafs  die  Regel  bestehen  bleibt. 

W.  M.  Lindsa3%    diminutives  in    -culus.     Class.  Rev.  VI,  87  ff. 
E.  Hauler,  grandiusculus,  -diculus.   Arch.  f.  lat.  Lexik.  V,  293  f. 
Indem  ich  zur  Betrachtung   einzelner  Wortbildungssuffixe 
übergehe,  ei'wähne  ich  zuerst: 

R.  Fisch,  Die  lateinischen  nomina  persoualia  auf  -o,  -onis.  Ein 
Beitrag  zur  Kenntnis  des  Vulgärlateins.  Berlin,  Gärtner,  1890, 
198  S.  8. 

Der  Verfasser  hatte  das  gleiche  Thema  schon  teilweise  und 
kürzer  zweimal  behandelt:  genetisch  im  Osterprogramm  des  Andreas- 
gymnasiums zu  Berlin  1888,  30  S.  4,  und  lexikalisch  im  Arch.  f.  lat. 
LexikogT,  V,  S.  56 — 88.  In  obiger  gröfserer  Arbeit  giebt  er  das  ge- 
sammte,  von  ihm  gesammelte  Material  in  10  Abschnitten,  mit  er- 
weiterten Resultaten.  Und  zwar  erörtert  er  zuerst  die  Begriffskreise, 
innerhalb  deren  die  Wörter  obiger  Bildung  begegnen;  dann:  das  Ver- 
hältnis der  Litterat ur  zu  ihnen;  die  Kennzeichen  ihres  Wertes  durch 
verschiedene  Accessorien:  die  Glossen;  die  archaischen  Wörter;  die 
Eigennamen;  hierauf:  Ableitung  und  Bedeutung,  sowie  Ursprung  des 
Suffixes,  mit  einigen  Erläuterungen  aus  der  vergleichenden  Grammatik 
Jahresbericht  für  AJtertumswissenschaft.    LXXVII.  Bd.  (1893.  III.)      12 


178  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

und  Beiträgen  zu  seiner  richtigen  Würdigung;  endlich  das  Gesamt- 
resultat mit  Sach-  und  "Wortregister.  Dies  Resultat,  wobei  ich  das 
zweifelhafte  saliarische  cusian  -=  curio  und  die  daran  geknüpften  unhalt- 
baren Folgerungen  weglasse,  ist  erstens,  dafs  das  Suffix  in  den  meisten 
Fällen  eine  Person  bezeichnet,  weit  seltener  Tiere,  Geräte  u.  dergl., 
wobei  aber  die  Metapher  bewiifst  bleibt;  zweitens,  dafs  die  nomina 
personalia  adjektivisch  sind,  von  Adjektiven,  Substantiven  und  Verben 
abgeleitet  werden  und  auch  als  Snbstantiva  generis  communis  bleiben, 
wenn  auch  das  masculiuum  das  Gewöhnliche  ist;  drittens,  dafs  sie 
vulgär  waren,  dem  sermo  plebejus,  servilis,  castrensis,  circensis,  rusticus 
vorzugsweise  eigen,  und  dafs,  v/enn  auch  einzelne  in  bonam  partem  gewendet 
wurden,  wie  eine  Reihe  älterer  Götternamen  zeigt,  doch  von  Anfang 
an  eine  Neigung  in  tnalam  partem  überwog.  Im  Verlaufe  der  Sprach- 
entwickelung wurde  das  Geschlecht  mehr  und  mehr  durch  "Weiter- 
bildungen deutlich  gemacht,  die  gute  Bedeutung  gewisser  "Wörter  durch 
allerlei  lautliche  Umgestaltungen  gewahrt  oder  die  betreffenden  "Wörter 
durch  andere  ersetst,  während  mit  dem  ursprünglichen  Suffix  sich  immer 
mehr  der  Begriff'  des  Lächerlichen,  Verächtlichen,  Gemeinen,  Niedrigen 
verband;  in  gutem  Sinne  trat  dafür  klassisch  -tor  ein.  "Während  der 
Volkswitz  das  on-Suffix  zu  Scherzbildungen  mancherlei  Art  verwendete, 
trat  es  klassisch  zurück,  brach  aber  später  wieder  neu  hervor  und  ver- 
lor dann  auch  das  Unfeine.  —  Die  schon  im  Altertum  deutlich  wahr- 
nehmbare, in  den  romanischen  Sprachen  durchgedrungene  augmentative 
Bedeutung  ist  nicht  genug  hervorgehoben.  —  Die  Schrift  ist  fleifsig, 
anregend,  aber  etwas  anspruchsvoll;  Sprachvergleichung  und  Etymologie 
sind  oft  zu  kühn  und  willkürlich.  —  Ähnliche  Untersuchungen  über 
andere  Suffixe  sind  wünschenswert. 

Zu  dem  Aufsatz  im  Archiv  hat  "W.  Meyer  Erläuterungen  gegeben, 
ebendort  V,  S.  223—233.  Er  hebt  hervor,  dafs  das  on-Suffix  ursprüng- 
lich substantivisch  personificierende  Ableitungen  von  Adjektiven  bildete, 
erst  später  von  anderen  Substantiven,  kaum  von  Verben:  combibo  geht 
eher  auf  ein  *combibus,  als  direkt  auf  combibere  zurück;  epulo  ist  eher 
von  epulum,  als  von  epulari  abzuleiten;  erro  von  errare  ist  dann  z.  B. 
eine  analogische  Bildung  u.  s.  w.  Schon  archaisch  erstarrten  jene  Ab- 
leitungen zu  Eigennamen.  Im  besonderen  wird  bemerkt:  1.  zu  den  von 
Adjektiven  abgeleiteten  Bildungen:  ob  alle  -ullus,  -ulla  als  Deminutiva 
^=  -*on-lus,  -""on-la  hierhergehören,  ist  recht  zweifelhaft:  auch  ist  wohl 
ein  Teil  der  Eigennamen  auf  -o  anderen  Ursprungs;  bei  Gleichstellung 
der  nomina  appellativa  und  propria  ist  Vorsicht  geboten.  —  2.  Unter 
den  von  Substantiven  abgeleiteten  Wörtern  auf  -ö(n)  ist  ein  Unter- 
schied zu  machen:  bucco  und  commilito  z.  B.  sind  innerlich  durchaus 
verschieden;    letzteres    ist  eigentlich  Rufform  (Eigennamengestalt);  das 


Wortbildung.    (Deecke.)  179 

einfache  milito  ist  erst  spiit.  Der  Unterschied  ferner  von  aleo  und 
aleator  ist  nicht  derjenige  von  vulgärer  und  klassischer  Form:  jenes 
bezeichnet  den  gerade  mit  der  alea  spielenden  Menschen,  dieses  die 
Idee  des  Spielers.  Perner  ist  centurio  wohl  erst  Abkürzung  von 
centurionus  (nicht  umgekehrt);  s.  curionus,  decuriocus,  colonus,  worin  das 
>>uffix  -onus  die  Zugehörigkeit  bezeichnet.  —  3.  Über  die  zweifelhaften 
Ableitungen  von  Verben  s.  oben.  —  4.  Das  Suffix  ist  ursprünglich 
nur  männlich,  die  weibliche  Form  dazu  war  vielleicht  ursprünglich 
-ana  (?);  erst  später  trat  der  kommune  Gebrauch  ein,  und  zuletzt  die 
Femininbildung  auf  -öna.  —  5.  handelt  von  dem  kombinierten  Suffix 
~iö(ii),  das  verschiedenen  Ursprungs  ist.  —  6 — 7.  beziehen  sich  anf 
die  romanischen  Sprachen.  —  S.  noch  Paucker  und  Pott  im 
Jahresber.  1883-84,  S.  171  u.  174  f. 

Zu  vergleichen  sind  auch  meine  Etruskischen  Forschungen  (III, 
377  u  VI,  16—18)  und  meine  Falisker  (S.  277  ff.),  besonders  für  die 
Verwendung  des  Suffixes  im  Eigennamen wesen. 

Ein  einzelnes  der  vulgären  Wörter  auf  -o:  fullo,  hat  Anlass  ge- 
geben zu  der  Schrift  des  erstgenannten  Verfassers: 

ß.  Fisch,  Die  Walker,  oder  Leben  und  Treiben  in  altrömischen 
Wäschereien.     Berlin,  Gärtner,  1891,  39  S.  8, 

Hierher  gehört  nur  der  Exkurs  über  „lautliche  Vorgänge  auf 
<lem  Gebiete  des  Vulgärlateins",  an  die  Etymologie  von  fullo  angeknüpft, 
das  wunderlicher  Weise  aus  *fulmino  entstanden  sein  soll,  ein  Scherz- 
name für  den  blankmachenden  Walker;  daher  auch  der  Leuchtkäfer  (!) 
fullo  heilst;  aber  der  vulgäre  Name  des  Walkers  war  nacca  (Fest.  166,  2). 
—  Die  an  jene  Vermutung  angeschlossenen  vulgären  Lautveränderungen 
sind  unhaltbar. 

Andere  Wortbildungssuffixe  sind  in  den  folgenden  Schriften 
behandelt: 

Fr.  Skutsch,  De  nominibus  Latinis,  suffixi  -no  ope  formatis, 
observationes  variae.  Habilitations -Dissertation,  Breslau,  1890, 
34  S.  8. 

Die  Arbeit  enthält,  wie  der  Titel  angiebt,  kein  systematisches 
<jranze,  sondern  5  einzelne  Untersuchungen,  die  nur  gewisse  schwierige, 
jenes  Suffix  betreffende  Fragen  behandeln:  1.  venenum  wird  auf  *  venes- 
iium  zurückgeführt  (vgl.  aenus  =  *aesnus)  als  „Liebeszauberraittel",  und 
dementsprechend  veneficus  nicht  auf  '"venenificus ,  sondern  auf  *venes- 
ficus  „Liebe  erweckend",  wie  gr.  Itts j-p6Xo? ;  doch  ist  der  Ausfall  des 
s  vor  f  bedenklich.  —  2.  Das  seltene  Suffix  -ünus  wird  durch  Dissi- 
milation aus  *-i-inus  erklärt  z.  B.  in  alienus,  Bellienus,  Nasidienus,  wie 
societas  neben  novitas,    hietare  für  *hi-itäre;    doch  ist  hier  wohl  e  das 

12* 


180  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

TJrsprüDgliclie,  und  der  Wechsel  zwischen  den  kurzen  Vokalen  ist 
leichter  erklärlich,  als  derjenige  zwischen  den  langen.  Dann  kommt 
für  die  Eigennamen  auch  das  etruskische  Suffix  -ena,  -enie(s)  in  Be- 
tracht. Das  vereinzelte  terrenus  soll  nach  aenus  gebildet  sein.  —  3. 
enthält  Beiträge  zu  den  Nominibus  auf  -inus,  angeblich  abgeleitet  von 
solchen  auf  -iön,  -ien,  in  der  Tiefstufe;  vielmehr  ist  festinus  (zuerst  bei 
Vergil,  s.  Serv.  Aen.  IX,  486)  erst  eine  Rückbildung  von  festinare  (schon 
bei  Plautus),  wie  necopinus  von  opinari.  —  4.  erörtert  das  Verhältnis 
der  Endungen  -i-tüdö  und  -ie-tä^  zu  einander,  indem  dort  eine  Stamm- 
form auf  -i,  hier  eine  auf  -io  als  Grundlage  angenommen  wird,  ersterea 
bedenklich,  s.  z.  B.  altitudo.  —  5.  bespricht  die  Adjektiva  auf  -gno-, 
-gino-,  -gneo-,  -gineo-,  deren  Suffix  nichts  mit  der  Wurzel  gen  , zeugen* 
zu  thun  hat;  vielmehr  liegen  Analogiebildungen  nach  ilig-nus,  larig-nus, 
salig-nus  vor.  —  Vgl.  Stolz  in  der  Berl.  Philol.  Woch.  1891,  S.  153 
ff.  u.  die  Entgegnungen  von  Skutsch  ebdt.  482  ff. 

Ich  schliefse  hieran: 

H.  Ron  seh,     Die    lateinischen  Substantlva  auf  -ina.  Zeitschr, 
f.  d.  österr.  Gymn.  Bd.  XXXVII  (1886),  S.  589  ff. 

Zum  Suffixe  -aster  (s.  Fr.  Seck  im  Jahresber.  f.  1883—4)  weist 
K.  Sittl  (Arch.  f.  lat.  Lexik.  VI,  509)  auf  eine  griechische  Glosse 
(Etymol.  Gud.  col.  14  Sturz)  at^aaxpto?-  rdl  «7010?  hin  (vulgär?). 

Eine  eingehende  Arbeit  ist: 

Olaf  Schönwerth,  Über  die  lateinischen  Adjektiva  auf  -ösus, 
ergänzt  von  K.  Weyman.  Arch.  f.  lat.  Lexik.  V,  192—222. 

Es  ist  diese  Untersuchung  eine  Erneuerung  und  Vertiefung  der 
Pauckerschen  Arbeit  (s.  Jahresb.  f.  1883—4,  S.  168—9);  doch  sind 
für  sie  von  den  dort  gesammelten  844  Beispielen  nur  etwa  200  benutzt 
worden.  Besprochen  wird  zuerst  die  Herkunft  und  Form:  -ösus  ist^ 
''-vant-io-s ,  älter  -önsus,  bisweilen  (seit  Ennius)  -ossus,  vulgär 
-unsus,  -USUS;  formonsus,  das  bis  in  die  christliche  Zeit  vorkommt,  soll 
dies  der  konservativen  Sprache  der  Liebenden  verdanken (!).  Die  Her- 
leitung ist  übrigens  irrig,  wie  Fr.  Stolz  ebdt.  V,  368  nach  Brugmann 
bemerkt,  der  -ösus  =  *-o-vent-to-s  oder  -*o-unt-to-s  ansetzt  (ss^ns). 
—  Was  dann  die  Ableitung  durch  das  Suffix  betrifft,  so  findet  die- 
selbe meist  von  Substantiven  statt  (bei  Cicero  fast  ausschHefslich), 
besonders  von  solchen  der  1  —  3.  Deklination,  auch  von  Abstrakten  auf 
-täs  (gegen  J'aucker);  von  einem  Plural  ist  abgeleitet  viriosus,  von 
Lehnwörtern  podagrosus  (schon  bei  Plautus),  machinosus  (Sueton)  aa. 
Manche  kommen  von  Adjektiven,  den  Begriff  verstärkend  oder  sonst 
nuancierend,  später  nur  als  Formverlängerung:  schon  Plautus  hat 
obnoxiosus,    Varro  bellicosus,    alsiosus   aa. ;    christlich  nimmt  die  Zahl 


Wortbüdang.   (Deecke.)  181 

dieser  Bildungen  sehr  zu.  Das  bei  Pacuv.  213  R.-  vorkommende 
imose  gehört  nicht  hierher,  sondern  ist  =^  un(i)vorse.  Von  Verben 
giebt  er  keine  sichern  Ableitungen :  des  Nigidius  bibosus  tadelt  Gellius 
(in,  12,  1)  scharf;  bei  Cic.  acad.  II,  143  ist  spinosissimi  statt  opin- 
zvL  lesen;  sonst  calcitrosus,  mordosus,  blandiosus.  —  Bei  der  Art  der 
Ableitung  sind  besonders  die  mannigfachen  Stammverkürzungen 
hervorzuheben :  facti(ön)5sus ;  clam(ör)ösus,  spät  vaporosus  (afrikanisch) ; 
dagegen  blieb  ö :  nemorosus,  litorosus,  bei  Cicero  nur  facinorosus  (oder 
-erosus?);  ferner  calamit(ät)ösus ,  aber  voluptuosus  (Quintil.)  aa. 
Andrerseits  findet  sich  Erweiterung  durch  i  und  u:  curiosus,  la- 
boriosus,  montuosus,  monstruosus  (neben  Formen  ohne  u).  In  Ver- 
bindung mit  anderen  Suffixen  z.  B.  febricosus  (Veget.  mulomed.  I,  38); 
formidulosus  (-dolosus)  seit  Nävius;  meticulosus  (Plautus),  somniculosus, 
siticulosus;  zweifelhaft  mit  -in-,  -it-,  -ig.  —  Die  Grundbedeutung 
des  Suffixes  ist  „reichliches  Vorhandensein";  daher  wird  es  von 
den  Grammatikern  meist  mit  plenus,  auch  multus,  magnus  umschrieben; 
es  wird  sowohl  lobend  wie  tadelnd  gebraucht;  Nigidius,  der  Ersteres 
leugnete,  wird  von  Gellius  (IV,  9)  \dderlegt.  Medizinisch  entspricht 
es  dem  gr.  -txo?,  s.  ob.  podagrosus;  selten  ist  es  aktiven  Sinnes  z.  B. 
formidolosus  (auch  passivisch),  invidiosus,  criminosus  (dergl.)  aa. ;  so 
berührt  es  sich  mit  -fer.  Ferner  drückt  es  das  Übermafs  einer  Eigen- 
schaft aus  =  gr.-co6rj?,  -eior^c,  auch  sekundär  ein  hervorragendes  Merk- 
mal, eine  Ähnlichkeit:  so  schon  Nävius  citrosus,  Plautus  aestuosa 
(mulier),  prodigiosus  aa.,  Terenz  cadaverosa  (facies).  —  Ableitungen 
finden  sich  auf  -ösitas  (Cicero),  -ösulus  (Varro,  Cicero,  aber  selten); 
vereinzelt  odiosicus  (Plautus  scherzhaft);  verbosare,  ventosare  (spät). 
Präpositionen  gehören  meist  schon  dem  Primitiv  an  z.  B.  confragosus 
(Plautus);  sonst  mit  negativem  in:  inofficiosus  (juristisch  bei  Cicero), 
importuosus  (Sallust),  später  häufiger,  eigentlich  einen  Widerspruch 
enthaltend. 

Ed.  Wölfflin,    Die  Adjektiva  auf  -icius.  Arch,  f.  lat.  Lexik. 
V,  S.  415-37. 

Auch  hier  lag  eine  Vorarbeit  Pauckers  vor  (Jahresber.  f. 
1883—4,  S.  169),  dessen  Sammlung  nur  etwa  20  neue  Beispiele  zuge- 
fügt sind.  Zu  unterscheiden  sind  zunächst:  -icius  von  -ix,  -icis,  wie 
meretricius,  nutricius,  obstetricius,  vereinzelt  apicius  von  apica;  posti- 
cius  von  posticus;  ferner  -icius  von  -ex,  -icis,  wie  carnuficius,  pontificius; 
von  -ica,  wie  fabricius,  sublicius;  vereinzelt  von  -icum:  triticius;  es 
sind  dies  nur  etwa  ein  Dutzend  gegen  mehr  als  200  echte  auf  -icius. 
Diese  sind  vulgär,  sehr  häufig  in  der  Komödie,  besonders  im  Plautus; 
sonst  selten:  bei  Cicero  nur  einige  wenige,    wie  tribunicius,  dediticius, 


Ig2  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

beim  Cäsar  im  bell.  Gall.  nur  letzteres.  Abgeleitet  sind  sie  1.  von 
part.  per  f.  auf  -icius,  älter  und  doppelt  so  reich  als  Gruppe  2,  in  der 
Komödie  schon  massenhaft,  einige  neue  bei  Kato,  Varro,  sonst  wenige 
(Sallust  advecticius;  Liv.  multaticius) ;  später  häutiger  bei  den  Juristen 
und  im  Kirchenlatein.  Verkürzt  ist  peticius  =  *petiticius;  analogisch 
novicius  (Plautus,  Terenz,  Juvenal).  —  2.  Denominativa  auf  -icius 
z.  B.  Ovid  sodalicius,  Pers.  natalicius  u.  s.  w.  —  Abgeleitet  sind  beide 
Arten  zuerst  von  o-  und  i-Stämmen,  dann  von  a-Stämmen  z.  B. 
lanisticius  (Petronius);  von  r-Stämmen  z.  B.  patricius  (seit  Plautus  — 
oder  von  *patrex?  s.  umbr.  fratrecs),  aa.  seit  Varro ;  isoliert  caespi- 
ticius  (script.  bist.  Aug,),  cinericius  (Cyprian,  Itala).  —  Die  Länge  des 
i  in  der  Gruppe  1.  ist  noch  unaufgeklärt  —  ob  aualogisch  nach  mere- 
tricius  u.  s.  w.?  (sicher  nicht!).  —  Die  Bedeutung  der  Gruppe  1.  ist 
diejenige  rechtlicher  Stellung,  und  zwar  passivisch,  mit  Ver- 
stärkung des  Participialbegriffs  z.  B.  dediticius;  bisweilen  =  -Ivus,  gr. 
-ixoc  Die  passive  Kraft  schwächt  sich  allmählich,  ja  es  entsteht  ver- 
einzelt sogar  aktive  Bedeutung,  wie  in  adveuticius.  Bisweilen  wird 
so  eine  aus  einmaliger  Handlung  resultierende  Eigenschaft  dadurch 
bezeichnet,  oft  speziell  gewendet.  Die  Gruppe  2.  hat  keine  passive 
Bedeutung  und  bezeichnet  die  Zugehörigkeit  nach  verschiedener 
Richtung  hin. 

Ich  verzeichne  ferner: 

A.  Prehn,  De  adjectivorum  verbalium  in  — bundus  exeuntium 
usque  ad  alterum  p.  Chr.  saeculum  usu.  In  den  Comment.  in  honorem 
G.  Studemundii,  S.  1  ff.;  s.  oben  bei  den  Gerundien! 

Fr.  Haussen,    Die  Aktivbedeutung  der  Adjektiva  auf  -bilis  im 
archaischen  Latein.    Philologus  Bd.  XLVII,  S.  247  ff. 
vgl.    die    im    Jahresber.    1883—4,  S.  167 — 8  angezeigte   Arbeit   von 
Paucker. 

W.  T.Arnold,  The  termination  -ensis.    Class.  Rev.  III,  201  ff. 

Zur  Verbalableitung  sind  zu  bemerken: 

Ed.  Wölfflin,  Die  verba  frequentativa  und  intensiva.  Arch. 
f.  lat.  Lexik.  IV,  S.  197—222. 

Die  Behandlung  dieser  Verba  ist  bisher  nur  eine  oberflächliche 
gewesen  (doch  s.  Paucker,  Jahresber.  1883—4,  S.  3.35):  hier  sind  sie 
in  H  Abschnitten  behandelt:  I.  Die  betreffenden  Verba  sind  abgeleitet 
vom  part.  per  f.,  nicht  vom  Supinum,  und  zwar:  regelmäfsig:  1.  Konj. 
datare,  flätare,  nätare  (dies  ist  irrig,  denn  es  heifst  nätare),  crepitare, 
adjütare  u.  s.  w.;- 2.  Konj.  z.B.  habitare,  desponsare,  vulgär  babetare; 
niemals  -etare(doch  s.  oletare);  3.  Konj.  fugitare.  jactare,  spectare,  mersare 
u.  s.  w.;  4.  Konj.  dormitare,  ventare,  saltare  u.  s.  w.;  unregelmäfsig: 


Wortbildung    (Dcecke.)  183 

von  -ätus  der  1.  Koiij.:  -itare,  sehr  häufig,  entweder  von  einer  Neben- 
form des  Particips  auf  -itus,  oder  nach  Analogie  von  domitare  u.  s.  w.; 
vereinzelt  hietaie  (dissimiliert).  Auch  sonst  gehen  Frequentativa  auf 
-itare  auf  eine  Nebenform  des  Paiticips  zurück  z.  B.  fluitare  von 
''fluitus(?);  bisweilen  mit  Kontraktion  oder  Synkope  z.  B.  commetare 
zu  *meitare  von  meare;  lütare  (doch  s.  nütare);  mantare  (schwerlich 
synkopiert!).  Bisweilen  wechseln  t  und  s  z.  B.  arch.  mertare,  pultare, 
andrerseits  taxare,  rapsare;  vexare  neben  vectare;  andere  Unregel- 
mäfsigkeiten  sind:  pisare  und  pinsare,  visitare,  coquitare,  tuditare  (doch 
s.  tudes,  -itis!).  "Wenige  dieser  Yerba  scheinen  vom  Präsensstamme 
abgeleitet  zu  sein,  wie  funditare  (schon  Plautus),  quaeritare  (desgl.), 
nöscitare,  sciscitari  (arch.  -are),  agitare  (wohl  eher  von  *agitus),  spät 
mergitare,  miscitare,  discitare,  legitare  aa.  Nicht  ganz  selten  ist  die 
Verdoppelung  des  Suffixes  zu  -titare,  -sitare  z.  B.  dictitare,  mersi- 
tare,  zur  Auffrischung  (?),  bisweilen  mit  Überspringung  der  ersten 
Stufe,  wie  emptitare,  risitare  aa. ;  eine  Scherzbildmig  ist  puellitari.  — 
IL  Statistik  des  Gebrauchs.  Paucker  hat  500  solcher  Verba  ge- 
sammelt: davon  ist  etwa  ^';;  archaisch,  ein  zweites  Drittel  neu  bei 
Cicero  und  Cäsar,  der  Rest  später;  praeceptare  schon  im  Carm.  Saliare. 
Der  Scipionenkreis  war  gegen  den  überm äfsigen  Gebrauch  als  vulgär, 
weshalb  Terenz  mafsvoller  darin  ist  als  Plautus;  Vorliebe  zeigt  wieder 
Sallust;  später  Livius,  der  dem  Sallust  näher  steht  als  dem  Cicero; 
im  ganzen  sich  mindernd,  nehmen  sie  bei  Tacitus  zu;  archaistisch  wurden 
manche  archaischen  wiederbelebt,  aber  auch  neue  gebildet.  —  III.  Gegeu 
Kühner,  der  die  Verba  auf  -tareund-sare  als  intensiva  von  den  frequentativa 
auf  -itare  trennen  will,  und  gegen  Andere,  welche  die  Verben  der 
ersten  Stufe  intensiva,  diejenigen  der  zweiten  frequentativa  nennen,  ist 
an  der  wesentlichen  Gleichheit  aller  dieser  Bildungen  festzuhalten. 
—  IV.  Die  Alten  kannten  den  Namen  intensiva  noch  nicht;  frequentativa 
erklärten  sie  durch  saepe,  saepius,  frequenter;  synonym  war  iterativa, 
seltener:  accumulativa,  adjectiva.  Die  erste  Stufe  sollte  die  mehr- 
malige Wiederholung  ausdrücken,  die  zweite  die  ständige  (saepissime, 
semper).  —  V.  Die  Ansichten  der  Neueren.  Dafs  die  Verba  auch 
desiderativen  Sinn  hätten,  ist  falsch;  den  intensiven  Sinn  haben  sie 
nebenbei  bekommen;  es  sind  gewissermafsen  „potenzierte"  Verba: 
so  heifst  captare  „einen  Griff  thun,  einen  (guten)  Fang  machen" ;  dann: 
„geschickt  und  öfter  greifen".  Aus  dieser  Ursache  hielt  sich  der 
Grundbegriff  der  Wurzel  im  Frequentativ  fester,  und  dieses  machte  die 
Bedeutuugsentwickelungen  des  Primitivs  nicht  mit.  Es  findet  im  Sinne 
oft  eine  gewisse  Berührung  mit  der  figura  etymologica  statt,  nur  dafs 
das  Objekt  im  Verbum  selbst  bleibt.  —  VI.  Allmählich  trat  Ent- 
wertung des  Suffixes  ein,  und  die  verba  primitiva  wurden  bald  fiüher. 


184  Lateinische  Grammatik.    (Deeckc.) 

bald  später  durch  die  Inteusiva  verdi'ängt  z.  B.  *specere  durch  spectare 
schon  in  ältester  Zeit;  ferner  ergänzten  Ableitungen  dieser  Verba  die 
Lücken  der  primitiva  oder  ersetzten  Formen  derselben,  die  anderen 
iSinn  erhalten  hatten  z.  B.  pollicitatio,  exercitatus,  occultatus,  cantatus, 
invisitatus  (Doppelsinn  von  invisus).  Die  Dichter  brauchten  manche 
Bildungen  aus  metrischen  Gründen  z.  B.  Lukrez  discrepitant  neben  dis- 
crepat.  Nach  300  n.  Ch.  ist  die  Entwertung  ziemlich  vollendet  (vgl. 
Servius). 

Derselbe,  Verba  desuperlativa.  Arch.  f.  lat.  Lexik.  11,  S.  355—64. 

Als  erstes  Verb  der  Art  wird  consummare  =  in  summam  redigere 
(Liv.  XXVni,  17,  3  u.  s.  w.)  angeführt;  doch  kommt  dies  eher  von 
summa  als  Substantiv,  als  von  sumraus.  Sonst -nämlich  begegnen  wirk- 
liche desuperlative  Verba  erst  nach  150  n.  Chr.  in  Afrika  z.  B.  in  der 
Itala:  proximare,  nebst  ap-,  improximare,  extimare;  in  der  Vulgata: 
pessimare,  noch  später:  summare,  extremare,  minimare,  maximare,  alle 
von  unregelmäfsigen  Superlativen,  die  am  ehesten  nicht  mehr  als 
solche  gefühlt  wurden.  —  Nachtrag  über  intimai'e  ebdt.  Ell,  108 — 116. 

—  Erwünscht  wäre  eine  Ausdehnung  der  Untersuchung  über  die  verba 
decomparativa  gewesen  z.  B.  meliorare  bei  den  Juristen  und  Kirchen- 
vätern aa. 

A.  Funck,    Die    Verba    auf    -iUare.     Arch.    f.  lat.    Lexik.  IV, 
S.  68-87;  223—246. 

Es  sind  dieser  Verba  nicht  viele:  sie  haben  deminutiven  Sinn 
und  drücken  Verkleinerung,  Zerstückelung,  auch  Wiederholung  u. 
dergl.  aus;  manche  werden  mit  einem  1  geschrieben,  wie  die  germa- 
nischen auf  -iJ-.  Unterschieden  werden  5  Gruppen:  A.  von  Nomiuibus 
auf  -üla,  wie  scintillare,  stillare  u.  Komposita,  ancillari  (kaum  dcnomi- 
uativ),  bei  Tertullian  exancillari;  ferner  cavillari,  incavillari;  furcillare, 
adfurcillai'e.  —  B.  von  Nominibus  auf -^7/o- ;  oscillare,  murmurillare(?), 
grillare  (kaum  hierher!),  gracillare  u.  aa.  (ouomatopoietisch!);  catillare, 
bacillare  (Tiron.  Not.),  sigillare  u.  dissigillare.  —  Dazu  kommen  Ad- 
jektiva  auf  -illatus  und  sonst  Vereinzeltes.  —  Von  Adjektiven  kommen  ■ 
imbecillari,  tranquillare  (schwerlich  deminutiv),  siogillare  (alt  singillatim), 
satullare(?).  —  C.  von  Verben:  conscribillare,  occillare,  sorbillare.  — 
D.  an  Verbalstämme  angelehnt:  focillare,  auch  mit  re-;  obstri(u)- 
gillare;  sug(g)illare;  vacillare.  —  E.  unsicher n  Ursprungs:  titillare, 
auch  mit  at- ;  facillare  (spät) ;  fucillare  (aus  der  Augursprache) ;  zweifel- 
haft: strittilare,  irquitillare,   ciliare.  —  Die  Verben  sind  meist  vulgär. 

—  Der  Iudex  zeigt,  mit  den  Kompositen  und  Ableitungen,  58  Nummern, 

—  Die  Sonderuug  der  verschiedenen  Arten  und  die  Untersuchung  des 
Ursprungs  der  einzelnen  Verba  ist  noch  nicht  genügend  durchgeführt. 


Wortbildung.   (Deecke.)  185 

Derselbe,  Die  Verba  auf  -issare  uud  -izare.  Arch.  f.  lat. 
Lexik.  III,  398—442;  Nachlese  ebdt.  IV,  317—20;  V.  571-3. 

Die  Schrift  gehört  eigentlich  unter  die  Betrachtung  der  Lehn- 
wörter; s.  unten!  Es  werden  sämtliche  Yerba  dieser  Art  aufgeführt: 
A.  aus  heidnischer  Zeit:  a.  archaisch,  älteste  Schicht,  bei  den 
Dramatikern  voraugusteischer  Zeit:  intrans.  12,  trans.  8,  fast  alle  auf 
-issäre,  Deponens  nur  comissari;  gargarissari  neben  -are.  Lateinischen 
Ursprungs,  also  voces  hj'bridae,  sind:  vibrissare  (Titin.  bei  Fest.  370,  2); 
patrissare  u,  raatrissare  (Komödie).  —  b.  medizinisch:  intrans.  4, 
trans.  15,  auf  -izare  (spätere  Form  der  Entlehnung);  lateinisch:  sub- 
amarizare,;  pulverizare;  s.  noch  latinizare,  (Cael.  Aurel.).  —  c.  andere 
technische  Ausdrücke:  23;  lateinisch:  aerizare,  lentulizare,  potissare  (?) ; 
exopinissare  (Petron.  62,  14),  caprizare,  stercorizare.  —  B.  aus 
christlicher  Zeit,  weit  zahlreicher,  durchweg  auf  -izare,  nur  einzelne 
Schriftsteller  bevorzugen  ss  oder  s;  spät  erscheint  auch  -diare.  —  Der 
Index  giebt  im  ganzen  145  Verba,  wozu  die  Nachlese  noch  etwa  30 
fügt,  so  dafs  die  Zahl  noch  keineswegs  fixiert  scheint. 

Die  von  "Wölfflin  früher  behandelten  verba  desiderativa  und 
diejenigen  auf  -ur(r)io  (s.  Jahresber.  1883—4,  S.  176—7)  sind  neu 
besprochen  in: 

J.  Sto Wasser,  Die  Bildung  der  verba  desiderativa.  Zeitschr.  f. 
d.  österr.  Gymnas.  Bd.  XL,  200  ff. 

Derselbe,  Die  verba  auf  -urrio. 

Vgl.  noch: 

Mich.  Breal,  Verbes  derives  latins.  Mem.  d.  1.  Soc.  d.  Ling. 
VI,  342  ff. 

Wir  kommen  zu  den  Partikeln: 

Ed.  Wölfflin,  Zur  Adverbialbildung  im  Lateinischen.  Arch.  f. 
lat.  Lexik.  Vm,  S.  143—5. 

Die  Adverbia  sind  von  verhältnismäfsig  junger  Bildung  (?), 
doch  bei  Plautus  schon  entwickelt,  wenn  auch  in  manchen  Fällen  noch 
durch  Adjektiva  vertreten:  so  besonders  multus  z.  B.  insto,  neben  mul- 
tum;  primus  neben  primum  und  prime  (Näv.,  Plaut.);  totus,  solus, 
nullus  (niemals  tote  u.  s.  w.) ;  tristis  (nicht  tristiter),  laetus  (nie  lae- 
te);  miser  z.  B.  perii,  später  misere.  Das  Neutrum  ist  zudem  kein 
eigentliches  Adverb,  wie  multum  (z.  B.  dissimilis),  primum,  solum,  ferner 
paulura,  ceterum,  quid  (=  cur)?  Bei  Cäsar  kann  rursus  (=  reversus) 
proficiscitur  noch  Particip  sein;  später  blieb  rursus  erstarrt  auch  bei 
legio,  Romani;  andrerseits  seditio  rursum  erupit,  wie  primum,  secundum; 
ebenso  adversus,  -sum,  während  primus  von  primum  getrennt  blieb.  — 
Zur  Umschreibung  wendet  Plautus  gern  modus  im  Abi.  PI.  an,  sehr 
oft  mit  Allitteration :    multis,    mille,    malis,  miris,  miseris  modis,  doch 


236  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

anch  pluribus  u.  s,  \v.  Ähnlich  bei  Lukrez,  Vergil;  daneben  exemplis. 
Dagegen  steht  bei  in  stets  der  Acc.  Sg.  in  mirum  modum.  —  Die 
Ableitung  der  Adverbia  auf  -Her  (s.  unten)  von  iter  „Weg"  wird  als 
eine  Art  tigura  etymologica  wahrscheinlicher  z.  B.  celer(e)-  iter  ire, 
dann  -progredi;  long(um)  -iter  errat  u.  s.  w. 

A,  Fanck,    Neue  Beiträge  zur  Kenntnis  der  lateinischen  Ad- 
verbia auf  -im.   Arch.  f,  lat.  Lexik.  VH,  485—506;  VIII,  77—114. 

Vgl.  Pauckers  Arbeit,  Jahresber.  f.  1883—84,  S.  170,  der  428 
Beispiele  giebt,  während  Funcks  Index  308  zählt.  —  Der  erste  Auf- 
satz enthält  eine  Zusammenstellung  ergänzenden  Materials  in  al- 
phabetischer Folge,  als  Vorarbeit  zu  einem  Überblick  über  die  Bildung 
und  Geschichte,  nach  der  7.  Aufl.  von  Georges'  Handwörterbuch,  bis 
ins  Mittelalter,  und  zwar  1.  bei  Georges  fehlende;  2.  wichtige  neue 
Belege.  —  Der  zweite,  umfangreichere  Aufsatz  behandelt  die  Bil- 
dung und  Geschichte.  Zunächst  sind  2  Gruppen  zu  unterscheiden: 
eine  lokale,  wie  illim,  istim,  und  eine  modale,  vie  tractim,  minu- 
tatim,  cursim.  Hier  werden  nur  letztere  besprochen.  Der  Form 
nach  sind  es  Acc.  Sg.  weiblicher  Abstracta  auf  -ti-,  resp.  -si-:  das 
zeigt  vor  allem  affatim  =  ad*fatim,  ferner  partim,  der  alte  echte 
Accusativ  von  *partis  neben  dem  späteren  partem  vom  verkürzten 
Stamme  part-,  Nom.  par(t)s.  Da  andi-erseits  -ti-  sich  zu  -tiön-  er- 
weiterte, so  kann  man  die  Adverbia  auf  -tim  vielfach  neben  Abstrakta 
auf  -tiö  stellen,  z.  B.  contemptim  =  per  contemptiönem ;  doch  hat  sich 
die  Bedeutung  auch  bisweilen  nach  verschiedener  Richtung  hin  ent- 
wickelt, wie  citatim  neben  citatio  (doch  s.  concitatio!).  Mitunter  ist 
das  Verb  ungebräuchlich  geworden,  wie  bei  visceratim,  visceratio  (doch 
s.  eviscerare!).  Häufig  fehlt  auch  das  -tiö,  z.  B.  bei  carptim  (doch  s. 
excerptio!),  confertim,  datatim.  Endlich  bleibt  ein  Rest,  bei  dem  die 
Anknüpfung  an  verbale  Stämme  gar  nicht  oder  nur  gezwungen  ange- 
nommen werden  kann,  die  vielmehr  direkt  von  Nomini bus  abgeleitet 
scheinen:  so  propritira,  ubertim,  viritim,  tribütim  (nicht  zu  tribuere, 
con-tributio)  und  viele  auf  -ätim,  wie  ciu-iätim.  Es  liegen  hier  offenbar 
umfangreiche  Analogiebildungen  vor,  wie  bei  den  Adjektiven  auf  -ätus, 
-itus,  -utus.  Die  Handlung  vollzieht  sich  hier  in  der  Alt,  wie  es  für 
das  Nomen  charakteristisch  ist.  Übrigens  kommen  beide  Arten,  die 
verbale,  wie  die  nominale,  schon  bei  Plautus  vor;  sie  waren  also  vorge- 
schichtlich fertig.  Bei  manchen  kann  man  über  den  Ursprung 
schwanken,  und  es  scheint  auch  im  Altertum  selbst  eine  Zeit  der  Un- 
sicherheit geherrscht  zu  haben,  ob  man  z.  B.  acervatim  von  acervare 
oder  von  acervus  ableiten  solle:  dies  vermehrte  die  Analogie- 
bildungen (?).     Vielfach    lassen  sich  auch  Beziehungen  zum  part.  perf. 


Wortbildung.    (Deecke.)  187 

pass.  erkennen,  z.  B.  confertim  neben  confertus,  und  es  gehen  Adverbia 
auf  -te  nebenher,  z.  B.  contempte,  die  z.  T.  gesteigert  werden  können 
und  so  die  fehlende  Steigerung  von  -tim  ersetzen,  das  auch  dadurch 
seinen  substantivischen  Ursprung  verrät.  Einzelner  Adverbia  Herkunft 
oder  Form  bleibt  unklar:  confestim  (zu  -fendere?),  cossim  (neben  coxa, 
con-quexi),  saltim  (neben  saltem),  vicissim  (Corss.  in  Kuhns  Ztschr. 
III,  291)  aa,  —  Die  Blütezeit  der  Adverbia  auf  -im  ist  die  ar- 
chaische; klassisch  wurden  sie  beschränkt,  später  wieder  hervorgeholt 
und  neu  gebildet;  nur  wenig  mehr  als  30  finden  sich  ununterbrochen 
im  Gebrauch.  Cicero  brauchte  manche  mit  Vorliebe,  hat  auch  viel- 
leicht einzelne  neu  gebildet;  ebenso  Cäsar;  besonders  schöpferisch,  wie 
in  so  vielen  anderen  Dingen,  war  Tertullian;  einzelne  Bildungen  finden 
sich  nur  bei  den  Grammatikern  oder  in  Glossen.  Die  Neubildung 
wurde  vielfach  durch  Association  befördert:  nach  conjunctim,  confertim 
büdete  man  coacervatim,  coadunatim,  coUectim  aa.  (?);  ja  schon  in 
alter  Zeit  traten  die  Adverbia  für  „eilends"  und  „allmählich"  zu 
Gruppen  zusammen.  „Durch  alle  Jahrhunderte,  durch  die  ver- 
schiedensten Sprachgebiete  führt  die  Forschung:  noch  die  spätesten 
Schriftsteller  schöpfen  aus  jenem  Borne,  welcher  frisch  und  lebendig 
in  der  Volkssprache  hervorsprudelt." 

H.    Osthoff,     Die   lateinischen   Adverbia   auf  -iter.     Ai*ch.   f. 
lat.  Lexik.     IV,  455—66. 

Das  lateinische  Adverbialsuffix  lautete  ursprünglich  -iter,  nicht 
-ter,  und  ist  der  Acc.  Sg.  des  Neutrums  iter  „der  Weg",  vgl. 
molliter=molIissimavia;  deutsch:  kurzweg,  gradeswegs,  allerwegenu.  s.w. ' 
ind.  Instr.  PI.  eväi§  „nach  Gewohnheit",  von  evas  „der  Gang";  engl, 
always,  ital.  tuttavia,  span.  todas  vias  u.  s.  w.  Die  Bildung  ging  aus 
von  i-Stämmen;  brev(e)-iter;  dann  kamen  die  e/o-Stämme:  long(um)-iter, 
mit  Elision,  wie  im  Verse;  sie  sind  besonders  archaisch;  die  konsonantischen 
Stämme  hatten  wohl  im  Acc.  Sg.  noch  die  reine  Stammform,  ohne  das  un- 
organische s  (?),  z.  B.  simplic-iter ,  loquäc-iter,  wenn  dies  nicht  Ana- 
logiebildungen sind;  s.  auch  pär-iter.  Das  i  wurde  bisweilen  elidiert, 
wie  in  audäcter;  bei  ti  fiel  durch  Dissimilation  die  ganze  Silbe  aus, 
wenn  nicht  erst  Elision  des  i  stattfand  und  dann  Vereinfachung  des 
doppelten  t,  z.  B.  iner(ti)ter,  clemen(ti)ter;  recen(ti)ter  s.  recenti  via 
„frischweg".  Bisweilen  ist  statt  des  Adjektivs  auf  -ens  die  erweiterte 
Form  auf  -entus  üblich  geworden,  z.  B.  erneuter:  cruentus,  s.  neben 
opulenter:  opulens  auch  opulentus  (und  opulente!).  Isoliert  stehen:  fa- 
culter,  difficulter,  simulter,  wie  facultas  u.  s.  w. ;  analogisch  gebildet 
sind  aliter  (doch  s.  arch.  alis  =  alius),  nequiter  (nach  dem  Komparativ 
nequior).  —  Nicht    hierher   gehören  praeter,    propter,    inter  u.  s.  w., 


138  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

iu  denen  das  Komparativsuffix  steckt.  —  Im  Arch.  V,  276  wird  be- 
merkt, dafs  jene  Vermutung-  schon  von  Autenrieth,  Eos  1866,  S.  514 
aufgestellt  war;  vgl.  auch  Wölfflin,  Arch.  VIII,  145  (s.  oben!). 

J.    M.  Sto Wasser,  Zahladverbia  auf  -iens.    Arch.  f.  lat.  Lexik. 
V,  136—7. 

Analog  der  Bildung  auf  -iter  leitet  Stowasser  diese  Adverbia 
vom  Part.  Präs.  iens  „gehend"  ab,  urspr.  Nominativ.  Er  weist  hin 
auf  Verg.  Äneid.  VI,  122: 

itque  reditque  viam  tot-iens; 
ähnlich  quinqu(e)-iens  tibi  panera  attuli.  Ausgegangen  ist  die  Bildung, 
aufser  von  diesen  Formen,  von  quotiens,  deciens,  centiens,  milliens; 
dann  breitete  sie  sich  analogisch  aus.  Vorausgesetzt  wird,  dafs  bei 
ihrer  Entstehung  das  Dreisilbigkeitsgesetz  des  Tones  noch  nicht  durch- 
gedrungen war,  z.  B.  dec(em)-iens,  ceut(um)-iens ,  mit  derselben  me- 
trischen Elision  wie  bei  long(um)-iter;  viciens  gehört  nicht  zu  viginti, 
sondern  ist  aus  *(d)vi(di)ciens  entstanden  (?),  danach  triciens  u.  s.  w. 
Anders  über  viciens  Stolz  ebdt.  285.  —  Schon  Breal  sah  in  jenen 
Adverbien  eine  Participialbildung,  doch  leitete  er  sie  direkt  ab,  wie 
von  unus:  uniens,  hier  durch  Vermittlung  des  Verbs  unire;  er  ver- 
gleicht auch  triens,  quadrans,  aber  weder  Form  noch  Bedeutung  stimmt. 

Eine  andere  Ansicht  entwickelt: 

R.  Thurneysen,  Arch.  V,  575—6. 

Er  geht  aus  vom  ind.  kijant-  ,,wie  grofs,  wie  viel";  ijant-  ,,so 
grofs";  davon  ist  das  Neutrum  Sg.  auf  -jat  =  -jnt  als  Adverb  ge- 
bräuchlich: dem  aber  entspräche  lateinisch  lautgesetzlich  *-ient-,  mit 
nominativischem  s:  -ien(t)s,  wie  fereu(t)s  auch  als  Neutrum  dient.  Dann 
verbreitete  sich  die  Endung  analogisch  weiter.  —  Leider  stimmt  kein 
indisches  Beispiel  zum  Lateinischen,  und  die  Erklärung  des  s  ist  un- 
wahrscheinlich. So  soll  auch  gr.  Tojja-xi(s)  =  ''xo-:ii\{y)-v.\{<:)  sein,  vgl. 
lat.  totien(t)-s. 

Die  Bildung  der  lateinischen  Eigennamen,  besonders  der 
Gentilnamen,  im  Zusammenhang  mit  der  Naraengebung  der  anderen 
italischen  Stämme,  auch  der  Etrusker,  habe  ich  besprochen  in  meinen 
,Faliskern"  (Trübner,  Strafsburg  1888),  Exkurs  S.  275—297.  Der 
älteste  italische  Vollname  des  freien  Mannes  bestand  aus  einem 
Individualnamen,  dem  ein  adjektivisches,  aus  dem  Individualnamen 
des  Vaters  durch  das  Suffix  -io-  (resp.  -ie-)  abgeleitetes  Patronymikum 
folgte,  genau  wie  im  Homer  At'ac  TeX(Z|j,ojvio;,  NejKup  Nr|Xr,(F)to?  Da 
im  Italischen  uns'  keine  alten  zusammengesetzten  Individualnamen  mehr 
erhalten  sind,  sondern  schon  in  ältester  Zeit,  wie  auch  griechisch  iu 
den  obigen  Beispielen,   durch  abgekürzte  einstämmige  Kosenamen  er- 


Wortbildung.   (Deecke.)  189 

setzt  sind,  so  wurde  das  Patronymikum  von  diesen  Kosenamen  abge- 
leitet, häufig  auch  von  Deminutiven  derselben  auf  -lö-,  auch  doppelt 
-llo-,  ferner  -do-,  -co-  aa.,  oder  auch  von  Augmentativen  auf  -ö(n-), 
vielleicht  auch  -a.  Durch  einen  Gesetzgebungsakt  unbekannter  Zeit 
wurde  dann  das  Patronymikum  als  Gentilname  fixiert,  der  Individual- 
name  zum  Vornamen;  Beinamen  konnten  ehrenhalber  oder  spottweise 
oder  zur  Unterscheidung  hinzugefügt  werden.  Alte  lateinische  indi- 
viduelle Kosenamen  sind  Numitor,  Amulius  (?),  Romulus  (Deminutiv 
von  *Romus  (s.  gr.  Tü)[jlo;),  Remus  (auch  deminutiv  Remulus),  Faustulus 
(Deminutiv  von  Faustus),  auch  weiblich  Acca.  In  §  83  habe  ich 
83  Beispiele  von  Gentilnamen  auf  -ins  zusammengestellt,  die  auf  Vor- 
namen (oder  Beinamen)  auf  -m5,  -ö(w),  -a  u.  s.  w.  zurückgehn;  in  §  84 
noch  43,  die  auf  Individualnamen  auf  -m  zurückzuführen  sind,  also  ur- 
sprünglich wohl  auf  -i-ius,  -ins  ausgingen,  bis  Verküi'zung  des  i  vor 
dem  u  eintrat.  Beispiele  der  ersten  Art  sind:  Marcius  von  Marcus; 
Caecilius  von  Caeculus  (s.  den  Beinamen  Caecus);  Pompönius  von 
Pompö(n),  Augmentativ  von  Pompus,  s.  den  Gentilnamen  Pompius  und  vom 
Deminutiv  *Pompilus:  Pompilius;  Annaens  von  *Anna,  Augmentativ  (?) 
von  *Annus,  wovon  Annius;  Numitorius  von  Numitor;  Arruntius  von 
Ar(r)un(t)s;  Beispiele  der  zweiten  Art:  Numisius  (später  Numerius), 
Manius,  Gellius,  Marius,  Spurius  aa.  Die  Gentilnamen  auf  -äww5,  -enws 
(auch  -ienus),  -mus  u.  s.  w.  waren  ursprünglich  Beinamen,  die  an  Stelle 
des  ausgelassenen  Familiennamens  traten;  soweit  diese  Namen  auf 
-enus  (neben  -ennus,  -ennius),  auch  -inus  (-inies,  -innius)  nicht  aus  etrus- 
kischen  auf  -ena  (auch  -enies),  -iua  (-inies)  latinisiert  sind,  z.  B.  Vi- 
bennus,  Vipinius  von  etr.  vipena,  vipina. 

Einen  kleineren  Beitrag  zu  diesem  Gebiete  liefert: 

A.Zimmermann,  Zu  den  römischen  Eigennamen.     Arch.  f.  lat. 
Lexik.  VI,  269—271. 

1.  Der  Beiname  Cinna  gehört  zu  cincinuus  (s.  Oincinnatus),  vgl. 
Mars  neben  Marmar. 

2.  Sems  und  Procus  als  Cognomina.  Sie  sind  nicht  etwa  abge- 
kürzt aus  Secundus  und  Proculus;  vielmehr  ist  letzteres  deminutiv  und 
Secus  ist  r=  Sequens  (?);  s.  Arch.  IV,  602. 

3.  Die  Endung  -idms  bei  den  Gentilnamen.  Diese  sind  teils  ur- 
sprünglich, von  Nominibus  auf -idus  abgeleitet,  wie  Avidius,  Calidius, 
Fidius,  Placidius  aa. ,  teils,  indem  man  -idius  als  einheitliches  Suffix 
auffafste,  analogisch  gebildet. 

Vgl.  noch: 

K.  Braasch,  Lateinische  Personennamen,  nach  ihrer  Bedeutung 
zusammengestellt.     Progr.  Zeitz  1892.    36  S.     4. 


190  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

A.  V.  Semenoff,  Etymologisches  über  einige  römische  Eigen- 
namen, in  den  Xenien,  S.  21  ff. 

Wir  kommen  jezt  zum  zweiten  Teile  der  Wortbildung,  der 
Zusammensetzung,  und  ich  erwähne  zuerst: 

Fr.  Skutsch,  De  nominum  Latinorum  compositione  quaestiones 
selectae.     Dissert.  von  Bonn,  gedruckt  Neifse  1888.     42.  S.     8. 

Die  Schrift,  eine  Preisschrift,  enthält  nur  einige  Abschnitte  ans 
der  Frage,  zunächst  über  die  Arten  der  Zusammensetzung  und  die 
Stellung  der  Glieder;  dann  im  einzelnen:  Komposita  mit  Verben 
im  ersten  Gliede  (lateinisch  dürftig  vertreten),  composita  coimlativa 
(desgl.),  Adjektiv  mit  Substantiv  (auch  nicht  häufig),  Komposita 
mit  Zahlwörtern  im  ersten  Gliede.  —  Bei  verschiedenen  in  der  Zu- 
sammensetzung vorkommenden  Formen  wird  eine  Altersbestimmung 
versucht,  z.  B.  Septem-  älter  als  septi-,  septu-  (?).  Mit  der  fort- 
schreitenden Entwicklung  der  Sprache  nimmt  die  Macht  der  Analogie 
zu.  Häufig  ist  in  der  Komposition  die  Unterdrückung  einer  von  zwei 
gleichen  (auch  ähnlichen !)  aufeinanderfolgenden  |SiIben ,  z.  B.  se(mi)- 
modius,  tru(ci)-cidare. 

B.  Deipser,  Die  Bildung  und  Bedeutung  der  lateinischen  Ad- 
jektiven auf  -fer  und  -ger.     Progr.  Bromberg  1886,     30  S.     4. 

Vgl.  die  Arbeit  von  Paucker,  Jahresber.  1883—4,  S.  168! 
Der  Verfasser  will  in  dem  ersten  Gliede  dieser  Komposita  nicht  den 
Stamm,  sondern  den  Acc.  Sg.  sehn:  er  geht  daher  aus  von  i- 
Stämmen,  wie  ignifer  =  *ignim-fer  (?),  und  hält  das  i  von  uvifer, 
aurifer,  corniger  aa.  für  daher  übertragen  (?).  Er  sucht  dann  den 
Bedeutungsunterschied  von  -fer  und  -ger  zu  bestimmen,  und  fafst 
ersteres  als  „hervorbringend,  führend,  bewirkend"  z.  B.  auri-,  ali-, 
ignifer;  letzteres  als  ,, tragend,  versehen  mit"  z.  B.  armiger,  pinniger. 
Danach  werden  zahlreiche  Stellen  korrigiert,  obwohl  für  die  spätere 
Zeit  doch  eine  gewisse  Vermischung  der  Endungen  anerkannt  werden 
mnfs. 

Fr.  Stolz  (Arch.  IV,  316—7)  verwirft  die  erstere  Ansicht  und 
verweist  auf  griechische  Komposita,  wie  fXTiXo^opoc  mit  reinem  Stamm. 

Zur  Partikelzusammensetzung  sind  zu  nennen: 

G.  Wulsch,  De  verbis  cum  praepositione  per  compositis  apud 
Livium.     Progr.  Barmen  1889.     34  S.    8. 

Vgl.  Desselben  De  praepositionis  per  usu  Liviano,  Dissert. 
Halle  1880.  Die  obige  Schrift  ist  ein  lexikalisches  Fragment,  das  aus- 
führlicher nur  die  20  Verba  von  peragere  bis  perforare  behandelt, 
während    die    andern  68    nur   aufgezählt   sind.     Ein  tieferes  Eingehen 


Wortbildung.    Zusammensetzung.    (Deecke.)  191 

auf  die  verschiedenen  Bedeutniigen  des  per,  auf  die  feinere  Nüan- 
cierung  des  einfachen  Verbalbegriffs  durch  dasselbe,  sowie  auf  den  be- 
sondern Sprachgebrauch  des  Schriftstellers  im  Vergleich  zu  seinen 
Vorgängern,  Zeitgenossen,  Nachfolgern,  findet  sich  nicht.  Für  die 
Lexika  ergeben  sich  kleine  Ergänzungen.  —  Zu  vergleichen  ist  hierzu 
der  Aufsatz  von  Fr.  Stolz,  per  und  Anhang.  Arch.  II.  S.  497—508; 
ferner  J.  Dutilleul,  Remarques  sur  les  Superlativs  formes  parier. 
Revue  de  phüol.  Xin,  133  flf. 
Es  folgt: 

Karl  Hamp,    Die  zusammengesetzten  Präpositionen  im  Lateini- 
schen.    Arch.  V.  Ö.  321—368. 

Zusammengesetzte  Präpositionen  sind  klassisch  selten  und 
meist  viel  bestritten;  ebenso  auch  in  der  silbernen  Litteraturperiode. 
Dagegen  sind  sie  archaisch- vulgär,  bei  Plautus,  Ennius,  Kato  aa.; 
dann  archaistisch  und  besonders  kirchlich-romanisch,  zum  Teil  unter  Ein- 
flufs  des  Griechischen;  die  mündliche  Existenz  mancher,  die  schrift- 
lich nicht  vorkommen,  ergiebt  sich  aus  ihrer  Fortsetzung  in  den  roma- 
nischen Sprachen.  Die  lateinischen  Grammatiker  bekämpfen  sie:  nur 
wenige  erkennen  sie  an  z.  B.  als  vergiUanisch  circumcirca,  abusque, 
adusque;  sie  selbst  aber  brauchen  econtra,  desuper,  insimul,  desub; 
archaisch  ist  auch  praeterpropter.  —  Gebildet  sind  diese  Komposita 
teils  purch  Präfixion,  auch  vor  intus,  subtus,  simul,  palam,  retro, 
foras,  foris,  welche,  zwar  eigentlich  Adverbia,  doch  auch  als  Prä- 
positionen gebraucht  wurden;  teils  durch  Suffixion,  mit  versus,  us- 
que,  secus,  tenus.  —  Gründe  der  Verbindung  waren:  Verstärkung, 
Verdeutlichung,  Unterscheidung,  Kürze  des  Ausdruckes  (z.  B.  detrans 
Tiberim  venire);  ferner  Einflufs  griechischer  Vorbilder;  später  mecha- 
nische Analogie.  —  Der  Bedeutung  nach  sind  die  Glieder  teils  syn- 
onym (seltner)  z.  B.  circumcirca,  subterinfra,  deab,  deex,  adin,  teils 
nicht,  letzteres  die  grofse  Mehrzahl,  wobei  aber  als  Präfixe  nur  ein- 
silbige Präpositionen  vorkommen.  Schon  oben  ist  die  Meugung  mit 
Adverbien  berührt;  sie  ist  sehr  häufig,  und  zusammengesetzte  Ad- 
verbien finden  sich  nach  demselben  Prinzip  gebildet,  teilweise  alt  und 
klassisch  z.B.:  ab-,  de-,  exinde:  abhinc  aa.;  alonge,  demane;  extunc; 
adeo,  adhuc;  inmane,  inperegre.  —  Die  Zusammensetzungen  mit  de- 
(20),  ab-  (12),  ex-  (5)  bezeichnen  den  Ausgangspunkt,  örtlich  wie 
zeitlich;  diejenigen  mit  in- (16),  ad- (7)  die  Richtung  „wohin",  gleich- 
falls in  Ort  und  Zeit.  —  Die  Zusammensetzungen  selbst  sind  teils 
wieder  Präpositionen,  teils  Adverbia.  Bei  verschiedener  Rektion 
der  Glieder  richtet  sich  der  Kasus  nach  dem  wichtigeren  Element, 
wobei  die  Bewegung  die  Ruhe  überwiegt;  doch   giebt   es  Ausnahmen, 


]92  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

uud  später    tritt  Yevmengüng    ein.     S.  331—368  werden  die  einzelnen 
Zusammensetzungen  aufgezählt;   der  Index  enthält  82. 

Fr.  Vogel,  in  privativum.  Arch.  f.  lat.  Lexik.  IV,  320—22. 
Der  kurze  Aufsatz  ist  veranlafst  durch  die  verschiedene  Be- 
sprechung des  haud  impigre  (s.  in  der  Syntax!)  mit  seinem  psycholo- 
gisch leicht  erklärlichen  logischen  Fehler.  Vogel  sieht  in  dem  in-  ein 
künstliches  Druck-  und  Flickwort,  als  die  Lebenskraft  der 
Sprache  zu  versiegen  begann  (ganz  irrig,  da  es  schon  urindogermanisch 
war!).  Es  trat  zuerst  vor  Substantiva,  dann  vor  Adjektiva,  und  zwar 
lobende  (auch  dies  ist  falsch!).  Ein  (spezifisch  lateinischer)  Mangel 
war  die  Mengung  mit  der  Präposition  in,  so  dafs  doppeldeutige 
Wörter  entstanden,  wie  imminutus,  immutabilis,  inclinis,  inauratus  (auch 
invisus).  Eine  späte  Bildung  ist  impinguis  „fett"  (Heges.  3,  26,  58), 
nach  impinguare  gebildet.  —  Das  Wort  impiger,  in  welchem  in-  vor 
einem  tadelnden  Adjektiv  steht,  findet  sich  allerdings  schon  bei  Plautus, 
aber  nicht  bei  Cäsar,  selten  bei  Cicero,  7mal  bei  Sallust;  es  trat  an 
die  Stelle  des  unbeliebten  nave  oder  naviter. 

Ed.  Wölfflin,  Substantiva  mit  in  privativum.     Ein  Beitrag  zur 

Kenntnis  der  Africitas.     Arch.  f.  lat.  Lex.  IV,  400—412. 

Das  in  privativum  tritt  nicht  vor  Verba,  wegen  des  Gleichlauts 
mit  der  Präposition  in  (?);  wohl  aber  giebt  es  abgeleitete  Verba  von 
damit  zusammengesetzten  Wörtern.  Scheinbare  Ausnahmen  sind:  igno- 
scere,  vielmehr  „ein  Einsehn  thun"  (?);  infiteri,  eine  späte  Bildung  statt 
des  denominativen  infitiari,  vielleicht  veranlafst  durch  infitens;  impiare, 
denominativ  von  impius.  Häufig  ist  in-  vor  Adjektiven  und  Partizipien, 
auch  von  Substantiven  abgeleitet,  wie  infamis,  imbellis,  inänis  (zu 
*acnus  =  fundus!).  Vor  Substantiva  tritt  es  ursprünglich  nur  bei  Ab- 
leitung von  Verben  oder  Adjektiven  (V)  z.  B.  impiamentum,  insania, 
injustitia,  inscitia,  incommoditas  u.  s.  w.  Direkt  tritt  es  vor:  1.  arch. 
intemperies ,  iusatietas ,  ingratiis  (alle  3  bei  Plautus,  das  letztere 
4 silbig,  bei  Lukrez  3 silbig);  inreligio  (Kornif.);  injussu  (Cic);  in- 
valetudo  (Cic.  ad  Att.  7,  2,  2);  später  neu  nur  inquics  (Plin.  n.  h. 
XIV,  142),  offenbar  nach  dem  Adjektiv  gebildet.  —  2.  Neue  frucht- 
bare Ära  seit  Tertullian,  afrikanisch.  —  3.  Ableitungen  auf  -ia, 
-ium,  -ies:  injuria,  incuria  (Lucil.,  v.  *incurus),  infitias  (ire),  insom- 
nia  (Pacuv.),  infortunium  (später  -nitas),  indolentia  (bei  Cicero,  aber 
indolens  erst  bei  Hieronymus),  variiert  später  indoloria-,  inedia  (schoE 
seit  Plautus),  infinitas,  infinitio  (beide  bei  Cicero),  illuvies  (Plautus); 
einmal  bei  Lucilius:   imperfundies,  inbalnities. 

E.  Neu  mann,    De  compositorum  a  dis-  (di-)  incipientium  apud 

priscos    scriptores  vi  et  usu.     Dissert.     Jena  1885,  36  S.  8;    s.  E. 

Kedslob  N.  Phil.  Edsch.  1886,  S.  62. 


Etymologie.    (Deecke )  193 

Für  die  Etymologie  ist  zuerst  zu  nennen  von  allgemeinerem 
Staudpunkte  aus: 

Aug.  Fick,    Vergleichendes  Wörterbuch    der  ludogermanischen 
Sprachen.  4.  Aufl.  1.  Teil:    Wortschatz  der  Grundsprache,  der  Ari- 
schen und  dei-  Westeuropäischen  Spracheinheit,  von  Aug.  Fick.     Göt- 
tingen, Vandenhoeck  u.  Ruprecht,  1890,  XXXYIII  u.  580  S.  8. 
Wenn  auch  der  speziell  italische  Teil  erst  später  folgen  wird,  so 
enthalten  der  1.  und  3.  Abschnitt  schon  eine  grolse  Zahl  teils    altbe- 
kannter, teils  auch  neuer  lateinischer  EtjTnologieen.     Doch  ist  das  Buch, 
wie   alle   Fick'schen  Arbeiten,   wegen  der  Kühnheit  der  Kombinationen 
U)id  der  nicht  immer  ausreichenden  Detailkenntnis,  mit  grol'ser  A'orsicht 
zu  benutzen.    Immerhin    ist  der  Fortschritt   gegen    die  frühereu  Auf- 
lagen ein    bedeutender. 

Ich  erwähne  ferner,    mehrere  Sprachen  umfassend: 
P.  Persson,  Studia  etymologica.     Upsala  1886; 
s.  die    Anzeigen    von  K.  v.  d.    Pforten    in    der   Wochenschr.  f.  klass. 
Philol.  IV,  1352  ff.    und    von  Fr.  Stolz    in    der    Neuen  Philol.  Rund- 
schau 1888,  S.  10  ff. 

P.  D.  Bernier,  Notions  d'etymologie  grecque,  latiue  et  frangaise. 
Paris,  1885: 
s.  die  Anzeige   von  P.  De ttw eiler   in  der  Berl.  Philol.  Wochenschr. 
VI,  536. 

K.  Krispin,  Abrifs  der  lateinischen  und  griechischen  Etymologie. 
Progr.  Böhmisch-Leipa,  1889.  23  S.  8; 
sehr  dürftig;    s.  die  Anzeige    von    G.  Hergel    in  der  Wochenschr.  f. 
klass.  Philol.  VII,  348. 

O.  A.  Danielssou,    Griechische  und  Lateinische    etymologische 
Studien.     Upsala  1888,  57  S.  8; 
s.  die    Anzeige  von  K.  v.  d.   Pfordten  in  der  Wochenschr.    f.  klass. 
Philol.  V,   1361. 

R.  Nadrowski,  Neue  Schlaglichter  auf  dunklen  Gebieten  der 
griechischen  und  lateinischen  Etymologie.  2.  Aufl.  Berlin,  Isleib, 
1888,  134  S.  8. 

Anspruchsvoller  Titel,    dem    die  Resultate   nicht  entsprechen;  s. 
die  Anzeige  von  Fi-.  Stolz  in  der  neuen  Philol.  Rundschau  1888,  S.  143. 
Speciell  das  Lateinische  behandeln: 

E.  R.  W harten,    Etyma  Latina.     An    etymological    lexicon    of 
classical  Latin.     London,  Rivingtons,   1890,  XXXIV  u.  152  S.  8. 
Nach  einer  Reihe  von  Vorbemerkungen  über  Vorarbeiten  und 
Methode    der    eigenen    Arbeit   folgen   alphabetisch   3055  Wörter    aus 

.Jahrei?lieriilir  für  Altertumswissenschnft    LXXTII.  Bd.  (189.5.  III..        13 


]<)4  Lateinische  Graramatik.    (Deecke.) 

16  Hauptautoren  von  Plaiitus  bis  Juvenal,  darunter  360  eigene  Etymo- 
logieen.  Das  Werk  ist  sehr  knapp,  inhaltsreich,  fleifsig  gearbeitet,  auch 
füi"  den  Handgebrauch  praktisch;  docli  enthält  das  Neue  darin  kaura 
einen  wesentlichen  Fortschritt  der  Forschung-.  Bedenklich  sind  die 
lautlichen  Übersichten  zum  Schlafs,  noch  bedenklicher  der  semasiolo- 
gische  Teil.  Vgl.  die  Anzeigen  von  G.  Meyer  im  Litter.  Centralbl. 
1890,  p.  1512  f.,  und  von  A.  Funck  in  der  Berl.  Philol.  Woch.  XI, 
760  ff. 

Ein  ähnliches  Werk  besitzen  die  Franzosen  in  der  zuerst  1881 
herausgegebenen  und  seitdem  wiederholt  neu  aufgelegten  und  verbesser- 
ten Arbeit  von  Mich,  Br6al  und  Anatole  Bailly,  Les  mots  latins. 
in  3  je  einbändigen  Kursen :  Cours  elementaire,  intermediaire  und  supe- 
rieur.     Paris,  Hachette  et  Cie.;   s.  Arch.  f.  lat.  Lex.  in,  287. 

Auch  die  Italiener  sind  nicht  zurückgeblieben,  s. : 

C.  Fumagalli,  Le  principali  etimologie  della  lingua  latina, 
Verona,  1892,  255  8.8. 

Ein  besonderes  Gebiet  behandelt: 

Luigi  Ceci,  Le  etimologie  dei  Giureconsulti  Eomani.  Turin, 
Löscher.  1892,  195  S.  8. 

Das  Bach  bildet  nur  den  1.  Teil  eines  gröfseren,  von  dem  Ver- 
fasser in  Aussicht  genommenen  Werkes:  La  lingua  del  diritto  Romano, 
dessen  2.  Teil  Studj  di  etimologia  e  semasiologia  sich  eng  an  den 
ersten  anschliefsen  soll,  während  der  3  T.  „Juris  Romani  anticiuissimi 
reliquiae  ad  pristinam  forraam  revocatae"  eine  textkritische  Edition  der 
ältesten  römischen  Rechtsquellen  enthalten  \\ird.  Die  Einleitung  des 
vorliegenden  1.  Teils  giebt  eine  Darstellung  des  Ursprungs  und  der 
Geschichte  der  Etymologie  bei  den  römischen  Juristen,  sowie 
eine  Untersuchung  ihrer  Quellen,  von  den  Stoikern  an.  Die  fleilsige 
reichhaltige  Zusammenstellung  der  Etyraologieen,  die  dann  folgt,  in 
chronologischer  Reihenfolge  von  Kato  bis  zur  Zeit  Justinians.  ist  höchst 
lehrreich,  weil  dieselben  vielseitige  Schlüsse  auf  die  Begrift'sautfassung 
und  Rechtsanschauung  ihrer  Urheber  oder  Adoptierer  gestatten.  Unter 
dem  Texte  sind  die  Parallelstellen  der  sonstigen  alten  Schriftsteller 
angegeben:  auch  durchweg  die  etymologischen  Versuche  der  neueren 
Gelehrten,  und  oft  eine  eigene  Kritik  derselben  und  neue  Vorschläge 
zur  Deutung,  vom  Verfasser  selbst.  Freilich  überschätzt  er  oft  die 
wunderlichen  Ableitungen,  giebt  auch  selbst  manche  bedenkliche  Hypo- 
these.    Der  Einflnfs  des  Gräcismns  scheint  nicht  genug  gewürdigt. 

Einen  beträchtlichen  Teil  lateinisclier  Etymologie  habe  ich  in  den 
„Erläuteruugen  zu  meiner  Schulgrammatik",  Berlin,  Galvary  u.  Co.^ 


•,,    Etymologie.   (Decckc.)  195 

1893,  gegeben,  besonders  in  den  Abschnitten  über  die  Verba:  S.  94 — 144; 
184—280,  und  über  die  Adverbiti  und  Präpositionen  S.  281  —  304, 

Die  zerstieutcn  Gruppen  von  Etymologieen  und  die  Einzel- 
untersuchungen ordne  ic)i  im  folgenden  alphabetisch  nach  den  Namen 
der  Verfasser.  Es  sind  darunter  sehr  AvertvoUe,  tiefgehende,  weit- 
reichende Beiträge,  und  wieder  viel  Unbedeutendes,  Gewagtes,  Unhalt- 
bares, was  ich  nicht  im  Einzelnen  jedesmal  hervorheben  kann-,  auch  der 
Urafang-  der  Untersuchungen  ist  sehr  verschieden.  Nicht  weniges  wird 
mir  auch  entgangen  sein,  teils  wegen  der  gi'Öfseren  Reihe  von  Jahren, 
teils  wegen  der  Verzettelung  in  Zeitschriften,  Programmen,  Sammel- 
werken u.  s.  w.  Zu  vergleichen  sind  noch  die  vielen  oben  in  der  Laut- 
lehre und  Formenlehre  gegebenen  Etymologieen,  besonders  von 
Kretschmar,  Fröhde,  W.  Meyer,  J).  Hoffmann,  Johanssen. 
Feder sen,  Havet  aa.  Auch  allerlei  I;exikalisches  und  Semasiologisches 
liefs  sich  nicht  scharf  absondern  und  läuft  mit  unter. 

(il.  Ascoli:  retia,  -are,  -aculum  im  Archiv,  glottol.  TX,  102  ff.  — 
Th.  Aufrecht,  Etymologisches.  Rhein.  Mus.  XLIII,  318—320:  prohi:'i 
zu  gr.  9s-,  ind.  pradhänam  „Hauptsache";  vestihuliim  =  Yest^-Htahnlvm. 
—  E.  Bähreu.s,  Jahrb.  für  klass.  Piniol.  1887,  S.  65—71:  carmen, 
Carmenta,  Ca(r)m('na  (sabinisch  Casmenae)  von  car  , .abmessen,  schneiden 
teilen";  s.  lanam  mrere  —  dividere ;  cäritores:  carlna  weil  der  Kiel  die 
Fluten  zerteilt;  carhiare  zerteilen,  durchhecheln;  carere  geschieden  sein 
von;  cardo  Scheidelinie;  dea  Carna  (von  der  Ausscheidung);  vgl.  osk. 
kam  Teil  =  lat.'  caro,  carnis  Fleischstück ;  so  auch  carmen  =  *car(i)men- 
(um)  das,  was  geteilt  wird;  s.  metiri,  dividere  vom  Takte.  —  Ad.  Bezzeii- 
berger:  emo=  got.  uma;ve)no  ^  gm-uiü  (en  ^  itin)  in  denBeitr.  z.  Kunde 
d.  idg.  Spr.  X,  72;  qnerquerus,  xapxatpw  zu  got.  favirhts  furchtsam;  querais 
zu  langob.  fereha  Führe:  heles  zu  lit.  gendü,  gesti  entzweigehn,  gr. 
xoöio*  ^Xa^Yj,  ind.  gandhajate  er  verletzt;  fiirnus,  fornax  zu  kslv.  grünu 
,,lebes",  ebdt.  XII,  77 — 80:  arbüer,  umbr.  aitputrati  ,,arbitratü"  zu 
an.  at-kveda  ,, bestimmen",  atkva<1i  ,.decision";  coxa,  coxim  zu  mhd. 
hahse,  ksl.  kosa  Sense;  fiirca  zu  -/apasjw,  lit.  zirkles  Scheere,  ebdt. 
239 — 41;  'pollex^'^pölex  zu  palma,  dtsch.  fühlen,  ind.  piiui  Hand, 
ebdt.  XVI,  120.  —  31.  Bloomfield:  tisqtie  ^  ved,  accha  in  Hopkins  Univ. 
Circ.  IV,  32.  —  Saiii.  Brandt:  saeculum  ^^  %eclmn  zu  serere,  s. 
Arnob.  I,  :)4  sator  saeculorum;  Arch.  f.  lat.  Lex.  VII,  590;  dagegen 
Nettleship  ebdt.  IV,  599  saeculum  ==  "saviculum  zu  su  „zeugen",  also 
,, Generation".  —  .Midi.  Bröal:  friare,  redhnio,  iter,  feimir,  ansei,  lacer- 
fits  in  den  M(''m.  d.  1.  Soc.  d.  Linguistique  V,  150  ff.;  igitur,  aveo  u. 
aviilns,  ohlucuviasse,  lex,  cedcre,  anfero,  lelox  ebdt.  192  ff,;  fas,en  (Adv.), 
arguhis,  vitor,  nasus,  circa,  eryn,  maturus,  felix,  omnis,  trcmquillus  ebd. 

13* 


19(i  Lateinische  Grammatik.    (Deccke.) 

330  ff.;  poenitet,  pennm,  jjaene,  i)ost\  diu,  nodu,  lucu:  glacies,  facetus, 
lucvhrtnn  aa.  ebdt.  429  fF.  —  ardelio  in  der  Eev.  d.  philol.  IX,  137. 
—  asignae,  mortuus,  queo,  suppedito,  regere  in  der  Rev.  crit.  1885 
n.  36.  —  fäs,  jus,  lej ,  ersteres  aus  *fes,  *fem.s,  *femis  ^  Oe[xi;;  das 
mittlere  ^ind.jäus  Heiligkeit,  daher  jiirare;  das  letztere  zu  legere  =  Lesung, 
Schreibung,  iu  den  Mem.  d.  l'Acad.  d.  Inscr.  XXXII,  2.  part.  (auch 
Sonderabdruck  Paris  1888,  HS.  4);  s.J  schon  Rev.  crit.  XX,  390  (Jahres- 
bericht für  1883 — 84,  S.  183).  —  discipidus  von  discere,  ui'spr.  kollektiv, 
wie  mauipulus,  Arch.  f.  lat.  Lex,  V,579 — 80,  gegenStow assers  Ableitung 
von  diseipere  ebdt.  289 f.  —  umbratilis.  serns  in  der  ßev.  crit,  1891,  u.  9.  — 
sile)tta,  flitentiim,  cruentus,  iu  den  Mem.  d.  1.  Soc.  d.  Lingu.  VII,  3.  — 
B.  Brown:  satelles,  in  derAcademy  90, 113.  —  K.Brug^iiaiii) :  Lateinische 
Etymologieen,  iraßhein.  Mus.  XLITL,  390 — 404:  sinister,  mit  2Kompara- 
tivsuffixen  -ies  u.  -tero- ,  s.  gr.  dpistepos,  zu  Wurzelsen  „erreichen",  s. 
ind.  sänijas-  „mehr  gewinnend" ,  also  von  der  Glücksbedeutung  der 
linken  Seite;  dagegen  laevus=  *slai-uos  ,,matt",  zu  ahd.  sleo,  s.  ind. 
srevajati  er  macht  fehlschlagen ;  nach  sinister  ist  (/ex^er -=- *dec-ster  ge- 
l)ildet,  wie  mortuus  nach  vivus  (s.  ]\t.  Breal,  Mem.  d.  1.  Soc.  d.  Lingu. 
VI,' 127);  reciprocus  von  *re-qo-s  u,  *pro-qo-s  rückwärts  und  vorwärts 
(sich  bewegend),  s.  zum  Suffix  anti-quus  u.  -cus,  posti-cus;  zu  *pro-quo-s 
auch  procid,  vgl.  simul  (Acc.  8g.  Ntr.);  ähnlich  schon  Corssen  Krit. 
Nachtr.  136  f.;  s.  1.  1.  S.  480;  e(mifer,  ovifer  ,, wildes  Pferd,  -  Schaf" 
aus  cquos-fer(os) :  *equöffer(os) !  —  Etymologisches,  in  den  Idg.  For- 
schungen I,  171 — 177:  4.  operio,  aperio  aus  ''op-,  ap-.verio  (s.  -bam  = 
fiiam)  zu  lit.  veriü  in  apveriü  ich  öffne,  uzverü  ich  schliefse;  ind.  apa- 
u.  api-var;  urabr.  verof-e  ,,in  portas":  osk.  veru  „portam"  (!);  5.  gävi- 
sus  nach  visus  (dies  ist  aber  selbst  unregelmäfsig!).  —  sons  Part,  von 
esse,  Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1890,  230  ff.  —  pinna,  nicht  zu 
penna,  sondern  zu  dtsch.  tinne,  lat.  pannus,  gr.  t:^vo?-==  *pyno-,  Vgl. 
Gramm.  II,  136.  —  nec-tö  von  Wurzel  nedh,  assimiliert  an  plectö  (?), 
Ber.  d.  sächs.  Ges.  d.  Wiss.  1890,  p.  236.  —  Fr.  BUchelcr,  Sprach- 
formeln im  italischen  und  griechischen  Recht,  im  ßheiu.  Mus.  XL,  475 
—80:  ast  eins  vincitur  (Gesetz  v.  Urso  3,6),  verwandt  mit  atque,  ac. 
s.  gl',  ai  xa  v'-xa^T],  osk.  t,  B.  ra  eizeic  viucter;  PI.  Pseud.  piahe  prae- 
scnti  in  coutione  ^Abl.  abs.),  s.  osk.  t.  B.  comenei  tovtad  praesentid; 
promellci-e  liteni  =  prouiovere,  s.  im  Gortyn.  Recht  dviipioXo;,  [xoXiofievac 
•cao  oixa;  u.  s.  w.  —  Altes  Latein,  ebdt.  XLII,  582—9:  XIII  (s.  die 
frühereu  Jahre.sberichte  !j :  harca  aus  -'bärica  von  ßaptj;  vulgär  blieb  im 
Inlaut  f  statt  b  z.  B.  mefHis-,  '  .sifilare  (frz.  siffler);  "'tafanus  (ital.  tafano); 
Mona  *AIfurnus  (Clüver:  Alfurno);  vulgär  soniimi  statt  Senium  (frz.  soin) 
zu  uivEJÖai  (!),  wozu  auch  sonticus  (morbus)  —  oOctpiixo;;  sons,  s.  Sivi;; 


Etymologie.    (Deecke.)  197 

umbr.  soiiitu,  simitu  (dagegen  s.  ob.  Brugmann!).  —  Desgl.  ebdt. 
XLIII,  479—80:  XIV:  colli f ana  ^=  ■s:p6'i7.-'x  i:pot,  von  collis  ii.  fanum, 
fanare,  s.  pagus  Agrifänus;  siat -^- ou^zT,  Kindevstubenwort,  s.  ksl.  sicati, 
dtsch.  seichen.  -  Desgl.  ebdt.  XLV,  159—100:  XV;  PI.  Stich.  745 
terta  (auch  Pseud.  164;  Varro  Sat.  109)  statt  tersa;  s.  mertare,  'pultare 
(neben  -sare:  Quint.  I,  4,  14);  sagittis  confictus  (bei  Scaurus);  raptare 
wechselt  mit  rapsare;  spartores  im  Cirkiis;  insultum,  praesultum  , .ge- 
salzen", auch  saltura  (PI.  Cure.  243);  nudta  statt  mulsu  (PI.  Rud.  364); 
demnach  PI.  Trin.  820  saltipotenii  et  miiltipotenti  -ixpiu  xal  '(hy/.iu  — 
Desgl.  ebdt.  XLVI,  233—243:  XVI:  acieres  oder  acieris  Opferbeil,  zu 
acies,  wie  speres  neben  spes  (s.  aciarium);  acisculus,  vielleicht  auch 
-ulum,  Deminutiv  von  ueies;  aäsculari.us'^Xi.zd^i.ov,  Beiname  Acisculus. 
—  XVII:  terruncms,  worin  terr- ^■=  'ters  =  -rpi?;  das  Zahlwort  ter  statt 
*ter==terr,  *ters,  s.  fär,  neben  fiirina;  s.  PI.  Bacch.  1127  ter  oder  terr 
in  anno;  ähnlich  vielleicht  Poen.  390  cord  oder  cor.  —  XVIII:  C  = 
centura  ist  spät;  früher  8-^gr.  i>,  daraus  ü  auf  dem  Caelius-Denkmal 
in  Xanten  =  centurio ;  wegen  des  fehlenden  Binnenstrichs  nicht  vor 
dem  5.  Jahrb.;  aus  0  entstand  erst  C  mit  Anlehnung  an  centum; 
s.  50  aus  gr.  'I-,  1000  aus  9;  doch  vgl.  oben  Zangemeister!  —  XIX: 
altlat.  compes  statt  -pos  (nach  Prise),  wohl  Erfindung  nach  der  falschen 
Etymologie  von  competere;  dagegen  subst.  Adj.  pl.  compedeis,  -dium  (von 
pes)  s.  compeditus;  der  Sg.  erst  Augusteisch  z.  B.  Abi,  compede.  — 
Soph.  Bugge,  Etymologische  Beiträge,  in  Bezzenb.  Beitr.  z. 
Kunde  d.  idg.  Sprachen  XIV,  57 — 79:  ca^w/ws -^  *kvatelos  ^'k^talos 
(s.  got.  hund-s)  für  kuotalös,  nach  kuon,  kun;  s.  canis  aus  "cvanis, 
*cvon-,  u.  quatuor,  vacuus  (a  durch  Einflufs  des  vorhergehenden  v,  ii); 
mateola  Deminutiv  von  ^mate(i)a=^  rom.  maza,  s.  ind.  matjäm  „Kolben"; 
juhere,  Präs.  arch.  joubeo,  Kausativ  von  juba,  s.  lit.  juudü  ich  zittere, 
jüdinu  ich  schüttle,  mahne,  ind.  judh  auffahren,  kämpfen  (?);  hos,  boves, 
mit  b  nach  bübus,  bubulus,  bübulcus,  mit  Einwirkung  des  Tones:  letztere 
auch  in  6oe»-e  =  *bovere ,  haetere,  6?fe  —  *bis-lis(?);  imbuo  =  Hn-hdixo, 
3.  gr.  (ß)6uw  zu  '''gdhui^eti(?),  Denominativ  von  *guädh;  amhulare 
zu  «Y/sXo;,  ind.  angiras,  mit  mb  =  ng  vor  ul  oder  wegen  des 
Tones  (?),  s.  fimambtdus.  — p  statt  q,  von  der  Umgebung  her  oder 
wegen  des  nachfolgenden  Tones  z.  B.  lupus  =  "nlaqös,  aber  Xy/o;  ^  ind. 
vrkas;  volpes  zum  wb.  ind.  vrkis;  popidus,  poples,  -itls  „Kreis",  zu  ind. 
cakräs,  xuxXoc;  urspr.  poplus  =  *q8ql6-s;  2?w?t'i*=  *qj,uis  zu  ind.  carvati 
er  zerkaut;  üpilio,  öpllio—^om-iwxiSiioxi-,  s.  gr.  0107:0X0?;  saepes,  praesipe 
u.  8.  w.  zu  *suäi(8)qi-  (s.  ahd.  sueiga),  Femin.  zum  ml.  *saäiaqos  = 
gr.  (nrjxoc,  der.  oäxoc  „Hürde",  eig.  der  Seinige,  die  Seinige;  lepiis,  nach 
dem  Dat.  *leposei  =  *lekuosei,  mit  dem  Suff.  d.  Part.  Pf.  Akt.  von  lek 


]()X  Lateinische  Grammatik.     (Dcecko.) 

liüpfeu,  s.  gr.  /.'i;,  lett.  lekt  u.  s.  vv. :  npa  --^  'Tivica  =  *r/U8(iä  sc.  terra, 
vou  rivus:  indpitum  -^-^'^^ihi^iöm  zu  ~)A\\  imppes  aus  *püpes  -- *priqT-s 
zu  pu  in  lud.  pi'i-uar,  gr.  T^y-ji-axo; ;  ^ötj//*  -  *l9unqid-s  zu  gr.  XaFq^,  ir. 
lia,  Geu.  liac  =  *livaiic-s.  —  Schwund  eines  inlautenden  m  und  ??, 
also  e  — cm,  en,  m,  ii,  wenn  der  Tou  auf  die  zweit-  oder  dritt- 
folgende  Silbe  liel:  heat-^  ^Muauajeli;  Zem  =  *lnghuiii'  (weibl.),  s.  gr. 
tl'xyßi:  ebenso  brevis:  met uü  =  m]]tmeti  oder  '''mant-  zu  ksl.  meta 
„turbo",  ind.  manth  scliüttelu;  frelum  (alt  auch  -tus)  aus  *fremtüm  zu 
fremere,  s.  freteusis( .');  screare  zu  /psixs-au),  ypEixKToixat,  aus  '•■zghrem- ; 
nieder i,  reraedium  zu  *mo«dhejcti,  s.  gr.  ixavOavo) ;  emo  nach  emimus  •= 
"nmauies;  Z/^-ii^a  =^=  *d9nghu9lä  oder  *dngh-,  Demin,  vou  liugua,  woriji 
iug  regelrecht  ^  eng;  ähnlich  Lihitina  aus  "^'Libentinä  oder  -tiuä;  für 
a  s.  catidus,  lapis  (oben!):  qua(m)si  (proklitisch) ;  ferner  apis  =' l\nzi;, 
etwa  vom  gen.  pl.  aus.  apium --= '  apiiöm  (a  wegen  des  p):  j;a<t  nach 
passus  -^^  '■'pnthatös  zu  gr.  -nevOo;  (a  wegen  des  p) ;  leitet  —  *iiithejeti  zu 
gr.  /.avOavü)  (a  wegen  des  1);  CVr^ma  ~  *ka(m)i)uuä  zu  campus;  säbulüm 
-In  von  *sambü-  -=  »'[xaOo-,  dtsch.  sand;  s.  saburra;  h'ihenms  =^  *lii(m)brin6s 
=  yit[A£p£vo;;  sep)tii{)n)i\.-(j'mtv\  aedäu(m)us,  -tu{m)or  zu  '•'ai,dhetmmäjeti; 
nndiustertius^^''\y\x\idi-\  cen^?<na  ^^  *kmtoria  von  '•'kmtores  ^^  *krato-nres 
,,100  Männer";  ebenso  Jec7(r/rt,  s.  osk.  puniperio  u.  s.  w. ;  cenfum  selbst 
aber  ist=  -dlimtom  von  *dckm  ^^  decem :  ferner  'j[i<a/«or  =  'Vietuu-nres 
aus  *dqöqetduö-nres  ,,2  und  2  Männer";  *-ures  enklitisch  =  *ueres.  — 
c=Jih:  cor(d)~  idg.  *khürd;  dfre,  cituH  zu  ind.  (k)hitäs,  gr.  y.v/iio. — 
r  aus  nr  zwischen  Vokalen  voi'  der  Tonsilbe :  an'us  ~--=  *kaur(')S  zii  ind. 
känati  er  ist  befriedigt;  wom  = ''monrä  zu  ij-sva»,  maneo;  zum  kurzen  ö 
s.  morru'i;  f6%~ia  zu  fons,  Wurzel  dhan  laufen.  —  John  B.  Bnry;  cervix, 
crepo  aa.  in  den  Proceed.  of  the  Cambr.  Philol.  Soc.  —  Miscellen: 
Bezzenb.  Beitr.  z.  Kunde  d.  idg.  Spr.  XI,  331 — o:  virgo,  virga  aus 
*cv-,  AVurzel  qrgh,  wozu  auch  TtapOsvoc.  --opOo;;  peccare  zu  xa:<6;;  pro- 
prius  zu  rpo-psciv :  morbus  zu  |xotp-(0; ;  cassus  zu  x-/)rao[j.ai;  careo  zu 
aTspeiü,  fast  alles  unhaltbar.  —  Desgl.  ebdt.  XII,  242:  simid --^  a[Liid-ii, 
s.  aliud  zu  aXXuo-i;;  als  (aber  arch.  ouls)  zu  ind.  ud,  gr.  ua-xspo;,  ebenso 
unsicher.  —  L.  C'eci,  Appuiiti  glottologici.  Turin,  Löscher  18'J2,  2()  S.  8: 
r=d  s.  oben  in  der  Lautlehre;  ferner  aber  Borna,  sabinisch,  cittä  del 
finme  zu  Wurzel  sru;  carmen -^  ind.  räsman  (s  wird  r  nach  dem  Ton, 
fällt  aus  vor  dem  Ton  z.  B.  Camena);  faber  zu  Wurzel  dhe:  proletarius 
von  pro  rataC.');  calamüas  zu  cadere  oder  -cellerc  (Mar.  Victor  cadamitas): 
füHoenus  tür  -amenus  vou  amare,  s.  cgenus;  ambulare  von  -ambulus 
ä-cizlo;  (s.  ob.  Bugge!);  adorare  von  ador(.^),  nur  angelehnt  an  orarc; 
/oj^j^er  ^ '-'tot-per;  dammim  dare  eine  tig.  etymologica;  paniadiim  von 
einem  Ntr.  'panicum:  fferuntes      Hexu  euntes(?);  osk.  castrovs  =  capitis 


Etymologie.    (Ueecke.)  199 

(nicht  fuüdi).  —  Ders.  Trucioli  glottologici  im  Gioru.  di  filol.  class.  I, 
25  7  ff.:  cur, sine,  aiitumnus.  —  C.  Cooksoii:  provincia  iii  der  Class. 
Rev.  11,  227;  s.  L.  Heisterbergk,  provincia  im  Philologus  XLVIIIl, 
629  ff.  —  0.  A.  Daiiielssou:  Liher  in  Paulis  Altital.  Studien  IV,  133- 
156  ff.  —  ingens  zu  "Wurzel  gen  „kennen"  (?),  ebdt.  149  f.  —  plvs,  plüres 
u.  s.  w. :  es  sind  neben  einander  *ple-jos  u.  *plö-ios  anzusetzen,  ebdt.  164:  s. 
Brugmann  Vgl.  Gramm.  II,  407.  —  man  für  mauus  in  manceps,  raal- 
hiviae,  s.  umbr.  acc.  pl.  manf,  ebdt.  189  f.;  s.  Duvau  Mem.  d.  1.  See. 
d.  Ling.  VI,  226  ff.  —  J.  Darmestetter :  an  in  dtn  Mem.  d.  la  Soc.  d. 
Ling.  V,  295.  —  Alfr.  Döliring:  eapiis  =^  et  quis,  bei  Plautus  in  gleich- 
artigen Fragen  mit  et-iam  wechselnd,  auch  nicht  selten  in  den  Mss.,  s. 
dtsch.  etwas (!),  in  den  Jahrb.  f.  klass.  Philol.  1890,  S.  439—40.  — 
E.  Eg'g'er:  spatiwn  i.  d.  M6m.  d.  1.  Soc.  d.  Liiig.  V,  47  ff.  —  A.  Fiek: 
Etyraologieen,  Bezzenb.  Beitr.  z.  K.  d.  idg.  Spr.  XII,  161 — 2:  con-vexus 
zu  ahd.  wahs  ,, scharf",  gr.  cpo|o;;  vömis,  -mer  zu  ahd.  waganso,  gr.  ocpvu, 
ö'caTa.  —  Desgl.  ebdt.  XIV,  79:  uxor  zu  ind.  ucjati  er  findet  Gefallen 
au,  gr.  o-'j''co.  —  Desgl.  ebdt.  XVI,  170 — 1:  aeruscans  bettelnd,  zu  ahd. 
eiscöu  heischen;  ornus  -^  *osim\s,  zu  lit.  usis.  —  Desgl.  ebdt.  XVII. 
320 — 4:  cupio  zu  got.  hugja;  haculum,  gr.  ßdfxTpov  zu  dtsch.  Kegel, 
Keil  (aus  *gagl6-);  graciilus  zu  ahd.  chragil  „garrulus";  Iuris  zu  gr. 
-"j(a)r,s;  hüfö  zu  ind.  gödhä  ..kuhaussaugend",  eine  grofse  Eidechse; 
hämus  =  *liab-mus  zu  Hesych.  yoi^or  y.a[XT:u).ov,  Wurzel  zag.  —  \. 
Fierliiig'er :  02^^/wms  zu  ö-pet- ,, anstreben"  (?),  Kuhns  Ztschr.  f.  vgl.  Spr. 
XXVII,  478.  —  C.  Frick:  assis  auch  Fem.,  asse  Xtr. ;  diponclium 
nebeii  -ins;  vitria  neben  -trea;  Curis  Abi.  st.  Curibus,  im  Arch.  f. 
lat.  Lat.  VI,  566.  —  A,  Fritz,  Zur  Illustration  der  Etymologie  einiger 
lateinischen  Ausdrücke.  Hörn  1884,  44  S.  8.  —  F.  Frölule:  Griech. 
n.  Lat.  Etymologieen,  in  Bezzenb.  Beitr.  z.  K.  d.  idg.  Spr.  XVII,  303—19, 
davon  lateinisch  n.  12—30:  arbutus  zu  ahd.  ert-beri  (von  erda?): 
au-gur  zu  lit.  ziüieti  hinsehu,  asl.  zireti;  zeru  „visus";  halbiis  zu 
lud.  galpati  er  redet  undeutlich;  Favöniiis  Tauwind,  zu  ags.  deav 
Tau,  aber  iähere  zu  ahd.  douwen,  ags.  J^ävan;  foechis  zu  lit.  geda 
Schande;  jnha,  jubar  zu  gr.  e8eipa;  lltus,  l'imus  (Gürtel)  zu  dtsch. 
leiste;  manticulare  zu  asl.  maniti  täuschen,  s.  gr.  jjLsxa-jxtuvio?; 
moUis  zu  gr.  |i.aXi)Gty.6; ,  vgl.  mollica-lus,  dtsch.  milde;  vgl.  sallere  = 
'•'saldere,  dtsch.  salzen:  oportet  zu  op-  u.  ortus,  s.  gr.  apTio;,  ind.  rta-s; 
proceres  zu  gr.  -T.^z~rfi,  gen.  pl.  procum;  pro-cer  wie  de-gener  (!); 
concilium  zu  gr.  dial.  T-eXeov  xo  auX^rj-sjöai,  verwandt  mit  tü.o;,  dor. 
a--£>.Xa;  corrlgia  (vielmehr  corrigia)  zu  got.  räips  Riemen;  nimex  zu 
lit.  rvigti  sauer  werden  (ugm  unlateinisch);  saepe  zu  saeplre,  s.  gr.  'x\\t.- 
azid,  dessen  zweiter  Teil  zu  sentis  gehört  (nach  Schrader),    vgl.  dtsch. 


200  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

dicke:  suatla  Winde,  zu  lit.  sükti  winden;  ter{h)nics  zu  gr.  rep/vo;; 
väg'ire  zu  got.  vöpjan,  —  A.  Funck:  satur  Arch.  f.  lat.  Lex.  V,  33  fi\ 
(auch  Progr.  Kiel  1888,  37  S.  4);  Nachtr.  ebdt.  263.  —  cultor,  tervinm, 
satullo  ebdt.  VI,  7  ff .  —  columnafiis,  indemnis,  in  se,  malacia  ebdt.  255  ff. 
—  prodigium,  Bestätigung  der  Herleitung  von  äjo  (s.  adagium,  indigito, 
-gitaraenta,  nego,  Ajus)  durch  Cic.  nat.  deor.  II,  3,  7  prodicunt  (Konj. 
statt  praedicunt),  in  d.  Idg.  Forsch.  II,  367—8.  —  Giles:  augiir  in  den 
Transact.  of  the  Cambr.  Philol.  Soc.  1890,  4.  Dec.  (s.  Acad.  n.  972, 
p.  596).  —  J.  Greeiiough:  Some  latin  etyraologies:  procul,  recens, 
elementum,  in  d.  Harvard  Studies  I,  93  ff.  —  Fr.  Härder:  olli  Adverb 
(An.  I,  254;  Lucil.  ine.  152),  s.  Fest,  ollic.  —  J.  Hatfield:  tonsa  „oar", 
in  J.  Hopkin's  Univers,  Circ.  IX,  p.  30.  —  E.  Hauler:  gladiatoricius, 
incoepisse,  luxuriator,  praedicatrix ,  Arch.  f.  lat.  Lex.  IV,  323  f.  — 
animahüis,  offocare,  pulsus,  Arch.  f.  lat.  Lex.  V,  142  f.  —  compasto- 
ralis,  ebdt.  564.  —  increhrare,  ebdt.  578.  —  J.  Hausleiter:  amarefaciOy 
candehrum,  ebdt.  564.  —  utrumque  Adv.  Lukr.  (3  ra.,  nicht  utrimque), 
sonst  spät.  Arch.  f.  lat.  Lex.  V,  565—6.  —  F.  Haverfiehl:  cavülor, 
Glass.  Rev.  I,  244.  —  Lexicogr.  notes  II:  carhasus,  hiremus,  corhes, 
<orneliatim,  cyma,  dimersia,  lasar,  lien,  magndbus,  nescibo,  rien:  essendo, 
cssem,  im  Journ.  of  Philol:  XIII,  299  ff.  —  L.  Havel:  Mem.  d.  1.  Soc. 
de  Ling.  V:  1.  sinn,  s,  5f  p.  159;  2.  ilico;  Jitppiter  p.  229  ff.;  3.  ähie- 
gnus  p.  393;  4.  deus,  dea;  socors,  solvo  p.  442  ff.;  5.  antioper:  liiems, 
ver;  homö,  nemo,  p.  446  ff.  — paiiciloquus,  gremia  (zu  gremium)  Arch. 
f.  lat.  Lex.  II,  134—5.  -  filia  (dea),  ebdt.  S.  482.  —  sollus,  vix,  ebdt. 
266.  —  coliiher  =  yiXuopoi  Arch.  IV,  142;  dagegen  0.  Keller  =  axoXo- 
-evopa,  ebdt.  140.  —  expedire,  ebdt.  246.  —  quai  in  d.  Rev.  d.  Philol. 
XI,  64.  —  pidpitare  Arch.  VI,  46.  —  pridu'  Mem.  d.  1.  Soc.  d.  Lingu. 
IV,  229.  —  \.  Henry:  fernen  zu  dtsch.  bein,  in  d.  Mem.  d,  1.  Soc.  d. 
Lingu.  V,  233  f.  —  Y.  Hintiier:  menV?/es  =  *medi(u8)  dies,  gegen 
J.  Sto  Wasser 's  Ableitung  aus  merus  dies,  Prgr.  Wien  1886,  10  S.  8; 
s.  Arch.  f.  lat.  Lex.  III,  566;  H.  Ziemer  AVoch.  f.  klass.  Philol.  IV, 
788  f.;  dazu  A.  Stein  meridies,  Acad.  1887,  p.  418;  M.  Warren  on 
meridie,  its  derivation  and  early  use,  Amer.  Journal  of  Philol.  1886, 
p.  228  ff.  und  meridies,  ebdt.  1887,  p.  82  f;  dann  Hintner  Noch  ein- 
mal meridies  (über  merus),  Prgr.  Wien  1890,  11  S.  8;  s.  Zeitschr.  f. 
d.  österr.  Gymn.  XLII,  557;  Arch.  f.  lat.  Lex.  VII,  605;  G.  Hergel 
Woch.  f.  klass.  Pliilol.  VIII,  1401.  —  0.  Hoffmauii:  Etymologieen. 
in  Bezzenb.  Beitr.  z.  Kunde  d.  idg.  Spr.  XVIII,  285—292:  6.  fäns, 
ßcundus,  zu  lit.  dykti  keimen,  Wurzel  dhejgh,  lat.  *feih,  s.  Hesych. 
~t\.yt%-  -ziy.ii  (also  foetus  falsche  Schreibung);  15.  volnus,  zu  ind.  vrana- 
Rifs  (schon  bekannt);  1  Sonant.  —  C.  Hofmaim:  mediamis  Arch.  f. 
lat.  Lex.  IV,  43.  —  F.  Holthauseu:  glns,  -iltis  u.  s.  w.,  vielleicht  zu 


Etymologie.    (Ueecke.)  201 

(Itscl).  kloss,  klotz  (doch  s.  gr.  7/V016;),  in  Kuhns  Zeitschr.  f.  vergl. 
Sprachf.  XXVIII,  282.  —  cae-d-o  zu  dtsch.  heien,  Paul-Br.  Beiträge 
XJ,  554.  —  0.  Iminisch:  cena  =  *sced-nä  zu  Wurzel  sce(n)d,  gr. 
7X£8avv'jij.i ;  sab.  scensa  =  "scendiä;  umbr.  qersna  =  *sce<t-snä,  s.  gr.  sxe- 
00c;  aber  siliceruium  =  se  lucernis  (V),  in  Bezzenb.  Beitr.  z.  K.  d.  idg.  Spr. 

XIII,  139 — 142.  —  J.  Ingram:  trihunicius;  defruta,  in  d.  Hermathena 

XIV,  366  ff.  —  K.  F.  Johaiinssen:  Miscellen,  in  Bezz.  Beitr.  XIII. 
111 — 128:  Die  Städtenamen  auf  -l,  -ae  sind  eig.  Lokat.  Sg.,  wie  die 
;.:riechischen  auf  -01,  -at,  z.  B.  Fundi~m  fundo,  ind.  budhne;  Velitrae 
-^  vallensi  seil,  in  nrbe,  vom  Adj.  *vel-i-^t(e)r-os,  in  welchem  wieder  ein 
Lokat.  *vel-i-ter  steckt,  mit  doppelter  Lokativendung.  —  Etymologische 
Beiträge,  in  Kuhn 's  Zeitschrift  f.  vergl.  Sprachf.  XXX,  346—51:  2. 
krä-  w^as  emporsteigt,  sich  erhebt;  daher:  cervus  aus  *kara-na-s;  cervix; 
ijerehrum  aus  "''ceresro-m ;  crahrö  aus  *cräs-ron;  cornu:  crinis;  crista 
aus  'kräN.  Aber  krä-  selbst  geht  zurück  auf  kä-rä,  Weiterbildung  von 
kä  aus  äkä,  von  Wurzel  äk,  wozu  acet',  cos  u.  s  w.  (wenig  wahr- 
scheinlich!); 3.  feles,  -is  zu  ahd.  bilich,  Bilch.  — Fortsetzung-  S.  428 — 
452:  6.  /irtm?a  =  sab.  fasena,  von  Wurzel  bhas  zerreiben,  gr.  <j^afxp.o; 
(schon  früher  vermutet!);  8.  callis  Wald  (verschieden  von  callis  Pfad) 
zu  dtsch.  holz  (11  =^  Id);  9.  silex,  dissimiliert  aus  '''scilex,  ursp.  *scelex 
(i  aus  dem  Genitiv  durch  Assimilation),  oder  *scolex,  Stamm  *scolic- 
ans  *sknk-  zu  asl,  skala,  Gen.  scalja,  verwandt  mit  lat.  calx,  calcis; 
vorital.  '•'(s)kalk-s,  Gen,  *sklakes;  hierzu  auch  siliqua  die  Schote  =  asl. 

skolika;  10.  6rem=  *mrehv]-  zu  ahd.  murgi;  /w&ernMS  =  *himrinos, 
gr.  -/£i[i.(c)piv6;;  iüher  aus  *tumr-,  s.  tumere,  tumor.  —  0.  Keller:  salura, 
im  Pliilol.  XLV,  389.  —  qiies  (Cato  Orig.  frg.  1),  s.  quescumque  (ders. 
nach  Charis.  p.  91);  muscülis  pro  parvis  muribus  (nicht  moscillis  pro 
pravis  moribus)  Cato  bei  Festus;  Melo  für  Nilus  dialektisch,  im  Arch. 
t.  lat.  Lex.  IV.  139  —  140.  —  magis  ist  kein  Komparativ,  sondern  heilst 
eigentlich  „sehr":  ebenso  nimis,  potis,  satis;  auch  minus  ist  kein  Kom- 
parativ, vgl.  secus,  necessus  (?).  —  Zur  lateinischen  und  griechischen 
Sprachgeschichte.  Jahrb.  f.  klass.  Philol.  1886,  S.  261—271;  697—708; 
843 — 854.  Daraus  hierher  I.  äpex  Stachel,  zu  apis;  siilus,  Lehnwort 
aus  irruXo?;  taeda,  Lehnwort  aus  dem  Acc.  oatöa,  o«Töa;  siliqua,  desgl. 
aus  ^yXiy.r]:  vTcus,  desgl.  aus  FoTxoc;  tesies,  ui-sp.  Zeugen,  dann,  wie 
-apaaTaxoti.  Hoden,  wofür  durch  Differenzierung  testiculi;  promuscis  aus 
apoBoaxt?  durch  Anklang  an  promulsis,  wie  caduceus  =  xctpoxeiov  durch 
Anklang  an  caducus  (?);  hortus,  wovon  co-hors  u.  s.  w.,  Lehnwort  aus 
•/opxo?;  ninctari  von  cuoctus,  eig.  sich  zusammendrängen  (von  Heerden, 
Volk),  dann  „stocken"  (?).  —  II.  Juppiter  Solutorlus  (spanische  Inschr.) 
aus  Salntaris  mit  Anklang  an 'EXeuSepios;  musiricula,  vulgär  aus  *mon- 


202  Lateinische  Grammatik.     (Dccckc.) 

stricula,  zu  monstrare;  feriae  denicales,  von  denique,  „abschlielsciule'' 
Feiertage:  verwandt  donicuni,  -uec;  hasta  für  •  asta  -^  ind.  astii  Gescbofs, 
von  as  „werfen"  (s.  Varro  1. 1.  V,  115);  res  Vermögen,  zu  reri  rechnen; 
reus  von  res  in  der  Bedeutung  „Kechtssache" ;  Julius  zu  iouXo;;  Caesar 
zu  caesaries,  oslvisch  (V)  chenso  Kaeso;  mous  Caelius  „der  gewölbte 
Berg",  zu  y.oiXoj;  partes  zu  rapr/t;,  Trapeia;  interini  enthält  einen  Ablat 
im  (!),  wie  illim,  istim;  vgl.  inter-eä;  piscis,  nebst  aci-pe»ser,  penis 
(aus  *pesnis)  zu  einer  Wurzel  pis,  pes,  pit,  pet  „klein  sein";  exinfulahaf 
von  iufula;  dignus  mit  abl.  pretii;  incile,  Lehnwort  aus  s'y/.oiäov,  daraui> 
erst  incilare.  —  III.  suh  corona  vendere  als  bekränztes  Opfer  (etwa  für 
den  Mars);  Argei  an  Stelle  der  Gveiscnopfer  (sexagenarii  de  ponte)  als 
Opfer  in  die  Kapellen  eingemauerte  oder  ertränkte  Griechen,  dann 
Binsenpuppen.  —  Mit  wenigen  Ausnahmen  enthalten  I  u.  il  nur  geist- 
reiche Phantasiespiele :  vgl.  übrigens  unten  des  Verfassers  „Lateinische 
Volksetymologie".  —  H.  Kothe:  jyassiis,  eig.  Klafter  (pandere  von  den 
Armen),  Arch.  f.  lat.  Lex.  VI,  ÖG7.  —  pracstare,  in  der  Bedeutung 
,, bürgen,  leisten"  von  praes  (aus  prae-vas) ,, Bürge",  daher  dann  =  *praed- 
stare,  ebdt.  VII,  Ho  ff.  —  Ig'ii.  Kozlowski:  uhi,  unde,  uti  gehören 
zum  Pronomen  u;  s.  avest.  uiti  „ainsi",  ursp.  demonstrativ,  dann  relativ, 
dann  interrogativ;  ein  *cuti,  "'quoti  fehlt.  Kuhn's  Ztschr.  f.  vgl.Sprachf. 
XXX,  563—4.  —  ii.  Luiidgral*:  angiporium,  Arch.  f.  lat.  Lex.  V, 
139  f.  —  egens  ==  exgens,  s.  Liv.  II,  6,  2  extorris  egens  (nicht  egens 
von  egcre),  anderwärts  exsulans  atque  egens;  P.  Diak.  exe.  Fe.  177 
M.  egens  velnt  exgens,  vgl.  dtsch.  elend.  —  (jI.  Laue:  cllum  (bei  Plaut.. 
Ter.),  in  d.  Harvard  Stud.  I,  192  f.  —  S.  Lcfiuiniii:  leo,  gr.  /iFov-- 
=  ind.  ravant-  ,,der  Brüllende",  in  Bezzenb.  Beitr.  z.  Kunde  d.  idg. 
Spr.  X,  302.  —  J.  Lotli:  ossismi  et  oximi,  in  d.  Mi'^m.  d.  1.  Soc.  d. 
Lingu.  V,  154  f.  —  v»r«(5  = '''is-mus  zu  altir.  Ts  „infra",  ichtar  Unterteil, 
Mem.  d.  1.  Soc.  d.  Lgu.  V,  231.  —  E.  Lübbcrt:  Die  Etymologie  des 
Nomens  Mus  in  augusteischer  Zeit,  Arch.  f.  lat.  Lex.  IV,  531.  — 
J.  Mälily:  ömenim  Philol.  XLVII,  568  f.  —  J.  K.  B.  Mayor:  natarc, 
Arch.  f.  lat.  Lex.  IV,  531.  —  in  puris  naturalibiis,  Journ.  of  Philol.  XIII, 
223  f.  —  iL  3Ieyer:  Etyraologieen,  in  d.  Idg.  Forsch.  I,  319—29:  1. 
asinns  aus  uord.  ''asnas,  wie  gr.  o(!j)voj,  zu  armen,  es,  Gen.  isoj;  s. 
wegen  des  i  z.  B.  niina.  —  3.  jj2??/tf5  ^- mus-lus,  zu  alban.  mus-k,  venet. 
niusso.  —  <i.  teha  (Varro  r.  r.  111,  16)  zu  vergleichen  mit  kar.  xaßa, 
Stadt  Ta^joti;  gr.  erjßaiV  —  Ebdt.  II,  368—9:  ligida  zu  asl.  luzica  Löffel, 
Deminutiv  von  "luga,  alban.  Tuge;  angelehnt  an  lingua.  —  higae^'-'hi- 
igae  von  agei-e,  Ztschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  XXXVI,  281.  —  vescor  = 
ve-ed-seör  Lit.  Ctrbl.  1890,  1513.  —  W.  Meyer:  j^recwZa  -  pergula,  in 
Kuhns  Ztschr.  XXX,  335  ff.  —  malacia  Windstille,  Arch.  VII,  520.  — 
A.  Miodoiiski:  Icstia  Dissert.  Krakau,  s.  E.  Wölfflin  Arch.  III,  301.  — 


Etymologie.    (Üeeckc.)  203 

ucgotnnn,  filius,  i.  d.  Zeitsch.  f.  d.  östevr.  üynni.  XXXIX,  102  ff.  — 
H.  D.Müller:  Etymologieeu,  Bezzeub.  Bciti-.  z.  Kunde  d.  idg.  Spr.  XiU, 
311 — 316:  capcr  zu  Wurzel  kamp  ,, zittern":  angiiis,  imgulus  zu  agere, 
Wurzel  ag  sclnvingen;  haedus  zu  gr.  /atTr;,  AVurzel  ghid(h)  wachsen: 
n)dor  zu  Wurzel  gnidh,  giudh,  gbiud,  gbidli  .^riechen";  f andere,  fundo 
zu  baktr.  bud  „riechen"  (!),  inhd.  biuzen  stol'sen;  secus  zu  iud.  sacä  „mit", 
gr.  l'vcxa  =  *(3£-vs-xa;  saepire  zu  W^urzel  sip,  s.  lat.  simjmhim,  simpuvium, 
gr.  air.u;,  airuw;  lupiis  zu  ind.  lopäka-s  Schakal,  von  Wurzel  lu(m)p  zer- 
brechen: vulpcs  zu  got.  vulf-s  von  Wurzel  val(p)  ,, rauben".  Durchweg 
unhaltbare  Willkürlichkeiten.  —  3Ioiiltoii:  fenestra  zu  *bheno-  oder 
bhimo-,  Erweiterung  von  bhcä  „scheinen".  Proceed.  of  the  Cambr. 
Philol.  .Soc.  1890,  22.  Mai  p.  9.  —  ^fax  Müller:  Biographies  of  AVords 
and  the  horae  of  the  Aryas.  London,  1888,  278  .S.  8.  Darin  von  S.  79 
an  Geschicke  lateinischer  AVörter:  fors,  forttma  zu  ind.  har  ,, glühen", 
eig.  Göttin  der  Morgenröte,  denn  die  Morgenfrühe  bringt  Glück;  ebenso 
gr.  yapu,  yapitec;  vgl.  Acad.  N.  823—28,  auch  A.  L.  Mayhew  fors 
Maximiliani  ebdt.  N.  824;  ferner:  esse  zu  ind.  as  „atmen";  memor  zu 
iud.  smar  „sorgen,  lieben,  wünschen";  gnösco  zu  ind.  gan  „stark  sein, 
können,  zeugen":  vioneo,  memini  zu  maneo,  da  die  Gedanken  bleiben, 
die  Sinnesempfindungeu  vergehu  (V);  sagax  ,, spürend";  persona,  kausativ 
zu  personare;  littera  nicht  mit  Breal  zu  o-.rpOspa,  Herkunft  noch  unbekannt: 
pcndere  zu  spand  „schütteln",  indem  das  älteste  Wägen  durch  Schwingen  in 
der  Hand  geschah,  wie  noch  jetzt  bei  Gänsen;  aesthno  von  aes  und  Suff, 
-tumus,  das  die  Beschäftigung  mit  etwas  ausdrückt,  s.  ueditumus;  capio 
zu  ind.  kamp  ,, zittern".  —  Aleles  zweifelhaft.  —  nömen  Acad.  1887,  p.  289. 
—  K.  Naiick:  instabilis  nicht  fest;  inndbilis  nicht  flüfsig  (Ov.  Met.  I), 
Arch.  f.  lat.  Lex.  II,  134.  —  A.  Ncliriiig:  hidens,  amhidens  (hostia) 
,,mit  2  grofsen  Schneidezähnen",  die  beim  Schaf  nach  1^2  J.  durch 
Wechsel  eintreten,  beim  Eind  nach  l'/^— 2  J. ,  was  zu  Servius'  quasi 
biennis  stimmt.  Jahrb.  f.  klass.  Philol.  1893,  S.  04—68;  vgl.  A.  Spen- 
gel  bidens,  Blätter  f.  d.  bayr.  Gymn.  XXIV,  262  ft".  —  W.  Neisser 
Indogermauich  ger  I  ,, schwingen",  dazu  lat.  hrütus  (s.  brutum  pondus) 
und  -(jruere.  Bezzenb.  Beitr.  XIII,  292—299.  —  J.  Nctusehil  Zur 
Etymologie  von  pontifex  und  der  ursprünglichen  Bedeutung  des  Kol- 
legiums. Berl.  Phil.  Wochenschr.  1891,  Nr.  28:  po^is  ist  „Weg",  der 
pons  sublkius  „Brücke,  Pfahlweg",  im  Gegensatz  zu  den  „Landwegen". 
Das,  ursprünglich  weltliche,  Kollegium  der  pontiiices  erhielt  geistliche 
Bedeutung  wegen  der  Instandhaltung  der  Wege  für  die  religiösen  Um- 
züge. —  Ders.  Zur  Etymologie  und  Semasiologie  von  iste  und  ipse  nebst 
Zubehör.  Arch.  f.  lat.  Lex.  VII,  579—581:  is-te  enthält  in  te  eine 
Form  des  Pron.  der  2.  Pers.,  ip-se  in  se  der  3.  P.,  wozu  der  Gebrauch 


'>()4  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

stimmt:  das  ip  ist  =  i-pe  (oder  -pi?),  s.  nem-pe,  quip-pe,  quis-p(e)-iam 
u.  s.  w.;  es  steckt  auch  in  -p-te.  Geistreich,  aber  nicht  haltbar.  — 
H.  Nettleship:  avermncus,  densiis,  ohnoxim,  obscenus,  sentio,  in  den 
Transact.  of  the  Oxf.  Pliilol.  Soc,  1885—6,  p.  10  ff.  —  dieredus  Joiirn. 
of  Philol.  1887,  p.  186  ff.;  s.  A.  Palmer:  directus  ebdt.  1886,  p.  132.  — 
saeadum  ^  ^^saviculum  von  Wurzel  su  „zeugen",  Arch.  f.  lat.  Lex.  IV, 
598  f.;  s.  ob.  Sam.  Brandt.  —  ambagio,  ambigio,  ebdt.  V,  106.  — 
sportula,  Class.  Rev.  II,  37.  —  biistuarium,  in-overbnim,  ambitio,  im 
.Tourn.  of  Philol.  1888,  p.  119.  —  angii Stator ,  Arch.  f.  lat.  Lex.  V, 
222.  —  cognomen,  -mentum,  Comment.  Wülfflin.  p.  183  ff.  —  H.  Ost- 
hüff :  vehemens  =  ind.  vahamtin(a)s,  wie  ind.  cräjaman(a)s  =  clemens 
^  *clei-e-men(o)s  zu  clinö,  Arch.  f.  lat.  Lex.  IV,  463.  —  laciö=-  'Ikiö 
zu  ahd.  locchön:  gradior  =^  ghYdMö  —  zu  got.  gridi-,  Morphol.  Forsch. 
V,  III.  —  voveö  ebdt.  82.  —  anculm  =  *amb(i)-qolos  =  «lAcpiTToXo; ; 
daraus  ancula,  ancilla,  anc(u)lare,  also  nicht  zu  Ancus  (?) ,  in  Bezzen- 
berg.  Beitr.  XV  316.  —  sors  =*sorc-ti-s,  zu  ind.  srgäti  „er  wirft 
aus",  s.  sortes  (ef-)fundere,  ebdt.  XVII,  158,  —  J.  Ott:  idlageris, 
Arch.  f.  lat.  Lex.  IV,  388.  —  scopere,  scobere,  ebdt.  615.  f.;  s.  Pe- 
tschenig,  Wiener  Stud.  VII,  35.  —  Paulus:  Was  heißt  2yer  ßdem'^ 
Korresp.  1'.  d.  württemb.  Schulen  XXXIII,  S.  480  ff.  —  Per  Perssou: 
Über  den  demonstrativen  Pronominalstamm  wo-,  ne-  und  Verwandtes. 
Indg.  Forsch.  II,  199—260.  Aus  dem  Lateinischen  kommt  dabei  vor: 
ne  „wahrlich!",  daneben  nae  (?)==gr.  var,  yiempe  neben  nam,  e-nini, 
Doppelstamm  nä  und  ne  (?);  zweifelhaft  ist,  ob  nmn  zu  letzterem  gehört, 
wegen  des  Xebenstammes  un;  das  m  in  nam  (auch  quis-,  ubi-,  uti-nam), 
nem-,  num  ist  die  Partikel  -(e)m,  -(o)m  oder  Instrumentalis  (?,  eher 
Acc).  Die  aftirmativc  Partikel  -ne  in  ([uandone,  quin  und  Kom- 
positen; egone  u.  s.  w. ;  hiccine;  geschwächt  in  de-ni-que,  do-ni-que 
(dönec),  do-ni-cum  (oder  dönic-nm?),  vgl.  zu  de-,  dö-  gr.  otq,  quan-dö; 
vielleicht  sin  —.  si  vero  (?);  ferner  pö-ne  (^  *pos-ne),  super-ne  u.  s.  w.; 
8ine^"se-ne,  zu  sed,  se  (!);  schwerlich  in  quo-n-dam,  ta-n-dem,  qvaa- 
n-de,  quando,  worin  eher  quom,  tarn,  quam  stecken;  ebenso  nicht  in 
i-n-de,  u-n-de,  worin  auch  eher  im  und  um  liegen;  s.  einerseits  ex-im, 
ill-im,  inter-im,  andrerseits  un-quam  (Fest,  im  —  eum;  um  viell.  =  quum); 
das  -de  wie  in  quam-de.  Das  Pronomen  no-  soll  dann  im  Suffix  -nus 
vorkommen:  ii-nus;  prö-nus  u.  s.  w.:  hornus,  von  "ho-r  „hier"  (!);  ver-, 
hiber-,  uoctu-r-nus  aa.  Verwandt  soll  sein  der  Stamm  neu-,  nu-  in 
novas,  nüper,  nüdius,  (richtiger  nüdius?)  n.  s.  w.  —  Ders.  natis^  -tes 
zu  gr.  vorft,  vwTov,  in  d.  Nord.  Tidskr.  for  Filol.  IX,  307  ff.  —  Vjac. 
Petr  Lat.  Etymologieen.  Bezzenb.  Beitr.  XVIII,  281—5:  1.  carere  zu 
xäoTtop  „Kratzer",    ind.    ki'i<ämi   ich  reibe;    nicht  dazu   cärinare,    nach 


Etymologie.    (Deecke.)  205 

Servius  ===  obtrectare,  zu  gr.  Xapivo?,  einer  komischen  Tlieatertigur  ( ?).  — 
2,  cö-nw-ere  nebst  nictus,  -tare  zu  '^cnigv-,  s.  got.  hnei(q)van,  während 
nicere   zu   sl.  po-nik-näti  gehört.    —  3.    flägitium    zu    sl.    blaz-nu    von 

Wurzel  bhlag(h).  aber  flögitarc  zu  baktr.  berega,  Wurzel  bhrag  „ver^' 
laugen".  —  4.  stringere  fassen,  fesseln,  zu  gr.  axpa-y-jaXf^,  dtsch. -streng: 
verschieden  von  stringere  streifen,  zu  gr.  sxptS,  dtsch.  streichen;  tergere 
zu  russ.  trngat'  „antasten".  —  Hpiiio  Pfauiieiisclimidt :  velum  ,, Fahr- 
zeug, Flofs",  Arch.  f.  lat.  Lex.  IV,  413—421.  —  W.  Prelhvitz,  Die 
Präposition  aä,  Bezzenb.  Beitr.  XV,  158  ff.  —  Ders.  Die  Wurzel  rädh 
,.zu  Fall  bringen",  ein  Beitrag  zur  Bedeutungsentwicklung,  ebdt.  XIII, 
l42 — 5.  Hierher  lat.  läbor^gr.  Xrj{)o|xat;  ferner  labare,  läbes,  läbidus, 
auch  Mbor  (?),  sowie  lassus  (?).  —  J.  S.  Reid:  stitulus,  Class.  Rev. 
I,  78.  —  E.  Renn,  äefioculus,  Arch.  f.  lat.  Lex.  V,  398.  —  0.  Ribbeck: 
culleolum,  callicula,  aris,  speculum,  trux,  Arch.  f.  lat.  Lex,  11,  121  if.  — 
apinae  tricaeque,  in  d.  Leipz.  Stud.  IX,  337  ff.  —  K.  Rittweger:  De 
equi  vocabulo  et  cognominatis.  Diss.  Leipz.  1890,  56  S.  8.  —  H.  Rönsch: 
amhidare,  Berl.  Philol.  Wochenschr.  V,  1571.  —  liliiim,  monile,  siibüHlvs, 
Zeitsch.  f.  d.  österr.  Gymn.  XXXVI,  S.  823  ft'.  —  promuntorium,  quidem. 
caraha,  excetra,  torvus,  Berl.  Philol.  Wochenschr.  VI,  67  f.;  98  f.:  259  f.: 
290  f.  —  palma,  curcilla,  ebdt.  VI,  1515  f.  —  abdomen,  Zeitschr.  f.  d.  österr. 
Gymn.  XXXVII, S.  589  ff.  —  W. Röscher:  ca^e«a  =  calumniator.  Jahrb.  f. 
class.  Philol. 135,  S.  408.  —  Georg  von  Sabler,  Etymologieen  nebst  laut- 
uud  formgeachichlichen  Bemerkungen.  Kuhns  Zeitschr.  f.  vergl.  Spracht. 
XXXI,  S.  274—282.  Hierher:  1.  cfrcühs  Schurke  (Plaut.)  =  * p(e)cu- 
cülus,  zu  trennen  von  cücülus  Kuckuck  (!).  —  3.  er  =  *  eher  aus  *egh-er, 
gr.  sy-Tvoj  und  y•^^p  =  *(e)gher-s.  —  4.  Nero  u.  s.  w.  zu  avep-  =  *mner 
von  men  denken.  —  6.  gurdus  zu  sl.  grüdii  stolz.  —  7.  herha=^  *gherdhä 
zu  hordeum,  xpiöi»^.  —  9.  haereo  von  *haerö  „Stock"  (!)  zu  yat((j)o;, 
dtsch.  ger.  —  11.  vituperare  aus  vi-  und  einer  Ableitung  von  Wurzel 
tup,  stup,  s.  gr.  TUTCxeiv,  lat.  stuprimi  (!).  —  12.  percellere  von  *-callere, 
AVurzel  qals,  wozu  callum,  calUre,  gr.  x^Xov  =  "^'qals-om,  xvjXea;  ursp. 
sqals  (oder  sqaldV)  von  sqal,  sql,  s.  scal-pö,  scul-pö  (Vj.  —  13.  stinguö 
^^'^stengv-ö  zu  aTe'jx^o),  got.  stigqa.  —  14.  reor  zu  lit.  reju  schreie, 
brülle,  Wurzel  vre  neben  ver,  lat.  ver-bum  (?);  auch  rmm==*vracna 
(Fick),  nebst  raccare,  rancare  von  *vre-q.  —  15.  formus  warm,  zu 
Wurzel  bhver,  wozu  auch7en;ere  und  furere,  Ind.  bhoräti  (Aor.-  Präs.); 
auch  furnns.  —  Wenig  förderliche  Vermutungen  ohne  strenge  Beweise.  — 
F.  de  Saussure:  sttdo  Mem.  d.  1.  Soc.  d.  Lingu.  V.  418.  —  Joh. 
Schmidt,  Die  griechischen  Ortsadverbia  auf  -ut,  -ut;  und  der  Interrogativ- 
stamra  ku.  Kuhns  Zeitschr.  f.  vergl.  Sprachf.  XXXII,  394—415.  Hier- 
her:   S.  404:   Stamm  arisch  ku,  südeurop.  kvu,    ital.  quu:    sonst  keine 


200  Latf'iuische  Grammatik.     (Deeckc.) 

andern  Beispiele  für  ital.  riuu  im  historischen  Latein,  denn  cutis  von 
ku ;  vapor  von  kvap;  in-vüus,  invttnre  zu  prenl's.  quäits  AVille;  vannus 
zu  ahd.  hwennen,  also  alle  3  mit  v  =  kv.  Demnach  ward  ans  *quubei 
(nmbr.  pufe,  osk.  puf):  *vnbei,  ubei,  zih'r,  inlautend  dagegen  si-citbi, 
iii'-cuhi,  nun-cuhi,  vulgär  nescio-cuhe,  wie  cu  -^  quu  in  arcvlus,  quincuplex: 
ebenso  uncle,  si-cunde;  uter^  ne-cuter,  auch  mußiam,  usque,  icsquam,  uspiam. 
ittei,  ut.  Das  -i  in  ubei,  utei,  auch  ibei.  erklärt  sich  aus  angehängtem 
id  (?),  s.  ved.  küha  id,  ihä-id,  s.  med,  ted  u.  s.  w.,  pröd  mit  demselben 
id  (?);  das  e  in  ube-i  u.  s.  w.  ist-=ind.  a;  so  aucli  ute-i  =  avest. 
kutha  —  id;  ut  aber  ist=.ute  (ohne  i^id);  dagegen  ist  r/iio^-^- *quoti. 
In  un-quam  =  *quun-quam  steckt  ein  temporaler  Instrumentalis  —  goi. 
•hun  „wann",  enklitisch  „irgend  wann".  Das  üs  in  iisque  u.  s.  w.  —  osk. 
püz,  umbr.  püz-e  ist  =  ind.  küt(a)s  woher?  (vgl.  osk.  liürz  —  hortus ) : 
nfrum  gehurt  zu  ind.  kütra  wo?  wohin?:  davon  uter,  das  also  nicht  zu 
gr.  iioTspoc  gehört  (!).  Eine  Neubildung  ist  unde,  —  Das  Letztere  sehr 
wenig  wahrscheinlich!  —  Ders.  ebdt.  415 — 419:  qmrquir  arbor  „jener 
Baum,  dessen  Ort  ich  nicht  genau  kenne"  (gegen  Jordans  Deutung 
^  quisquis),  also  quir-  mit  ursp.  r  wie  ind.  kar-hi,  got.  her,  hiri;  s.  auch 
lat.  quor,  cilr.  —  J.  Sclnnidt;  impaesiator  Arch.  f.  lat.  Lex.  III, 
Heft  2.  —  Fr.  Scholl:  purarc  Arcli.  f.  lat.  Ijex.  II,  123  f.  —  yerundmm 
^activum,  ebdt.  203  f.  —  lausa  Grabplatte,  ebdt.  IV,  '2öS.  — 
0.  Sc'hrader,  Etymologisches  und  Kulturhistorisches.  Kuhns  Zeitschi\ 
f.  vgl.  Sprachf.  XXX,  461 — 485:  4.  sentis  zu  gr.  *a(jt-c  in  aijx-aoia.  — 
10.  S071S  =  *svnti-s  zu  gr.  arr,,  Wurzel  sven  betören  —  sven  tönen  (?).  — 
14.  ab-dömen  Überfettung  (s.  ab-undare)  zu  gr.  or,|jLo;.  —  22.  (schon 
Brugmaim)  cerdo  zu  altir.  cerd  Handwerk;  Künstler:  gr.  /.spoo;  zu 
xotpS-'a  (.').  —  41.  Falernus  zu  gr.  yaXi^-,  thrak.  uXoti  (!).  —  Nur  n.  4 
wahrscheinlich.  —  W.  Schulze  Kuhns  Zeitschr.  XXVIII,  280:  vaghut 
zu  lit.  voiti  den  Deckel  öffnen,  väzas  der  Deckel.  —  Miscellen.  Ebdt. 
XXIX,  25.J — 271:  nlt or  ^=  *\o\cXo\  zu  gr.  äcso;  P'a).y.Tr;pa  H  48.'), 
verschieden  von  otÄy.T/jp  Abwehrer.  —  sangveii  zu  ajj-viov  -^-^  '^"  aaixßviov 
-;  444.  —  -stris,  -stis  zu  stare  z.  B.  campe-sti'is,  caele-stis  -=  "caele-stti.«:. 
5.  super-stes,  gr.  ;3vo-5-:otJt;,  von  ''sth^-ti's,  enklitisch  '\sthtis,  also  qni 
Stationen!  habet  in  caelo;  zu  -stri-s  s.  ind.  savja-.^thar.  —  0.  Seeck: 
impensae  Mörtel,  Arch.  f.  lat.  Lex.  IV,  421.  —  K.  Sittl:  ralandru 
-■  -/«pdfopioc,  ebdt.  TI,  478.  —  A.  Sonny:  mlicae  BartHaum,  ebdt.  1\\ 
<j06.  —  iriicmjihuä '^  " ■rpi-o\j.'^oi  sc.  -oixrr,  (nach  Stowasser),  ebdt.  VIIJ. 
132.  —  J.  Spimdl:  ronsul,  Prgr.  von  Gaya  1888:  s.  die  Anzeigt- 
von  G.  Hergel  in  d.  Wochenschr.  f.  klass.  Piniol.  VT,  1114.  — 
(jr.  Stephens:  ver  „spi-ing",  im  Skandinav.  Archiv  1,  1Ö4  If.  —  Wli. 
Stoke.s  On  the  etymology  oUetam,  Acad.  n.  908,  p.  ',88  f.  —  Vr.  Stolz: 
iuhle-'itm,  ^impludinria,  farim,  siqmre  aa.    Wiener  Stnd.   IX,  .S(t,'>  tt.  — 


Etymologie.    (Deecke.)  207 

siremps(e),  Wiener  Stud.  XIII,  295  ff.  —  sfrufertnrins   von  strues  und 
fertum,    2  Arten  Opferkuchen,   *strnferta    ein  Kompositum  wie  suove- 
tanrilia.   Idg-.  Forsch.  I,  332.  —  J.  W.  Stowasser  Dunkle  Wörter. 
PrgT.    Wien   1890,    32  8.    8    (auch    im    Sonderabdrnck    bei  Terapsky). 
Deutung-   von    80    Wörtern    unbekannter    oder    umstrittener   Herkunft. 
Geistvoll  und  scharfsinnig,   aber  ohne  streng  wissenschaftliche  Methode, 
so  dafs  wohl  nur  Weniges  haltbar  ist.     Vgl.  die  Anzeigen  von  Ziemer 
Woch,  f.  Klass.  Philol.  VIII,  977;  Fr.  8tolz  Zeitschr.  f.  d.  östr.  Gymn. 
XLII,  665  f.;  Nettleship  Class.  Rev.  V,  263  ff.;  auch  Acad.  n.  996, 
p.  541.  —  Eine  zweite  Reihe  dunkler  Wörter,  ebdt.  1891,  34  S.  8. 
Derselbe  Fehler    noch   gesteigert,  mit  Hervorholung   seltnerer  Wörter 
und  Formen,  die  oft  nur  unsicher  überliefert  sind;  s.  die  Anzeige  von 
G.  Her  gel  Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  IX,  467  ff.  —    Das  Yerbum 
läre.    Eine    dritte  Reihe    dunkler  Wörter.     Wien.    1892,    20  S.  8. 
Sehr    kühne    Korabinationen:    aus    Wendungen    wie    venerunt   gratum 
latum  soll  gratulatum,  daraus  das  Verb  gratulare,  -ari  entstanden  sein; 
ähnlich  werden  itsMare,  praestolari,  circulari  aa.  abgeleitet.  —  Fausiu- 
his  =  *  faus-tulus --^  '^(üc-'fopo;  (!).  —  migrare  zu  gr.  |ji7apov,  pun.  magar, 
und    erst    aus    den    Kompositen   e-,    transmigrare    rückgebildet  (!).   — 
irritare  aus  ira  und  hirrire.  Intens.  *hirritare,  geraengt,  dann  erst  rück- 
wärts   abstrahiert    ritare  (!).    —   Arch.   f.    lat.    Lex.   V,    135:    medus, 
mattioharhulus,  motum-,  Zahladverbia  auf  -ie^is  (s.  Formenlehre  u,  oben 
Stolz  viciens!).  —  Ebdt.    289  f.    discipulus    von    discipere  (!);  s.  oben 
Breal!  —  ergo,  erga,   Wiener  Stud.   XI,    161  ff",  (s.    unten    Zimmer- 
mann!). —  pö-sco  „trinke"  (Cic.  Verr.  II,  1,  lo^),  s.  posca,  ebdt.  XII, 
326.  —  Arch.  f.  lat.  Lex.  VI,  463—4:  clanculum  aus  claraclam;  dan- 
(lestinus  aus  clam  und  des(i)tus  „abgelegen";  gegen  ersteres  A.  Funck 
Deminutiva  (s.  ob.).  —  464:  Jn^])iteY  praestes  imi  praestäus;  antistes  ge- 
mieden wegen  gr.  dtvTi  (!);  zu  -stitns  s.  antistita,  auch  locu-pletus  (aktiv).  — 
562—3:  coturnic  nach  Havct  aus   ■' quoct-urnix ,  letzteres  aber -- dor. 
opvi$;  vgl.  spinturnix,  Fest,  spintyrnix  zu  gr.  a-i'voc,  3-'.vi)tov,  a-ivOapi? 
-hopvi^:    corn/x  =  "cora-ornix,    s.   xopa-i,    y.opwvr).    —   immo;   persona, 
Wiener  Stud.  XII,  153  ft\  —  sarcire,  sarcina,  Zeitschr.  f.  d.  östr.  Gymn. 
XLI,  598  ff.:   XLII,  200;    an   letzter  Stelle  auelx  da.rendir,    und  392: 
procerus.  —  pescere,  Wiener  Stud.  XII,    326  f.  —  proprium,  spolnm, 
Zeitschr.  f.  d.  östr.  Gymn.  XLI,   977  ff.  —  sums,  Comment.  Wölfflin. 
23  ff.  —  meita  (Varro  1.  1.  VII,  8)  „begangen"  zu  meare,  Arch.  f.  lat. 
Lex.  VII,  444  f.  —  Über  meridies  s.  Hintner!  —  J.  Stracliaii:  amhnlnre. 
Classic.  Rev.  A\    377  f.;    s.  oben   Bugge,  Ceci!  —  sibilus,    -lare   zu 
Wurzel  suejdh,  altiv.   sige,  sidhe,    sighe   „a   blast",    in  Bezzenb.  ßeitr. 
XVIII,  147—8.  —  perendic  =  ind.  parasmin  —  djeui,  Tndg.  Forsch.  I, 
500—1.  —  J.  Stürziiiffer:  sursum  von  surgere  (!),  Arch.  f.  lat.  Lex. 


208  Lateiniocbo  Grammatik.     (Dccckc). 

Vn,  597 — 8.  —  P.  V.  Thewrewk:  infrunitus,  Egyetemes  phil.  köz- 
löny  1886,  p.  810.  —  F.  W.  Thomas:  On  sonie  Latia  and  Greek 
negative  forms:  non,  noenmn.  Classic.  Kev.  Y,  378  f.;  434.  Ders.  und 
H.  Darbisliire:  On  the  forms  of  the  negative  ne,  ebdt.  VI,  194  ff.  — 
W.  Thoresen:  acredula,  Nord.  Tidskr.  for  Filol.  IX,  315  f.  —  R.  Thurii- 
eysen:  Lateinisches.  Kuhns  Zeitschr.  f.  vergl.  Sprachf.  XXX, 
485—503:  1.  veüis,  aus  vetustus  zusamnieugezogen -.  vitulus  ist 
dialektisch.  —  2.  imhes,  püber,  aus  *pübeber,  -bris.  —  3.  infrö  =^ 
*ins-rä,  s.  ins  ,,unterhalb"  im  Keltischen;  ?mMS  =  *ins-mo-s  (doch  osk. 
imad-en!).  —  4.  impetrire,  aus  *impetire  durch  Einflufs  von  impetrare.  — 
5.  Modifikation  von  Havets  Erklärung  der  Geruudiva  :  -yido-  aus  *-mdo- 
=  *-m"do-  =*-mno-;  s.  z«(?e  =^  *im-de  aus  *im-ne,  wie  super-ne  aa.; 
quande  aus  quamde  =  "^quam-ne  (I):  zwf.  qiiondam  =^  *quom-uam,  s.  quis- 
nam:  vienda.x=  *meranax;  frendo  —  "^'fremno;  dochs.  contemuo,  alumnus, 
columna  u.  s.  w.  —  L.  Traube:  bmnho,  tabo,  Arch.  f.  lat.  Lex.  VI, 
167  f.  —  inssulentus,  ebdt.  254.  —  bramita,  cassidile.  ebdt.  263  f.  — 
H.  l'sener:  j)recator\  Arch.  f.  lat.  Lex.  II,  228  f.  —  Fr.  Togcl: 
cunae,  cunabula  zu  conari,  eig.  Stütze,  ebdt.  321  f.  —  vestihidum,  ßhein. 
Mus.  XLII,  319  f.;  s.  Aufrecht!  —  Wackernag'el :  aus-cultö  enthält 
einen  Dual,  Kuhns  Zeitschr.  f.  vgl.  Spr.  XXIX,  142.  —  F.  AValker: 
On  the  root  reb  in  Latin,  Athen,  u.  3174,  p.  260.  —  E.  R.  Wliartou: 
fortassis,  Acad.  1885,  p.  294.  —  norma  von  nonus,  Classic,  Eev.  VI,  11  f.; 
258  f.;  gegen  Darbishire  ebdt.  V.  217  f.;  VI,  147  f.  (-*gnörima).  — 
Osk.  Wiedemanii :  Etymologieen,  Bezzenb.  Beitr.  z.  Kunde  d.  idg. 
Spr.  XIII,  300 — 310:  läc  zu  mulgere:  mulctus,  Nebenform  ''mlactus  ^ 
'mfk-tö-s,  abgestumpft  *mläct(i).  —  promulgare  von  *melg,  s.  lett.  melzn. 
milzt  schwellen;  milze  grol'ser  Haufe;  midtus  „viel"  --=  'mulctus.  — 
grandis  zu  r-ipevöo?,  -i)ucjOai,  Wurzel  grendh  schwellen;  asl.  gradu  Bru.st.  — 
F.  Wilbrandt:  cella,  Deminutiv  von  cera,  Kuhns  Zeitschr.  XXIX. 
192.  —  E.  Wiiidisch:  Omentum  zu  ind.  VcTpa  Netzhaut;  Lit.  Ctrbl. 
1888,  668.  —  E.  Wölffliii:  instar  v.  instare,  Arch.  f.  lat.  Lex.  II. 
Heft  4;  s.  auch  IV,  357.  —  Gatulus  von  catus  „Kater"  (?),  ebdt.  S.  324. 
—  medietas,  „Mitte",  später  „Hälfte",  seit  200  n.  Chr.,  ebdt.  III. 
458 — 70.  —  toti  =  omne.s,  ebdt.  470.  —  compotere  für  -tire  neben  coni- 
petere  (Sali.,  Tac),  ebdt.  494.  —  adventare,  wegen  der  Bedeutung; 
nicht  im  Perf.  u.  Fut.,  ebdt.  558  f.  —  circare  „suchen",  ebdt.  559.  — 
fernere,  Ntr.  v.  *temeris,  ebdt.  IV,  51.  -  versa  vice  (niclit  vice  versa), 
ebdt.  67.  —  dirigere  litteras,  ebdt.  101  f.  —  ex  toto,  in  totum,  ebdt 
143.  —  diimtaxat,  älter  getrennt,  Objekt  multam.  bezeichnet  da.s  Straf- 
maximuni;  dum  Acc.  der  Erstreckung  (M.  Breal,  Mt'm.  d.  1.  Soc.  d. 
Lingu.  V,  35  fafst  taxat  als  Konjunktiv  des  s-Aorist  von  tangere); 
opus  est  ,,es  ist  Hilfe"  (also  zu  ops)  mit  etwas  (?).  s.  Liv.  .XLIII,  19,  4: 


Etymologie.    (Deecke.)  200 

ebdt.  324  f.  —   vudits,  miilaster,  ebdt.  412.  —  läferatiira,  ebdt.  V,  41i. 

—  2)er  omnia,  ebdt.  144.  —  pacare,  euphemistisch,  ebdt.  381.  —  oj;- 
pidum,  -do;  uviduhis,  ebdt.  VI,  185  f.  —  höc  =  Imc,  Umgangssprache, 
doch  nicht  in  Ciceros  Briefen    (Verg.  An.  VTII,  483),    ebdt.  VII,  332. 

—  fluvius,  -via,  flunien,  ebdt.  588  ff.  —  K.  Wotke:  stima,  Ärch.  f. 
lat.  Lex.  V,  507.  —  K.  Zander:  cunnio,  vapio,  Arch.  f.  lat.  Lex.  VI, 
253.  —  S.  Zehetiuayr:  cowcw, 'Blätter  f.  d.  bayr.  Gyran.  XXIV,  92  f. 

—  sincerus  und  „sanscrit",  ebdt.  XXV,  28  f.;  452  f.  —  A.  Ziinmermauii : 
Zu  dönkum,  dönec,  doneque,  dönique,  dmic,  Arch.  f.  lat.  Lex.  A\ 
567 — 71:  Corssens  Zerlegung  dö-ne-quom  „da  nicht  wo",  den  Grenz- 
punkt  bezeichnend,  ist  zu  künstlich:  das  ne  ist  nicht  negativ,  sondeiii 
das  ne  von  super-ne,  po(s)-ne,  im  Inlaut  ni,  s.  de-ni-que  und  vgl.  unde, 
undique;  quandone  C.  I.  L.  VI,  22,  276,  s.  rnss.  kndano;  zu  dö-  s.  kelt. 
do,  du  „zu,  bis",  lat.  en-do  (in-du),  oe-do  ,,lier  zu!",  quan-do  „zu 
wann?",  russ.  kuda  ,,jusqn'oii",  dokuda  ,,jusqua  quand".  Die  Form 
donec  schon  in  den  XII  tab.  (Fest.  348),  vielleicht  fälschlich  aus  "do- 
necum  abstrahiert  (i):  aus  donec  dann  doneque,  nach  nee:  neque:  do- 
neque, donique  erst  bei  Lukrez,  "Vitruv;  donec  cum  erst  bei  Hieronymus. 
Bei  Plaut.  Most.  1,  2,  35  synkopiert  doncum  ('?),  daraus  abgekürzt 
done,  dune  in  Inschriften  (G  mal  in  der  Kaiserzeit),  vulgär  „dann,  da". 

—  Dagegen  D.  Engländer,  ebdt.  VI,  467 — 8:  frz.  donc  aus  doner, 
denn  dune  hat  die  Bedeutung  von  dum;  donec  als  korrespondierende 
Partikel;  s.  auch  A.  Zingerle,  donicum,  donec  cum,  ebdt.  II,  Hft.  4. 

—  Derselbe:  ergo,  ergä  von  rogus  in  der  Bedeutung  „Ricli- 
tung"  (?):  e  rogo  ,,aus  der  Richtung,  von  da",  dann  „wegen"  (vgl. 
„von  wegen");  nach  Analogie  ergä,  wie  contrö:  contra  (?),  also  „Inder 
Richtung,  im  Bereich";  Berl.  Philol.  Woch.  1802,  X.  18;  s.  ob.  Sto- 
wasse r  und  meine  Erläuterungen  zur  Schulgrammatik  S.  331.  — 
cMspis  =  *cum-spid-s  zu  egi.  spit,  dtsch.  spitz,  von  einem  Verb  *spindo, 
wozu  spisms  „gespickt"  (?),  ebdt.  —  Ders.  Über  secüs,  setiua  u.  s.  w., 
Arch.  f.  lat.  Lex.  IV,  602—6:  secm  aus  sequens  (?).  s.  C.  L  L.  IIL 
387  secu(s),  nicht  secu(ndus),  heres ;  ursp.  '-'secüs  =  *sccuns,  *sequons  (!) ; 
s.  pedi-sequus,  wie  maledicus  —  -dicens  (aber  -dicus:  -dicens!).  E* 
wurde  dann  Präposition,  wie  trans  (doch  s.  gegen  dessen  Deutung  als 
Partizip  Allen,  Americ.  Journ.  of  Philol.  I,  143  ff.),  z.B.  secus  Tituni 
flomen,  erst  lokal,  dann  modal:  vgl.  Liv.  II,  33,  6  bellum  extrinsecns 
imrainens,  aber  Cic.  Lael.:  quod  longe  secus  est  „weit  zurückstehend' ; 
ans  .,folgend":  -der  zweite,  andere:  schlechter;  weniger,  mehr":  kom- 
parativisch mit  quam  ;  daher  neugebildet:  sequius,  später  sequior;  ferner 
sectius  (Gell.  XVIIl.  9,  4—6  aus  Plaut.),  Komparativ  von  *sectus, 
Part.  v.  sequi;  s.  secta,  -tari:  daraus  settius:  setius  (falsch  seciusi: 
Secus,  Setus  als  coguomina;    s.  Näheres  Arch.  VI,  269    (oben  bei  der 

J-ihresbevicht  für  Altertuniswissensohaft.    T.XXVII.  B«l.  iisa^.  TTI.i        14 


•JIO  Lateirii.scLc  Grammatik.     (Deecke.) 

Namenbilduug!).  —  Ders.  Etymologische  Versuche,  Arch,  VII,  435  ft. : 
augus-ius  zu  augur;  Bustius,  SaUustiuü  von  *rUs-tus,  *salüs-tus  (?) : 
paenitet  zu  piinire  (?);    oportet  von  ob-oriri  (?);    necesse  est  zu  cessini. 

—  Ders.    Desgl.  Woch.  f.  klass.  Philol.  Vlll,  1102  f.:  sepelio;  culpa. 

—  Ders.  apud  -  ab-ad  (!),  Arch.  f.  lat.  Lex.  VIII,  132  f.  ~  Ders. 
sospes,  Woch.  f.  klass.  Pliilol.  Vlll,  1158  f.  —  Jos.  Ziibuty:  Miscellen. 
Kuhns  Zeitschr.  f.  vgl.  Sprachf.  XXXI,  51 — (51.  Hierher  H.  frango  zu 
ind.  bhnim(;ate  er  entfällt,  Wurzel  blirak;  das  g  ursprüuglicli  nur  in 
nasalierten  Formen;  fractus  ==-  ind.  bhrastas;  zwf.  ob  dazu  fraces,  fracidus. 

—  Ders.  Etymologie  einiger  lateinischen  Wörter.  Sitzungsbericht  der 
königl.   böhm.  Gesellsch.  d.  Wissensch.     Trag  1892,  12  S.     8,  — 

Zwei  besondere  Gebiete  der  Etymologie  sind,  soweit  sie  niciit 
schon  gelegentlich  berührt  sind,  noch  nachzuholen:  Die  Volksety- 
mologie uud  die  Lehnwörter,  die  vielfach  in  einander  greifen.  Für 
erstere  ist  das  Hauptwerk: 

0.  Keller,  Lateinische  Volksetymologie  und  Verwandtes,  Leipzig, 
Teubner,  1891,  387  S.     8. 

Das  Buch  besteht  aus  2  Partieen:  A.  Lateinische  Volksety- 
mologie, mit  eiuera  Anhang  über  griechische  Volksetymologie.  — 
B,  Etymologieen  uud  Formen  von  Lehnwörtern. —  Es  ist  im  ganzen 
eine  Sammlung  und  Überarbeitung  einzelner  früherer  Abhandlungen, 
ergänzt  uud  systematisiert.  Keller  bestimmt  die  Volksetymologie  als 
^die  Einwirkung  teils  willkürlicher,  teils  unwillkürlicher  etymologischer 
Spielerei  auf  die  Wortgestaltung'' ;  oft  liegt  auch  blofsc  ITradeutung  vor, 
ohne  Lautveränderüng;  aber  alle  individuelle  Spielerei  bei  Dichtern, 
Rednern,  Grammatikern  u.  s.  w.  ist  auszuscheiden,  demnach  auch 
gelegentliche  Witze,  Scherze,  geistreiche  Kombinationen  u.  s.  w.  Das 
Gebiet  bleibt  trotzdem  immer  noch  reich  genug,  und  der  Stott  strömt  in 
unerwarteter  Menge  zu.  So  ist  das  fleiisig  und  scharfsinnig  gearbeitete 
Buch  inhaltsreich,  sehr  belehrend  und  anregend,  und  man  hat  den  Ein- 
druck, dafs  das  TVlaterial  noch  lange  nicht  erschöpft  ist.  Auch  bleibt, 
bei  die.^em  r>rsten  Wurf,  naturgemäfs  noch  vieles  zweifelhaft  oder  dunkel, 
anderes  ist  zu  kühn,  namentlich  oft  bei  der  Annahme  von  Entlehnungen. 
Vgl.  die  Anzeigen  von  H.  Lewy  in  der  Berl.  Philol.  Woch.  IX,  623  f.; 
E.  Mauren brecher  in  den  Jahrb.  f.  klass.  Philol.  145,  S.  193  ff.; 
W.  Meyer-Lübkc  in  der  Zeitschr.  f.  d.  östr.  Gymn.  43,  310  ff.;  s. 
auch  das  Arch.  f.  lat.  Lex.   VU,  H04. 

0.  Weise,. Volksetymologische  Studien.  U,  Unregelmälsige  Ver- 
tretung des  Spiritus  asper  in  griechischen  Lehnwörtern  der  lateinischen 
Sprache.     Bezzenb.  Beitr.  z.  Kunde  d.  idg.  Spr.  Xll,  154—160. 


Etymologie.    (Deecke.)  211 

8.  den  I.  Teil  der  Stadien  ebdt.  Y,  ()8  ft'.  —  Die  hier  hehan- 
deiien  Wörter  sind:  Segcsta,  nach  seges,  Segesta  (Saatgöttin),  wegen  des 
Ankianges  von  "E-jssta  an  egestas.  —  samartia  -  -xfiap-ta,  nach  afrik. 
samardacus  (?).  —  sarpa  —  ap-r^,  an  sarpere  angelehnt;  ebenso  ser- 
indluin  ^=^  i'pTtuXXov,  an  serpere.  —  sah/ama  —  6l]toL~.rj.,  nach  sal;  salina- 
cidus  -^  aX|jLara  -i-  acidus  (?).  —  salacaccahia  -  *a/.ty.axy.a[^ta,  auch  nach 
sal.  —  sualiterniciim  zu  uaXo?. 

Meist  Lehnwörter  oder  ihnen  angepalste  Bildungen  enthält: 

E.  Linse,  De  P.  Ovidio  Nasone  vocabulorum  inventore.  Doktor- 
diss.  u.  Prgr.  v.  Tremessen,  Sonderabdruck  Leipzig.  Fock,  1891. 
68  S.     S. 

Eine  statistische,  fleifsige,  wenn  auch  keineswegs  erschöpfende 
Darstellung.  Wenn  J.  Favre,  meist  aus  den  Metamorphosen,  324  solcher 
Wörter  gesammelt  hatte,  Drag  er,  ohne  die  Patronymika,  die  allerdings 
einen  grolsen  Posten  bilden,  392,  so  giebt  Linse  im  ganzen  487  —  228 
Ethuika  und  Patronymika  ^715  Wörter,  und  zwar  cap.  I  vocabula 
Oraecanica  (subst.,  adj.,  nom.  propr.);  cap.  II  vocab.  Latiua:  uomina 
simplicia  und  composita;  verba  (desgl.);  adverbia.  Zahlreich  sind  die 
gemischten  lateinischen  Patronymika  mit  griechischer  Endung.  —  Wie 
weit  ein  beträchtlicher  Teil  jener  Wörter  wirklich  von  Ovid  zuerst  e  r- 
fuuden  d.  h.  in  die  Litteratur  eingeführt  ist,  oder  nur  in  der  uns  er- 
haltenen Litteratur  bei  ihm  zuerst  vorkommt,  ist  eine  offene  Frage; 
auch  hat  der  Verfasser  kaum  mit  Recht  alle  diejenigen  Wörter  dem 
Ovid  als  Schöpfer  zugei'echnet ,  die  sich  auch  bei  seinen  Zeitgenossen 
Livius  und  Vitruv  finden. 

P.  Benno  Linderbauer,  De  verborum  mutuatorum  et  pere- 
grinorum  apud  Ciceronem  usu  et  compensatione.  I.  Prgr..  Metten, 
1892,  67  S.     8. 

Die  Schrift  liefert  eine  Ergänzung  zu  Weise  und  Saalfeld. 
Die  Fremdwörter  sind  am  häufigsten  in  den  Briefen  an  Attikus,  dann 
in  den  anderen  Briefen,  hierauf  in  den  philosophischen  und  rhetorischen 
Werken ;  es  folgen  die  Reden  gegen  Verres,  darauf  die  anderen  Reden 
—  alles,  wie  es  zu  erwarten  war  nnd  natürlich  ist.  In  den  gewählteren 
Schriften  aber  kann  man  deutlich  bemerken,  wie  die  FremdwJirter  mit 
der  späteren  Zeit  der  Abfassung  abnehmen,  indem  Cicero  für  sie  latei- 
nischen Ersatz  suchte  und  teilweise  selbst  schuf. 

G.  A.  Saalfeld,  De  bibliorum  sacrorum  Vulgatae  editionis  Grae- 
citate.    Quedlinburg  1891,  180  S.     8. 

Das  Werk,  ein  Lexikon  der  griechischen  Lehnwörter  der 
Vulgata,  auch  der  Eigennamen,  ist  eine  willkommene  Eigäuzung  zu 

14* 


212  Lateinische  Grammatik.     (Deecke.) 

des  Verfassei*s  Teiisaurus.  Zugefügt  sind  den  einzelnen  Artikeln  Ver- 
gleichungen  ans  der  media  und  infima  Latinitas,  und  vorausgesendet  sind 
quaestiunculae  etymologicae :  /Aierst  9  nicht  entlehnte  Wörter  in  ihrem 
Vorkommen:  calix,  cincinnus,  columba,  linum,  lippus,  pallium,  pannus, 
Saccus,  saliva.  Es  folgt  die  ratio  translationis,  und  zwar  I.  Ipsa  trans- 
latorum  vocabulorum  elementa  respicienda  sunt:  y,  z;  ch,  th.ph;  0  =  7; 
t  -=  &;  p  =  'f ;  s,  SS  =  C;  h  = '.  —  II.  Vis  et  significatio  respiciendae 
sunt.  —  Entlehnung  ist  anzunehmen :  a.  wenn  eine  lateinische  Wurzel 
fehlt  (es  giebt  aber  auch  isolierte  Wörter!);  b.  wenn  die  verwandten 
Sprachen  keine  Erklärung  bieten,  z.  B.  bei  crapula;  c.  wenn  das  Latein 
kaum  oder  wenig  Verwandte  hat,  wie  bei  classis,  pulmo;  d.  wenn  die 
Bildung  unlateinisch  ist;  e.  wenn  das  Wort  griechisch  dekliniert  wird, 
z.  B.  aer.  —  Nicht  entlehnt  sind  die  Wörter,  wenn  1.  g,  h^y;  f, 
d  =  i);  f,  b  =  9  ist;  doch  giebt  es  einige  Ausnahmen,  wie  fides,  fortax, 
fucns;  2.  wenn  sie  lateinische  Bedeutung  haben,  z.  B.  depo. 
Aus  der  fremden  Litteratur  sind  zu  erwähnen: 

E.  R.  Wharton,  Loanwords  in  Latin  and  Latin  vocalisra  (re- 
printed).     London,  Trübner,  s.  Acad.  1889,  p.  59. 

M.  Breal,  Traces  du  F  dans  les  mots  latins  d'origine  grecque. 
Mem.  de  la  Soc.  de  Lingu.  V,  228  ff. 

Im  ganzen  ist  in  der  Etymologie,  nachdem  eine  Zeitlang  ein 
gewisser  fester  Grundstock  sicherer  Ergebnisse  erreicht  schien,  durch 
neue  geistreiche,  bisweilen  blendende  Kombinationen,  durch  übertriebene 
Anwendung  der  Ausnahmlosigkeit  der  Lautgesetze,  der  Analogie,  der 
Volksetymologie,  durch  das  Hervorholen  isolierter  Wörter  aus  ent- 
legenen Sprachen  eine  weitgreifende  Unsicherheit  eingerissen,  so 
dafs  nicht  selten  für  die  gewöhnlichsten  Wörter  4—5  verschiedene  Ab- 
leitungsversuche vorliegen,  wie  für  consul,  vestibulum,  sons,  ambulare  aa., 
dals  man  die  unentbehrlichsten  Wörter,  wie  mulier,  bos,  ovis,  migrare 
für  entlehnt  erklärt,  da/s  die  scheinbar  sichersten  Beziehungen,  wie  von 
jubere  und  jus,  zerrissen  werden. 


Nachtrag  zu  Seite  127. 

Die  Arbeit  E.  R.  Whartou's,  on  the  vocalic  laws  of  the  Latin 
language.  behandelt  erst  die  kurzen  Vokale,  und  zwar  zunächst 
den  durch  li  bezeichneten  Mittellaut  zwischen  u  und  /,  von  Kaiser 
Claudius  durch  h  bezeichnet.  1 .  Derselbe  begegnet  in :  übet,  linter, 
sii*piculus,  clicns  (neben  cluo),  lito  (neben  luo?),  cilinm  (zu  xuXa),  ligo 
(zu  X\i-(i>i<ü),  suffio  (zu  9uu)),  miser  (zu  }xu5apo;V),  stipula  (zu  sl.  stüblo), 
,  tringo  (zu  sl.  strügati),  tingno   (zn   ahd.   dnnchön):    ferner  in:   nimis     - 


Nachtrag  zur  Lautlehre.    (Deeckc.)  21o 

"numis-(um)  zu  numerus;  pingo  ^  pungo;  sirempse  zu  surimo  (=^  sümo), 
dg.  Infinitiv  wie  instar;  simus  (Augustus  statt  sumus);  culullus,  intu- 
bus,  lacruma,  manubiae,  obstupesco,  quadrupes,  satura  u.  s.  vv.;  dann 
in  Suffixen,  wie  in  optumos,  maxumus  u.  s.  w.:  in  averruucus  neben 
longinquus;  endlich  in  dissipo  neben  supo.  —  2.  Hierauf  bespricht  Whar- 
ton  die  Trübung  kurzer  Vokale,  die  auf  4  verschiedene  Einflüsse  zurück- 
gefühlt wird:  Dialekte,  Accent,  nebenstehende  Laute  und  Ana- 
logie. I.  Dialektische  Formen  mit  i  statt  e,  mit  n  statt  o  (s.  um- 
brisch,  faliskisch  u.  s,  w.)  sind:  filix,  pinna,  spicio,  via,  in,  indu,  tri- 
bus;  in  Inschriften:  irus.  siptem,  six,  sinatus:  ferner:  sinister  (neben 
senior),  vitulus  (FtraXo?  ist  Lehnwort),  sileo  =  sedeo  (I),  s.  got.  ana-silan 
(entlehnt);  cicur  (zu  rlirwv),  plico,  cicer  (zu  altpreuss.  keckirs),  nitec 
(zu  sl.  gneta?)  s.  nota;  vigeo;  similis  (im  =  m);  inter  (in  =  u);  dann 
altlat.  humo,  liumus.  numerus  (zu  ir.  nös  „custom");  puls,  sulcus,  bul- 
bus  (Lehnwort);  tuli  (ul  =  1);  furnus  (ur  =  r);  luxus  (zu  )si\fii)\  bei 
den  Grammatikern:  rutundus,  ubba;  auch:  lucuna  (zu  locus);  pudet 
(zu  GTroSetü);  cupio  (zu  *cep-,  capio);  bisweilen  i  aus  ü  z.  B.  cinis  zu 
xovis,  clipeus  zu  sl.  po-klopü;  cingo,  imber;  imbilicus  neben  umbilicus 
u.  s.  w.  —  3.  Später  (d.  h.  klassisch)  trat  u  statt  o  proklitisch  und  en- 
klitisch ein,  sowie  in  der  Sclilusssilbe  mehrsilbiger  Wörter  vor  einem 
Konsonanten,  z.  B.  hunc,  sunt,  cum,  filius,  opus,  tribubus,  poculum,  cou- 
sul,  genus,  centum,  robur  (während  amor,  color  u.  s.  w.  ursprünglich  <• 
hatten);  nur  nach  u,  v  blieb  o  bis  in  die  augusteische  Zeit.  Eigen- 
tümlich ist  ve  statt  ro,  erst  seit  Scipio  Africanus,  in:  versus,  vertex, 
verro,  verto,  vester,  veto,  velim,  vellus  (zu  ooXo;),  venia  (zu  ov''vr,fxi), 
vereor  (zu  opaw),  vegeo  (zu  got.  vakan),  verbuni  (zu  lit.  wardas),  vespa 
(ags.  väsp),  vermis  (got.  vaürms),  mit  er  =  or  =  i;;  veicus,  vis  (=  vois 
,,du  willst").  Ausnahmen  teils  nach  Analogie,  teils  anderer  Art  z.  B. 
voxor,  uxor  (dunkel);  vescor  mit  gv  zu  ßoay.u);  quercus  zu  ags.  furh 
(aus  r);  quisquiliae  zu  y.ojy.'JX(ji.a-a.  —  4  (II).  Wenn  schon  hier  der 
Accent  mitwirkt,  so  tritt  er  in  einer  Reihe  anderer  Fälle  entscheidend 
auf:  5,  A.  Vortoniges  e  und  o  werden  zu  a  (schon  3  Jahre  früher 
entdeckt):  so  e  in  den  Stämmen  auf  -\s  und  -«5„  wie  apis,  ratis  (zu 
-per-),  vas  (zu  a-Fsö-Xov),  gradus  (got.  grids),  äs  =  *ad-tis,  zu  el-e- 
mentum  (l  =  d);  auris  neben  oy;.  Ausnahmen:  potis,  Ovis;  ferner  in 
den  Stämmen  auf  -nös^  -rös,  -vos,  wie  magnus,  stagnum  (zu  are^avo;), 
sacer  (zu  sequor,  otoc),  aper  (ags.  efor),  ai-vum  (kelt.  erw);  auch  -kos, 
8.  vacca^  *vet-ca;  dann  in  den  Verben  auf  -do,  -eo,  -io,  wie  amo  (zu 
emo),  flagro,  maneo,  pateo  und  patior,  candeo  (Wurzel  kvend),  sapio 
(ags.  sefan),  capio  (s.  cepi),  facio,  jacio :  auch  paciscor  neben  pecu ;  ver- 
einzelt: hara  (zu  au-'f£(j)-o;),  palea  (lit.  pelai),  aries  (lit.  eras),  tabula 
(lit.  stebas).    Beispiele  für  o:  crassus  (zu  xpotcuvT)),  amarus  (zu  u>ti.o;), 


v>14  Lateinisdie  Grammatik.     (Üeecke.) 

salvu!«  (ZU  solidiis;  sollns  ouXo;),  ansa  (umbr.  onse),  atrox  zu  odium, 
lacuna:  aus  J,  r:  valvae,  callis  neben  collis,  carbo  zu  corbis  ,,im  Korbe 
getrageu";  Ausn.  quadru  ist  keltisch.  —  G.  B.  Andere  Schicksale  ton- 
loser Vokale:  /  vor  >•  (ans  s)  wird  e:  anser  =^  lit.  zäsis;  vomer,  cucu- 
juer,  numerus,  umerus;  e  lullt  sich  auch  vor  ursprünglichem  r:  affero, 
impero;  betontes  ir  aber  bleibt.  —  o  im  zweiten  Gliede  der  Composita 
bleibt  (Ausn.  sedulo,  s.  inschriftlich  dulus  =-  dolus;  ilico  nach  ilicet), 
ebenso  am  Stammschluss  in  somno-lentus,  vino-lentus,  vgl.  die  Neben- 
formen colober,  tonotru:  sonst  wird  o  zu  u,  eig.  ü,  daher  oft  i  ge- 
schrieben (s.  ob.);  0  auch  in  der  Anaptyxis  z.  B.  sorticolis,  später 
populuni;  so  auch  legimas,  figulus  u.  s.  w. :  patrus  u.  s.  w.,  aber  sena- 
tuos  aus  Dissimilation,  —  Tonloses  e  und  a  werden  offen  zu  /7,  ge- 
«;chlos8en  e  z.  B.  famulus  (s.  umbr.  famedias),  neben  farailia;  occulo 
(zu  ir.  celim):  occupo  neben  capio  aus  "cepio  u.  s.  w.;  arbiter  neben 
umbr.  adputrati  (zu  got.  qijiaii,  Wurzel  gvet);  ra,  ii  werden  meist  em, 
rn,  aber:  luminis,  vigiuti  u.  s.  w. ;  geschlossenes  e  in:  legens,  acceptus 
n.  s.  w,  —  Beispiele  zu  ursprünglichem  a:  contuberniura,  concutio, 
tibluo  u.  s.  w.,  aber  aboleo  (zu  alo)  nach  oleo;  surruptus  nach  surru- 
pui;  flamönium  (bei  Tacitus)  nach  matrimonium.  -  Die  Inschriften  und 
die  Grammatiker  haben  oft  e  statt  i  z.  B.  soledus  u.  s.  w.  —  Aus- 
lautendes i  und  0  werden  zu  e:  ante,  mare  u.  s.  w. ;  ille  (aus  illo), 
sequere;  nisi,  quando  hatten  ursprünglich  Länge.  —  7  (III).  Der  Ein- 
fluss  nebenstehender  Laute  offenbart  sich  zunächst  in  Dissimilation, 
indem  ii  zu  ie  wird,  uu  zu  uo,  ji  zu  je,  vu  zn  vo,  z.  B.  pietas,  equos, 
altlat,  projecitad,  servos;  dunkel  sind:  vulgus,  vulpes,  vultur,  vultus. 
—  sve  wird  so,  velares  ke  wird  ro,  z.  B.  sodalis,  colo  (falisk.  quol-) 
zu  7re?vw;  meist  blieb  ce,  doch  mit  r:  corbis  zu  anr,  hrip;  corium  zu 
ind.  crtrman;  cortex  zu  lit.  kertu;  combretum  enthält  palat.  k  4- ve,  s. 
lit.  szwendrai.  Der  Übergang  von  ev  in  ov,  von  ov  in  av  ist  bekannt 
(s.  ob.).  —  8.  Weitere  Gesetze  sind:  e  wird  vor  nc,  ng  zu  a,  tonlos 
zu  i  z.  B.  nanciscor,  anguilla,  frango  (=  ■■"freg-no,  s.  fregi),  mango 
(-^  exaggerator,  zu  h-Iyoh);  attingo  u.  s.  w.  —  e  vor  Ic,  lg,  It,  Im  wird 
u:  inculco  (  -  *incelco  von  calco),  ulcus,  mulgeo,  adultero  (zu  alter), 
insulto;  auch  entlehnt  catapulta;  ferner  ulmus  zu  ags.  elm.  —  o  vor 
mh  wird  ir.  umbilicus,  imber;  combretum  ist  dialektisch.  —  o  vor  nc,  ng^ 
ngv  wird  ii:  cunctor  (zu  ind.  (;ank).  uncus,  ungo,  unguis;  cingo  (zu 
/.6]xßo«),  dazu  cunctus;  entlehnt  sind  broncns,  onco;  pränest.  tongeo; 
auch  longus,  inschr.  lungus,  ist  dialektisch,  s,  Xo-f^ofCu);  got.  laggs  aus 
dem  Latein  entlehnt.  —  9  (IVj.  Einwirkung  der  Analogie:  crepo 
von  "crepere;  doceo  von  *doc6re;  voco,  volo,  volup,  volvo,  vorao,  voro, 
voveo  mit  vo  statt  ve  nach  vöx  u.  s.  w. ;  ferner  in  der  Recomposition : 
so  auch  impotens,  innocens,  insoleus:   adarao,  Concors,  congero,  comburo 


Nachti-ag  zur  Lautlehre.    (Deecke.)  215 

u.  s.  w.;  dagegen  celebci-,  integer  nach  celebris,  integra;  segetis  nacli 
^^eges;  vegetus  nach  vegeo;  anatis  nach  anas;  alacer  nach  äcer:  comes, 
judex  u.  s.  w.  luich  superstes,  remcx  aa. ;  scribundi  u.  s  w.  nach  eiin- 
dum,  wo  u  dissimiliert  ist.  —  Der  zweite  Teil  der  Arbeit  behandelt 
die  langen  Vokale  und  die  Diphthonge:  10  ü  ans  oi,  en,  tonlosem 
au,  ausgedrückt  durch  u  oder  i  z.  B.  mütilus,  aber  auch  mitilus; 
stnpa  und  stipa;  frigo  — 'f pü-^w :  tru-  und  trigonus  (zu  Tfio-ftuv);  gibbus 
zu  lit.  gumbas;  limpidus  zu  osk.  Dinnipais;  siparium  zu  osk.  supparuni; 
stipes  zu  ;inr.  stüfr:  ficus  zu  fücus;  finis  zu  fünis;  mlrus  zu  ixü(3)(i) ;  pituita  zu 
yüteo ;  scrininm  zu  scruta:  spiro  zu  spuo;  vgl.  auch  dieSufiixe;  -ücusnnd 
-icus;  -ücula  u.  -icula;  -iigo  u.  -igo;  -iltus  u  -itus;  -udo  u.  -ido;  -imus  u. 
-inus:  -Ulis  u.  -ilis;  -liscus  u.  -iscus,  so  auch  vacuus  =  *vacBvDS  neben 
vacivus  aa.  —  Das  aus  oi,  oe  entstandene  ü  unterscheidet  sich  durch  den 
Wechsel  von  ü  und  i  von  den  ursprünglichen  u  und  i;  bisweilen  er- 
hält sich  auch  der  Diphthong  z.  B.  foetns  neben  fui,  fio;  soera=^ 
sura ;  foe(s)-dns  zu  fiis-cus:  Suffix  -oenus  neben  -ünus,  doch 
auch  e  z.  B.  fetus,  amenus,  auch  sonst  -onus  neben  -inus,  -etus 
neben  -itus;  -elis,  -edo  u.  s.  w. ;  amecus  neben  amicus;  vgl. 
umbr.  e  aus  i!  —  11.  Auch  sonst  e  für  i,  ai,  wie  umbrisch: 
dialekt.  speca,  vella;  ferner  avena  zu  sl.  ovisü:  clemens  zu  acclinis; 
dann  e  ^  ei  (gleichfalls  wie  umbrisch):  levis  zu  XsTFo;;  ceu,  neu,  seu 
aus  *que-ve,  *quei-ve  u.  s.  w.;  deus  =-- deivos  (dea  nach  Analogie); 
reus  zu  rivus,  -valis;  oleum  ^  olivum ,  angelehnt  an  olere  (s.  EXatov); 
ne;  inschriftl.  patre,  tibe  u.  s.  w.  —  e^=ai,  ae,  bekannt;  falsch  laevis, 
vaenum  u.  s.  w. ;  nachklassisch  oe  statt  ae  z.  B.  coena,  obscoenus,  hoedus, 
coelum,  poenitet  aa.,  auch  proelium  ('?);  Aesculapius  an  aes  „Lohn" 
angelehnt.  —  12.  ö  aus  ou,  au,  wie  neuumbrisch;  auch  volsk.  o^ou: 
Köbigo,  cloaca  (=  *clou-aca) ,  löcusta  (zu  Ulcus),  nöndinum  (aus  unnr- 
sprünglichem  ou);  ferner:  crdeus  neben  caulae;  cos  neben  cautes ;  föcale, 
«dla;  ömen  zu  auxilium;  ös  neben  ausculum;  öriga  -- auriga ;  östium  = 
austium;  sodes;  ad-örea  zu  iz-aup-tV/tu;  cröcio  zu  lit.  kraukti;  ötinm  zu 
got.  anj)-s.  Nach  den  Grammatikern  ist  diese  Verdichtung  vulgär.  — 
13.  Gelegentlich  I  aus  <';  «  aus  o,  z.  ß.  inschriftl.  cinsum,  decreivit, 
leigibns  u.  s.  w.  (mit  ei  =  i);  de-linio  (nach  linum?);  sub-tilis;  ferner: 
hüc,  älter  höc;  für;  ülna;  datürus  u.  s.  w. ;  praestülor  neben  -stcdor;  glau- 
cüma  u,  s.  w.  —  Nachklassisch  auch  ö  statt  ü:  jöcundns  (nach  jous?); 
üön  aber  ist  =  nö-ne,  vgl.  pö-ne.  —  14.  i  aus  ei:  liveo  zu  äeTFoc; 
unklar:  ceivis,  leis,  leitera,  seispes  neben  söspes.  —  oi  ward  oe,  ü  (oit) 
z.  B.  müto  zu  jiotTo;;  pümex  zu  ags.  fäm;  da  dies  ü  (auch  umbrisch 
z.  B.  cur-,  mün-)  eigentlich  ü  war,  so  tritt  auch  i  ein:  Hdus  neben  foedus; 
lira  zu  got.  lais-ts;  tibia  zu  lit.  staibiai;  bisweilen  inschriftl.  e:  fedus, 
de-lerus,  pö-merium:  s.  noch  altlat.  nora.  pl.  Fesceninoe,  später  -i,  -ei, 


2](>  Lateiuischc  Grammatik,     (üecckc.) 

(lauebeu  ploirumo;  geu.  sg.  poploe,  spater  auch  -i,  -ei;  dat.  abl.  pl.  -oes, 
dann  -is,  -eis  (eig.-  oi-s?)  —  nioeuia  „PHicbten"  und  „Mauern"  sind  zwei 
verschiedene  Wörter.  —  Das  ei  und  ou  statt  i  und  li  sollten  nur  die 
l^iäuge  andeuten.  —  ai  wird  ac  (s.  ob.).  —  eit  ist  selten  (in  Eigennamen, 
Interjektionen  und  sekundär,  wie  in  ceu,  neuter  u.  s.  w.);  es  wurde 
später  zu  il  (oti)  z.  B.  güsto,  liigeo;  lilridus  zu  Xeüpo»;  mlto;  pliima  zu 
zXsFw;  pulmo;  riicto,  dilco  u.  s.  w.;  nütrio  =  *mldrio ;  brilma;  auch  dies 
u  war  eigentlich  ü,  daher  auch  =  ^  (ei)  z.  B.  Über,  plisima;  ferner  e: 
plerus  neben  ploirume,  ploera  (also  nicht  zu -XiQpyj;).  —  ti^ou:  löcusta 
(s.  ob.),  riibigo,  clfinis  ^  lit..  szlauuis;  ciido  zu  lit.  kauti;  mücus  zu  lit. 
niaukti:  cluaca  (s.  ob.);  aber  auch  =-un ursprünglichem  ou;  niindinuni, 
nimtius;  jubeo  verküi-zt  nach  habeo.  —  au  blieb;  doch  ward  es  vulgär 
zwischen  Konsonanten  zu  ii  z.  B.  friistra,  nügae.  —  15.  Der  Acceut 
blieb  auf  lange  Vokale  ohne  Einfluis:  anbelus  steht  für  *an-elus  zu 
an-ima,  nur  assimiliert  anhälare;  convicium  zu  vicus;  suspiciozuspicau.s.  w.; 
Eiutiufs  auf  Diphthonge  ist  selten  z.  B.  i  aus  ae\  so  auch  ai  (sei) -^ 
osk.  svai  (proklitisch) ;  ü  —  ü  aus  au :  iudütiae  zu  ötium ;  ad-fdor  zu 
audio:  ob-türo  zu  taurus;  daneben  oe:  ob-oedio,  und  e:  obedio.  Aus- 
nahmen bei  Rekomposition  und  durch  Analogie.  —  16.  Verschiedene 
Änderungen  von  Diphthongen  mit  beginnender  Länge:  i  fällt  aus: 
cquo(i);  altlat.  pleöres  zu  *ple(i)ös;  dat.  sg.  -ä(i)  in  Pisaurum  ist  un- 
römisch;  -ae  ist  Lokativ  ^  äi.  —  u  vor  Vokalen  wird  v.  nävis,  octävus 
(statt -ÖVU6;  s.  ob.  av  =ov);  bös,  bovem  ist  unrömisch;  Jovis  zu  Zeu;. 
—  Vor  Konsonanten  tritt  Verkürzung  des  ersten  Elements  ein:  -öis  wii'd 
-oes  (dat.  abl.  pl.):  gaudeo,  naufragus.  claudo  u.  s.  w. ;  övum  ^  ^  (üFsov 
hatte  kein  i.  —  Vgl.  noch  die  Anzeige  von  K.  Euling  in  der  Neuen  Philol. 
Rundschau  1890,  8.   187  ff. 

Die  sehr  eingehende  und  reichhaltige  Arbeit  ist  ein  kühner  Versuch, 
die  lateinische  Vokallehre  wesentlich  auf  einheimischer  Grundlage  ohne 
umfassendere  Sprachvergleichung  und  vielfach  ohne  die  verwickeiteren 
Lehren  der  junggrammatischen  Schule  aufzubauen.  Er  cuthält  viel 
Beachtensw  ertes,  aber  auch  eine  grol'sc  Fülle  zweifelhafter,  j'a  sicherlich 
falscher  Kombinationen,  sowie  eine  Anzahl  zum  Teil  geistreicher,  aber 
abenteuerlicher  Etymologieen ;  auch  ist  die  Anordnung  unübersichtlich 
und  melirfach  unklar. 

Eine  speziellere  Arbeit  desselben  Verfassers  ist: 

E.  ß.  Wharton    Quelques  a  latins.     Memoires  de  la   Soc.   d. 
Linguist,  de  Paris.     VII,  p.  451—460. 

Das  Lateinische  zeigt  etwa  90  mal  ä,  wo  mau  e  oder  ö  erwartet, 
und  zwar  in  0  Gruppen :  I.  av  statt  ov:  avis,  caveo,  cavus,  lavo,  pavio 
(s.  ob.  und  Havet);  bovis,  ovis  sind  nicht  lateinisch.  —  II.   a  ■- liquida 


Nachtrag  zur  Lautlehre.     (Decckc.)  217 

statt  laugem  m,  n  u.  s.  w.:  aiiguis,  janitrices:  fallo,  palma,  salvus; 
ardea,  haruspex,  largus,  paro,  ars,  iiiarg-o,  farcio;  ferner  statt  kurzem 
m  u.  s.  w.  in  den  anderen  Sprachen:  arao;  manus;  alces;  callum,  calvus, 
taleo,  argentuni,  bardus,  carpo,  quartus,  varus;  mit  Entsprechung  im 
Latein  selbst:  scalpo,  marceo  neben  sculpo,  morior.  —  111.  nicht  ur- 
sprünglich (nicht  =ni  oder  m  u.  s.  w.):  amarus;  candeo,  canis,  lanx, 
<ilnus;  palea;  aries,  arvum,  hara,  mare,  paries,  pario,  wohl  durch  Einfluf's 
fler  Liquida  (doch  s.  ob.);  regelrecht  vor  nc,  ng  (s.  ob.)  z.B.  nanciscor, 
auguilla,  frango.  —  IV.  liquiäa  \-a  statt  kurzem  m,  ii  u.  s.  w.  (s.  Ost- 
hoff Morph.  IJnt.  Y,  Vorrede!):  magnus;  nactus;  flagro,  glacies  (neben 
gelu),  labium,  lacio,  lapis;  fragilis,  gradior,  gravis,  rapio,  ratis  (zu  sero), 
gracilis  (nach  Hübschmann)-,  ferner  placeo  (neben  pulcer),  cracens  (neben 
curculio).    radius   (neben  rädo).     Die  Entstehung  ist  noch  dunkel.  — 

V.  a  —  d:  capio,  facio,  jacio,  lassus,  ratus,  satus,  spatium,  catus,  datus; 
ind.  i  statt  Schwa.     Den  Ablaut  e  :  a,  ö  :  a  bekämpft  der  Verfasser.  — 

VI.  Vereinzelt:  aper,  badius,  fatigo,  paciscor,  pateo,  quadru-,  sapio, 
vaco,  vadem,  auris,  assis,  atrox,  sacer,  stagnum,  vacca.  —  Das  ä  der 
Gruppen  in — VI  ist  ein  speziell  lateinisches  Phänomen,  hervorgerufen 
durch  den  Einflufs  eines  folgenden  ,,accent  tonique",  also  vortonig  (s.  ob.). 
Der  Verfasser  ist  geneigt,  im  Latein  2  Dialekte  nebeneinander  zu  sehen : 
einen  ,,dialecte  tonal",  in  dem  e  und  o  vor  dem  Hauptton  in  a  über- 
gingen, und  einen  ,,dialecte  exspiratoire",  wo  dies  nicht  geschah;  eine 
wunderliche  Hypothese,  Avelche  die  schwierige  Frage  nicht  löst. 


Jahresbericht  über  die  lateinische  Syntax 

für  die  Jahre  1885—1892. 

Von 

Direktor  Dr.  W.  Deecke 

in  Mülhausen  i.  E. 

Indem  ich  zur  Syutax  übergehe,  weise  icli  zunächst  noch  einmal 
zurück  auf  die  beiden  im  Anfange  des  Jahresberichts  besprochenen  um- 
fassenden Werke:  die  Neuausgabe  von  Ileisig-Haase's  Vorlesungen, 
und  die  Stolz-Schmalz'sche  Lateinische  Grammatik,  in  Iw.  v.  Müllers 
Handbuch.  Ich  knüpfe  daran  die  Erwähnung  der  G.  vollständig  um- 
gearbeiteten Auflage  des  Krebs-Ällgayerschen  Antibarbarus  von 
J.  H.  Schmalz  in  II  Bden.,  Basel,  Schwabe,  1885 — 88,  mit  einem 
kurzen  Abrifs  der  lateinischen  Sprache  und  Vorbemerkungen  über  reine 
Latinität.  In  lexikalischer  Form  enthält  das  Werk  die  reichste  Be- 
lehrung auch  über  Syntax  und  Stilistik.  Ferner  erinnere  ich  an  die  oben 
namhaft  gemachten  wissenschaftlich  gearbeiteten  Schulgrammatiken 
und  hebe  besonders  den  Band  „Erläuterungen"  zu  der  meinigen  hervor 
(Berlin,  Calvary,  1893),  auf  die  ich  bei  den  einzelnen  Abschnitten  noch 
wiederholt  zurückkommen  werde.  An  der  Grenze  praktischer  und  wissen- 
schaftlicher Leistung  steht  auch: 

H.  Menge,    Repetitorium    der  lateinischen  Syntax  und  Stilistik, 

ein  Lernbuch  für  Studierende  und  vorgeschrittene  Schüler,    zugleich 

ein  praktisches  Repertorium  für  Lehrer.    G.  berichtigte  und  ergänzte 

Auflage.    2  Hälften,  121  u.  443  S.    AVolfenbüttel,  Zwifsler,  1890.    8. 

Wenn    auch,    im  Vei-gleich  zur  5.  Auflage,    in  der  Anlage  und 

Anordnung    des   Ganzen    keine    wesentlichen   Änderungen   vorgenommen 

worden  sind,  so  ünden  sich  doch  viele  kleine  Besserungen  in  den  Regeln 

und  Angaben,  gemäls  den  Fortschritten  der  historischen  Syntax,  sowie 

in  der  präziseren  Fassung  mancher  Regeln 

Von  ausländischen  Werken  sind  zu  nennen: 

Ferd.  Antoine,    Syntaxe  de  la  laBgue  latine.     Paris,    Vieweg, 
1885,  Vin  u.  420  S.     8. 


I 


I 


Syntax.    Allgeraeines.    (Deecke.)  219 

Die  Darstelliuig  in  diesem  Buche  ist,  wie  schon  der  Umfang  zeigt, 
nicht  elementar,  doch  liegt  andrerseits  auch  keine  eigene  Schöpfung 
vor,  sondern  vielmehr  nur  eine  durchweg  geschickte  Sichtung  und 
Ordnung  des  reichen,  besonders  von  deutschen  Forschern  gelieferten 
Materials.  Die  benutzte  Litteratur  umfal'st  vor  allen  Cicero  und  Cäsar, 
dann  Cornelius  Nepos,  Livius  und  Sallust;  Tacitus  ist  ausgeschlossen; 
von  Plautus  und  Terenz  ist  einzelnes  benutzt;  ebenso  wird  Vergil  wieder- 
liolt  berücksichtigt.  Abweichungen  von  der  deutschen  Auffassung  sind 
nicht  gerade  häufig,  begegnen  aber  doch,  namentlich  in  der  Kasuslehre, 
bei  der  Kongruenz,  den  Fragesätzen,  den  cum-Sätzen  u.  s.  w.  Vgl.  die 
Anzeigen  von  S.  Reinach,  ßev.  crit.  1886,  103  ff.  u.  von  0.  "Weifsen- 
fels,  Zeitschr.  f.  Gymn.  1886,  S.  414—20. 

Mehr  wissenschaftlich  ist  gehalten: 

0.  Riemann,  Sjiitaxe  latine  d'apres  les  principes  de  la  gram- 
maire  liistorique.     Paris,  Kliucksieck,  1886.     12. 

Der  leider  inzwischen  verstorbene  Verfasser  war  einer  der  feinsten 
grammatischen  Geister  Frankreichs  und  bei  eingehenden  eigenen  For- 
schungen zugleich  ein  rastloser  Vermittler  zwischen  der  Wissenschaft 
Deutschlands  und  seines  Vaterlandes:  davon  legt  auch  obiges  Werk  ein 
glänzendes  Zeugnis  ab.  Vgl.  die  Anzeigen  von  H.  Schmalz,  Deutsche 
Litteraturzeitung  1887,  S.  860;  O.  Weifsenfeis,  Woch.  f.  klass. 
Philol.  IV,  1137  ff.;  auch  Arch.  f.  lat.  Lex.  IV,  151  ff'. 

Ich  füge  hier  eine  ergänzende  Sammlung  einzelner  Bemerkungen 
von  Seiten  desselben  Schriftstellers  bei: 

0.  Rieraann,  Remarques  sur  diverses  questions  de  syntaxe  latine. 
Revue  de  philol.  XII,  45  ff".;  127;  130  f.;  XIV,  63  ff. 

Darunter  z.  B.  emploi  remarquable  du  subjonctif;  abl.  du  nom  de 
ville;  est  aliquid  argumento;  prohibere  u.  s,  w. 

Aus  dem  Italienischen  erwähne  ich: 

Enrico  Cocchia,  La  Sintassi  latina  esposta  seien tificamente  ad 
uso  delle  scuole  di  magistero.    Napoli,  Morano,  1890,  496  p.     8. 

Das  dem  Professor  Gandino  gewidmete  Werk  ist  ursprünglich  für 
die  eigenen  Vorlesungen  des  Verfassers  an  der  Universität  Neapel  ge- 
schrieben und  gründet  sich  nicht  nur  auf  eine  umfassende  Kenntnis  der 
deutschen  sprachvergleichenden,  historischen  und  philosophischen  Sprach- 
forschung, sondern  hat  auch  vielfach  die  französischen  und  englischen 
Leistungen  benutzt,  wie  z.  B.  das  eben  erwähnte  Werk  von  Antoine 
und  Roby's  im  Anfang  des  Jahresberichts  genannte  Grammatik;  auch 
hat  Cocchia  manche  eigene  Forschung  und  Auffassung  hinzugethan. 
Dazu  gehört  vor  allem  die  enge  Verbindung,  ja  Verschmelzung  von 


220  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

Syntax  und  Stilistik,  sowie  die  Hervorhebung-  des  wichtigen  psj'cho- 
logischeu  Elements,  mit  scharfer  Untersclieiduug  des  organisch  Ent- 
wickelten von  dem  Abgewicheneu.  Litterarisch  beschränkt  sich  auch 
diese  Syntax  im  wesentlichen  auf  die  klassische  Sprache  Ciceros  und 
Cäsars,  doch  ist  sowohl  der  archaische  Sprachgebrauch,  als  derjenige 
der  silbernen  Latinität,  vielfach  herangezogen,  nicht  selten  auch  der 
vulgäre.  Besonders  eingehend  sind  die  Fragesätze  behandelt;  in  betreif 
der  Kelativsätze  stimmt  der  Verfasser  im  Prinzipe  meiner  Ansicht  vom 
Ursprung  des  Kelativs  aus  dem  luteiTogativ  bei  (S.  362);  aus  der  jung- 
grammatischen  Schule  ist  die  umfangreiche  Ausnutzung  der  Analogie 
heriibergenommeu. 

An  gemischten  Schriften  nenne  ich  zuerst: 

Herrn.  Eönsch,  Collectanea  philologa.  Nach  dem  Tode  des 
Verfassers  herausgegeben  von  C.  Wagner.  Bremen,  Hcinsius,  1891, 
326  S.     8. 

Es  sind  ö4  Aufsätze  und  Miscellen,  sehr  verschiedenartigen  In- 
halts, denen  ein  bisher  ungedruckter  Aufsatz  über  „die  ältesten  latei- 
nischen Bibelübei'setznngeu  nach  ihi'era  AVerte  für  die  lateinische  Sprach- 
wissenschaft" vom  J.  1880  vorangeht.  Im  ganzen  beziehen  sich  die 
Forschungen  auf  das  Spätlatein,  das  ich  hier  ausgeschlossen  habe,  so  dafs 
ein  näheres  Eingehen  nicht  nötig  ist,  zumal  die  Arbeiten  durchweg  vor 
der  hier  zu  berücksichtigenden  Zeit  liegen.  Doch  schien  mir  das  An- 
denken des  Verfassers  die  Erwähnung  zu  fordern. 

Auch  diejenigen  syntaktischen  Schriften,  die  den  gesamten 
Sprachgebrauch  eines  oder  mehrerer  Schriftsteller  behandeln,  kann 
ich  hier  nicht  ausführlich  besprechen,  wie  ich  schon  im  Vorwort  be- 
gründet habe;  doch  will  ich  die  wichtigeren  unter  den  seit  1884  er- 
schienenen Schriften  dieser  Art  wenigstens  anführen  und  hin  und  wieder 
kurze  Bemerkungen  daran  anknüpfen.  Zu  vergleichen  ist  die  Zusammen- 
stellung syntaktischer  Schriften  in  Schmalz  Lateinischer  Syntax, 
Iw.  V.  Müllers  Handbuch  II-,  S.  390—7;  Nachtrag  583.  Die  Anordnung 
richtet  sich  nach  der  Lebenszeit  der  besprochenen  Autoren: 

Luc.  Müller,  Quintus  Ennius.     St.  Petersburg  1884. 

Hierher  gehört  lib.  VII,  von  S.  208  an. 

AI.  Reichardt,  De  Qu.  Ennii  annalibus.  Neue  Jahrb.  f.  Philol. 
1889,  S.  81  —  122. 

Die  Abhandlung  beschäftigt  sich  eigentlich  mit  dem  Wort- 
schatze,  doch  kommt  auch  das  Syntaktische  zur  Geltung,  besonders  bei 
den  Adverbien,  Präpositionen  und  Partikeln. 

Otto  Schöndorffcr,  De  syntaxi  Catonis.  Dissertat,  Königsberg, 
1885,  89  S.     8. 


I 


Syntax.    Einzelne  Autoren.    (Deecke.)  221 

Der  Verfasser  sucht  aus  nicht  ganz  genügendem  Material  den 
nicht  ganz  ausreichenden  Beweis  zu  führen,  dafs,  wie  schon  H.  Jordan 
meinte,  die  Schrift  de  re  rustica  das  echte  Original  Katos  sei,  mit  nur 
einzelnen  späteren  Interpolationen.  Es  ist  dazu  die  ganze  Syntax  be- 
handelt, doch  allerdings  nicht  gründlich  und  umfassend  genug. 

(x.  Landgraf,  Untersuchungen  zu  Cäsar  und  seinen  Fortsetzern. 
Erlangen  1888. 

Aus  innerlichen  Gründen  der  Grammatik,  besonders  der  Syntax 
und  Stilistik,  wird  der  Beweis  versucht,  dafs  das  bellum  Africanum  ein 
Werk  des  C.  Asinius  Pollio  sei,  der  auch  den  cäsarianisch-hirtianischen 
Nachlafs  redigiert  liabe. 

Hierzu  ist  zu  vergleichen: 

J.  H.  Schmalz,  Über  den  Sprachgebrauch  des  Asinius  Pollio. 
Festschi^t  zur  36.  Philologenversammlnng,  S.  70 — 101,  Karlsruhe, 
Braun,  1882.    2.  verbesserte  Auflage.    München,  Beck,  1890,  60  S.  8. 

Diese  verbesserte  und  nicht  unwesentlich  ergänzte  Auflage  fügt 
dem  Titel,  mit  Rücksicht  auf  Landgrafs  eben  erwähnte  Schrift,  hinzu: 
„in  den  bei  Cicero  ad  familiäres  erhaltenen  Briefen".  Sie  liefert  einen 
wichtigen  Beitrag  zum  Briefstil  der  ciceronianischen  Zeit,  ja  der  römischen 
Litteratur  überhaupt,  und  giebt  nach  verschiedenen  Seiten  die  leb- 
haftesten Anregungen. 

Demselben  Gebiete  gehören  an: 

K.  Schirmer,  Über  die  Sprache  des  M.  Brutus  in  den  bei  Clcera 
überlieferten  Briefen.     Prgr.,  Metz,  1884. 

Eine  fleifsige,  über  das  ganze  Gebiet  der  Sprache  sich  erstreckende, 
freilich,  bei  der  geringen  Zahl  der  Briefe,  mit  beschränkten  Mitteln 
arbeitende  und  daher  in  ihren  Resultaten  nicht  immer  ganz  sichere 
Untersuchung. 

H.  Hellmuth,  Über  die  Sprache  der  Epistolographen  S.  Sulpicius 
Galba  und  L.  Cornelius  Baibus.     Würzburg  1888. 

F.  Burg,  De  M.  Caelii  Rufi  genere  dicendi.     Leipzig  1888, 
und  über  denselben: 

F.  Becher,  Über  den  Sprachgebrauch  des  Caelius.  Nordhausen 
1888. 

Bei  dem  eigentümlichen  Charakter  des  Caelius  und  seiner  beson- 
deren Richtung  in  Sprache   und  Beredsamkeit  sind  hier  die  Ergebnisse 
etwas  reicher  und  gesicherter,  als  bei  anderen  Epistolographen. 
Xoch  interessanter  ist: 

Albr.  Köhler,  Über  die  Sprache  der  Briefe  des  P.  Cornelius 
Lentulns  Spinther.     Prgr.,  Nürnberg,   1890.  43  S.     8. 


222  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

Gemeint  ist  der  juuge  Spinther,  von  dem  nur  2  Briefe  (Cic.  ep. 
iid  familiäres  XII,  14  u.  15)  erhalten  sind.  Die  Einleitung  handelt  vom 
Charakter  und  Bildungsgänge  des  Mannes.  Die  Arbeit  selbst,  scharf 
begrenzt,  sehr  sorgsam  und  fein  durchgeführt,  sucht  die  Eigentümlich- 
keiten des  Autors  erst  in  der  Formenlehre,  dann  in  der  S3nitax,  am 
wichtigsten  bei  den  Tempora  und  Modi,  endlich  im  Wortgebrauch  und 
in  den  Eedensarten  herauszufinden  und  festzustellen.  Die  Briefe  sind 
vollständig  zergliedert  und  die  Vergleichung  mit  der  gleichzeitigen 
Litteratur  umfangreich  durchgeführt.  Die  Sprache  ergiebt  sich  als  gut, 
wesentlich  ciceronianisch. 

Die  ganze,  von  Schmalz  und  Landgraf  angeregte  Reihe  der 
eben  erwähnten  Untersuchungen  hat  nützliche  kleine  Bausteine  zur  histo- 
rischeu Syntax  geliefert,  die,  von  geschickter  Hand  aufgegriifen,  gut 
verwendbar  sind:  nur  dürfen  sie  nicht  für  Edelsteine  gehalten  und  auf 
ihnen  grölsere  Konstruktionen  aufgebaut  werden;  dazu  ist  das  Material 
zu  schwach  und  spärlich. 

Es  folgen  die  Elegiker: 

Adolf  Reeck,  Beiträge  zur  Syntax  des  CatuU.    Bromberg  1889. 

An  Dräger  angelehnt,  in  Ergänzung  von  Overholthaus,  werden 
besprochen:  die  koordinierenden  Partikeln,  das  Asyndeton,  die  Neben- 
sätze, die  Partizipien,  die  Gerundialkoustruktiouen  und  das  Supinum. 

A.  Wagner,  De  syntaxi  Propertiana.     Passau  1888. 

Eine,  gleichfalls  an  Dräger  angeschlossene,  gedrängte  Übersicht 
der  ganzen  Syntax  des  Dichters,  ohne  tiefere  grammatische  A'erwertung. 

Einen  begrenzten  Bezirk  aus  demselben  Gebiet  behandelt: 

Ad.  Spandau,  De  sermone  Propertiano,  specimen  primum.  Disser- 
tat.    Leipzig  1889,  58  S.     8. 

Die  Schrift  bespricht  nur  die  Konjunktionen,  Präpositionen  und 
Adverbien,  und  zwar  wesentlich  vom  poetischen  Standpunkte  aus,  so  dal- 
die  auffälligeren  Abweichungen  von  dem  gewöhnlichen  gleichzeitigen 
Sprachgebrauch  vor  allem  metrischen  und  euphonischen  Gründen  zuge- 
schrieben werden. 

Der  silbernen  Ijatinität  gehören  ferner  an: 

0.  Riemann,  Etudes  sur  la  langue  et  la  grammaire  de  Tite-Live. 
2.  Ausg.,  erweitert  und  verbessert.     Paris  1884—85,  32<J  S.     8. 

Diese  sehr  umfangreiche  Arbeit,  auf  gründlichen  Studien  und 
feiner  Beobachtung  beruhend,  giebt  doch  nur  eine  Probe  von  des  Ver- 
fassers reichhaltigen  Sammlungen  und  Forschungen.  Nach  einer  allge- 
meineren Einleitung  erörtert  das  Hauptstück  (S.  35—251)  den  Gebrauch 
der  Redeteile,  meist  an  Dräger  angelehnt,  der  umfangreich  ergänzt 
wird,  und  unter  steter  Vergleichung  mit  dem  älteren  und  si»äteren  Gc- 


Syntax.    Einzelne  Autoren.    (Deeckc.)  223 

brauch;  Gräcismen  werden  weit  weniger  anerkannt  als  von  Kühnast. 
Der  Anhang  zählt  die  syntaktischen  Abweichungen  (in  ausgewählten 
Partieen)  von  Cicero  und  Cäsar  auf,  geschickt  und  umsichtig:  das  Er- 
gebnis ist,  dafs  Livius  den  beiden  eben  erwähnten  Autoren  noch  sehr 
nahe  steht  und  eigentlich  selbst  erst  den  Übergang  zur  silbernen  La- 
tinität  bildet.  Ein  besonderes  Interesse,  aber  auch  grofsc  Schwierigkeit 
für  die  Forschung,  bietet  die  erst  allmählich  konsolidierte  Entdeckung 
dar,  dafs  Livius  bei  der  grolsen  Ausdehnung  seines  Werkes,  an  dem  er 
viele  Jahre  schrieb,  seinen  Sprachgebrauch  vielfach  innerhalb  des 
Werkes  selbst  geändert  hat,  bald  sprungweise,  bald  stetig,  z.  T. 
wohl  unbewulst,  wobei  freilich  wieder  Beobachtung  und  Schlufsfolgerung 
durch  den  fragmentarischen  Zustand  des  ganzen  Werkes  und  die  gi-ofsen 
Lücken  erschwert  werden. 

Ph.  Eber  ha  r  dt,  De  Vitruvii  genere  diceudi.  I.  Pforzheim  1887; 
II.    Durlach  1888. 

Das  etwas  ältere  Programm  von  Praun,  das  hauptsächlich  die 
Snbstautivsätze  des  Vitruv  untersucht,  wird  dort  besprochen  werden. 
Eberhard  spürt  besonders  den  Vulgarismen  Vitruvs  in  der  Ver- 
wendung der  Participien,  Präpositionen,  Tempora  und  Modi  nach,  unter 
steter  Vergleichung  des  Sprachgebrauchs  der  vorhergehenden  und  nach- 
folgenden Autoren. 

0.  Lauge,  Zum  Sprachgebrauch  des  Velleius  Paterculus.  Progr., 
Stettin,  1886.  26  S.     4. 

Während  das  von  demselben  Verfasser  erschienene  Programm  von 
Putbus  1 878  die  syutaxis  casuum  behandelte,  finden  wir  hier,  materiell 
wesentlich  nach  Dräger  geordnet,  die  Beispiele  zur  syntaxis  convcnien- 
tiae,  den  Präpositionen,  Tempora  und  Modi  (auch  in  Nebensätzen),  dem 
verbum  infinitura,  endlich  den  koordinierenden  Partikeln.  Die  Vergleichung 
mit  den  Vorgängern,  Zeitgenossen  und  Nachfolgern  fehlt. 

Gleichzeitig  erschien : 

Haus  Felix,  Quaestiones  graramaticae  in  Velleium  Paterculum. 
Dissertat.,  Halle,  1886,  60  S.     8. 

Hier  ist  wenigstens  die  Vergleichung  mit  Livius  und  den  augn- 
steischen  Dichtern  durchgeführt,  leider  aber  nicht  auch  diejenige  mit 
den  Vorgängern,  besonders  dem  Sallust.  Behandelt  sind:  1.  genus  ora- 
tionis  im  allgemeinen;  2.  Neubildiuigen ,  manches  L-rige  enthaltend; 
-3.  neue  AVortbedeutungen ;  4.  Syntax;  5.  Gräcismen;  6.  Einflufs  der 
Vulgärsprache. 

Eduard  Kr  ah,  Beiträge  zur  Syntax  des  Curtius.  I.  Progr.  von 
Insterburg  1886.  25  S.  4:  IL    ebdt.  1887. 


224  Lateinische  Grammatik.    (Deeclte.) 

Eine  blolse  Zusammenstellung:  der  von  Anderen  gemachten  Beob- 
achtungen, besonders  unter  steter  Vergleichung  von  Vogels  älterer 
Schrift,  und  zwar  nach  Zumpts  Grammatik;  keine  Ergebnisse  eigener 
Stadien. 

Aug.  Ahlheim,  De  Seuecae  rhetoris  nsu  dicendi  quaestiones 
selectae.     Dissertat.     Darmstadt  188(J,  54  S.     8. 

Ergänzung  der  Arbeiten  Sanders,  aber  nicht  erschöpfend.  Nach 
Drägers  Schema  werden  der  firenitiv,  Ablativ,  die  Präpositionen,  Par- 
ticipien  (auch  Gerundium  und  Gerundiv),  endlich  die  Koordination  (statt 
Subordination)  behandelt.  Der  Standpunkt  ist  der  historische,  aber  nicht 
scharf  genug  ausgeprägt. 

.T.  Obermeier,  Der  Sprachgebrauch  des  M.  Annaeus  Lucanus. 
I.     Progr.    München  1886,  96  S.     8. 

Es  wird  in  dieser  Schrift  zuerst  der  Gebrauch  der  Redeteile 
behandelt:  zu  bemerken  ist  die  Substantivierung  der  Adjektiva  als  Ab- 
strakta,  ans  der  philosophischen  Sprache  herstammend;  bei  den  Prono- 
minen  und  unbestimmten  Zahlwörtern  treten  is  und  nemo  zurück;  quis- 
<juis  und  qnicumque  sind  gleichmäfsig  im  Gebrauch;  iste  tritt  hervon 
IX,  417  entsprechen  sich  istc  und  ille;  utrique  wird  von  zweien  ge- 
braucht; tanti  findet  sich  -r^:  tot;  nur  einmal  Y,  249  begegnet  haud  ullus,. 
sonst  immer  non  ullus.  Bei  den  Präpositionen  tritt  der  Einflul's 
Ovids  hervor;  neu  ist  in  ^  contra.  —  Es  folgt  die  Kasuslehre:  Aus- 
artende Wendungen  begegnen  beim  doppelten  Akkusativ;  für  den  Dativ 
herrscht  Vorliebe:  oft  steht  er  statt  einer  Präposition  mit  dem  Akk.; 
ferner  final,  als  Dativ  der  Richtung  (nach  Vergil),  selten  faktitlv  (dafür 
der  Nominativ);  der  Genitiv  ist  häufig  bei  Adjektiven;  der  abl.  separa- 
tionis  hat  selten  ab  bei  sich,  fast  nie  ex;  dagegen  steht  ab,  wie  bei 
Ovid,  von  der  sachlichen  Wirkung;  der  Gebrauch  der  Präposition  bei 
Tageszeiten  ist  vulgären  Ursprungs.  —  Die  Ellipse,  Kongruenz. 
Attraktion,  die  direkten  Fragesätze  bieten  nichts  besonders  Auf- 
fallendes; Prädikatellipse  findet  fast  nur  bei  esse  statt.  —  Ans  der  Lehre 
vom  Verb  um  erwähne  ich  die  (archaische)  persönliche  Konstruktion 
von  pudet;  an  Vulgarismen:  das  Futurum  statt  des  Präsens;  den 
aoristischen  Gebrauch  des  infin.  perf. ;  praestare  „voranstehen";  vergere 
..transitiv"  —  Den  Schlufs  bildet  eine  allgemeine  Charakteristik : 
Lukan  ei weist  sich  als  ein  Nachahmer  der  augusteischen  Dichter,  dei- 
sich  aber  den  durch  Sallnst  und  Livius  angebahnten  sprachlichen  Nene- 
rongen  nicht  verschliefst;  sein  Stil  ist  von  eigentümlichem  Tvolorit.  — 
Eine  Fortsetznng'  der  Untersuchung  ist  wünschenswert;  sie  könnte  auch. 
manche  genaueren  Feststellungen  und  fJerichtigungen  des  bislier  Ver- 
öffentlichten bringen. 


Syntax.    Einzelne  Autoren.    (Dcecke.)  225 

H.  Gebbiiig-.  De  C,  Valerii  Flacci  dicer.di  geneie  quaestiones. 
Coblenz  1888. 

Behandelt  die  Kasuslebre  und  den  Wechsel  von  Adjektiv  und 
Adverb,  in  fleifsiger,  nicht  ung-eschickt  geordneter  Beispielsammlung. 

Czyczkiewicz,  De  Taciti  serraonis  proprietatibus,  praecipue 
quae  ad  poetarum  dicendi  genus  pertineant.  Brody,  I.  1890;  II. 
1891.  44  S.  8.  Dazu  Qnibus  poeticis  vocabulis  Tacitus  sermonem 
suum  ornaverit.    ebdt.  1891,  16  S. 

Teil  I  erörtert  die  Tropen  und  Figuren;  die  Lehre  vom  (xenitiv 
und  Akkusativ;  Teil  11  die  Tempus-  und  Moduslehre,  die  Participia, 
die  Satzbildung  und  Satzverbindung;  die  3.  Schrift  giebt  ein  alphabe- 
tisches Verzeichnis  der  poetischen  Wörter  aus  den  6  letzten  Bücheru 
der  Annalen,  also  nur  eine  Probe.  —  Der  Verfasser  hat  del  Material  in 
der  von  ihm  gewählten  Richtung  gesammelt  und  mit  feinem  Verständnis 
und  scharfer  Beobachtungsgabe  verarbeitet.  Zweierlei  erregt  Bedenken: 
erstens  ist  die  Grenze  zwischen  Poesie  und  Rhetorik,  zumal  in 
jener  rhetorisch  durchtränkten  Zeit,  der  es  an  echter  Poesie  so  gut  wie 
ganz~  fehlte,  schwer  einzuhalten,  und  man  wird  daher  über  den  poetischen 
oder  rhetorischen  Wert  eines  Wortes  oder  einer  Wendung  oft  ver- 
schiedener Meinung  sein  können;  zweitens  ist  ein  beträchtlicher  Teil 
der  poetischen  Ausdrücke  bei  Tacitus  nicht  den  Dichtern  direkt  ent- 
nommen, sondern  erst  durch  Vermittlung  des  Sallust,  des  Livius  und 
vielleicht  anderer  Geschichtschreiber  (auch  des  Curtius?)  dem  Autor  zu- 
gekommen. Dennoch  bleibt  vieles  übrig,  was  offenbare  Reminiscenz  des 
Schriftstellers  selbst  ist,  besonders  aus  Vergil  und  Horaz. 

Aus  späterer  Zeit  führe  ich  nur  weniges,  was  in  besonderer 
Beziehung  zum  Klassischen  steht,  an: 

Urba,  Meletemata  Porphyrionea.     Wien  1885. 

Hierher  gehören  cap.  III  observationes  ad  syntaxin  PorphjTioneam 
pertinentes,  und  cap.  IV  de  quibusdam  stili  Porphyrionei  proprietatibus 
K.    Lessing,     Stadien    zu    den    scriptores    historiae    Augustae. 
Berlin  1889. 

Enthält  besonders  eine  Kasussyntax,  doch  werden  auch  andere 
Gebiete  gestreift;  vgl.  das  ältere  Buch  von  Paucker. 

Fr.  Lieseuberg,  Die  Sprache  des  Ammianus  Marcellinus.  II. 
Syntax  und  Stil.     Progr.     Blankenburg  1890,   17  S. 

Teil  I  enthielt  den  Gebrauch  der  Redeteile  und  die  Formenlehre . 
Das  Ergebnis  der  neuen  Arbeit  ist  die  grofse  Übereinstimmung 
mit  der  silbernen  Latinität,  besonders  des  Tacitus  und  Plinius,  aber 
auch  des  Livius,  auf  bewufster  Nachahmung  beruhend:  daneben  besteht 
ausgedehnter  Einflufs  des  Griechischen. 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    LXXVII.  Bd.  (139.^.  III. i        15 


226  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

Fr.  Tiujiip,    Observationes    ad   genus  dicendi  Claudiani  eiusque 
imitationem  Vergilianam  spectantes.     Breslau  1887. 

Der  erste  Abschnitt  enthält  einen  Überblick  über  Claudians 
Kasus-  und  Infinitivsyntax,  in  steter  Vergleichung  mit  den  frühe- 
ren Dichtern,  namentlich  dem  Vergil. 

Abhandlungen,  die  nur  einzelne  Teile  der  Syntax  eines  Schi'ift- 
stellers  oder  Dichters  besprechen,  werden  dort,  weiter  unten,  angeführt 
werden.  Im  ganzen  ist  zu  dieser  Art  von  Untersuchungen  zu  bemerken, 
dais  die  blofse  mechanische  Zusammenstellung  der  Beispiele  nach  dem 
Schema  von  Zumpt,  das  allerdings  veraltet  ist,  oder  von  Driiger,  was 
am  bequemsten  und  leichtesten  geht,  oder  von  Schmalz,  was  für  die 
Zukunft  am  geratensten  ist  —  Hübner  hat  seit  1881  keine  neue  Auf- 
lage erscheinen  lassen,  und  Kühner  ist  nicht  selbständig  genug;  ein 
eigenes  Schema  aber  würde  die  spätere  Benutzung  erschweren  —  nur 
der  erste  einfachste  Schritt  ist,  fast  noch  schülerhaft  und  höchstens 
dajin  von  einiger  Bedeutung,  wenn  sie  den  ganzen  Autor  umfafst,  be- 
sonders wenn  zugleich  eine  neue  Feststellung  des  Textes  damit  ver- 
bunden ist.  Der  zweite,  schwerere  Schritt  ist  die  Vergleichung^ 
des  Sprachgebrauches  mit  dem  der  Vorgänger,  der  Zeitgenossen  und 
nächsten  Nachfolger,  eine  Arbeit,  die  umfassendere  und  gründlichere 
Studien  und  Kenntnisse  verlangt  und  auch  nur  dann  einen  gröfseren 
Wert  erreicht,  wenn  sie,  was  selten  der  Fall,  vollständig  durchgefühi-t 
wird.  Sind  so  die  Eigentümlichkeiten  des  Autors  gründlich  fest- 
gestellt, so  beginnt  drittens  die  schwierigste  Forschung,  diejenige 
nach  den  Ursachen  derselben,  die  teils  wieder  objektiv  sind  und  ia 
den  ihn  umgebenden  Verhältnissen  beruhen,  teils,  subjektiv,  aus  seiner 
Persönlichkeit  hervorgehen.  Erschwert  wird  diese  Untersuchung  beson- 
ders durch  den  fragmentarischen  Charakter  der  uns  erhaltenen  Litte- 
ratnr,  besonders  in  gewissen  Gebieten  und  Zeitabschnitten,  so  dafs  die 
so  oft  leichtsinnig  aufgestellte  Behauptung,  der  Schriftsteller  habe  dies 
und  jenes  erfunden,  neu  in  die  Litteratur  eingefülirt,  zuerst  gewagt, 
durchweg  dahin  ermäfsigt  werden  mufs,  dafs  es  uns  bei  ihm  zuerst 
erhalten  ist.  Die  objektiven  Quellen  ferner  gliedern  sich  für  uns 
immer  mehr:  von  der  eigentlichen  Vulgärsprache  z.  B.  ist  einerseits 
wieder  die  technische  Sprache  zu  unterscheiden,  andererseits  die  Kon- 
versation, der  Briefstil;  die  Vulgärsprache  selbst  aber  ist  teils 
wieder  hauptstädtisch,  teils  provinziell  u.  s.  w.  —  Die  Würdigung 
der  Eigenheiten  des  Autors,  in  linguistischer  und  ästhetischer 
Hinsicht,    bildet  den  Schlufs  dieses  ganzen  üntersuchungskreises. 

In  anderer  Hinsicht  gemischte  Schriften  sind  die  folgenden: 

Fr.  Hanssen,    Philosophemata  zur  lateinischen  Syntax.     In  den 
Comnieutationes  in  honorem  Studen)undi.     S.   109  tf. 


Syntax.    Gemischte  Schriften.    (Deecke.)  227 

H.  Ziemer,    Unlogische    Redeweisen.     Berl.    Philol.  Woch.    IX, 
491  f., 

soweit  dabei  das  Lateinische  in  Betracht  kommt. 

J.  A.  Heikel,  Kapitel  iir  latinska  sinitaxen.     Ilelsingfors  1887. 

s.  Ziemer,  Weh.  f.  kl.  Philo!.  V,  1287;    F.  Gustavson,  Neue 
Philol.  Rnndsch.  1888,  S.  14  f. 

P.  Stamm,  Znr  lateinischen  Grammatik  und  Stilistik.     .Tahrb.  f. 
klass.  Philol.   1888,  S.  767-77. 

Buntscheckige  Bemerkungen:  1.  Zur  synt.  convenientiae:  bei 
sachlichen  Subjekten  von  verschiedenem,  bisweilen  auch  gleichem  Genus 
kann  bei  Cäsar  und  Cicero  (ausgenommen  de  divin.  I,  128,  eine  Stelle, 
die  eraendiert  wird)  das  Prädikat  nur  dann  im  Neutrum  PI.  stehen 
wenn  ein  allgemeiner  Begriff  eingeschoben  gedacht  werden  kann;  be 
Livius,  auch  Sallust  aa.,  wird  diese  Bedingung  nicht  eingehalten 
Z.  B.  heilst  es  nach  Cicero:  divitiae  et  honores  incerta  et  caduca  sunt, 
labor  et  dolor  finitima  sunt,  aber  poetica  et  versus  inventus  est;  effectum 
esse  caelum  et  terram  u.  s.  w.;  dagegen  nach  Livius  auch  Oreum  et 
Corintlms  tuenda  sunt  (man  kann  ja  aber  oppida  einschieben!  Die  ganze 
Kegel  ist  zu  subjektiv!).  —  2.  ipse  non  „auch  nicht,  nicht  einmal"; 
so  auch  mit  dem  Relativ,  das  zwischen  ne  —  quidem  nicht  stehen  kann ; 
ipse  auch  „wiederum,  weiterhin",  spezialisierend:  ferner  schon  bei  Cicero 
abgeschwächt  —  is,  ille  (euphonisch?).  Diese  Bemerkung,  wie  die  meisten 
folgenden,  sind  gegen  den  Antibarbarus  in  der  neuen  Ausgabe  von 
Schmalz  gerichtet.  —  3.  eti'am  bisweilen  betont,  besonders  nach  dem 
Relativ,  =  auch.  —  4.  ror  wird  übertragen  gebraucht  in  Verbindung 
mit  anderen  Körperteilen.  —  .5.  alter  —  alter  kann  immer  stehen; 
unus  —  alter  nur,  wenn  duo  vorhergeht;  seltener  beim  genit.  partitivus; 
das  erstere  steht  gern  mit  einem  Substantiv  in  demselben  Satze.  — 
6.  verifas  steht  (nicht  verum)  als  Objekt  bei  cognoscere,  investigare, 
exquirere  u.  s.  w.,  allerdings  nicht  bei  dicere,  audire,  fateri  u.  s.  w. ; 
es  bedeutet  auch  „die  Wahrheit  in  einer  bestimmten  Sache".  —  7.  tum 
prhnimi  ist  auch  =  tum  demuni,  tum  denique.  —  8.  Das  Adverb  pri- 
mum  kann  auch,  aufs  Subjekt  oder  Objekt  bezogen,  statt  des  Adjektivs 
stehen.  —  9.  per  steht  neben  ab  auch  von  der  Urheberschaft  z.  B.  um 
doppeltes  ab  zu  vermeiden.  —  10.  nht  steht  nicht  immer  nach  Städte- 
nnd  Inselnamen  für  in  quo,  in  <iuibus  u.  s.  w.    (Dies  gegen  Kühner). 

—  11.  in  hoc  libro  kann  immer  stehen,  der  blofse  Ablativ  ist  nur  in- 
strumental. —  12.  Die  Negation  tritt  auch  in  ausgesprochenen  Gegen- 
sätzen nicht  selten  zum  Prädikat,   das  dann  bisweilen  wiederholt  wird. 

—  nulla  res  est,  nihil  est  steht  nicht  immer  mit  Relativ  oder  Inter- 
rogativ mit  unmittelbar  folgendem  non.    Nicht  immer  steht  uon  vor  nf, 


228  Lateinische  Grammatik.    (Dceckc.) 

weun  sed  folgt  (teils  gegen  Kühner,  teils  gegen  den  Antibarbai'us).  — 
13.  Das  pron.  possessivum  steht  sehr  oft  vor  dem  Substantiv,  ohne 
betont  zu  sein;  andrerseits  sehr  oft  nach,  wo  es  betont  ist.  —  14.  Die 
Umschreibung  -urmn  fuisse  muls  statt  des  imperf.  conj.  im  abhängigen 
Irrealis  stehen,  um  auszudrücken,  dafs  das  Gegenteil  von  dem  Inhalte 
faktisch  stattfindet.  —  Gegen  diese  letzte  Behauptung  erklärt  sich  Aug. 
Proksch,  ebdt.  866 — 7:  es  könne  auch  -urum  esse  stehen;  ja,  die  an- 
geführten Stellen  mit  fuisse  seien  anders  zu  deuten.  —  Ebdt.  1889, 
S.  600  zieht  Stamm  das  „mufs"  zurück,  hält  aber  sonst  seine  Auf- 
fassung fest  (schwerlich  mit  Recht!).  —  15.  praeter  enim  quam  quod 
(Cic.  leg.  III,  45)  ist  richtig;  vgl.  ante  vero  quam,  postea  vero  quam; 
prius  igitur  quam:  quam  ist  hier  komparativisch.  , 

J.  Speyer,  Observationes  grammaticae.  Lanx  satura  1889, 
p.  28—30. 

Behandelt  sind:  est:  pecua;  cupere  alicui  und  der  norain.  praedi- 
cativus. 

J.  Schaefler,  Die  sogenannten  syntaktischen  (rräcismen  bei 
den  augusteischen  Dichtern.  Doktordissert.  v,  München,  Amberg,  1884, 
95  S.     8. 

Behandelt  sind:  die  syut.  casuum,  Adjektiva  und  Adverbia,  der 
Infinitiv,  die  Relativ-  und  Fragesätze,  so  dal's  also  das  Gebiet  nicht 
vollständig  erschöpft  ist.  Berücksichtigt  sind  auch  Lukrez  und  Katull, 
sehr  dankenswert.  Der  Verfasser  sucht  die  verschiedenen  Elemente,  die 
den  sogen.  Gräcismen  zu  Grunde  liegen,  vorsichtig  gegeneinander  ab- 
zuwägen; die  geschichtliche  Entwickelung  des  Lateinischen  selbst  (vor- 
wiegend anzunehmen);  den  Mirklichen  Einflufs  des  Griechischen  (mit 
Vorsicht  anzusetzen);  den  Zwang  des  Metrums;  das  psychologische  Mo- 
ment u.  s.  w. 

Vgl.  dazu: 

A.  Beltrami,  II  grecismo  nella  sintassi  latiua.  Dissert.,  Turin, 
1885,  91  S.     8; 

s.  die  Anzeige  von  J.  Schaefler  im  Philol.  Anzeiger  XVII,  244  f. 

Im  ganzen  Ist  man  jetzt  von  der  eine  Zeitlang  übertriebenen 
Neigung,  überall  im  Latein  Gräcismen  zu  sehen,  so  weit  zurückge- 
kommen, dafs  man  nun  auf  der  entgegengesetzten  Seite  zu  weit  zu  gehen 
pflegt,  indem  man  offenbar  den  Griechen  nachgebildete  Formen  und  Kon- 
struktionen, wider  den  Geist  der  lateinischen  Sprache,  organisch  aus 
dieser  zu  entwickeln  sucht.    Dies  ist  ebenso  irrig  wie  jenes. 

Die  beiden  Hauptteile  der  Syntax  sind  endlich  verschmolzen, 
freilich  auf  eigentümliche  Weise,  in: 


Syntax.    Gemischtes.     Gebrauch  der  Kasus.    (Deecke.)  229 

L.  F.  Ardy,  De  coiistructionibiis  causaruni  iu  latino  sermone 
politioris  aevi  über  cum  tabula  synoptica.  Genua,  Donath,  1887, 
71  S.  8. 

Es  sind  hier  nämlich  Kasus-  und  Satzsyntax  gemengt,  sofern 
der  Grund  sowohl  durcli  einen  Satzteil,  als  auch  durch  einen  eigenen 
Satz  ausgedrückt  werden  kann.  Dieser  Unterschied  aber  bildet  selt- 
samerweise hier  nicht  das  Einteilungsprinzip,  sondern  die  Art  des 
Grundes.  Und  zwar  handelt,  nach  kurzer  Einleitung,  pars  I  de  causa 
positiva,  p.  9 — 58,  nämlich  Sectio  I  de  causa  interna,  sectio  II  de  causa 
externa,  mit  10  Unterrubriken:  de  causa  directa  generatim  und  speciatim, 
agente,  iustrumentali,  limitante,  fortuita  ('?),  tinali,  exemplari,  hypothetica, 
endlich  de  eflfectu;  pars  II  de  causa  negativa,  p.  58 — 59  (sehr  kurz). 
Jede  angeführte  Art  des  Grundes  —  die  Zergliederung  geht  noch  viel 
weiter  ins  Einzelne,  als  ich  hier  angegeben  habe  —  wird  durch  ein 
Beispiel  aus  Cäsar,  Cicero,  Livius,  Sallust,  Vergil  oder  Ovid  belegt, 
meist  aus  Dräger.     Der  synoptischen  Tafel  folgt  noch  ein  Index. 

Indem  ich  die  Abhandlungen  über  die  subjektlosen  Sätze  bis 
zur  Satzlelu'G  aufspare,  gehe  ich  zunächst  zur  Kasussyntax  über. 
Zuvörderst  nenne  ich  einige  allgemeine  Schriften: 

G.  Vogrinz,  Gedanken  zu  einer  Geschichte  des  Kasussystems. 
Leitmeritz,  1884. 

Die  Schrift  schliefst  sich  an  die  im  Jahresber.  f.  1883—4,  S.  189— 
191  besprochenen  3  früheren  Abhandlungen  desselben  Verfassers  aus 
den  Jahren  1882  —  3  an  und  führt  weiter  aus,  dais  die  ursprüngliche 
Zahl  von  8  indogermanischen  Kasus  in  den  versclüedenen  einzelneu 
Sprachen  verschieden  verkürzt  worden  ist.  Die  wesentlichste  Ursache 
davon  war  das  Ersparnngsprinzip.  So  reichten  im  Lateinischen 
5  Kasus  aus:  es  liefs  schon  vorhistorisch  den  Instrumentalis  fallen, 
später  den  Lokativ  und  fast  ganz  den  Vokativ,  Auch  die  5  erhaltenen 
Kasus  fielen  später  lautlich  noch  vielfach  zusammen,  besonders  der  Dativ 
und  Ablativ,  der  Nominativ  und  Akkusativ. 

C.  Hermann,  Die  Kasus  und  die  Präpositionen.  Jahrb.  f.  kl.  Philol. 
142,  S.  209  ff. 

Brinker,    Die    lateinische   Kasussyntax.     Ebdt.  144,   S.  586  ff. 

Zu  vergleichen  ist  auch  der  Abschnitt  über  die  Kasuslehre  in  den 
„Erläuterungen"  zu  meiner  Schulgrammatik,  S.  329 — 366. 

Sämtliche  Kasus  sind  ferner,  in  betreff  ihres  Gebrauchs  bei 
einzelnen  Schriftstellern,  in  folgenden  Schriften  behandelt: 

Köhler,  Der  Sprachgebrauch  des  Cornelius  Nepos  in  der  Kasus- 
syntax.    Gotha,  Perthes,  1888,  VI  u.  4G  S.  8. 


230  Lateinische  Grammatik.     (Duecke.) 

Eiue  reiu  praktische,  für  den  Lehrer  bestimmte  Statistik ^  wie 
dityeuige  Heyuachers  für  Cäsar,  uud  zwar  in  der  Reiiieniblge  der 
Regeln  bei  Ellendt-Seyffert,  indem  augegeben  wird,  wie  oft  und  an 
welcher  Stelle  jede  Regel  bei  Cornelius  Nepos  Anwendung  gefunden 
liat.     Neben  der  ei"schüpfendeu  Arbeit  von  Lupus  war  diese  kaum  nötig. 

Fr.  Plochmanu,  Cäsars  Sprachgebrauch  in  Bezug  auf  die  Syntax 
der  Kasus.     Prgr,,  Schweinfurt,    1891,    45  S. 

Gleichfalls  aus  der  Schule  und  für  die  Schule  entstanden,  ohne 
tiefere  Ergründung  oder  neue  Ergebnisse. 

Ad.  Hoerle,  De  casuüm  usu  Proper tiano.  Dissert.,  Halle,  1887, 
81  S.    8. 

Ein  sorgfältig  gearbeiteter  Beitrag  zur  historischeu  Syntax,  wichtig 
durch  die  stete  Vergleichung  mit  dem  etwas  älteren  Tibull,  interessant 
wegeu  der  kühnen  Eigenart  des  Dichters.  Während  Tibull  streng 
national  ist,  zeigt  sich  Properz  stark  gräcisiereud,  wie  er  denn  z.  B.  deu 
g-enit.  exclamationis  hat;  auch  das  Possessiv  statt  des  genit.  object.,  wie 
amor  tuus,  hat  Tibull  noch  nicht;  eine  strenge  Feinheit  ist,  dafs  Properz 
nie  zwei  Genitive  zu  einem  Nomen  setzt;  der  abl.  gerundii  statt  des 
part.  praes.  act.  fehlt  noch.  —  Das  Metrische  ist  vielleicht  nicht  immer 
genügend  berücksichtigt  worden.  —  Vgl.  übrigens  oben  die  umfassendere 
Arbeit  von  A.  Wagner. 

Aug.  Preising,  De  L.  Annaei  Senecae  poetae  tragici  casuum 
usu,  ratione  potissimum  habita  Vergilii,  Ovidii,  Lucaui.  Dissertat., 
Münster,  1891,  51  S.  8. 

Gleichfalls  ein  fleifsiger  Beitrag  zur  historischeu  Grammatik,  und 
zwar  nach  Drägers  Schema.  Einige  Einzelheiten  sind :  exigere  aliquid 
„etwas  fordern"  (spanisch);  bei  den  mit  Präpositionen  zusammengesetzten 
"Verben  wird  die  Präposition  selten  wiederholt;  die  Kleidung  wird  mit 
in  bezeichnet,  wie  bei  Ovid;  trepidarc  ist  transitiv;  vereinzelt:  Thy.  306 
die  ^  in  dies;  Herc.  Oet.  888  damnare  morte;  898  arguere  scelere. 

Mehrere  Kasus  sind  Gegenstand  der  Untersuchung  in: 

Joh.  Meifsner,  Quaestiones  ad  usum  casuum  obliquorum  Lucre- 
tianum  pertinentes.     Dissertat.,  Halle,  1891,  80  S.  8. 

Eingehend  sind  der  Ablativ  und  Akkusativ,  auch  nach  Präpositionen, 
behandelt,  weniger  genau,  aus  Platzmangel,  der  Genitiv  und  Dativ. 
Stete  Vergleichung  mit  Ennius  und  Vergil  ist  durchgeführt.  Die  Ar- 
beiten von  Stadler  und  Holtze  erfahren  beträchtliche  Bereicherung  und 
Ergänzung.  Auch  bei  dieser  Arbeit  scheinen  die  metrischen  Bedin- 
gungen, eine  allerdings  schwierige  Aufgabe,  nicht  immer  genügend  be- 
rücksichtigt zu  sein. 


Syntax.    Gebrauch  der  Kasus.     (Deecke.)  231 

Joan.  Benesch,  De  casuuni  obliquorum  apud  M.  lunianuni 
lustiimm  usu.     Disseit.,  Wien,  Tempsky,  1889,  79  S.  8. 

Der  im  ganzen  kritisch  gesicherte  Text  Rühls  leidet,  wie  Benesch 
nachweist,  doch  zu  sehr  an  künstlich  gemachter  Gleichförmigkeit;  eine 
weitere  Schwierigkeit  bietet  der  Umstand,  dals  die  Sprache  der  epitoma 
nur  zur  kleineren  Hälfte  Eigentum  des  Justin  selbst  ist,  vielmehr  zur 
gröfseren  Hälfte  erst  dem  epitomator  angehört.  Endlich  ist  Justins 
Zeitalter  bisher  nur  ungefähr  auf  215  n.  Gh.,  in  die  Zeit  des  Caracalla, 
festgesetzt,  so  dafs  eine  sichere  historische  Vergleichung  mit  den  Autoren 
jener  Zeit  nicht  möglich  ist.  Die  Arbeit  ist  sonst  Heilsig  und  streng 
kritisch,  ohne  den  Blick  für  den  freieren  und  vielseitigeren  Gebrauch 
des  Autors  zu  verlieren.  Den  Spuren  des  sermo  vulgaris  wird  eifrig 
nachgeforscht.  Die  Historiker  der  klassischen,  wie  der  späteren  Zeit 
sind  umfänglich  zur  Gegenüberstellung  herangezogen;  über  40  Stellen 
sind  kiitisch  behandelt.  —  Eine  Anzahl  Ergänzungen  giebt  Schmalz 
in  seiner  Anzeige  in  der  Berl.  Piniol.  Woch.   1890,  N.  48. 

J.  Sitzler,  Über  den  Kasusgebrauch  bei  Varro.  I.  Genitiv 
und  Dativ.     Prgr.,  Tauberbischofsheim,  1889,  12  S.  4. 

Berücksichtigt  sind  wesentlich  nur  die  Schriften  de  re  rustica,  de 
lingua  Latina  und  die  Fragmente  der  saturae  Menippeae.  Die  archaische 
und  vulgäre  Litteratur  ist  zur  Vergleichung  herangezogen,  nicht  die 
klassische. 

Anderer  Art  ist: 

J.  Golling,  Zur  Lehre  vom  Ablativ  und  Genitiv  der  Eigenschaft. 
Gymnas.  VI  (1888)  1  flf..;  41  ff. 

Ich  gehe  nun  zu  den  einzelnen  Kasus  und  zwar  zunächst  zum 
Genitiv  über: 

Ed.  Wölfflin,  Genetiv  mit  Ellipse  des  regierenden  Substantivs. 
Archiv  f.  lat.  Lex.  II,  S,  365—371;  616. 

Zu  vergleichen  ist  Dräger  I^,  §  208;  hier  wird  nur  seine  erste 
Gruppe,  bei  templum  u.  s.  w.,  ausführlicher  behandelt.  Die  Kon- 
struktion ad  Dianae  u.  s.  w.,  wobei  aedem  (nicht  templum)  zu  ergänzen 
ist,  hat  Plautus  noch  nicht,  wohl  aber  Terenz  Ad.  582;  dann  Porapon. 
fr.  133  E.  (ad  Venevis),  beide  auf  die  Frage  „wohin?",  wie  später  Horaz 
ad  Vestam ;  Cicero,  Sallust,  Li\aus  brauchen  sie  aber  auch  auf  die  Frage 
„wo?"  z.  B.  ad  Opis,  ad  Juturnae,  ad  Castoris,  ad  ApoUinis,  ad  Monetae, 
ad  Martis;  inschriftlich  ad  Murciai.  Liv.  III,  48,  5  auch  prope  Cloacinae 
u.  s.  w.  —  Ferner  finden  sich  von  Cicero  an:  in,  ante,  ah,  sogar  ad 
Ätt.  XVI,  14,  1  in  Telluris  ad  .  .  .;  feraer  ante  Castoris,  a  Vestae,  bei 
Livius  a  Martis ;  auch  inschriftlich  kommt  manches  derart  vor,  umfang- 
reich aber  erst  bei  Tertullian.     Im  Nominativ  hat  Vitruv  die  Wendung 


232  Lateinische  Grammatik.     (Ueecke). 

4  mal,  vielleicht  Liviiis  II,  7,  12  Vicae  Potae.  —  Jedenfalls  entstammt 
der  dem  Griechischeu  nachgeahmte  Gebrauch  dem  Scipionenkreise  und 
gehörte  der  Jvonversationssprache  an.  —  Zu  Drag  er  s  zweiter  Gruppe 
(Verwandtschaftsnameu,  auditor,  servus)  wird  hinzugefügt  Gallia  Lepidi 
(provincia)  Cic.  ep.  X,  33,  4,  w'ohl  personifiziert  als  uxor,  nupta.  — 

Ed.  Wölfflin,  Der  geuetivus  comparatiouis  und  die  präpositionalen 
Umschreibungen.     Arch.  f.  lat.  Lex.  "VII,  114  —  131. 

Auch  dieser  Genitiv  war  durchs  Griechische  beeinflulst.  Ältere 
->Stellen  sind  unsicher  oder  anders  erklärlich  z.  B.  Plaut,  ('apt.  822 
regum  rex  regalior;  Enuius  trag.  78  V.  mater  optumarum  multo  mulier 
melior  mulierum;  s.  auch  Varro  d.  r.  r.  11,  5,  10  meliores  totius  Graeciae 
Vitruv  V,  13  (ganz  griechisch)  superiora  inferiorum  fieri  co)itractiora ; 
Plin.  n.  h.  VII,  117  omnium  triumphorum  laurea  maior.  —  Eine 
Formel  findet  sich  allerdings  schon  am  Ende  der  Republik  im  Kurial- 
stil:  minor  und  maior  annorum  (mit  folgender  Zahl);  man  nimmt  hier 
Ellipse  von  quam  an,  allein  eigentlich  ist  es  wohl  genet.  quaiitatis; 
ebenso  Tac.  Ann.  IV,  63  minor  quadringentorum  miliuni  res.  Gegen 
200  n.  Ch.  dringt  dann  der  Genitiv  siegreich  ein,  zuerst  bei  den  Juristen 
die  meist  Fremde  waren:  so  hat  Gaius  häufiger  minor  und  maior  annorum, 
während  die  Digesten  annis  vorziehn;  ebenso  Ulpian,  vereinzelt  Andere. 
Freier  braucht  den  Genitiv  Apuleius,  dann  das  Kirchenlatein.  —  Von 
umschreibenden  Präpositionen  ist  zunächst  ab  zu  nennen:  so  bei  Apul., 
Tertull.  secundus  ab,  wie  alius  ab;  dann  in  der  Itala:  maior, 
melior,  minus  ab;  zuerst  also  bei  den  irregulären  Komparativen. 
Vgl,  hierzu  den  Nachtrag  von  8.  Brandt  ebdt.  595  f.  über  ab 
bei  Arnobius,  Cyprian,  Laktanz,  so  dafs  der  Gebrauch  sich  als 
afrikanisch  erweist;  ferner  in  den  Institutionen.  Es  liegt  demnach 
wohl  semitischer  Eiuflufs  vor.  —  prae  bei  Fronto:  dulcius  prae  vobis; 
dann  bei  Apulejus  aa.  —  ante,  schon  bei  Verg.  Aen.  I,  347  scelere  ante 
alios  immanior  omnes.  —  super  bei  Tertull.,  Augustin.  —  extra,  ultra 
spät;  ebenso  inter,  infolge  von  Verraengung  mit  dem  genet.  partitivus. 
— de  statt  ab  erst  romanisch. 

E,  Audouiu,  Le  genitif  de  la  peine  en  latin.  Rev.  d.  philol. 
XIV,  111  f. 

Vgl.  auch: 

Fr.  Scholl,  Alte  Probleme.     Arch.  f.  lat.  Lex.  U,  203—18. 

m.  02)tis  est  und  usus  est.  Letzteres,  selbst  Nominativ,  wie  usus 
venit,  usor  es  (Donat  zu  Ter.  Andr.  202),  hat  den  Ablativ  von  uti 
bei  sich;  danach  opus  est,  das  auch  Nominativ  (nicht  archaischer  Genitiv 
—  opis)  ist;  Stellen,  mit  dem  Akk.  sind  falsch.  Der  Genitiv  ist  selten, 
aber  sicher:  er  ist  nicht  Gräcismus,  sondern  nach  Analogie  der  ver- 
ba  inopiae  eingetreten.  —  IV.  rt'fert  und  interest.  Re-  ist  Ablativ  =  ex 


Syntax.     Gebrauch  der  Kasus.     (Deecke.)  233 

re  (tuji),  ;,vom  Staudpuukte  (deiner)  Sache  aus,  im  Interesse  von  dir"; 
danach  analogisch  auch  interest  tuä  u.  s.  w.;  der  Genitiv  der  Person 
ist  ursprünglich  von  quantura,  multum  u.  s.  w.  ubhäDgig(?). 

A.  Pasdera,  De  interest,  verbi  impersonalis,  structura  et 
origine.     Sutri,  1885,  35  p.  8. 

Vgl.  auch  meine  „Erläuterungen"  zur  lat.  8chulgrammatik,  S.  331. 

Es  folgt  der  Dativ: 

H.  Iber,  De  dativi  usu  TibuUiano.  Dissert. ,  Marburg,  1888, 
48  S.  8. 

Der  erste  Teil  dieser  Abhandlung  ist  gegen  die  Annahme  des 
sogen,  lokalen  Dativs  gerichtet  (S.  1 — 8),  der  zweite  Teil  (S.  9 — 43) 
handelt  I.  de  verbo  substantivo  d.  h.  vom  Dativ  bei  esse  und  seinen 
Kompositen;  vom  doppelten  Dativ  bei  esse;  vom  Dativ  bei  fieri,  nasci 
H.  s.  w.  —  II  u.  III  de  verbis  intransitivis  simplicibus  und  compositis. 
—  IV.  de  verbis  transitivis.  —  V.  Der  Dativ  bei  Nominibus,  Adverbien, 
Interjektionen.  —  Der  Schlufs  (S.  43  —  8)  enthält  einige  zusammen* 
fassende  Bemerkungen.  —  Als  echte  Teile  der  TibuUischen  Sammlung 
werden  anerkannt  lib.  I,  II  und  IV,  13;  aber  es  zeigt  sich  allerdings 
im  Gebrauche  des  Dativs  kein  wesentlicher  Unterschied  vom  Pseudo- 
tibull;  so  auch  nicht  von  dem  regelmäfsig  zur  Vergleichung  herange- 
zogeneu Vergil:  vgl.  Dittel  der  Dativ  bei  Vergil. 

E.  Schenk,  De  dativi  possessiv!  usu  Ciceroniauo  pars  I.  Prgr.  v. 
Bergedorf,  1892;  Jena,  Frommann,  25  S.  4. 

Die  Einleitung  stellt  den  Unterschied  des  possessiven  Genitivs  und 
Dativs  fest,  im  wesentlichen  nach  Haase:  der  Dativ  drückt  absoluten 
(schlechthinuigen)  Besitz  aus,  der  Genitiv  determinierten  (qualifi- 
cierten)  Besitz.  Von  den  projektierten  3  Teilen  ist  im  vorliegenden 
Programme  nur  der  erste  behandelt:  A.  dativus  possessivus  genuinus 
d.  h.  mit  esse,  imd  zwar  1.  possessio  est  absoluta  (s.  oben!),  mit  mehreren 
Unterabteilungen;  2.  possessio  est  determinata,  sehr  selten  (statt  des 
Genitivs,  s.  oben!).  Die  Arbeit  ist  zu  sehr  Fragment,  um  irgend  welche 
weiter  gehenden  Schlüsse  zu  gestatten. 

G.  Landgraf,  Der  dativus  commodi  und  der  dat.  finalis  mit  ihren 
Abarten.     Arch.  f.  lat.  Lex.  Vm,  S.  39—76. 

Der  Dativ,  ein  grammatischer,  nicht  „lokaler"  Kasus,  bezeichnet 
nach  dem  Verfasser  die  Beziehung  einer  Handlung  zunächst  auf  eine 
Person,  dann  auf  eine  Sache  (viel  zu  unbestimmte  Definition!).  Hier- 
U9,ch  zerfällt  er  in  zwei  Arten:  I.  Der  Dativ  des  persönlichen  oder 
persönlich  gedachten  Objekts,  und  zwar  A.  mit  Verben  und  Adjek- 
tiven (dat.  possessivus,  Dativ  mit  intransitiven  und  Dativ  mit  kompo- 


234  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

liierten  Verben;  B.  in  loserer  Verbindung,  znra  Verb  und  zur  ganzen 
Aussage  gehörig  (dativus  energeticns  u.  s.  w. ;  s.  unten!).  —  II.  Der 
Dativ  des  sachlichen  Objekts  (prädikativer,  finaler  und  final-lokativer 
Dativ).  —  Diese  Einteilung  entbehrt  eines  einheitlichen  inneren  Principa 
und  beruht  auf  einer  schwankenden  Aufseiiichkeit ;  auch  ist  der  Dativ 
bei  Sachen  sicher  ebenso  ursprünglich,  wie  der  bei  Personen!  —  Hier 
nun  werden  behandelt:  I  B.  (mit  Ausnahme  des  dat.  auctoris)  und  II 
(ohne  den  prädikativen  Dativ),  nämlich:  1.  Dativ  energeticus,  statt 
des  Genitivs,  beruht  anf  verschobener  Bedeutung  des  Verbs  z.  B.  militibus 
(statt  militum)  animos  acceaidere;  er  ist  seltener,  als  der  Genitiv,  und 
dient  besonders  zur  Vermeidung  zweier  Genitive;  bevorzugt  wird  er 
von  den  Dichtern  der  ciceronianischen  und  augusteischen  Zeit  beim  Relativ 
und  Demonstrativ;  ebenso  im  pron.  personale  statt  des  possessivum  (seit 
Lukrez);  auch  stehn  beide  nebeneinander,  wie  tuus  tibi  schon  bei 
Plautus,  besonders  häufig  aber  suus  sibi,  auch  bei  Cicero,  Vitruv  u.  s.  w. 
Bekannt  ist  die  Scheidungsformel:  tibi  habeas  res  tuas!  —  Hierher 
auch  die  Phrase:  Quid  sibi  vult?  —  2.  Der  dat.  commodi  et  incommodi, 
der  eigentlich  nur  die  Beteiligung  ausdrückt;  ob  zum  Vorteil  oder 
zum  Nachteil,  ergiebt  erst  der  Zusammenhang.  Dieser  Dativ  findet 
sich  zu  allen  Zeiten,  in  allen  Stilgattungen.  Besondere  Gruppen  sind: 
zu  Ehren  (auch  der  Götter),  zu  Liebe,  Gefallen,. Nutzen,  Gunsten,  Ver- 
gnügen; ferner  mihi,  tibi,  sibi;  seltener  ist  die  ungünstige  Bedeutung. 
—  3.  Der  dat.  ethicus,  der  nur  ein  geistiges,  gemütliches  Interesse 
ausdrückt.  So  steht  er  bei  at,  hie,  en  (em,  nicht  bei  Cicero^,  ecce,  vor 
allem  häufig  der  Dativ  tibi;  ohne  Partikel  in  Fragen.  Nur  die  Dichter 
gehn  über  die  1.  und  2.  Person  hinaus  und  setzen  ihn  sogar  bei  Parti- 
zipien, was  den  Übergang  zum  Folgenden  bildet.  —  4.  Der  dat.  judi- 
cantis:  er  drückt  nur  das  verstaudesmäfsige  Interesse  an  der  Aussage 
aus.  Schon  Ennius  hat  mihi  =^  ex  meo  judicio  u.  s.  w.;  besonders  häufig 
steht  er  beim  Partizip  =  „man",  teils  örtlich,  teils  geistig,  den  Stand- 
punkt bezeichnend:  a.  örtlich,  Part.  Präs.  Akt.,  auch  Deponentis,  seit 
Veigil  auch  Part.  Perf.  Dep.  z.  B.  egressis.  sowohl  im  Singular,  als 
Plural;  häufiger  seit  Livius,  besonders  bei  den  Historio-  und  Geographen; 
seltener  bei  den  augusteischen  Dichtern,  nicht  bei  den  späteren.  Land- 
graf hält  diesen  Dativ  nicht  geradezu  für  einen  Gräcismus,  doch  ist 
er  dies  wohl  sicher;  vgl.  noch  est  mihi  aliquid  z.  B.  venieuti.  —  b. 
geistig,  seit  Livius,  z.  B.  vere  aestimanti,  besonders  im  Singular,  viel- 
leicht unter  Einwirkung  des  Dativs  in  cogitanti  mihi  u.  s.  w.  entstanden; 
bei  Vergil  freier,  z.  B.  quaerenti.  Dieser  Dativ  blieb  immer  selten.  — 
5.  Der  dat.  finalis.  Der  Dativ  bezeichnet  nicht  ursprünglich  den  Zweck, 
aber  es  wird  oft  das  von  der  Satzsul)stanz  ausgehende  Interesse  von 
einer  Person  auf  eine  Sache  übertragen,  z.B.  statt  tibi  cano:  receptui 


Syntax.     Gebrauch  der  Kasus.    (Deecke.)  235 

cano  (dies  ist  keiue  Sache,  sondern  eine  Handlung,  so  dals  das  Beispiel 
unglücklich  gewählt  ist;  auch  kauu  der  Dativ  der  Person  aufserdem  er- 
halten Vileibeu!):  so  setzt  sich  die  Bedeutung  zur  zielbewufsten  Thätig- 
keit  um.  Es  werden  Belege  eines  einfachen  Dativs  derart  zu  Verben 
der  Bewegung  oder  Bestimmung  gegeben,  und  dieser  Dativ  als  der 
Bauern-  und  Soldatensprache  entsprungen  (.>)  hingestellt.  Beim  Durch- 
gehen der  Schriftsteller  zeigt  sich,  dafs  Cicero  ihn  nicht  viel  hat;  er- 
weitert wird  sein  Gebrauch  durch  einzelne  augusteische  Dichter  (nicht 
Horaz),  ferner  durch  Livius  (paratus  mit  Dativ  hat  er  im  Anschlufs 
an  die  Dichter),  Tacitus  aa.  Mit  dem  Gerundiv  hat  meist  Florus  den 
Dativ;  eine  eigene  Stellung  nimmt  Justin  ein,  der  einerseits  manche 
Kühnheiten  hat,  andererseits  Gewöhnliches  nicht,  wie  den  Dativ  auxilio 
—  6.  Der  finale  Dativ  bei  Substantiven  steht  keinesw^egs  blofs  bei 
Verbalabstrakten,  sondern  auch  bei  anderen  "Wörtern  z.  B.  Signum  re- 
ceptui:  auch  er  ist  bäuerlich  z.  B.  bei  Kato  de  re  rustica,  dann  medi- 
zinisch. Es  werden  die  Substantiva  aufgezählt,  bei  denen  er  Vorzugs 
weise  steht,  wie  locus,  dies,  initium,  finis,  causa,  materia,  Signum,  orna- 
mentum,  tegimentum,  remediura  aa.  —  Die  Dichter  brauchen  statt  des 
sogen,  faktitiven  Dativs  bei  esse  auch  den  Nom.  oder  Akk.  z.  B.  exitium 
(statt  exitio)  fuit  Trojae.  —  Gern  tritt  der  finale  Dativ  zu  substanti- 
vischen Satzappositioueu,  z.  B.  Verg.  Aen.  I,  429;  andererseits  treten 
Sachuamen  im  Dativ  zu  persönlichen  Substantiven,  wie  dux  seditioni : 
dies  ist  besonders  in  der  Gesetzessprachc  der  Fall,  ferner  im  amtlichen 
Stil,  bei  Rechts-  und  Pflichtverhältnissen,  z.  B.  tutor  liberis:  legatus 
conisuli,  schon  archaisch,  klassisch  eingeschränkt  (fast  nur  in  festen 
Formeln),  erweitert  wieder  durch  die  angusteischen  Dichter  (nicht  Horaz), 
Livius,  Tacitus  aa.  —  7.  Der  final-lokutive  Dativ,  durch  Übergang 
vom  inneren  zum  äufseren  Ziele  z.  B.  mittere  raorti,  wie  mittere 
praesidio  (das  Beispiel  ist  wieder  unglücklich  gewählt,  da  morti  ein 
Vorgang  oder  Zustand  ist,  kein  äufseres  Ziel;  auch  halte  ich  diesen 
Gebrauch  des  Dativs  gerade  für  den  ältesten!).  Es  wechselt  dieser  Dativ 
mit  ad,  beides  schon  bei  Plautus:  freier  findet  er  sich  wieder  bei  den 
augusteischen  Dichtern;  doch  hat  auch  schon  Ennius  locis  ^  in  loca 
vgl.  gr.  -£0''(p  zsie.  Cicero  hat  in  der  Übersetzung  de  div.  II,  64  und 
Tusc.  II,  20  luci  (nicht  Abi.  oder  Lok.)  -=  in  lucem;  vgl.  pro  Sest.  102- 
terris  ultimis  relegata.  Eine  alte  Formel  lautet:  ollus  quiris  leto  datus 
(auch  neci,  morti,  Orco  u,  s.  w.  datus  kommen  später  vor).  Am  häufig- 
sten ist  der  Dativ  caelo,  dann  terrae  aa.  Ungewöhnliches  haben  z.  B. 
Properz:  ire  viro,  der  aut.  bell.  Hisp.:  reprimere  oppido.  Im  ganzen  ist 
dieser  Dativ  mehi-  poetisch(?). 

Vgl.  über  den  Dativ  noch  Golliug  im  Gymn.  1886,  N.  19  und 
die  Anmerkung  von  Schmalz  598  zu  Reisig-Haase's  Vorlesungen; 


23()  Lateiaiscke  Granmatik,    iDeecke.) 

endlich  die  „Erläuterungen"  7,u  meiner  Schulgrammatik,  8.  340 — 347, 
wo  der  Dativ  als  der  räumliche  (lokale)  Kasus  des  Ortes  bezeichnet 
ist,  an  dem  eine  Bewegung  zur  Ruhe  kommt,  aus  welcher  Grund- 
bedeutung dann  alle  seine  Anwendungsarten  abgeleitet  werden,  natürlich 
in  durchweg  anderer  Reihenfolge,  als  bei  Landgraf. 

Auch  zum  Akkusativ  sind  meine  Erläuterungen  einzusehen, 
S.  347—354;  er  ist  mir  der  räumliche  Kasus  der  Richtung  einer 
Bewegung  „wohin"?",  und  auch  bei  ihm  lassen  sich  alle  Arten  des 
CTclarauclis  unschwer  aus  dieser  Urbedeutung  erklären. 

Vgl.  Imme,  die  Bedeutung  der  Kasus.     I.  Der  Akkusativ.  Prgi-., 
Essen,  1886,  30  S.  8. 

An  neueren  Schriften  sind  sonst  nur  2  Abhandlungen  Wölfflins 
zum   sogen,  adverbialen  Akkusativ  anzuführen: 

Ed.  Wolf fl in,  Id  genus  und  Verwandtes.     Arch.  f.  lat.  Lex.  V, 
387—98. 

1.  id  genus,  hoc  gemis,  archaisch  bei  Lucilius  und  Varro,  klassisch 
nur  ausnahmsweise  und  unsicher  (Cic.  ad  Att,  XIII,  12,  3);  vielleicht 
Livius  I,  8,  3  [et?]  hoc  genus;  sicher  bei  Horaz  Sat.  II,  <i,  44,  aus 
dem  sermo  urbanus;  bei  Plin.  n.  h.  XXXV,  114  ist  die  Konstruktion 
zweifelhaft.  —  Varro  braucht  übrigens  jene  Verbindung  nicht  nur  ap- 
positiv  zum  Nom.  und  Akk.  eines  Substantivs  oder  substantivierten 
Wortes,  was  ihr  Ursprung  zu  sein  scheint,  oft  bei  alia,  cetera,  omnia  (s. 
die  nächste  Abhandlung!),  sondern  auch  schon  wirklich  adverbial, 
zi\m  Ablativ,  ja  zwischen  Präposition  und  Ablativ  gestellt.  Das  regie- 
rende Substantiv  fehlt  oft,  z.  B.  in  hoc  genus  (praediis).  Neues  Leben 
erhielt  die  Phrase  in  der  afrikanischen  Latinität,  anfangs  ohne  Erfolg; 
sie  ist  also  archaistisch,  nicht  vulgär.  —  2.  qiiod  genus,  quid  genus 
(letzteres  äuiserst  selten),  gleichfalls  archaisch,  bei  Kato,  Lucilius,  Varro, 
dann  Kornificius,  in  der  Jugendschrift  Ciceros  de  inventione,  bei  Lukrez; 
nur  zu  einem  Nom.  oder  Akkusativ:  es  folgt  ein  Satz,  ein  Vers,  eine 
Sentenz  dgl.  als  Beispiel;  auch  Nebensätze  mit  si,  ut;  Lukrez  hat  auch 
quod  genus  .  .  .,  sie  .  .  .  Immerhin  ist  die  Wendung  nur  mäfsig  ver- 
breitet. Im  Ausruf  hat  sie  Lucilius,  im  indirekten  Fragesatz  Kornificius ; 
später  findet  sie  sich  bei  Gellius.  —  3.  onine  genus:  Kato  beim  Akk.: 
dann  Katull;  Lukrez  auch  mit  Abi.,  ebenso  Varro :  später  selten,  fast 
iiiir  mit  Nom.  oder  Akk.;  daneben  oranigenus  bei  Varro,  omnimodus 
auch  später  bei  Apulejus,  sonst  selten.  —  Der  Schlufs  stellt  als  Er- 
gebnis fest,  dalsdie  obigen  Verbindungen  ursprünglich  appositiv  waren 
und  daher  anfangs  nur  zum  Nora,  und  Akk.  traten,  bis  sie  erst  später 
in  adverbiale  Verwendung  übergingen. 


Syntax.    Gebrauch  der  Kasus.    (Deecke).  237 

Ed.  Wölffliu,  Das  adverbiale  cetera,  alia,  omnia.    Arch.  f.  lat 
Lex.  II,  90—99. 

Ergänzung  von  Haud's  Tursell.  II,  40—42  und  Dräger's  histor. 
Synt.  §  ]74.  Der  Akk.  ist  nicht  als  accus.  Graecus  zu  bezeichnen,  wenn 
auch  das  Griechische  später  eingewirkt  hat.  —  1.  cetera,  alia,  reliqua. 
In  Cäsar  und  Ciceros  Reden  nie  ceterum;  auch  cetera  bei  letzterem 
selten :  es  gehörte  dem  Konversationston  an  und  wurde  poetisch,  weil  es 
gut  in  den  Hexameter  pafste.  Häufiger  steht  es  bei  Adjektiven,  als  bei 
Verben ;  mit  einem  Substantiv  zuerst  bei  Vergil.  Als  Ersatz  dienen  ad-, 
per- ;  in  ceteris  (rebus) ;  ad  ceteras  (res).  —  Dagegen  ist  alia  zunächst 
dem  Sallust  eigen  und  geht  von  ihm  auf  die  anderen  Historiker  über. 
Cicero  hat  in  den  philosophischen  Schriften  partim  .  .  .  alia,  aber  noch 
nicht  adverbial.  Es  bleibt  alia  überhaupt  sehr  selten  und  dient  vorzugs- 
weise bei  der  Charakteristik  von  Personen.  —  Sehr  selten  und  in  dieser 
Bedeutung  meist  unsicher  ist  reliqua.  —  2.  omnia,  cuncta.  Ersteres 
hat  Vergil  zweimal,  dann  Statins;  in  der  Prosa  ist  es  erst  nach  Fronte 
sicher,  wird  aber  dann  im  Hof-  und  Kurialstil  bei  epith.  ornantibus 
Sitte.  —  cuncta  ist  dichterisch,  z.  B.  bei  Silius,  bleibt  aber  selten.  — 
3.  midta,  plura,  pleraque,  plurima.  Das  erste  ist  dichterisch  als  accus 
verbalis  üblich,  z.  B.  multa  gemere  =  multos  gemitus  gemere:  dafür 
auch  crebra.  —  pleraque  hat  häufiger  nur  Gellius,  doch  begegnet  es 
vereinzelt  in  nachlässiger  Abhängigkeit  bei  Cicero,  Livius  aa.  —  „Die 
Untersuchung  hat  gezeigt",  heifst  es  zum  Schlufs,  „dafs  der  Gebrauch 
von  alia  sich  teilweise  an  den  von  cetera  anlehnt,  und  ebenso  deutlich 
der  von  omnia  (cuncta)  wieder  au  den  von  cetera  (alia):  multa  steht 
für  sich". 

Der  Akkusativ  ist  auch  hauptsächlich  berücksichtigt  iu: 

Ed.  Wölfflin,  Zur  Konstruktion  der  Ländernamen.    Arch.  f.  lat. 
Lex.  VII,  581—3. 

Der  Grund,  dafs  die  Inseln,  besonders  die  kleineren,  ohne  Prä- 
position stehen,  ist  darin  zu  suchen,  dafs  sie  in  der  Regel  einen  einzigen 
gleichnamigen  Hauptort  hatten.  Wenn  aber  auch  gewisse  Ländernamen 
fast  regelmäfsig  ohne  Präposition  stehen  z.  B.  Aegyptum,  -to,  sogar 
Aegjpti  (Val.  Max.  IV,  1,  15):  Epii-um,  -ro  (.Justin.  XIV,  5),  so  liegt 
dies  wohl  an  der  abweichenden  Bildung  derselben.  Eine  besondere 
Bewandtnis  hat  es  wieder,  wenn  der  Akk.  von  einem  mit  trans  zu- 
sammengesetzten Verbum  abhängt,  wie  Liv.  X,  37,  1  Etruriam  trans- 
ducto  exercitu;  bell.  Afric.  77,3  transire  Africani;  Liv.  XXX,  24,  1 
Africam  transiturus:  Sali.  Jug.  28,  6  Siciliam  transvectae.  —  Aufserdem 
finden  sich  isoliert  einzelne  Fälle  wie:    Liv.  Andron.  Graeciam;  Plaut. 


238  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

Cariam:  zweifelhaft  Cäsar  bell.  civ.  ITI,  41  Macedoniam  (Glosse?);  bell. 
Hispan.  35  Lusitauiam. 

Der  Ablativ  ist  in  seiner  Vermengiiug  mit  dem  Lokativ  und 
dem  Dativ  von  mir  behandelt  worden  im  ]\Iülhauser  Programm  1890, 
S.  31 — 34;  desgleichen  in  den  „Erläuterungen"  zu  meiner  8chulgram- 
uiatik,  S.  354—366,  wo  seine  ursprüngliche  Bedeutung  als  räumlich  er 
(lokaler)  Kasus  der  Richtung  „woher?"  festgestellt  ist  und  alle  seine 
mannigfaltigen  Bedeutungen  aus  dieser  Grundbedeutung  abgeleitet  werden, 
mit  xYusnahnie  der  vom  Lokativ  oder  Dativ  auf  ihn  übertragenen  Ver- 
wendungen. 

An  einzelnen  Arbeiten  sind  zu  erwähnen: 

P.  Langen,  Die  Konstruktion  von  utor,  fruor,  fungor,  potior  im 
älteren  Latein.     Arch.  f.  lat.  Lex.  III,  329— 33G. 

J .  utor  hat  bei  Plautus  den  Ablativ,  ausgenommen  im  Gerundiv 
und  bei  den  ^eutris  der  Pronomina;  ob  es  jemals  irgendwo  bei  ihm 
den  Akk.  des  Nomens  bei  sich  hatte,  ist  sehr  zweifelhaft;  auch  usus  est 
hat  den  Ablativ  (s  ob.  beim  Genitiv!).  —  Dasselbe  gilt  im  ganzen 
auch  für  Kato,  doch  ist  an  drei  Stellen  der  Akkusativ,  wie  es  scheint, 
sicher  überliefert.  —  Auch  die  Tragiker  haben  den  Ablativ.  —  Der 
Akk.  ist  erst  nach  Terenz  aufgekommen.  Dagegen  ist  abutor  im  älteren 
Latein  nur  transitiv.  —  2.  fwigor  ist  archaisch  nur  transitiv;  der 
Abi.  bei  Ter.  Ad.  603  ist  von  Fleckeisen  beseitigt.  —  3.  fruor  desgl. j 
doch  hat  Plautus  Asin.  918  den  Abi.,  der  auch  bei  Terenz  gewöhnlich 
ist  (au?gen.  Heaut.  401);  ebenso  bei  Accius.  —  4.  potio  (Aktiv)  ist 
ursprünglich  transitiv;  der  Genitiv  dabei  giebt  an,  in  wessen  Gewalt 
man  gerät,  besonders  im  Passiv.  Das  Deponens  potior  ist  gleichfalls, 
eigentlich  transitiv,  findet  sich  aber  schon  bei  Plautus  auch  mit  dem 
Ablativ;  ebenso  bei  Terenz,  Afranius  aa. ;  der  Genitiv  ist  zweifelhaft: 
compotire   begegnet  nur  Plaut.  Rud.  205  u.  911:    es  hat  den  Ablativ. 

Scheinbar  allgemeineren  Inhalts  sind  dem  Titel  nach  folgende 
Schriften,  in  denen  die  Untersuchung  des  Ablativs  überwiegt: 

Ferd.  Teetz,  De  verborum  compositorum  apud  Horatium  struc- 
tura.     Halle  1885.     02  S.     8. 

T)ie  Arbeit  ist  weniger  statistisch,  als  interpretierend.  Ihre  Teile- 
sind:  1.  Konstruktion  von  Verben  der  Trennung,  und  zwar  a.  mit 
a,  de,  eoc;  b.  mit  blofsem  Ablativ  oder  Dativ  (lautlich  oft  schwer  zu 
unterscheiden).  —  2.  Konstr.  von  Verben  des  Verbundenseins,  und 
zwar  a.  mit  Präpositionen;  b.  mit  dem  Dativ.  —  3.  Konstruktion  Cum 
mit  Präpositionen  zusammengesetzten  Intransitiva,  welche  dadurch 
transitiv    geworden    sind.     —    Der    mäfsige  Umfang    der  Werke  de^. 


Syntax.    Gebrauch  der  Kasus.    (Deecke.)  239 

Horaz    ISfst  allgemeinere  Schlüsse  nicht  zu;    6  Stellen  werden  neu  ge- 
deutet. 

F.  Xaumann,  De  verborum  cum  praepositionibus  compositorum 
üsu  Ammiani  Marcellini.     Progr.     Stendal  1891,     20  S. 

Ungeschickter  Titel  mit  doppeltem  Genitiv  und  ungewohnter 
Stellung,  aufserdem  zu  viel  versprechend,  da  der  Verfasser  nur  ah,  de, 
ex  behandelt,  und  zwar  als  Unterabteilung  des  ablat.  sepamtivus.  Die 
Stellen  werden  einzeln  aufgezählt.  Die  Wiederholung  der  Präposition 
bezeichnet  die  Bewegning  genauer  oder  den  „discessus  majore  vi".  Per- 
sonen stehen  im  Dativ,  ausgenommen  bei  detrahere  und  eximere,  bei  denen 
auch  Sachen  im  Dativ  stehen.  Vier  Verba:  decurrere,  excedere,  egredi, 
evadere,  haben  auch  den  Akkusativ,  nämlich  bei  modifizierter  Bedeutung, 
wie  decurrendo  absolvere,  transgredi  u.  s.  w.  —  Im  ganzen  stimmt 
Ammian  im  Gebrauch  zu  Livius,  seit  dem  der  blofse  Ablativ  zunimmt, 
dann  besonders  zu  Tacitus,  nicht  zu  Cicero,  der  die  Pi'äposition  yor 
dem  Abi.  noch  viel  häufiger  wiederholt. 

Über  den  abl.  qualitatis  s.  noch  die  oben  citierte  Schrift  von 
Oolling;  ferner  über  den  zeitlichen  Ablativ: 

Frobeen,  Quaestionum  Plinianarum  speoiraen.  Pars  II  de  abl. 
temporalis  usu  Pliniano.     Königsberg  1888. 

Zum  kausalen  Ablativ  gehört: 

E.  Audouin,  sur  lemploi  de  l'ablatif  avec  ah  comme  complement 
d'un  participe  en  -ndus.     Rev.  de  philol.  XI,  69  ff. 

Es  bleibt  von  den  Kasus  noch  der  Lokativ,  der  eingehend  be- 
handelt ist  in: 

Andr.  Bell,  De  locativi  in  prisca  latinitate  vi  et  usu.  Dissert. 
Breslau  1889,     76  S.     8. 

Diese  Abhandlung  des  aus  Canada  gebürtigen  Verfassers  ist  das 
weiter  ausgeführte  Bruchstück  eines  umfassenderen  projektierten  eng- 
lischen "Werkes  The  nature  and  force  of  the  Genitive  in  Early  Latin 
d.  h.  bis  75  v.  Chr.  —  Die  Arbeit  selbst  zerfällt  in  3  Kapitel:  I.  de 
ea  conjunctione  casuum,  ad  quam  designandam  apnd  grammaticos  nostrae 
aetatis  vox  „syncretismus"  usnrpari  solet  (S.  1 — 15).  Es  werden  IG  ur- 
sprüngliche indogermanische  Kasus  angenommen  (Vogrinz  hat  nur  8; 
s.  ob.!):  Xom.,  Gen.,  Dat.,  Akk.,  Abl..  Instrumentalis,  Koraitativ  und 
3  Lokative,  auf  die  Fragen :  wo?  woher?  wohin?  —  Dies  ist  schwerlich 
haltbar;  auch  wäre  danach  der  Vokativ  kein  ursprünglicher  Kasus.  — 
Als  Ursache  der  Verschmelzung  wird  voreilig  und  phantastisch  mehr 
die  Ähnlichkeit  der  Bedeutung  angesetzt,  als  diejenige  der  Form  (?). 
So  flofs  der  Komitativ  (überhaupt  von  zweifelhafter  Existenz)  teils  mit 


240  Lateinische  Grammatik.     (Deecke.) 

dem  Instrumentalis,  teils  mit  dem  Dativ,  teils  mit  dem  Lokativ  wo? 
zusammen  (die  beiden  anderen  Lokative  Vdeiben  schattenhaft),  der  In- 
strumentalis wieder  mit  dem  Ablativ.  Merkwürdigerweise  zeigen  die 
altlateinischen  Ablative  auf  -d  weit  mehr  Lokativ-wo  ?-,  als  Ablativbe- 
deutung (?).  —  Wie  unterscheidet  sich  aber  der  Ablativ  vom  Lokativ 
woher?  —  II.  de  casu  locativo  qui  vulgo  dicitur  in  lingua  Latina 
(8.  16 — 43).  Erörtert  wird  der  Lokativ  (das  Latein  hat  nur  den  Lo- 
kativ wo?)  zuerst  bei  den  Eigennamen,  besonders  den  Städte-,  Insel-, 
Ländernamen;  dann  bei  den  Appellativis;  endlich  bei  den  Fürwörtern. 
Die  Endungen  sind:  -i,  -ae,  -is,  -ibus,  endlich  (ablativisch)  -e,  auch  -ei 
(später  als  -i).  —  Vielmehr  ist  das  -e  in  Carthagine  u.  s.  w.  aus  ur- 
sprünglichem -i  regelrecht  geschwächt,  und  Carthagini  ist  eine  Neubil- 
dung nach  Coi'inthi.  —  Die  Adverbien  auf  -im  (juxtim,  utrimque,  extrin- 
secus  u.  s.  w.,  iuterim,  olim,  hin-c  u.  s.  w.)  sind  aus  dem  Lokativ  auf 
i  mit  angehängter  Präposition  in  gebildet;  vgl,  umbr.  ocrem  Fisiem  - 
in  arce  Fisia.  —  Doch,  angenommen  diese  letztere  Deutung  wäre  richtig, 
so  ist  doch  der  Auslautwechsel  von  n  mit  m  wolil  umbrisch,  aber  nicht 
lateinisch.  —  Lokative  sind  auch  praefiscini,  faenori,  frugi,  trapeti  (eig. 
Komitativ?),  alternei  (carm.  Arvale),  si,  sie,  qui,  quin.  Letzteres  soll 
keine  Negation  enthalten  (vgl.  alioquin,  ceteroquin);  aber  die  positive 
Bedeutung  geht  ei-st  aus  der  fragenden  „warum  nicht?"  hervor.  —  Die 
Mengung  mit  dem  Komitativ  wird  aus  dem  komitativ-modalen  Gebrauche 
des  Lokativs  hergeleitet;  aber  auch  mit  dem  Ablativ,  ja  Akkusativ  (!) 
mischte  sich  nach  BeU  der  Lokativ  durch  gegenseitige  Greuzberühruug 
und  Ersetzung.  Endlich  wurden  Lokative  von  Appellativis  schon  in  alter 
Zeit  auch  für  (Tenitive  gehalten  und  als  solche  gebraucht,  während  sich 
bei  Eigennamen  wohl  auch  lokativische  Endungen  statt  der  genitivischen 
rinden,  nie  aber  umgekehrt  (?).  —  Diese,  immer  wieder  vorgetragene, 
überallhin  scliillernde  Bedeutung  und  Mengung  fast  aller  Kasus  ist  nach 
meiner  Ansicht  eine  irrige  Hypothese  der  neugrammatischen  Lelire.  — 
III.  de  genetivi  Latini  generibus  quae  principio  aut  locativi  sunt  aut 
per  analogiam  locativorum  orta  sunt.  Der  lateinische  Grenitiv  ist  aus 
dem  ursprünglichen  Lokativ  oder  „allqua  parte  locativi"  entstanden. 
Auf  den  Lokativ  werden  neu  zurückgeführt:  der  genit.  pretii;  -quali- 
tatis,  wie  alii  modi,  ipsi,  non  parvi  numeri;  der  Genitiv  bei  den  Verben 
des  Ankla®ns  u.  s.  w.,  auch  bei  reus,  damnare,  absolvere  u.  a.:  ferner 
in  animi  pendere,  bei  angere  (doch  s.  auch  mente!),  discruciare  u.  s.  w.: 
bei  compos,  incertus  etc.  z.  B.  consilii,  sententiae:  bei  den  adj.  rela- 
tivis:  bei  den  verbis  carendi.  piivandi,  levandi;  ferner  bei  den  verbis 
reminiscendi.  obliviscendi:  bei  cupio  (tui,  domi  im  Plautus);  bei  potiri 
(s.  ob.  compos!),  bei  desinere,  participare  u.  s.  w.;  bei  commonere,  stu- 
dere  (9):  bei  den  verbis  complendi  u.  s.  w. :  bei  miseret.  pudet,  piget  u.  s,  w. 


Syatax.    Präpositioaon.     (Deecke.)  241 

—  Der  Verfasser  geht  hier  sicher  viel  zn  weit,  wenn  auch  die  Grenze 
oft  schwer  zu  ziehen  ist. 

Vgl.  hierzu,  aiifser  meinem  beim  Ablativ  erwähnten  Mülhanser 
Progr.,  meine  „Erläuterungen"  z.  lat.  Schulgr.  S.  5ä;  328,  355  ff. 

An  die  Kasnslehre  schliefst  sich  von  selbst  die  Lehre  von  den 
Präpositionen  an,  in  die  jene  schon  mehrfach  übergriff.  Hier  sind 
anzuführen : 

E.  Hertz,  De  praecipuarum  praepositionuni  usu  liUcretiano. 
Dissert.     Helsiugfors  1891.  67  S.     8. 

Eine  reiche  syntaktische  Sammlung  aus  dem  Lukrez  zu  den  Prä- 
positionen ab,  de.  ex,  ad,  in,  sowohl  vor  Nominen  und  Pronominen,  als 
in  der  Zusammensetzung  mit  Verben.  Bei  ab  (a,  abs),  ex  (e),  in  (indu, 
endo)  werden  auch  das  Vorkommen  und  die  Bedingungen  der  verschiedeneu 
Formen  untersucht.  Für  die  Bedeutungsentwickelung  wird  vom  lokalen 
Sinne  ausgegangen.  Bei  den  zusammengesetzten  Verben  werden  5  Fälle 
unterschieden:  1.  absolute  posita;  2.  cum  nudo  casu:  3.  mit  wieder- 
holter Präposition;  4.  mit  verwandter  Präposition;  5.  mit  anderer  Prä- 
position, z.  B.  a  se  respuit.  Aufserdem  wird  die  Verschiedenheit  des 
motus  und  Status  hervorgehoben.  Eigentümlich  ist  de  ^=  deorsum,  ex  ^ 
sursum.    Die  Arbeit  ist  nicht  erschöpfend. 

Gust.  Reinhardt,  De  praepositionum  usu  apud  Ammianum. 
Dissert.  von  Halle.     Köthen  1886,  62  S.     8. 

Nur  Fragment,  daher  ohne  entscheidende  Bedeutung  Teil  I  be- 
handelt per  gründlich,  in  lokaler,  temporaler  und  übertragener  Verwen- 
dung; auch  in  der  Komposition,  wobei  etwa  12  Neubildungen  nachge- 
wiesen werden  (s.  u.  Stolz!).  —  Teil  II  giebt  von  den  übrigen  Präpo- 
sitionen nur  gewisse  Eigentümlichkeiten.  So  braucht  Ammian  stets  ob, 
nur  einmal,  aus  euphonischem  Grunde,  propter.  Nicht  mit  einem  Kasus 
verbunden    hat  er:    circum,  circiter.  coram.  clam.  palara.  simul.  subter. 

Henr.  Fröhlich.  De  grammaticae  Latinae  locis  aliquot  contro- 
versis.  Progr.  I.  Hagenau  1889.  21  S.  4:  IL  ebdt.  1891, 
36  S.     4. 

Beide  Abhandlungen,  die  sich  ergänzen.  Iiandeln  von  der  Verbin- 
dung zweier  Substantive  durch  Präpositionen  statt  durch  den  Genitiv, 
also  von  substantivischen  Attributen  mit  einer  Präposition.  Der  Um- 
fang dieser  Erscheinung  ergiebt  sich  bei  der  Untersuchung  weit  grölser, 
als  die  Grammatiken  gew-öhnlich  andeuten.  Es  werden  im  ganzen  9  Fälle 
unterschieden,  von  denen  auf  die  erste  Abhandlung  3  kommen,  zn  denen 
jedoch  die  zweite,  infolge  der  inzwischen  dem  Autor  bekannt  gewordenen 
Arbeit    von  Jaenicke    ..Über    die  Verbindung    der  Sulistantiva   durch 

Jaliiv8be!>irtit  für  Altoi1iiw?\vis8fnscliaft.    J.XX'YJT.  IUI.  1 189.;.  Hl.)        16 


242  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

rräpositionen  bei  Cicero",  Progr..  Wien  1886.  auf  S.  1— 8  Ergauzungen 
und  Noten  liefert.  —  1.  dictiones  attributivae  quae  objecti  instar  sub- 
stantivis  adiciuntur,  und  zwar  a.  quae  a  nominibus  aff'eduum  pendent. 
welche  Nomina  von  aequitas  bis  voluntas  aufgezählt  werden;  b.  quae 
ex  substantivis  pendent.  quae  actiönem  ipsam  indicant  vel  aliquam  agendi 
habent  significationem ,  von  aculeus  bis  testis.  Hier  werden  besonders 
i)i,  erga.  adversus.  contra  angewendet.  —  2.  Statt  des  genit.  parti- 
tivus,  bei  Fürwörtern,  wie  aliquis  u.  s.  w..  bei  Steigerungsgraden.  bei 
bestimmten  und  unbestimmten  Zahlwörtern,  sehr  selten  bei  wirklichen 
Substantiven.  Die  verwendeten  Präpositionen  sind:  de:  ex;  inter  nur 
nach  Superlativen  oder  superlativischen  Begriffen.  —  3.  attributa  quae 
significant  separationem,  discessum,  exitum  qualemcumque.  originem  cau- 
samque.  Es  finden  sich  ab.  de,  ex  in  verschiedenen  Variationen  der 
Bedeutung.  —  4.  dictiones  attributivae.  quietem  sive  statum  in  loco 
designantes,  verbunden  durch  ad.  ante.  apud.  circa  und  circum.  extra, 
in  mit  Abi.  (sehr  häufig),  intra,  propter.  supra.  traus.  —  5.  locutiones, 
motum  ad  locum  aliquem  directum,  mensuram  et  modum,  finem  effec- 
tumque  designantes.  Hierher  gehören:  ad  (sehr  oft.  in  verschiedenen 
Bedeutungen):  in  mit  Akk.:  s.  Dräger.  —  6.  attributa.  quibus  tem- 
poris  notio  subicitur,  mit  ab,  ad.  ante.  ex.  in,  per,  post,  alle  selten.  — 
7.  nomina  per  praepositiones  cum  et  sine  conjugata.  —  8.  locutiones, 
argumentum  vel  materiem  vel  causam  rei  agendae  indicantes.  Sie  werden 
aufgezählt  von  auctor  bis  votum:  sehr  häufig  ist  liber  (qui  est)  de  .  .  . 
—  9.  de  reliquis  praepositionibus ,  ad  substantiva  inter  se  copulanda 
adhibitis:  contra,  extra,  inter  (häufiger),  ob,  per.  praeter,  pro  (häufiger), 
]iropter.  secundum,  sub.  —  Die  Arbeit  ist  fleifaig.  aber  weder  ganz 
richtig  gegliedert  (s.  bes.  9),  noch  erschöpfend:  auch  ist  die  histori.sche 
EntM-ickeluug  nicht  genug  berücksichtigt.  — 

Nach  dem  regierten  Kasus  führe  ich,  für  den  Genitiv,  an: 
Ed.  Wölfflin,  instar,  ad  instar.  Arch.  f.  lat.  Lex.  II,  581—597. 
Das  Wort  galt  den  besseren  alten  Grammatikern  mit  Eecht  als 
Nomen,  erst  spät  als  Adverb:  seine  Grundbedeutung  ist  , Äquivalent". 
Es  findet  sich  zuerst  bei  Cicero  in  den  Verrinen,  dann  bei  Lukrez  u.  s.  w. ; 
Beispiele  werden  zusammengestellt  von  August  bis  Fronto:  es  fehlt, 
aufser  archaisch,  noch  bei  Sallust,  dem  Khetor  Seneka,  Vitruv  aa. 
Die  ersten  Verbindungen  waren:  instar  est,  -videtnr  mit  dem  Genitiv; 
dann  instar  habere,  obtinere,  putare;  ferner  demere,  exponere;  aedificare 
u.  s.  w.  Bei  den  Aftikanern,  Apulejus,  Tertullian  u.  s.  w.  tritt  dafür 
ad  instar  ein,  dessen  Schicksal  bis  zur  Grenze  des  alten  Lateins  ver- 
folgt wird.  Als  Etymologie  wird  Entstehung  aus  dem  substantivierten 
Infin.  instäre,  vom  „Einstehn"  der  Wage,  angenommen;  bestätigt  ebdt. 
IV.  357. 


Syntax.    Präpositionen.    (Deecke.)  243 

Es  folgt  der  Akkusativ: 

Wilckens,  Beiträge  zur  Syntax  des  Sallnst.  Progr.  Lahr  1888. 
17  S.     4. 

Die  Schrift  enthält  nur  die  Präpositionen  mit  dem  Akkusativ, 
nach  D rage r  geordnet.  Es  fehlen  bei  Sallust :  circa,  erga.  pone-.  secun- 
dum  bezeichnet  Jug.  14,  3  die  Reihenfolge.  Die  Arbeit  ist  nach  ver- 
schiedenen Seiten  hin  unvollständig. 

Ed.  Wölfflin,  circa,  circum.     Arch.  f.  lat.  Lex.  V.  294  ff. 

Archaisch,  auch  bei  Lukrez,  Sallust,  begegnet  nur  circum,  Akk. 
von  circus,  und  zwar  ursprünglich  wohl  Inhaltsakkusativ  zu  ire  und 
andern  Verben  der  Bewegung,  dann  auch  zu  Verben  der  Ruhe,  wie 
esse,  gesetzt,  ursprünglich  nur  bei  pluralischem  Subjekt  =  extendi.  Die 
Form  circa  findet  sich  zuerst  in  C'iceros  Verrinen,  bei  Cäsar  an  2  zweifel- 
haften Stellen;  später  bei  Cicero  kaum.  —  Falsch  ist  der  Unterschied 
des  Charisius:  circum  loci  est,  circa  temporis;  ebenso  die  Herleituno; 
von  circa  aus  circum  eä  (mit  alter  Länge?).  Eher  hat  Cicero  circa  nach 
infrä,  inträ  neu  gebildet,  da  er  in  circum  den  Akkusativ  fühlte,  der 
ihm  bei  esse  (zweimal)  und  habere  (einmal)  nicht  zu  passen  schien.  — 
Diese  Vermutung  ist  sehr  unwahrscheinlich:  eher  gab  es  neben  circus 
ein  weibliches  circa,  dessen  Ablativ  circa  ist;  vgl.  das  Verb  circare  und 
mit  anderem  Geschlechtswechsel  gr.  tot  xuxXa  neben  6  xy/Xo;!  —  Livius 
und  Nepos  haben  fast  ausschliefslich  circa,  ersterer  auch  das  Kompo- 
situm circamoerium  I,  44,  4. 

Ed.  "Wölfflin,  Zur  Konstruktion  von  clam.  Arch.  f.  lat.  Lex. 
VII,  278  f. 

Archaisch  hatte  clam  den  Akkusativ:  der  Ablativ  ist  zu  besei- 
tigen (?).    Die  klassische  Prosa  kennt  es  nur  als  Adverb. 

P.  Hirt.  Penes.  Arch.  f.  lat.  Lex.  IV,  88—97:  389—99:  Er- 
läuterungen von  Wölfflin,  ebdt.  98—100. 

Penes  gehört  etymologisch  zu  peniis,  penitns  u.  s.  w.  (gewöhnlich 
gilt  es  als  Lokativ:  so  auch  Wölfflin  —  ?).  also  penes  aliquem  --in 
inferiore  parte  aedium  alicujus  (clausum)  u.  s.  w.:  meist  steht  es  mit 
esse  oder  habere.  Es  Avird  nun  sein  Gebrauch  in  2  Abschnitten  durch- 
genommen: 1.  Archaisch  und  klassisch:  A.  de  ^:»er7»n'a  aliisque  rebus 
corporalibus.  auch  quae  moveri  non  possunt,  von  Plautus  an.  —  B.  de 
virtutibus.  —  C  —  D.  de  potestak.  imperio,  jure,  auctoritate  etc.  — 
E,  de  laude,  culpa,  victoria,  decore  etc.  und  dem  Gegenteil.  —  F.  Varia. 
—  G.  penes  se  esse  (Hör.  sat.  11,  3,  273  statt  apud).  —  Der  Akkusativ 
bezeichnet  Personen  oder  personifizierte  Begriffe.  —  II.  Nach- 
klassisch:    I.    penes -=  in  poiestate.  in  possessione.    uud  zwar  A.  bei 

IG* 


244  Lateinische  Grammatik.     (Dcccke.) 

dos,  pecunia,  res  familiaris:  homiiics.  luancipia.  pecora.  —  B.  virfutes. 
—  C.  impa'ia,  jura  etc.  —  II.  quod  depositum  ftdeique  commissum  est, 
auch  bei  esse,  manere:  cum  perf.  pass.  et  verb.  tiausit..  besonders  iu 
den  Digesten  u.  s.  w.  —  III.  loci  siguificatio,  afrikauiscli,  bei  Ter- 
tulliau,  auch  bei  „scriptores"  u.  s.  w.  —  IV.  -^  coram,  ante  z.  B. 
penes  deum,  auch  -=-■  dei  judicio  u.  s.  w. :  bei  Tertulliau  und  später.  — 
V.  =  semndum .  vereinzelt.  —  Nach  den  Erläuterungen  (S.  398 — 9) 
sind  die  Bedeutungen  I,  vom  materiellen  und  geistigen  Besitz  (s.  auch 
Festus  und  Ulpian),  und  II.  vom  rechtlichen  Besitz,  auch  vom  vorüber- 
gehenden (bei  den  Juristen),  alt;  die  Bedeutungen  III— V  neu. 

Fr.  Stolz,    per  und  Anhang.    Arch.   f.  lat.  Lex.  II,  497—508. 

Es  werden  zunächst  etymologisch  unterschieden,  von  einem  idg. 
Stamme  per-,  der  etwa  „Durchdringung"  bedeutete:  Akk.  Sg.  idg. 
*perm  oder  *perm  =  ind.  pära  „v^^eiterhin";    pära  „fort,  hinüber";    gr. 
Trepa.  —  Instr.  Sg.  idg.  *prrä,  *prä;   gr.  izapd  „neben".  —  Dat.  Sg. 
idg.  *prräi,  *präi,   gr.  napat  , .neben,  vorbei".    —    Lok.  Sg.  idg.  *peri. 
ind.  pari.  gr.  Tiepi.  —  Gen.  Sg.  idg.  '''prrös,  prös.  ind.  puräs.  gr.  *ra- 
po;.  Tapo?.  —  Lateinisch  ist  der  Akk.   erhalten  in  pere?«-die  —  "-pe- 
rem-die  ..von  dem  Tag  an  drüber  hinaus*  d.  i.  ..übermorgen"  (r);  osk. 
perüm  ,,ohne";    der  Dativ  {})  in  arch.  prai.  später  prae;  der  Loka- 
tiv (?)  in  per-  und  per.  —  Die  Grundbedeutung  von  per  ist  ..räum- 
liche   Durchdringung"',    dann    ..räumliche    und    zeitliche    Verbreitung", 
hierauf  ..Überraguug"  (eig    aus  dei-  Cmfassung).    Das  Präfix  per-  hat 
demnach  4  Bedeutungen:  1.  ringsum,  der  Beihe  nach;  2.  hindurch,  zer-; 
o.    darüber  hinaus:    4.    Vollendung,  hober  Grad,  lange  Dauer.    —  Es 
werden  nun  die  verbalen  Hauptkomposita  für  jede  dieser  Bedeutungen 
aufgezählt:    pejerare  wird  aus  Analogie  nach  ejerare.    dejerare  erklärt. 
Die  Snbstantiva  und  Adjektiva  sind  übergangen:  doch  wird  perfidus  aus 
per  fidem,    perjürus  aus  einem  analogen  *per  jus  erklärt;    pervius  aus 
per  viam    ,,um  den  Weg  herum"  (■.-'),    dann    ,,am  Wege,    zugänglich". 
Umbrioch   und  oskisch  findet  sich  dasselbe  per-.     Die  Bedeutungen  der 
selbständigen  Präposition    per   haben  sich  aus  1.  und  2.  entwickelt. 
In  per  me  licet  liegt  vieUeicht  der  Ablativ  vor  (?)    =   „von  mir  aus 
ist  es  gestattet".     Die  umbrische  Postposition  -per  -=  pro  gehört  wohl 
nicht  direkt  hierher.  —  Das  lateinische  -per  in  antioper,  topper,  uuper, 
panimper,  semper,  paulisper  u.  s.  w.  stellt  sich  zu  osk.  -pert  =  „-mal"; 
auch  pert-,  pert  „durch";  altumbr.  triiupei',  neuumbr.  triopei' ..dreimal"; 
vgl.  pos  neben  post  u.  s.  w.,  auch  pamphyl.  rep-:-. 

Vgl.  die  oben  erwähnten  Abhandlungen  von  Wülsch  über  per, 
per-  beim  Livius;  auch  Obricati.s  über  per  vor  Cicero  (Jahrcsber.  f. 
1883—4,  S.  200). 


Syntax.    Präpositionen.    (Deecke.)  245 

Ph.  Thielmanu,  Uls,  traiis  und  ultra.  Arcli.  f.  lat.  Lex.  IV, 
247—258;  358—388. 

A.  uls  gehört  zu  ollus  (aber  arch.  ouls!),  beifst  also  „au  jener 
Stelle,  auf  jener  Seite",  Gegensatz  eis.  Es  ist  vorlitterarisch :  bei  Kato 
-  ultra  (Festus) ;  in  Varro  de  1.  1.  in  2  alten  Formeln  uls  Tiberini ;  et 
uls  et  eis  Tiberim;  ferner  ouls  lucum  Facutaleni;  uls  provinciam,  also 
sehr  spärlich.  Der  Auslaut  -Is  wurde  gemieden:  vgl.  vis  statt  *vols  oder 
*vels.  —  B.  Irans  und  ultra,  und  zwar:  1.  Allgemeines  über  Irans, 
Part.  Präs.  von  *trare,  vgl.  ex-,  in-,  penetrare  (nach  der  Sprachver- 
gleichung sicher  falsch;  s.  F.  D.  Allen  Amer.  Journ.  of  Phil.  I,  143  ff), 
dann  erstarrt.  Es  bedeutete  also  „überschreitend"  z.  B.  ATecr,  Flufs, 
Berg:  als  Präposition  zunächst  auf  die  Frage  „wohin?",  später  ward 
es  dann  auch  Adverb,  vgl.  bei  Vitruv  trans  contra.  Es  regiert  nur 
den  Akkusativ,  auch  auf  die  Frage  „woV  Wo  der  Ablativ  dabei  zu 
stehen  scheint,  ist  es  entweder  nur  ein  durch  Abfall  des  m  verstümmelter 
Akkusativ,  oder  trans  ist  adverbial  gebraucht.  Ursprünglich  stand  trans 
nur  bei  Verben  der  Bewegung,  erst  später  bei  solchen  der  Ruhe  (für  uls), 
vielleicht  aus  der  Soldatensprache  (?),  Gegensatz  eis.  Verkürzt  steht  es 
scheinbar  beim  Substantiv:  in  ara  (quae  est)  trans  viam.  Im  Kompositum 
transmarinus  hat  es  schon  Plautus,  Als  dritte  Bedeutung  bezeichnete 
es,  auf  die  Frage  woher?:  „herüber,  von  jenseit  her":  so  schon  bei 
Varro:  trans  mare  advolant;  auch  mit  inde  wird  es  verbunden.  Aus 
Zusamraenrückungen  entstanden  neue  Komposita  z.  B.  Traustiberim  ^ 
ital.  Trastevere;  vulgär  per  Transpadum  (C.  I.  VIII,  822,  13);  dekliniert 
bei  Plinius  n.  h. :  Transalpibus  profecti.  Anastrophe  kommt  nicht  vor, 
wohl  aber  Tmesis  z.  B.  bei  Ovid:  trans  ego  tellurem.  Es  hat  feste 
Stellen  im  Verse.  —  2.  Allgemeines  über  uUrä  (sc.  parte);  es  ist 
Komparativbildung  zu  ouls,  —  ulteriorc;  daher  bezeichnet  es  „Vorwärtsbe- 
wegung über  einen  bestimmten  Grenzpunkt  hinaus";  trans  läfst  an  den 
mittleren  Raum  denken,  ultra  an  den  jenseitigen;  trans  an  eine 
Querlinic,  ultra  an  einen  Grenzpunkt.  Es  steht  ursprünglich  auch 
mit  Verben  der  Bewegung  auf  die  Frage  wohin?:  so  besonders  bei 
Kompositen  mit  pro-,  ex-;  gern  mit  Negation;  auch  mit  abl.  discriminis 
z.  B.  paulo:  seltener  mit  Akk.,  z.  B.  multum;  Gegensatz  citril;  seltener 
eis,  sofern  ultra  ^  uls  ist;  oder  auch  sub,  sofern  ultra  =  supra  ist;  oft 
ist  ultra  Adverb  (doch  wird  dies  nicht  näher  ausgeführt);  es  hat  keinen 
Ablativ  oder  Genitiv  bei  sich.  Auf  die  Frage  „woV"  steht  es  schon 
bei  Kato  =  ,  jenseit" ;  das  Kompositum  ultramuudanus  hat  erst  Apulejus. 
Die  dritte  Bedeutung  ,, woher  .^"  findet  sich  zuerst  in  Senekas  Briefen: 
ultra  finem  advehere;  später  mit  inde.  Anastrophe  ist  häufig,  beim  Re- 
lativ, bei  Substantiven  u.  s.  w.,  sowohl  bei  den  Dichtern,  als  in  dichte- 
rischer Prosa,  auch  bei  Cicero;  die  Tmesis  ist  selten  und  spät.   Im  Vers 


24(i  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

tällt  der  Ton  ursprünglich  auf  die  zweite  Silbe.  —  3.  Kigeutlicber 
Gebrauch  von  Irans,  nebst  Übergreifen  von  ultra.  Es  steht  trans  vor- 
wiegend (s.  ob.)  mit  den  Begriffen  Meer,  FhUs,  Berg,  dann  varia,  wie 
viam,  parietcm,  Valium  etc.  —  4.  Lokales  M?6a  nebst  Übergreifen  von 
trans:  bei  Städten,  Ländern,  A'ölkern,  Körperteilen  u.  s.  w.,  sich  be- 
rührend mit  supra.  —  5.  ultra  mit  Mafs-  und  Zahlbestimmungen,  bei 
Cicero,  im  bellum  Alexandrinum,  bei  Juriston  u.  s.  w.  —  6.  Modales 
ultra  (trans),  zuerst  mit  iines  Hör.  sat.  I,  1,  107;  später  fast  unum- 
schränkter, als  das  lokale;  es  berührt  sich  mit  supra  und  infra, 
auch  mit  praeter  (additiv).  Es  werden  etwa  20  besondere  Ausdrücke 
dieser  Art  aufgezählt,  wie  ultra  morem  (schon  Sallust),  ultra  vires, 
(Vergil)  u.  s.  w.  Sehr  oft  bedeutet  es  „übertreffen"  --  praeter, 
supra,  negativ  und  positiv:  bei  Verl)en  ist  es  häufig  -=  magis  (plus) 
quam:  ferner  steht  es  bei  totus,  omnis,  cunctus;  mit  Adjektiven 
dient  es  ziu'  Umschreibung  des  Komparativs  z.  B.  ultra  barbarum  promptus, 
sogar  u,  b.  promptior;  nach  Entwertung  des  Superlativs  auch  bei  diesem 
z.  B.  u.  b.  promptissimus.  —  7.  Temporales  w/^ra  (trans),  beiLivius, 
Ovid:  von  der  Zeitdauer,  wie  vom  Zeitpunkt;  überwiegend  negativ; 
Vellejus:  ultra  metum  durat  odium;  abgeschwächt  -i  post  z.  ß.  ultra 
paulum  =  paulo  post;  auch  rückwärts:  ultra  memoriam.  In  diesem  Sinne 
findet  sich  trans  kaum.  —  8.  Endliche  Schicksale  von  trans  und  ultra: 
trans  stirbt  allmählich  aus:  so  findet  es  sich  nicht  mehr  bei  Kurtius, 
Solin  aa. ;  es  mengt  sich  mit  tra  aus  inträ;  ultra  breitet  sich  im  silbernen 
Latein  mächtig  aus,  absorbiert  praeter,  beeinträchtigt  stark  supra,  super 
und  behauptet  sich  ins  Romanische  hinein. 

Ed.  Wölfflin,  Usque  mit  dem  Akkusativ.   Arch.  f.  lat.  Lex.  IV, 
52—67. 

Da  Hand 's  Tursellinus  nur  bis  p  geht,  fehlt  usque  darin.  Plautus 
kennt  es  mit  dem  Akk.  noch  nicht;  Terenz  hat  Ad.  655  Miletum  usque; 
hier  ist  der  Städtename  noch  unabhängig  zu  denken,  und  usque  ist 
Adverb.  Cicero  hat  es  so  oder  vorangestellt  mit  Städtenamen  in 
den  Reden  2 mal,  in  den  Briefen  4 mal;  Horaz,  Nepos  aa.  vereinzelt i 
häufiger  begegnet  es  in  der  geographischen  Litteratur,  in  Pliuius'  n.  h., 
schon  als  Präposition  emj^funden.  Es  tritt  dann  auch  zu  anderen 
Ortsbezeichnuugen:  Völkern,  Ländern,  Gebirgen,  Flüssen  u.  s.  w. 
(nicht  Livius  XXX VI,  21,  5).  Besonders  brauchen  es  so  die  Dichter 
der  silbernen  Zeit:  Lukan,  Valerius  Flaccus,  Juvenal  aa.;  ferner  in  der 
.J'rosa:  Vellejus  (nicht  Tacitus  und  Sueton),  Plinius,  Solin,  auch  Justin; 
Ammian  hat  es  nur  einmal  mit  einem  Stadtnamen.  Die  bisherigen 
Fesseln  sprengt,  wie  in  so  vielen  anderen  Dingen,  Tertullian,  dem  Andere 
folgen.  —  Für    örtliche  Begriffe   überhaupt    ist    die  erste  Stelle; 


Syntax.    Präpositionen.    (Deecke.)  247 

Kato  de  r.  r.  49,  2  usqiie  radices;  Kurtius  VIII,  9,  21  hat  usque  pedes, 
und  ähnliches  findet  sich  auch  sonst  vereinzelt.  Medizinisch  wird  es  von 
Körperteilen  «elir  häufig  gebraucht:  so  bei  Celsus,  von  Anderen  an- 
genommen; christlich  erweitert  sich  diese  Verwendungsart.  Endlich  von 
der  Zeit  findet  es  sich  2mal  in  Ciceros  Briefen  (usque  a.  d.),  1  mal  bei 
Livius,  dann  bei  Sueton  u.  sonst  einzeln;  auch  hier  ärztlich  bei  Celsus, 
dann  seit  150  n.  Chr.  mächtiger,  doch  mit  Ausnahmen:  es  stammt  in 
diesem  Sinne  offenbar  aus  dem  Kouversationsstil. 

Nicht    zu    trennen  hiervon    sind    die   beiden  folgenden  Arbeiten, 
wenn  sie  auch  eigentlich  von  usque  als  Adverb  handeln: 

Ph.  Thielmann,  Usque  als  selbständiges  Adverb.     Arch.  f.  lat. 
Lex.  Y,  429-52. 

Nach  Corsseu  ist  lisque  ^ ''ub(i)-s-que  (?);  s.  su(b)-s-,  o(b)  s-; 
es  verhält  sich  zu  usquam,  wie  quisque  zu  quisquam.  —  Eher  ist  es  ^ 
*(qu)ut-s-que,  s.  Joh.  Schmidt,  über  den  Relativstamm  quu-  oben!  — 
Es  ist  ursprünglich  Adverb,  nicht  Präposition  (s.  ob.  Wölfflinl);  Plautus 
hat  2 mal  dafür  das  weitergebildete  usquiue  (s.  quippini  neben  quippe) 
„wo  irgend  wie,  auf  allen  Punkten,  überall".  Usque  ist  vorzugsweise 
positiv  und  bezeichnet,  dals  „ein  Zustand  oder  eine  Handlung,  von  einem 
(genannten  oder  gedachten)  Anfangspunkte  ausgehend,  in  ununterbrochenem 
Fortrücken  (in  grader  Linie)  bis  zu  einem  zweiten  (genannten  oder  ge- 
dachten) Endpunkte"  fortgeht  (eine  etwas  schwerfällige  Definition!).  Es 
schliefst  also  den  Begriff  der  „Kontinuität"  ein.  Im  einzelnen  wird  es 
gebraucht:  lokal,  kaum  (s.  ubique);  zweifelhaft  Plaut.  Merc.  858; 
temporal,  selten  =  in  perpetuum ,  in  der  Regel  =-■  „ununterbrochen" 
so  bei  Plautus,  Lukrez,  Horaz,  auch  Terenz  aa.  Während  semper,  mit 
dem  distributiven  per  zusammengesetzt,  =  ,, jedesmal,  immer  wieder"  ist 
und  einen  bleibenden  Zustand  ausdrückt,  oder  mit  dem  Perfekt  .,von 
jeher" •  heifst,  drückt  usque  ein  Fortrücken  aus,  einen  Zeitraum,  und 
steht  meist  mit  dem  Futurum ;  später  alleidiiigs,  seit  Augustus,  werden 
beide  Partikeln  miteinander  vermengt.  Die  Zeitdauer  wird  dui-ch  dum 
usque,  interea  usque,  hodie  usque,  usque  antehac  bezeichnet.  Mit  Verben 
bedeutet  usque  ,,in  einem  fort"',  eine  dauernde  Bewegung,  eine  fortge- 
setzte Thätigkeit,  auch  einen  bleibenden  Zustand:  so  mit  esse,  morari, 
manere,  teuere  u.  s.  w.;  usque  mauere  ist  =  permanere.  Dann  bezeichnet 
es  die  ,, Wiederholung.  Erneuerung"'  z.  B.  bei  dare,  basiare.  laudare 
u.  s.  w.  Ferner  steht  es  bei  Zahlwörtern ,  wie  bei  numerare,  bei  omnis, 
totus  aa.  —  Endlich  ist  es  auch  modal  =  ,,zur  genüge,  gänzlich":  so 
bei  Horaz  sat.  I,  2,  G5  usque  superque  quam  satis  est;  doch  auch  schon 
bei  Plaut.  Poen.  602  replebo  usque.  So  bei  den  Verben  der  Bedeutung 
„prellen,  prügeln,  ermatten";  bei  Adjekten,  besonders  im  Komparativ, 


24S  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

z.  B.  nsque  vehementior:  auch  atlveibial  usque  vehemeutius.  —  Das  Wort 
als  Adverb  ist  vulgär:  daher  oft  bei  Plautus;  bei  Terenz  etwas  seiteuer: 
bei  Kalo  nur  formelhaft:  1  mal  bei  Kornificius;  nicht  bei  Cicero,  Cäsar. 
Sallnst;  doch  wieder  bei  Dichtern  (Katull  aa).  Es  steht  auch  im  Nach- 
satz von  Kondizionalsätzen ;  ferner  bei  licet  mit  dem  Konjunktiv. 

Ph.  Thielmann,  Usque  mit  Konjunktionen  und  Advei'bien.  Usque 
ex.  -ab.  -de  u.  s.  w.  Arch.  f.  lat.  Lex.  VI.  58—84:  469—507;  VII. 
103—113. 

Das  lokale  usque  vor  Konjunktionen  hat  oft  ein  stützendes 
eo.  adeo:  ebenso  das  temporale  und  finale,  doch  können  diese  es 
auch  entbehren;  häufig  ist  usque  dum  ..so  lange  als,  so  lange  bis": 
daneben  usque  donec.  -donicum.  -quoad:  ferner  usque  ut:  mit  Stütze 
«sque  adeo  .  .  dum,  auch  adeo  usque  .  .  .  dum;  usque  adeo  .  .  .  ut. 
Seit  Cicero  findet  sich  in  allen  3  Fällen  usque  eo  statt  adeo.  Allmäh- 
lich tritt  Loslösung  vom  Hauptsatze  ein:  schon  bei  Plautus,  Terenz, 
Kato;  dann  bei  Cicero  in  den  obigen  Formeln:  zuletzt  steht  es  un- 
mittelbar vor  der  Konjunktion:  selten  ist  usque  eo  quo.  Übrigens  be- 
hauptet sich  usque  dum  bis  in  die  späteste  Zeit :  dann  tritt  usque  allein 
ein.  —  Vor  oder  nach  Adverbien  begegnet  usque  örtlich  und  zeit- 
lich z.  B.  usque  rjuaque  (wo?);  usque  illinc  (woher?);  quo  usque  (wo- 
hin?); nur  zeitlich  usque  aäJmc:  so  schon  bei  Plautus:  usque  quaque 
ist  auch  modal -=^ ,, durchaus":  dafür  spät  und  seltener:  xiBqwe  qua,  qua 
usque  =  quatenus;  ferner  ist  usque  quaque  kausal  (Plin.  n.  h.):  s.  noch 
usque  islinev  incle  usque.  Das  erwähnte  quousque  hat  Cicero  nur  in 
direkter  Frage,  temporal,  mit  Futurum:  im  Silberlatein  erweitert  sich 
der  Gebrauch:  es  steht  auch  indirekt,  relativ,  mit  anderem  Tempus, 
später  ist  es  =  usque  dum :  erst  Tertullian  hat  usque  quo.  Seltnere  Ver- 
bindungen sind  noch  usque  illo,  illuc  usque ;  liuc  usque  (spät  hoc  usque)  ; 
lato  usque;  usque  eoäem.  Zeitlich  ist,  wie  oben  erwähnt,  usque  adhuc 
üblich,  bei  Plautus,  auch  Terenz,  Cicero  u.  s.  w. ;  dafür  erst  spät  adhuc 
usque;  so  sind  auch  spät:  usque  nunc,  -modo,  -hodie  Aa.:  ebenso  mit  be- 
stimmter Zahl  z.  B.  usque  septies.  —  Modale  Verbindungen  sind  selten: 
Plautus  hat  usque  aflfatim  =  *ad  fatim  (Poen.  525).  —  Die  Verbindungen 
mit  Präpositionen:  usque  ex,  -ab,  -de  sind  ursprünglich  von  Verben 
abhängig;  es  finden  sich  ferner:  usque  fl^?, -i'w;  endlich  usque  .s?f&,  -super, 
-postt  -ante.  Alle  diese  Verbindungen  werden  von  dem  Verfasser  einzeln 
erörtert,  historisch  verfolgt  und  in  ihrer  verschiedenen  Anwendung  ge- 
schildert. 

Von  den  Pi'äpositionen  mit  dem  Ablativ  handeln: 

Fr.  Xav.  Ess,    De  praepositionum    cum   ablativo   apud  Plinium 
Secnndum  usu.     IL  Festschrift,  Karlsruhe,  1888,  39  S.  4. 


Syntax.     Präpositionen     (Deecke.)  249 

Gemeint  ist  der  ältere  Pliuius.  Teil  I,  Allgemeines  und  die 
Präposition  ah  enthaltend,  war  1883  erschienen;  s.  Jahresber.  f.  1883—84, 
S.  195.  Hier,  in  Teil  II,  folgen  die  anderen  Präpositionen,  in  fleifsiger 
Sammlung,  mit  steter  Berücksichtigung  von  Hand  und  Kühner;  doch 
fehlten  dem  Verfasser  manche  neuere  Hilfsmittel  zur  Vergleichung.  Zu 
bemerken  ist  etwa:  dam  hat  Plinius  nur  einmal,  und  zwar  als  Adverb; 
coram  2  mal ;  cum  braucht  er  lokal  (comitatus ,  societas  bedeutend), 
temporal  und  kausal  (richtiger  modal!);  de  nur  lokal  und  kausal,  nie 
temporal;  ex  lokal,  temporal,  kausal,  modal  (.*)  und  übertragen;  prae 
nur  ein-  oder  zweimal,  und  zwar  lokal,  in  prae  se  ferre;  pro  lokal  und 
kausal,  nie  temporal;  sine;  tenus  einmal,  und  zwar  lokal;  dagegen  häufig 
hactenus,  auch  temporal ;  2  mal  quadamtenus,  modal;  ferner  aliquatenus ; 
einmal  mit  Genitiv:  corpomm  tenus. 

Otto  Röfsner,    De  praepositionum  ah,  de,    ex  usu  Varroniano. 
Dissert.,  Halle,  1888,  58  S.  8. 

Varro  war  Forscher,  nicht  Stilist,  wenigstens  in  den  beiden  hier 
vorwiegend  benutzten  Werken  de  lingua  Latina  und  de  re  rustica,  die, 
im  Stil  voneinander  abweichend,  doch  im  ganzen  sich  ähnlich  shid, 
beide  altertümlich  und  einfach;  aus  ihnen  sind  fast  alle  Stellen  ge- 
sammelt, aus  den  Fragmenten  nur  die  wichtigeren.  Eine  Übersicht  der 
Komposita  fehlt.  Die  Anordnung  ist  nach  Hand  gemacht;  verglichen 
werden  die  3  Präpositionen  nicht  nur  untereinander,  sondern  auch  mit 
dem  blofsen  Ablativ  und  mit  dem  genit.  partitivus  (darüber  eine  eigene 
Tabelle  mit  de  und  ex).  —  Im  einzelnen  ist  etwa  folgendes  zu  merken: 
Die  verba  abeundi,  removendi,  distantiae,  arcendi  stehn  meist  mit  ab, 
selten  mit  de,  noch  seltener  mit  blofsem  Ablativ  (levare,  desistere),  nie 
mit  ex.  Sonst  findet  ein  mannigfacher  Wechsel  von  de  mit  ex  und  ab 
statt;  bei  Verben,  die  mit  ad  und  in  zusammengesetzt  sind,  aber  stehen, 
mit  wenigen  Ausnahmen ,  nur  ab  und  ex.  In  Titeln  wird  de  in  freier 
Weise  angewendet;  ferner  findet  sich:  peritus  de  (neben  dem  Genitiv): 
egredi  de  Troja,  de  Illyrico,  spezifisch  varronisch;  ebenso  e  desiderio; 
andrerseits  filius  Neptuni  a  Menalippa.  Den  Schlufs  bildet  eine  Tabelle 
über  den  Wechsel  von  a,  ab,  abs;  e,  ec,  ex;  s,  die  folgende  Schrift  und 
oben  die  Formenlehre! 

Löwe,  Über  die  Präpositionen  a,  de,  ex,  bei  Ovid.   Prgr.,  Strehlen, 
1889,   16  S.  4. 

Der  Verfasser  erörtert  in  Kap.  I  die  Form:  1.  vor  Konsonanten 
steht  a,  nur  vor  j  schwankt  der  Gebrauch;  vereinzelt  ist  ab  rege  (Fast. 
2,  21);  nie  findet  sich  abs.  —  2.  ex  steht  immer  vor  einsilbigen  Wörtern; 
e  vor  g,  1,  q,  s,  überhaupt  häufiger,  aber  in  der  Bedeutung  „gemäfs" 
überwiegt  ex(?).  —  Vereinzelt   ist    aque,    sehr    oft   deque,    exque.  — 


250  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

Kap.  n  behandelt  die  Stellung,  die,  je  später,  desto  freier  wird.  — 
Kap.  III  handelt  von  der  Bedeutung,  mit  9  Unterabteilungen:  A.  Ur- 
sprüngliche Bedeutung  „woher?"  —  Es  stehen  alle  3.  wechselnd  mit 
dem  blofseu  Ablativ.  —  B.  Anfangs-  und  Ausgangspunkt  einer  Handlung 
irgend  welcher  Art.  —  Alle  3.  —  C.  Abstammung.  —  Alle  3.  —  D.  Grund, 
Trsache,  Motiv.  —  AUe  3.  —  E.  Mittel.  —  Nur  a  und  de.  —  F.  Parti- 
tives  Verhältnis.  —  Nur  de  und  ex.  —  G.  Entferntsein.  Freisein.  — 
Nui-  a.  —  H.  Keihenfolge.  —  Nur  a.  —  J.  Zeit  ,,von  wann  auV"  — 
Alle  3.  —  Die  Arbeit  ist  eine  fleifsige  statistische  Stelleusamralung,  die 
jedoch  vielleicht  besser  geordnet  und  etwas  genauer  abgegrenzt  sein 
könnte.  Die  eigentlich  grammatischen  Resultate  sind  gering  und  wenig 
bedeutsam,  da  der  Dichter  bei  seiner  Wahl  Jedenfalls  auch  vielfach 
durch  poetische  und  metrische  Gründe  bestimmt  w'orden  ist. 

K.  Guttmaun,  Sogenanntes  instrumentales  ab  bei  Ovid.  Prgr., 
Dortmund,  1890,  38  S.  4. 

Der  Verfasser  sucht  nachzuweisen,  dals  der  Dichter  dieses  ab 
niemals  beim  Aktiv  brauche,  und  auch  beim  Passiv  ein  sehr  feines 
Sprachgefühl  zeige.  Die  Verbindung  sächlicher  Ablative  mit  al)  nämlich 
beim  Passiv  oder  Verben  leidenden  Sinnes  setzt  immer  eine  Personi- 
fikation der  Sache  voraus,  wenn  nicht  etwa  die  Beziehung  eine  lokale 
sein  soll,  während  umgekehrt  der  Wegfall  von  ab  eine  Person  zur 
Sache  erniedrigt;  doch  sind  wohl  manche  der  letzteren  angeblichen 
blolseu  Ablative  vielmehr  gräzisierende  Dative  beim  Passiv. 

Zu  diesem  ganzen  Abschnitt  ist  noch  zu  vergleichen  der  ent- 
sprechende Abschnitt  in  den  ..Erläuterungen"  zu  meiner  Lat.  Schul- 
gramrnatik  8.  171 — 181  und  292 — 304;  sowie  die  oben  besprochene 
rntersuchung   von  Hamp    über    die  zusammengesetzten  Präpositionen. 

Ferner  erwähne  ich: 

C.  Hermann,  Zur  Lehre  von  den  Präpositionen.  Jahrb.  f.  Piniol. 
136,  490  ft\ 

J.  Praun,  absque.  Arch.  f.  lat.  Lex.  VI,  197  ff.  Lexikalischer 
Artikel. 

0.  liiemann,    Note   de  grammaire.     Rev.  de  philol.  XIII,  132. 

Macht  aufmerksam  auf  die  Stellung:  Faesulas  iuter  Arretiunique. 

Ich  gehe  zu  den  Eigeitschaftswörteni  über  und  erwähne  zuerst : 

Fr.  Haussen,  The  latiu  adjektive.  Araer.  Journ.  of  Philol. 
1890.  N.  37;  s.  Nachtrag. 

Jul.  Gimm-,  De  adjectivis  Plautinis.     Prgr. ,  Altkirch,  31  S.  4. 

Eine    alphabetische  Stellensammlung    der  Adjektiva    bei    Plautus 

von    absens  bis    tristis.     Bei    den    einzelnen  Nummein    werden  Gegen- 


Syntax.    Adjectiva.    ("Deecko.)  251 

Sätze,  Synonyma,  Begriffsverwaudtc  aufgeführt  z.  B.  bei  absens  :  praesens, 
iuvitus,  lubeus(?). 

P.  Hirt.  Über  die  Substantivierung  des  Adjektivums  bei  Quin- 
tilian.     Progr.     Sophiengymu.     Berlin  1890,  28  S.    4. 

Die  allgemeine  (yrundlagc  ist  Otts  Programm  von  Kottweil  1874 
..über  die  Substantivierung  des  Adjektivs  durch  Ellipse":  für  Quintilians 
Bach  X  war  dies  dann  speziell,  wenn  auch  nicht  erschöpfend,  ausgeführt 
durch  Ferd.  Becher.  Quaestioues  grammaticae,  Progr..  Ilfeld  1879; 
veraltet  ist  Törnebladh.  de  elocutioue  Quintiliaui,  Upsala  1858,  Vgl. 
auch  Panhoff,  über  Tacitus  im  Jahresber.  f.  1883—4,  S.  201.  Hirt, 
der  auch  schon  seine  Doktordissertation  über  Quintilian  geschrieben 
hatte,  schliefst  sich  in  der  Disposition  seiner  Arbeit  an  Nägelsbach 
an  und  behandelt  in  Kap.  I  das  substantivierte  Adjektiv  ohne  Ellipse: 
A.  als  ntr.  sg.  u.  pl.  Am  häutigsten  ist  bouum,  honestum  (nicht  pro- 
bum)  aa. ,  namentlich  bei  den  Präpositionen  ab,  ad.  de,  ex,  in,  pro, 
sine,  ultra:  es  fehlt  ex  abundanti  (ist  partic.!):  sine  dubio  steht  stets 
ohne  uUo.  —  Das  ntr.  pl.  ist  weit  seltener.  —  B.  als  masc.  pl.  u. 
sg.  Hier  ist  die  Mehrzahl  viel  häutiger  z.  B.  veteres.  mortales;  die 
Einzahl  ist  selten,  wie  peritus.  doctus  (eig.  participial).  —  C.  partic. 
ntr.  sg.  u.  pl.;  ferner  part.  perf.  masc.pl..  wie  damuati.  und  masc. 
sg.,  wie  advocatus:  dann  fut.  act.  masc,  praes.  act.  —  Die  Sub- 
stantivierung des  part.  fut.  act.  ntr.  pl.  reicht  weit  über  Cicero  hinaus. 
—  IL  mit  Ellipse.  Diese  ist.  nach  Hirt,  nur  dann  anzunehmen, 
wenn  ein  bestimmtes  Substantiv  fehlt,  z.  B.  bei  dextra:  manus.  Hier 
überwiegen  die  Feminina.  Es  werden  die  vermutlichen  elidierten  Sub- 
stantiva  alphabetisch  aufgeführt,  von  aqua  bis  vinum;  im  ganzen  ist 
diese  Art  jedoch  verhältnismälsig  selten  gegen  die  erstere.  Allerdings 
ist  die  Grenzlinie  nicht  überall  sicher  zu  ziehen.  —  Im  allgemeinen 
sucht  Quintilian  den  klassischen  Gebrauch  möglichst  zu  wahren,  untei'- 
liegt  aber  im  einzelnen  nicht  selten  dem  Einflüsse  seiner  Zeit.  —  Ein 
Exkurs  handelt  von  der  Stellung  des  attributiven  Adjektivs  (s.  unten 
in  der  Stilistik!),  wobei  besonders  der  Einflufs  des  Wohlklangs  hervor- 
gehoben wird,  auch  die  Form  der  Präpositionen  aa. 

E.  Schulze.  Die  Verschmelzung  lateinischer  Adjektiva  mit  nach- 
folgenden Substantiven  zu  einem  Begriff.  Progr.  Homburg  v.  d.  H. 
1890,  16  S.     4. 

Eine  immerhin  dankenswerte  Statistik;  nur  hätte  die  Sammlung 
auch  auf  die  Verschmelzung  mit  vorhergehendem  Substantiv  ausge- 
dehnt werden  müssen,  wie  Mons  sacer.  respublica.  zumal  beide  Stellungen 
bisweilen  wechseln,  wie  homo  novus,  res  novae  neben  novus  homo.  no- 
vae  res:   lapis  manalis  neben  manalis  lapis.    —  Der  Verfasser  hat  das 


252  Lateinische  Grammatik.     (Deecke.) 

Material  in  5  Abscbnitte  geteilt:  I.  Götteruameii,  wie  Bona  dea.  — 
JI.    Örtlichkeiten,    wie  Novum  Comum    (aber  auch  Carthago  nova). 

—  III.  Politische  Ausdrücke,  wie  consularis  potestas  (auch  umge- 
kehrt!): publice  consilio.  Diese  Yerbindung-en  sind  zahlreich.  —  IV. 
lEilitiirische  Bezeichnungen,  wie  levis  armatnra.  —  V.  Mannig- 
faltiges, wie  bona  aetas;  equestri  loco  (g-ehört  wohl  zu  den  politischen 
Ausdrücken!),  mala  res.  —  Das  Verzeichnis  entliält  136  Verbindungen, 
darunter  besonders  oft:  bonus  (14mal);  sacer  (9 mal);  novus,  unus  (je 
7 mal);  malus  (6 mal).  —  Die  Grenzen  solcher  Zusammenrückung  zweier 
ursprünglich  selbständiger  AVörter  zu  einer  Begriffseinheit  sind  nicht 
immer  leicht  zu  ziehen;  doch  liefsen  sie  sich  schärfer  bestimmen,  und 
die  Zahl  solcher  Verbindungen  ist  lange  nicht  erschöpft.  Jedenfalls  ist 
das  Problem  nicht  unwichtig  und  gewährt  interessante  Ausblicke  nach 
verschiedenen  Richtungen  hin. 

Es  folgen  die  bestimmten  und  unbestimmten  Zaliiwörter: 

H.  Blase,  Unus  beim  Superlativ.  Commentat.  Wölfflinianae. 
Leipzig,  Teubner,  1891,  p.  85  ff. 

Es  wird  bewiesen,  dal's  unus  in  dieser  Verbindung  mit  »Superla- 
tiven nie  den  Sinn  des  blolsen  unbestimmten  Artikels  hat,  sondern  stets 

—  solus  oder  singularis  ist,  ein  Sinn,  der  auch  vulgär  nie  erlosch.  — 
Vgl.  die  Dissertation  M.  PauTs  über  unus,  .Jahresber.  f.  1883 — 4, 
S.  203-4. 

Fr.  Knoke,  Über  den  Gebrauch  von  plures  bei  Tacitus.  Progr. 
Zerbst  1890.  18  S.  4.  —  Desgl.  bei  Q.  Curtius  Rufus.  Jahrb.  f.  klass. 
Philol.  1891.  S.  267—278. 

Gegen  die  bisher  übliche  Annahme  sucht  der  Verfasser  mit  Glück 
nachzuweisen,  dafs  plures  weder  bei  Tacitus,  noch  bei  Kurtius  jemals  = 
-complures  ist,  sondern  dafs  es  stets  seine  komparativische  Bedeutung 
bewahrt.  Es  ergiebt  sich  daraus  an  vielen  Stellen  beider  Schriftsteller 
ein  genaueres  und  richtigeres  Verständnis  des  Textes.  Bei  Kurtius 
kommen  C4  Stellen  mit  plures  vor,  die  in  11  Gruppen  geordnet  werden. 

—  Hierzu  ferner: 

J.  H.  Schmalz,  Jahrbücher  f.  klass.  Philol.  1891.  S.  144. 

multi  -=  complures,  juristisch,  seit  Scävola;  doch  auch  schon  Cicero 
(epist.  II,  4,  1)  braucht  es  einmal  für  tres.  Ahnlich  lieifst  mepe  bei 
Tacitus  bisweilen  nur  ,,mehr  als  einmal";  omnes  ist  einmal  ^^  2;  tot -^ 
3;  auch  semper  schwächt  sich  sehr  ab. 

Joan,  Kozwadowöki ,  C^ua  ratione  historici  Romani  numerus, 
qui  accurate  definiri  non  poterant,  expresserint.  In  den  dissert.  class. 
philol.  acad.  litt.  Cracov     Vol.  XIII.     Krakau  1887,   18  S.     8. 


Syntax.    Zahl-  und  Fürwörter.    (Deecke.)  253 

Die  Forschung-  reicht  nur  bis  Livius  incl.  und  behandelt  den  Stott" 
in  3  Kapiteln:  1.  Die  Annäherung  wird  durch  ad,  paene,  prope,  vix 
u.  s.  w.  ausgedrückt;  fere  und  ferme  (^8uperlat.  *fcrime)  nähern  sich  3.  — 
2.  Die  Überschreitung-  durch  supra,  amplius  u.  s.  w. ;  auch  admoduni 
,,bi8  zum  vollen  Mafs'-.  —  3.  Die  Unbestimmtheit  durch  circa,  cir- 
oiter,  maxime  (V.  s.  1).  Davon  ist  circa  mehr  vulgär  (?;  s.  ob.  unter 
den  Präpositionen!);  circiter  mehr  klassisch  (mit  Ablativ):  plus  minus 
begegnet  erst  bei  Petronins  52. 

Kohn.  Anfrage  wegen  «xuot  und  quotiens.  Korrespondenzblatt 
für  die  Württembergischen  Schulen  XXXVI.     S.  250  f. 

Bei  den  Fürwörtern  sind  zu  registrieren: 

Guil.  Kaempf,  De  pronominum  persoualium  usu  et  collocatione 
apud  poetas  scaenicos  Eomanorum.  In  den  Berliner  Studien  f.  klass. 
Philol.  u.  Archäol.  III.  2.     Berlin,  Calvary,  1886,  48  S.     8. 

In  2  Teilen:  Pars  I  de  usu  prou.  personalis,  quod  est  subjechim, 
in  15  §§,  je  nachdem  es  steht:  ohne  Gruad;  bei  verbis  sentieudi;  -di- 
cendi:  -eundi;  bei  esse;  -facere;  bei  der  obsecratio,  affirmatio,  pro- 
missio:  bei  Drohungen,  bei  Befelilen;  in  eigentlichen  Fragen;  in  zwei- 
felnden, verwunderten,  unwilligen  Fragen.  —  Diese  Untersuchung  ent- 
hält demnach  nur  einen  Bruchteil  des  Gebrauches :  sie  könnte  tiefgehen- 
der erfafst  und  besser  geordnet  sein.  —  Pars  II  de  collocatione  pron. 
personalium.  in  10  §§,  nämlich:  im  allgemeinen;  bei  zwei  Prouomineu; 
mit  Possessiven:  mit  Demonsti-ativeu  (auch  adverbialen);  mit  Interroga- 
tiven (desgl.):  mit  Relativen  (desgl.):  mit  gewissen  Konjunktionen;  mit 
affirmativen  und  negativen  Partikeln;  mit  -ne;  endlich  beim  Verbum.  — 
Auch  dieses  Gebiet  ist  nicht  erschöpft, 

(y.  Niemöller,  De  pronomiuibus  ipse  et  idem  apud  Plautmn  et 
Terentium.     Dissertat.  1887.  54  S.     8. 

Es  werden  die  Formen  und  die  Stellung  beider  Fürwörter  be- 
handelt. Plautus  hat  ipsus  bei  sibi  und  se  (ausgen.  Bacch.  415),  Terenz 
häufiger  ipse;  die  Form  earumpse  Ter.  Ilec.  163  wird  verworfen.  — 
Ritschls  Regel,  iak  ideni  vor  dem  pron.  demonstrativum  stehe,  triftt 
bei  Plautus  nicht  zu;  s.  hie  idem.  —  Verworfen  wird  Ter.  Ad.  424 
idem  ipse  (erst  bei  Laktanz);  idem  unum  hat  Plautus  zweimal;  Lukrez 
unus  idemque.  Häufig  sind  idem  qui,  idem  ut,  idem  atque.  —  Die  Text- 
regulieruDg  ist  etwas  willkürlich. 

Eine  Reihe  weiterer  Schriften  behandelt  das  reciproke  Ver- 
hältnis, zunächst : 

Z.  Dembitzer,  De  ratione  quam  Plautus  potissimum  et  Tereutius 
in  reciproca   actione    exprimenda   inierint.     Krakau  1886,  23  S.     8. 


254  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

Aufser  Plautus  und  Terenz  sind  auch  die  Fragmente  der  älteren 
Historiker,  Varros  und  Katos  Büclier  de  re  rustica  herangezogen.  Die 
Disposition  ist  nach  dem  im  Arch.  f.  lat.  Lex.  II,  495  (Frage  200)  ge- 
gebenen Schema  gemacht.  —  Archaisch  und  klassisch  ist  regelmUfsig 
inter  uos  u.  s.  w.;  ferner  alius  alium,  alter  alterum  u.  s.  w.;  aucli 
uterque  utrumque;  endlich  die  Wiederholung  des  Substantivs,  wie  vir 
virum.  Erst  später  treten  ein:  invicem,  mutuo  (doch  schon  neben  inter 
nos  Cic.  epist.  X,  34,  3),  vicissim  u.  a.  Davon  begegnet  invicem  erst 
seit  Livius  in  dieser  Bedeutung  und  nur  als  Attribut  (V).  Ganz  neue 
Formen  schaffen  auch  hier  die  Afrikaner,  wie  alterutrum  aa.,  s.  unten 
Thielmann! 

K.  Goebel,  Über  se  und  inter  se.  Jiriirb,  f.  klass.  Philol,  1888, 
S.  271—2. 

Nur  inter  se  ist  reciprok,  se  reflexiv;  bei  Verben  aber  von  der 
Bedeutung  conjungere,  conciliare,  disjungere,  disparare  aa.,  die  schon 
an  sich  eine  gegenseitige  Vereinigung  oder  Trennung  ausdrücken,  ge- 
nügt das  einfache  se  ^  „sich  unter  sich",  und  es  könnte  nur  pleonastiscU 
noch  ein  inter  se  hinzutreten;  doch  tindet  sich  dies  kaum,  wohl  aber 
zweimal  bei  Cicero  nos  inter  nos;  sonst  setzt  man  ein  Substantiv  hinzu, 
wie  manus,  arma,  rationes  inter  se.  —  Auch  bei  Cäsar  (gegen  K.  Menge 
ebdt.  S.  67 — 8)  wird  das  reciproke  Verhältnis  nicht  durch  se,  ipsi  se 
ausgedrückt:  in  se  conjungei-e  liegt  vielmehr  die  Reciprocität  im  con-: 
se  ipsi  interficinnt  heifst  .,sie  töten  jeder  sich  selbst".  —  Hierdurch 
veranlai'st  ist  die  genauere  Untersuchung  von: 

R.  Menge,  Die  Bezeichnung  des  reciproken  Verhältnisses  bei 
Cäsar.     N.  Jahrb.  f.  PhUol.  1889.  S.  2G5-74. 

Das  reciproke  Verhältnis  bleibt:  erstens  unbeze lehnet,  wo  es 
sich  von  selbst  ergiebt;  zweitens  wird  es  durch  verschiedene  Ersatz- 
mittel ausgedrückt,  und  zwar  a.  durch  Verdoppelung  des  Pronomens: 
b.  durch  Verdoppelung  eines  Substantivs;  c.  durch  Verdoppelung  eines 
Substantivs  mit  uterque;  d.  durch  uterque  alterum,  neoter  alterum: 
e.  durch  inter  se,  -nos,  -cos,  -ipsos ;  f.  uterque  inter  se,  ipsi  inter  se ; 
g.  durch  blolses  se,  wenn  die  Gegenseitigkeit  sich  aus  dem  Zusammen- 
hange ergiebt  und  ipse  beim  Subjekt  steht.  —  Dies  ist  ein  halber 
Rückzug;  Goebel  aber  wird  wohl  ganz  recht  haben. 

G.  Landgraf,  Substantivische  Parataxen.  Arch.  f.  lat.  Lex.  V, 
101  —  191. 

Ursprünglich  Ersatz  des  Keciprokums  (s.  ob.  Dembitzer!),  er- 
weitert sich  dei-  Begriff  dieser  Verbindung  auf  eine  Kette  von  gleichen 
Personen  oder  Sachen  überhaupt.  Auszuschliel'sen  sind:  1.  rhetorische 


Syntax.     Fürwörter.    (Deecke.)  255 

Doppelsetzlingen:  2.  Adjektiva  und  Participia:  3.  reflexive  Parataxen 
(selten);  4.  mit  Attributen  verseliene  Parataxen.  Es  sind  ferner  nur 
die  allgemeinen,  formelhaften  Verbindungen  berücksichtigt.  Diese 
aber  zerfallen  in  2  Gruppen:  1.  mit  blofsem  Kasus:  Genitiv  z.  B. 
ova  ovorum;  Dativ  z.  B.  homo  homini;  Akk.  z.  B.  manus  manuni;  Abi. 
z.B.  castra  castris.  —  2.  mit  Präpositionen,  und  zwar  entweder  mit 
einer  z.  B.  natura  a  natura,  oder  mit  zweien  z.  B.  in  diem  ex  die. 
Allmählich  überwiegt  Gruppe  2.  Die  Parataxen  sind  wirkungsvoll,  ein- 
dringlich; sie  gehören,  als  sprichwörtlichen  Charakters,  der  Umgangs- 
und Volkssprache  an.  Sie  sind  daher  auch  uralt,  finden  sich  stets  und 
überall ,  besonders  aber  dichterisch  (vor  allem  episch),  militäriscli,  rhe- 
torisch, juristisch.  Besonders  häufig  haben  sie  Ovid,  der  Philosoph 
Seueka,  später  Hieronymus.  —  Eine  besondere  Gruppe  bilden  die  Pro - 
nominalparataxen,  wie  alius  alium,  alter  alterum,  uterutri:  sogar  bei 
Cäsar  bell.  Gall.  VII,  35.  1  (unlogisch)  uterque  utrique  exercitus. 
Es  folgt  eine  nach  obigem  System  geordnete  Sammlung. 

Ph.  Thielmann,  Der  Ersatz  des  Reciprokums  im  Latein.    Arch. 
f.  lat.  Lex.  Vn,  S.  343—388. 

Dräger  ist  hier  ganz  ungenügend.  Es  gilt,  eine  umfassende  Dar- 
stellung der  sprachlichen  Mittel  zum  Ausdrucke  jenes  Verhältnisses 
zu  geben.  Dies  Verhältnis  selbst  ist  zunächst  in  seiner  strengen  Form 
zu  fassen,  wonach  es  „eine  auf  derselben  Bahn  vom  Ziel  zum  Aus- 
gangspunkte zurückkehrende  oder  gegenseitig  ausgeübte  Handlung"  be- 
zeichnet. Doch  ist  auch  die  freiere  Form  nicht  ausgeschlo.ssen.  welche 
„eine  sich  auf  eine  mehr  oder  minder  ausgedehnte  Kette  von  gleichen 
Personen  oder  Sachen  erstreckende  Handlung"  ausdrückt.  Die  Mittel 
sind  bei  beiden  Arten  meist  dieselben;  s.  ob.  Landgraf!  —  1.  inter  se. 
-nos  u.  s.  w.  —  2.  alter  alterum,  alius  alium,  bald  miteinander  gemengt; 
seltener  alteruter  alterum,  uterque  alterum,  uterque  utrumque  (eigentlich 
unlogisch),  uterque  alterutrum  aa.  —  3.  invicem,  mutuo,  vicissim.  — 
4.  alis  alium,  alis  alterutrum;  ersteres  inscbriftlich,  afrikanisch,  letzteres 
bei  Florus ,  einem  Afrikaner  um  100  n.  Ch.,  dann  sehr  oft.  —  ö.  Das 
Reflexiv  als  Reciprokum,  schon  bei  Vergil,  Horaz  aa.  Dichtern  (me- 
trisch bequemer),  dann  vereinzelt  bei  Apulejus.  besonders  ..in  se".  — 
6.  pariter,  simul  (vgl.  hierzu  ob.  Menge!).  —  Es  folgt  ein  histo- 
rischer Rück-  und  Ausblick:  Bis  Livius  herrscht  inter  se  vor;  alter 
alterum  u.  s.  w^  ist  Reserve;  bei  Livius  selbst  tritt  invicem  ein,  das  seit 
150 — 200  vulgär  siegt:  früher  durch  inter  se  erläutert,  erklärt  es  jetzt 
dieses;  es  herrscht  im  Bibel-  und  Kirchenlatein;  Hieronymus  dagegen, 
als  Ciceronianer,  zieht  wieder  inter  se  vor;  erst  in  zweiter  Linie  kommt 
bei  ihm  invicem,  dann  das  Reflexiv,  hierauf  mutuo,  alterutrum,  vicissim ; 


25(1  Lateinische  Grammatik.    (Deccke.) 

Augustin  hat  wieder  iuvicem  vorwiegend,  dann  das  Reflexiv,  hierauf  erst 
inter  se,  alterutruni,  vicissim,  niutuo.  Die  Juristen  bevorzugen  inter  se; 
ebenso  die  Grammatiker,  die  Historiker;  endlich  aber  siegt  das  blofse 
Reflexiv. 

Einen  Nachtrag  zur  Bezeichnung  der  Reciprocität  im  gallischen 
Latein  liefert  R.  Thurneysen,  ebdt.  VII,  523—7. 

Es  folgen  die  Deraonstrativa  und  ßelativa: 

J.  Bach,  De  usu  pronominum  demonstrativorum  apud  priscos 
scriptores  Latinos.  Studien  aus  dem  Grebiete  des  arch.  Lateins,  heraus- 
geg.  V.  W.  S  tu  dem  und.  Bd.  IL  Berlin,  Weidmann,  1891,  ft. 
S.  144-415. 

Der  erste  Teil  dieser  umfangreichen  Arbeit  war  schon  1885  als 
Dissertation  erschienen.  Jetzt  bildet  dieselbe  2  Bücher,  deren  erstes 
in  5  Kapitel  zerfällt.  Nachdem  in  der  Einleitung  festgestellt  worden 
ist,  dafs  hie  auf  die  persona  loquens  geht,  iste  auf  die  persona  appellata, 
ille  auf  eine  persona  tertia  nescio  quae,  handelt:  Gap,  I  von  hie  nebst 
den  Adverbien  hie.  hinc,  huc,  horsum,  abhinc  u.  s.  w.  (S.  149—210). 
—  Gap.  II  von  iste,  nebst  istic,  istuc,  istoc,  isto,  istim  u.  s.  w.  Ein 
Anhang  beseitigt  die  scheinbar  der  Deutung  von  hie  auf  die  1.  Pers., 
von  iste  auf  die  2.  Pers,  widerspi'echenden  Stellen  (S.  211—286).  — 
Gap.  III  von  ille  (Gegensatz  zu  hie),  nebst  illic,  illi,  illac  u.  s.  w.,  auch 
post  illa(c);  auch  hier  folgen  Textverbesserungen  (S.  287 — 326).  — 
Gap.  IV  de  pronominibus  demonstrativis  inter  se  excipieniibus.  Die  nicht 
seltene,  scheinbar  regellose  Bezeichnung  derselben  Person  in  der- 
selben Scene  durch  verschiedene  Pronomina  erklärt  sich  durchweg 
aus  einem  anzunehmenden  Wechsel  der  Stellung  der  Personen  auf  der 
Bühne  und  damit  einer  Verschiebung  ihres  Verhältnisses  zu  einander 
(S.  327 — 344).  —  Gap.  V  de  is  pronomine.  Dieses  Pronomen  geht  nicht 
auf  eine  bestimmte  Person  wie  die  3  anderen,  sondern  „constauter  alia 
quadam  voce  anteposita  aut  enuutiato  adjecto  nititur".  Es  werden  zu- 
gleich mit  is  besprochen  die  Adverbien  ibi,  ibidem,  inde  und  seine  Kom- 
posita, interea,  interibi,  Interim  u.  s.  \v.  (S.  344 — 384).  —  Die  folgen- 
den Seiten  setzen  auseinander,  dafs  seit  der  silbernen  Latinität  ein 
wesentlich  anderer  Gebrauch  der  Demoustrativa  aufkommt:  ille  dehnt 
sich  aus:  is  schwindet,  zuerst  bei  den  Dichtern,  dann  auch  in  der  Prosa: 
eine  Erscheinung,  die  bis  zu  den  Institutionen  verfolgt  wird.  —  Das 
zweite  Buch  (S.  387—415)  behandelt  die  Verbindung  und  Ver- 
schmelzung der  Demonstrativa  mit  vorhergehendem  ecce  -^  vide.  daher 
im  Akkusativ.  —  Die  Arbeit  ist  sehr  fleifsig  und  sorgsam  gemacht, 
auch  scharfsinnig  und  im  ganzen  überzeugend.  Bemerkenswert  siud  noch 
folgende  Ergebnisse;  Das  Pronomen  iste  erhielt  die  verächtliche  Be- 


Syntax.    Fürwörter.     (Deecke.)  257 

deutung  erst  sekundär,  ex  usii  forensi,  von  der  Bezeichnung-  des  Ange- 
klagten; nie  die  rühmende  durch  die  häutige  lobende  Hinweisung  auf 
die  gute  alte  Zeit.  Letzteres  entfernte  sich  vermöge  seines  v^eiten  räum- 
lichen wie  zeitlichen  Bezirks  allmählich  von  seiner  ursprünglich  engeren 
Bedeutung,  wnrde  dann  fast  mit  is  sjaionj'ra  und  näherte  sich  der 
abgeschwächten  Bedeutung  des  Artikels,  in  die  es  im  Romanischen  ganz 
überging  (vgl.  Ron  seh,  Semasiol.  Beitr.,  Leipzig  1888,  hie,  ille,  ipse 
als  Artikel);  doch  geht  Bach  hierin,  schon  für  Plautus,  vielleicht  zu 
weit.  Die  Gegenüberstellung  von  hie  .  .  .  ille  „der  eine  .  .  .  der  andere" 
begegnet  erst  bei  Accius;  älter  hiefs  es  hie  ...  hie  oder  ille  .  .  .  ille; 
nicht  archaisch  ist  hie  qui.  Wenn  zwei  Relativsätze  au  einen  Begriff 
sich  anschliefsen,  so  wird  beim  zweiten  das  Relativ  oft  ausgelassen,  oder 
es  tritt  statt  desselben  is  ein  (nie  ille);  doch  kann  man  diesen,  auch  aus 
der  klassischen  Zeit  und  dem  Griechischen  bekannten,  Gebrauch  von  is 
schwerlich  mit  Bach  „relativ"  nennen;  es  liegt  vielmehr  ein  kleines 
Anakoluth  vor,  indem  der  zweite  Satz  sich  aus  der  relativischen  Ab- 
hängigkeit löste  und  halb  parataktisch  ward.  Die  Erklärung  dieser  Er- 
scheinung aber  ist  noch  tiefer  zu  suchen  (vgl.  mein  Buchsweiler  Progr. 
1887.  über  den  Ursprung  des  Eelativs  S.  37  ff.).  —  Die  Deutung  von 
ecce  (mit  G.  Curtius)  als  Imperativ  einer  Wurzel  ak  (richtiger  ek) 
„sehen'-,  so  dafs  es  für  *ece  stände,  ist  unhaltbar;  das  bisweilen  hand- 
schriftlich vorkommende  ecillum  u.  s.  w.  beweist  dafür  nichts.  Schwierig- 
keit bereiten  die  Formen,  wie  eccum  u.  s.  w.,  in  denen  nach  Bach  is 
nicht  enthalten  sein  kann,  da  es,  nach  obiger  Auseinandersetzung,  in 
älterer  Zeit  nie  demonstrativ  war  ('?);  er  sucht  daher  darin  Formen 
vom  Pronominalstamme  ho-,  also  eccum  =  ecce  *hum;  s.  hunc  =- 
*hura-c(e).  —  Vgl.  unten,  bei  den  Partikeln,  en  und  ecce!  S.  323  ff. 
Zum  Gebrauch  der  betreffenden  Fürwörter  s.  noch: 

0.  Eiemann,  Remarques  sur  l'attraction  du  demonstratif  et  du 
relatif  en  Latin.     Melanges.     Paris,  Renier,  article  28. 
Vgl.  dazu  mein  Buchsw.  Progr.  1887,  S.  39. 

R.  Menge,  Über  das  Relativum  in  der  Sprache  Cäsars.  Gram- 
matisch-kritische Abhandlung.     Progr.     Halle  1889,  32  S.     4. 

Der  Artikel  qui  für  Menge's  Lexic.  Caesarianuni  gab  den  Anlafs 
zu  dieser  Schrift,  die  eine  Ergänzung  und  Verbesserung  Drägers  ist 
(§  111—112  nebst  482;  471  —  493);  der  Nachtrag  ist  neu.  Es  werden 
9  Fälle  unterschieden:  1.  Das  Relativ  bezieht  sich  auf  mehrere  vorher- 
gehende Substautiva.  —  2.  Das  Relativ  erscheint  attributiv  mit  zwei 
Substantiven.  —  3.  qui  für  uter.  —  4.  qui  omnes.  —  5.  Anastrophe  des 
Relativs.  —  6.  is  qui,  id  quod  vor  Parenthesen.  —  7.  qui  tamen,  qui 
quidem.  —  8.  Schachtelsätze  (nur  zweimal).  —  9.  Das  Relativ  schliefst 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    LXXVII.  Bd.   il89o.  IIIi  .1" 


258  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

einen  Satz  in  der  Form  aA  an  und  tritt  in  den  Kasus,  den  a  fordert 
(nur  dreimal,  und  zwar  in  lib.  I  des  bell.  Gallicum).  —  An  besonderen 
Notizen  ist  etwa  noch  Folgendes  zu  bemerken:  Nie  hat  Cäsar  quippe 
qui  u.  s.  w. ;  praesertim  qui  nur  im  Bericht  des  Labienus  (bell.  Gall.  V, 
47,4).  Bei  der  strengen  Analogie,  die  Cäsar  festhielt,  sind  wörtliche 
Citate  aus  den  Berichten  Anderer  anzunehmen,  wo  eine  Abweichung  von 
seinem  gewöhnlichen  Sprachgebrauche  vorliegt;  manches  aber  ist  auch 
Einschiebung,  anderes  falsche  Lesart.  So  ist  einmal  aniraum  adversa 
neben  sechsmal  animadversa  zu  ändern;  zweimal  quibus  cognitis  rebus, 
einmal  blofs  quibus  cognitis..  neben  elfmal  quibns  rebus  cognitis;  ferner 
der  isolierte  Konjunktiv  im  relativ  angeschlossenen  Satze  (bell.  civ.  III, 
111,  4).  —  Die  obige  Schlufsfolgerung,  daraus  gezogen,  dafs  Cäsar  ein 
Büchlein  de  analogia  geschrieben  hat,  ist  doch  wohl  zu  willkürlich,  be- 
sonders wenn  man  bedenkt,  unter  welchen  Umständen  er  schrieb.  Zu- 
dem erging  sich  sein  reicher  Geist  sicher  in  mannigfachem  Spiel  der 
Gedanken,  das  einen  lebendigen,  vielfach  augenblicklichen,  ungewohnten 
Ausdruck  fand.  So  ist  die  Sprachform  eine  vielgestaltige,  und  es  sind 
mit  Recht  auch  seltene  Fälle  und  vereinzelte  Erscheinungen  gegen  die 
Regel  anzunehmen.  Warum  sollten  die  Relativa  darin  eine  Ausnahme 
machen?  —  Cäsar  zeigt  eine  Vorliebe  für  konzessive  Relativsätze  im 
Konjunktiv;  ferner  für  Wiederholung  des  Beziehungswortes  hinter  dem 
Relativ,  z.  B.  viermal  bei  dies  (aus  dem  Kurialstil;  s.  u.  Kalb,  Sprache 
der  Juristen!),  vereinzelt  bei  res,  iter,  clamor,  insulae,  lex  u.  s.  w.  Ebenso 
liebt  er  die  Attraktion  des  Modus.  Angeschlossene  Relativsätze,  die 
eigentlich  Hauptsätze  sind,  stehen  in  der  oratio  obliqua  bald  im  Akk. 
c.  Inf.,  bald  im  Konjunktiv  (gegen  Schmalz). 

über  Zander 's  quod  und  id  quod  s.  unten  bei  der  Satzlehre!  S.  320. 

Vgl.  noch: 

F.  Devantier,  Das  lateinische  sogen.  Relativum  in  der  Ver- 
schränkung oder  Konkurrenz.     Prgr.   Friedeberg,  1886,  18  S.  4; 

s.  Zillgenz  in  der  Woch,  f.  klass.  Philol.  IV,  401  flf.;  Pätzold 
in  der  Neuen  Philol.  Rundschau  1887,  S.  259  f. 

Den  Schlufs  der  Fürwörter  bilden  die  Indefinita: 

Alw.  Prehn.  Quaestiones  Plautiuae  de  pronominibus  indefinitis. 
Prgr.,  Strafsburg  im  E.,  1887,  30  S.  4. 

Die  Arbeit,  ohne  etymologische  oder  historische  Unter.suchungen, 
enthält  eine  genaue  und  sorgsame  Feststellung  des  plautinischen  Sprach- 
gebrauchs der  Indefinita,  und  zwar  in  10  Abschnitten,  über:  quisquis: 
nnus  nnd  ullus:  quispiam:  qnidam;  quisque:  quisquam;  quis;  aliquis: 
quicumqne :  quilubet  und  quivis.     An  einzelnen  Ergebnissen  und  Eigen- 


Syntax.    Fürwörter.    (Deecke.)  259 

heiten  hebe  ich  hervor:  Die  Formel  quom  eo,  quem  quiqui  ,, trotzdem 
und  alledem";  hinter  dem  Imperativ  steht  nur  quidlubet  (nie  quidquid 
lubet);  quoiquoimodi  ist  nicht  nachzuweisen;  ebensowenig  quodpiam, 
cujuspiam;  wohl  aber  quaequae,  quaepiam  (wb,);  als  gen.  comm.  werden 
gebraucht  quisquara,  quisquis  und  quiBijue;  der  Plural  von  quisquis  und 
quidam  fehlt;  dafür  stehen  quisquam,  aliquis,  quisque  (siebenmal)  mit 
dem  Plural  des  Verbs;  der  Plural  von  quisque  mit  dem  Superlativ  be- 
gegnet nur  Most.  155  (aber  angezweifelt);  quicumque  steht  nie  ohne 
Verb ;  qualiscumque  fehlt,  auch  bei  Terenz ;  quoquo  modo,  quoquo  pacto 
sind  üblich;  quisquam  steht  fünfimddreifsigmal  adjektivisch  bei  einem 
Maskulinum,  dreimal  bei  einem  Femininum  und  sogar  zweimal  bei  einem 
Neutrum  (?);  quilubet  und  quivis  sind  dem  Sinne  nach  nicht  unterschieden, 
doch  ist  letzteres  häufiger ;  von  ersterem  kommen  nur  die  Formen  quid- 
lubet und  quodlubet  vor,  einmal  quoilubet;  in  „malum  quod  tibi  di  dabunt'" 
ist  quod  nicht  indefinit,  sondern  particula  optativa  =  qui(?),  während 
Dziatzko  es  für  relativisch  hält.  —  Terenz  ist  überall  zur  Vergleichung 
herangezogen. 

E.  Schunck,  Bemerkungen  über  die  pronomina  indefinita:  si  quis, 
si  quisqnam  (ullus),    si  aliquis.     Prgr.     Sigmaringen,  1891.  29  S.  4. 

Der  Verfasser  giebt  in  der  Einleitung  die  Ansichten  verschiedener 
Grammatiker  wieder,  begründet  dann  seine  eigene,  und  formuliert  die 
Regeln  neu  so:  1.  si  quis  steht,  wenn  nichts  im  Satze  besonders  betont 
ist,  aufser  der  lateinischen  Betonung  des  Prädikats.  —  2.  si  quisquam 
steht,  wenn  das  Pronomen  selbst  scharf  betont  ist,  und  zwar  in  beiden 
Hälften  gleich  stark  z.  B.  quisquAm,  qnicquäm.  —  3.  si  aliquis  steht,  wemi 
etwas  anderes  im  Satze  betont  ist  (aulser  dem  Prädikat  oder  Indefinitum).  — 
Die  Beispiele  sind  aus  Cicero  (Tusc,  offic,  in  Verrem  V,  pro  Milone), 
Cäsar  und  Livius  entnommen.  —  S.  15  ff.  beschäftigen  sich  mit  Anton" s 
Studien  z.  lat.  Gramm.  III  (s.  unten  bei  den  Adverbien!),  dessen  Unter- 
suchung über  die  Indefinita  umfangreich,  aber  nicht  erschöpfend  sei. 
Die  negative  Bedeutung  von  quisquam  und  ullus  wird  bestritten.  —  Die 
Autstellungen  sind  beachtenswert. 

Vgl.  .7.  Gerstenecker  si  quis,  si  qui.  Blätter  f.  d.  bayr.  Gymn. 
XXin,  S.  310  ff.;  479  ff. 

V.  Vaccaro,  alii  =  ceteri.     Palermo  1889. 

Der  Plural  alii  =  ceteri  ist  vulgär,  schon  bei  den  Komikern  und 
Kato;  dann  bei  Sallust-,  selten  klassisch:  häufiger  wieder  in  der  silbernen 
Latinität  und  spät. 

Zum  Interrogativ,  jedoch  schon  zu  einer  adverbialen  Form, 
gehört  die  Bemerkung  von: 

17* 


OßO  Lateinische  Graruniatik.     (Deeckc.) 

F.  Maixuer,    quipenni,    quippiui.     Zeitschr.    f.    d.    östr.    Gyran 
XXXVI,  83  ff. 

Mit  den  Adverbien  und  adverbialen  Redensarten  beschäfti- 
gen sich  dann  folgende  Schriften:  . 

Ed.  Wölfflin,  ex  toto,  in  totura.  Arch.  f.  lat.  Lex.  IV,  144—147. 

Das  Adverb  totaliter  ist  spätlateinisch;  die  Glosse  toto  =  oXtu? 
zweifelhaft.  Die  ßedensart  ex  toto  —  gr.  h,  TiavToj,  als  Variaute  für 
omnino,  hat  Ovid  dreimal  mit  Negation,  einmal  mit  posse;  ebenso  der 
Rhetoi'  Seneka;  herzhafter  CqIsus,  meist  positiv  —  prorsus;  dann  spätere 
Autoreu :  vereinzelt  ist  ex  omni  Properz  IV,  21,  6.  —  in  totum  findet 
sich  bei  Celsus,  beim  Philosophen  Seneka,  bei  Kolumella,  dem  älteren 
Plinius,  Quintilian,  auch  =  in  Universum ;  oft  später  bei  Ulpian  =  omnino 
..unter  allen  Umständen",  sowie  ,,im  allgemeinen"  (^in  uuivei'sura): 
vgl.  per  orania,  in  omnia:  s.  Arch.  V.  144. 

Paul  Gerhardt,  De  adverbiis  ad  notionem  augendam  a  Plauto 
usurpatis.     Dissert.,  Halle.   1892,  48  S.  8. 

Eine  KontroUieruug  der  bisherigen  Annahmen  über  diesen  Gegen- 
stand durch  vollständige  genaue  Nachprüfung.  Besonders  zu  bemerken 
ist:  multum  beim  Adjektiv,  häufig  bei  Plautus,  fehlt  bei  Terenz,  als  vulgär; 
nimio  steht  zweimal  mit  dem  Komparativ,  zu  bessern  in  uimis  oder  nimium 
(?;  s.  die  folg.  Abhandlung!);  vereinzelte  aliitterierende  Formeln  sind: 
valide  varius;  longe  longissimus;  apprime  probus;  producte  prodigus; 
admodum  heilst ,, völlig",  nicht  ,, ziemlich"  (s.  ob.  Rozwadowskü);  die 
Etymologie  von  oppido  bleibt  dunkel;  valde  und  saue  wurden  synonym 
wegen  der  Begriffsvcrwaudtschaft  von  valere  und  sauum  esse. 

Jac.  "W rubel.  De  vocabulis  nimis  et  nimium  apud  Plautum  et 
Terentium.  Dissert.  class.  philol.  Cracov.  Vol.  XIII.  Krakau,  14  S.  8. 
Etymologie:  ni-mis  aus  ne  (s.  nihil,  nimirum?)  und  Wurzel 
uia  (richtiger  mc)  , .messen",  also  ,,unmäfsig".  Es  folgt  eine  Sammlung 
der  Stellen,  die  aber  auf  nicht  ganz  ausreichender  kritischer  Text- 
kenntiiis  beruht.  Resultat:  Beide  Formen  stehen  ohne  Bedeutungs- 
unterschied bei  Adverbien,  Adjektiven,  Verben;  sie  sinken  später  in  der 
Bedeutung  herab  zu  valde:  so  Cic.  Brut.  26,  101  nimis;  dann  Augustin ; 
nimium  in  der  Vulgata.  —  Pers.  94  wird  nihil  crudae  in  nimis  crudae 
geändert,  obwohl  dies  bei  Plautus  sonst  nie  mit  dem  Positiv  steht. 

G.  Helmreicli,  paulum,  pnsillum,  parum  und  Synonyma.     Arch. 
f.  lat.  Lex.  II,  127— 121 1. 

"Was  heifst  ..ein  wenig.^  ■   Diese  Frage  wird  besonders  aus  den 
mcdicinischen    und   kulinarischen  Schriften  beantwortet.     Celsus 


Syntax.     Adverbien,    (üeecke.)  261 

hat  pauluni,  paululum  mit  Genit.  oder,  um  einen  doppelten  Genitiv  zu 
melden,  mit  ex;  exiguum  ohne  Genit.,  sonst  exigaa  pars  oder  exiguus 
modus;  pusillum  ist  vulgär;  paulo  nur  abl.  comparat.  —  Scribonius 
Largus  hat  pusillum;  exiguum  mit  Genit.  oder  als  Adjektiv.  —  Von 
da  an  fehlt  paulum;  pusillum  noch  bei  Vegetius.  —  Theodor.  Prise, 
hat  modicum  mit  Genit,  und  modicus  als  Adjektiv;  vereinzelt  paucus;  oft 
quippiam,  auch  Abi.  quopiam  mit  Genit.;  daneben  aliquantus  und  ali- 
quantum  mit  Genit.  (auch  klassisch).  —  Cassius  Felix  hat  modicus 
und  -cum,  auch  als  Adverb;  selten  parvus,  aliquantus.  —  Apicius 
ebenso,  auch  modice  (selten  bei  Anderen).  —  Marcellus  de  medicamentis 
hat  die  grölstc  Mannigfaltigkeit;  auch  parum ,  pauxillum,  pausillum(?), 
pauculum,  aliquid  u.  s.w.  Nie  heifst  parum  ,,ein  wenig",  —  Ob  nicht 
die  mit  ali-  zusammengesetzten  Formen  eine  etwas  stärkere  Bedeutung 
haben?  Überhaupt  wären  wohl  die  Grad-e  noch  näher  zu  bestimmen  ge- 
wesen. 

Ed.  Wölfflin,  frustra,  ncquiquam  und  Synonj'ma.    Zum  fünfzig- 
jährigen Doktorjubiläum  von  Georges.     Arch.  f.  lat.  Lex.  II,  1 — 24. 

früstra  (das  a  bei  Plautus  ist  sechsmal  kurz,  nirgends  sicher  lang) 
ist  eine  Komparativbildung(?)  von  *fiösus  ^  frausns,  und  zwar,  wenn 
die  Länge  des  a  ursprünglicher  ist,  abl.  sg.  fem.,  wie  contra  aa.  Es 
geht  auf  die  Selbsttäuschung.  Phrasen  sind:  fiustra  laborare,  auch 
-laborem  suscipere  aa.;"  nur  einmal  dafür  nequiquam  laboi-are;  frustra 
temptare  (poetisch  nequiquam  t.);  -operam  oder  tempus  terere  aa. : 
dann  auch  frustra  esse  u.  s.  w.  —  Bei  dem  zweiten  Worte  bleibt  es 
zweifelhaft,  ob  necpiiquam  (Abl.)  oder  yieqnicquam  (Akk.)  die  richtigere 
Form  ist;  auch  die  Verwendung  entscheidet  nicht.  Nur  zweimal  hat 
es  Cicero,  davon  einmal  poetisch,  das  andere  Mal  mit  poetischer  An- 
spielung: auch  Cäsar  hat  es  nur  zweimal:  dagegen  lieben  es  Sallust  und 
Livius;  juristisch  ist  es  nicht.  Ein  Begriffsunterschied  von  frustra  ist 
nicht  festzustellen.  —  Auch  elliptisch  kommen  beide  vor,  und  bei  den 
Dichtern  auch  bei  Adjektiven;  dagegen  steht  nequiquam  nicht  mit  esse 
oder  habere,  und  nicht  mit  einer  Negation .  —  Synonyma  sind:  inauiter; 
irrito,  in  cassuni,  in  vanum  aa.;  ferner:  in  vacuum;  sine  causa,  ingratis 
aa.,  zum  Teil  vulgär  u.  spät;  s.  noch  S,  89  des  Archivs. 

Eine  interessante  Debatte  hat  sich  über  einen  iidverbialen  Aus- 
druck entsponnen  durch: 

W.  Heraus,  haud  impigre.  Jahrb.  f.  klass.  Piniol.  1886,  8.  713  -20. 

Die  Redensart  band  impigre  ..wacker*  Liv.  XXXII,  16,  11  ist 
nicht  zu  ändern,  sondern  beruht  auf  einem  logischen  Fehler  für  haud 
pigre  oder  blofses  impigre;  es  lassen  sich  dafür  eine  Reihe  ähnlicher 
Beispiele  anführen,  auch  aus  neueren  Sprachen.  —  Dies  ist  weiter  ge- 


262  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

schelieii  durch  Fr.  Vogel  ehdt.  S.  867,  der  unter  anderem  haud  impigre 
auch  aus  Sali.  frgm.  nachweist.  —  W.  Heraus,  noch  einmal  haud 
impigre.  Ebdt.  1891,  S.  501—7.  —  Vgl.  hierzu  Er.  Vogel  (Arch.  IV, 
320—2)  über  das  in  privativum,  bei  den  Kompositen  oben  S.  192. 

H.  S.  Anton,  Studien  zur  lateinischen  Grammatik  und  Stilistik. 
Heft  3.     Erfurt,  1888,  312  S.  8. 

Schon  die  beiden  ersten  Hefte  behandelten  die  adverbiale 
Partikellehre,  besonders  die  Übersetzung  oder  Weglassung  derdeutscheu 
Partikeln  ,.nur,  noch,  schon",  und  zwar  mit  reichstem  schriftstellerischen 
Material  und  minutiösester  Genauigkeit,  doch  wesentlich  nur  aus  der 
klassischen  Litteratur,  dürftig  aus  dem  silbernen  Latein,  aus  dem  archai- 
schen und  späteren  gar  nichts,  also  nicht  historisch.  —  Dies  dritte 
Heft  behandelt  in  gleicher  Weise  die  Partikel  ,, sonst' •  =  alias,  aliter, 
alioqui;  daran  anknüpfend  dann  aliquis  nebst  quis,  quisquam,  uUus 
(s.  oben  Schunck  S.  259). 

Ferd.  Becher,  Zum  Gebrauch  von  item.  Zeitschr.  f.  Gyranasial- 
wesen  XLVI  (1892),  S.  267-8. 

Es  ist  eine  Bemerkung  gegen  Schmalz'  Antibarbarus :  item  hat 
nichts  mit  der  Gleichheit  oder  Verschiedenheit  des  Subjekts  oder  Objekts 
zu  thun.  wie  das  bei  idem  und  ipse  quoque  der  Fall  ist;  es  hat  viel- 
mehr, als  Adverb,  nur  mit  dem  Verbuni  zu  thun,  und  zwar  steht  es 
überall  da,  wo  item  ut  am  Platze  wäre.  Es  kopuliert,  während  ipse 
isoliert  :  quod  idem  und  quod  item  können  dagegen  oft  miteinander 
wechseln. 

P.  Geyer,  loco  ■■=  ibi.  Corament.  Woelfflinianae  S.  91—95 
(erst  spätlateiuisch). 

S.  Ssobolewski,  Zur  lateinischen  Grammatik:  über  antea.  quin 
u.  s.  w.  (russisch).     Russ.  philol.  Rundschau  II,  63  f. 

Die  Besprechung  der  über  die  Syntax  des  Zeilwortes  erschiene- 
nen Schriften  beginne  ich  mit  den  Untersuchungen  über,  die  ronsecutio 
temporum  da  diese  zugleich  einen  wesentlichen  Teil  der  Moduslehre 
in  sich  schliefst.     Ich  erwähne  als  Hauptwerk : 

Will,  Gardner  Haie,  The  sequeuce  of  tenses  in  Latin.  Americ. 
.Joum.  of  Philol.  VII  u.  VIII;  Sonderabdruck  Baltimore,  1887. 
52  S.  8.  —  Snpplementary  paper.  Ebdt.  IX;  Baltimore,  1888, 
20  S.  8. 

Die  Frage  ist  hier  von  zwei  Seiten  behandelt:  theoretisch  und 
pädagogisch,  von  ersterer  ausführlicher,  von  letzterer  kürzer.  —  Der 
erste  Teil  (S.  1—20)  ist  negativ.     Er  giebt    in  8  Gruppen   in  einer 


Syntax.     Zeitwörter.     Consec.  temporum.    (Deecke.)  268 

Auslese  von  Beispielen  ein  reiches  Material  zur  Zeitenfolge:  1.  in  Folge- 
sätzen   nach    ut:    a.  Präsens;    b.    perfect    definite;    c.  Aorist.  —  2.  in 
relativen  Folgesätzen,    mit   denselben    drei   Unterabteilungen.  —  3.  in 
Kausalsätzen.  —  4.    in  Konzessivsätzen.  —  5.    in    indirekter  Rede.  — 
6.  in    Bedingungssätzen.  —  7.  in  couclusious,    softened   Statements.  — 
8.  in  Finalsätzen.  —  Das  Resultat  ist:  „In  der  grofsen  Masse  der  Kon- 
struktionen drücken  das  Präsens,  Perfekt  (definite)  und  der  Aoiist  des 
Konjunktivs  direkt  die  zeitliche  Anschauung  der- augeführten  Hand- 
lung aus,  wie  sie  dem  Geiste  des  Sprechenden  in  dem  Augenblicke  der 
Äufserung  des  betreffenden  Verbs  erscheint".     In  der  grofsen  Mehrzahl 
der  Fälle  also  findet  keine  Zeitfolge  statt.  —  Xach  demselben  Schema 
werden  dann  die  übrigen  Zeiten  des  Konjunktivs  (Imperf.  u.  Plusquam- 
perf.)  behandelt,    und   ergeben   dasselbe  Resultat.  —  Der  zweite  Teil 
(S.  21 — 34)  ist  positiv:  „Die  Zeit  des  abhängigen  Konjunktivs  bringt 
zeitliche  Bedeutung  mit  sich,  genau  wie  es  die  Zeit  eines  unabhängigen 
Konjunktivs  oder  Indikativs  thut".  —  Es    wird  dann  die  Frage  aufge- 
worfen,   ob  Erscheinungen    vorgebracht  werden  können,    welche    diese 
Hypothese  nicht  hinreichend  erklären  kann,  und  es  werden  6  Einwände 
aufgestellt  und  widerlegt:    1.  Die  Mehrheit  der  Fälle  stimmt  zur  Zeit- 
folge. —  2.  Bei  den  antequam-  und  dum-  Sätzen  findet  keine  Ausnahme 
statt.  —  3.  Das  Imperfekt  in  den  sogen.  ,,clauses  of  result"  nach  Neben- 
zeiten. —  4.  Der  Gebrauch  einer  Nebeuzeit  des  Konj.,  in  Verbindung  mit 
einem  Hauptverb  in  der  Vergangenheit,  um  Gedanken  auszudrücken,  welche 
Thatsachen  entsprechen,  die  als  wahi'  bekannt  sind  im  Zeitpunkte  des  Spre- 
chens oder  auch  als  allgemein  wahr.  —  5.  Der  Gebrauch  einer  ISebenzeit  des 
Konj.  in  Verbindung    mit  Bedingungen    und  Schlüssen,    die  der  "Wirk- 
lichkeit entgegengesetzt  sind,  um  Gedanken  auszudrücken  u.  s.  w.  wie 
in  4.  —    6.  Der  gewöhnliche  Gebrauch  von    -urus  fuerit  u.  s.  w.  nach 
Hauptzeiten,    um  Schlüsse   auszudrücken,    die    der  Wirklichkeit  wider- 
sprechen. —  Hiervon  erledigen  sich  1.  u.  2.  von  selbst;  3.  als  streng- 
logisch u.  s.  w.     Diese  Widerlegungen  siud  zu  kurz  und  nicht  tief  genug. 
—  Der    dritte  Teil  stellt  als  ein  Ergebnis    des    ersten    den  Satz    auf: 
,,Jede  Verbindung  zeitlicher  Gedanken  (Haupt-  und  Nebengedanken) 
ist  im  Latein  des  Ausdrucks  fähig,  und  ist  die  Verbindung  eine  unge- 
wöhnliche, so  ist  das  UQtergeordnete  Verb,  allein  und  an  und  für  sich, 
fähig  zum  Ausdruck  der  zeitlichen  Beziehungen,  ebenso  vollständig,  wie 
ein  unabhängiges  Verb  es  sein  würde".    Die  Einwände   hiergegen  sind 
schon  im  zweiten  Teil  widerlegt.     Es  bleibt  noch  ein  Bedenken:  „Die 
lebendige  Kraft  der  Zeit  tritt  in  den  ungewöhnlichen  Konstruktionen 
hervor,  nicht  in  den  gewöhnlichen'.    Dies  Bedenken  wird  durch  7  Gegen- 
momente zu  wiederlegen  gesucht.  —  Der  vierte  Teil  ist  konstruktiv, 
giebt  aber  keine  bestimmten  Regeln.  —  Der  fünfte  Teil  behandelt  die 


0(^4  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

Geschichte  der  Lehre  von  der  Zeitenfolge,  von  Lieven  (1872)  bis 
Schmalz,  und  ihre  Aussichten  für  die  Zukunft,  —  Der  Nachtrag 
ist  gegen  die  Anzeige  ven  Gildersleeve,  ebdt  VIII,  8.  228—231  ge- 
richtet, wonach  z.  B.  in  CRsars  bell.  Gall.  von  1015  Fällen  nur  47  den 
allgemeinen  Kegeln  der  consec.  temp.  widersprechen.  —  Es  wird  S.  18 
eine  gewisse  Assimilation  der  Zeiten  anerkannt;  dann  S.  19— 20  eine 
Fassung  der  neuen  Ansicht  in  Regeln  versucht,  die  aber  nicht  ganz 
glücklich  ausgefaHen  ist:  die  erste  Eegel  in  15  Zeilen  ist  äufserst 
schwerfällig;  die  zweite  hat  doch  wieder  2  Ausnahmefälle. 

Wegen    des  engen  Zusammenhangs   mit   der    eben    besprochenen 
Arbeit  führe  ich  hier  gleich  an,  von  demselben  Verfasser: 

"Will.  Gardner  Haie,  The  cum-  Constru<itions,  their  history  and 
functions.  Part  I.  Critical;  IL  Construction.  Studies  of  Class.  Philol, 
of  the  Coruell  University.  Ithaca  N,  Y.   1887—9,  p.  74  and  260,  8. 

Auch  in  deutscher  Übersetzung: 

Will.  üarduerHale,  Die  Cum  Konstruktionen,  ihre  Geschichte 
und  ihre  Funktionen.  Übersetzt  von  A.  Neitzert.  Mit  einem  Vor- 
worte von  B.  Delbrück.     Leipzig,  Teubner,  1891,  341  8.     8. 

Der  erste,  kritische  Teil  dieser  Arbeit  enthält  in  7  §§  eine 
Widerlegung  sämtlicher  bisherigen  Theorien,  besonders  auch  der  augen- 
blicklich in  hervorragender  Gunst  stehenden  Hoffmaun-Lübbertschen 
Lehre  vom  absoluten  und  relativen  Tempusgebrauch;  s.  meinen  Jahresber. 
f.  1883—84,  S.  206—214  über  Hoffraauns  Studien,  Kluge  und 
Wctzel.  Der  Hauptpunkt  ist  der:  Woher  stammt  der  Konjunktiv  beins 
historischen  und  kausalen  cum?  Er  ist  nicht  relativ,  sondern  der 
cum-Satz  drückt  die  Situation  aus,  zu  der  Zeit,  da  die  Hanpthandlung 
eintrat;  er  steht  also  auf  die  Fra^^e:  Wie  standen  die  Dinge  zu  der 
Zeit,  wo  sie  eintrat?  —  Im  zweiten,  konstruktiven  Teil,  der  weit 
un)fangreicher  und  auf  ein  reiches  Beispielmaterial  aufgebaut  ist,  ent- 
hält von  den  8  Kapiteln:  I  die  Fragestellung.  Die  Lösung  mufs  sich 
ergeben  aus  einer  Vergleichung  der  cum-  mit  den  qui-Konstruktioneu. 
Diese  werden  in  II — III  untersucht,  nach  allen  ihren  Arten  und  Unter- 
arten, ihren  Beziehungen  untereinander  und  ihren  Entwicklungen  aus- 
einander. Die  Kategorien  und  Tabellen  am  Schlüsse  aber  zeigen,  dals 
das  Gebäude  zu  künstlich  ist.  Ferner,  bei  der  Anwendung  der  Resultate 
auf  die  cum-Sätze,  ergiebt  sich,  dafs  der  Indikativ  steht,  wenn  sie  indi- 
kativischen, der  Konjunktiv,  wenn  sie  konjunktivischen  qui-Sätzen  ent- 
sprechen. Dies  ist  natürlich,  da  cum,  richtiger  qnom,  selbst  nur  ein 
relatives  Adverb  i&t,  wie  ich  in  meinem  Bachsweiler  Programm  1887, 
S.  37  ff.:  S.  soff,  dargelegt  und  das  Gleiche  in  erweitertem  Umfange 
für  fast  sämtliche  subordinierenden  Konjunktionen  ausgefühit  habe.  - 


Syntax,    Zeitwörter.    Modi  u.  Tempora.     (Deecke.)  265 

Es  folgt  iü  IV  die  individuelle  Entwicklung  des  qualitativen  cuni- 
Satzes,  in  V  diejenige  der  cum-Sötze  überhaupt.  —  Kap.  VI  erörtert 
den  Einflufs  der  cnni-Konstiuktionen  auf  diejenigen  mit  posteaquam,  ubi 
und  dum.  —  Kap.  VII  handelt  von  den  verschiedenen  Methoden  der 
syntaktischen  Forschung  in  ihrer  Anwendung  auf  die  cum -Sätze,  be- 
sonders in  Gröhe's  Dissertation  de  usu  Terentiano  particularum  tempo- 
ralium,  in  Greenough's  Analysis  of  the  Latin  Subjunctive,  in  Allen- 
Greenough's  lateinische)-  Grammatik  und  Haases  Vorlesungen  188U. 
—  Das  Kap.  VIII  endlich  bringt  die  Resultate :  Am  leichtesten  zu  er- 
kennen und  zu  erklären  sind  von  den  verschiedenen  cum-Konstruktionen, 
in  Parallele  mit  deu  quiSätzen:  1.  der  parenthetische  (aside-)  Satz, 
der  eine  Nebenbemerkuug  oder  Abschweifung  enthält;  2,  der  weiter- 
führende Satz,  der  einen  Fortschritt  der  Handlung  bringt  und  zum 
cum  inversum  hinüberführt;  3.  der  verallgemeinernde  Satz,  der 
eine  Thatsache  behauptet  (im  Indikativ);  4.  der  verallgemeinernde 
Satz  ideellen  Inhalts  (im  Konjunktiv,  in  allen  Zeiten);  5.  der  ver- 
allgemein ei'u  de  Salz  in  der  zweiten  Pers.  Sg. ,  in  unbestimmtem 
Sinne.  —  In  ihrer  einfachsten  Form  sind  auch  die  drei  folgenden  Arten 
leicht  zu  erkennen:  6.  der  determinierende  Satz;  7.  der  konjunk- 
tivische charakterisierende  (d.  i.  qualitative),  und  8.  der  indi- 
kativische charakterisierende  Satz.  Aus  diesen  drei  letzten  Arten 
aber  haben  sich  mannigfache  andere,  schwieriger  erkennbare  Formen 
entwickelt.  Der  determinative  cum  -  Satz  giebt  deu  Zeitpunkt  der 
Hauptliandlung  an;  der  charakterisierende  cum-Satz  mit  vorhergehendem 
Pronominalwort  drückt  den  Charakter  der  Zeit  aus,  in  welcher  die 
Haupthandlung  stattfand :  hieraus  entwickelte  sich  einerseits  9.  der 
kausale  und  10.  der  adversative  cum-Satz,  andrerseits  11.  der  histo- 
rische (narrative);  doch  gehen  diese  Arten  durch  unmerkliche  Stufen 
daraus  hervor  und  auch  ineinander  über  (vgl.  dazu  in  etwas  einfacherer 
schärferer  Fassung  mein  oben  citiertes  Progi-amm  S.  51  und  52,  sowie 
die  Erläuterungen  zu  meiner  lat.  Schulgrammatik  S.  420 — 421 ;  431). 
Alle  diese  Sätze  haben  den  Konjunktiv  (subjunctive)  aus  dem  oben 
angegebenen  Grunde,  dafs  sie  die  Lage  der  Dinge  augeben  (the 
Situation).  Der  indikativische  cum-Satz  dagegen  bestimmt  die  Zeit,  in 
welcher  die  Haupthandlung  stattfindet  (the  date).  Auch  diese  Art  der 
cum-Sätze  kann  übrigens  eine  kausale  oder  adversative  Nebenbeziehung 
haben  (?).  Die  Hauptfrage  aber  bleibt  immer:  „Welches  war  die  Zeit, 
da  .  .  .?"  Demnach  steht  der  Indikativ  im  reinen  Zeitsatze  (clause  of 
date);  der  Konjunktiv:  a)  im  Zeitlagesatz  (clause  of  Situation  and 
date  —  unklar!);  b)  im  erzählenden  Lagesatz  (narrative  clause  of 
Situation),  einleitend  oder  folgend  (zu  allgemein !) ;  c)  im  kausal-adversa- 
tiven Satze  (der  Lage).  —  Im  charakterisierenden    Satze    ist    der 


25(3  Lateinische  Grammatik.     (Deecke.) 

Unterschied  des  Modus  der,  dal's  nach  einer  vorangehenden  Selbst- 
bestimmung (self-detining  antecedent)  der  Indikativ  steht  (?),  sonst  der 
Konjunktiv.  —  Als  Gesamtresultat  ergiebt  sich,  dafs  die  bemerkens- 
wertesten und  schwierigsten  Konstruktionen  der  lateinischen  ßelativa 
(qui,  cum,  ut  u.  s.  w.),  nämlich  die  konsekutive,  charakterisierende 
(qualitative)  und  erzählende  (historische),  nicht  isoliert  und  getrennt 
sind,  sondern  Entfaltungen  einer  ursprünglichen  Konstruktion  „der  un- 
abhängigen konjunktivischen  Behauptung  ideeller  Gewifsheit"  (the  in- 
dependent  subjunctive  assertion  of  an  ideal  certaiuty).  —  Dieser  letztere 
Ausdruck  ist  nach  meiner  Ansicht  nicht  gerade  glücklich  gewählt,  da  er 
keine  klare  Vorstellung  gewährt,  ja  eigentlich  einen  Widerspruch  enthält: 
eine  ideelle  Gewifsheit  ist  eben  keine  Gewifsheit.  Auch  ist  die  ganze 
Entwicklung  inkorrekt:  erstens  weil  von  der  Thatsache  auszugehen  war, 
dafs  das  Relativ  sich  aus  dem  Interrogativ  entwickelt  hat  (s.  mein 
wiederholt  citiertes  Buchsw.  Progr.!);  zweitens,  weil  zu  berücksichtigen 
war,  dals  der  lateinische  Konjunktiv  aus  dem  echten  Konjunktiv  und 
dem  Optativ  gemischt  ist,  so  dafs  eine  Reihe  seiner  Anwendungen 
optativischen  Ursprungs  ist.  —  Ein  Anhang  enthält  Reste  alter  Kon- 
struktionen. Dies  sind:  1.  der  indikativische  qualitative  Satz 
nach  unbestimmten  ..antecedeuts",  bei  Varro,  Cäsar,  Cicero  (besonders 
in  den  älteren  Schriften).  —  2.  Der  indikativische  kausale  rela- 
tiv ische  Satz  mit  quippe  qui,  -nbi,  utpote  qui,  ut  apud  quos,  bei 
Lukrez,  Sallust,  Livius,  Tacitus,  vielleicht  Cicero  (anders  zu  erklären,  s. 
mein  Progr.  S.  51;  Erläut.  S.  426).  —3.  Der  indikativische  kausale 
cum -Satz,  bei  Lucilius,  Lnkrez,  Varro,  C.  I.  L.  —  4.  Der  indi- 
kativische erzählende  cum -Satz,  weit  verbreitet  bis  Gellius.  — 
Von  diesem  älteren  Sprachgebrauch  wäre  auszugehen  gewesen,  und  der 
psychologische  Prozefs  der  Umwandlung  der  Anschauung  hätte  näher 
begründet  und  klargelegt  werden  müssen.  —  Den  Schlufs  bildet  ein 
kurzer  Überblick  der  Geschichte  der  cum-Sätze. 

Eine  teilweise  Widerlegung  Ilale's  hat  der  von  ihm  angegriffene 
Hoff  manu  versucht: 

■  E.  Hoffmann,  Das  Modusgesetz  im  lateinischen  Zeitsatze.  Aut- 
wort auf  Hale's  The  cum-Consti-uctions.  W^ien,  Gerold.  1891,  43  S.  8. 
Als  Grundfehler  Hale's  sieht  Hoffraann  an,  dafs  er  zwischen  der 
Verwendung  des  Imperf.  und  Plusquaraperf.  Konj.  im  syntaktischen 
Verbände  und  der  in  unabhängigen  Sätzen  nicht  zu  unterscheiden 
vermöge.  Es  liegt  hier  allerdings  eine  Schwäche  Hale's,  da  es  ihm  ent- 
schieden nicht  gelungen  ist,  die  Biücke  z.  B.  zwischen  dem  historischen  cum 
mit  impf.  conj.  und  dem  letzteren  Tempus  als  Potentialis  der  Vergangenheit 
und  Irrealis  zu  schlagen.  —  Ferner  bekämpft  Hoffmann  Hale's  Behauptung: 


Syntax,    Zeitwörter.    Modi  u-  Tempora.    (Deecke.)  267 

, Relativität  ist  mir  in  derVergangeuheit  möglich;  relative  Gleichzeitigkeit, 
relative  Dauer  in  der  Zukunft  kann  es  ebenso  wenig  geben,  wie  ein  zustand- 
liebes  Futur  überhaupt  (!) :  das  noch  nicht  Seiende  kann  nicht  als  in 
einer  Dualität  seiend  hingestellt  werden  (!)".  Diese  Behauptung  ist 
allerdings  unbegründet  und  unhaltbar;  s.  meine  Erläuterungen,  S.  369. 
Es  hängt  ferner  hiermit  zusammen  der  Streit  darüber,  ob  gewisse 
gleichlautende  Formen  des  Verbs  Perf.  Konj.  oder  Fut.  exact.  Indik. 
sind;  jedenfalls  vertritt  in  bestimmten  Fällen  das  erstere  Tempus  auch 
den  fehlenden  Konjunktiv  der  letzteren  Zeit.  —  Auch  Hale's  „praktische 
Relativität"  bekämpft  Hoffmann  als  verwirrend,  da  sie  vermengt  sei 
mit  der  syntaktischen  Relativität;  sie  sei  vielmehr  logische  Relation.  — 
Ausführlich  erörtert  endlich  ist  die  Konstruktion  von  postqnam  (S.  10 
— 17);  dann  von  cum  (S.  17  ff),  wobei  er  zugiebt,  dafs  seine  frühere 
Auffassung  des  partitiven  cum  .  .  .  tum  verfehlt  gewesen.  —  Übrigens 
habe  ihn  Haie  ^^elfach  mifsverstanden. 

Die  unter  der  Jahreszahl  1885  erschieneneu  „Beiträge"  von 
M.  Wetzel  zur  consecutio  temporum  habe  ich  schon  im  Jahresber.  für 
1883 — 4,  S.  209 — 214,  eingehend  besprochen.  Inzwischen  ist  von  dem- 
selben Verfasser  erschienen: 

M.  Wetzel,  Das  Recht  in  dem  Streit  zwischen  Haie  und  Em.  Hoff- 
mann über  die  Tempora  und  Modi  in  lateinischen  Temporalsätzen 
(Sonderabdruck  aus  dem  „Gymnasium"  X,  N.  1—2).  Nebst  einem 
Anhange,  enthaltend  Erklärungen  gegen  zwei  Besprechungen  meiner 
Schrift:  „Selbständiger  und  bezogener  Gebrauch  der  Tempora  im 
Lateinischen",  Paderborn,  Schöningh,  1892.  47  S.     12. 

Im  wesentlichen  an  Hoff  mann  festhaltend,  unterscheidet  Wetzel, 
unter  einer  gewissen  Beeinflussung  durch  Haie:  1 .  rein  absolutes  Tempus : 
2.  absolutes  Tempus  mit  praktischer  Relativität  (ein  unglückliches  Mittel- 
ding in  unklarem  Ausdruck!);  3.  streng  relatives  Tempus.  Er  will 
dabei  seine  früher  ausgesprochenen  Ansichten  nicht  modifiziert  haben, 
s.  Berl.  Philol.  Woch.  1892,  N.  39.  —  Die  beiden  bekämpften  Be- 
sprechungen der  älteren  Schrift  waren  diejenigen  von  H.  Blase  in  der 
Woch.  f.  klass.  Philol.  1891,  N.  26,  und  von  K(arl)  S(ittl)  im  Liter. 
Centralblatt  1891,  N.  27.  — 

Die  in  obigem  Titel  erwähnte  Schrift  desselben  Verfassers  lautet 
vollständig: 

M  Wetzel,  Selbständiger  und  bezogener  Gebrauch  der  Tempora 
im  Latein  (zugleich  eine  Entgegnung  auf  die  gleichnamige  Schrift 
von  H.  Lattmann).     Paderborn,  Schöningh,  1890,  107  S.     8. 

Da  sie  ohne  die  Lattmannsche  Schrift  nicht  verständlich  ist, 
so  bespreche  ich  diese  zuerst: 


268  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

H.  Lattmann  ,  Selbständiger  und  bezogener  Gebrauch  der 
Tempora  im  Lateinischen.  Göttingen,  Vandenhoeck  u.  Ruprecht 
1890,  IV  u.  150  S.     8. 

Diese  Schrift,    vom  Sohne  des  älteren  Lattmann  verfal'st,    ent- 
hält eine  Weiterbildung    der    Lattmanu  -  Müllerschen    Verbalsyntax, 
unter  Einfluls  von  Wetzeis  älterer  Lehre.    8.  5  —  14  geben,  wesentlich 
nach  Haie,    eine  Widerlegung  Hoffmanns,    dessen  Lehre  vom  abso- 
luten und  relativen  Terapusgebrauch  zwar  im  Prinzip  anerkannt,  aber 
anders  bestimmt  wird.     Seine  ,, Relativität"  sei  unklar,    indem    bei  ihm 
temporale  und  modale  Auffassung  durcheinander  gingen:  vielmehr  drücke 
der   Konjunktiv    zugleich    immer    temporale  Beziehungen    aus  (?). 
Es  wird  dann  so  definiert:  „Selbständig  (absolut)  wird  ein  Tempus  ge- 
braucht,   wenn    durch    dasselbe    die  Zeit   der    Handlung    allein    vom 
Staudpunkte  des  Redenden  aus,  ohne  Rücksicht  auf  die  Zeit  einer 
anderen  Handlung,  bezeichnet  wird".    Zunächst  nun  haben  alle  Tempora 
selbständige  Bedeutung,  auch  im  Konjunktiv  (dies  mit  Wetzel  gegen 
Hoifmann  und  Lattmann  -  Müller).     Das  Perfekt  aber  hat  von  seinem 
doppelten  Ursprung  her  doppelte  Bedeutung,  sofern  es  aus  dem  eigent- 
lichen,   präsentischen  Perfekt    auf  -i  (-vi,    -ui)  und  dem  Aorist  auf  -si 
gemischt  ist:    dies  gegen  Wetzel,   der  vom  präsentischen  Perfekt  allein 
ausgeht  und  daraus  auch  das  historische  ableitet.  —  Ferner  fügt  Latt- 
mann den  selbständig  gebrauchten  Zeiten  auch  diejenigen  der  conjugatio 
periphrastica    hinzu    als  „Tempora    der    bevorstehenden  Handlung", 
so  dafs  mit  den  Zeiten  der  vollendeten  und  der  dauernden  Handlung 
eine  Dreiteilung    entsteht  (vgl.  meine  Erläuterungen  S.  81).   —  ,,Wird 
dagegen  die  Handlung  zugleich  auch  in  ihrem  temporalen  Verhältnis  zu 
einer  andern  Handlung  festgelegt,    so  liegt  bezogener  (relativer) 
Terapusgebrauch  vor".  —  S.  45  ff.  wird  dargelegt,  wie  diese  Entwicklung 
stattgefunden  habe.     Lattmann  bekämpft  hier  Haie,   der  die  Relativität 
nur  beim  verbum    intinitum    zugebe:    was    nicht    ganz    richtig    scheint, 
sofern  derselbe  nur  die  Hofi'manusche  Auffassung  der  Relativität  beim 
verbum  finitum  bestreitet.     Lattmanu  aber  wirft  ihm  vor,    dafs    er  die 
Lattmann-Müllersche  Auffassung  zu  sehr  mit  der  Hoffmannschen    ver- 
menge. —  Man  sieht,  wie  verwickelt  das  Ganze  durch  die  mangelhafte 
Schärfe  der  Bestimmungen  und  die  wiedeiholten  Verbessernngsvorschläge 
der  ursprünglichen  Lehre  geworden  ist.  —  Wenn  ferner  Haie  die  Ent- 
stehung der  (praktischen)  Relativität  so  begründet:    „Die  Tempora  be- 
zeichnen zunächst  selbständig  die  Zeitsphäre  und  den  Entwicklungs- 
zustand der  Handlung:    dazu    tritt    dann    durch    das  Verständnis  des 
Hörers    als    dritte    Vorstellung   unbewufst    die    der  Vorzeitigkeit 
oder  Nachzeitigkeit  zu  der  Zeit,  welche  der  Redende  als  seinen  ge- 
dachten Zeitpunkt  im  Sinne  hat":   so   nimmt  Lattmann  mit  Recht  an 


Syntax.    Zeitwörter.    Modi  u.  Tempora.    (Deecke.)  269 

dem  ,,nnbe\vufst"  Anstofs  und  ersetzt  es  durch  „unwillkürlich";  auch 
ist  die  Umschreibung    mit    dem    „gedachten  Zeitpunkt"  schief.  —  Der 
bezogene  Gebrauch  der  Zeiten  nun  gliedert  sich  nach  den  Kategorieen 
der  Vor-,    Gleich-    und   Nachzeitigkeit.     Die  Gleichzeitigkeit    ferner 
zerfällt  in  Kongruenz  (strengeres  Zusammenfallen   der    beiden  Hand- 
lungen)   und    Koincideuz    (blofses    Gedankenverhältnis).     Diese   Dar- 
stellung, gegen  Wetzeis  verwickeitere  Lehre  gerichtet,   enthält  zugleich 
eine  Verbesserung  zu  des  Verfassers  eigener  Ansicht  in  der  Schrift  de 
coincidentia  apud  Ciceronem  (s.  S.  273).  —  Die  temporale  Beziehung 
nun  ist  unabhängig    von   dem  syntaktischen  Verhältnis    der  Sätze 
(so  auch  Wetzel),    auch   in  der  Beiordnung  (gegen  Hoffraann);    ebenso 
vom  Modus.  — Die  temporale  Beziehung  ist  aber  nur  möglich  zwischen 
Handlungen    gleicher  Zeitsphäre  (?);    doch   tritt  dieselbe,    auch  wo 
dies  der  Fall  ist,    keineswegs  immer    ein;    sie    unterbleibt    vielmehr 
oft,  und  es  ist  dann  dem  Hörer  (resp.  Leser)  überlassen,   sie  selbst  zn 
ergänzen.     So    gestattet  der  bezogene  Gebrauch  der  Tempora  eine  ge 
wisse  Freiheit  und  ist  bis  zu   einem   gewissen  Grade    dem    subjektiven 
Belieben  unterworfen.  —  Diese  Ansicht    bringt    allerdings    grofse  Un- 
sicherheit in  die  gesamten  Ausführungen!  —  Der  Verfasser  geht   dann 
die  einzelnen  syntaktischen  Verhältnisse  durch,  um  zu  untersuchen,  ob 
in  ihnen    der    selbständige    oder    bezogene  Tempusgebrauch    bevorzugt 
wii'd.    Schon  AVetzel  hatte  aufmerksam  gemacht,  dafs  sich  hier  nur  ge- 
wisse vorläufige  Resultate  geben  lassen,  da  es  noch  an  der  nötigen  voll- 
ständigen Statistik    fehle;   auch   erschwert    die   historische  Entwicklung 
die   Feststellung    glatter    Resultate.     Am    schwankendsten    zeigen    sieb 
jedenfalls  die  Kausal-  und  Konzessivsätze;  dann  die  Vergleichungs-  und 
Relativsätze;    doch    sind    viele    Beispiele    unsicher.  —  In  Hinsicht  der 
nominalen  Verbalfornien    weicht  Lattraann   von  Wetzel    ab,    der    im 
allgemeinen  die  Zeiten  der  einem  Infinitiv  oder  Particip  untergeordneten 
Verba  auf  das  regierende  verbum  finitum   bezogen   wissen  will,    und 
stellt  dagegen  Folgendes  auf:  a)  Die  schon  in  direkter  Rede  bezogenen 
Tempora    werden    auch  in  abhängiger  Rede  auf  das  nun  im  Infin.  oder 
Particip  stehende  verbum  regens  bezogen:  dabei  wird  der  temporale  Wert 
des  Infinitivs  durch  das  regierende  vb.  finitum  bestimmt,  da  das  vb.  infinitum 
an  sich  nur  die  Entwicklungsstufe  der  Handlung  ausdrückt  z.  B.  bene  fecit 
quod  mansit  (ist  mansit  bezogen?)  —  dico  eum  benefecisse  quodmanserit 
-^  dixi  eum  bene  fecisse  quod  mansisset.  —  b)  Die  in  direkter  Rede  selb- 
ständigen Zeiten  werden,  abhängig,  bezogen  auf  das  einleitende  vb.  finitum. 
—  Aus  dem  Unterschiede  der  selbständigen  und  bezogenen  Zeiten  folgen 
die  Regeln  der  cousecutio  temporum  (vgl.  meine  Erläuterungen  S.  443 — 4). 
Für  die  Schule  ist  diese  ganze  Entwicklung  nicht  einfach    und    durch- 
sichtig genug:  auch  ist  noch  zu  vieles  unsicher. 


270  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

Aus  Wetzeis  oben  angegebener  Schrift  ist  gegen  Lattmann 
besonders  Folgendes  zu  bemerken:  Aus  Kap.  II:  Nach  logischem 
Perfekt  in  iterativen  Sätzen  ist  präteritale  Zeitfolge  die  Regel,  — 
Aus  Kap.  IV:  In  einer  von  einem  Präteritum  abhängigen  Rede  finden 
sich  bei  Cicero  nicht  selten  selbständige  Zeiten.  —  Haupttempora 
drücken  nur  die  Handlungen  aus,  denen  diese  Tempora  vom  Stand- 
punkte der  Gegenwart  des  Schriftstellers  aus  zukommen  z.  B.  in  Sen- 
tenzen. —  S.  31:  Konjunktiv  und  Infiu.  Perf.  haben  auch  in  Abhängig- 
keit von  einem  Futurum  präteritale  Zeitfolge.  —  Im  ganzen  ist  Lattmann 
klarer,  Wetzel  schiebt  bedenkliche  Abstufungen  und  Mittelglieder  ein. 
So  erklärt  er:  „Ein  Tempus  kann  absolut  und  zugleich  in  gewissem 
Sinne  relativ  sein" ;  er  nimmt  Abstufungen  der  temporalen  Beziehung, 
eine  „gesteigerte"  Relativität  an  z.  B.  ganz  absolut:  creditnm  est, 
discessum  est;  zugleich  relativ:  credebatur,  discessum  est;  reine  Rela- 
tivität: quod  credebatur,  discessum  est;  gesteigerte  Relativität:  cum 
crederetur,  discessum  est  (cum  mit  Indik.  ist  absolut,  mit  Konj.  relativ).  — 
Hier  spielen  doch  andere  Dinge  mit  hinein!  —  So  unterscheidet  er  auch 
eine  subjektive  und  eine  objektive  Relativität,  z.  B.  quae  perspexisset, 
renuntiat  ist  objektiv  (vom  Standpunkte  der  Gegenwart  aus);  quae 
perspexerit,  renuntiat  ist  subjektiv  (vom  Standpunkte  der  Zeit  der 
Handlung  des  Hauptsatzes  aus).  Ahnlich  ist  es  beim  Futurum:  da  ist 
das  Präsens  subjektiv,  das  Futurum  objektiv.  —  S.  48:  Die  Über- 
einstimmung der  Tempora  bei  kongruenten  und  koincidenten  Handlungen 
beruht  nicht  auf  der  zeitlichen  Kongruenz,  sondern  auf  der  engen  Zu- 
sammengehörigkeit der  Sätze  (?).  —  Der  Ausdruck  „korrelative" 
Sätze  wird  vorgeschlagen  für  solche  Sätze,  ,,in  denen  die  eine  Handlung 
die  Voraussetzung  oder  Bedingung  der  andern  ist,  mit  dieser  in  kausalem 
oder  konzessivem  Zusammenhange  steht  und  bei  derselben  als  Tliatsache 
vorliegt".  Die  Gesetze  werden  so  formuliert:  I.  Gleichzeitige  Hand- 
lungen stehen  immer  in  gleichem  Tempus.  —  II.  Vorzeitige  Hand- 
langen im  Nebensatze  werden  ausgedrückt:  a.  bei  übergeordnetem  Präsens,. 
Imperf.,  Futurum  durch  das  entsprechende  die  Vorzeitigkeit  bezeichnende 
Tempus:  b.  bei  übeigeordnetem  Perfekt  durch  gleiches  Tempus  z.  B. 
quotiescumque  me  petisti,  tibi  obstiti  (?).  —  Es  giebt  nun  iiber  viele 
Ausnahmen:  I  gilt  nicht  für  Temporalsätze  (S.  58),  ausgenommen  mit 
Konjunktionen  der  Gleichzeitigkeit.  Bei  II  steht  oft  Imperf.  oder  Plus- 
(iuamperf.  im  Hauptsatze  neben  Perfekt  im  Nebensatze,  oder  um- 
gekehrt u.  s.  w.;  sogar  die  iterativen  Sätze  stimmen  nicht.  —  Die 
Belege  sind  fleifsig  gesammelt;  doch  liel'sen  sich  nicht  für  alle  Be- 
hauptungen sichere  Beispiele  beibringen. 

Die  Hauptschrift  Hale's  und  z.  T.  zugleich  die  durch  sie  ver- 
anlalsten  Streitschriften    sind   besprochen:    von  H.  Roby  in   der  Acad. 


Syntax.    Zeitwörter.    Modi  u.  Tempora.    (Deecke.)  271 

No.  894,  p.  433;  von  K.  Sittl  Archiv  f.  lat.  Lex.  VI,  2851;  von  M. 
Hey  n acher  iu  der  Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  VII.  739ff. ;  von  H.  Blase 
Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  VIII,  4G4ff.;  716ff.;  C.  Stegraann  Jahrb. 
f.  klass.  Philol.  142,  S.  454— 474;  Zeitschr.  f.  d.  Gymn.  45,  432ff.: 
C.  Weyman  Blätter  f.  d.  bayr.  Gymn.  28,  299ff.;  J.  Golling  Zeitschr. 
f.  d.  östr.  Gymn.  42,  612ff.;  E.  Zimmermann  Nene  Philol.  Rundsch. 
1891,  S.  177ff.  u.  s.  w. 

Es  folgen  noch  eine  Reihe  kleinerer,  hierhergehörender  Arbeiten 
und  Aufsätze: 

Jos.  Kühl,  Die  Zeitenfolge  im  Lateinischen  und  Deutschen. 
Progr.     Jülich  1889,   13  S.     4. 

Die  consecutio  temporum  beruht  auf  dem  klaren  Gesetze,  dafs 
Aussagen,  die  sich  auf  dieselbe  Zeitstufe  beziehen,  auch  dasselbe  gramma- 
tische Tempus  haben  müssen  (?).  Im  Deutschen  liegen  zwei  Gründe 
der  AbweichuDg'  vor:  1.  Die  Ausbreituug  des  Irrealis;  2.  die  Ver- 
schiebung der  Konjunktivformen  in  der  abhängigen  Rede,  schon  von 
Ulfila  an.  —  Eine  Fortsetzung  dieser  Schrift  soll  die  abhängige 
Rede  behandeln. 

F.  Devantier,  Die  Lehre  von  der  consecutio  temporum  in  der 
Ellendt-Seyffertschen  Grammatik  §.  244—245.  Neuer  Philol.  An- 
zeiger I,  73  ff. 

Meist  richtige  Aussetzungen. 

G.  Ihm,  Zur  Fassung  der  Regel  über  die  consecutio  temporum. 
Zeitschr.  f.  d.  Gymnasien  43,  S.  256; 

s.  unten  Hug  über  die  consecutio  des  Präsens! 

H.  Lattmann,    Die  Tempora    der   lateinischen  Modalitätsverba 
in  Nebensätzen.    Philologus,  Suppl.  VI,  S.  lG3ff. 
Ferner  englisch: 

Säle,  Sonnenschein,  Mayor,  On  the  consecution  of  tenses 
iu  Latin  after  a  principal  verb  in  the  perfect  absolute.  Class. 
Rev.  III,  6  ff. 

F.  A.  Kirkpatrick,  The  latiu  aorist  subjunctive.  Class.  Rev. 
IV,  342ff. ;  dazu  E.  A.  Sonnenschein  ebdt.  398f.  und  wieder 
Kirkpatrick  V,  67f. 

Einen  besonderen  Fall  behandeln: 

Arn.  Hug,  Die  consecutio  temporum  des  praesens  historicum 
im  Lateinischen.     Rhein,  Mus.  XL,  S.  397 — 414. 

Die  Schrift  ist  die  Verteidigung  und  Vervollkommnung  einer 
früheren    Arbeit    „Die    cousec.    temp.    des    praes.    bist.,    zunächst    bei 


•_)72  Lateinische  Grammatik.     (Dcecke.) 

Cäsar'  (Jahrb.  f.  Philo).  81,  1866,  S.  877 ff.)  gegen  E.  Hoffraauus 
Studien  auf  dem  Gebiete  der  lateinischen  Syntax,  1884  (s.  Jabresber. 
f.  1883 — 84,  S.  206  —  207);  doch  werden  einzelne  Verbesserungen  durch 
Hoffmanns  weitergreifende  Studien  anerkannt,  auch  die  ßegelfassung 
in  den  Jahrb.  f.  Philol.  1882,  S.  281  verbessert.  Hinzugenommen  sind 
Ciceros  Verrinae  und  Livius  IIb.  I — II.  Danach  stellen  sich  jetzt  die 
Regeln  so:  I.  Die  indikativischen  Nebensätze  des  praes.  bist,  be- 
halten ihr  Iniperf.  und  Plusqnaraperf.  immer  bei,  mit  Ausnahme  der 
Eelativsätze  mit  quam  und  dem  Superlativ  oder  korrelativer  Sätze  mit 
tantum  quantum,  quicunque  u.  s.  w'.  Es  wird  Hoffmann  zugegeben, 
dals  quam  (maxime)  potest  eher  eine  Beschränkung  des  Grades  ent- 
hält; ferner  dafs  bei  quautus  maximus  nicht  immer  Assimilation  des 
Tempus  stattfindet.  —  II.  Konjunktivische  Sätze:  1.  Die  Sätze 
mit  cum  und  Imperf.  oder  Plusquampf.  Konj.  bleiben  unverändert, 
ausgenommen  in  der  oratio  obliqua.  —  2.  Die  übrigen  konj.  Sätze: 
a.  wenn  der  Nebensatz  nachfolgt,  so  können  beide  Konstruktionen 
stehen;  b.  wenn  er  vor  angebt,  so  steht  in  der  Regel  das  Imperf., 
ausgenommen  wenn  das  vorhergehende  Verb  schon  im  Präsens  steht, 
oder  bei  kurzen  indirekten  Fragesätzen,  deren  Verb  sich  ganz  in  der 
Nähe  des  vb.  tinitum  befindet.  —  Das  Problem  ist  hiermit  wohl  gefördert, 
aber  weder  historisch,  noch  auch  nur  klassisch  oder  pädagogisch  voll- 
kommen gelöst. 

Vgl.  hierzu: 

G.  Ihm,  Die  cousecutio  des  praesens  historicum.  Berl.  Philol. 
Woch.  VIII,  35 f.:  67 f.;  100;  s.  vor.  Seite. 

Ferner : 

Felix  Hartmann,  Über  den  Konjunktiv  der  Futura.  Arch. 
f.  lat.  Lex.  III,  S.  337—354. 

Aus  einer  vollständigen,  systematisch  geordneten  Sammlung 
sämtlicher  ciceronianischen  Stellen  mit  dem  Konj.  der  conjug.  peri- 
phrastica  sucht  der  Veifasser  zu  beweisen,  dafs  die  bisherigen  Regeln 
über  den  Gebrauch  desselben  irrig  sind.  Ohne  die  Unterscheidung 
selbständiger  und  bezogener  Tempora  (s.  oben!)  läfst  sich  die  Tempus- 
folge nicht  erklären.  Die  T^mschreibung  steht  nämlich  nur  in  solchen 
Fällen,  wo  der  Konjunktiv  des  Nebensatzes  vom  Tempus  des  über- 
geordneten Satzes  entweder  völlig  unabhängig  ist  oder  sich  doch  einer 
weitgehenden  Selbständigkeit  erfreut,  wie  in  Konsekutiv-,  Kausal-, 
Konzessivsätzen,  in  konjunktivischen  Relativsätzen,  Bedingungssätzen 
und  indirekten  Fragesätzen.  —  Die  „weitgehende"  Selbständigkeit 
mancher  dieser  Satzarten  lälst  sich  freilich  recht  sehr  bestreiten.  — 
Die  conj.  periphrastica  dagegen  findet  sich  überhaupt  nicht  in  Substantiv- 
sätzen nach  den  Verben  des  Aufforderns,  des  Geschehens,  in  Absichts- 


Syntax.    Zeitwörter.    Modi  u.  Tempora.    (Deecke.)  273 

und  Temporalsätzen :  dies  sind  eben  Sätze,  in  denen  nahezu  ausschliels- 
lich  bezogene  Tempora  stehen.  Demnach  liegt  der  einzige  Grund  im 
Unterschied  des  bezogenen  und  selbständigen  Tempusgebrauchs  (?).  — 
Auch  diese  Untersuchung-  läi'st  ihrer  Beschränkung  wegen  keine  all- 
gemeinen oder  sichern  Schlüsse  zu,  ist  auch  in  ihren  Ergebnissen  nicht 
präzise  genug.  Die  Gründe  der  Erscheinung  liegen  zum  Teil  ganz  wo 
anders:  s.  noch  besonders  die  Sätze  mit  quin! 

Mit  einzelnen  Schriftstellern  ferner  beschäftigen  sich: 

Ad.  Wirtzfeld.  De  consecutioue  temporum  Plautina  et 
Terentiana.     Dissert.   v.  Münster.     Siegburg  1889,  47  S.     8. 

Im  Gegensatz  zu  Rothe  betont  der  Verfasser  die  schriftstellerische 
Individualität  des  Plautus  scharf,  sowie  die  metrischen  Rücksichten, 
die  aber  doch  wohl  in  Übereinstimmung  mit  der  Umgangssprache  standen 
(S.  44).  —  Die  im  dramatischen  Dialog  häutige  Beziehung  der  Neben- 
handlung auf  die  Zeit  des  Sprechenden  wird  oft  durch  Adverbia  an- 
gedeutet. So  ist  das  Perfekt  mit  nunc,  hoc,  hodie,  modo  als  perf. 
logicum  präsentisch.  —  Streng  ist  schon  in  dieser  älteren  Zeit  die 
cousecutio  in  den  Finalsätzen.  Den  Unterschied  absoluter  und  relativer 
Tempora  erkennt  der  Verfasser  nicht  an  oder  benutzt  ihn  wenigstens 
nicht.  Von  den  Sätzen,  die  sich  an  einen  Infinitiv  anschliefsen,  handelt 
§  9.  —  Nach  dem  praes.  histoi-icum  (s.  S.  271  f.)  überwiegt  bei  Plautus 
präseutische  cousecutio,  bei  Terenz  schwankt  die  Zeitfolge. 

Herm.  Lattmann,  De  coincideutiae  apnd  Ciceronem  vi  atque 
usu.  Göttiugen,  Vaud.  und  Rupr.,  1888,  IIG  S.  8.  S.  die  Anzeige 
von  M.  Wetzel,  Jahrb.  f.  klass.  Philol.  1889,  S.  831-839. 

Der  Verfasser  verteidigt  und  ergänzt  auch  hier  die  Lehre  seines 
Vaters.  Koincidenz,  durch  Gleichheit  des  Tempus  ausgedrückt,  ist 
vollständiger  zeitlicher  und  sachlicher  Zusammenfall  zweier  Handlungen 
(später  unterscheidet  er  dies  als  „Kongruenz*  von  der  loseren  Form, 
(s.  S.  269).  —  Kap.  I.  Es  sind  drei  Fälle  zu  unterscheiden:  1.  Kon- 
gruenz: 2.  Antecedenz;  3.  inkongruente  Gleichzeitigkeit.  —  Kap.  II — III: 
Inhalt  und  Form  der  koincidenten  Sätze,  und  zwar  II  verschiedene 
SIpielarten  der  Koincidenz,  III  die  Tempus-  und  Modusverbindungen  im 
koincidenten  Satze.  —  Der  Verfasser  hat  den  Begriff  der  Koincidenz 
sehr  weit  ausgedehnt,  doch  läfst  sich  über  vieles  streiten.  Die  Arbeit 
ist  fleifsig,  übersichtlich,  scharfsinnig.  Immerhin  ist  sie  ein  Bruchstück, 
da  die  Vorgeschichte  und  Nachgeschichte  fehlt,  auch  die  Zeitgenossen 
des  Cicero  nicht  verglichen  sind.  Im  letzten  Grunde  wäre  von  der 
Koincidenz  in  koordinierten  Sätzen  auszugehen  gewesen  (vgl.  mein 
Buchsw.  Progr.  1887). 

Jahropbericlit  für  Altovtlininswissi-nscltal't.    LXXVJI.  üil.    i1k9.;.  II Ti     18 


274  Lateinische  Grammatik.     (Deecke.) 

Ed.  Lübbert,  Paralipomeua  zur  Geschichte  der  lateinischen 
Tempora  und  ilodi.     Arch.  f.  lat.  Lex.  II,  219—227. 

1.  Die  Formel  qni  fecit,  fecerit  u.  s.  w. ,  seit  den  Graccben  iu 
CTesetzen  üblich,  wird  in  ihrem  Sprachgebrauche  entwickelt.  Danach 
rechtfertigt  sich  die  viel  angefochtene  Stelle  Cic.  pro  Sestio  64,  133  quo 
quis  petieiit  ant  petiturus  sit,  wenn  man  annimmt,  dafs  im  Gesetze 
stand:  quo  petit,  petierit,  petiturus  sit. 

2.  Die  synkopierten  Formen  des  perf.  couj.  auf  -sim  (faxim, 
servassim,  licessim  u.  s.w.)  haben  nie  die  Bedeutung  der  Vergangen- 
heit besessen:  alle  derartigen  Stellen  sind  beseitigt  worden,  zuletzt  2 
aus  Varro's  Sat.  Men.  durch  Bücheier  Petronius,  Anhang  8.  201  und 
216:  sie  sind  daher  wohl  wirkliche  Aoriste  (?), 

Jos.  Schneider,  Detemporum  apud  priscos  scriptores  latinos  us'u 
quaestiones  selectae.     Glatz  1888,  24  S.     4. 

Untersuchungen  über  einzelne  Schriftsteller: 

ßeinhold  Braun,  Beiträge  zur  Statistik  des  Sprachgebrauchs 
Sallusts  im  Katilina  und  Jugurtha.   Progr.   Düsseldorf  1885,   68  S.   8. 

Die  Schrift  behandelt  die  Tempora  und  Modi.  —  Kap.  1.  Über- 
sicht: praes.  bist,  545  mal;  part.  conj.  511  mal;  inf.  bist.  452  mal  u.  s.  w. : 
postquam  mit  perf.  indic.  61  mal;  —  mit  praes.  bist.  20  mal;  —  mit 
imperf.  9  mal  u.  s.  w. ,  also  rein  statistisch.  —  Die  anderen  Kapitel 
geben  die  Einzelheiten,  doch  mehrfach  mangelhaft.  —  "Wenn  schon  die 
nur  teilweise  Erhaltung  der  Werke  Sallusts  nur  unsichere  Schlüsse  auf 
seinen  gesamten  Sprachgebrauch  gestattet,  so  noch  mehr  die  hier  be- 
liebte Beschränkung.  Auch  fehlt  es  an  der  Vergleichung  und  geschicht- 
lichen Einreihung  der  Resultate. 

Jos.  Thüssing,  Detemporum  et  modorum  in  enuntiatis  penden- 
tibuß  apud  C.  Plinium  Secundum  usu.  Fase.  I.  Prager  Philol.  Studien. 
Heft  2.     Prag,  Dominicus,  1890,  67  S.    8. 

Es  ist  eine  Fortsetzung  der  Schrift  von  Jos.  Dorsch  „Die 
Sprache  des  Natm-forschers  Pliuius" ;  doch  ist  auch  dies  nur  der  erste 
Teil  einer  gröfseren  Arbeit,  und  zwar  behandelt  derselbe  die  ab- 
hängigen Konjunktivsätze,  mit  Ausschluis  der  Relativ-  und  Kon- 
janktionalsätze  d.  h.  also  nur  die  parataktischen,  die  mit  ne  eingeleiteten 
und  die  Fragesätze,  eine  wunderliche  Teilung.  Bei  der  noch  ungenügenden 
Festsetzung  des  Textes  und  der  mangelhaften  Quellenanalyse  des  Schrift- 
stellers, dessen  Werk  wohl  zur  Hälfte  aus  Excerpten  besteht,  für  dereu 
Stil  er  selbst  nur  wenig  verantwortlich  gemacht  werden  kann,  sind  nicht 
alle  Resultate  sicher  und  abschliefsend.  Auch  lälst  dies  Bruchstück  keine 
umfassenderen  Folgerungen  zu.  —  in  indirekten  Fragen  scheint    anne, 


Syntax.     Zeitwörter.    Modi  u.  Tempora.     (Deecke.)  270 

disjunktiv  an  .  .  .  an  als  plinianiscli    anerkannt  werden  zu  müssen.  — 
Vgl.  auch: 

C.  Frobeen,  De  modoriim  usu  Pliniano  (Quaest.  Plin.  I),  Königs- 
berg 1888,  90  S.     8. 

Henr.  Ehrismanu,  De  temporum  et  modoruni  usu  Amraianeo. 
Dissert.     Strafsburg  1886,  74  S.     8. 

Die  Arbeit  ist  ausführlich  und  gründlich.  Aus  den  beiden  Ab- 
schnitten sind  zu  bemerken:  I.  Tempora:  Das  imperf.  und  plusquampi. 
sind  iu  der  Erzählung  gleichbedeutend  mit  praes.  und  perf,  —  Die  zu- 
sammengesetzten Formen  des  Passivs  treten,  wegen  der  schon  begonnenen, 
im  Romanischen  durchgeführten  Verschiebung  der  Zeitstufen  zurück.  — 
In  konjunktivischen  Nebensätzen  finden  sich  oft  praes.  und  perf.  statt 
impf,  und  plusquampf. ,  sogenannte  Repräsentation.  —  In  affirmativen 
Konsekutiv-  und  Finalsätzen  begegnet  possit  statt  posset.  —  Der  nur 
einmal  überlieferte  inf.  histor.  wird  durch  Konjektur  beseitigt.  Auch 
sonst  werden  einzelne,  dem  gewöhnlichen  Sprachgebrauch  des  Schrift- 
stellers widersprechende  Formen  verdächtigt,  eine  im  allgemeinen  zu 
weitgehende  Praxis:  meist  würde  die  Feststellung  der  Ausnahme  ge- 
nügen. —  II.  Modi:  Es  fehlt  von  den  unterordnenden  Konjunktionen 
bei  Ammian  douec,  selten  ist  quoad,  nur  einmal  findet  sich  priusquam.  — 
Oft  steht  quod  statt  des  acc.  c.  inf.,  namentlich  nach  Infinitiven  (um 
den  doppelten  Infinitiv  zu  vermeiden)  und  nach  Participien,  und  zwar 
meistens  mit  dem  Indikativ.  —  Das  in  der  Erzählung  viermal  nach 
cum  vorkommende  praes.  indic.  wird  geändert  (wohl  ohne  zureichenden 
Gi-und).  —  Vereinzelt  steht  dum  mit  dem  perf.  indic,  auch  mit  dem 
plusquampf.  indic,  zweimal  adversativ,  gleichfalls  geändert  (!). 

Ed.  Roseubusch,De  temporum  usu  Plautino  quaestiones  selectae. 
Dissert.     Strafsburg  1888,  76  S.     8. 

Behandelt  sind:  1.  Das  imperf.  p.  8—27:  es  steht  von  vb. 
dicendi  statt  des  perf.  histor.,  um  auszudrücken  den  „Status  durantis, 
qui  ex  actione  ipsa  consequatur"  —  schwerlich  richtig;  vgl.  darüber 
Dräger!  —  2.  Das  plusquampf.  p.  27—57:  es  steht  bisweilen 
scheinbar  im  Sinne  des  perfectum  z.  B.  dbceram,  jusseram,  -eras,  -erat; 
doch  hält  der  Verfasser  es  dann  nicht,  wie  andere,  für  aoristisch,  sondern 
sucht  den  Begriff  der  Vergangenheit  auch  an  diesen  Stellen  nachzuweisen 
(mit  Recht!);  ferner  in  unpersönlich  irrealen  Verbindungen  statt  des  im- 
perfectum:  fuerat  aequora,  -aequius,  -satius,  -magis  par,  -opus,  doch 
Rud.  269  aequius  erat.  —  3.  Die  futura,  p.  57—69,  nur  einzelnes: 
Der  conj.  praes.  statt  des  fut.  I.  —  Das  fut.  II  in  huc  concessero  u.  s.  w. 
erklärt   sich  aus    der   relativen  ßedeutungssphäre  des  Tempus;    s.    die 

18* 


276  Lateinische  Grammatik.     (Deecke.) 

folg.    Ablidlg.    —    Zur    Vergleichung-   sind    besonders    Terenz   und   die 
Briefe  des  Cicero  herangezogen. 

Theoph.  Meifart,  De  futuri  exacti  usu  Plautino.  Jena  1885,  27S. 
8.    S.  die  Anzeige  von  Fr.  Gramer  im  Arch.  f.  lat.  Lex.  IV,  594 — 598. 

Die  Arbeit  ist  gegen  Madvigs  ältere  Auffassung  gerichtet,  ge- 
stützt auf  Brugmanns  Deutung  dieser  Formen  als  aoristischer  Kon- 
junktive z.  B.  viderö  =  F£i6£((j)(o  (dies  ist  aber  conj.  perfectü).  Der 
bisher  als  der  Form  selbst  anhaftend  angenommene  Begriff  der  schnellen 
Vollendung,  des  Aufschubs  u.  s.  w.  liegt  nur  in  den  begleitenden  Partikeln, 
wie  jam,  mox:  post,  Interim,  oder  im  Zusammenhange  (?).  Die  Be- 
deutung war  ursprünglich  die  eines  fut.  simplex ;  erst  später  bildete  sich 
die  verwickeitere  des  fut.  exactum  heraus.  Nicht  selten  auch  steht 
fecero  statt  faciam  aus  metrischem  Grunde.  —  Cramer  (s.  S.  277)  erkennt 
gleichfalls  das  fragliche  Tempus  als  conj.  aor.  au,  meint  aber  mit  Lübbert 
(s.  S.  274),  der  Bedeutungskern  des  fut.  exactum  sei  der,  dafs  es  das 
,, vollendete  Sein  in  die  Zukunft  verlege",  ursprünglich  ohne  Kücksicht 
auf  eine  andere  Handlung;  dagegen  sei  das  fut.  simplex  durativ  (?). 
Wenn  nun  auch  beide  Zeiten  mitunter  wechseln,  so  blieb  doch  der  Unter- 
schied; nur  ist  eben  mitunter  eine  doppelte  Auffassung  möglich,  oder 
der  Unterschied  selbst  war  irrelevant.  Das  fut.  exactum  war  demnach 
ursprünglich  auch  eine  absolute  Zeit  und  wurde  erst  relativ  seit  der 
Mengung  der  Perfekt-  und  Aoriststämme  (?). 

Vgl.  hierzu: 

H.  Neu  manu.    De    futuri   in   priscorum  Latinorum  vulgari  vel 
cotidiano  sermone  vi  et  usu.    Parti.    Dissert.    Breslau  1888,  61  S.  8, 
Ungeschickter  Titel.     Die  Beobachtungen    sind    im    w'esentlichen 
richtig. 

Zu  einzelnen  Zeitverwendungen  sind  noch  anzumerken: 

S.  Opatzki.  Über  das  sogenannte  perf.  logicum  (russisch).  Kasan 
1885,  ms.     8. 

Eine  weitläufige  Ausführung. 

Busch,  Das  Präteritum  des  Verbs  zur  Bezeichnung  der  Gregen- 
wart.     Gj-muas.  1886,  N.  15. 

Besondere  Behandlungen  des  Konjunktivs  oder  einzelner  seiner 
Zeiten  liegen  vor  in: 

W.  M  üller,  Der  unabhängige  Konjunktiv  im  Latein.  Lehrproben  1,4. 
Schulpädagogisch;  vgl.  meine  „Erläuterungen",  S.  372—4. 

Max  Schraerl.  Der  Prohibitiv  bei  Plautus.  Gratulationsschrift 
des  Gyran.  zu  Krotoschin.     1886,  10  S.     4. 


Syntax.    Zeitwörter.    Modi  u.  Tempora.    (Deecke.)  277 

Die  Formen  auf  -seris,  -serit  u,  s.  w,,  gewöhnlich  Conj.  Perf.  ge- 
nannt, sind,  wie  diejenigen  auf  -so,  -sim  u.  s.  w.,  letzte  x\usläufer  des 
sigmatischen  Aorists.  —  ne  dixeris  u.  s.  w.  sind  archaisch  ganz  allge- 
mein. Dies  und  ähnliches  ist  übersichtlich  statistisch  zusammengestellt. 
—  Die  Formen  auf  -erim  u.  s.  w.  sind  ebenso  häufig,  wie  diejenigen 
auf  -sim  u.  s.  w. ;  doch  sind  letztere  fast  allein  positiv.  —  Häufige 
Formel:  ne  di  siverint!  —  In  cave  dixeris  u.  s.  w.  ist  cave  eine  blol'se, 
allerdings  ausdrucksvolle  Negation.  —  Der  Conj.  Praes.  ist  ebenso 
häufig  wie  derjenige  Perf.,  aber  meist  final.  —  Gleichwertig  (?)  sind  ne 
doceas  und  ne  doce;  aber  ne  dicito  u.  s.  w.  fehlt.  —  Ohne  ne  steht  nur 
das  perf.  praes.  noveris  (Truc.  163).    Niemals  lautet  die  Negation  -non. 

Fr.  Gramer,  De  perfecti  conjuuctivi  usn  potentiali  apud  priscos 
scriptores  Latinos.     Dissert.     Marburg  1886,  87  S.     8. 

S.  oben  die  Anzeige  von  Meifart!  Es  fallen  zunächst  die  Doppel- 
formen, wie  fecerim  und  faxim,  auf.  Jene  überwiegen  im  aoristischen 
Gebrauche:  ne  feceris;  dixerit  quispiam;  die  1.  plur.  fehlt  im  arch.  La- 
tein; erst  bei  Kornificius  begegnet  dixerimus  (Zufall?).  Eine  Erweite- 
rung der  silbernen  Latinität  ist  ut  sie  dixerim.  —  Ist  faxo  Konj.  Aor., 
so  ist  faxim  der  dazu  gehörige  Optativ,  und  ebenso  ist  viderim  =  gr. 
£i8e(o)i7]v:  so  liegt  der  prohibitiven  Bedeutung  die  negativ- optative  zu- 
grunde. Der  Potentiale  Gebrauch  aber  entwickelte  sich  aus  der  hypo- 
thetischen Satzfügung,  und  zwar  aus  dem  Vordersatz  der  optative 
Gebrauch  (gr.  tl  mit  Optativ),  aus  dem  Nachsatze  der  potentiale 
(gr.  av  mit  Optativ).  Archaisch  ist  der  potentiale  Gebrauch,  wegen  der 
naiven  Energie  der  Rede,  noch  selten:  erst  zu  Ciceros  Zeit,  unter  dem 
Einflufs  des  Griechischen,  kommt  er  zui'  vollen  Entfaltung.  —  Den  Be- 
griff der  Vergangenheit  haben  die  sigmatischen  Formen  überhaupt  nicht 
besessen  (s.  S.  274Lübbert!).  Die  Formen  wie  dixerim  sind  archaisch: 
1.  perf.  logicum;  nur  im  hypothetischen  Satze,  und  selten;  2.  praeteritum 
histor.,  auch  selten;  wesentlich  verschieden  von  Anwendung  und  Umfang 
in  der  klassischen  Zeit.  Dies  wird  durch  zahlreiche  Beispiele  belegt. 
Vgl.  die  Anzeigen  von  G.  Landgraf,  AVoch.  f.  kl,  Philol.  IV,  996; 
Redslob,  Neue  Philol.  Rundsch.  1887,  8.  331  f.;  J.  Schaf  1er,  Blätter 
f.  d.  bayr.  Gymn.  XXIV,  106  f. 

Nils  Sjöstrand,  Quibus  temporibus  motlisque  „quamvis,  nesciu 
an,  forsitan",  similes  voces  utantur,     Lund  1891,  42  S.     8. 

Die  Arbeit  ist  eine  wohlgegliederte,  umfangreiche,  sorgsame  Sta- 
tistik, freilich  mechanisch,  nicht  organisch  und  historisch  entwickelnd, 
so  dafs  das  Wesen  der  Erscheinungen  unerkannt  bleibt.  Es  werden  be- 
handelt: 1.  quamvis:  Adverb  491  mal,  nur  selten  mit  dem  Superlativ; 
mit   praes.  conj,    über  öOOmal;    mit  perf.  conj,  mehr  als  136mal;    mit 


27s  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

irap.  coiij.  mehr  als  125nial;  mit  plusquampt.  coiij.  mehr  als  3!Jmal: 
mit  praes.  indic.  81  mal  (bei  Lukicz,  deu  silbeiüen  Dichtevü,  Oelsus; 
sonst  iü  Prosa  sehr  selten,  seit  Seueka);  mit  impf.  iud.  31  mal  (bei  deu- 
selben);  mit  perf.  ind.  30raal  (desgl.);  mit  plusquampf.  indic.  11  mal 
(zweifelhaft  bei  Cicero  und  Livius);  mit  fut.  indic.  13 mal;  im  ganzen 
mit  conj.  etwa  1300 mal,  mit  indic.  166 mal.  —  Das  Fehlen  von  esse 
(s.  ob.  das  Wort  als  Adverb!)  findet  sich  bei  Statins  zweimal.  —  Flek- 
tiert hat  Cicero  8 mal:  quam  vultis,  -velit  n.  s.  w.;  4 mal  verbindet  er 
(luamvis  licet;  silbern  begeg-net  bisweilen  quautumvis,  auch  als  Adverb. 
—  2.  quamlihet  ist  selten  und  teils  Adverb,  teils  steht  es  mit  dem 
praes,,  perf.  oder  impf,  conj.:  Quiutilian  hat  auch  quantumlibet.  — 
3.  licet  ist  als  Adverb  selten;  impf,  und  plusquampf.  conj.  hat  es  nur 
6mal  (Statins,  Martial,  Juvenal,  vereinzelt).  —  4.  haiid  scio  an,  als 
Adverb  17 mal  bei  Cicero,  4 mal  bei  Pliuius;  sonst  mit  praes.  conj. 
27mal,  mit  perf.  conj.  12mal;  daneben  haud  sciain  au,  als  Adverb  3 mal 
(bei  Cicero),  mit  praes.  oder  pf.  conj.  4mal  (Cicero,  Livius);  mit  impf. 
u.  plqf.  conj.  4mal  (ebdt.),  mit  pf.  conj.  der  conjug.  periphr.  vereinzelt 
bei  Livius  und  Tacitus:  ncscio  an,  als  Adverb  46 mal,  mit  praes.  conj. 
50 mal,  mit  pf.  conj.  32 mal.  Zusammen  also  beg-egnen  diese  Phrasen 
70 mal  als  Adverb,  127 mal  mit  praes.  oder  pf.  cj.;  4 mal  mit  impf, 
oder  plqpf.  conj.  —  5.  forsitan  mit  praes.  conj.  104 mal,  mit  perf. 
conj.  29 mal:  mit  praes.  indic.  37mal,  mit  perf.  indic.  22 mal;  mit  impf 
oder  plqpf.  indic.  7mal  (Ovid,  Seneka,  Quiutilian);  mit  fut.  indic.  47 mal: 
als  Adverb  57 mal:  mit  imperft.  oder  plqpf.  conj.  52 mal  (29  i  23);  mit 
perf.  conj.  einmal  bei  Livius.  —  6.  forsan,  viel  seltener,  ist  Adverb 
8mal,  hat  das  praes.  oder  perf.  conj.  15  mal  (10  +  5),  -indic.  18  mal 
(11  -  7):  das  impf,  oder  plqpf.  conj.  13  mal  (Silius,  Statins  aa.),  das 
plqpf.  indic.  3 mal,  das  fut.  indic.  27 mal.  —  7.  fors,  fors  sit,  -fuat,  -fuat 
an  sind  dichterisch  und  spät.  —  8.  fortassis  ist  nur  bei  Quiutilian  und 
Plinins  dem  Älteren  häu6g.  —  9.  fortasse  ist  am  häufigsten  und  ha< 
den  conj.  praes.,  perf.,  impf,  und  plusqpf.  bei  sich;  das  fut.  conj.  (con- 
jug. periphr.)  nur  einmal  bei  Quintilian;  auch  Adverb  ist  es;  sehr  selten 
ist  fortasse  an  mit  praes.  oder  imperf.  conj.,  einmal  bei  Accius,  zweimal 
in  Varro  de  re  rustica.  Vgl.  die  Anzeige  v.  J.  Sturm,  Neue  Philol. 
Eundsch.  1892,  8.  125  f. 

P.  Mohr,    Zum  Konjunktiv  nach  Komparativ  mit  quam.    Arch. 
f.  lat.  Lex.  VI,  418  f. 

Spätlateinisch    steht    der  Konjunktiv  statt  des  Indikativs,    wenn 
quam  =  quam  ut  ist :  so  oft  bei  Sidonius,  auch  bei  Claudianus  Mamertus  aa. 

W.  Gardner-Hale,  Mode  and  Tense  in  the  subjunctivc  compa- 
rative  clause  in  Latin.    Araeric.  Journ.  of  Philol.  1891.  p.  62  ft'. 


Syntax.    Zeitwörter.    Modi  ii.  Tempora.    (Deecke.)  279. 

Es  bleibt  noch  eine  umfassende  Arbeit  übrig,  über  eine  besondere 
Eigentümlichkeit  der  lateinischen  Sprache,  die  Verschiebung-  der  Zeiten 
i«i  Briefstil: 

E.  Zimmermann,  De  epistulari  temporum  usu  Ciceroniano.  Pro- 
gramm von  Rastenburg,  4: 1,  1886,  25  S.,  §  1—40;  II,  1887,  31  S.  §  41 
—61;  m,  1890,  32  S,  §  62— 98;  IV,   1891,  23  S.,  §99—114. 

>>'*  rv'I  behandelt  den  Gebrauch  der  Präterita,  d.  h.  des  Perfekts 
und  Imperfekts,  und  giebt  eine  übersichtliche  Gliederung  desselben: 
1.  bei  den  Zeitwörtern  des  Schreibens;  2.  des  Schickens;  3.  des  Wollens; 
4.  der  Bewegung;  5.  des  Affekts;  6.  anderen.  Beide  Zeiten  bezeichnen 
„ea  quae  sunt  scribendi  tempore",  und  zwar  mit  dem  Unterschied,  dafs 
das  Perfekt  das  gegenwärtig  Seiende  einfach  als  solches,  ohne  weitere 
Rücksicht  auf  den  Empfänger,  als  zur  Zeit  des  Lesens  vollendet  dar- 
stellt; es  steht  nicht  selten  am  Anfange  des  Briefes.  Das  Imperfekt 
dagegen  beschreibt  das  Gegenwärtige  oder  stellt  es  als  ein  solches  dar, 
das  zugleich  mit  anderen  Dingen  stattfindet  und  in  gewisser  Beziehung 
zu  ihnen  steht,  oder  mit  Eucksicht  auf  die  Zeit  des  Lesens,  besonders 
in  Nebensätzen  mit  cum  temporale.  —  II  behandelt  das  Präsens,  durch 
das  „ea  quae  fiunt  scribendi  tempore"  dargestellt  werden.  Der  Unter- 
schied vom  Perfekt  ist  fi'eilich  oft  nur  schwer  festzustellen.  —  III  er- 
<irtert  den  Sprachgebrauch  in  betreff  des  zur  Zeit  des  Schreibens  Ver- 
gangenen. Dafür  stehen  auch  die  Präterita,  so  dafs  eine  Konkurrenz 
mit  I  eintritt,  und  zwar  ist  bei  den  verbis  scribendi  und  mittendi.  die 
hier  allein  in  Betracht  kommen  (?),  der  Gebrauch  der  2.  und  3,  Person 
scripsisti,  -sit;  misisti,  misit  von  dem  der  l.scripsi.  -simus;  misi,  -simus 
zu  unterscheiden.  —  Erstere  wie  letztere  stehen  de  tempore  praeterito 
et  de  litteris  ante  scriptis ;  bei  letzteren  aber  ist  wieder  zu  unterscheiden, 
ob  sich  der  Ausdruck  auf  einen  Brief  an  dieselbe  Person  bezieht  oder 
an  einen  anderen.  Bei  den  verbis  scribendi  steht  nur  das  Perfekt, 
sowohl  z.  B.  scripsi,  -simus  ad  Caesarem,  -ad  Balbum,  wie  ad  te.  Soll 
dies  nun  von  der  vergangenen  Zeit  gelten,  so  tritt  oft  hinzu:  ante,  autea, 
proxime,  brevi,  jam  pridem.  alia  epistula,  superioribus  litteris.  iis  litteris 
quas  .  .  .  dedi;  oft  aber  ergiebt  sich  die  Bedeutung  der  Vergangenheit 
auch  blofs  aus  dem  Inlialte  oder  sonst  wie.  Nicht  selten  ist  auch  um- 
gekehrt die  Beziehung  auf  die  Gegenwart  durch  allerlei  Mittel  angedeutet 
^s.  I  §  37).  Jedenfalls  konnte  der  Empfänger,  der  ja  wufste,  was  in 
den  früheren  Briefen  gestanden  hatte,  nicht  zweifelhaft  sein,  wie  das 
Perfekt  gemeint  war.  —  Immerhin  liegt  hier  ein  beträchtlicher  Maugel 
und  eine  arge  Unklarheit  des  lateinischen  Ausdrucks  vor.  —  Bei  den 
verbis  miitendi  steht  Perfekt  oder  Imperfekt;  auch  hier  treten  häufig 
<Iie  oben  genannten  Partikeln  hinzu,  um  die  Vergangenheit  anzudeuten; 


280  Lateinische  Grammatik.     (Deecke.) 

wenn  ferner  bei  misi(mus)  z.  B.  ad  Pompejum  der  Übermittler  als  ein 
anderer  (per  alium  missae  litterae)  bezeichnet  wird,  so  ist  die  Sache 
klar;  ist  aber  der  Brief  durch  dieselbe  Person  übermittelt  (per  eundeiu 
missae)  oder  heilst  es  misi(mus)  ad  te.  so  ist  die  Bedeutung  an  sich 
zweifelhaft,  doch  im  ganzen  aus  den  §§  37 — 40  und  §§  76—81  be- 
sprochenen Anzeichen  zu  erkennen ;  klarer  als  wir  konnte  auch  hier  der 
Empfänger  es  jedesmal  wissen,  wie  die  Zeit  gemeint  war  (ein  mangel- 
hafter Trost!).  —  IV,  Das  Plusquamperfektum  hat  auch,  wo  es 
dem  Briefstil  gemäfs  gebraucht  ist,  stets  relative  Bedeutung.  An  den 
Stellen,  wo  es  scheinbar  einfach  für  die  Vergangenheit  steht,  ist  ein  aus- 
gelassenes Glied  (membrnm  omissum)  hinzuzudenken,  oder  es  ist  dasselbe 
angedeutet  durch  hie,  liuc,  nunc,  etiam  nunc,  adhuc,  hodie,  hoc  tem- 
j)ore  u.  s.  w. ;  nicht  selten  ist  auch  das  praeteritum  epistulare  zu  er- 
ganzen. —  Die  Fntura  stehen  meist  im  gewöhnlichen  Sinne;  ebenso  die 
conjug.  periphrastica;  bisweilen  .steht  lebhaft  das  Präsens  statt  des 
tut.  II  oder  des  praes.  der  conj.  periphr. ;  seltener  findet  sich  das  Per- 
fekt für  das  fut.  11.  Im  strengen  Briefstil,  wenn  etwas,  was  für  den 
Schreibenden  noch  zukünftig  war,  für  den  Lesenden  als  bereits  vergangen 
bezeichnet  werden  soll,  treten  praeterita  ein,  und  zwar:  1.  das  perf.  für 
das,  was  simpliciter  nudeque  praeteritum  ist;  2.  das  imperf.  conj.  periphr. 
statt  des  praes.  derselben:  3.  das  imperf.  statt  des  praes.,  welches  füi 
das  fut.  I  steht;  bisweilen  das  partic.  praes.  (eig.  partic.  imperfecti).  — 
Auch  hier  werden  bei  der  Ausführung  die  verba  scribendi,  -mittendi, 
-aflPerendi  et  accipiendi,  bisweilen  auch  andere  unterschieden.  —  Die 
Arbeit  ist  sorgsam  und  scharfsinnig  und  erforderte  bedeutende  Über- 
legung, da  die  Sache  keineswegs  einfach  ist  und  feste  Normen  schwer 
herzustellen  waren.  Es  bleiben  auch  so  noch  viele  Fälle  abweichenden 
'^jebrauchs  übrig,  die  wohl  zu  oft  durch  Emendation  beseitigt  werden. 
Es  wahrte  sich  der  Schreibende  wohl  immer  eine  gemäfsigte  Freiheit, 
die  nicht  stets  die  strenge  Regel  innehielt.  Auch  liefs  sich  eine  gewisse 
Unklarheit,  namentlich  bei  übergreifenden  Ereignissen,  nicht  stets  ver- 
meiden. Jedenfalls  ist  dieser  Versuch  der  Ordnung  des  ganzen  brief- 
lichen Teinpusgebrauchs  sehr  dankenswert. 

An    der  Grenze    des  Übergangs  zu  dem  Verbalnominibns  er- 
wähne ich: 

Sp.  Vassis,  Syntactica:  tempora  finita  et  infinita.    Kev.  de  phi- 
lol.  XI,  42  ff-. 

Der  Infinitiv  im  allgemeinen  ist  behandelt  worden  in: 

K.  von  Horsten,  Die  Lehre  vom  verbum  infinitivum.  Gandersheim 
1884,  16  S.     4. 


Syntax.     Zeitwörter,    Verbalnomina.    (Deecke.)  281 

vgl.  die  Anzeige  von  W.  Fries  in  der  Philol.  Rundschau  1885, 
8.  764  ff. 

Strotkötter,  Über  die  syntaktische  Bedeutung  des  lateinischen 
Infinitivs.    Progr.     Dorsten  1887,  32  S.     8. 

A.  Surber,  Über  die  Verwertung  der  wissenschaftlichen  Ergeb- 
nisse für  die  Syntax  des  lateinischen  Infinitivs.  In  den  Philol.  Ab- 
handlungen zu  Ehren  Schweizer-Sidlers,  Art.  3. 

Vor  allem  aber  ist  meine  Behandlung  der  Infinitivkonstruktion  in 
doppelter  Ausführung  zu  erwähnen: 

W.  Deecke,  Beiträge  zur  Auffassung  der  lateinischen  Infinitiv-, 
öerundial-  und  Supinura-Konstruktionen,  Progr.  Mülhausen  i.  E. 
1890,  50  S.     4. 

Derselbe,  Erläuterungen  zur  lateinischen  Schulgrammatik.  Berlin, 
Calvary  &  Cie.  1893,  S.  375—389. 

Ich  habe  nachzuweisen  gesucht,  dafs  alle  lateinischen  Infinitive 
als  Lokative  aufzufassen  sind,  und  habe  alle  syntaktischen  Verwen- 
dungen derselben,  auch  im  Akk.  c.  Inf.  und  Nom.  c.  Inf.,  wie  in  der 
oratio  obliqua,  auf  die  lokative  Grundbedeutung  zurückgeführt  (s.  beson- 
ders Progr.  S.  35  ff.)  z.  ß.  puto  regem  vincere  „ich  glaube  den  König 
im  Siegen" ;  domus  concidere  videtur  „das  Haus  scheint  im  Zusammen- 
fallen"; dicunt  te  proficisci  „man  sagt  dich  im  Abreisen":  nuntiatur 
exercitus  regredi  „das  Heer  wird  im  Rückzuge  gemeldet":  queror  nos 
senescere  „ich  beklage  uns  im  Altern";  morbus  me  impedit  domo  exire 
-die  Krankheit  hindert  mich  im  Ausgehen";  Imperator  jussit  milites 
pontem  facere  „der  Feldherr  befehligte  die  Soldaten  beim  Brückenbau" ; 
sino  eum  quiescere  „ich  lasse  ihn  im  Ruhen";  vetor  legere  ,.ich  werde 
im  Lesen  gehindert';  volo  vos  abire  „ich  wünsche  euch  im  Weggehen"; 
'loceo  fratrem  latine  loqui  .,ich  unterrichte  den  Bruder  im  Lateinsprechen"; 
pergo  ludere  „ich  fahre  fort  im  Spielen";  audeo  resistere  (audeo  von 
avidus)  „ich  bin  kühn  im  Widerstehen" ;  cunctor  accedere  „ich  zaudere 
im  Hinantreten":  meditor  canere  „ich  übe  mich  im  Singen":  nuUa  re 
egere  maximae  sunt  divitiae  „im  Nichtsbedürfeu  liegt  der  gröfste  Reich- 
tum"; prudeutis  oder  prudentiae  est  nunquam  desperare  ,,im  Xiemals- 
verzweifeln  besteht  das  Wesen  des  Klugen"  oder  ,,der  Klugheit";  mori 
necesse  est,  vivere  non  necesse  est  ,,im  Sterben  liegt  Notwendigkeit,  im 
Leben  nicht" ;  rebus  suis  contentum  esse  (sc.  aliquem)  magna  viitus  est 
,,im  Zufriedeusein  mit  dem  eigenen  Geschick  liegt  eine  grofse  Tugend" 
u.  s.  w.  —  Im  letzten  Beispiel  steckt  schon  in  dem  zu  ergänzenden 
Akkusativ  eine  unlogische  Konstruktion,  wie  noch  entschiedener  in  fas 
est  me  hoc  facere  statt  mihi:  man  löste  den  Akk.  c,  Inf.  als  selbständige 


282  Lateiuiscbe  Grammatik.    (Deecke.) 

Koustruktion  los.  betrachtete  ihn  als  Umformung-  eines  Satzes  und  ver- 
band ilm  mit  Wendungen,  wo  der  Akkusativ  (des  näheren  Objekts)  keinen: 
Sinn  mehr  hatte:  dasselbe  geschah  auch  mit  dem  blolsen  Infinitiv;  vgl. 
noch  fugere  non  cadit  in  virum  fortem.  Der  ursprünglich  lokative  In- 
finitiv wurde  ferner  als  Nominativ  oder  Akkusativ  aufgefafsc  und  auf 
ihn  als  Indeklinabile  das  neutrale  Adjektiv  als  Prädikatsnomen  bezogen  : 
während  z.  B.  dulce  et  decorum  est  pro  patria  mori  ursprünglich  hiefs: 
..es  liegt  etwas  Süfses  und  Ehrenvolles  im  Sterben  fürs  Vaterland'",  deu- 
tete man  es  später  als:  ..suis  und  ehrenvoll  ist  das  Sterben  fürs  Vater- 
land". Über  die  weitere  Su|)slantivierung  des  Infinitivs  s.  S.  284.  Als 
Lokativ  erklärt  sich  endlich  aufs  leichteste  der  sogen,  iufiu.  historicus, 
besser  descriptivus  genannt,  z.  B.  at  Romani  festiuare,  bellum  parare  etc. 
„aber  die  Römer  (waren)  im  Eilen,  im  Kriegsrüsten  u.  s.  w". 

Abhandlungen  über  einzelne  Gebrauchsarten  des  Infinitivs  liegen 
noch  vor  in: 

Ph.  Thielmann,    habere    mit  dem  Infinitiv  und  die  Entstehung 
des  romanischen  Futurums.    Archiv  f.  lat.  Lex.  II,  48 — 89;  157 — 202. 

Eine  sorgsam  geordnete  Stellensammluug  in  2  Abteilungen :  A.  ha- 
bere mit  dem  Inf.  zur  Bezeichnung  der  Fähigkeit  und  Möglichkeit, 
z.  B.  habeo  dicere  =  habeo  quod  dicam,  zuerst  bei  Cicero,  aber  aus 
der  Vulgärsprache  (vielmehr  Gräci«mus  =  v/m  stTrsTv).  Über  das  Verb 
dicere  hinaus  geht  er  nur  in  den  Briefen,  aber  auch  nur  bei  anderen 
vb.  declarandi.  Livius  nahm  diese  Wendung  nicht  auf:  überhaupt  wird 
sie  bemerkenswert  erweitert  erst  in  den  lateinischen  Übersetzungen 
griechischer  Originale  kirchlichen  Inhalts,  bis  TertuUiau  auch  hier  alle 
Dämme  durchbrach,  jedoch  ohne  dals  die  Neuerung  Wurzel  fafste.  — • 
B.  habere  n)it  dem  Inf.  zur  Bezeichnung  der  Notwendigkeit,  z.  B. 
habeo  dicere  ..ich  raiifs  (soll)  sagen".  Dies  findet  sich  noch  später, 
nämlich  erst  beim  älteren  Seneka  (habui  facere?  habui  perducere  illum 
ad  patremV):  ebenderselbe  liat  auch  habere  mit  dem  Gerundivum  (habeo 
diceudum).  was  nicht  ins  Romanische  übergegangen  ist.  Umfangreicher 
Ijegegnet  obige  Wendung  erst  wieder  bei  Tertullian,  und  zwar  über- 
wiegend mit  dem  iufiu.  passivi  (raehi-  als  60 mal),  z.  B.  amari  habeo 
statt  amandus  sum,  als  Passiv  zu  araaturns  sum;  der  Infinitiv  steht  ge- 
wöhnlich voran :  so  auch  amari  habebam.  Der  inf.  activi  hält  sich  in 
ziemlich  engen,  scharf  gezogenen  Grenzen.  —  Das  späte  Vorkommen 
beider  Wendungen  zeigt,  dafs  sie  nicht  echt  lateinisch  waren  und  dafs 
das  Sprachgefühl  sich  gegen  sie  sträubte.  Sic  sind  aus  dem  Griechischen 
entlehnt,  und  so  ist  es  erkläilich.  dafs  hier  die  lokative  Bedeutung  nicht 
mehr  erkennbar  ist.  —  Nach  Tei'tuUian  nahm  Cyprian  den  Sprachge- 
brauch von  B  auf;  aus  dem  afrikanischen  Latein  kam  er  durch  die  theo- 


Syntax»     Zeitwik-ter.     Infinitiv.     (Dfeeckc.)  283 

lagische  Littevatiir  ins  Gallische,  Obeiitalische,  Spanische  u.  s.  w.,  mit 
immer  weiter  abgeschwächter  Bedeutung,  bis  er  ins  romanische  Futui-um 
auslief.  Afrikanisch  war  auch  der  gleiche  Gebrauch  des  Imperfekt  und 
Pei-fekt  (liabebam  und  habui),  woraus  sich  das  französische  und  italie- 
nische Konditionen  entwickelten.  —  Der  Verlust  des  ursprünglichen 
lateinischen  Futurums  ist  wf)lil  von  der  Doppeldeutigkeit  des  -am  der 
Lsg.  in  der  3.  und  4.  Konj.  ausgegangen:  -es,  -et  ferner  klangen  vul- 
gär wie  -is,  -it  und  mischten  sich  so  mit  dem  Präsens:  -bit  aber  ward 
zu  -Vit,  so  dafs  z.  B.  amabit  mit  amavit  zusammenflofs;  ebenso  amabi- 
mus  mit  amavimus  u.  s.  \v.  —  Die  weiteren  Untersuchungen  über  die 
Möglichkeiten  des  Ersatzes  und  ihr  Vorkommen  gehören  nicht  hierher. 

Ph.  Thiel  mann,  facere  mit  dem  Infinitiv.   Arch.  f.  lat.  Lex.  III, 
177—206. 

Auch  hier  ist  das  Endziel  der  Entwickelung  die  Konstruktion  der 
aus  facere  entstandenen  romanischen  Verben  mit  dem  Infinitiv.  Es 
werden  dazu  3  verschiedene  Fälle  in  ihrer  geschichtlichen  Fortbildung 
vorgeführt:  A.  faceve  =  fingere,  und  zwar:  1.  „darstellen".  Hier 
steht  zwar  regelmäfsig  das  partic.  praes.  act.  u.  depon.,  aber  im  Perf. 
und  im  Passiv  mufste  stets  der  Infinitiv  eintreten,  der  übrigens  auch  im 
praes.  act.  ein  paarmal  bereits  bei  Cicero  vorkommt  (Tusc.  IV,  35:  V, 
115).  Vorzugsweise  nun  findet  sich  der  Infinitiv  so  gebraucht  von  vb. 
dicendi:  doch  wendet  Vergil  ihn  auch  von  Verben  an,  die  bildende 
Künste  bezeichnen.  —  2.  „annehmen,  den  Fall  setzen",  allgemein 
üblich,  bei  Cicero  besonders  im  Imperativ  fac!  beliebt.  —  3.  „sich 
stellen  als  ob",  schon  bei  Plautus  (Psend.  II.  3,  8),  dann  bei  Katull, 
in  Ciceros  Briefen,  bei  Petronius.  —  Hier  tritt  die  lokative  Bedeutung 
noch  klar  hervor,  z.  B.  fecit  se  aegrotare  ,,er  verstellte  sich  im  Krank- 
sein". —  Bisweilen  steht  facere  auch  —  efficere  , .beweisen  '  z.  B.  Manil. 
[,207:  spät  ist  die  Bedeutung  „förderlich  sein'-.  —  B.  facere-^ 
,,machen.  bewirken-,  als  Ersatz  der  seltenen  Kausalia,  auch  zur 
Vermeidung  eines  doppelten  ut.  Es  ist  vulgär  (?).  doch  sind  die  archai- 
schen Stellen  meist  unsicher:  ebenso  bleibt  es  zweifelhaft,  ob  die  mit 
facere  zusammengesetzten  Verben,  wie  calefacere,  assue facere,  den  Infi- 
nitiv enthalten  (s.  mein  Facere  und  fieri,  Progr.,  Strafsburg  1873,  doch 
jetzt  von  mir  selbst  aufgegeben,  s.  Progr.  Mülh.  1890.  S.  42).  Verein- 
zelte klassische  Stellen  beruhen  auf  einem  Zeugma  oder  dem  sermo  coti- 
dianus  (?).  Von  Dichtern  hat  es  Laberius  einmal,  häufiger  Lukrez  (wohl 
weil  es  für  den  Hexameter  bequem  war!);  sonst  bleibt  es  selten:  so  auch 
in  der  augusteischen  Prosa  ;Äitruv  hat  efficere  mit  dem  Infinitiv.  Dann 
findet  sich  facere  c.  inf.  wieder  beim  Tragiker  Seneka,  im  Juristeulateiu 
und  sonst  spät,    doch  immer  nur  schüchtern.     Voller  Durchbruch  tritt 


♦284  Lateinische  Grammatik.    (Üeecke.) 

erst  seit  TertuUiau  ein.  Der  Verfasser  gleit  davon  eine  reiche  Über- 
sicht. —  Die  ganze  Entwickelung  mm  zeigt,  dal's  auch  hier  von  Volks- 
tümlichkeit nicht  die  Rede  sein  kann:  es  war  wieder  ein  Gräcismus, 
Nachahmung  von  TioteTv  mit  dem  Inf.  —  So  läfst  sich  auch  hier  die  lo- 
kative  Bedeutung  nicht  feststellen.  —  C.  facere  —  jiibere,  nur  unsicher 
und  vereinzelt  bis  ins  3.  Jahrh.  n.  Chr.,  vollkommen  durchgebildet  bei 
den  scriptores  histor.  Augustae;  gleichzeitig  im  Kirchenstil.  Es  wird 
dieser  Gebrauch  dann  weiter  verfolgt  bis  ins  Romanische ;  auch  der  Ein- 
tritt des  anfangs  seltenen  inf.  act.  u.  s.  w.  —  Auch  diese  Wendung  ist 
nicht  echt  lateinisch. 

Ed.  Wölfflin,  est  videre.     Archiv  f.  lat.  Lex.  II,  135  —  6. 

Obige  Redensart  begegnet  zuerst  bei  Mummius  Com.  Lat.  p.  273 
Hi.;  dann  hat  sie  Luki-ez,  Horaz  u.  s.  w.,  und  bis  in  die  Valgata  läfst 
sie  sich  verfolgen.  Verwandt  sind:  est  considerare  (Vitruv  p.  57,  17); 
cernere  erat  (Verg.  Äu.  ATt,  596:  VIII,  676),  auch  bei  Stat.  silv.  III, 
1,  15;  ähnlich  Silius  VI,  10  nee  cernere  deerat;  dann  TertuUiau  re- 
cognosci  est  u.  s.  w.    Auch  dies  ist  Gräcismus  l'attv  opav. 

K.  E.  Georges,  coepi  mit  Inf.,  in  der  Berl.  Philol.  Woch.  1887,. 
250  f  : 

vgl.  die  Bemerkung  im  Mülh.  Progr.  S.  39;  Erläut.  S.  377. 

Jak.Wackernagel,  Über  dieGeschichte  des  historischen  Infinitivs. 
Zürcher  Philol.  Versammlung,  S.  276—283-, 
s.  Berl.  Philol.  Woch.  VII,  1552. 

Ed.  Wölfflin,  Der  substantivierte  Infinitiv.     Arch.  f.  lat.  Lex. 
III,  70—91. 

Über  die  Wirklichkeit  oder  Scheinbarkeit  der  Substantivierung 
des  Infinitivs  waren  die  alten  Grammatiker  nicht  einig:  jedenfalls  war 
dieselbe  nicht  echt  lateinisch,  sondern  entwickelte  sich  erst  unter  grie- 
chischem Einriuls.  Der  erste  Teil  des  obigen  Aufsatzes  nun  behan- 
delt die  archaische,  klassische  und  silberne  Zeit.  Der  Inf.  bei  inter 
begegnet  zuerst  bei  Cicero  de  fiu.  II,  13  inter  optime  valere  et  gra- 
vissime  aegrotare  nihil  Interesse,  Nachahmung  eines  pyrrhonischen  Satzes; 
es  folgt  der  Philosoph  Seneka  de  benef.  V,  10,  2  multum  (und  gleich 
darauf  nihil)  interest  inter  dare  et  accipere.  Bei  TertuUiau  findet  sich 
dann  auch  der  inf.  passivi,  z.  B.  inter  dici  et  esse  u.  s.  w.  —  praeter 
■  hat  zuerst  Horaz  Sat.  II,  5,  69;  dann  Ovid,  sogar  mit  dem  Inf.  Peit. 
amasse  meum.  —  Dieser  Zusatz  eines  pronominalen  adjektivischeu 
Attributs  begegnet  schon  bei  Plautus  (Cure.  28)  tuom  amare,  danu, 
selbst  beim  Deponens,  in  den  philosophischen  Schriften  Ciceros.  auch 
totum  hoc,    ipsum  illud  n.  a.:    nicht  bei  Cäsar,    SaUust,  Livius;    dann 


Syntax.    Zeitwörter.    Infinitiv,    (Doecke.)  285 

wieder  bei  Persius.  Den  inf.  perl',  hat  zuerst  der  Tragiker  Seueka  (Odip. 
922)  ipsum  metuisse.  Am  beliebtesten  sind  in  solchem  Gebrauch  die 
Verba  „wissen,  wollen",  doch  bleiben  die  Beispiele  auch  hier  spärlich. 
—  Statt  des  Possessivs  tritt  nun  auch  der  Genitiv  des  persönlichen 
Pronomens  ein,  doch  erst  in  der  silbernen  Latinität.  bei  Valerius 
Maximus  (Fab  Cunct.  VII,  3,  7;  VI.  9,  5)  cuius  non  dimicarc  und  eins 
.  .  .  velle  ac  posse:  dann  beim  Philos.  Seneka  (epist.  101,  13)  eins  vi- 
vere.  Häufig  ist  dies  erst  im  patristischeu  Latein  seit  Tertullian.  An- 
dere Genitive  setzt  erst  der  christliche  Dichter  Marios  Victor  hinzu, 
wie  scire  ipsius  Dei.  —  Sehr  spät  ist  auch  erst  der  Dativ,  da  die 
Stelle  Seneka  dial.  XII.  16,  2  ei  lugere  unsicher  ist.  —  Der  zweite 
Abschnitt  des  Aufsatzes  handelt  vom  Spätlatein:  da  finden  sich:  Ab- 
hängigkeit von  anderen  Präpositionen,  sogar  mit  dem  Ablativ,  adjekti- 
vische Bekleidung  verschiedener  Art.  Pronomina  und  Pronominalia  als 
Attribute  u.  s.  w.  Den  Schlufs  bildet  eine  Aufzählung  der  häufiger  so 
gebrauchten  Infinitive. 
Vgl.  hierzu: 

F.  Birklein,    Entwickelungsgeschichte  des  substantivierten  Infi- 
nitivs.    Beiträge  zur  histor.  Syntax  III.    Würzbui'g  1888,  109  S,    8; 
s.    die  Anzeige    von    Fr.  Haussen.    Deutsche  Litteraturzeitung   1888, 
S.  1285  f. 

Einzelne  Arten  des  Infinitivs  sind  ferner  in  folgenden  Schriften 
behandelt: 

A.  Howard,    On    the    use  of  the  perfect  Infinitive  in  the  Latin 
with  the  force  of  the  present.     Harvard  Studies  I,  111  ft'. 

J.  Golling,  Über  den  aoristischen  Gebrauch  des  infin.  perfecti  im 
Latein.    Gymn.  VII,  14. 

Eine  gröfsere  Arbeit  ist: 

Nils  Sjö Strand,  De  futuri  infinitivi  usu  Latinorum  quaestiones 
duae.     Lund  1892,  55  S.     8. 

Es  handelt  sich  in  dieser  Schrift  um  den  Gebrauch  des  inf.  fut. 
Hctivi  und  passivi  und  seine  Umschreibung-  durch  fore  ut  oder  futurum 
esse  ut.  Die  Aufstellungen  Scheindlers  sind  ungenau:  statt  seiner 
24  Beispiele  für  den  inf.  fut.  pass.  bei  allen  Prosaisten  bringt  Sjöstrand 
allein  aus  Cicero  über  50  sichere  Beispiele  bei.  Umschreibungen  hat 
Cicero  nur  etwa  25  mal,  Cäsar  7  mal.  Der  inf  fut.  act.  wird  viel  häu- 
figer umschrieben,  als  man  bisher  annahm:  Cicero  thut  es  40 mal,  wo  er 
jenen  hätte  bilden  können;  spero  fore  (nie  futurum  esse)  ut  hat  er 
12mal,    den  Infinitiv  123mal:    Cäsar  hat  die  Umschreibung  2mal.    den 


28G  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

Intiuitiv  5mal.  —  Im  ganzen  sind  immerhin  die  inf.  futiiri  selten :  Pliniits 
n.  h.  hat  nur  einen  inf.  tut.  pass.  (VII,  6):  visum  iri  ^  Tac.  Ann. 
XI.  27;  von  den  Stellen  Ciceros  findet  sich  ein  Viertel  in  den  Briefen 
an  Attikns;  Livius  hat  von  9  Beispielen  6  in  der  ersten  Dekade: 
Sallust,  der  gern  -um  ire  hat,  braucht  -um  iri  nur  einmal.  Die  meisten 
Autoren  kennen  den  inf.  fut.  pass.  gar  nicht.  Mit  dem  Nominativ  hat 
ihn  Cicero  in  den  ep.  ad  Att.  XI,  13,  4;  wie  Schmalz  vermutet,  auch 
Verr.  II,  142  (nötig  wäre  übrigens  Sonderung  der  Korrespondenten 
Ciceros  von  ihm  selbst  gewesen).  Die  Beobachtungen  über  Vergil,  Hora'/^; 
Vell.  Paterculus  fehlen:  über  die  Nebenform  -uiri  s.  oben  die  Formeu- 
lehre S.  165.  —  Drei  Tabellen  geben  Übersichten:  I  (S.  2)  über  den  inf 
fut.  pass.  Es  werden  von  Plautus  bis  Grajus  IQO  Fälle  gezählt;  for« 
ut  50:  futurum  esse  ut  23;  im  besonderen  bei  Plaut,  u  Ter.  10.  — ,  — ; 
Cüicero  61,  25,  3;  Livius  9,  3,  1 :  Cäsar  5,  5.  2:  Quintil.  declam.  1,  — ,  7. 
^  II  (S.  4)  inf.  fut.  act. ,  von  Plautus  bis  Suetonius:  erzwungene 
Umschreibung:  fore  ut  12:  futurum  esse  ut  6,  davon  Cicero  S,  — ,  sonst 
nur  vereinzelt:  freie  Umschreibung  73,  50;  davon  Cicero  39,  1;  Livius 
6,  2;  Cäsar  3,  3;  Sallust  und  Varro  haben  nur  fore  ut;  ebenso  Plautus, 
Terenz,  Sueton;  dagegen  hat  Plinius  der  Jüngere  nur  futurum  esse  ut 
(4mal).  —  Supina  auf  -um  iri  kommen  bis  fladrian  63  mal  vor,  beson- 
ders actum,  datum,  sublatum.  absolutum,  visum.  —  III  (S.  28)  de  inf. 
futuri  ad  verbum  operandi  relato :  -urum  esse  306  mal ;  posse  über  1 62  mal 
(oft  bei  Seneka);  fore  ut  19 mal:  futurum  esse  ut  8mal:  davon  Cicero 
123,  50,  12,  — :  Livius  59.  22,  — ,  — :  Cäsar  5,  15,  2,  — .  Die  Arbeit 
zeigt  aufserordentlichen,  wenn  auch  wesentlich  nur  mechanischen.  Fleifs. 

Vgl.  hierzu  noch: 

0.  KiemauD,  La  periphrase  „scripturum  esse"  peut-ellc  avoir  le 
ßens  de  IMrreel?   Rev.  de  philol.  XV,  34  ff. 

Es  folgen  die  Untersuchungen  über  den  Inlinitiv  bei  einzelneu 
Schriftstellern  oder  Schriftstellergruppen:  bei  Prosaisten: 

J.  Sorn,    Der  Inünitiv    bei  Sallust,  Florus,  Eutrop  und  Persius. 
Beiträge  zur  lat.  Grammatik  I.     Innsbruck  1887; 
8.  die  Anzeige  von  Fr.  Stolz,  Zeitsch.  f.  d.  östr.  Gyran,  39,  S.  844  f. 

Theod  Eger,  De  infinitivo  Curtiano.    Dissert.    (Giefsen),  Darm- 
ßtadt  1885,  50  S.: 

s.  die  Anzeigen  von  M.  C.  P.  Schmidt  in  der  Woch.  f.  klass. 
Philol.  1888,  S.  329,  und  im  Jahresber.  des  Philol.  Vereins  XIV  (1888), 
S.  232—3,  wo  17  Ergänzungen  augeführt  sind. 

Bei  Dichtern: 

Em.  Eeichenhart,    Der    Infinitiv    bei  Lukretius.     Acta  semiu 
Erlang.  IV  (188G),  S.  457— 52ii.     8. 


Syntax.    Zeitwörter.    Infinitiv.    (Deecke.)  287 

Der  Verfasser  hatte  sclion  1881  ein  Frankeutlialer  Programm  „ü1)er 
die  kausalen  Konjunktionen  bei  Lukrez"  geschrieben.  Die  vorliegendt^ 
Arbeit  ist  ein  weiterer  Beweis  seiner  genauen  Studien  jenes  Dichters, 
indem  er  sämtliche  Beispiele  für  den  Infinitiv  gesammelt  hat.  Im 
Schema  lehnt  er  sich  an  Dräger  an,  zu  dem  er  eine  wesentliche  Er- 
gänzung liefert.  Der  erste  Teil  behandelt  den  blofsen  Inf.;  der  zweite 
den  Akk.,  resp.  Nora.  c.  Inf.,  und  zwar  A.  als  Objekt,  B.  als  Sub- 
jekt. Die  Ergebnisse  werden  in  §  11  (S.  509  —  13)  tabellarisch  zu- 
sammengefafst.  Danach  steht  der  blofse  Inf.  nach  possum  etwa  500 mal, 
nequeo  50,  queo  75;  debeo  70:  coepi  17,  pergo  13:  soleo  20,  consnesco 
14,  bei  allen  anderen  Verben  unter  lOmal  (valeo  8,  resp.  11);  unper- 
sönlich difficile  est  7  mal,  sonst  nur  1— 3mal.  —  Der  Akk.  c.  Inf.  allein 
steht  bei  fateor  22 mal:  puto  50,  reor  17  (resp.  18);  confiteor  7:  finge 
8;  patior  5,  probo  5;  significo  7.  ostendo  5;  sonst  nur  1  —  3 mal;  nach 
unpersönlichen  Ausdrücken  nur  je  1 — 2 mal.  —  Der  Inf.  und  Akk.  c 
Inf.  stehen  bei  aveo  6-,  resp.  2mal:  decet  6 — 1;  facile  est  9 — 2;  par 
est  4 — 4  (resp.  5),  sonst  nur  im  ganzen  2-  bis  6 mal.  —  Der  Inf.  neben 
anderen  Konstruktionen  ist  selten;  der  Akk.  c.  Inf.  begegnet  nebien 
indirekten  Fragen,  nt-,  quod-Sätzen  u.  s.  w.  z.  B.  nach  credo,  cerno, 
dico.  nosco,  video,  refert,  und  in  einer  grofsen  Zahl  vereinzelter  Kon- 
struktionen. Bei  reichem  Wortschatze  hat  Lukrez  nicht  wenige  isolierte 
Wagnisse.  —  Endlich  der  Inf..  Akk.  c.  Inf.  und  andere  Konstruk- 
tionen finden  sich  bei  cogo,  doceo,  scio,  volo;  licet,  neccsse  est,  convenit. 
—  Im  ganzen  überwiegen:  der  Infinitiv,  dann  der  Akk.  c  Inf,  dann  der 
indirekte  Fragesatz;  andere  Konstruktionen  sind  selten;  jene  sind  eben 
einfacher  und  praktischer.  —  Der  Akk.  c.  Inf.  steht  oft  mit  doppeltem 
Akkusativ,  die  Urawerfung  ins  Passiv  ist  seltener. 

J.  Senger,    Über  den  Infinitiv  bei  CatuU,    TibuU  und  Properz. 
Progr.     Speyer  1886,  44  S.     8. 

Auch  diese  Abhandlung  ist  ein  Nachtrag  zu  Dräger:  es  zeigt  sich 
einzelnes  älter,  als  dieser  angenommen  hatte.  Die  Zusammenfassung  der 
3  Elegiker  kann  übrigens  nur  eine  äufsere  sein:  KatuU  ist  ai'chaischer 
und  vulgärer,  Tibull  der  beste  Lateiner,  Properz  stark  gräcisierend. 
Auch  sind  nur  die  wichtigeren  Stellen  angeführt.  Durchgenommen  sind : 
der  dativische  Infinitiv  nach  Verben  der  Bewegung,  archaisch,  aber 
auch  in  der  silbernen  Latinität;  der  Inf.  nach  kausativen  Verben  (er 
fehlt  nach  den  verbis  monendi);  nach  den  Zeitwörtern  des  Wollens, 
der  Begierde,  der  Überlegung,  des  Versuchens  und  Strebens,  sowie  denen 
der  negativen  Willensrichtung;  ferner  nach  „anfangen,  pflegen,  auf- 
hören u.  s.  w."  Es  ist  hierbei  der  Unterscliied,  ob  blofser  Inf  oder  Akk. 
c.  Inf.  steht  ,'^und  ob  der  Infinitiv  als  Subjekt  oder  Objekt  steht,  nicht 


288  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

berücksichtigt  (s.  die  vorige  Abhandlung!).  Es  folgt  der  Inf.  bei  Ad- 
jektiven und  Participien:  audax,  facilis.  nobilis,  lassus,  diguus,  paratus, 
datus,  nescius,  aptus,  inops,  cupidus,  cognitus  (in  der  Bedeutung  „ertappt"). 
Ein  Wortverzeichnis  bildet  den  Schlufs,  aber  eine  geordnete  Übersicht 
fehlt. 

P.  Lewicki.  De  natura  infinitivi  atque  usu  apud  Horatium,  prae- 
cipue  lyrico.     Pars  prior.     Progr.     Lemberg  1890,  25  S.     8. 

Eine  in  jeder  Hinsicht  unvollständige  Arbeit.  Der  Verfasser  be- 
kämpft die  übermäfsige  Annahme  von  Gräcisraen  und  sucht  nachzu- 
weisen, dafs  Horaz  das  lateinische  Sprachgefühl  mehr  achtete  als  andere 
Dichter.  Dem  widerspricht  aber  seine  Lieblingskonstruktion  des  Ad- 
jektivs c.  Inf. 

A.  Gramer,  Der  Infinitiv  bei  Manilius.  Commentat.  in  honorem 
Guil.  Studemund.    Separatabdruck.     Strafsburg,  Heitz,  1889,   17  S.  8. 

Es  fehlen  bei  Manilius  der  inf.  histo)'.  (leicht  erklärlich!)  und  der- 
jenige des  Ausrufs.  Neu  ist  der  Gebrauch  des  blofseu  Inf.  nur  nach 
terrere  (?),  notus  (aperire  =  gr.  iopi?),  uimis  (nosse  -^  satis);  ferner  der 
Akk.  c.  Inf.  nach  deprendere  (^^  cognoscere),  deflere,  difflcile  est.  Dann 
aber  ist  eigentümlich  der  häufige  Gebrauch  des  Infinitivs  als  Apposition, 
sowie  der  nicht  seltene  Wechsel  der  Infinitivkonstruktion  mit  Substan- 
tiven (doch  s.  schon  Horaz !);  besonders  hart  ist  in  dieser  Beziehung 
n,  570  inque  odium  generat  partus  et  mutua  velle  (=  et  in  mutua  velle), 
doch  vgl.  die  frühe  Substantivierung  von  velle,  amare,  vivere,  Arch.  f. 
lat.  Lex.  III,  90.  -  Der  inf.  praes.  act.  wird  bisweilen  durch  esse  mit 
dem  part,  praes.  umschrieben;  der  inf.  perf.  ist  nicht  selten  aoristisch; 
bei  den  zusammengesetzten  Inf.  fehlt  esse,  wie  auch  sonst,  häufiger. 
Übermäfsigen  Gräcismus  bekämpft  auch  Gramer,  doch  hat  Manilius 
immerhin  etwas  Fremdartiges  und  war  vielleicht  kein  echter  Eömer. 

H.  Bill,    Eine  Infinitivstudie.    Der  Infinitiv  bei  Seneca  tragicus. 
Progr.     Mähr.  Weifskirchen  1887,  30  S.     8; 
s.  Zeitschr.  f.  d.  östr.  Gymn.  39,  S.  377  f. 
An    die  Lehre    vom  Akk.  c.  Inf.   schliefst  sich  naturgemäfs  die- 
jenige der  oratio  ohliqua,  wo  nur  eine  Spezialschrift  vorliegt: 

A.  Reiter,  De  Ammiani  Marcellini  nsu  nrationis  obliquae.  l'rogr 
Amberg  1887,  78  S.     8. 

Die  eingehende  Arbeit  enthält  zunächst  eine  allgemeine  Einlei- 
tung (S.  1  — 10):  quam  lato  pateat  nomen  oratiouis  obliquae:  de  ora- 
tionum  rectarum  et  obliquarum  usu;  dann  de  ipsa  Ammiani  orationr 
obliqua.  Es  folgen  dann  3  Kapitel:  I.  de  verbis  quae  orationi  inducenclae 
inserviunt  (S.  11 — 12):  darunter  sind  manche  neue,  wie  librare,  mussi- 


Syntax.    Zeitwörter.    Participien.    (Deocke)  289 

tare,  arcessere  aa. ;  praecipeie,  jiiberc  steheu  auch  mit  blofsem  Inf.  und 
Dativ  c.  Inf.  ~  Nicht  selten  liängt  die  orat.  obl.  von  einem  Gerundium, 
einem  partic.  praes.,  auch  einem  part.  perf.  ab.  —  II.  de  pronominum 
usu  in  ipsa  orat.  obliqua  (S.  13-33):  Das  se  als  Subjekt  des  Akk.  c. 
Inf.  fehlt  oft  (wie  griechisch),  sese  steht  nur  XV,  3,  G;  etwa  12mal 
findet  sich  is  statt  des  Reflexivs  (für  die  1.  Pers,);  etwa  20  mal  statt 
der  2.  Pers..  die  nur  einmal  durch  ille,  viermal  durch  ipse  wiedergegeben 
wird.  Die  3.  Pers.  ist  meist  durch  hie  bezeichnet,  seltener  durch  is  und 
ille :  so  bleibt  auch  adhuc  (nie  ad  id  oder  illud  tempus) ;  dagegen  steht 
statt  hie  als  Adverb  stets  ibi,  illic  u.  s.  w.,  ebenso  tunc  statt  nunc.  — 
III.  de  verho  in  ipsa  erat,  obliqua  (S.  34—78),  d.  h.  über  die  Tempora 
und  Modi,  und  zwar  A.  in  sententiis  primariis;  B.  -secundariis.  Die 
aussagenden  Hauptscätze  stehen  378 mal  im  Akk.  c.  Inf.;  mit  quod  40 mal 
mit  Indikativ,  etwa  20 mal  (die  Angaben  variieren)  mit  Konjunktiv, 
und  zwar  ist  die  consec.  temp.  dabei  15mal  korrekt,  5— 7mal  inkorrekt 
(repraesentationis  causa);  imperativische  Sätze  stehen  im  imperf.  conj. 
58  mal  nach  einem  Präteritum,  8  mal  nach  einem  Präsens ;  im  praes.  conj. 
2 mal  nach  einem  Präteritum.  In  den  Fragesätzen  zieht  Ammian  (nach 
griechischem  Muster)  den  Indikativ  vor.  Auch  die  Nebensätze  stehen 
mannigfach  im  Indikativ,  wenn  sie  Thatsachen,  auch  künftige,  enthalten. 
Im  ganzen  kannte  Ammian  die  consec.  temp.  wohl  und  beobachtete  sie 
auch  meistens;  doch  weicht  er  gar  nicht  selten  ab  und  geht  weit  über 
die  archaische  Freiheit  hinaus.  Auch  kann  man  nicht  leugnen,  dals  er 
mit  Vorliebe  Seltenes  kultiviert  hat. 

Wir  kommen  zu  den  Participien: 

E.  F.  Tammelin,    De    paiticipiis    priscae  latiuitatis  quaestiones 
syntacticae.     Dissert.     Helsingfors  1889,  163  S.     8. 

Der  Verfasser,  ein  Schüler  Delbrücks,  lehnt  sich  in  der  Aus- 
führung an  die  Grammatiken  von  Dräger  und  Kühner  an.  Nach  einer 
kurzen  Einleitung  behandelt  er  in  3  Kajjiteln  das  partic.  appositivum, 
•praedtcativum ,  -absolutum  bei  Plautus  und  Terenz,  mit  genauer  Yer- 
gleichung  beider,  die  allerdings  keinen  wesentlichen  Unterschied  ergiebt, 
nur  dafs  Terenz  etwas  zurückhaltender  in  vulgären  Ausdrücken  ist,  eine 
auch  sonst  schon  vielseitig  konstatierte  Thatsache.  Demnach  bleibt 
Plautus  die  HauptquelJe,  und  er  nun  stimmt  durchaus  zum  sermo  co- 
tidianus.  —  Im  einzelnen  ist  Kap.  I  so  gegliedert,  dafs  zuerst  behan- 
delt wird  das  praesens  participii  (so  drückt  der  Verfasser  sich  aus),  und 
zwar  werden,  nach  einer  Vorbemerkung:  praesens  aoristiv'i  positum  expli- 
catur,  betrachtet:  A.  participia  quae  ad  suhjedum  spectant:  1.  partici- 
pium  est  proprie  positum;  2.  -videtnr  esse  aoristi  vi  positum;  B.  casus 
qui    non   sunt    suhjecti;  C.    participium    in  nomen  abiit:    1.    adjectiva; 

Jabresbericlit  für  Altiirthumswissi-uscliatt.    LXXVII.  l!d.  (189:^.  III.i       19 


290  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

2.  substantiva.  —  Ähnlich  ist  die  Disposition  der  Kapitel  II  und  III, 
enthaltend:  das  futurum  participii,  wobei  das  Gerundiv  nicht  berück- 
sichtigt ist,  und  das  perfedum  participii,  bei  dem  der  passive  und 
aktive  Gebrauch  unterschieden  werden.  Die  Ausführung  ist  sorgsam 
und  umsichtig,  der  lateinische  Stil  nicht  tadellos,  bisweilen  schwerfällig- 
upd  unklar.  —  Kap.  IV  enthält  einen  Überblick,  mit  Nachträgen  aus 
der  übrigen  archaischen  Litteratur,  die  sehr  viel  weniger  und  vielfach 
unsichere  Beispiele  liefert.  Die  Vergleichung  mit  der  klassischen  Zeit 
xeigtbei  Plautus  viel  Altes  und  Eigentümliches  erhalten:  wenn  das  partic. 
appositivum  und  absolutum  zwar  schon  archaisch  bekannt  waren,  so  hat 
der  Gebrauch  sich  doch  erst  später  vollständig  entwickelt;  das  partic. 
yraedicativum  dagegen  findet  sich  von  Anfang  an  zahkeich  und  mannig- 
faltig, meist  dem  Lateinischen  eigentümlich.  Überhaupt  lierrscht  mit 
Ausnahme  der  appositiven  Verwendung  grofse  Differenz  vom  Griechischen. 
Der  abl.  absolutus  wird,  mit  Delbrück,  als  Lokativ  aufgefafst.  Vgl. 
Arch.  VII,  296. 

Zu  vergleichen  sind  ferner  die  ,, Erläuterungen"  zu  meiner 
Schulgrammatik  S.  389— .S99. 

Alfr.  Koeberlin.  De  pai'ticipiorum  usn  Liviano  capita  selecta. 
Acta  semin.  philol.     Erlang.  V  (1891),  S.  66-120. 

Es  sind  2  Aufsätze:  1.  Die  kopulative  Verbindung  des  relativen 
mit  dem  absoluten  Particip.  Als  Beispiel,  wie  ungeschickt  die  latei- 
nische Behandlung  solcher  grammatischen  Fragen  ist,  führe  ich  folgende 
These  an,  die  für  die  Bücher  von  der  5.  Dekade  an  Gültgkeit  haben 
soll:  participium  quod  praecedit  relativum  perfecti  depouentis  ad  enuntiati 
subjeclum  referendum,  sequitur  interposita  particula  copulativa  ablativus 
absolutus,  (juo  uon  minus  quam  praecedente  (?)  participio  relative  signi- 
ticatur,  quid  fecerit  egeritve  is,  qui  subjecto  denotatur.  —  2.  Die  Ver- 
wendung des  partic.  fut.  act ,  mit  Vergleichung  des  Curtius  und  Plorus. 
Eine  feine  Beobachtung  ist,  dafs  Livius  nur  in  der  ersten  Dekade  dies 
Particip  als  Apodosis  eines  irrealen  Bedingungssatzes  gebraucht.  — 
Das  Material  ist  möglichst  vollständig  gesammelt  und  sorgsam  gruppiert. 
Es  bestätigt  sich  auch  hier  die  in  neuerer  Zeit  vielfach  aufgestellte 
Ansicht,  dafs  Livius  im  Verlauf  seines  Riesenwerkes  seinen  Stil  vielfach 
verbessert  und  gereinigt  hat,  namentlich  auch  von  Gräcismen. 

Eine  Bemerkung  über  das  appositive  Particip  macht  E.  Novotny 
in  einem  Aufsatz,  der  auch  anderes  behandelt,  in  der  Zeitschr.  f.  d. 
östr.  Gymn.  XXXIX,  357  ff. 

Zum  prädikativen  Particip  ist  von  besonderer  Wichtigkeit: 

Ph.  Thielmann,  habere  mit  dem  participium  perfecti  passivi. 
Arch.  f.  lat.  Lex.  Tl.     S.  372—423:  509-549. 


Syntax.    Zehwörter.    Participien.     (Dcecke.)  291 

Wie  die  beiden  oben  erwähnten  Untersuchungen  desselben  Ver- 
fassers über  den  Infinitiv,  geht  auch  diese  auf  die  romanischen  Sprachen 
hinaus,  nämlich  auf  die  Entstehung?  ihrer  zusammengesetzton  Pj-äterita. 
Ausgeschlossen  werden  bei  der  Abgrenzung  der  Erscheinung  zunächst 
die  Fälle,  in  denen  das  Particip  als  Attribut  zu  einem  mit  habere  ver- 
bundenen Nomen  gehört;  erste  und  einzige  Bedingung  ist,  dals  das 
Particip,  in  enger  Verbindung  mit  habere  stehend,  einen  Bestandtei 
des  Prädikats  bildet.  Man  hat  diese  Konstruktion  nun  bisher  viel  zu 
beschränkt  betrachtet:  sie  reicht  viel  weiter,  als  die  Grammatiker  an- 
geben. Von  änfserster  Wichtigkeit  ist  ferner  die  Wechselwirkung  und 
Wechselbeziehung  zwischen  den  beiden  Formeln:  est  mihi  aliquid  und 
habeo  aliquid  z.  B.  cognitum;  doch  läl'st  sich  nicht  in  jedem  einzelnen 
Fall  genau  bestimmen,  welche  Formel  jeweils  die  frühere,  und  welche 
die  durch  Frafoi-mung  entstandene  ist;  häufig  ist  diejenige  mit  habeo 
spezielles  Eigentum  der  Volkssprache.  Bei  der  nahen  Berührung  ferner 
der  Pavticipia  mit  den  Adjektiven  gehen  Verbindungen  von  habere  mit 
Adjektiven  unmerklich  in  solche  mit  Participien  über;  vgl.  carum  habeo 
mit  gratum  habeo,  das  schon  ursprünglich  Particip  war,  dann  mit  accep- 
tum  habeo.  übrigens  ist  die  Konstruktion  schon  archaisch  (Plautus), 
dann  sehr  häufig  bei  Cicero  u.  s.w.  Die  Bezeichnung  des  Zustandes, 
die  in  dieser  Konstruktion  liegt,  tritt  besonders  hervor,  wenn  die  Zeit- 
dauer noch  eigens  augedeutet  ist,  wie  durch  semper,  tamdiu,  oder  be- 
stimmt z.  B.  triduo;  auch  in  einem  Satze  mit  dum.  —  Bei  der  Auf- 
zählung der  einzelnen  Fälle  geht  der  Verfasser  aus  von  den  Verben 
-plagen,  quälen,  ärgern,  beunruhigen":  es  folgen  „spannen,  erschrecken, 
verachten,  vernachlässigen";  dann  „hassen,  beargwöhnen,  hochhalten, 
heilig  halten";  ferner  pensum  ,  ratum  und  irritum  habere;  „pflegen, 
schmücken,  reiuhalten".  Eine  grofsere  Gruppe  bilden  die  Zeitwörter 
-bereiten,  verbergen,  verschliel'sen,  fesseln,  binden',  bei  denen  aucl« 
tenere  üblich  ist;  hierauf  kommen  , trennen,  teilen,  bändigen";  viele 
Komposita  von  dare,  ponere,  statuere  (die  letzten  beiden  auch  als  simplicia) 
und  ihre  Synonyma;  ferner  „richten,  wenden;  befestigen;  erwerben, 
erlangen,  sammeln,  ergreifen":  andrerseits  ,,rauben";  im  Juristenlatein 
,,ne hm en,  kaufen,  pachten,  mieten,  vermieten;  schreiben"  und  Komposita. 
—  Der  zweite  Teil  der  Abhandlung  enthält  speziell  die  Verba,  welche 
eine  geistige  Thätigkeit  ausdrücken  und  bei  denen  jene  Konstruktion 
den  geistigen  Besitz,  das  aus  jener  Thätigkeit  resultierende  Wissen  be- 
zeichnet. Sie  werden  in  zwei  Gnippen  geteilt,  je  nachdem  sie  entweder 
überwiegend  mit  nominalem  Objekt  oder  mit  einem  abhängigen 
Satze  verbunden  sind:  als  Repräsentanten  gelten:  cognitum  habeo  ., ich 
kenne",  und  eompertum  habeo  „ich  weifs";  eine  dritte  Gruppe  bilden 
die  Ausdrücke  für  .,ich  habe   begriffen",    wie    coraprehensum    haben  . 

19' 


292  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

Es  werden  auch  die  Verstäikungeu  diu-ch  Adverbia  u.  s.  w.  behandelt, 
ferner  die  Variation  mit  pro  z.  B.  pro  certo  habere  u.  s.  w.  —  Ein 
Exkurs  (S.  511  ff.)  bespricht  einzelne  aul'serhalb  der  Ordnung- 
fitehende  Fälle,  wie  commendatum  (sp.ät  auch  im  Superlativ),  dictum 
und  Ähnliches,  concessura,  exhaustura  habeo  u.  s.  w.  Den  Schlufs 
bildet  eine  kurze  Nachlese,  verbunden  mit  einem  gedrängten  histori- 
schen Überblick  von  Plautus  bis  in  die  Karolingerzeit.  Die  bereits  er- 
starrte Verbindung  wird  im  gallischen  Vulgärlatein  schon  des  5.  Jahrh. 
wiedererweckt  und  neubelebt,  ausgebildet  durch  Gregor  von  Tours. 
Germanischer  Einfluis  bei  dieser  Neubildung  ist  nicht  anzunehmen  (?), 
dagegen  gebührt  den  Germanen  das  Verdienst,  das  neue  Element  in 
ihren  Gesetzbüchern  und  Formeln  in  ausgedehntester  Weise  verwertet 
zu  haben.  —  Die  Arbeit,  fleiltiig  und  sorgsam,  ist  doch,  wie  die  Inhalts- 
angabe zeigt,  etwas  mangelhaft  geordnet  und  untersucht  auch  die  Arten 
der  Objekte  bei  weitem  nicht  genau  genug. 

Mit  einzelnen  Parti cipien  beschäftigen  sich: 

Fr.   Kupfer,    Der    Gebrauch    des   Participiuras    iuif    -urus    bei 
■  Curtius.     Progr.     Cöslin,  1887,  10  S.     4. 

In  der  Einleitung  wird  das  Ergebnis  der  bisherigen  Forschungen 
für  die  klassische  Zeit  festgestellt:  1.  Das  part.  fut.  act.  erscheint  nie 
als  Substantiv;  2.  als  Adjektiv  oft  mit  esse,  videri;  selten  mit  anderen 
Adjektiven  durch  et  verbunden;  unbeschränkt  im  Gebrauch  sind  futurus 
und  venturus:  3.  als  verkürzter  Adverbialsatz  erscheint  es  nie.  Hiermit 
wird  nun  der  Gebrauch  bei  Curtius  in  etwa  300  Fällen  in  guter 
Statistik  verglichen.  Es  ergiebt  sich,  dafs  das  Particip  begegnet:  I  als 
Substantiv  2  mal.  — 11.  als  Adjektiv:  a.  futurus  5  mal;  b.  mit  esse 
187  mal;  c.  mit  videri  9  mal.  —  III.  als  verkürzter  Satz:  a.  für 
einen  Substantivsatz  1  mal;  b.  -  Adjektivsatz  18  mal  (7  mal  irreal): 
c.  -Adverbialsatz  71  mal:  3  mal  temporal,  16  mal  kausal,  2  mal  kon- 
dicional.  3  mal  koncessiv,  14  mal  modal,  33  mal  final.  —  Als  part.  con- 
junctuni  demnach  häufig,  findet  es  sich  im  abl.  absolutus  nur  3  mal; 
-urus  foret  VIII,  13,  18  steht  isoliert  (auch  sonst  selten).  —  Der  Ver- 
.  fasser,  schon  durch  eine  frühere  Abhandlung  über  Curtius  (1877)  be- 
kannt, hat  seine  Studien  über  diesen  Schriftsteller  mit  Erfolg  fortgesetzt 

J.  H.  Schmalz,  Ersatz  des  fehlenden  Particips  von  esse.  Jahrb 
f.  Philol.  143,  S.  352. 

J.  Weisweiler,  Das  lateinische  Participium  futuri  passivi  in 
seiner  Bedeutung  und  syntaktischen  Verwendung.  Paderborn,  1890, 
146  S.     8. 

Nach  einer  Vorerinnerung  (S.  1  —  5),  in  welcher  der  Verfasser 
mit  Recht  betont,  dafs  bei  den  Gerundialkonstruktionen  vom  part.  fut. 


Syntax.    Zeitwörter.    Gerundien.     (Deecke.)  293 

passivi  auszugehen  sei,  behandelt  er  1.  (S.  G— 21)  die  Benennungen; 
2.  (8.  21 — 37)  die  Et3^mologie;  er  sielit  in  nd  ein  passives  Korrelat^ 
zum  aktiven  nt,  und  stellt  legendus  zum  Futur  legeutur,  wie  legundus 
/.um  Präsens  leguntnr(!);  so  wird  auch -bundus  zum  Futurum  auf  -boi", 
-buntur  in  Beziehung  gesetzt  (?);  3.  Tempuscharakter  (S.  37 — 49); 
4.  GenusbedeutUDg  (S.  49 — 64):  ursprünglich  ist  die  passivische 
Bedeutung;  erst  allmählich  findet  der  Übergang  zum  aktivischen  Ge- 
brauche statt;  5.  Persönliche  und  uupersönliehe  Periphrasis  (S.  64—75): 
Verbindung  mit  dem  Akkusativ:  6.  Das  partic.  fut.  pass.  als  G  erun- 
divum  und  Gerundium  (S.  75—95;;  7.  Das  Gerundium  mit  Akk. 
des  Objekts  (S.  95  —  112);  8.  Tempusbedeutung  des  part.  fut.  pass. 
(S.  1 12—  1 43) ;  die  Futurbedeutnng  ist  überall  nachzuweisen ;  9.  Sc hlu fs- 
bemerkung:  „Die  Kategorie  des  Sollens  oder  der  zu  verwirklichenden 
Thätigkeit  ist  die  Quelle  der  verschiedenen  Verwendungen  und  der 
Schlüssel  zu  ihrem  Verständnis".  —  Im  ganzen  ist  dem  Verfasser  der 
Beweis  für  diese  These,  auf  Grund  eines  umfassenden,  sorgsam  ge- 
sammelten und  geordneten  Materials,  wohl  gelungen.  Der  etymologische 
und  sprachvergleichende  Teil  dagegen  sind  schwach.  —  Vgl.  noch  die 
Anzeigen  von  Fr.  Stolz,  Berl.  Philol.  Woch.  XI,  312  ff.;  Ihm,  Woch. 
f.  klass.  Philol.  VIII,  64  f.;  Gerstenecker,  Blatt,  f.  d.  bayr.  Gymn. 
XXVn,  563  ff. 

Ein  Teil  der  Untersuchung  ist  noch  speziell  eingehender  von 
demselben  Verfasser  behandelt  in: 

,1.  Weisweiler,  Der  tinale  genetivus  gerundii.  Ein  Beitrag  zur 
lat.  Kasuslehre.     Progr.     Köln,  1890,  23  S.     4. 

Das  allgemeine  Problem  ist  das  des  ad verbi eilen  Genitivs 
d.  h.  des  von  einem  Verb  um  abhängigen,  da  der  Genitiv  an  sich  ein 
adnominaler  Kasns  ist.  Der  Verfasser  erklärt  dies  so,  dafs  der 
Römer  den  im  Verbum  liegenden  substantiellen  Begriff  deutlicher 
empfand  als  wir,  und  dafs  der  Genitiv  eigentlich  von  diesem  substantiellen 
Begriffe  abhängig  zu  denken  ist  z.  B.  memini  —  memoriam  habeo; 
obliviscor  =  oblivionem  capio:  vgl.  i  espondere -- responsum  dare,  auch 
die  figura  etymologica.  Ähnlich  ist  es  mit  dem  von  Adjektiven  ab- 
hängigen Genitiv,  indem  z.  B,  cupidns  -.  cupiditate  incensus  ist.  Eine 
besondere  Art  des  adverbiellen  «Tenitivs  nun  ist  der  Genitiv  des  Zweckes, 
der  Absicht,  der  bei  esse,  videri,  coguoscere  aa.  vorkommt,  und  sonst 
bald  als  qualitativ  erklärt  ist,  bald  durch  Ergänzung  von  causa,  bald 
als  Gräcismus.  Er  begegnet  vereinzelt  bei  Cäsa)-,  häufiger  bei  Sallust 
und  Livius,  am  häufigsten  bei  Tacitus,  bei  diesem  auch  ohne  Anlehnung 
an  ein  Nomen  als  Subjekt  oder  Objekt,  das  auch  nur  vorschwebend 
gedacht  wird,  oder  cetera,  omnia,  quae  z.  B.  Ann.  II,  59  proficisicitur 


294  Lateinische  Graramatik.    (Deccke.) 

cognosceudae  aotiquitatis.    —    Vgl.  G.  Landgraf,    Arcli.  f.  lat.  Lex. 
VII,   295. 

Gleichzeitig  mit  den  Schriften  Weisweilers  erschien    von    mir: 

"W.  Deecke,  Beiträge  zur  Auffassung  der  lateinischen  Lifinitiv-, 
Geruudial-  und  Supinum-Konstruktiouen.  Progr.  Mülhausen  i.  E., 
1890,  50  S.     4. 

Darin  handelt  der  2.  Abschnitt  S.  43—  47  vom  Gerundium  und  Gt- 
rundivum.  Über  die  Etymologie  s.  die  Formenlehre  S.  Iü6  f.  Syntaktisch 
gehe  ich  aucli  vom  pari.  fiUt-  pass.  als  pari,  uecessitatis  aus,  das  etwas 
ausdrückt,  „was  (noch)  erst  gethau  werden  soll"  oder  „mufs",  also 
„(uoch)  nicht  gethau  ist**,  „was  daher  (noch)  zu  thun  ist'',  ,,(noch) 
gethan  werden  wird";  mit  der  Negation  „was  nicht  gethau  werden 
darf".  Das  Gerundium  ist  nur  das  unpersönlich  gebrauchte 
Neutrum  des  Gerundivs.  Die  gewöhnliche  Auffassung  der  Schul- 
grammatiken daher  von  der  Umwandlung  des  Gerundiums  mit  nähereju 
Objekt  in  das  Gerundivum  ist  falsch:  die  Geruudivkonstruktion  ist 
älter,  der  Akk.  beim  Gerundium  ist  als  näheres  Objekt  eigentlich  spracli- 
widi'ig,  ausgenommen  als  Neutrum  eines  Pronomens  oder  Adjektivs,  wo 
er  eigentlich  Akk.  der  Beziehung  ist,  der  ja  auch  beim  Passiv  stehen 
kann.  Von  hier  aus,  unter  Mifsverständnis  der  Gerundivkonstruktion, 
hat  sich  erst  jener  Sprachgebrauch  des  Gerundiums  mit  Akkusativ  ent- 
wickelt: daher  ist  er  auch  seltener,  nur  unter  gewissen  Umständen  zu- 
lässig, und  die  Gerundivkonstruktion  die  regelraäfsige.  Ich  weise  die 
ursprünglich  passivische  Bedeutung  nun  für  die  einzelueu  Kasus  nach 
z.  B.  Genitiv:  spes  vincendi  „die  Hofifnang,  es  müsse  gesiegt  werden" 
(vgl.  den  Akk.  c.  Inf.  Fut.  bei  sperare);  ars  scribendi  „die  Kunst,  wie 
geschrieben  werden  mui's" ;  tempus  abeundi  „der  Zeitpunkt,  dafs  (in  dem) 
weggegangen  werden  mufs":  inops  suadendi  „hülflos,  wie  geraten  werden 
müfse";  memor  tacendi  ,, eingedenk  dessen,  dafs  geschwiegen  werden 
mufs".  So  heilst  denn  spes  hostis  vincendi  ,,die  Hoffnung  auf  den  Feind 
als  einen,  der  besiegt  werden  mufs  oder  wird";  ars  agri  colendi  ,,die 
Kunst,  wie  der  Acker  bebaut  werden  mufs"  u.  s.  w.  —  Dativ:  scri- 
bendo  adesse  ..zugegen  sein,  damit  werde  g-eschiiebeu  werden";  utilib 
bellando  , .nützlich  für  den  Fall,  dafs  Krieg  wird  geführt  werden  müssen," 
also  auch  ^--  utilis  hello  gerendo;  praeesse  navi  acdificandae  ,, einem  zu 
bauenden  Schiffe  vorstehen".  —  Akkusativ:  ad  spectandum  ,, damit 
werde  geschaut  werden";  so  auch  ad  spectandos  ludos;  ebenso  ob  ten'en- 
dum  oder  teiTendos  bestes.  —  Ablativ:  disserere  de  philosophando 
.,erörtern,  wie  philosophiert  werden  mufs" :  -  de  exsequeudo  fuuere  ,,- wie 
der  Leichenzug  ausgeführt  werden  soll".  —  Dafs  zunächst  der  Begi'iff 
der  Notwendigkeit  .sich  zu  dem  der  blofsen  Zukunft  abschwächte, 


Syntax.    Zeitwörter.    Ablativus  absolutus.     (Deecke.)  205 

ist  leicht  erklärlich;  dieser  aber  ging  wieder  in  den  der  Gegenwart 
über  z.  B.  disceudo  „dadurch  dals  gelernt  werden  mul's" ,  dann  ,,-  ge- 
lernt werden  wird",  endlich  „-gelernt  wird",  frei  übersetzt  „durchs* 
Lernen".  —  Dafs  die  Konstruktion  des  Gerundiums  mit  Äkk.  die  spätere 
ist,  geht  auch  daraus  hervor,  dals  sie  in  den  anderen  italischen  Sprachen 
fehlt,  während  das  Umbrische  die  Gerundivkonstruktion  kennt,  das 
Oskische  die  prädikative  des  Particips.  —  Der  Dativ  der  Person  ist 
ursprünglich  von  esse  abhängig  z.  B.  mihi  est  —  cundani. 

An    die    Lehre    vom    Participium    schlielst    sich    diejenige    vom 
ablativus  absolutus,  s.  schon  oben  Tarn meliu  S.  289. 

Weihenmajer,  Zur  Geschichte  des  absoluten  Particips  im  Latei- 
nischen.    Progr.     Reutlingen,   1891.  42  S.     4. 

Die  Entstehung  des  abl.  absolutus  ist  prähistorisch  (?);  das 
Particip  ist  in  der  absoluten  Konstruktion  prädikativ  (?),  nicht 
appositiv.  —  Im  Plautus  findet  sich  ein  zwischen  dem  qualitativen 
und  absoluten  Ablativ  stehender  in  folgenden  Arten :  1.  bei  Noraiuibus, 
vorübergehende  Zustände  bezeichnend:  a.  zum  Subjekt  z.  B.  homo  ignota 
facie;  b.  zu  einem  prädikativen  Nominativ  z.  B.  fit  magister  uncto 
linteo ;  c.  zum  Objekt  z.  B.  meretricem  patre  et  matre  Atticis.  —  2.  beim 
Prädikat  z.  B.  egredior  defaecato  animo;  incedit  cassanti  capite.  — 
3.  zu  esse  z.  B.  bouo  animo.  —  4.  zum  Verb  allein  (mit  2.  sich  be- 
rührend) z.  B.  iguoscere  animo  aequo;  merito  meo:  jussu,  arbitratu 
meo  u.  s.  w.  Andrerseits  geht  dieser  Ablativ  in  5.,  den  eigentlichen 
abl.  abs.,  über  z.  B.  in:  couceptis  verbis  jurare;  dedita  opera;  reiictis 
rebus;  re  bene  gesta,  und  in  anderen  adverbialen  Formeln;  ferner  im 
Ablativ  mit  sciente,  absente,  praesente,  lubente,  invito,  vivo  u.  s.  w.  — 
Der  eigentliche  abl.  absolutus  dagegen  5.  gehört  zum  ganzen  Satze. 
Hauptwort  und  Nebenwort  im  abl.  abs,  gehörten  von  Anfang  an  zu- 
sammen und  bildeten  zusammen  eine  Erweiterung  des  Satzbegriffes. 
Vielleicht  folgte  die  Satzbegriffsbestimmung  in  dieser  nominalen  Form 
der  Analogie  der  Wortbegriff'sbestiramung  (?).  Der  Ablativ  geht  in 
dieser  Bedeutung  meist  auf  den  Lokativ  „gleich  nach"  zurück  (viel- 
mehr ist  diese  Bedeutung  echt  ablativisch!).  Dem  abl.  abs.  fehlt 
der  adverbiale  Charakter  nicht.  Im  ganzen  erscheint  er  bei  Plautus 
formelhaft,  teils  vulgär,  teils  parodistisch  (?).  —  Auch  bei  Terenz  be- 
gegnen alle  5  obigen  Kategorieeu;  ebenso  in  den  Resten  der  Dramatiker. 
Die  Inschriften  offizieller  Art,  auch  die  Gesetze,  bieten  geringe 
Ausbeute.  Kato  de  re  rust.  hat  nichts  Neues:  dagegen  braucht  Varro 
de  re  rust.,  wenn  er  auch  nicht  wesentlich  abweicht,  den  abL  abs.  doch 
schon  freier,  weniger  formelhaft.  —  Weiter  geht  die  Untersuchung  nicht. 

In  meinen  „Erläuterungen"  zur  lat,  Sclmlgrammatik,   S.  393 — 7 


29t)  Lateinische  Giammatilc.     (Deecke.) 

fasse  ich  deu  abl.  abs,  uispiünglich  als  cineu  abl,  teiapoiis  aaf  die 
Fi'age  „wober?",  dann  auf  die  Frage  ..wann?",  infolge  von  Vermengung' 
'  mit  dem  Lokativ.  So  heilst  Gallis  devictis  „von  der  Besiegung  der 
Gallier  her",  „gleich  nach  der  Besiegung  der  Galliei''  (s.  ob,!);  es  ist 
also  dem  Sinne  nach  ein  ab,  de,  ex  zu  ergänzen.  Auf  die  Frage  „wann  .*" 
steht  z.  B.  Romulo  rcgnante ;  vgl.  belle  Punico  secuudo,  prima  pueritia 
(ohne  in).  Das  Particip  ist  appositiv,  resp.  attributiv  z.  B.  ,,von  den 
besiegten  Galliern  her",  ,,zu  Zeiten  des  Romulus  als  Königs"  oder 
,,-  des  Königs  Komulus".  Die  Entstehung  des  abs.  abs.  aus  einem  ver- 
kürzten Satze  ist  eine  irrtümliche  Fiktion  der  Grammatiker:  allerdings 
kann  er  durchweg  in  einen  solchen  aufgebist  werden. 
Speziell  ist: 

Guil.  Adams.  De  ablativi  absoluti  apud  Q.  Cnrtiuni  Rufum  usu. 
I)issert.     Marburg  1886.  56  S.     8. 

Die  Arbeit  zerfällt  in  3  Kapitel:  1.  Formen  des  abl.  abs.  A.  mit 
nominalem,  adjektivischem,  substantivischem  Prädikat;  B.  mit  partici- 
pialem  Prädikat,  und  zwar  im  besonderen  mit  Futurum,  Deponens,  Semi- 
deponens.  —  11.  Arten:  A.  im  besonderen  koncessiv  und  kondicional; 
B.  logisches  Subjekt  des  abl.  abs.  im  Perf.  Pass.  —  III.  Besonder- 
heiten: A.  1.  im  Hauptsätze  ausgedrücktes  Subjekt;  2.  abl.  abs.  mit 
Prädikatsnomen  oder  attributivem  Participium:  3.  abl.  abs.  mit  ausge- 
lassenem Subjekt.  —  B.  1.  Stellung  des  Subjekts  im  Hauptsatze;  2.  -  im 
abl.  abs.  —  C.  Beispiele  mehrerer  abl.  absoluti  in  einem  Satze.  — 
Es  fehlt  die  historische  Vergleichung,  sowie  eine  allgemein  grammatische 
Sntwickelung:  auch  ist  die  Disposition  mangelhaft. 

Vom  Supinum  handelt: 

Nils  Sjöstrand,  De  vi  et  usu  supini  secundi  Latinorum.  Lund 
.  1891,  54  S.     8. 

Xach  einer  kurzen  praefatio  folgen  6  Kapitel:  1.  de  vi  et  signi- 
ücatioue  supinorum:  das  supinum  II  ist  sowohl  aktiv  als  passiv  (?,  s. 
unten!).  —  2.  Von  deu  621  gesammelten  Fällen  sind  57  zweideutig,  wo 
auditu.  cantu,  cultu  aa.  nicht  als  Supina  zu  betrachten  sind,  sondern 
als  Substantiva,  ein  oft  schwierig  zu  bestimmender  Unterschied,  da  -wohl 
'iirsprüngliche  Identität  vorliegt  und  in  jedem  einzelnen  Fall  für  sich 
entschieden  werden  muis.  ob  der  Verbal-  oder  der  Substantivbegriff  über- 
wiegt. —  3.  quae  voces  cum  sup.  II  conjungantur :  es  werden  80  Ad- 
jektiva  aufgezählt,  4  Substantiva:  fas,  nefas,  scelus,  opus,  und  2  Verba: 
redeo  obsonatu  (4 mal);  surgo  cubitu  (Kato).  —  4.  supina  II  afferuntur: 
8.5,  am  häutigsten  auditn,  dictu,  aditu,  factu,  relatu,  intellectu,  memo- 
ratu,  cognitu,  aspectu,  tactu,  inventu,  visu.  —  5.  Stellung:  oft  ist  esse 
zwischengestellt,  andere  Wörter  selten:  447 mal  geht  das  regens  voran; 


Syntax.    Zeitwörter.     Supina.    Satzlehre.    (Deecke.)  297 

170 mal  das  supiiumi.  —  <).  quao  enuutiata  ad  sup.  II  referantur:  indi- 
rekte Fragesätze,  Infiu.  und  Akk.  c.  Inf.,  selten  ut;  bisweilen  Umstände 
mit  de.  —  Es  fehlen  Untersuchungen  über  Herkunft,  inneres  Wesen  und 
Geschichte  des  Snpinums.  Die  bis  Hadrian  gehenden  Sammlungen  sind 
Heifsig-. 

J.  A.  Auren.  Supinum  aktivum  och  neutrum  av  pait.  passivuni. 
Stockholm,  Norstedt,  38  S.     8. 

Zu  vergleichen  sind  auch  S.  48 — 50  meines  oft  erwähnten  Mül- 
hauser  Programms  von  1890,  wo  ich  die  innige  Zusammengehörig- 
keit beider  Supina  als  Akk.  und  Abi.  Sg.  des  Verbalabstraktums  auf 
-tus,  resp.  -sus,  Genit.  -lis  hervorgehoben,  und  nachgewiesen  habe,  dals 
auch  das  zweite  Supinum  überall  aktivisch  ist.  und  zwar  als  abl. 
limitationis,  z.  B.  facile  factu  „leicht  zu  thun",  wie  gr.  yaXsTtov  r.oith; 
(loch  ist  dieser  scheinbare  Ablativ  eigentlich  Lokativ,  also  „es  ist  leicht 
imThuu-':  vgl.  damit  den  wirklichen  Ablativ  in:  oves  pastu  redeunt 
(s.  oben  obsonatu.  cubitu). 

Den  letzten  Hauptabschnitt  der  Syntax  bildet  die  Satzlehre. 
Hier  erwähne  ich  zuerst  die  Frage  der  subjektlosen  Sätze: 

A.  Puls,  über  das  Wesen  der  subjektlosen  Sätze.  2  Progr. 
Flensburg  1888  u.   1889;  26  u.  22  S.     4. 

Das  erste  Programm  enthält  in  2  Kapiteln  Weg  und  Methode 
der  Untersuchung,  mit  einem  ziemlich  reichen,  aber  etwas  wirren  Ma- 
terial aus  den  verschiedensten  Sprachen.  S  19  kommt  der  Verfasser 
zum  Lateinischen,  das  die  Naturvurgänge  subjektlos  auszudrücken 
priegt;  Deutungen,  wie  Juppiter  tonat,  caelum  advesperascit  sind  erst 
nachträglich  gemacht.  Cicero  hat  nur  fulget,  lucet,  in  den  Briefen  ein- 
mal luciscit;  nachklassisch  sind  gelat,  rorat;  aber  archaisch-vulgär  finden 
sich  diese  Impersonalien  in  grofser  Zahl:  so  bei  Piautns,  Kato,  Vai'ro, 
auch  deponentisch  caletur  neben  calet,  nubilabitur  neben  nubilat:  so 
auch  spät  bei  Apulejus  pluitur  statt  pluit.  Die  Ausdrücke  für  Reif  und 
Tauwetter  fehlen.  Immerhin  ist  diese  Ausführung  sehr  skizzen-  und 
mangelhaft,  s.  die  Anzeige  von  A.  Miodonski  im  Arch.  f.  lat.  Lex. 
V,  301  tf.  —  Das  zweite  Programm,  gleichfalls  in  2  Kapiteln,  behan- 
delt zuerst  die  Frage:  Welche  Form  der  meteorologischen  Sätze  ist  die 
ursprüngliche?  die  subjektivische  oder  die  subjektlose?  Die  Antwort 
lautet,  gegen  Benfey,  .,die  subjektlose".  Die  subjektivisch  auftretenden 
meteorologischen  Sätze,  wie  „der  Himmel  regnet".  ,Gott  regnet",  kommen 
per  nefas  zu  ihrem  Subjekte,  da  zunächst  durch  einen  Trugsclilufs  (?) 
der  Ort  der  Erscheinung  für  den  Grund  derselben  angesehen  wurde; 
von  hieraus  gelangte  man  darauf  zu  den  dort  als  herrschend  angf- 
üommenen  göttlichen  Wesen,    Ursprünglich  dagegen  wurden  die  Natur- 


298  Lateinische  Grammatik.     (Deecke). 

Vorgänge  als  bloise  Thätigkeiten  aufgefafst;  s.  das  Schema  S.  37.  — 
Das  vierte  Kapitel  stellt  die  Frage:  „Gestattet  die  grammatische 
Form  der  subjektlosen  Sätze  einen  Schlufs  auf  den  ihnen  zugrundi^ 
liegenden  Denkakt?  Dies  wird,  gegen  Siegwart,  bejaht:  vgl.  die  An- 
zeige von  A.  Miodonski,  Archiv  f.  lat.  Lex.  VI,  577. 
Die  eben  erv/ähnte  Schrift  Siegwarts  lautet: 

Chr.  Sieg  wart,  Die  Impersonalien,  eine  logische  Untersuchung. 
Freiburg  i.  B.  1888,  78  S.     8. 

Der  bekannte  Philosoph  fragt  zuerst  vorsichtig:  „Sind  die  Im- 
personalien alle  von  einer  und  derselben  Art?'"  und  antwortet  mit 
Nein!  Es  giebt  scheinbare  und  echte  Impersonalien,  doch  mit  unmerk- 
lichem Übergang  in  einander.  Es  werden  dann  10  Gruppen  von  Imper- 
sonalien festgestellt.  —  Zweitens:  j.Wie  verhalten  sich  diese  gi-amma- 
tisch  subjektlosen  Sätze  zur  logischen  Lehre  vom  Urteil?"  —  Die  Ant- 
wort fällt  aulserhalb  der  Grenzen  dieser  Übersicht. 

Eine  weitere  Untersuchung  giebt: 

Fr.  Schröder,  Die  subjektlosen  Sätze.    Progr.    Gebweiler  1889, 
13  S.     4. 

Nach  einer  Zusammenstellung  der  bisherigen,  ziemlich  reichhaltigen 
Litteratur  werden  die  beiden  einander  gegenüberstehenden  Ansichten 
von  der  Eingliedrigkeit  oder  thatsächlichen  Subjektlosigkeit  (Bren- 
tano, Miklosich,  Marty)  und  von  der  Zweigliedrigkeit  des  Urteils, 
also  mit  inhärierendem  Subjekt  (Schuppe :  Siegwart,  wenigstens  gröfseren- 
teils,  s.  ob.!:  Paul),  festgestellt,  erörtert,  abgewogen,  und  endlich  das 
Urteil  zu  Gunsten  der  ersteren  Ansicht,  als  der  einfacheren  und  kla- 
reren, abgegeben.  Zwischen  dem  faktisch-subjektlosen  und  dem  blofsen 
Existenzialurteil  sei  kein  Unterschied  zu  machen,  denn  z  B.  .,e8  blitzt" 
und  ., blitzen'  sei  logisch  identisch.  —  Nun  beweist  aber  gerade  der 
grammatische  Unterschied  der  beiden  Formen,  dafs  sie  psycholo- 
gisch nicht  identisch  waren,  also  aus  verschiedenen  Vorstelluugsakteu 
hen'orgingen.  Es  wird  in  jeuer  Ansicht  unsere  modern  abstrakte  Auf- 
fassung mit  der  sinnlich  lebendigen  des  sprachschöpferischen  Geistes  altei' 
Zeit  verwechselt.  In  fulget  ,, blitzt''  liegt  das  Subjekt  im  schliefsenden 
t,  dem  Zeichen  der  dritten  Person,  so  dafs  darin  die  Thätigkeit  einer 
von  dem  Redenden  und  Angeredeten  verschiedenen,  wenn  auch  unbe- 
stimmten. Person  augeschaut  wurde:  tritt  im  Deutschen  .,es'',  frz.  il 
vor,  so  ist  die  Person  sogar  doppelt  ausgedrückt,  deutsch  sächlich,  frz. 
männlich.  Der  Inf  ,, blitzen"  dagegen  bildet  keinen  Satz:  er  ist  nur  zu 
einem  solchen  zu  ergänzen,  wenn  man  hinzudenkt:  ,,er  ist",  nämlich  „im 
Blitzen",  nach  der  ursprünglich  lokativen  Bedeutung  des  Infinitivs;  vgl 
mein  Buchsweiler  Progr.  v.  1887,  S.  5  und  meine  Erläuterungen  S.  314. 


Syntax.     Satzlehre     Subjektlose  Sätze.    Beiordnung.    (Deecke.)     299 

Die  beiden  eben  erwälmteu  Schiifteu  von  niii-  sind  ancli  in  der 
Frage  der  Bei-  und  Unterordnung-  zu  Rate  zu  ziehen,  eretcre  be- 
sonders im  3.  Kapitel,  S  12  —  18,  wo  der  allmähliche  Übergang  der 
Beiordnung  durch  5  Stufen  in  die  Unterordnung,  hauptsächlich  fürs 
Deutsche,  nachgewiesen  worden  ist;  die  „Erläutcriiiige]i"  8.  412  tf. 

Einzelne  hierhergehörige  Arbeiten  sind: 

Ed.  Becker,  Beiordnende  und  unterordnende  Satzverbindung  bei 
den  altrömischen  Bühnendichtern.  Erster  Teil.  Progr.  Metz  1888, 
30  S.     4. 

Voran  gehen  einige  allgemeine  Betrachtungen:  die  Beiordnung 
ist  von  gi'öfserer  Einfachheit  und  kürzer,  daher  der  Umgangssprache 
eigen,  die  in  der  Konveisation,  besonders  der  Komödie,  die  Bühne  in 
Besitz  nahm.  Sie  ist  doppelter  Art:  unmittelbar  und  mittelbar: 
ersteres  bei  Aussage-  und  Fragesätzen,  letzteres  bei  begründenden,  fol- 
gefnden,  entgegenstellenden  Sätzen.  Waren  auch  in  der  letzteren  Art 
ursprünglich  beide  Glieder  gleich,  so  wurde  doch  durch  die  Haupt- 
betonnng  des  Hauptgedankens  der  erste  leise  Schritt  zur  Unter- 
ordnung gemacht  (vgl.  mein  oben  erwähntes  Programm  S.  13  ff'.,  wo 
., Pause"  und  , .Stellung"  hinzugefügt  sind).  Es  treten  dann  3  Über- 
gaugsformen  ein:  1.  enger  Anschluls  eines  konjunktivischen  oder  opta- 
tivischen Satzes  ohne  Partikel  oder  Fürwort  an  einen  anderen  von 
logisch  wichtigerem  Inhalt:  2.  -  mit  satzverbindendem  Pronomen 
(oder  Konjunktion) ,  schon  fester  augeknüpft;  3.  -  mit  Korrelation, 
festestes  Band  (vgl.  auch  hierzu  mein  Progr.  S.  15  ff.!).  —  Der  erste 
Abschnitt  nun  behandelt  die  beigeordneten  Substantivsätze  der  alt- 
römischen Bühnendichtung,  und  zwar  §1  die  Aussagesätze,  die  unter- 
geordnet   mit   inf. .  acc,  c.  inf.,    quod   gegelsen  werden    (auch  ut  aa.) 

1.  als  Subjekt;  2.  als  Objekt,  mit  mehreren  Unterabteilungen.  Als 
Ergebnis  werden  S.  29  drei  Ursachen  der  Lockerung  der  Verbindung 
hingestellt:    1.    das  Korrelativum    fehlt   in   einem  oder  beiden  Sätzen; 

2.  die  direkte  Rede  wird  einem  Anderen  in  den  Mund  gelegt  (nach 
verbis  die.  et  sent.);  3.  der  Gedanke  des  Inhaltssatzes  überwiegt.  — 
Weiter  reicht  leider  die  tüchtige  Arbeit  nicht. 

J.  B.  Weifsenborn.  Parataxis  Plautina.  Progr.  Burghausen 
1884,  22  S.     8. 

Ergänzung  von  Dräger  II-,  213—21.  Bei  bekannteren  Sprach- 
erscheinungeu  sind  ausgewählte,  bei  seltneren  sämtliche  Beispiele  ge- 
geben, im  ganzen  recht  sorgfältig  ausgeführt,  doch  ohne  besonders  neue 
Resultate.  Nach  faxo  folgt  auch  der  conj.  praes.  (gegen  Madvig-Lübbert). 
Im  Epiphonem  finden  sich  noch  nicht  tarn  und  adeo,  wohl  aber  ita,  sie, 
is,  tantus. 


300  Lateinische  Grammatik.     (Deecke.) 

A.  Weninger,  De  parataxis  in  Tcrenti  fabulis  vestigiis.  Dissev- 
tat.     Erlangen  1888,  114  8.     8. 

Terenz  hat  die  Hälfte  der  archaischen  Formen  des  Plautus  ab- 
geworfen; auch  der  SatzLau  ist  ein  anderer.  Die  bei  Plautus  noch 
häutige  Parataxis  statt  eines  Substantiv-,  Final-,  Kondicional-.  Kon- 
cessivsatzes  u.  s.  w.  fehlt  bei  Terenz;  ebenso  in  den  Komikerfragmenteu. 
Die  dem  Terenz  noch  eigenen  Parataxen  stammen  weder  aus  Plautus, 
noch  aus  dem  Grriechischeu ,  sondern  sind  Eigentümlichkeiten  der  Um- 
gangssprache, z.  T.  bis  in  die  Augusteische  Zeit  nachweisbar.  Vgl. 
Weifsenborn  im  Arch.  f.  lat.  Lex.  II,  138. 

Ich  gehe  zu  den  beiordnenden  Konjunktionen  über:  vgl. 
meine  ..Erläuterungen"  S.  305—9;  402—9. 

H.  C.  Eimer,  The  copulative  conjunctions  Que,  Et,  Atque  in  the 
iuscriptions  of  the  Republic,  in  Terence  and  in  Cato.  Amer.  Journ. 
of  Philol.  1887,  S.  292  tf.     Reprint.     Baltimore  1888,     40  S.     8. 

Mühsame,  dankenswerte  Statistik,  geeignet,  die  bisherigen  An- 
nahmen zu  verbessern,  auch  für  einzelne  Konjekturen  von  Belang.  In 
den  Gesetzen  tritt  das  Bestreben  hervor,  -que  zur  einzigen  Kon- 
junktion der  Verbindung  zu  machen  (?),  während  in  den  anderen  In- 
schriften et  überwiegt;  atque  ist  selten,  und  ac  tindet  sich  nur  7mal 
in  Inschriften,  stets  vor  Konsonanten.  Auch  Kato  hat  ac  nui-  3 mal. 
während  Terenz  es  vor  Konsonanten  (aufser  h)  regelmäfsig  braucht.  -^ 
Ein  Bedeutungsunterschied  läfst  sicli  nicht  erkennen.  Die  An- 
hängung des  -que  an  ein  kurzes  e  begegnet  in  Inschriften  nur  7  mal 
(stets  an  aktiven  Infinitiven),  bei  Terenz  Imal,  bei  Kato  4 mal  (beueque): 
s.  darüber  S.  301.  An  PräJpositionen  hängt  sich  -que  in  den  Inschriften 
ohne  Unterschied,  bei  Terenz  nur  3  mal,  bei  Kato  2mal.  An  das  Re- 
lativ tritt  -que  in  den  Inschriften  regelmäfsig,  wenn  schon  ein  Relativ 
vorhergeht,  sonst  überwiegt  et;  bei  Terenz  und  Kato  wird  et  in  allen 
Fällen  vorgezogen:  jener  hat  -que  am  lielativ  nur  4 mal  (davon  Inial 
ohne  vorhergehendes  Relativ),  dieser  2  mal  (beidemal  nach  Relativ).  Im 
ganzen  findet  sich  -que  in  den  Inschriften  340 mal,  et  215 mal,  atque 
(ac)  20 mal;  für  Terenz  sind  die  Zahlen  115,  525,  27G;  für  Kato  224, 
529,  94.  Der  2.  Teil  der  Schrift  enthält  sämtliche  Stellen,  syste- 
matisch geordnet.  Zu  unterscheiden  wäre  gewesen  prosaische  und  poe- 
tische Diktion,  wegen  des  Einflusses  des  Metrums.  Vgl.  meine  Anzeige 
in  der  Berl.  Philol.  Woch.  IX,  1344. 

Hierher  ferner: 

0.  Rieraann,  Place  de-que  ä  e6t6  des  adjectifs,  prec^des  de  tarn. 
Revue  de  philol.  XIII,  85. 


Syntax.    Satzlehre.    Beiordnung.    (Deecke.)  301 

Derselbe,  Faesulas  iiiter  Arretiumque.  Note  de  grammaire. 
Ebdt.  XIII,  132. 

J.  van  Vliet,  Insolens  conjunctionis  et  iu  sententia  locus.  Mne- 
mos.  XIX,  394  ff. 

A.  Meillet,  et  non.     Rev.  d.  philol.  XII,   172. 

Job.  Seiler,  De  particiilis  copulativis  quaestioues  gramniaticae 
et  metricae.     Diesert.     Halle  1891,  37  S.     8. 

An  welche  "Wörter  wird  -que  nicht  oder  nicht  g-eru  gehängt? 
Die  Beobachtungen  sind  gestützt  auf  Cäsar.  Cicero  (teilweise)  aa., 
besonders  aber  Vellejus  und  Sueton,  andrerseits  auf  Vergil,  Horaz, 
Ovid.  Tibull,  Properz.  .Juvenal  aa.,  immerhin  aber  nur  auf  einen  will- 
kürlich ausgewählteti  Teil  der  klassischen  und  silbernen  Litteratur.  Die 
auf  S.  34  gegebenen  Resultate  für  die  Prosaiker  lauten:  1.  Keiner 
der  betrachteten  Prosaiker  hat  -que  hinter  Guttural  oder  -e,  ausge- 
nommen sehr  wenige  Stellen  bei  Cicero  de  ofticiis,  Cäsar  bell.  Afric, 
Vellejus  (später  die  Script,  bist.  Aug.);  vgl.  dazu  oben  Eimer  und 
unten  Müller!  —  2.  Vellejus  und  Sueton  meiden  -que  hinter  ZAvei 
kurzen  Silben,  die  nicht  leicht  in  eine  zusammengezogen  werden 
können,  wie  -ia,  -ua,  -cula  (^^ -ja,  -va, -cla);  nicht  hinter  einer  kurzen 
(aufser  -ä);  die  brevis  erhält  den  Ton  nicht.  —  8.  Bei  mehr  als  vier- 
silbigen Wörtern  zieht  Sueton  et  und  ac  vor:  Vellejus  hat  bei  fünf- 
silbigen  noch  meist  -que,  bei  mehr  als  füufsilbigen  alle  3  ohne  Unter- 
schied; ganz  fehlt  -que  nach  langen  Wörtern  weder  bei  Cäsar,  noch 
Vellejus,  noch  Sueton.  —  4.  Am  Satzschlufs  haben  -que  Livius  und 
Sueton  bisweilen.  Cäsar  selten  und  nur  nach  Nominibus:  Vellejus  und 
Cicero  (?)  nie:  Nepos  einmal.  —  Über  die  Dichter  heifst  es  S.  29: 
8elten  steht  -que  nach  -e;  et  trajectura  begegnet  bisweilen  nach  einem 
Vokal  in  arsi;  -que  wird  besonders  gemieden  nach  einem  spondeus  in 
einem  Wort,  ausgenommen  bei  einzelnen  Dichtern,  die  dies  im  1.  und 
4.  Fufs  des  Hexameters  zulassen.  —  Von  den  beiden  genauer  durch- 
forschten Prosaikern  wird  eine  allgemeine  Statistik  gegeben:  Danach 
hat  Vellejus  circa  600  !  460  Beispiele  für  et  und  et .  .  .  et;  660  für 
-que:  190  für  ac  (atque);  Sueton  2300  —  1500—950.  —  Dafs  -que 
nicht  an  sie.  tunc,  nunc  tritt,  hatte  schon  Madvig  beobachtet,  es  aber 
der  demonstrativen  Kraft  des  c  zugeschrieben. 

H.  .1.  Müller,  -eque  bei  Livius.    Rhein.  Mus.  XLIII.  S.  637— 9. 

Berichtigung  von  AI.  Harant.  Eniendationes  et  adnotationes  ad 
T.  Livium,  13.  —  Es  begegnet  -eque  im  Livius  nur  viermal:  VIII, 
9,  7  morteque  in  formelhafter  Verbindung:  11.  33.  7.  wohl  zu  bessern: 
caedeque  in  proxima  [parte]  urbis  facta;  XXI,  39,  2  tabeque:  XLI, 
25,  6    mauereque    id    decretum;    zu    tilgen   ist  XXXV,  32,  2   inde[que]. 


302  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

Cäsar  hat  im  bell.  Gall.  III,  97,  3  commodioreque  itiuere,  wobei,  wie  iu 
einig-en  der  obigen  Stellen,  w^as  zu  beachten  ist,  ein  Vokal  folgt,  so  dals 
das  -e  von  -que  in  rascher  Lektüre  elidiert  werden  konnte. 

U.  Riemann.  tamquam  dans  la  pensee -^fjie.  Rev.  de  philol.  XV, 
1891,  S.  174  ff. 

P.  Stamm,  Die  Partikelverbindung  et-quidem  bei  Cicero.  Progi\ 
Rössel  1885,  16  S.     4. 

Ergänzung  der  im  Jahresber.  f.  1881—2,  S.  354  f.  und  1883—4, 
S.  221—2  augezeigten  Ai'beiten  von  W.  Grrofsmann  über  quidem  und 
ue-quidem.  Die  Verbindung  et-quidem,  die  bei  Cäsar  und  Sallust  felilL, 
kommt  bei  Cicero  in  fünf  Bedeutungen  vor:  \.  e*egetisch  ^  ,,und 
zwar,  nämlich',  am  häufigsten;  nach  stärkerer  Interpunktion  unge- 
trennt et  quidem,  aber  stets  getrennt  ac-quideni;  gleichen  Sinnes  sind  et  is, 
atque  is,  isque;  Cäsar  braucht  das  Demonstrativ  auch  ohne  Konjunktion. 
Vgl.  S.  141.  —  2.  gegensätzlich,  resp.  den  Übergang  bildend  = 
,.uun"  oder  durch  blofse  Liversion  ausgedrückt.  —  3.  steigernd  -^ 
,, ja  sogar";  dafür  auch  atque  etiam,  selten  atque  adeo.  —  4.  wider- 
legend ^  „ja  auch,  allerdings".  —  5.  versichernd  —  „und  wirk- 
lich", ,.und  iu  der  Tliat";  subjektiv  et  profecto.  —  Cicero  zeigt 
sich  auch  hier  als  der  gröfste  Liebhaber  von  quidem. 

A.  Lud  ewig.  Quomodo  Plinius  major,  Seneca  philosophus,  Curtius 
Rufus,  Quintilianus,  Cornelius  Tacitus,  Plinius  minor  particula  qtddem 
usi  sint.     Prager  Philolog.  Stud.    TIT.  Heft,  1891,  76  S.     8. 

Die  Abhandlung^  setzt  die  erste  Arbeit  Gross manns  in  wert- 
voller Ergänzung  fort  und  berichtigt  zugleich  wesentlich  H.  Jordans 
Untersuchung  über  equidem  in  den  , .Kritischen  Beiträgen".  Sie  zerfällt 
in  ;}  Teile  mit  je  2  UriterabteUungen:  1.  wie  quidem  sicli  auf  einzelne 
Wörter  bezieht,  und  zwar  a.  bekräftigend  ==  ^e,  „gerade,  eben"; 
b,  erklärend  ^  xal  .  .  .73,  „und  zwar,  nämlich"  (S.  3  —  17).  — 
2.  wie  es  in  gewisser  Weise  Sätze  verbindet,  und  zwar  a.  mit 
einem  Wort,  das  es  hervorhebt,  an  den  Anfang  des  Satzes  gestellt; 
b.  mit  anderen  Konjunktionen  verbunden:  et-quidem,  auch  et  quidem 
(vgl.  Stamm!),  nicht  bei  Tacitus  und  Plinius  d.  Jung.;  ac-quidem, 
atque-quidem  (vor  Vokalen);  nam-quidem  nicht  bei  denselben  Autoreu 
und  bei  Curtius;  jam-quidem.  Jamquidem  nicht  bei  den  3  Genannten  und 
bei  Seneka,  während  Cicero  es  oft  hat;  sed-quidem  fehlt  bei  beiden 
Plinius,  Curtius  und  Seneka;  at-quidem  begegnet  bei  keinem  der  unter- 
suchten Autoren,  oft  bei  Cicero;  venim-quidem  nur  bei  Quiutiliau;  si- 
quidem  beim  älteren  Plinius  61  mal,  bei  Quintilian  21  mal,  bei  Tacita.s 
nur  2mol  (Germ.  30,  3  --  „denn";  Agr.  24,  4  —  „da  ja"),  bei  Seneka 


Syntax.    Satzlehre.     Beiordnung.    (Deecke.)  30H 

nur  Imal  (Agam.  306  —  „wenn  nämlich"),  bei  Ourtius  gar  nicht; 
quandoquidem  und  quoniam  qnidem;  cnra  qnidem,  ut  quidem,  alle  selten; 
etsi-quidem,  tametsi-quidem  fehlen,  sind  über  ciceronianisch  (S.  17- -54). 
—  3.  wie  es  a.  vorhergehend  zu  koncessiver  Bedeutung,  oder  b.  nach- 
folgend zu  adversativer  Bedeutung  kommt,  indem  es  in  einem  von 
zwei  entgegengesetzten  Sätzen  oder  Satzgliedern  steht  (S.  55—69).  Es 
folgt  eine  Übersicht  und  die  Besprechung  einiger  loci  dubii.  —  Die  Ar- 
beit ist  sorgfältig  gemacht;  die  Beispiele  sind  alle  ausgeschrieben  und 
geordnet.  Die  Vergleichung  des  Sprachgebrauchs  ist  nur  mit  Cicero 
genauer  durchgeführt  worden,  von  dessen  Sprache  der  Unterschied  be- 
deutend ist  (s.  ob.);  auch  sein  certe  quidem  oder  quidem  certe  fehlt.  — 
Unter  obigen  Autoren  ist  der  ältere  Plinius  besonderer  Liebhaber  der 
Partikel,  die  bei  ihm  einfach  zur  Fortsetzung  der  Rede  dient  (s, 
10  Punkte  8.  70);  anders  Tacitus  (6  Punkte  S.  70—71),  der  wesentlich 
zu  Curtius  stimmt  (vgl.  die  Untersuchung  von  F.  Walter  über  das 
Verhältnis  beider  zu  einander).  Bei  Seneka  sind  5  Punkte  hervorge- 
hoben (S.  71—72).  —  Zu  siquidem  ist  noch  zu  bemerken,  dafs  es  nicht 
archaisch  ist,  auch  bei  Sallust  fehlt;  dafs  es  bei  Varro  und  Cicero  mit 
dem  Indikativ  steht,  allmählich  kausal  wurde,  bei  Sueton  und  de)i  Script, 
bist.  Aug.  häutiger  wird  und  später  unglaublich  oft  vorkommt.  —  Zu 
beachten  ist  die  nicht  seltene  Verwechslung  von  quidem  und  et  quidem 
mit  equidem,  auch  quidam,  in  den  Handschriften.  —  Der  Verfasser  hat 
auch  Sammlungen  über  ne-quidem  angestellt,  die  er  später  veröffent- 
lichen will. 

Inzwischen  sind  über  ne-quidem  schon  andere  Untei"suchungen  er- 
schienen; s.  oben  und: 

Max  C.  P.  Schmidt,  ne-quideni.     Jahrb.  f.  klass.  Philol.  1890, 
S.  299—300, 

Es  ist  dies  nur  eine  Bemerkung  zur  Stellung:  während  es  näm- 
lich z.  B.  decipi  non  possunt  heilst,  sagte  man  andrerseits  ne  decipi 
quidem  possunt,  4 mal  bei  Cicero,  2  mal  bei  Kurtius,  stets  mit  inf.  praes. 
pass.  (Zufall?),  während  von  posse  verschiedene  Formen  vorkommen. 
Allerdings  finden  sich  bei  Cicero  2  Ausnahmen:  ne  potest  quidem  esse 
und  ne  potuisse  quidem  facere;  vgl.  noch  Kurt.  III,  5,  16  ne  ausurum 
quidem  experiri.  —  Dies  macht  die  auf  mangelhafte  Statistik  begrün- 
dete Behauptung  doch  sehr  zweifelhaft!  —  So  deutet  denn  auch  Pet. 
Meyer  ebdt.  S.  777—8  die  6  Stellen  anders;  Schmidt  aber,  ebdt. 
8.  778—81,  bleibt  bei  seiner  Behauptung  und  bringt  2  neue  Stellen  aus 
Cicero,  sowie  einige  zweifelhafte,  bei.  Jedenfalls  bedarf  die  Sache  noch 
weiterer  Prüfung. 


304  Lateiuische  Grammatik.     (Deecke ) 

Verwandt  ist:  ■ 

J.  B.  Greenough,  Some  uses  of  neque  (nee)  iu  Latin.  Harvard 
Stud.  in  class.  philol.     Vol.  II.     Boston  1891,  S.  129—141.     8. 

Es  handelt  sich  um  den  seltenen  Gebrauch  von  neque,  nee  statt 
non,  ne-quidem  ,,auch  nicht"  z.  B.  schon  in  den  XII  tb.  si  agnatus 
nee  escit:  si  custos  nee  escit;  res  nee  mancipi  aa.;  Plaut.  Cist.  IV,  2,  22 
quae  neque  illa  illi  quiequam  usuist;  Livius  I,  25,  10  qui  nee  procul 
aderat.  Der  Verfasser  sucht  eine  Erklärung  dieses  Sprachgebrauchs 
zu  tinden,  indem  er  sich  bemüht  nachzuweisen,  dals  iu  dem  umgebenden 
Satze  jedesmal  dem  Sinne  nach  ein  zweites  neque  stecke  oder  in  der 
Phrase  selbst  liege,  was  freilich  nicht  immer  ungezwungen  sich  ergiebt. 
Es  gehören  ferner  hierher:  necopinus,  -iuaus,  vielleicht  neglego;  nee. 
lecte  dicere  oder  loqui;  nee  ita  multo  post  aa.,  so  dafs  nach  Pest. 
162  M.  Sinnius  Kapito  erklärte,  die  Alten  hätten  überhaupt  nee  statt 
non  gesetzt.  Dagegen  bleibt  Greenough  dabei  „in  almost  all  senteuces 
there  is  a  Suggestion  of  a  something  besideS  the  mere  negative";  es 
könne  neque  immer  nur  -  and  not  sein,  es  drücke  a  shade  of  meaning 
something  like  ,,neither"  aus;  doch  seien  die  Fälle  teils  aceidental,  teils 
stereotype ,  letztere  später  meist  ohne  weiteres  Bewufstsein  der  be- 
sonderen Bedeutung  gebraucht. 

Ed.  Wölfflin,  Was  heilst  ,bald  .  .  .  bald'^V  Arch  f.  lat.  Lex. 
11,  233-254. 

Ergänzung  zu  Dräger  II-,  l'O— 94.  Die  Formen  sind  sehr  reich- 
haltig: archaisch:  alias-alias  (Plautus):  niodo-modo  (Terenz,  Lucilius): 
dum-duni  (eig.  Akkus,,  Accius);  Kato:  repente-repeute;  alteras-alteras.  — 
klassisch:  alias-alias;  modo-raodo;  tum-tum  (der  junge  Cicero;  tuue- 
tunc  erst  Apulejus);  nnnc-nuue  (Lukrez):  iuterdum-interdum  (Briefe 
Ciceros);  jam-jam  (Vergil);  doppeltes  saepc  (Ovidj,  -alternis  (Vitrnv), 
-nonnunquam  (Celsus);  später:  -aliquando  (der  Philos.  Seneka),  -ali- 
quoties  (erst  Boetius):  -alicubi  (rler  Philos.  Seneka):  -quando  (Boetius) ; 
-interim  (Quintilian) ;  -subinde  (Briefe  des  jüngeren  Pliuius,  aus  der 
Konversation);  ganz  spät:  -partim,  -plerumque,  -mox.  —  Variationen 
oder  Mengungen  (vgl.  Hands  Tursell.  III,  412ff.):  modo-saepius  (Tacitus), 
-sacpissime  (Petron),  -frequenter,  -rursns  (Properz,  Tac),  -iterum  u.  b.  w. 

F.  Strowski,  sed  ^     nunc  vero.     Kev.  d.  philo!.  XII,  135. 

H    F.  Karsten,  De  particulae  t a m c n  significatione  antiquissima 

ad  Ciceronis  fere  tempora  in  latinitate  couservata.  Mnemos3fne  XVIII, 

1890,    S.  307— '341 ;  auch  im  Separatabzug:  Amsterdam  1890,    35  S.   8. 

Die  Partikel    tarnen    war   u)sprünglich  mit  tam  gleichbedeutend: 

erst  später  schied   man  das    komparative    tam   vom    adversativen 


Syntax.    Satzlehre.    Beiordnung.    (Dcecke.)  305 

tameu,  doch  schimmert,  bei  Durchmusterung-  der  Autoren  bis  Cicero, 
die  Grundbedeutung  noch  überall  durch.  Der  Verfasser  betrachtet 
sogar  tarn  als  eine  blol'se  Abkürzung  von  tarnen;  vgl.  taraetsi  aus 
tamenetsi  (?),  währeud  man  sonst  jetzt  gewöhnlich  tarnen  aus  tam-en 
entstanden  sein  lälst,  worin  en  die  Ausrufungspartikel  oder  besser  die 
Präposition  in  (alt  en)  sein  soll,  postpositiv  gebraucht  wie  im  Umbrischen 
(s.  meine  Erläuterungen  S.  308),  also  tam-in  etwa  rationem  „in  der 
Weise";  korrelativ  zu  quam  (s.  tamquam),  verallgemeinert  quamquam: 
„mit  dem  gleichen  Recht  wie  .  .  .,  mit  demselben  Rechte";  „so  gut  .  .  ., 
so  gut";  ,,so  sehr  .  .  .,  ebensosehr".  Daraus  entstand  dann  koncessiv 
quamquam  .  .  .  tamen  ==  „wenn  auch  noch  so  sehr  .  .  .,  so  doch";  vgl. 
dazu  unten  Ed.  Wölfflin,  Die  Koncessivsätze  S.  309. 

Ed.  Wölfflin,  igitur.     Arch.  f.  lat.  Lex.  ni,  560—561. 

Miscelle,  angeknüpft  an  Quintil.  I,  5,  39.  Die  Partikel  scheint 
vom  Scipiouenkreise  geächtet  worden  zu  sein;  Terenz  Lat  sie  in  seinem 
vorletzten  Stück,  der  Hecyra,  nur  noch  einmal,  in  der  Frage  quid 
igitur V  (v.  181),  im  letzten,  den  Adelphi,  gar  nicht  mehr.  Cäsar  hat 
sie  nur  im  bell.  civ.  1,  85:  sie  fehlt  bei  Hirtius,  im  bell.  Afric.  und 
Hispaniense;  ferner  bei  Lucilius  (so  weit  er  erhalten);  beim  Rhetor 
Seneka,  während  der  Philosoph  sie  sehr  selten  hat.  Auch  bei  manchen 
der  Script,  bist.  Augustae  fehlt  sie.  Cicero  hat  sie  in  den  Reden  nur 
4  mal  an  erster  Stelle,  Sallust  dagegen  stets,  ausgenommen  in  Frage- 
sätzen; Tacitus  hat  sie  7  mal,  nie  am  Anfang.  —  Über  die  Herkunft 
s.  Fei.  Hartmann  im  Jahresber.  f.  1883—1884,  S.  222f. 

D.  Engländer,  donec  als  koordinierende  Partikel.  Arch.  f.  lat. 
Lex.  VI,  467f. 

Spät:  daraus  das  frz.  donc;  s.  oben  unter  den  Etyraologieen  S.  209. 

Für  den  Ursprung  der  Nebensätze  und  ihre  ursprüngliche 
Form  und  Bedeutung  verweise  ich  noch  einmal  auf  mein  Buchsweiler 
Programm   1887  und  meine  , .Erläuterungen"  S.  412ff,     Sonst  vgl. 

W.     Rösch,     Über    Wesen    und    Behandlung    der    Nebensätze. 
Korrespondenzblatt  f.  d.  württemb.  Schulen,  XXXVI,  271—276. 
Ich  ordne  jetzt  die  einzelnen  Arbeiten    nach  den    verschiedenen 
Arten  der  Sätze: 

Job.  Prauu,  Bemerkungen  zur  Syntax  des  Vitruv  mit  ein- 
gehender Darstellung  der  Substantivsätze.  Progr.  Bamberg  1885, 
108  S.     8. 

Die    sehr  ausführliche  Arbeit  zerfällt  in  8  Abschnitte:    I.     Der 
•Gebrauch  des  blofsen  Infinitivs:    A.    bei  Nominibus,    wofür  Vitruv 
eine  Vorliebe  hat;  B.    bei  Verben  der  Möglichkeit,  der  Notwendigkeit, 
Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.    LXXVII.  Bd.  (1893.  III.)     20 


306  Lateinische  Grammatik.     (Deecke.) 

des  Wollens,  der  positiven  Willensäufserung;  als  Subjekt  vereinzelt, 
aufser  bei  non  aliennm  est;  C.  Verschiedenes  (wenig).  —  11.  Der 
Akk.  c.  Inf.:  A.  Die  übergeordneten  Verba:  sentiendi,  cogitandi,  der 
Affekte,  dicendi,  des  Wollens,  unpersönliche  —  sehr  mannigfaltig,  im 
ganzen  65;  doch  nur  6  häufiger  als  10  mal:  oportet,  patior,  animad- 
verto,  puto,  schon  seltener  judico,  jubeo;  B.  Verschiedenes.  —  III.  Die 
mit  Partikeln  eingeleiteten  Substantivsätze,  nach  den  regierenden 
Verben  geordnet:  ut,  ne;  quod,  sehr  selten  quin;  quominus  felilt.  — 
rV.  Gerundium  und  Gerundiv:  selten,  ausgenommen  ad  mit  Ger., 
das  ziemlich  häufig  ist  (vulgär).  —  V.  Indirekte  Fragesätze: 
A.  übergeordnete  Verba:  B.  Modus:  oft,  und  zwar  sehr  willkürlich, 
der  Indikativ  (wohl  gräcisiereod);  C.  Formen:  Satzfragen,  Worttragen. 
Die  einfachen  Satzfragen  sind  selten  und  nur  mit  si  eingeleitet;  dis- 
junktive finden  sich  nur  4  mal,  und  zwar  2  mal  utrum-an,  einmal  si- 
necne,  und  einmal  si-seu.  Wortfragen  sind  häufig;  sehr  beliebt  quid 
ita?  —  VI.  Zur  Komparation  (S.  78-81):  Nachlese  zu  Wölfflin. 
Vitruv  verbindet  zuerst  einen  regelmäfsigen  Superlativ  mit  einem 
Positiv,  z.  B.  e  parvo  brevissimoque;  alle  3  Steigerungsgrade  sind 
verbunden  145,  26  vestibula  .  .  .  alta,  atria  .  .  .  amplissima,  silvae  .  .  . 
laxiores.  —  VII.  Zum  Pronomen  (S.  82 — 87):  vereinzelte  Notizen.  — 
Vni.  Zum  Gebrauch  der  Kasus  (S.  88 — 95):  Der  Dativ  des  Zweckes 
ist  häufig.  —  Mitunter  sind  2,  ja  3  Genitive  voneinander  abhängig; 
der  gen.  apposit.  ist  erweitert;  der  gen.  partit.  fast  verdrängt;  der  gen. 
subjectivus  und  derjenige  nach  Adjektiven  ist  beschränkt.  —  Sehr  oft 
begegnet  der  Abi.  der  Ortsruhe  ('vulgär).  —  Bei  Mafsangaben  herrscht 
grofse  Mannigfaltigkeit  und  Willkür.  —  Der  Schlufs  enthält  Beiträge 
zur  Textgestaltung  und  zur  Geschichte  einzelner  Wörter.  —  Im  ganzen 
sucht  der  Verfasser  besonders  die  auf  der  volkstümlichen  Ausdrucks- 
weise bei  übenden  Abweichungen  des  Schriftstellers  von  der  (klassischen) 
Schriftsprache  seiner  Zeit  herauszufinden  und  dieselben,  darunter  die 
technischen  Wörter  und  Phrasen  der  Handwerkssprache,  von  den 
rhetorischen  und  gräcisierenden  Eigentümlichkeiten  zu  sondern, 

Georg  Mayen,  De  particulis  „quod,  quia,  quoniam,  quomodo, 
ut"  pro  accus,  c.  inf.  post  verba  sent.  et  declarandi  positis.  Dissert. 
Kiel  1889,  62  S.     8. 

Es  sind  drei  Kapitel:  I,  Der  vorkommende  Gebrauch:  quod 
mit  Konj.  3  mal  im  bell.  Hispan.,  dann  in  den  script.  histor.  Augustae; 
-mit  Indikativ  bei  Petrouius,  dann  bei  den  Afrikanern,  besonders  bei 
Tertullian  (nicht  bei  Fronto),  von  den  Dichtern  bei  Kommodian;  quod 
ist  =  quod  attinet,  vgl.  adde  quod,  reputa  quod  (vielleicht  eher  nach 
Analogie  der  verba  affectus!).    Die  anderen  Konjunktionen  beruhen  auf 


Syntax.    Satzlehre.    Unterordnung.    (Deecke.)  307 

Übersetznngen  des  griech.  gtt,  w;  (vg-l.  auch  deutsch  ^wie"!);  quia  be- 
sonders in  der  Itala,  quoniaui  in  der  Hermasübersetzung,  seltener  iu 
der  Itala;  beide  bei  Kominodian;  über  quatenus  s.  Arch.  f.  lat.  Lex. 
V,  412  (vgl.  S.  319).  —  II.  Verhältnis  des  Partikelgebrauchs  zum 
Akk.  c.  Inf.  —  III.  Die  Modi  und  Tempora.  —  Anhang:  ut  statt 
des  acc.  c.  Inf.  —  Im  ganzen  zeigt  sich  eine  allmähliche  Auflösung 
der  Konstruktion  des  acc.  c.  inf.  —  Vgl.  Arch.  f.  lat.  Lex.  VI,  286  tf. 

M.  "Wolff,  De  usu  conjunctionum  apud  Juvenalem.  Dissert. 
Amsterdam  1888,  106  S.     8. 

Die  Konjunktionen  werden,  nach  Dräger  und  Schmalz,  in 
7  Kapiteln  abgehandelt:  die  temporales,  causales,  condicionales,  con- 
cessivae,  ünales,  consecutivae  und  comparativae.  Ein  gegen  Lübbert 
gerichteter  Anhang  handelt  vom  Modus  nach  quom  temporale.  —  Der 
ziemlich  breiten  und  fleifsigen  Arbeit  fehlt  die  historische  Vergleichung. 

Max.  Stock,  De  Vitruvii  sermone.  De  formis  enuntiatorum 
temporalium.     Dissert.     Berlin  1888,  40  S.     8. 

Vgl.  Eberhard,  De  Vitruvii  genere  dicendi,  Progr.  I.  Pforz- 
heim 1887;  II.  Durlach  1888,  sowie  die  oben  besprochene  Arbeit  von 
Praun  S.  306.  —  Die  Resultate  sind  im  ganzen  gering:  ut  und  quoad 
in  temporalem  Gebrauche  fehlen;  posteaquam  steht  statt  postqnani;  die 
Vermengung  des  Präsens  und  Futurum  stammt  aus  der  Vulgärsprache.  — 
Die  Arbeit  ist  statistisch  nicht  ohne  Fleiß  gemacht,  aber  Erklärung  uni 
geschichtliche  Vergleichung  reichen  nicht  aus. 

Otto  Waldaestel,  De  enuntiatorum  temporalium  structura  apud 
L.  Annaeum  Senecam.     Dissert.     Halle  1888,  68  S.     8. 

Gemeint  ist  der  Philosoph  Seneka,  dessen  Eigenart  auf  diesem 
Gebiete  sich  nicht  als  bedeutend  erweist.  Besprochen  werden:  cum 
(das  die  gröfsere  Hälfte  der  Arbeit  einnimmt);  simul  und  simul  atque, 
ut  und  ut  primuni,  postqnam,  qnando  nebst  quandoque,  quandocumque; 
ferner  dum,  donec,  autequam,  piiusquam,  quotiens,  quamdiu.  Gemieden 
hat  Seneka  quoad.  —  Der  Verfasser  wagt  manche  Kritiken  und  Kon- 
jekturen; die  historische  Vergleichung  ist  beschränkt.  Es  kann  immer 
manches  statistisch  Richtige  doch  nur  zufällig  sein. 

A.  Dö bring.  Zu  den  griechischen  und  lateinischen  Konjunktionen 
der  Gleichzeitigkeit  und  der  Zeitgrenze.  Festschrift.  Königsberg 
1892,  16  8.     4. 

Enthält  nur  wenige  Bemerkungen  für  das  Lateinische :  S.  5  über 
quoad  „bis  wie  lange  ....  (bis  dahin  .  .  .)";  S.  14  über  'hxs.  =  usque 
(?)  , immerfort",  über  donec  und  später  quamdiu;  S.  15 — 16  dum, 
pronominalen  Ursprungs,    gehört   eigentlich    zum  Hauptsatze  (?)  z.  B. 

20* 


308  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

Plaut,  Amph.  1098  dura  haec  aguntur,  interea  ,  .  .  -=  „ während  jener 
Zeit:  es  geschah  dieses,  während  dessen  .  .  .";  doch  vgl.  das  doppelte 
dum  .  .  .  dum!    s.  S.  314  ff. 

J.  Sturm,  Über   iterative  Satzgefüge    im  Lateinischen.     Progr. 
Speyer  1891,  27  S.     8. 

Die  Iterativsätze  haben  an  sich,  daher  auch  meistens  faktisch, 
dien  Indikativ;  der  jedoch  nicht  seltene  conj.  imperf.  und  plusquampf. 
wird  von  Hoff  mann  als  „iterativer  Konjunktiv"  auf  die  relative 
Zeitgebuiig  im  abhängigen  Temporalsatze  zurückgeführt;  andere  fassen 
ihn  kausal  oder  potential;  Sturm  nun  sucht  zu  beweisen,  dafs  bei 
reiner  Zeitbestimmung  der  Indikativ  steht,  der  Konjunktiv  aber 
auf  eine  vom  Schreibenden  gewollte  doppelte ~  Abhängigkeit  zurück- 
zuführen ist,  d.  h.  dafs  er  sich  auf  eine  doppelte  Modalität  gründet, 
auf  das  Bestreben,  zwei  Modi  durch  ein  Prädikatsverbum  auszudrücken.  — 
Dies  ist  recht  ungeschickt  und  unklar  ausgedrückt:  es  soll  heiisen,  dafs 
der  Konjunktiv  sekundär  ist,  durch  irgend  eine  Nebenbeziehung  ver- 
anlafst.  —  Der  Verfasser  geht  aus  vom  Cäsar:  bei  diesem  haben  ubi, 
ubicumque,  quotiens,  ut  quisque,  qui  (quisque),  quicumque,  quisquis, 
quantus,  quanfuscumque  stets  den  Indikativ.  Der  Konjunktiv  steht 
iterativ  und  kausal  bei  cum  .  .  .  inflexissent,  .  .  .  poterant  (bell.  Gall. 
I,  25,  3);  ebenso  cum  .  .  .  procederent,  adoriebatur  (ebdt.  VII,  16,  3):  so 
im  ganzen  5  mal;  ferner  noch  4  mal  von  Konsekutivsätzen  abhängig; 
dann  iterativ  und  koncessiv  3  mal,  z.  B.  bell.  civ.  III,  47,  7  cum 
daretur,  non  .  .  .  recusabant;  bei  si  iterativ  und  kondicional  (potential) 

9  mal  z.  B.  ebdt.  I,  82,  5  si  .  .  .  committeretur,  .  .  .  dabat.  In  Iterativ- 
sätzen   der    Vergangenheit    mit    cum    überwiegt    der    Konjunktiv    (nur 

10  mal  der  Indik.),  sonst  ist  der  Indik.  häufiger.  —  Bei  Kornelius 
Nepos  steht  quum  12  mal  mit  Konj.,  2  mal  mit  Indik.;  si  2  mal  mit 
Konj.,  qui  einmal,  und  zwar  liegen  dieselben  Ursachen  zugrunde.  — 
Saliust  hat  nur  einmal  den  Konj.  nach  sin  (bell.  lug.  58,  3).  —  Bei 
Cicero  ist  der  Konj.  selten;  häufig  dagegen  hat  ihn  Livius,  auch  nach 
Relativen,  nach  ubi  aa.;  noch  häufiger  Tacitus,  Vellejus,  Florus,  Sueton, 
Justin.  Bei  Livius  finden  sich  alle  3  Arten  wieder;  aus  Tacitus  werden 
Proben  zu  1  und  3  gegeben.  Vgl.  H.  Ziemer  Woch.  f.  klass.  Philol. 
VIII,  1376. 

H.  Hagelüken,  Zur  Richtigstellung  der  Regel  über  die  Iterativ- 
sätze im  Lateinischen.     Jahrb.  f.  klass.  Philol.  142,  S.  348f. 

Vgl.  ferner  oben  GardnerHale  The  cum-constructions  S.  264  ff., 
und  unten  die  Schriften  über  dum  S.  314  ff. 

Aem.  Trachmann,  De  conjunctionura  causalium  apud  Suetonium 
usu.     Dissert.     Halle  1886,  44  S.     8. 


Syntax.    Satzlehre.    Unterordnung.    (Deecke.)  309 

Die  Arbeit  füllt  eine  bisher  vorhandene  Lücke  in  der  Forschung 
aus:  sie  behandelt  quod,  quia,  quoniam,  quando,  siquidem,  quatenus, 
quippe,  ut  qui.  Leider  beschränkt  sie  sich  auf  die  Kiiiserbiographieen.  — 
Sueton  steht  im  ganzen  dem  Klassicisnius  näher,  als  Tacitus.  Im  Ge- 
brauche der  Tempora  und  Modi  zeigt  er  wenig  Neuerungen ;  eine  Lieb- 
haberei von  ihm  ist  das  perf.  conj.  nach  einem  histoiischen  Tempus 
z.  B.  existimaverunt  quod  fuerit;  ebenso  in  Konsekutivsätzen;  doch 
findet  sich  auch  das  imperf.  conj.;  ut  qui  hat,  wie  klassisch,  nur  den 
Konjunktiv  nach  sich. 

Reinh.  Neubauer,    De   conjunctionum  causalium   apud  Gellium 
usu,     Dissert.  von  Erlangen;  gedr.  Magdeburg  1890,  46  S.     8. 

In  7  Paragraphen  werden  behandelt :  §  I .  quod  explicativum  und 
causale,  mit  Indik.  und  Konj.;  §  2.  quia  mit  seinen  Modi,  nebst  non 
quia  (non  quod),  non  quiu;  §  3.  quoniam,  das  den  Konjunktiv  nur  ex 
orat.  obliquae  ratione  hat,  doch  selbst  dann  bisweilen  den  Indikativ; 
§  4.  quando,  nur  4  mal  kausal;  §  5.  si  quidem,  nur  2  mal;  §  6.  quatenus 
fehlt;  quippe  begegnet  17  mal,  darunter  nur  einmal  mit  dem  Konj.;  ut 
qui,  nur  einmal  und  zwar  mit  dem  Indikativ;  §  7.  tan  quam  12  mal, 
ebenso  oft  quasi,  ferner  einige  zweifelhafte  Fälle.  Auch  hier,  wip  in 
der  Arbeit  über  Sueton,  fehlt  das  quum  causale.  —  Da  es  über  Gellius 
eine  Eeihe  Vorarbeiten  giebt,  bietet  die  Arbeit  vveuig  Neues.  Die  zu 
Tage  tretenden  Eigenheiten  sind  archaistisch,  nicht  vulgär.  Scharf  zu 
unterscheiden  aber  ist  stets  der  eigene  Text  des  Gellius  selbst  von  den 
so  häufigen  und  oft  ausgedehnten  Citaten. 

Vgl.  oben  Ardy,  de  constructionibus  causarum  S.  229. 

Den  Kausalsätzen  stehen  die  koncessiven  zunächst;  s. 

Ed.  Wölfflin,  Die  Koncessivsätze.     Arch.  f.  lat.  Lex.  VII,  420. 

Die  Koncessivsätze  sind  ihrem  Ursprünge  nach  zum  Teil  Ver- 
gleichungs-  oder  Proportionalsätze:  so  diejenigen  mit  ut  .  .  .  ita;  quam- 
quam  oder  quamvis  .  .  .  tamen  (s.  ob.  Karsten  de  particula  tarnen 
S.  304).  Wölfflin  ist  geneigt,  das  en  von  tamen  für  die  mit  ecce  synonyme 
interjektionale  Partikel  zu  halten  ^  die  eine  „unerwartete  Über- 
raschung" ausdrücke. 

Herrn.  Kriege,  De  enuntiatis  concessivis  apud  Plautum  et 
Terentium.     Dissert.     Halle  1884,  52  S      8. 

Eine  sorgfältige,  im  ganzen  gut  geordnete  Statistik  in  3  Kapiteln: 
1.  Die  kondicional  geformten  Koncessivsätze,  mit  si,  etsi,  etiamsi, 
tametsi,  tamenetsi;  2.  Die  relativischen,  mit  utut,  quaniquam, 
quamvis  (nicht  bei  Terenz);  3.  Die  anders  geformten,  mit  ut  (fehlt 
bei  beiden  Dichtern);    quom;    licet  (eigentlich  selbständiger  Satz;    nur 


310  Lateinische  Grammatik.     (Deecke.) 

Plaut.  Asin.  718)  n.  p.  w.  —  Hiervon  gehören  ut  nnd  quom  eigentlich 
unter  2,  und  es  wäre  überhaupt  besser  gewesen,  mit  den  Relativsätzen 
zu  beginnen;  sonst  vgl.  eben  Wülfflin!  Die  logische  und  historische 
Behandlung  hätten  tiefer  eingehend  sein  müssen. 

H.  Rieger.  Die  koucessive  Hypotaxe  in  den  Tragödien  des  L. 
Annaens  Seneca.     Progr.     Tanberbischofsheim  1892,   19  S.     4. 

Der  Text  ist  nach  Fr.  Leo  (1879)  benutzt.  Die  Arbeit  selbst 
zerfällt  in  3  Abschnitte:  1.  das  koncessive  Verhältnis  im  einfachen 
Satze;  2.  das  koncessive  Verhältnis  ganzer  Sätze  ohne  äufsere 
Andeutung;  3.  unterordnende  Konjunktionen:  ut;  licet;  quamquam; 
quamvis  (mit  und  ohne  verbuni  finitum);  si  (17  mal),  etsi ;  cum.  Es  kommen 
nicht  vor:  quamlibet,  quamtumvis;  auch  etiamsi  fehlt;  dagegen:  tametsi, 
tamenetsi.  —  Da  die  Untersuchung  ein  Beitrag  zur  historischen  Grammatik 
sein  soll,  so  enthält  sie  Vergleichuugen  mit  der  gleichzeitigen  Prosa, 
anderen  Dichtern  u.  s.  w. ;  vgl.  die  Arbeit  von  Nägler  1873  über 
Seüekas  philosophische  Schriften.  —  Wenn  etiamsi  ebenso,  wie  bei 
Seneka,  in  andern  Dichtern,  z.  B.  den  augusteischen,  fehlt,  so  liat  wohl 
besonders  die  metrische  Unbequemlichkeit  des  Woiles  dies  voranlafst; 
licet  fehlt  bei  Cäsar,  Sallust,  Livius;  licet  esset  im  bell.  Hispan.  16 
deutet  auf  einen  griechischen  Verfasser  (?);  Cäsar  hat  auch  quamquam 
verworfen,  doch  steht  es  im  bell.  Alexandrinum;  Sallust  hat  tametsi 
statt  etsi;  das  Schwanken  des  Modus  nach  quamvis  scheint  durch  Ver- 
mengung mit  etsi  herbeigeführt  (?). 

Zu  den  Finalsätzen  s. 

Ph.   Weber,    Entwicklungsgeschichte   der  Absichtssätze.     Progr. 

"Würzburg,  11.  1885,  124S.  8.  (berührt  nur  gelegentlich  das  Lateinische); 

vgl.  die  Anzeigen  von  G.  Helmreich  Blatt,  f.  d.  bayr.  Gymn.  XXII,  Iff., 

und   J.   Golling  Zeitschr.    f.   d.   östr.  Gymn.  XXXVI,  154;    auch    die 

Erläuterungen  zu  meiner  Schulgr.  S.  427—431. 

Eine  reichere  Litteratur  liegt  vor  über  die  Bedingungssätze. 
Die  Hauptarbeiten  sind  hier  diejenigen  von  Blase,  nämlich: 

Henr.  Blase,  De  modorurt  temporumque  in  enuntiatis  condicio- 
nalibus  Latinis  permutatione  quaestiones  selectae.  Strafsburg,  1885, 
54  S.  8. 

Die  Schrift  enthält  einen  Nachweis  der  geschichtlichen  Ent- 
wickelung  des  condicionalen  Spiachgebrauchs,  speziell  bei  Plautus 
und  in  den  Reden  Ciceros,  soweit  die  Halmsche  Ausgabe  bei  Weidmann 
reicht,  eine  Beschränkung,  die  allerdings  die  Resultate  vielleicht  etwas 
beeinträchtigt.  —  Kap.  L  Bedeutung  des  praes.,  imperf,,  perf.,  plus- 
quamperf.  conj.  in  Bedingnngssätzen.     Das  praes.  und  perf.  conj.  haben 


Syntax.     Satzlehre.    Bedingungssätze.     (Deecke.)  31 1 

ursprünglich  auch  in  Bedinj^iingssätzen  die  temporale  Bedeutung  ihres 
Indikativs;  erst  allmählich  dringen  dafür  in  irrealer  Bedeutung  imperf. 
u.  plqperf.  conj.  ein  und  erhalten  den  ihnen  ursprünglich  gar  nicht 
eigenen  Begriff"  der  NichtWirklichkeit  Dies  beginnt  schon  bei  Plantus, 
doch  noch  nicht  mit  Futurbedeutuug;  Terenz  nähert  sich  schon  dem 
Cicero.  —  Das  imperf.  conj.  statt  des  plqpf.  conj.  ist  ferner  bei  Plautus 
viel  häufiger,  als  bei  Cicero  (3:1):  es  bezeichnete  ursprünglich  die  Ver- 
gangenheit schlechtweg  ohne  Rücksicht  auf  Dauer  oder  Wiederholung 
oder  eine  andere  vergangene  Handlung.  Je  mehr  aber  die  Sprache 
der  Klassicität  sich  näherte,  um  so  mehr  strebte  sie  nach  Bestimmtheit 
und  Unterscheidung,  nach  zweifelloser  Genauigkeit  des  Ausdrucks.  — 
Kap.  11  behandelt  die  konjunktivischen  Bedingungssätze,  deren  Folge- 
satz im  Indikativ  steht,  darunter  besonders  Imperfekta  wie  poteram, 
debebam  aa.  mit  Präsensbedeutung,  ein  Vorgang,  der  sich  erst  nach 
demjenigen  im  Kapitel  I  entwickelt  hat.  Plautns  hat  im  Nachsatze  nie 
posset,  einmal  potuisset;  häufig  potest,  poterit  bei  conj.  praes.  oder  perf. 
im  Nebensatze.  —  Die  ganze  Sache  bedarf  weiterer  Prüfung;  vgl.  die 
Anzeigen  von  W.  Abraham,  Berl.  Philol.  Woch.  VI,  426  und  von 
G.  Ihm,  Neue  Philol.  Rundsch.  1886,  S.  287  f. 

H.  Blase,  Geschichte  des  Irrealis  im  Lateinischen,  zugleich  ein 
Beitrag  zur  Kenntnis  des  afrikanischen  Lateins.  Erlangen,  1888, 
79.  S.  8. 

Eine  Ergänzung  und  Fortführung  der  oben  geschilderten  Abhand- 
lung; diese  neue  Schrift  behandelt  die  Veränderungen  des  Sprach- 
gebrauchs im  Gebiete  der  Bedingungssätze,  in  5  Kapiteln:  I.  Der 
Irrealis  im  alten  Latein.  Bezeichnet  man  die  protasis  mit  a,  die 
apodosis  mit  ß,  so  finden  sich  Sätze  mit  impf.  conj.  a  und  ß  bei  Plautus 
29,  bei  Terenz  25,  bei  Kornificius  9;  mit  praes.  conj.  bei  PI.  131,  bei 
Ter.  26,  bei  Kornif.  7,  Zahlen,  die  eine  deutliche  Sprache  reden.  — 
II.  Der  Irrealis  bei  Cicero,  ebenso  sprechend,  nämlich  imperf  conj. 
zunehmend:  de  invent.  10;  rhetor.  Schriften  41;  Reden?;  philos. 
Schriften  209;  Briefe  (anfser  an  Brutus)  69;  praes.  conj.  abnehmend: 
9,  20,  42,  115,  18.  —  III.  Versuch  einer  Erklärung  dieser  Tliatsache 
der  Tempusverschiebung:  „Kurz  vor  Plautus  hatten  die  Konjunktive 
der  einzelnen  Zeiten  noch  die  temporale  Bedeutung  ihrer  Indikative 
(s.  ob.!)",  so  dafs  es  4  Arten  des  Irrealis  gab;  „doch  hängt  die  irreale 
Bedeutung  nicht  von  den  Formen  an  sich  ab,  sondern  von  der  Schwere 
der  Bedingungen".  Also  1.  si  habeam,  dem,  Gegenwart,  resp.  Zukunft; 
2.  si  habuerim,  dederim,  in  Gegenwart  oder  Zukunft  vollendete  be- 
dingte Handlung;  3.  si  haberem,  darem,  Potentialis  der  nnvollendeten 
Handlung  in  der  Vergangenheit;  4.  si  habuissem,  dedissem  Vollendung 


312  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

in  der  Vergaugenheit.  —  Die  2.  Form  aber  fehlt;  ferner  ist,  wie  be- 
merkt, Gegenwart  und  Zukunft  nicht  unterschieden ;  dritteDS  ist  3,  irreal 
nicht  denkbar;  viertens  ist  die  Auffassung  verschiedener  als  Beleg  an- 
geführter Stellen  falsch.  Eher  wird  bei  Gebrauch  des  Präsens  das 
Unmögliche  als  möglich  gesetzt,  und  das  Imperfekt  steht  statt  des 
Plusquamperfekt  infolge  lebhafter  Hineinversetzung  in  die  Vergangen- 
heit (Repräsentation).  Blase  meint  nun,  die  Verschiebung  sei  dadurch 
veranlafst  worden,  dafs  Imperfekt  und  Plusquamperfekt  zur  Formulierung 
irrealer  Bedingungen  besonders  geeignet  gewesen  seien,  da  die  Zeit  der 
Möglichkeit  durch  sie  als  .vergangene  ausgedrückt  wird  (das  ge- 
schieht ja  aber  auch  durch  das  Perfekt!).  —  IV.  Bei  den  Historikern 
wird  der  potent,  imperf.  in  vergangener  Bedeutung  immer  seltener  und 
schwindet  endlich  ganz  aus  dem  Bereich  der  hypothetischen  Sätze. 
Sallust  hat  ihn  nur  noch  einmal  von  21  Fällen;  Livius  in  6  Büchern 
in  der  Erzählung  unter  50  Fällen  nur  viermal;  in  den  Reden  unter 
105  Fällen  gleichfalls  nur  viermal.  —  V.  Die  Afrikaner.  Bei  ihnen 
ist,  unter  punischem  Einflufs,  der  Sprachgebrauch  wesentlich  umgestaltet: 

1.  plusquampf.  conj.  statt  impf.  conj.  in  kondicionalen  und  finalen  Sätzen; 

2.  stellt  umgekehrt  häufig  das  impf.  conj.  statt  des  plqpf.  conj.;  3.  findet 
grundlose  Mischung  der  verschiedenen  Konstruktionen  statt.  Die  Einzel- 
heiten gehören  nicht  mehr  hierher.  —  Vgl.  die  Anzeigen  von  G.  Ihm, 
Neue  Philol.  Rundsch.  1888,  S.  252  ff.;  C.  Weyman,  Blatt,  f.  d. 
bayr.  Gymn.  XXVI,  83;  H.  Schmalz,  Deutsche  Lit.-Ztg.  1890, 
S.  879  f.;  E.  Seh.,  Lit.  Centralbl.  1888,  S.  1682  f.:  G.  Landgraf, 
Arch.  f.  lat.  Lex.  V,  303  f.  —  Mehrfach  abweichende  Ansichten  be- 
gründet Priem,  Über  den  Irrealis  bei  Cicero  und  Cäsar,  in  Philol.  V, 
261  ff. 

H.  Blase,  Zur  Syntax  der  Bedingungssätze  im  Lateinischen. 
Comment.  in  honor.  G.  Studemund.     Strafsburg,  1889,  8,  S.  47—57. 

Zwei  Punkte:  1.  Geordnete  Übersicht  des  Gebrauches  der 
Phrasen :  parum  est  .  .  .  ni,  nisi  etiam  (quoque,  insuper) ;  auch  non  est 
satis,  minus  est,  non  sufficit,  non  contentus  (non  jam  contentus,  nee 
contentus),  nihil  refert,  nihil  prodest  u.  s.  w.  .  .  .  ni,  nisi  u.  s.  w. 
—  2.  Tabelle  über  die  Formen  der  Bedingungssätze:  a.  si  erit  .  .  ., 
.  .  erit;  b.  si  est  ......  .  erit;  c.  si  erit  .......  est.  Die  Ver- 
fasser von  Lehrbüchern:  Kato,  Kornificius,  Vitrnv,  Quintilian,  auch 
Cicero,  bevorzugen  a;  andere  Autoren  b;  c  ist  überall  seltener.  — 
Vgl.  die  Anzeige  von  G.  Landgraf,  Arch.  f.  lat.  Lex.  VI,  287. 

Fr.  Polle,  Über  die  Bedingungssätze.  Jahrb.  f.  klass.  Philol. 
143  (1891),  S.  264-6. 

Es  werden  4  Fälle  unterschieden:  1.  theoretischer  Fall,  si 
habeo,  do,  ohne  Andeutung  über  Wahrheit  oder  Möglichkeit;  2.  prak-i 


Syntax.    Satzlehre.    Bedingungssätze.    (Deecke.)  313 

tischer  Fall,  si  habebo  (accepero),  dabo,  der  Zukunft  anheimgestellt; 
3.  potentialer  Fall,  si  habeara,  dem,  willkürliche  Annahme,  daher 
auch  als  exemplum  fictura;  4.  irrealer  Fall,  si  haberera,  darem,  wenn 
das  Gegenteil  wahr  ist. 

Joh.  Netuschil,  ebdt.  S.  851 — 5  will  die  4  Fälle  lieber  nennen: 
die  indikativische,  potentielle,  fiktive  und  irreale  Form;  auch 
stellt  er  die  beiden  letzten  um. 

Zu  vergleichen  sind  ferner: 

P.  Stamm,  Zum  lateinischen  Irrealis  praeteriti,  ebdt.  139  flSS?), 
S.  600. 

A.  Zimmermann,  Zum  Gebrauch  der  Tempora  im  abhängigen 
Irrealis.     Philol.  IIL,  S.  376  ff. 

Ferner  englisch: 

E.  A.  Sonnenschein,  Notes  of  conditionel  sentences  in  Latin. 
Class.  Eev.  I,  124  ff.;  238  f.  —  Dagegen: 

H.  I,  Roby,  The  conditional  sentence  in  Latin,  ebdt.  197  f.,  dann 
238  f. 

M.  A.  Bayfield,  On  conditional  sentences  in  German  and  Latin, 
and  indefinite  sentences  in  Greek,  ebdt.  IV,  200  ff. ;  VI,  90  ff. ;  dazu : 
E.  Harrison,  ßemarks,  ebdt.  IV,  297  f.  und: 
Sonnenschein  &  Seaton,    On  Mr.  Bayfield's  theory   of  condi- 
tional sentences,  ebdt.  VI,   199  ff. 

Vgl.  noch  die  oben  besprochene  Schrift  von  E.  Schunck,  über 
si  qnis  u.  s.  w.     Auch,  eigentlich  komparativ: 

Ponor  Thewreck,  ac  veluti.  Egyeteraes  phil.  közlöny  (ungarisch) 
XIV,  643. 

Eine  umfangreiche  Spezialarbeit  ist  ferner: 

0.  Brugmann,  Über  den  Gebrauch  des  condicionalen  ni  in 
der  älteren  Latinität.     Progr.,  Leipzig,  1887,  34  S.  4. 

Die  Einleitung  hebt  die  ünvollkommenheit  von  Hands  Tursell. 
über  ni  IV,  187  ff.  hervor.  Die  Arbeit  selbst  hat  dann  3  Kapitel: 
I.  ni  mit  dem  Indikativ:  §  1.  in  Gesetzen,  und  zwar  in  den  12  Tafeln, 
dann  erst  bei  Cicero;  §  2.  in  Gegensätzen,  Beteurungen,  Versicherungen; 
§  3.  in  Drohungen;  §  4.  in  der  sponsio  d.  i.  Aufforderung  (nicht  Ab- 
schlufs)  zur  Wette;  §  5.  in  Verwünschungen;  §  6.  nach  Ausdrücken  der 
Verwundeiuug;  §  7.  varia.  —  II.  ni  mit  Konjunktiv,  in  potentialen  und 
irrealen  hypothetischen  Peiioden.  Hier  sind  Poesie  und  Prosa  getrennt: 
§  1 — 3.  Dicliter,  und  zwar  §  1.  ni  mit  conj.  piaes.  oder  perf. ;  §  2.  ni  mit  conj. 
impf,  oder  pJq.pf.;  §  3.  nimitKonjunktiv  neben  einem  Hauptsatz  imindikativ; 


314  Lateinische  Grammatik.     (Dcecke.) 

§  4.  Prosaiker:  §  5.  quidni  und  quippini.  —  III.  Schlnfsfolgerungen.  Der 
Indikativ  hält  sich  während  des  ganzen  behandelten  Zeitraums  nur  in  der 
sponsio  (von  Plaatus  an  nur  in  der  oratio  obliqua)  und  in  Ver- 
wünschungen; in  den  12  Tafeln  findet  sich  nur  ni,  nicht  nisi,  von  Cicero 
de  legibus  nachgeahmt  (s.  ob.!).  Bei  Plautus  steht  ni  mit  dem  Indikativ 
auch  in  scharfen  Gegensätzen,  Beteurungen,  Versicherungen,  Drohungen 
und  nach  Ausdrücken  der  Verwunderung,  wechselnd  mit  nisi.  Terenz 
hat-ni  mit  Indik.  nur  einmal  in  einer  Verwünschung  (Ad.  700),  dann 
in  den  Formeln  mirum  ni.  nimirum.  Lukrez  hat  es  einmal  aus  Vers- 
zwang (I,  378);  Cic.  de  leg..  I,  49  quod  ni  ita  est  (formelhaft).  —  Der 
Konjunktiv,  potential  und  irreal,  begegnet  in  der  ganzen  älteren 
Latiuität,  ausgenommen  die  12  Tafeln,  ferner  die  Fragmente  der  Prosaiker 
und  Kato  de  re  rust. ,  die  ni  gar  nicht  kennen.  Auch  in  die  anderen 
Bedeutungen  drang  seit  Terenz  der  Konjunktiv  ein,  offenbar  von  den 
Kondicionalsätzen  aus.  ursprünglich  übrigens  war  uel  —  dies  ist  die 
ältere  Form  —  positiv:  so  in  der  lex  Acil.  rep.  „nei  quem  eorum  det 
sciens"(?),  verdrängt  durch  ne  (eher  liegt  Vermengung  vor!);  dann  war 
es  einfache  Negation  und  ward  erst  allmählich  kondicional.  Plautus 
hat  noch  quidni,  quippini  mit  ganzen  Sätzen;  auch  sonst  einzelne 
Stellen,  wo  die  parataktische  Bedeutung  noch  hervortritt ;  vgl.  noch  klassisch 
moriar  ni  hoc  ita  est  „ich  will  umkommen,  ist  es  nicht  so".  Zuletzt 
ward  ni  ganz  aufs  kondicionale  Gebiet  beschränkt.  Schon  bei  Plautus 
beginnt  die  erfolgreiche  Konkurrenz  von  nisi:  in  der  vorklassischen 
Prosa  ward  ni  gemieden,  Cicero  braucht  es  mit  Vorsicht.  —  Lautlich 
sind  3  Formen  zu  unterscheiden:  ue,  ne,  und  ni  aus  nei  =  ne  +  lokati- 
vischem oder  deiktischem  i;  vgl.  osk.  ni  (ni?)=^lat.  ne  (in  nip  =  neque) 
und  ne;  nei  =  lat.  non,  nisi,  und  in  neip  ^  neque;  s.  auch  ind.  ned  == 
nä  +  i  -r  d(*?).  Ursprünglich  waren  lat.  ne  und  ni  beide  probibitiv,  dann 
ward  letzteres  hypothetisch.  Die  Inschriften  des  7.  Jahrh.  brauchen  alle 
3  Formen  ne,  nei,  ni  durcheinander  prohibitiv;  diejenigen  des  8.  Jahrh. 
haben  durchweg  ne,  vereinzelt  ni,  gar  nicht  mehr  nei;  später  ist  ni  = 
si  non,  nisi.  —  Die  Arbeit  ist  gediegen,  sorgfältig,  auch  historisch  ein- 
gehend; alle  Stellen  sind  ausgeschrieben  oder  wenigstens  veizeichnet. 
Von  den  Autoren  fehlt  Varro,  dessen  Buch  de  re  rust.  Schmalz  in 
seiner  Anzeige  im  Arch    f.  lat.  Lex.  IV,  335  zur  Ergänzung  heranzieht. 

Einzelne  Konjunktionen  sind  ferner  behandelt  in: 

G.  M.  Richardson,    De  dum  particulae  apud  priscos  scriptores 
latinos  usu.     Dissert.,  Leipzig,   1886,  96  S.  8. 

Die  Untersuchung  umfafst,  aufser  der  eigentlich  archaischen  Litte- 
ratur,  Lukrez,  Varro,  Sallust,  KatuU.  Etymoloiiisch  wird  dum  mit  der 
zweiten  Silbe  von  quando  u.  s.  w.  zusammengebraclit;  doch  sei  es  kaum 


Syntax.     Satzlehre.     Unterordnende  Konjunktionen.    (Deecke )     315 

Akkusativ.  Die  Arbeit  selbst  hat  5  Kapitel:  I.  dum  als  temporales 
Adverb,  urspiünglich  doppelt  dum  .  .  .  dum  =  die  Weile  ...  die 
Weile,  bald  ..  .  bald;  dann  in  etiam-,  inter-.  non-,  neque-,  band-,  vix-, 
primum-,  qnidum,  auch  nedum  (einmal  bei  Terenz  und  Lukrez),  in  der 
Bedeutung  „bisweilen,  raeanwhile";  dann  aufturdernd  ,,eben,  vorliin'", 
auch  ,, lange",  in  agedum  (agidum?),  dudnm  (aus  dnnidum;  eher  aus 
diudum!).  Die  Stellensanimlung  scheint  erschöpfend;  eine  j,'etiauere  Ver- 
gleichnng  mit  der  klassischen  Zeit,  besondeis  Cicero,  wäre  ciwünscht 
gewesen.  —  II.  Entstehung  des  konjunktionalen  Gebrauchs.  Ur- 
sprünglich doppelt  parataktisch  (s.  I),  korrelativ  (Katull),  dann  hypotaktisch; 
vgl.  deutsch  „weil"  aa.  —  UI.  dum  als  Konjunktion  mit  den»  Präsens- 
stamm; IV.  -  mit  dem  Perfekt  stamm,  letzteres  von  510  Stelleu  nur 
sechsunddrejfsigmal,  also  Ausnahme  und  späteren  Urs^prungs.  Die 
Komiker  haben  selten  den  Indik.  Impertecti.  —  V.  Mutmafsliche  Ent- 
wickelung  des  gesamten  Spiachgebrauchs:  1.  tempoial  ,, wählend, 
solange,  bis";  2.  kondicioual  „wenn  nur";  3.  kausal,  archaisch  nur 
vereiuzelt,  später  in  Ciceros  Briefen,  bei  Tacitus  aa. ;  vgl.  deutsch  ,,weil". 
—  Es  werden  auch  kurz  die  den  Begriff  von  dum  ergänzenden  Ad- 
verbia  behandelt:  adeo,  iuterea,  interira,  nunc,  tantisper,  usque,  usque 
adhuc,  admodum,  parumper,  plerumque,  (modo?).  —  Vgl-  die  Anzeigen 
von  G.  Landgraf,  Woch.  f.  klass.  Piniol.  IV,  1040  f.;  von  Redslob, 
Neue  Philol.  ßundsch.  1887,  254  f.;  von  B.  Arch.  f.  lat.  Lex.  IV,  332  ff. 

Otto  Boettger,  De  dum  particulae  usu  apud  Terentium  et  in 
reliquiis  tiagicorum  et  comicorura.     Dispert.,    Halle,  1887,    26  S.  8. 

Ergänzung  von  Eiste  ,,dum  bei  Plautus" ,  mit  dem  die  Ver- 
gleichuug  durchgeführt  wird;  die  Arbeit  von  Richardson  war  dem 
Verfasser  noch  unbekannt.  Auch  ist  dum  nur  als  Konjunktion  be- 
handelt, und  zwar  mechanisch-statistisch,  ohne  geschichtliche  oder  logische 
Entwickelung.  Nach  einer  Einleitung  S.  1 — 5  über  die  verschiedenen 
Bedeutungen  von  dum :  1.  während;  2.  solange  als;  3.  bis;  4.  wenn  nur, 
und  über  die  ihm  vorbeigehenden  Adverbien,  folgen  3  Abschnitte:  A.  dum 
mit  dem  Indikativ  (bis  S.  17);  B.  -  mit  dem  Konjui.ktiv  (bis  S.  21); 
C.  dum  ,,wenn  nur"  (bis  S  25).  Diese  Einteilung  ist  unlogisch.  — 
Vgl.  noch  E.  Laiin  De  dum,  donec,  quoad  paiticularum  usu  apud 
Terentium.  Norikopiae,  1888,  21  S.  4. 

W.  H.  Waiden,  7iedum.  Harvard  Studies  in  class.  philol.  Vol. 
I[.     Boston,   1891,  S.  103—127,  8. 

DiePartikel  nedum  findet  sich  nur  in  negativen  Sätzen,  wenn  auch  der 
negative  Sinn  mannigfach  vei  steckt,  ja  sogar  bi^iweilen  positiv  ausgedrückt 
ist;  doch  ist  letzteres  selten  und  erst  spät.  Von  den  älteren  Schrift- 
stellern geht  Livius  am  freiesten  mit  nedum  um,    doch    wagt    auch  er 


3 IC  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

sich  in  seinen  25  Beispielen  über  obige  Grenze  nicht  hinaus.  Cicero 
braucht  die  Partikel  weniger,  andere  noch  seltener;  Cäsar  kennt  sie  gar 
nicht;  Terenz,  Lukrez,  Horaz  haben  sie  je  einmal.  Sehr  selten  steht  das 
einfache  ne  für  nedum ;  folgt  ein  Verb,  so  steht  dies  stets  im  Konjunk- 
tiv. Die  Konstruktion  von  nedum  ist  eine  logische  Brachylogie, 
sie  enthält  „a  scale  of  possibility".  Das  -dum  ist  zu  vergleichen  mit 
dem  von  vixdum,  besonders  nondum,  nihildum,  handdum,  necdum,  neque- 
dum  (=  yet),  und  die  Bedeutung  von  nedum  ist  „in  order  that  not  yef' 
z.  B.  satrapa  non  potest,  nedum  tu  possis.  Dies  wäre  unabhängig  == 
8.  n.  p.,  nondum  tu  potes  -=  you  wouldu't  come  anywhere  near  doing  it. 
Es  folgt  auf  nedum  meist  das  praes.  conj.,  selten  das  impf.  conj.  (zwei- 
mal bei  Cicero,  dreimal  bei  Livius,  einmal  bei  Sallust);  nedum  ut  be- 
gegnet sechsmal,  neben  einmal  ne  ut. 

P.  Scherer,  De  particulae  quando  apud  vetustissimos  scriptores 
Latinos  vi  et  usu.  Studien  aus  dem  Gebiet  des  arch.  Lateins,  her- 
ausgeg.  von  W.  Studemund,  Bd.  II,  Berlin,  Weidmann,  1891,  8., 
S.  85—143. 

Die  Arbeit,  schon  1883  (48  S.)  als  Doktordissertation  publiziert, 
erscheint  hier  neu,  erweitert  durch  die  Heranziehung  des  Terenz, 
Lucilius  aa.  und  die  Betrachtung  von  quandoquidem.  Sie  hat  demnach  jetzt 
5  Paragraphen:  §  1.  de  quando  particulae  verüoquio,  origine,  notione.  Die 
Partikel  wird  zurückgeführt  auf  ein  idg.  *k^ö-dö  =  ind.  kadä  „wann*' 
nur  mit  quam-  statt  quo- ;  die  urspünglich  temporale  Bedeutung  ging 
in  kausale,  dann  kondicionale  über.  —  §  2.  de  qu.  part.  ante  Plauti 
aetatem  vi  et  usu.  —  §  3.  quid  apud  Plautum  et  ejus  aequales  poetas 
particula  quando  significet,  exponitur:  der  Sinn  ist  I.  temporal;  11. 
kondicioral;  III.  kausal;  IV.  interrogativ;  V.  indefinit.  —  §  4.  de  part. 
qu.  usu  Terentiano:  die  Partikel  ist  I.  kausal;  II.  interrogativ,  nur 
dreimal;  III.  indefinit,  fünfmal;  also,  im  Gegensatz  zu  Plautus,  nicht 
mehr  temporal.  Dagegen  findet  sich  zweimal  aliquando.  Im  Anhang 
wird  nachgewiesen:  bei  Titinius  quando  einmal,  temporal;  bei  Lucilius 
si  quando  einmal,  temporal;  quandoque  (zweifelhaft);  quando  einmal, 
kausal;  lex  agrar.  111  v.  Chr.  quan[do]  einmal,  kausal;  [quandjoque 
zwflh.  —  §  5.  de  quandoquidem  paiticula.  Diese  Partikel  ist  stets 
kausal  und  hat  stets  den  Indikativ.  Plautus  hat  zweimal  das  o  lang, 
sonst  kurz;  von  den  10  Fällen  steht  es  siebenmal  mit  dem  praes.  indic, 
zweimal  mit  dem  perf.  indic,  einmal  mit  dem  plqpf.  indic;  Terenz  hat 
es  achtmal,  davon  fünfmal  mit  dem  praes.  ind.,  einmal  mit  dem  perf. 
ind.,  einmal  mit  beiden  Tempora,  einmal  mit  est  und  dem  Gerundivum. 
Dann  hat  Turpilius  es  einmal  mit  dem  pf  ind.,  einmal  unsicher; 
Lucilius  einmal  mit  dem  pf.  ind. 


Syntax.     Satzlehre.    Unterordnende  Konjunktionen.    (Deecke.)     317 

Herrn.  Schnoor,  Zum  Gebrauch  von  ut  bei  Plautus.  Progr. 
Neumünster,  1885,  28  S.     4. 

Es  wird  der  parataktische  Ursprung  mancher  ut-Sätze  (gegen 
Dahl)  hervorgehoben:  so  bei  volo,  metuo  u.  s.  w.,  wo  ein  ursprünglich 
unabhängiger  "Wunschsatz  zu  Grunde  liegt.  —  Vgl.  mein  Buchsweiler 
Programm  1887  und  die  Erläuterungen  zu  meiner  Schulgrammatik, 
S.  428—430. 

E.  A.  Gutjahr-Probst,  Altgrammatisches  und  Neugrammatisches 
zur  lateinischen  Syntax.  Beiträge  zur  latein.  Grammatik  III,  1  u. 
2  Lief.,  Leipzig,  1888,  325  S.     8. 

Über  die  Beiträge  I  u.  II  s.  den  Jahresbericht  für  1883 — 84, 
S.  150—2  und  220—1.  Behandelten  sie  die  pronominalen  Partikeln  und 
Konjunktionen,  besonders  ut,  so  enthält  dieser  3.  Teil  die  v^'eitere  Aus- 
führung und  nähere  Begründung,  insbesondere  den  Gebrauch  von  ut 
bei  Terenz  und  Verwandtes.     Die  Arbeit  gliedert  sich  in  3  Abschnitte: 

1.  Überblick  über  die  Geschichte  und  die  Funktionen  von  ut,  und  Ver- 
wandtes: §  1.  Zur  Genesis  und  Entwicklung  von  ut,  und  Verwandtes. 
Wie  ich  in  meinem  Buchsweiler  Programm  1887 ,  leitet  der  Verfasser 
die  pronominalen  (relativischen)  Konjunktionen  aus  der  interrogativen 
Funktion  her,  doch  in  abweichender  Weise  von  mir,  indem  er  als 
Zwischenstufe  ihre  in  der  rhetorischen  Frage  mit  Vorliebe  benutzte 
Verwendung  als  expletiver  Partikeln  zu  Hilfe  nimmt.  Als  solche  sind 
alle  nur  ,,B,eflexwörter  des  Affekts";  es  herrschte  einst  eine  einheit- 
liche Verwendung  aller  pronominalen  Bildungen  (s.  11,  122),  und  für 
den  Satzinhalt  waren  sie  völlig  entbehrlich  z.  B.  (ut)  oder  (qui)  di 
illum  perduint!  Erst  allmählich  erhielten  sie  differenzierte  logische 
Funktion,  nämlich  mit  Ausbildung  des  engeren  syntaktischen  Zusammen- 
hangs. —  Diese  ganze  Entwicklung  ist  unklar,  einförmig  und  einseitig, 
und  namentlich  die  Voraussetzung  ursprünglicher  Indifferenz  der  Formen 
unrichtig.  —  Die  Partikel  ut  ^^  *quotei  war  zuerst  interrogativ-modal, 
dann  erst  lokal  (?).  —  §  2.  Der  Wert  von  ut.  —  §  3.  Die  Stellung 
von  ut  und  die  Stellung  der  ut-Sätze  überhaupt.  —  §  4.  Die  Funktionen 
von  ut.  —  II.  Die  Belege  von  ut  bei  Terenz:    1.  nach  der  Stellung; 

2.  nach  der  Funktion.  Verglichen  sind  die  Terenzischen  Betonungs- 
fragen  ohne  Partikeln,  sowie  die  Partikeln  enim,  nam,  namque.  — 
III  enthält  Indices,  auch  zu  den  beiden  ersten  Beiträgen.  Eine  3.  Lieferung 
soll  die  Belege  „in  einer  von  der  Sache  selbst  gebotenen,  noch  sub- 
tileren Anordnung  vollständig  ausgeschrieben  bringen".  Vgl.  die  An- 
zeige von  H.  Ziemer  in  der  Berl.  Philol.  Woch.  IX,   1472  ff. 

Einzelheiten,  besonders  zu  ut,  aber  auch  zu  verwandten  Kon- 
rStruktionen,  enthalten: 


318  Lateinische  Grammatik.     (Deecke.) 

A.  Procksch,  Zur  lateinischen  Grammatik.  Jahrb.  f.  klass. 
Philol.   1885.  S.  369—373. 

1.  tantum  abest  ut  .  .  .  ut  fehlt  bei  Cäsar,  Nepos,  Sallust;  da- 
gpiren  hat  Cicero  es  mit  Modifikationen  28  mal,  Livius  7  mal.  Die 
Varianten  sind:  .  .  .  nt  etiam,  1  mal  tantum  abest  ab  eo  nt  etiam; 
feiner  .  .  .  ut  contra,  2  mal  bei  Livius;  .  .  .  nt  vix,  nur  Liv.  XXil,  5,  3; 
anakolnthisch  ohne  zweites  ut,  nur  etiam  oder  vix;  endlich  ein  voraus- 
gehender Hauptsatz  statt  des  2.  ut.  Persönlich  steht  abest  im  bell. 
Alex.  22;  sonst  heifst  es  persönlich  stets  tantum  absum  a .  .  .  ut  u.  s.  w., 
und  ist  dies  keineswegs  seifen.  Von  38  Beispielen  sind  17  modifiziert; 
4  mal  von  6  Fällen  gehört  etiam  zu  einem  einzelneu  Begriff.  —  2.  ge- 
hört nicht  hierher. 

Ed.  Wölfflin,  jubere  ut  im  bell.  Hispaniense  (27,  4).  Arch  f. 
lat.  Lex.     VI,  434. 

Die  Stelle  ist  verdächtig,  zumal  die  älteste  Handschrift  jussit  in- 
cendere  ut  hat.  Dagegen  ist  Ter,  Hec.  243  meum  jus  esse  ut  te 
cogam  richtig,  und  die  Verbindung  jubeo  (=  jus  habeo)  ut  facias  u.  s.  w.» 
die  Formel  velitis,  jubeatis  ut,  der  Gebrauch  in  populus  jussit  ut  u.  s.  w. 
erklären  sich  aus  dem  in  dem  Verbum  steckenden  Objekt  jus.  In  ge- 
wöhnlicher Bedeutung  hat  jubere  erst  bei  Tacitus  ut  nach  sich. 

Max  C.  P.  Schmidt,  Kleine  Beobachtungen  zum  lateinischen 
Sprachgebrauch.  Jahrb.  f.  klass.  Philol.  1890,  S.  4G3-6;  860—5; 
1891,  S.  193—7. 

1.  cernere  mit  acc.  e.  inf..  doch  nur  im  Präs.  u.  Imprf.,  ist  gar 
nicht  selten  (bei  Cicero  16  mal).  —  2.  reperire  desgl.  in  der  Bedeutung^ 
„durch  Fragen  erfahren",  bes.  bei  Cäsar;  auch  im  pass.  mit  nom.  c. 
inf.  —  3.  invenire  mit  acc.  c.  inf.,  auch  pass.  mit  nom.  c.  inf.,  ist. 
häufiger,  als  Dräger  angiebt.  —  4.  experiri,  5.  perspicere  mit  acc.  c. 
inf.  —  6.  praestare  mit  acc.  c.  inf.,  ut  und  ne  (Vermengung  ver- 
schiedener Bedeutungen).  —  7.  praescribere  ut.  —  8.  urgere  ut.  — 
9.  pugnare  ut  und  ne.  —  10.  judicare  mit  ace.  c.  inf.  —  11.  vitare  ne. 
—  12.  defendere  mit  acc.  c.  inf.,  ut  und  ne.  —  13.  addere,  adicere, 
adinngere  als  verba  dicendi.  —  14.  servare,  observare  mit  ut  u.  ne.  — 
15.  Hsque  eo  nt  bei  Cicero,    Cäsar  ^a.  —   16.  inqnam  mit  dem  Dativ. 

W.  Paulus.  Was  heifst  aliter  fieri  non  potest  quam  ut?  Korrespzbl. 
f.  d.  württemb.  Schulen  XXXIV,  262  flf. 

Ferner  tiber  quin: 

F.  Scholl,  quin  und  qui  non  rekapitnlierend.  Blatt,  f.  d.  bayr.. 
Gymn.  XXI,  127  ff. 


Syntax.     Satzlehre.     Unteroidaecde  Konjunktionen.    (Deecke.)     319 

F.  Glöckner,    Über  Entstebung-  und  Einteilung  der  quin-Sätze. 
Jahrb.  f.  klass.  Philol.  138,  S.  417  fi'. 

C  Ssobolewski,  Zur  lateinischen  Grammatik  (antea,  quin  u.  s.  w.). 
Russische  Philol.  Rundsch.  II,  63  ff. 

Vgl.    mein    Buchsw.   Progr.   1887   u.  die  Erläuterungen  zur    lat. 
Schulgr.     S.  443. 

Endlich : 

Ed.  Wölfflin,  Quatenus.     Arch.  f.  lat.  Lex.     V,  399—414. 

Die  Konjunktion  quatenus,  archaisch  sehr  selten,  findet  sich  etwas 
häufiger  bei  Lukrez  und  Cicero,  hält  sich  auch  in  der  silbernen  Latinität 
noch  in  bescheidenen  Grenzen,  breitet  sich  aber  endlich  mächtig  ans, 
nicht  ohne  Verwirrung.  Willkürlich  unterscheiden  die  späteren 
Grammatiker  beschränkendes  quatenus  von  kausalem  quatinus  z.  B. 
Festus:  quatenus  qua  fine;  quatinus  quoniam.  Die  Untersuchung  umfafst 
7  Abschnitte,  geordnet  nach  den  mannigfaltigen  Verwendungen  der 
Partikel:  1.  lokal  „insoweit":  Fest.  258,  32  aus  Scipio  Afric.  qnatenos; 
dann  geographisch,  landwirtschaftlich,  medizinisch;  doch  auchLiv. XXVIII, 
39,  21;  ferner  bei  den  Juristen,  korrespondierend  mit  eatenus;  Cicero 
u.  aa.  haben  eatenus  qua,  -qua  usque,  -qnoad;  quatenus  dagegen  braucht 
Cicero  räumlich  ausdehnend  gedacht,  in  Proportionalsätzen  z.  B.  quatenus 
amor  progredi  debeat;  ebenso  Ovid,  Livius  aa.,  dann  spät.  —  2.  tem- 
poral: Cicero  4  mal;  Valeiius  Maximus,  dann  spät.  —  3,  kausal  ,, in- 
sofern" :  Lukrez  II,  927;  III,  218;  Horaz,  Ovid  (nicht  bei  Vergil  und  in 
der  klassischen  Prosa);  ferner  Valerius  Maximus,  sonst  selten;  dann 
Quintilian,  Sueton  (selten),  Florus,  endlich  die  Afiikaner.  Juvenal  und 
Martial  brauchen  es  als  bequem  im  Hexameter -Anfang  (nach  Lukrez). 
—  4.  vergleichend  =  quomodo,  zur  Vermeidung  von  doppeltem  ut, 
eigentlich  mifsbräuchlich ,  doch  seit  Tcrtulliau  eindringend,  indem  nur 
qua  (etwa  via)  für  den  Sinn  berücksichtigt  wurde.  —  5.  final,  gleich- 
falls seit  Tertullian ;  dann  bei  den  Juristen,  bei  Ambrosius  und  Augustin, 
rieht  bei  Arnobius,  Hieronymus,  Cyprian,  Laktanz;  es  ist  auch  hier 
Doppelgänger  von  ut,  so  dafs  beide  parallel  gehen.  Verrius  Flaccus 
verwarf  es  nach  Fest.  333,32.  —  6.  konsekutiv,  erst  gegen  400,  bei 
Ambrosius,  blieb  selten.  —  7.  statt  des  acc.  c.  inf. :  erst  nach  500,  im 
cod.  Justin.  —  Der  Schlufs  stellt  fest,  dafs  quatenus  fehlt  bei  Varro, 
Cäsar,  Sallust,  Vergil,  dem  Rhetor  Seneka,  Lukan,  Statins  aa.;  manche 
Schriftsteller  brauchen  es  nur  lokal. 

Ed.  Wölfflin,  prorsus  ut.     Arch.  f.  lat.  Lex.     IV,  618—20. 
Ui sprünglich  ut  prorsus;    doch  gehörte  prorsus  eigentlich  in  den 
vorhergehenden    Satz    (PL   Trin.   729);    Cicero    hat    beide    Stellungen; 
s.  auch  Tacitus. 


320  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

Über  die  Relativsätze  s.  mein  Programm  von  Buchsweiler 
1887  und  die  Erläuterungen  zu  meiner  lateinischen  Schulgrammatik 
S.  412—436  (s.  Iudex!). 

Ferner: 

K.  Bertelsmann,  Über  die  verschiedenen  Formen  der  Korrelation 
in  der  Struktur  der  Relativsätze  im  älteren  Latein,  üissert.,  Jena, 
1885,  56  S.     8. 

C.  M.  Zander.  De  relatione  pronominali  ea  quae  est  per  quod 
et  id  quod.     Lund,  1885j  54  S.     4. 

Benutzt  sind  Lukrez,  Cicero  (teilweise),  Cäsar,  Sallust,  Nepos, 
also  nur  ein  Bruchteil  der  Litteratur,  wodurch  die  Resultate  nur  vor- 
läufige oder  beschränkte  Gültigkeit  haben.  Nach  einer  kurzen  Ein- 
leitung folgen  4  Kapiiel.  Die  Resultate  sind  S  51  ff.  gezogen.  Aus 
einer  summarischen  Übersicht  der  Fälle,  in  denen  quod  allein  steht, 
derjenigen,  in  denen  quod  und  id  quod  promiscue  gebraucht  sind,  und 
derjenigen,  wo  id  quod  allein  vorkommt,  ergiebt  sich,  dafs  id  (aufser 
Cic.  Verr.  III,  162)  nie  steht,  wenn  quod  mit  einer  Konjunktion  oder 
einem  anderen  Pronomen  verbunden  ist;  im  ganzen  ist  sonst  kein  wesent- 
licher Unterschied  wahrzunehmen ;  Cicero  braucht  id  quod  viel  häufiger, 
als  die  anderen  gleichzeitigen  Schriftsteller.  Erörtert  ist  auch  der 
Wechsel  mit  quae  res,  Akk.  quam  rem  (Cicero),  besonders  bei  Kon- 
junktionen. —  Vgl.  die  Anzeigen  von  0.  Schultefs,  Arch.  f.  lat. 
Lex.  IV,  157  f.;    von  K.  Venediger,  Berl.  Philol.  Woch.  V,   1269  ff. 

Es  folgen  die  Fragesätze: 

E.  P.  Morris,  On  the  sentence-question  in  Plautus  and  Terence. 
Berlin,  Calvary,  1890,   116  S.     8. 

Abdruck  mehrerer  Artikel  in  Bd.  IX  u.  X  des  Americ.  Journ. 
of  Philol.  „über  die  Satz-  oder  Bestätigungsfragen  in  der  älteren 
römischen  Komödie",  mit  Fleifs,  Sorgfalt  und  Geschick  gearbeitet,  gut 
disponiert  und  durch  eine  (freilich  mehrfach  bestreitbare)  Theorie  und 
Geschichte  der  Fragesätze  weit  mehr  bietend,  als  der  Titel  verspricht 
oder  die  Ausdehnung  vermuten  läfst.  Durchgenommen  werden  nach- 
einander: -ne  beim  Verbum  (nach  Modus,  Tempus,  Person  geordnet), 
beim  Pronomen,  Substantivum  u.  s.  w. ;  nonne  und  -ne  mit  negativem 
Sinne;  tmm,  ecquis,  en  unquam\  dann  die  Fragen  ohne  Partikel;  solche 
mit  w^  mit  dem  Infinitiv;  mit  an-,  ferner  die  Disjunktivfragen,  die 
Imperativfrage.  —  Die  älteste  Form  der  Frage  ist  diejenige  ohne 
Partikel,  in  der  die  fragende  Bedeutung  nur  durch  die  Betonung  aus- 
gedrückt wurde,  wie  es  ja  solche  Fragen  noch  jetzt  überall  giebt.  Dann 
traten  Pronominalforraen    an    den  Anfang,    besonders    als    Subjekt, 


Syntax.     Satzlehre.     Relativsätze.     FrageaStze.     (Deecke.)         321 

darunter  auch  das  indefinite,  ursprünglich  demonstrative  (?,  vielmehr 
interrogative)  quis  Aus  den  Kasus  dieses  Indcfinituras,  auch  anderer 
Pronomina,  besonders  dem  Akkusativ  und  Lokativ  Sg. ,  bildeten  sich 
dann  fragende  Adverbia,  darunter  an,  so  stark  demonstrativ,  dafs  es 
den  Gegensatz  zu  einer  vorhergehenden  Frage  bezeichnen  konnte  (eher 
^gr.  av,  s.  die  folgende  Schrift!);  ferner  nnm,  ursprünglich  auffordernd  (?), 
vom  selben  Stamme  wie  nam  (oder  zu  gr.  vuv,  vu).  Trat  nun  noch 
das  Verbum  vor  die  anderen  Satzteile,  so  war  der  gröfstmögliche 
Unterschied  von  der  einfachen  Aussage,  die  das  Verbum  gewöhnlich  am 
Schlüsse  hat,  erreicht  (vgl.  das  Deutsche!).  Die  obengenannten  Ad- 
verbien wurden  dann  im  Laufe  der  Zeit  zu  rein  symbolischen  Frage- 
partikeln. Dazu  kamen  ferner  die  Exklamativpartikeln  ec-  und  en, 
das  später  dem  -ne  unterlag,  welches,  ursprünglich  negativ,  sich  auch 
mit  der  Voranstellung  des  Verbs  verband.  Endlich  entstand  nonm, 
zuerst  bei  Plautus,  selten  bei  Terenz,  und  damit  war  die  Differenzierung 
der  negativen,  schwankenden  und  positiven  Fragen  vollendet.  —  Bei 
dieser  ganzen  Deduktion,  die  von  den  negativen  Fragen  als  den  ältesten 
ausgeht,  scheint  mir  nicht  beachtet,  dafs  ursprünglich  niemand  fragt, 
um  eine  verneinende  Antwort  zu  erhalten;  vielmehr  war  die  älteste 
Fi'age  die  schwankende,  die  ein  wirkliches  Nichtwissen  voraussetzt, 
also  dem  Sinne  nach  disjunktiv  war;  aus  ihr  entwickelte  sich  zunächst 
die  positive  Frage,  die  eine  Bestätigung  erwartet;  erst  ganz  zuletzt 
bildete  sich  die  rein  rhetorische  negative  Frage.  —  Übrigens  zeigen 
noch  zu  Plautus  Zeit  auch  andere  Wörter  Neigung,  Fragepartikeln 
zu  werden,  wie  etiara,  jam,  ita,  satis.  —  Sind  alle  diese  Fragearten 
aus  Aussagesätzen  entstanden,  so  entsprangen  die  konjunktivischen 
Fragen,  die  dubitative,  die  unwillige  u.  s.  w.  aus  Aufforderungs- 
sätzen. 

P.  Hinze,    De  an  particulae  apud  priscos  scriptores  latinos  usu. 
Dissert.  von  Halle,  gedr.  Brandenburg  1887,  20  S.     4. 

Etymologisch  ist  an  nicht  etwa  =  aisne,  aiu'  (sehr  veraltet!), 
sondern  verwandt  mit  ind.  anja  (richtiger  anja-d)  „aliud";  vgl.  dXXa 
aus  akloL.  —  Dies  ist  sicher  falsch,  da  dem  n  des  ind.  an- ja  eben 
griechisch -lateinisches  1  entspricht;  eher  ist  gr.  av  zu  vergleichen!  — 
Nach  dem  Verfasser  sind  die  einfachen  Fragen  mit  an  älter,  was 
ich  nach  dem  oben  über  die  Ursprünglichkeit  der  disjunktiven  Frage 
Bemerkten  nicht  glaube.  Ferner  braucht  das  erste  Glied  nicht  fragend 
zu  sein,  z.  B.  hoc  constat.  An  tu  putas  .  .  .?  Auch  an  war  eigentlich 
nicht  fragend,  sondern  bedeutete  „oder,  umgekehrt".  Die  Untersuchung 
hat  3  Abschnitte:  1.  direkte  Fragen  mit  an;  2.  indirekte  Fragen 
mit  an,  auch  forsitan,  fors  fuat  an;  3.  disjunktive  Fragen  mit  an. 
Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.    LXXVII.  Bd.  (1893,  III.)     21 


322  Lateinische  Grammatik,    (Deecke.) 

W.  0.  Gut  sehe,  De  interrogationibus  obliqnis  apud  Ciceronem 
quaestioues  selectae.     Dissert.     Halle  1885,  112  S.  8. 

Statistik  iu  3  Kapiteln:  1.  die  einfachen  Fragen;  2.  un- 
vollkommene Fragesätze;  Fragesätze  als  Epexegese;  Prolepsis  bei 
Fragesätzen  (etwas  bunt  gemischt!);  3.  Doppelfragen.  —  Ein  An- 
hang handelt  von  denjenigen  Sätzen,  die  den  Fragesätzen  verwandt 
oder  ähnlich  sind.  —  Vor  augeschickt  sind  jeder  Form  die  Dräger  sehen 
Stellen. 

Kleinere  Bemerkungen  enthalten: 

E.  Novotny,  Über  Fragesätze.  Zeitschr.  f.  d.  östr.  Gymn.  XXXIX, 
357  f. 

Kohn,  Drei  Paragraphen  in  Seyffert:  1.  Konjunktiv  bei  indirekte« 
Fragesätzen.     Korrespdzbl.  f.  d.  wüittemb.  Schulen,  XXXII,  24  f. 

W.  Guthmann,  Über  eine  Art  unwilliger  Fragen  im  Latein. 
Progr.  Nürnberg  1891,  39  S.  8. 

Ed.  Wölfflin,  ut  quid?    Arch.  f.  lat.  Lex.  IV,  617—618. 

Die  Verbindung  ut  quid?  ^  cur?  „warum,  wozu?''  =  gr.  Tva  xi 
(seil.  Taüxa  Xr/eic  oder  -(evrjtai)  ist  selten:  sie  steht  Cic.  pro  Quinct,  44 
(mit  praeterea),  ad  Attic.  VII,  7,  7  (also  vulgär);  bei  Martial  III,  77,  10; 
dann  Ciris  V,  294;  endlich  in  Schollen  zum  Persius  und  Juvenal.  In 
der  Itala  begegnen  65  Beispiele. 

An  die  Fragesätze  schliefsen  sich  die  Untersuchungen  über  die 
Bejahungs-  und  Verneinungs-Partikeln. 

Siegfr.  Steinitz,  De  affirmandi  partieulis  latiuis.  I.  Profecto. 
Dissert.     Breslau  1885,  56  S.     8. 

Profecto  ist  (mit  C.  F.  "W.  Müller)  keine  Versicherungspartikel, 
sondern  drückt  nur  eine  subjektive  Gewifsheit  aus.  Der  Gebrauch 
bei  Plautus,  Terenz,  Sallust,  Cicero  ist  erschöpfend  behandelt,  der 
spätere,  bis  zu  den  ersten  Afrikanern  einschliefslich,  nur  summarisch. 
Der  Ursprung  aus  pro  facto  giebt  die  Bedeutung  „so  sicher  wie  eine 
That,  thatsächlich".  Cicero  wendet  es  in  Hauptsätzen  neben  einem 
Präsens,  Perfekt  oder  Futurum  an;  in  Bedingungssätzen  nur  im  Folge- 
satz; in  B,elativsätzen  nur,  wenn  sie  parenthetisch  sind.  —  Vgl.  die 
Anzeige  von  W.  Abraham  in  der  Wochenschr.  f.  klass.  Philol.  1885, 
S.   1483  f. 

F.  Vicol,  Die  Negation  im  Latein.  Progr.  Suczawa  1890; 
s.  Zeitschr.  f.  d.  Östr.  Gymn.  XLII,  558  f. 

P.  Thomas,  Sur  quelques  iriegularit^s  dans  l'emploi  des  negations 
en  latin.     Rev.  de  l'instr.  publ.  XXVIII,  Iff. 


Syntax.    Satzlehre.     Bejahung  und  Verneiimng.    (Deecke.)        323 

J.  de  Bastin  et  P.  Thomas,  Sur  l'emploi  des  n^gations  en 
latin  et  en  frangais.     Ebdt.,  158ff. 

H.  Nettleship,  On  ne  prohibitive  witb  the  2.  person  of  the 
pres.  subj.  in  class.     Latin.     Journ.  of  Philol.  1890,  326 ff. 

Vgl.  oben  unter  „Etymologie"  die  Untersuchungen  über  den  Pro- 
nominalstamm na  (richtiger  ne/o),  auch  über  die  Fragepartikeln  -ne,  nura 
u.  8.  w.   S.  204  (Per  Person). 

H.  Planer,  De  haud  et  nequaquam  negationum  apud  scriptores 
latinos  usu.     Dissert.     Jena  1886,  91  S.     8. 

Eine  fleifsige,  umfassende  Sammlung  besonders  über  haud;  nequa- 
quam (S.  86 — 91)  tritt  zurück.  Über  haud  in  der  archaischen  Zeit  s. 
schon  Sigismund  im  Jahresber.  f.  1883—1884,  S.  223.  Im  goldenen 
Zeitalter  wird  sein  Gebrauch  eingeschränkt;  häufiger  ist  es  dann  bei 
Livius  und  Vergil;  danach  bei  den  folgenden  Historikern  und  hexa- 
metrischen Dichtern,  doch  nicht  in  Tacitus'  dialogus  und  in  Plinius 
minor;  sehr  selten  bei  Quintilian.  Der  ältere  Plinius  hat  es  häufiger 
nur  in  der  ersten  Hälfte  seines  Werks;  •  der  Philosoph  Seneka  nur  in 
den  Tragödien.  In  der  archaistischen  Zeit  bleibt  es  selten,  besonders 
bei  Verben;  es  fehlt  fast  bei  den  Juristen;  zuletzt  hält  es  sich  nur  in 
gewissen  Formeln,  wie  haud  dubie,  haud  procul  aa.  —  Im  einzelnen 
wird  betrachtet  (S.  29—86):  haud  mit  Adjektiven,  mit  Pronominen, 
Adverbien;  mit  Substantiven  (auch  haud  sine,  haud  cum);  mit  Verben, 
und  Besonderes;  dann  in  Beziehung  auf  den  ganzen  Satz,  bei  Gegen- 
sätzen a.  s.  w. 

Es  bleiben  noch  die  Interjektions-Partikeln: 

Paul  Richter,  De  usu  particularum  exclamativarum  apud  priscos 
scriptores  latinos.  Studien  auf  dem  Gebiete  des  archaischen  Lateins, 
herausgegeben  von  W.  Studemund.  I.  Bd  ,  Heft  2.  Berlin,  Weid- 
mann, 1890,  8.     S.  387-642. 

Das  erste  Stück  bis  S.  420  war  schon  als  Dissertation,  Strafs- 
burg 1874,  erschienen;  das  zweite  Stück  (bis  8.  444.)  als  Hagenauer 
Programm  1879;  der  Best  ist  von  Osk.  Seyffert  herausgegeben.  I. 
enthält  ah,  aha;  attat,  attatae;  au;  II.  babae  u.  s.  w.;  besonders  ehern, 
eheu;  abgebrochen  mitten  in  eho;  III.  den  Rest  von  eho,  ei,  em,  est  (?), 
eu  und  seine  Komposita,  u.  s.  w.  bis  vae,  vah.  Besonders  sorgfältig 
st  die  Vergleichimg  von  Terenz  und  Plautus  durchgeführt;  auch  allerlei 
feinere  metrische  Beobachtungen  finden  sich.    Übersicht  und  Index  fehlen. 

Albr.  Köhler,  Die  Partikel  ecce.    Arch.  f.  lat.  Lex.  V,  16—32. 

Die  Etymologie  von  ecce  ist  dunkel:  man  hat  an  *eu-ce, 
*e-que-ce    u.  s.  w.  gedacht,    oder    an    eine  Imperativbildung  =  „sieh! 

21* 


324  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

schau!":  vgl.  oben  Bach  Demonstrativpronomina  S.  256.  Ecce  ist  ein 
Wort  der  Umgangssprache,  lebendig  von  Person  zu  Person  gebraucht; 
daher  ist  es  selten  bei  den  Historikern  aa.,  z.  B.  findet  es  sich  nie  bei 
Cäsar,  Val.  Maximus,  Sneton,  Tacitus;  doch  hielt  es  sich  vulgär  und 
ist  so  ins  Romanische  übergegangen.  —  Plautus  hat  ecce  etwa  30  mal, 
davon  zur  Hälfte  auf  die  1.  Person  bezogen;  stets  mit  Akkusativ, 
wie  überhaupt  archaisch;  dann  ecce  autem,  sed  ecce.  Viel  häufiger 
sind  dieZiisammensetzuugen :  eccum,  eccam,  eccos  u.  s.  w. ;  eccillum  u.  s.  w. ; 
eccistam ;  ja  eccum  steht  sogar  schon  vereinzelt  bei  Plautus  und  Terenz 
für  das  einfache  ecce;  so  auch  bei  Varro  de  re  rust.  3,  17;  sonst  später.  — 
Cicero  braucht  ecce  mit  dem  Nominativ,  und  erst  seit  200  n.  Chr. 
dringt  der  Akkusativ  wieder  ein;  vereinzelt  ist  ecce  neben  en  aras 
Verg.  Bucol.  5,  66.  Eine  sehr  beliebte  Verbindung  ist  ecce  tibi!  (mit 
ethischem  Dativ),  doch  bei  den  Komikern  meist  em  tibi!;  ferner  bei 
Kornificius,  Varro,  oft  in  Ciceros  Briefen.  —  Zunächst  steht  ecce  im 
einfachen  Hauptsatz,  so  auch  atque  eccum,  et  ecce,  nara  ecce;  dann 
mit  temporalem  Nebensatz,  mit  cum  inversum;  spät  mit  abl.  absolutus; 
ein  Relativ  folgt  schon  bei  Plautus. 

Derselbe,  Zur  Etymologie  von  ecce  und  em.  Ebdt.  VIII, 
S.  221-234. 

Inzwischen  hatte  Stowasse r  Progr.  Wien  1891,  S  XV — XXIII 
€cce  als  Lehnwort  aus  gr.  I'ys  gedeutet,  was  Köhler  mit  Recht  ver- 
wirft. Nach  Priscian  wäre  bei  ecce  vielmehr  ein  Imperativ  zu  er- 
gänzen. Dagegen  stimmt  der  Verfasser  Bach  zu  in  der  Deutung  von 
eccum  u.  s.  w.  als  ecce  *hum  (s.  hun-c).  Die  Partikel  em  nun  wird 
fast  ganz  =  ecce  gebraucht:  sie  ist  ursprünglich  korrelativ,  wie  is,  zu 
dem  sie  vielleicht  gehört;  berücksichtigt  man  ferner,  dafs  auch  ecce  ein 
korrelatives  Element  enthält,  nur  zugleich  mehi*  demonstrativ  ist,  so 
gewinnt  es  grofse  Wahrscheinlichkeit,  dafs  ecce  aus  em  und  dem 
deiktischen  -ce  entstanden  ist.  —  Oft  steht  auch  ecce  bei  andern  Ab- 
leitungen des  Pionomens  is,  wie  exinde,  ibi,  Interim,  interea;  es  weist 
auf  ein  Beisi)iel  hin,  wie  ita;  es  steht  mit  dem  Relativ,  besonders  spät- 
lateinisch,  wie  ecce  qui,  ecce  ubi;  es  ist  also  =  „da,  da";  zu  eccere 
für  *  ecce- rem  vgl.  si-rem-pse. 

Derselbe,  Die  Partikel  en.     Ebdt.     VI,  S.  25—45. 

Ursprünglich  vollständig  von  einander  zu  scheiden  sind  fragendes 
en  und  demonstratives  em,  wenn  sie  auch  später  miteinander  ver- 
schmolzen; bei  Plautus  und  Terenz  lassen  sie  sich,  mit  Ausnahme 
weniger  Stellen,  noch  deutlich  trennen.  1.  en  —  Inteijektion  e  +  ne  (?), 
bei  Plautus  meist  mit  unquam,  auch  bei  Vergil  und  Livius;  en  quid- 
quam  bei  Varro;    en  usquam  in  Glossen;    ferner  beim  Ausruf  und  Im- 


Syntax.    Satzlehre.    Interjektionen.    Stilistik.    (Deecke.)         325 

perativ  z.  B.  en  age  bei  Vergil,  Properz,  Silius  aa. ,  die  Vermeng-ung 
mit  em  herbeiführend  (nach  Ribbeck).  —  2.  em  ist  andrerseits  früh 
vermengt  mit  hem ;  ursprünglich  drückt  es  Aktion  aus,  dieses  Reception; 
em  bezeichnet  die  Beziehung  der  sprechenden  Person  zu  einer  anderen 
mit  Rücksicht  auf  ein  Objekt;  es  ist  der  Akkusativ  des  farblosen 
Demonstrativs  (s.  obenl).  Es  begegnet  bei  den  Komikern  in  folgenden 
Fällen:  allein;  mit  tibi;  mit  einem  Nomen  im  Akk  ;  mit  einem  Satz; 
mit  einem  Imperativ;  ferner  findet  es  sich  in  den  Frgra.  des  C.  Giacchus; 
Cicero  hat  es  6  mal,  neben  6  mal  en;  zuletzt  hat  es  Varro  1  mal  in 
de  re  rust.  Es  steht  bei  den  letzteren:  in  Antworten,  mit  dem  Akk., 
dem  Imperativ,  einem  relativen  Pronominal-  oder  Adverbialsatz,  mit 
dem  Konjunktiv,  indignierend ,  ironisch.  Der  Nominativ  dabei  ist  in 
dieser  Zeit  nirgends  sicher.  —  3.  en  ==  em,  einerseits  bei  Sallust, 
Livius  (in  der  Inversion),  seitdem  fast  gar  nicht  mehr,  bis  in  späte 
Zeit;  andrerseits  bei  Vergil,  Horaz,  Ovid;  es  pafste  prosodisch  besser, 
da  em  vor  Vokalen  ganz  verschwindet,  und  ward  so  ein  vorzugsweise 
dichterisches  Wort.  Der  Nominativ  findet  sich  neben  dem  Akkusativ 
zuerst  bei  Vergil;  in  Prosa  bei  Tacitus,  Petronius  aa.  Dafs  der  Akkusativ 
bei  em,  en  sich  länger  hielt,  als  bei  ecce,  hat  wolil  darin  seinen  Grund, 
dafs  man  in  em  selbst  den  Akkusativ  fühlte.  Häufige  Verbindungen 
sind:  en  ego,  en  iterum,  en  etiam,  en  iste,  -ille  u.  s.  w. ;  en  omoes  u.  s.  w. ; 
en  nova  aa.;  en  quid  ago?  An.  IV,  534;  en  quid  agis?  Pers.  I,  154. 
Vgl.: 

F.  Neubner,    De  en    particula    observatio  critica.     Comment.  in 
honor.  Eibbeckii,    p.  536 ff. 

Zur  Stilistik  ist,  wenn  auch  zunächst  zu  praktischen  Schulzwecken 
und  zum  Selbstunterricht  bestimmt,  zu  erwähnen: 

K.  Fr.    von   Nägelsbach,    Lateinische   Stilistik    für  Deutsche. 

8.  Aufl.,  besorgt  von  Dr.  Iwan  Müller.    Nürnberg,    Geiger,    1888, 

872  S.     8. 

Die  starke  Vermehrung  der  Bogenzahl  zeigt  die  umfassende 
Revision  und  Ergänzung,  der  das  Werk  unterzogen  worden  ist;  doch 
ist  die  ursprüngliche  Anordnung  im  wesentlichen  geblieben  Um- 
gestaltet ist  die  Einleitung;  neu  zugefügt  ist  den  einzelnen  Abschnitten 
eine  übersichtliche  Zusammenstellung  der  Litteratur.  Die  Reichhaltig- 
keit und  Genauigkeit  sind  aufserordentlich;  sehr  angenehm  auch  die 
sorgfältigen  Indices.  Das  Buch  ist  eine  unei  schöpfliche  Fundgrube 
sicherster  Belehrung,  ja  sein  Studium  zur  Erkenntnis  des  innersten 
Wesens  der  lateinischen  Sprache,  die  vielfach  erst  aus  dem  Gegensatz 
zur  modern  deutschen  Auffassung  hervorspringt,  unentbehrlich.  —  Vgl. 
die  Anzeige  von  Schmalz  ßerl.  Philol.  Wochenschr.  IX,  I628ff. 


326  Lateinische  Grammatik.    (Deeckc.) 

Auf  ihm  beruht  auch  wesentlich  das  italienische  Werk: 

Ant.  Cima,  Teoiia  dello  stile  latino.  3.  Aufl.  Turin,  Paravia, 
1892,   137  8.     8. 

Dies  weit  kürzere,  concisere  Werk  (letzte  Vorrede  aus  Parma) 
ist  für  italienische  Schüler  und  Studenten  bestimmt,  für  die  der  Ver- 
fasser auch  Nägelsbachs  Stilübungen  bearbeitet  hat.  Da  das  Italienische, 
auch  in  seiner  modernen  Gestalt,  dem  Latein  immer  noch  weit  näher 
steht,  als  das  Deutsche,  war  die  Arbeit  einfacher;  doch  ist  sie  mit 
Sorgfalt  und  Geschick  gemacht.  Auch  diese  „vergleichende  Methode 
des  Lateinischen  und  Italienischen"  ist  sehr  lehireich.  Das  Ganze  ist, 
durchaus  selbständig  g-eordnet,  in  11  Kapiteln  abgehandelt:  1.  materia 
e  limiti  dello  stile  latino;  2.  materiale  linguisticö;  3.  concetti  generici, 
specifici  e  indi^iduali;  4.  concetti  astratti  e  concreti;  5.  concetti  soggettivi 
e  oggettivi,  attivi  e  passivi;  6.  concetti  relativi  e  assoluti;  7.  della  cir- 
coscrizione;  8.  deir  ordo  nelle  parti  della  proposizione;  9.  -  del  periodo; 
10 — 11.  deir  ornatus:  a.  della  metafora;  b.  il  ritmo  della  prosa  latina. 
Ein  Anhang  erörtert  A.  lingue  d'ordine  analitico  e  lingue  inversive; 
B.  la  struttura  del  periodo  latino. 

Erwähnen  will  ich  auch: 

G.  Landgraf,  Auszug  der  stilistischen  Eigentümlichkeiten  aus 
seiner  lat.  Grammatik  (s.  S.  99). 

.T.  Gersten  ecke r,  Zum  grammatisch-stilistischen  Unterricht  im 
Lateinischen.     Blatt,  f.  d.  bayr.  Gym.  XXVIII,  S.  Iff. 

Ich  gehe  zu  den  Einzelheiten  über  und  bespreche  zunächst  eine 
isoliert  stehende  Abhandlung  über  innere  Satzformung: 

Guil.  Bock,    Subjecta  rel  cum  actionis  verbis  conjungendi  usus 

quo  modo  in  prisca  quae    vocatur    latinitate  sit    exortus  et  prolatus 

usque  ad  tempora  Cioeroniana.     Dissert.     Leipzig  1889,    100  S.     8. 

Schon  der  Titel  zeigt,  wie  schwerfällig  die  Behandlung  derartiger 

Stoffe  in  lateinischer  Sprache  ausfällt;  sonst  ist  die  Arbeit  fleifsig  und 

enthält  viel  Material.    Stete  Vergleichung  ist  durchgeführt  mit  Ahlens 

De  subjectis  rei  apud  Ciceronem  cum  verbis,  qnae  actionem  significant, 

coiyunctis,   üpsala  1877.    Es  zeigt  sich,  dafs  Abstrakta  viel  häufiger 

Subjekt  sind,    als    man    denkt,    und    dafs    besonders  Cicero    die    alten 

Grenzen    mehrfach    überschreitet.      Die  Disposition    ist,    abweichend 

von  Ahl6ns,    der    sie    nach    den  verbis   conjunctis    durchgeführt    hatte, 

nach  den  subjectis  rei  gemacht,    und  zwar  in  7  Arten  (nicht  streng 

logisch):  1.  abstrakte  Gottheiten;  2.  Natui'erscheinungen;  3.  Kollektiva; 

4.  Technische  Wörter  aus  dem  Ackerbau,  der  Medizin  u.  s.  w. ;  5,  Ab- 

.strakte  Subjekte  mit  Verben,    die  ihre  ursprüngliche  Aktionsbedeutung 


Syntax.     Stilistik.    Wortstellung.     (Döecke.)  327 

verloren  haben:  6.  Personifizierte  Handlungen  oder  Zustände;  7.  Dichte- 
rische Personifikation.  —  Es  fehlt  manches. 

Ich  gehe  zu  den  zahlreicheren  Schriften  über  die  Stellung  über: 

Jak.    Wackernagel,    Über    ein    Gesetz     der    indogermanischen 
Wortstellung.     Indogerm.  Forsch.  I,  333—4:36. 

Das  Latein  wird  S.  406  ff.  behandelt.  Die,  ohne  Zweifel  richtige, 
These  des  Verfassers  ist  die,  dafs,  besonders  in  der  klassischen  Prosa, 
die  Stelle  unmittelbar  hinter  dem  ersten  Wort  des  Satzes  mit 
Tonschwäche  verbunden  war:  die  dort  hingestellten  Wörter  sind  daher 
enklitisch  oder  werden  es  eben  durch  diese  Stellung.  Freilich  fehlt  im 
Lateinischen  mit  der  fehlenden  äufseren  Betonung  auch  das  Kenn- 
zeichen der  Tonlosigkeit;  doch  wird  dies  vielfach  durch  die  Tmesis 
ersetzt.  So  hat  Festus:  sub  vos  placo;  ob  vos  sacro;  Cicero  hat  per 
mihi  mirum,  -scitum,  -benigne,  -gratura,  sogar  per  mihi,  per,  inquam, 
gratum;  einmal  dagegen,  aus  besonderem  Grunde,  pergratum  mihi 
(Läl.  16);  so  auch  pergrata  perque  jucunda;  per  enim  magni.  Häufig 
ist  bekanntlich  die  Tmesis  von  qui-cumque  u.  s.  w.,  quo-  modo.  Ferner 
gehören  hierher  (s.  ob.!)  die  Bittformeln,  wie  per  te  deos  oro  u.  s.  w. 
Zwischenstellung  der  persönlichen  Pronomina  findet  sich  auch  sonst 
z.  B.  bei  Cicero:  sol  me  ille;  populus  se  B,omauus;  nee  se  comiteni  .  .  ., 
sed  ducem  aa.  Sehr  auegedehnt  findet  sich  dies  bei  den  Komikern 
(s.  Kämpf  und  Bach!),  besonders  nach  Interrogativen,  nach  Kon- 
junktionen, nach  Affirmativpartikeln  u.  s.  w. ;  ferner  (s.  Langen!)  in 
Beteurungs-,  Wunsch-,  Verwünschungsformeln  nach  di  oder  bestimmten 
Göttemamen,  besonders  me,  te,  tibi,  vos,  istuÄ,  illum  aa.;  auch  nach 
di  deaeque;  Hercules  dique  (istara  perdant)  und  in  ähnlichen  Formeln; 
dann  nach  Partikeln  wie  ita,  itaque,  ut,  utinam,  hercle,  qni,  at;  so 
auch  at  ita  me  di- ;  si  te  di  ament  aa. ;  auch  bei  Cicero :  ita  niihi  deos-, 
ita  me  di-  aa.;  sie  tibi,  sie  te  aa.  Auch  ganze  Verbindungen  stehen 
gern  an  zweiter  Stelle,  wie  me  dius  fidius,  meherc(u)le,  mecastor, 
bisweilen  an  dritter,  wie  ne  istuc  mecastor,  selten  voran.  —  Enklitisch 
steht  ferner  oft  das  Demonstrativ,  z.  B.  quam  id  recte  fecerim;  quo 
ea  me  cumque  duxit;  quäle  id  cumque  est;  so  auch  hie,  ille  aa.  Be- 
sonders häufig  trifft  dies  ferner  die  Indefinita,  wie  ne  quis  u.  s.  w., 
auch  nach  dum,  num,  nach  Relativen  und  Relafivkonjunktionen  wie  quo, 
qtium,  quamvis,  uach  neque  (nee),  nach  ni,  nisi,  si;  so  auch  ne  quando, 
-quisque,  -uterque  (seltener);  -ullus,  -unquam,  -usquam;  s.  auch  ecquis 
u.  s.  w.  An  zweiter  Stelle  tonlos  stehen  femer  manche  Partikeln, 
Konjunktionen,  Adverbia,  wie  -ne,  -ce,  -ve,  -que,  auteilü,  vero, 
enim,  igitur  u.  a.;  ^nam,  tandem  in  Fragen,  auch  mit  Tmesis,  z.  B, 
qualis  enim  cumque;  quo  tandem  modo?;  archaisch  transque  dato;  dis- 


328  Lateinische  Grammatik.     (Deecke). 

que  tulissent;  absque  me  esset.  Hierher  auch  quidem,  quoque  aa. . 
dagegen  ist  sine  nicht  =  sine,  sondern  ^=  *snne,  Lokativ  von  senü,  s. 
gr.  av£u  (?).  —  Endlich  steht  auch  das  Verbum  esse  lateinisch  sehr  oft 
in  der  Enklisis:  qui  siut  in  amicitia?;  quae  est  in  me  facultas?;  nihil 
est  enim;  omnis  est  e  vita  sublata  jucunditas;  ferner  per  fore  accom- 
modatum,  per  fuit  familiaris;  auch  ubi  fit  quomque  mentio. 
Vergleiche  hierzu: 

M.  Pet  sehen  ig,  Über  eine  eigentümliche  Wortstellung  bei  inquit. 
Arch.  f.  lat.  Lex.  V,  576  ff. 

Gemeint  ist  einerseits  eine  Stellung  wie  Cäsar  bell.  Gall.  V, 
30,  1  „vincite",  inquit,  „si  ita  vultis",  Sabiaus,  andrerseits  wie  Livius 
V,  18,  5  „en  vobis",  inquit,  ,,juvenem",  filium  tenens,  ,,effigiem".  lin 
ersten  Falle  folgt  das  Subjekt,  im  zweiten  eine  Apposition  zum  Subjekt, 
durch  einen  Teil  der  Rede  getrennt;  das  Subjekt  kann  übrigens  auch 
vorangehen. 
Ferner: 

F.  Back.    Über  den  lateinischen  Satzton  und  sein  Verhältnis  zum 
deutschen  Satzton.     Progr.     Birkenfeld  1885,  25  S.     4.; 

vgl.  die  Anzeige  vcn  J.  H.  Schmalz,  Deutsche  Litteraturzeitung 
1886,  S.  1526. 

Allgemeineren  Lihalts  sind  noch: 

H.  Weil,  The  order  of  words  in  the  ancient  languages  compared 
with   that    of   the    modern    languages;    übersetzt   von    C.  W.  Super. 
Boston  1888,  114  S.     8.; 
vgl.  die  Anzeige  von  H.  Ziemer.     Berl.  Pbilol.  Woch.  VIII,  1369. 

K.   Boldt,    De    liberiore    linguae  graecae  et  latinae  coUocatione 
verborum.     Göttingen  1885,  195  S.     8.; 

vgl.  H.  Schütz,  Philol.  ßundsch.  1885,  S.  1619  ff. 
C.  Hermann,    Zur  Lehre  von  der  vergleichenden  Wortstellung. 
Jahrb.  f.  klass.  Phüol.   132,  S.  377  ff. 

J.  Baron,    Über  die  lateinische  Wortstellung.    Progr.     Zloczow 
1887,  30  S.     8.; 

vgl.  die  Anzeige  von  B.  Kruczkiewicz,  Zeitsch.  f.  d.  östr.  Gymn. 
XXXIX,  665  f. 

E.  Hauler,  Zum  sogenannten  ujxepov  upoxspov.    Arch.  f.  lat.  Lex. 
V,  578  ff. 

Speziellere  Untersuchungen  verschiedener  Art  sind: 
E.  Kellerhoff,  De  coUocatione  verborum  Plautina  quaestiones 
selectae.     Studien  auf  dem  Gebiete  des  arch.  Lateins,    herausgeg.  v. 
W.  Studemund.    Bd.  H.    Berlin,  Weidmann,  1891,    8.     S.  47—84. 


Syntax.     Stilistik.     Wortstellung.     (Deecke.)  329 

Die  Arbeit  stammt  schou  aus  dem  Jahre  1881  und  hätte  wohl 
erweitert  werden  können,  da  sie  kein  Ganzes  bietet.  Sie  behandelt  §  1. 
die  pronomina  persowalia;  §2.  nominativus,  selten  accusativns  vor  einem 
casus  obliquus  desselben  Wortes,  z.  B.  vigilans  vigilautem;  §  3.  die 
particulae  attirmativae,  wie  hercle,  ecastor  u.  a. ;  §  4.  die  negationes; 
§  5.  gewisse  andere  Partikeln  und  Konjunktionen  (dürftig);  §  6.  einige 
exclamatioues;  §  7,  formulae  exsecrandi;  §  8.  ablativus  comparativus; 
§  9.  varia  (dürftig).  —  Ein  Prinzip  der  Auswahl  oder  innerer  Zu- 
sammenhang der  Anordnung  ist  nicht  zu  erkennen. 

Guil.  Asmus,  De  appositionis  apud  Plautum  et  Terentium  coUo- 
catione.     Dissert.     Halle  1891,  50  S.     8. 

In  der  Einleitung  „de  vi  ac  natura  appositionis"  wird  die 
Apposition  definiert  als  ea  substantivae  notionis  explicatio  quae  fit  per 
aliani  substantivam  notionem  nulla  intercedente  copula  eodem  casu  sub- 
jectam.  Man  sieht,  wie  schwerfällig  hier  wieder  die  Behandlung  in  la- 
teinischer Sprache  ist.  Nach  der  obigen  Definition  ist  ein  als  Adjektiv 
gebrauchtes  Substantiv  keine  Apposition,  wohl  aber  ein  als  Substantiv 
gebrauchtes  Adjektiv;  aber  vgl.  exercitus  tiro,  vicinus  senex,  fors  for- 
tuna  aa.  —  Es  folgen  2  Teile:  I.  de  attributo  quod  substantivo  ex- 
primitur:  §  1.  senex,  anus,  adulescens  u.  s.  w.;  ephebus,  virgo,  puer 
u  s.  w.;  mas,  femina;  §  2.  homo,  vir,  mulier  u.  s.  w.;  §  3.  es  giebt 
hier  kein  bestimmtes  Gesetz  der  Stellung.  —  II.  de  appositionis  collo- 
catione:  1.  nomina  propria;  dieselben  stehen  regelraäfsig  vor  der  Appo- 
sition; aber  mit  der  Ausnahme  (S.  30):  justa  appositionis  collocatio 
nepleu'i  potest,  si  noraen  proprium,  quod  ea  definitur,  in  fine  ordinis 
metiici,  qui  saepius  cum  sententiae  incisione  convenit,  ponitur.  — 
2.  Bei  anderen  Wörtern  gilt  dieselbe  Regel,  nur  nicht,  si  vox  2)rimaria 
vel  apposita  in  ordinis  metrici  fine  vel  initio,  quocum  saepius  sententiae 
incisio  convenit,  ponitur.  Mitunter  stehen  auch  beide  an  diesen  „in- 
signibus  locis'".  Übeihaupt  rufen  auch  sonbt  metrische  Ursachen  ver- 
einzelt Umstellungen  hervor,  z.  B.  Pterela  rex;  ferner  bildeten  sich  ge- 
wisse Formeln,  z.  B  plena  luna,  aber  luna  nova.  Bisweilen  wird  die 
appositio  zwischen  die  Teile  der  vox  primaria  eingeschoben,  und  um- 
gekehrt. Bei  mehreren  Appositionen  werden  unterschieden  (S.  41): 
1.  enumerativa;  2.  distributiva;  3.  disjunctiva. 

Vgl.  noch: 

Jac.  Schrammen,    Über    die    näheren  Bestimmungen    des  Sub- 
stantivs, besonders  im  Lateinischen.     Progr.     Oppeln  1888,  14  S.    4. 

Matth.  Heitzmann,  De  substantivi  eique  attributi  apud  poetas 
satiricos  coUocatione.     Dissert.     Bonn  1887,  50  S.     8. 


330  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

Es  ist  nur  pars  I:  behandelt  sind  Enuius,  Tiucilius,  Horaz,  Persins, 
Juvenal;  die  Falle  sind  scharf  gesondert  und  in  2  grofse  Tabellen  ge- 
bracht. Die  kunstreiche  Stellung:  subst.,  praep^s.,  attrib.,  findet  sich 
schon  bei  Ennius  undLucilius,  z.B.  arbusta  per  alta;  tristitia  in  summa 
(später  bei  Vergil). 

A.  Reckzey,    Über    grammatische  und  rhetorische  Stellung  des 
Adjektivs  in  der  alteren  lateinischen  Prosa.     Berlin  1888,  31  S.    4. 
Die  Schritt  behandelt  die  Stellung  des  Adjektivs  bei  den  Anna- 
listen, Cato  (ausgen.  de  re  rnstica)  und  Sallust. 

Willib.  Preis,  Adjectivum  utfum  ordine  apud  optimos  Romano- 
rum scriptores  conjunctnm  sit  cum  substaptivo  quaeritur.  Progr. 
Bayreuth  1889,  48  S.     8.; 

vgl.  die  Anzeige  von  J.  H.  Schmalz  in  der  Deutsch.  Litteratur- 
zeitung  1890,  S.  985  ff. 

Dietr.  Rohde,  Adjectivum  quo  ordine  apud  Sallustium  con- 
junctum  sit  cum  substantivo.  Hamburg  1887,  35  S.  4.  Gratula- 
tionsschrift zum  Jubiläum  der  Universität  Göttingen. 

Der  Verfasser,  der  schon  früher  in  einem  Programm  1884  die 
Stellung  des  Adjektivs  bei  Cäsar  und  in  Ciceros  Reden  behandelt  hatte 
(s.  Jahresber.  f.  1883—4,  S.  201),  stellt  hier  fest,  dafs  die  regelmäfsige 
Stellung  des  Adjektivs  bei  Sallust  auch  diejenige  vor  dem  Substantiv 
ist.  Ausnahmen  sind  (aufser  den  Ethnicis  u.  s.  w.)  folgende:  1.  Bei 
zwei  adjektivischen  Attributen  steht  eins  oder,  wenn  sie  eng  verbunden 
sind,  beide  nach,  z.  B.  cetera«que  artis  bonas;  ingenio  malo  pravoque. 
—  2.  Einsilbige  Substantiva  stehen  gerne  voran,  wie  res,  spes,  pars  u.  a., 
z.  B.  res  publica. 

E.  Albrecht,  De  adjectivi  attributi  in  lingua  Latina  coUocatione 
ßpecimen.     Dissert.     Marburg  1890,  104  S.     8. 

Das  Material  ist  ein  ziemlich  willkürlich  ausgewähltes:  Alte  Ge- 
setze; Cato  de  re  rustica;  Ciceros  Briefe  ad  familiäres  (nicht  ad  Atti- 
cum),  Kornificius,  4  Stücke  des  Plautus,  Petronius.  Die  Resultate  haben 
daher  nur  beschränkte  Gültigkeit.  Behandelt  sind  statistisch:  1.  Die 
demonstrativen,  determinativen  und  possessiven  Pronomina;  2.  die  Kar- 
dinal- und  Ordinalzahlen;  3.  die  eigentlichen  Adjektiva,  proleptiscli  ein- 
geteilt in  solche,  welche  gewöhnlich  nachstehen,  und  solche,  welche  ge- 
wöhnlich voranstehen.  Bei  Cato  de  r.  r.  stehen  von  320  Adjektiven 
235  immer  nach,  Was  zum  archaischen  Sprachgebrauch,  nicht  zum  Cice- 
ronianischen  stimmt,  so  dafs  danach  die  Schrift  nicht  sehr  überarbeitet 
sein  kann.  Klassisch  stehen  in  der  Regel  nur  die  mit  dem  Substantiv 
zu  einem  Begriff  vei-schmolzanen  Adjektiva  nach  demselben.    Doch  giebt 


Syntax.    Stilistik.    Wortstellung.    Figuren.     (Deecke.)  331 

es  nach  beiden  Seiten  hin  viele  Ausnalimen.  indem  rhetorische,  enpho- 
nische  (z.  B.  die  Silbenzahl),  bei  den  Dichtern  auch  metrische  Gründe 
Inversion  hervorrufen.  Es  ist  demnach  die  natürliche,  ursprüngliche 
Stellang  von  der  künstlichen,  sekundäieu  jedesmal  zu  scheiden.  Besonder- 
heiten zeigen  auch  4ie  epitheta  ornantia.  —  Ein  Kegister  bildet  den 
Sclüufs. 

P.  Dettweiler,  Symbolae  ad  coUocationem  verborum  (aus  der 
Festschrift  f.  d.  38.  Veisamml.  dtsch.  Philol.  u.  Schulmänner  1885). 
1885,  8.     S.  82-  105. 

Der  genauere  Inhalt  ist:  apud  Ciceronem  qua  ratione  locorum  a 
quibus  verbis  praedicati  locnm  obtipentibus  sententiae  incipiant.  Auch 
hier  zeigt  sich  die  TJngelenkheit  der  lateinischen  Sprache  für  den  mo- 
dernen grammatischen  Ausdruck.  Es  werden  folgende  2  Regeln  fest- 
gestellt: 1.  verbum  primum  enuntiati  locum  obtinens  habet  vim  con- 
cessivam,  und  zwar  teils  im  Indikativ,  teils  im  Konjunktiv;  die  Kon- 
junktion fehlt  oder  es  steht  esse  quidem  aa.;  der  Nachdruck  liegt  auf 
^em  Verb.  —  2.  verbum  pr.  en.  loc.  obt.  habet  vim  quandam  causalem. 
—  Das  Ganze  ist  Fragment;  s.  auch  Jahn,  N.  Jahrb.  45,  S.  41 — 59. 
Weitere,  mit  der  Wortordnuug  zusammenhängende  Unter- 
suchungen sind: 

J.  Bach,  De  attractione  quae  dicitur  inversa  apud  scriptores 
latinos.     Progr.     Strafsbnrg  1888,  36  S.     4. 

Es  sind  nur  die  archaischen  Schriftsteller  behandelt.  Gemeint  ist 
unter  der  attractio  inversa  eine  Wendung  wie  Verg.  An.  I,  573  urbem 
quam  statuo  vestra  est,  entstanden  aus  der  Parataxe:  urbem  (aü)quara 
Btatuo;  (ea  ui'bs)  vestra  est  (sicher  unrichtig!  das  Relativ  war  ursprüng- 
lich Interrogativ,  s.  mein  Buchsw.  Progr.  1«87!).  Diese  Attraktion  be- 
gegnet am  häufigsten  bei  Plautus,  seltener  bei  Tereuz  und  Kato;  das 
Relativ  steht  stets  im  Nominativ  oder  Akkusativ,  oder  der  Nebensatz 
beginnt  mit  einem  relativen  Adverb,  z.  B.  PI.  Cistell.  indidem  unde 
oritur,  facito  ut  facias  stultitiam  sepelibilem.  Irrig  ist  es,  dafs  die 
Attraktion  nicht  eintrete,  wenn  der  Nebensatz  oder  Hauptsatz  einen 
acc.  c.  inf.  enthält;  s.  Lucil.  sat.  XXIX,  26  AI.;  auch  später  Seneca 
Herc.  Oet.  411. 

Ed.  Wölfflin,  Zur  Epiploce.     Arch.  f.  lat.  Lex.  VIU,  141  —  2. 

Der  lateinische  Ausdruck  ist  catena :  dieselbe  ist  nominal,  verbal 
oder  gemischt.  Hier  soll  nur  die  verbale  behandelt  werden.  Die 
griechische  Form  war  mannigfaltiger  als  die  römische,  die  nur  dreifach 
ist:  1.  praes.  (impf.)  indic.  act.  —  part.  praes  act.,  z.  B.  Ond  Metam. 
VI,  656  .  .  .  quaerit.    Quaerenti  .  .  .;  sonst  selten.  —  2.    Dasselbe  oder 


332  Lateinische  Grammatik.    (Deecke.) 

perf.  ind.  act.  —  part.  perf.  pass.,  z.  B.  ...  exegit,  exactam  .  .  .;  die 
Grammatiker  haben  auch  Beispiele  mit  mehr  Gliedern.  —  3.  praes. 
(impf.)  indic.  pass.  —  part.  perf.  pass.  (auch  mit  part.  perf.  depon.), 
z.  B,  .  .  .  circumveniuntnr,  circumventi  ....  Variiert  ist  z.  B.  Cic.  pro 
Rose.  Amer.  32  .  .  .  jugulastis,  occisum  (statt  jugulatnm)  .  .  .  Selten 
ist  die  Trennung  der  Verbalformen  durch  zwischenstehende  Wörter; 
verbunden  sind  sie  bisweilen  durch  -que,  selten  et. 

Auf  den  Periodenbau  beziehen  sich  ferner: 

Edm.  Meyer,  Zur  Konstruktion  der  lateinischen  Periode.  Jahrb. 
f.  klass.  Philol.  133,  S.  504  ff.;  Nachtrag  136,  S.  196  f. 

A.  Eoschatt,  Über  den  Gebrauch  der  Parenthese  in  Ciceros 
Reden  und  rhetorischen  Schriften.  Acta  Seminarii  philol.  Erlangensis. 
Bd.  III.  1884,  478  S.  8.  S.  189—245.  Vgl.  die  vorläufige  Au- 
zeige  im  vor.  Jahresber.  S.  224. 

Die  Arbeit  enthält  zwei  Teile.  Der  allgemeine  definiert  zu- 
nächst die  Parenthese  als  ,,eine  Einschaltung  in  den  einfachen  Satz 
oder  zwischen  die  Glieder  eines  zusammengesetzten  Satzes,  wodurch  der 
Hauptgedanke  momentan  durch  einen  anderen  Gedanken  unterbrochen 
wird,  der  nicht  notwendig  zum  Zusammenhang  gehört,  daher  auch  nicht 
syntaktisch  mit  dem  Satze  oder  Satzteile,  dem  er  eingeschoben  ist,  ver- 
bunden ist,  wohl  aber  in  einer  gewissen  logischen  Zusammengehörigkeit 
mit  dem  Hauptgedanken  steht".  —  Diese  Einschaltungen  braucht  Cicero 
nicht  als  Notbehelf  zur  Unterbringung  von  Gedanken,  sondern  zur  Er- 
zielurg  rhetorischer  Effekte;  sie  sind  daher  in  den  Reden  erregter, 
in  den  rhetoiischen  Schriften  ruhiger,  stets  kunstvoll  angebracht,  nie 
die  Periode  zeiTeifsend.  Dagegen  finden  sich  in  den  weniger  sorgfältig 
stilisierten  philosophischen  Schriften  und  in  der  freieren  familiären 
Sprache  der  Briefe  sehr  zahlreiche  Parenthesen  lockerer  kunstloser 
Art,  auf  die  obige  Definition  nicht  immer  pafst.  —  Der  spezielle  Teil 
behandelt  zunächst  die  Frage,  in  was  für  Sätzen  sich  die  Parenthesen 
finden?  Häufig  in  Aussagesätzen,  selten  in  anderen.  Zweitens  vdi'd  der 
Umfang  der  Parenthesen  erörtert:  sie  sind  möglichst  kurz,  da  sie  dem 
Hauptgedanken  nachstehen  müssen  und  ihn  nicht  zu  lange  unterbrechen 
dürfen.  Doch  giebt  es  auch  längere,  je  nach  der  Umgebung,  ja  sie 
schwellen  selbst  bis  zur  Periode  an;  immer  wird  eine  gewisse  äufsere 
Symmetrie  bewahit.  —  Drittens  werden  die  Einführungspartikeln 
behandelt,  viertens  die  Stellung,  fünftens  das  Verhältnis  des  In- 
halts der  Parenthese  zum  unterbrochenen  Gedanken.  Der  Verfasser 
bringt  viel  klar  geordnetes  Material  bei. 


Syntax.    Stilistik.    Figuren.    (Deecke.)  333 

Ich  gehe  zu  den  eigentlich  rhetorischen  Formen  über: 

J.  Vahlen,  De  quibusdam  orationis  ornatae  methodis  apud  poetas 
graecos  et  latinos.     Index  lect.  hibern.   1887,  4.     Berlin; 

vgl.  W.  in  der  Berl.  Philol.  Woch.  VIII,  486  f. 

P.  Grofs,  Die  Tropen  und  Figuren.  2.  Ausg.  Leipzig,  Bredt, 
1888; 

vgl.  F.  Müller,  Berl.  Philol.  Woch.  X,  257. 

Spezielleres  behandeln : 

C.  H.  Lehmann,  Quaestiones  TuUianae.  Pars  I.  de  Ciceronis 
epistulis.     Leipzig,  1886,  136  S.  8. 

Durchweg  Konjekturalkritik;  S.  23 — 33  bespricht  aber  das  zwei- 
gliedrige Asyndeton.  In  der  älteren  Sprache  beliebt,  verschwindet 
€S  klassisch  allmählich  und  erhält  sich  nur  vulgär  und  archaisierend; 
s.  Sig.  Preufs,  de  bimembris  im  Jahresber.  f.  1879 — 80,  S.  219. 

Ferner : 

G-ottl.  Hatz,  Beiträge  zur  lateinischen  Stilistik.    Zur  Hendiadys 

in  Ciceros  Redeu.     Schweinfurt,  1886,  68  S.  8. 

Auf  Anregung  Iw.  Müllers  giebt  der  Verfasser  eine,  ungeachtet 
mancher  Streichungen,  mit  einem  gewissen  Überflufs  angelegte  Sammlung 
als  Ergänzung  zu  Nägelsbach.  —  S.  3 — 12  giebt  eine  allgemeine 
Einleitung  mit  Definition.  Dann  werden  die  gesammelten  Beispiele 
in  zwei  Rubriken  behandelt:  1.  synonyme  S.  13 — 26  (Näg.  §  73,  2a), 
wie  iudicio  ac  potestate;  iniquitas  et  injuria;  usus  et  fructus;  usus  et 
consuetudo.  Diese  Fälle  siud  zum  Teil  durch  das  Fehlen  geeigneter 
Adjektiva  veranlafst  (später  z.  B.  bei  Quintilian  usitata  consuetudo); 
im  Deutschen  stehen  daher  Adjektiva  oder  Komposita,  z.  B.  gewohnte 
Sitte,  Nutzniefsung.  Gemieden  wird  von  Cicero  die  aichaische  ögura 
etymologica,  wie  otiuni  otiosum.  —  2.  nicht  synonyme  S.  27  ff.  (Näg. 
:§  73,  2b),  wie  natura  pudorque,  vi  et  armis.  Auch  hier  tritt  im 
Deutschen  oft  ein  adjektivisches  Attribut  oder  ein  Kompositum  ein, 
wie  „natürliche  Scheu,  mit  Waffengewalt".  —  Unter  jeder  Rubrik  sind 
die  Stelleu  in  historischer  Reihenfolge  der  Schriften  geordnet,  mit  Zu- 
füguug  der  Parallelstellen.  Mitunter  ist  das  Vorliegen  einer  rhetorischen 
Figur  zweifelhaft,  und  geht  der  Verfasser  in  Annahme  einer  solchen 
bisweilen  wohl  zu  weit.  Vgh  die  Ergänzung  von  Ed.  Wölfflin,  Zur 
Entwickelung  des  Hendiadyon.     .Arch.  f.  lat.  Lex.  IV,  143. 

G.  Landgraf,    De    figuris    etymologicis   linguae    latinae.     Acta 

semin.  Erlang.  II,  S.  1—69. 

Schon  besprochen  im  Jahresbericht  f.  1881 — 82,  S.  359;  s.  jetzt 
•die  Anzeige  von  Schmalz,  Piniol.  Rundschau  II,  S.  1487  —  9  und  den 
Nachtrag  Jahrb.  f.  klass.  Philol.  1892,  S.  653. 


334  Lateinische  Grammatilc.    (Deeeke.) 

Verschiedene  nene  Schriften  sind  über  die  Allitteration 
erschienen : 

Ed.  Wölfflin,  Zur  Allitteration  und  zum  Reime.  Arch.  f.  lat. 
Lex.  III,  443  -457. 

Vgl.  desselben  Allitterierende  Verbindungen  der  lat.  Spr.  1881, 
im  Jahresber  f.  1881—82,  S.  357.  Zur  Allitteration  wird  hier  eine 
Nachlese  der  Verbindung  von  Wörtern  gleichen  oder  gleichscheinenden 
Stammes  gegeben;  zuuächst  Allitteration  von  a  und  au,  a  und  ae  (doch 
niclit  ganz  sicher!);  dann  andere  (alphabetisch  geordnet).  —  Zum 
Reime  werden  gleichfalls  zunächst  einzelne  Notizen  und  Beispiele 
nachgetragen:  so  besonders  Heilspiüche  und  Zauberformeln  (s.  Arch.  I, 
355;  11,  423).  Konsequent  verwendet  später  Augustin  Reime  und  Wort- 
spiele.  Es  wird  dann  ein  alphabetisch  geordneter  Nachtrag  gegeben,, 
besonders  aus  Paulinns  Nolauas  (s.  I,  350 — 89;  576 — 9). 

Ich  knüi)fe  hieran  gleich  von  demselben  Verfasser: 

Ed.  Wölfflin,  Das  Woitspiel  im  Lateinischen,  Sitzungsber.  d. 
königl.  bayr.  Akad.  d.  Wiss.  1887,  II>  2,  S.  187  ff.;  vgl.  Arch.  f.  lat. 
Lex.  IV,  631. 

Blümlein,  Znr  Allitteration  und  zum  Wortspiel  im  Lateinischen. 
Berichte  des  Deutsehen  Hochstifts.     N.  F.  VII,  2. 

Zu  Car.  Bötticher,  de  allitterationis  apnd  Romanos  vi  et  usu 
1884,  im  Jahresber.  f.  1883—4,  S.  225—6  besprochen,  vgl.  jetzt  noch 
die  Anzeigen  vou  W.  Ebrard,  Philol.  Rundsch.  1884,  N.  51,  und  von 
Ph.  Thielraaun,  Woch.  f.  klass.  Philol.   1885,  S.  909  ff. 

Italienisch  ist  dasselbe  Thema  behandelt  von: 
P.  Basi,    Osservazioni    sali'    uso  dell'  allitterazione  nella  lingua 
latina.     Atti  e  memorie  dell"  Accad.  di  Padova.    V,  2  (1889). 

Spezielleren  Inhalts  sind: 

J.  Bintz,  Beiträge  zum  Gebrauch  der  Allitteration  bei  den 
römischen  Prosaikern.     Philol.  XLIV,  262  ff. 

F.  Mering,  De  allitteratione  Luciliana.  Progr.,  Wattenscheid,^ 
1891,  12  S.  4. 

Geordnete  Voi-fühiung  sämtlicher  Stellen  aus  den  dürftigen  Frag- 
menten des  Dichters.  Es  ergiebt  sich,  dafs  er  die  Allitteration  mit. 
vollem  Kunstbewuistsein,  bedacht  und  sorgfältig  anwandte. 

B.  Pretsch,  Zur  Stilistik  des  Cornelius  Nepos.  Progr.,  Spandau, 
1890,  47  S.  4.  ■ 

Ergänzung  zu  Lupus'  Stilistik  des  Nepos.  Behandelt  sind:  die 
Allitteration  nebst  Sperrung  oder  Auseinanderstellung,    sehr  häufig; 


Syntax.    Stilistik.    Allitteration.    (Deecke.)  335 

der  Reim,  nur  selten,  wie  es  scheint,  beabsichtigt;  das  Wortspiel, 
nicht  häufig,  wie  ebenso  die  figura  etymologica. 

Ludw.  Lahmeyer,  Studien  zur  lateinischen  (xrammatik  I.  Die 
Allitteration  in  Ciceros  Pompejana.  Progr.  von  Rofsleben,  Görlitz, 
1891,  14  S.  4. 

Mechanisch-schematische  Zusammenstellung,  ohne  Kritik,  Ver- 
gleichung  und  Litteratur. 

H,  Habenicht,  Die  Allitteration  bei  Horaz.  Prgr.,  Eger,  1885, 
17  S.  8. 

Reichhaltige  Sammlung  nach  dem  Vorbilde  von  Kvicalas  „Neuen 
Beiträgen  zur  Erklärung  der  Äueide".  Bestimmte  Normen  sind  nicht 
aufgestellt,  so  dafs  es  sehr  oft  zweifelhaft  bleibt,  ob  Absicht  oder  Zufall 
vorliegt. 

Verwandt  mit  diesen  Untersuchungen  ist  der  reichhaltige  Auf? 
satz  von: 

Herm.  Kraffert,  Kakophonieen  im  Lateinischen.  Zeitschr.  f. 
Gymnasialwesen,  Bd.  XLI  (1887),  S.  713  —  733. 

Die  Frage  war  damals  noch  nicht  im  Zusammenhang  behandelt: 
auch  hier  sollen  nur  Beiträge  gegeben  werden,  vorzugsweise  aus  Cicero 
und  Horaz.  Schwierig  ist  die  Untersuchung  dadurch,  dafs  so  viel  vom 
subjektiven  Gefühl  und  Gehör  abhängt,  auch  der  Geschmack  der  Römer 
vielfach  ein  anderer,  ja  entgegengesetzter  gewesen  sein  kann,  als  der 
unsrige,  so  dafs  ihnen  euphonisch  erschien,  was  uns  kako phonisch,  und 
umgekehrt.  —  Behandelt  ist  zuerst  die  Häufung  gleicher  Buch- 
staben, und  zwar  zuerst  von  Vokalen,  z.  B.  a:  Cic.  div.  II,  80  at 
aliquot  annis  antiquior  Romulus  et  Romanorum  auctor  augurum  (z.  T. 
bewofste  Allitteration?);  Tusc.  V,  114  enden  10  Wörter  hintereinander 
auf  a.  —  e:  Cic.  de  off.  I,  124  intellegere  se  gerere  personam;  Hör. 
carm.  II,  9,16  sorores  flevere  semper.  Desine.  —  i:  Cic.  pro  Font.  44 
dedi  inimicissimis  atque  immanissimis  nationibus  an  reddi  amicis;  Hör. 
carm.  I,  24,  9  multis  ille  bonis  flebilis  occidit  (Absicht!).  —  o:  Cic. 
pro  Plane.  36  nemo  non  modo  non  nomine;   s.  Horaz  carm.  III,  6,  47. 

—  w.  Cic.  Brut.  222  Marium  Drusum  tuum  magnum  avunculum;  s.  Hör. 
Ep.  U,  1,  202  (Absicht).  —  ae  u.  s.  w.  —  Auch  können  mehrere 
gleiche  Vokale  sich  oft  wiederholen,  z.  ß.  i  und  a:  Cic.  iniquissima 
invidia,  fastidia  delicatissiraa.  Oft  ist  dies  der  Fall  bei  absichtlicher 
Anaphora  z.  B.  Cic.  pro  Flacc.  neunmal  neque  oder  nee;  siebenmal  si. 

—  Ferner  Konsonanten,  z.  B.  c:  Hör.  carm.  I,  35,  26  cadis  cum 
faece  siccatis  amici.  —  d:  Hör.  Ep.  I,  7,  27  reddes  u.  s.  w.  —  l: 
Hör.  carm.  III,  13,  14  ilicem  u.  s.  w  ;  Cic.  Verr.  I,  88.  —  m\  Cic, 
pro  Flacc.  3,  wovon  11  aufeinander  folgenden  Wörtern  10  aufm  aus- 


336  Lateinische  Grammatik.    (Deecke). 

geben;  de  lege  agr.  I,  7  gar  von  41  Wörtern  22;  Hör.  carm.  III,  24, 
49  suninii    materiem   mali.  —  p  meist  Absicht.  —  qu  oft  in   Relativen 
und  Interrogativen  nebst  den  abgeleiteten  Adverbien  und  Konjunktionen, 
•wie  quoties,  quam,  quia,  quod  u.  s.  w.  —  r  meist  absichtlich  gemieden 
(s.  Wölfflin    über    die   littera    caniua  S.   137),    aber    auch    biswf^ilen 
malend  gehäuft  (Ovid);  Cicero  braucht    es    vorsichtig,  Horaz  im  Über- 
mafs:    auch    die  Verbindung    von  p    und  r,    z.  B.  Sat.  I,  6,  57.  —  s 
wiederholt    sich    oft   im  Auslaut.  —  t   z.  B.    im    bekannten  Verse   des 
Ennius  0  Tite  u.  s.  w.  —  i;  selten,  z.  B.  Cic.  Philipp.  I,  1,  1   (Zufall?). 
—  Hierher    gehört  drittens-  die  "Wiederholung  gleicher  Silben:    teils 
volle  Verdoppelung  wie  in  quisquis,  sese,  teils  gebrochene  Reduplication 
wie  barbarus,  susurrus,  momordi  aus  memordi;  , auch  durch  Komposition, 
z.  B.    dedecus   u.  s.  w. ;    andrerseits  sich  wiederholende  Auslautssilben, 
wie  sogar  Cicero  mererere,   paterere  hat;    vgl.  dann  die  Wiederholung 
desselben  Wortes  oder  verwandter  Wörter,  wie  alius  alinm,    me  meus 
u.  s.  w. ;  etymologische  Allitteration,  auch  mit  Präpositionen.  —  Gleiche 
Endung  zeigen  besonders  die  Eigennamen,  bis  zu  5,  ja  6  hintereinander; 
dann   adjektivische  Attribute  oder  Appositionen  mit  ihren  Substantiven, 
oder  Verbindungen  von  Nominibus,    besonders  auf  -am,    -um,    -is,  -us, 
-arum,  -orura  aa.,    nicht  selten  auch  mehrere  solcher  Endungen  hinter- 
einander oder  regelmäfsig  abwechselnd.  —  Bei  den  Verben  wiederholen 
sich  oft  die  Endungen  -im,  -istis,  -et,  hypothetisch  -etis,  besonders  -eretis, 
-issetis  aa.  —  Eine  andere  Art  der  Wiederholung  ist  die  Gleichheit 
des  Aus-  und  Anlauts,  z.  B.  me  meus  (s.  aufserdem  oben!),  splendet 
et,  tu  tum,   nisi  si,  pares  res,   crure  refert  (überhaupt  oft  bei  re),   ut 
utar  aa. ,    sogar    dreimal:    non    esse    se   senatorem;    transcurrere  regis 
(Ovid),  allerdings  gemildert  durch  die  verschiedene  Quantität;  auch  mit 
2  Silben:  o  fortunatam  natam!;  invisae  visae  sunt.    Verwandt  sind  Reim, 
Assonanz,    andrerseits  Anaphora,    vielfach    als    rhetorische   Kunst- 
mittel  verwendet;  s.  A.  Haacke,  De  Ciceronis  in  orationibus  facetiis, 
Progr.,  Burg,  1S86.     Eerner    sind    zu  beachten  die  figura  efymologica, 
auch  in  Sprichwörtern,    wie  fortes    fortuna;    dann  Oxymora,    wie 
concordia  discors;    inter  opes  inops  (Horaz);  pleonastische  Wieder- 
holung, z.  B.  diem  quo  die;  so  besonders  bei  locus,  res,  castra  aa.;  bei 
Verben,  ohne  und  mitNegation,  wie  decet  —  non  decet,  non  possit  —  possit; 
sonstige  Wiederholungen,  wie  nostra  nostrae,  nova  novis,  omni  omnium; 
auch  bei  Eigennamen  (Cicero).  —  Kakophonie  findet  sich  beabsichtigt, 
malend,     auch    onomatopoietisch,     wie    im    Ovid    sub    aqua,     sub 
aqua  von  den  Fröschen;    Katull  passer  puellae    u.  s.  w.     Micht  immer 
Absicht    ist  der  Gleichklang    bei  Sätzen    oder  Satzteilen;    s.    auch    die 
versus  intercalares.  —  Eine  andere  Kakophonie  ist  die  Häufung  harter 
Konsonanten,  z.  B.  stirps  splendida;    andrerseits  der  Hiatus,   doch 


Syntax.    Stilistik.    Kakophonie.     Hyperbel.    (Dcecke.)  337 

nach  Cicero  auch  rhetorisch  (Orat.  77):  so  begegnen  nicht  selten  3  Vokale 
hintereinander  ohne  Elision,  z.  B.  Hör.  carm.  II,  10,  13  Daedaleo  ocior; 
Verg.  An.  III,  211  iusulae  Jonio  in  magno.  —  Unschön  sind  auch  zu 
lange  Wörter,  doch  bisweilen  absichtlich  gehäuft,  wie  Cic.  de  orat.  I* 
219  ingeniosissimornm  otiosissimorumque ;  so  besonders  bei  Deminutiven 
(Plautus);  andrerseits  Häufung  einsilbiger  Wörter,  allerdings  vie 
seltener  als  im  Griechischen.  Hör.  Sat.  II,  3,  232  hat  13  Wörter  in 
einem  Hexameter.  Eine  besondere  Kunstform  ist  der  rhopalische 
Charakter,  wenn  die  Silbenzahl  der  Wörter  regelmäfsig  steigt,  wie  im 
Horaz  ut  usque  suppetas  laboribus;  auch  antirh opalische  Verse 
kommen  vor;  beides  wohl  meist  wider  Willen.  —  Als  Resultat  ergiebt 
sich  im  allgemeinen,  dafs  den  lateinischen  Autoren  die  Gesetze  der 
Euphonie  wohl  bekannt  waren,  aber  oft  von  ihnen  verletzt  wurden,  ja, 
mehr  als  in  anderen  Sprachen,  sofern  ihnen  andei'es  wichtiger  erschien. 
Freilich  berühren  sich,  wie  wir  gesehen  haben,  vielfach  die  Extreme, 
und  manche  hier  angenommene  Kakophonie  sollte  wohl  als  euphonische 
Schönheit  gelten. 

Zur  Stilistik  in  weiterem  Sinne  gehören  ferner: 

J.  Egli,    Die  Hyperbel    in    den  Komödien    des  Plautus    und   in 
Ciceros  Briefen  an  Attikus.     Progr.,  Zug,  1892,  38  S.  8. 

Ein  Beitrag  zur  Charakteristik  der  lateinischen  Umgangssprache, 
in  3  Kapiteln:  1.  hyperbolischer  Gebrauch  der  Zahlwörter.  —  2. 
Essen  und  Trinken.  —  3.  Schmerz  (körperlich  und  geistig).  —  Es 
sollen  folgen:  Kriegswesen  und  Spottnamen.  —  Nicht  beachtet  ist  der 
mehrfach  erkennbare  Einflufs  des  Griechischen. 

J.  Sasse,    De    numero  plurali  qui  vocatur  majestatis.     Dissert., 
Leipzig,  1889,  70  S.  8. 

Es  ist  hier  nicht  der  gewöhnlich  sogenannte  pluralis  majestatis 
im  Gebrauch  von  nos,  noster  u.  s.  w.  statt  ego,  meus  u.  s.  w.  gemeint, 
der  schon  der  klassischen  Zeit  angehört,  sondern  der  zuerst  unter 
Kaiser  Gordian  III.  um  .240  n.  Chr.  aufkommende  Gebrauch,  dafs  der 
Kaiser  von  sich  und  seinen  Regierungshandlungen  offiziell  in  der  Mehr- 
zahl spricht,  wie  judicamus,  permittimus,  a  nostra  serenitate.  Der 
Verfasser  meint,  es  sei  dies  ursprünglich  aus  der  Bescheidenheit  (?) 
des  jungen  Herrschers  hervorgegangen,  der  seine  Ratgeber  in  den 
Plural  mit  eingeschlossen  habe.  Bestimmter  wurde  diese  Ausdrucksweise 
offizieller  Stil  unter  Konstantin  I.  —  Die  ältere  Stelle  Plin.  ep.  3  ist 
(nach  Mommsen)  beseitigt. 

Zur  Erhöhung  des  Stils  gehören  auch  die  epitheta  ornantia.  be- 
handelt in: 

Jahresbericht  für  Alterthumswissenschaft.    LXXVU.  Bd.  (189.^.  III. >      2'2 


^}3g  Lateinische  Grammatik.    (Deccko.) 

Fr.  Seitz,  De  tixis  poetarum  Latinorum  epithetis.  Pars  I  Progi-. 
Elberfeld,  1890,  30  S.  8. 

Der  Verfasser,  der  schon  1878  aus  seinen  reichhaltigen  Samm- 
lungen „über  die  adjectiva  composita  der  römischen  Dichter"  geschrieben 
hat,  giebt  hier  eine  andere  Probe  aus  jenem  Material,  freilich  recht 
kärglich,  nämlich  nur  die  stehenden  Beinamen  der  Götter,  Länder 
und  Völker,  und  auch  diese  keineswegs  vollständig.  Von  2  Exkursen 
behandelt  der  eine  die  Komposita  auf  ^fer  und -,9er  (gegen  Deipser. 
s.  S.   190),  der  andere  diejenigen  auf  -ficus. 

Umgekehrter  Art,  wie  die  Hyperbel,  wenigstens  der  Form  nach, 
ist  die  Litotes: 

Carl  Weyman,  Studien  über  die  Figur  der  Litotes.  XV.  Suppl.- 
Bd.  der  Jahrl).  f.  klass.  Philol.,  Leipzig,  1886,  8.,  S.  453—550. 

Eine  ausführliche  Arbeit,  ursprünglich  Münchener  Dissertation. 
Der  erste,  allgemeine  Teil  behandelt  die  analoge  orientalische  und 
griechische  Spracherscheinung  und  grenzt  durch  Definition  das  Gebiet 
derselben  ab,  als  einer  „um  das  positive  Glied  gekürzten  Figur".  Der 
Ausdruck  Xitott)?  findet  sich  zuerst  bei  Cicero,  als  grammatischer  Kunst- 
ausdruck bei  Porphyrion  und  Servius :  minus  dicimus  et  plus  significamus, 
(der)  contrarium  intellegentes.  —  Im  zweiten,  speziellen  Teil  wird 
die  Litotes  bei  den  lateinischen  Dichtern  besprochen.  Die  erste 
Negation  ist  non,  nee,  haud;  ne;  die  zweite  in-privativum,  ne-,  dis-. 
ab-,  ex-,  de-,  z.  B.  inscius,  nescius,  dissimilis,  absimilis,  expers,  deformis: 
isoliert  steht  bei  Jul.  Valerius  non  absque  =  non  sine.  -  Das  negierte 
negative  Wort  ist  meist  ein  Adjektiv,  auch  ein  Particip,  wie  inconveniens, 
incautus,  dedignandus,  aber  aucli  eine  andere  Verbalform.  Selten 
werden  so  nicht  negative  Adjektiva  öder  Participia  gebraucht,  z.  B. 
non  alienus,  non  probatus.  Gewisse  Arten  der  Litotes  vererbten  sich 
formelhaft  aucli  auf  die  späteren  Dichter. 

Ich  schliel'se  mit  einem  grölseren  reichhaltigen  Werke  allgemeineren 
Inhalts : 

W.  Kalb,  Das  Juristenlatein.  Versuch  einer  Charakteristik  auf 
Grundlage  der  Digesten.  Progr.,  Xürnberg,  1886,  48  S.  8:  zweite 
erweiterte  Aufl.  1888,  90  S.  8. 

In  der  allgemeinen  Einleitung  wird  festgestellt,  da/s  die  eigentüm- 
liche Sprache  der  Juristen  zwei  Arten    von  Kunstausdrücken   enthält: 

1.  aus  dem  Kanzlei-  oder  Kurialstil,  d.  h.  ans  Gesetzen,  Senatsbe- 
schlüssen, Edikten,  Formeln  u.  s.  w.  herstammend,  also  ans  der  Praxis: 

2.  von  den  .luristoii  selbst  zur  Mitteilung  und  Belehrung  gebildet,  also 
aus  der  Theorie.  Der  erste  Abschnitt  behandelt  die  Ausdrücke  erstere}- 
Art,    von   denen  sich  viele    auch  in  r;itnten  bei  andfren  Schriftstellern 


Syntax.     Stilistik.    Litotes.    Juristenlatein.    (Deecke.)  339 

finden.  Manche  davon  sind  konservativ,  z.  B.  verba  simplicia  statt 
der  composita,  wie  dare  für  tradere  u.  s.  w. ,  (inter)rogare ,  (au)ferre 
(per)cipere,  (ac)ciuirere  u.  s.  vv.;  ferner  (ap)paret,  (con)vertere,  (comb)- 
nrere,  (cor)rumpere.  (e)ruta,  (de)cernere  u.  s.  w.  Intransitive  Bedeu- 
tung z.  B,  in  res  moventes.  Einzelnes:  hostium  potitus  est;  habere 
mit  part.  perf.  pass.;  Formen  auf  -uudus.  —  Archaische  Substantite 
z.  B.  auf  -ela,  wie  tutela,  querela,  corruptela;  pater  familias  u.  s.  w.; 
filiabus  u.  s.  w.  —  Partikeln:  nee  =  nicht  (s.  S.  304);  duntaxat  nur" 
(als  Maximum) ;  intra  =  ante.  Vielfach  ist  Streben  nach  gi'öfserer 
Deutlichkeit  erkennbar.  —  Aus  der  Syntax  sind  zu  bemerken: 
Kasus  ohne  Präposition,  besonders  ablat.  separationis;  ferner  per  statt 
abl.  instrum. ;  Nachstellung  der  Präposition:  condemnare  mit  Akk.  der 
Strafe  aa.;  dann:  Zweigliedrige  Asyndeta  (s.  S.  333);  Wiederholung  des 
Beziehungswortes  beim  Demonstrativ  und  Relativ,  z.  B.  actio,  inquam 
actionem:  ea  actio;  Korrelation:  eatenus-  ({uatenus  (s.S.  319);  Akkus,  c. 
Inf.  Präs.  nach  Verben  des  Versprechens,  auch  blolser  inf.  praes. ,  in 
Sponsionsfornieln  u.  s.  w.  —  Der  zweite  Abschnitt,  aus  der  Rechtstheorie 
oder  dem  Gelehrtenstil,  behandelt:  Stellungsänderung,  z.  B.  bonus 
vir,  bona  fides,  oft  mit  dadurch  erleichterter  Ellipse  des  Hauptworts, 
wie  fera,  pro  rata,  Falcidia,  quarta  aa.,  besonders  oft  bei  actio.  — 
Häufung  von  Präpositionen:  per  in  manum  conventiouem,  und  viele 
ähnliche  Fälle  seit  Labeo ;  auch  ganze  Sätze  oder  der  Anfang  derselben 
werden  als  Hyphen  eingeschoben.  —  Inf.  oder  Akk.  c.  Inf.  bei  petere, 
vindicare,  satisdare.  —  Wortbildungen  und  Formeln  wie:  proximior, 
-mitas;  suus  heres;  sui  juris;  pro  suo  possidere,  -possessio  aa.  Ferner 
besondere  Bedeutung  und  Sprachgewohnheiten:  servare  „das  Seine  er- 
halten"; rogare  mit  Inf.  (Gräcismus);  regelmäfsig  is  qui,  selten  ille  qui, 
nicht  hie  qui;  desiderare  ^  cupere ;  orare  reden  (nicht  bitten:  s.  Heer- 
degen S.  172);  reddere  nicht  =  facere,  zur  Vermeidung  der  Zweideutig- 
keit; promittere  versprechen  (nicht  polliceri):  Vermeidimg  von  cum-  tum, 
nequiquam,  non  modo-  sed;  causa  als  Substantiv  vor  dem  Genitiv  (statt 
als  Präposition  nach  demselben).  —  Der  dritte,  in  der  2.  Aufl.  hinzu- 
gefügte Abschnitt  behandelt  das  „Nichtjuristenlatein" ,  das  durch  die 
Redaktionskommission,  besonders  Tribonian,  in  das  corpus  juris  hinein- 
gekommen ist.  —  Vgl.  die  Anzeige  von  Schmalz  in  den  Jahrb.  f. 
klass.  Philol.   1891,  S.  215—24;  auch  352. 

Der  Verfasser  hat  das  Material  dann  noch,  anders  geordnet,  be- 
handelt in: 

W.  Kalb,  Roms  Juristen,  nach  ihrer  Sprache  dargestellt.   Leipzig, 
Teubner,  1890,  154  S.  8. 

Während  nämlich  obiges  Werk  die  Sprache  der  römischen  Juristen 

22* 


340  Lateinische  Grammatik.    (Deecke). 

als  Ganzes  behandelte,  in  allgemeinen  Zügen,  wird  hier  jeder 
einzelne  Jurist  für  sich  in  kurzem  Abrifs  betrachtet,  und  ver- 
sucht, ihm  einzelne  Züge  besonderer  Ausdrucksweise  abzugewinnen, 
wie  Kalb  es  schon  mit  Gajus  im  1.  Bde.  des  Arch.  f.  lat.  Lex. 
(S.  82—92)  gethan  hatte.  Als  erster  Versuch  ist  dies  höchst 
dankenswert,  und  der  Verfasser  verrät  scharfe  Beobachtungsgabe.  So 
sind  auch  die  Sesultate  nicht  unbedeutend,  ja  hin  und  wieder 
übeiTaschend ,  wie  z.  B.  dafs  aus  der  Sprache  des  Papinian  sich 
seine  afrikanische  Herkunft  zu  ergeben  scheint.  Mitunter  freilich  sind 
die  Schlüsse,  bei  der  Dürftigkeit  des  Materials,  wohl  zu  kühn.  —  Im 
Eingang  werden,  beispielsweise,  etwas  bunt  durcheinander,  eine  Reihe 
von  Wörtern  und  Phrasen  besprochen,  um  zu  zeigen,  was  sich  aus  ge- 
nauer Beobachtung  des  Sprachgebrauchs  gewinnen  läfst.  Die  einzelnen 
Juristen  werden  durchgenommen  von  P.  Alfenus  Varus  bis  Arcadius 
Charisius. 


Nachtrag  zu  Seite  250. 

Die  Arbeit  Fr.  Hansens  on  the  Latin  adjective  geht  von 
Pauls  Ansicht  aus  (Princ.  d.  Sprachgesch.  -  Halle  1886,  S.  114),  dafs, 
wie  das  Objekt  eine  Verdoppelung  des  Subjekts,  so  das  Adjektiv 
gewissermafsen  eine  Verdoppelung  des  Prädikats  sei;  es  nahm, 
durch  eine  rein  auf ser liehe  Assimilation,  die  Endungen  des  Substan- 
tivs an.  Sonach  ist,  wie  die  Participia  noch  besonders  zeigen,  kein 
wesentlicher  Unterschied  zwischen  Vei'bum  und  Adjektiv;  ja  auch  die 
Bestimmungen  des  Genus  Verbi,  der  Zeit  und  des  Modus  finden  sich, 
wenn  auch  weniger  scliarf  ausgedrückt,  beim  Adjektiv  wieder:  sie 
werden  z.  B.  im  Lateinischen  durch  verschiedene  Endungen  angedeutet. 

—  I.  Beim  Genus  Verbi  sind  4  Arten  zu  unterscheiden:  1.  das 
eigentliche  Aktiv;  2.  das  instrumentale  Aktiv  (mit  abstraktem  Subjekt): 
3.  das  neutrale  Passiv,   wie  esse,  fieri  u.  s.  w. ;  4.  das  eigentliche  Passiv. 

—  Davon  drückt  das  Suffix-/;?'/«  2—4  aus  z.  B.  causa  vincibilis;  vox 
durabilis;  merx  iuvendibilis  (orator  impetrabilis  PI.  Most.  1162  gehört 
zu  2,  nicht  1);  -tivus  (mehr  instrumental)  und  -ticius  (mehr  passiv) 
2.  z.  B.  definitiva  constitutio;  commendaticiae  litterae;  4.  z.  B.  filius 
adoptativus;  vinum  advecticium;  selten  3.  z.  B.  fugitivus,  adventicius 
(s.  S.  181);  vielleicht  1.  in  Apollo  genetivus ;  -torius,  -soriiis:  2.  z.  B. 
sententia  absolutoria;  avis  proliibitoria;  3.  z.  B.  transitorius  (spät); 
praetorius,  raercatörius;  4.  spät,  vulgär  z.  B.  vestimenta  mutatoria 
(Sirenes  traliitoriae  1.  ist  gegen  den  Sprachgeist);  -arius  1 — 4,  ursprüng- 
lich nur  1—2;    4.  z.  B.  admissarius;    -ax  1—3.    z    B.    loquax,    fallax 


SjDtax.    Nachtrag.  341 

(spes),  fugax  (servus);  zwf.  4.  mendax  iafamia  (Her.  ep,  1,  16,  39); 
-ulus  ebenso:  aus  3.  Übergang-  in  4.  z.  B.  vestis  stragula;  rete  ja- 
culum;  ferner  viele  Zusammensetzungen,  meist  1—3,  wie  benedicus, 
redux,  artifex,  bisweilen  4.  boves  artifices.  —  Im  ganzen  überwiegt  3. 
—  II.  Bei  den  Zeiten  sind  zu  unterscheiden  die  präteri  to- prilsen- 
tische  Bedeutung  und  die  futurische.  Letztere  ist  seltener  und 
meist  modaler  Alt,  wie  bei  den  Suffixen  -ilis  und  -bilis  z.  B  mor- 
talis,  venalis,  laudabilis;  erstere  ist  weit  häufiger  z.  B.  -eiis  in  aureus 
u.  s.  w.;  -nus,  bald  präsentisch,  bald  präterital  z,  B.  araor  fraternus, 
aber  auch  hereditas  paterna;  Aemilianus;  -ensis  z.  B.  ager  Olbiensis, 
aber  auch  epistula  Olbiensis;  -uns  (auch  -ivus),  -ax  präsentisch- 
dauernd,  auch  frequentativ,  wie  febris  recidiva;  -tivus  perfektiscli, 
-ticius  imperfektisch  (s.  oben!),  wie  bei  den  Verbalsubstantiven  -tus 
aoristisch,  -tio  imperfektisch  ist.  —  III.  Beim  Modus  ist  zu  unter- 
scheiden der  problematische  Sinn  (Konjunktiv),  der  assertorische 
(Indikativ)  und  der  apodiktische  (Imperativ).  Die  Adjektiva  ge- 
hören meist  dem  zweiten  Sinne  an;  doch  sind  problematisch  z.  B. 
die  Suffixe  -hilis,  -Ulis,  -lis,  -ris:  auch  aequalis,  fidelis,  talis;  geschwächt 
zur  Futurbedeutung  z.  B.  vitalis,  s.  auch  invictus  aa.;  apodiktisch 
sind  die  Participia  auf  -ndus,  oft  auch  diejenigen  auf  -urus  z.  B.  mori- 
turus. 

Diese  in  hohem  Grade  geistreichen  und  interessanten  Untersuchungen 
verdien^i  eine  sorgsame  Weiterführung. 


Inzwischen  sind  einzelne  im  Anfange  des  Berichts  genannte  Werke 
weitergeführt  oder  vollendet  worden,  andere  in  neuen  Ausgaben  er- 
schienen, worüber  im  nächsten  Jahresbericht,  der  spätestens  in  3  Jahren 
erscheinen  wird! 

Für  das  velare  g  ist,  da  der  jetzt  dafür  übliche  Buchstabe  nicht 
vorrätig  war,  anfangs  (S.  125  if.)  a,  gesetzt  worden,  später  blofses  g, 
indem  das  palatale  g  durch  g  bezeichnet  ist. 

Zu  verbessern  ist  noch,  aul'ser  einigen  leicht  erkennbaren  Kleinig- 
keiten: 

S.  154  Mitte:  „s.  den  Nachtrag"  ist  zu  tilgen. 

S.  168,  ^  16  V.  u.  lies  Johaassou;  auch  S.  195,  201. 

S.  197,  Z.  14  V.  0.  lies  ter  statt  ter. 

S.  197,  Z.  18  V.  u.  lies  kutalös. 

S.  197,  Z.     7  V.  u.  lies  ubqos. 

S.  201,  Z.  13  V.  0.  lies  kara-uos. 


^YO 


Register. 


I.    Verzeichnis  der  besprochenen  Schriften. 


Adams,  G.,  de  ablativo  absolute  apud 

Curtium  III  21)i; 
Ahlheim,    A.,    de  Senecae  usu  dicendi 

III  224 

—  Vergillektüre  II  208 

Albrecht,  E.,  de  adjectivi  attiibuti  coUo- 

catione  III  3;!() 
Allegre,  de  Jone  Ohio  I  140 
Allen.  F..  Grcok  versification  I  280 

—  Gajus  or  Ga'ius  III  loO 
Anthologia    lyrica   ed.  E.  Hiller  I  115 
Anthologia  Palatina  ed.  E.  Cougny  I  27r; 
Antoine,  F.,  syataxe  latine  III  218 
Anton,    HS..   Studien  zur  lat.  Gram- 
matik III  2G2 

Apelt,  0.,  Beiträge  zur  Erklärung  der 
Metaphysik  des  Aristoteles  I.  IM 

—  die  Kategorienlehre  des  Aristoteles 
I  85 

—  die    Widersacher    der   Mathematik 
im  Altertum  I  102 

Arbols  de  Jubainvllle.    L.  d',  los  noms 

gaulois  chez  Cesar  II  174 
Ardy,    L.  F.,    de  constructionibus  cau- 

sarum  III  22n 
Aristoteles,  de  anima  liber  B.  cd.  Hugo 

Rabe  I  '.»5 

—  'At>r,v<zu»)v    r.ui.Kxzw.  cd.    k.    'Ay^Oo- 
v./.o;   I   4 

ed.  Frid.  Blass  I  10 

ed.  C.  Ferrini  I  ;; 

—  —  ed.  H.  V.  Herwerden    et  J.  de 
Leeuwen  I  5 

—  —  ed.  G.  Kaibel  et  U.  de  Wilamo- 
witz-Moellendorf  I  4.  7 

übers,  v.  M.  Erdmann  I  i;; 

—  —  übers,  v.  H.  Hagen  1  14 

—  —  verdeutscht  v.  G.  Kaibel  u.  A. 
Kiessling  I  1 1 

—  —  übers,  v.  F.  Poland  I  12 

—  —  transl.  by  Thom,  J.  Dymes  I  H". 


Aristoteles,    transl.  by   F.  G.  Kenvon 

I  k; 
transl.  by  E.  Poste  I  l(i 

—  —  trad.  par  B.  Ilaussoullier  I  15 

trad.   par  Theod.  Reinach  I  14 

trad.  da  C.  Ferrini  I  17 

trad.  da  C.  0.  Zuretti  I  17 

russ.  übers,  v.  N.  J.  Schubin  I  17 

—  commentaria    ed.    Ad.  Busse  I   S7 

—  —  ed.  Michael  Hayduck  I  1)4 
ed.  Max.  Wallies  I  SS 

—  la  poetique,  manuscrit  1741.  I  105 
Asmus,  G.,  de  appositionia  collocatione 

III  :]29 
Auberivere,    H.  F.  P.  de  I',    aper<;u   s. 

Chypre  III  44 
Audouin,  E.,  genitif  de  la  peine  III  232 
Babrius,  fahles,  trad.  par  E.  Leveque 

I  204 

Bach,  J.,  de  attractione  inversa  111  o3L 

—  de  usu  pronominum  demonstrat. 
III  256 

Bader,  J.,  de  Diodori  rerum  Romanarum 
auctoribus  II  104 

Bährens,  E  ,  nova  adversaria  critica  in 
scriptores  bist.  Aug.  II  111) 

Baker,  S.  W.,  Cyprus  III  47 

Barry,  F.  W.,  census  of  Cyprus  III  lU 

Barthelemy  St.  Hiiaire,  sur  la  Consti- 
tution d'Athcnes  I  20 

Bartholomä,  C,  nt-Participien  III  ltir> 

—  Studien  III  155 

Bauer,  A,  Aristoteles  üb.  die  Ver- 
fassung Athens  I  18 

—  Literarische  u.  historische  For- 
schungen   zu  Aristoteles'  'A>)vjvcti(ijv 

-'j'K'.-V.rj.    I    42 

Becher,  Ferd..  zu  Cicero   pro   Ligario 

II  25 

—  item  III  262 

—  Sprachgebrauch  des  Caelius  III  221 


344 


Register. 


Bechtel,    F.,    Hauptprobleme  der  idg. 

Lautlehre  III  101 
Becker,  E.,  beiordnende  Satzverbindung 

III  i>99 
Belajew,  0.,  'Ailr,vc(iojv  -oXitcia  I  21 
Bell.  A.,  de  locativi  usu  III  239 
Beloch,  J,  Alkäos  u.  Sappho  I  210 

—  le  fonti  di  Strabone  III  17 

—  Theognis'  Vaterstadt  I  127 
Benesch,  J.,  de  casuum  obliquorum  apud 

lustinuni  usu  III  281 
Bergeat,   A.,   zur  Geologie  v.  Cypern 

III  (;2 
Berger,  H.,  Geschichte  der  wiss;  Erd- 
kunde der  Griechen  III  2 
Berndt,    Th.,    krit.    Bemerkungen    zu 

griech,  u.  röm.  Schrift&tellern  II  10 
Bernhard,    üb.   Ciceros   Rede   von   d. 

Consularprovinzen  II  21 
Bersu,    P.,    die  Gutturalen   im  Latein 

III  i;u 
Betge,    die   neugefundene  Schrift  des 

Aristoteles  I  19 
Bethe,  E.,  Vergilstudien  II  180.  194 
Bezzenberger,   A.,  idg.   Gutturalreihen 

III   V.Vl 

—  idg.  Tenuis  III  135 
Biddulph,  6.,  Cyprus  III  .)3 
Bienwald,  A..  de  Crippsiano  etOxoniensi 

codicibus  11  209 
Biese.  A.,  griech.  Lyriker  I  115 
Birklein,  F.,  substant.  Infinitiv  I  118 
Birt.  T.,  de  velis  ludaicis  II  2.ö9 

—  Verbalformen  vom  Perfektstamme 
III  1.09 

—  zwei  politische  Satiren  II  2(^0 
Bitsohofsky,     R.,    kritisch- exegetische 

Studien  zu  den  Script,  bist.  Aug.  II 

119 
Black,  R.,  death  no  bane  II  224 
Blase,    H.,  Geschichte  des  Irrealis  III 

:;il 

—  de  permutatione  in  enuntiatis  cou- 
dicionalibus  III  ;')10 

—  zur  Syntax  der  Bedingung.ssätze 
III  312 

—  unus  beim  Superlativ  III  2.')2 
Blayde8,F.,  notae  inTheophrastum  I  1 14 
Bloomfield,    M.,    adaptation  of  suffixes 

III  149 

Bock,  G.,  subjecta  rei  cum  actionis 
verbis  conjuugendi  usus  III  32*1 

Boll,  F.,  num  Cluentius  de  crimine  iu- 
dicii  corrupti  causam  dixerit  II   1 1 

Boor,  C.  de,  Ignatios  t  2.">8 

Bormann,  E..  Bemerkungen  zum  schrift- 
lichen Nachlasse  desKaisers  Augustu.s 
III  7 


Born,  B-,  Bemerkungen  zu  einigen  Oden 

des  Horaz  II  74 
Böttger,  0.,  dum  III  315 

—  Reptilien  von  Cypern  III  i;5 
Boulenger,  G.  A.,  reptiles  from  Cyprus 

III  (;5 
Brassey,  Mrs.,  cruises  to  Cyprus  III  47 
Braun,  Ew.,  coniectanea  I  70 
Braun,  R.,  Sprachgebrauch  Sallusts  III 

274 
Brieger,  A.,  die  Verfassungsgeschichte 

V.  Athen  I  19 
Brown,  S.,  3  months  in  Cyprus  III  48 
Brugmann,  K ,  Ursprung  der  Gerundia 

u.  Gerundiva  III  1(37 
Brugmann,  0.,  Gebrauch  des  condicio- 

nalon  ni  III  313 
Bruns.  J.,  supplementum  Aristotelicum 

I  58 
Buchan,    A.,  climate  of  Cyprus  III  02 
Bücheier,  F.,  coniectanea  II  209 
Buseskul,  W.,  Aristoteles  Abhandlung 

üb.  d.  Verfassung  d.  Athener  I  (russ.) 

I  21 

—  Themistokles    u.    die    Reform    des 
Areopag  durch  Ephialtes  I  51 

Busolt,  G.,  zur  Gesetzgebung  Drakons 

I  45 

Bywater,    Ingram,    the    litterature    of 
ancient  philosophy  in  England  I  50 
Caesar,  bellum  civile  II  105 
di  E.  Garizio  II  ](;5 

—  —  by  M.  Montgomery  II  105 

—  —  di  F.  Ramorino  II  105 

—  bellum  gallicum  par  Dübner-Degove 

II  103 

by  Harper  a.  Tolman  II  102 

Calpurnius,    transl.   by  E.  J.  L.  Scott 

II  24!l 

Gammen,  E    P.  v.  d.,  etude  ,s.  Chypre 

III  :;5 

Campeaux,  A.,  histoirc  du  texte  d'Ho- 

race  11  0-2 
Cantarelll,    L,  gli  annali  greci   di  C. 

Acilio  e  Q.  Claudio  Quadrigario  II 

IOC 
Capitaine,  H.,  Chypre  III  45 
Cassel,  P.,  Cypern  III  45 
Cauer,   F.,  Parteien  u.  Politiker  I  128 

—  Studien  zu  Theognis  I  130 
Cavazza,  S.,  Aristotele  e  la  constituzione 

di  Atone  I  21 
Cazenove,  R.  de,  Chypre  III  51 
Cecconi,   il  secretum  secretorum  I  5i^ 
Ceci,    L.,  appunti  glottologici  III  135 

—  etimologie  dei  giureconsulti  romani 
III  194 

Cesnola,  L.  P.  dl,  Cypern  III  .30 


Verzcichuiss  der  besprochenen  Schriften. 


:345 


Cesnola,  L.  P.  di,  Cyprus  III  cH; 

—  Salaminia  III  87 
Chaie,  P.,  Cypre  III  :>1 
Chicco,  vino  di  Cipro  111  (.4 
Christiansen,  i.,  de  apicibus  III  lia 
Cicero,  orationes  selectae  ed.  H.  Nohl 

II  -Ij 

—  pro   Archia    ed.    by    Alicroft    and 
Plaistowe  II  18 

ed.  M.  Chanselle  II  18 

—  —  ed.  Cinquini  II  18 

—  gegen  Catilina  v.  G.  Laubmann  II 13 
reo.  di  V.  Turri  II  13 

—  Cato  maior,  erkl.  v.  H.  Anz  II  234 
ed.  A.  Kornitzer  II  234 

—  —  par  J.  B.  Lechatellier      II  234 

—  —  erkl,  V.  C.  Meissner  II  233 
reo.  K.  Noväk  II  234 

—  —  erkl.  V.  J.  Sommerbrodt  K  234 

—  Cato  maior  et  Laelius,  ed.  T.  Schiebe 
II  233 

—  für   Deiotarus   erkl.   v.  J.  Strenge 
II  24 

—  divinatio  ed.  Hachtmann  II  7 
ed.  E.  Thomas  11  7 

—  de  finibus,    ed.  da  C.  Giambelli  li 
220 

ed.  G.  Nemetby  II  220 

—  de   imperio   Pompei,   ed.  A.   Kor- 
nitzer II  S 

—  —  emend.  J.  Lange  II  10 

edd.  Fr.  Richter  et  A.  Eberhard 

II  8 

erkl.  V.  E.  Thümen  II  10 

ed.  V.  Turri  11  8 

ed   V.  Voss  II  8 

—  Laelius,  ed.  A.  Kornitzer  II  23ü 

—  —  erkl,  V.  C.  Meissner  II  239 

—  pro  Ligario  commentata  da  Clem. 
\ignali  11  24 

—  pro  Marcello  ed.   R.  Cornali  II  23 

—  or.  pro  Milone,   pro  Ligario,   pro 
Deiotaro.     Ed.  R.  Noväk  II  21 

—  de  natura  deorum,  erkl.  v.  A.  Goethe 
II  227 

—  pro  L.  Murena  par  Ferd.  Antoinc 
II  14 

ed.  AI.  Kornitzer  II  14 

par  M.  L.  Mollerio  II  14 

—  —  di  A.  Pasdera  II  \') 

—  —  erkl.  V.  Jul.  Strenge  II  14 

—  de  officiis,  ed.  A.  Kornitzer  II  241 

—  paradoxa,  erkl.  v.  II.  Anz  II  241 

—  Philippicae  ed.  E.  R.  Gatt  11  27 

—  de   provinciis    consularibus    übers. 
V.  E.  Müller  II  21 

—  somnium  Soipionis,  erkl.  v.  11.  Anz 
II  244 


Cicero,  somnium  Scipionis  di  A.  Pasdera 
11  245 

—  pro    Sulla    ed.  A.  Kornitzer    11  1^ 

—  Tusculanae.  ed.  T.  Schiebe  11  223 
erkl.  V.  Tischer-Sorof  II  223 

—  Verrina  ed.  A.  Kornitzer  II  8 
Cichorius,    K.,    de   fastis   consularibus 

antiquissimis  II  Ufi 
Cima,    A.,    analecta  Vcrgiliana  II  209 

—  rassegna  degli  eroi  II  201 

—  Stile  latino  111  32G 

Gin,  C,  Spazierritte  durch  Cypern  III  45 

CIppolini,  A..  SafTo  I  210 

Clark,  A.  C,  collations  from  the  llar- 

leian  Ms.  of  Cicero  2082  II  3 
Classical  texts  ed.  byF.G.  Kenyon  I  157 
Ciaudianus,  rec.  T.  ßirt  II  253 
Claudius  Ptolemaeus,   geographia,   ed. 

Carolas  Müller  III  20 
Cobham,  C.  D.,  an  attempt  at  a  biblio- 

graphy  of  Cyprus  111  29 
Cocchia,  E.,  rassegna  critica  III  127 

—  sintassi  latina  111  2Ui 

Collen,  E.  H.  H.,  report  on  Cyprus  III  42 
Colonna-Ceccaldi,    G.,    monuments   de 

Cbypre  III  75 
Comparetti,  0.,  il  libro  d'Aristotele  I  21 
Consoli,  S.,  fonologia  latina  111  110 
Constitution  of  Athens,  chapt.  52  —  I  53 
Conway,  R.  S.,  change  of  dto  1  111  134 

—  value  of  the  mediae  III  i;)5 

—  Verner's  law  III  114.    ISG 
Corpus  inscriptionum  semiticarura  111 69 
Cortese,  Jac  ,  zu  den  röra.  Annalisten 

II  108 

Cotta,  C,  quaestiones  grammaticae  et 

criticae  de  vitis  a  Script,  h.  A.  con- 

scriptis  II  120 
Cozza  Luzi,  G.,  della  geografia  di  Stra- 

bone  frammenti  scoperti  in  menibrane 

palinseste  III  13 
Gramer,  A.,  Infinitiv  bei  Manilius  111  288 
Cramer,  F.,  de  perfecti  coniunctivi  usu 

III  277 

Crinagoras,  epigrammata  ed.  M,  Ruben- 

sobn  1  251 
Croiset,  A ,  Simonide  I  223 
Crusius,  0.,  Dionysios  Periegetos  111  20 

—  Liedt-rfragment  I  23(' 

—  Stesichoros  I  217 

—  zu  Theognis  1  132 
Gucuel,  C,   Iheognis  I  127 

Cuntz,  0.,  Agrippa  und  Augustus  als 
Quellenschriftstelier  des  Plinius  in 
den  geograph.  Büchern  der  Nat 
Eist.  III  9 

—  de  Augusto,  Plinii  geographorum 
auctore  III  b 


346 


Register. 


Czyczkiewicz,  de  Taciti  sermone  III  -Ji.'» 
Oareste.  R.,  Aristote  'AD /,•"'-'-'"'■'  -'>"'• '"-'''^ 

1  -20 
Deecke,  W  ,  Beiträge  III  150.  163 

—  Erläuterungen  zur  lat  Schulgram- 
matik III  '281 

—  Infinitiv-,  Gerundial-  u.  Supinum- 
Konstruktionen  III  281.  294 

Deike,  W.,  Schillers  Ansichten  üb.  die 

tragische  Kunt>t  verglichen  mit  denen 

des  Aristoteles  I  107 
Oeipser,  B.,  Adjektiva  auf  -fer  u.  -ger 

III  190 
Dembitzer,   Z  .  de  ratione  in  reciproca 

actione  exprimenda  III  253 
Derewizki,  A.,  üb.  die  'At^/;vc(!!wv  ttoXixjw 

I  21 

Dessau,  H.,üb.diescriptoresh.  A.  II  120 

—  über  Zeit  und  Persönlichkeit  der 
scr.  h.  A.  II  120 

Detlefsen,  0.,  die  Masse  der  Erdteile 
nach  Plinius  III  6 

—  Untersuchungen  zu  den  geogra- 
phischen Büchern  des  Plinius  III C.  10 

Dett Weiler,  P,  symbolae  III  331 

—  Untersuchungen  üb.  d.  didaktischen 
Wert  ciceronianischer  Schulschriften 

II  4.  2G 

Diels,  H  ,  Atacta  I  f.:'. 

—  zu  Ciceros  Ilortensius  II  24(i 

—  über  Epimenides   von  Kreta    I   4;'. 

—  zwei  Funde  I  19 

—  üb.  d.  neugefund.  Schrift  des  Ari- 
stoteles I  19 

Dittmeyer,  L.,  kritische  Beiträge  zur 
aristotelisclien   Tiergeschichte  I  100 

—  Textkritischos  zur  aristotelischen 
Tiergeschichte  I  101 

Dixon,  W.  H  .  British  Cyprus  III  48 

DBhring,  A  ,  Konjunktionen  der  Gleich- 
zeitigkeit III  307 

Dorsch.  J.,  Assimilation  in  den  Kom- 
positis  III   139 

Drechsler,  F.,  kritische  Adversarien  II 

120 

Drechsler,  F.  J.,  Cicero  or.  de  lege 
agraria  II   11 

—  or.  pro  L.  Flacco  II  19.  20.  Cum 
senatui  (populo)  gratias  egit.  de  domo 
sua  II  20.  —  or.  de  haruspicum  re- 
sponsis  II  20 

Drexler,  W.,  miscellanea  II  252 
Droysen,    H.,    vorläufige  Bemerkungen 

zur  'Aflr,v.  zo/.'.T.  I   19 
DOmmler,  Ferd.,  Akademika  I  78 

—  zu  den  historischen  Arbeiten  der 
ältesten  Peripatetiker  I  63 

—  Prolegomena  zu  Piatons  Staat  I  104 


Eberhardt,  P  ,   de  Vitruvii  gcnere  di 

cendi  III  223 
EgIL  J.,  die  Hyperbel  III  337 
Ehrismann,  H.,  de  temporum  usu  Am- 

mianeo  III  275 
Ehrlich,  F.,  Mittclitalien  II  203 
Eichert.  0.,  Schulwörterbuch  zu  Caesar 

II  174 

Eimer,  H.    C,    quo,  et,  atque  III  300 

Elter,  A  ,  Vaticauum  II  77 

Endriss,  6ust.,  Albertus  Magnus  als 
Interpret  der  aristotelischen  Meta- 
physik I  60 

Engel,  F.  J.,  curae  criticae  in  Aristo- 
telis  Politica  I  102 

Engelbrecht,  zu  Ciceros  Deiotarus  II  24 

Engelhardt,  M.,  lat.  Konjugation  III  153 

Entz,  H  ,  über  den  Periplus  des  Hanno 

III  2 

Epicurea  ed.  H.  Usener  II  217 

Ess,   F.  X.,    de  praepo&itionum  c.  abl. 

apud  Plinium  usu  III  249 
Ettig,  G  ,  Arheruntica  II  195 
Fabricius.    B.,   der  Periplus    des  Ery- 

thräisclicn  Meeres  III..23 
Fahland,    B.,    gereimte  Übersetzungen 

II  56 
Farley,  J.  L.,  Egypt  III  42 
Farnell,  G.  S.,  greek  lyric  poetry  I  201 
Faulde,  A.,  Reformbestrebungen  III  111 
Fehrnborg,  0.  J.,    de  veibis  lat.  in  uo 

in   170 
Felix,  H.,   quaestt.  in  Velleium  Pater- 

culura  111  223 
Fennell,  de  Horatio  II  !)5 
FerrI,  L.,    sull'  opera  „Les  problemes 

d'Aristote"  I  102 
Ferrini,    C,    intorno    alia   costituzione 

degli  Ateniensi  I  21 
Fick,   A.,    vergl.  Wörterbuch   der  idg. 

Sprachen  III  193 

—  Sprachform  der  Lyrik  I    119.    209 
Fisch,  R.,  nomina  auf  -o  III  177 

—  die  Walker  III  179 
Fisher.  F.  H.,  Cyprus  III  42 
Folliot  de  Crenneville,  v ,  Cypern  46 
Fontana,  G  ,  Aristide  nella  costituzione 

degli  ateniesi  I  50 
Forbes,  A.,  fiasco  of  Cyprus  III  44 
Förster,  R ,  de  Aristotelis  quae  feruntur 

secretis  secretorum  I  59 

—  Handschriften  und  Ausgaben  dea 
pseudo- aristotelischen  Secretum  se- 
cretorum I  59 

Fränkel,  die  Schrift  des  Aristoteles  1  19 
Frankfurter,  S,  Textkiitisches  zu  den 
Scr.  h.  A.  II  120 


Vorzeichniss  der  besprochenen  Schriften. 


H47 


Franzutti,  V.,  prospetto  metrico  dci 
cariiü  dl  Orazio  II  73 

Friedet,  0.,  einige  Horazstunden  in 
Piima  II  72 

Fritsch,  N.,  zu  Horatius  Oden  II  7.') 

Fröhde,  F.,  zur  giiech.  u.  lat.  Konju- 
gation III  170 

—  zur  lat.  Lautlehre  III  110 
Fröhlich.  F.,  Kriegswesen  Caesars  II  17l' 
Fröhh'oh,  H.,  de  locis  controversis  III  24 1 
Fröhner,  W.,  kritische  Analekten  II  120 
FDsslein,    K.,   üb.   Ciceros   erste  Rede 

gegen  Catilina  II  14 
Funck,  A.,  adverbia  auf  -im  III  IS(i 

—  Verba  auf  -illare  III  184 
Gardner,  E.  A.,  excavations  in  Cyprus 

III  85 
Gebbing,  H.,    de  Valerii  Flacci  dicendi 

gencre  III  225 
Gebhard,  Fr,  Gedankengang  Horazisch  er 

Oden  II  (".7 
Geffken,   J.,    Timaios    Geographie   des 

Westens  III  2 
Gemoll,  A..  die  scr.  H.  A.  II  120 
Gemoll,  W.,  krit.  Bemerkungen  II  201 
Georgii,  H.,  antike  Aeneiskritik  II  206 
Geroke,  A..    alexandrin.  Studien  I   14<; 

—  ein  angebliches  Fragment  des  Theo- 
pbrast  I  72 

—  Ursprung  der  aristotelischen  Kate- 
gorien I  85 

Gerhardt.  S  ,  de  adverbiis  ad  notionem 

augeudam  III  26o 
Giambelll,  C,  appunti  II  217 

—  nota  II  217 

—  studi  II  217 

Gilbert,  W.,  abgerissene  Bemerkung, 
üb.  d.  Oden  des  Horaz  II  66 

Gimm,  J.,  de  adjeetivis  Plautinis  III  2.50 

Göbel,  K.,  se  III  254 

Solisch,  J..    zu  den  Scr.  h.  A.  II  120 

Gomperz,  Th.,  Aristoteles  u.  seine  neu- 
entdeckte Schrift  I  19 

—  über  die  Charaktere  Theophrasts  I  6  7 

—  u.  Ribbeck,  in  Sachen  der  Theophr. 
Char.  I  67 

Goodell,  Th.  D.,  Aristotle  on  the  public 
arbitrators  I  54 

Görres,  F.,  zur  Kritik  einiger  Quellen- 
schriftsteller der  röm.Kaiserzeitll  120 

Graf,  M.,  die  15.  Epode  des  Horaz  II  <»! 

Greenough,  J.  B.,  neque  III  304 

Grober,  G.,  Verstummung  des  b  u.  ra 
III  120 

—  vulgärlat.  Substrate  III  104 
Grosse,  E.,  Naturanschauung J  118.  207 
Gruenperg,  H.,  eine  griech.  Übersetzg. 

der  4.  phiJipp.  Rede  II  26 


Grunzel.  J.,  Aristoteles  u.  die  'At^y,vo:':o)v 

zr.i.:-i{a  I    19 

Gutjahr-Probst.  E  A  ,  altgrammatisches 
u.  ueugrannnati.sches  III  317 

Gutsche,  W.  0.,  de  intcrrogationibus 
obliquis  111  322 

Guttmann.  K,  instrumentales  ab  bei 
Ovid  III  250 

Habel,  zu  den  Scr.  h.  A.  II  120 

Habenicht,  H  ,  AUitteration  bei  Horaz 
III  3.;5 

Häberlin,  C,  epilegomena  ad  figurata 
carmina  Graeca  II  85.  233 

Haberton,  Lord,  Aristotle's  Constitution 
of  Athens,  chapter  35  I  52 

Hager,  F.,  Entwicklung  des  Herakles- 
Mythos  I  218 

Hake,  G.  G.,  Cyprus  III  52 

Haie,  W.  G.,  Cum-Konstruktionen  III  264 

—  sequence  of  tensos  111  262 
Hämp,  K.,    zusammengesetzte  Präposi- 
tionen III  191 

Hann,  J.,  Klima  v.  Cypern  III  62 
Hanssen,  F.,  quaestiuncula  pseudoana- 

creontica  I  221 
Härder,    F.,    e  u.  ex  vor  Konsonanten 

III  140 
Hardie,  W.  R..  the  owr-r-M  1  54 
Harris.  0.  B.,  Cyprus  III  42 
Hartlich,  P.,  de  exhortationum  historia 

II  246 

Hartman,  J.  J.,  de  Horatii  poeta  II  66 
Hartmann,   F.,    Konjunktiv  der  Futura 

III  272 

Hatz,  G..  zur  lat.  Stilistik  III  333 
Haussleiter,  J.,  a,  ab,  abs  III  140 
Haussoullier,  B.,  Aristote.  Constitution 
d'Athenes  I  20 

—  üb.  die  neugef.  Schrift  Aristoteles 
I  20 

Havet,  Julien,  les  proverbes  d' Aristote 

en  hexametres  latins  I  57 
Havet,  L.,  melanges  lat.  III  126 
Headlam,  J.W..  the  Constitution  of  Draco 

I  44 
Heeger,  Max,  de  Theophrasti  libro  I  71 
Heidenstam,F.  C,  fevers  of  Cyprus  III  63 
Heitzmann,  M.,   de  substantivi  coUoca- 

tioue  III  329 
Hellwald,  F.  v .  Cypern  III  46 
Helmreich,  G.,  paulum  III  260 
Henry,  V..  esquisses  morphologiques  III 

150.  160.  162 

—  grammaire  comparee  III  103 
Hense,  R.  R,  Naturgefühl  I  118 
Heraeus,  W.,  haud  impigre  III  261 
Herondas  ed.  F.  Bücheier  I  158 

—  rec.  W.  G.  Rutherford  I  157 


348 


Register. 


Herrmann,  P..   Gräberfeld  von  Maiion 

III  SC. 
Hertz,  E..  de  praepositionum  usu  Lucre- 

tiano  III  L'41 
Hertz,  M.,  de  Horatii  operum  exemplari 

olim  Guyetiano  II  63 

—  der  Name  dos  1.  röni.  Gescliichts- 
schreibers  aus  dem  Stande  der 
Freigelassenen  II  117 

—  ein  paar  Horazischer  Kleinigkeiten 
H  03 

Herwerden,  H.  v.,    studia  critica  I  277 
Herwig,  Chr.,  das  Wortspiel  in  Ciceros 

Reden  II  i 
Hey,  0..  semasiologische  Studien  III  172 
Heylbut,  G.,  zur  Ethik  des  Theophrast 

von  Eresos  I  72 
Hllberg.  J.,  zuHoratiusund  Vellcius  II  7G 
Hiller,  E.,  Beitrüge  I  237 
Hinze,  P.,  an    III  321 
Hirschfeld,  G.,  Cypern  III  51 
Hirschfeld,  0.,  die  Annalen  des  C.  Fan- 

nius  II  111 

—  zur  Biographie  desSeptimiusSeverus 

II  120 

—  zu  röm.  Schriftstellern  II  12U 
Hirt,  P.,  penes  III  243 

—  Substantivierung  des  Adjektivums 
bei  Quintilian  III  251 

Hoffmann,  E.,  Modusgesetz  im  lat.  Zeit- 
satz III  2(;(; 
Hoffmann,  M.,   codex  Mediceus  II  203 
Hoffmann.  0.,  zur  idg.  Lautlehre  III  125 

—  de  mixtis  gr.  dialectis  I  117 
Hoffs,  F.  V.,  zu  lloratius  epod.  3   II  90 
Hofstede  de  Groot,  C    Ilandschriften- 

kunde  des  Cato  maior  II  237 
Hogarth.  D.  G.,  Devia  Cypria  III  53 
Höger,  F.  Ch.,  kleine  Beiträge  zur  Er- 
klärung des  Floraz  II  OS 
Holwerda,   A.  E   J.,   die  alten  Kyprier 

III  77 

Hölzer,  V  ,  lat.  Sema.^iologie  III  173 
Holzinger,    C.    v..    Aristoteles'    athen. 

Politie  I   113 
Hooker,  J.  D..  Cedar  of  Cyprus  III  (14 
Hoppe,  K.,  de  Donato  II  205 
Horatius  par  A.  Cartelicr  II  34 

—  erkl.  v.  A.  Kielsling  II  43 

—  erklärt  v.  K.  Küster  II  29 

—  rcc.  J.  C.  Orellius.  Post  .1,  G.  Bai- 
terum  cur.  VV.  Mowe.s  II  38 

—  ed.  Carolus  Pozder  II  35 

—  by  E.  C.  W  ick  harn  II  40 

—  deutsch  V.  C.  Bardt  II  GO 

—  ■  in  deutscher  Übertragung  v.  L. 
Behrendt  II  52 

—  deutsch  V.  W.  Binder  II  .54 


Horatius,  verdeutscht  v.K.  J.  CreutzII  54 

—  15  carmina  ed.  B.  D.  II  52 

—  carmina  selecta  hrsg.  v.  Joh.  Huemer 
II  37 

—  Episteln  v.  J.  Kipper  II  61 

—  —    verdeutscht   v.    Bacmeister   u. 
Keller  II  (iO 

—  le  epistole  e  le  satire  comment.  da 
R.  Sabbadini  II  50 

—  Lyrik    übertr.   v.  J.  Karsten  II  5t> 

—  Oden  in  freier  Nachbildung  v.  H. 
Leisering  II  58 

—  —  V.  D.  Naguiewski  II  52 

—  —  Nachdichtung  v.  Wiesner  II  58- 

—  Oden  und  Epoden  hrsg.  v.  K.  Küster 

II  29 

erkl.  V.  E.  Rosenberg  II  36 

—  Satiren  u.  Episteln  erkl.  v.  G.  T.  A. 
Krüger  II  42 

—  —  ed.  Luc.  Müller  II  46 

Hörle,  A.,  de  casuum  usu  Propertiano 

III  230 

Hörschelmann,  W.,  Sappho  I  211 
Housman,  A.  E.,    adversaria  orthogra- 

phica  II  90 
Houtsma,  E.  0.,  zu  Aristoteles  de  republ. 

Athen  I  52 
HObschmann,  H.,  indogerra.  Vokalsystem 

III  100 
Hug,  A.,  consecutio  temporum  III  271 

—  zu    den    Testamenten    der   griech. 
Philosoph.  I  77 

Hultsch,    Fr.,    das   pheidonische  Mass- 
system nach  Ariötoteles  I  46 
Jan,  C.  V.,  Handschriften  des  Mesomedos 

I  233 
Iber,  H  ,  de  dativi  usu  Tibulliano  III  233 
Ihm,  M.,  Schollen  im  cod.  Med.  II  204 
Immisch,  0 .  zu  Aristoteles  de  republ. 
Athen  c.  41   I  52 

—  zu  griechischen  Dichtern  II  91 

—  Xenophon  üb.  Theognis  I  132 
Johansson,  K.  F..  morphologi.scbe Studien 

III   145 

—  parallele  Stämme  III  147 
Itzinger,  F.,  Index  der  in  Ciceros  Rede 

für  Milo  enthaltenen  Metaphern  II  23 
Kahl,  W.,  Demokritstudien  II  217 
Kaibel,  G..  Aristoteles  Schrift  vom  Staat 

der  Athener  I  19 
Kalb,  W.,  das  Juristeulatein  fll  33s 

—  Roms  Juri.sten  III  339 

Kämpf,  G.,  de  pronominum  personaliuni 

usu  III  253 
Kan. Cicero. MnemosyneXVinS. 365.  II  i 
Karsten,  H.  F.,  tamen  III  304 
Karsten,  H.  T.,  uitspraak  van  het  Latiju 

III  113 


Verzeichniss  der  besprochenen  Schriften. 


34'.) 


Keller,  0.,  lat,  Volksetymologie  III  2lo 
KellerhofF,  E..  de  collocatione  verborum 

Piautina  III  328 
Klrchhoff  u.  Diels,  üb.  die  neugef.  Schrift 

'Ai>r,v.  -oh-.  I  19 
Klebs,  E..  die  Sammlung  der  Scr.  h.  A. 

11  120 

—  die  Scr.  h.  A.  II  120 

—  zu  den  Scr.  h.  A.  II  120 

—  vita  des  Avidius  Cassius  II  120 
Klohe,  P.,  de  Ciceronis  de  officiis  fou- 

tibus  II  243 
Knaack,  G.,  Aitien  dcsKallimachos  1 150 
Knoke,  F..    plures  bei  Tacitus  III  252 
Knoke,   J.,    die    athenische    Staatsver- 
fassung I  l{) 
Köberlin.  Ä..  de  pai  ticipiorum  usu  Li- 

viano  III  290 
Koch,  J.,  Claudianea  II  261 

—  de  codicibus  Cuiacianis  II  258 
Kohl,  H  ,  Kritik  Rahewins  II  206 
Köhler,  Sprachgebrauch  desNepos  111220 
Köhler,  A.,  ecce  III  323 

—  ecce  u.  em  III  324 

—  en  III  324 

—  Sprache  des  LentulusSpinther  III 221 
Köhler.  U.,  Herakleides  der  Klazomenier 

I  52 

—  die  Zeiten  der  Herrschaft  des  Pei- 
sistratos  in  der  T^oh—Ao.  'A^>r]va!a)v  147 

Kornitzer,  A.,  Aeueas  in  der  Unterwelt 

II  195 

—  zum  Canon  der  Reden  Ciceros  II  1 7 

—  zur  4.  katil.  Rede  II  14 

—  ad  orat.  Caesarianas  II  22 
Körting,  G.,  lat.-rom.  Wörterbuch  III  104 
Kothe,  H.,  Vergil  u.  Timaios  II  204 
Kraffert.  H.,  Kakophonien  III  335 
Kräh,  E.,  Beiträge  zur  Syntax  desCurtius 

III  223 

Krausse,  0.,  Bemerkungen  zur  Aeneide 

il  196 
Krawutschke,    A. ,    quibus   temporibus 

Horatius  II  (i9 
Kretschmer,  P.,  Accent-  u.  Lautstudien 

III  117 
-Kriege,    H,,    de    enuntiatis    concessivis 

III  309 
Kubitschek,   W.,    Beiträge  zur  Cosmo- 

graphia  des  Julius  Honorius  III  23 

—  die  Erdtafel    des  Julius   Honorius 
ni  23 

—  der  Text  der  Ravennatischen  Erd- 
beschreibung III  27 

Kühl,  J.,  Zeitenfolge  III  271 
iKupfer,    F.,  Participium  auf  -urus  bei 
Curtius  III  292 


Kurze,  die  wiederaufgefundene  Schrift 
des  Aristoteles  I  19 

Lahmeyer,  L.,  Studien  zur  lat.  Gram- 
matik II  11 

Lake,  J.  J..  ceded  Cypru.s  III  42 

Landgraf,  G.,  dativus  commodi  III  233 

—  substantivische  Parataxen   III   254 

—  Untersuchungen  zu  Cäsar    III  221 
Lang,  R.  H.,  Cyprus  III  43 

Lange,  0.,  Sprachgebrauch  des  Velleius 

Paterculus  III  223 
Langen,  P.,  adnotationes  II  221 

—  Konstruktion  von  utor  III  238 

La  Roche,  J.,  Studien  zu  Theognis  I  131 
Lattmann ,    H.,    de    coincidentia    apud 
Ciceronem  III  273 

—  selbständiger  u.  bezogener  Gebrauch 
der  Tempora  III  268 

Lederer,    S .  der  Verfasser  von  Culex 

u.  Ciris  II  208 
V.  Leeuwen.  üb.  die  neugef.  Schrift  I  21 
Lehmann,  C.  H.,  quaestiones  TuUianae 

III  333 
Lehmann.  K.,  zu  Cicero  II  214 

—  Lesarten    verlorener  Hdss.  II  214 

—  verlorene  Handschrift  zu  den  Tus- 
culanen  II  225 

Lengsteiner,  J.,  Horaz  II  85 
Lenormant,  F..  Kittim  III  71 

—  Reste  eines  griech.  geograph.  Lexi- 
kons III  28 

Leo,  F.,  Culex  II  208 

—  Miscella  Cicer.  II  109 

Lessing,  K.,  Studien  zu  den  Scr.  h.  A. 

II  120.  225 
Levl,  ad  orr.  in  Catil.  II  14 
Lewicki,  P.,  de  natura  infinitivi  III  288 
Liesenberg,  F.,  Sprache  des  Ammianus 

Marceliinus  III  225 
Lincke,  E.,  zur  Beweisführung  Ciceros 

in  der  Rede  für  Sextus  Roscius  II  5 
Linderbauer.  P.  B.,  verba  mutuata  apud 

Ciceronem  III  211 
Linse,   E.,  de  Ovidio  vocabulorum  in- 

ventore  III  211 
Lippert,  Jul.,  de  cpistula  pseudoaristo- 

telica  1111 
Lipsius,    J.  H.,  über  das  neugefundene 

Buch  des  Aristoteles  vom  Staat  der 

Athener  I  53 
Littig,  Fried.,  Andronikos  v.  Rhodos  I 

108 
Loch.  E.,  de  titulis  sepulcralibus  I  280 
Lochmeyer,  L.,  AUitteration  III  3.85 
Löher,  F.  v.,  Cypern  III  39 

—  Cypern  in  der  Geschichte  III  40 
Lohsee,  Tulliana  II  215 

X'jW.O.Z,    'V./.0/.0|'.X7t   Iz-.T/.i-'jit.z,    III   66 


350 


Register. 


Löwe,  a,  de,  ex  bei  Ovid  IK  24':) 
Lübbert.  E.,  Paralipoiuena  III  274 
Ludewig,  A.,  quidem  III  302 
Luiggi,  L.,  Cipro  III  öl 
Maass,  E.,  alexandrin.  Fragmente  I  löU 
Madon,    P.  G..    forest   conservancy  in 

Cyprus  111  ijü 
Mähly,  J.,  Flavius  Vop.  II  121 

—  eine   wiedergefundene   Schrift   des 
Aristoteles  I  19 

Maiden,  H.  E.,  Caesar's  expeditions  to 

ßritain  II  IGG 
Mailock,   W.  H.,    an   enchanted   island 

III  5.J 
Manltius,M.,  zur  Geschichte  röm.  Dichter 

II  2(;o 
Marabelll,    G.,  di  uu  processo  politico 

II  12 

Marchant.  E.  C,  the  deposition  of  Pe- 

ricles  1  .')1  .. 
Marks,  E.,  die  Überlieferung  des  Bundes- 
genossenkriegs II  IIG 
Martha,  J.,  supplice  de  Phlegyas  II  20() 
Martin,  W.  F.,  Cyprus  III  4S 
Marx.    A.,    Hülfsbüchlein   f.  lat.  Aus- 
sprache III  112 
Mascari,  R..  per  SafFo  1  211 
Massarani,  T  .  Cipro  III  .ö3 
Mas-Latrie,  L.  de,  Chypre  III  4;i 
Mayen,  G.,  quod  III  3UC 
Meifart.  Th.,  de  futuri  exacti  usu  Plau- 

tino  III  270 
Meillet,  A.,  p,  m  en  latin  III  KJo 
Meiser,    K.,~  zu    lateinischen    Scluift- 

>tellern  II  93 
Meissner,  J.,  quaestiones  III  230 
Meissner.  K.,  zu  Laelius  II  239 
Menge,    R.,    reciprokes  Verhältnis    bei 
Cäsar  III  2.')4 

—  Relativum  bei  Cäsar  III  2.'>7 

—  Repetitorium  III  218 

Merguet,  H.,  Lexikon  zu  Cicero  II  21(j 
Mering,   F.,  de  al litter atione  Luciliana 

III  334 

Meringer,  R.,  Beiträge  III  152 
Mertens.  M.,  zu  Ausonius  II  251 
Meusel,    H.,   a  u.  ab  vor  Konsonanten 

III  140 
Meyer,  P..  Straboniana  III  If, 
Meyer,    W ,    kleine    Beitrüge    zur    lat. 

Grammatik  III  124 

—  lat  Sprache  in  den  roman.  Ländern 
III  104 

—  Quantität  u.  (.»ualität  III  127 
Meyer-Lübke.  W.,  o  u.  seine  Verwand- 
lung III  12S 

Michel,  C,  un  nouveau  traite  d'Aristote 
I  20 


Michelangeli,  L.  A.,  frammenti  d.  meliea 

greca  I  20.5 
Mimnermuj  di  A,  Franco  I  122 
Miodonski,   A.,  Intinitive  auf  -ier,  -rier 

III   1(;4 
Miquel,  R.  ts.  exposicion  grammatical 

de  la  Epistola  de  Iloracio  Flaco  11  52 
Mommsen.  Th.,  die  Akten  zu  dem  Sae- 

culargedicbt  des  Horaz  II  89 

—  Ammians  Geographica  III  21 

—  commentarium  ludorum  saecularium 
quintorum  II  89 

—  die  Scr.  h.  A.  II  121 

Morris,  E.  P..  on  the  sentence-question 

III  320 
Müller,  A.,  curvus  III  174 
Müller,  C.  H.,  de  similitudinibus  apud 

elegiacos  I  120 
Müller,  G.  H.,  Beiträge  zur  Erklärung 

u.  Kritik  des  Horaz  II  80 
Möller,  H.,  zwei  Oden  des  Uoraz  II  7:' 
Muller,  H.  C,  epicritica  I  277 
Müller.  H.  J.,  -eque  bei  Livius  III  3ui 
Müller,  Lucian,  de  Iloratii  epistul.  II  9.'» 
MDIIner,    C  de  imaginibus  Claudiani 

11  2.59 
Münzer,    Fr.,  de  gente  Valeria  II  114 
NadrowskI,    R.,  neue  Schlaglichter  III 

193 
Nägelsbach-Müller,  lat.  Stilistik  III  32.) 
Naumann.  F.,  verba  cum  praepositioni- 

bus  111  239 
Navarro  y  Calvo,  F.,  escr.  de  la  h.  A. 

II  121 

Neubauer,  R ,  Aphroditetempel  zuGolsoi 

III  .s2 

—  de  coniunctionum  causalium  apud 
Gellium  usu  III  309 

Neumann,  E.,  composita  a   „dis-"  inci- 

pieutia  III  192 
Neumann,    K.  J.,  Strabons  Quellen  im 

elften  Buche  III  17 

—  wann  schrieb  Coelius  Antipater  II 
111 

NIcetae  Serrarum  epi.scopi  rythmi  de 
marium,  fluviorum  nominibus  III  2^ 

Niemöller,  G.,  ipse  et  idem  III  2.53 

Niese.  B.,  de  annalibus  Romanis  ob- 
servationes   II  99 

Nigra,  C,  chioma  di  Berenice  1  1.5o 

—  inni  di  Callimaco  I  147 

Nihues,    B.,  de  Vulcacii  Gallicani  vita 

Avidii  Cassii  II  121 
Noack,  F.,  die  erste  Aeneis  II  194 
Noväk,  R ,  zu  Gord.,  Carin.,  Numer.  II 

121 
Oberhummer,  E.,  Cypern  III  5,5 

—  griech.  Inschriften  aus  Cypern  III  »i^ 


Verzeichniss  der  besprochenen  Schriften. 


351 


Oberhummer,  E  ,  Kypros  III  29  —  Zeit- 
schriften über  K.  III 30  -  Karten'IIIol 

—  Studien  zur  alten  Geographie  von 
Kypros  III  7Ü 

Obermeier.  J ,  Sprachgebrauch  des  Lu- 
canus III  22^ 

Ohnefalsch- Richter,  M.,  Altertums- 
talsohor  III  74 

—  antike  Kultusstätten  auf  Cypern  III 
79 

—  Cypern  III  öl.  59 

—  Cypern,  die  Bibel  u.  Homer  III  7 1 .  7'.) 

—  Cypern's  Wälder  III  63 

—  Cypcrwein  III  (14 

—  cypr.  Biene  III  64 

—  cyprische  Reisestudien  III  51 

—  Parallelen  III  lic. 
Orcet,  G.  d',  Chypre  III  36 

—  Paphos  III  35 

Oitramare.  A.,  l'episode  d'Äristee  II  183 
Osthoff,  M.,  adverbia  auf  -iter  III  187 
Otto,  A.,  geflügelte  Worte  II  207 

—  Interpolationen  im  Cato  maior  II  23S 
Pais,  A.,  Straboniana  III  13 

Palsios,  L.,  KJ-oo;  III  53 
Palmer,  A ,  Horatiana  II  96 
Pascal,  Cic.  Rivista  di  filol  XXI  S.  133 
11  7 

—  Cicero  or,  pro  Caecina  II  8 
Paton,  W.  R.,  the  Decelean  inscription 

and  attic  phratries  I  49 
Pedersen,  H..  Präsensinfix  n  III  154 
~  r-,  n-Stämme  III  149 
II.O,SK«r/;:,  'P.,  K^-f.o;  JH  51 
Perrot,  G.,  Chypre  III  45 
Peskett.  bellum  civile  II  163 
Peter,  H.,  die  scr.  h.  A.  II  121 

—  scr.  h.  a.  iterum  rec.  II  121 

—  zu  den  Scr.  h.  A.  II  121 
Petschenig,  M.,  cod.  monasterii  Admont 

II  237 

—  zur  Kritik  der  scr.  h.  A.  II  121 

—  Wortstellung  bei  inquit  III  328 
<l)f(Zf/.o'Jor,c,  r.  X.,  Ivj-f/t;  III  57 
«I^po-fJ^o-Jor,:,  N.,  i-f/s'.r.io'.ov  K'jzrjryj  in  52 
Planer  H.,  haud  et  nequaquam  III  323 
Plew,  J.,  krit.  Beitr.  zu  den  scr.  h.  A. 

II  121 

—  (^uellenuntersuchungen  zu  Hadrian 

II  122 

Plochmann.  F.,  Cäsars  Sprachgebrauch 

III  230 

PIÜS8,  Th.,  zu  Horatius  II  78 
Poetes  moralistes  de  Grece  I  121 
Poiret,  J.,  Horace  II  65 
Polaschek,  A..  a-,  u.  ziv  I  120 
Polle.    cmendat.  in    Ciceronis    orr.   in 
Catil.  II  14 


Polie,  F.,  über  Bedingunsssätze  III  312 
Poppelreuter,    H.,  zur  Psychologie  des 

Aristoteles  I  98 
Postgate.  J.  P.,  future  Infinitive  in  -tu- 

rum  III  165 

—  Horatiana  II  SC,  97 

Pötzl,  K,  Aussprache  des  Lat.  III  110 
Praun,  J.,  Syntax  des  Vitruv  III  305 
Prehn,  A  ,  quaestiones  Plautinae  III  25s 
Preising,    A.,  de  Senccae  casuum  usu 

III  230 
Prestel,  F.,  Aoristsystem  III  157 
Pretsch,   B,   zur  Stilistik    des  Nepos 

111  :;.;4 
Priokärd,    A.  0.,   Aristotle  on  the  art 

of  poetry  I  106 
Procksch,   A.,  zur  lat.  Grammatik  III 

152.  318 

—  Vorbereitung  auf  Caesars  gallischen 
Krieg  II  173 

Proschberger,  zu  Iloraz  ep. II  94 
Puls,  A..  subjektlose  Sätze  III  297 
Pulvermacher,  U.,  de  Georgicis  a  Ver- 

gilio  retractafis  II  182 
Rabe,    H.,    de  Theophrasti   libris   —y. 

/.E^sc);    I    73 

Ramorlno,  F..  aicuni  manoscritti  II  237 
Ravensteln,  E.  G.,  Cyprus  HI  42 
Reclus.  E.,  Asie  anterieure  III  51 
Reeck,  Beiträge  zu  Catull  III  222 
Reichenhart.  Erklärung  einiger  Vergil- 
stellen  II  199 

—  Infinitiv  bei  Lukretius  III  286 
Reid,  J.  S..  Merton  codex  II  228 
Reinach.  Th ,  de  Archia  poeta  I  255 

—  sur  Aristote  I  106 

—  la  Constitution  de  Dracon  I  51 

—  Pirithous  ou  Sisyphe  II  200 
Reinhardt,    G.,  de  praepositionum   usu 

apud  Ammianum  III  241 

Reinhardt,  L.,  Quellen  von  „de  natura 
deorum"  II  230 

Reinsch,  P.  F.,  mineral  found  in  Cyprus 
III  62 

Reisig,  K.,  Vorlesungen  üb  lat.  Sprach- 
wissenschaft III  109 

Reiter,  A.,  de  Ammiani  Marcellini  usu 
orationis  obliquae  III  288 

Reitzenstein,  R.,  Archetypus  der  Kalli- 
machus- Handschriften  I  145 

—  die  geographischen  Bücher  Varros 
III  5^ 

Ribbeck,  0.,  Agroikos  I  (.:• 

—  Geschichte  der  röm.  Dichtung  11 
211.  248 

—  in  Sachen  der  Theophrastischen 
Charaktere  1  67 

Riohardson.  G.  M  ,  dum  III  314 


352 


Register. 


Richter,    P.,   de  usu  particularum  ex- 

clamativarum  III  323 
Ridgeway,    W.,    Caesar's    iavasion    of 

Britain  II  IGT 
Rieger.  H.,  koncessive  Hypotaxe  III  310 
Riemann,  0.,  etudes  s.  Tite-Live  III  222 

—  imperatif  en  -to  III  1(^0 

—  syntaxe  latine  III  219 
Riemann-Boutroux,    sur  ■  „De    finibus" 

II  222 

Robinson  P.,  Cyprus  III  42 

Rodler,  6.,  la  physique  de  Straton  I  114 

Rohde,  D.,  adjectivum  apud  Sallustium 

III  330 

Röhrich,  M.,  de  Culicis  codicibus  II  209 
Rönsch,  H.,  collectanea  III  220 
Roschatt,  A..  Gebrauch  der  Parenthese 

III  332 
Rosenbusch,    E.,    de    temporura    usu 

Plautino  III  275 
Rössner,    0.,    de   praepositionum    usu 

Vanoniano  III  249 
Rothstein  M.,  Properz  u.  Vergil  II  20.") 
Rozwadowski,    J.,  qua  ratione  historici 

uumeros  expresserint  III  253 
Rubensohn,  M.,  gegen  die  Wassertrinker 

I  258 
Ruelle,   C.  E..    les  anglais  cn  Chypre 

III  45 
Rüge,  G.,  quaestiones  Aiteniidoreae  in 

den    Commentationes    Ribbeckianae 

III  5 

—  quaestiones  Strabonianae  III  18 

Rühl,  F,  Zeit  des  Vopiscus  II  122 
Saalifeld,  G.  A.,  de  Vulgatae  Graecitatc 

III  142.  211 
Sabbadini,  R-,  critica  del  De  officiis  II 

242 

—  studi  s.  Eneide  II  194 

)Lo/.ll'Ldr/'r.^    'A.,    K'J-lj'.rjy.rJ    III    57 

Sander,  J.,  Schriftstellerlektürc  II  203 
Sandford,  P.,  de  lloratio  II  9G 
Sandwith,  Th.  B.,  diffcrcnt  styles  III  1{\ 
Sasse,  J.,  de  numero  plurali  III  337 
Sassenay,  L,  de,  Chypre  III  45 
)Lo\)rjz^}L.^.,\i.izo:MvÄy.\  ß  riuol^zr,  III  90 
Scerbö,  F.,  saggi  glottologici  III  15»; 
Schäfer,  M.,  de  iteratis  distichis  I  131 
Schäfler,    J.,    syntaktische    Gräcismcn 

III  228 
Schaub,  J.  de  usu  coniunctivi  I  117 
Schenk,    R.,    de    dativi  possessivi  usu 

Ciceroniano  III  233 
Scherer,  P.,  quando  III  3  IC. 
Schiller.  H  ,  die  lyrischen  Versmafse  de^ 

Horaz  II  73 
Schilling.  B., de schoIiisBobiensibus  II  28 


Schirmer,  K. ,   Sprache  des  M.  Brutus 

III  221 
Schmalz,   J.    H  ,   Sprachgebrauch   des 

Asinius  PoUio  III  221 
Schmidinger.  F.,  curae  criticae  in  Ari- 

stotelis  Politica  I  102 
Schmidt,  C.  P.,  zur  Geschichte  der  geo- 
graphischen Litteratur  bei  Griechen 

und  Römern  III  1 
Schmidt,    J.,     Pluralbildung    der    idg. 

Neutra  III  151 
Schmidt,  M.  C  P.,  über  die  geogrraphi 

sehen  Werke  des  Polybios  III  4 

—  kleine  Beobachtungen  III  318 

—  nequidem  III  303 

Schmidt.  W.,  de  Roman,  arte  biographica 

II  122 

Schmölder,  P.  A..  vins  de  Commanderie 

III  (;4 

Schneider,  R.,  Cypern  III  4r> 
Schneidewin,  M..  die  Horazische  Lebens- 
weisheit II  GG 
Schnoor.  H..  ut  bei  Piautus  III  317 
Scholl, Fr.,  Fronti  proponereolivam  II 7G 
Scholl,  R.,  Aristoteles  Staat  der  Athener 

I  20 
Schöndorffer,    0.,    de   syntaxi  Catonis 

III  220 
Schönwerth.    0.,   Adjcktiva   auf  -osus' 

III  ISO 
Schröder,  subjektlose  Sätze  III  298 
Schröder,  P.,  zweite  Reise  auf  Cypern 

III   10 
Schröter,   M.,  Bemerkungen  zu  Strabo 

III  15 
Schühlein,    F.,   Stadien  zu  Posidonias 

Rliodius  III  5 
Schultess,  0.,  der  Prozess  des  C.  Ra- 

birius  II  1 2 
Schultz,     G.,     'A.O'.TC'/ti/.ou;     'A&7]vc/.i(i)v 

tj:).\-vm.  I  44 
Schulze,  E..  Verschmelzung  lat.  Adjek- 

tiva  III  251 
Schulze,  W.,  v-Perfectum  III  158 
Schumacher,  L..  de  Tacito  Germaniae 

geographo  III  19 
Schunck,  E.,  pronominaindefinita  III  259 
Schvarcz,   i..    Aristoteles -Papyrus    d. 

Britischen  Museums  I  20 
Schweder,  E.,  Beiträge  zur-  Kritik  der 

Chorographie  des  Augustus  Teil  III. 

-  III  7 

—  über   die    Weltkarte   und   Chrono- 
graphie des  Kaisers  Augustus  III  11 

—  über   eine  Weltkarte    des   8.  Jahr- 
hunderts III  28 

—  über    die   Weltkarte    des   Kosmo- 
graphen  von  Ravenna  TU  2G 


Verzeichniss  der  besprochenen  Schriften. 


353 


Schweizer-Sidler  u.  Surber,  lat.  Gram- 

jiiatik  III  108 
Schwenk,  F.,  das  Simonideische  Gedicht 

im  Protagoras  I  223 
Schwenke,  P.,  apparatus  crit,  ad  Cice- 

ronis  de  natura  deorum  II  228 

—  Cicerokodex  Vindob.  II  228 
Scott-Stevenson,  home  in  Cyprus  III  ü' 
Seeck,   0.,   Studien   zu   Diokletian   u. 

Constantin  II  122 
Seiff,  J.,  Reisen  in  der  asiat.  Türkei  III  o5 
Seiler,  J.,  departiculiscopulativis  III  301 
Seitz,  F.,  de  fixis  epithetis  II  207.  33" 
Seliger,  P.,  zu  Aristoteles  nik.  Eth.  1 102 

—  die  ersten  C  Oden  des  Horaz  II  S3 
Senger.  J.,  Infinitiv  bei  Catull,  Tibull, 

Properz  III  287 
Selli,  G.,  epigraranii  di  Luciano  l  257 

—  studi  sulla  Antologia  greca   I  25r. 
Siebeck,  H.,  Untersuchungen  zur  Phi- 

losopliie  der  Griechen  I  57 
Siegwart,  C,  die  Impersonalien  III  2iiij 
Sihler,  E.  6.,  lexicon  of  Caesar's  gallic 

war  II  173 
Sjöstrand,    U.,    de  futuri  infiuitivi  usu 

III  285 

—  quam  vis  III  277 

—  supinum  secundum  III  291. 
Sitzler,   J.,   Kasusgebrauch  bei  Varro 

III  231 
SIx,   J.  P.,    classement  des  series  cy- 

priotes  III  69 
Skutsch.  F.,  nomina  latina  III  190 

—  de  nominibus  suffixi  -uo  III  17!i 
Smith.  A ,  througb  Cyprus  III  52 
Smyth,  H.  W.,  on  digamma  I  119 

—  vowel  System  I  lU) 

Soltau.  W.,  eine  analistische  Quelle  in 
Cicero  do  officiis  II  107.  243 

Sonntag,  M..  Yergil  als  bukolischer 
Dichter  II    17s 

Spandau.  A.,  de  .sermoue  Propertiauo 
III  222 

Spanoghe.  E..  emendationes  Tullianae 

II  215 

Speijer,  J.  S.,  Cic,  observationes  et 
emendationes  II  7.  171.  197 

Spengel,  A.,  zu  Cicero  pro  Sexto  Roscio 
Amerino  II  C 

—  Personenzeichen  II  22() 

Spiro,  F.,  der  kyklische  Daktylod  I  210 
Stadelmann.  J.,  de  quantitate  vocalium 

III  128 

Stahl,  F.,  de  Ausonianis  studiis  II  25" 
Stamm,  P..  ac  u.  atque  vor  Konsonanten 
III  141 

—  et-quidem  bei  Cicero  III  302 

—  zur  lat.  Grammatik  III  227 
Jahresbericht  für  Alterthiunswissenschaft. 


Staupe,  E.,    de  arcbaismis  Terentianis 

III  171 
Stapfer,  Aug.,  kritische  Studien  zu  Ari- 
stoteles Schrift  v.  d.  Seele  I  97 
Steinitz,   S.,    de   affirmandi    particulis 

III  322 
Steinschneider,  M.,  die  parva  naturalia 

des  Aristoteles  bei  den  Arabern  I  100 
Steinthai,   H.,    Geschichte  der  Sprach- 

Avissenschaft  bei   den  Griechen   und 

Römern  I  84 
Stern,  E.V.,  die  neuentdeckte  athenische 

Staatsverfassung  I  21 
Stock,  M.,  de  Vitruvii  sermonc  III  307 
Stöcker,  E  ,  de  Claudiani  scientia  II  257 
Stöcklein,  J..  de  iudicio  luniano  II  11 
Stoffel,  guerre  de  Gesar  II  ir.7 
Stöhr,  P.  E,  curae  criticae  in  Aristo- 

telis  Politica  I  102 
Stoll,  H.  W.,  Anthologie  griech.  Lyriker 

I  ik; 

Stolz,  F.,  per  111  244 

—  Spuren    älterer   Betonung    III   115 

Stolz-Schmalz,  lat.  Grammatik  III  106 
Stowasser,  J.  M.,  Anzeige  v.  Kiefsling. 
Horaz -Oden  II  85 

—  der  Schiffbruch  des  Horaz  II  77 

—  Zahladverbia  auf  -iens  III  188 
Strachan.    J. .    Abstufung    in   Kasus- 
suffixen III  144 

Straub,  E,  Natursiun  I  118 
Ströbel,  E.  die  Tuskulanen  II  224 
Streng,  H.  A.,  de  Horatio  ep.  II  96 
Studemund,  W.,  duos-duo  HI  153 

—  d(;  Theognideorum  memoria  I  128 
Sturm,  J.,  iterative  Satzgefüge  III  308 
Sturm,  J.  B..  quae  latio  ihter  tertiam 

T.  Livi   decadem    et  L.  Codi  Anti- 
patri  historias  intcrcedat  II  112 
Suchier,  H.,  geschlechtlose  Substantiv- 

forui  III  174 
SQsskind,  Talmud  und  Horaz  II  69 
Suster,  6.,  de  altera  quadam  scriptura 

II  122 

—  scr.  della  stör.  Aug.  II  122 
Szanto.  E..  die  Klelsthenischen  Trittyen 

1   4!i 
Taohe,  H..  Chyprc  III  50 
Tammelin,  E.  F.,  de  participii.s  priscac 

latinitatis  III  289 
Teetz,   F.,  de  verborum  compositorum 

apud  Iloratium  structura  III  238 
Terentius,  Adelphoe.  edition  classique 

par  J.  Geotfroy  II  52 
Theognis,  trad.  per  A.  Arro  1  130 
Theophrastus.  de  prima  philosophia  li- 

bellus  ab  H.  Usenero  I  70 
LXXVII.  Bd.  (1893.  III.j  23 


354 


Register. 


Thielmann.  P.,  Ersatz  des  Reciprokums 
111  2bb 

—  facere  III  283 

—  habere  III  282.  290 

—  uls  III  245 

—  usque  III  247 

Thompson,    E.  S.,    on    the   age  of  the 

Z:oA-r-M  I  54 
Thomson,  J.,  through  Cyprus  III  40 
Thurneysen,  R.,  Italisches  III  138 

—  lat.  Lautwandel  III  129 

—  vokalisches  Z  III  130 

Thüssing,  J.,  de  temporum  apud  PHnium 

usu  111  274 
Trachmann,  A ,  de  coniunctionum  cau- 

salium  apud  Suetonium  usu  III  308 
Traube.  L.,  zu  den  Fragmenten  Ciceros 

II  27 
Traut,  H.,  quaestiones  Theocriteae  I  237 
Tribukait,  P.,  de  proverbiis  apud  buco- 

licos  I  237 
Trieber,  C,  die  Idee  der  4  Weltreiche 

II  lor. 

Trump,F.,genusdicendiClaudianiIIl22G 

—  observatioues  ad  Claudianum  II  257 
Unger,   G.  F.,   de  Aelio  Tubero  et  de 

Scribonio  Libone  II  118 

—  Dionysios  Periegetes  III  19 

—  zu  Dionysios  III  19 

—  de  C.  Licinio  Macro  II  117 

—  zu  Theophrastos  I  69 
Vanderkindere,  le  manuscrit  d'Aristote 

I  20 

—  le  nouveau  livre  d'Aristote  I  20 
Vari,  R.,  egyetemes  philologai  Közlöni 

II  2fi2 

Vergilius,  erkl.  v.  Ladewig- Schap er  II 
186 

—  Auswahl  V.  A.  Lange  II  190 

—  Aeneis,   erkl.   v.  Brosin-Heitkainp 
II  188 

ed.  E.  Uoffmann  II  189 

erl.  von  K.  Kappes  II  18b 

hrsg.  V.  W.  Kloucek  II  189 

—  —  ed.  Ladewig-Deuticke  II  18,^ 

ed.  V.  Lanfranchi  II  191 

ed.  G.  Nemethy  II  191 

V.  J.  Werra  II  190 

—  bucolica,  hrsg.  v.  F.  Hermes  II  177 
di  E.  Stampini  II  177 

—  bucolica  et  georgica  rec.  G.  Furaa- 
galli  II  182 

—  georgics    books   III,    IV,    by  C.  S. 
Jerram  II  182 

Verrall,  Horatiana  II  97 
Vogel.  F.,  in  privativum  III  192 
Vogel.  G.,  curae  criticae  in  Aristotelis 
Politita  I  102 


Vogrinz,    6.,    Gedanken    zum   Kasus- 
system III  229 
Volkmar,    Ä.,    de    annalibus   Romanis 

quaestiones  II  101 
Vries,  S.  G.  de,  exercitatlones  paleogra- 

phicae  11  237 
Wachsmuth,  C,  zu  de  republica  II  244 
—  zur  Topographie    von  Athen    I   48 
Wackernagel,  J.,  idg.  Wortstellung  III 

327 
Wagner,  die  Erdbeschreibung  des  Ti- 

mostheneö  von  Rhodos  III  4 
Wagner,  A..  de  syntaxi  Propertiana  III 

222 
Waldaestel,  0.,  de  enuntiatorum  tempo- 

ralium  structura  apud  Senecam III 307 
Waiden,  W.  H.,  nedum  III  315 
Wallies,  M.,  die  griechischen  Ausleger 

der  aristotelischen  Topik  I  88 
Walker,  E.  M.,   the  'Atlrjvr/i(,)v   -o>a-si&'. 

and  the  chronology  of  the  years  462 

-445  I  51 
Weber,  L.,  poetische  Lektüre  II  203 
Weck.  F.,  zu  Vergilius  II  198 
Wegener,  Ph.,  zur  Methodik  des  Iloraz- 

Unterrichts  II  71 
Weigel,  F.,  quaestiones  de  elegiacorum 

sermone  I  120 
Weihenmajer,  zur  Geschichte  des  abso- 
luten Particips  III  295 
Weil,  H.,  deux  allusions  dans  les  carac- 

teres  de  Theophraste  I  69 
Weinhold,  A.,  Genuswechsel  der  Demi- 

nutiva  III  176 
Weise  0  ,  Charakteristik  der  lat  Sprache 

III  105 

—  volksetymologische  Studien  III  211 
Weissenborn,  J.  B.,  parataxis  Plautina 

III  299 
Weisshäupl,  R.,  Grabgedichte  der  griech. 

Anthologie  I  250 
Weisweiler,  J.,  der  finale  genetivus  ge- 

rundii  III  293 

—  Participium  futuri  passivi   III   292 

—  paitic.  praes.  act.  III  166 
Wendland  P.,  Posidonius  T.ifA  DsJjv  II  230 
Wendung,  E.,    de  peplo  Aristotelico  I 

80.    144 
Weninger.  A.,  de  parataxi  apud  Teren- 

tiiim   III  300 
Werle,  W.,  de  eis,  quae  in  Theophrasteo 

characterum    libello   offendunt   I   68 
Wetzel,  M.,  das  Recht  im  Streit  zwischen 

llale  u.  Uoffmann  III  267 

—  selbständiger  u.  bezogener  Gebrauch 
der  Tempora  III  267 

WeyUnd,  F.,  Vergils  Beschrcibiuig  des 
libyschen  Hafens  II  197 


Verzeichniss  der  besprochenen  Schriften. 


355 


Weyman.  C,  Litotes  III  o3S 
Wharton.  E.  R.,  quelques  alatins  III  2i(i 

—  etyma  latina  HI  193 
Widemann,  H  ,  curae  criticae  in  Aristo- 

tclis  Politica  I  102 
Wiedemann,  0.,  zur  Gutturalfrage  III  132 
W'jga,  Cic.  or.  pro  Caclio  II  20 
Wijga,   J.  K.,    de  viris  illustribus  11  17 
Wilckens,    Syntax  des  Sallust   III  243 
Wild.   A.  E,    forests  of  Cyprus    III   6;'. 
Wilkins,  A.  S.,  de  Horatio  II  9fi 
Windisch,    E.,    Verbalformen    mit  dem 

Charakter  r  III   169 
Wintzell,  C,  studia  Theocritea  I  247 
Wirtzfeld,  A.,  consecutio  temporum  III 

273 
Wi8sowa,  G.,  die  Überlief,  der  röm  Pe- 
naten II  110 
Woitf,  M.,  de  usu  coniunctionum  apud 

Juvenalem  III  307 
Wölfflin,  E.,  accerso  III  170 

—  Adjektiva  auf  -icius  III  181 

—  zur  Adverbialbilduna;  III  185 

—  adverbiales  cetera  III  237 

—  zur  Allitteration  III  334 

—  bald  .  .  .  bald  III  304 

—  circa  III  243 
-  clam  III  243 

—  Dissimilation  der  littera  canina  lü 
137 

—  zur  Epiploce  III  331 

—  est  videre  III  284 

—  ex  toto  III  260 

—  frustra  III  261 

—  genetivus  comparationis  III  232 

—  id  genus.  III  236 

—  igitur  III  305 

—  in  privativum  III  192 

—  jubere  ut  III  318 

—  Koncessivsätze  III  309 

—  Konsonantenassimilation  III  139 

—  Konstruktion  der  Ländernamen  III 
237 


Wölfflin,  E.,  prorsus  ut  III  319 

—  quatenus  III  319 

—  die  scr.  b.  A.  II  122 

—  substantivierte  Infinitiv  III  284 

—  usque  III  246 

—  ut  quid  III  322 

—  verba  frequentativa  u.  iutensitiva 
III  182 

Wotke,  K.,  alteFormeu  bei  Vergil  III 143 
Wright,   J.  H.,  in  der  Nation  I  21 
Wröbel,  J ,  nirais  III  260 
Wulsch,  6,  de  verbis  cum  ^pcr"  com- 

positis  III  190 
Wundt,  Geologisches  aus  Cypern  111  61 
Zander.  C.  M  ,  quod  et  id  quod  III  320 
Zangemeister,  K.,  röm. ZahlzeichenIII143 
Zarncke,  E.,  griech.  Litteratursprachen 

I  116 
Zeller,  E.,   die  deutsche  Litteratur  üb. 

die  sokra tische,  platonische  und  ari- 
stotelische Litte>'atur  I  80 
Zieler,  6.,  Geschichte  des  Ablativus  lU 

152 
Zimmer,  H.,    keltische  Studien  III  168 
Zimmerer,  H.,  engl.  Generalstabskarte 

V.  Cypern  III  34 
Zimmermann,  A.,  zu  röm.  Eigennamen 

III  189 

—  intervokalisches  et  III  133 
Zimmermann,  E.,  de  epistuiari  temporum 

usu  III  279 

—  quaestt.  Plaut,  et  Terent.   III   171 
Zimmermann,  R.,  Posidonius  und  Strabo 

III  17 

—  quibus  auctoribus  Stfabo  usus  sit 
quaeritur  III  17 

Zingerle,  Ant.,  zu  Theophrast  I  69 

Zschan,  H.,  über  Horaz  II  86 

Zubaty,  J.,  ursprüngliche  tenuis  aspirata 
dentalis  III  134 

Zuretti,  CO.,  dialetti  letterari  greci  1116 

Zwiedinek,  J.  v.,  Wirtschaft!.  Verhält- 
nisse V.  Cypern  III  36 


II.    Verzeichnis  der  behandelten  Autoren. 


Annalisten,  römische  II  98.  —  Annales 
inaximi  102.  —  Fabii  pictores  103.  — 
L.  Cincius  Alimentus  106.  —  C.  Aci- 
lius  106.  -  A.  Postumius  108.  — 
M.  Porcii  Catonis  origines  109.  — 
L.  Cassius  Hemina  HO.  —  C.  Fan- 
uius  111.  —  L.  Coelius  Antipater  111. 
—  M.  Aemilius  Scaurus  113.  —  P. 
Rutilius  Rufus  113.  —  L.  Cornelius 
Sulla  113.  -  Q.    Claudius    Quadri- 


garius  114.  —  Valerius  Antias  114. 
—  L.  Cornelius  Sisenna  116.  —  L. 
Licinius  Macer  116.  —  L.  Voltacilius 
117.  —  Aelius  Tubero  118.  —  Scri- 
bonius  Libo  118. 
Aristoteles,  Polit.  II.  IstA.  d.  Verf. 
d.  neuen  Schritt?  22.  —  Abfassungs- 
zeit 31.  -  Tendenz  33.  —  Verhält- 
niss  zu  den  andern  Schriften  35.  — 
Quellen  37.  —  Interpolationen  und 
23* 


356 


Register. 


Widersprüche  40.  —  Erläutcruugs- 
schriften,  1.  allgemeine  42.  —  Spe- 
zialuntersuchunsen  43.  —  Nachträge 
55.  —  Bericht  üb.  Aristoteles  80. 

Ausonius  II  250 

Caesar  II  1G2.  —  bellum  gallicum  1()2. 

—  bellum  civile  l<i3.  —  bellum 
Alexandrinum  IGG.  —  Erläuterungs- 
schriften IM.  —  Heerwesen  172.  — 
Lexica  173. 

Calpurnius  Siculus  II  '2Ai> 

Cicero  II  1.  —  Pro  Roscio  Amcriuo  4. 

—  Div.  in  Caec.  orationes  Verrinac 
7.  —  Pro  Fonteio,  pro  Caecina,  de 
imp.  Cn.  Pompei  8.  -  Pro  Cluentio, 
de  lege  agraria  11.  —  Pro  C.  Ra- 
birio  12.  —  In  L.  Catiliuam  orat.  IV 
13.  —  Pro  Murena  14.  —  Pro  Sulla 
18.  —  Pro  Aichia  poeta  18.  —  Pro 
L.  Flacco  19.  —  Cum  senatui  (po- 
pulo)  gratias  egit  20,  De  domo  sua 
21.  —  Pro  Caelio  20.  —  De  provin- 

•  cils  consularibus  21.  —  Pro  Milonc 


et  orr.  Caesarianae  21.  —  Orr.  Phi- 
lippicae  25.  —  Fragnienta  27.  — 
Scholia  28.  —  Philosophische 
Schriften   213. 

Claudianus  II  252 

Horatius  11  29.  —  Ausgaben  29.  — 
Übersetzungen  52.  —  Abhandlungen 
62.  —   Metrik  7;i 

Lyricl,  Bucolici,  Anthoiogia  Palalina  1 
115.    —    Elegiker    119  Jambo- 

a;raphen  152.  —  Melische  Dichter 
204.  —  Bukollker  237 

Nemes'anus  II  249 

Scriptores  historiae  Augustae  II  11!>. 
Zeit  der  Entstehung  122.  —  Ver- 
hältnis zii  den  Quellen  u.  Komposi- 
tion der  Viteu  137.  —  Glaubwürdig- 
keit 141.  —  Sprachgebrauch  144.  — 
Überlieferung  bis  zum  XVI.  Jahr- 
hundert 148.  —  Kritik  a.  Erklärung 
155 

Vergiiius  II  177 


Btrliuer  BucbJriick«r*l-Ac(lcii-GeielUcb>n,  Srt<eriDii<a-Sehiil<  d«!    L«tW-Ver«ii 


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3 

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Bd.?  5-77 


Jahr'3sbericht  über  die  Fort- 
schritte der  klassischen 
Altertumswissenschaft 


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