JAHRESBERICHT
über
die Eortschritte der classischen
Alterthumswissenschaft
begründet
von
Conrad Bursian,
herausgegeben
Iwan V. Müller,
ordentl. öflfentl, Professor der classischen Philologie an der Universität München.
p ! -
FüDfündsiebenzigster Band.
Einundzwanzigster Jahrgang, 1893.
Erste Abtheilung.
GRIECHISCHE KLASSIKER.
BERLIN 1894.
VERLAG VON S. CALVARY & Co.
NW., Luisenstr. 31.
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Inhalts-Yerzeichniss
des fünfundsiebenzigsten Bandes.
Bericht über die im Jahre 1891 und der ersten Hälfte
des Jahres 1892 erschienene Litteratur zu Aristoteles*
'A9r)vai(ov TToXiTsia. Von Prof. Dr. pliil. gr. Valerian
von Schöffer in Moskau 1—54
Bericht über Aristoteles und die ältesten Akademiker und
Peripatetiker für 1886—1891. Von Prof. Dr. Franz
Susemihl in Greifswald 55 — 114
Jahresbericht über die griechischen Lyriker (mit Ausschlufs
Pindars), sowie über die Bukoliker und die Anthologia
Palatina für 1888-1891. Von Prof. Dr. J. Sitzler
in Baden-Baden 115-280
Bericht über die im Jahre 1891 und der ersten
Hälfte des Jahres 1892 erschienene Litteratur
zu Aristoteles' 'Aßrj]>auo]^ Tolizeia.
Von
Prof. Dr. phil. gr, Valerian von Schöffer
in Moskau.
Die neuentdeckte Schrift vom Staate der Athener, welche gemeinig-
lich dem Aristoteles als Verfasser zugeschrieben wird, hat eine so aus-
gedehnte Litteratur von Ausgaben, Aufsätzen, Abhandlungen, Einzel-
bemerkungen ins Leben gerufen, dass es wünschenswerth erschien, die-
selbe in einem besonderen Bericht zusammenzustellen. Diese selbe un-
gemeine Regsamkeit der wissenschaftlichen Forschung erschwerte dem
Ref. in nicht geringem Maasse seine Arbeit: obgleich er von Anfang an
bemüht war, alles irgendwie wichtiges Material zu sammeln und zu
sichten, ist es ihm bei der grossen Verstreuung desselben nicht in der
ihm wünschenswerthen Vollständigkeit gelungen. Besonders beklagt er,
dass ihm zwei wissenschaftliche französische Zeitschriften (Revue de Phi-
lologie und Revue des eludes grecques) nicht zugänglich waren; weniger
bei weitem zu bedauern ist die Unmöglichkeit, alle populären Aufsätze
zu berücksichtigen, welche in verschiedenen nicht fachwissenschaftlichen
Journalen fast aller Sprachen erschienen sind — für Gelehrte haben
diese nur insofern ein gewisses Interesse, als manche von ihnen aus der
Feder namhafter Forscher geflossen sind und deren Ansicht über Inhalt
und Werth des neuen Fundes darlegen.
Nicht wenig erschwert war durch den Reichthum an Material auch
die Disposition desselben. Am praktischsten ist es dem Ref. erschie-
nen, zuerst die Ausgaben und Uebersetzungen im Allgemeinen zu be-
sprechen. Darauf folgen die Abhandlungen, welche den Inhalt des
Werkes und dessen Stellung in der Litteratur behandeln, wobei die
populär gehaltenen abgesondert an die Spitze gestellt sind, und die wissen-
schaftlichen zur Vermeidung von Wiederholungen nicht einzeln besprochen
Jahresbericht für Alterthumswlssenschaft. LXXV. Bd. (1893. I.) 1
2 Aristotclos, yJi9)jva/wi' nohTEia
werden, soi.dern die Ansichten der verschiedenen Forscher nach gewissen
Rubriken (Autorschaft, Abfassungszeit u. s. w.) zusammenfassend darge-
legt sind. Weiter werden die Aufsätze besprochen, welche das Facit
für verschiedene Fragen der Geschichte und der Verfassung Athens aus
der neuen Schrift zu ziehen suchen und zugleich damit ihr zur Erläute-
rung dienen. Aeusserst kurz ist der Abschnitt, in dem über die Unter-
suchungen zur Sprache und Stil referirt wird, da diese Seite bis jetzt
wenig Berücksichtigung gefunden hat. Den Schluss bildet eine Zu-
sammenstellung der wichtigsten zu einzelnen Stellen gemachten kritischen
Bemerkungen und Yerbesserungsversuchen, wobei sowohl die Ausgaben,
als die Einzeluotizen berücksichtigt sind. Als zeitlicher Abschluss ist
vom Ref. etwa Mitte Juli 1892 festgesetzt worden und die Erscheinungen
des Juli -August nur ausnahmsweise herangezogen, wenn sie sich leicht
in das schon zum grössten Theil abgeschlossene Manuscript einfügen
Hessen. Citiert ist die ^/Uhjvakov TtoXizeia nach der zweiten Ausgabe von
Wilamowitz-Kaibel. Wo bei den Zeitschriften kein Datum steht, ist der
Jahrgang 1891 zu verstehen.
I. Ausgaben und Uebersetzungeu.
1. 'Aßr^vaciuv TToXcreta. Aristotle on the Constitution of Athens edited
by F. G. Kenyon, assistant in the department of manuscripts. British
Museum, Printed by order of the trustees of the British Museum.
Oxford. Clarendon Press. 1891. LH, 190 S.
Recensionen: Academy No. 980 (F. Richards). D. Litt.-Zeitg.,
No. 7 (H. Diels). Cent.-Bl. No. 10 (Blass); Rev. Grit. No. 10 (B.
HaussouUier). Rev. de l'instr. publ. belg. No. 2; Wochenschr. für
class. Phil. No. 14 (Schneider); Berl. phil. Wochenschr. No. 17 — 20
(B. Keil). Journ. des Sav. Avril (Weil); Mai (Dareste). Class. Rev.
V, No. 4 (Newman). Sat. Rev. No. 1847.
Diese Editio princeps der /i^. 7:0?,. hat schon jetzt nur noch
historischen Werth, und die unzähligen seit ihrem Erscheinen gemachten
Verbesserungen des Textes verbieten geradezu ihre Benutzung selbst
zum Zwecke cursorischen Lesens. Damit soll aber keineswegs das Ver-
dienst ihres Herausgebers (der später auch seinerseits viel zur Enienda-
tion beigetragen bat) geschmälert werden, wie es besonders seitens seiner
Landsleute vielfach geschehen ist, während die ausländische Kritik bei
weitem gerechter war in ihrem Urtheil, indem sie die Schwierigkeit der
ersten Lesung eines bei weitem nicht schadlosen Manuscripts hervorhob
und mit Dank das Verdienst schneller Veröffentlichung anerkannte. Nur
die massenhaft vorkommenden falschen Accente wären wohl ohne viel
Zeitverlust zu vermeiden gewesen. Die Einleitung ist, sowohl was die
Beschreibung des Manuscripts mit seinen vier Schreiberhänden betrifft,
als auch bei der Feststellung der Identität der Schrift mit der 14&. rioX.
I. Ausgaben und Uebersetzungen. 3
des Aristoteles klar geschrieben und bündig in ihren Schlüsse/), während
der zweite Tlieil (Inhaltsangabe des Werkes) nichts besonderes bietet.
Die Anmerkungen, die meist nur den historischen Werth des Inhaltes
prüfen und häufig Parallelstellen aus anderen Autoren anführen, sind
zwar nicht cinwandsfrei, enthalten aber auch keine gröberen Schnitzer
oder bedeutendere Lücken; die sprachliche Seite dagegen ist, einige
textkritische Noten abgerechnet, so gut wie garnicht berücksichtigt —
dem Herausgeher ist Geschichte vertrauter als Philologie.
2. Dasselbe. Zweite Ausgabe.
Rec: Athenaeum, No. 3310; Gymnas. No. 8 (P. Meyer). Woch.
f. class. Phil. No. 18 (Schneider). Z. f. Österreich. Gymn, XLII, No. C
(V. Thumser). Rev. de l'instr. publ. belg. No. 4. Amer. Journ. of
Phil. No. 45 (Gildersleeve). Riv. di Filol. XIX, No. 10—12 (MüUer-
Pais); Museon X, 4 (Francotte). Listy filolog. XVIII, 3 (Kral).
Diese Ausgabe ist nur eine Wiederholung der ersten mit Korrektur
der Druckfehler, besonders der falschen Accente.
3. Aristotle on the Constitution of Athens. Facsimile of papyrus
CXXXI in the British Museum. 22 plates in gr.-fol.
Diese phototypische Wiedergabe des Papyrus hat sich als sehr
nützlich erwiesen, da auf ihr die neueren Ausgaben des Textes gegrün-
det sind, kann aber wegen des unvermeidlichen Mangels an Deutlichkeit,
besonders an den nicht seltenen Stellen, wo die Handschrift verscheuert
ist, das Original keineswegs ersetzen, wie manche meinten: wo das Facsi-
mile absolut unleserliche Stellen bietet, hat oftmals der Papyrus wenig-
stens gewisse Striche erhalten, welche eine Conjectur empfehlen, die
andere verbieten, wie dies ausdrücklich Kenyon in seiner (dritten) Aus-
gabe betont. Von diesem Facsimile ist noch eine zweite Ausgabe er-
schienen, die dem Ref. unzugänglich war: sie soll sich nur durch eine
richtigere Anordnung der Fragmeute der vierten Rolle von der ersten
unterscheiden.
4. C. Ferrini, 'ABr^vatiuv rMXczzca. Aristotele, la costituzione degli
Ateniesi. Testo greco, versione italiana, introduzione e note. Mi-
lane (Hoepli). 35 et 130 p. 8.
Rec. : Wochenschr. f. class. Phil. No. 40 (Schneider). Academy
No. 1003. Class. Rev. V, No. 10 (Richards). Rev. Grit. 1892 No. 10
(Haussoullier). Berl. phil. Woch. 1892 No. 20 (Keil).
In dieser Ausgabe des Modeneser Professors der Rechte liegt der
Hauptwerth in der üebersetzung (über diese vgl. unten), aber derselben
ist auf nebenstehender Seite der griechische Text hinzugefügt, was bei
einem dermassen noch nicht völlig constituirtem Wortlaut, wie in unserem
Aristoteles, sehr nützlich ist: es erspart dem Leser die Mühe, sich nach
1*
4 Arisfotoles, ''Aßrivaiiuv 7ToXcTs(a.
der Uebersetzung die vou dem Verf. recipierten Emendationen, Ergän-
zuugeii u. s. w. zu recoustruieren. Was den Text selbst betrifft, so bat
sich der Herausgeber mit einem eclcctischen Verfahren begnügt, wie
man es von einem Nichtpliilologen erwarten musste. Zu Grunde liegt
die zweite Ausgabe von Kenyon, aber auch die kritischen Beiträge ver-
schiedener englischer Gelehrter, van licrwerden's (in d. Berl. phil. Woch.
No. 11) und besonders diejenigen von ßlass (im Litt. Centr.-Bl. No. 10)
haben Berücksichtigung gefunden und sind vielfach für die Konstituierung
des Textes benutzt worden. Letzteres ist sogar in zu ausgedehntem
Maasse geschehen, wie daraus zu ersehen ist, dass z. B. in Kap. 2 von
den vier recipierten Ergänzungen von Blass zwei von ihm selbst in seiner
Ausgabe aufgegeben worden sind. Da auch diese Emendationen auf
dem zuerst von Kenyon veröffentlichten Texte basieren und weder das
Facsimile der Plaudschrift saramt den darauf fussenden Arbeiten, noch
die verbesserten Lesungen Kenyon's selbst verwerthet werden konnten,
so ist es wohl kein Vorwurf für den Verf., wenn man behauptet, dass
seine Textrecension dem jetzigen Stand der Forschung keineswegs mehr
entspricht. Die Einleitung bietet nichts bemerkenswürdiges: nach ein
paar kurzen Worten über Manuscript, Autor (ohne Zweifel Aristoteles),
Zeit der Abfassung (nach Torr zwischen 328 — 25) folgt eine ziemlich
ausführliche Inhaltsangabe (20 S.), welche eigentlich neben der Ueber-
setzung überflüssig erscheint. Die Anmerkungen enthalten nichts ge-
radezu falsches, sind aber wohl zu knapp und zu elementarer Art be-
sonders für Leser, bei denen Kenntniss der griechischen Sprache voraus-
gesetzt wird, andererseits wird manches vermisst, was zu sagen wäre,
besonders seitens eines Professors der Rechte — hauptsächlich erläutern
sie das Verhältniss zwischen Original und Uebersetzung, wenn letztere
abweicht, oder paraphrasieren dieselbe, wenn sie in ihrer Wörtlichkeit
zu Missverstäudnissen Anlass geben könnte.
5. 'ASrjVacwv T.ohTSia ixdtoojxivrj im r^ ßdasi rr^g osurd/jag äyyXi-
xr^:; rou Kzwwv ixdoaeuiQ. UfjordaaeTac ecaayiuyrj Imo 'A. 'Aya&ovcxou.
Athen, Bart u. Christ. c\ 56 p.
Rec: Berl. phil. Wochenschr. 1892, No. 20 (Keil).
Dem Ref. unzugänglich, soll aber nur eine buchhändlerische Speku-
lation sein ohne jeglichen selbständigen Werth.
G. Aristotelis TMliztia 'A&r^vauov. Ediderunt G. Kai bei et U. de
Wilamowitz-Moellendorff. Berolini (Weidmann). XV, 100 p.
Diese erste wirklich wissenschaftlich -kritische Ausgabe ist aufge-
baut (abgesehen von der cd. princ) auf Grundlage der gemeinsam von
beiden Gelehrten ausgeführten Lesung des Facsimile, wobei in allen
wichtigeren Fällen dieselbe von Kenyon nach dem Originale nachgeprüft
worden ist. Daneben sind auch die Verbesscrungsvorschläge der ver-
I. Ansgüben und Ueber.'etzungen. 5
schiedenen Gelehrten berücksichtigt worden; dass die Herausgeber selbst
das meiste in dieser Beziehung beigesteuert haben, ist eigentlich über-
flüssig zu bemerken. Die Ausgabe bietet vor allem einen möglichst
emendirten Text, der aber im allgemeinen in bestem Sinne konservativ
gehalten ist: die Originalhandschrift wieder herzustellen war das Haupt-
ziel der Herausgeber, die nur an augenscheinlich korrupten Stellen ihre
oder fremde Verbesserungen in den Text aufgenommen, noch seltener im
Original fehlende Worte ergänzt und nirgends ein athetiertes völlig weg-
gelassen haben — alle solche Abweichungen sind durch besondere Klam-
mern bezeichnet. Unter dem Texte befindet sich eine äusserst knapp
gehaltene annotatio critica, welche fast nur die Namen der Gelehrten
"anführt, deren Lesungen aufgenommen sind (nicht gebilligte Vorschläge
sind nicht registriert); daneben sind aufs genaueste die vom Texte sich
unterscheidenden Worte der Handschrift verzeichnet, selbst in den Fällen,
wo ein augenscheinlicher Schreibfehler (z. B. Dittographie) vorliegt. Be-
sonders angeführt werden die testimonia vett., meistens Citate der Scho-
liasten und Lexicographen aus unserer Schrift; diese werden, leider, nur
selten ausgeschrieben, wobei das leitende Prinzip der Auswahl im unklaren
bleibt; an manchen Stellen werden diese Testimonia mit Vorsicht zur
Verbesserung des Textes verwendet (z. B. S. 37, Z. 19 — 20, S. 54, Z. 1,
S. 56, Z. 1, 15 — 16, S. 60, Z. 3. 11). Gross wie überhaupt um die Con-
stituierung des Textes, ist der Verdienst der Herausgeber um die Wieder-
herstellung der verstümmelten Fragmente der IV. Rolle, in die sie zuerst
theilweise einen Sinn hineingebracht haben. In der Einleitung, in der
sie kurz über ihr kritisches Verfahren Rechenschaft ablegen, suchen sie
auch nachzuweisen, dass die Handschrift nur von zwei Händen geschrie-
ben sei, indem die Kenyon'sche erste mit der vierten und die zweite mit
der dritten identisch seien, was wohl kaum richtig ist. Zum Schluss ist
die unter Herakleides Namen gehende Epitome und die Fragmente der
Politeia abgedruckt, welche sich in unserem Text nicht vorfinden. Bei-
gefügt ist ein Index der Eigennamen und der technischen (hauptsächlich
Rechts-) Ausdrücke.
7. De republica Atheniensium. Aristotelis qui fertur über 'A&u-
vaiwv (sie!) TioliTEia. Post Kenyonem ediderunt H. v. Herwerden
et J. v. Lee u wen. Lugd. Batav. XVI, 241 p. 8.
Reo.: Litt. Centr.-Bl. No. 52 (Blass). Class. Rev. VI, 1-2 (H.
Richards). Berl. phil. Wochenschr. 1892, No. 20 — 21 (Keil).
Die beiden holländischen Herausgeber hatten als Grundlage ihrer
Recension dieselben Hülfsmittel, wie die deutschen — 'die ed. princ,
das Facsimile und die Emendationsvorschläge verschiedener Gelehrter —
leider aber fehlten ihnen die persönlichen Mittheilungen Kenyon's, der
allein im Stande gewesen wäre ihre Lesungen nach dem Original nach-
zuprüfen: dieser Umstand ist für ihre Ausgabe äusserst verhängnissvoll
n Aristoteles, 'A'^rjvaiojv T.oXnein.
pewcsen, besonders bei der maasslosen Conjectnrsucht der holläiidischcn
riiilologen. Die Ausgabe bestellt aus doppeltem Text: demjenigen, wel-
clicr noch auf dem Facsimile zu entziffern ist (genau nach den Zeilen
der Handschrift und mit Bezeichnung der fehlenden Buchstaben), und
ihm gegenüberstehend dem rekonstruierten und emendierten der Heraus-
geber (ohne jegliche Klammern und ähnliche Zeichen, so dass eine be-
ständige Vergleichung des Contextes sowie der Ann. crit. unumgänglich
nothwendig ist). Unter dem Text befinden sich: erstens Bemerkungen
über einzelne Buchstaben und Worte der Handschrift; zweitens eine aus-
führliche annotatio critica mit genauer Angabe aller bis dahin gemachter
Verbesscrungsvorschläge und Conjecturen (dazu noch briefliche Mitthei-
lungen Naber's). Wenn schon hier des Guten zuviel gegeben und man-
cher müssige Einfall ganz unverdientermaassen verewigt worden ist, so
steht es mit dem Texte noch viel schlimmer. Die Herausgeber erkennen
nämlich als handschriftlich gesichert nur das an, was sie selbst (dazu
nicht immer richtig) im Facsimile gelesen haben: alles, was darüber
hinaus die ed. princ. giebt, behandeln sie als blosse Conjectur Kenyon's,
die sie nach Belieben entweder billigen oder mit einem »falso Kenyon«
aus der Welt schaffen. Nun ist es ja nicht zu leugnen, dass Kenyon
manches verlesen, manches auch falsch ergänzt hat im ersten Anlauf,
aber noch sicherer ist es, dass er gegenüber dem Original mehr hat
lesen können, als das Facsimile bietet, und auch nach schwachen Ueber-
rcsten von Buchstaben wenigstens über die Zulässigkeit oder Unmöglich-
keit gewisser Conjecturen bis jetzt allein das Urtheil besitzt — wer also
seine Behauptungen leichten Herzens in den Wind schlägt, baut ein Ge-
bäude nicht auf Stein, sondern auf Sand. Dazu kommt noch, dass die
Herausgeber auch der von ihnen anerkannten hand*chriftlichcn Ueber-
liefcrung gegenüber sehr willkürlich verfahren, unter anderem auch
manchen Satz als Interpolation glatt aus dem Texte werfen — alles dies
ohne das geringste kritische Zeichen und in den Noten fast stets auf
Kenyon, nicht auf das Manuscript verweisend. Danach kann es Einen
nur wundern, dass von dem echten, unverfälschten Aristoteles immerhin
noch ziemlich viel im Texte übrig geblieben ist. Mehr Werth als die
Ausgabe selbst besitzen die zwei Anhänge: erstens die Observationes
palaeographicae (mit vier lithographischen Tafeln), durch welche wenig-
stens der Unterschied zwischen der sog. ersten und vierten Hand (gegen
Kaibel-Wilamowitz) festgestellt wird, und zweitens die doppelten Indices,
von denen der Index dictionis ein ziemlich vollständiges, sehr sorgfältig
zusamnicngcstelltes Wortverzeichniss bildet (leider sind nicht alle Stellen
angeführt), wie es keine andere Ausgabe besitzt — darin und theilweise
in der Zusammenstellung der verschiedenen Emendationen (manche sehr
zerstreut), sowie in einzelnen werthvollen Beiträgen der Herausgeber
selbst liegt die Hauptbedeutung dieses Werkes. Die Einleitung bietet,
einige Nachfrage zur 'Jcxtkiitik abgerechnet, nichts bemcrkenswerthes:
I. Ausgaben und Uebersetzungen. 7
in Betreff der Autorschaft des Aristoteles bekennen sich beide Heraus-
geber zur Verneinung derselben, wie schon auf dem Titelblatt.
8. Aristotelis ■n.ohzda 'Aßr^vaccuv. iterura ediderunt G. Kaibcl
et U. de Wilamowitz - Moellendorff. Berolini (Weidmann).
XVI, 100 p.
Rec: Litt.-Zeit. No. 45 (Gomperz). Wochenschr. für class. Phil.
No. 50 (Schneider). Rev. des et. gr. IV, 16 (Weil). Litt. Centr.-Bl.
1892 No. 2 (il). Class. Rev. VI, 1-2 (H.Richards). Berl. phil.
Wochenschr. 1892, No. 15 (F. Cauer). Zeitschr. für österr. Gymn.
XLIII, 4 (V. Thumser). Korresp.-Bl. für württ. Schul. No. 11—12
(Miller).
Diese zweite Ausgabe, bei welcher schon diejenige von Herwerden-
Leeuwen benutzt werden konnte, ist nach denselben Grundsätzen veran-
staltet wie die erste und zeigt nur wenige Abweichungen von derselben.
Es erscheint darum nicht unzweckmässig, dieselben hier möglichst voll-
ständig zu verzeichnen, da die Herausgeber dies, leider, nicht gethan
haben, wobei die Ucbereinstimmung mit der holländischen Ausgabe durch
ein H.-L. bezeichnet ist. S. 2, Z. 24 1. Aufl.: xi"^^"^ ~ 2- Aufl.: XP^^H*-
4 Z. 5: i$£^ߣ:v - 8is$s/Sstv. 7, Z. 19: xal <£x) zoÜtojv — xa: tou-
Twv. 1 , Z. 22: i-Kotr^aa.v (mscr.) — inotr^atv (Hude, H.-L.). 7, Z. 25:
■ntpl -a>v Evvia dp^ovrcuv — in der 2. Aufl. athetiert. 8, Z. 4: xa^earr^xua
— xadsarrjXuTa. 8, Z. 24: zftca zaür' (mscr.) — rpca zdo' (H.-L.). 9,
Z. 28: .... Kjavcönoü — . . . NflCOY • • • 10, Z. 6: [[ek]] zrjv - yj zijv.
11, Z. 1: rj^&ov — t velut o? 8' i^' afmayalaiv iXnco^ rj^c^' ^^/öv. 11,
Z. 10: zujv . . . (ov — zäjv [ij7[vxpB](ov. H, Z. 13: ä^ov^'kazov (mscr.) —
d.^ovrilazoi\). 12, Z. 22: b^Hj^ (corr. e Plut.) — i^sthv (mscr. H.-L.).
14, Z. 21: zszdpzüj — Scudexdzo) (mscr.) an nd/iTTZüj? 14, Z. 26: xal
yovaixa — xal athetiert. 15, Z. 5: zfuzio — eßdofioj (mscr). 15, Z. 13:
dvacu'jaaa&ai — dvaxzr](Taa&at (corr. Herw.). 19, Z. 10: zu)V [kzipcuv] —
zwv [aAAiuv] (H.-L.). 20, Z. 10: Aaxedattxovog (mscr.) — Aaxedatjiovfiov
(H.-L.). 21 not.: schol. Arist. Lys. 1153 'Ayx^l^okov — 'Ay^tp-okov
(sie R.). 22, Z. 7: hlstcr&zvoug fisz' oh'yojv — KlsiaBivoog (d(fix6iievog
6 Khopivr^gy ixez' olqiuv add. ex Herodot. V, 70. 23, Z. 16: xa\ (yuv)
xaXouaiv — xai xa'Aooaiv. 24, Z. 19: (Tuvs^rj/idpzavov iv — aovs^aiiapzd-
vocev. 25, Z. 13: zszdpztp {m^cr.) — zoczoj {corr. e Plut. Arist. 8). 26,
z. 6: o /xkv zä no^s/xia daxwv, o 8k zd Truhztxd 8scvug ehai (ßoxojvy —
o pev zd noliiua 8ox(jjv (corr. Richards, Contus, al.), o 8k zd nohzixd
8stvüg ehai (H.-L.). 27, Z. 6: [[xal]] (ppoupoi — xat cppoopol. 27, Z. 7:
iv zfi TTÖhc — iv [[zfj]] T.dXzi. 27, Z. 20: xa\ ooxwv — xal athetiert.
37, Z. 12: £Tci 8' kßoö [i(p (mscr.) //er« t^v zCov zezpaxoaaov xazdazaaiv
(e conject.) — izat 8' ixzoj (corr.) /xszd z. z. zszp. xazdluatv (mscr.).
41, Z. 26: rtpiv rj llauaaviav [[t']] d^cxdaßac 8:en£/x7:ovzd (^za) — npcv
ze (corr. Richards) Uaucavcav [[z']] d^cxiado.i Slzt.eiitmvzo (H.-L.). 44,
8 Aristoteles, \i'9r}vaiwi' noXtreca.
Z. 17: rj xarätTzaacg — (^] •'f- 46, Z. 23; xazana.Xrr^v -- xaraneArr^v
(mscr.). 56, Z. 15: zobg dna-jrofxivoug xlzTzzag — rohg dr^ayop-ivoug
{xaxoupYoug roüg t£> xUnzag (cfr. Et. M.)- 55, Z. 11 et 62, Z. 19:
oueTv (mscr.) — SuoTv (H.-L.). 57, Z. 11: nzpttuvzsg — TisptuvTeg (mscr.
cfr. Hyperid. I, 13, 6; II, 2, 12). 66, 1: dyiüva tuv emTd<ptov xac —
dywva tuv irurdifiov , xac. 67, Z. 20: auXXiySTai Sk tu iXaiov — ru ok
iXatov avXXeysrac corr. Hicks. 68, Z. 22: aurotg eiadyzc — [[ay-wr^]]
siadyet. In einem Addendum werden noch fünf Lesungen von Blass ver-
zeichnet, von denen zwei gebilligt werden: S. 47, Z. 8 st. 7va [xtj r.ady-
jiaai <Toyytv(uvrai — 7va jxtj -npöipaaig fj rou dmsvac und S. 11, Z. 13 st.
ecvex' d^ovrjXuTov — ouvexa ^uvijyayov (cum specie veri); drei (zu S. 9,
Z. 7; 19, Z. 4; 21, Z. 17) werden abgewiesen. — Danach kann man wohl
sagen, dafs diese Ausgabe sich der handschriftlichen Ueberlieferung
gegenüber ebenso konservativ, ja fast noch mehr, als die erste verhält
und im allgemeinen muss sie trotz der anspruchslosen Form, in der sie
auftritt, als die bis jetzt mustergültigste und werthvoUste (neben der
nächstfolgenden) bezeichnet werden. Der einzige bedeutendere Einwand,
der sich gegen sie erheben lässt, muss sich gegen die zu beliebte An-
nahme grösserer Lücken im Text richten: so in Kap. XXI, 1 mit Ver-
weisung auf Aristot. Pol. p. 1275 b 36 (Aufnahme vieler Metöken in den
Bürgerverband); in Kap. XXIV, 2, wo »dictum erat de cleruchis« ; in
Kap. XXV gegen Ende soll ausgefallen sein der Bericht über den Aus-
gang des Themistokles; am Schluss des Kap. LX »interciderunt ma-
gistratus crcati in quadrienniumo. Gefährlich ist es überhaupt, einem
antiken Schriftsteller vorzuschreiben, was er hätte erwähnen müssen, denn
wie oft suchen wir auch in einem modernen Buche die sicher erwartete
Belehrung über einen gewissen Punkt vergebens — wie nahe liegt der
weitere Schluss: »dies oder jenes hätte Aristoteles erwähnen müssen, da
es nicht erwähnt ist, so ist der Autor nicht Aristoteles«. Aber tnollio-
disch ist es noch weniger berechtigt, die vermissten Ausführungen nun
so zu sagen in den Text hineinzuinterpolieren durch Annahme von Lücken
an Stellen, wo der Zusammenhang fehlerlos ist. Auch gegen ein Paar
der grösseren Athetesen in der Ausgabe Hessen sich Einwände erheben :
so kann z. B. die am Schluss des Kap. LIX verfügte kaum durch die
Wiederholung desselben Satzes im Anfang von Kap. LXIII bewiesen wer-
den. — Die von den Herausgebern schon in der ersten AuHage versproche-
nen kritischen Beiträge sind, leider, bis jetzt noch nicht erschienen.
9. ' Adr^vaiuiv rroXirtt'a. Aristotle on the Constitution of Athens cdited
by F. G. Kenyon. Third and revised edition. Printed by arder of the
trustees of the British Museum. Clarendon Press. 1892. LXVIII, 229 p.
Reo.: Class. Rev. VI, 7 (Richards). Academy, No. 1050-
Diese dritte Auflage ist eine von Grund aus verbesserte: erstens
hat der Herausgeber das Manuscript von neuem auf's genaueste studiert
I. Ausgaben und üebersptzungen. 9
mit Benutzung der von den deutschen und liolländischen Gelehrten aus-
geführten Durcharbeitung des Facsimile und der von denselben vorge-
schlagenen Lesungen; zweitens hat er senie eigenen Ergänzungen der
unleserlichen Stellen (von denen viele sehr übereilt waren) mit scharfer
Kritik gesichtet und gebessert; drittens sind die so zahlreichen Beiträge
verschiedener Gelehrter (vgl. die Litteraturangaben in der Einleitung)
gebührend berücksichtigt worden, sowohl für den Text, als für den Cora-
meutar. Auch äusserlich hat die Ausgabe gewonnen dadurch, dass die
textkritischen von den exegetischen Bemerkungen getrennt worden sind.
Erstere enthalten ausser Notizen über handschriftliche Lesung auch ein
vollständiges Verzeichniss der abweichenden Lesarten in den Ausgaben
von Kaibel-Wilamowitz und von Herwerden-Leeuwen, daneben nicht durch-
gehend, aber ziemlich häufig Angaben über die wichtigsten Conjecturcn
anderer Gelehrter, vorwiegend der englischen und von Blass. In diesen
Anmerkungen liegt fast der Hauptwerth der Ausgabe, da bis jetzt Kenyon,
wie schon gesagt, der einzige ist, welcher die Möglichkeit hatte, die vor-
geschlagenen Conjecturen an dem Manuscript zu prüfen und zu ent-
scheiden, ob sie den etwaigen Buchstabenspuren, Lücken u. s. w. ent-
sprechen. Dies kommt auch dem von ihm construierten Texte zu Gute,
der äusserst konservativ gehalten ist (noch mehr, als der von K.-W.), in
manchen Fällen wohl zu konservativ, so dass auch unzweifelhaft fehler-
hafte Lesarten beibehalten sind, wie z.B. Kap. 40, 3: oc OYjjioxprxzrjaavreg^
Kap. 42, 3: /erporovsT o!oa(Txd}.oug oTzcvsg dtoäcrxoixTtv, Kap. 54, 7: ouds-
jxta iv T(p aoTM kyylyvs.-m u. and. Auch die vom Herausgeber vorge-
schlagenen Ergänzungen sind nicht immer stichhaltig, aber in dieser Be-
ziehung hat er sich vielfach von der Kritik belehren lassen, so dass die
wichtigsten Anstösse der ersten Ausgabe verschwunden sind. Manche
Ergänzungen und Verbesserungen hat auch der exegetische Commentar
erfahren: etwas über 60 Anmerkungen sind neu hinzugekommen, viele
sind erweitert oder stark umgearbeitet worden, die neuere Litteraiur ist
überall ausgenutzt; aber Bemerkungen über Sprachgebrauch u. dergl.
fehlen auch jetzt fast vollständig und spärlich sind die Verweisungen
auf Meisterhans' Grammatik der attischen Inschriften — das einzige
citierte grammatische Werk. Die Fragmente erscheinen auch in viel les-
barerer Form, Dank den Arbeiten von Wilamowitz, HaussouUier, Sandys.
Neu hinzugekommen ist eine kurze Beschreibung und Transscription des
Midiana-Commentars, welcher die Handschrift der Ab. rutl. unterbricht.
In der Einleitung ist nichts wesentliches hinzugefügt worden, erwähnt
muss aber werden , dass der Herausgeber erfreulicher Weise gegenüber
den vielfach (und besonders gerade von seinen Landsleuten) geäusserten
Zweifeln an dem aristotelischen Ursprung der Schrift festhält, ebenso
wie er (gegen K.-W.) die Unterscheidung der vier Hände im Manuscript
vertheidigt. Den Schluss bildet, wie in der ersten Auflage, ein Verzeich-
niss der früher bekannten Fragmente mit Hinweis auf die Stelleu der
]0 Aristoteles, \i>9r]va''o)v noXirsia.
Schrift, wo sie sich hefinden, und ein Index nominum et rcrnni, welcher
auch vervollständigt ist (z. B. sind die Demennamcn neu hinzugekommen).
Trotz mancher Mängel ist die Ausgabe unentbehrlich als genaueste Re-
production dessen, was in der Handschrift wirklich zu lesen ist und wird
wohl (von Einzelheiten abgesehen) diese Bedeutung stets behalten; auch
der exegetische Commentar wird von bleibendem Werth sein, bis jetzt
ist er der einzige.
10. Aristotclis rMhrda "Ai^r^\>a''Lt)v cdidil Fridericus Blass. Bibl.
Teubuer. 1892. XXVIII, 118 S.
In der Einleitung nach. kurzen Bemerkungen über die Handschrift
(in der er auch vier Hände anerkennt) entwickelt der Herausgeber ein
ziemlich compliciertes Compositionssystem, welches er meint in der Schrift
entdeckt zu haben: dieses System beruht auf dei- consequent durchge-
führten Responsion in dem metrischen Aufbau der verschiedenen Satz-
theile. Als Beispiel seiner Ausführungen mag folgendes Bruchstück
dienen. »Quis non libenter numerum agnoscet in bis (c. XXXIV, extr.):
Auaf'mipou ok r,poaHeiJ.ivoo zoTg dhyap^ixcng \ {xazanXaydQ o drj/wg)
ijvayy.dadr^ ^etpuzoveTv t^v uhyap-)(^trj.v'i Tamen brcvi syllabae prioris mem-
bri rik respondet longa alterius r7»9;y, cum cetera accurate sint exaecjuata:
c_^w__^w_w_. • . sed etiam xazar.'KayEiq o orj^jiog) par est autc-
cedenti clausulae zoTg ohyapy.xoTg, nisi quod tribrachys pro dactylo sive
paeon quartus pro choriambo positus est. Et hoc ttjv oXiyap-/tav, quac
est alterius merabri clausula, excipitur insequentis principio {s)ypa(l's ok
zn i}'rj<f'.{apa) ^ ut iambo respondeat spondeus etc. etc.« Dass eine ge-
wisse Responsion vorhanden sein mag, will Ref. nicht leugnen, aber ganz
entsprechendes kann man bei jedem guten Prosa-Schriftsteller unserer
Zeit entdecken, ohne dass betreffende Erscheinung beabsichtigt oder
künstlich erstrebt sei: jeder modelt eben seine Sätze so lange um, bis
sie ihm angenehm in's Olir klingen, was eben auf dem metrischen Auf-
bau zum grössten Theil wenigstens beruht — Silben gezählt hat wohl
kein Prosaschriftsteller von dem Geiste eines Aristoteles. Mag man über
das Prinzip des Verf. denken wie man will, jedenfalls ist es gewagt (wie
er CS thut), über die Zulässigkcit einer lOrgänzung oder Emendation im
Text zu urtheilen nach dem metrischen Schema — gewagt, da auch er
ja überall überzählige Silben und »freiere« Responsionen (lambus = Spon-
deus, Dactylus = Tribrachys) annehmen muss, also auch bei etwaigen
Textvcrbesscrnngcn solche Ausnahmen gelten lassen dürfte. Sonst ist
die Ausgabe im grossen und ganzen nach denselben Prinzipien wie die
zwei vorhergehenden gestaltet und der Text ziemlich konservativ gehalten:
abgesehen von einigen eigenen Conjecturen, deren Zahl sich aber im
Vergleich mit den jm Litt. C-Bl. 1891 , No. 10 veröftentlichtcn bedeu-
tend verringert hat, ist der Herausgeber äusserst sparsam in der Auf-
nahme von Emcndationen gewesen, so dass ganze Seiten lang sich der
1. Ausgaben und Ucborsetziingon. H
Text nicht wesentlich von Keuyons und K.-W. unterscheidet. In einer
Beziehung verfährt ßlass noch vorsichtiger als die eben genannten: von
den im Mscr. unleserlichen Stellen lässt er viel mehr unergäuzte als
Lücken im Text. Unter dem Texte befinden sich wie bei K.-W. die
Testimonia veterum und eine Auswahl von Variae Lectiones, die aber
weit vollständiger ist: nicht nur sind die Lesarten der Handschrift bei
jeder Abweichung genau angegeben, sondern auch diejenigen der Aus-
gaben von Kaibel-Wilamowitz, Herwerdeu-Leeuwen, Kenyon (l. und 3.)
werden durchgehends, von den Vorschlägen anderer Gelehrter die an-
sprechendsten mitgetheilt. Auch die Fragmente sind mit Benutzung
fremder Beiträge, aber nicht ohne selbständige Kritik bearbeitet. Der
Index (nominum et rerum) ist ausführlicher als diejenigen der zwei zu-
letzt genannten Ausgaben: unter Buchstabe A z. B. zählt der von Keuyons
nur 50, der von K -W. 64 Stichwörter gegenüber den 76 bei Blass. Die
Ausgabe muss im allgemeinen als sehr nützlich und wegen des reichen
kritischen Apparates für den selbständigen Forscher als kaum entbehr-
lich bezeichnet werden.
11. Aristoteles' Schrift vom Staatswesen der Athener, verdeutscht
von G. Kai bei und A. Kiessling. Strassburg, Trübner. (6. März.)
IIa. Dasselbe. Zweite verbesserte Auflage. Drittes Tausend
(26. April). 109 S.
Rec: 1. Aufl.: Woch. f. class. Phil. No. 17 (Schneider). D. Litt.-
Zeitg. No. 24 (Gomperz). Rev. crit. No. 18 (Haussoullier). — 2. Aufl.:
Berl. phil. Woch. No. 38 (^). N. phil. Rundschau No. 17 (P. Meyer).
Zeitschr. f. österr. Gymn. XLII, 6 (Thumser). D. Litt.-Zeitg. No. 40
(Gomperz). Woch. f. class. Phil. No. 40 (Schneider). L. Ccntr.-Bl.
No. 42 (ß). Centralorg. für Realsch. XIX, 11. Class. Rev. V, 10
(H. Richards).
Die erste Auflage dieser Uebersetzung war so schnell vergriÖ'cn,
dafs es dem Ref. unmöglich war sich in Besitz derselben zu setzen. Die
zweite ist wirklich eine stark verbesserte, da sie auf Grund der Lesung
des Facsimile durch Kaibel-Wilamowitz entstanden ist und sich demnach
zur ersten ungefähr so verhalten muss, wie die Ausgabe der genannten
zu der Kenyon'schen. Für die weiteren Kreise der Gebildeten bestimmt,
darf diese üebertragung wohl als ein Meisterwerk bezeichnet werden:
sie ist fliessend und klar, liest sich angenehm und leicht; man fühlt
nichts vom Zwange einer Uebersetzung aus fremder Sprache, auch nicht
in den schwungvollen Versen, die Solon's Gedichte wiedergeben — es
ist eben eine »Verdeutschung«, wie es die Herausgeber bezeichnen, keine
»Uebersetzung«. Es wird aber dabei mit dem griechischen Text ziem-
lich frei verfahren, so dass es an manchen Stellen zweifelhaft sein kann,
12 Aristoteles, %^vaiw.v nokaeia.
welche Rekonstniktioi] desselben zu Grunde gelebt ist, an anderen zwei-
fellos mehr hineingelegt ist, als das Original enthielt. So ist gleich im
ersten Kapitel in dem Satze: »Die Angeklagten wurden schuldig befun-
den und sie und ihr ganzes Geschlecht zu lebenslänglicher Verbannung
verurtheilt, selbst die Leichen derer, die im Kampfe gefallen waren,
wurden ans den Gräbern gerissen«, nicht nur die Reihenfolge der Haupt-
sätze vertauscht, nicht nur die Worte »sie und . . . ganzes« frei hinzu-
geftigt, sondern auch zu dem Wort »die Leichen« (Uebersetzung des
Kenyon'schen o'i vexpot) ein ganz aus der Luft gegriffener, ja absolut
falscher Zusatz gemacht: denn die im Kamj)fe mit den Kyloniern ge-
fallenen (wenn es überhaupt -solche gab) hatten an der Befleckung gar
keinen Antheil, die ja erst nach der Ergebung der Belagerten stattfand.
Auch die übertriebene Sucht griechische Bezeichnungen zu »verdeutschen«,
führt zu einigen Unzulänglichkeiten: etwas seltsam nehmen sich doch die
»Grundbesitzer« {aypotxm) neben den »Eupatriden« aus — waren denn
die letzteren dies nicht auch? und was soll man nun gar mit den »Zünften
der Demiurgen« anfangen? Diese kleinen Einwände sollen den unzweifel-
haften Werth des schönen Werkchens nicht herabsetzen, das noch ganz
den Enthusiasmus der ersten Zeit nach Aufersteliung des Todtgeglaubten
athmet, ehe sich noch das philologische Secirmesser an ihn gemacht hat.
Einleitung, Anmerkungen fehlen vollständig.
12. Aristoteles' Staat der Atiicncr. Uebersetzt von Dr. F. Pol and
(Langenscheid'sche Bibliothek, Lief. Y8— 79). XII, 114 S.
Rec: D. Litt. Zeitg. No. 40 (Gomperz). Woch. für class. Phil.
No. 50 (Schneider). Neue phil. Rundschau 1892, No. 2 (P. Meyer).
Litt. C.'Bl. 1892, No. 7 {kX.). Rev. crit. 1892, No. 10 (Haussoullier).
Diese Uebersetzung ist von ganz anderem Standpunkt, als die vor-
hergehende, abgefasst und hat grösseren Anspruch auf wissenschaftlichen
Werth. Abgesehen von dem Bestreben bei ansprechender Form dem
griechischen Text so nahe wie möglich zu kommen, was dem Uebersetzer
ganz vorzüglich gelungen ist, hat er die kritisch zweifelhaften Stelleu,
die Ergänzungen und Emendafionen sowohl im Text durch (eckige und
runde) Klammern bezeichnet, als in den Anmerkungen durch Hinzufügung
der griechischen Worte, welche zu Grunde gelegt sind, dem Leser die
Mühe des Rathens erspart; dabei werden die Namen der Gelehrten,
welche eine gewisse Lesung vorgeschlagen, regelmässig genannt; ganz
verdorbene Stellen sind nicht dem muthmasslichen Sinne entsprechend
ergänzt, sondern mit Punkten bezeichnet. Wenn in Folge dieses kriti-
schen Verfahrens die Uebersetzung auch nicht eine so genussreiche Lee-
türe bildet wie diejenige von Kaibel-Kiessling, so kann man keineswegs
sagen, dass sie zum Lesen etwa wenig geniessbar sei: sie ist trocken,
aber eben dadurch giebt sie den Stil des nüchternen Verfassers getreuer
wieder. Eigentliche Fehler wird man in der vorzüglichen Uebersetzung
I. Ausgaben und üebersetzungen. 13
Dicht finden, wohl aber eine bedeutende Anzahl falscher Lesarten, da
sie, leider, nur nach der ersten Ausgabe Kenyon's veranstaltet ist — zu
wünschen wäre, dass sie eine zweite Auflage erführe. Eine dankens-
werthe Beigabe sind die zahlreichen knappen Anmerkungen , welche
ausser den schon erwähnten kritischen Notizen kurze sachliche Erläute-
rungen (über geschichtliche Persönlichkeiten und Ereignisse , über die
muthmasslichen chronologischen Daten, über Rechtsausdrücke u. s. w.)
enthalten. In der Einleitung spricht der Uebersetzer kurz über Schrift
und Verfasser derselben.
13. Der Athenerstaat. Eine aristotelische Schrift. Uebersetzt von
Dr. Martin Erdmann. Leipzig, A. Neuraann's Verlag. 1892. 118 S.
Rec: Litt. C.-Bl. 1892, No. 31 (Ä. H.).
Diese neueste Uebersetzung der Schrift ist auf besserer Textredac-
tion gegründet, als ihre Vorgänger, da bei ihrer Abfassung die schon
erschienenen Ausgaben von Kaibel-Wilaraowitz und Herwerden-Leeuwen
benutzt werden konnten, und dieses bildet einen Vorzug derselben. Sonst
kann sie sich nicht nur an Eleganz mit der Uebersetzung von Kaibel-
Kiessling, sondern auch an Glätte mit derjenigen von Poland keineswegs
messen — zwar soll dieser Uebelstand durch den Vorzug grösserer Treue
aufgewogen werden, aber auch diese ist nicht über jeden Zweifel erhaben:
z. B. die durchaus nicht bedeutungslosen Worte r,ptaßo~dxr^v eaupüjv
yaTav 'laovüig sind wiedergegeben durch »Seh' ich versunken in Not
Attika's herrliche Flur« (K.-K.: Schau' ich, edelster Zweig ionischen
Stammes, auf dich«; F.: Schau ich das edelste Volk loniens in seiner
Not«). Auch an einzelnen Irrthümern fehlt es nicht. So z. B. in Kap. 30:
»Zu diesen (d. h. den Ueberdreissigjährigen) gehörten die Feldherren,
die neun Archonten Helleuotamiai und Verwalter für die anderen
heiligen Gelder, zwanzig an Zahl Alle diese Beamten werden
auf Vorschlag gewählt« -- richtig ist die Stelle übertragen bei K.-K.:
Aus dem Rathe zu wählen sind (dem Texte näher bei F.: »Zu ihnen
— den vierhundert Rathsmännern — sollen gehören«) die Feldherren,
die neun Archonten die Schatzmeister der Bundeskasse und die
zwanzig, welche in Zukunft die übrigen Staatskassen zu verwalten
haben Alle diese Beamten sind aus einer grösseren zu diesem
Zwecke aus der Mitte der Rathsherren praesentierten Anzahl zu
wählen.« Das Wort oaca ist ebenso missverstanden worden in Kap. 43,
wo Tpi'a 8' baciuv mit »drei religiöse Dinge« übersetzt ist, obgleich
»drei sacrale Angelegenheiten« unmittelbar schon vorhergehen. Ungenau
und irreführend ist auch z. B. die Uebersetzung von dpcaztvdrjv xal
■nXoo-tvSrjV durch »nach Rang und Reichtum« — als ob je adliger oder
reicher ein Mann war, er desto mehr gesetzliche Rechte auf ein Amt
besass gegenüber seinen minder bevorzugten Mitbewerbern; besonders
seltsam erscheint diese Wiedergabe in dem Anfangssatze: »die nach
14 Aristoteles, ^A&Tjvaiiov r.olneia.
Raag und Herkunft unter feierlichen Opfern schwören mussten« — also
schwur zuerst der alleradeligste, dann der zweitadeligste u. s. w.V Auch
die Uebertragung (Kap. 2): »sie hiessen .... Hektemoroi: für diesen
Lohn (welchen?) nämlich bearbeiteten sie die Aecker der Reichen«, kann
nicht als sehr gelungen bezeichnet werden, da sie dem Leser erst durch
eine Anmerkung verständlich wird. Uebrigens sind solche Missgriffe
ziemlich selten und kann die Uebersetzung wohl im ganzen als tüchtige
Leistung anerkannt werden. Auch die beigefügten Anmerkungen sind
ganz nützlich, obgleich nicht gleichmässig gehalten: manche sind so ele-
mentarer Art, dass sie bei dem Leser fast gar keine Kenntnisse aus der
attischen Geschichte voraussetzen, in anderen wird an den Nachrichten
des Aristoteles Kritik geübt mit Verweisung auf Herodot, Thukydides,
die Redner, auch Parallelstellen aus der Politik angeführt; textkritisclie
Bemerkungen sind äusserst selten und meist nicht sonderlich gelungen.
In der Einleitung orientiert der Uebersetzer über Manuscript und Schrift
selbst, die er nicht sehr hoch schätzt, woraus er schiiesst, »dass Aristo-
teles nicht im strengen Sinne der Verfasser ist«. Als Beilagen erschei-
nen: Archontenliste (der in der Schrift erwähnten), Liste der Beamten,
Liste der Rechtshändel (beide Zusammenstellungen recht dankenswerth),
Liste der litterarischen Erscheinungen, welche die aristotelische /iÖ. r.oL
betreffen (vor und nach Auffindung des Papyrus).
14. Des Aristoteles wiedergefundene Schrift von der Staatsver-
fassung der Athener, zum erstenmal übersetzt von Prof. H. Hageu in
der schweizerischen Rundschau. 1891, No. 4, S- 43- 68; 5, S. 185 —
210; 6, S. 323-358.
Rec: Zeitschr. f. Gymn.-Wcs. XLYI, 3 (P.Meyer). Rev. crit.
1892, No. 10 (Haussoullier).
Diese der Zeit nach erste deutsche Uebersetzung wird zuletzt er-
wähnt, weil sie dem Ref. unzugänglich war. Unter den Ausstellungen,
welche die Kritik an ihr gemacht hat, steht obenan der Vorwurf, dass
sie sich von »Schweizerdeutscha nicht frei gehalten hat. Gegenüber den
vorhergenannten kommt sie wenig in Betracht, da sie, ohne Zweifel, nach
der ersten unvollkommenen Ausgabe der Schrift gemacht ist und deren
sämmtliche Irrthümer übernommen hat: sie wird schon ihren Nutzen als
erste gebracht haben — jetzt muss man eine der drei später erschie
nenen zur Hand nehmen.
Von französischen Uebersetzungen sind zwei erschienen, beide
aus der Feder bedeutender Gelehrter:
15. Aristote, La republique athenienne, traduite en fraoQais pour la
prcmi^re fois par Theodore Reinach. Paris, Ilachette. XXXI, 124 p. IC.
Reo.: Academy, No. 1017. Athenaeum, No. 3332. Rev. crit.
No. 52 (Uauvette-Besnault). Class. Rev. VI, No. 1-2 (H. Richards).
I. Ausgaben und Uebersetzungen. 15
16. Aristote, Constitution d'Athönes, traduite par Bernard Haus-
soul 11 er (89 fasc. de la Bibl. de l'ficole des Hautes fitudes). Paris,
Bouillon. XX, 120 p. 8.
Beide Uebersetzungen verdienen jegliche Anerkennung und es ist
schwierig der einen vor der anderen einen Vorzug einzuräumen: diejenige
von Reinach ist gewissermassen eleganter, wie sie auch die Verse Solons
und anderer metrisch wiedergiebt, worauf Haussoullier verzichtet, diese
hält sich näher an das Original und ist au einigen Stellen tiefer durch-
dacht. Sie ist auch die einzige (dem Ref. bekannte), welche die Frag-
mente ebenfalls enthält, zu deren Ergänzung der Verf. bekanntermassen
viel beigetragen hat: Reinach giebt nur ein Resume von deren Inhalt
(die deutschen Uebersetzer haben sie garuicht berücksichtigt). Was die
Kritik des Textes betrifft, so geht letzterer sehr weit in der Ausmerzung
von Interpolationen (Kap. 4, 8, 25) und Glossemen, auch in der Um-
stellung einiger Sätze, sein College hält sich genau an den gangbaren
Text, indem er sich etwaige Aenderungen für seine versprochene Aus-
gabe vorbehält, der man nur mit Spannung entgegensehen kann — sie
soll nicht nur kritische, sondern auch exegetische Anmerkungen enthalten.
Von letzteren bietet auch seine Uebersetzung eine höchst werthvolle
Auswahl, obgleich sie von einem einseitigen Standpunkt gemacht ist,
gerade aber von einem, der von den übrigen Erklärern vernachlässigt
worden ist. Nämlich ausser Verweisungen von einem Theil der Schrift
auf andere, enthalten diese Anmerkungen ausschliesslich Parallelstellen
aus der Politik, und zwar im weitesten Sinne: alle Stellen derselben,
wo ähnliche Gedanken geäussert werden oder auf attische Institutionen
ausdrücklich verwiesen oder deutlich angespielt wird, findet man an
passendem Orte angeführt — eine sehr erbauliche Leetüre für diejenigen,
welche an dem aristotelischen Ursprung der Schrift zweifeln, da man
sich geradezu erstaunt fühlt, wie vielfach sich dieselbe in Einzeläusse-
rungen und allgemeinen Ansichten mit der Politik deckt. Die Ueber-
setzung von Reinach dagegen enthält keine Anmerkungen (die Notizen
textkritischer Art abgerechnet), ausser chronologischen Daten, die bei
Haussoullier am Rand vermerkt sind; dafür bietet sie eine zwar kurze,
aber hübsch geschriebene Einleitung, die alles nöthige über das Manu-
script und die Schrift, ihren Plan, ihre Quellen und allgemeinen Cha-
rakter enthält, während Haussoullier nur über die Methode seiner Arbeit
und seine Hülfsmittel kurz berichtet: er hat nämlich im Verein mit drei
seiner Schüler (Bourguet, Brunhes, Eisenmann) gearbeitet. Im ganzen
kann man wohl sagen, dass die handliche Uebersetzung von Reinach
mehr für das gebildete Publicum passt, die Arbeit Haussoullier's mehr
für den engeren Kreis der Gelehrten, erstere wohl nur in Frankreich
Verbreitung finden wird, letztere auch für den Ausländer von Werth und
Interesse ist.
IC Aristoteles, ^A^Tjvaiuiv noAireia.
England, dem die Ehre der ersten Veröffentlichung gebort, hat
auch drei Uebersetzungen geliefert:
17. Aristotle on the Athenian Constitution. Translated with intro-
duction and notes by F. G. Kenyon. Bell and Sons. 164 p. 12.
Rec: Academy, No. 1006 (Richards). Athenaeum, No. 3332.
Class. Rev. V, 10 (H. Richards). Rev. crit. 1892, No. 10 (Haus-
souUier).
18. Aristotle on the Constitution of Athens. Translated by E.
Poste. Macmillan. X, 108 p. 8.
Rec: Academy, No. 1006 (Richards). Athenaeum, No. 3332.
Class. Rev. V, No. 10 (H. Richards). Rev. crit. 1892, No. 10 (Ilaus-
soullier).
19. Aristotle's Constitution of Athens. Translated by Thom. J.
Dymes. Sceley. 160 p. 8.
Rec: Athenaeum, No. 3332. Rev. crit. 1892, No. 10 (Haussoullier).
Ueber die zwei erstgenannten Uebersetzungen wird es wohl am
besten sein, das zusammenfassende Urtheil des englischen Recensenten,
II. Richards, anzuführen. »Beim Vergleich der zwei Bücher kann man
wohl kurz sagen, dass Kenyon sich näher an die Worte des griechischen
Textes hält und vielleicht einen besseren Begriff vom Stile des Originals
vermittelt, während Poste sich weiter von demselben entfernt und da-
durch weniger oft gewinnt, als verliert; dass Poste viel freier die (vor-
geschlagenen) Emendationen benutzt, während Kenyon uns dagegen mit
Autorität die letzten Lesungen des Manuscripts mittheilen kann ; dass
Kenyon die Lesarten, die er überträgt, ausdrücklich anführt, während
Poste dies nicht thut; endlich dass Kenyon in einer scliön geschriebenen
Einleitung und zahlreichen Anmerkungen bei weitem mehr zur Erklärung
beiträgt, als es die wenigen Notizen Postens thun können und die Erläu-
terungen, die er ohne weiteres in den Text selbst hineininterpolierto,
wie z. B. im 43. Kap. zu xr/r« cre^vrjV yap äyouat zov ivcaurov g.mze
acht Zeilen astronomischen Inhaltes hinzugesetzt sind. — Was die dritte
Uebersetzung, die von Dymes betrifft (welche Ref. nicht gesehen hat),
so soll sie sich viel sclavischer gegenüber dem Text verhalten und zwar
ist zu Grunde gelegt der Text der editio princeps mit allen seinen Män-
geln, zu denen der Uebersetzer noch manche grobe Missverständnisse
seinerseits hinzugebracht hat — ein Beispiel (der Recension von Haus-
soullier entnommen) wird genügen: ey/st xdl Ktjüujvc ist übersetzt »by
Rpear (£}';^off!) and Kedon«!
Italienische Uebersetzungen sind zwei erschienen:
I. Ausgaben und Uebersetzungen. 17
20. Aristotele. La costituzione degli ateniesi. Testo greco. Ver-
sioiie italiana, introduzione e note per cura di C. Ferrini. Milano
(Hoepli). XXXVI, 140 p.
Rec: Class. Rev. V, No. 10 (Richards). Berl. phil. Wochenschr.
1892, No. 20 (Keil). Rev. crit. 1892, No. 10 (HanssouUier).
Der griechische Text ist schon oben besprochen worden (vgl. No. 3)
und wie derselbe als durch neuere Ausgaben überholt bezeichnet werden
musste, so steht auch die üebersetzung, natürlich, nicht mehr auf der
Höhe der jetzigen Anforderungen. Ihrem eigenen Text entspricht sie
ziemlich genau, obgleich es niclit an einzelnen Irrthüraern und Schnitzern
fehlt; über den litterarischen Werth derselben kann der Ref. nicht ur-
theilen, aber auffallen muss es, dass gar manche Sätze in den Anmer-
kungen paraphrasiert werden, also dem üebersetzer selbst nicht voll-
kommen verständlich erschienen sind — das müsste doch vermieden sein.
Auch im übrigen sind diese kurzen Noten von sehr elementarem Inhalt
und setzen beim Leser so wenig voraus, dass es zweifelhaft bleibt, ob
ihm der griechische Text viel Nutzen bringen kann. Ueber die Einlei-
tung vgl. oben.
21. Aristotele. La costituzione di Atene, tradotta da C. 0. Zu-
retti. Torino (Loescher). XXVII, 61 p.
Rec: Rev. crit. 1892, No. 10 (Haussoullier).
Die Üebersetzung war dem Ref. unzugänglich, was er nach der
Recension von Haussoullier zu urtheilen keinen Grund hat zu bedauern,
da dieselbe bei weitem niedriger stehen soll, als diejenige Ferrini's: sie
giebt den Text der ersten Ausgabe Kenyon's mit allen seinen Fehlern
wieder ohne jegliche Kritik und ist selbst bei weitem nicht frei von ziem-
lich anstössigen Missverständnissen.
Zuletzt ist zu nennen eine russische Üebersetzung:
22. Die »athenische Staatsverfassung« des Aristoteles (AenHCuoe
rocvAapcTBeHHoe ycTpoücxBO ApHCTOTeüH) übersetzt von N. I. Schu-
bin im Journal des Minist, der Volksauf klärung f. 1891, Mai-Juni-Juli-
August.
Die Üebersetzung ist gemacht nach der zweiten Ausgabe Kenyon's
mit Benutzung der inzwischen in verschiedenen Zeitschriften erschienenen
Verbesserungsvorschläge. Sie verdient das Lob grosser Treue — ausser
Kleinigkeiten kann man ihr keine Fehler nachweisen und auch bei diesen
bleibt es dem Ref. zweifelhaft, ob nicht eine andere Lesart den Grund
der Abweichung in den einzelnen Fällen bildet, da zwar die griechischen
technischen Ausdrücke angegeben sind, nicht aber die zu Grunde gelegten
Lesarten. Der Stil dagegen der üebersetzung kann wohl kaum als
lobenswerth anerkannt werden: er ist schwer, zuweilen unbeholfen, die
feineren Nuancen des Originals (besonders die Partikeln!) sind häufig
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXV. Bd. (1893.1.) 2
13 Aristoteles, ^A&r^yaiwv noXnsia.
unberücksichtigt geblieben, andererseits aber entgegen dem (russischen)
Spracligebrauche die Treue dem griechischen Text gegenüber zu weit
getrieben, wie z. B. in der Incinanderschachtelung der verschiedenen
Sätze (vgl. z. B. das Satzungethüm in Kap. 15); endlich ist eine lang-
weilige Monotonie über das Ganze ausgebreitet in Folge beständiger
Wiederholungen derselben Worte und Ausdrücke, z. B. in Kap. 1 1 (wört-
lich mit Bewahrung der Wortfolge): »denn er halte nicht für seine Pflicht
in Athen zu leben , sondern er halte für die Pflicht eines jeden« . . .
Im ganzen muss die Uebersetzung als treu bezeichnet werden, aber von
einer — ich finde keinen anderen Ausdruck — schülerhaften Treue, die
sich an das Wort klammert, möge auch darüber der Geist verloren gehen.
Sein Griechisch hat der Verf. augenscheinlich tüchtig gelernt, aber das
genügt noch nicht, um einen Aristoteles zu übertragen. Irgend welche
Einleitung oder Anmerkungen, wie man sie in einer wissenschaftlichen
Zeitschrift erwarten würde, fehlen vollständig.
In der Bibl. phil. class. XVIII, S. 213 ist noch eine russische
Uebersetzung von Belajew verzeichnet: dies beruht aber auf einem Irr-
thum — es ist nur eine Abhandlung.
II. Allgemeine Besprechungen.
Unter diesem Titel sind diejenigen Aufsätze zusammengestellt,
weiche (in grosser Zahl erschienen) entweder nur eine Inhaltübersicht
des neuen Werkes geben oder in allgemeinen Zügen den litterarischen
und historischen Werth desselben beurtheilen. Hierher wären theilweise
wenigstens hinzu zuziehen einerseits die Besprechungen der ersten Aus-
gabe in verschiedenen Zeitschriften (z. B. die von H. Diels, B. Keil,
B. Haussoullier u. a.), andererseits die Einleitungen der meisten Ausgaben
(besonders der von Kenyon) und Uebersetzungen (z. B. der von Reinach)
- sie sind aber bereits alle an geeigneter Stelle angeführt worden. Die
Hauptmasse der übrigen hierher gehörigen Schriften bilden die mehr
oder minder populär gehaltenen Aufsätze, wie sie fast jede der bedeuten-
deren Zeitungen und Journale gebracht hat, wie auch die in verschiedenen
gelehrten Gesellschaften gehaltenen Vorträge. Manche derselben tragen
den Namen allbekannter Gelehrter: nichts destoweniger hat Ref. geglaubt
sich grüsstentheils auf eine Aufzählung beschränken zu müssen, da abge-
sehen von einzelnen beherzigcnswcrthcn Gedanken (die an passendem
Orte registriert sind), der streng-wissenschaftliche Ertrag dieser Arbeiten
äusserst beschränkt ist und in keinem Verhältniss steht zu dem Räume,
welchen eine Besprechung derselben beanspruchen würde.
23. A. Bauer, Aristoteles über die Verfassung Athens, in den
Preuss. Jahrbb. Bd. 68, H. l.
24. A. Bauer in den Münchener Neuesten Nachrichten, No. 97.
II. Allgemeine Besprechungen. 19
25. Betge, Die neugefundene Schrift des Aristoteles über das
Staatsweseu der Athener, in Gegenwart, No. 24.
26. A. Brieger, Die V^erfassungsgeschichte von Athen nach Aristo-
teles' neu aufgefundener Schrift, in Unsere Zeit, No. 7, S. 18 — 35.
27. H. D iels, Zwei Funde, in dem Archiv f. Gesch. d. Philosophie,
IV, S. 478.
28. H. Di eis sprach über die neugefundene Schrift des Aristoteles
in der Februar- Sitzung der Arch. Gesellschaft: vgl. Jahrbuch des arch.
Inst. VI, Arch. Anz. S. 39.
29. H. Droysen, Vorläufige Bemerkungen zu Aristoteles"/4d;yva/a;v
TiohTsca. Progr. d. Königstädt. Gymn. zu Berlin. Ost. 1891. 23 S.
Der Verf. wird von einigen Kritikern (z. B. Herwerden-Leeuwen)
unter den Gegnern des aristotelischen Ursprungs der Schrift genannt: in
dieser Abhandlung ist er ein entschiedener Anhänger der »Echtheit«,
und wo er sich in dem entgegengesetzten Sinne hat äussern können, ist
dem Ref. trotz aller Bemühungen unerfindlich geblieben — wenn es nicht
auf irgend welchem Missverständnisse beruht.
30. Fränkel, Die Schrift des Aristoteles über den athenischen
Staat, in der Zeitschr. f. Gesch.-Wiss. V, 1.
31. Th. Gomperz, Aristoteles und seine neuentdeckte Schrift
von der Staatsverfassung der Athener, in der Deutschen Rundschau,
XVII, 8 (Mai), S. 219-36.
Verf. betont besonders den regelmässigen Verlauf der allmäligen
Entwickelung der athenischen Demokratie von Drakon bis Kleisthenes
und bis zu den Parteifülirern des V. Jahrh.
32. J. Grunzel, Aristoteles und die 'A&rj\iac(üv TMhreia. Leipzig,
Friedrich.
33. G. Kai bei, Aristoteles' Schrift vom Staat der Athener, in Nord
und Sud, April.
34 u. 35. Ad. Kirch hoff und H. Di eis sprachen über die neu-
gefundene Schrift in der Sitz, der Königl. preuss. Akad. der Wiss. vom
5. Februar 1891.
36. J. Knoke, Die athenische Staatsverfassung nach der wieder-
aufgefundenen Schrift des Aristoteles, in den Grenzboten, No. 43-44.
37. Kurze, Die wiedergefundene Schrift des Aristoteles über den
Staat der Athener, in Westermann's Monatsheften, November, S.281 — 84.
38. J. Mahl y, Eine wiedergefundene Schrift des Altertums. Vom
Fels zum Meer, H. 11.
2*
20 Aristoteles, /l»?jjva('a»v nokiTeia.
39. R. Seh 0 eil, Aristoteles' Staat der Athener, iu München. Allg.
Zeitg., Beil. 107, S. 1—4 und 108, S. 3—7.
Verf. steht entschieden für den echt-aristotelischen Ursprung der
Schrift ein, obgleich er manche Irrthümer iu unrichtiger Beleuchtung der
Thatsachen und falscher Chronologie (so die Episode des Themistokles)
anerkennt.
40. J. Schvarcz, Aristoteles-Papyrus d. Britischen Museums, in
der Ungarisch. Rev. XI, 4.
Ausserdem sind noch Aufsätze »über die neugefundene Schrift des
Aristoteles« erschienen (nach P. Meyer's Zusammenstellung) in folgenden
Zeitschriften : Grenzboten, No. 14; Kölnische Zeitung, No. 194 ; die Nation,
No. 22/23; endlich ist zu erwähnen die Notiz über die 'Ai^r^vaiwv rMhrsta
in der Berl. phil. Wochenschr. 1891, No. 7.
Dagegen ist die Abhandlung von Emil Müller, Wer ist der Ver-
fasser der älteren Schrift von der athenischen Verfassung? Zittau. 1891
(17 S.), fälschlich in der Bibl. phil. class. XIX, S. 35 hierher gerechnet
worden, denn sie hat Ps.-Xenophon's nicht Aristoteles' 'Abr^vaciuv Tiohztia
zum Gegenstande.
41. R. Dareste. Aristote A^i^Malu)v T.oh-tla (Extrait). Paris.
Imp. nat. 17 p.
Hier wird der zweite Theil der Schrift und besonders die Gerichts-
verfassung ohne tiefer eindringende Forschung in allgemeinen Zügen
skizziert.
42. B. Haussoulli er sprach über die neugefundene Schrift (be-
sonders deren historischen Theil und dessen wichtigste Nachrichten, wie
Drakon's Verfassung und Themistokles' Antheil am Sturz des Areopag)
in den Sitzungen der Academie des Tnscr. et des Belles-Lettres vom 13.
und 20. Februar.
43. Derselbe, Aristote, Constitution d'Alhönes in der Rev. de
phil. XXXII, 2, p. 98—101.
44. Barthelemy St. Hilaire, Sur la Constitution d'Athönes in
der Rev. bleue vom 21. März.
45. C.Michel, Un nouveau Traite d'Aristote. Sep.-Abd. aus der
Rev. de l'iustr. publ. en Belgique XXXIV, No. 2 et 4.
46. Vanderkindere, Le manuscrit d'Aristote röcemment d^cou-
vert, in der Rev. Beige. Mars.
47. • Le nouveau livre d'Aristote, in Le Temps. 6, III.
n. Allgemeine Besprechungen 21
48. V. Lecuwen sprach über die neugcfundenc Schrift in der
Maisitzuug d. König). Niederländ. Akad. der Wiss. Abth. Litter. u. Gesch.
49, 50. In England sind Abhandlungen über die 'A&rjvac'ojv noXtreta
erschienen, abgesehen von der ersten Notiz in der Times vom 19. Jan.
1891, in der Quarterly Review und der Edinburgh Review (zahlreiche
andere sind dem Ref. wahrscheinlich unbekannt geblieben) für April: in
beiden wird der aristotelische Ursprung bezweifelt, wobei letztere mehr
auf historische Schwierigkeiten Gewicht legt, in ersterer aus sprachlichen
Rücksichten die Entstehungszeit bis zum ersten vorchristlichen Jahrhun-
dert hinuntergeschoben wird.
51. J. H. Wright in der Nation Vol. LH, p. 382—84 (New-York).
Er meint im Philochoros Spuren der Benutzung des aristotelischen
Traktates entdeckt zu haben.
52. D. Comparetti, II libro d'Aristotelc »la costituzionc di Ateno«
in der Nuova Autologia XXVI, fasc. XIII, p. 5—23.
53. S. Cavazza, Aristotele e la costiluzioue di Atene. Discorso
letto il 10 Novembre 1891 nel R. Istituto di studi superiori in Fireuze
(Estratto dall' Annuario). 30 p.
Verf. ist geneigt eine spätere Ausarbeitung der Schrift in vorlie-
gender Gestalt anzunehmen, ohne zu ganz festen Ueberzeugungen zu ge-
langen und mehr die negative Seite betonend (vgl. unten).
54. C. Ferrini, Intorno alla costituzioue degli Ateniesi di Aristotele,
in den Reudiconti del Istituto Lombardo, ser. II, vol. XXXIV, p. 8 — 9«
55. D. Belajew, 'Af^r^vakov rMhxzia^ das Werk des Aristoteles
über die Staatsverfassung von Athen (Russisch), in den Gelehrten
Schriften d. Kasan. Univ. LVIll, 2, März-April, S. 275—87.
56. W. Buseskul, Aristoteles' Abhandlung über die Verfassung
der Athener (Russisch), in der (russischen) Histor. Rundschau, II,
S. 221—239.
57. A. Derewizki, Ueber die \4&rj\>acwv nokmia (Russ.). Char-
kow. 1891.
58. E. v. Stern, Die neuentdeckte »athenische Staatsverfassung«
des Aristoteles (Russ.), Vortrag, gelesen in der Odessaer Histor. -phil.
Gesellsch. am 5. November 1891 (Sep.-Abdr. aus d. II. Bd. der Annalen
der Hist.-phil. Ges.). 42 S.
Das erste Kapitel enthält eine raisonnierte Inhaltsangabe der neuen
Schrift mit Li.tteraturübersicht, das zweite eine Kritik der Ansichten von
22 Aristoteles, ^Ai^rjvaiwv nuktTsia.
Cauer, Rühl. Scbvarcz, auf die Ref. noch zurückkomraeu wird. Ohne
Zweifel die tüchtigste grössere Arbeit, die bis jetzt über diesen Gegcu-
stand in Russland erschienen ist.
III. Höhere Kritik.
1. Ist Aristoteles der Verfasser der neuen Schrift?
Dem ersten Herausgeber, Kenyon, gebührt die Ehre, für die be-
kanntlich namenlos überlieferte Schrift den Verfasser festgestellt zu haben,
indem er von den 91 Fragmeuten, die der ]7//)jva/cyv TioXfrzia des Aristo-
teles nach ausdrücklichem -Zeugniss oder Muthmassung zugeschrieben
wurden, nicht weniger als 78 in dem neuen Texte identificierte, während
von den übrigen 13 fünf zu dem verlorenen Anfang bezw. Schluss ge-
hörten , sechs aus einer anderen Schrift stammen müssen und nur zwei
bedeutendere Abweichungen von den betretfeuden Stellen des Textes
bieten. Der Schluss, zu dem Kenyon gelangte, wird unterstützt durch
die Uebereinstimmung mit den Berliner Papyrus-Fragmenten, welche
bereits früher von ßergk als zu dieser Schrift des Aristoteles gehörig
nachgewiesen wurden. Die Identificierung der neugefundenen
Schrift mit der unter Aristoteles' Namen iraAlterthum über-
lieferten 'A&rjvatcuv no^czac'a ist unanfechtbar: dies steht so fest,
als ob des Aristoteles Name in der Handschrift übergeschrieben stände.
Aber wie schon vor Auffindung der Handschrift Val. Rose (Aristoteles
pseudepigraphus. 1863) die Richtigkeit der antiken üeberlieferung ge-
leugnet hatte, so wendeten sich nach der Vcröifentlichung der Editio
princeps mehrere Gelehrte mit scharfem Angritf gegen die »Echtheit«
des Traktats, da die Meinung des Alterthums vom »aristotelischen« Ur-
sprung desselben für uns nicht verbindlich sei, und schon hat sich über
die P>age eine ziemlich ansehnliche Litteratur gebildet (vgl. zum folgen-
den eine Receusion des Ref. über die meisten weiter berührten Abhand-
lungen: Berl. phil. Wochenschr. 1892, No. 41 — 42).
Der Zweifel gegen den echtaristotelischen Ursprung der Schrift
geht — es giebt keinen Propheten in seinem Vaterland — von P^ngland
aus. Zuerst hat F. T. RichardsM in seiner Besprechung der Kenyon-
schen Ausgabe solchen Zweifel geäussert, indem er behauptete, es sei
nicht zu erweisen, ob sie wirklich von Aristoteles stamme. Hier zeigt
sich schon das Trpwzou (pzuoog der ganzen Richtung — die Forderung
des Beweises für den aristotelischen Ursprung. Die Sache liegt näm-
lich so: wir besitzen unzweifelhaft das Werk, welches das gesammte
Alterthum als aristotelisch betrachtete von Timaios an — wer dies Icug-
') 59. F. T. Richards, Aristotle on the coustitution of Athens, in
Academy No. 980, p. 165—67. vgl. CO. Derselbe, The new ''A}^vaiwv r.oXt-
T£ta. Ibid. No. 1058, p. 133.
III. Höhere Kritik. 23
nen will, der niuss selbst deu Beweis erbringen, nicht von denjenigen
fordern, welche den antiken Gewährsmännern folgen, andernfalls läuft er
Gefahr, dass man ihm selbst die Aufgabe stellt »aus inneren Gründen«
z. B. den »echt-herodotischen« Ursprung des berühmten Geschichtswerkes
zu erweisen, was vielleicht doch etwas schwierig sein könnte. Der hier
aufgestellten Forderung Genüge zu leisten haben einige bekannte eng-
lische Gelehrte versucht, indem sie die neugefundene Schrift vom Stand-
punkt der Sprache und des Stiles mit dem übrigen Nachlass des Aristo-
teles verglichen, wobei sie eingestandenermassen hauptsächlich deu Index
der Berliner Ausgabe zu Grunde legten: auf diese Weise entstanden die
ziemlich langen Verzeichnisse der »Uuaristotelischen Worte und Wen-
dungen in der 'A^rjvatujv TzohTsia«, welche vcröflfeiitlicht worden sind von
J. B. Mayori), H. Richards2), A. Platt^), E. J. Chinnock"). Es
wäre unbillig, diese Zusammenstellungen im allgemeinen nach den Bei-
trägen des letztgenannten zu beurtheilen, der als »unaristotelisch« solche
termini technici brandmarkt, wie <pukoßa<TcXec;, dia(l)rj^icr/x6^, <fo\oxptvt1v
(in einer von Aristoteles citierten sprichwörtlichen Redensart!), emcrra-
TcxrjV (Sixrjv)^ zä (pzudo/xapru/jca, atrixhv {epTtuptov) ^ 8c8pa^/iov , dt-^oog
u. s. vv. Aber ganz frei halten auch die übrigen sich von solchen Miss-
grifl'en nicht, wie wenn Mayor xare^dn^ov und ^eup'mov hierher rechnet
und hinzufügt, dass ersteres nur noch bei Plutarch (Vit. Sol.)., das
zweite bei PoUux (VIII, 10, 130) vorkomme, ohne zu bemerken, dass
beide eben aus den betreÖ'enden Stellen des Aristoteles schöpften und
letzterer einen Gesetzestext ausschrieb , oder wie wenn derselbe pavtdoj
als nur bei losephus vorkommend citiert, während dieses Wort in der
Gesetzesformel bei Dem. c. Steph. II, § 14, p. 1133 sich findet und gerade
dieselbe nur in verkürzter Form von Aristoteles angeführt wird. Als
Flüchtigkeit muss auch bezeichnet werden, wenn derselbe Gelehrte das
Wort npoöavBtZui in drei Zeilen zweimal als unaristotelisch bezeichnet
und zwar das eine mal als nur bei Dio Cassius und Plutarch, das andere
— als nur bei ersterem und Lukian vorkommend: wir treffen es auf
attischen Inschriften des vierten Jahrb., welche doch auch ein Recht
haben berücksichtigt zu werden. Seltsam muthet es auch au, wenn unter
deu »neuen« Worten (die also gegen den aristotelischen Ursprung zeugen
sollen) augeführt wird 8ia<f:padrjv — aus einem Verse Solon's! Viel
durchdachter und sorgfältiger gesammelt sind die Zusammenstellungen
i) 61. J. B. Mayor, Un-aristotelian words and phrases coutained in thc
'^.^. noL in der Class. Rev. V, 3, p. 122-23.
2) 62. IL Richards, Un-aristotelian words and phrases in d. Class. Rev,
V, 4, p. 184-85 et 6, p. 272—73.
3) 63. A. Platt in d. Class. Rev. V, 4, p. 185.
*) 64. E. J. Chinnock, Un-aristotelian words in d. Class. Rev. V, 5,
p. 229—30.
24 Aristoteles, '/IrS'jyvatwv noln^ta.
Richards', welche als Bemerkungen über den Sprachgebrauch der neuen
Schrift ihren bleibenden Werth besitzen, obgleich es auch hier nicht an
Missgriffen und Flüchtigkeiten fehlt: vgl. z. B. was in beiden Aufsätzen
über u)Q i'nog elr.elv gesagt ist oder die haarspaltende Bemerkung über
dixiftüßr^rr^at^ zr^g xpcaaiog. Am vorsichtigsten äussert sich über diese
Frage gerade einer der besten Kenner des Aristoteles in England W. L.
Newman'), der zwar Zweifel äussert an dem aristotelischen Ursprung
der Schrift, ja sogar den Gedanken an moderne Fälschung nicht ganz
abweist, aber doch gerecht genug ist neben einigen Besonderheiten der-
selben auch viele echt-aristotelische Anklänge anzuführen : im ganzen
hält er die Abweichungen im Stile nicht für beweisend genug, wenn keine
historischen Indicien für die Unechtheit hinzukommen, obgleich auch er
von der falschen Voraussetzung ausgeht, als ob der aristotelische Ur-
sprung erst nachgewiesen werden müsse und das Zeugniss des Alter-
thums gar keinen Werth besitze. 2) Freilich ist auch letzteres von
H. Richards 3) angegriffen worden, indem er wenigstens die Autorität
des ältesten Gewährsmannes, des Timaios in Zweifel zu ziehen versucht:
überliefert sei von Polybios nur, dass Aristoteles über den Lokrischen
Staat geschrieben habe und seine Darstellung von Timaios kritisiert
worden sei, aber dass diese einen Theil der rMkiTelat ausgemacht habe,
sei gar nicht bezeugt — wer dies Argument gehörig erwägt, wird finden,
dass es doch die reine Wortklauberei ist.
Diese Art der Kritik hat eine scharfe, aber völlig gerechtfertigte
Abweisung erfahren von Seiten Th. Gompcrz*). Er betont mit Nach-
druck den Werth des Zeugnisses des gesammten Alterthums, welches
man nicht als null und nichtig behandeln dürfe: darum fiele das onus
probandi denjenigen zu, welche die Echtheit leugnen, nicht denen, welche
sie behaupten. Die Methode aber der englischen Kritiker sei grund-
falsch: das ganz unzulängliche von ihnen statistisch zusammengetragene
Sprachmaterial könne durchaus keine beweiskräftige Ergebnisse liefern ;
besonders die in den Vordergrund geschobenen äna^ Ksyaiieva seien ganz
unbeweisend. da dieselben nach Ausweis des Index Aristotelicus auch in
anderen Schriften dieses Autors fast die Hälfte seines Sprachscliatzes
ausmachten; dabei käme für unsere Abhandlung noch in Betracht, dass
erstens einen grossen Theil dieser «tto^ hyo/isvwv technische Ausdrücke
1) In der Kec. von Kenyon's erster Ausgabe, iu der Class. Rev. V, 4,
p. 155-64.
2) Unbedeutend ist 65. L. Whibley, The authorship of the '.4»9)7v. nuA.
(Class. Rev. V, 5, p. 223).
S) 66. H. Richards, Note in d. Class. Rev. V, 3, p. 122.
*) 67. Th. Gomperz, Das neuentdeckte Werk des Aristoteles und die
Verdächtiger seiner ^Echtheit in d. Sitz.-Ber. der Wiener Akad. d. Wiss. vom
22. April.
III. Höhere Kritik. 25
aus dem Verfassungslcben Athens bilden, andererseits die Schrift für das
grosse Publikum bestimmt war und also Verschiedenheiten des Wort-
schatzes und des Stils zwischen derselben und den nur für den Schüler-
kreis bestimmten a-priori anzunehmen waren, wie denn das Streben nach
grösserer Mannigfaltigkeit des Ausdruckes zu einem Anwachsen der Zahl
der einmal oder selten gebrauchten Worte nothwendigerweise führen
musste. Im einzelnen enthält die Untersuchung von Goraperz werthvolle
Bemerkungen zu einigen Ausdrücken und Wendungen der Schrift.
Das Gewicht der von ihm in's Feld geführten Argumente ist auch
mittelbar und unmittelbar von den englischen Kritikern anerkannt wor-
den. Mittelbar — denn seit dieser Zeit hören die Verzeichnisse der
»unaristotelischen Worte« in der Class. Rev. plötzlich auf; unmittelbar —
in der Erwiderung von H. Richards'), welcher bei scheinbarer Auf-
rechthaltung seiner Ansicht doch im Grunde sich nur einen ehrenvollen
Rückzug zu sichern sucht. Er behauptet, Prof. Gomperz »übertreibe
sowohl die Zuversicht, mit der die Abweichungen angegeben seien, als
auch die Neigung sie als genügenden Beweis verschiedener
Autorschalt anzusehen«; man müsse noch abwarten, was die histo-
rische Kritik zum Inhalt der Schrift sagen wird — vielleicht wird sie
nachweisen, dass nichts der Annahme widerspricht, dieselbe stamme von
Aristoteles und sei diejenige Abhandlung, welche auch Plutarch und
anderen bekannt war (?!). Aber der Stil scheine doch nicht-aristotelisch
zu sein, woraus aber noch nicht zu schliessen sei, dass Aristoteles nicht
der Verfasser gewesen (?). Müsse aber die Antithese zwischen Aristo-
teles und nicht-Aristoteles die einzig mögliche sein? (!) Man sieht, an
übermässiger Klarheit leidet diese Erwiderung nicht und den einzig
möglichen Schluss zieht sie nicht: über Echtheit oder Unechtheit der
Schrift kann man nicht entscheiden auf Grund nachlässig abgefasster
Wortverzeichnisse und zufällig bei der Leetüre geraachter Bemerkungen,
auch nicht auf Grund einer Abstimmung der Gelehrten (welche Richards
als höchst interessant empfiehlt), sondern nur nach sorgfältig geführten
Untersuchungen über den Sprachgebrauch und Stil der neuen Schrift im
Vergleich mit anderen, besonders der Politik, und mit gehöriger Berück-
sichtigung der attischen Urkundensprache, welche scheinbar einigen Ein-
fluss auf gewisse Partien des Werkes gehabt hat. An solchen Vorarbei-
ten fehlt es bis jetzt, leider, fast vollständig — eine rühmenswerthe Aus-
nahme wird weiter unten besprochen werden.
Von einem anderen Gesichtspunl^t aus haben drei deutsche Ge-
lehrte einen Angriff auf die Echtheit der Schrift versucht: J. Schvarcz,
1) 68. H, Richards, A repiy to Professor Gomperz, in d. Class. Rev. V,
7, p. 333-34.
26 Aristoteles, 'AOr^uaiwu KoXmia.
Fr. Cauer, Fr. Rübl. Was den ersteren') anbetrifft, so wird wohl
kaum jemand die Behauptungen dieses verbissenen Aristotelesbasser's
ernst nehmen. Er geht von dem Satze aus, dass es »garnicht unumstöss-
lich erwiesen sei, dass diese von Plutarchos, Pollux u. a. citierte Schrift
kein anderer habe verfassen können, als Aristoteles« und sucht
auch die Identität des neugefundenen Werkes mit dem von Plutarcb u. a.
benutzten zweifelhaft zu machen, indem er die Abweichung von vier
Fragmenten von unserem Text hervorhebt. Davon ist das eine (No. 463)
mit dem Schluss verloren gegangen, das andere (No. 384) — mit dem
Beginn des Werkes (vgl. Kap. 41), das dritte (No. 401) gehört überhaupt
nicht hierher und mit dem vierten (No. 385) ist dorn »staatsrechtlich ge-
schulten Kritiker« das jämmerliche Missverständniss passiert, dass er die
(in diesem Fragment erwähnten) 12 alten Trittyen mit den 30 Kleisthe-
nischen verwechselt hat und darauf sich wundert, dass der Text nicht
»klappt«. Daraufhin behauptet er kurzweg, Demetrios von Phaleron
habe mehr Anrecht als Verfasser zu gelten, denn Aristoteles, und zum
Beweis — zählt er die verschiedenen Schriften desselben auf und singt
das Lob dieses »echt culturstaatsmännischen (sie) Epistaten«, gesteht
aber zu, mehr lasse sich nicht nachweisen, als dass die Schrift von ihm
herrühren könne. Für Aristoteles jedenfalls sei sie zu gut: es folgt eine
genaue Inhaltsangabe, wobei es nicht ohne Missverständnisse und Miss-
deutungen des griechischen Textes abgeht.
Ungleich wissenschaftlicher geht Fr. Caucr2) vor, der auch zu
einem viel gcmässigteren Resultate gelangt. Sein Beweis des un-aristo-
telischen Ursprungs des Werkes baut sich aus drei Theilen auf. Erstens
nimmt er die Behauptung Val. Rosc's — obgleich nicht «ohne Zweifel —
wieder auf, die 'Aß. r.oX. könne der Zeit ihrer Entstehung nach nicht von
Aristoteles stammen, wie aus dem Namen des Staatsschiffes Ammonias
zu schliessen sei : dieser Einwand ist hinfällig, da es nicht nachgewiesen
ist, dass die Salaminia in Ammonias umgetauft und dass letzterer Name
zu Ehren Alexanders nach dessen Erhebung unter die Götter gegeben
sei — der Gott Ammon wurde wenigstens seit 333 durch Staatscult und
von den Strategen dargebrachte Opfer in Athen geehrt. Zweitens findet
Cauer bedeutenden Widerspruch zwischen unserer Schrift und der Politik
sowohl in Einzelangaben, als in der Gesammtanschauung. Was die
') 60. Jul. Schvarcz, Aristoteles und die 'Ad^Tjvaitov nokire.ia auf dem
Papyrus des British Museums, aus »Demokratie« II. Bd , I. Abth Leipzig
(Friedrich). 27 S. — Rcc: Woch. f. class. Phil. No. 20 (Schneider).
2) 70. Fr. Cauer, Hat Aristoteles die Schrift vom Staate der Athener
geschrieben? Stuttgart (Göschen). 78 S. — Reo.: D. Litt.-Zeitg. No. 24 (Diels).
Academy, No. 996. Athenaeum, No 3332. Wochenschr. f. class. Phil. No. 28
(Szanto). Litt. Centr.-Bl. No. 33 (iX). Götting. gelehrte Anz. No. 20 (Niese).
Zeitschr. f. österr. Gjmn. XLIJ, 11 (Thumser). Gymnas. No. 16 (P. Meyer).
III. Höhere Kritik. 27
ersteren aubetrifift, so giebt von zweien derselben, über die Gesetzgebung
Drakon's (A&. noX. Cap. 4 — Pol. II, 12, p. 1274b 15) und über den Be-
stellungsmodus der Arcbonten {'A&. ttoL Cap. 8 — Pol. II, 12, p. 1273 b
40, 1274a 16) Cauer selbst zu, dass sich diese in einem Kapitel der
Politik befinden, dessen Echtheit schon früher stark angefochten war,
meint aber, dass die diesbezüglichen Ausführungen Göttling's von Spengel
und Nickes entkräftet seien. Jedenfalls aber bestehe ein Widerspruch
zwischen Kap. 8 und Pol. III, 11, p. 1281b 33 (über die Wahl der Beam-
ten), zwischen Kapitel 3 (wo Ion als erster Polemarch der Athener ge-
nannt wird) und Pol. VIII, 10, p. 1310b 37 (noch zu Kodros' Zeit der
Heeresoberbefehl — Hauptinhalt der königlichen Gewalt), zw. Kap. 21
und Pol. VII, 4, p. 1319b 11 (in Betreff des Verhaltens des Kleisthenes
zu den Phratrien). Alle diese Einwände sind nicht stichhaltig: die Lo-
sung spielte bei der Bestellung der Beamten eine so geringe Rolle
(Kap. 8), dass bei der kurzen Erwähnung in der Politik Aristoteles ganz
richtig von einer Volkswahl sprechen konnte. In Kap. 3 sagt der Ver-
fasser keineswegs, dass seit Ion der Polemarch dem Könige stets zur
Seite gestanden habe, sondern nur, dass den kriegsuntüchtigen Königen
vorübergehend ein Heerführer zugesellt worden sei und führt als Beispiel
den Ion an — wann die Poleniarchie zu einem stehenden Institut erho-
ben, erwähnt er nicht, wohl weil er es selbst nicht wusste. Was die
unklare Notiz der Politik über Vermehrung der Phratrien durch Kleisthe-
nes sagt, oder vielmehr was neuere Ausleger in dieselbe hineininterpre-
tiert haben, ist jetzt durch die bündige Angabe der Politeia widerlegt
— Ref. rechnet sich zur Ehre, dass er schon vor Auffindung des neuen
Tractates dasselbe gelehrt habe, und hat seine Ansicht über die ganze
Frage a. a. 0. in extenso dargelegt*), wobei er (vor Erscheinen von C.'s
Schrift) die Muthmassung äusserte, »es würden sich auch jetzt noch
Forscher finden, die einer vorgefassten Meinung zu Liebe dieses aus-
drückliche Zeugniss des Aristoteles verwerfen oder umdeuten würden«.
Auch mit dem Argument, welches Cauer aus der (angeblichen) Schwäche
des Verfassers gegenüber der Demokratie zieht, ist es schwach bestellt;
er fusst nämlich auf den Worten in Kap. 41, in welchen der Uebergang
der Rathsgerichtsbarkeit auf die Volksgemeinde gebilligt wird, »weil
wenige sich leichter durch Geld und Gunst beeinflussen lassen, als die
Menge«. Aber abgesehen von den Stellen, welche deutlich die aristo-
kratischen Neigungen des Verfassers verrathen, wie die Verurtheiluug
der inneren Politik Athens seit Perikles oder das hohe dem Nikias,
Thukydides und gar dem Theramenes gespendete Lob (dies soll, natür-
lich, nur die »politische Tendenz der Quellen wiederspiegeln«), selbst die
einzige, welche scheinbar die Ansicht C.'s stützt, zerfällt bei näherer ße-
1) Bürgerschaft und Volksversammlung zu Athen (russisch). Band I,
S. 209 -14, 276-82.
28 Aristoteles, 'Aßrjvas'wi' nuXiTsia.
trachtiing in Niclits: der Rath in Athen war ebenso demokratisch wie
die Vülksgenicindc und da konnte auch ein Aristokrat sagen, dass letztere
wenigstens ihrer Zahl nach grössere Bürgschaft bot gegen Bestechung
U.S.W. Diesen Einwand hat gegen C. schon 0. Crusius*) ausführlich
begründet, indem er zugleich nachgewiesen hat, dass denselben Gedanken
auch der Aristoteles der Politik äussert (Pol. III, 15, p. 1286a 28, vgl.
ibid. II, 12, p. 1274a). Das dritte und entscheidende Argument Cauer's
endlich gegen die Echtheit ist, dass der Verfasser an manchen Stellen
schlechten Quellen zu leichtfertig folgt, an anderen gute nicht gehörig
ansuutzt, überhaupt an Schärfe des Verstandes und der Kritik weit hinter
Aristoteles zurücksteht. Aus .diesem Grunde kommt C zum Resultat,
dass die Schrift zwar aus der peripatetischen Schule stamme, wie manche
Anklänge an Aristoteles' Gedanken bewiesen, aber nur von einem mittel-
mässigen Schüler auf Anregung und unter beiläufiger Anweisung des
Lehrers verfasst sei. Abgesehen davon, dass diese Theorie von einem
Jünger, der unter Anleitung des Prof. Aristoteles seine Doctordissertation
schreibt, doch zu modern klingt, muss man einwenden, dass man einen
antiken Historiker nicht mit dem Massstab der Kritik des XIX. Jahrh.
messen darf: eine systematische Benutzung von Urkunden war noch un-
erhört, eine absolute Verwerfung alles legendarischen Elementes unmög-
lich, eine volle Scheidung von unzuverlässigen und glaubwürdigen Quellen
undurchführbar. Noch weniger aber darf man an der neuen Schrift
mäkeln, weil sie nicht alles enthalte, was wir in einer Verfassungs-
geschichte zu finden erwarten, z. B Drakon's Gesetze über das Blutrecht
oder eine Besprechung der Kleruchien: erstens berücksichtigt Aristoteles
die äussere Politik Athens garnicht, zweitens schreibt er nicht sowohl
eine innere Geschichte als eine Geschichte der Staatsumwälzungen, ihrer
Motive und ihres Ausganges — ein Gesichtspunkt, der auch in der Politik
stark hervortritt. Eingehend sind die einzelnen Einwände C.'s besprochen
und widerlegt worden von K. Niemeyer^), dessen Ausführungen sich
vielfach mit den oben dargelegten Ansichten des Ref. decken.
Fast mit denselben Argumenten, wie Cauer, aber noch einseitiger
durchgeführt, noch subjectiver gefärbt, greift Fr. Rühl-'') den aristote-
lischen Ursprung der Politie an. Bei ihm bildet die »Unwürdigkeit« das
entscheidende Moment seiner Kritik: alle, selbst die geringsten Mängel
in Inhalt, Form, Disposition werden geflissentlich hervorgehoben, nicht
selten übertrieben, zuweilen einfach erfunden, um bei jedem in den Aus-
1) 71. 0. Crusius, Die Schrift vom Staate der Athener und. Aristoteles
über die Demokratie, im Philologus, N. F. IV (2), H. 1, S. 173—78.
3) 72. K. Niemeyer, Zu Aristoteles' 'ylj9. nnk. (N. Jahrbb. für Phil.
Bd. 143, S. 405—15.) .
3) 73. Fr Kühl, UpImt die von Kenyon veröflfentlichte Schrift vom
Staate der Athener (Rhein. Mus. XLVI, 3, S. 426-64).
III. Höhere Kritik. 29
ruf auszubrechen, das sei eiues Aristoteles unwürdig oder letzterer müsse
ein ganz infimer Scribent gewesen sein. Besonders wird jeder Wider-
spruch zwischen der Politie und Thukydides sorgsam aufgespürt, um
gleich das Dilemma zu stellen: entweder ist die 'Al^r^vaauv noXiTSca un-
echt oder man muss dem Thukydides jegliche Glaubwürdigkeit absprechen
— als ob letzterer sowohl als Aristoteles ganz unfehlbar gewesen wären!
Ein noch seltsameres Argument ist es, wenn Rühl aus vermeintlicher
Auslassung seiner Ansicht nach wichtiger Ereignisse schliesst, der Ver-
fasser könne nicht Aristoteles sein : in diesem Sinne wird z. B. die Nicht-
erwähnung des Ostrakismos des Hyperbolos verwerthet (wie auch bei
Cauer), wobei nicht berücksichtigt ist, dass erstens für den Parteikampf
in Athen dies ein wichtiges Ereigniss sein konnte, nicht für die Ver-
fassungsgeschichte, zweitens nach dem Zeugniss des Aristoteles dies In-
stitut formell auch im IV. Jahrhundert nicht abgeschafft war, wie man
bisher dachte. Die Ausführungen Rührs, die im Detail hier wieder-
zugeben unmöglich ist, haben eine gründliche Widerlegung von Seiten
Th. Gomperz's^) erfahren, der an einer Reihe schlagender Beispiele die
Unzulässigkeit solcher Methode nachgewiesen und mit Recht gegen Rühl
seine eigene Sentenz gewendet hat: »wenn Aristoteles dieses Buch ge-
schrieben hat, so geschah es nicht, um die Lücken der gelehrten Bildung
der Philologen des 19. Jahrhunderts auszufüllen«. Auch E. v. Stern hat
in seiner schon erwähnten Schrift 2) manche gewichtige principielle Ein-
wände gegen Rühl erhoben: er hebt hervor, dass erstens die Arbeits-
weise eines antiken Historiker's sehr verschieden von der modernen war
(»ich bin versichert, dass Rühl mit dem unserem Autor zu Gebote ste-
henden Material ein vollkommeneres Werk verfassen würde, aber noch
sicherer ist es, dass Aristoteles, wenn er jetzt Professor zu Königsberg
sein würde, diesen Abriss der Verfassungsgeschichte noch vorzüglicher
als Rühl geschrieben hätte«), zweitens auch die Art der Darstellung be-
deutende Eigenthümlichkeiten zeigte. »Man setzte meist eine allgemeine
Kenntniss der vorhergehenden Litteratur bei den Lesern voraus, und gar
manche Schriftsteller berührten nur beiläufig die Fragen, welche von
ihren Vorgängern genügend erläutert waren: so hat auch Aristoteles die
schon vielbehandelten Partien (z. B. das Zeitalter des Perikles) nur ge-
streift mit ein paar treffenden Bemerkungen, die dunkleren dagegen aus-
führlich erörtert .... Dies verkannt zu haben ist der Hauptirrthura der
Gegner, wie der Lobredner der neuen Schrift : einerseits wird auf Grund
gewisser unläugbarer Mängel der Aristotelische Ursprung derselben ge-
1) 74. Th. Gomperz, Die Schrift vom Staatswesen der Athener und
ihr neuester Beurtheiler. Wien (Holder). 48 ö. — Reo.: Litt. Centr.-Bl. 1892,
No. 2 (U). D. Litt.-Ztg. 1892 No. 9 (Brück). Rev. d. et. gr. IV. 16 (Th. Reinach).
3) Vgl. No. 58. Die neuentdeckte »athenische Staatsverfassung« des
Aristoteles. Rec. : Russ. phil. Rundschau II, 2 (Buseskul).
30 Aristoteles, '>f»9j;wa«wv nokirsia.
leuguet, andererseits sind die Vertheidiger desselben geneigt, jedes Wort
als Offenbarung anzusehen, an der jeder Zweifel ausgeschlossen ist.«
Unterdessen hat Fr. RühP) zur Verthcidiguug seiner Ansicht eine
neue Abhandlung veröffentlicht, in der er nicht nur die Einwände von
Gomperz zu entkräften sucht, nicht sowohl durch systematische Wider-
legung, als durch eine Reihe sehr problematischer Ausfälle, sondern auch
weiter zu gelangen strebt als früher, in negativer wie in positiver Hin-
sicht. Negativ behauptet er hier (was im früheren Aufsatz nur ange-
deutet war), dass diese Politie ein von dem unter Aristoteles' Namen
citierten grundverschiedenes Buch sei und stützt diese Ansicht fast aus-
schliesslich durch den Hinweis auf Plutarch, der trotz seiner Benutzung
der Politie vieles nicht kenne, was in der neuen Schrift zu lesen ist.
Positiv stellt er die Behauptung auf, dass der Verfasser derselben He-
rakleides — wahrscheinlich Lembos — sei, welcher mit Benutzung aristo-
telischen Materiales ein Werk ~sfH nuhztciüv zusammengeschrieben habe,
von dem ein Auszug schon früher bekannt war. Was den Beweis aus
Plutarch anbetrifft, so ist eine Argumentation ex silentio stets gefähr-
lich; weiter ist es garnicht so ausgemacht, wie es Rühl beliebt darzu-
stellen, dass dieser Autor wirklich den Aristoteles unmittelbar benutzt
habe — dies muss erst nachgewiesen werden — , endlich ist doch die
Behauptung sehr problematisch, dass Plutarch auch die Nachrichten des
Aristoteles, welche ihm unglaublich schienen, hätte mittheilen und wider-
legen müssen, z. B. über Drakon und über Themistokles. Ohne dem
Plutarch zu nahe treten zu wollen, muss man doch sagen, dass er von
Kritik sehr wenig zeigt, dass er gerade seine Hauptquellen nicht nennt
und dass starker Grund zum Verdacht vorliegt, er habe seine zufälligen
Citate und bisweilen seine Zusammenstellungen abweichender Meinungen
einer secundären Quelle entlehnt: wenn er also z. B. Aristoteles als
Autorität nennt für den Namen des Mörders des Ephialtes, so kann man
mit ziemlicher Zuversicht daraus schiiessen. dass gerade in der Erzäh-
lung vom Sturze des Areopag Aristoteles sein Gewährsmann nicht war.
Ausserdem muss man noch berücksichtigen, dass seine Biographien einen
stark cnkomischcn Charakter zeigen und der jeweilige Held bei jeder
Staatsaction, an der er Theil nahm, stark in den Vordergrund geschoben
wird, wie z. B. hei der Gründung des attischen Seehundes die Haupt-
rolle je nach Umständen bald dem Aiisteides, bald dem Kimon zugetheilt
wird: kann man sich danach wundern, dass er in der Biographie Solon's
diesen nach der gangbaren Uebcrliefcrung auf Kosten des Drakon er-
hoben und die Thätigkeit des letzteren (wenn sie ihm überhaupt in Be-
treff der Verlassung bekannt war) einfach todtgeschwiegen hat? Am
seltsamsten aber berührt in den Deduktionen RühTs, dass die Identität
3) 75. Fr. Rühl, Der Staat der Athener und kein Ende, iu d Jabrbb.
f. class. Phil. Suppl.-Bd XVlll, S. 075— 70G — Reo.: Litt. C.-Bl. 1892, No. 21.
III. Höhere Kritik. 31
der neuen Schritt mit Aristoteles' Politie strikt geleugnet wird trotz der
Uebereinstimmung von nahezu 80 Fragmenten, aber aus der Ueberein-
stimmung mit einem Fragment des Herakleides die Identität mit des
letzteren Schrift erschlossen wird: Rühl bedenkt nicht, dass eine solche
Uebereinstimmung bei Herakleides, der hauptsächlich mit aristotelischem
Material arbeitete, doch gar keine Beweiskraft besitzt. Und was will
Rühl mit den aus Aristoteles wörtlich citierteu Fragmenten beginnen,
die sich alle in der neuen Schrift aufgefunden haben? Will er annehmen,
dass die Lexicographen sich alle geirrt haben und das Machwerk des
Herakleides für den »echten« Aristoteles angesehen? oder soll durch
einen merkwürdigen Zufall auch Herakleides gerade diese Stellen wört-
lich ausgeschrieben haben? Darüber beobachtet Rühl ein sehr verstän-
diges Schweigen.
So haben sich alle gegen den echt -aristotelischen Ursprung der
Schrift erhobene Bedenken als nicht stichhaltig erwiesen, i) Und so ist
von den grössten Autoritäten (wie A. Kirchhoff, H. Diels, U. Köhler,
R. Schoell, U. von Wilamowitz-Moellendorff, Th. Gomperz, Fr. Blass,
A. Kiessling, G. Kaibel, H. Weil, B. Haussoullier, D. Comparetti u. v. a.)
die Autorschaft des Aristoteles als über jeden Zweifel erhaben anerkannt
worden.
2. Abfassungszeit der Schrift.
Schon der erste Herausgeber Kenyon hat versucht dieselbe ge-
nauer zu bestimmen, indem er als Grenzpunkt annahm das Archontat
des Kephisophon (329/8) und die Vermehrung der Phylen auf 12 (307/6).
Andere Gelehrte haben versucht diesen Zeitraum noch enger zu um-
schreiben: so haben unabhängig von einander B. Keil'^), Fr. Ca u er 3),
E. Pais'*) und Ref.*) die Verfassungsänderung des Antipater (322) als
terminus ante quem festgestellt, letzterer zugleich mit Hinweis auf die
von den Athenern nach Samos gesandten Archonten (Kap. 62), welche
mit Auflösung der athenischen Kleruchie und Rückkehr der Samier (nach
') 76. E. Pais, A proposito dell' 'ASrjvaüov izoXiTsia di Aristotele (Riv.
di Filologia, XIX, 10—12, p. .557 — 69), läast die Möglichkeit zu, dass nicht nur
von den 157 übrigen noXizBiai einige von den besseren Schülern (z. B. Theo-
phrast und Dicaearch) unter Anleitung des Aristoteles verfasst seien, sondern
auch in der 'ASr^v. noX. der zweite Theil in seinen kleinlichen Details nicht
vom Meister persönlich herrühre, aber von ihm überwacht sei — nicht gerade
sehr wahrscheinlich.
2) Rec. von Kenyon's Ausgabe in der Berl. phil. Wochenschr. 1891,
No. 20, Sp. 613—14.
3) a. a. 0. s. 7 et 76.
4) a. a. 0. p. 559—62.
5) a. a. 0. p. 12-13.
32 Aristoteles, ^A^'^r^vatiuv nokizsia.
den Olympien des Jahres 324 oder spätestens nach dem Laraischen Kriege
= 322) aufgehört hatten zu existieren. C. Torr'), dem auch B. Keil
(a. a. 0.) und C Ferrini folgen, sucht die Abfassuugszeit noch mehr
zu beschränken, indem er darauf Gewicht legt, dass vom Bau der Trieren
und Tetreren (Kap. 46) die Rede ist, nicht aber von Penteren, die seit
dem Jahre 325 in Schift'sbauurkunden erwähnt werden (C I.A. II, 809 d 90)
— also zwischen 328 — 25 ist die Schrift verfasst. Dagegen ist geltend
gemacht worden, dass aus einem so kleinliclien Argument keine so weit-
gehende Schlüsse zu ziehen seien und FI. Weil 2) sowohl als Fr. Cauer
(a. a. 0.) finden die Entscheidung der Frage in der Erwähnung des
Staatsschiffos Ammonias, welches seinen Namen nur erhalten konnte,
nachdem »sie die Gottheit Alexander's ofliciell anerkannt hatten« — folg-
lich fällt die Vollendung der Schrift zwischen Spätsommer 324 und Herbst
322. Auch gegen diese Argumentation hat sich Widerspruch erhoben
von Seiten Torr's, Cavazza's^) und des Ref.: es ist weder bewiesen,
dass die Ammonias an Stelle der Salaminia getreten sei, noch dass dies
Staatsschiff seinen Namen zu Ehren Alexanders erhalten habe und nicht
zu Ehren des Gottes Ammon, der schon im Jahre 333 einen officiellen
hochangesehenen Kult in Athen besass.
Wenn man also sagen kann, dass die meisten Forscher die Ent-
stehnngszeit der Schrift zwischen 329 -322 annehmen und nur darin nicht
einverstanden sind, ob sie der ersten oder zweiten Hälfte dieses Zeit-
raumes angehört, so hat Ref.*) selbst eine ganz verschiedene Ansicht
geäussert. Das Jahr 329 kann niciit als unzweifelhafter terminus post
quem gelten, denn wie er überhaupt nur für den zweiten Theil bewei-
send ist, so muss diese Angabe erst genauer geprüft werden: wie schon
Kenyon angedeutet und später Cavazza bemerkt iiat, ähnelt dieselbe
sehr einer Randglosse, denn erstens lässt sich kein organischer Zusam-
menhang mit dem übrigen Texte herstellen, zweitens sieht man keinen
Grund zu einer chronologischen Angabe, die im ganzen zweiten Tlieile
als Unicum erscheinen würde — viel wichtigere Gesetze und Ereignisse
bleiben hier ohne genauere Zeitbestimmung. Keil hat die Schwäche
dieses Anhaltspunktes gefühlt und versucht einen anderen zu linden, indem
er darauf hinwies, dass die Theilung der Competenzen zwischen den
Strategen (vgl. Kap. 61) erst nach 334 eingeführt sei : so auch C. Torr^).
1) 77. C. Torr, The dato of tho Constitution of Athens, in Athonaeum,
Nu. 3302. Cfr. Class. Rev. V, 3, p. 119.
2) Journ. des Savants 1891 Avril, p. 203—4.
3) Aristotele e la costituzione di Ateno, j) 17 — 19.
<) Bürgerschaft und Volksversammlung zu Athen. Bd. 1 , Einleitung,
S. 12—16
^) 78. C. Torr, Ari.stotle, Athoniensinm Respuhlica cap Ol, in d. Class.
Rev. V, 3, p. 119
in Höhere Kritik 33
Das ist aber einirrthum: in einer neugefundenen Inschrift (Bull. d. Corr.
Hell. Xni, p. 434) wird ein aTpazTjfog inl r^v ^ojpav schon unter dem Ar-
chen Aristodemos, also im Jahre 352 erwähnt und zwar als eine fest-
stehende Magistratur. Andererseits sprechen manche Gründe, positive
wie negative, für eine frühere Entstehungszeit der Schrift. Positiv ist
zu bemerken, dass es äusserst misslich ist anzunehmen, Aristoteles habe
in etwa 6—7 Jahren seine 158 Politien verfasst, von denen die Atheni-
sche die erste war, und noch mehr, dass er sein systematisches Werk —
die Politik vor der beschreibenden Zusammenfassung ausgearbeitet: die
Politik setzt eine solche Masse von Kenntnissen auf dem Gebiet der Ver-
fassungsgeschichte wie der Institutionen der verschiedenen griechischen
Staaten voraus, wie sie weder der Lehrer im Gedächtnis allein behal-
ten, noch die Schüler ohne eine Schrift, wie die neugefundene, sich an-
eignen konnten. Ein Beweis negativer Art ist häufig zweifelhaft, hier
aber scheint er schwerwiegend — das absolute Schweigen über das Obere
Finanzamt zu Athen, welches Lykurgos zuerst bekleidet; zwar hat da-
gegen Keil den Einwand erhoben, dass das Amt des im vfj diocxijaei
uns nur für spätere Zeit sicher bezeugt sei, derselbe ist aber nicht stich-
haltig, denn es kommt hier nicht auf den Namen, sondern auf die Sache
an : ein Oberster Finanzbeamter hat jedenfalls (wie auch sein offizieller
Titel gelautet haben mag) wenigstens seit 334, wahrscheinlich schon seit
338 in Athen existiert und dieser ist bei Aristoteles nicht erwähnt. Aus
diesen Gründen zog Ref. den Schluss, dass die Schrift schon um
die Mitte des IV. Jahrh. verfasst sei und später nur einzelne
Ergänzungen von der Hand des Verfassers erfahren habe, zu
denen er ausser der Erwähnung des Archon Kephisophon auch das Ka-
pitel über Drakon rechnet (siehe u.)-
3. Tendenz.
Schon Val. Rose hat vor Auffindung der neuen Schrift es für un-
wahrscheinlich gehalten, dass ein Mann vom Geiste eines Aristoteles sich
mit der Abfassung eines rein descriptiven Werkes beschäftigt hätte.
Dieser Eindruck ist nur verschärft worden durch die Kenntniss des Ge-
sammtwerkes, welches in der That nicht nur keinen, sei es selbst popu-
lär-philosophischen Gedanken, sondern auch keine irgendwie zusammen-
fassende allgemeine Gesichtspunkte und Betrachtungen enthält. Dies
war wohl die (nicht eingestandene) Hauptursache, warum die Autorschaft
des Aristoteles angezweifelt worden ist, dies der Beweggrund, weshalb
einige Gelehrte meinten, es müsse das Werk eine, wenn auch sorgfältig
verhüllte, belehrende Tendenz enthalten.
Diesen Gedanken hat zuerst P. Casseli) ausgesprochen, der diese
1) 79. Vom neuen Aristoteles und seiner Tendenz. Bemerkungen von D.
Paulus Cassel. Berlin (Bibliographisches Bureau) 39 S. — Reo : Gymnas.
N. 20 (P. Meyer). N phil. Rundschau 1892 N. 1 (F. Meyer).
Jahresbericht für Alterthums Wissenschaft- LXXV . Bd. a893. L) 3
34 Aristoteles, 'Ai^jj.'aiwv noXirsia.
vermeiiitlicbe Tendenz in folgenden Sätzen zusammenfasst: »im Schatten
der Monarchie ist die Schrift des Aristoteles entstanden; sie ist eine
fein und präcis gegebene Warnung vor der Republik ; sein Ideal war
die alte, erbliche, patriarchalische, gewissenhafte königliche Verfassung;
aus dieser Tendenz ist es geschaffen — aus ihr werden allein seine
scheinbare Ungleichheit, Differenzen und Lücken verstanden«. Letzteren
Gedanken sucht Cassel in ausführlicher Erörterung nachzuweisen — eines
nur hat er vergessen: die ganze zweite Hälfte des Buches, die bei ihm
garnicht berücksichtigt, und sie gerade wirft seine ganze Lehre um, denn
für die Tendenz des Aristoteles war sie durchaus übertiüssig. Viel fei-
ner ausgesonnen ist die Tendenz, welche A. Bauer*) neben dem Zwecke
allgemeiner Belehrung findet: nach seiner Meinung will Aristoteles die
Athener mit dem Verlust ihrer Grossmachtstellung versöhnen und durch
den Hinweis auf ihre glücklich geordneten Verhältnisse zur willigen An-
erkennung der makedonischen Suprematie ermahnen. Dagegen lässt
sich, abgesehen von dem Einwand, was denn die übrigen 157 Politien
bezweckten, erwidern, dass gerade von der auswärtigen Politik und den
Grossniachtsbestrebungen, welche die Athener aufgeben sollen, fast gar-
nicht die Rede ist, dass keineswegs der bestehende Zustand als der
glücklichste gepriesen wird, und dass es zu dem vermeinten Zwecke ganz
überflüssig war, die geringsten Magistrate aufzuzählen und gar die Ge-
richtsordnung mit dem grössten Detail darzustellen.
In der neuesten Zeit hat denselben Gedanken von einer Tendenz
der Schrift, aber in ganz verändertem Sinne H. Nissen^) aufgenommen.
Indem er in ausführlicher Darstellung das politische Verhältniss zwischen
den Griechen, speciell den Athenern und Alexander, sowie das persön-
liche zwischen letzterem und Aristoteles erörtert, der ihm zu einer Art
politischen Agenten des Makedoneukönigs wird (dieser Theil, vielfach
problematisch, oft reines Phantasiebild, liegt ausserhalb des Rahmens
unserer Besprechung), gelangt er zu dem Resultate, Aristoteles habe bei
dem Herrscher die Einführung eines allgemeinen Reichsgesetzes befür-
wortet und zum Zwecke der Vorbereitung desselben sowohl eine Samm-
lung von den bestehenden Gesetzen der verschiedenen Staaten veran-
staltet (später von Theophrastos vollendet und herausgegeben unter dem
Titel i\o/xoi), als auch eine Zusammenstellung der Staatscinrichtungen
mit historischen Einleitungen geliefert — unsere Politie und 157 andere.
»Die Politik entwickelt die allgemeinen Principien für die Reichsgesetz-
gebung, während die Sammlungen der (jresetze und Verfassungen für die
Behandlung der einzelnen Fälle dienen sollena. Es wird sowohl der
i) Literarische und historische Forschungen zu Aristoteles' 'A^^Tjuaeußv
TToiiTcia (vgl. unten) S. 19 — 22
3) 80 H. Nissen, Die Staatsschriften des Aristoteles (Rhein. Mus.
XLVll 2, S 161—206)
III. Höhere Kritik. 35
Aufbau des ganzen Werkes der Politien (au dem auch Theophrastos mit-
gearbeitet haben soll und das später in mehreren theils ergänzten, theils
gekürzten Fassungen existierte) erörtert, als auch der Plan und Zweck
des einzelnen Theiles: jeder bestand aus einer historischen und syste-
matischen Hälfte; letztere ist auf Grund otficiell (in Folge königlichen
Befehls) gelieferten Materials abgefasst, erstere »ist ein politisches Re-
ceptbuch, das leichte und schwere Heilmittel enthält.« Daraus erklären
sich auch verschiedene Auslassungen und Entstellungen, wie z. B. »alles
vermisst wird, was in die Grossmachtspolitik Athens gehört, denn diese
Dinge hatten keinerlei praktische Bedeutung mehr und waren nicht ge-
eignet, makedonische Ohren zu ergötzen«. Ans dem praktischen Zweck
des Buches wird auch erklärt, dass Aristoteles es mit der Wahrheit
nicht allzu genau nahm: »aus ihm spricht nicht ein ernster, die Wahr-
heit suchender und kündender Forscher, spricht vielmehr ein Hofraann,
der über der gefallenen Grösse mit frivolen Spässen einhertrippelt, die
Staatsmänner Athens Lumpen, die Feldherrn Stümper scheltend«. Dies
alles aber sei verzeihlich, denn er hat »ehrlich (?! doch kaum nach
Nisseu's Darstellung) für das Beste seines Volkes gestritten« und seine
Darstellung war »für das Auge des Königs bestimmt« , also war er ge-
zwungen, ebenso wie »Männer wie Theopomp und Anaximenes die Ver-
gangenheit ihres Volkes in den Koth zu zerren«. Die Tendenz, welche
Aristoteles im allgemeinen verfolgen soll, findet Nissen selbst in Einzel-
bemerkungen, die sich hauptsächlich gegen Demosthenes richten: ihn
hat er im Auge, wenn er die ungeziemende Art des Auftretens an Kleon
brandmarkt; der Kleophon o kufxiTMto^ enthält eine Anspielung auf den
liayatpoT.otug\ »den dritten Volksverführer Kallixparr^Q [latavteb^ kennen
wir überhaupt nicht — die Vermuthung ist zulässig, dass hier ein Hieb
gegen Demades (aus Paiania) geführt wird«; die Weisheit des Areopag
wird gepriesen — »er hatte eben Athen von Demosthenes befreit«; »die
starke Besetzung der Gerichte wird gelobt - die Bestechung der 1500
Geschworenen, die im harpalischen Process sassen, hätte in der That
eine unerschwingliche Summe gefordert« , u. s. w. geht es in demselben
Tone. Diese Proben genügen wohl, um von dem allgemeinen Charakter
der Abhandlung eine Vorstellung zu geben — wem dieselbe ansprechend
erscheint, dem sei dies Vergnügen unbenommen.
4. Verhältniss zu den anderen Schriften des Aristoteles.
Bei der Untersuchung dieser Frage, welche auch für die Echtheit
der Schrift stark in Betracht kommt, ist vor allem die Politik heranzu-
ziehen. Schon Kenyon hat hie und da Hinweise auf Parallelstellen
gemacht, aber weit vollständiger ist dies geschehen in B. Haussoulli er's
Uebersetzung (s. oben), der nicht nur die factischen Uebereinstimmungeu,
sondern auch die Anklänge an Gedanken und allgemeine Principien der
Politik mit grosser Sorgfalt verzeichnet hat, ohne sich in nähere Erör-
3*
36 Aristoteles, ^A&Tj\>aiw\' nokireia.
terungen einzulassen. Letzteres hat in einer Specialuntersuchung P.
Meyer M gethan, der sich aber nur auf eine Auswahl von Stellen aus
dem historischen Theile beschränkt und von diesen nur einige ausführ-
licher bespricht, insbesondere diejenigen in denen Schvarcz, Cauer oder
Rühl einen Widerspruch zwischen beiden Werken haben entdecken wollen.
Besonders die Gesetzgebung Drakons nimmt mehr als die Hälfte der
ganzen Abhandlung in Anspruch: Meyer sucht nachzuweisen, dass zwar
das Schlusskapitel des zweiten Buches der Politik echt sei, aber keineswegs
im Widerspruch stehe zu den Angaben der Politie. Drakon war vo/io-
l^zzrjg, also gab er \^6/xoc, diese können aber nach dem Sprachgebrauch
des Aristoteles (wie in längerer Ausführung bewiesen wird) neben an-
deren auch Verfassungsbestimmungen enthalten haben, ja sie mussten das,
»denn sonst hätte er nicht an dieser Stelle des zweiten Buches vorkommen
können;« aber die vauoBäruc können entweder selbständig Neues schaffen
oder nur die bestehenden Normen kodificieren — Drakou gehört (nach
der Politik) zu den letzteren und dies lässt sich gerade an der Politie
nachweisen, denn die Staatsordnung vor ihm ist durchaus dieselbe, welche
er in seiner Gesetzgebung festgestellt hat. Wenn Aristoteles beide
trennt, so thut er es absichtlich, um ihre Identität zu beweisen gegen
solche, »welche Drakon als Schöpfer einer Verfassung ansahen«. Wenn
diese Argumentation nicht anders als gewaltsam und verfehlt bezeichnet
werden kann, so hat dagegen Meyer vollkommen Recht, wenn er die
Differenz in den Angaben des Wahlmodus der Archonten {'Aft. ttoL 8 —
Pol. II, 12, p. 1273 b 40, III, 11, p. 1281b 33) für irrelevant erklärt,
weil es dem Autor in der Politik auf zufällige Nebenumstände nicht an-
kam, und ebenso, wenn er den Zahlenunterschieden in der Bestimmung
der Regierungsdauer der Peisistratiden CA&. noX. 14 et 19 — Pol. Vlil,
12, p. 1315 b 31) keinen Werth beiraisst. Zweifelhafter ist seine Erklä-
rung des Widerspruches in Betreff der Phratrien: in der Politie (Kap. 21)
hiesse es nur, dass Kleisthenes jedem der früheren Bürger gestattete,
seine Phratrie zu behalten, was keineswegs ausschliesse, dass für die
Neubürger neue Verbände geschafft worden seien, wie die Politik be-
haupte (VII, 4, p. 1319b 11). — Ref. kann dem ausdrücklichen Zeug-
niss des Aristoteles diesen Sinn nicht unterschieben, noch weniger sein
sehr beredtes Schweigen über etwaige Vermehrung der Phratrien, Ver-
ringerung der Zahl der Gottesdienste u. s. w. aus der Politik corrigie-
ren, deren Worte selbst eine ganz andere Deutung zulassen. Die übri-
gen Bemerkungen Meier 's beziehen sich auf Kleinigkeiten.
•) 81. P. Meyer, Des Aristoteles Politik und die 'At^vaiwv noXtTEia.
Nebst einer Litteraturübersicht Bonn (Cohen), 72 S. Reo.: Lit. Centr.-Bl.
1892 N. 2 {kl.).
111 Höhere Kritik 37
5. Quellen.
Was die Quellen anbetrifft, aus denen der Verfasser der neuen
Schrift seine Darstellung geschöpft hat, so nennt er selbst nur Herodot
und Solon, also fordert diese Frage erst eine genaue Untersuchung, die
ihr bis jetzt noch nicht zu Theil geworden ist. Einige Fiugerzeichen
geben ganz kurz W. B. New man in seiner Recension der ersten Ken-
yon'schen Ausgabe und Th. Reinach in der Einleitung zu seiner
Uebersetzung, wo namentlich auf die Parallelstellen aus den Atthi-
dographen verwiesen wird. Eine allgemeine Eintheilung der Quellen
in verschiedene Gruppen hat R. W. Maeau') versucht zu geben und
findet deren vier: 1. Texte der Autoren (Herodot, Thukydides, Xeno-
phou); 2. Officielle Documente; 3. Archaeologische Quellen (nur sehr
sparsam benutzt); 4. Ueberreste alter Institutionen, aus denen Schlüsse
(nicht immer vorsichtig genug) gezogen werden auf ältere Zustände und
Einrichtungen. Diese Eintheilung wird wohl kaum allgemeine Billigung
finden: erstens lassen sich die »archaeologischen Quellen« bei Aristoteles
wohl kaum von den »Documenten« scheiden; zweitens ist die unter 4.
angeführte Quelle viel eher als Methode der Forschung zu bezeichnen.
Einen Beitrag zur Quellenuntersuchung der neuen Schrift liefert F. Dümm-
ler,^) indem er den Einfluss von Kritias' 'A&rjva:ajv -nohztia auf dieselbe
festzustellen sucht: er findet ihn in der von Aristoteles widerlegten
Anekdote von Solens unrechtmässiger Bereicherung und der böswilligen
Insinuation, derselbe habe mit Absicht seine Gesetze dunkel abgefasst,
um die Macht der Gerichte und mittelbar des Volkes zu erhöhen. Da-
gegen leugnet Dümmler entschieden, dass Aristoteles »in der unhalt-
baren Nachricht von der Betheiligung des Themistokles am Sturz des
Areopag« oder in der Darstellung der Drakontischen Verfassung von
Kritias abhängig sei, wie das von Th. Rein ach angenommen worden
ist — die Ausführungen dieser anregenden Abhandlung sind sehr be-
stechend, aber doch nicht über jeden Zweifel erhaben. Sehr dankens-
werth sind die Hinweise auf Uebereinstimmungen zwischen Aristoteles
und Isokrates sowohl in Einzelangaben wie in allgemeinen Ansichten, die
Dümmler und noch mehr New man (a. a. 0.) giebt.
Für einen Theil der Schrift sucht G. De-Sanctis^) die Quellen
festzustellen, nämlich für Kapp. 22—28. Indem er die Frage über den
Aristotelischen Ursprung derselben bei Seite lässt und nur (nach Torr)
deren Abfassungszeit auf 329 — 325 festsetzt, behandelt er zuerst die
1) 82. R. W. Macan, Mi^iyvat'wv noXtreia (Journ. of hell. Stud. XII, 1,
p. 17-40).
3) 83. P'. D ü mmler, Die "Ai^vaiwv izohztia des Kritias (Hermes XXVII,
2, S. 260-286.
3) 84. G. De-Sanctis, Studi sul ^A^rjvamv noAireia attribuita ad Aris-
totele (Riy. di Filologia XX, 13, p. 147-163).
38 Aristoteles, ''A&rjvaicjv nohreia.
Anachrouismen in dem uur oberflächlich skizzierten Geschichtsabschnitt
zwischen den persischen Kriegen und der Revolution der Vierhundert :
als solche constatiert er die Erzählung von der Theilnahme des Themi-
stokles am Sturz des Areopag, die Bezeichnung des Kimon als veiürspog
und die Angabe über den Beginn der politischen Thätigkeit des Peri-
kles (Kap. 26), weiter die Chronologie des Archontats des Herraukreon
(Kap. 22) und der ersten Fälle der Anwendung des üstrakismos (ibid.).
In beiden letzteren Erzählungen, meint er, beruhe der Irrthum darauf,
dass der Verfasser etwas ausgelassen habe, was seine Quelle enthielt,
und doch deren chronologische Angaben unverändert aufnahm: so sei
nach dem Arch. Hermukreon noch ein anderer genannt gewesen und
nach dessen Jahre izst jiezä zau-a duüjosxdzoj die Perserkriege da-
tiert, andererseits setze die Angabe im fxkv ouv iz-q zpla zobg zwv zo-
fjdvvcuv (filooq ujazpdxc^ov voraus, dass nicht nur Hipparchos und Mc-
gakles, sondern noch ein dritter als verbannt angeführt wurde (nach
seiner Annahme Alkibiades der Aeltere). Dagegen stamme vom Verf.
selbst die Eintheilung der Ostrakisierten in Freunde der Tyrannen und
zobg rhnuBsv zr^g zupavvcdog, welche ganz unsinnig sei, da die Athener
nicht 20 Jahre gewartet hätten um die Anhänger der Peisistratiden zu
verbannen. Ebenso unsinnig sei die mit dieser Erzählung verquickte
Nachricht über die Art und Weise, wie Themistokles die Athener zum
Flottenbau bewogen habe. Auf diese Weise gelangt De-Sanctis zum
Resultat, das sich ihm durch Betrachtung der folgenden Kapitel zu be-
festigen scheint, dass diesem Abschnitt eine doppelte Quelle zu Grunde
liegt: aus einer entstammen die kurzen, präcisen chronologischen An-
gaben von unbedingter Glaubwürdigkeit, der anderen sind die ausführ-
lichen, meist anekdotenhaften Erzählungen von sehr zweifelhaftem Werth
entnommen — wo beide mit einander verbunden sind, entstehen Ver-
wirrungen und Anachronismen. So ist z. B. die kurze Nachricht über
den Sturz des Areopag unter dem Archontat des Konon und wohl auch
die Notiz in Betreff der Ermordung des Ephialtes aus der ersten Quelle
geschöpft, dazwischen aber aus der anderen die unglaubwürdige Erzäh-
lung über die List des Themistokles eingeschoben. Die erste Quelle
muss eine chronikartige Darstellung gewesen sein, wohl einer der Atthi-
dographen und zwar einer der älteren wegen der Knappheit der Erzäh-
lung, während die Nachrichten anderer Art wohl nicht aus einer einzigen
Quelle stammen. Für den von Aristoteles benutzten Atthidographen
könnte man Androtion halten, da sich einige Berührungspunkte zwischen
ihm und der 'AH. tmL zeigen , aber gegen diese Annahme spricht die
ganz verschiedene Darstellung der Solonischen Seisachtheia: nicht Aristo-
teles hat den Androtion, sondern dieser hat die Ai^.nol. benutzt, war
also keineswegs identisch mit dem Gegner des Demostheues. — Alle diese
Ausführungen bieten viel des beachtenswerthen, obgleich man sich liicht
durchaus damit einverstanden erklären kann. Schon die Sätze, von denen
III. Höhere Kritik. 39
Verf. ausgeht, sind nicht einwandfrei: so die Untersuchung über die Ver-
bannten mit der Hypothese vom Ostrakismos des Alkibiades, so noch
mehr die Lösung der chronologischen Aporie in Betreff des Archon
Herraukreou. Der Verf. meint, wie gesagt, letztere zu lösen, indem er
auuimmt, dass in der Quelle nach dem Archoutat desselben ein von
Aristoteles nicht erwähntes Ereigniss notiert war, von dem aus die elf
Jahre bis zur Schlacht von Marathon berechnet sind; er bemerkt nicht,
dass die Schwierigkeit vielmehr in den Worten irec ne/iTzroj fjLeza Taorrjv
rrjv xazdaraatv i<p' '^Ep/xuuxpiovzog äp/ovrog liegt, denn dadurch wird
das betreffende Archontat auf das Jahr 504/3 festgesetzt, welches schon
durch den Archon Akestorides in Anspruch genommen ist. Ebenso sind
die Ausführungen über die Rolle des Areopag in den Perserkriegen sehr
problematischer Art. Wenn so die Fundamente, auf denen der Verfasser
baut, sich als nicht festbegrüudet erweisen, so wird man auch dem
Schlussresultat gegenüber die grösste Vorsicht üben müssen und sich
vorläufig ablehnend verhalten.
Zur Quellenforschung müsste als nothwendige Ergänzung die
Untersuchung über die Benutzung des Aristotelischen Werkes bei spä-
teren Schriftstellern hinzutreten; aber in dieser Beziehung ist, abgesehen
von der Zusammenstellung der namentlichen Citate bei den Lexiko-
graphen und anderen in einigen Ausgaben (vgl. oben), bis jetztfast gar
nichts geleistet worden. Zwar hat J. H. Wrighli) versucht, bei Phi-
lochoros Spuren der Bekanntschaft mit Aristoteles' Schrift nachzuweisen,
aber dieselben sind nicht so deutlich ausgedrückt, dass man über die
Annahme gemeinsamer Quellen hinausgehen müsste. Weniger Zweifeln
ausgesetzt ist die Untersuchung C Holzinger's^) über das Verhält-
niss der Heraklidischen Excerpte zu dem Aristotelischen Werke. Der-
selbe stellt die Behauptung auf, diese »seien, abgesehen von insigni-
ficanteu Füllwörtern, wesentlich nichts anderes als irgendwie zusammen-
geschobene Fragmente der Aristotelischen Politie«, wobei es, natürlich,
an Textverderbnissen nicht fehlt, wie z. B. in § 8 (ed. Rose) am Schluss
statt des sinnlosen xac zä noMjmta zu lesen ist xal u noM/xap^og seil.
T.otelzai duacag. Seinen Satz sucht Verf. durch Vergleichuug von §§ 3 — 8
(Rose = 5 — 11 Blass) mit dem Text der 'Ab. noX. zu beweisen, was ihm
auch gut gelungen ist. Als Autor dieser Excerpte wird der jüngere
Herakleides Ponticus angesehen: dieser aber habe nicht Didymus excer-
piert, wie der Vergleich mit Suidas und der lexicographischen Litteratur
überhaupt lehre, sondern das eigene Werk des Aristoteles. Also sei
der Ausdruck »excerpta excerptorum« für dieselben falsch — es seien
1) 85. J. H. Wright, Did Philochorus quote the 'A^^rjvamv noXirda as
Aristotles' (Amer Journ. of Philoiogy, XII, 3, p. 310-18).
2) 86. C. V Holzin ger, Aristoteles' athenische Politie und die Herakli-
dischen Eicerpte (Philologus, N. F. IV, 3, S. 436-46).
40 Aristoteles, ^A^rjuatw^ nuXireia.
vielmehr »fragmenta excerptorum « , wie auch der Titel: Ix rmv' HpaxXei-
Sou beweise; ebenso unannehmbar sei die Meinung Rose's, dafs ausser
aristotelischem noch anderes Material benutzt sei Folglich müssen auch
§§1-2 als demselben Werke entnommen betrachtet und zur Recou-
struierung des verlorenen Anfangs im stärkerem Maasse, als bis jetzt ge-
schehen, herangezogen werden.
6. Interpolationen und Widersprüche.
Sowohl Cauer als Rühl haben in ihrer Polemik gegen die Echt-
heit der Schrift auf mehrere Incouciunitäten, die Herausgeber Kaibel-
Wilamowitz und besonders Herwerden-Leeuwen auf einige ihrer
Meinung nach interpolierte Stellen hingewiesen : ausführlicher hat zuerst
diese Fragen behandelt R. W. Macan (a. a. 0.). Während er im zweiten
Theile des Werkes nur auf den Widerspruch zwischen Kap. 54 (über
^oytaral und auvijyopoi:) und Kap. 48 (über Xoyiaxai und suBuvoc) unter
Heranziehung des Citates im Lexicon Cantabrigiense hinweist, findet er
im ersten vor allem das Resume im Kap. 41 äusserst verdächtig, dann
bemerkt er, dass die Darstellung der dp/aia noXtreca in Kap. 3 nach
dem Kylonischen äyog an die unrechte Stelle gerathen sei, wie vielleicht
auch die Erzählung über die ardiacg im zweiten, welche der Gesetzgebung
des Solon unmittelbar vorhergehen musste; ganz unbedenklich wird das
Kap. 4 (über Drakon) verurtheilt als afterthought taking the place of
history; endlich werden als äusserst verdächtig bezeichnet das aus dispa-
raten Elementen bestehende 27-te und das in sich selbst an Widersprüchen
leidende 30-te Kap.: im ersteren wird ganz unerwartet Perikles als Gegner
des Areopag eingeführt und gleich darauf die Bestechung des Gerichtes
durch Anytos erwähnt, die erst im J. 409 stattfand; in letzterem sollen
die Archonten gewählt werden ix npoxpcTojv und gleich darauf ist die
Rede von ihrer Erloosung, während die Hellenotamien bald als Raths-
mitglieder erscheinen, bald keinen Antheil an dessen Sitzungen haben.
Die meisten dieser Einwände zeigen nur, dass die Composition des Wer-
kes vielleicht nicht so vorzüglich, die Ausdrucksweise nicht so klar ist,
wie manche es im ersten Enthusiasmus gefunden haben. Ueber den Auf-
bau der ersten Kapitel muss, wer gerecht sein will, sich jeglichen Ur-
theils enthalten, da es nicht ausgeschlossen ist, dass bei dem Verluste
des Anfangs das, was jetzt Anstoss erregt, höchst kunstvoll motiviert
war. Was aber die zwei letztgenannten Kapitel betrifft, so kann man
im 27-ten durchaus nichts austössiges darin finden, dass bei der politischen
Thätigkeit des Perikles auch seines Vorgehens gegen den Areopag Er-
wähnung geschieht und dass Aristoteles um die allmälige (del päXXov)
Verschlechterung der Gerichte concreter zu charakterisieren auch der Be-
stechung derselben durch Anytos vorausgreifend gedenkt. Im 30-ten Kap.
kann Referent auch keinen Widerspruch entdecken, denn der Ausdruck
acpeTaßac ist unbestimmter Art und kann sowohl auf Wahl, als Loos gehen,
ni. Höhere Kritik. 41
steht also in keinem Gegensatze zu dem folgenden xXrjpoov und von den
Hellenotamien heisst es, dass sie aus den Rathsraitgliedern bestellt wer-
den und die gerade in Funktion befindlichen nicht im Rathe mitstimmeu
sollen — selbst wenn diese Bestimmung sich auf das ganze Collegium
bezöge (Ref. meint nur auf einen wechselnden geschäftsführenden Aus-
schuss), so wäre daran nichts Unerhörtes. Der Einwand endlich, dass
dieses und das folgende {31-te) Kapitel manches der Erzählung des Thuky-
dides Widersprechende enthalten, ist vollkommen unbeweisend : gerade
solcher Widerspruch gegen eine Autorität wie Thukydides — und dies
müssten manche Gelehrte bedenken — ist einem untergeordneten Scri-
benten viel weniger zuzumuthen, als einem selbständigen Geist wie
Aristoteles.
Aus anderen Gründen ist der Verdacht der Interpolation entstan-
den, welcher den französischen Uebersetzer Th. Reinach') bewogen hat
aus dem echten Text das Kapitel 4 (über Drakon), Anfang des 8-ten (Wahl
der Archonten ex npoxpkwv) und Mitte des 25-ten (Antheil des Themisto-
kles am Sturze des Areopag) als Interpolation auszuscheiden. Da die betref-
fenden Aufsätze dem Ref. unzugänglich waren, kann er sich nur im all-
gemeinen äussern, dass die Motive hauptsächlich historisch-kritischer Art
waren : die in diesen Kapiteln enthaltenen Thatsachen finden keine Unter-
stützung in unserer sonstigen Ueberlieferung, ja scheinbar widersprechen
sie den Angaben des Aristoteles selbst in der Politik; gegen den Wahl-
modus der Archonten in Kap. 8 speciell führt Reinach noch Widerspruch
mit Kap. 22 an. Letzterer Einwand ist schon von W. BuseskuP) ent-
kräftet worden durch den Hinweis, dass es hier heisst, die Athener hätten
das Loos eingeführt im Jahre 487 tots }i£Tä rrjv ropawiSa npäftov —
also vor der Tyrannis war das Loos im Gebrauch gewesen. Die über-
raschende Neuheit einiger Angaben der Politeia darf weder gegen die
Autorschaft des Aristoteles in's Feld geführt werden, noch dazu dienen,
die betreffenden Stellen für Interpolationen zu halten — ob sie unseren
Glauben verdienen, ist Sache einer speciellen Untersuchung. Ref. selbst
hat über das 4-te Kapitel die Vermuthung geäussert, dass es ein späte-
res Einschiebsel sei (dazu haben ihn Gründe der Composilion bewogen:
erstens heisst es, dass Solon Ttp.7jp.aTrx ScelXev eig xizzapa riXrj xa^änep
Sc-^pri-o xai Ttpözepov und letztere Worte sehen einem Zusatz äusserst
ähnlich; zweitens werden die vier Klassen, von Drakon eingeführt, erst
unter Solon beschrieben; drittens wird der Solonische Rath als etwas
Neues eingeführt, als ob ihm der so ähnliche Drakontische nicht voran-
1) 87. Th. Reinach, Trois passages du livre d'Aristote (Acad. des
Inscr. 5 Juin: cfr. Rev. crit. No. 24). 88. Idem, Aristote ou Critias? (Rev.
des etudes gr. IV, 14, p. 143—158).
2) In der Recension von Stern's »Neuentdeckte athenische Staatsver-
fassung«, in der (Russischen) Fhil. Rundschau II, 2, ö. 153,
42 Aristoteles, %%Tjvaiu)v noAtreta.
gegangen sei). Dabei hat er aber den aristoteliscben Ursprung auch
dieses Kapitels nicht in Zweifel gezogen: der Verfasser hat sich im Ver-
lauf seiner Arbeiten überzeugt, dass die Demokraten auf ihren Helden
Solüi) Ehren gehäuft hatten, die ihm nicht zukamen, und seine bessere
Einsicht fügte er im Texte des 4-ten Kapitels hinzu ohne die ganze Par-
tie einer durchgreifenden Ueberarbeitung zu unterziehen.
Einige kleinere (vermuthete) Interpolationen können erst in der
Uebersicht der Textkritik berücksichtigt werden.
IT. Erläuterungsschriften.
1. Allgemeine.
Hier ist nur ein Werk zu nennen, das schon früher gelegentlich
angeführt wurde;
89. A. Bauer, Literarische und historische Forschungen zu Aristo-
teles' 'A^r^vaiojv TzoÄc-sia. München (Beck). 1891. 190 S.
Reo.: D. Lit.-Zeit. No. 47. V^^och. f. class. Phil. 1892, No. 1 (Rühl).
Lit. Centr.-Bl. 1892, No. 4 {kl). N. phil. Rundschau 1892, No. 4
(Swüboda). Äcademy, No. 1006 (Richards). Athenaeum, No. 3332,
Das Buch zerfällt, wie schon der Titel zeigt, in zwei Theile, von
denen der erste, kürzere, die Stellung der neuen Schrift in der griechi-
schen Historiographie festzustellen bestimmt ist, wobei ihrer Tendenz
(s. 0.) und dem Vergleich mit anderen Geschichtsschreibern, besonders
Thukydides, die Hauptaufmerksamkeit geschenkt wird. Der zweite, bei
weitem bedeutendere Theil behandelt die historischen Ergebnisse der
'AB. r.oX. mit besonderer Berücksichtigung der Chronologie, die Aristo-
teles seiner Verfassungsgeschichte zu Grunde gelegt hat, wobei Verf.
versucht, die Angaben der neuen Schrift in Einklang zu bringen mit den
anderweitigen Nachrichten. Die Untersuchung zerfällt in drei Abschnitte:
die Solonische Gesetzgebung und die Tyrannis der Peisistratiden ; die
Pentekontaetie; die Verfassungskämpfe von 411 — 403. Die Ilauptresul-
tate der zwei ersten Abschnitte sind zusammengefasst in ausführlichen
»Zeittafeln von 594/3 — 446/5«. Der Inhalt der Schrift sichert ihr bei der
grossen Gelehrsamkeit des Verfassers einen hervorragenden Platz in der
Aristoteles-Litteratur, aber bei weitem nicht mit allen Ergebnissen der-
selben kann man sich für einverstanden erklären, da der Hauptgesichts-
punkt und die Methode nicht einwandsfrei sind. Der Verfasser sucht
eine einheitliche geschichtliche Ueberlieferung zu reconstruieren, alle
Widersprüche zu uniformieren, und wenn ihm das nicht gelingen will,
scheut er nicht vor gewaltsamen Mitteln zurück, dabei geht er aus von
dem Staudpunkt der Unfehlbarkeit des Aristoteles alles, was mit ihm
uicht übereinstimmt, wird ohne weiteres aus dem Wege geräumt. Wenu
IV. Erläuterungsschriften. 43
bei Berechnung des Archontenjahres des Solon und der Chronologie des
Peisistratos die Zahlaugaben des Textes ganz willkürlich geändert wer-
den um Uebereinstimniung mit der recipierten Chronologie zu erreichen,
so flösst dies schon Bedenken ein: obgleich nicht zu leugnen ist, dass
gerade die Zahlzeichen in den Handschriften oft sehr verdorben sind,
darf man doch die durch Conjectur gewonnenen Daten nicht für authen-
tisch beglaubigte ausgeben. Auch die Festsetzung des Archontats des
Damasias auf das Jahr 583/82 auf Grund der sehr bedenklichen drei je
5 -jährigen Zwischenräume wäre trotz des ziemlich sicher (früher) er-
schlossenen Datums 585/4 noch ganz annehmbar. Aber starken Wider-
spruch wird es sicher hervorrufen, dass auf Grund des Zeugnisses des
Aristoteles von Themistokles' Theilnahrae am Sturz des Areopag im
Jahre 462 die ganze Chronologie der Pentekoutaetie umgestürzt wird,
nicht ohne starke Textänderungen bei Thukydides und sehr gewaltsame
Auslegungen seiner und anderer Angaben. Freilich ist die Zeitrechnung
dieses Abschnittes griechischer Geschichte eine der dunkelsten Fragen,
welche sie bietet, und wird wohl nie zu allgemeiner Zufriedenheit fest-
gestellt werden, aber gerade deshalb ist die grösste Vorsicht unbedingt
erforderlich: wenn wir zu Gunsten des Aristoteles einige bis jetzt fest-
stehende Pfeiler derselben untergraben oder gar wegräumen, was kann
das ganze Gebäude dann vor Einsturz und Auflösung in Eiuzelblöcke
bewahren? Es scheint doch, dass bei Aristoteles eine andere Zeitberech-
nung und Folge der Ereignisse zu Grunde liegt als bei Thukydides —
wer von ihnen Recht hat, rauss erst genauer untersucht werden, aber in
Einklang zu bringen sind ihre Nachrichten wohl kaum. Der letzte Ab-
schnitt bietet weniger Anlass zu Widerspruch, aber auch weniger Inter-
esse dar. Nichts desto weniger wird jeder, der sich mit der 'Af^rjvrxcujv
TZüXtreta beschäftigt, das Buch Bauer's, dessen reicher Inhalt sich nicht
in einem kurzen Berichte zusammenfassen lässt, selbst in die Hand
nehmen müssen.
2. Specialuntersuchungen.
Unter diesem Titel sind die Beiträge zur Interpretation oder histo-
rischen Kritik einzelner Stellen, so weit es möglich war, in der Reihen-
folge der Kapitel zusammengestellt, indem natürlich von den Anmer-
kungen in den Ausgaben, Uebersetzungen u. s. w. abgesehen worden ist.
90. H. Di eis, Ueber Epimenides von Kreta (Sitz.-Ber. der Königl.
Preuss. Akad. vom 16. April).
Verf. prüft die zwei entgegengesetzten Nachrichten des Piaton,
dass Epimenides um das J. 500 in Athen gewirkt habe, und des Aristo-
teles, welcher ihn in Verbindung mit dem Kylonischen äyog vor Solon
ansetzt, und kommt zu folgendem Ergebniss. Epimenides ist eine histo-
rische Persönlichkeit, ein berühmter Katharte, der um die Wende des
44 A rhiotelee, 'A<&rjvaiwv noAneia.
Vn. Jahrh. gelebt hat und Atheu wirklich nach dem Frevel entsühnte,
aber nicht sofort, denn längere Zeit haben die Alkmeoniden und ihre
Genossen ruhig weiter regiert ohne sich an das ayog zu kehren in jener
religiösen Aufklärung, welche auch im Epos hervortritt, und erst viel
später ist das Bürgerthum, in dem der »pelasgische« Glaube an die
dunklen Mächte unter der Erde stark war, mit seiner Forderung der
Sühne durchgedrungen. Hundert Jahre später ist zur Zeit des Kleisthe-
nes die Erinnerung an das ayo; wieder erwacht und zugleich auch Epime-
nides aus hundertjährigem Schlaf auferstanden, nämlich unter seinem
Namen von Onomakritos orphische Fälschungen sammt Orakeln in Um-
lauf gesetzt. Verf. glaubt, dass damals eine ganze Reihe von Ereig-
nissen der jüngsten Zeit in Epimenideischeu Orakeln dargestellt und auch
auf den ersten Perserkrieg Bezug genommen wurde. Dadurch sollte in
Athen der Glaube erweckt werden, dass es den Peisistratiden beschieden
sei wieder in die Stadt zurückzukehren.
91. J. W. Headlam, The Constitution of Draco (Class. Rev. V, 4,
p. 166-68).
Das in Widerspruch mit der Politik 11, 12 stehende 4-te Kapitel der
Politeia ist interpoliert. Kein späterer Schriftsteller (auch Plutarch nicht)
kennt es und es stimmt nicht zu anderen Angaben der Politie selbst (vgl.
Kap. 7 u. 41). Die Anknüpfung an das vorhergehende: Jpdxcov rous
^saixouc i&r^xav rj dk zd^ig aurrj etc. ist irrthümlich, denn zä^ig (Ver-
fassung) kann nicht in den &£<t/xo} miteinbegriffen sein, da letztere nur
die »Verordnungen eines Gesetzescodex« bedeuten können. Auch sach-
lich finden sich viele Anstösse: 1. die Vermögensangaben in Geld, wäh-
rend zu dieser Zeit nach Korn gerechnet wurde, und zwar der Census
von nur 10 Minen für die Archonten = 1000 Drachmen, indess der solo-
nische Zeugit mehr denn 2000 besitzen musste; 2. die hervorragende
Stellung der Strategen; 3. der Turnus, nach dem alle Bürger der Reihe
nach zu den Magistraturen erloost wurden, was entschieden demokratisch
wäre; 4. die Existenz einer ßouÄrj vor Solon, dem weiter die Schaffung
eines neuen Rathes neben dem vom Areopag zugeschrieben wird Die
ganze Verfassung ist danach ein Anachronismus und da sie eine auffal-
lende Aehnlichkeit mit derjenigen des J. 411 zeigt, muss sie als Erfin-
dung eines Theoretikers dieser Zeit gelten. Durch einen späteren Leser
ist sie in den Text gelangt.')
92. G.Schultz, \4f)iaTOTikoug 'Adrjvac'wv noXcreca, viertes Kapitel
(Russische phil. Rundschau, II, p. 33—44).
Verfasser sucht nachzuweisen, dass die Erwähnung der von Drakon
kodifizierten und schriftlich fixierten Gesetze im 41-ten Kapitel, von einem
1) Zu demselben Resultate gelangt auch Tb. Reinach, La Constitution
de Dracon et la Constitution de i'an 411 d'apräs Aristote (Rev. des etudes
gr. IV, 13, p. 82—85;. Vgl. oben cit. Aufsätze desselben.
IV. Erläuterungsschriften. 45
Leser missverstanden, zu der Fingierung einer Verfassung des Drakon
und Interpolation der diesbezüglichen Sätze im 3-ten u. 4-ten Kap. geführt
hat. Als Hauptbeweis dient ihm, ausser dem Widerspruch mit der Po-
litik, der Umstand, dass im Resume für die Verfassung des Drakon kein
Raum sei: diejenige des Theseus ist als zweite, die des Solon als dritte
genannt. Anders aber als Headlam und Reinach hält Schultz nicht das
ganze 4-te Kapitel für Interpolation, ja lässt sogar die auf Drakon bezüg-
lichen Worte fast unverändert, indem er sie auf die Gesetze desselben
deutet, er hält sie nur entweder aus dem Anfang der Schrift oder, wahr-
scheinlicher, aus dem 41-ten Kap. hierher versetzt und dieselbe entfernend
liest er danach: ij ok -d$tg aurij st. aorrj, indem er diese Worte auf die
vorsolonische, sogenannte Theseische Verfassung bezieht. In Folge dessen
werden die Kap. 3 und 4 in ein Gesaramtbild zusammengezogen und dazu
die nöthigeii Streichungen und Aenderungen vorgenommen: so wird die
Darstellung des Areopag im 3-ten Kap., welche mit derjenigen im 4-ten
concurrieren würde, als nach dem 8-ten Kap. interpoliert gestrichen, die
Nachrichten über den Rath der 401 und über die Strafen für Nichtbesuch
der Versammlungen als verdächtig bezeichnet u. s. w. Abgesehen davon,
dass viele dieser Aenderungen viel gewaltsamer sind, als die einfache
Sti-eichung des 4-ten Kap., gelingt es auch so dem Verfasser nicht sachlich
und sprachlich ein annehmbares Ganzes herzustellen: die Wahl der Beam-
ten durch die Waffenfähigen widerspricht der Angabe des 8-ten Kap., dass
»in der Vorzeit« (doch wohl nach Theseus und also vor Drakon) der
Areopag sie nach eigenem Ermessen bestellte ; die Einführung des Census
für Archonten und Strategen noch vor Drakon »in der Konstitution des
Theseus« ist geradezu absurd; die Verbindung zä jxkv ouv Tzs.pi rag- äpy_aq
ruurov sc^£ "Cuv zponov rj ok zd^ii auzrj zuvoe züv zp unov £?/£
ist nicht nur grammatisch bedenklich, stilistisch-kakophonisch, sie ist
auch logisch unmöglich, denn erstens umfasst die zdqig auch die äpiat
und zweitens beginnt ihre Darstellung — mit den Archonten und Stra-
tegen, d. h. den dp'/_fj.i, welche eben abgehandelt sein sollen. Aber mehr
noch: der Verfasser meint, der Interpolator habe das 41-te Kapitel miss-
verstanden — er hätte besser gethan es selbst sich genauer anzusehen.
Es ist wahr, dass Solon's Verfassung als dritte gerechnet wird, aber
falsch, dass diejenige des Theseus als zweite bezeichnet sei: sie ist
npüJZYj iyouaa noXiztlaq zd^tv, denn die von Jon wird nur als xa-
zdazamg bezeichnet. Dass dem so sei, beweisen die oben erwähnten elf
}j.e-aßoXac\ welche mathematisch 12 Verfassungen voraussetzen oder eine
Gründung (xazdazaatg) und danach (nach je einer jMZzaßokrj) 11 r.oXi-
zstai^ in deren Reihe diejenige Drakons die zweite ist.
93. G. Busolt, Zur Gesetzgebung Drakons (Philologus, N. F. IV, 3,
S. 393—400).
Verf. hebt ausführlich die Analogien zwischen der Gesetzgebung
Drakons, wie sie Aristoteles beschreibt, und der Verfassung des J. 411
46 Aristoteles, ^Ai^Tjvamv noXtrsta.
hervor, weist aber doch den Verdacht einer Fälschung ab. Die vor-
solonische Verfassung niusste oligarchisch gefärbt sein — das brauchte
ihr nicht angedichtet zu werden — und empfahl sich deshalb von selbst
zur Nachahmung der Vierhundert. Es giebt aber positive Zeichen für
ihre Genuität. Der Name der Tzsv-axocrcofxedcfivoc konnte der ersten
Classe nicht von Solon gegeben sein, da er 500 nirpa xä ^uvdfx^cu ^rjpä
xat uypa als Ceusus festgesetzt hatte, also bestanden die ■zcprjixaTa vor
ihm (dabei wird beiläufig bemerkt, dass der Ertrag von 500 aegineischen
Medimnen etwa den Capitalwerth von 100 Minen = Census der Strategen
repräsentiert). »Die für die wirthschaftlichen Verhältnisse zur ZiMt Dra-
kons so charakteristische Cbüsus- Forderung der ouac'a iXeul^spa d h.
Hypotheken-freies Eigenthum ist zweifellos echta, denn auf solchen Ein-
fall konnte kein Fälscher des V. Jahrhunderts kommen. Die Census-
Abstufung von 100 zu 10 Minen entspricht dem damaligen Verhältniss
des Goldes zum Silber, während aber der Ertrag eines Gutes von 10
aegineischen Minen etwa dem Solonischen Rittercensus gleichwerthig war,
ist der Census der ersten Classe von dem späteren Gesetzgeber stark
herabgesetzt worden, was seiner demokratischen Tendenz entsprach. Auch
die Geldstrafen für versäumte Sitzungen des Rathes und der Volksver-
sammlung dürfen nicht auffallen gegenüber den anderweitig bezeugten
Bussen, die in Rindern eben von Drakon festgesetzt waren: bei der
Knappheit des Baargeldes war im Privatverkehr noch die Naturalien-
leistung ziemlich verbreitet, der Staat aber forderte aus ßequemlichkeits-
rücksichten für sich Zahlungen in Gehi. Ref. erlaubt sich zu bemerken,
dass noch zu Solon's Zeiten das Didrachmon ßoü^ hiess (Poll. IX, 60
vgl. Plut. V. Thes. 25, wie vielleicht auch in Aristot. Pol. Ath. Kap. 10
herzustellen ist): ob nicht auch in Betreff der Drakonischen »Rinder«
dasselbe anzunehmen ist? Die weitere Bemerkung Busolt's, das Strate-
gen-Kollegium könne nach dem Kylonischen Blutbad zur Beschränkung
der Amtsgewalt des Polemarchen eingeführt sein, und was sich weiter
daran knüpft, beruht auf einer irrthümlichen Lesung: r^s 8k andar^g
CTfjarcäg rjye/xdiv r^v o a- pa-zrijö^ st. o r.oXiiiap'/^og^ wie das Ma-
nuscrij)t und alle Ausgaben geben - nicht bestätigt wird Ilerodot's Be-
richt über die Marathonschlacht, wie Busolt meint, sondern bestimmt
(wohl nicht ohne Absicht) widerlegt von Aristoteles.
94. Fr. Hultsch, Das pheidonische Masssystem nach Aristoteles
(N. Jahrbb. f. Phil. u. Päd. Bd. 143, 4, S. 262 -64).
In dem Kap. 10 ersieht Hultsch eine Bestätigung der Angabc An-
drotions über die solonische Münzreform, obgleich es schwierig zu ver-
stehen ist, wie er in den Satz: ^ //va izpozepov i/ouaa r^apcmlrjaiov
eßoüprfy.ov7a dpa/img dvszÄr^piüfhj talg sxardv den Sinn hineinlegen will,
dass »eine Schuld von loo alten Drachmen wurde mit 100 neuen leich-
IV. Erläuterungsschriften. 47
tern Drachmen, die nur den Werth von ungefähr 70 (oder nach Ändro-
tion von 73) alten Drachmen hatten, zurückgezahlt.« Weiter sucht er
auch die Worte rpecg xal i^rjxov-a {ivä^ tu zdAavrov dyuüaas verständ-
lich zu machen, indem er st. zpsTg xal — rouTsazcv liest und den ganzen
Satz deutet: »er führte ein [neues] Gewicht [statt des früheren aigine-
tischen] ein, nämlich so, dass nun 60 Minen [gemünzten Geldes] ein
Talent wogen« — das würde ja ganz klar sein, wenn es nur so im Texte
stände. In Betreff des pheidonischen Maasses. welches nach Aristoteles
kleiner war als das solonische, schliesst Hultsch, dass es identisch ge-
wesen sein muss mit demjenigen, »aus welchem mit Aufschlag von Vi2
der attische Metretes abgeleitet ist: dieses Maass, gleich der altägypti-
schen Artabe und dem babylonischen Epha, war bisher zwar als jüngeres
Provinzialmaass in verschiedenen Gestalten, nicht aber auf griechischem
Boden nachzuweisen.«
95. U. Köhler, Die Zeiten der Herrschaft des Peisistratos in der
TtohTtia 'At%jvat'ajv (Sitz.-Ber. der Königl. Preuss. Akad. d. Wiss. zu
Berlin, 1892, vom 7 April. 7 S.).
Die Abhandlung enthält, eigentlich, mehrere Einzelausführungen,
durch welche die Methode des Aristoteles erläutert wird. In der Er-
zählung über die Tyrannis des Peisistratos ist Herodot die Hauptquelle
desselben, aber er hat auch einen anderen Bericht benutzt: ihm verdankt
er die chronologischen Angaben über diese Zeit. Dieselben sind werth-
los, weil künstlich erschlossen : aus der Regierungsdauer des Peisistratos
sind die 10 Jahre des zweiten Exils (nach Herodot) abgezogen und der
Rest (23 J.) in vier fast gleiche Abschnitte getheilt. Aus dieser Ver-
quickung zweier Quellen erklärt sich auch der Widerspruch zwischen
Kap. 17 und Pol. VIII, 12, 1315b 31: in letzterem hat Aristoteles nach
seiner Berechnung aus den 33 J. die 10 + 6 J. des Exils abgezogen, in
ersterem nach Herodot von den 36 J. der Tyrannis die 17 des Hippias.
Auch in der Erzählung von Kleisthenes und Isagoras zeigen sich Spuren
verschiedenartiger Quellen: ganz falsch ist die Datierung der Reform
»unter dem Archontat des Isagoras«, da sie entweder im folgenden Jahre
oder jedenfalls nach seiner Vertreibung bewerkstelligt ist, als »der Archon
Isagoras von der Bühne verschwunden war«. »Belehrend als Beispiel
der Methode des Verfassers« findet Köhler die Berechnung (Kap. 24)
der 20 000 Soldempfänger unter der attischen Bürgerschaft: »nicht die
Einzelposten (von denen die doppelt-700 dp/ac unmöglich sind), sondern
die Summe ist für Aristoteles das Primäre gewesen« und diese soll ent-
standen sein aus der Scene in deu »Wespen«, wo den 1000 Städten je
20 Bürger zur Verpflegung übergeben werden sollen. Auch in Kap. 25
zeigt sich, abgesehen von der »läppischen, chronologisch unmöglichen
Erzählung von der Intrigue des Themistokles«, durch welche die Erwäh-
nung des Perikles verdrängt worden ist, eine von den sonstigen verschie-
48 Aristoteles, 'A'^rjvaiwv noXirtia.
dene Quelle: die censorischen Befugnisse des Areopag werden hier als
inu^sra bezeichnet, während sie sonst bei Aristoteles als von der Vorzeit
her ihm zukommend betrachtet werden — fasst man die incf^sra als die
Machtbefugnisse auf, die der Areopag sich während der Perserkriege
angeeignet habe, so müsste man annehmen, dass nach Ephialtes derselbe
nochmals gestürzt sei. Diese Ausführungen würden für die Glaubwürdig-
keit des Aristoteles vernichtend sein, wenn sie über allen Zweifel erhaben
wären: dass dies nicht ganz der Fall ist, darüber erlaubt sich Ref. fol-
gende Andeutungen. In Betreff der Daten der Tyrannenherrschaft fasst
Köhler die Worte irec SüjSsxdzoj /xeru raDr« (Kap. 14, 4), augenschein-
lich, als von Beginn derselben gerechnet, aber dann müsste es wenigstens
jjLSTa zaÖTrr^v (auf das vorhergehende xazdaraaiv bezogen) heissen: so
wie es jetzt steht, kann es nach dem Usus der Schrift nur bedeuten »im
zwölften Jahre nach der Vertreibunga — dies ist chronologisch unmög-
lich, die Zahl verschrieben, verdorben, aber auch etwaige Schlüsse hin-
fällig. Die Zahl der 20 000 Soldempfänger soll dem witzigen Einfall
eines Komikers entlehnt sein und zu dem Zweck die Einzelposten fin-
giert, aber nur für einen hat das der Verf. zu behaupten gewagt — für
die je 700 ^ij^jcai ivdrj/xuc und uTzs/wpiut: für die letzteren wird diese
Zahl als verdorben augesehen, für erstere ist sie garnicht so exorbitant
gross, ja sogar sehr wahrscheinlich, wenn man bedenkt, dass beim Zu-
sammenzählen der im zweiten Theile erwähnten dpx'^'^ ^'*^'' ^^^^ ^^^ ^""
den und dabei erstens manche im V Jahrb. vorhandene fehlen (z. B. die
10 Hellenotamien, die 10 rajitat ribv äXkujv &£wv, die 20 rajuat tujv
batujv ^^prj/idzujv u. and.), zweitens die massenhaften fjjn^pszai nicht ein-
gerechnet sind. Endlich die imthza des Raths vom Areopag könnten
nur dann ganz richtig beurtheilt werden, wenn wir die Darstellung von
dessen ursprünglicher Einsetzung bei Aristoteles besässen: vielleicht hielt
er die Blutsgerichtsbarkeit für alleinige Grundlage von dessen späterer
Machtfülle?
96 K. Wachsmuth, Zur Topographie von Athen (Rhein. Mus.
XLVI, 2, S. 327-29).
Aus dem Kap. 15, wo erzählt wird, dass Peisistratos die Bürger
im Anakeion zusammenberufen habe, sie durch List entwaffnet und die
Waffen elg zd -nh^mov olxijuaza zoü Hr^aecou eingeschlossen, gelangt
Wachsmuth zur Folgerung, das Theseion sei neben dem Anakeion zu
suchen entsprechend der Erzählung des Pausanias: der Schluss ist hin-
fällig geworden, da in der neuesten Auflage Kenyon ausdrücklich bezeugt,
dass auch an erster Stelle »Theseiou« (nicht Anakeion) als Ort der Volks-
versammlung genannt werde Dagegen ist die zweite Bemerkung Wachs-
muths richtig, dass nämlich die zweimal bei Aristoteles (Kap. 42 u. 61)
genannnte 'Axzij die andere Höhe der Peiräushalbiusel ist.
tV. Erläuterungsschriften. 49
97) W. R. Paton, The Decelean Inscription and attic phratries
(Class. Rev. V, 5, p. 221—23).
Verf. sucht gegenüber Tarbell (American Journ. of Archaeol. V,
p. 135 et VI, p. 318) seine Auflassung über jiwi und Phratrien mit Her-
anziehung der ''A^-qvalujv -nokreca zu halten. Von Alters her enthielt
jedes yivog 30 oixoydXaxreg oder ysvvrjTai, und neben dieser geschlosse-
nen Zahl eine wechselnde von Orgeonen und je 30 jevr^ bildeten eine
Phratrie (so dass yevvrjTac bezeichnen konnte: 1. alle Mitglieder eines
yivoQ\ 2. die privilegierten Dreissig; 3. die 900 privilegierten Mitglieder
der Phratrie). Kleisthenes hat nach Aristoteles an dieser Institution
nicht gerüttelt, aber die von ihm in grosser Zahl aufgenommenen Neu-
bürger sind (wohl nicht sogleich) zwar nicht in die yivrj^ wohl aber in
die Phratrien aufgenommen worden, wo sie eigene Btaaot nach Beispiel
der Orgeonen bildeten; die Phratrien zerfielen den Demen entsprechend
in mehrere olxoi mit beschränkter Selbstverwaltung unter Controlle der
900 yevvrjTat als Repräsentanten der Phratrie. Ueber die Aufnahme der
Neubürger in die Phratrien urtheilt Ref. ungefähr ebenso, im übrigen
kann er der sehr complicierten Hypothese keinen Geschmack abgewinnen.
98. E. Szanto, Die Kleisthenischen Trittyen (Hermes, XXVII, 2,
S. 312-14).
Auf Grund der aristotelischen Nachricht, dass jede der 10 Phylen
von Kleisthenes aus je drei in den verschiedenen Landestheilen Attikas
gelegenen Trittyen gebildet war, sucht der Verfasser die uns bekannten
Trittyen zwischen der Paralia, Mesogäa und dem Asty zu vertheilen,
z. B. für die Phyle Pandionis war die städtische Trittye — Kudaf^rjvaccjv,
die paralische — Mopßivouacwv , die mesogäische - Hacavisojv. Dabei
nimmt er an, dass die einzelne Trittye kein zusammenhängendes Gebiet
zu bilden brauchte, was er aus dem Beispiel der Hippothontis erschliesst:
von dieser sind zwei Trittyen bekannt, die eleusinische (in der Paralia)
und die peiräische (städtische), die dritte (mesogäische) muss sich um
Dekeleia gruppiert haben ; es bleibt aber noch der Demos Azenia übrig
»westlich vom Cap Suuion gelegen, der also mit Eleusis eine Trittys ge-
bildet haben muss, sodass also die paralische Trittys der Hippothontis
geographisch getheilt gewesen ist«. Ref. hatte schon früher Gelegenheit
auf diese Fragen ausführlicher einzugehen^) und während im übrigen
seine Resultate sich mit denjenigen Szanto's decken, ist er zur Ueber-
zeugung gekommen, dass jede Trittys (wie man auch aus Aristoteles
schliessen muss) ein geschlossenes Gebiet einnahm: die Schwierigkeit mit
dem Demos Azenia löst sich s. A. nach bequem, wenn mau berücksich-
tigt, dass im Texte Strabo's (IX, 1, 21, p. 398), auf dem die Localisie-
1) Bürgerschaft und Volksversammlung zu Athen. Bd. I, S. 322—38.
Jahresbericht für Altenhumswissenschaft. LXXV Bd. (1893. I.) .^
50 Aristoteles, '.^tJijvat'wi' noXirsia.
rung beruht. ^A!Ir^vtecg — Conjectur ist statt des handschriftlicli überlie-
ferten '/^cj^^c??, welches ebenso leicht in "Azr^vseg verbessert werden kann
und niuss — der Demos Atene reiht sich auf's beste den sonst in diesem
Küstenstrich gelegenen Demen der Antiochis an (wie auch A. Milchhöfer
ihn vermuthungsweise hier ansetzte) und bildet mit denselben die para-
lische Trittys dieser Phyle.
99. G. Font an a, Aristide nella costituzione degli ateniesi (Estratto
dalla Biblioteca delle scuole italiane, No. 11—12, Vol. IV). 26 S.
Der Verfasser findet, dafs Aristoteles dem Aristides und seiner
Politik nicht gerecht werde, und sucht in langer Auseinandersetzung
nicht ohne manche Wiederholungen ihn zu widerlegen, indem er sogar
meint, das »falsche Licht, welches auf den unbefleckten und tugend-
haften Patrioten geworfen würde, lasse den nicht unbegründeten Zweifel
an der Autorschaft des Aristoteles entstehen«. Es ist ein Kampf gegen
Windmühlen. Denn die Stelle des Aristoteles, welche den Augriff Fon-
tana's herausgefordert hat, lautet (Poland): »auf sie folgt als siebente
(Verfassung) diejenige, welclie Aristeides anbahnte und Ephialtes da-
durch zur Vollendung brachte, dass er die Macht des Areopagitischen
Rates aufhob; unter ihr geschah es, dass die Stadt unter dem Ein-
flüsse der Demagogen der Meeresherrschaft zuliebe sehr viele
Fehler beging«. Kein Wort des Vorwurfes gegen die Ehrenwerthig-
keit des Aristides kann Ref. hier finden, denn ganz richtig bemerkt Fon-
tana, dass man »Aristides nicht zur Schuld rechnen dürfe, wenn die
menschlichen Leidenschaften die von ihm eingeführten demokratischen
Neuerungen zum Schlimmen wendeten« , nur durfte er dieses Argument
nicht mit grossem Pathos gegen Aristoteles ausspielen. Er hätte es
auch nicht gethan und seine ganze Abhandlung ungeschrieben gelassen,
wenn er sich nicht auf das Resume beschränkt, sondern das ganze Werk
genau studiert hätte. Wie flüchtig er dasselbe eingesehen hat, beweist
der Satz: »mit der Neunten Constitution triumphirte von neuem die De-
mokratie mit der glänzenden Epoche des Perikles und mit dem unsterb-
lichen Ruhme Athens« - eine schöne Phrase, schade nur, dass die
»Neunte Constitution« nach dem Sturz der Vierhundert eintrat, oder
sollte Verfasser nicht wissen, wer und wann die Vierhundert gewesen
sind? fast scheint es so, denn an anderer Stelle meint er unter Erwäh-
nung derselben Neunten Verfassung, dass »Aristides um 40 Jahre voraus
die politische Richtung Griechenlands geahnt habe« (?!). Ueberhaupt ist
der Verfasser von seltsamer Naivität, wie wenn er meint, im 25-ten Kap.
müsse man statt des Archon Konon — Kimon lesen, »der schon um 469
eines schönen Ruhmes genoss, denn wie könne da die Rede von Konon
sein, der erst 75. Jahre später als Staatsmann aufgetreten sei« (wört-
lich!!). Sehr interessant ist auch was wir über den Sturz des Themi-
stokles erfahren: »die Spartaner schenkten ihm einen Wagen, was sehr
IV. Erläuterungsschrifteu. 51
übel genommen wurde von den Athenern, und daraus entstand sein Hass
gegen sein Vaterland«. Risum teneatis araici!
100. W. Buseskul, Themistokles und die Reform des Areopag
durch Ephialtes (Journ. des Minist, der Volksaufkl. 1891, Juli, p. 12 —
24). Russisch.
101. E. M. Walker, The 'A&rjvacujv -nohrda and the chronology
of the years 462—445 (Class. Rev. VI, 3, p. 95—99).
Beide Forscher sind ganz unabhängig von einander zu gleichem
Resultate gelangt und zwar mit wesentlich denselben Mitteln: die An-
wesenheit des Themistokles in Athen im J. 462/61 ist unmöglich, weil
sie mehreren unzweifelhaft feststehenden Daten widerspricht. Als solche
werden von beiden betrachtet; 1. der Regierungsantritt des Artaxerxes
im Jahre 465, zu dem Themistokles kam, als er vs.(x)a-\ ßaadeüwv war;
2. die Niederlage bei Drabeskos in Verbindung mit dem Aufstand von
Thasos um 466/65 nach der Belagerung von Naxos, die zur Zeit der
Flucht des Themistokles nach Asien stattfand; 3. der Fall von Äigina,
der 5- und der 30-jährige Frieden mit den unmittelbar vorhergehenden
Ereignissen. Walker betont dabei, dass überhaupt die Angaben der
Wrjvauox' nohrBia in diesem ganzen Zeiträume ein anderes chronologische
System, als bei Thukydides, voraussetzen, wobei alle Ereignisse um etliche
Jahre später datiert werden. Buseskul dagegen, obgleich er beiläufig
dieselbe Bemerkung macht, legt darauf kein besonderes Gewicht und ist
vielmehr geneigt den betreffenden Abschnitt, wie es Tb. Reinach thut,
als spätere Interpolation aus dem Texte zu entfernen : als sehr beweisend
wird das Schweigen Plutarchs über diese Episode von ihm angesehen.
102. E. C. Marchant, The deposition of Pericles (Class. Rev. V,
4, p. 165 — 66).
Verfasser schlägt, anknüpfend au die Notiz der 'ABi^vatajv rtohreta^
dass die Strategen nach der sechsten Prytauie gewählt wurden, eine neue
Hypothese über die Absetzung des Perikles vor: früh im Jahre 430 ge-
wählt, ist er gleich nach Beginn des neuen Anitsjahres bei der Epichei-
rotonie abgesetzt, dann aber bei den Wahlen im Frühling des J. 429
wieder gewählt worden.
103. Th. Reinach, La Constitution de Dracon et la Constitution
de l'an 411 (Rev. des etud. grecques. IV, 13, p. 82—85).
Der Aufsatz war dem Ref unzugänglich. Nach dem Auszug in der
Berl. phil. Woch. (1891, No. 51, Sp. 1627) enthält derselbe folgende in-
teressante Interpretation zum 30-ten Kapitel. »Die BooXt) setzte sich nach
Aristoteles aus allen vollberechtigten Bürgern über 30 Jahre zusammen:
dieser Senat theilte sich in vier Gruppen, welche einander jährlich ab-
lösten, und zwar geschah die Reihenfolge durch Ausloosen. Nicht die
4*
52 Aristoteles, ''Af^rivaiwv noXneia.
einzelneu Mitglieder wurden durch's Loos ersvählt, sondern der in Func-
tion treten sollende vierte Theil der Bürgerschaft. Es komme auch so
keine allzu grosse Zahl heraus: Vollbürger gab es ca. 5000, über 30 Jahre
also höchstens 3000, und der vierte Theil davon, als Effectivstand der
jährlichen BuuXrj^ betrug 750 Personen«. Jedenfalls eine Deutung die
sehr beachtungswerth.
104. LordHarberton, Aristotle's Constitution of Athens, chapter
35 (Class. Rev. VI, 3, p. 123).
Verfasser findet Kenyou's Erklärung der Worte ex npoxpiriuv ex
Twv ^tXc'wv^ nämlich dass letztere epexegetisch zu r.poxptrwv gesetzt sei,
unmöglich, worin er wohl Recht hat. Aber sein eigener Versuch die
Schwierigkeit zu lösen ist nicht zu billigen. Er schlägt nämlich vor den
ganzen Passus (wohl von ysvu/xsvo: 8k x'j/jco: t^^ rujhujs au?) in's 33-te Ka-
pitel nach /ical^o^o/jcuv {ietzt /xcal^o^upov gelesen) zu versetzen mit Aende-
rung von ^cXcujv in nsv-axcar^t^io»: abgesehen von der Gewaltsamkeit
solcher Umstellungen, würden die eingesetzten Worte eine lästige Wider-
holung enthalten, da ja eben gesagt war, dass »die ganze Verwaltung
den 5000 übertragen war«.
105. U. Köhler, Herakleides der Klazomenier (Hermes, XX VH, 1,
p. 68—78).
106. 0. Immisch, Zu Aristoteles de republ. Athen, c. 41 (ßerl.
phil. Woch. 1891, No. 23, Sp. 707).
107. E. 0. Houtsma, Zu Aristoteles de republ. Athen. (Ibid.
No. 26, Sp. 801).
Alle drei Aufsätze dienen zur Erläuterung der Bemerkung des
Aristoteles über den Klazomenier Herakleides (Kap. 41), aber wälirend
die zwei letzteren sich begnügen Parallelstellen aus Autoren beizubringen,
wo derselbe Mann erwähnt wird (Plat. Ion, 541 D; Athen. XI, 506 A;
Ael. V. 14, 15; Hesych. s. v. Kka^opivcog, wo st. o ßabg xaXoüixevog —
o ßuachijg xal. zu lesen), ist es Köhler gelungen, mit Heranziehung eines
schon früher bekannten Decretfragmentes (Sitz.-Ber. der Berl. Akad. 1887,
S. 1060 = Bull, de Corr. Hell. 1888, p. 163) ein Bild des Lebensganges
dieses Mannes zu entwerfen und wichtige Facta der athenischen Ge-
schichte aufzuklären. Obiges Ehrendecret hatte Foucart auf den Byzan-
tiner Herakleides bezogen, der bei Demosthenes in der Leptinea zusam-
men mit Archebios genannt wird, und vermuthet, dass auf letzteren das
Decret gehe, von dem die letzten Zeilen sich auf demselben Stein er-
halten haben. Köhler bemerkt dagegen, dass nie Decrete für verschie-
dene Personen auf demselben Steine vereinigt wurden, auch die im Do-
kumente genannten rifiiaßetg ul rjipä to~j ßaatXiiug rjxovreg, welche für
Ilerakleides zeugen, attische Gesandte sein müssen, die vom persischen
IV. Erläute rungsschrifteu. 53
Hofe zurückkehren, also die Verhandlungen, bei denen der Geehrte eine
Rolle spielte, nicht mit Foucart auf den Antalkidasfrieden bezogen wer-
den dürfen. Bei Untersuchung der Frage, wann attische Gesandte bis
zum König gelangt sind, kommt Verf. auf die Sendung des Epilykos
(Andok. TT. alp. 29), welche er um 423 ansetzt: dass um diese Zeiten
Gesandtschaften an den Grosskönig geschickt wurden, schliesst er nicht
nur aus Wahrscheinlichkeitsgründen, sondern beweist es aus der Acharner-
scene. Bei dieser Gelegenheit hat der Klazoraenier als Arzt oder Dol-
metscher am persischen Hof, den Athenern Dienste erwiesen und ist mit
der Proxenie belohnt worden: auf seine Beziehungen zum Grosskönig
weise auch der von Aristoteles angeführte Spitzname o ßaatXBÖq. Später
hat er wohl bei Wiederherstellung der Demokratie Hülfe geleistet und
sei mit dem Bürgerrecht beschenkt worden: dieses sei, meint Köhler, der
Inhalt des ersten bis auf wenige Zeilen verlorenen Decretes gewesen und
bei dieser Gelegenheit wurde, wie dies nicht selten geschah, auch der
ältere Ehreubeschluss auf demselben Stein verewigt — das Ethnikon
KXaZo^ivtog füllt gerade die Lücke. Als extremer Demokrat ist dann
Herakleides Stratege (nach Piaton) und Finanzbearater , wie man aus
Aristoteles schliessen dürfe, geworden »in der letzten Zeit vor dem
Königsfrieden«.
108. J. H. Lipsius, Ueber das neugefundene Buch des Aristoteles
vom Staat der Athener (Ber. über die Verh. der Königl.-Sächs. Ges.
Phil.-hist. Gl. 1891, S. 41—69).
Der Verfasser hat sich zum Ziel gesetzt, »die Bereicherung unserer
Kenntniss des attischen Rechts und Rechtsverfahrens einer zusammen-
fassenden Erörterung zu unterwerfen«, wobei der erste, historische Theil
nur mit ein paar kurzen Bemerkungen gestreift wird, die Hauptaufmerk-
samkeit sich auf den zweiten Theil richtet. Der Reichthum des Aufsatzes
an Einzelbemerkungen lässt eine ausführliche Besprechung nicht zu: im
allgemeinen weist der Verfasser nach, dass Aristoteles auf Vollständig-
keit bei der Aufzählung der Rechtssachen keinen Anspruch mache, wie
sich an denjenigen, die der Vorstandschaft der Thesmotheten unterlagen,
und den 8cxat ifxixr^vot zeige, ebenso dass er es zuweilen an schärferer
juristischer Scheidung fehlen lasse, wie er z. B. zwischen ypö.(pa\ und olxai
nicht unterscheidet und das Wort Eisangelie nur im allgemeineren Sinne
gebraucht ohne auf den ^djiog elaayYZArtxog Rücksicht zu nehmen. Be-
sonders ausführlich beleuchtet Lipsius die aus Aristoteles neugewonnenen
Kenntnisse über die »Vierzig« und die »Diäteten«, über die gerichtlichen
Functionen des Rathes und die Rechenschaftsablage der Beamten.
109. Constitution of Athens, chapt. 52. The Eleven (Glas. Rev. V,
4, p. 169).
Die Stelle des 52-teu Kap. 5v /zev ojioXoywai ^avarw ^rj/Ltcuxrovra^,
äv 8' d/j.^i<Tßr^TÜ>(Tr/, slad^ovzag slg zu ocxaarfjpiov soll den Sinn haben:
54 Aristoteles, 'A19r]^/aiwv nokireia.
»wenn die Elfmänner unter einander einverstanden sind, strafen sie mit
dem Tode, wenn sie verschiedener Ansicht sind, so u. s. w.« Diese Auf-
fassung ist vollkommen widerlegt worden von H. Richards und W. Wyse
(Class. Rev. V, 5, p. 224) mit Hinweis auf Aesch. in Tim. § 113 und
Dem. XXIV, 65.
110. W. R. Hardie, The 8iatTrjrai (Class. Rev. V, 4, p. 164).
Gegen Kenyon hält der Verf. (mit Lipsius) an der Lesart der
Handschrift (Kap. 53) scaayyeUetv etg zoug oiaizrjzäg (nicht otxaardg)
fest, indem er auf das Beispiel des Straton in der Midiana und Bergk's
Erklärung dieses Falles verweist.
111. E.S.Thompson, On the age of the Scacrr^Ta: {Class. Rev.
VI, 4, p. 182).
Nicht nach vollendetem 60-ten Jahre, sondern während desselben
wurde der Athener StaizrjzrjQ.
112. Th. D. Goodell, Aristotle on the public arbitralors (Amer.
Journ. of Phil. XII, 3, p. 319—326).
Nachdem der Verfasser in Kürze die Bedeutung der 42 Jahrgänge
der attischen Bürger und die Bildung der Liste der Scatzrjxal erläutert,
sucht er mit Hülfe zweier Inschriften (C I.A. II, 943 u. 944) die schwan-
kende Zahl derselben ungefähr zu bestimmen - zwischen 103-231, was
er für eine Gesanimtbevölkerung von 20 000 Bürgern entsprechend findet.
Darauf weist er nach, dass die Schiedsrichter ein Collegium bildeten,
welches bei Verklagung eines Mitgliedes (z. B. des Straton) als Gerichts-
hof fungierte, sonst aber die Einzelfälle unter sich nach dem Loos ver-
theilte. Der grösste Theil der Abhandlung ist der Frage nach dem
gegenseitigen Verhältniss der mit Gerichtsvorstandschaft betrauten Ma-
gistrale gewidmet, mit spezieller Rücksicht auf die di'xai tji^rjvot. Dabei
kommt Verf. zu dem Resultate, dass die Angaben Aristoteles' zwar rich-
tig, aber nicht immer erschöpfend und vollständig seien: dieses Urtheil
deckt sich mit demjenigen von Lipsius, von dem er in Einzelheiten
manchmal abweicht, so in Betreff der elaayiuyeig und dei Frage, ob die
ililiT^Moi oixat die Instanz der Schiedsrichter passierten, welche er bejaht,
während Lipsius sie verneint.
Bericht über Aristoteles und die ältesten
Akademiker und Peripatetiker für 1886 — 1890.
Drittes Stück.
Von
Professor Dr. Franz Susemihl
in Greifswald.
Bevor ich fortfahre, muss ich noch ein paar Nachträge vorauf-
schicken :
Dexippi in Aristot. categ. comm. ed. Busse (s. No. 18) ist
von Wallies Berl. phil. Woch. XI 1891 Sp. 844—846, Arist. Metaph.
übers, v. Bonitz (s. No. 21) von Wallies ebendas. Sp. 1479f. ange-
zeigt, Bergson Quid Aristoteles de loco senserit (s. No. 34) von Suse-
mihl ebendas. XII 1892 Sp. 237f., Barthelemy-St. Hilaire's fran-
zös. Uebers. v. de gen. anim. (s. No. 55) auch von Bu Hing er N. ph.
Rdsch. 1887 Sp. 386 f, Aristot. Eth. Nie. ed. Bywater (s. No. 61) auch
von Richards Class. Rev. V 1891 S. 153 — 155, die unter No. 89 auf-
geführte Arbeit Wrobel's in d. Zeitschr. f. d. österr. Gymn. XXXVII
1887 S. 792 — 794, Schwarcz Kritik der Staatsformen des Aristoteles
(s. No. 106) ausführlich von Susemihl Berl. phil. Woch. XII 1892 Sp.
1062—1069, Averrois paraphrasis ed. Heidenhain (s. No. 115) auch
von E. Wellraann Deutsche L.-Z. 1891 Sp. 539 und P. Meyer N. ph.
Rdsch. 1891 Sp. 125f.
Für die Rhetorik ist nachzutragen, dass R. Scholl in dem
Sitzungsber. d. Münchener Akad., phil.-hist. Cl. 1889 II S. 26—46 er-
schienenen Aufsatz Mittheilungen aus Handschriften S. 33 — 38 sowohl
die Ber. L. S. 13 f. angeführte Vermuthung von Wilamowitz, es sei
III, 10, 1411a, 31 unter iv zw imra^/o» der 'Enirdftog des Gorgias, als
auch die Möglichkeit, es sei der des Pseudo-Lysias zu verstehen, wider-
legt und höchst wahrscheinlich gemacht hat, dass die Leichenrede des
Demosthenes auf die bei Chäroneia Gefallenen gemeint ist. Hat er
auch in letzterem Punkte Recht, so würde dies ein neuer Beweis dafür
sein, dass der unter dem Namen des Lysias überlieferte 'Ernzdipioq nicht
von diesem herrühren kann, da aus Scholl' s Darlegung auch dies folgt,
56 Aristoteles.
dass hier die betreffende Sentenz eine aus der von Aristoteles ange-
ftihrteu erborgte ist. Die von Di eis vorgeschlagene Streichung von 32
Tai Twv iv lahi^hi zsXe'jzr^aävrujv beschränkt Scholl mit Recht nach
Dobree's Vorgang auf h Za)M[icvi.
Der arabische Uebersetzer der Poetik, von dem Ber. LXVII
S. 154 ff. die Rede war, hiess nach A. Müller Arch. f. Gesch. der Phi-
los. IV 1891 S. 521 (mit A. 6) nicht, wie Margoliouth schreibt, Abu
Baschar, sondern Abu Bischr Matta.
Nachzutragen sind ferner
134 — 136) Ingram Bywater, The Litterature of Ancient Philo-
soph}- in England in 1886'. 1887. 1888. Arch. f. Gesch. der Philos. I
1888 S. 142 ff., II 1889 S. 499 ff., III 1890 S. 647 ff.
In dem ersten dieser drei Berichte wir4 S.' 142 — 145 die Ber. L.
S. 13 erwähnte, mir aber nicht zu Gesicht gekommene englische Ueber-
setzung der Rhetorik von Welldon^) und S. 145 f. die Ber. L. S. 4 — 6
in Betracht gezogene kleine Schrift von Innes, in der zweiten S. 491
— 501 die Analecta orientalia von Margoliouth (s. oben No. 113) und
S. 501—504 die Ausg. der Politik von Newman (s. oben No. 97), in
der dritten S. 654 f. die oben unter No. 1 aufgeführte Arbeit von Shute
besprochen.
Ich schliesse hier gleich ein Verzeichniss von Recensionen und
Anzeigen früher eischiencner Arbeiten an: Aristotelis fragmenta coli.
Rose (s. Ber. L. S. 1): Wallies Berl. ph. Woch. VII 1887 Sp. 430 —
433. Wohlrab Litt. Centralbl. 1887 Sp. 753f. Chiappelli Riv. di Fil.
XVII S. 134—136. — The Rhetorics of Aristotle translated . . by J.
E. C. Welldon: Sandys Academy XXXI 1887 No. 786 S. 38lf. Ed-
1) Ich will nicht unterlassen die von Bywater mitgetheilten Conjectu-
ren und Interpunctionsänderungen hier wiedorzugeben, obgleich Bywater
bemerkt, dass der ersteren nur wenige sind und von diesen wenigen uns nur
wenige viel helfen können. 1, 2. 1356b 12 i.7Z£i f. ixet. I, 4. 1359t> 38 eldi-
va<, ^ xal 1360a 38 ouv <voüv>. 1, 5. 1361b 22f. [xai yäp — i<nt^]. I, 7.
1363b 34f. [xat toO /leiCovog]. 1364b 3f. xai ävruetfiivws — xaUioug sei um-
zustellen »so as to make this clause precede the illustrations«. I, 10. 1368 b
23 dö^TjC^ ößuiwq. 1369» 4 f. ini>9u/iia. wot£. I, 11. 1371 t" 4 xai rd ikkinrj ini-
TE^eiv sei hier nicht am richtigen Platze. I, 15. 1376b 9 auvi97jxag, xai. II,
4 1381* 21 f. Ttßwat. xai xuüg dixaioug- zoioÜTuug. II, 5. 1382b 18 dvrjpfj-
xoreg. xai II, 6. 7. 8. 1385» 3 t«s, xai. 23 Spcug, xai. b32f. toütojv ß-fjr.
II, 9. 1386b 15 yiyvößtvov diö. II, 23. lM97a 27-29 »he regards the whole
clause xai el rw nenovi^ÖTt — noirjaavTt, xai ei Ttu 7roi7;<TavT«, xai tw nEnow-
i^oTt as a dittographia« (diesen Bericht verstehe ich nicht : die letzten Worte
xai el Tto notrjffai'Tt, xai r^ nenov^^rt fehlen ja in Ac und sind daher bereits
von Spengel und Römer gestrichen), big t/ttov <eJxds>. 1400» 7 ido^ev
f. Ido^ai^. II, 24. 1402a 13 üxög, äkkä. III, 16 1417» 38f. ünoßke(pag, xai.
Nachträge. 57
wards Class. Rev. I 1887 S. 98 — 101. Saturd. Rev. No. 1656 S. 127. —
Wirth Die drei ersten Capitel der Metaph. des Aristot. (s. Ber. XLII
S. 17ff.): Zahlfleisch Zeitschr. f. d. österr. G. XXXVIII 1887 S. 881
— 883. -- Heck Hauptgruppen des Thiersystems bei Aristot. (s Ber.
XLII S. 24lf.): 0. Keller Berl. ph. Woch. VH 1887 Sp. 497f. —
Aristot. de an. ed. ßiehl (s. Ber. XLII S. 22f.): Dembowski Woch. f.
kl. Ph. IV 1887 Sp. 430— 433 2). — Essen Ein Beitrag zur Lösung
der aristot. Frage (s. Ber. XLII S. 16 f.) und Dehlen Die Theorie des
Aristoteles (s. Ber. XLII S. 262): Schaarschmidt Philos. Monatsh.
XXIII S. 629 f. und S. 622f. — Tumlirz Die trag. Affecte Mitleid und
Furcht nach Aristot. (s. Ber. XLII S. 260ff.): Pajk Zeitschr. f. d. österr.
G. XXXVIII 1887 S. 798-801. Bullinger N. phil. Rdsch. 1888 Sp.
278. — Prisciani quae extanl ed. Bywater (s. Ber. L S. 20): ^. Berl.
ph. Woch. VII 1887 Sp. 737—739. R. D. Hicks Class. Rev. II 1888
S. 17 f. Bruns Deutsche L.-Z. 1888 Sp. 869—871 (zusammen mit Ex-
cerptorum Constantini de nat. anim. 1. II ed. Lambros, s. Ber. XLII
S. 246 f.).
Noch ist zu bemerken, dass in der Sammlung von
137) Herrn. Siebeck, Untersuchungen zur Philosophie der Grie-
chen, 2. Aufl., Freiburg i. B. 1888, Mohr. VIII, 279 S. 8.
ausser der älteren, schon in der 1. Aufl. stehenden Abb. über die Um-
bildung der peripatetischen Naturphilosophie in die der Stoiker (S. 181
— 252) auch die Ber. XXX S. 24. 78 ff. besprochenen Aufsätze Zu Aristo-
teles (S. 152 — 162) und Zur Katharsisfrage (S. 163 — 180) sich wiederfinden.
Nachzutragen ist ferner noch
138) Julien Havet, Les Proverbes d'Aristote en hexametres
latins. Revue de philologie N. F. XI 1887 S. 123 f.
Thurot Rev. crit. 1866 II S. 200 hatte zuerst ein Citat des Aristo-
teles bei Gunzo von Novara in einem zwischen 954 und 960 an die
Mönche von Reichenau gerichteten Briefe ans Licht gezogen, welches
dann Heitz Aristot. fragm. S. 345 unter die fragmenta incertae sedis:
2) Dembowski vertheidigt gegen Biehl die Lesarten und beziehent-
lich CoDJecturen I, 1. 403 1» 17 oö xwpiffrd. I, 2. 404 1> 10 TtoioüvTsc; ohne
raÜTag. I, 3. 407» 22 [vörjmg], I, 5. 410» 29 fiapTupet rö vöv Xs;('9£v. 411 b
25. öfioBiÖTj und äXXrjkotq. 11, 3. 415^ 9. to?s d' äUon alffi^rjrolg. III, 2. 426*
28. [xai eativ — abrö]. 111, 6. 431» 12. roüro. 111, 7 431 b 25 f. £«S duvdßsi
(oder rä duvd/iet) und elg ivBpyeia (oder rä ivspyeia). Dass Biehl II, 1.
4l2b 15 (soll wohl heissen 14) yäp geschrieben habe, beruht auf Irrthum,
Die CoDJecturen und Umstellungen Biehl's II, 2. 413» 29 und 111, 2. 426a
6—11 bezeichnet Dembowski, ohne sich näher hierüber auszulassen, als
zwar annehmbar, aber doch nicht durchaus erforderlich.
58 Aristoteles.
IV. 'Ano^Bey/iaTa No. 44 aufgenommen hat. Gunzo ftihrt nämlich als
provcrbiian Aristotelis an:
Limax in suo conclavi cormipeta sibi videtur^
Seqtie putat cursu timidis contendere damis.
Thurot und Heitz betrachten die erste Zeile nicht als Vers, wogegen
Havet sehr beachtenswerthe Einwendungen macht. Er versucht den
Hexameter so herzustellen:
Limax in concha sibi cornupeta (esse^ videtur
und meint, es sei dies ein Rest aus einer alten lateinischen Ueber-
setzung der napoiy-iat des Aristoteles (bei Laert. Diog. im Verzeichniss
No. 138, beim Anon. = Hesych. No. 127, wo freilich Tipooiiiüuv überlie-
fert ist, was, obgleich kaum als Titel einer Prosaschrift denkbar, doch
um so mehr ins Gewicht fällt, da bei Ptolem. No. 66* sich der Titel
■npoofjita findet), von deren Bekanntschaft wohl keine spätere Spur vor-
handen sei, da Gerbert Epist. 32 (36 Olliris) im J. 984 Ut limax in suo
conclavi corrupeta tibi videris wohl nur dem Gunzo nachgeschrieben habe.
Anhangsweise ist jetzt noch Allerlei möglichst kurz zu besprechen.
So zunächst
139) Supplementum Aristotelicum editum consilio et auctoritate
academiae litterarum regiae Borussicae. Vol. II. Pars I. Alexandri
Aphrodisiensis praeter commentaria scripta minora. De anima cum
mantissa. Edidit Ivo Bruns. Berlin 1887. G.Reimer. XVII, 232 S.
Lex. 8.
Dass Alexandros von Aphrodisias nur ein Buch rrs/n fp')X^j^ S^"
schrieben hat und das sogenannte zweite Buch nur eine ähnliche Samm-
lung von Problemen ist wie die Quaestiones naturales, erkannte Freu-
denthal in der Ber. XLII S. 248 besprochenen Arbeit iS. 13 Anm.
S. 27 A. 2). Daher hat Bruns, der sie übrigens grösstentheils für ein
wirkliches Eigenthum des Alexandros hält, sie nur als mantissa bezeich-
net und beigegeben. Eine genauere Berichterstattung liegt ausserhalb
der Grenzen meiner Aufgabe, und ich darf mich daher begnügen auf
die Recensionen im Litt. Centralbl. 1887. Sp. 1662 f. und von Heitz
Deutsche L.-Z. 1888. Sp. 1072 f. zu verweisen, indem ich nur noch be-
merke, dass Bruns den Text auf den Cod. Ven. 258 aus dem 10. Jahrb.,
den Archetypos für die in der einzigen bisherigen Ausgabe, einer Aldina
V. J. 1534 (in welcher die Paraphrasen des Themistios voraufgehen),
benutzte sowie allem Anschein nach für sämmtliche übrigen Hand-
schriften, und nebenbei auf eine von dieser Hauptquelle unabhängige
und von ihm mit Steinschneider's Hülfe verwerthete hebräische
Uebersetzung gegründet hat. Heitz tadelt, dass er nicht auch die la-
teinische Ucbertragung von Hieronymus Donatus berücksichtigt, die
häufig mit der hebräischen übereinstimme und nicht selten das zur Ver-
besserung des Textes Xothwendige darbiete. Der andere Ref. hält es
Nachträge. Anhang. 59
für wahrscheinlicher, dass der wohl im 12. Jahrh. lebende Corrector
des Ven. aus einem andern Codex als, wie Bruns annimmt, lediglich
aus seinem eignen Scharfsinn geschöpft habe. Beide erkennen aber
natürlich die grosse Tüchtigkeit dieser neuen Ausgabe in vollem Masse an.
Vielleicht noch weniger in meinen Bereich gehört das pseudo-
aristoteliscbe Secretum secretorum, welches in dieser Zeit Gegen-
stand eines eingehenden Studiums geworden ist:
140) R. Förster, De Aristotelis quae feruntur secretis secretorum,
Kiel 1888. 41 S. 4. (Universitätsprgr. zur Todtenfeicr von Kaiser Frie-
drich III).
141) Derselbe, Handschriften und Ausgaben des pseudo-aristote-
lischen Secretum secretorum. Centralbl. f. Bibliothekswesen VI 1889
S. 1—22.
142) Cecconi, II secretum secretorum attribuito ad Aristo tile e
le sue redazioni volgari. Propugnatore II, 10.
Die dritte von diesen Abhandlungen ist mir unzugänglich, und von
der zweiten lässt sich selbstverständlich kein Auszug geben. Ich habe
mich daher auf die erste zu beschränken, über die sich auch schon
Zell er Arch. f. G. d. Ph. III S. 31 9 f. mit wohlverdientem Lobe ge-
äussert hat, und erwähne auch in Bezug auf sie vorwiegend nur den von
Förster S. 20—27 gegen Rose und Andere geführten Beweis, dass
dies im Mittelalter viel gelesene arabische und auch noch arabisch vor-
handene, bis jetzt aber nur nach mittelalterlicher lateinischer Ueber-
tragung gedruckte Buch 3), obgleich es sich als Uebersetzung von Ari-
stoteles nsfn ßamldaq (an Alexandros) hinstellt, doch kein griechisches
Original gehabt hat, sondern einfach eine ohne ein solches entstandene
arabische Fälschung wahrscheinlich aus dem 11. Jahrhundert oder dem
Anfang des 12. ist. Förster ist zu seiner Beschäftigung mit der-
selben durch seine Studien über die Physiognomik der Griechen ange-
regt worden, da sie auch ein seinem Kerne nach aus griechischer
Doctrin geflossenes physiognomisches Capitel enthält, welches er nach drei
verschiedenen lateinischen Bearbeitungen, von denen bisher nur die des
Philippos von Tripolis bekannt war, herausgegeben hat (S. 3—17). Dann
zeigt er (S. 17 — 23), dass dasselbe, gleichwie das entsprechende Stück
bei Rages, mittelbar aus einer wahrscheinlich auch schon arabischen,
möglicherweise aber auch griechischen Vorlage geflossen ist, derselben,
aus welcher unmittelbar auch der Gothaer Pseudo-Polemon stammt, und
') Auch de regimine principum fregtim, dominorum, ducum) oder de signis
et moribus naturalibus hominis oder liber morum (moralium) oder epistola Ai'i-
stotelis ad Alexandrum genannt.
QQ Aristoteles.
dass wiederum die Quelle dieser Vorlage ein Auszug aus Pseudo-Aristo-
teles und Polemon war. Weiter führt er S- 23—27 aus, dass die älteste
Spur dieses Buches die lateinische Uebersetzung eines Theiles von dem
Spanier Johannes im 12. Jahrhundert ist, und handelt endlich S. 27-
33 von der vor 1235 entstandenen, und seitdem viel benutzten vollstän-
digen des Philippos und die Person ihres Urhebers. Beigegeben sind
S. 34- 41 drei Anhänge: Prooemium Secreti Secretorum Latine conversum,
Prooemium interpretationis Philippi Tripolitani, Prooemium interpretatio-
nis loannis Hispaniensis.
Aus dem Jahre 1886 ist noch nachzuholen
143) Gust. Endriss, Albertus Magnus als Interpret der aristo-
telischen Metaphysik, München 1886. VI, 153 S. 8. (Doctordiss.).
Diese Schrift ist durchaus des Lobes würdig, welches ihr in der
kurzen Anzeige von Arth. Richter, Philos. Monatsh. XXIV 1887
S. 11 2 f. ertheilt worden ist, und muss wegen der grossen Klarheit,
Uebersichtlichkeit und Objectivität ihrer Darstellung namentlich Denen
zur Orientirung empfohlen werden, welche bei allem Interesse für die
Sache sich doch gleich mir nicht in der Lage befinden das betreffende
Werk des Albertus selber genauer zu studiren, und in dieser Lage
dürften ja wohl recht Viele sein. Aristoteles kommt dabei freilich beinahe
nur so weit in Betracht, als es sich um die Geschichte seiner Einwir-
kung auf die Folgezeit handelt. Denn freilich nimmt man den Eindruck
mit, dass zwar Albertus, der hier ausschliesslich als Referent, Paraphrast
und Commentator und durchaus nicht als Kritiker auftritt, zwar für
seine Zeit und mit seinen unzureichenden Mitteln Bewundernswerthes
geleistet hat, aber uns heute für die Erklärung der Metaphysik wenig
mehr helfen kann und ziemlich entbehrlich ist. Er war sehr belesen
in arabischen und jüdischen Schriftstellern, auch in Cicero, Augustinus,
Eukleides, wie dies Endriss genau ausführt, soweit es für diese seine
Arbeit in Frage kommt, aber er verstand bekanntlich kein Griechisch.
Von Interesse ist es, dass seine Vorlagen das unächte 11. Buch (K)
nicht enthielten und es daher auch bei ihm fehlt*). Er hat neben einer
griechisch-lateinischen Uebersetzung, welche nur zwölf Bücher enthielt.
4) Ebenso 0,G 1014^ 18—35 gleichwie in den Codices ET, bei Pseudo-
Alex, und in den lateinischen Uebersetzungen von Wilhelm von Moeibecke
und Bessarion. Im Uebrigen ist die von Albert noch nicht benutzte, weil
ohne Zweifel erst später entstandene und alle 14 Bücher als solche enthaltende
griechisch-lateinische Uebersetzung, von der S. 134 f. die Rede ist, keine an-
dere als jene erstere des Moerbeckers, eines Ordensbruders und Zeitgenossen
Albert's. Das hätte-Endriss zu sagen nicht unterlassen und bei der Frage
nach der somit verhältnissmässig doch wobl noch ziemlich frühen Entstebungs-
zeit von Albert's Metaphysik mit berücksichtigen sollen.
Anhang. 61
indem das zweite (a) als Anhang zu dem ersten gezogen war, auch eine
oder mehrere arabisch-lateinische in elf Büchern, indem hier das erste
fehlte und das zweite als Einleitung mit dem dritten verbunden war,
und namentlich auch den Commentar des Averroes, wie Endriss gegen
Renan nachweist, benutzt, in welchem aber wenigstens in der ihm vor-
liegenden lateinischen Uebertragung ausser dem elften auch die beiden
letzten Bücher nicht vorhanden waren, ein Grund mit dafür, wesshalb
in ihnen seine Arbeit am Schwächsten ausgefallen ist. Ob in diesen
Vorlagen schon die jetzige Capiteleintheilung vorhanden war, an die
er sich dann eben nur nicht im Mindesten gebunden hätte, steht für
mich nicht so ganz ausser Zweifel wie für Endriss, sondern be-
darf noch erst der Untersuchung^). Nächst Averroes zog er Avicenna
am Meisten heran, aber ungleich viel weniger. Indem er das zweite
Buch, wenn auch nur kurz, abgesondert behandelte, hat seine Metaphysik
also nun 13 Bücher. Mit Unrecht macht Endriss S. 65 f. ihm zum
Vorwurf, dass er die Bedeutung der im dritten Buch (B) aufgeworfenen
Probleme überschätzt habe: wenn Aristoteles nicht auf alle lösend zu-
rückkommt, so liegt dies ja eben nur daran, dass seine Metaphysik in
starkem Masse unfertig geblieben ist^). Am Meisten von Wichtigkeit
würde es sein, wenn der Verf. S. 48—51 Recht darin haben sollte, dass
die den Quellen des Albertus zu Grunde liegenden griechischen Hand-
schriften zuweilen einen besseren Text gehabt hätten als die unseren;
allein ich kann nicht finden, dass es ihm gelungen wäre an den von
ihm beigebrachten Beispielen dies nachzuweisen''). Die Abfassung fällt
5) Für die Politik habe ich zu einer solchen in meiner kritischen Ausg.
derselben S. XXIXf A. 70 einen Beitrag geliefert.
6) Dies hat Endriss auch bei seiner schiefen Behauptung (S. 78) nicht
bedacht, mau habe längst eingesehen, dass die Bücher M N mit Unrecht ihre
Stelle hier am Ende des ganzen Werkes hätten. S. ßer. LXVII S 92.
■?) Endriss bat offenbar neben der Uebers. von Hengstenberg nur
die Ausgaben von Bekker und Schwegler gebraucht, aufifallenderweise
nicht auch die von Bonitz; die von Christ lag noch nicht vor. Nur so
viel ist allerdings richtig, dass XIV, 2. 1089* 15 Schwegler's (von Bonitz
und Christ nicht erwähnte) Streichung von xal öurog an Albert eine Stütze
hat Dagegen wird X, 3. 1054 b 13 dem fehlerhaften ^ xpoaui durch Albert's
Paraphrase aut auro rubicundo ignis nicht aufgeholfen, sondern es ist einfach
nach Pseudo-Alex. mit Bonitz zu tilgen X, 9. 1058b 13 müsste der Text,
auf dem Albert's Wiedergabe : »ein eherner und ein hölzerner Kreis unterscheidet
sich nicht nach Art des Kreises, sondern nur dem Stoffe nach; ein ehernes
Dreieck aber und ein hölzerner Kreis sind specifisch verschieden, aber nicht
desshalb, weil sie dem Stoffe nach, sondern desshalb, weil sie dem Begriffe nach
verschieden sind« beruht, wenn er wirklich ein anderer als der überlieferte
gewesen wäre, ganz merkwürdig von dem letzteren abgewichen sein , viel wahr-
scheinlicher ist es, dass sie auf denselben verderbten und von Bonitz richtig
62 Aristotftles.
nach ihm jedenfalls nicht vor 1256, wahrscheinlich aber erst nach 1262.
Zu tadeln ist gelegentlich eine gewisse Breite; namentlich ist zu be-
dauern, dass er nicht Mittel gefunden hat die allzu häufige Wieder-
verbesserten Text zurückgeht, Alb. aber trotz dieser Verderbniss den erfor-
derlichen Sinn in der Hauptsache erkannte und umschrieb Und nicht anders
steht es auch XIII, 1. 1076» 15 mit den Worten rwür' Idia ßjj xa^T rjß&v
dua'/BpaivwiJ.EM^ deren hergebrachte Uobersetzung »wir über dieselbe nicht mit
uns allein unzufrieden seien« in der That, wie Endriss richtig urtheilt, keinen
Sinn giebt, und für die wir bei Alb. lesen: separatim pro hovore auciorifalix
attribuatur Ulis. Auch hier fragt man vergebens: wie soll denn ein hiermit
stimmender Text eigentlich ausgesehen haben? Dass überdies dua^spaiveiv
das richtige Verbum ist, beweist der Gegensatz äYamjzov in der folgenden
Begründung. Christ schlägt duayzpaivwcnv vor, was ich ohne Commentar
erst recht nicht verstehe. Ich denke, schon Alb. wusst'e sich das Ueberliefertc
nicht zu deuten und setzte daher an die Stelle, was ihm passend erschien und
auch an sich sehr passend wäre, aber nur leider zum Folgenden nicht
passt. Man construiie nur richtig: toöto geht nicht auf döyfia zurück, son-
dern auf das ganze Satzglied et' rt döyßa xon/ov ijfitv xaxeivotg, wie Seh weg-
ler gesehen hat, und ISta heisst nicht »allein«, sondern »speciell« oder »ge-
rade«: wenn wir wahrnehmen, dass Andere über irgend einen Punkt schon
das Gleiche gelehrt haben wie wir, so wollen wir darob nicht speciell (gerade)
mit uns zürnen, nämlich dass auch wir hierin nichts Besseres gefunden haben,
sondern es soll uns dies lehren zufrieden damit zu sein, wenn dies nur in an-
deren Stücken der Fall ist und wir hierin wenigstens nichts Schlechteres ge-
dacht haben als jene Anderen, und dass man damit überhaupt bei sich und
bei Anderen zufrieden sein muss "Kurz, dieser Abschnitt ist wohl der schwächste
in der Endriss'schen Schrift. Und nicht minder unglücklich handelt Endriss
S .51 f. über XII, 8. 1074a I2ff. el ok tyj ask^vrj re xa'c tu) rjAiw /j.7j T^poari-
i'fttTj Tiq ac ei'TTOßeu xci/i^ffEig, al Tzaaai a(paipai eaovzai kmä re xal TBzrapd-
xuMTa. Denn unmöglich kann Arist., wie Endriss will, gemeint haben: wenn man
für Sonne und Mond die je zwei von Kallippos hinzugefügten Sphären und
daher auch die zwei von mir um ihrer willen für die Sonne angenommenen
zurückführenden streichen und somit hierin bei Eudoxos stehen bleil)en, dann
aber auch noch die weiteren zwei zurückführenden, welche ich
um dessen Theorie willen der Sonne beigelegt habe, beseitigen
wollte, so würden 47 Sphären bleibin, denn diese letztere Beseitigung würde
ja die gesammte Construction des Aristoteles zerstören. Und sicher hat es
auch Alb. nicht so ver.standen, wenn er die Hypothese so fasst. dass die lumi-
naria (d. i. Sonne und Mond) nur sphaeras slmpllcs haben sollten. Vielmehr
ist wohl sein Ausdruck ungenau, und er hat bereits gleich Krisch e vier ab-
zurechnende zurückführende Sphären für den Mercur und vier für die Sonne
verstanden Allein auch difse, überdies doch recht künstliche Erklärung ver-
trägt sich ja nicht mit jener Gosammtconstruction, und man wird also mit
Christ und im Grundi' auch Schwegler Denen b('ii)flichten müssen, welche
die vier von Kallippo< für Sonne und Mond und die zwei von Aristoteles noch
weiter für die Sonne hinzugefügten Sphären als die (von 55) abzuziehenden
ansehen und danach Ittt« in iwia ändern.
Anhang. Pseudo-Herakleides. 63
holung Dessen zu vermeiden, dass Albertus bei seinem ausschliesslichen
Zweck seinen Zeitgenossen neuen philosophischen Stoff zuzuführen und
klar zu machen recht gleichgültig gegen die Form sei.
Da die Politien des sogenannten Herakleides im Wesentlichen
Auszüge aus den aristotelischen sind, so ist schliesslich noch zu erwäh-
nen, dass
144) H. Diels Atacta, Hermes XXHI 1888 S- 283 f.
dort 22 (50 Rose Aristot. fr. S. 380) aoyrjixd-wv für droyrjiJ.d-:iuv herstellt.
Indem wir uns nun zu den Peripatetikern wenden, tritt uns
zunächst die Abhandlung von
145) Ferdinand Dümmler, Zu den historischen Arbeiten der
ältesten Peripatetiker, Rhein. Mus. XLH 1887 S. 179-197
entgegen, welche sich indessen, abgesehen von einer gelegentlichen Be-
merkung über Phainias S. 184, trotz ihres umfassenderen Titels nur
mit Aristoteles und Theophrastos beschäftigt, übrigens in diesen
Blättern theilweise schon eingehend von Kaerst Ber. LVHI S. 329 ff.,
351 f. berücksichtigt ist. Sie zerfällt in drei Abschnitte. Der erste
S. 179-187 ist Politien, Politik und r.oXizixä ~d nphg -zobg xaipoög
überschrieben. Dümmler geht hier von dem Schlüsse der nik. Eth.
1181^ 13 — 23 aus, welcher doch ohne Zweifel nur als Uebergang zur
Politik aufgefasst werden kann, in welchem er aber trotzdem das ex
Twv auvr^YfLSvojv rtohrEuu)^ als ein unzweifelhaftes »directes Citat« viel-
mehr von den Politien bezeichnet, ohne sich um den Nachweis des Ge-
gentheils bei Heitz Verl. Schrr. des Arist. S. 231 ff. und um meinen
Nachweis (Arist. Pol. I S. 71 ff.) zu kümmern, dass J. G. Schlosser
mit Recht diesen Schluss für unächt erklärt zu haben scheint. Auch
gegen die Behauptung, dass die Politien und die den Namen des Theo-
phrastos tragenden Noixoc sich als Vorarbeiten zur Politik wie die 7s-
yväjv aovaywyrj zur Rhetorik^) oder der Dialog TiSpi r.otrj-zujv zur Poetik
verhielten, sprechen jedenfalls die erheblichen wiederum schon von Heitz
vorgetragenen Bedenken, und sollten dieselben sich widerlegen lassen,
so würden mindestens doch an die Stelle von rtspl nocr^zuiv mit Diels
und Gomperz (s. u.) vielmehr etwa die homerischen Probleme^) oder
noch besser mit Diels^'') die Didaskalien und ähnliche Sammlungen zu
setzen sein. Weit näher läge aber doch auch so der Vergleich des
8) Doch wohl vielmehr zuuächst zu der älteren, der sogenannten theo-
dekteischen?
9) Dass freilich nicht einmal dies ohne Bedenken ist, erhellt aus Suse-
mi hl Gr.-alex L -G. I S. 164 A. 847 II S. 329 A. 445 g.
»0) Arch. f. Gesch. der Phiios. IV 1891 S. 480.
64 Aristoteles. Phainias. Theophrastos.
Verhältnisses der Thiergeschichte zu den systematischen zoologischen
Schriften, gerade hier hat jedoch Heitz meines Erachtens einleuchtend
bemerkt, dass der Vergleich nicht passt, weil Arist. in den letzteren
wiederholt die erstere, nie dagegen in der Politik die Politien anführt.
Gerade dieser letztere Umstand macht nun aber auch die Annahme,
dass trotzdem diese eine Vorarbeit für jene gewesen seien , sehr miss-
lich, und überdies harrt der weitere von Heitz S. 240 f. geltend gemachte
Gegengrund, dass dann die Berührungspunkte zwischen beiden Schriften
viel reichlicher sein müssten, noch immer der Widerlegung. Konnten
endlich die sehr blendenden Schlüsse, durch welche dieser Gelehrte
S. 233 ff. die Politien als eine, bloss hypomneniatische Arbeit hinzustellen
suchte, weit eher zu Gunsten der von ihm bekämpften Meinung ange-
wendet werden, so vermag dagegen wenigstens ich es nicht zusammen-
zureimen, wenn nach Dumm 1er die Politien einerseits, wie gesagt, als
eine Vorarbeit zu der doch hoffentlicli auch nach seiner Meinung nicht
für das Publicum, sondern bloss für die aristotelische Schule bestimmten
Politik und doch andererseits keine blosse Materialiensammlung, son-
dern mit ihrem auf den Reiz der Darstellung keineswegs verzichtenden
Stil (wie auch ich glaube) ein verbreitetes Lesebuch für weitere Kreise
gewesen sein sollen ^'). Noch weniger freilich kann ich mich mit der
neuesten Offenbarung Nissen 's in der, wie mir scheint, völlig verfehl-
ten Abb. »Die Staatschriften des Aristoteles, Rhein. Mus. XLVII 1892
S. 162—206« befreunden, nach welcher sie eine Anfang 323 an Alexan-
dros den Grossen »abgelieferte« Staatsschrift zu dessen praktischem
Gebrauche wären. Und so halte ich es denn, trotzdem dass Arist. nicht
allzu hoch von der Geschichte dachte (s. Poet. 9. 1451"^ 5 ff.), mit Heitz
S. 251 f. und Br. Keil für das Wahrscheinlichste, dass sie eine einfach hi-
storisch oder vielmehr antiquarisch gemeinte Arbeit des Arist. und seiner
Schule waren, und dass an ihren Vorgang Dikäarchos mit seinem Btog' EXXd-
oo; sich anschloss, wenn auch freilich die historischen Urtheile in ihnen
sicher von der Dogmatik gefärbt waren, die wir aus der Politik und der
nik. Ethik kennen lernen i2). Auf alle Fälle sollte man nicht thun, als
1') Hieran wird Nichts geändert, wenn mau mit Diels a. a 0. S. 480 A. 3
die Bezeichnung »hypomnomatiscb« im Sinne »der Absicht« testhalten will,
»kein abschliessendes Werk zu liefern, sondern nur Vorarbeit, die einer hö-
heren und umfassenderen Bearbeitung nicht vorgreifen will«
12) Hätte Nissen, statt alle möglichen späteren Berichte, auch die von
Heitz S. 242. 253 und Andern mit Recht bereits als werthlos bezeichneten,
gläubig hinzunehmen, vielmehr, was doch aller gesunden Methode nach das
Nächstliegende war, den Aristoteles selbst in dieser Weise befragt, so würde
er vielleicht selber gefunden haben, dass sich von hier aus das Meiste erklärt,
was ihm in der Politie der Athener aufgefallen ist, und dass dagegen sein
Versuch die politischen Schriften des Aristoteles unter den Gesichtspunkt ma-
kedonischer Publicistik zu stellen sich weder mit der Politik noch mit der
Aristoteles und Theophrastos. 65
ob hier, wo wir in Wahrheit noch im dichtesten Dunkel stecken, Alles
licht und klar wäre. Aber auch wenn die Politien, wie Dümraler
ferner behauptet, in der That vornehmlich den Büchern IV und V der
Politik, wie auch ich sie hier nach der überlieferten Ordnung beziffern
will, zu Grunde lägen, verstehe ich trotz der ßeistimmung von Diels^^)
nicht, wie dies beweisen soll, dass diese überlieferte Ordnung die rich-
tige wäre, wie ich denn überhaupt dem kühnen Fluge Dümmler'scher
Schlüsse öfter ausser Stande zu folgen bin. Wie wenig es ihm ferner
gelungen ist die Politien als Quelle des Ephoros zu erweisen, und dass
vielmehr bei allen Berührungspunkten mit diesem Aristoteles, wie Trie-
ber meines Wissens zuerst richtig erkannte, der Empfangende ist, hat
Kaerst gezeigt, und wenigstens die Politie der Athener ist bekannt-
lich lange nach der Geschichte des Ephoros erst in den späteren Zeiten
des Aristoteles 329/325 verfasst, woraus denn zugleich wenigstens für
nik. Eth. verträgt. Vgl. die trefienden Bemerkungen von Di eis a. a. 0.
S. 485f. ulJ jetzt vor Allem die vom allein richtigen Standpunkt ausgehende
Widerlegung bissen 's und Darstellung des wahren Sachverhalts bei Br.
Keil Die solonische Verfassung in Aristoteles Vertassungsgeschichte Athens,
Berlin 1892 S. 127—150. 194-241. Weiss Nissen denn wirklieb nicht, wie
sehr Aristot. den ßioq Tzohnxög, zu Gunsten des ßioq yiköao^oq herabsetzt?
13^ A. a. 0. S. 483. Vgl. auch Rabe in der unten No. 160 besprochenen
Dissert. S. 47 These 4 (s. unten A. 41). Dass der Torso der Politik aus
verschiedenen Entwürfen zusammengestellt und also das Ganze nicht aus
einem Gusse gearbeitet ist, bestreitet ja heute wohl Niemand mehr. Aber
so lange die Beweise dafür, dass der immerhin einheitliche Grundplan jener
Entwürfe und dieses unvollendeten Ganzen gebieterisch die Umstellung
verlangt, nicht widerlegt sind, vermag ich nicht einzusehen, warum die-
selbe »ein äusserliches Erfassen des Problemso sein, und in wie fern sie
irgendwie daran hindern soll die Genesis der überlieferten Gestalt zu er-
mitteln. Auch glaube ich nicht, dass wir es schon »so herrlich weit gebrachta:
haben, um über die Arbeiten eines Spengel (von den meinen schweige ich)
mit derartigen summarischen Motivirungen zur Tagesordnung übergehen zu
dürfen. Dagegen habe ich Nichts dawider, dass man sich die Athetese von
VIII (V), 12, die ich selbst nur zweifelnd ausgesprochen habe, nach dem von
Di eis S. 483 f. hervorgehobenen Gesichtspunkt »doch noch etwas genauer wird
überlegen müssen«, im Priucip ist er ja S. 479 in Bezug auf die nachweis-
lichen »grösseren und geringeren Interpolationen und Verballhoruisirungen«
der Peripatetiker in den akroatischen Schriften des Aristot. ganz mit mir ein-
verstanden und bezeichnet S. 485 als eine solche gleich mir auch die zweite
Hälfte von II, 12 (1274* 22 - b26). Gleich mir hält er dagegen S. 484 f. an
der Aechtheit der ersten Hälfte fest, aber vergebens sucht er den Widerspruch
zu entfernen, dass nach ihr Selon die Ernennung der Beamten durch Wahl
beibehielt, während er nach der Politie der Athener 4. 8 schon bei Drakon
die durch das Loos vorfand, s. in dieser Hinsicht Niese Hist. Zeitschr. LXIX
(N. K. XXXIII) S. 62. 64.
Jahresbericht für Aherthumswissenschaft. LXXV. Bd. (1893. I.) 5
66 Aristoteles und Theophrastos.
diese Politie nahezu^*) auch die chronologische Unmöglichkeit erhellt,
dass sie trotzdem der sicherlich nicht später geschriebenen Politik noch
erst vorgearbeitet haben könnte. Um so erfolgreicher sind allem Anschein
nach Dumm 1er 's Versuche unsere Kenntniss von dem grossentheils aus
den Politien geschöpften Werke des Theophrastos fluhTtxä nfjo; zobg
xacfwjc namentlich aus Plutarchos zu vermehren'^). Dagegen sind seine
Ergebnisse im zweiten, .\ö/xoi und vo/xcfirx ßapßufjixd betitelten Theile
S. 189 - 195, soweit es sich um die Nöjiiiio. ßafjßafjtxd handelt'^), so gut
wie vollständig von Kaerst über den Haufen geworfen. Auch ist er
jeden Beweis dafür schuldig geblieben, dass Aristoteles an den A'o/xo.'
des Theophrastos mitgearbdtet habe und folglich die .VJ/ii/i« ßrxpßapixd
des Ersteren eine Ergänzung in erster Linie zu diesen Nüpoi und erst
in zweiter auch zu den Politien gewesen seien. Mir scheint vielmehr
wiederum Heitz S. 252 f. Recht darin zu haben, dass von den beiden
einander entsprechenden Titeln in den Verzeichnissen der aristotelischen
Schriften bei Laert. Diog. No. 140 v6}jlu}v öl ß y ^ und dem Anon. (He-
sych ) No. 131 voficfxojv o der letztere der richtige ist und diese vö/xtfia
eben die ßrxfjßapcxd waren. Ich glaube wahrscheinlich gemacht zu ha-
ben, dass die Capitel IV (VII), 2 und 3 der Politik von einem Peripa-
tetiker eingeschoben sind, und kann um so weniger Dümmler, der sie
für acht zu halten scheint ^^), die Möglichkeit abstreiten, dass bei ihrer
Abfassung die No/xc/ia ßafjßapcxd benutzt seien, aber es raüsste doch
erst ein stärkerer Grund beigebracht werden als der von ihm aus den
Schlussworten des betreffenden Abschnitts 1324*> 21 f. xal irspa . . . rä
pkv vupoig xazadrjppiva rd dz si^scnv hergenommene. Sehr anspre-
chend ist die Vermuthung im dritten Theile »Sakralaltertbümer« S. 195
— 197, dass Plut. Qu. Gr. 38 aus Theophrastos -spc tuaeßsiag^^) und
Aelian. V. H. V, 14 mittelbar aus den AVJ/xo: geschöpft habe. Dagegen
vermag ich nicht zu finden, dass Aelian. V. H. III, 4 Theophr. Char. 21
»zu ergänzen scheine«, worüber ich mich hier aber nicht näher aus-
1*) Ich sage »nahezua. Denn allerdings kann man sich ja darauf be-
rufen, dass Aristot. die Politik nicht vollendet hat, und mit Diels a. a. O.
S. 480 sagen: »Der Stoff (zu den Politien) muss schon lange in der Schule
bereit gelegen und der schriftstellerischen Formung gewartet babena.
15) Auch Diod. VIII, 7 f. führt er wohl mit Rtcht entweder auf dieses
oder auf den 'Epwruög desselben Verfassers zurück.
16) Dies gilt aber fast von diesem ganzen Abschnitt. Auf die i\Ö[jloi
beziehen sich nur zwei nicht volle Seiten (189 — 191j in demselben.
1') Auch die zweite Hälfte von II, 12 und die erste von IV (VII), 10
bebandelt er unbeanstandet als aristoteliäcb, als wäre nie ein wohlbegründeter
Zweifel hiergegen erhoben worden.
i8j Auch Qu. Gr. 6, meint er, gehe wahrscheinlich auf Theophrastos,
wenn auch vielleicht nicht auf nepi eöffeßeia^, zurück.
Theophrastos. Charaktere. 67
lassen kann. Und hiermit wäre dann der Uebergang zu den Charak-
teren gemacht:
146) Tii. Gomperz, lieber die Charaktere Theophrast's , Wien
1889. Tempsky = Sitzungsber. der philos.-hist. Cl. der Wiener Akad.
CXVII. 10. Abh 20 S. 8.
147) 0. Ribbeck, In Sachen der Theophrastischen Charaktere.
Rhein Mus. XLIV 1889 S. 305-307.
148) Th. Gomperz und 0. Ribbeck, In Sachen der Theophr.
Char. Ebenda S. 472-474.
Gomperz sucht darzuthun, dass die ziemlich allgemein verbrei-
tete Meinung, als besässen wir in denselben nur Auszüge aus einer
oder aus mehreren Schriften des Theophrastos, eine irrige sei, wobei er
denn auch S. 19 A. 17 eine ihm beistimmende briefliche Aeusserung von
Diels mittheilt und S. 16 A. 4 0. Ribbeck als einen der eifrigsten
Vorkämpfer jener »Excerpteuhypothese« bezeichnet und ihm vorwirft,
er begehe einen Irrthum, wenn er von den drei Hauptredactionen un-
serer Auszüge spreche. Dies hat nun Ribbeck veranlasst klar zu
stellen, dass Gomperz in Wahrheit den von Ersterem eingenommenen
Standpunkt in Folge mangelhafter Kenntnissnahme von dessen Arbeiten
verkennt, und dass dieser Standpunkt mit der von Letzterem behandel-
ten Frage im Grunde gar Nichts zu thun hat. Und in der That muss
man Ersterem zunächst darin Recht geben, dass Letzterer bei seiner
Erörterung über die tlpuyvzUi S. 2 ff. 14 ff. die Ber. V S. 297 besprochene
Abh. des Ersteren, wie er jetzt selbst zugeben muss, übersehen hat,
und dass er sonst, was er jetzt vergebens bestreitet, verpflichtet gewesen
wäre in derselben den in jener Abh. gemachten Versuch des Nach-
weises 1^) zu widerlegen, »dass die bei Theophr gegebene Charakteristik,
richtig verstanden, mit der voraufgeschickten Definition des Bt^ujv im
Einklang stehe, was aber von Gomperz in dieser Erörterung bestritten
wird. Lediglich auf dieser Erörterung beruht nun aber die ganze von
Letzterem dafür gegebene Begründung, wenn er, hierin in der Skepsis
weiter gehend als die meisten seiner Vorgänger, sich dafür entscheidet,
dass die sämmtlichen den einzelnen Charakteren voraufgeschickten De-
finitionen trotz ihrer gut peripatetischen Beschaffenheit nicht von Theo-
phrastos herrühren oder, genauer gesprochen, nicht für diesen Zusam-
menhang bestimmt waren. Was sodann aber die Hauptsache anlangt,
so scheint es Gomperz wirklich gelungen zu beweisen, dass Alles, was
wir haben, seinem ursprünglichen Kerne nach auf die im Verzeichniss
der theophrastischen Werke bezeugte Schrift »ethische Charaktere« zu-
I9j Ob dieser Versuch gelungen ist oder nicht, darüber spreche ich hier
keinerlei Meinuiig aus.
6*
68 Tbeophrastos.
rückgeht**). Ob jedoch die Beschaffenheit diesei- Schrift als einer »hy-
pomueniatischen Materialiensamnilung zu den ausgearbeiteten ethischen
Werken des Tbeophrastos« von Gomperz S. 10 durch die von Di eis
entnommene Analogie des angeblichen Verhältnisses der Politien des
Aristoteles zu seiner Politik oder seiner homerischen Probleme zu seiner
Poetik wirklich ins Licht gesetzt ist, darf nach dem vorhin Bemerkten
stark bezweifelt werden. Der von Gomperz betonte, aber auch von
Ribbeck gerade an der von Ersterem angezogenen Stelle ausdrücklich
anerkannte Umstand, dass der erhaltene Text auf einen gemeinsamen
Archetypos zurückführt, dient ferner in der That der Annahme zu einer
wesentlichen Stütze, dass jenes theophrastische Original nicht bloss wirk-
lich ein einheitliches, sondern dass es auch im Grossen und Ganzen
schon von annähernd ähnlicher Form wie das Erhaltene war, und dass
insbesondere die des Archetypos der ursprünglichen noch näher stand.
Warum man aber annehmen müsste, dass nicht schon diese, wie an Ver-
setzungen und Interpolationen, so auch an Kürzungen gelitten hätte, ist
nicht abzusehen, und vollends uns liegt ja in der That eine dreifache
Fassung in der Art vor. dass zwei dieser Ueberlieferungeu uns sicher
nur Excerpte darbieten, da die dritte, vollständigste, der Palatino-Vati-
canus, nur Cap. 16-30 enthält, darin hat ja Ribbeck wiederum ohne
Zweifel Recht, und gesetzt auch, wir hätten wenigstens in dieser dritten
noch die des Archetypos, so bürgt doch, wie Ribbeck ferner ganz
richtig hervorhebt. Nichts dafür, dass wir immerhin hier noch das un-
verkürzte Originalwerk des Tbeophrastos besässen. Was vielmehr ent-
schieden dagegen spricht, hat derselbe Ribb eck kurz und gut bezeich-
net, und man möge es bei ihm selber nachlesen. Jedenfalls darf man
sich, wie er treffend sagt, die Form auch von einer bloss hypomnema-
tischen, aber doch nachtrtäglich veröffentlichten Schrift nicht als eine
gar zu zwanglose vorstellen. Vgl. auch die Recensionen von Heylbut
Deutsche L.-Z. 1889 Sp. 940 und von W. Rev. crit. 1889 I S. 366 - 36821).
149) Wilh. Werle, Eis, quae in Theophrasteo characterum libello
offendunt, quatenus transpositione medela afferenda sit. Coburg 1887.
23 S. 4. (Gymnasialprogranim).
Der Verf. stellt die Ergebnisse seiner Untersuchung selber am
Schlüsse kurz dahin zusammen, dass aus C. 10 p 15, 19 f. Ussing xal
2u^ Seltsam ist es, dass auch Gomperz S. 18 den Akademiker Hera-
kleides den Pootiker noch immer vielmehr für einen Peripatetiker zu halten
scheint.
21; Das Unheil des Ersteren lautet, abgesehen davon, dass er Gom-
perz in Bezug auf die Detiuitiouen beistimmt, bi'i aller Anerkennung nicht
wesentlich anders als das obige, und der Letztere meint nach vielem Lobe
schüpsslich, da8S Gomperz »vielleicht« doch auch noch nicht das letzte Wort
in Sachen des von ihm behaudeltcu Problems gesprochen habe.
Charaktere. g9
iäv — npm/isvaj in C 30, aus C. 19 p. 23, 28 — 24, 7 xac ecg — nlvo^^öco
in C. 11, aus C 22 p. 26, 14-16 xai — dmntMvai in C. 30, Z. 20f. xa\
ivSov — exnXuvat, p. 26, 27 — 27, 2 xat rä — dia(pipet und p. 27,
3 f. xal xa^s^o/ievo? — (pups.1 in C. 10, aus C. 28 p. 34, 2 — 4 oZxuiq —
noiBi m C. 27, aus C 30 p. 35, 8 f. oloq — napa^eivo.i in C. 10 und
p. 36, 22 — 24 xal yafxoüvTÖ? — npoa^opdv in C. 22 hineingehörig seien.
150) Ant. Zingerle, Zu Theophrast. Zeitschr. f. d. österr.
Gymn. XXXIX 1888 S. 706 f.
151. 152) G. F. Unger, Zu Theophrastos. Philologus XLVI 1888
S. 56. XLVII N. F. I 1889 S. 374f.
Zingerle verrauthet C. 4 p, 8, 12, freilich nur zweifelnd, ißßahcv
(nupö'v) oder irov nupöv), Unger C. 28 p. 33, 12 IJxoXXa f. olxca (unter
Billigung der Aenderung ev zaTg odolg auvipyovrai) und Z. 14 dvopüXa-
[lui^ C. 29 p. 34, 8 ^-cncufxdvots , 11 cu? ^e Xsyeza:, 16 dyvuscv ^avr^vac
ydp, 19 [ÄsyovTt], 21 f. wg o'j del ~ö npäy^a dXXä ruv ävdprx oder ujg vov
ose rov ävopa dkXä /xij ro Tipäyixa.
153) H. Weil, Deux allusions ä des faits historiques dans les
Caracteres de Theophraste. Rev. de Philol. N. F. XIV 1890 S. 106 f.
verwirft mit Recht die Combinationen von Unger Philologus XLVII N.
F. I 1889 S. 644 ff., nach welchen rjjv sn'' ^ApiarocpöJvzog tzote ysvonivrjv
rot) prjzopog fJ-dyrjv [xal] r^i> Auxeoacfiovcocg inl Auadvopou zu schreiben
und an eine einzige wirkliche Schlacht zu denken wäre, und hält daran
fest, dass hier vielmehr Redekämpfe verstanden sind. Aber welches
diese beiden sind, darüber wagt auch er keine bestimmte Entscheidung,
ist indessen geneigt unter dem ersteren die Eisangelie des Aristophon
gegen Iphikrates, Menestheus und Timotheos zu verstehen und unter
dem letzteren vielleicht mit dem Zusatz <£v) vor Äaxtoaijiüvtoig den
Streit um das Königthum zwischen Agesilaos und Leotychides.' Letzteres
ist ansprechend, gegen Ersteres dagegen erhebt sich der Einwand, dass,
wenn Aristophon selbst einer der Streitenden war, kaum bloss gesagt
werden konnte, der Streit habe zu seiner Zeit (stt' 'ApcaTo^CJvzog nore)
stattgefunden, d. h. mit andern Worten zur Zeit seiner Staatsleitung.
Darin aber hat Unger Recht, dass das tto-z schwerlich die Beziehung
auf einen Kampf erst aus kürzlich vergangener Zeit und also auch auf
den zwischen Demosthenes und Aeschines in Bezug auf den Kranz selbst
dann schwerlich zulässt, wenn man mit Casaubonus tojv prjTÖpMv
schreiben oder mit Petersen und Ussing zuu p^ropog streichen dürfte.
Aus früherer Zeit ist hier noch nachzuholen
154) 0. Ribbeck, Agroikos. Abh. der philol.-hist. Cl. der sächs,
Gesellsch. der Wissenschaften X (Leipzig 1885). S. 1 — 68.
Diese. Abhandlung ist ein Seitenstück zu den älteren Ribbeck's,
der vorhin von Neuem erwähnten über den zl'pujv und den inzwischen
70 Theopbrastoe. Charaktere. Pflanzenwerke. Motaph.
erschienenen Alazon und Kolax (Leipzig 1882 und 1883) und kommt
auch für das theophrastische Büchlein sehr in Betracht, nicht bloss
selbstverständlich im Uebrigen, sondern nicht zum Wenigsten auch durch
die angehängte sorgfältige neue Textreccnsion des betreffenden vierten
Capitels.
Die Pt'lanzeuwerke haben eine Textberichtigung erhalten durch
155) Ewald Braun, Coniectanea, Comm. philol. zu Ehren von
0. Ribbeck, Leipzig 1888. S. 495 f.,
indem er C. P. I, 17, 3 nach 21, 6 f. dr.oTj für -örMu hergestellt hat.
Von dem Bruchstück der Metaphysik erschien von Usener, der
es bekanntlich schon einmal Rhein. Mus XVI 1861 S. 259 281 bear-
beitet hat, eine neue kritische Ausgabe:
156) Theophrasti de prima philosophia libellus ab H. Usenero
editus, Bonn 1890. XII S. 4. i.Ind. lect hib.).
Die Grundlage dieser Textrecension ist der ausgezeichnete Cod.
Paris. 1853 32), von Usener mit P, von Bekker für Aristot. mit E be-
zeichnet, nach einer sehr genauen CoUation von Desrousseaux und
einer Narhvergleichung von Gercke. Ausserdem ist zur Gewinnung
des Vulgattextes, wie er sich in den Sammelcodices der kleineren theo-
phrastischen Schriften findet, namentlich einer von diesen, Vatic. 1302
(A bei Usener, R* bei Bekker), der in Wahrheit erst dem 14. Jahrh.
angehört, nach Gercke's Vergleichung und daneben hier und da noch
ein zweiter B = Bernensis 403 herangezogen, dazu kommt das von
Brandis benutzte Exemplar (b). Durch eine Reihe eigner und frem-
der Verbesserungen und Verbesserungsversuche wird nachgeholfen. Aus
einigen doppelten Redactionen schliesst Usener (zugleich mit Berufung
auf seine frühere Erörterung S. 269 ff.), dass das Ganze einst aus zwei
Aufsätzen {^duobus counnentarioUs foiitaininaiüd) zusammengestückt zu
sein scheine, und vermuthet in Tyrannion den Urheber dieser Conta-
mination. Es liegt dabei eine Ansicht zu Grunde, auf die ich erst in
einem späteren Bericht eingehen kann. Eine kurze Anzeige giebt Na-
torp Philos. Monatsh. XXVII 1891 S. 620f.
Ueber r.epl or^fisiatv handelt sehr gründlich
M) Usener hebt hervor, wie sehr sich seine Vorzüglicbkeit auch »in
rebus minulisa erweist: tvelul cum p Xla 4 solus dioTaaßöv trudil aut p. \ <i 4
ex Omnibus veterum scriptorum Altlcorum librls, qunntum video ^ u7ius anaoToq
sine a strvaviH. Merkwürdig ist die fast durchgehende Schreibung äßai oder
äßai für äfia, was denn darauf fQhrt, wie Usener darlegt, dass Theophrastos
vielleicht nach dem Sprachgebrauch seiner Heimat im Gegensatz zum atti-
schen äßa zu sprechen und zu schreiben pflegte.
llepi arißetwi/. 71
157) Max. Heeger, De TLeophrasti qui fertur nep] ar^jiztuiv libro,
Leipzig 1889. 72 S. 8. (Doctordiss.).
und zugleich mit entschieden erfolgreicher Polemik gegen die Ber. XLII
S. 49 f. berührte Diss. von Böhme. Zunächst stellt er (S. if.) zum Zweck
derselben dessen Ansicht klar. Dann zeigt er (S. 2—25 unter dem Titel
de syllogae superstitis origine) im Gegensatz zu Böhme, dass der er-
haltene, übrigens gar nicht den Namen des Theophrastos an sich tra-
gende Aufsatz Tis.p\ arjiMeiujv üSdriov xac rvzu/idrcuv (xal ^bijxujvujv xal
euSiüjv) zwar in der That nur aus Excerpten besteht, dass diese aber
aus einer einzigen Quelle, einer bald dem Aristoteles und bald dem
Theophrastos beigelegten, jedoch wahrscheinlich (s. u.) erst von einem
Schüler des Letzteren herrührenden Schrift, und zwar unmittelbar ent-
nommen sind und nicht nebenbei auch aus einer von Eudoxos verfassten.
Es handelt sich nun also nur noch darum, den sonstigen (unmittelbaren
und mittelbaren) Benutzungen des Originalwerks nachzuspüren, und dies
geschieht im zweiten Theile der Abb. (S. 25- 66: de operis Peripate-
tici reliquiis). Natürlich kann jetzt nicht mehr die Rede davon sein,
dass Aratos in seinen Versen über die Wetterzeichen jenes vorgebliche
Werk des Eudoxos ausgenutzt habe^S): er hat vielmehr aus derselben
Quelle wie der Urheber unserer Auszüge geschöpft 23b ^ und Böhme's
Argumente gegen diese Annahme sind von Heeger glücklich widerlegt
(S. 26 — 35)2*). Iq (]ie ferneren Untersuchungen über Varro (S. 35 f.),
Nigidius Figulus (S. 36f.), Vergil. Geo. I, 351 461 (S. 37—39), Plin.
XVIII, § 340 ff. (S. 40-42)35), Aelian. N. A. VII, 7. 8 (S. 42 f.), Ptolem.
Tetrab. II, 13 (S. 43-46), Geopon. I, 2-4. 11 (S. 46-60) kann ich
hier dem Verf. nicht folgen. Er macht höchst wahrscheinlich (S. 50 —
60), dass auch das letztgenannte Capitel Geop. I, 11, welches sich mit
dem andern, verbunden mit jenem überlieferten und aus demselben
Originalwcrk geflossenen Excerpt Pseudo-Aristot. dvi[X(jjv diasig xal npoa-
rjoptat berührt, gleichfalls aus jener älteren Schrift mpl ar^ixet'wv un-
mittelbar von Dionysios, dem Quellenschriftsteller dieses Capitels, ge-
23) Was ich auch noch in meiner griech.-alox. L.-G. I S. 299 A. 76 zu
glauben geneigt war, weil ich leider die Diss. von Heeger übersehen hatte.
23b ) Wenn nicht vielmehr, wie ich glaube, aus derselben wie der Verf.
der ausgezogenen Schrift.
34) Nur aber steht Vit. Arat. I p. 54, 74 ff. Westerm. nicht, wie Heeger
S. 29 behauptet, dass Kallimachos den Aratos dem Peripatetiker Praxiphanes
empfohlen, sondern nur, dass Kallimachos in seiner Schrift an Praxiphanes
den Aratos gelobt habe. In Bezug auf das wirklich Ucberüeferte s. Suse-
mihl a. a. 0 I S 287 f. A. 10.
35) In Bezug auf diesen beklagt sich Heeger S. 40, dass er trotz seiner
Uebereinstimmung mit Böhme die von diesem allzu Dindiligenter et leviten
geführte Untersuchung noch einmal führen müsse.
72 Thfoplirastos. llepi (njßeuov. Eth. Schriftnn.
zogen, und dass jene Schrift in der Zeit zwischen Aristoteles und Ti-
mosthenes, dem Admiral des Philadelphos^ß), entstanden ist 2^).
Gleichfalls aus ihr ist noch ein anderer, von Wachsmuth aus
dem Cod. Laur. XXYIII, 32 abgeschriebener und auch noch in einer
Constantinopler Handschrift erhaltener, von Hoeger S. 66 — 71 mitge-
theilter Aufsatz napaarjixsicöaetg npoyvuyaTixai nsp] rrjg [MeXkoüar^g zou
depog xaraaTdaecug excerpirt, wie S. 63 — 66 dargelegt wird.
Namentlich auf die verlorenen beiden grossen ethischen Werke
bezieht sich die Abhandlung von
158) G. Heylbut, Zur Ethik des Theophrast von Eresos. Arch.
f. Gesch. der Philos. I 1888 S. 194-199.
Es werden hier zunächst die Citate des Theophrastos bei Alex,
de anima p. 156, 25 if. Bruns und in Schol. Vindob. 315 Nessel fol 126
angeführt, welche Heylbut eher auf mpl rj&wv als auf die 'HBixd zu
beziehen geneigt ist unter Hinweisung auf Adrantos oder vielmehr wohl
Adrastos über das erstere Werk b. Ath. XV. 637". Dann wird hervor-
gehoben, dass dasselbe Bild wie in letzterem Citat in den M. Mor. I,
34. 1198t> 9 — 20 ausgeführt ist, und dass der Verf. der letztgenannten
Schrift sich auch I, 27. 1192^ Iff. in Bezug auf den in der nik. Eth.
nicht genannten aaMxu» an dessen von Theophr. b. Hesych. aakxxojveüaac
gegebene Definition anschliesse. Dagegen ist jedoch zu bemerken, dass ja
die Hauptquelle für ihn die eudem. Eth. ist, und dass diese den aa)^dxu)v
auch hat. Weiter wird darauf hingewiesen, dass der Anon. Oxon. zur nik.
Eth. V, 2 1192^ 30 (Herm. V S. 356) jene beiden theophrastischen Schrif-
ten, der Anon. z. IV, 2. 1121 * 7 nepl ijBwv und nepl nXoÖToo und Aspas.
VI, 15. l]54t> 2 p. 156, 16ff. Heylb. die lIDixd anführt, letztere auch Plut.
Per. 38 (vgl. Sert. 10), womit dann, wie schon Useuer Anal. Theophr.
S. 23 bemerkte, die Citate aus nep). suoatfiovc'ag in enger Berührung ste-
hen (vgl. auch Simpl. in Cat. 13 » 18, Schol. in Aristot. 86 ^ 27ff.)28).
Gegen einen Satz in dieser Abh. Heylbut 's gerichtet und auf
nepl eijoaiiioviag bezüglich ist der kleine Autsatz von
159) A. Gercke, Ein angebliches Fragment des Theophrast.
Arch. f. Gesch. der Philos. I 1888 S. 355 f.,
indem hier geltend gemacht wird, dass nach der unzweideutigen An-
gabe von Cicero's Quelle Tusc. V, 9, 24 gerade Theophrastos die (nach
'6) Vgl über diesen jetzt auch Susemihl a a 0. I S. 660flF.
27) Besonders schlecht kommt Gemol 1 Ueb d Quellen u. s. w der Geo-
pon. (Berl 1883) weg, viel besser immerhin noch Böhme. Kaibel's Abh. üb.
antike Windrosen, Herm. XX S 579 — 624 erfährt Berichtigungen im Einzelnen.
28j Die Aechtheit des Bruchstücks bei Vitruv. VI Prooem. zweifelt da-
gegen Heylbut S. 198 f. (wo Aechtheit doch wohl nur ein Druckfehler für
Unächtheit ist) gewiss mit Recht an.
Ethische Schritten, fiept Xi^emg. 73
Gercke's Ansicht hexametrische) »pointirte Wendungo, dass die Glück-
seligkeit nicht bis zum Rade reiche, nicht ausdrücklich citirt hat. »Da-
gegen«, meint Gercke, »gehen vermuthlich die classischen Geschichten
des Ciceronischen Buches in letzter Linie auf Theophr. zurück, und
leicht kann dieser bei der Erzählung vom Schwerte des Damokles den
Ausdruck xecpakoToixslv gebraucht haben, welcher aus der Schrift nep}
euoacfjLovc'ag angeführt wird (Bekker Anecd. I, 104. Phrynichos 341 L)«.
Ueber die gleichfalls verlorene Schrift rrspl Xe^eiog handelt
160) Hugo Rabe, De Theophrasti libris nepl Xiqsiug, Bonn 1890.
48 S. 8. (Doctordiss.).
Es ist aber sehr zu bedauern, dass der Verf. dieser in ihrem
eigentlichen Kerne (S. 5 - 27) trotz einiger Sprünge in der Beweisfüh-
rung, die auch hier verhängnissvoll werden, immerhin verdienstlichen
Dissertation nicht umgekehrt von dem Gegenstande ihres zweiten Theils
(S. 27 — 36), nämlich von der Abh. des Aristot. nzfu Xe^scug, welche uns als
der erste von den beiden Hauptabschnitten des 3. Buchs der Rhet. er-
halten ist, ausgehen konnte. Denn dies wäre der ächte historische Weg
gewesen und hätte seine Ergebnisse theils gefestigt und theils berichtigt.
Aber daran hinderte ihn seine schon von seinem Recensenten Heylbut
Deutsche L.-Z. 1891 Sp. 919f. beanstandete und in der That, wie ich
Quaest. Aristot. I. Greifswald 1892 S. XI XV bewiesen zu haben
glaube 29), irrthümliche Meinung, dass die beiden Theile dieses Buches
zwar dem Inhalt nach aristotelisch, aber als zwei ursprünglich geson-
derte Abhandlungen von einem oder zwei Schülern des Aristoteles nach
den Vorträgen des Meisters verfasst seien. In Wahrheit ist meiner
festen Ueberzeugung nach das Ganze zwar nicht zur Rhetorik selbst
gehörig, aber doch im Grossen und Allgemeinen so, wie es ist, als Er-
gänzungsschrift zu derselben aus den Händen des Letzteren selber her-
vorgegangen. Dann aber haben wir die Aufgabe, wo möglich, zu prüfen,
wie weit Theophrastos in seiner erweiternden Darstellung den Plan des
Aristoteles noch beibehalten hat. Ich bewege mich dabei hier ganz im
Allgemeinen, indem ich für seinen engen Anschluss an die Abhandlung
seines Meisters im feinsten Detail auf die schönen Darlegungen von
Diels in dessen Ber. L S 13 ff. besprochener Arbeit S. 26 ff. verweise.
Dass seine betreffende Schrift mehr als, wie wir bei Laert. Diog. V, 27
lesen, ein Buch umfasste , geht bekanntlich schon aus den beiden ein-
zigen ausdrücklichen Citaten derselben (b. Dionys. v. Hai. C. V. 16
p. 101 R. de Lys. 14 p. 483: iv rocg r. ^.) hervor. Dass sich auf den
Anfang von ihr die Inhaltsangabe bei Simpl. in Cat. f. 4 "^ bezieht, sahen
Max. Schmidt, De Theophrasto rhetore S. 38 und Usener, Anal.
Theophr. S. 9. Danach entsprach dieser durchaus dem zweigliedrigen
29) Ich komme darauf, so Gott will, im Bericht für 1892 zurück.
74 Theophrastos.
ersten Abschnitt der aristot. Abh. (C 2 - 4 und 5 — Y), welcher die Ele-
mente der Diction als solche und deren richtige Auswahl und Anwen-
dung zur Erreichung der Erfordernisse der Rede bespricht, nur dass
Theophrastos, wie ähnlich Aristoteles selbst in der Poetik (20r''°), der
rhetorischen Classification der Ausdrücke noch die grammatische Unter-
scheidung der Wortarten (der sogenannten Redetheile) voraufschickte
und auch von den zäHr^ Tr^g Äegeujg Apokope, Synkope, Aphäresis han-
delte'*), und dass er die von Aristoteles aufgestellten Erfordernisse oder
Tugenden der Rede kXXrjViaixög und aa(fig^ oyxug (wofür er ixsyahmpz-
rdc setzte), npirMM noch mindestens um das rß(j und das mHavuv ver-
mehrte, worüber Rabe im zweiten Anhang S. 41 — 45, freilich wohl nicht
durchweg richtiges), handelt. Der zweite Theil bei Aristoteles (C 8. 9)
ist die Lehre von der Wortverbindung oder Composition {aövi^zaig), und
ebenso unterscheidet Dionys. C. V. l p. 5 ganz richtig (trotz Rabe S. 8)
nur diese beiden Bestaudtheile auXXoyy] und aüvi^eatg^ da ja in der That
ein Drittes ausser der richtigen Wahl und der richtigen Verbindung
der Ausdrücke nicht denkbar ist. Auch Theophr. kann es iilso nicht
anders gemacht haben. Ob er gleich Aristot. (C 10. 11) in einem dritten
Abschnitt noch gemeinsame Punkte erörterte, ist nicht zu entscheiden.
Jedenfalls ist die Annahme von Rabe, dass er den zweiten Gegenstand
in zwei Abschnitte , einen die contimia oratio im Allgemeinen mit Ein-
schluss der Figuren und einen dieselbe mit Rücksicht auf Rhythmos,
Periode, Hiatus u. dgl. behandelnden, zerlegt habe, aus der Luft ge-
griffenes). Mit ihr hängt die andere zusammen, dass derselbe demge-
mäss auch zwei Gattungen von Stilarten, ^^apaxrr^fjeg Xi-ewg und auv-
iHiaewg oder äf)ixuviag^ und zwar vier der ersteren und drei der letzte-
ren unterschieden und aus ihnen das dritte und fünfte Buch gemacht
habe. Dafür bringt Rabe zwei Beweise, indem er einmal (ich zweifle, ob
30) Nicht auch im dritten B. der Rhet. , wie man nach Rabe 's (S. 6)
unvorsichtigem Ausdruck glauben müsste.
31) Dadurch entstand denn eine feinere Gliederung, und das hat doch
wohl auch Diols a a. ü Ö 26 A. 1 nur gemeint, wenn er schreibt, es würden
bei Simpl. nächst its.pi tüh' tuü Xöyou aTot-fetwf noch drei fernere Theile an-
gedeutet.
33) Ein näheres Eingehen auf diesen Punkt würde mich hier zu weit
führen.
33) Der ganze angebliche Beweis hierfür besteht darin, dass Dionys. in
den ersten 34 Capiteln über die Rednergew. des Demosth auch schon in die
Composition hinübergreift. Was von der oratio coniinua noch bleiben soll,
wenn man von der parataktischen oder periodischen Satzfügung absieht, geht
über mein Begriffsvermögen hinaus. Und jener vorgebliche Beweis zwingt
durchaus nicht zu der Annahme, dass Theophr die (gorgianischen) Figuren
anderswo als gleich Aristot. bei der Satzfügung behandelt habe. Im Gegen-
theil scheint mir dies unglaublich, s. Diels a.a.O. ö. 27 30.
Tlepl Xi^eiog. 75
mit Erfolg, kaun dies aber hier Dicht untersuchen! darzuthun sich be-
müht, dass Demetrios mpl epfxrjvetag durch den Versuch beide Classen
in eine zusammenzuzielien in einen Theil seiner Absurditäten ge-
rathen sei, und indem er zweitens behauptet, Demosthenes sei von Theo-
phr. in die vierte Art der ersten und in die dritte der zweiten Gattung
gesetzt worden. Allein mit Recht hat schon ein anderer Recensent,
Hammer, ßerl. ph. Woch. VIII 1891 Sp. 1221 f. bemerkt, es sei min-
destens unerweislich, in Wahrheit sogar mehr als unwahrscheinlich, dass
schon Theophr. gleich Cicero denselben als Vertreter einer vierten, die
Vorzüge aller drei andern vereinenden Stilart bezeichnet habe^*). Un-
terschied er also wirklich drei Stilarten der U^tg und drei analoge der
(TÜvdeacg^ so bezogen sich die ersteren doch vielmehr auf die ix^oyi^^^),
und ferner hindert Nichts anzunehmen, dass er beide Gattungen in dem-
selben Buche oder Abschnitt abgehandelt habe. Der letzte Theil bei
Aristot. (C. 12) ist die Anwendung auf die besonderen Redegattungen;
ich denke: sie wird auch bei Theophr. nicht gefehlt haben und dann
bei ihm diese seine neue Lehre von den Stilarten gefolgt sein. So er-
halten wir vier bis fünf Abschnitte und vielleicht auch Bücher, genauer
aber wahrscheinlich vier, da Usener's Aenderung der falschen ßuch-
zahl A bei Laert. Diog. in J ungleich leichter als die in E ist^^); in-
dessen fragt es sich mindestens sehr, ob nicht vielmehr das Ganze in
zwei Bücher zusammengezogen war und vielmehr die Vermuthung von
Diels^^) 7/. (ßy die richtige ist, da nach der Usener's zufolge der ge-
wöhnlichen Form des Katalogs vielmehr ö. ß y § geschrieben werden
müsste. Im Uebrigen nun aber verdienen Rabe 's Bemühungen die
Spuren unmittelbarer Benutzung der Schrift bei Dionys. und mittelbarer
bei Cic und Demetr. zu verfolgen Anerkennung, so weit nämlich dabei
nicht jene seine unhaltbaren Vermuthungen ins Spiel kommen; ich kaun
seinen Erörterungen jedoch hier nicht weiter nachgehen ^S). Erschöpfen
34) Obgleich auch die oBivöz^q des Demosthenes bei Dionys. auf das-
selbe hinausläuft, lieu Urheber dieser Modification kenneu wir freilich nicht
(vgl. uuten A. 38). S. Blass, Att. Bereds in. S. Il9f. III. S. 66ff.
35) S. darüber Rabe selbst S. 12 Anm.
36) Denn dass A richtig überliefert und also ein miancum exemplar«. be-
zeichnet sei, behauptet Rabe S. 6 auf seine eigene Gefahr, und es ist viel-
mehr geradezu undenkbar, dass die grössere alexaudrinische Bibliothek, auf
deren Katalog dies Verzeichniss (des Hermippos) ja doch zurückgeht, von
dieser Schrift nur ein solches gehabt haben sollte.
37) A. a. 0. S. 26 A. 1.
38) Da Cicero die Citate des Aristoteles aus nicht von ihm gelesenen
Schriften desselben auch nicht aus Theophr , da dieser ja den Aristot. nicht
citirte, haben kann, so ichliesst daraus Rabe mit Recht, dass er auch Theo-
phr. Ttepi li^swq nicht selbst gelesen, sondern ein Compendium benutzt hat.
Und hinsichtlich des Demetrios zeigt er, dass dessen unmittelbare Qm-lie be-
76 Theophrastos. llepl Xd^ecu?.
will er ausgesprochenermassen diesen Gegenstand durchaus nicht; auch
er liefert eben nur eine Vorarbeit. Der erste Anhang, de elementis
orationis (S. 36 — 41), knüpft wieder an Simpl. a. a. 0. an, indem aus
dessen Angabe Trursfit/v ovo/xa xal pr^ixa zou ^oyou azoi^eta rj xal äpHpa
xul aüvdzdßo'. xal aXXa ziva mit Recht geschlossen wird, dass Theo-
phr. bereits mindestens noch zwei andere Wörterclassen gekannt habe.
Aber dass er sie auch als wirkliche grammatische Redetheile bereits
anerkannt hat, folgt daraus noch nicht, ja es ist kaum wahrscheinlich,
dass er hierin schon so weit über Aristot. hinausgegangen sein sollte.
Um so weniger kann ich die Gründe stark genug finden für die Vermu-
thung von Rabe, dass nicht. erst Aristarchos, sondern schon der Peri-
patetiker Praxiphanes der Urheber des Systems der acht grammatischen
Redetheile gewesen sei, vgl. meine gr. alex. L.-G. II S. 673. Die Nach-
richt bei Dionys C V. 2 p. 8 und Quintil. I, 4, 18 f., Aristot. und Theo-
dektes hätten nur die drei nvoiia, p^jpc^-, oüvdzanoQ unterschieden, er-
klärt Rabe wahrscheinlich richtig so, dass sich dies auf die ältere ari-
stotelische Rhetorik, die sogenannte theodekteische (vgl. Her. L S. 14).
bezieht. Wenn aber Aristot. wirklich später, Poet. 20, das äpBpov hin-
zugenommen hat, so doch sicher nicht, wie Rabe glaubt, von Anaxi-
reits eine mannigfache Umgestaltung der theophrastischen Lehre enthielt, in-
dem z. B. Theophrastos zwar wohl allerlei schlechte notörrjTeg des Stils an-
gegeben, aber allem Anschein nach noch nicht ganz bestimmte fehlerhafte
^apaxr^psg construirt hat. Da sich nun aber diese gleichwie bei Demetr. auch
schon bei Varro und dem Auct. ad Herenn. finden, so hält er für diese un-
mittelbare Quelle fies Demetr. einen direct den Theophr. benutzenden Peripa-
tetiker des zweiten Jahrh. v. Chr. Vielleicht indessen darf mau nach den
sehr richtigen Andeutungen von Spengel, Au.sg. der arist. Rhet. II S. 396
und Hammer a. a. 0. auf Grund von § 34 vielmehr an den auch die aristot.
Abh. verwerthenden eklektischen Stoiker Archedemos denken, zumal da Rabe
S. 26 f. selbst auch auf stoische Elemente stösst. Jedenfalls ist er S. 35 f. im
Unrecht, wenn er die ^ 11 als aristotelisch angeführte, in Wahrheit aber gegen
Rhet. III, 9. 1409* 35 ff. gehalten verkürzte Definition der Periode für die
ächte aristotelische hält, und Hammer im Recht, wenn er auch diese Ver-
kürzung aut die Benutzung einer bloss secundären Quelle, genauer eben wie-
derum auf Archedemos zurückführt. Ausserdem vgl. Di eis a. a. 0. S. 24t.
Jedenfalls war der von Demetrios vorzugsweise benutzte Rhetor nicht der-
jenige, welcher den drei ^^apaxrfjpeg des Theophr. noch den detuög als Mi-
schung aus ihnen hinzulügte S. A. 34. Denn sonst würde schwerlich der
letztere bei Demetrios selbst in einer so ganz anderen Bedeutung als einfache
Stilart neben den beiden des Theophr., der hohen und der schlichten, und
einer ferner hinzugethanen (/Aa^upög) auftreten und die mittlere im Sinne
des Theophr als die gemischte (freilich in der Mehrzahl oi ix toütwv ßt/vü-
fxevoi) erscheinen. Dass Demetrios selbst erst im ersten oder zweiten Jahrh.
n. Chr. gelebt habe, sieht Rabe wohl mit gutem Grunde als bereits er-
wiesen an.
Testamente des Aristoteles, Theophrastos u. s. w. 77
menes ^9), auch wenn wirklich schon dieser der Urheber der sogenannten
Rhetorik an Alexandros gewesen sein sollte *ö). Denn in der letzteren
bezeichnet äpHpov den Artikel, in der Poet. a. a. 0. aber, wenigstens
wenn es schon hier ursprünglich stand, ohne Zweifel etwas Anderes, wie
Beides Vahlen, Beitr. z. Arist. Poet. III S. 370ff. unwiderleglich ge-
zeigt hat. S. darüber auch oben Ber. LXVII S. 169if.*i).
Aus der hochinteressanten Abhandlung von
161) Arn. Hug, Zu den Testamenten der griechischen Philoso-
phen, Festschrift der Univ. Zürich zur ßegrüssung der 39. Philologen-
vers., Zürich 1887. 4. S. 1—22
kommen für diesen Bericht die Testamente des Aristoteles, Theo-
phrastos, Straton und Lykon in Betracht. Zunächst wird S. 1 — 11
über die Passiva und die Universalerben gehandelt, wobei sich unter
Anderem ergiebt, dass der Schluss von Schulin, Das griech. Testa-
ment, Basel 1882 aus dem Testamente des Aristoteles, Herpyllis sei wirk-
lich nur Kebsweib des Philosophen und ihr Sohn Nikomachos nur unehe-
liches Kind desselben gewesen, richtig und dass Schulin's Auffassung
von der Stelle des Hipparchos im Testamente des Theophrastos noch
dahin zu verbessern und verschärfen ist, dass dieser der Haupterbe
war. Der zweite Abschnitt S. 11 — 14 «Die Testamentsexecutoren« setzt
vortrefflich auseinander, warum es bei Ljdion gleichwie bei Epikuros gar
keiner Testamentsvollstrecker bedarf, und wie verschieden je nach Lage
der Sache die Stellung derselben in den anderen Testamenten ist. Der
dritte S. 14—17 bespricht die Vermächtnisse an die Schulen. Aus ihm
ist Folgendes hervorzuheben : Theophrastos vermacht das SchuUocal, bis-
her juristisch sein Privateigenthum, den damaligen ordentlichen Mitglie-
dern der Schule, die aber offenbar allmählich ausstarben oder zurück-
traten, so dass es wieder als Stratons Eigenthum galt ; Straton vererbt
es auf Lykon, den er ebendamit als Schulbaupt einsetzt; Lykon kehrt
zu dem Modus von Theophrastos zurück, weil er seiner Schule die freie
Wahl seines Nachfolgers überlässt. Dazu kommen endlich viertens S. 17
— 22 noch »individuelle Züge«, und es wird hier vortrefflich ausgeführt,
wie die Testamente des Aristoteles, Theophrastos und Lykon lebendige
Illustrationen für Dasjenige sind, was wir anderweitig von dem Naturell
39) Für welchen fälschHch zweimal bei ihm Antisthenes gedruckt ist.
*0) S. darüber oben Ber. LXVII S. 153 f, andrerseits jedoch auch Blass,
Litt. Ceutralbl. 1892 Sp. 452.
41) Unter den der Diss. Rabe 's angehängten Thesen beziehen sich die
dritte und vierte auf die Behandlung der aristot. Pol. in Bezug auf Textkritik
und höhere Kritik. Die erstere richtet sich ausschliesslich gegen mich, s.
gegen dieselbe das nöthige Vademecum bei Suse mihi Qu. Ar. p. I S. XV f.
Von der letzteren muss ich das •»pessime egenmH auch mir zuziehen ; meine
vorläufige Antwort habe ich oben A. 13 gegeben.
78 Testam. des Lykon. Anhang. Xenokrates.
und Charakter, der Denk- und Sinnesweise dieser Männer wissen, und
dass die beiden ersteren aucli das gegenseitige Verhältuiss beider Te-
statoren ausserordentlicli klar beleuchten, während sich in dem des
Slraton solche charakteristische Züge kaum finden. Auch die Auffassung
des einzigen Fragmentes von Lykon bei Wilamowitz erfährt S. 20
A. 1 eine theilweise Berichtigung: die Schilderung des Trinkgelages und
seiner Folgen ist nicht »behaglich« und hat wohl eher, da die Haupt-
person ein Gewohnheitssäufer ist , eine abschreckende Tendenz; bei all
seiner Liebe zu den Tafelfreudeu hasste Lykon das Uebermass und er-
hielt sich dadurch die Erreichung eines lange dauernden Lebensgenusses.
Hiernach ist auch Suse mihi, AI. L.-G. I S. 148 zu berichtigen.
Lnd so bleibt denn nur noch über das Neue zu berichten, was
sich in
162) Ferd. Dümmler's Akademika, Giessen 1889. 8
auf Tlieophrastüs und auch auf Aristoteles und Xenokrates bezieht.
Ausgehend von der Bemerkung Cicero's in der oben angeführten Stelle
Tusc. V, 9, 24 ff. über die Angriffe, welche Theophrastos wegen seiner
Auseinandersetzungen in nsfjl E>jocM[X(jviag und in seinem Kallisthenes
erlitt, dass die Glückseligkeit nicht unabliängig von äusseren Umständen
sei, und dass nicht die Berechnung, sondern die zü^/^tj das Leben regiere,
sucht er S. 211—216 nachzuweisen, dass die pseudo-plutarchische Ab-
handlung 7:£(n TÜ-j^r^q eine altstoische Schrift gegen Theophrastos zur
Grundlage habe. Was S. 221 bemerkt wird, geht nicht so sehr den
Theophrastos als die von diesem in nepl abaeßet'a; (s. Bernays Theo-
phr. üb. Frömmigk. S. 80) citirten Verse des Empedokles 405 ff. St. an.
Inwiefern Aristoteles Met. IV, 5. 1010* lOff. »in nicht misszuver-
stehender Weise« angedeutet haben soll, wesshalb Piaton im Kratylos sich
die Maske des Kratjlos gewählt habe, um unter dieser den Antisthenes
anzugreifen, darüber möge man sich bei D ümrnler S. 147 f. selbst unter-
richten. Weit ansprechender ist seine Vermuthung (S. 10 A. 2), dass
Aristot. das Rhet. II, 23. 1398* 24 ff. Erzählte aus dem antisthenischen
(oder nach meiner Meinung pseudo- antisthenischen) Archelaos entnom-
men habe, obwohl es immerhin nur eine Möglichheit neben anderen ist 42).
In Bezug auf Xenokrates wird endlich S. 205 — 208 die Be-
hauptung aufgestellt, dass der Spott in Lukians Todtengespr. X, IG
gegen dessen Unsterblichkeitslehre gerichtet sei*^)^ indem dessen Psy-
chologie und Eschatologie sich noch vollständig aus Plutarch herstellen
lasse, der den Xenokrates mittelbar, aber durch beste akademische
Quellen benutzt habe in de ser. num. vind., de Is. , de an. proer., den
43) Eine solche bleibt es auch dann, wenn dieser Dialog nicht von Anti-
sthenes selbst, aber doch aus der ältesten kynischen Schule stammte.
*'j S. dagegen R. Heiuze, Xenokrates S. 143 A. 1.
Xenokrates. 79
Quaest. Plat., de def. orac. und de fac. in orb. lun. Man darf auf den
Beweis gespannt sein**). Auch de es carn. 2 führt Dümmler S. 239 ff.
auf ebendenselben zurück**) und behauptet endlich S. 277 f., dass Xeno-
krates, indem er »die orphischen Neigungen des greisen Piaton mit
innerstem Pessimismus aufgriff, theilweise dem an Gemüthsanlage ver-
wandten Antisthenes ganz nahe komme« , dass aber andererseits doch
sein Nachweis (Nemes. de nat. h. II p. 31), die Seele sei kein Körper,
gegen diesen gerichtet sei, was sich durchaus nicht beweisen lässt*^).
Wenn Dümmler es für wahrscheinlich hält, dass Xenokrates wirklich
Lehrer des Zenon gewesen sei, so glaube ich inzwischen (s. AI. L.-G. I
S. 48 ff. A. 48 ff. A. 154. 160. 161. 164. 168. 169. 183. 184 und das dort
Angeführte) die chronologische Unmöglichkeit hiervon nachgewiesen zu
haben.
**) Vgl. Heinze a. a. 0. S. 128 A. 1.
«) S. darüber Heinze a. a. 0. S. 151 tf.
46> S. Heinze a. a 0 S. 127 A. 1. Wesshalb ich es nicht glaube, kann
ich hier nicht auseinandersetzen.
Bericht über Aristoteles und die ältesten Aka-
demiker und Peripatetiker für 1891.
Von
Professor Dr. Franz Suseniilil
in Greifswald.
1) E. Zeller, Die deutsche Litteratur über die sokratische, pla-
tonische und aristotelische Philosophie, Arch. f. Gesch. der Philos. IV
1891, S. 121 — 153
bespricht S. 146 153 die von mir Ber. LXVII No. 26. 88. 132. 131. 112
in Betracht gezogenen kleinen Schriften von Göbel, v. Monsterberg-
Munckenau (und zwar diese mit ungleich günstigerem Urtheil, als ich
es zu fällen vermochte), Adam, Schönermarck und Ipfelkofer.
Auf ein paar die Metaphysik betreffenden Kleinigkeiten in diesem Ueber-
blick komme ich unten unter No. 9 zurück.
Zunächst sind hier die verlorenen Schriften des Aristoteles
oder vielmehr genauer der Peplos zu berücksichtigen, welcher in der
vortrefflichen Doctordissertation von
2) Emil Wendung, De Peplo Aristotelico quaestiones selectae,
Strassburg 1891. VII, 82 S. 8.,
mit welcher man auch die gute Recension von A. Körte. Woch. f. kl.
Ph. IX 1892 Sp. 578 — 581 vergleichen möge, einer erneuten und höchst
fruchtbaren Untersuchung unterzogen ist Da uns aus diesem Buch vor-
wiegend nur eine Reihe von Grabschriften für Heroen erhalten ist, wurde
es fälschlich für eine Epigrammensammlung gehalten. Erst Schneide-
win's ausgezeichnete Abhandlung, De Peplo Aristotelis Stagiritae, Phi-
lologus I 1846 S. 1 — 45 verbreitete über dasselbe das richtige Licht
durch Zusammenstellung und Ordnung aller auf diese Schrift bezüglichen
Angaben, aus denen hervorging, dass sie vielmehr ein mythen- und
sagengeschichtliches Sammelwerk in Prosa war, in welchem unter An-
derem Liebesangelegenheiten der Götter, Stiftung der Festspiele, Genea-
logie der Heroen, die Zahl der Schiffe der homerischen Helden und,
wie gesagt, jene Grabschrifteu auf diese und andere Personen der Sage
Allgemeines. Verlorene Schritten: Peplos. gl
enthalten waren. Weiter zeigte sich dann später, dal's aufser jenen
Stiftungslegenden auch sonst noch die Sagengeschichte der Erfindungen
berücksichtigt war. Obwohl aber seitdem dies Alles auch in den Frag-
mentsammlungen vonHeitz und Rose klar vor Augen gelegt ist, zeigt
doch, wie Wendling S. 11 richtig bemerkt, noch der neueste grund-
falsche Bericht bei Christ Gr. L.-G.- S. 527, wie verbreitet noch immer
die alten Irrtümer sind. Und so war denn Wendling genötigt (Praef.
S. V — VII und auch weiterhin), den wahren Sachverhalt, so weit er
längst bereits aufgedeckt war, erst von Neuem wieder klar zu stellen,
um dann weiter auf diesem Grunde fortzubauen. Ebeujene kläglichen
Epigramme haben nun aber auch (neben einzelnen Milsgriffen Schneide-
wins) das Meiste dazu beigetragen, daß doch auch ßergk P. L. G. II*
S. 338 ff., Rose und Heitz im Gegensatz zu Schneidewin es be-
stritten, dafs diese Schrift von Ai-istoteles oder wenigstens in dessen
Schule und unter dessen Leitung verfal'st sei. Nur warf Bergk S. 341
allerdings den Gedanken hin, wenn im Übrigen ihre Achtheit festzustellen
wäre, könnten die Epigramme von einem Späteren eingeschoben sein.
Diesen Gedanken nimmt mm Wendling auf und trennt daher die
Untersuchung über dieselben für den zweiten Teil seiner Ai'beit (S. 49
— 61) ab, und während die Fragmentensammler die Anführungen des
Aristoteles über die Urheber verschiedener Erfindungen bei Plin. VEE.
§ 191 — 209 unter verschiedene der Politieu verzettelt haben, ist es ihm
im ersten Teile (S. 1—48) gelungen, teils zu beweisen, teils mindestens
wahrscheinlich zu machen, dafs für diesen ganzen Abschnitt und für
Clem. Alex. Strom. I, 16. p. 361 ff. Pott. (132 ff. = 306 B ff. Sylb.)
vielmehr der Peplos eine gemeinsame abgeleitete Quelle war und des-
gleichen für Hygin. fab. 273 ff. und auch sonst, und dafs aus ilu* (s.
S. 40 f.) auch Diodoros V, 79, 4 schöpfte, vermutlich (s. S. 44 ff.) durch
Vermittelung von Apollodors Kommentar zum homerischen Schiffskatalog,
während Porphyrios allem Anschein nach (s. S. 47 f.) diese Schrift
wiederum noch unmittelbar benutzte. Daraus ergiebt sich denn, dafs
das Kapitel der Erfindungen in ihr einen viel breiteren Spielraum ein-
nahm, als man bisher absah, und dafs sie ein Seiteustück zu jenen an-
deren aristotelischen und altperipatetischen Stoffsammlungen kulturhisto-
rischer und antiquarischer Art war, wie sie dann namentlich Dikäarchos,
worauf ich schon im dritten Stück meines vorigen Berichts (LXXVII)
S. 11 zu sprechen kam, zu einem kunstvolleren Werke in seinem Bioi
'EWdoog verarbeitete (s. S. 16). Nicht zu loben ist es dagegen, dafs der
Verf. die eng mit dieser Untei'suchuug zusammenhängende und für die
Achtheit der Schrift entscheidende Frage nach der unmittelbaren Quelle
des Plinius und des Clemens in einen Anhang (Epimetrum I : De Stra-
tone et Ephoro S. Gl — 69) verwiesen hat, in welchem er es zu ziem-
Jahresbericht lüi- Alterthumswissenschaft. LXXV. Bd. (1893. I.) 6
32 Aristoteles.
lieber Wahrscbeinlichkeit erhebt, dals dies die besonders gegen Ephoros
geriebt eleu 2 Bücher Eupr,[j.aTo)v tlvc/oi des Straton waren. Wohl nur
durch diese fehlerhafte Anordnung ist es verschuldet, dal's er eine sich
geradezu mit Notwendigkeit hieraus ergebende Folgerung übersehen hat.
Bei Plinius werden mehrfach (s. S. 10) die abweichenden Ansichten des
Theophrastos denen des Aristoteles gegenübergestellt, und dies erklärt
sich doch so auf die allereinfachste Weise durch die Annahme, dafs
eben schon Straton beide nebeneinander aufgeführt hatte, die einen aus
dem Peplos, die anderen aus der Schrift des Theophrastos -spl sOpTiixa-
Tiov^), und so wüi'de denn hiermit auch noch die von Wendung (S. 63)
ofifen gelassene Möglichkeit, dafs Straton doch vielleicht nur den letzteren
als Urheber angesehen habe, wegfallen und kein Zweifel bleiben, dafs
bereits er den Aristoteles als solchen anerkannte. Wenn dennoch die
Schläft zweimal (Aristot. Fr. 638 Rose und s. Usener Rhein. Mus. XXV.
S. 605 f. vgl. S. 616) unter dem Namen des Theophrastos angeführt
wird (S. 7 ff.), so ist dies nicht auffälliger, als wenn bei anderen Schiiften
ein gleiches Schwanken nachweislich ist, und bedarf folglich gar keiner
besonderen Erklärung-). Statt dessen sucht nun der Verf. (S. 7) allerlei
andere Möglichkeiten zusammen und bleibt endlich (S. 14 f.) bei der
geradezu undenkbaren Vermutung stehen, Theophi'astos habe das un-
vollendete Werk hei-ausgegeben und seine eigenen abweichenden Ansichten
beigefügt ^).
Es bleibt nun hiernach in Bezug auf die Epigramme, da diese
auch Wendling im Gegensatz zu Schneide w in mit Recht für unächt
hält, nichts Anderes übrig, als dafs sie später eingeschoben sind, sei es,
dals sie zu eben diesem Zwecke fabriciert wurden, sei es, was Wend-
*) Laert. Diog. V, 47. Usener Anal. Theophr. S. 9.
*) Ich wundere mich daher, dafs auch Körte Sp. .57!) sich die Sache
„nicht anders zu erklären weifs" als Wendling, obgleich ihm doch das
Bedenken kommt: „Merkwürdig bleibt dabei freilich, dafs daneben ein be-
sonderes Buch Theophrasts -z[A i'jryr^\>.u-Aw erwähnt wird". Ebensowenig,
glaube ich, ist aber andererseits darauf Gewicht zu legen, dafs der Ili-/.'>;
in den Verzeichnissen der aristotelischen und der theophrastischen Schriften
bei Laert. Diog. fehlt und dagegen in dem der ersteren bei den Anon.
(Hesych.) zweimal erscheint, einmal No. 105 unter den Schriften in Pro-
blemenform und einmal im Anhang No. Ifif) (vgl. unten A. ß).
') Man versuche nur einmal, sich dies durchzudenken! Wenn heut-
zutage Jemand die postume Schrift eines Anderen herausgiebt, so kann er
leicht seine Zusätze und Einwendungen in den Anmerkungen anbringen oder
durch eckige Klammern kenntlich machen. Theophr. dagegen hätte fort-
während sagen müssen: „so Aristoteles, ich aber so", derselbe Theophr.,
der, wie im 'd. St. des vorigen ßer. (LXXV) Anm. y,?, hervorgehoben ist,
den Aristot. nie citierti Wo hätten wir wohl irgend einen analogen Fall?
Verlorene Schriften: Peplos. 83
ling (S. 59) lieber glaubt, dafs der Interpolator sie an anderer Stelle
schon vorfand. Dafs trotzdem fast gerade nur diese interpolierten Verse
sich erhalten haben, erklärt sich, worauf der Verf. wohl etwas näher
hätte eingehen können, vielleicht gei'ade daraus, dafs im Übrigen, wie
aus dem Obigen hervorgeht, die Lektüre dieses kunstloseren Buches
durch die von kunstvolleren Darstellungen nach Art des Dikäai'chos
oder auch von umfassenderen Kompendien mehr und mehr verdrängt zu
sein scheint. In Bezug auf die Entstehungszeit dieser fast ausnahmslos*)
von einem und demselben Manne (s. S. 49) verfertigten Epigramme muß
ich Körte Sp. 580 darin beipflichten, dafs die von Schneidewiu und
Wendling S. 58 angenommene Benutzung von denen des Kallimachos
nicht erwiesen, dagegen die der Alexandra des Lykophron S. 55—57
wirklich dargethan ist. Viel ist damit freilich nicht gewonnen, denn
danach könnten sie immer schon um 290 entstanden sein ^). Wenn aber
wirklich Apollodoros der Gewährsmann des Diodoros a. a. 0. ist, so
waren sie mindestens zur Zeit des ersteren schon vorhanden; jedenfalls
waren sie es schon vor der des letzteren.
Das zweite Epimetron: De Hygini fabulis 221—277 (S. 70—81)
fällt nicht in die Grenzen meines Berichts. Es folgt noch ein Index
(S. 82).
In Bezug auf den Titel schliefst sich Wendling S. VI mit Recht
der Annahme Schneidewins an, dafs durch denselben die Buntheit
des Inhalts ®) gemäfs der Buntfarbigkeit der wirklichen Peplen bezeichnet
*) Das 7. auf Aias, das einzige, welches nicht aus nur einem, son-
dern aus zwei Distichen besteht, ist, wie auch Wendling S. 50f. bemerkt,
von einem anderen Verfasser, vielleicht auch, wie Wendlings Rezensent
Stadtmüller (Berl. ph. W. XIII. 1893 Sp. 7) hinzufügt, das 15. auf Ido-
meneus und Meriones. In der Anth. Pal. VII, 145 wird ersteres dem Askle-
piades beigelegt, und zwar trotz Wendlings Einspruch wohl mit Recht,
s. Knaack b. Susemihl Gr.-alex. L.-G. II. S. 525 mit Anm. 3G. Aufser-
dem steht nur noch das 15. (wie bei Diod. a. a. 0. und wahrscheinlich, wie
Wendling S. 40 meint, aus ihm) als «osozo-ov in d. Anth. Pal. VII, 322.
5; S. Susemihl a. a. 0. I, S. 273 f. A. 27. 28. S. 889 f. Weit mehr
würde erreicht sein, wenn wirklich nach den scharfsinnigen Erörterungen
von Wendling S. 52-55 Nachahmung des Mnasalkas anzunehmen ist.
Denn ich wenigstens halte die Konjektur 0£<'jo>iiip(oav von Meursius
bei Suid. Ej'fofyi«iv, nach welcher Theodoridas, der Zeitgenosse des Mna-
salkas, auch Zeitgenosse des Euphorion war, trotz mancher mit dieser Frage
verknüpfter Schwierigkeiten durchaus nicht mit Wendling S. 55 A. 1 für
„nimis incerta'-\ s. Knaack a. a. 0. IL S. 540 ff. Aber leider bezeichnet
Wendling selbst jenes sein Ergebnis als ein nicht ganz unzweifelhaftes.
*) Wie es an der zweiten Stelle (s. A. 2) im Verzeichnis des Hesych.
hieifst: "i^piä^sl oi isxofyiczv xoixii',r,v.
6*
84 Aristotoles.
werden sollte. Es war also das erste Beispiel solcher gewählter Titel
für diese Art von Büchern, denen hernach andere, wie Kepa? 'A[xaX-
Bei'ac, 2Tpu)}iaTer? u. s. w. folgten"). — Angezeigt ist Wendlings Diss.
auch noch von E. Richter Deutsche L.-Z. 1892 Sp. 1200—1202,
S Reinach Kev. crit. 1892. II. S. 117 und Stadtmüller Berl. ph.
Woch. Xin. 1893 Sp. 6 f.
Namentlich auf die logischen Schriften bezieht sich
3) H. Steinthal, Geschichte der Sprachwissenschaft bei den
Griechen und Römern. 2. Aufi. 1. Teil. Berlin 1890. 8. Dümmler.
S. 183—271,
und von diesen seinen tief eindringenden Erörterungen wäre hier viel zu
reden, wenn sie nicht eben fast gänzlich unverändert aus der 1. Aufl.
hier wieder abgedruckt wären, was aber freilich sehr natürlich ist, da
sie bisher durchaus nicht die ihnen gebührende Beachtung und Benutzung
gefunden haben. Fast nur der kürzere zweite, über Poet. 20 — 22 und
Rhet. III, 9 handelnde Teil S. 252—271 hat besonders in den Anmer-
kungen durch Benutzung von Vahlens Ausg. der ersteren Schrift ein
paar Zusätze und Modifikationen erfahren. Alle anderen inzwischen er-
schieneneu Ausgaben und sonstigen Arbeiten sowie die durch Margo-
liouth (s. Ber. LXYII. S. 154 ff.) neu eröffnete Textquelle hat Stein-
thal nicht ganz ohne Schaden für sein Buch**) unberücksichtigt gelassen.
^> Beiläufig bemerke ich noch, dafs Körte Sp. 579 m. E. mit Recht
bei Hygin. fab. 273 die Konjektur Patrocles statt des überlieferten eratocks
festhält und die Wendlings (S. 25 f.) Aristoteles verwirft. Auch was er
dort gegen Wendling S. 14 erinnert, ist richtig. Schliefslich benutze ich
noch diese Gelegenheit, Wendling für die gütige Mitteilung seiner Arbeit
zu danken.
*■) So hätte (S. 253. Anm.) bemerkt werden können, dafs 145()b 23
schon im Kodex des syrischen Übersetzers (1) nicht cj'jvs-r;, sondern ouvi^i-cr;
stand. So wäre aus meiner Ausg. die richtige Bemerkung von M.Schmidt
zu entnehmen gewesen, dafs Aristot. trotz der entgegengesetzten Behauptimg
Steinthals S. 259 sich die Frage, ob es Silben giebt, die nur aus einem
Vokal bestehen, wohl vorgelegt und bejahend beantwortet hat, wie aus
21. 1458^4 erhellt, so dafs also die Definition \ib(\^ 34-37 lückenhaft und
verkehrt überliefert ist (richtiger jedenfalls in X als in Ac , vgl. Stein-
thal S. 259 f. Anm.). Denn 1458» 4 erscheint Ib^lr^iSzw für llr^kv.ooö nicht,
wie Steinthal S. 208 berichtet, als Beispiel einer Verlängerung „durch
eingeschobenen Vokal", sondern nach Z. 3 durch TjXXc(pl^ ky.^i[iLri]ii'^r^.
üb Steintbal, dessen Vermutung (S. 2(;5), 145(i') 21 sei <7,>cz>n['>ov zu
schreiben und vor- övoji/y umzustellen, jetzt hätte dadurch gestützt werden
sollen, dafs bei dem Araber wirklich (zpttpov an dieser einzig richtigen Stelle
steht, mit Recht im übrigen sich Vahlens Herstellung der Definitionen von
OrganoD. 85
Über die Lehre von den Kategorien handeln
4) AI fr. Gercke, Ursprung' der aristotelischen Kategorien. Arch.
f. Gesch. der Philos. IV. 1891. S. 424—441 und
5) 0. Apelt, Die Kategorienlehre des Aristoteles. Beiträge zur
Geschichte der griechischen Philosophie. Leipzig 1891. S. Teubner.
S. 101—252.
In der ersten dieser beiden Abhandlungen wird der schwerlich
gelungene Versuch gemacht darzuthun, dals die Kategorienlehre in allen
wesentlichen Stücken bereits Piatons Eigentum und dals Alles, was Ari-
stoteles noch zu ihrer Ausbildung gethan habe, von ziemlich geringer
Bedeutung sei. Ich halte es nicht für schwer, die Gründe zu widerlegen,
mit denen Gercke diese paradoxe Behauptung zu beweisen sucht ^),
habe aber hier nicht den Raum dazu. Jedenfalls wäre aber er selbst
verpflichtet gewesen, die tief eindringende Untersuchung Steinthals
aus dem Wege zu räumen, aus welcher m. E. unwiderleglich hervor-
geht, dafs vielmehr namentlich in dieser Lehre trotz aller ihrer Schwächen
der grol'se Fortschritt liegt, welchen der Begründer der Logik über
seinen Meister gemacht hat, und ich bin mit Oonsbruch Gott. gel. Anz.
1892 S. 318 überzeugt, „es liefse sich sogar, wenn es dessen bedürfte,
aus den platonischen Schriften selbst, namentlich Sophistes, Theätetos,
Parmenides, der bündige Beweis für die Unrichtigkeit der Gerekeschen
Behauptung führen". Inzwischen hat aber auch schon Apelt, der den
Aufsatz Gerckes nicht mehr berücksichtigen konnte, in dem letzten
und wohlgelungensten Teile seiner Arbeit mit bestem Erfolge dargethan,
dafs sich wohl vor Aristoteles schon gewisse Keime und Ansätze zu
dieser Lehre zeigen, dafs diese aber sogar bei Piaton nur von der dürf-
tigsten Natur sind, und hat so die Beweisführung Steinthals nach einer
anderen Richtung hin glücklich vervollständigt. Auch die fernere Be-
hauptung Gerckes, dafs die Schrift von den Kategorien auch ihrem ersten
aj.'osau.o; und c/'pÖ^f-ov angeschlossen hat, würde wahrscheinlich ihm selbst
doch sehr zweifelhaft geworden sein, wenn er die arabische Überlieferung
sich angesehen hätte; jetzt s. überdies ßer. LXVII. S. 169 ff. Da es ferner
doch kaum glaublich ist, Arist, sollte nicht bemerkt haben, dafs auch das
Pronomen tctoj^ci; (1457^ 15 ft.; hat, so kann er, wie auch schon in meiner
Ausg. angedeutet ist, dasselbe trotz Rhet. 111,5. 1407» 19— 2ö nur zum
Nomen (ovoji.«) und nicht, wie Steinthal S. 264 will, zum 3ovo£3u.o; ge-
rechnet haben.
^) So folgt doch daraus, dafs Xenokrates nur die Kategorien der
Substanz und der Relation anerkannte, wahrlich nicht im Mindesten, dals
er sie schon von Platou entnommen haben müfste und nicht vielmehr ebenso
gut erst von Aristot. entlehnt haben könnte.
^6 Aristoteles.
Teile nach unächt und erst viel später, wahrscheinlich von Andronikos
verfaist sei, scheint mii- durch das von ihm für dieselbe Beigebrachte
I icht im Mindesten erwiesen, und die fernere vollends, dal's Piaton später
infolge der Einwürfe des Aristoteles seine Ideenlehre aufgegeben habe,
in dieser Form einer Widerlegung nicht einmal bedürftig, wenn auch
ein Körnlein "Wahi'heit in ihr enthalten sein mag.
Aber freilich auch Apelt, dessen ungleich wertvollere Abhandlung
von Döring Woch. f. kl. Ph. IX. 1892 Sp. 282, Zeller Arch. f. Gesch.
der Phüos. V. 1892 S. 352 f., Susemihl Berl. ph. Woch. XII. 1892
Sp, 1575 — 1578 und besonders eingehend von Consbruch a. a. 0.
S. 318 — 324 rezensiert worden ist, hat es versäumt, sich mit Steinthal
auseinanderzusetzen, was ihn doch auf einen richtigeren Weg als den
von ihm eingeschlagenen hätte führen können. Er sucht gegen Bonitz
(vgl. Ber. III. S. 354 f.) darzuthun, dafs Aristoteles seine Kategorien-
lehre aus dem Urteil gewonnen habe, und dafs das Seiende (ov), welches
durch die Kategorien eingeteilt wird, nichts Anderes als das lan der
Kopula und sie selbst mithin die Arten der Aussage im Urteil und die
Gattungen der Prädikate seien. Nun haben aber Zeller und Cons-
bruch gezeigt, dafs diese beiden letzteren Bestimmungen keineswegs
einerlei sind, und dafs, was die erstere von ihnen anlangt, die „leere''
Kopula keinerlei Einteilungsprinzip ergiebt, während wiederum die letztere
dazu führt, dafs so nicht alles Seiende, wie es doch soll, unter die Kate-
gorien fällt, sondern nur das prädikative, gerade das am meisten Wirk-
liche, die Einzelsubstanz, das zods -rt oder die -paiTr] ouaia, folglich nicht,
da diese immer nur Subjekt, nie Prädikat ist Und schwerlich ist der
Versuch Apelts geglückt, diesen zuletzt aufgeführten, schon von Bonitz
herrührenden Einwand zu entkräften. Apelt hat, obwohl er den Ursprung
dieser Lehre darlegen will, doch dabei nicht nach dem Vorgang von
Steinthal das genetische Verfahren beobachtet, von den ältesten Schriften
des Aristoteles, dem Kategorienbüchlein und der Topik, zunächst aus-
zugehen und von da aus sodann zu untersuchen, ob nicht etwa in der
späteren ersten Analytik und erst recht in den spätesten logischen Werken,
der zweiten Analytik und endlich vollends der Hermenie, wenn anders
diese, was Apelt sehr mit Unrecht ohne Weiteres als eine abgemachte
Sache behandelt, überhaupt von Aristoteles herrührt, allmählich eine
immer mehr sich festigende Modifikation der ursprünglichen Auffassung
eingetreten ist. Und so bleibt der glänzende Nachweis S teinthals in
voller Kraft, dafs dies wirklich der Fall ist, und dafs xa-rrj^opeiv in der
ursprünglichen und strenger gedachten Anlage der Lehre dem Aristo-
teles „das Aussagen eines Wortes als eines bestimmten Begrift'es, ohne
Beziehung auf seine Stellung im Urteil, aber mit Beziehung auf
die im Worte gedachte Sache, von der es prädiziert wird", bedeutet, so
Organon: Kategorien. 87
dafs also die Erklärung von Bonitz trotz Apelts Einspruch als wesent-
lich haltbar erscheint, und dal's erst von der ersten Analytik ab „die
Erweiterung des Sinnes zum gewöhnlichen Prädizieren allmählich immer
fester wird". Und damit erst tritt dann in der That die obige Ver-
wirrung ein, die Apelt nicht als solche erkannt hat, und die Kate-
gorien, die von Hause aus keineswegs, wie Apelt meint, blol's logischer,
sondern ebenso gut metaphysischer Natur, ja das eigentliche Mittelglied
zwischen Logik und Metaphysik sind, sinken im Widerspruch mit sich
selbst nahezu zu blol's logischen Faktoren herab. Im Besonderen enthält
die Arbeit Apelts trotzdem viel Vortreffliches, nur muls es zum Teil
erst durch Modifikation seiner Erörterungen von diesem Gesichtspunkt
aus hergestellt werden, und so grol's auch die historische Bedeutung dieser
aristotelischen Lehre ist, so wenig ist mit Apelt (in seinen Schlufsbe-
merkungen und auch anderswo) an ihre absolute Richtigkeit zu denken ;
von einer solchen ist sie vielmehr weit entfernt. Denn auch ihren eigent-
lichen Grundmangel, der eben zu dieser ihrer verschlechternden Fort-
bildung führte, scheint mir Stein thal wahrheitsgemäfs aufgedeckt zu
haben.
Die Sammlung der auf die Kategorienschrift bezüglichen Kommen-
tare ist fortgesetzt durch
6) Commentaria in Aristotelem Graeca edita consilio et auctori-
tate academiae litterarum regiae Borussicae. Vol. IV pars Hl: Am-
monius in Porphyrii isagogen sive V voces. Edidit Adolfus Busse.
Berlin 1891. G. Reimer. XLV, 133 S. Lex. 8.
Aus der grolsen Masse von Codices hat Busse 5 zur Grundlage
seiner Textrezension ausgewählt: D = Laurent. X, 26 aus dem 13., E
= Marcian. 225 aus dem 14., F = Paris. 1942 aus dem 14., M-=Mo-
nac. 222 aus dem 13. oder 14. und V = Vindob. 139 aus dem 14. Jahrh.
1) und E sind von Vitelli, F von E. Richter, M von Tramp und
Förstemann, V von Diels und Busse verglichen. Der beste von
ihnen ist D, dem Busse, so weit es anging, überall gefolgt ist. Doch
ist dieser Kodex nicht frei von ziemlich vielen Einschiebseln und un-
berechtigten Änderungen, und so war denn auch der Nutzen der vier
anderen, im Ganzen minder guten, zu einer anderen, aber unter sich zu
der nämlichen Familie gehörigen Handschriften kein geringer. Für die
Lemmen erschien sogar die Überlieferung in den eng verwandten E P
als die zuverlässigste. M und besonders V sind überhaupt viel schlechter
als F und der freilich sehr nachlässig geschriebene und dadurch verun-
staltete E. Von ähnlichem Kaliber wie V war auch die Vorlage der
editio princeps Aldina (p), des einzigen bisherigen griechischen Druckes.
Der Urheber derselben hat sie aber überdies, wenn anders er nicht, wie
88 Aristoteles.
Bnsses Rezensent W:illies Berl. ph. Woch. XII. 1892 Sp. 1357—1361
mit Recht beschränkend hinzufügt, schon in ihr dies Alles vorfand, durch
das Hineintragen längerer Auseinandersetzungen aus David und längerer
und kürzerer aus interpolierten Manuskripten und anderen Quellen ver-
fälscht, dergestalt, dafs vielfach doppelte Erklärungen entstanden sind
lind vielfach auch sogar die a-f/sXot auftreten. Durch die Entfernung
dieser Zusätze ist aber der Text noch lange nicht gereinigt, denn ähn-
liche Erscheinungen treten sogar in den besten Manuskripten bereits
hervor, so auch schon die a^YsXoi. Busse hat öfter teils durch die Se-
klusionsparenthese, teils im Apparat auf sie hingewiesen, ist aber über-
zeugt, dafs noch Vieles, was in dasselbe Gebiet gehört , von ihm nicht
in dieser Weise gekennzeichnet ist, hat auch gar nicht die Absicht ge-
habt, hierin erschöpfend zu sein. In dem Supplementum praefationis
S. Vm — XLV wird über alle bisher bekannt gewordenen Handschriften
und die lateinischen Übersetzungen ausführliche und genaue Auskunft
erteilt. Wallies teilt eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen mit.
Von ungleich gröiserer Bedeutung ist die neue Ausgabe vom
Kommentar des Alexandros zur Topik und eine sie wesentlich er-
gänzende Abhandlung des Herausgebers:
7) Commentaria in Aristot. Graeca etc. Vol. II. P. 11. Alexandi'i
Aphrodisiensis in Aristotelis Topicorum libros octo commentaria. Ed.
Maximilianus Wallies. Berlin 1891. G. Reimer. L, 712 S. Lex. 8.
8) M. Wal lies, Die griechischen Ausleger der aristotelischen
Topik. Berlin 1891. Gärtner (Heyfelder). 27 S. 4. (Progr. des
Sophien-Gymn.).
In der letzteren, welche von Döring Woch. f. kl. Ph. VIII.
1891 Sp. 922f. und Susemihl Berl. ph. Woch. XII. 1892 Sp. 1483f.
angezeigt ist, behandelt Wallies zunächst (S. 3f.) die Arbeiten des
Theophrastos und des Straton auf dem Gebiete der Topik: Ersterer
schrieb eine Vortopik (rpo xcüv tottwv), über die sich noch Einiges aus-
machen lä/st, was es um so begreiflicher und glaublicher macht, dafs
seine Tojjik selbst nur 2 Bücher umfafste; von letzterem führt das
einzige Citat (bei Alex.) darauf, dafs es aus seiner Schrift Trspl yevous
war, dazu kommen seine Bücher Trepl xou auixßeßTjxoxo?, Tcspl xou opou
und Ttept xo'j toi'ou, endlich xorwv Tipooiixta, d. h. wohl eine Vortopik,
wenn anders der Titel richtig überliefert ist, was Wallies bezweifelt. ^°)
*") Laert. Diog. V, HO. Wal lies hat darin wohl Recht, dafs das
Fehlen des Artikels vor -zo-ov, weniger darin, dafs auch der Plural T.(jrjrj''.\i.<.a
auffallend sei. Aber -seine Vermutung, dafs xormv von z(jw.\v.'y abzutrennen
und mit dem folgenden r.trÄ xoD ■3'j\).^i'^r/.6-o';-lowj zu verbinden sei, hätte
Organon: Kategorien. Topik. 89
Darauf bespricht er S. 4 f. die wenigen Spuren, die uns (eben wieder
bei Alex.) von den, so viel wir wissen, ältesten Auslegern der aristot.
Top. Herminos und Sotion, geblieben sind. Dann folgt die eigentliche
kritische Erörterung über den Kommentar des Alexandros selbst und
über die nicht mehr und die noch namhaft zu machenden byzantinischen
Ausleger (S. 5 — 27): letztere sind lohannes Italus aus der 2. Hälfte
des 11. Jahrb., mit welchem der Verf. der von Pseudo-Alex. in soph. el.
Schol. 320'' 43 f. citierten e^tq^y^tsi? eU xyiv oiaXsxriy.r^v wohl etwa gleich-
zeitig war, und der allerspäteste Leo Magentinus aus der Mitte des 14. Jh.
Die Herausgabe, um nunmehr auch diese mit heranzuziehen,
über welche ein kurzer Bericht im Litt. Centralbl. 1891 Sp. 1350
und von Susemihl in d. Berl. ph. Woch. XIII. 1893. Sp. 523 f.
steht, war ein sehr schwieriges Unternehmen, welches Wallies mit
methodischer Meisterschaft und ausharrender Sorgfalt und Gründlich-
keit ausgeführt hat. Denn die Sache war eine recht verwickelte, so-
wohl was das Verhältnifs der Handschriften za einander als auch zu
der von Musurus besorgten editio princeps Aldina (a), der einzigen
früheren Ausgabe, anlangt, und von der richtigen Beurteilung dieser
Sachlage hängt wieder die dessen ab, wie weit das Überlieferte wirk-
lich von Alexandros unverfälscht und unverkürzt herrührt. So kommt
denn Wallies in den Stand einerseits die Annahme von Brandis Üb.
d. Reihenfolge der Bücher des aristot. Organons, Abh. der Berl. Akad.
1833 S. 297 f., dafs schon den ersten vier Büchern in dieser Hinsicht
nicht ganz zu trauen sei, im Wesentlichen zurückzuweisen (Abh. S. 5 f.
Ausg. Praef. S. V), andererseits aber die Meinung desselben Forschers,
dafs wir doch auch in den vier letzten kaum minder als in jenen bei
Weitem zum gröfsten Teil das wirkliche Eigentum des Aphrodisiers be-
säfsen, sehr erheblich einzuschränken.
Die fünf ältesten und wichtigsten, ja für die vier ersten Bücher
fast allein in Betracht kommenden, aus dem 13. Jahrb. stammenden
Handschriften sind ABDFP (Paris. 1843 und 1917, Vatic. 270,
Laur. LXXXV, 1, Paris. 1874), von denen D die beste, P die nächst-
beste ist, A mehr mit D als mit P übereinstimmt, endlich annähernd
ein Ähnliches auch von den beiden etwas Jüngern und gleichzeitig ent-
standenen Zwillingen B F gilt, von denen eben um dieser ihrer grofsen
gegenseitigen Ähnlichkeit willen, F unbenutzt gelassen ist. Sie stammen
doch höchstens dann eine gewifse Wahrscheinlichkeit, wenn zöztw hinter
-pooijiic« überliefert wäre. Überdies aber vermag wenigstens ich bei einer
Prosaschrift unter dem nackten Titel Ilfvooijiic. mir Nichts zu denken, und
wenn in den Verzeichnissen der aristot. Schriften bei dem Anon. (Hesych.)
No. 127 z(jrjrj<.^um ä und bei Ptolem. No. öGa^ -po'.ta'.a 7 steht, so hat dafür
La. Di. No. 138 vielmehr -rjpo'.^'.ry.'. ä. Doch s. Ber. LXXV. S. 3 f.
90 Aristoteles.
alle ans demselben Archetypos, ebenso bereits die von dem genannten
Johannes Italns, der in seinem Kommentar zum 2. bis 4. B. lediglich
den des Alexandros ausschrieb und daher von einigem textkritischem
Wert für den letzteren ist (s. die Mitteilungen im Supplem. praefationis
S. XLVII-L), benutzte Handschrift und auch diejenige, aus welcher
die zahlreichen Entlehnungen aus letzterem bei Suidas entnommen sind.
Auch a geht in den vier ersten Büchern und im 8. auf ein ähnliches
Exemplar wie P zurück. Von P sind alle jüngeren Codices abhängig
mit Ausnahme von H (Paris. 1832), der nur bis ins 4. B. reicht, und
N (Neapol. 321), die vv^iederuni einander sehr ähnlich sind und, wie die
Überschrift eS'»'j'i"'i5ic xxX. ex- tüJv tou 'Acppooiaiew? 'AXeSavopou besagt,
durchweg nur Auszüge enthalten. Von den vier letzten Büchern haben
wir dagegen überhaupt nur Auszüge, und nur aus solchen ist allem
Anschein nach bereits das in Suidas Übergegangene geflossen. Aber
im 5. bis 7. sind a N viel umfänglicher als ABDP, und auch im 8,
findet sich einiges a N ausschliefslich Gemeinsame, ganz vorwiegend
aber stimmt hier a mit P überein, indem 15 ganze Kapitel nur dort
und hier sich finden. Nachdem also Musurus im 5. bis 7. B. einem
N ähnlichen jungem Kodex wegen der gröfseren Reichhaltigkeit gefolgt
war, kehrte er im 8. aus dem gleichen Grunde, jedoch nicht ohne
Kontamination, zu seiner ursprünglichen Vorlage zurück. Unter jenen
15 Abschnitten befinden sich nun zwei Proömien, von denen natürlich
nur das eine von Alexandros selbst sein kann, alle übrigen Stücke sind
entschieden ächt^'), wie denn aus ihnen auch mehrere Exzerpte im Suid.
stammen, dagegen kein einziges aus der a N eigentümlichen Über-
liefening. Schwerlich ist denn auch die letztere im 5. bis 7. B. anders
entstanden als der Text von N im 8., und dieser besteht seiner gröfseren
Hälfte nach aus der Hineintragung von Schollen aus späteren Aus-
legern, die daher auch nicht in die Ausg. aufgenommen, sondern in
der Abh. S. 10 — 23 mitgeteilt sind. Während nun ferner die übrigen
Codices von ähnlichen Erscheinungen frei sind und in ihren lücken-
haften Auszügen fast nichts nachweislich dem Alexandros Fremdes ent-
halten, hat bereits ßrandis innerhalb der beiden letzten Bücher im
Text a N Doppelscholien entdeckt, aber lange nicht alle, und sie sind
ebensogut innerhalb des 5. und 6. reichlich vorhanden, nur dafs sie hier
nicht ausdrücklich durch vorgesetztes tU t6 auro oder ixspou oder aXXtoc
kenntlich gemacht sind. Zu ihnen gehört auch ein Abschnitt im Anf.
des 5., in welchem sogar, wie schon Franz Patricius bemerkte,
wiederum die Engel vorkommen und des Porphyrios IJevts «pcuvai citiert
werden. Er ißt aus dem Kommentar von Leo Magentinus, welcher aus
Gerade das Gegenteil berichtet Döring!
Topik. Metaphysik. 91
anderen Vorlagen als Alexandros zusammengeschrieben ist, und aus
diesem rührt noch manches Andere her, was Wallies in der Ausg. in
doppelte eckige Parenthesen setzt, während er die sonstigen zweifellos
eingeschobenen Doubletten und Zusätze in einfache eingeschlossen hat.
Aber auch vieles Anderweitige, welches die sprachlichen oder sachlichen
Merkmale fremden und spätem Ursprungs nicht sicher an der Stirne
trägt, ist doch verdächtig, und Wallies zeigt, dafs selbst da, wo die
ausführlichere Fassung in a N der ursprünglichen näher zu stehen
scheint als die dürftige in A B D P, oder wo von Erklärungen in a N
sich wenigstens ein oder mehrere Stücke in A B D P finden, dennoch die
gröfste Vorsicht geboten ist. Kurz, wenn er es auch nicht unumwunden
ausspricht, so leitet doch seine ganze Auseinandersetzung darauf hin,
dafs mit voller Gewifsheit kaum irgend etwas von diesem Allen dem
Alexandros zuzusprechen ist. ^^) Sehr vollständige Auskunft über alle
bekannten Handschriften, über die Aldina und die lateinischen Über-
setzungen giebt er im Suppl. praef. S. XVI— XL VII, Proben aus dem
Kommentar des lohannes Italus in der Abh. S. 24—27. Mit Wahr-
scheinlichkeit vermutet er (Praef. S. IX), dafs dieser denselben auf die
vier letzten Bücher desshalb nicht ausdehnte, weil doch wohl auch ihm
für diese aus dem des Alexandros nur noch Exzerpte vorlagen.
Wir wenden uns zur Metaphysik:
9) 0. Apelt, Beiträge zur Erklärung der Metaphysik des Ari-
stoteles. Beiträge u. s. w. (s. No. 5) S. 217—252. Vgl. Zeller
Arch. f. Gesch. der Philos. V. 1892 S. 553-555.
I, 5. 987a 25 übersetzt Zeller in dem No. 1 aufgeführten Be-
richt oioTt TtptuTov uTiapyet toi? ouil to SiTiXaatovr „weil das Doppelte
zuerst der Zwei zukommt" und schützt so das npcoTov gegen G ob eis
Änderungsvorschlag (s. Ber. LXVII. S. 95). — 6. 987^ 4 soll 6ia to
TotoÜTov nach Apelt „aus folgendem Grunde" bedeuten. Mii" scheint
der Gedankenzusammenhang zu verlangen, dafs man es mit Bonitz und
Zell er Arch. V. S. 553 auf das Vorhergehende bezieht, aber dies
„demgemäfs" dann genauer so erklärt: weil Piaton erstens aus seiner
Beschäftigung mit Herakleitos die Überzeugung gewonnen hatte, dafs
es von den Sinnesdingen keine Erkenntnis gebe, und zweitens aus dem
*^) Der Bericht im Centralbl.: „Für das 5. bis 7. B. nimmt der Heraus-
geber, so weit a N Besseres und mehr bieten, dies in seinen Text auf, be-
ruht auf der Notiz Praef. S. XIV : „in lihris autein V — VIJ, in (juibus a N
diversam ab reliquis codicibus meinoriam sequuntur . . . si quae aut meliora aut
pleniora a N exhibere videbantur, recipere non dubitavi," das ist aber nur von
der eigentlichen, kleinen Textkritik gemeint, sofern a N aus einem andern
i\rchetypos sich herleiten als A B D P.
92 Aristoteles.
Anschhils an Sokrates sodaun die, dal's die Erkenntnis in der Begriffs-
bestimmung bestehe. — 23. Im Gegensatz zu Göbels Änderungs-
vorschlag (s. Ber. LXVII a. a. 0.) falst Zeller Arch. IV. S. 147 xal
fATj erspov 7£ xi ov Xi-^eabai 2v so auf: „und dafs das Iv nicht blofses
Prädikat eines von ihm selbst verschiedenen Eealen sein soll". — III, 2.
998=^ 6. Apelt hebt richtig gegen Schvvegler und Kirchmann
hervor, dafs tjyifjLsia hier die mathematischen Pnnkte bedeutet. —
4. 1001'' 13f. Apelt stellt die Lesart von A^ mit folgender Inter-
punktion her: dtXX' st Stj outw?, f^stopsi ^opTixwc, womit denn auch
Christ s Konjekturen zu Z. 15 fallen. — IV, 2. 1003'' 13. [eTricjTrj[i.Tfi?
eTcl decüpTJuai ixioEs]? Apelt,. da es sonst, um Konstruktion zu gewinnen,
entweder Z. 12 f. Ta—lz'(6\it\<x oder £Triar>](XT)— [xia mit Streichung von
f^EcoprjCiai lieil'sen müfste. — 20 ff. Nach Schuppes Vorgang stellt
Apelt (s. auch dens. S. 179 A. 1) gleich Natorp (s. Ber. LXVII
a. a. 0.) mit Recht Z. 22 das handschriftliche xa xs her und falst, in-
dem er Ttp ^eveimit \i.ta.i verbindet, die Stelle richtig so auf: „daher
ist es auch Sache einer und der nämlichen Wissenschaft mit der des
YEvo?, d. i. des ov 7] ov, dessen Arten und Unterarten zu betrachten",
vgl. Z. 34 f., wo man den Dativ ebenso wie hier mifsverstanden hat;
SIC mit dem Dativ fehlt überhaupt bei Bonitz im Ind. Ar., Apelt
giebt noch ein paar Belege. — 28 ff. Apelt hat zwar ganz ßecht darin,
dafs Alexandros und Bonitz fälschlich xo 8v xal xo 2v als Subjekt
von QU -/(uptCexat betrachten und der Gedanke vielmehr 6 avf^pcoro? xal
6 wv av{)pü)-oj verlangt, aber wie dies Subjekt aus den überlieferten
Worten herausgeprefst werden könnte, vermag ich nicht abzusehen, auch
erwartet man so doch wohl Z. 29 -^ap statt o. — 3. 1005'' 5 axouovxa;
hält Apelt für verderbt und vermutet zweifelnd r]xovxac oder a-yvoouvxac,
bringt aber auch noch einen andern Anstofs an dem Satz 2. oua — 5,
^Tjxeiv bei. Seine Anstölse scheinen mir richtig zu sein, aber nicht seine
Lösungsversuche, erstere vielmehr darauf hinzuführen und ebendamit
auch sich zu heben, dafs dieser ganze Satz, wie Christ und nach ihm
Zeller urteilen, nicht hierher gehört, mag man ihn nun mit Christ
dem Verf. des 2. B. (a) beilegen oder trotzdem mit Zeller für acht
aristotelisch erklären. — 5. 1010'' 33—35. Apelt will xal aveu aijÖY^aetu;
mit zu dem Relativsatz ziehen. Zell er zeigt, dafs es vielmehr mit [xyj
öivai zu verbinden ist. So hat es auch schon Bonitz, wie jetzt seine
Übers, zeigt, gefafst und mit Recht daher hinter ataiV^ssw? wie hinter
aijiVjjiv ein Komma gesetzt. Warum Aristot. [xy] slvai vor und nicht
lünter den Relativsatz stellt, ist leicht abzusehen, da S hier den Sinn
von xaiTisp hat. — 7. 1017'' 1. 3. Apelt legt dar, wie die Inter-
polationen prjxov und pr,xa>; (letztere nicht in A'>) entstanden, und hält
auch 7 f. xal— 7pa|xp.f,f für eine solche, ob mit Recht, lasse ich dahin-
Metaphysik. 93
gestellt. — V, 11. 1019» 1—4. Apelts Versuch zu zeigen, daf's hier
Piatons Tim. 34 D gemeint sei, hat mich nicht überzeugt, und ich
sehe daher doch keinen andern Ausweg, als bei der Deutung auf die
Idealzahlen stehen zu bleiben, kann aber hier auf diesen Gegenstand
nicht eingehen. — Apelts gute Bemerkungen über V, 15 lassen sich
in kurzem Auszug nicht wiedergeben. 1021*1 5 f. verbessert er auf Grund
der Lesart von A*^ 6 "cap aptO|x6? jufxfjLSTpov, xaxa [xy] !ju[x[xeTpov ok dpt9|xov
00 Xr/ovTc^t richtig 6 — aup-ixeTpo? (so E), xara [xy] cu]X[jL£tp(uv dl api{}(xoi ou
XsYovxat, nur dafs, wie Zeller mit ßecht bemerkt, das erste (ju|xjjL6Tpov
füglich bleiben kann. — VI, 1. 1026» 14 verteidigt Apelt yioptjxa
gegen Schweglers allerdings nicht unbedenkliche Änderung a/topiaxa,
aber er hat die Schwierigkeiten nicht genügend erkannt, welche der
überlieferten Lesart im Wege stehen, s. Ber. LXVII. S. 91. A. 14. —
2. 1026b 10 ff. wird von ihm zuerst richtig erklärt. — Dagegen sind
seine Erörterungen über 3. 1027» 29 f, im Gegensatz zu der verfehlten
Behandlung dieser Stelle bei Bonitz zwar sehr lehrreich, wenn er aber
avtu für avsu vermutet, so scheint mir dies durch die Belege im Ind.
Ar. 68^^ 47 ff. noch lauge nicht sprachlich gerechtfertigt, auch wäre dies
avo> hier doch wohl recht überflüssig. Andererseits bezweifle ich aber
auch, dafs was Zeller in den Worten sucht: „ohne d^fs sie desshalb
wirklich zu entstehen und zu vergehen brauchen" so ausgedrückt werden
konnte, und glaube daher, dafs nur die ,, etwas gewaltsamen" Besserungs-
versuche Christs übrigbleiben. — VII, 9. 1034» 17 vermutet Apelt
,, sinnreich, aber doch schwerlich ganz befriedigend", wie Zeller mit
Recht lu-teilt, xivEixai xb räp. — 11. 1037» 9 will er das in A'^ fehlende
xal vor ais>\ia tilgen, was mich ebenso wenig wie Zell er überzeugt
hat. — 17. 1041» 14flE'. giebt er dagegen wieder die richtige Erklärung. —
IX, 3. 1047» 9. s'crxiv ü)? oiovxat Apelt für Ixt ov, viel zu gewaltsam, gut
Kod. F ext w? (näml. TOcpuxe), s. Ber. LXVII. S. 97. Im Übrigen
sind Apelts Bemerkungen über die ganze Stelle 10 ff. vortrefflich. —
7. 1049» 28 verbessert er xaÖoXou gut in xaiY ou. — Über seine Be-
merkungen zu 9. 1051» 21- 33 und seine Konjektur 31. loi'a f. ota ent-
halte ich mich hier des Urteils. — X, 3. 1054» 22. -ecpuxsv oja f. rscpuxo?
xal Apelt, [Tiscpuxo?— i'v] '? Zell er. Eines von Beidem wii'd man biUigeu
müssen. — 6. 10561^ 3ff. Dafs Apelt alle Schwierigkeiten dieser Stelle
beseitigt hätte, nimmt er selbst nicht au. Jedenfalls hat er gezeigt, dafs
Christs Interpunktion Z. 28 ff. mit der Tilgung von oux schwerlich das
Richtige getroffen hat; ob durchweg Apelts Auslegung, ist eine andere
Frage. Zeller meint, a-nlGx; ttoXu möge ein ungenauer Ausdruck für
dasjenige sein, was uns schon für- sich genommen den Eindruck einer
grofsen Zahl macht. — XI, 5. 1062» 16. xauxo f. xouxo Apelt (mit
Hecht). — Xin, 7. 1081» 12 ff. wird von ihm richtig so konstruiert, dafs
94 Aristoteles.
in Z. 15 f. ai ap/al y.ai ra aTOiyzia. Xe70vxat toü api})[jLOU eivai das Subjekt
nur at apyai, dagegen xa axotysia xou dpiOfxou Prädikat ist und xal ,,auch"
bedeutet. — Nicht minder richtig zeigt er 1082'' 36 gegen Schwegler
und Bonitz den wahren Sinn von xaxa fxepioac: „einzeln für sich, ge-
wisserniassen in getrennten Portionen". — XIV, 1. 1087'' 24 vermutet
er auch wohl richtig xal f. £•/. — Endlich kann ich gleich Zell er ihm
darin nur beipflichten, dais mit dem eXe^exo 2. 1089» 21 nicht mehr,
wie im Vorhergehenden, Piatons Sophistes (237 A) gemeint ist, so dafs
es sich hier nicht sowohl um eine Behauptung von Piaton selbst, sondern
von Piatonikern handebi dürfte.
Die ueueAusg. vom Komment, des Alexandros undPseudo-Alexandros
10) Commentaria in Aristotelera etc. Vol. I. Alexandri Aphrodi-
siensis in Aristotelis Metaphysica commentaria. Ed, Michael
Hayduck. Berlin 1891, G. Reimer. XIII, 920 S. Lex. 8.,
über welche sich ein kurzer Bericht im Litt. Centralbl. 1891 Sp. 1349 f.
und von Susemihl in d. Berl. ph. Woch. XHI. 1893. Sp. 583 f.
findet, beruht namentlich auf dem von Bonitz vorzugsweise benutzten,
einer erneuten Kollation nicht unterzogenen Cod. Paris. 1876 (A) aus
dem 13. Jahrh. und den beiden neu verglichenen Handschriften, dem
Hauptkodex der Metaphysik A'\ Laurent. LXXXVII, 12, welcher hier
mit L bezeichnet ist, aus derselben Zeit, und Ambros. F 113 aus dem
15. Jahrh. In L ist jedoch der letzte Teil p. 700 — 837 von einer sehi-
jungen Hand geschrieben, und F konnte zu Anfang von Hayduck noch
nicht benutzt werden, vom 13. B. ab sind aus ihm, da er vom 10. B.
an einen blofsen Auszug enthält, nur die ersten Seiten als Probe im
Supplementum praefationis S. XI — XTTT wiedergegeben. Nicht neu ver-
glichen ist auch der partienweise von Bonitz und nach ihm auch hier
nach Kollationen von Brandis verwertete Coislin. 161 aus dem Ende
des 14. Jahrh. =^ C (bei Bekker I^, bei Susemihl in den Ausgaben
der Politik, der grofsen Moral und der Ökonomik P-). Der in A M
fehlende Anfang ist wie bei Bonitz aus L ergänzt, der auch in L nicht
vorhandene Sclüufs wie bei jenem aus C, (nur aber bei Hayduck mit
einiger Beihülfe von F), wobei jedoch die zum Teil gar nicht unwich-
tigen Berichtigungen der Kollationen von Brandis, welche ich nach
eigener Vergleichung im Philologus XXX. 1870 S. 423 mitgeteilt habe,
nicht hätten aulser Acht gelassen sein sollen"). F stimmt, zu Anfang
") Da es aber dennoch geschehen ist, wiederhole ich sie wie in meiner
Anzeige so auch hiernach 11 ayducks Ausg., damit jeder Besitzer der letzteren
sie sich leicht in diese eintragen kann: SÖ2, 14. |x£v (dies ist also in den Text zu
setzen und Hayduck 8 Note zu streichen), l^. z.r,r.>. 20. 'f'/,'(o:. 23.(3. 31.i~tä
n£-o>(Xt (wiederum ist also izna einzufügen und die Note Hayducks zu
Metaphysik. Psychologie. 95
wesentlich mit L überein, und beide liefern zu den Lücken in A erheb-
liche Ergänzungen, von denen sich die meisten auch in der Übersetzung
von Sepulveda (S) finden, welche vom 3. B. ab mitLF im genauesten
Einklang- steht. Bis in den Anfang dieses Buches hinein bieten dagegen
L F eine von A S ganz verschiedeoe Rezension dar, welche teils starke
Verkürzungen, teils starke Erweiterungen durch fremde, teils gute, teils
schlechte Zusätze, teils Vertauschungen der Vulgata mit solchen anderen
Schollen in reichem Mafse enthält und das Werk eines späteren, ver-
mutlich nach Asklepios lebenden Auslegers ist. Bis hierher hat daher
der Herausgeber nur die einfacheren Varianten aus beiden Codices dem
Apparat eingefügt und diese jüngere Rezension besonders unter dem-
selben drucken lassen. F weicht auch hernach noch öfter von der
Yulgatredaktion ab. Durchweg mit A verwandt istM-=Monac. 81 aus
dem 16. Jahrb., den Bonitz nach eigener Vergleichung und Hayduck,
der ihn stellenweise aufs Neue durchmusterte, zur Ergänzung für A mit
herangezogen haben. In Bezug auf die Frage nach dem Ursprung des
Kommentars vom 6. B. (E) ab schliefst Hayduck sich natüi-lich an
Freudenthal (s. Ber. XLVI S. 248) an.
Von einer bisher noch nicht veröffentlichten Mischredaktion des
zweiten Buches der Psychologie ist eine Sonderausgabe erschienen:
11) Aristotelis de anima liber B. Secundum recensionem Vati-
canam edidit Hugo Rabe. Berlin 1891, W. Weber. 34 S. 8.
(Gratulationsschrift der Bonner philol. Gesellsch. an Usener zu
dessen 25jähriger Lelirthätigkeit in Bonn),
welche von Busse Berl. ph. Woch. XII. 1892 Sp. 549—552 rezensiert
tilgen). 36. oiä] h<.ä os (aufzunehmen). 833, 12. xal prius om. 28. to j (sie!).
36. y.a\ iv] iv ouv (was also aufzunehmen war). 834,3. zcä bis. 4. ixsi'va'.c. 5. ToaaüTa
ouSs ToictütK. 17. oTiyojv. 19. Xrjs^t'^o'. (sollte Pseudo- Alex, wirklich so geschrieben
haben?). 23. oay-uKoi. 32. ts om. (ist also zu tilgen). 33. iv iijv (was Hayduck
aus Konjektur hergestellt hat), «f./^; toD a-iyou (was natürlich wieder in
den Text zu setzen war). 835, 12. ~ö TcXr^&o;, zo oy.ozoc,, tö apT'.ov (was
Bonitz und Hayduck auch durch blofse Konjektur hätten finden sollen).
27. ToD om. (ob mit Recht?). 32. oüts Öj; -caX'.xa oüxc üj;; Ikv/m, sed oüxs
oj; zih.y.u caeruleo pigmento oblitterata (was also statt Hayducks Note ein-
zusetzen ist). 35. 3'J corr., iv pr, .S3fi, 11. ravcc toil-c«. 13. xö £üi>'j xal t6
z/.c<-:o; pr., sed -"/.(z'-ro; oblitteratum et öjAa/.öv primum eodem atramento super-
scriptum, deinde caeruleo oblitum est. Da Hayduck Ib im Apparat einige
Male citiert, durfte er mindestens nicht unterlassen, seine Leser darüber zu
belehren, dafs dies derselbe Kodex wie C ist. Dafs die Akademie ihn nicht
hat vergleichen lassen, ist vermutlich überhaupt zu bedauern; mindestens
würde dies doch wahrscheinlich die Mitbenutzung eines so jungen Produkts
wie M entbehrlich gemacht haben.
96 Aristoteles.
worden ist. Bekanntlich fand nämlich Torstrik in dem Hauptkodex
dieser Schritt E (Paris. 1853) die Reste eines anderen zweiten Buches
und fügte sie seiner Ausgabe bei. Später entdeckte er dann in P =
Vatic. 1339 (aus dem 13. und 14. Jahrh.) eine dritte Form ebeudieses
Buches, und diese ist es, welche jetzt von Rabe nach der Vergleichung
von Torstrik und Mau genau wie sie dort erscheint, ohne Besserungs-
versuche, nur mit Hinzufügung der Varianten aus dem wahrscheinlich
im 13. Jahrh. lebenden Sophonias, welcher schon derselben Redaktion
folgte, unter dem Text veröffentlicht ist. Nennen wir sie 7, die gewöhn-
liche a, die in E teilweise erhaltene [^, so ist 7 aus a und j3 zusammen-
geschweifst. und Rabe weist genauer nach, so weit es noch möglich,
was hier aus der einen und was aus der anderen Vorlage entnommen
ist, und zwar war der für a benutzte Kodex verwandt mit S (= Laurent.
LXXXI, 1, s. Rhein. Mus. XL. 1885 S. 565 f. Ber. XLVI S. 242) und
ähnlichen Manuskripten. Über das Verhältnis von ß zu a aber urteilte
Torstrik anfänglich so, dals ß die spätere, aber auch noch von Aristot.
selbst herrührende Bearbeitung sei, nachmals (Litt. Centralbl. 1877
Sp. 1463) dagegen hielt er beide nunmehr „für gleich authentisch, wenn
sie auch beide nicht auf Aristoteles' Hand zurückzuführen sind." Rabe,
der richtig darthut, dafs keine von beiden eine Paraphrase der anderen
sein kann, vertritt die Meinung, dafs vielmehr a die ai'istotelische
Fassung, [i eine Umbildung derselben durch einen der älteren Peripate-
tiker sei. Busse verteidigt gegen ihn Torstriks spätere Ansicht,
beide ständen als parallele Bearbeitungen des ursprünglichen Textes
dem aristotelischen Original gleich nahe. Dagegen ist nun aber Folgendes
zu sagen. Torstrik selbst ist zu dieser späteren Auffassung durch die
inzwischen gewonnene Überzeugung gelangt, dals Manches in diesem
Original teils überhaupt nicht, teils wenigstens nicht in solcher Anord-
nung gestanden haben kann, was sich in diesen beiden sachlich so gut
wie gar nicht verschiedenen Redaktionen findet. Wären sie nun also
unmittelbare Bearbeitungen desselben durch zwei Peripatetiker, so
müfsten doch wohl die Abweichungen von einander weit grölser sein:
der eine müfste doch wohl aus dem anderweitigen Material aufgenommen
und an anderer Stelle aufgenommen haben, was der andere wegliefs oder
an anderem Platze unterbrachte, das ist aber nirgends der Fall. Es
bliebe also nur noch, dals a und ''> verschiedene Redaktionen der ältesten
peripatetischen Bearbeitung seien, der bald die eine und bald die andere
näher gekommen wäi'e. Allein es müfste doch sonderbar zugegangen
sein, wenn sich jene gar nicht, sondern nur diese beiden Abweichungen
von ihr und vorzugsweise gerade nur die eine (a) fortgepfiauzt haben
sollte, wenn es auch nicht geradezu unmöglich ist. Daher gebe Ich
lieber Rabes Meinung mit der Modifikation meinen Beifall, dafs ich
Psychologie. 97
aus den von ihm dargelegten Gründen a für jene älteste peripatetische
Bearbeitung, } für eine immerhin nocli aus der älteren Alexandrinerzeit
stammende Ummodeluug derselben halte. Mit der Doublette des 7. B.
der Physik und von de part. an. 691^28 — 694 'J 27 wird es wohl
ähnlich stehen.
Aus dem Jahr 1890 habe ich (s. Ber. LXVII S. 109) nachzuholen:
12) Aug. Stapf er, Kritische Studien zu Aristoteles' Schrift von
der Seele. Landshut 1890. 34 S. 8.
Im ersten Teil dieser tüchtigen Arbeit (S. 7 — 12) macht Stapf er
die Forderung geltend, dals man in Zukunft in Bezug auf Orthographie
und Flexion überall diejenigen Formen in die Ausgaben aristotelischer
Werke einführe, welche als die zur Zeit des Aristoteles als die allein
üblichen inschriftlich beglaubigt sind, wozu jetzt namentlich Meister-
hans' Gramm, der att. Inschriften eine bequeme Handhabe darbiete,
dafs man also durchweg [xapos und ixtxpoTY]?, tt und nicht as, die kürzeren
Komparativformen auf ou; und cd, tcXsov, ouoiv als Genetiv und Dativ,
'/lYVEffdat, 7iYV(üox£tv, [xs/pi, evexa schreibe ^*), auch au^w und nicht au|avco,
und dals man die betreffenden Varianten nur in Gesamtausgaben ver-
merke. Weniger einverstanden bin ich damit, wenn er es vorzieht, bei der
Zulässigkeit mehrerer Formen eine derselben konsequent festzuhalten ^5).
Im zweiten Teil (S. 13 — 17) erläutert er, warum in Bezug auf Accent,
Vertauschung von y] und st, t] und t, y) und at, o und w u. dgl. die
Handschriften gar keine Auktorität haben. Im di'itten (S. 18 — 34)
liefert er den bisher noch nicht geführten Beweis für die allgemeine
Annahme, dals von den Codices der Psychologie E aus einem anderen
Archetypos stammt als S T U V W X, und legt dar, dals ein Versuch,
das Verhältnis der letzteren Manuskripte unter sich zu bestimmen, ohne
erneute Vergleichung derselben hoffnungslos ist, eine solche zu diesem
Zweck aber auch nicht der Mühe wert sein würde. Er schlägt daher
mit ßecht vor, für die Übereinstimmung aller ein gemeinsames Zeichen
zu setzen: ich meinerseits würde dazu nach meiner Art 0- empfehlen
und im 3. ß. für die Übereinstimmung von E L das Zeichen n\ Noch
") Indessen sind ja nach Meisterhans jene kürzeren Komparativ-
formen in der klassischen (!) Prosa nur „fast"* ausnahmslos, ouoTv nur bis
329, dann 100 Jahre lang ousTv gebräuchlich, und ob i'vszjv nicht schon bis
in die Zeiten des Aristoteles hinaufrückt, ist fraglich.
^^) Es begegnet Einem doch auch heutzutage, dafs man in demselben
Buche abwechselnd „anderen, andren, andern", oder „Thüre" und „Thür",
„Obrist" und „Oberst", „Erfolges" und „Erfolgs", „dies" und „dieses" und
dgl. mehr schreibt. Man halte sich also lieber hier an die beste Überlieferung.
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXV. Bd. (1893. I.) 7
98 Aristoteles.
verspricht er künftig zu zeigen, dafs die Korrekturen in E von jüngerer
Hand nach dem Archetypus von 11- vorgenommen seien.
13) Hans Poppelreuter, Zur Psychologie des Aristoteles,
Theophrast, Strato. Saarbrücken 1891. 52 S. 8. (Gymnasialprogramm)
giebt eine ansehnliche und anerkennenswerte Berichtigung und Ergänzung
der bisherigen Untersuchungen. In Bezug auf Aristoteles (S. 5—35)
erklärt er sich freilich mit Neuhäuser (vgl. Ber. XVII S. 265 if.)
darin einverstanden, dafs dieser die Sinnesorgane als bis zum Herzen
laufende Kanäle angesehen habe. Er kennt die gute Diss. von Dem-
bowski (s. Ber. XXX S. 41, ff.) nicht, er kennt seltsamerweise^*^) auch
nicht meine Berichte (XXXI\^ S. 31 A. 34, XL VI S. 243, 246, vgl.
jetzt besonders LXVn S. 105 f.) und meine Erörterung Rhein. Mus. XL.
1 885 S. 583 — 587, aus denen hervorgeht, warum ich mich dieser Ansicht
nur mit einer erheblichen Modifikation anschlielsen kann. Diese Modi-
fikation liindert mich aber nicht, seinen eigenen Ergebnissen beizutreten,
ich glaube vielmehr, dafs er mit bestem Erfolge gezeigt hat, wie sehr
Aristoteles zwar in der Tliat nicht blofs die Notwendigkeit der Ver-
einigung aller Sinneseindrücke in einem Centralorgan zuerst erkannt,
sondern auch diese Notwendigkeit für die Erklärung unseres Seelenlebens
mit gröfster Deutlichkeit nachgewiesen hat, und zwar dergestalt, dafs
von diesem Centralorgan, wie Neuhäuser richtig gegen Bäumker
geltend machte, auch die ganze Sinnesthätigkeit ihren subjektiven Aus-
gangspunkt nimmt, wie wenig aber andererseits die Annahme Neu-
häusers richtig ist, dafs die Umsetzung der Eindrücke in psychische Em-
pfindungen von Aristoteles erst in dieses verlegt und seine Lehre daher
bereits ein vollständiges Analogon zu den Empfindungsnerven sei. Ein
Analogon zu diesen ist sie vielmehr nur in entfernter "Weise, gerade der
Hauptpunkt fehlt, indem bei ihr an die Vermittelung blofser Reize zum
Centrum gar nicht gedacht ist, wie denn die reizautnehmenden TeUe
der Organe (z. B. die Netzhaut) dem Aristoteles ja noch unbekannt
sind. Er hat sich das Problem, wie aus dem blofsen Eindruck die wirk-
liche Wahi'nehmuug entsteht, noch gar nicht bestimmt vorgelegt. Er
begleitet den Akt der Wahrnehmung nur vom Objekt durch das Medium
bis zum äufseren Organe, in welchem für ihn schon die Empfindung be-
ginnt, indem dieses mit seiner zum Centralorgan fühi-enden Verbindung
und mit dem zugehörigen Teile des letzteren für ihn nur ein einziges
Ganzes ist, als dessen einziges und einheitliches und momentanes Er-
zeugnis die Wahrnehmung erscheint, und welches in jedem dieser drei
") Ich sage „seltsamerweise". Denn diese Berichte erscheinen doch
zum Nutzen der weitesten philologischen Kreise und sollten daher billiger-
weise in jeder Gymnasialbibliothek gehalten werden.
Psychologie. 99
Glieder Träger psychischer Empfindung sein kann, da für ihn mit dem
Übergang des äulseren Eindrucks in das Organ die Wahrnehmung, in-
sofern sie als blofses Bild des äufseren Gegenstandes genommen wird,
bereits fertig ist und diese fertige Wahrnehmung eben nur noch zum
Centralorgau übertragen wird^"). Hier erst entsteht allerdings das Be-
wulstwerden der Wahrnehmung, welches Aristoteles jedoch mit einem
blol'sen Wahrnehmen des Wahrnehmens verwechselt. Wenn aber Poppel-
ren t er nach diesem Allen es nur für einen scheinbaren Widerspruch
zu halten scheint, dafs sogar dieses Psych. III, 2 i. A. im Gegensatz
zu de somn. 2. 455» 12 ff. nicht erst dem Central- oder Gemeinsinn,
sondern bereits den Einzelsinnen beigelegt wird, so kann ich hierin nicht
beipflichten: ich erkläre mir die Sache vielmehr heute noch ebenso wie
im Ber. XXX S. 43. Desto mehr bin ich, wie mit dem Gesamtresultat
des Yerf., das ich im Vorstehenden meistens mit dessen eigenen Worten
wiedergegeben habe, so auch mit seinem Urteil einverstanden, dafs der
Eortschritt des Aristoteles nicht allein über alle anderen früheren Denker,
sondern auch über Piaton hinaus immer noch grofs genug bleibt,
Dafs Theophrastos in diesen Fragen nirgends von Aristoteles
abgewichen zu sein scheint, legt Poppelreuter S. 35—43 dar. Anders
steht es, wie er S. 43 — 52 auseinandersetzt, mit Straton, der zwar,
wie er zeigt, keineswegs ein blofser Sensualist war, aber doch die ari-
stotelische Zerlegung der jVIenschenseele in verschiedene Teile verwarf,
die ganze einheitliche Seele für sterblich erklärte und die Vernunft der
Sinuesthätigkeit, aber allerdings auch diese jener näher rückte und den
Hauptsitz der Seele nicht in das Herz, sondern in das Gehirn, und zwar
zwischen die beiden Augenbrauen verlegte. Straton schrieb in der That
den einzelnen Sinneswerkzeugen nur die Fähigkeit zu, den äufseren Ein-
druck aufzunehmen, welcher erst durch dies Centralorgau in psychische
Empfindung umgesetzt wird, und während Aristoteles überall nur den
Hineinweg in das Centrum ins Auge fafst, berücksichtigt Straton auch
schon die Projektion der Empfindungen, den Rückweg zur Peripherie
und von da nach aufsen hin, wenn er auch über die Art dieses Vor-
gangs natürlich ebenso unklar bleibt, wie wii- es noch heute sind. Straton
hat also wirklich ein vollständiges Analogen zum Nervensystem aufge-
stellt: man braucht eben nur an die Stelle des -vaüfia, welches er als
Träger und Vermittler beibehielt, die Empfindungsnerven zu setzen. Auf-
fällig ist es, dafs er es nicht schon selber gethan hat, da er doch mit
^^) Sehr richtig bemerkt Poppelreuter S. 9 f., dafs dies damit zu-
sammenhängt, dafs Aristoteles die von Protagoras und Demokritos erkannte,
von Piaton festgehaltene Subjektivität der Wahrnehmungen so gut wie ganz
wieder fallen iäfst.
7*
100 Aristoteles. Psychologie. De motu anim.
dem Entdecker der Nerven, dem Arzte Heropliilos, ohne Zweifel in
Alexandi'eia längere Zeit zusammenlebte. Poppelreuter hebt diese
Thatsache hervor^®), versucht aber keine Erklärung. Mir ist es das
Wahrscheinlichste, dals diese Lehre Stratous die ältere war und den
Herophilos bei dieser seiner Entdeckung mit beeinflufste.
Es erübrigen noch Poppelreuters Vorschläge zur Textverbesse-
rung: Psych. III, 12. 435fi 2. xoinp, dXX' otov aus S (S. 17. A. 2). De
sens. 2. 437^ 10. dvaxXdast. etoI (S. 21. A. 1). 7. 449^'^ 3. Neuhäusers
Vermutung <|Ji.ri> aböavexai empfehle sich sehr (S. 22. A. 1). De in-
somn. 3. 461 b, 26. 8 (wc, Punkt hinter touto und 27 oe f. [x-rj? Hay-
duck) und 28. töuto xivsrxal (wie Hayduck): S. 26. A. 1. 462^ 10.
7.aTa(p£po}i.ev{uv (S. 26. A. 1). Theophr. de sens. § 21. p. 505, 12 Diels.
ecüjÖev oder ei'aw (S. 38. A. 1). § 24. 506, 17. ouvai^ecDv f. C^ojv? (S. 39.
A. 2). § 48. 513, 8. tov aepa f. ttjv apyTjv? (S. 41. A. 1). Olympiod.
in Plat. Phaed. p. 191, 22. jxevouaa f. jxsvsi slxa? (S. 45. A. 1). SimpL
in Phys. [ VI, 4. 234^ 10. ai auxal f. ai aixiat Plut, de solert. an. 3, 6.
p. 9^1 H. irpostfievtüv f. -poieixevcov? (S. 47. Anm.) Plut. Fr. I, 4, 2 (V, 2.
p. 697, 13 W,). Poppelreuter S. 50. A. 1 verteidigt die Lesart yjoovas.
Z. 16. <T:ov£rv> rovo'jvxwv (S. 51. A. 1). 698, 7. •napa-^aicDc vor 5.
xo duo? (S. 51. A. 2). 11. Juv7)7dYO[xev (S. 51. A. 3). 699, 1. auva^J^ei?
(S. 51. A. 5). Für die Uuächtheit der Schrift von der Bewegung
der Tiere v^ird S. 10 f. A. 2 ein weiterer Grund beigebracht.
Wir sin^ mit dieser Abh. auch schon ins Gebiet der Parva Na -
turalia gekommen.
14) M. Steinschneider, Die Parva Naturalia des Ai'istoteles
bei den Arabern. Zeitschr. der deutschen morgenländ. Gesellsch.
XLV. 1891. S. 447—451
giebt eine Nachlese zu seinem Aufsatz gleichen Titels ebendas. XXXVII.
S. 477 ff., s. Ber. XLII. S. 27, und als Anhang die latein. Übers, des
Prologs von Avicenna zum 6. B. de naturalibus (de coel.) nach dea
Handschriftenvergleichungen von Rose.
Demnächst kommt die Tiergeschichte an die Reihe:
15) L. Dittraeyer, Kritische Beiträge zur aristotelischen Tier-
geschichte. Bl. f. d. bayr. Gymnw. XXVH. 1891. S. 222—227.
") Den Erasistratos hätte er dabei aus dem Spiele lassen sollen. Denn
es läfst sich nicht beweisen, ja nicht einmal wahrscheinlich machen, dals
dieser jemals in Alexandreia lebte, wohl aber, dafs er es jedenfalls nicht
zu der Zeit that, da sich Straton als Lehrer des Philadelphos dort aufhielt.
S. Susemihl Gr.-alex. L.-G. I. S. 8U0 f. A. 129.
Paroa Naturalia. Tiergeschichte. 101
16) Derselbe, Textkritiscbes zur aristotelischen Tiergeschichte.
Abhh. Christ dargebracht, München 1891. S. 114—124.
Dittmej'er macht folgende teils richtige, teils wenigstens beachtens-
werte Verbesserungsvorschläge : I, 1. 487'' 5. dcjxapiStuv (ajTiioujv F C^ und
vielleicht pr. A^). 488^ 27. 71VV0; f. av&pcüTio? (o^o?) und 30. Einsetzung
des in PC^D^ vor 31. Trpoßaxa überlieferten av&pcoTzoi vor lur^ou I, 5.
490» 10.<Y]TSTpaT:o>Sa7ravTa(o'a7iavTa Aa Cf).I,8. 491'' 14. surjöixoi (oder
suxoXoi) für das längst als verderbt erkannte, vonBonitz Ind. Ar. 335'^
43 ff. mit Unrecht festgehaltene und hier wie öu[jLiy.oc 488'' 21 falsch auf-
gefalste di>\iuoi (euxoi A^, euixoi C»). I, 17. 496'^ 22. [oux]. II, 1.
499'^^ 26 f. [xaxpav f. [iixpa und eTtavw Se f. Itc axpcp S'. II, 8. 502» 26
73 mit r P D» und dann ZaTs, f. xai. 502'^ 14. 8i xi f. ol zo und dann mit
Wimmer xoTtov <tov>. II, 12. 504» 7. ytüpicTouc <toui;> ('/tupU
Tous Pikkolos), in, 1. 510» 18. Ixsivcüv (nach d. Übers, v. Aubert
und Wimmer). 111,3. 513'^ 3. <Tetvacja> ^i'^v^"^*' (xsivexaiA», -jivsxat
PC»D»). 7. <7r6po;> dTio. 111,11. 518'^ 3. xptxäiv <wv>. III, 19.
521» 21. ÖYiXecDv und 25. uoXuatixoxspa. III, 21. 522'' 27. ixepa. IV, 2.
525» 32. '/J^Xa^ <|jLS7aXac>. 526'^ 13. Xeto? (mit Weglassung von l'yei
nach A»C»). 527» 17 xoü f. f^. IV, 3. 527'^ 17. dvacjxo}i.5v f. (xticuÖwv
(wenn man nicht etwa mit Schneider xd sTitxaXujxixaxa schreiben und
dann dvaaualv herstellen will). IV, 5. 530'' 31. xai irsptxxd unmittelbar
hinter 30. iraai hinaufzurücken. IV, 6. 53 1'^ 5 ff. dir' ojxpsou. [xd'v xt
•;:po5-£37) Xülv {jLixptuv lyduotcov]. dvxeysxai ^dp Stnrsp xai x9]? ysipos, ouxu)
<xojiv {xixptov iy9uoi(üv> , xdv xi ■npoairEaT) auxrj sScuSipLöv ' [xat dTuoXusxat
xai 7£vos auxiüv, 8 edv xi irposirearj] xaxsafli'ei <6£> (so Wimmer) xat
iytvouc xai xxevac IV, 8. 533» 19. ijl£v<xoi> mit Schneider, 20 f. [xd-
Xtoxa • oi(upta[xevov — ocpöaXfxüiv. xai xd (so Wimmerf. xov) x^; x. x. X,
534» 7. oiaxpißovxE? mit Beibehaltung der Lesarten von A» C» im Vor-
aufgehenden. 434'' 17. otj;iv <xai dxorjV>. 18. xd o^ovxa (üsCd ovxa A» C»,
dTcoCov XI Pikkolos) und mit Pikkolos Troppiu&Ev aicjfta'vExai. IV, 11.
537'' 27. evatfjLot? (f. Iv xoT?), oinocf xai xExpaTrocji, xai (= und überhaupt)
X. X. X. 538'^ 4. [w; d'v] und X£7rxox£pa f. XE/öevxa. V, 5. 540'^ 24. evioij,
V, 14. 545» 26. d^av veidv f. dppEvwv und (unter Weglassung von 27. -jj
mit A» C») 28. dxjAdCcüuiv oder rjßd^xwjiv f. Yrjpduxcosiv. 546» 10. oXqtp
ypoviwxe'pa. V, 16. 549» 10. <[xti> EcptCoucrY)?. V, 18. 551'' 24. oja
07£U£xat hinter 25. irdvxa umzustellen. V, 19. 552» 23. [jLT]-/avüjivxai f.
|xd-/ovxai. V, 21. 55.3'' 6. r^ f. xai und 7. jxeXixxcov <irX£i(u>. V, 31.
557» 5 f. d'^pioi xai — -fqvoixEviov <£i3iv> • £iat 6'. 13 ff. (pOsiptov • xai
-(UV d'XXojv, oca irx£pd l'ysi, e'yovxa (f. x6 'iyo^^, Karsch oux zyo^tz'X, voa
wem die verfehlte Vulgata xcuv lyovxtuv herrührt, weifs ich nicht) xau-
Xov xai xwv eyovxcüv xpiyd; (schwerlich ist die meiner festen Überzeugung
102 Aristoteles. Tiergeschichte. Probleme.
nach lückeuhafte Stelle hiermit geheilt). 26. xa -.TTspuYia f. tol? Tpi^J.ac
und TiofvTa — 27. wj (f. xa) £vxo|jLa hinter 29. apayvY); hinabzurücken.
V, 32. 557'^ 28. oia cjxqixaxcuv.
Auf die Probleme bezieht sich
17) L. Ferri, Süll' opera „Les problemes d'Aristote traduits . . .
par Barthelemy Saint-Hilaire". Rendiconti dell' Acad. dei lincei
Ser. R^ Vol. II. S. 583-586,
ist mir aber nicht zugänglich, auf das Schriftchen über die unteil-
baren Linien geht der erste und zweite Teil folgender Arbeit:
18) O. Apelt, Die Widersacher der Mathematik im Altertum.
Beiträge zur Gesch. der griech, Philos. (s. No. 5 und 9). S. 253 — 286.
Der zweite Teil derselben, welcher den Spezialtitel „Die unfrei-
willigen Gegner" führt (S. 263 — 270), zieht nämlich den merkwürdigen
Umstand in Betracht, dafs gerade Piaton, der grofse Verehrer und För-
derer der Mathematik, mit derselben durch seine Lehre von den unteil-
baren Linien, welche der späteren, pythagorisierenden Umbildung seiner
theoretischen Philosophie angehört und sodann durch Xenokrates aus-
geführt wurde, in einen unheilbaren Konflikt geriet. Wir lernen diese
Lehre genauer aus jener gegen sie gerichteten Abhandlung kenneu, von
welcher Apelt nachweist, dafs sie nicht dem Aristoteles, sondern nur
entweder dem Theophrastos , dem sie auch schon im Altertum von ge-
wissen Seiten zugeschrieben wurde, oder dem Straton angehören kann.
Der dritte Teil (S. 271 — 286) aber enthält eine dankenswerte Über-
setzung derselben mit wertvollen erklärenden und kritischen Anmerkungen.
986'J 7 f. kehrt Apelt jetzt zum Bekkerschen Text zurück. 969'' 26
liest er dagegen jetzt nach der besseren Überlieferung iJirjy.o'j;. 972-'^ 1
vermutet er nun av f. Tv .
An der nikomachischen Ethik hat sich nur
19) P. Seliger, Zu Aristoteles uik. Eth., Jahrb. f. Plül. CXLIIL
1891. S. 288
versucht, indem er den Anfang derselben 1094^ 1 ff. so verbessern will:
TÄio. -iyyr^ y.ai [-7.3a] jxeöoooj, oixoiw; oz xal (steht nur in den schlechteren
Quellen) <-a3a> -pä;i; \yz] xocl -pootipsai;. Ich fürchte, dafs er nicht
die Abschreiber, sondern den Schriftsteller selbst korrigiert.
Weit reichlicher ist die Politik bedacht worden:
20-24) P. E. Stöhr, F. J.Engel, H. Widemann, F. Schmi-
dinger und G. Vogel, Curae criticae in Aristotelis Politica. Abhh.
Christ dargebracht S. 97—114.
Vogel beschäftigt sich in verdienstlicher Weise damit, im 4. und
5. B. alter Ordnung auch solche Stellen aufzusuchen, in denen das 7.
De lin. insec. Nik. Ethik. Politik. 103
und 8. derselben Ordnimg, ohne geradezu citiert zu werden, doch aller
Wahrscheinlichkeit nach vorausgesetzt sind, um dadurch den Beweis dafür,
dais die letzteren Bücher vor die erster en gehören, zu vervollständigen.
So meint er, dals 1289'^ 30 ff. auch abgesehen von dem direkten Citat
die Begründung ßouXe-ai ^otp exaxspa (näml. dptJToxpaxia xal ßaaiXeia) xa-'
apET-rjv auveaxavai xsyopyjYYnxsvYjv nur verständlich sei, wenn die Erläuterung
des Begriffs der aps-fj xsyoprfjrjixlvyj 1.323'' 40 ff. bereits voraufging, und
dafs ferner ein Gleiches in den Bezeichnungen der in der absolut besten
Verfassung herrschenden Tüchtigkeit und Bildung 1295"'^ 27 ff. gilt, in-
dem erst aus den Erörterungen jener beiden letzteren Bücher klar wird,
was eine dpstT) uTilp xous lotcoxa? und eine Tzaioeia ^ cpuaews oeixai xal
-/oprj-jta? xu/rjpa? bedeuten solP''). Ganz richtig bemerkt Vogel auch,
warum unter den Tipüixoi Xo-joi, die 1293^ 2 ausdrücklich angeführt werden
nicht blofs das 3. B., sondern erst recht auch jene beiden gemeint sein
müssen. Schwerlich mit Recht aber betrachtet er 1310^ 12. !xe7icjxov xwv
sipr)|xevü)v als eine Rückweisung auf sie, [jL£-|t5xov ist hier vielmehr ein
komparativisch gebrauchter Superlativ.
Die vier Genossen Vogels behandeln einzelne Stellen. I, 2.
1253^3. St Öhr verlaugt mit Recht, dafs das von mir blofs aus F M-^
in den Text gesetzte hzi hinter C^pov wieder entfernt werde. — III, 4
1276^' 40. Widemann wiU die Worte eTrstoT) douvaxov — T:oXixa;, die ich
nach Thurot vor 38. Sei umgestellt habe, streichen. — III, 6. 1278^
19. Ich habe diese Stelle bereits Jahrb. f. Phil. CXXXI. 1889 S. 902
(vgl. Ber. LXVII. S. 137 f.) gegen die verfehlte Behandlung von Heyl-
blut geschützt. Stöhr vervollständigt dies, indem er zu den di'ei von
mir angezogenen Parallelstellen I, 2. 1253» 2. Nik. Eth. I, 5. 1097'' 11.
IX, 9. 1169'' 18 noch drei andere 1253« 7. Nik. Eth. VIII, 14. 1162»
17. Eud. Etb. Vn, 10. 1242» 22 hinzufügt. An Wer von diesen Stellen
steht 6 avSpcuTTo? in allen Handschriften, nur an einer 1162» 17 avdpm-
7.0?, an zwei schwankt die Überlieferung. Dafs die Setzung des Artikels
in Fällen dieser Art das grammatisch Korrektere ist, kann Niemand
leugnen. Stöhr will überall av9pa)-o? schreiben, jedenfalls 1162» 17
mit Recht, vielleicht auch durchweg, indessen ist die Weglassung oder
Setzung von 6 oder yj, auch wo keine ähnliche Erklärung möglich ist,
eine der häufigsten Variationen in den Codices. — 1279» 8 — 16. [oio-
dpyac] Stöhr (schwerlich mit Recht). — HI, 10. 1281» 13. Engel ver-
wirft Spengels Konjektur r^ zbv v6[jlov und verteidigt dagegen dessen
") Dafs Vogel für erstere gerade 1324» 2G ff. 41 ff. heranzieht, scheint
mir nicht glücklich, da ich diesen ganzen Abschnitt für unaristotelisch halte.
Ebenso hätten 1291» 16 ff. und 1333» 36 ff. aus dem Spiele bleiben sollen:
mag die erstere Stelle acht sein oder nicht, sie scheint mir völlig ohne
letztere verständlich.
104 Aristoteles.
andere, in der That ansprechende Vermutung [r, -rupawov]. — III, 14.
1285^ 13. Widern an ns Verteidigung- des von Hilaire getilgten y.i\
hat mich nicht überzeugt. — Dagegen warnt er III, 16. 1287" 35 mit
Reclit davor, nicht etwa die Einsetzung von I/Opav f, vor oder r, r/9pav
hinter 9iXiav zu erwarten. — 39. St Öhr macht sehr wahrscheinlich,
dafs in F -eiaöevTa? stand und dies also unbedenklich aufzunehmen ist. —
1287'^ 30 f. [tou? — cuvapyou?] Widern an n. Mir scheint ohne diesen
Zusatz das Folgende unverständlich. — IV (VII), 1. 1323» 21. <xal>
y.otvT^ Stöhr. — VIII (V), 1. 130ia 34. Tsov f. xwv i'swv (wie 1316»' 2)
Stöhr: leichter ist mein Vorschlag TravTcu; f. -avTwv. — VIII (V), 4.
1304'^ 6. ai apyat xai <ai> .ai-t'ai Schmidinger von der irrtümlichen
Annahme aus, als ob dies in Fl- stände : diese Handschriften haben viel-
mehr blofs at, und unsere Texte sind folglich ganz in Ordnung.
Die interessante Schrift von
25) Ferd. Dum ml er, Prolegomena zu Piatons Staat und der
platonischen und aristotelischen Staatslehre, Basel 1891. 65 S. 4.
(Programm zur Rektoratsfeier)
nach Gebühr zu besprechen, mufs ich den Berichterstattern über Piaton
oder Euripides überlassen, da sie den Euripides in erster, den Piaton
in zweiter und den Aristoteles erst in dritter Linie angeht. Hierher
gehört nur so viel. Dümmler S. 6. Anm. findet mit Recht, dafs
meine erläuternde Ausgabe der Politik für Aristoteles' (richtiger Piatons)
Vorgänger sehr wenig ausgiebig ist. Aber ist denn eine solche
"kommentierende Bearbeitung dieser Schrift der Ort, wo man Unter-
suchungen, wie er sie anstellt, zu erwarten berechtigt ist? Ich habe
ausdrücklich hervorgehoben, dafs das ganze Gerüst dieses Werkes, die
sechs Hauptstaatsformen, von Aristoteles schon vorgefunden wurde und
nur die Unterarten der Oligarchie und der Demokratie neu sind, und
dafs es eine ausgedehnte politische Litteratur schon vor Piaton gab
von der wir leider wenig wissen. Wo bleibt da meine „Einseitigkeit" ,
die von Schwarcz mit Recht bekämpft werde, wenn dieser auch „im
philologischen Gebiet ein Laie zu sein scheint" ? -") Ich glaube, Dümmler
würde sehr in Verlegenheit kommen, wenn ich ilm bäte mir- zu sagen,
was ich in der historischeu Schlufsauseinandersetzuug von Schwarcz zu
einer irgendwie wesentlichen Ergänzung meines Kommentars brauchen
könnte -^). Und so interessant, wie gesagt, die Auseinandersetzungen von
Dümmler sind, für diesen Zweck besonders „ausgiebig' sind sie auch
nicht. Denn auch wenn sie schon vorhanden gewesen wären, so würde
ich mich zwar verpflichtet gefühlt haben zu bemerken, dafs III, 13,
0) Blofs „scheint"?
') S. Berl. ph. Woch. XII. 1S:)2 Sp. 10G7— 1069.
Politik. Poetik. 105
1284^ 16 ff. unter den -Ieyovtsc tyjv -upawioa nach einer ansprechenden
Vermutung Dümmlers (mehr ist es doch nicht) derselbe Schriftsteller
zu verstehen sei, welcher wahrscheinlich den Euripides in den Hiketiden
und Phünissen inspiriert habe und dann auch ein A^orläufer des Aristoteles
in Bezug auf VI (IV), 11 gewesen sei; ob das aber meinen Lesern zum
Verständnis der von mir kommentierten Schrift besonders geholfen hätte,
bezweifle ich sehr. Ich würde auch nicht unterlassen haben in der langen
Anmerkung über die Geschichte der allmählichen Unterscheidung der
Verfassungen (nach S. 39 f.) zu erwähnen, dafs Hippias die Bemerkung
gemacht hatte, die Bezeichnung xupawoc für ßaatÄsu; sei nachhomerisch,
und auch wohl die weitere, sie stamme von den Tyrrhenern, aber ich
mufs hier den gleichen Zweifel aussprechen. Erheblicher wäre es allein
gewesen, dafs Aristot. III, 14. 1285^ 5 ff., bei dem oia ~o ouva-^a^eTv in
erster Instanz den Theseus vor Augen gehabt haben mag (S. 38 f.),
obwohl dies doch auch nur eine plausible Hypothese ist. Doch ich
mufs hier abbrechen; notgedrungen habe ich das Persönliche hervor-
heben müssen, weil es sich mit dem Sachlichen deckt, aber ich möchte
nicht länger hierbei verweilen, bin aber jeden Augenblick bereit, wenn
Dümmler mir noch mehr angeben will, was für meinen Zweck aus
seiner Arbeit gedient hätte, Eede und Antwort zu stehen. Denn dafs
seine Behauptung (S. 55. 60), dafs die Angabe des Aristoteles n, 7.
1266^34 ff., vor Piaton habe kein Staatstheoretiker die Weiber- und
Kindergemeinschaft vorgeschlagen, ..nachweislich falsch" sei, die allerdings
für einen Kommentar des Ersteren von gröfster Wichtigkeit sein würde,
auf einem Mifsverständnis beruht und Dasjenige, was Aristoteles, richtig
verstanden, sagt, auch vollkommen richtig ist, hat bereits Zell er Ai*ch.
f. Gesch. der Philos. VI. 1893 S. 153 f. nachgewiesen. Und dafs I, 2
nach Vergleichung mit dem Mythos in Piatons Protagoras und den von
Blafs aus lamblichos herausgezogenen Bruchstücken einer alten Prosa-
schrift als „archaisch" anzusehen sei (S. 13. A. 2), verstehe ich ohne
nähere Belehrung nicht: wenn irgend ein anderes Stück, scheint mir
dies Kapitel original; mich dünkt, hier gilt so recht, was Dümmler
S. 40 selbst sagt: „erfolgreich wurde die historische Methode doch erst
von Aristoteles auf die Politik angewendet."
Es erübrigt noch die Poetik. Hier ist zunächst zu nennen:
26) Aristote, la poetique, manuscrit 1741 fonds grec de la biblio-
theque nationale. Preface de Henri Omont. Photolithographie de
M. M. Lumiere. CoUection de reproductions de manuscrits publiees
par L. Cledat. Auteurs grecs publies sous la direction speciale de
M. F. Allegre. Paris 1891. Leroux. XIX, 31 S. 4.
Diese photolithographische Wiedergabe des Stammkodex A^ ist,
wenn es dessen noch bedürfte, ein schlagender Beweis für die erstaun-
1 06 Aristoteles,
liehe Genauigkeit von Vahlens Kollation. Über das Wenige, was
wir in Kleinigkeiten noch aus ihr an sich und durch Vergleich mit
Margoliouths Mitteilungen aus der arabischen Übersetzung (s. Ber.
LXVII. S. 154 ff.) lernen können, s, d. Anzeige von Susemihl Berl.
ph. Woch. XI. 1891 Sp. 1582—1584.
27) A. 0. Prickard, Aiistotle on the Art of Poetry. London
1891. Macmillan. 114 S. 8.
ist mir nur aus der kurzen Anzeige in der Academy XL. 1891 No. 1008.
S. 173 bekannt. Es ist ein mit Anmerkungen versehener und durch
zwei Anhänge erweiterter .Vortrag. Allem Anschein nach bietet er
für deutsche Leser kaum etwas Neues. Sicher falsch ist die Auslegung
des Schlusses 16. 1455^ 4 f.: „ein dem Orestes Ähnlicher ist gekommen;
dem Orestes sieht Niemand ähnlich als er selbst; also ist Orestes ge-
kommen". Der Ref. vermutet zweifelnd, dals 25. 1460^' 34 vielleicht 6e
<livat> herzustellen sei.
28) Th. Reinach, Sur Aristote, Poetique, Ch. 18. Revue des
etudes grecques m. 1890. S. 311.
29) Max Seibel, Zu Aristoteles repl 7roir;Tiy.9jc. Festgrufs des
Ludwigsgymnasiums in München an die 41. Philologenvers. S. 1 — 9.
Seibel macht folgende Vorschläge: 1. 1447''' 28 f. jxovov os f. f^ 6s
erco-oiia jxovov und 1447'^ 9 <fj dv{uvü[J.os> TU7)(avouaa--). 2. 1448^ 5.
to'.o'jTou; <ixt[xoüvrai> oder mit Christ xoiouxous <i:otoüaiv>. 3. 1448-^ 23f.
[to'jc] ixt!xouiJ,£vov mit Friederichs und M. Schmidt. 4. 1448'^ 13.
Seibel verwirft mit Recht xal xoüxo, hätte sich aber nicht verhehlen
sollen, dafs xal xouxou auch noch immerhin geschraubt ist, und nicht zu
begreifen steht, warum da nicht Aristoteles lieber das natürliche und ein-
fache xoyxo oder auch blols ai'xiov ol geschrieben haben sollte, wie
Spengel vermutet hat. 15. 1454'^ 14. Warum mindestens die Ein-
fügung von rA hinter -apaosi-jixa nötig wäre, ist nicht abzusehen (zumal
Aristoteles auch in Fällen, wo wir es viel weniger erwarten, oh weg-
läfst, s. Vahlen zu 16. 1454'' 37), Seibels Konjektur <orov> Tiapa-
6£-.-;;j.a 5y.Xr,poxr,xo? [olov] mithin überflüssig. 16. 1454'' 31 ff. Margoliouth
wollte, was Ber. LXVII. S. 162 hätte erwähnt werden sollen, 'Opeixirjc
und dve-fvcoptaev oxt 'Ope3xr,c streichen, Seibel vermutet dtve^vcuptsev [oxt
'Op£7xrp] £7.£tvYjv |j.£v [yj.^]- Würde man indessen die letztere Gewalt-
samkeit zulassen, so würde ja wenigstens die Umstellung von oxi 'OpeTn)?
-") Wenn man mit I 1447^ 26 ii.iiJ.ojvxa[ wegläfst, 27 v^ statt oi schreibt,
29 i-o-oitcz tilgt und ^d ävojvuiio; vor zoj/ä'wjza einfügt, bedarf es in der
ganzen Stelle keiner einzigen Konjektur. Überhaupt vermag ich keinen
einzigen von Seibels Vorschlägen mir anzueignen.
Poetik. 107
hinter autoc vollauf genügen. 17. 1455^ 34 f. Sei bei behauptet irr-
tümlich, dafs ich vor au-ov ein Lückenzeichen gesetzt habe'^), nimmt
Vahlens frühere Vermutung T.'xptilr^\i\).iwji v^ieder auf und gestattet
sich die weitere, too? G-' tj-tou -t-oir^\xi'^ou; f. autov rroioüvTa (I!). Nicht
minder stark ist es, v^^enn er 1455'i 21 f. ava-fvwpiaavTwv tivojv auTov,
womit freilich jeder Anstofs gehoben v^äre, schreiben will. Eine nicht
geringere Kühnheit entwickelt ßeinach, indem er 18. 1456^ 17 Georg
Vallas Konjektur 'Exa^irjv f. Ntoßv^v auffrischt und aufserdem xal \).T^
uJ3Z£p Atr/uXo; sti-eicht, ohne zu bedenken, dafs Aiistoteles , wie aus
23. 1459'^ 5 ff. hervorgeht, den Stoff der euripideischen Hekabe mit
Recht nicht zur 'iXi'ou Tteputs rechnet. Wenn ßeinach sich bei Vahlens
völlig ausreichender Verbesserung <■»]> Ntoßriv nicht beruhigen konnte,
so hätte er wenigstens nicht bei der Aufzählung aller Vorschläge den
einzigen v) 'lo'füjv, auf den ich und Spengel unabhängig von einander
verfielen, mit Schweigen übergehen sollen.
Recht lesenswert ist die kleine Schrift von
30) Wilh. Deike, Schillers Ansichten über die tragische Kunst,
verglichen mit denen des Aristoteles, Helmstedt 1891. 34 S. 4.
(Jenaer Doktordiss.),
natürlich mehr in Bezug auf Schiller als in Bezug auf Aristoteles. Die
Übereinstimmungen des ersteren mit dem letzteren, deren sich jener
vollbewufst ist, werden klar beleuchtet, die Abweichungen und der
gröfsere Reichtum seiner Gedanken im ganzen unter die richtigen Ge-
sichtspunkte gestellt. Doch sind die Abweichungen nicht so grofs, wie
der Verf. meint, weil er den neueren Untersuchungen nicht genügend
gefolgt ist. Nach diesen steht es jetzt fest (s. Ber. XLII. S. 260 f.),
dafs die tragische Furcht bei Aristoteles so gut wie bei Schiller die
um den Helden ist. Auch ist es nicht wahr, dafs das tragische Mit-
leid bei jenem nur ein individuelles sei. Auch die Behauptung, dafs
erstere erst durch letztere zum Aflfekt gesteigert werde, trifft unter
diesen Umständen nicht die Meinung des Aristoteles. Auch das (piXav-
9pcD-ov fafst Deike noch immer fälschlich als ein abgeschwächtes Mit-
leid auf statt als Befriedigung des poetischen Gerechtigkeitsgefühls
dadurch, dafs der Bösewicht seinen verdienten Lohn enthält.
Anhangsweise hätte schon im Bericht füi" 1890 besprochen
werden sollen
-^) Das Kreuz verweist, wie überall in diesen Engelmannschen
Aristotelesbearbeitungen, auf die mit dem gleichen Zeichen über dem Text
stehende Ziffer des Anfangs einer neuen Bekkerschen Spalte, hier f 1455'' hin.
108 Aristoteles.
31) Friedr. Littig, Andronikos von Rhodos. I. Theil. Das
Leben des Andronikos und seine Anordnung der aristotelischen
Schriften. München 1890. IV, 58 S. 8. (Progr. des Maximilians-
Gymn.).
Das erste Stück dieser Abh. S. 1 — 8, in welchem Littig das
Leben des Andronikos ungefähr zwischen 125 und 47 v. Chr. setzt,
gehört nicht hierher, s. hierüber Susemihl Gr.-alex. L.-G. H. S. 691.
Von desto gröfserem Interesse für Aristoteles ist das zweite (S. 8 — 36)
„Die Andronikosausgabe der aristotelischen Schi'iften" nebst den beiden
Anhängen. Zunächst freilich der Versuch (S. 11 f.) die Nachricht des
Ath. l. 4^, dals Neleus die ' ßißXia des Aristoteles an Philadelphos ver-
kauft habe, mit den Angaben bei Strab. XIII, 608 f. und Plut. Sulla 26
durch die willkürliche Annahme in Übereinstimmung zu bringen, dafs
damit nur die sonstige Bibliothek des Stagiriten aufser dessen eignen
Schriften gemeint sei, wäre doch nur dann allenfalls zulässig, wenn
diese Angaben, genau so, wie sie lauten, richtig wären und ihnen nicht
auch (s. u.) durch das Verzeichnis des Ptolemäos widersprochen würde ^*).
Bei Strabon steht ferner nicht, dafs Tyrannion Abschriften von den
Originalhandschriften des Aristoteles aus Apellikons Bibliothek ge-
nommen habe, sondern es wird der unbestimmte Ausdruck öteystpidaxo
gebraucht, der dies doch wohl eigentlich kaum bezeichnen kann.
Dem entspricht ganz die ebenso unbestimmte Bezeichnung bei Plut.
evjxeuacajöai, und erst in Demjenigen, was bei Strab. nicht steht, weifs
Plut. mit einem Male, dafs Andronikos von Tyrannion Abschriften er-
halten habe. Wenn nun auch Littig (S. lOf.) wolü mit Eeclit ver-
mutet, dafs Plut. nicht aus der erhaltenen Stelle Strabons, sondern aus
dessen Geschichtswerk, in welchem also diese Nachricht gleichfalls
stand, geschöpft liabe-^), so ist doch, dächte ich, unter solchen Um-
ständen der Verdacht von Di eis -^) dringend genug, dafs erst Plut. den
Andronikos in diese Geschichte, mit welcher derselbe ursprünglich gar
Nichts zu schaffen hatte, auf eigene Hand willkürlich hineingebracht
habe. Dafs die bei verschiedenen Auslegern des Aristoteles, deren
letzte gemeinsame Quelle der Kommentar des Porphyrios zu den
Kategorien war-") (s. u.), sich findende Einteilung der aristotelischen
"; Vgl. Susemihl a. a. 0. II. S. 209. A. 324. Auch die von Littig
vergebens bestrittene, von Kai bei aufgenommene Konjektur von Wila-
mowitz 'Af('.3"0"i/.r,v -i töv yjjjz'jw/ <:>'-cz! 6so'if'yc«':ov> zcc. ~öv lu i'j'j-Mrj
ota-rjprjoav-a Nt;Xe(z bei Ath. a. a. 0. bleibt daher in ihrem vollen Recht.
-') Denn er citiert gleich hernach den Strabon ausdrücklich für eine
ohne Zweifel aus diesem Werk (Fr. 7) entnommene Angabe.
2«) Vgl. Susemihl a. a. 0. II. S. :502. A. 327.
") Vgl. Brandis Ausl. des Org. S. 281—28.').
Anhang: Andronikos. 109
Werke (mit Heitz Verl. Schrr. des Aiist. S. 23ff.) schon auf Andronikos
zurückzuführen ist, dafür macht der Verf. (S. 13—17) mit vollem Recht
geltend, dafs sich Porphyrios in seiner eignen Anordnung der Schriften
des Plotinos nicht an den Sinn und Geist des letzteren, sondern ganz
offenbar an das Vorbild des Andronikos angeschlossen hat, und zeigt
dann (S. 17—23), wie nahe verwandt mit ihr auch noch die Einteilungen
in den Inhaltsangaben der aristotelischen Werke bei arabischen Schrift-
stellern sind. Von ihnen beruft sich Muhammed ihn Ishaq en Nedim
(Nedimus) im Kitäb al Fihrist (i. J. 987) auf Ptolemäos, den er einmal
als Verfasser einer ,, Schrift über die Geschichten vom Aristoteles und
von seinem Tode und der Eeihenfolge seiner Schriften" bezeichnet und
dabei Ptolemäos „den Fremden" nennt. Danach hat denn Christ
Gr. L. G. ^ S. 357 (-S. 400) richtig erkannt, dafs dies Ptolemäos
Chennos war, indem diese Bezeichnung offenbar auf einer Verwechselung
von ysvvo? mit ^evoc beruht, und Littig (S. 19) stimmt ihm bei. Trotz-
dem nimmt derselbe (S. 22 f. S. 34 f.), und zwar wohl entschieden richtig,
an, dafs sonach nicht mehr als etwas über 100 Jahre später dieser
Ptolemäos bei seinem eigenen, uns bekanntlich durch zwei jüngere
Ai'aber überkommenen Verzeichnis der aristotelischen Schriften-^) schon
nicht mehr das des Andronikos selbst, sondern ein von dessen Nach-
folgern bereits mehrfach geändertes in Händen hatte und auch wohl
andere Verzeichnisse mit benutzte, wozu denn noch kommt, dafs sein
Katalog uns bei diesen beiden Vermittlern offenbar keineswegs un-
versehrt erhalten ist, die wiederum ihrerseits schwerlich unmittelbar aus
dem Original schöpften. Und so untersucht denn Littig (S. 23—33),
ob sich nicht in den Schriften selbst Spuren einer zum Teil anderen
Abfolge erhalten haben, von der sich dann wohl mit Wahrscheinlich-
keit vermuten läfst, dafs es die von Andronikos augeordnete war, ganz
abgesehen davon, dafs die Tiergeschichte in jener auf diesen zurück-
gehenden Einteilung nicht mit den systematischen zoologischen Schriften,
die nach ihr zu den xadoXou und genauer zu deren Unterabteilung, den
syntagmatischen Werken, gehörten, zusammengeordnet, sondern den
\LtTa.lh Tüiv xadoXou y.al twv xaxa [xspo? zugerechnet war-^). Nun finden
sich in der That in den psychologisch-physiologischen und zoologischen
^^) Natürlich war es in derselben Schrift enthalten, welche im Fihrist
bezeichnet wird, und so lernen wir denn aus dem einen dieser Araber
Ibn el Qifji auch, dafs sie ad A'alas (oder A'tlas) gerichtet war. Littig
S. 22 nimmt wohl mit Recht an, dafs hinter diesem verderbten Namen
Gallus steckt.
-^) So richtig auch Littig S. 32, wogegen er S. 27 den Schnitzer be-
geht, ihre Einordnung in die hypomnematischen zu behaupten, die vielmehr
auch eine Unterabteilung der xaD^oXou waren.
HO Aristoteles. Anhang.
Schriften Übergänge, die zu der jetzigen Reihenfolge nicht passen, wie
714^' 20 — 23 von den Teilen und dem Gang der Tiere zur Psychologie,
und wie 467'' 7 ff. die Abhh. üb. Jugend und Alter und üb. Lebeu und
Tod als TsXo; r^? -£pi Tuiv C(;)u)v ]j.£96oou bezeichnet, dies aber gleich
darauf Z. 11 durch Hiuzufügung von zepl «vaTivo^ erweitert wird,
endlich an letztere Schrift sich 480'^ 21ff. •''°) noch wieder die bis auf
diesen Anfang verlorene r.zpi \6aou xai uYteiac anhängt. Aus solchen
Spuren gewinnt nun Litt ig folgende Reihe der -spl twv Ctf><i>v jxs'dooo?:
Teile und Gang der Tiere, Psjxhol., de sens., de mem., de somn. (nebst
de insonin. u. divin. p. s.), Bewegung der Tiere, Entwicklung der Tiere,
de magn. et brev. v., de iuVent. et sen., de vit. et m., de respir., de
morb. et san. Die Schrift Tispi TpocpT;? kannte also schon Andronikos,
wenn dies Alles richtig ist ^*), nicht mehr. Wenn er die unächte von der
Bewegung der Tiere ^-) aufnahm, so schliefst dagegen Littig (S. 27 f. 33)
aus dem Fehlen der Übergänge in der Tiergeschichte lediglich zum 9.
und 10. B., dal's er diese beiden unächten Bücher auch noch für un-
ächt hielt; ein Gleiches gilt von zspl rvsuixaTo;, und auch Trepl y.6<j|xou
hat in seiner Anordnung keinen Platz. Dal's schon er die Rhetorik
und Poetik mit der logischen Pragmatie verbunden habe, hält Litt ig
S. 34 für wahrscheinlich.
Von den beiden Anhängen giebt der erste (S. 37 — 42) eine schätz-
bare Neubearbeitung vom Verzeichnis des Ptolemäos nach Aug. Müller,
Morgenland. Forschungen, Festschr. f. Fleischer, Leipzig 1875 S. 1 — 32
und dessen brieflichen Mitteilungen. Ich hebe hier nur hervor, dafs
aus den ßi^Xi'a O-apyovxa ev ßißXio(h]x7) 'AzsXAixojvto?, wie ich denke'^^),
mit Recht eine eigene Nummer (86) gemacht ist. Geht dies auf An-
dronikos zurück, so wufste dieser besser als Strabon, dafs aus Apellikons
Bibliothek nur weniges bis dahin Unbekannte zu Tage gekommen war.
Der zweite Anhang (S. 43 — 58) giebt von jenen Auslegern, welche uns
über die eben besprochene Einteilung der aristotelischen Werke unter-
richten, Philoponos (oder nach anderer handschriftlicher Angabe Ammo-
nios), Simplikios, Olympiodoros und Elias (nicht, wie man früher glaubte,
David) die betreffenden Texte ^^) in neuen Rezensionen mit Hülfe der
dem Verf. mitgeteilten Kollationen von Busse und Yitelli; der des
Olympiodoros ist hier zuerst gedruckt; beigefügt ist aus Schol. in Aristot.
»0) statt 4S0 steht bei Litt ig S. ZO der Druckfehler 42S.
'') Ich enthalte mich auch hier noch gleichwie a. a. 0. 11. S. 690 f.
der Kritik,
'^) Über die Unächtheit derselben s. auch Littig S. 32.
'*) S. meine Bemerkungen a. a. 0. IL S. 090.
'*) Es war dies nach dem Vorgang des Porphyrios und Ammonios die
zweite Vorbemerkung in ihren Kommentaren zu den Kategorien.
Andronikos. Pseudo-Aristot. "(A ßcta'.Xaic«;. 111
454 ^ 6 ff. ein Stück aus Damaskios, die Einteilung der ^usixt] -pa-|'[j.a-£ta.
Das ungefähre Stemma dieser Erklärer bezeichnet Littig (S. 43)
folgendermafsen :
(Porphyrios)
(Proklos) (lamblichos)
Ammonios,
Sohn des Hermias
Damaskios Philoponos Simplikios
Olj'mpiodoros
Elias.
Hoffentlich erhalten wir bald den zweiten Teil dieser interessanten
Untersuchungen.
32) Jul, Lippert, De epistula pseudoaristotelica uspi ßaaiXsia?
commentatio. Halle 1891. IV, 38 S. 8. (Doktordiss.)
veröffentlicht nach kurzer Einleitung (S. III f.) auf den Antrieb von
Sachau^'^) eine vollständig nur in einem Cod. Vatic. 408 erhaltene ara-
bische Übersetzung eines angeblich von Aristoteles 323 an Alexandros
den Grofsen geschriebenen Briefes (S. 1 — 13) mit lateinischer Über-
setzung (S. 14—24) und einem kritischen Exkurs (S. 25 — 27) und zeigt
dann, dafs dieser Brief zwar wirklich aus einem griechischen Original
stammt, aber doch nicht von Aristoteles herrührt und nicht ^*^) einerlei
ist mit der schon von Eratosthenes als aristotelisch bezeugten und noch
dem Plutarchos bekannten Paränese gleichen Titels^"), vermutlich also
wohl erst nach den Zeiten des letzteren entstanden, übrigens wahrschein-
^^) Vgl. Rose, Aristotelis fragmenta. Leipzig 1886. S. 408.
^^) Wie Rose a. a. 0. glaubte. Vgl. übrigens über diesen Brief schon
Dressel, Brief des Aristoteles, Philologus XVI. 1860 S. 353 f.
^') S. darüber jetzt auch Susemihl a. a. 0. 1. S. 411 mit A. 13. Mit
Recht verwirft übrigens Lippert S. 34 ff. sowohl die Annahme von Bernays
Dial. des Arist. S. 53 — 56. 154 f., dafs es vielmehr ein Dialog gewesen sei,
als auch die von Rose a. a. 0. S. 408 f. 415 ff., welcher die betreffenden
Angaben und Bruchstücke unter eine Paränese (a'JiißouXsu-c'.xo; Xö-fo;) und
einen Brief verteilt. Nur hätte er darauf keinerlei Gewicht legen sollen,
dafs uns im Verzeichnis des Anonymes (Hesych.) der Titel ~s(A ßaa'.Xs'!«;
zweimal begegnet, No. 16 ;xnd im Anhang No. 171. Gegenüber Bernays
fragt es sich ja eben, ob in den Verzeichnissen nicht blofs die 16 ersten
Nummern bei Laert. Diog. (bei dem -zrA ßoi^dsia; an 18. Stelle steht) und
die 15 ersten bei Hesych. Dialoge sind, oder aber, falls die erste Gruppe
112 Pseudo-Aristoteles -ly. ß^-'./.a'c^:.
lieh, obgleich sich dies nicht mit Sicherheit bestimmen läfst, zunächst
ins Syrische und erst aus dem Syrischen wohl zur Zeit der Abbassideu
ins Arabische übersetzt ist (S. 28 — 38). Obwohl nun aber auch ein
solcher Sachkenner wie Steinschneider in seiner Eezension Deutsche
L.-Z. 1891 Sp. 1812 f. schi'eibt: „Dafs hier eine im Original verlorene
ächte Schrift vorliegen werde, konnte Niemand erwarten, der die ander-
weitige arabische pseudaristotelische Litteratur untersucht hat", so hat
doch merkwürdigerweise Nissen Rhein. Mus. XL VII. 1892 S. 166.
177 — 181^") die Achlheit zu verteidigen versucht; nach der wahrhaft
vernichtenden Kritik dieses Versuches durch Br. Keil, Die solonische
Verfassung in Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens, Berlin 1892
S. 128 — 142 3^) brauche ich indessen Nichts weiter über denselben zu
sagen. Der Brief ist, wie Keil unwiderleglich nachweist, ein triviales
Rhetorenmachwerk, dessen Entstehungszeit sich freilich nicht genauer
bestimmen läfst, dessen früheste Erwähnung aber die im Fihrist-'') ist.
Zwei dieser Citate stehen nun freilich hier in dem, wie vorhin bereits
angedeutet, aus Ptolemäos Chenuos geflossenen Abschnitt über Aristoteles
(Biographie und Inhaltsverzeichnis der Schriften), aber ob auch sie schon
aus Ptolemäos stammen, wird, wie Keil S. 141 f. bemerkt, dadurch
zweifelhaft, dafs hernach ein drittes folgt, welches in Wahrheit gar nicht
im Briefe steht „und seiner Diktion nach nie griechisch gewesen sein
kann, s. Aug. Müller, Die griech. Philosophen in d. arab. Überliefe-
rung, Halle 1873 S. 46 A. 20. Lippert S. IV. 26 f." Indessen gehört
dasselbe, wie Steinschneider bemerkt, „der ethischen Epistel an,
noch weiter reicht, ob sie dann nicht vielmehr als , Dialoge und paräne-
tische Schriften" zu bezeichnen ist, vgl. Ber. LXVII S. 85 f. A. 7. Das von
Lippert gegen Rose m. E. richtig Bemerkte aber kann ich hier nicht in
der Kürze wiedergeben.
^^) Vgl. Ber. f. 188G— 1890. Drittes Stück (LXXV) S. 11 A. 12.
^^) Obgleich ich die Litteratur' über die neu gefundene Politie der
Athener einem anderen Referenten überlassen habe, werde ich mich doch
im Ber, für 1S92 der Aufgabe auf dies leider in einem Hauptpunkt sich
auffallend vergreifende, sonst aber ausgezeichnete Buch näher einzugehen
bei der allgemeinen Bedeutung desselben für Aristoteles zu unterziehen
haben. Schon jetzt will ich aber zu bemerken nicht unterlassen, dafs erst
hier geschieht, was billigerweise das Allererste hätte sein müssen, die Er-
klärung des Uistorikers Aristoteles au.s Aristoteles dem Philosophen, und
zwar aus einer gründhchen Kenntnis des letzteren und nicht einer so sehr
oberflächlichen, wie sie sogar ein Mann wie Nissen für genügend zum Ab-
urteilen mit grofser Zuversichtlichkeit gehalten hat.
") Keil S. 14 L wirft Lippert vor, dal's er dies nicht angemerkt habe.
Ausdrücklich gesagt hat der letztere es allerdings nicht, aber es geht doch
a\i6 dem S. 38 von ihm Gesagten deutlich hervor.
Pseudo-Kerakleides. 113
welche ibu Ridhwan in seiner Autobiographie benutzt, Charisi und
Paliquera (13. Jh.) hebräisch bearbeitet haben"; vgl. Rose Aiist. pseud.
S. 583.^') Aufser Steinschneider hat diese Diss. noch Döring,
Woch. f. kl. Ph. IX. 1892 Sp. 37 f. angezeigt.
Dem Pontiker Herakleides zu Gefallen mufs ich jetzt auch
noch den vortrefflichen Aufsatz von
33) Carl v. Holzinger, Aristoteles' athenische Politie und die
Heraklidischen Excerpte, Philologus L. N. F. lY. 1891 S. 43^i— 446
besprechen. Aus demselben ergiebt sich, wie richtig auch hier wieder
Schneidewin gesehen hat. Holzinger zeigt, dafs die §§ 2 — 8 der
Excerpte unmittelbar aus der Politie der Athener entnommen sind, der-
gestalt, dafs beide Texte nach einander sich verbessern lassen, und dafs
auch die Abweichungen auf keine andere Quelle hinführen, sondern
anderweitig erklärt werden müssen und leicht erklärt werden können,
woraus denn auch folgt, dafs die §§ 1. 2 als ein wesentlicher Ersatz
für den nicht umfänglichen fehlenden Anfang zu benutzen sind.
Schneidewin irrte also nur darin, dafs er glaubte, wir hätten nur
Excerpte von Excerpten; es mufs vielmehr heifsen: Fragmente von Ex-
cerpten, denn allerdings sind uns diese Auszüge aus den aristotelischen
Politien nur teilweise erhalten, Dafs sie von des Aristoteles Mitschüler
Herakleides herrühren könnten'*-), davon darf unter diesen Umständen
keine Rede sein, und auch die Vermutung G. P. Ungers (s. Ber. XLII
S. 47), Herakleides Lembos sei ihr Urheber, lehnt Holzinger mit Recht
ab*^). Dagegen sucht er denselben mit Rose (Aristot. fr., Leipz. 1886
S. 260) in dem jüngeren Pontiker Herakleides, dem Didymeer, verwahrt
sich aber dem Bemerkten zufolge gegen die von demselben Gelelirten aus-
gesprochene Annahme, dafs Didymos dabei Mittelsperson gewesen sei.
Ich würde dies unbedingt billigen, wenn die Überlieferung lautete ex xcSv
'Hpay.Xsiöou Toü DovTixoij. Es steht aber blofs ex xcuv 'HpaxXeioou da, und
so läfst sich zwar die Möglichkeit dieser Annahme nicht bestreiten, aber
bisher sehe ich noch keinen Beweis, dafs es nicht ebenso gut ii-gend ein
anderer Herakleides gewesen sein könnte.
*^) Sehr richtig ist auch die Erinnerung von Steinschneider, dafs
Lippert S. 37 in Bezug auf den Cod. Hebr. Vatic. Urbin. 53 nicht hätte
zweifelhaft sein, sondern aus der von ihm angeführten Beschreibung von
Wolf Biblioth. Hebr. I. S. 221 hätte erkennen sollen, dafs diese hebräische
Übersetzung (von Charisi) das pseudo-aristotelische Secretum secretorum s.
de regimine prineipum wiedergiebt.
") Holzinger lobt Unger, dafs er dies bestritten hat. Hoffentüch
hat es ohnehin längst Niemand mehr geglaubt.
") S. dagegen auch Susemihl a. a. 0. I. S. 501 f. A. 53.
Jahresbericht für Alterthumswissenschatt. LXXV. Bd. (1893. I.) S
J14 Theophrastos. Straton.
Es bleiben noch zwei Arbeiten übrig, von denen die eine den
Theophrastos, die andere den Straton betrifft:
35) F. Blaydes, Notae in Theophrasti Characteres. Hermathena
XVII. 1891 S. 1—12.
36) G. Kodier, La physique de Straton de Larapsacus, Paris
1891. 8. Alkau. (Doktordiss.).
Beide stehen mir aber nicht zu Gebote, In seiner lobenden An-
zeige der letzteren bemerkt Herr ßev. crit. 1892. II S. 23 zweierlei.
Kodier habe nicht bewiesen, dafs zwischen Straton und Epikuros nebst
dessen Anhängern keine Polemik stattgefunden habe; Usener Epicurea
S. 377 vermute eine solche im Briefe des Epikuros an Herodotos § 53
p. 14, 2—5. Er habe sodann unterlassen zu sagen, dai's die Ideen
Strabons über den Pontos Euxeinos von Aristoteles stammen (s. Berger,
Gesch. d. wiss. Erdk. der Gr. II S. 115), indem Eratosthenes sie von
Straton überkommen habe (s. Berg er a. a. 0. ni S. 63). Nach einer
anderen Rezension von Apelt Berl. ph. Woch. XIII. 1893 Sp. 9 f. ent-
wickelt diese „fleilsige und besonnene Arbeit ein klares Gesamtbild von
dem Leben und den Leistungen des Straten, welches freilich gerade
nichts wesentlich Neues bringt". Der Aufenthalt desselben in Alexandreia
werde durch eine nicht unwahrscheinliche Kombination zwischen 300 und
294 verlegt. Mich dünkt, da Philadelphos, zu dessen Ausbildung er
dorthin berufen ward, 295 im Alter von 15 Jahren stand, kann diese
Berufung kaum früher erfolgt sein, aber auch wohl nicht viel später.
Stratons Lehre erscheint dem Verf. mit Eecht als eine Umformung der
aristotelischen nach dem veränderten empirischen Zeitgeist.
Jahresbericht über die griechischen Lyriker (mit Aus-
schluss Pindars), sowie über die Bukoliker und die
Anthologia Palatina für 1888—1891
von
Professor Dr. J. Sitzler
in Baden-Baden.
Antholog-ia lyrica sive lyricorum Graecoriira veterum
praeter Pindarum reliquiae potior es. Post Tb. Bergkium quar-
tum edidit E. Hiller. Leipzig, B. G. Teubner. 1890, XX, 381 S. 8.
Der neue Hrsg. traf die Änderung, dafs er die älteren Dicbter
von den jüngeren scbied. Der vorliegende Band entbält nur die älteren
und als Anhang die Pseudopbocylidea, Anacreontea und den Peplos. Die
elegiscben und iambiscben Dichter, die bisher getrennt waren, vereinigt
der Hrsg. in einen Abschnitt, um, wie er sagt, die Fragmente des Ar-
chilochos, Solen und Krates nicht auseinander zu reifsen. Auch die An-
ordnung der Fragmente wurde vielfach anders, bisweilen ohne dafs man
einen Grund dafür einsehen kann. Den Text suchte der Hrsg. nach
Kräften zu verbessern, und es ist ihm auch wirklich gelungen, manches
Fragment lesbarer zu machen. Dabei kann man es nur billigen, dafs
er sich, wo es geht, an die Überlieferung hält; um so verwunderlicher
ist es daher auch, dafs er in den Fragmenten der äolischen Dichter von
ihr abweicht, indem er Spiritus asper und attische Betonung anwendet,
d. h. an die Stelle von etwas, das er für falsch hält, etwas seineu eigenen
Worten nach nicht weniger Falsches setzt. Das einzig Eichtige ist hier,
entweder auf Spiritus und Accent zu verzichten oder bei der Überliefe-
rung stehen zu bleiben. Auf die Besprechuug der neuen Lesarten und
Konjekturen werde ich bei Behandlung der einzelnen Dichter eingehen.
A.Biese, Griechische Lyriker in Auswahl für den Schul-
gebrauch herausgegeben. L Teil: Text. VIII, 90 S. IL Teil:
Einleitung und Erläuterungen. 105 S. 8. Leipzig, G. Freytag.
1891. 1892.
Über die griechischen Lja'iker in der Schule spricht der Verf.
ausführlich in dem Aufsatz: Die griechischen Lyriker in den oberen
116 Griechische Lyriker.
Klassen, N. Jahrb. f. Philol. u. Pädagog. 1891 S. 415-426. Der Text
bietet nichts Bemerkenswertes; der Kommentar enthält eine stattliche
Zahl von Parallelstellen, die die Form sowohl als den Inhalt berück-
sichtigen.
In neuer Auflage liegt vor.
H. W. StoU, Anthologie griechischer Lyriker für die
obersten Klassen der Gymnasien mit litterarhistorischeu
Einleitungen und erklärenden Anmerkungen. 1. Abteil.:
Elegien und Epigramme. 6. Aufl. Halle, Gesenius. VIII, 118 S. 8.
E. Zarncke, Die Entstehung der griechischen Littera-
tursprachen. Leipzig, 'T. 0. Weigel Nachfolger. 1890. 53 S. 8.
Der Verf. will dem Grundgedanken von dem durchgreifenden Unter-
schied zwischen Litteratursprache und gesprochener Mundart für die
griechische Litteratur, in Poesie und Prosa, die Beachtung und Aner-
kennung verschaffen, die ihm von den einen ganz, von den anderen
wenigstens zum Teil versagt wird. Zu diesem Zweck giebt er auf Grund
der bis jetzt über diesen Gegenstand angestellten Untersuchungen eine
kurze Übersicht über die Entstehung und Beschaffenheit der in den ver-
schiedenen Litteraturgattungen verwandten Sprache. Uns interessiert
hier nur die Lyrik. Der Elegie, dem iambisch-trochäischen Gedicht und
der Melik spricht der Verf. einen Mischdialekt zu, dessen Entstehung
aufs innigste mit der Entwickelung der betreffenden Dichtgattung zu-
sammenhängt; die Dichter veranstalten keine willkürliche Blumeulese
aus allen möglichen Dialekten, sondern es liegt hier nur die Einwirkung
der bei gewissen Stämmen ausgebildeten Kunstform auf die Lyrik der
anderen vor, infolge deren man Worte und Wendungen teils unbewufst,
teils aus künstlerischen Absichten herübernahm; auch der Rhythmus
zog bestimmte Wortformen nach sich. Diesen Grundsätzen stimme ich
bei; jedoch scheint mir der Verf. im einzelnen nicht scharf genug ge-
schieden zu haben; man darf nicht alle Dichter einer Litteraturgattung,
z. B. der dorischen Chorlyrik, nach einem Mafse messen, sondern mufs
jeden besonders auf seinen Dialekt hin prüfen. Unrichtig ist es, wenn
der Verf. die Aolismen bei dorischen Dichtern auf Terpander zurück-
führen will, da ja dieser selbst keine gebrauchte.
C. O. Zuretti, 8ui dialetti letterari greci. Torino, Vin-
cenzo Bona. 1892. VI, 33 S. 8.
Der Verf. wendet sich hauptsächlich gegen Fick und dessen dia-
lektische Umdichtungen der überlieferten Texte, an erster Stelle des
Homer. Dabei spricht er auch von der Dialektmischung in der griechi-
schen Lyrik, ohne jedoch auf die einzelnen Dichter näher einzugehen.
Im ganzen stimmt er mit E. Zarncke überein; beide weisen auch mit
Griechische Lyriker. 117
Recht darauf hin, dafs die Schriftspraclie nicht ohne weiteres nach der
Sprache der Inschi'iften beurteilt werden dürfe. Der Verf. betont den
Wert der Überlieferung', die er gegen die Annahme einer vollständigen
Umarbeitung durch die Grammatiker in Schutz nimmt, und macht darauf
aufmerksam, dals ja schon in Homer Dialektmischung vorliege, da ihm
eine reiche litterarische Entwickelung vorausgehe.
0. Hoffmanu, De mixtis Graecae linguae dialectis.
Göttingen, Vandenhoeck u. Ruprecht. 1888. 72 S. 8.
Der Verf. behandelt die Dialektmischung auf den Inschriften und
betrachtet von diesem Gesichtspunkt aus den thessalischen und büotischen
Dialekt, den phokischen und lokrischen, die Dialekte des Peloponnes
und der Kolonien. Von der Dialektmischung innerhalb der Litteratur
spricht er nur gelegentlich. „Nequaquam eorum partes sequor, qui poetas
vel antiquissimis temporibus carmina sua dialecto artificiose mixta com-
posuisse censent. Nam ex horum iudicio veteres poetae ea erant insol-
sitate, ut e diversis dialectis formas, quarum altera alteram excludebat,
veluti genetivos in sco et ao, MoTaa et cpspiusa, , artificiose" eligerent atque
in unam „dialectum poeticam" confunderent." Dafs davon' Ansichten,
wie die von E. Zarncke und C. 0. Zuretti vorgetragenen, nicht betroffen
werden, sieht jeder. Übrigens nimmt der Verf. für Alkman selbst Dia-
lektmischung an, indem er glaubt, dafs dieser Dichter äolische Elemente
in seinen dorischen Dialekt aufgenommen habe, nämlich -soa, ap-(ioi, die
Dat. in zazi und otJi, „quae metri causa ei placebant simulque non a
dialecti Laconicae fundamentis abhorrebant". Ich halte Trsöa und dpYsw
für lakonisch und bin darin durch das von dem Verf. auf S. 8 flg. Vor-
gebrachte nur befestigt worden; Dat. auf e^si und oici fallen aber als
homerisch ebensowenig auf, wie Akkus, auf «? als hesiodisch. Mit Recht
weist der Verf. Formen wie cfspoua bei Alkman zurück; ob auch
Formen wie y.i&aptjoriv bleibt zweifelhaft. Für den Infinitiv beansprucht
er T)v, und bei Sappho 2, 10 schützt er u-a gegen R. Meister.
J. Schaub, De usu coniunctivi et optativi in enuutiatis
lyricorum Graecorum secundariis. Dissert. inaug. Basel 1889.
70 S.
Der Verf. untersucht den Gebrauch des Konjunktivs und Optativs
in Nebensätzen bei den Dichtern der Bergkschen Anthologie, den Bnko-
likern und Alexandrinern, bes. Kallimachos; aufserdem berücksichtigt er
G. Kaibels Epigramme, während er die Pseudophokylidea, die Anacreon-
tea und Pindar beiseite liefs, den letzteren, weil er schon von diesem
Gesichtspunkt aus untersucht wurde. Er macht drei Abschnitte: im 1.
behandelt er die Temporalsätze, im 2. die Finalsätze und im 3. die Re-
lativsätze, jeweils geschieden nacli Konjunktiv und Optativ. Die Dar-
113 Griechische Lyriker.
Stellung ist recht übersichtlich, dadurch noch um so willkommener, weil
der Verf. überall Homer zur Vergleichuug beizieht, sodai's man sofort
über das Verhältnis zwischen ihm und den Lyrikern unterrichtet ist. Auf
die strittigen Stellen hätte der Verf. etwas mehr eingehen dürfen. Solon
13, 76 hält der Verf. 6-ozs für richtig, Theognis 531: dxoijcu, Theokrit
V 98: -s;ä), Theognis 1143: C<ut[). Bion 12, 14 vermutet der Verf. s/tj?
st. sXtj;. Bakchyl. 49, 4 ist hy.\ir^sc/.t. zu schreiben, wenn man nicht Ver-
setzung des Dichters in die Seele des Laudmanns annehmen will, Phi-
loxen. 3, 6: xatiSot.
Fr. Birklein, Entwickelungsgeschichte des substanti-
vierten Infinitivs. Heft 7 (III. Bd. Heft 1) der Beiträge zur
historischen Syntax der griechischen Sprache, hrsg. von M. Schanz.
Würzburg, A. Stuber. 1888. 109 S. 8. '
Aus dem, was der Verf. in dieser gediegenen Abb. über die Ly-
riker sagt, sieht man, dafs der substantivierte Infinitiv mit Artikel bei
den älteren Lyi'ikern nur als Subjektsinfinitiv im Nominativ vorkommt;
erst bei den späteren Lyrikern nach der Zeit des Aschylus findet man
ihn auch in den obliquen Casus; der Akkus, und Infinit, mit dem Artikel
ist bei den Lyrikern nicht vorhanden.
E. Grosse, Über die Naturanschauung der alten griechi-
schen und römischen Dichter. Progr. des Eealgymn. in Aschers-
leben. 1890. 18 S. 4.
Der Verf. weist an Beispielen aus den Werken der alten griechi-
schen und römischen Dichter nach, dais man den Alten entschieden un-
recht thun würde, wollte man ihnen das tiefere Interesse an dem Leben
der Natur und die Empfänglichkeit für die Schönheit derselben ab-
sprechen. Wenn er aber weiter meint, dafs ihnen der Sinn für land-
schaftliche Schönheit, ferner jenes sentimentale und schwärmerische Ver-
senken in das Leben und Walten der Natur, überhaupt jener Hang zur
Innerlichkeit und Beschaulichkeit, der durch die ganze neuere Poesie
geht, völlig fremd war, so geht er entschieden zu weit, wie A. Biese
in der Wochenschr. f. klass. Philolog. 1891 No. 8 S. 207 flg. bemerkt.
R. E,, Hense, Über das Naturgefühl in alter und neuer
Poesie. Zeitschrift f. vergleich. Litteraturgeschichte. I. 1887/88.
S. 182—191.
Der Verf. führt eine Anzahl von Beispielen an auf Grund von
A. Biese, Die Entwickelung des Naturgefühls bei den Griechen und
Körnern. Kiel, Lipsius u. Fischer. 1882. 1884.
E. Straub, Der Natursinn der alten Griechen. Stutt-
gart 1889.
Stand mii' nicht zur Verfügung.
Griechische Lyriker. 119
I. Elegiker.
A. Fick, die sprachform der altionischen und altatti-
schen lyrik. Beiträg-e zur Kunde der indogermanischen Sprachen.
XIII. 1888. S. 173—221.
Der Verf. giebt hier die Fortsetzung der in Bd. XI S. 242—273
veröffentlichten Abhandlung. Zuerst teilt er eine Anzahl Konjekturen
zu den Elegikern und lambikern mit, die ich bei den betreffenden Dich-
tern besprechen werde; dann läfst er den nach seinen Grundsätzen her-
gestellten Text folgen, zunächst der alten lonier (Archilochos, Buenos
von Faros, Kallinos, Simonides von Amorgos, Mimnermos, Hipponax
und Tyrtäos), hierauf der jüngeren (Anakreon, Xenophanes, Phokylides,
Ananios und Simonides von Keos).
H. W. Smyth, the vowel System of the ionic dialect.
Transactions of the American philological Association. Vol. XX.
1889. S. 1-138.
Der Verf. behandelt das Vokalsystem des ionischen Dialekts vom
8. Jahrb. v. Chr. bis zum 2. Jahrb. n. Chr. Dabei zieht er die ioni-
schen Dichter, Philosophen, Historiker und Hippokrates in Betracht. Er
erklärt es für eine unbestreitbare Thatsache, dafs die alten Elegiker
homerische Äolismen, aber auch nur solche gebrauchten. Was in der
Elegie nicht homerisch ist, ist nach dem Verf. aus dem Boden gezogen,
aus dem die Elegie entsprang. Aber die aus der lebenden Sprache ge-
nommenen Formen der Elegiker sind gering im Verhältnis zu denen der
lambiker. Die lambographen wollten nur wenig von archaischen lonismen
und noch weniger von Äolismen wissen. Die Sprache des Archilochos
u. s. w. stimmt mit den Inschriften überein. Dem Theognis spricht der
Verf. xpecyawv und ei'p^w zu, dem Tyrtäos das a in Formen wie aiaypa?,
ab; -oXeojc ist nach ihm echt ionische Form. Auf anderes werde ich
bei Besprechung der einzelnen Dichter zurückkommen.
H. W. Smyth, ou digamma in post-homeric Ionic Ame-
rican Journal of Philology. XII. 1891. S. 211—220.
Das Digamma ist in der Elegie und bei den lambikern selten,
noch seltener bei den Melikern. Beibehalten ist es in der Elegie zwei-
mal, bei den lambographen viermal, im Melos bei Solon einmal; dagegen
fehlt es in der Elegie 53, in der iambischen Poesie 55 und in der Melik
des Anakreon 15 mal. Der Laut war im J. 700 v. Chr. in Kleinasien,
am Anfang des 6. Jahrb. in Attika verschwunden. Dasselbe Resultat
zeigen die Inschriften. Das Digamma war am Ende des 8. Jahrb. aus
der Sprache der ionischen Dodekapolis verschwunden.
120 Griechische Lyriker.
n. Weigel, Quaestiones de vetustiorum poetarum ele-
giacorum Graecorum sermone ad syntaxim, copiam, vim
verborum pertinentes. Dissert. inaug. in Dissertat. philolog. Vin-
dobonenses vol. IH. S. 109—238. Wien, F. Tempsky. 1891. 8.
Die Abhandlung berührt sich, mit der oben erwähnten von J. Schaub;
aber während der Verf. sich auf die älteren Elegiker beschränkt, dehnt
er die Untersuchung auf die ganze Syntax aus; ja, er berücksichtigt
auch noch die Lexikographie. Es wird hier gehandelt über die Prono-
mina, über Subjekt, Prädikat, Attribut und Apposition, über die Kasus,
die Präpositionen, das Verbum, den Infinitiv, das Participium und die
Partikel. Überall richtet der Verf. es so ein, dai's er von Homer aus-
geht und zeigt, was die Elegiker mit ihm gemeinsam haben und worin
sie von ihm abweichen. Der Abschnitt über die „copia verborum" zählt
die Wörter auf, die Homer entweder überhaupt noch nicht oder doch
noch nicht in dem Umfang hat, wie die Verbalia auf t6c und teo;, die
Substantiva auf ixa, et;, la (sia) und sovr^, ferner Komposita und endlich
Umschreibungen des Verbalbegriffs durch Substantiv und e'xeiv, elvat,
fteaOat, ^loteijöat u. s w. Der letzte Abschnitt „de vi verborum immu-
tata" enthält die Wörter, die die Elegiker in anderer Bedeutung ge-
brauchen als Homer. Auf Einzelheiten werde ich bei den einzelnen
Elegikern zurückkommen.
A. Poiaschek, Beiträge zur Erkenntnis der Partikeln av
und xsv. Progr. des Obergj-mn. in Czernowitz. 1890. 1891. 32 u.
26 S. 8.
Nachdem der Verf. im ersten Abschnitt über Entstehung und Be-
deutung der Partikeln av und xev gehandelt hat, giebt er im zweiten,
der die Überschrift „Metrisches" trägt, eine recht verdienstliche Über-
sicht über das Vorkommen dieser Partikeln bei Homer, Hesiod und den
Elegikern, nach Versfüfsen und innerhalb dieser nach Arsen und Thesen
geordnet. Auch die Verbindungen, in denen sich av oder xsv in den
einzelneu Versstellen findet, stellt der Verf. mit grofsem Fleifs zusammen.
Theognis 963 möchte er T:ptv st. rplv av lesen; aber der Umstand, dal's
dies die älteste Stelle ist, wo sich 7:plv av findet, kann diese Verbindung
nicht verdächtigen; vgl. übrigens Solon 36,21, wo sich dieselbe Ver-
bindung im lambus zeigt. Trpiv als Länge kommt bei den Elegikern
nicht vor; ebensowenig -pi'v mit dem Konjunktiv.
C. H. Müller, De similitudinibus imaginibusque apud
veteres poetas elegiacos. Dissert. inaug. Göttingen. 1887.
69 S. 8.
Der Verf. will den Zusammenhang, der zwischen den lateinischen
und griechischen Dichtern hinsichtlich der Gleichnisse und Bilder be-
Griechische Lyriker. 121
steht, nachweisen. Zu diesem Zweck behandelt er einerseits Tibull,
Properz, Ovid, Catull, Virgil und Horaz, andererseits Homer, Calli-
maclius, die Bukoliker und Lyriker; Pindar und die Tragiker berück-
sichtigt er nur gelegentlich. Ehe er auf sein Thema eingeht, berichtigt
er Aristoteles, indem er zeigt, dafs man das Gleichnis nicht der Me-
tapher, sondern umgekehrt die Metapher dem Gleichnis unterordnen
müsse. Die Frage, warum die Dichter Gleichnisse anwenden, beantwortet
er in der gewöhnlichen Weise, indem er nämlich sagt, sie wollten da-
durch das Fernerliegende deutlicher erklären. Wenn er zur Erklärung
dieser Erscheinung dann noch weiter darauf hinweist, dafs logisch un-
geschulte Leute ihr Thema nicht unverrückt festhalten können, sondern
wenn ihnen bei der Behandlung einer Sache etwas Ahnliches einfalle,
auch dieses ihrer Rede einzufügen pflegen, so fürchte ich, er wird da-
mit, was römische und griechische Dichter anlangt, nicht viele Anhänger
finden. Sein Thema selbst behandelt der Verf. in der Weise, dafs er
zuerst über die Gleichnisse und Bilder spricht, die von den Göttern her-
genommen sind, dann über die, welche von Teilen der Welt, wie Luft,
Erde und Wasser, entlehnt sind, und endlich über die, die sich mit dem
Menschen beschäftigen, und zwar zunächst in seinem Verhältnis zum
Menschen, sodann in seinem Verhältnis zur Tierwelt und endlich in seinem
Verhältnis zur unbelebten Natur. Die lateinischen Dichter scheinen ihm
die Hauptsache gewesen zu sein; in betreff der griechischen Elegiker
ist das Material nicht vollständig gesammelt, und auch die Erklärung
und Anordnung nicht immer richtig, ganz abgesehen davon, dafs die
Form der Gleichnisse ganz unberücksichtigt blieb. Das Thema harrt also
immer noch seiner Lösung.
Schliefslich erwähne ich noch
Poetes moralistes de la Grece. (Hesiode, Theognis, Callinus,
Tyrtee, Mimnerme, Solon, Simonide d'Amorgos, Phocylide, Pythagore,
Aristote). Notices et traductions par Guigniaut, Patin, Girard et
L. Humbert. Paris, Gernier. VIII, 320 S. 12.
Kallinos.
1, 15 vermutet 0. Immisch, Zu griech. Dichtern. Philolog. 49
(1890) S. 193—212 «-/psTai st. Ip/exai; ä-ipziai erklärt er mit ,,er wird
erfafst." Ich kenne die Form nicht; aber selbst angenommen, dafs sie
sich richtig verhält, so pafst sie nicht in den Zusammenhang; denn es
folgt: £v 8" oiV.ip [xorpa xiysv Oavarou.
Tjrtäos.
0. Immisch 1. 1. schreibt bei Suidas s. v. Tuprato?: Aaxmv, a>s
Hduyto? MiXr|aio;, EXe-fsioirotoc xxX. st. Aaxcuv r^ MtXrjCJioc xtX. ; jedoch giebt
er selbst zu, dafs Suidas seine Gewährsmänner sonst nicht nennt, meint
122 Griechische Lyriker.
aber, dafs das Ungewöhnliche des Citats die Korruptel veranlafst haben
mag. Ich halte die Überlieferung, die sich recht gut erklären läfst,
für richtig.
Fr. Blass, zu TjTtaios. N. Jahrb. f. Phil. u. Pädag. 137. Bd.
(1888) S. 655—656, macht darauf aufmerksam, dafs Th. Bergk mit
Unrecht das Orakel in Fragm. 3 dem Tj'rtäos zuweise. Er selbst ver-
bindet Vv. 2 u. 3 dieses Fragments mit Fragm. 5: r^ixt-ipio liasiXf/. xtX.,
indem er diese Verse für eiue Amplifikation des Orakels aus der Person
dessen, dem es gegeben wurde, erklärt, die Diodor ausliefs, der aufserdem
fälschlich das Orakel dem Lykurg gegeben sein läfst. Das Ende der
Amplifikation ist nach dem Verf. nicht erhalten; es mufste folgen: die
andern blieben als unsere Unterthanen zurück. Vgl. jedoch darüber
den vorigen Jahresb. Bd. LIV S. 130 flg. Auch Fragm. 6 u. 7 können
nach Blass in dieser Amplifikation gestanden haben. Am Ende kam der
Dichter, wie der Verf. meint, auf Theopompos zurück und führte nun
das Orakel mit den einleitenden Worten an, wie es in Fragm. 4 er-
halten ist: Oot'ßou dtxoujavxe« xxX. Mir scheint die Annahme einer solchen
Amplifikation unzulässig, um so mehr, da dann der Plural (Jxoujavxs; x-X.,
der sich auf Polydoros und Theopompos bezieht, folgt.
G. Gr. A. Murray, adnotationes ad poetas elegiacos Graecos.
Philol. 48 (1889) S. 363—365, will V. 5, 3 von 5, 1—2 trennen, wie er
auch überliefert ist, und nach der Überlieferung a-i^bo-j lesen: denn
dieser Vers drücke vortrefflich die Meinung der Aufständischen aus, vgl.
Paus. IV 18, 1. Aber nach dem Scholiasten kam dieser Vers in den
Ermahnungen des Tyrtäos an die Spartaner, den Krieg gegen die
Messenier wieder aufzunehmen, vor. Freilich möchte ich damit die von
Buttmann vorgenommene Änderung von dyadov in dYa9r,v und Verbindung
mit Vv. 1—2 nicht empfehlen; auch Vv. 4 flg. sind zu trennen, wie
ili.ayovx' im Vergleich mit eTXo|j,£v (V. 2) zeigt.
C. Häberlin schlägt Philol. 47 (1889) S. 598 zu Tyrt. 11, 37:
dur/] st. h a'jTouj vor. Diesen Vorschlag habe ich schon N. Jahrb. f.
Phil. u. Päd. 129. Bd. (1884) S. 48 gemacht.
Mimnermos.
Mimnermus. I frammenti, versione e note di A. Franco.
Verona, Civelli. 1888. 23 S. 8.
Bietet nichts Xeues.
Fr. Blass, N. Jahrb. f. Phil. u. Päd. 137. Bd. (1888) S. 742
will Fragm. G an Theognis 10G9 — 70 anreihen; diesen Versen stehe
Solon 20 und 21, die ebenfalls zu vereinigen seien, gegenüber. Aber
der Verbindung von Mimn. 6 mit Theognis 10G9— 70 widerspricht Form
und Inhalt in gleicher Weise.
Griechische Lyriker. 123
Gr. G. A. Murray au der oben angeführten Stelle tritt Fragm.
12, 8 für suSovQ-' apTraXecü? und ebenda V. 11 für exe'pcuv ^ylwv = sTspou
öpo|xo'j ein. Die letztere Erklärung erscheint mir unstatthaft.
Solon.
4, 22 schreibt E. Hiller in der Neuausgabe der Anthologie: ev
auvoooi? 9' o'u? aotxoüai cpiXouc; ooc i. e. suos. Dem widerspricht der Zu-
sammenhang; das Subjekt zu d(5ixoÜ3i kann nur ol oujfxeves? sein; mit
o'j? tpiXouc können also ebenfalls nur Su^jxsvEec gemeint sein. "Wenn aber
die oua[i£V£sc sich gegenseitig selbst beleidigen und bekämpfen, so kann
dies für den Staat nur vorteilhaft sein. In ev ouvoSot? xrX. mufs nach
dem Zusammenhang eine nähere Angabe zu h. -jap ou3[jl£V£(uv Ta/sw?
-oÄUTjpa-ov acjTu Tpu/sxai enthalten sein.
9, 5 erklärt Gl-. G. A. Murray 1. 1. die Worte Izm^ 5' e^apavT
x-X.; aber die Erklärung ist nicht neu.
13, 34 vermutet derselbe evosusiv auio? x-X. ,,indigere sibi videtur,"
der Form nach zweifelhaft, dem Inhalt nach unmöglich, vgl. V. 35 — 36:
aypt 6s TOOTOU yaffxovTsc xo6(paic iXiziai TspTr6[J.£9a.
Fragm. 21 möchte Fr. Blass, N. Jahrb. f. Phil. u. Päd. 137. Bd.
(1888) S. 742 mit 20 vereinigen, vgl. oben Mimnerm. Fragm. 6. Ich
glaube aber nicht, dafs sich die Worte \Lqoi [xoi axXausro? öavato?
jxoXoi unmittelbar an (jYOüJxovTasxT) [xoTpa xr/oi davaxou angeschlossen
haben können; die Ausdrucksweise spricht dagegen.
Fr. 34 und 35 sind durch die Auffindung von 'Apicr-coTe'Xou? (?)
AÖTjvaiwv TToXiTsia, die F. Gf. Kenyon zuerst veröffentlichte, zu dem statt-
lichen Fragment von 9 Tetrametern ergänzt und vervollständigt worden.
V. 1 vermutet E. Poste Classical Eeview 1891 S. 225; ecp' «p-aYaiuiv
aXXtüs st. ^X9ov, worin ihm wohl niemand beistimmen wird. — V. 2.
H. Richards 1. 1.: auxo? st. auiäiv; unnötig. — V. 7. J. B. Bury und
Herwerden 1. 1. S. ]77: aXXa o ou fjLaTr,v ££p6ov; ebenso K. Niemeyer,
N. Jahrb. f. Phil. u. Päd. 1891 S. 405-415, zu Aristoteles 'Aar.vaitov
7roXtT£ia und G. Kaibel und U. von Wilamowitz-Möllendorff in
ihrer Ausgabe. Nicht richtig J. B. Mayor, Class. Review. 1891 S. 177:
xaXXa o' ou iacittjv und E. Poste 1. 1. S. 225: ä'XXa o' av [lanrjv l'spoov. —
V. 8. H. Richards 1. 1, S. 177: -^voavsv st. av6av£i, wohl mit Recht;
jedenfalls besser als Fr. Blass: avoavsv, vgl. 37, 2. — J. B. Bury:
ßia Ti xiv£rv st. p£'^£iv, wie F. Gr. Kenyon ergänzte.
Fragm. 36 ist durch denselben Fund am Anfang um zwei Yerse
erweitert worden; auch die richtige Verbindung mit Fragm. 37 ist jetzt
gefunden; 37, 1 schliefst sich nämlich unmittelbar an 36, 20: o-jx av
xaxecjys ö-^jxov an, während 36, 20 flg. als ein besonderes Fragment auf-
geführt wird. Im 2. Vers giebt F. G. Kenyon: xuyöiv, erklärt aber,
124 Griecliisclie Lyriker.
dals es auch tu/eTv heifsen könne, wie R. Y. Tj-rrell vermutete, Class.
Review 1891 S. 177 flg. Die 2 ersten Verse riefen eine Menge Emen-
dationen hervor. 0. Crusius Philol, 50 (1891) S. 177 liest d^ovrjXarouv
St. a;ovr,).a-:ov und glaubt, dafs das Bild vom Wettrennen hergenommen
sei. Fr. Blass: d;ovr,XaTouv I öfj|xov Ti TouToiv 7:plv TuysTv 7.1X. als Frage.
R. y. Tyrrell 1.1.: d^ovrjXaxuiv = vo|j,o9e-cüiv, das er mit i7:aüjdixT)v ver-
bindet. Oder ouv£y.a ^EvrjXaxov ,,wie ein Fremder behandelt und ver-
bannt." Ebenso A. Platt 1. 1. S. 107: b(w oe tüiv }j,ev (?) sTvexa ^sv/j-
Xaxov I o^}j.ov, dann aber ganz frei: Trapousöüv 7:y][xovÜ)v £ppi)c;d|X7jv st. xi
TO'j-wv TTpiv Tuyeiv i-ausdiJLrjv. E. S. Thompson 1. 1. S. 225: oüvsx' oü
^evr^Xarov, indem er ou mit' iTrausdfjnQv verbunden v^^issen will. G. E.
Marindin 1. 1. S. 177 flg.: ^suYTjXa-ov oder ^u-fr^XaTov st. d;ovrjXa-ov.
Herwerden liest V. 1 mit dem Mscr., V. 2:'ofjtxov tiwv tcjv -plv
Tu-/üiv zT.iwsd viv (vuv?) oder iXujajxrjv (eppu3d|XT)v?). A. Sidgwick 1. 1.
S. 107: Tou [xsv ouvsx' (5;ovrjXa-ov | o?;[j.ov, xoio'jtcov Tzpiv tu/ovt, ircaüsa
vuv; vuv im Gegens. zu Ttpi'v. W. Wyse 1. 1. schlägt IXuja[j.r|V st. e:iau-
odtfjLTjv vor. J. van Leeuwen 1. 1. S. 225: ouvsx' eEavrja-^ov | o^jxov,
Toto'jTcuv Tiplv T'j/wv l-a'juajXTjv. Ebenso K. Niemeyer, N. Jahrb. f.
Phil. u. Päd. 1891 S. 405 flg.: eEav7^7a70v st. d^ovir-Xa-ov. A. Picco-
lomini, Rivista di Filologia 20. (1892) S. 460: l/to öe -uiv [jlev sTvsy'
S ^uvr^-ca-pv I o^[jLov xi xo'jxojv Tpiv xuyeTv ^Xu J7'|j.rjv : ,,ego autem liorum
(sc. pauperum) profecto causa, quae (divites) adcumnlaverant ne populus
tantillum eorum particeps fieret, vinculis liberavi." Endlich vermutet
A. Platt, aufser der oben mitgeteilten Konjektur, noch Class. Review
1891 S. 177 flg.: sTvsxa ;'jvrj-,'a7ov | or^ji-ov, und SO will man bei genauerer
Prüfung auch im Mscr. gefunden haben; nur dafs dieses ouvexa st. sTvexa
hat. Trotz der grofsen Zahl von Vorschlägen halte ich die Stelle bis
jetzt nicht für emendiert; auch [xsv nach xöjv scheint mir zweifelhaft. —
V. 3. 4. E. Poste, Class. Review 1891 S. 225: ev öi'xtj Kpovou ] ixTQxrip
|x. oatp-ovojv x' 'OXuix-i'wv. — V. 5. H. Richards: xoxs st. -oxe. — V. 6.
J. B. Mayor 1. 1. S. 107 flg.: -6XX' z•r^ st. -oXXay?), mit Unrecht; der-
selbe V. 7: zpojflsv 7£ St. &£, wohl mit Recht. — V. 11. Fr. Blass:
ypsioü;, das G. Kaibel und ü. v. Wilamowitz-Möllendorff aufgenommen
liaben; aulserdem bietet das Mscr. 'fu-j'ovxa; st. XsYovxac, wie ich s. Z.
vermutete. — V. 13 — 14. Mscr.: oouXiyjv dsixla | lyovxac, rfir^ osj-oxüiv
xxX. — V. 15. Mscr.: 6ir^xOov,.wie die von Th. Bergk verworfene Vul-
gata. — V. 18. Mscr. : op.oico.-. — V. 22 flg. (Fragm. 37, 1 flg. Bergk).
Mscr.: auxoT; verschrieben st. 5 xoT;, ferner <zu9t; oe auxotsiv o-j-öpat-
cppasaiaxo, also ebenso korrupt, wie unsere Überlieferung. H. Diels
erklärt ooTspai == 01 exepot ; natürlich ist damit die Stelle nicht hergestellt.
Unverständlich ist mir A. Platt Class. Review 1891 S. 107 flg.: ao{)i?
0 2 xoiT'.v o'j'-spot 'fpaiataxo; ähnlich R. Y. Tyrrell 1. 1. S. 177 flg.:
Griechische Lyriker. 125
auOis 6' 7. Toiao' av a'-cepoi cppajai'axo. A. Sidgwick 1. 1. S. 107 flg. ver-
mutet: ^voavev irosiv, | auöic S' S '/cüpk a'-cspoi 9p., indem er y/upij durch
opaaai or/a erklärt sein läfst. R. Ellis 1. 1. S. 177 %.: auöi? 0' S
ToTut öatepa Spaaai 6r/a „denen auf der anderen Seite." Mir scheint
exspo? und Ol exepot nicht von den Freunden, sondern nur Gegnern ge-
braucht werden zu können; daher schlug ich schon früher vor xoiat
[xouxcxpoi; öpav, val Ata xxX. — V. 26. Mscr. a.Xy.r^'J 1:. -oioutxsvo;, was
7:oteu[xevoc heifsen soll; A. Platt Class. Review S. 177 flg. vergleicht
dazu Soph. 0. C. 459.
Fr. 36, 21 (Bergk), der, wie schon oben bemerkt, bei Aristoteles
Teil eines besonderen Fragments ist, hat das Mscr. : Tiplv avxapa^a? Tcüap
e^siXsv '(dloL, ohne Zweifel richtig, vgl. R. Kühner, gr. Gr. II S. 218;
daher versteht man nicht, warum G. Kaibel und ü. von Wilamowitz-
Möllendorff die Überlieferung bei Plutarch : uplv av . . . e^eXy] 7. vorziehen.
G. G. A. Murray Philol. 48. (1889) S. 363 flg. erklärt: „dixit Solon
hominem improbum, cum spumam disturbaverit, lac sibi ex inferiore
mulctro exhaurii'e." Aber das Sprichwort lautet: den Rahm für sich
abschöpfen.
38, 5. E. Hiller in der Neuausgabe der Anthologia lyr.: i:avxa f
st. iravxa 0'; gut. Dagegen bleibt sxspoc <auxe>, was derselbe ebenda
Fragm. 40 st. ?xepoc oi schreibt, zweifelhaft.
Auch eine Anzahl neuer Fragmente des Solon enthält die
'Aörjvaicuv uoXtxsia des Aristoteles. Das 5. Kapitel bringt deren drei.
Das erste besteht aus einem Distichon, in dessen zweitem Vers H.
Richards Class. Review 1891 S. 334 'laoviav od. 'laviTjv st. 'laovia?
lesen möchte. Das zweite umfafst zwei Distichen. Im 2. Vers las
F. G. Kenyon: h xopov aa'jaxs; die richtige Lesung ist rjXajaxs, wie
Dr. Postgate Class. Review 1891 S. 107 vermutete unter Hinweis aaf
Tyrt. 11, 10. — V. 3 vermuten G. Kaibel und U. v. Wilamowitz-
Möllendorff h [i-expoiai st. h [xsTpioui, wohl mit Recht. Ebenda will
A. Platt Class. Review 1. 1. xi&ecj&s st. xpeipsj&e ergänzen. — V. 4
wünscht R. Y. Tyrrell 1. 1. S. 177 ap&fxia st. apxta, ohne Grund. Das
dritte Fragment ist ein Pentameter, den H. Jackson und .1. B. Mayor
Class. Review 1891 S. 107 lesen: xr^v xs !ptXap7upiav xy^v (F 6-£fYj(paviav,
H. Weil Journal des savants 1891 S. 208 richtiger: 9tXap7upr^v und urspr;-
'favtriv. Ein viertes Fragm. endlich, aus 5 Trimetern bestehend, findet
sich in Kap. 12. V. 1 vermutet A. Platt Class. Review 1891 S. 107 flg.
\i.' afx^aoTjV st. 6ia'f7'or,v, wohl richtig.
Endlich sind noch die bei Aristoteles vorkommenden Varianten
in bisher schon bekannten Fragmenten zu erwähnen. Kap. 12 Fragm. 5,
1 : 7£pa? st. xpaxo;. — a-apxEi, wie Coraes vermutete, st. e-apxsT. —
2 : d-op£Ea|J.s'''0' verschrieben st. sirops^aixsvo?. — 3 : osoi verschiieben st.
126 Griechische Lyriker.
Ol, — Ebenda Fragm. G, 2: ßia^op-evoc st. itte^ofxevoc Damit verbindet
Aristoteles Fragm. 8 und fügt den Pentameter bei: dvöf/oiTioiaiv, ojoi?
{if, v6o? ap-to; T^, vgl. Theognis 153. 154.
Cleobolina.
Fr. 3 schlägt G. G. A. Murray Philol. 48. (1889) S. 363 flg. vor:
igviSaxo' xat ixt,v vej^pov ovo? ■(£ xspacfopov ouaxt xpoojai, indem er als
sicher annimmt, dafs die Oliren des Esels dem Geweih des Hirsches
gegenübergestellt werden; als Sinn giebt er an: „asinos iam cervis,
cornigeris auritos, anteferri.'' Nach Form und Inhalt besser R. EUis
Phüol. 49. (1890) S. 212: T-vi^ato- veßpov ovo;, yM^\>.r^ os xspajßoXov (od.
xspaa^opov) oyac sxaxi | xpouj'.o;, sc. vtxöi, was auch der Überlieferung
näher kommt: „hinnuleum asinus, crus autem (asini) cornua ex aiu'e
cervi procvescentia, si musicam sx^ectas, devincit."' Doch nehme ich an
der Ergänzung von „asiui" und an den „cornua ex aure cervi procres-
centia" Anstofs. Vielleicht: vsßpov ovou xvr^jj-T] xspair/fopov toaev exati |
xpousio;? cuösTv ,,stofsen, beiseite stol'sen."
[Aesopos.]
H. Stadtmüller N. Jahrb. f. Phil. u. Pädag. 1888 S. 353-361,
zor Anthologia Pal. schlägt V. 1 vor: av suöavatoc se 90701 od. XiTrot
8t. avcu Oavaxou; aber Um einen schönen oder leichten Tod handelt es
sich hier nicht; der Dichter wünscht vielmehr, dem Leben aus dem
Weg gehen zu können, ohne sterben zu müssen; vgl. auch den vorigen
Jahresb. Bd. LIV. 1888 S. 136 flg.
Phokylides.
1, 2 schlägt A. Fick, die sprachform der altionischen und alt-
attischen lyrik, Beiträge zur Kunde der indogerm. Sprachen XIII.
1888 S. 173 flg. vor: xal os DpoxXfj; Aspioj, um die gewifs nicht an-
ßtöisige Form flpoxXsr]? zu entfernen.
Fr. 3 führt O. Immisch PhUol. 49. (1890), zu griechischen
Dichtern S. 193 — 212, auf Hesiod zurück, ebenso wie das entsprechende
Gediclit des Semonides (fr. 7); dies zeige schon die Form Tstopwv V. 1.
Die Stelle, die Phokjiides benützt habe, sei vielleicht in den '{a\i.\.yÄ
TrapaYYEÄjjiaTa nach Erga 690 gestanden, vielleicht aber auch an irgend
einem anderen Orte. Soweit kann man dem Verf. beistimmen; dagegen
versteht man nicht, wie der Verf. dazu kommt, daraus den Schlufs zu
ziehen, dafs Phokylides und Semonides einen anderen Hesiodtext ge-
lesen haben als wir.
Psendophocylldea.
V. 127 schreibt E. Ilillcr in der neuen Ausgabe der Anthol. lyr. :
Ta-jpoi; 0 aox' i'f'jTcuas xepaata, wovor Th. Bergk warnte.
Griechische Lyriker. 127
V. 202 liest man bei demselben 1. 1.: -avapisTou?; ich ziehe axu-
Xaxüiv -|'£voc EsöXov vor.
V. 208 ändert derselbe 1. 1. die Überlieferung y.tuXuEtu) od. xpivexw
in xoAaCeTüj, woraus sich die Überlieferung nicht erklären läfst. Etwa:
7]v Ö£ Tt raTj 0 äXitt), tots xpivexo) utea [XT^T/jp oder TjV os xt Trats dXiTrj 3',
1x75 xpivETcu xxX.? xpivstv „Gfericht halten."
Xenophanes.
0. Immisch 1. 1. nimmt die Überlieferung, dafs Xenophanes eine
Gründung Kolophons und Eleas dichtete, mit Recht gegen E. Hiller in
Schutz, der diese Titel auf den Fälscher Lobon zurückführen wollte.
E. Lohan in der Inauguraldissert. de librorum titulis apud classicos
scriptores Graecos nobis occurrentibus, Marburg 1890 S. 30 stimmt
E. Hiller bei, ohne einen Grund für seine Behauptung anzuführen.
E. Hiller hat in die neue Auflage der Anthologia IjTica auch
die tT.t] des Xenophanes aufgenommen, die Fragmente der a'OXoi tj Tia-
ptjjoi'ai und der Schrift Trspl cp'j3S(u;. Fragm. 17, 2 schreibt er gut a>c
st. 7). Wenn er aber ferner auch die bei Clemens Alex, stromat. V
14, 109 p. 256, 47 Sylb., p. 714 Pott, erhaltenen Verse als Fragm. 30
unter der Überschrift "lafxj^oi ohne weiteres anführt, so kann ich das
nicht billigen; die Verse haben kaum etwas mit Xenophanes zu thun,
vgl. C. Wachsmuth, corpusculum poesis epicae Graecae ludibundae,-
S. 62 flg. Die Stelle Diog. Laert. IX 18, wo von lamben des Xeno-
phanes gesprochen wird, ist längst richtig erklärt.
H. Diels Archiv f. Geschichte der Philosophie IV. (1891)
S. 652 — 3, neue Fragmente des Xenophanes und Hippon, teilt ein neues
Fragment des Xenophanes itzoi cp'jjwj mit, das sich in den von J. X^icole
veröffentlichten Genfer Ilias -Schollen findet. Über diese neuen Funde
vgl. Sitzungsberichte der Berliner Akademie der Wissenschaften vom
18. Juni 1891.
Theognis.
Ch. Cucuel, Theognis de Megäre et ses elegies. Annales de la
Faculte des Lettres de Bordeaux. 1889 S. 201—233; vgl. Revue de
Philologie XIV (1890).
Der Aufsatz bringt zwar nichts Neues, giebt aber eine schöne
Übersicht über die an die Person und die Dichtungen des Theognis sich
knüpfenden Fragen, die mit besonnener Kritik behandelt werden.
J. Beloch, Theognis' Vaterstadt. N. Jahrb. f. Phil. u. Päd.
137. Bd. (1888) S. 729—733.
Der Verf. tritt für die Annahme, dafs Theognis aus dem sizilischen
Megara stamme, mit Gründen ein, die kaum imstande sein werden, diese
128 Griechische Lyriker.
jetzt so ziemlich allgemein aufg-egebene Ansicht wieder aufleben zu
lassen. Zunächst beseitigt er verschiedene in den Gedichten des Theognis
enthaltene Beweise, die gegen ihn sprechen. Vv. 783 flg. kämen bei
ihrer zweifelhaften Echtheit — worauf gründet sich diese Behauptung? —
nicht in Betracht; die Vv. 773 flg. seien zwar echt, beweisen aber nur,
dafs Theognis im Sommer 480 im nisäischen Megara war, wohin er sich
nach der Zerstörung des sizilischen durch Gelon im J. 485 — 482
flüchtete. Aber steht denn das J. 480 als Abfassungszeit dieser Verse
aufser Zweifel? Wenn er endlich das nisäische Megara y;|i,eT£pr)v toXiv
nenne, so erkläre sich dies aus der engen Beziehung zwischen Tochter-
und Mutterstadt; die Megarer hätten dem verdienten Dichter jedenfalls
das Bürgerrecht gegeben. Um auch zu zeigen, dals der Inhalt der
theognideischen Verse nicht auf das nisäische, sondern nur auf das sizi-
lische Megara passe, geht der Verf. auf die Lebenszeit des Theognis näher
ein. Indem er sich wieder auf die Vv. 773 flg. stützt, nimmt er au. dafs
der Dichter den Zug des Xei'xes gegen Hellas noch erlebte, also nicht
vor 550 geboren sei; die Elegieen an Kyrnos müTsten also nach 515
entstanden sein; in dieser Zeit hätten aber im nisäischen Megara keine
Zustände geherrscht, wie sie der Dichter schildere, sondern nur im sizi-
lischen. Aber woher wissen wir denn etwas von den Zuständen im sizi-
lischen Megara um diese Zeit? Auch die Erwähnung der Reiterei in
Vv. 549—554 weise auf Sizilien hin. Von diesen — doch recht un-
sicheren — Voraussetzungen ausgehend, vermutet der Verf., dafs Theognis
etwa um das J. 530, vielleicht auch etwas früher, geboren sei: um 490
habe er bei einer Revolution einen Teil seiner Güter verloren; dann
habe er eine Zeit lang nach der neuen Ordnung in Megara gelebt, sei
aber nach der Zerstörung der Stadt nach Griechenland ausgewandert,
wo wir ihn im J. 480 im nisäischen Megara treffen.
Fr. Cauer, Parteien und Politiker in Megara und Athen.
Stuttgart, Kohlhammer. 1890. 97 S. 8.
Im Anschlufs an Theognis schildert der Verf. im ersten Teil den
Zustand der politischen Parteien in Megara in der 2. Hälfte des 6. Jahrb.
V. Chr. Die Verarmung der Megarer, die die soziale und politische Krisis
herbeiführte, leitet er von der gefährlichen Handelskonkurrenz von Milet
und Samos her; in demselben Sinne wirkte aber auch das Kapital, das
infolge der Einführung des Geldes die Verarmung noch besclüeuuigte.
Guilelmi Studeraund commentatio de Theognideorum
memoria libris manu scriptis servata. Index lection. Breslau
1889/90. 40 S. 4.
Im 1 . Teil weist der Verf. nach, dals der cod. A, bevor er nach
Paris kam, „in celeberrima bibliotheca ecclesiae episcopalis Veronensis"
Griechische Lyriker. 129
gewesen sei. Denselben Nachweis liefert auch, unabhängig- von ihm,
C. 0. Zuretti, ßivista di Filologia. 1891 S. 161 — 174. Aufserdem
teilt W. Studeraund die Varianten zu Theognis £X£7£iwv ß mit, die sich
aus einer Vergleichung des Apographum Masottianum mit Th. Bergk^
ergeben. Der 2. Teil enthält den vollständigen Abdruck einer von
W. Studemund im April 1879 angefertigten Abschrift des cod. 0, die
um so wertvoller ist, weil der Kodex selbst seit 1889 spurlos ver-
schwunden ist. Im 3. Teil endlich sucht der Verf. die Entstehung der
in Theognis eXs-j-eiojv a vorliegenden Sammlung zu erklären. Anknüpfend
an H. Schneidewin, de syllogis Theoguideis, Diss. ioaug. Strassburg 1878,
ist er der Ansicht, dafs die Sammlung a aus zwei elegischen Florilegien
bestehe, die ganz gesondert verbreitet, aber zufällig von dem Schreiber
des Archetypus unserer Hds. zusammengefügt worden seien, das eine
länger und am Ende verstümmelt, das andere kürzer und am Anfang
und vielleicht auch am Ende verstümmelt. Gewifs schon eine stattliche
Zahl nicht beweisbarer Annahmen und Zufälligkeiten! Die 1. Samm-
lung läfst der Verf. mit V. 932 schliefsen, die 2. mit V. 933 beginnen,
und er meint, dafür könnte man auch den Umstand anführen, dafs von
V. 933 an fast alle Verse dem Theognis fremd seien. Wird aber durch
diese Annahme, als ob die eine Sammlung fast nur theognideische, die
andere fast keine theognideischen Verse enthalten habe, die Sache nicht
noch unwahrscheinlicher? Um nun die Thatsache zu erklären, dafs auch
innerhalb derjenigen Sammlungen, die eben angenommen wurden, "Wieder-
holungen von Versen sich finden, verteilt der Verf. die uns erhaltenen
Verse von Theognis eXs^st'wv a auf Quinionen; der ersten Sammlung
W'Cist er drei, der zweiten eine zu. Bei der Verteilung nun trifft es
sich, dafs die drei in der 1. Sammlung wiederholten Disticha jeweils
auf die Grenze zwischen zwei Seiten fallen, und so liegt die Erklärung
nahe, dafs sie „von einem gelehrten Leser" auf dem Rande nieder-
geschrieben und später in den Text aufgenommen worden seien. In
der 2. Sammlung macht sich dies allerdings, wie der Verf. selbst zu-
giebt, nicht so leicht. Bedenkt man nun weiter, dafs die ganze Ver-
teilung auf Quinionen im Grunde doch nicht mehr als ein geistreiches
Spiel ist, so wird man lieber bei der früheren Ansicht stehen bleiben,
dafs die Wiederholungen aus Randbemerkungen in den Text kamen,
wofür gerade der Gebrauch des Theognis in der Schule ganz besonders
spricht. Zum Schlufs erwähne ich noch, dafs der Verf. S. 37 Anm. 1
bemerkt, dafs man aus Stobäos über den Ursprung von Theognis
iXs^eituv a nichts schliefsen könne, und bei dieser Gelegenheit eine von
C. GaUand gefertigte Vergleichung der bei Stobäos erhaltenen Theognis-
Verse mitteilt.
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXV. Bd. (1893. I.) 9
130 Griechische Lyriker.
Fr. Cauer, Studien zu Theoguis. A. Zur Textkritik.
• Philol. 48. (1889) S. 542—552.
Der Verf. behandelt die Citate aus Theognis bei anderen Schrift-
stellern, also dasselbe Thema, das 0. Crueger in der Königsberger
Dissertation, de locorum Theognideorum apud veteres scriptores exstan-
tium ad textum poetae emendandum pretio 1882 behandelt hat. Ab-
weichend von 0. Crueger hält er auch Vv. 627 — 28 die Lesart des
Stobäos e/Opov (st. aiaypov) für richtig, indem er es mit „lästig" erklärt,
was kaum angeht. Auch V. 1180 kann ich dem Verf. nicht beistimmen,
wenn er }xr,-£ ra&siv, was Orion hat. billigt, und ebensowenig, wenn er
V. 478 vermutet: ouxs xi Y^p vTQcpwv oute Xi'vjv }i,er)ua)v, mit Ergänzung von
£i|jLi. Das Resultat seiner Untersuchung fafst er dahin zusammen, dals
er sagt, der Text unseres Dichters sei bei den ältesten ebenso wie bei
den späteren Schriftstellern, die ihn eitleren, durch bewulste und unbe-
wufste Änderungen mehr entstellt, als in unseren besten Hds. Dieses
Resultat stimmt im wesentlichen mit dem 0. Cruegers überein; jedoch
darf man daraus nicht das Resultat ziehen, dafs deshalb die Citate völlig
ignoriert werden könnten.
Fr. Cauer, Studien zu Theognis. 2. Pseudotheognidea.
PhiloL 49. (1890.) S. 662—668.
In dieser Fortsetzung seiner Studien behandelt der Verf. die Verse
des Tyrtäos, Mimnermos und Solen, die im Theognistext wiederkehren.
Es zeigt sich , dals die Hds. des Theognis bisweilen bessere Lesarten
geben als die Schriftsteller, aus denen wir sonst jene Fragmente kennen:
jedoch lassen sich auch zahlreiche Entstellungen dieser Fragmente in
den Theognis-Hds. nachweisen, die daher rühren, dals man sie aus ihrem
ursprünglichen Zusammenhang rifs oder ihren Inhalt oder ihre Form
nicht verstand.
Fr. Cauer, Studien zu Theognis. 3. Dittographien. Phi-
lol. 50. (1891.) S. 529—544.
Im 3. Teil seiner Studien bespricht der Verf. die bei Tlieognis
vorkommenden Wiederholungen mit Rücksicht auf ihre textki'itische
Bedeutung, berührt sich also mit H. Jordan, quaestiones Theognideae.
Index lect. , Königsberg 1885. Die Entstehung dieser Wiederholungen
erklärt er mit H. Schueidewin, dessen Ansicht W. Studemund, wie wir
eben sahen, weiter ausgeführt hat. Die innerhalb derselben Abschnitte
sich wiederholenden Verse hält er mit Th. ßergk für sprichwörtliche
Redensarten, deren Wiederholung nicht auffallen könne; doch sieht er
sich bei Vv. 1095 — 6= 1161 — 2 selbst gezwungen, diese Erklärung
zu Gunsten der Annahme, mau habe durch die Wiederholung dieser
Griechische Lyriker. 131
Verse eine Lücke ausfüllen wollen, aufzugeben. Auch bei den übrigen
Versen wird man mit dem sprichwörtlichen Charakter nicht auskommen.
Das Distichon 1111—1112 möchte er aus seiner Stelle oder noch lieber
aus dem ganzen Theognis entfernen. Sonderbar ist die Erklärung, die
er Vv. 597 — 8 = 1243 — 4 von otiv o-q giebt; er möchte nämlich diese
Worte zu V. 596 ziehen, also xopo« | 8tiv 8tq. Für richtig halte ich das
Resultat, zu dem er bei der ganzen Besprechung gelangt, nämlich dafs
H. Jordan zu weit gehe, wenn er die Lesarten, in welchen die zweite
Fassung der wiederholten Verse von der ersten abweicht, durchweg für
grobe Interpolationen eines Grammatikers erklärt, der keine andere
Vorlage gehabt habe, als eben jene noch vorhandene erste Fassung.
Aufserdem bemerkt er, wenn der Umfang der 3. Sammlung (Vv. 1231
— 1387) nicht zu klein wäre, so liefse sich vielleicht der Satz aufstellen,
dafs der Text in der 1. Sammlung (Vv. 1 — 1000) besser überliefert ist
als in der 2. und 3., in der 3. besser als in der 2.; jedoch sei der Text
in allen 3 Sammlungen entstellt, weniger durch Abschreibefehler als
durch Mifsverständnisse, durch Beseitigung vermeintlicher formaler An-
stösse und durch absichtliche Änderung des Sinnes.
M. Schäfer, De iteratis apud Theognidem distichis. Diss.
inaug. Halle. 1891. 37 S. 8.
Der Verf. behandelt dieselbe Frage, wie H. Jordan und Fr. Cauer.
Hinsichtlich des Resultats stimmt er mit dem ersteren überein; man ver-
gleiche S. 36: hoc comprobasse videmur omnium intra librum a et ß'
iteratorum locorum vix unum esse, quo Theognidea carminum forma fidelius
quam priore loco servaretur, und S. 37: discrepantias, quae inter scrip-
turas archetyporum et iteratorum versuum recurrunt, maximam partem
ab arbitrio eins qui iteravit repetendas esse. Dafs Fr. Cauer richtiger
urteilt, habe ich oben angegeben.
J. La Roche, Studien zu Theognis. Progr. des k. k. Staats-
gymnasiums zu Linz. I. Teil. 32 S. 8. 1891. IL Teil. 32 S.
8. 1892.
Nach einer kurzen Einleitung über Zustand, Entstehungszeit und
Zweck unserer Sammlung behandelt der Verf. zunächst „Metrisches",
dann „Sprachliches", Die hier gegebenen Zusammenstellungen , durch
Sammlungen aus den anderen Elegikern und Dichtern ergänzt, sind recht
verdienstlich, wenn sie auch nicht gerade neues bringen. Seine Vor-
gänger auf diesem G-ebiet nennt der Verf. nicht, und es mufs zweifel-
haft bleiben, ob er sie überhaupt gekannt und benutzt hat. Hierauf
geht der Verf. dazu über, einen Kommentar zu den Versen des Theognis
zu geben, der in den vorliegenden Heften bis zu V. 358 gelangt ist.
9*
132 Griechische Lyriker.
Was sich darin neues für Erklärung und Kritik hudei. werde ich unten
erwähnen.
0. Immisch, Xenophon über Theognis und das Problem
des Adels. Commentationes philologae quibus Ottoni Ribbeckio prae-
ceptori inlustri sexagesimuin aetatis, magisterii Lipsiensis deciraum
aunum exactum congratulantur discipuli Lipsienses. Lipsiae, B. G.
Teubner. 1888. S. 72—98.
Der Verf. sucht zu beweisen, dal's Xenophon wirklich, wie Stobäos
erwähnt, ein Buch über Theognis geschrieben habe ; er schliefst dies aus
der Geschichte des Problems, des Adels, aus Bezügen polemischer Art
auf jene Schrift des Xenophon und endlich aus Stellen und der Termi-
nologie des Xenophon selbst. Die Frage, warum die Schrift verschollen
sei, beantwortet er damit, dafs er sagt, sie sei anonym veröffentlicht
worden. Das Vorwort dieser anonymen Schrift, gewissermal'sen den Er-
satz für den fehlenden Titel, findet er in Theognis 19—22, die er von
23 flg. trennt und wegen p.£v, -5? ti; und cro^i^cjiVai dem Theoguis ab-
spricht. Er erklärt: „Kyrnos, es soll zwar mir bei meiner Erörterung
das Siegel des Schweigens auf diesem Gedichte liegen, heimlich be-
stohlen aber wird es niemals werden" — was sicli natürlich auf Antisthenes
Diorthosen bezieht; noch deutlicher im folgenden: „auch wird niemand
das Schlechtere eintauschen, wo das Bessere zu Gebote steht. So viel-
mehr wird ein jeder sprechen: von Theognis ist's das Gedicht", d. h.
das ist der uuentstellte und richtig verstandene Theognis.
Dagegen wendet sich
0. Crusius, Zu Theognis. Rhein. Museum 43. (1888). S. 622
—625.
Er weist die Hypothese 0. Immischs mit Recht zurück. Das
von H. Usener gegen t.Z^ tic erhobene Bedenken sprachlicher Natur
anerkennt er, hält aber mit demselben Gelehrten die Konjektur J. Bruns:
a)0£ o' r/asTo? epet für überzeugend. Dafs diese Änderung unnötig ist,
zeigt Fl. Weigel, der in der oben angeführten Dissertation auf Selon
27, 7 und Theognis 621 verweist und aulserdem das homerische et; xic
A 144 vergleicht. Nicht billigen kann ich es, wenn 0. Crusius Vv. 23 flg.
mit Vv. 19—22 verbinden will; Inhalt und Sprache sind dagegen, und
daraus, dafs Stobäos jetzt vor der Xenophonstelle die Worte öeo-pnoü;
e^T'.v err) toö Mevapsoj; hat, folgt nicht, dafs er xou Ms^apew? auch ge-
schrieben, geschweige denn, dafs er es bei Xenophon gefunden hat.
Gegen die Ansicht, dal's K'jpvs die 3cppr,7ic sei, bemerkt er, sie sei sprach-
lich nicht zu rechtfertigen und aucli saclilich bedenklich, da doch ledig-
lich durch die Namensnennung der angedeutete Zweck des Dichters er-
reicht werden könne. 0. Immisch 1. 1. S. 95 Anm. 1 sagt mit Berufung
Griechische Lyriker, I33
auf Lehrs quaestioues epic. p. 325, es müsse Kupvoc heifseu. Es ist
dies ein Irrtum; denn nicht das deklinierbare Kupvoc ist die a^pYj^i?,
sondern das undeklinierbare Wort Küpvs; attisch würde es heiisen: to
KupvE <J9pT]7lc £-r/.£tj8(u. Was ferner den Einwand anlangt, dafs der
Dichter seinen Zweck nur durch Namensnennung erreichen konnte, so
ist dies richtig; aber das gesclileht ja auch, da er ja ausdrücklich sagt,
die mit dem Siegel Kupvs versehenen Verse seien von Tiieognis. Wenn
man glaubt, die einmalige Nennung des Namens Theognis wäre zur
Sicherung des Eigentumsrechtes hinreichend gewesen, so übersieht man,
dafs wir es hier nicht mit einem einheitlichen, in sich festgeschlossenen
Ganzen zu thun haben, sondern mit einer grofsen ßeihe selbständiger
Gedichte; jedes von diesen mufste, wenn es vor Entwendung sicher sein
sollte, seine acppiriYis haben, ganz so wie es Demodokos, Phokylides u. a.
gethan haben. Man verweist bei der a9pYj7tc so gerne auf die Nomen-
dichter; aber haben nicht auch diese jedem Nomos eine ^^pr^-(ii ge-
geben? In der Erklärung von V. 21 stimme ich 0. Crusius bei: „nie-
mand wird ein schlechteres Gedicht eintauschen füi' ein besseres, d. h.
niemand wird geringere Dichtungen hören oder lesen wollen, sondern ttöE?
Ti? spsT: Das sind Dichtungen des hochberühmten Theognis von Megara,
die ziehe ich vor."
V. 4. La Roche I S. 31 : „wenn schon durchaus geändert werden
müfste, so wäre vielleicht ocsoixai • aXXa au [xoi vorzuziehen".
51. La Eoche II S. 8: „besser wäre Ix -^ap twv" st. iv. twv ^ap;
ich glaube kaum, dafs jemand beistimmen wird.
60. Fr. Cauer Piniol. 50 (1891) S. 529 flg. erklärt: „sie kennen
weder der Edlen noch der Gemeinen Weistüraer", woraus er dann den
Schlufs zieht, dafs die y.axoi schon vor der Revolution Anteil an der
Rechtsprechung hatten; aber vgl. 54: irpojO' ouxe Sixa? i^Ssaav ouxe vojxouc
Aufserdem pafst Fr. Cauers Erklärung nicht zu V. 59. Der Redaktor
von V. 1114 setzte für 7vcu[xa? das Wort [xvTr]jXY]v, weil er, wie Fr. Cauer
meint, die technische Bedeutung jenes Wortes nicht verstand. La Roche
II S. 8 läfst es unentschieden, ob dt-^aötuv und xaxcuv männlich oder säch-
lich ist.
69. La Roche I S. 14 vermutet ßouXeuso avSpt st, ßouXeus auv
dvopi unter Verweisung auf 1351: rsiöso avopr. denn nur das Medium,
nicht das Aktiv habe die Bedeutung „sich beraten". Aber ßouXsuciv
heifst hier „Rat pflegen, beraten", wie bei allen Dichtern von Homer
an; vgl. unter den Elegikern Phokyl. 8, 1. Ebenso sagt Thuk. VI 18, 6:
a[jLa VEoi ^epaiTspoi? ßouXsu'ovts? und Soph. 0. R. 606: tco ■zs.pa.cy.o-io . . .
xotvT] Ti ßooXeu5av-a. Wollte man also ändern, so läge ßouXsus' ajx' dvopi
nahe; denn der Begriff „mit" kann nicht entbehrt werden, wie V. 71
zeigt.
134 Griechische Lyriker.
71. La Roche 11 S. 9 möchte |j.£t ssOXoü etuv st. p-er eaöXov
t(üv lesen ; aber die Überlieferung ist anschaulicher, näher ausgeführt in
100. La Roche U S. 12: „(fpa^so bedenke; besser scheint
ßdtXXeo"; diese Änderung ist unnötig, vgl. z. B. Herod. 184: icppaa&r]
xal £; i)u|JLov eßdcXsTO.
106. La Roche 1. 1.: „vielleicht ist xoi (st. xai) zu schreiben,
oder ist Ijov y.al analog mit aeque acV* Das letztere ist richtig.
154. La Roche II S. 16 vermutet avSpiuTicüv otsco \).T^ xxX. Der
Pentameter ist jetzt durch Aristoteles 'Aftr^vaiojv -oXi-sia richtig gestellt:
av9pa)-ot3iv, o3otc fj-r] xxX., Vgl. oben Solon am Ende.
159 flg. führt 0. Crusius Rhein. Museum 43 (1888) S. 625 auf
eine sprichwörtliche Redensart zurück, füi" die unsere Pai'ömiographen
freilich nur entferntere Analogien bieten. Auch in dem Eingang des
Distichons \i.rfzoTs., Kupv , d^opöEjftai l'-os ixE/a stecke die volkstümliche
Lebensregel [xf, (xr/a Xe-j's. Dabei bemerkt der Verf., dafs sprichwört-
liche Wendungen ein charakteristisches Element des derben theogni-
deischen Stiles seien, vgl. 106 (j-eipeiv -ovxov), 215 (tto'jXu-ou 'JpYTjv
taye), 421 (-j'Xcüjjt) öupat oux iTcixEivxai).
171 vermutet El. W ei gel in der oben angeführten Dissertation
Oeoi?, K'j'pv, t'jyto, dsoistv zru xpaxo?; unwahrscheinlich.
193. E. Hiller in der praefatio seiner Ausgabe ist mit Bergk
der Ansicht, dafs vor diesem Vers einige Disticha ausgefallen sind und
dafs au-o? vom „breviator" herrührt; der Dichter schrieb vielleicht: Cc
o-q TOI xautTjV xxX. Sinn: propter hominum nobilium paupertatem saepe
iam fit, ut mulier ignobilis viro nobili uubat, o? orj xoi xxX.
197. La Roche II S. 20: yprjixai)" 'd |x£v, so dafs zapfxovtixov und
xaxov substantivierte Neutra sind; wenig wahrscheinlich.
216 glaubt E. Hill er 1. 1. würde vielleicht richtiger TrpojoixiXv^jet
st. -po70!xtXTjj-(i geschrieben und ähnlich auch sonst unter Verweisung
auf Bragmann, griech. Gram. § 142, 1. Aber solche Verkürzungen sind
den Elegikern fremd. La Roche II S. 22 konstruiert Sc xtj ttoxI -expr;
7:po7oixiAr^7/) „der dort, wo er sich an den Felsen angeschmiegt,
angeklammert hat". Richtiger ist die gewöhnliche Interpunktion: Sc ttoxi
-£xp7), xt; -po30|j.. „der am Felsen, an den er sich'' etc.
230. La Roche 11 S. 23: dvrjxoTj ot'fpoau'vTjv 7:ape-/et oder ypiQ-
\).'i'j<. xoTj dvrjTotc, beides unnötig, da die Überlieferung völlig genügt.
236. La Roche 1. 1.: Ku'p-/ dtXueiv iroXet sv rA'c/u aX., worin er
(JX'Jciv mit „ausgelassen sein* erklärt, was das Wort ohne weiteres nicht
heifsen kann. Aufserdem mifsfällt die metrische Beschaffenheit und die
Freiheit, mit der der Verf. mit der Überlieferung verfahi-en ist.
238 erklärt La Roche ästpafievoc mit „sublatos"; dafs dcetpa^öat
Griechische Lyriker. 135
diese Bedeutung' nicht hat, habe ich N. phil. Kundschcau 1886 S. 68 ge-
zeigt; a£ipo(ji,evoc ist richtig.
249 tritt 0. Crusius Rhein. Museum 43 S. 627 %. mit Reclit
für die Überlieferung ein. „Die Pferde, von denen der Dichter redet,
müssen über Land und Meer hinfliegen können, d. h. es sind Wunder-
tiere des Mythus, bei denen liistorische Bedenken wegen der "Worte vci-
Toijiv ecpT^ixevo? durchaus unangebracht sind". Die angeführten Beispiele
lassen sich vermehren durch Hinweis auf die Rosse des Erichthonios
Hom. r 219 flg., vgl. auch N 29 flg.
252. E. Hiller 1.1. nimmt die Überlieferung: ocpp' av jl) xe xxX.
in Schutz; denn -q könne leicht aus lasY) ergänzt werden, wofür er auf
V. 859 und E. Kühner, griech. Gramm. § 354 Anm. 2 verweist. Mir
erscheint dies zweifelhaft. La Roche I S. 22 schlägt vor: isjsat o'fp'
av er], ohne öjjlw?, was man nicht billigen kann.
253 schreibt E. Hiller ia der neuen Ausgabe der Anthologia
lyrica mit Camerarius iTitTu-f/avcu st. ou tuY/avüi; aber so hat das folg.
dXXa keine Beziehung: man müsste noch mit Cobet ou3' zwischen £7cb
und oXqy)? einreihen. Auch La Roche II S. 24 nimmt an ou Anstofs;
er will vüv schreiben, wie schon Cobet vermutete, und das folg. dXX' in
xat [L ändern mit Streichung von ]x' nach X6701?. Diese Änderungen
führen zu weit von der Überlieferung ab, um wahrscheinlich zu sein.
Ich glaube, der Fehler liegt in e^tov oXqrjs, für das vielleicht e^o) [xovi-
[XY]? zu schreiben ist; zu [j.ovi[xy] vgl. Anth. Pal. XII 224, 2. So hat man
auch den gewünschten Gegensatz zu äizoLxy.^.
255. 256 behandelt Th. Preger, inscriptiones Graecae metricae,
Leipzig 1891 S. 165 No. 209. Er glaubt mit E. HiUer, dafs die ur-
sprüngliche Form des Distichons in der Nikomachischen Ethik erhalten
ist; Eudemos habe aus dem Gedächtnis citiert, der Sammler der Theo-
gnidea und Stobäos willkürlich geändert.
261 flg. E. Hiller 1. 1. teilt die Meinung Schneidewins, dafs nach
V. 262 und 264 manches ausgefallen sei; V. 263 ist nach ihm „brevia-
toris culpa deformatiis". V. 264 vermutet erTzoDeTst. (oipei. Was damit
gewonnen sein soll, weils ich nicht.
273. La Roche II S. 25 hält xuiv ttocvxojv für unrichtig, indem
er auf Hom. 8. 104: xöiv Trdvxwv ou xousov ooupofxai verweist. Ich glaube,
gerade mit Rücksicht auf diese und ähnliche Stellen läfst sich xcöv -av-wv
wohl erklären ; xcSv ist = xouxwv, und xwv -dvxwv bezieht sich auf xd fiev
dXXa, sc. xaxd — nicht „sonst", wie La Roche erklärt — zurück: „im
Vergleich mit aUem diesem aber" u. s. w.
275 möchte La Roche II S. 26 ~pi^-Q x£ xal . . . rapdj/Tjc än-
dern, um auch hier, wie in V. 276, Konjunktive zu haben. Ich halte es
nicht für richtig, unanstöfsige Formen nach korrupten zu ändern, und
13(3 Griechische Lyriker.
ziehe deshalb V. 276: yp^jj-a 6s xaTÖsir]; vor. La Roche schreibt: ypTp
288 schlägt La Eoche II S. 27 vor: ec ol t6 acojai toi ttoXXov
dvoX;^oT£pr„ sc. roXtc, d. h. zu ihrer eigenen Rettung ist sie weit unge-
schickter, zum Tadeln jedoch gleich bereit. Dieser Sinn liegt nicht iu
den Worten; aufserdem nimmt man an ~oi Anstofs.
289 — 294 möchte Laßoche 11 S. 27 verbinden, wie ich es schon
in meiner Ausgabe gethan habe: aber während ich unter Xewv das zur
Herrschaft gelangte Volk verstehe, dem Sturz in Aussicht gestellt wird,
bezieht es La Roche auf die Adelspartei, der „jetzt die Fleischtöpfe
weggerückt wurden". In dieäem Fall ist eine unmittelbare Verbindung
mit dem Vorhergehenden anmöglich.
290. E. Hiller 1. 1. vermutet avopaj'.v st. avoptuv, wenig wahr-
scheinlich.
328. E. Hiller I. 1.: „övY]Tor? falsum supplementum esse suspi-
cor; exspectes rSitv"; aber während za^iv ganz mülsig ist, ist OvyitoT?
als Gegensatz zu dsol 6s xtX. kaum entbehrlich. Auch die weitere Ver-
mutung E. Hillers iSsXouj' acpEXsTv st. irisXouji cpepsiv kann ich nicht
billigen. Der Sinn ist: „die Menschen werden von Fehlern heimgesucht,
die Götter sind davon frei". Zu ^pspsiv vgl. Antiphons, ß, 10. 11 und
3, 6, 8.
345. La Roche 1131 will statt v^j-iv, weil darauf gar kein
Nachdruck liegt, rjtxiv schreiben, eine äulserst zweifelhafte Form. Oder
liegt ein Druckfehler st. rjxiv vor?
347. 0. Cr US ins Rhein. Mus. 48 S. 625 flg. tritt für die Über-
lieferung y.'jcjv ein. Unter Beiziehung von Horaz Ep. I 2, 40 flg. gewinnt
er folgende Fabel: „ein Hund ging durch eine ausgetrocknete Schlucht;
später, wie er zurück wollte, hatte ein Gielsbach sich hinein ergossen
[und er glaubte, nun warten zu müssen, bis das Wasser sich verlaufen
habe], oder [er glaubte, am einfachsten hinüberzukommen, wenn er das
Wasser austränke]". Die letztere Fassung der Fabel könnte man nach
dem Verf. vielleicht aus ai|j.a -letv folgern. Auf Theoguis angewandt,
heifst dies: „wähi-end einer Reise des Dichters sind schlimme Dinge vor
sich gegangen, die seine Rückkelu- immöglich machten. So konnte er
sagen: mir geht es wie dem Hunde, der über eine trockene Schlucht
ging, und nachher durch den wieder angeschwollenen Giefsbach sich ab-
gesclmitten sah. Damit bekäme auch der meist wegkorrigierte Dativ
yetjxappü) zoTajj-w die zu erwartende instrumentale Bedeutung; nur mülste
ravT' (-— TavTw;) a-ojeuajxövoj dem erschlossenen Sinn angepafst werden,
etwa durch die Kjt. t.. dc-oxXrjoixevoj". Aber würde dies den verlangten
Sinn geben? Mülste es nicht heifsen: i-^w ok . . rspi^tjas yapaopiriv vüv
. . . dt-oxX7)0[j.cti ?
Griechische Lyriker. 137
362. E. Hiller 1. 1. möchte unter Verweisung auf G. Meyer,
griech. Gramm. § 493 a-otstvujxevo'j schreiben.
425. W. Hörschelmann N. Jahrb. f. Phil. u. Päd. 143. Bd.
(1891) S. 578—82 führt aus, dafs Theognis -avxwv ij.£v [xtj ^uvai xxX.
schrieb, wie man auch allgemein annimmt; die Lesart (ipxTjv jxev Y.-1.
finde ich nur in der kürzeren hexametrischen Fassung. Die Worte iravTcav
y.xX. erklärt er: „das allerbeste" = das absolut beste, ap/r^v dagegen „zu
allererst" = bevor mau geboren ist. Die Schreibung apyrjv st. iravTcov in
dem theognideischen Verse komme zuerst bei Alkidamas vor, aus dessen
Museion sie Stobäos citiert; sie sei eine rhetorische ümmodelung.
490. A. Fick, Beiträge zur Kunde der indogermanischen Sprachen
Xin (1888) S. 173 flg. vermutet dew st. OeoT?, weil die Altias Osotst
verlangen würde. Der Sinn fordert jedenfalls den Plural, und auch an
der Form braucht man keinen Anstols zu nehmen. A. Fick schreibt die
Verse dem Euenos zu; mit Recht, wie Sprache, Metrik und Inhalt zeigen.
547. E. Hill er 1. 1. vermutet toi st. treu unter Verweisung auf
V. 113. 155; wenig wahrscheinlich.
621. J. Mähly, Blätter f. d. bayr. Gymnasialschulw. 25. Bd.
(1889) S. 229 vermutet: xisi, -svt/pov ös t dTt^ei, da er nicht an die
Richtigkeit von axisi glauben kann. Dieses Wort steht aber auch Orph.
Lith. 62. Vgl. aufserdem den vorigen Jahresb. Bd. LIV (1888) S. 150.
661 nimmt E. Hiller in der neuen Auflage der Anthologia lyrica
nach xal rpYJ^at [xlvroi xi mit Th. Bergk eine Lücke an. Ich würde
lieber schreiben : olaiv lusaxi xeXoc | xal irpr^li? • Oa'jxa xoi xi xal ix xaxoü xxX.
745. E. Hiller 1. 1. vermutet xeXewv st. xaxr/wv; aber wo findet
sich uTCepßaciiYiv xsXsTv? Wenn man xaxeycuv nicht für ein nachdrückliches
eyiuv halten will, so liegt uox' r/wv nahe, das E. Hiller im vorigen
Jahresbericht 1. 1. S. 151 ohne Angabe von Gründen und mit Unrecht
für keine passende Verbindung erklärt: „ohne irgend einen Übermut
jemals zu zeigen".
762. E. Hiller 1. 1. vermutet: a-ovoTJatv 6^ Osou? <'Kp(Lxov>
ap£(j(ja'[jL£voi st. r,[X£tc oh. aiiovoa? d£oiJiv ap£jc;a[jL£voi, gewfs keine leichte
Änderung; aufserdem auch insofern unangemessen, als man qixtXi ok im
Gegens. zu cpopij-q; 6' au nicht entbehren kann. Ich glaube, es genügt,
wenn man dEoTat ■/api3ja'}i.£vot schi'eibt.
817. E. Hiller 1. 1. schlägt vor: Kupv', £|x-n:vi? xoöe [xoipa -aihiv
ouö' E(3&' uTaXuEac St. Kupv , £|jltiy]; oxt [j-olpa raÖEtv, oux 'hW u., allein SO
Wäre das zweite oxi 8s iioTpa r.abth unnütz und die beabsichtigte Wieder-
holung derselben Worte beseitigt. Meiner Meinung nach ist die Über-
lieferung richtig: „seinem Schicksal kann man nicht entrinnen; mein
Schicksal erleide ich ohne Furcht".
138 Griechische Lyriker.
821. Fl. AVeigel in der oben angeführten Dissertation spricht
sich gegen die Tmesis hzo . . . atiixa^ouui aus; E. Hiller in seiner Aus-
gabe schreibt mit Härtung o" v.aTa7irjpa!jy.ovTac. Ich lialte an der Tmesis
fest; a7:aTt[j.aCeiv , das hier dem Sinne nach sehr gut palst, findet sich,
wie Th. Bergk bemerkt, bei Äschylos; aber auch schon Homer hat
a-aTijxaw N 113; aTioYripaaxiu scheint mir seiner Bedeutung nach nicht
zu passen.
969. Fl. Weigel 1. 1. spricht sich gegen die Annahme einer
Tmesis in y.axa rAvxa 3a-^vai aus, da xa-raoa-^vai nicht vorkomme; zu
yt.o.-T. zavxa vergleicht er Thuk. IV 81. Plat. Tim. p. 30 D. Der Gebrauch
von y.aTa Travxa an unsererr Stelle ist aber doch etwas auffällig. Wer
daher vor der Tmesis zurückschreckt, tlmt wohl besser, y.axa in y.ai zu
verwandeln: „ganz vollständig".
1015. E. Hiller 1. 1. schreibt mit J. Pomptow: G-oßXr|&-7jvai st.
uTiep^TJvai T:ep. Ich bin für die Überlieferung eingetreten N. Jahrb. f.
Phil. u. Päd. 1887 S. 169 flg. E. Hiller im vorigen Jahresbericht 1. 1.
S. 153 giebt zu, dafs Tix^iai transitiv stehen könne, wendet aber ein, es
wäre doch sehr seltsam, wenn der Dichter, indem er Kampf mit den
Feinden und Treulosigkeit (?) der Freunde als Übel des Lebens hinstellt,
den Sieg über die Feinde und nicht das doch ebenso gut mögliche Unter-
liegen hervorheben würde. Ist es aber nicht ebenso seltsam, wenn nur
vom Unterliegen gesprochen wird? In Wirklichkeit wird weder von dem
einen noch dem anderen gesprochen, sondern nur gesagt: glücklich ist,
wer stirbt, ohne in die Lage gekommen zu sein, seine Feinde besiegen
und seine Freunde erproben zu müssen". Wenn E. Hiller weiter be-
merkt, TTsp könne nach den Gesetzen der Wortstellung nicht mit Ttpiv
verbunden werden, so übersieht er, dafs er einen Dichter, keinen attischen
Prosaiker vor sich hat; auch Homer trennt irep öfter von der Konjunktion.
Eigenartig fal'st Fl. Weigel 1. 1. die Stelle; er schreibt nämlich uap'
ava-i'ZTjv, das er mit „nulla re cogente" erklärt, fal'st Trxfj^ai, wie bei Aesch.
Prom. 187: htzOo.^ 7rxr,^a?, und u-epß^vai im Sinne von „peccare". Ich
kann daraus keinen in den Zusammenhang passenden Gedanken gewinnen.
1058. E. Hiller 1. 1. schreibt recht passend: [j,eXo[X£v 6' aixcpnre-
pixxioaiv, nachdem Ahrens schon mit ixsXeijlev vorausgegangen war,
lOGG. E. Hill er 1. 1. schreibt yp-^jx st. xi oder xot, das A aus-
läfst. Damit ist nichts gebessert.
1133. In meiner Ausgabe erklärte ich -apoüai cpiXotcji mit „adiu-
vantibns amicis" und y.ay.oü ^.p/r^ mit „dominatio hominis a plebe ad
regnum elati, tyrannis". Löv stimmt mir bei, vgl. vorigen Jahresbericht
1. 1. S. 154. E. Hiller erklärt den Dativ Ttapouat 91X0131 in diesem Sinne
für unstatthaft; er hätte R. Kühner, gr. Gramm. II S. 378 nachlesen
sollen. Seine eigene 1. 1. vorgetragene Erklärung ist gesucht und scheitert
Griechische Lyriker. 139
vollends an -apoiiat, das er deiktisch fassen mnl's, d. h. das vom Sinn
nicht gefordert wird.
1139. E. Hiller 1. 1. schlägt vor: h dvopasiv ouol [ießatoi st. h
dvöptuTToicji öixaiot, Vgl. vorigen Jahresb. 1. 1. S. 154. Ich habe in meiner
Ausgabe oUonoi in ot'xai xe geändert und halte auch jetzt noch daran fest ;
dals dies richtig ist, zeigt die Ausführung des Verses in 1140—42;
1140 — 41 nämlich erklärt opxoi, 1141 — 42 or/.at; um Eid und Recht-
sprechung ist es geschehen. E. Hillers Vermutung ist, von allem anderen
abgesehen, eine lästige Tautologie.
1172. E. Hiller in seiner Ausgabe schreibt: av&ptuTro? 7V(u|jl7]
xtX. , vgl. vorigen Jahresbericht 1. 1. Dadurch zerstört er die ohne
Zweifel beabsichtigte und sehr wirkungsvolle Anaphora 7vu)|xt]v und ^vcijjLr].
Irrig ist, dals gegen die Lesart dv9pcuT:ots • ^vcufjLr] xtX. die Stellung von
dv9pcu-o[? am Anfang des Pentameters spreche; ähnliches findet sich bei
Theognis nicht selten, vgl. z. B. 290.
1203. E. Hiller 1. 1. vermutet: ouöek ouff utt' £[X£Ü xsxXaucjexat
OUT £-1 T. x-X., was doch wohl nur möglich wäre, wenn entweder xöxXau-
a£tat ein Partizip oder oiij-oydsi; ein Verb, finit. wäre; da dies nicht der
Fall ist, so ist ouo' ganz an seinem Platze; in oux £Tfx' ouo' am Anfang
steckt eine nachdrückliche Verneinung.
1249. E, Hiller in der Ausgabe der Anthol. I3T. schreibt mit
Emperius: cju \xh auff <L? utuo?, wovon ihn schon das folg. a59i? hätte
abschrecken soUen.
1257. U. von Wilamowitz-Möllendorff, Commentariolum
gram. IV. Index lect. Göttingen 1889/90 S. 25/26 schlägt 6[xoioT st.
6[jLoToc vor, und E. Hiller nahm dieses in den Text auf. Bei dieser Emen-
dation nehme ich an dem folg. ^i'X-rjv Anstofs, für das ich 91X0; erwarte;
denn der Accus, der Beziehung hat sonst keinen ähnlichen Zusatz.
1277. Fl. Weigel in der öfter genannten Dissertation vermutet
xaxd 7^v st. xaxd ^yJs; unrichtig, da Eros über die Erde hin fliegt.
1310. E. Hiller 1. 1. vermutet XcU^aXEYj xaxoxY]? st. TüatoaioT],
was kaum Billigung finden wird.
1351. J. Mähly, Blätter f. d. bayr. Gymnasialw. 25. Bd. 1889.
S. 229 schlägt e^exocxyiv st. ilzoa.ii-i]y vor. Ich kann E^exaxYjv mit dem Inhalt
der Verse: TratöocpiXEiv oe xi x£p-v6v nicht in Einklang bringen; am besten
erscheint mir bis jetzt E^scpavYjv vgl. 1344.
Zum Schlufs erwähne ich
Theognis. Elegie e sentenze tradotte in endecasillabi
sciolti italiani (carmi e pensieri morali e politici) per A. Arro.
Alba, Sansoldi. 8.
140 Griechische Lyriker.
Äscliylos.
Fragm. 1. E. Hiller, Pliilologus 48 (1889) S. 243 flg. spricht
die Ausicht aus, dafs sich aus Plut. quaest. symp. I 10, 3 p. 628 die
Existenz eines besonderen äschyleischen Gedichts auf die Schlacht bei
Marathon nicht entnehmen lasse; denn Th. Bergks Änderung der Worte
TTiv [xeöopi'av in tt,v MapaOwvtav, sc. jj-a/yiv, sei sehr zweifelhaft. Hiller
selbst hält xrjv {isöopiav für eine Randbemerkung zu dem später folgenden
KiöaipöSva, die an falscher Stelle in den Text geraten sei. Mir erscheint
Th. Bergks Ansicht wahrscheinlicher.
Fragm. 5 behandelt .Th. Preger, inscriptiones Graecae metricae
S. 37 No. 42. Er w^eist Welckers Vermutung, dafs der erhaltene Vers
einer Grabschi-ift auf die bei Marathon gefallenen Athener angehört
habe, zurück und schliefst aus dem dorischen Dialekt, dafs es eine In-
schrift auf einen Dorier gewesen sein müsse.
Fr. 4 bespricht derselbe 1. 1. S. 34 No. 39. Er ist mit anderen
der Ausicht, dafs Äschylos diese seine Grabschrift nicht wohl selbst ge-
dichtet haben könne; dagegen spreche, dafs der Biograph, Plutarch und
Eustratios über den Verfasser schweigen, und dafs Äschylos zu seinen
Lebzeiten nicht gewufst habe, dafs er von den Bewohnern von Gela auf
Staatskosten werde bestattet werden. Ich glaube kaum, dal's diese Gründe
genügen, das ausdrückliche Zeugnis des Atheuäos und Pausanias zu
entkräften: denn das erste ist ein Schlufs ex silentio, und was das zweite
betrifft, so ist es doch nicht undenkbar, dafs Äschylos in Gela noch
vor seinem Tode die Verse dichtete, sei es auf Wunsch der Stadt oder
eines Freundes, der ihn von der Absicht der Geloer unterrichtete.
Sophokles.
4, 2 vermutet W. Headlam Journal of Philology XX S. 306 flg.
cptXoüvTt xopr^v st. (piXoüvö' ixspav; wohl richtig.
Ion.
F. Allegre, de lone Ohio. Thesis. Paris, Leroux. 1890.
IV, 114 S. 8.
Der Verf. behandelt das Leben und die Werke des Ion von Chios.
Die Sammlung des einschlägigen Materials zeigt viel Fleifs und die Be-
sprechung der damit zusammenhängenden Fragen, in die der Verf.
Schilderungen der politischen und sozialen Zustände jener Zeit ein-
flicht, gesundes Urteil und Besonnenheit; neues wird jedoch darin nicht
geboten. Die Geburt des Ion setzt der Verf. 490—484, seine erste
Ankunft in Athen also 476—470. Nicht billigen kann man es, wenn
er im Widerspruch gegen Welcker glaubt, die Athener hätten ihn Sohn
Griechische Lyriker. 141
des Xuthos wegen der Gleichheit seines Namens mit dem ihres gefeierten
Stammheros genannt, und mit Berufung auf C I Gr. 2214 die Ansicht
ausspricht, dieser Name sei dann fortan von seiner Familie festgehalten
worden. Über die elegische Dichtung des Ion handelt das 2. Kapitel;
der Verf. schreibt die Inschrift auf Kimon mit Kirchhoff dem Ion zu,
ohne die dagegen vorgebrachten Gründe und die Ansichten anderer
zu erwähnen. Ion 1, 12 versteht er falsch; ebenso Theognis 477. Über
den Dithyrambus und die sonstigen lyrischen Gedichte des Ion wird im
5. Kapitel gesprochen. Zum Schlufs werden die Fragmente unseres
Dichters abgedruckt, und zwar die elegischen und lyrischen aus
Th. Bergk.
1, 1 schreibt E. Hiller in der neuen Auflage der Anthologia
lyrica: 8v <Tc6pe> ftupaocpopo? xtX. , um den Vers zu vervollständigen.
Derselbe nimmt nach V. 3 eine Lücke an, wie mir scheint, ohne Not,
da man zu ai ts rJavsXXr^vwv xtX. leicht zhi „finden statt" ergänzen kann,
woran sich dann Iz, o5 xxX. gut anschliefst.
Empedokles.
Epigr. 2 behandelt Th. Preger, inscriptiones Gr. metricae S. 35
No. 40. Er verlangt mit Recht überall dorische Formen, also V. 1:
'A-f/i"^«, V. 2: x£t5' st. t7.ö', was Th. Bergk vermutete, V. 4: Oepss'fovac.
V. 3 liest er mit Dübner nach der Überlieferung bei Diogenes Laert.,
Bergk und Hiller zogen die Überlieferung der Anthologia Pal. vor,
denen ich beistimme-, denn sie entspricht mehi' dem Zusammenhang.
Übrigens weist Th, Preger mit Recht darauf hin, dafs die Chronologie
der Abfassung der Verse durch Empedokles nicht im Wege stehe, da
die Nachricht, Pausanias habe den Empedokles überlebt, auf Herakleides
Pontikos zurückgehe, wie H. Diels gezeigt habe.
Enenos.
9, 1 vermutet A. Fick, Beiträge zur Kunde der indogerman.
Sprachen XIII (1888) S. 173 flg. jj-eivai st. ifievat; denn Euenos' Sprache
zeige keinerlei Einwirkung des Epos, sondern sei rein altionisch. Ich
billige diesen Grund nicht, zumal wo es sich, wie hier, um ein Epos
handelt; trotzdem nehme auch ich an efisvai Anstofs wegen des folg.
sivai; ich schlage tsXeÖsiv st. I'ixevai vor.
Kritias.
7,4 schlägt E. Hiller in der Praefatio der Anthol. lyr. 7.1h st.
rßd^ vor; mir gefällt besser tJoov; so gewinnen wir auch in diesem Vers,
wie in V. 3, zwei Paare: auXuiv dvxiTraXov (ptXoßotpßttov, woov aXu-ov; das
Komma hinter dvTmaXov mufs also fallen.
142 Griechische Lyriker.
[lophon.]
Th. Preger inscriptiones S. 205 No. 258 schreibt im 2. Verse
(jwjxa st. (J/^jp-a, indem er das Komma liinter ^.aßovta streicht und nach
TE/vYjc setzt. Er beruft sich auf das Epigramm Diogenes Lacrt. prooem. 3
= Anthol. Pal. Vn 615, wo Mouaaiou auifia Umschreibung st. MoujaTov
ist. Ich halte (r/^[xa für richtig, um so mehr, als es gerade die Tra-
giker in der Bedeutung „Gestalt, Ersclieinung" mit Vorliebe gebrauchen;
Sophokles ist die ehrwürdigste Erscheinung der tragischen Kiinst.
H. Stadtmüller vermutet: (3-/rj[xaTt aeiAvoTarov „poesis genere quod am-
plexus est sublimem" coli. Xenoph. Apol. 27. Luciau. dial. mort. 10, 8.
Die frühere Vermutung von Th. Bergk, dafs in der Vita Soph. Äaßwv
in Aoßwv zu ändern sei, nicht in 'locpöiv, dafs also das Epigramm nichts
mit lophon zu thun hat, vilrd von E. Hiller und Th. Preger gebilligt.
Piaton.
2, 3 schlägt H. Stadtmüller N. Jahrb. f. Phil. u. Päd. 143. Bd.
(1891) S. 322 flg. ^qvöiT, d|X£XEi? st. -/Pj-voiTo, vosT? vor.
7, 3. H. Stadtmüller vermutet ops-j^av-t st. pe^avxi, coli. Pind.
Nem. 2, 9. Ol. 1, 13. Ich halte die Überlieferung für richtig; xa im-
vixia sind „die Siegesopfer" ; psCeiv e-ivixiov entspricht also dem pro-
saischen £-iviy.ia öuciv, vgl. Plat. symp. p. 173 A. Demosth. ::. xf^c
iraparpEs;^. 128 U. S. W.
8, 1 vermutet J. Mähly, Blätter für das bayi*. Grymnasialw. XXV
S. 241 "AXe^iv st. "AXeEtc; Th. Bergk kam ihm damit schon zuvor.
Astydamas.
Th. Preger, inscriptiones S. 125 No. 158 erklärt V. 3: ixpiftrjv
a'^sOslj -apvjx-.XXoc mit Jacobs „superior evaderem", indem er Hartungs
Deutung: „zugelassen zum Wettstreit" zurückweist, weil die griechischen
Worte dies nicht bezeichnen könnten. Er vergafs offenbar, dafs tj a'ft-
TTjpi'a „die Schranken", r, acpscjtc „das Loslassen und Auslaufen aus den
Schranken" bezeichnet. Man sieht also, dafs acpievai der eigentliche
Ausdruck war für „loslassen, auslaufen lassen" beim Wettreimen. Diese
Deutung verlangt aber auch der Zusammenhang; Astydamas wünscht,
er wäre Zeitgenosse jener Alten gewesen, damit er, als Wettkämpfer
mit ihnen aus den Schranken in die Keunbahu gelassen, wahrheitsgemäfs
auf Grund seiner thatsächlichen Leistungen beurteilt worden wäre; so
aber werden sie . ihm nur mit Rücksicht auf ihre frühere Lebenszeit
vorgezogen. Daraus geht auch hervor, dafs die Kjt. des Verf. zpor/oua
0 cpi)ovo;, so dafs -poeyo'ja Dativ wäre, unangemessen ist.
Griechische Lyriker. 143
Philiskos.
E. Hill er in der neuen Auflage der Anthol. lyr. schreibt V. 6,
allerdings nur „dubitanter": ocüpa xaTa<p9i|x£v(i) xal ai&fOQ aOavrixojv st.
oovxa xaTa'f&iixsvcuv xal co'-pcp dcdavaxüjv. Ich kann dies nicht billigen;
denn st. oc5pa mül'ste es oöipov heifsen, und auf 8copa y.al axe^o; kfhmte
am Anfang von V. 7 nicht o? folgen, um von der auffallenden Ver-
bindung Süipa xal «jTE^oc ganz zu schweigen. Man erwartet ein Attribut
zu ufjLvov; etwa ^(uvxa xaxa9ilt!i,£va)v xav C<^<p(p , döavaxov, Vgl. N. Jahrb.
f. Phil. u. Päd. 1884 S. 53.
Demosthenes.
Th. Preger, inscriptiones S. 126 No. 159 macht darauf auf-
merksam, dafs Th. Bergk PL.^ II p. 331 bei Behandlung des Epi-
gramms: ei'-ep ijTjv 7vto[i,7) xxX. fälschlich auf schol. Demosth. 57 verweise.
Hier will ich auch das bei Th. Bergk an derselben Stelle be-
handelte Epigramm auf die bei Chäroneia Gefallenen anfügen,
das Demosth. de Coron. § 289 gelesen wird. V. 3 vermutet J. Mähly,
Blätter f. d. bayr. Gymnasialw. XXV (1889) S. 242: [j.apva[X£voi o' dxps-
[XEis xai döstfxaxot oux xxX.; dasselbe H. Stadtmüller, Berl. Phil.
Wochenschr. 1890 S. 303 flg., der aufserdem noch 8' dxpsjxot, dosi'ixaxoi
oder o'ap'axpsjxoi, dösifxaxoi vorschlägt. Ich halte auch jetzt noch an
dem von H. Weil und mir gefundenen apsu»? xai 8£t}j,axos fest, das auch
Fr. Blass in seiner Ausgabe der Kranzrede, Leipzig, 1890 aufnahm.
Th. Preger, inscriptiones S. 219 meint, in diesem Fall müfste ex stehen;
denn Soph. Antig. 1162 aw^siv tiüÄiv i'/dpoJv bedeute: „die Stadt vor
Feinden retten"; ganz ebenso heifst es aber auch an unserer Stelle:
„sein Leben vor Ares und Deima retten". — V. 5 — 6 streicht
H. Stadtmüller 1. 1. — V. 9 setzt Th. Preger mit Recht ein Kolon
nach xaxopdouv, so dafs sv ptoxv] zum folgenden Verse gehört; der all-
gemeine Gedanke wird von Demosthenes in den Worten ou xiii
auixJ^ouXw xxX. auf den speziellen FaU angewandt. Für unnötig halte
ich die von H. Stadtmüller vorgeschlagene Änderung des V. 10:
£v ßioxT) S' au Tzxcdis\£ ouxi ^u^stv xxX.
Über dieses Epigramm haben Fr. Blafs 1. 1. und Th. Preger
1. 1. ausführlicher gehandelt. Beide sind der Ansicht, dafs der von De-
mosthenes citierte Vers in dem vorgelesenen Epigramm gestanden haben
mufs, dafs also das von G. Kaibel entdeckte Epigramm (Änth. Pal.
Vn 245) unmöglich das vorgelesene gewesen sein kann. Was nun unser
Gedicht anlangt, so teilt Th. Preger vollständig die Ansicht Karstens,
dafs es nämlich erst in späterer Zeit von einem Grammatiker unter
Benutzung des bei Demosthenes angeführten Verses gedichtet worden
144 Griechische Lyriker.
sei: Fr. Blals giebt wenigstens die Möglichkeit dieses Vorgangs zu.
Ich glaube, dafs sich der Grammatiker diese Mühe nicht gemacht hat,
da es ja viel leichter für ihn war, sich das wirkliche Epigramm zu ver-
schaffen. Falls sich aufser diesem auch noch das von Gr. Kaibel auf-
gefundene auf die Sclilacht bei Chäroneia bezieht, woran Fr. Blafs und
Th. Preger nicht zweifeln, wahrend ich noch nicht davon überzeugt bin,
so mufs man mit diesen beiden Gelehrten und ß. Schoell annehmen,
dafs das Denkmal mit mehreren Epigrammen geschmückt war, was ja
öfter vorkam.
Aristoteles.
4. Th. Preger, inscriptiones S. 129 No. 163 setzt dem Epi-
gramm folgende prosaische Aufschiift vor: 'Epfxetav 'ApuTOTeXir)? fi.vr^ixrjc
evsxa, aus der die Alten schlössen, dafs Aristoteles nicht nur die Statue
dem Hermeias geweiht, sondern auch das Epigramm gedichtet habe.
5. E. Wendung, De peplo Aristotelico quaestiones se-
lectae. Diss. inaug. Strafsburg 1891. 82 S. 8.
Der Verf. sucht zunächst nachzuweisen, dafs der Peplos des Ari-
stoteles und Theophrast nur ein Buch gewesen sei; Theophrast habe
nämlich das hinterlassene Werk des Aristoteles später herausgegeben
und seine Ansichten neben die seines Lehrers geschrieben. Dafs dieser
Nachweis nicht über jeden Zweifel erhaben ist, bemerkt schon Th. Preger,
N. phil. Rundschau 1892 No. 15 S. 230. Man wird dabei bleiben
müssen, dafs der Peplos dem Aristoteles angehört, während Theophrast
seine Ansichten über Erfindungen in seinen sGpr^fxa-ra ausgesprochen hat.
Recht interessant und gelungen sind die Ausführungen des Verf.
über den Inhalt des Peplos. Dieser war ein bunter; er bestand aus
Epigrammen, G-enealogien und sypr^ixaxa , katalogartig geordnet. Bei
Hygin liegen, wie der Verf. zeigt, ziemlich \1ele Überreste des Peplos
vor, ebenso in den Scholien zu Homers Schiffskatalog und bei Eusta-
thios. Uns interessieren hier am meisten die noch vorhandenen Epi-
gramme. Der Verf. schreibt sie mit Ausnahme von No. 7 einem
Dichter zu, dessen Lebenszeit er nach den in unseren Epigrammen sich
findenden Nachahmungen anderer Dichter auf 250 — 150 v. Chr. be-
stimmt, nämlich nach Kallimachos und vor der Quelle des Diodor, die
wohl ApoUodoros ist. Die Epigramme sind nach dem Verf. selbständig
für sich gedichtet und erst später dem Peplos eingefügt worden. Da-
mit stimmt im wesentlichen auch Th. Preger, Zum aristotelischen
Peplos in den „Abhandlungen aus dem Gebiet der klassischen Alter-
tumswissenschaft, W. V. Christ dargebracht", S. 58—69 überein; nur
nimmt er die Bekanntschaft des Verfassers der Epigramme mit dem
Peplos an.
Griechische Lyriker. 145
Zum Schlnls sind zwei Epimetra beigegeben, von denen das erste
über Straton und Ephoros, das zweite über Hygin. fab. 221 — 277 handelt.
Epigr. 14. E. Wendung 1. 1. S. 55/56 vergleicht zu v-^io? o|X(u-
vu[jiiY) Lycophron Alex. 598 flg.: cpspcuvu[xov vTjsToa.
Epigr. 19. E. Wendung 1. 1. S. 52 flg. glaubt im Gegensatz
zu Schneidewin und Bergk, dafs Mnasalkas der Verfasser des von Pau-
sanias dem Orchomenier Chersias zugeschriebenen Epigramms auf Hesiod
sei, und führt dafür beachtenswerte Gründe an.
Epigr. 20. E. Wendling 1. 1. 8. 50 vergleicht G. Kaibel, In-
scriptiones Ital. et Sic. 2117 aus dem 3. Jahrh. n. Chr., wo der 5. Vers
mit dem 2. unseres Epigramms wörtlich übereinstimmt.
Epigr. 23. E. Wendling 1. 1. S. 56 verweist auf Lycophr.
Alex. 1013, wo Thoas ebenfalls r6p7Yi? roy.ov genannt wird.
Epigr. 26. E. Wendling 1. 1. 8. 54 glaubt, dafs der Dichter
der sikyonischen Lokalsage folge, die er von dem 8ikyonier Mnasalkas
übernommen habe. Er weist auf die Ähnlichkeit mit 19 hin.
Epigr. 28. E. Wendling 1. 1. 8 58 vergleicht Callim. epigr.
18, 3 : iifu) 3' d'XXo)? ouvojxa TU[ji.ßo? sywv xtX.
Epigr. 46. E. Wendling 1. 1. S. 57 vermutet, dafs der Dichter
die Sage, Hektor sei bei Theben begraben, aus Lykophron entnommen habe.
In dem bei Bergk fehlenden Epigramm auf Paris, No. 61 bei
E. Hill er schreibt dieser gut: Tpcowv -t xal 'EXXaoo?.
6, 11 vermutet J. Mähly, Blätter f. d. bayr. Gymnasialwesen
25. Bd. 1889 8. 242: AaTpsuovxss st. dva^opcUovTec od. d-fpeucvTs;.
Krates.
E. Hill er in der Praefatio der Anthologia lyrica bezeichnet die
Fragm. 13, 14 und 20 mit Recht als Apophthegmata, die in einer Samm-
lung der Gedichte des Krates keine Stelle haben. Derselbe erklärt
Fragm. 17 in der kürzeren Fassung für ursprünglich; die längere
Fassung der Anthologia Pal. IX 497 sei eine spätere Erweiterung, wie
TaÜTa, DspaTTEia und xo Xomov zeigen. Auch hierin stimme ich ihm bei,
Alexander Ätolns.
Im Fischer V. 4 (Athen. VII 296 E. A. Meineke, analect. Alex.
S. 238. J. A. Härtung, Elegiker n 8. 144. 9) vermutet H. Diels
Hermes 23. (1888) S. 287: -jAr^v atsvdoujav, i. e. xpo'^rjv devaov.
Kallimachos.
R. Reitzenstein, Die Inhaltsangabe im Archetypus der
Kallimachos-Handschriften. Hermes 26. (1891) S. 308—314.
Der Verf. teilt ein schon dem Politianus Miscell. XXIV bekanntes,
dann aber vergessenes und erst neuerdijigs wieder von Hagen im Katalog
Jahresbericht für Alterthumswissenschait. LXXY. Bd. (l&e. I.) 10
146 Griechische Lyriker.
der Berner Hds. S. 520 aus den Randglossen eines uns unbekannten
Humanisten zu einem Exemplar der Kallimachos-Ausgabe des Vascosanus
veröffentlichtes Epigramm in Trimetern, um einen von Hagen übersehenen
Vers erweitert, mit. Dieses enthält ein Inhaltsverzeichnis, das für eine
Gesamtausgabe der 6 erhaltenen Hymnen, der Hekale, der Aitia, des
Ibis und eines verlorenen ßätselgedichts bestimmt war. Nach der Be-
handlung des Trimeters setzt der Verf. das Epigramm in die Zeit
zwischen dem 6. und 10. Jahrh. Dann folgen Betrachtungen über
Hekale, Ibis und ßätselgedicht, sowie über die Hds. , in der jenes
Epigramm steht.
Windakiewicz, les -mss. de Callimaque. Bulletin de l'Academie
de Cracovic. 1890. Dezember.
Stand mir nicht zur Verfügung.
A. Gercke, Alexandrinische Studien. Rhein. Museum 44. (1889)
S. 127 — 150 und 240 — 258, spricht über Kallimachos und Theokritos
in ihrem Verhältnis zu Apollonios Rhodios. Der Verf. weist darauf
hin, wie der ganze Dichterkreis in Alexandreia die epische Dichtung
für unzeitgemäfs gehalten habe, und bezeichnet den Kallimachos als den
rechten Vertreter dieser neuen Richtung. ,. Dieser hat, wie Theokrit,
\'iele auffallenden Wendungen, unter anderem sogar einen ganzen Hexa-
meter, mit Apollonios gemein, und zwar nicht nur in zufällig erhaltenen
Versen der Hekale, was seit alter Zeit aus den Schollen bekannt ist,
sondern auch, worauf man wenig geachtet hat, in den meisten erhaltenen
Gedichten. Auch einzelne seltene Worte hat er an derselben Versstelle,
wie Apollonios, gebraucht, nach gemeinsamer Vorlage oder indem ein
Dichter sich nach dem anderen richtete." Folgt eine Übersicht über
diese. Daraus schliefst der Verf., dafs Kallimachos es nicht verschmäht
hat, Verse des Apollonios nachzuahmen, in der Absicht, „damit die
Sterne des "Museuhofes in der nächtlichen Umgebung noch heller strahlen.''
Man wollte dadurch die Leser darauf aufmerksam machen, ,,mit wem
man verglichen sein wollte, wen zu tadeln oder zu übertreffen man sich
vorgenommen hatte." ,, Damit ist die Norm durchbrochen, welche mau
oft für das Altertum aufstellt, dafs ein Schriftsteller Worte des andern
nur wiederhole, um ihm eine Huldigung darzubringen; man kann viel-
mehr aus bewufsten Übereinstimmungen an sich auch Feindschaft folgern."
In dem Streite selbst jedoch können wir eine organische Entwickelung
nicht nachweisen. Die Geburt des Kallimachos setzt der Verf. nach
304, seinen Tod 240—222.
Hj'mn. 1 setzt A. Gercke 1. 1. S. 257 zweifelnd in die Jahre
272—270. Über die diesem Hymnus zu Grunde liegende Zeuslegeude
handelt E. Maafs Hermes 25 (1890) S. 400 flg.; er glaubt, dafs Kalli-
Griechische Lyriker. 147
inachos ihre Kenntnis seiner Heimat Kyrene verdanke; denn hier sei
in der 2. Phyle, die ans Peloponnesiern aus Mantineia und Kretern
bestand (Herod. IV, 161), die Mischbevölkerung vorhanden gewesen, die
der im Hymnus zu Tage tretenden Sagenverbindung entspreche, nämlich
der Kontamination der ursprünglich sich ausschliefsenden arkadischen
und kretischen Zeussagen in der Weise, dafs das arkadische Element
überwiege. A. Dippe, Wochenschrift f. kla?s. Philol. 1888. No. 36
S. 1115 flg. rechnet unsern Hymnus zu denen, die nach Art der vo|xo',
komponiert sind.
Hymn. 2 ist nach A. Gercke 1. 1. S. 257 zwischen 276—272
entstanden. Auch in diesem Hymnus haben sich nach E. Maafs 1. 1.
zwei Kulte gemischt, und so entstand die neue Kultform des Apollon
Kapvstot-Nop-io?. Über die Anlage nach den Teilen des Nomos vgl.
A. Dippe 1. 1. No. 35. — V. 36 schützt J. Vahlen Ind. lect. Berlin.
1889/90 S. 10 flg. den Dativ Ooißw mit Recht gegen die Änderung in
<I)oi3ou. — V. 68: 7i(xeT£poi? ßaaiXsucjiv bezieht sich auf das Zusammen-
regieren des Ptolemäus Philadelphus und seines Sohnes Euergetes, vgl.
A. Gercke 1. 1. S. 253; diesem stimmt E. Maafs 1. 1. bei; ich habe
schon früher dieselbe Ansicht ausgesprochen.
Hymn. 3 verlegt A. Gercke 1. 1 S. 257 in das J. 277/6. Nacli
E. Maafs 1.1. kann er nicht zu einer Zeit entstanden sein, wo Kyrene
und Alexandreia miteinander verfeindet waren, also frühestens um 260.
E. Maafs glaubt, dafs der Hymnus für Kyrene bestimmt war; die Göttin
ist nach ihm die nesiotische der 3. Phyle in Kyrene; die Traditionen
im einzelnen sind die der zu jener Phyle gehörenden Geschlechter und
der einzelnen Zuwanderer, welche ihren Ursprung auf den Inseln hatten.
Daraus erklärt sich auch, warum der Dichter die Göttin, abgesehen von
ihren sonstigen bekannten Begleiterinnen, mit einem Okeanidenchor um-
giebt. Wie Hymn. 5, 16 flg. zeigt, versammeln sich die eponymen
Nymphen der v^coi regelmäfsig bei Okeanos und Thetis, die vielfach als
ihre Eltern bezeichnet werden, und eben diese personifizierten v^jot hat
man auch in dem Okeanidenchor der Artemis zu erblicken. A. Dippe
1. 1. No. 36 S. 1116 flg. sucht auch auf unseren Hymnus die Nomen-
einteilung anzuwenden.
C. Nigra, Inni di Callimaco su Diana e sui lavacri di
Pallade. Rivista di Füologia XX. (1892) S. 194—232. 414—455.
516—543.
Der Verf. spricht zuerst über Kallimachos und seine Werke;
dann wendet er sich zu den Codices, die er aufzählt, beschreibt und
vergleicht, bezw. ihre Vergleichimg berichtigt. Der dritte Abschnitt
beschäftigt sich mit den Drucken, wobei er den Apparat 0. Schneiders
lu*
148 Griecbiscbe Lyriker.
7A1 llymn. 3 und 5 aus den Hds. vielfach korrigiert. Hiei'auf folgt die
Besprechung der alten Schollen, eine Übersicht über die lateinischen
und italienischen Übersetzungen, sowie eine Zusammenstellung von Ur-
teilen über Kallimachos. Daran schliefst sich der Text von Hymu, '6
und 5 nebst italienischer Übersetzung in Versen. Der Verf. hält sich
dabei besonders an Schneider und Wilamowitz. (Die Fortsetzung dieser
Studien wird in Aussicht gestellt.)
V. 43 ist nach J. Vahlen, Ind. lect. 1889/90 S. 3 flg. als wieder-
holt aus V. 14 zu streichen: er störe den Zusammenhang, da -oXeotc auf
alle Nymphen gehe, auf die von Kreta sowohl als vom Okeanos. Daher
weist der Verf. auch 0. Schneiders Vermutung, nach V. 41 einen Vers
zu ergänzen, der die Auswahl der kretischen Nymphen enthalte, zurück. —
V. 234 schützt J. Vahlen 1. 1. S. 11 den Gen. KopiVjc mit Meineke
und Schneider gegen die Änderung in KoptY], die man mit Rücksicht auf
'lI[j.Ep7; vornahm. — V. 175 flg. werden nach A. Gercke 1. 1. S. 255
von ApoUon. Kh. Argon. III 1339 flg. verspottet.
Hymn. 4 fällt nach A. Gercke 1. 1. S. 257 in das J. 274/3.
K. Kuiper Mueraosyne 19. (1891) S. 63 flg. setzt seine Entstehung in
die J. 276 — 274, da neben dem vergötterten König die gleichfalls ver-
götterte Arsinoe nicht genannt werde, was doch sicherlich geschehen
wäre, wenn die Verheiratung schon stattgefunden gehabt hätte. Da-
gegen bemerkt Fr. Snsemihl, Geschichte der griech. Litteratur in der
Alexandrinerzeit II S. C69 mit Recht, es sei durch nichts erwiesen, dal's
die Delier gleich nach der Verheiratung der Arsinoe mit ihrem Bruder
dessen göttliche Ehren auch auf sie übertrugen, und so sei es auch
unter K. Kuipeis Voraussetzungen recht wohl möglich, dals der Hymnus,
wenn auch vor dem Ptolemäus des Theokritos, so doch erst zwischen
272 — 270 verfasst sei. Eine Zerlegung des Hymnos nach den Teilen
des Nomos versucht A. Dippe 1. 1.
V. 1 liest J. Vahlen, Ind. lect. Berlin 1889 S. 3 flg.: xi'va ypovov
r^ "c -OT d£ic:£i? ,,(iuantum temporis aut quousque cantabis." — V. 10
schlägt C. Häberlin, Philologus 4G. (1888) S. 69 vor: S>i «v'AttoXaov |
KapvEt' aivy]T(;; xtX.; denn es fehle der Begrifi' des Apollon Kapvew?; zum
raschen Übergang von der Erzählung zur Anrede vergleicht er V. 27.
2, 9. 11. 70. 71. — V. 32. J. Vahlen, Ind. lect. Berlin 1889/90 S. 6 flg.
verteidigt die Überliefemng Traaaj, indem er erklärt: raja? eiasxuXue
öaÄdatTT; xal xd? [j-ev xaxd puaaov epptCcuss, ae oriu-A EilXttj/ev. — Aufserdem
Vgl. zu diesem Hymnus K. Kuiper 1. 1.
Hymn. 5. Über Einteilung des Hymnus nach Art des Nomos vgl.
A. Dippe 1. 1. S. 1114. — V. 106 setzt J. Vahlen, Ind. lect. Berlin.
1889 S. 11 flg. den SchluJs der Rede an und läl.t mit V. 107 die Er-
Griechische Lyriker. 149
Zählung wieder eintreten. Auffällig bleibt immerhin, dafs das Ende der
Rede nicht besonders als solches bezeichnet ist.
Hymn. G ist nach A. Gercke 1. 1. 272—270 verfafst. F. Spiro,
Hermes 23. (1888) S. 194 flg. rechnet ihn zn den frühesten Erzeugnissen
des Kallimachos; nach ihm fällt er noch in die Zeit, wo der Dichter
als armer Lehrer in Eleusis lebte, und steht den Aitia nahe, ist aber
vor ihnen geschrieben, F. Spiro will darin eine versteckte Kritik, eine
Polemik gegen Lykophrons Alexandra erkennen; er schliefst dies aus
der Disposition im ganzen, da auch in Kallimachos' Hymnus der eigent-
liche rituelle Vortrag des Priesters von einer Einleitung und einem
Schlüsse umgeben sei, welche zusammengehörend die den Hauptteil
der Dichtung veranlassende Situation angeben und so das Ganze moti-
vieren, ganz besonders aber aus dem Schlufs. Die Verse 140 flg. nehmen
auf den Schlufs der Alexandra Bezug, wie sich mit Notw^endigkeit aus
der Übereinstimmung der Worte ergebe; wie die Alexandra mit einem
Gebet für die Troer, so schliefse unser Hymnus mit einem Gebet für
die Danaer, das sich ziemlich unvermittelt an das Vorhergehende anreihe;
da der Dichter dies an einen argivischen Hymnus angeknüpft habe, so
sei der Name Argos wie der der Danaer im höchsten Grade geeignet,
die Erinnerung an den Ki'ieg gegen Troja wachzurufen. Ich kann
diesen Ausführungen Überzeugungskraft nicht zuerkennen. Über die
Einteilung des Hymnos nach der Art des Nomos handelt A. Dippe 1. 1.
S. 1116; er stimmt Th. Bergk bei, welcher vermutete, dafs hier eine
Nachahmung der aulodischen Nomen des Klonas vorliege.
V. 11 flg. vermutet A. Nauck, Hermes 24. (1889) S. 453: Icpoi-
ßacEv 0£ Ta^evTa | Travxa ya).ivorjay.ä)v dcppov x~X. st. yaXivocpa^wv ; jedenfalls
richtig. — V. 19 schlägt derselbe 1. 1. S. 449 Aum. vor: oüt' sc opstyaX-
xov [xs-^aXa dso? ou 2t|x6evTO? st. ouo' e? und oool 2i[xoüvtoj. — V. 71
nimmt G. Wentzel, Genethliacon Gottingense. Halle 1888. S. 22 flg.
die Überlieferung T--ui l-nl xpava mit Recht gegen G. Kaibels Konjektur
iTCTcsup y.pav7 in Schutz. Dieser Hiatus trochaicus war immer gestattet.
G. Reinecke, De scholiis Callimacheis. Dissert. philologicae
Halenses, vol. IX S. 1—65. 8». Halle, M. Niemeyer. 1888.
Der Verf. dieser fleifsigen und umsichtigen Abhandlung weist
meiner Meinung nach überzeugend nach, dafs die Ansicht von Meineke
und von Wilamowitz-Möllendorff über die Schollen zu Kallimachos richtig
ist, nämlich dafs dieselben nicht ganz wertlos sind, sondern wenigstens
teilweise Beachtung verdienen. Sie gehen auf einen alten Kommentar
zu den Hymnen des Kallimachos zurück und sind teilweise mit Hesjxhi-
schcn Glossen versetzt. Wenn aber der Verf. weiter noch ein geogra-
phisches Lexikon und das Wörterbuch des Methodios unter die Quellen
rechnen will, so halte ich den Beweis dafür durch die paar unbedeu-
150 Griechische Lyriker.
tenden Belege nicht für erbracht. Ebenso wenig ist es dem Verf. ge-
lungen, den Kommentar, ans dem die Schollen zum Teil geschöpft sind,
dem Theon aus dem Beginn der Kaiserzeit zuzuweisen ; denn dieser wird
in unsern Schollen nicht genannt; es wird ihm nirgends, trotzdem ihm
andere Kommentare zugeschrieben werden, ein Kommentar zu den
Hymnen des Kallimachos beigelegt, und auch die zweifelhafte Überein-
stimmung von sechs Stellen berechtigt zu einem solchen Schluls nicht.
G. Knaack, Zu den Aitien des Kallimachos. Hermes 23.
(1888.) S. 131 — 141.
Der Verf. führt Gregor, erat. IV 123: o Bouöoiva? tov -fewp-jöv
TupavvT^ja; xal xov apoxrjv ßoüv Äacpu^ac xai Tr]v xX^aiv Xa,3u)v ^x x^s Tipot^swc
auf Kallimachos Aitien zurück. Die Erzählung läfst sich im allgemeinen
aus Nonnos zu Gregor, invect. I 41 (Mythogr. öraeci ed. Westermaun
p. 370 flg.) rekonstruieren. Auf sie bezieht der Verf. Kallimach. fr. 435,
zweifelnd auch fi'. 526. Das Aition war die Erklärung des Beinamens
Bo'jöofva?. Der weitere Verlauf der Kallimachischen Erzählung erhellt
aus der Notiz im Etymol. Magn. 154, 8. Hierher zieht der Verf. auch
fr. 186. Die Hylas-Sage war nach ihm von dem Dichter nur berührt,
nicht ausführlich erzählt; denn sonst hätte Theokrit Id. 13 die Erzäh-
lung des ApoUonios Rh. Argon. I 1207 — 1273 nicht korrigiert, sondern
einfach auf die vorliegende Erzählung des Kallimachos hingewiesen. —
Die rhodische Sage Apollodor II 5 11, 8 geht nach dem Verf. nicht
auf Kallimachos zurück; sie stand in der Tooou xitsts des ApoUonios.
E. Maafs, Alexandrinische Fragmente. Hermes 24. (1889.) IV.
ist der Ansicht, dafs die Geschichte von Philemon und Baucis bei Ovid
in ihren Einzelheiten vom Molorchos des Kallimachos genommen sei.
ilolorchos bewirtete den Herakles, als er zum Kampf mit dem nemei-
schen Löwen auszog. Eine Nachahmung ist auch Nonnos 17, 41 flg.
La chioma di Bereuice col testo latiuo di CatuUo riscontrato
sui codici, traduzione e commento di Constantino Nigra. Milano,
Hoepli. 1891. 8.
Das Buch enthält Einleitung, den lateinischen Text der Elegie
des CatuUus, Übersetzung und umfangreichen Kommentar. Uns inter-
essiei t hier nur die Frage, wie sich die Elegie des lateinischen Dichters
zu dem Original des Kallimachos verhält. Eine genaue Vergleichung
der Fragmente des letzteren mit Catullus führt zu dem Resultat, dals
der Römer sein griechisches Vorbild nicht genau wiedergegeben hat.
Das Gedicht Ibis fällt nach A. Gercke 1. 1. S. 257 in die Jahre
271—270. — Über die Ibis-Scholien handelt J. Geffcken Hermes 25.
(1890.) S. 91 — 96 Er fafst das Resultat folgendermafsen zusammen:
Griechische Lyriker. 151
„Die Untersnchimg hat ein meist negatives Resultat ergeben; indessen
haben sich doch an 3 Stellen (V. 451. 475. 477) die »Spuren alter guter
Überlieferung gezeigt. Die Ibis-Scholien einfach über Bord zu werfen,
wäre ebenso falsch, als sie ohne Bedenken eitleren. Ellis hat eine Sich-
tung nicht versucht; es ist aber, wenn auch nicht in allen, so doch in
vielen Fällen möglich, die Spreu vom Weizen zu sondern und über die
Frage, was der Scholiast hatte, ins klare zu kommen."
Fr. 37a ist nach E. Dittrich N. Jahrb. f. Phil. u. Päd. 141. Bd.
S. 831 flg. mit dem Epigramm adesp. Anthol. Pal. IX 185 in folgender
"Weise zu verbinden: "Ap-/iX6-/oo . . . £iT:£j[ioXiY)? • stAxuae Se -/.xX. Das
Epigramm schreibt der Verf. dem FpacpäTov zu, was von den Versen des
Kallimachos längst feststeht. Gegen die Verbindung der zwei Fragmente
spricht der Inhalt und die Form, vgl. bes. 16; und ?6v. — Fr. 77 be-
zieht A. Gercke 1. 1. S. 136 auf Apoll. Rh. Argon. I 20; der Dichter
sagt, er habe keine Muse im Taglohn. — Fr. 108 wird im Etymol.
Magn. s. V. AptaxuoT]? dem 3. Buch der Aitien zugewiesen, vgl.
R. Reitzenstein Inedita poetarum Glr. fragmenta. Ind. lect. Rostock
1890/91 S. 12, der am Anfang xw [xlv xxX. liest. — Fr. 172 wird
ebenda zu einem vollständigen Distichon ergänzt: xeiöt 7ap w xa -{ovrioz
aTTsOptsE \t.rpz exeTvo? | xlxpurxai xxX. Die Verse werden, wie R. Reitzen-
stein bemerkt, von Apollon. Rh. Argon. IV 982 flg. verspottet. Im Pen-
tameter will E. Dittrich N. Jahrb. f. Phüol. u. Päd. 137. Bd. (1888)
S. 361 flg. YpujvTj „Felsenhöhlung" schreiben st. 767:7], das durch Hesych.
geschützt ist. — Fr. 180 erklärt E. Dittrich N. Jahrb. f. Phil. u.
Päd. 141. Bd. S. 831 flg.: „Magnes ist nach meiner Ansicht ein tierisch
wollüstiger Mensch". Über Magnes vergleicht er Nikolaos von Damaskos
F H Gr. III S. 395 und Suidas. Das Epigramm sclu'eibt er dem Fpa-
cpstov zu. — Fr. 482 vermutet A. Nauck Hermes 24. (1889) S. 453
gut TTpotfjLTf); St. Tpo [xi^s. — Fr. 538 liest H. Di eis Hermes 23 1J888)
S. 286 flg. ^iXaosXcpeicDv ax|jt.evo? r^rx oojxwv und glaubt, dafs die Worte
vielleicht einem Epigramm oder dem Prolog der Aitien entnommen
sind. — Fr. 541 ergänzt E. Dittrich N, Jahrb. f. Philol. u. Päd.
143. Bd. (1891) S. 576: 0; x' 'IxaX-rjv <:Aoxpuiv> stppauaÖ' apfxoviYjv und
weist den Vers dem rpatffetov zu. — Fr. anon. 74 ist zu streichen vgl.
G. Knaack Wochenschrift f. klass. Philol. 1891 S. 346 flg. — Fr.
anon. 388 weist E. Dittrich 1. 1. dem rpa<fstov des Kallimachos zu.
Einige neue Fragmente des Kallimachos teilt R. Reitzenstein
in dem erwähnten Index lection. mit, nämlich S. 9 flg. aus einer Fabel:
dp7oy TTOXE -■'do'ixoz Y^xaXov voxou, S. 10: cpotxi^ovx' d7a&ol roXXdxic rji&sot|
£1? üdpou? eösXo'jjiv, dem 3. Buch der Aitien zuzuweisen, und S. 11:
<x£rvov ö'> 'HatovY) puexo -aTc ay-öXr^, vgl. fr. 559. 560.
Epigr. 6 (5) behandelt Th. Preger Inscriptiones Gr. metricae
152 Griechische Lyriker.
S. 94 flg'.: er weist darauf hin, dals iu dem Gedicht vou Verheii'atuug
oder Vermählung der Selene nichts stehe; auch könne aus h^Xa pe^eiv
V. 11 flg. nicht geschlossen werden, dals Selene selbst das Epigramm
auf die Muschel geschrieben habe; „immo bis verbis mores puellae lau-
dantur". — V. 6 vermutet H. Stadtmüller r.oiah a|x', wjt' sp-^w coli.
Hom. hymn. 8, 39.
Epigr. 32 behandelt J. Vahlen Ind. lect. Berlin 1889/90 S. 8 flg.
V. 1 ist [xou mit dem Pal. zu halten, ebenso V. 3 rrjv oia TravToc, sc.
aXYYjjtv: „illo meo sempiterno dolore pungor, cum amara dictatua audio".
Gegen A. Gercke bemerkt der Verf., dafs das Epigramm an einen
Knaben gerichtet sei, der,. vom Dichter geliebt, seine Liebe um Gold
verkaufen wollte. Auch Epigr. 46 hat Gercke falsch gedeutet.
Epigr. 62, 2 schützt G. Wentzel 1. 1. die Überlieferung xsitai
£v ^OpTu-yiTTj mit Recht gegen U. von Wilamowitz-Möllendorif, der a-f/eit
M)pxu7i7) verlangt, vgl. oben zu Hymn. 6, 71.
Epigr. 28 fällt nach A. Gercke 1. 1. S. 257 in das J. 277/6.
Schliefslich verweise ich noch auf Fr. Susemi hl, Geschichte
der griech. Litteratur in der Alexanderzeit. Leipzig, B. G.
Teubner. 1891 u. 1892, wo viele einschlägige Fragen mehr oder we-
niger ausführlich behandelt werden.
II, Jambographen.
Archilochos.
3, 4. E. Hiller in der Praefatio der Anthol. lyr.: „synizesin
quamvis insolitam tolerare quam ex duobus nullius auctoritatis codicibus
oat|j.ov£; recipere malui; nam oai'ixcov unquam pro oai^ixwv dictum esse
non credo". A, Fick Beiträge zur Kunde der indogerm. Sprachen XUL
0888.) S. 173 flg. vermutet 6a[j.ovec, kontrahiert aus oar^tiovsc, was
ebenso zweifelhaft ist wie oai'ixovsj.
10. H. W. Smyth the vowel System of the ionic dialect in
Transactions of the American philol. Association XX. (1889.) S. 1 flg.
bezweifelt lloTeioaojvo? avay.xoc und scheint A. Ficks Ilojeiorjwvo; ä'v. vor-
zuziehen. Mit Unrecht; es ist homerischer Versschlufs vgl. Y 67.
11. E. Hiller 1. 1. vermutet ipqoo'jr^on st. £UT:Xoxa|xou ; aber Ipif-
oo'j-o; findet sich bei den Lyrikern niclit und wird von den Epikern
nur von lebenden Wesen gebraucht. Viellciclit £rii:Xo|jL£vot;V
14. E. Hiller 1. 1. bemerkt: „fortasse versus ad Glaucum Troia-
norum socium spectat et ab Archilocho alienus est."
19, 2. E. Hi:ller L 1. vermutet T.Zai <piXr„ „quod nescio quisiocaus
ad Pasiphilam meretricem rettulit" ; er scheint die Verse nicht für ein
Griechische Lyriker. 153
Epigramm, sondern für ein Bruchstück aus einem gröfseren Ganzen zu
halten.
20. E. Hill er 1. 1. sagt: „scripserat opinor' Archilochos fere
haec: <£v o6[AOi3i Ö£> | xXaicD öaajffojv ou xa Ma-fVTjtwv y.ay.a, | <a\X! oV
l'iui -ö -^ot 9iXot iie7:6vi)a}x£v> " . Aber ein Versschlufs ev öo|xotc;i 6s ist
nicht archilochisch, Oaasjwv nicht überliefert und als ein Wort, das sich
bei Jambographen und Elegikern nicht findet, sehr zweifelhaft, und auch
der Inhalt pafst zu Archilochos nicht.
22. 0. Immisch Philol. 49. (1890.) S. 193 flg. meint, Tzetzes
habe diesen Vers nicht einem Gedicht des Archilochos, sondern einem
lexikalischen AYerke entnommen; daher könne auch aus dem Zusammen-
hang, in dem der Vers bei Tzetzes stehe, kein Schlufs auf das Gedicht
gezogen werden, dem er angehört habe. Es sei unwahrscheinlich, dafs
Archilochos die Klage, dafs ihn die Jamben nicht mehr erfreuen, in
einem Jambos ausgesprochen habe; vielmehr gehöre der Vers den Epoden
an. Der Verf. ändert unter Vergleichung von Fragm. adesp. 5: ou (xot
ia(x[?o)v ouo£ -cEpTTtüXswv [xeXst und verbindet diesen Vers mit frgm. 85:
dXXa [x" 5 X'ja<.\itXrfi xtX. ; so gewinnt er eine Epodenstrophe, die er in
Horaz epod, 11 wiederfindet, und unter Verwertung des letzten Gedichts
giebt er uns eine Vorstellung von dem Liede des Pariers. Archilochos
eröffnete damit, wie der Verf. glaubt, die Epodendichtung, die demnach
in die Zeit nach dem Verhältnis zu Neobule falle. Ich vermisse einen
festen Grund, auf den diese ganze Hypothese sich stützen könnte; die
Vereinigung von 22 und 85 scheint mir der Sinn zu verbieten; frgm. 85
wird am einfachsten auf die Liebe zu Neobule bezogen, wie auch 84.
32. E. Hiller N. Jahrb. f. Phil. u. Päd. 139. Bd. (1889.) S. 344
weist 0. Schraders Konjektur in der Zeitschr. f. vergleich. Sprach-
forschung XXX S. 470: cDJTLsp 8i auXoü ßpütov .... x'jßoa -^v -. über-
zeugend zurück. Er selbst hält sßpu^e für korrupt und glaubt, dafs es,
vielleicht durch Nachlässigkeit des Schreibers aus ßpürov V. 1 ent-
standen, ein anderes Verbum mit der Bedeutung „zechen" verdrängt
habe. Meiner Meinung nach liegt am nächsten i[i.'j'^zi vgl. Xen. Anab.
IV 5, 27; da aber dies Verbum zweifelhaft ist, wird sich am meisten
Xacpusaet empfehlen.
55 schliefst G. S. Farn eil, Greek lyric poetry. London 1891.
S. 120 (vgl. auch S. 305) an 54 an, wenn auch nicht unmittelbar; man
kann keinen Grund dafür einsehen, und auch der Verf. hat keinen an-
gegeben.
56, 1. J. Mähly Blätter f. das bayr. Gymnasialw. 25. Bd. (1889.)
S. 229 schlägt vor: toTc x^zoT; xiXzi aKav-a; aber -iXsio; ausführbar kann
der Verf. nicht belegen. Mir scheint J a c o b s -zSeh aravta bis jetzt das
beste; so auch E. Hiller in seiner Ausgabe.
154 Griechische Lyriker.
57. A. Fick Beiträge zur Kunde der indogerm. Sprachen XIII.
(1888.) S. 173 flg. vermutet xspw-Xdjxrjv, aus xspaoTtXa'sTTjv kontrahiert.
Ohne Not. **
63, 3. E. Hiller 1. 1. schreibt: xaxta-a ö' <aiel> xip d. 7.; aber
diesen Begriff erwartet oder vermifst hier niemand. Etwa 0' au-re?
66, 2 schreibt E. Hill er 1. 1. mit Eraperius dvtr^eu, was schon
deshalb unwahrscheinlich ist, weil es auch die Änderung von Süj^-evaiv
in 6ucjv(uv nötig macht; aufserdem pafst die Bedeutung nicht. Das
Richtige scheint avs/e oder avx/e zu sein; denn wie xt^oecj'. x'jxtujxevs an-
zeigt, hat man hier das Bild des Schwimmers, der sich nur mit Mühe
über Wasser hält, vgl. Soph. OR. 174 und dazu Schneidewin-Nauck.
74, 4. J, Mähly 1. 1. vermutet: f^Xi'ou XafXTrov togoütov 6' r]W
xtX. Diesem beziehungslosen tojoü-ov ziehe ich' immer noch t6 Xu^pov
0 ^X&' x-X. vor. Zum Artikel vgl. 85, zur Stellung von 61 116. —
0. Immisch 1. 1. glaubt, dafs der Vater Lykambes in diesen Versen
den Dichter gegen die Verdächtigungen und Verleumdungen seiner
Nebenbuhler in Schutz nehme, und folgert daraus, dal's die Erwähnung
der Sonnenfinsternis zwar möglicherweise auf eigener Beobachtung des
Dichters beruhen könne, dais dies aber durchaus nicht nötig sei. Ähn-
lich spricht sich G. S. Farnell 1. 1. S. 303 aus. Auf mich macht die
ganze Schilderung den Eindruck des Selbsterlebten, vgl. besonders V. 5 :
ex 6e Toü mit Bezug auf iTrsiSr;. Ich halte daher auch an den aus der
Datierung der Sonnenfmsteruis gezogenen Folgerungen für das Leben
des Dichters fest, die 0. Immisch von seinem Standpunkt ans ver-
werfen mufs.
75, 2. H. W, Smyth 1. 1. verteidigt TXao; gegen A. Ficks iXetu;
durch Hinweis auf Theognis 782. TXewc ist übrigens eine Konjektur
Seidlers.
104. Fr. Blass N. Jahrb. f. Phil. u. Päd. 137. Bd. (1888.)
S. 680 weist die Verse bei Aristid. II 51 (Dind.): Zeuc ev btoXzi [xavT'.?
a<];Eu8e5TaTo;, | xal teXo? auToc r/st, die er früher schon dem Archilochos
zusprach, jetzt dem Gedicht gegen den Seher Batusiades zu, zu dem
fr. 104 gehört. E. Hiller billigt dies, vgl. 100. 101.
116. E. Hill er 1. 1. vermutet ai st. oe; das Fragment ist zu
kurz, um darüber zu urteilen.
119. A. Fick 1. 1. empfiehlt TT^veßXot st. -rrjVsXXa; -rrjvsS gehöre zu
xovaßetu; t sei palatal vor hellem Vokal.
147. G. Knaack Hermes 23. (1888.) S. 133 bezieht das Citat
tot xal \\pyiXoyoi laropcT schol. Apoll. Rhod. I 1212 nur auf den letzten
Satz: cps'j-.'tov ouv xtX., also nur auf den Tod des Nessos.
Griechische Lyriker. 155
Simonides (Semonides).
1, 13. H. W. Smyth 1. 1. verlangt "Ap?) st. "Ap£i.
1, 14. A. Fick 1. 1. stellt mit 'AiSyj?, das auch 7, 117 als Cre-
ticus vorkommt, opjoftypT)? mit langem ü (17) und tcouXuttov (29) zu-
sammen; da nämlich der Dichter im Gegensatz zu Archilochos keine
Auflösungen im Jambos zulasse, habe er sich bei Wörtern mit ana-
pästischer und sonstiger widerstrebender Messung mit Iktusdehnungen
behelfen müssen. H. W. Smyth will fr. 29 wegen tccüXutov dem Keer
Simonides zusprechen .
7, 29. E. Hiller 1. 1. vermutet -/.a-aivsjet: gut. — Nach V. 45
nimmt derselbe eine Lücke an, ohne jedoch anzugeben, welchen Ge-
danken er vermilst. Ich halte e'jxep^ev wv airavxa für korrupt, wie schon
u)v zeigt, und lese sstep^e Xwa iravia xtX,: „nur unter Schlägen und
Schelten versteht sie sich zu allem, was gut ist, und thut Wohlgefälliges;
mittlerweile aber" u. s. w. Zu Xwa vgl. Theognis 95. — Auch tov, das
E. HiUer st. Itt' V. 75 vermutet, kann ich nicht billigen, da die Ver-
wechslung von Tov und ett' unwahrscheinlich ist.
7,87. H. W. Smyth 1. 1. glaubt, dafs -/.ouv in y.oüvojxaxXuxov
falsche Umschrift sei aus KON.
Über dieses Gedicht handelt R. Opitz, Über den Weiberspiegel
des Semonides von Araorgos, Philol. 50. (1891.) S. 13—30. Er ist der
Ansicht, dafs Hesiod dem Dichter die Anregung zur Abfassung der
Verse gegeben habe. Darin stimmt er mit 0. Immisch überein, vgl.
oben zu Phokyl. 3, und auch ich halte dies für möglich. Was er aber
weiter vorbringt, kann ich als jedes festen Grundes entbehrend nicht
billigen. Er meint, Simonides habe eine Steigerung beabsichtigt, und
demnach sei der 9. Typus auszuschliel'sen , zumal da V. 71, wie schon
0. ßibbeck gezeigt habe, störe, da man I'öiqxs dsoc zu ergänzen habe,
was nach V. 57 nicht mehr angehe. Für die Stute (V. 57 flg.) bleibe
nur ein Platz, nämlich nach der Sau V. 6, und für die Zusammen-
stellung dieser spreche auch das Phokylideische Gedicht. Nun störe
aber auch V. 21 aus demselben Grunde wie V. 71. Aus der Zusammen-
stellung von Sau und Stute sehe man, dafs der Dichter die Charaktere
nach dem Grundsatz des Gegensatzes geordnet habe. Zwischen dem
Typus der Füchsin und dem des Meeres lasse sich ein wesentlicher
LTnterschied nicht auffinden. Ferner befremde, dafs der Dichter neben
der wütenden Hündin überhaupt noch einen besonderen Typus derjenigen,
die T/jv jxev ^eXot, tt]v o£ [xaivexai, geschaffen habe, zumal da das Meer
zwischen die Tiertypen nicht hineinpasse. Auffällig sei auch, dafs die
Verwandtschaft des Weibes mit dem Meere dreimal genannt werde,
V. 27. 37 u. 41. Endlich sehe der Vers 27 ganz aus, wie ein Flick-
vers. Beseitige man ihn, so schliefse sich V. 28 gut an V. 11 an; so
15() Griechische Lyriker.
kämeu die beiden korrespondierenden zoXÄaxic V. 10 u. 37 erst zur
Geltung. Durch die Yergleichung- Sj-sp biXoLsict V. 37 habe der Dichter
nur das Bild der Unzuverlässigkeit, das er in der Füchsin entworfen,
recht deutlich macheu wollen. Vv. 34 — 36 seien zu streichen, wie sclion
die Vergleichnng mit dem Hunde zeige, der ja ein besonderer Tj'pus
sei. Vv. 41 u. 42 seien offenbar unecht. Die Einschaltung des Meer-
typus sei dadurch entstanden, dais ein „überkluger Litterat" den im
Fuchstypus sich findenden Vergleich selbständig ausgeführt habe. Gegen-
satz zum Fuchs sei der Esel V. 43 flg.; aber liier sei eine Lücke, da
die Haupteigenschaft des Esels, der Mangel an Verstand, fehle. Diese
Eigenschaft sei in dem Typus der Erdigen V. 21 flg. dargestellt; doch
passe V. 21 nicht, da er die gewöhnlichen Einleitungsworte unterbreche;
ebensowenig passe die Erde unter die Tiertj-pen; aufserdem sei von
einer Entstehung aus der Erde, wofür sonst ex stehe, keine Rede ; ferner
treten die '0).6fi-ioi unvermittelt an die Stelle von 9so; oder Zsu;; end-
lich sei nicht die Erde der Gegensatz zum Fuchs, sondern der Esel.
Nun weise aber V. 24 mit seiner Efslust, der von der Erdigen nicht
ausgesagt werden könne, klar auf V. 46 hin, wie schon 0. Ribbeck ge-
sehen habe. Die Erdige sei also zu streichen, und es seien zu verbinden
Yv. 43—45. (21 zu tilgen). 22—23. 25—26. 24. 46 flg. Die anderen
Typen folgen dann in der überlieferten Ordnung. Glaubt der Verf.
wirklich, dafs jemand im Altertum so mit einem Gedichte umging?
8. G. A. Papabasileios "A^v^va L (1889.) S. 201 vermutet
y.a'p-a 7X016? st. y.ata -[loirtZ; recht ansprechend, aber kann nicht -/.a-a-
yXo'.o? dieselbe Bedeutung haben?
20,2. A. Fick 1. 1. erkläi't ^ipia mit „Sinn, Einsicht" , vgl.
aipLojv. Ich kann daraus keinen passenden Sinn gewinnen.
Hipponax.
33 vermehrt R. Reitzenstein, inedita poetarum Graecorum
fragmenta. Iudex lect. Rostock 1890/91. S. 7 aus dem cod. Vaticanus
1818 des Etymologie. Magnum um den Vers: -:(; ojx'faXrjtofjLo; ss -cov
wj-SKr^-it I 'i'Yrpt ■/.-).. Zugleich wird dadurch ^T^3^ als richtige Lesart
bestätigt.
43,2. E. Hiller 1.1. bemerkt: „rectius fortasse a-o-£[jL']^£'.; scri-
bitur: v. Brugmann G riech. Gramm. § 142, 1. Aber solche Verkür-
zungen liegen den Jambographen fern, vgl. auch oben Theognis 2 IG.
64. E. Hiller 1. 1. vermutet: MaXi;, -/.ovw/- opa [Xe oet-otsw
ßsßpoy I \<x-/ynt' XtJ3op.ai ■sz [xt] pa-i^27&ai, wodurch die Rede in zwei
unverbundene Sätze zerrissen wird, von denen der zweite aufserdem
noch zweideutig ist; jedenfalls hätte er schreiben sollen: op?; und Xijso-
}iai oL
Griechische Lyriker. 157
85,2. 0. Immisch N. Jahrb. f. Phü. u. Päd. 139. Bd. (1889.)
S. 18—19 vermutet: £77a3Tpi7iixaipav st. e-f^aaTpip-ayatpav; wohl richtig.
E. Hiller 1. 1. hat 3 Fragmente (61. 64. 65) aus Chörob. exeg.
in Heph. p. 45. 48. Hoersch., die bei Th. Bergk fehlen.
Ananios.
3, 1. H. W. Smyth 1. 1. erklärt xa&sip^at für zweifelhaft.
Herodas.
Classical Text from Papyri in the British Museum in-
cluding the uewly discovered poems of Herodas edited by
F. G. Kenyon. With autotype facsimiles of Ms. London 1891.
VI, 122 S. 4.
Der Hi-sg. veröffentlicht auf S. 13—41 aus Papyrus 135, den er
dem 2. oder 3. Jahrh. n. Chr. zuweist, sieben mehr oder weniger voll-
ständige Mlmiamben des Herodas samt den bei den Schriftstellern auf-
bewahrten Fragmenten dieses Dichters. Er liefs den Text ganz so, wie
er im Papyrus steht, drucken, ohne Verbesserungen, jedoch mit Wort-
trennung. Die Lücken sind durch Punkte, die etwa der Zahl der
fehlenden Buchstaben entsprechen, angedeutet und nur da, wo die Er-
gänzung nahe liegt und sicher ist, ausgefüllt. Anmerkungen unter dem
Text geben die etwa nötigen Aufklärungen über Lesart und Beschaffen-
heit des Papyrus; auch werden hier manche Konjekturen mitgeteilt.
Nachträge und Verbesserungen zu seiner Ausgabe, hauptsächlich in dem
Sinne, ob eine gemachte Konjektur auf Grund des Papyrus wahrscheinlich
ist oder nicht, giebt der Hrsg. Academy 1891 No. 1017 S. 384, abgedi'uckt
in Classical Review V (1891) S. 980 flg. An der letzteren Stelle ver-
öffentlicht er auch die im Papyrus enthaltenen Fragmente des Herodas,
1 1 an der Zahl, zum gröfsten Teil stark verstümmelt, auch abgedruckt
in Revue de philologie XV (1891) S. 162—167. In der mir vorliegenden
Ausgabe der „Classical texts" stehen sie S. 116 flg. unter dem Titel
„Addendum".
Heroudae mimiambi ed. by F. G. Kenyon. Facsimüe of
papjTus CXXXV on the British Museum. London 1892. Fol.
XXni plates.
Eine getreue photographische Wiedergabe des Papyrus 135, so-
weit er Herodas betrifft.
'Hptivoou [jLiiJ.ia[j.[iot. Herondas. A first recension by W. G.
Rutherford. London, MacmiUan and Co. 1891. X, 45 S. 8.
Diese ,, erste Ausgabe" des Herodas ist nach den dem Verf. zur
Verfügung gestellten Korrekturbogen der editio princeps des F. G.
158 Griechische Lyriker.
Keiiyon bearbeitet, und zwar ziemlich rasch, wie sich überall zeigt. Sie
enthält manche glänzende Konjektur; aber das Übereilte und Mifslungene
ist so zahlreich, dal's das Gute darunter völlig verschwindet. Aulserdem
hat es der Hrsg. unterlassen, da, wo er von der hds. Lesart abweicht,
diese ebenfalls anzugeben, so dafs man immer im Ungewissen ist, was
vom Hrsg. herrührt und was in dem Papyrus steht. Eine alleinige
Benutzung der Ausgabe ist unmöglich, wie der Hrsg. selbst in dem Vor-
wort sagt. Gegen diese Art, eine „erste Ausgabe" herzustellen, hat
E. W. B. Nicholson, Notes on Herondas or Herondes. Exti acted from
„The Academy" (Sept. u. Oktob. 1891) London, Alexander & Shepheard,
heftige Einsprache erhoben, besonders im fünften und letzten seiner
Briefe, und auch andere Gelehrte urteilten ähnlich, vgl. z. B. H. "Weil,
Journal des savants. 1891. S. 655 flg.
Herondae mimiambi edidit Fr. Bücheier. Exemplar iteratum.
Bonn, Fr. Cohen. 1892. IV, 95 S. 8.
Der Hrsg., der die photographischen Facsimile des Papyrus be-
nützen konnte, hat teils durch neue Vergleichung, teils durch eigene
und fremde Konjekturen den Text wesentlich verbessert. Unter dem
Text hat er die lateinische Übersetzung beigefügt und dann den kritischen
Apparat. Leider hat er es unterlassen, die Urheber der einzelnen Ver-
besserungen anzugeben, so dafs man sich nur mit der gröfsten Mühe
über die Gründe der einzelnen Verbesserungen untemchten kann. Zum
Schhifs sind willkommene Indices beigegeben, von denen der erste die
Nomina propria, der zweite die Vocabula und der dritte Memorabilia
enthält.
I 1 ergänzt Rutherford richtig Opstsca, vgl. V. 79; Fr. Blals
Göttinger gel. Anzeigen 1891 S. 728 flg. verlangt öpr^isaa. — 2. si't-.? er-
gänzt Rutherford; Fr. Blafsl. 1. \x.ri xi^ — r^\lia^ schreibt Rutherford
mit Unrecht st. fdXEOJv, vgl. Nicholson 1. 1. S. 1 flg. 0. A. Danielsson
Wochenschr. f. klass. Philol. 1891 S. 1323 flg. erklärt Tiap' Tjixetuv eS
a-j'poixi'r,; richtig mit ,,a nobis i'ure"; unnötigerweise verlangt H. Jackson
Classical Review 1891 S. 358 flg. ti; xiüv -ap' f,ix£wv y.-rX. — 3. W. R.
Hardie Academy 1891 S. 337 flg. ergänzt: xt'c x■r^^ Oupr^v, sc. äpa'ajst;
ebenso Fr. Blafs 1. 1. und Fr. Bücheier Rhein. Museum 46 (1891)
8. 632 flg. — i-;<7)ot, wie Fr. Blafs 1.1. vermutete, hat die Hds.; es
ist =- i-(ui T)6e. Damit erledigen sich die Konjekturen von Rutherford
rrjv |xev OupTjV epstoe, Nicholson -po? Trjv iluprjv, a; (ooe oder Tipo; ttjV
öuprjv l'fF, u)0£, E. L. Hicks Class. Review 1891 S. 350 ttjv öt) !). epeiSe,
R. Ellis 1. 1. S. 360 eatüöe, 0. A. Danielsson 1. 1. xau-riv ftupvjv saojoe
oder U ««8e. Der Vers ist mit Fr. Blafs so zu verteilen, dafs die
Sklavin xi? xr,v {>upr,v und x-'; ju; 5£i|j.aiv£i; xxX., Gyllis l-^wdt spricht. —
Griechische Lyriker. 159
5 schreibt E,utherford ohne Grund tU st. sl; ebenso «ttXaivi'öo» st.
OiXaivtou; OiXatviSoc auf dem ßande ist Erklärung zu <l)iXaiviou. —
7. Rutherford giebt die Worte xaXel xti der Sklavin, estiv FuXXtc xtX.
der Metriche ; nach Nicholson 1. 1. S. 3 spricht Metriche xaXst tu; die
Sklavin sttiv FuXXic, Metriche dp-ixia F. x-X. F. Bücheier 1. 1. schreibt
xcxXsi und zieht dies noch zur Rede der Gyllis; dann läfst er die Herrin
fragen ti'c es-iv; die Sklavin antwortet I'uXXt^, und die Herrin begrüfst
diese mit «iix{iir) F. x-X. Ich stimme damit überein; nur möchte ich
xaXsi schreiben und dies der Sklavin geben, wie 0. A. Danielsson 1. 1.
thut. So fafst die Worte auch W. R. Hardie 1. 1., der jedoch FuXXt;,
afjLjita F. der Gyllis, die sich vordränge, giebt. E. L. Hicks 1. 1. giebt
xaXsi -tj der Metriche, und S. E. Winbolt Academy 1891 S. 408 flg. liest:
Metriche: xaXcirtc ssn; Sklavin: FuXXt;, ap-ixtaF. ; Metriche: azpi^o-^ -i xtX.
— 8. cs-pi<\)ow -t erklärt Rutherford richtig mit „take yourself off";
damit stimmt Fr. Bücheier „verte dum". Nicholson 1. 1. S. 8 findet
darin die Bedeutung ,,spin something" oder ,,spiu a bit" und H.
Richards Academy 1891 S. 313 flg. „turn round a seat". Unnötig ist
Fr. Blafs" j-puijov. — 9. Rutherford ergänzt richtig xt su öeo; iipoc
dvöptuTcouj, das Fr. Bücheier aufnahm. R. Ellis 1. 1. verlangt xt <ju dsXeu
-pö? dvdpüJTro'Jc und ähnlich hält auch 0. A. Danielsson 1. 1. OeXö'.j i;
für möglich coli. Aristoph. Ritt. 1279 und Kock zu d. St. F. W. Hall
Academy 1891 S. 266 vermutet {^ap-i^st?. — 10. [xrjve^ ergänzt F. G.
Kenyon. — 11. W. Headlam Athenäum 1891 S. 323 vergleicht
Theokrit n 4. 157; der Gedanke ist nicht affirmativ. — 13. tt]? XaupTfj;
schreibt Rutherford. — 15. Rutherford schreibt [im ojov st. [xü;
<j50v, und so scheint nach der Photographie auch der Papyrus zu haben;
auch Fr. Buch el er nimmt dies auf. — 16 vermutet J. H. Vince
Academy 1891 S. 563 xyj? axirjv üdpo^ -n^xsi, worin er Tidpo? mit „nur
zu bald" erklärt; unwahrscheinlich. — 17 ergänzt Rutherford ödpsuvö.
Fr. Bücheier cty/-; xs, W. R. Hardie 1. 1. S. 384 OaVt^s, A. Palmer 1. 1.
S. 408 (XTcepps. — 18 ergänzt Rutherford "cvjpa; cptXsi, was E. L.
Hicks 1. 1. billigt. Fr. Bücheier Rhein. Museum 1. 1. ouvr^ieai, in der
Ausgabe by-jv iyzi?, H. Richards Academy 1891 S. 361 sxi o&evei;,
W. R. Hardie 1. 1. y^6^o<; (ptXeT oder Imsxaxat. Ganz ohne Not schreibt
Rutherford V. 17 xaxa-jisuro st. xaxat{/s'joou , für das Fr. Bücheier
xaxa'{/£uo£o giebt. — 19. Rutherford schreibt: siXXaivs xaüxa* ttj}?
vewxspT]? ü|xiv I -posesxiv aXX\ ou xoüxo' \ir^ at dep[xrjv-/)c, die letzten Worte
jedenfalls grammatisch unmöglich; die Hds. hat OeppLTjVY). Fr. Bücheier
liest Ttpojsaxiv, dXX' ou xoüxo |xr] as 9sp|xr]v7); ebenso R. Ellis 1. 1. Auch
ich bin damit einverstanden, nur möchte ich mit Nicholson, S. E.
Winbolt, H.Richards und W. Headlam xaüxa von atXXaivs trennen
und als Subjekt zu rpossjxiv nehmen. H. Richards und W. Headlam
160 Griechische Lyriker.
ändern aufserdom ae in [xs, was ich für nicht angezeigt lialte. E. L.
Hicks 1. 1. weist die Worte a)X ou toüto [xr, ae depix/^vY) der Metriche
zu; ebenso A. Piccolomini Rivista di Filologia XX (1892) S. 461,
was der Zusammenhang kaum gestattet. — 25. W. Headlam Academy
1891 S. 362 flg. erinnert an das Sprichwort ex xETpTjixEvv)? xuXixos raeiv. —
26. H. V. Her wer den Berl. philol. Wochenschr. 1891 No. 39 S. 1218 flg.
verlangt unnötigerweise xeiö' eatlv st. xsl 6' eaxiv. Bei olxo? xrjc {}eoÜ
denkt Rutherford an den Aphroditetempel in Alexandria, in dem
Berenice mit der Göttin verehrt wurde-, richtiger erklärt E. L. Hicks 1. 1.
,,dort hat die Göttin Aphrodite ihre Heimat". — 27 liest Fr. Bücheier
6V st. oijo. H. AVeil Journal des savauts 1891 S. 655 flg. verlangt
X7J71VST' st. xal ^i'vex . — 30. 6 pacriXeu? = Ptolemäos Eucrgetes (247—221),
wie Rutherford, H. Weil uud Fr. Bücheier bemerken. — 31. Fr.
Bttcheler liest xptqCt)?, das nach seiner Angabe die Hds. bestätigt, dem
Sinne nach jedenfalls besser als ypVjCTj. — 33. ajtspa? ergänzen Hicks und
Rutherford bei Ken3'on. — 34. xfjv o' o(]>iv ergänzt F. G. Kenyon. —
35. hat die Hds. . . . OTjvat; damit fallen alle Konjekturen, die hiermit
nicht stimmen. 8. E. Winbolt ergänzt izdlon xpif^^vai; für zaXai schreibt
Fr. Buche 1er besser Ssat; dies ergänzen auch E. L. Hicks 1. 1. und
A. Palmer 1. 1. — 36 ergänzt Rutherford vtxuiaa, E. L. Hicks
XeYouaa, S. E. Winbolt Xe-fouj' oxotYjv, H. Richards auo(oc;a. Besser
ist Fr. Blals' und 0. A. Danielssons zI-oZ-jv.; der letztere erldärt:
,, mögen die Göttinnen mir den kühnen Vergleich niclit übel vermerken"
coli. VI 35. Weniger gefällt mir Fr. Büchelers looüja. V. 35/36
giebt Rutherford mit Unrecht der Metriche. — 37, eyo'jja ergänzt
Rutherford; derselbe schreibt mit Unrecht daaaov st. xax' ouv, wie
W. Headlam, W. R. Hardie, P^icholson, Fr. Blafs und Fr.
Buche 1er lesen. E. L. Hicks vermutet xa-/ ouv, R. Ellis xax"" ouv,
wie Nicholson anfangs, H. Richards x-xx' ou. — 38. Rutherford
ergänzt ^rjpäjja, w'as allgemeine Billigung fand; nur Fr. Bücheier
schreibt xaxsija. — 39. Rutherford ergänzt 7:apaxXivov, E. L. Hicks 1. 1.
l'xxXtvov, Fr. B ü c h e 1 e r besser (juvxeivov. — 40. xov vouv ergänzt E. L. H i c k s ,
R. Ellis, Fr. Blals und Fr. Bücheier: vouv scheint nach der Photo-
graphie die Hds. zu haben; damit fällt Rutherfords sc -/oüv und
H. Richards' iipo; 70UV, — 41. Rutherford ergänzt dvoptuv 7rp6?,
H. Jackson avopa Tipoc, A. Palm er oTxov Tzpo?; richtiger F. Bücheier
oiXov -p6?. R. Ellis verlaugt xXt'vaj (oder veuouj) k, H. Richards
[iUr.oua i?, Fr. Blals x7.l opr) Tipo?. — 42. oux aTcpaXY^c ergänzt richtig
Hicks; unglücklich Rutherford i8\i7vr/y]a . Auch xeivoc rjv IXOr] giebt
Rutherford mit Unrecht der Metriche. — 43. Fr. Bücheier ergänzt
7£[Ij.a>v, a av iV/oi, W. R. Ilardie ouxoi xo -payflsv, Rutherford x£i)vy]xe
Mavoptc, H. Richards ou -vw^sx'- aXX' ou. — 44. Fr. ßücheler er-
Griechische Lyriker, 162
gänzt |X£9op[xi ja j • xh oüjfjLa o', W. R. Hardie {xsvsi 6' htaz — to osipLa o ,
W. Headlam ola o. — 45. Fr. Bücheier ergänzt xaretst aetacov auxa
owl, W. E,. Hardie lawc av acpsAoi xoüxo — xouoi:, W. Headlam iT.i^yzx'
avSpac jxoipa, xouos; aulserdem spricht er die Ansicht aus, dafs in der
Lücke auch xaxar/tjac gestanden haben kann. — 46. xo fxsXXov ergänzen
W. Headlam, W. R Hardie, Fr. Bücheier; E. L. Hicks xrjv
[jLotpav. — 47. W. Headlam ergänzt Academj' 1891 S. .314 aicuv,
Athenäum 1891 S. 354 6 xotipo; -J]ßY]c (?) coli. Kaibel epig. 502, 16. 699,
E. L. Hicks xaipo? xeXsox-^c, W. ß. Hardie xu/y) 7:XavrjXr] x\ Fr.
Bücheier ßioc xad' wpYiv. — 48. (juvs^yuc rjiJtrv, wie Nicholson, E. L.
Hicks, H. Jackson und Fr. ßlafs vermuteten, hat die Hds. W. E.
Hardie und 0. A. Danielsson schwanken zwischen auvs-f/uc fjiAetov
und 7\yiXv. — 49 ergänzt ßutherford ypoviCoua; besser W. R. Hardie
yprittouG' oder -/pstCouj'; das letztere auch Fr. Bücheier coli. VII 64. —
50. ßutherford schreibt Mara-//^vr]c , Fr. Bücheier Maxa/tvr,s; im
Papyi'. steht über dem x von Maxax . vtjc ein /. — 53. 6s OiV/] vermutet
W. ß. Hardie, bestätigt durch die Hds.; H. van Herwerden 1. 1.
verlangt Ijov. — 54. E. L. Hicks vermutet x6 xaXov, i. e. xaXüis ygl.
Theokr. 3, 3. Call, epigr. 56; ebenso Fr. Bücheier, und dies scheint
durch die Photographie bestätigt. Rutherford 9' oxoTov, wofür H.
van Her wer den xe xolov verlangt. J. H. Vi nee 1. 1. schlägt xoxotc.v
„durch Zinsen" vor. — 55. Rutherford schreibt a'Dtxxoc Iwv Kui>rjpr]s"
fjv, cüppTQ-yi?, W. R. Hardie «ftixxoc ei? Küdn^pia' v^v o^p/j^i?, E. S.
Winbolt adtxxos, xal KudTrjpiT)? C7cppt7a; ccpfja — - TrXrjprjS £3xt Hesych. ,
0. A. Danielsson xivecdv a&ixxa — [xa, Kutlr^ptY) j^pyj^i?, d. h. ein Muster
der Sittsamkeit oder Diski-etion, Fr. Bücheier Rhein. Museum 1. 1.
aöixxov, Tj Kutlrjpir) o<ppr)7ts (gemma Veneris), in der Ausgabe ailtxxoc
val Ku9ripiT,v acppY)7is. Das Richtige haben vermutet E. L. Hicks,
Nicholson, R, Ellis aHixxoc si? (oder s;) Ku&T]piT)v (oder Ku&rjpsirjv)
C9prj7i? „a pure gern for Aphrodite's Service". — 56. Zu xa9o6cp xrj?
Mt'cYj?, das nicht zu ändern, vgl. Fr. Bücheier Orph. hymn. 42. 0, A.
Danielsson erklärt xaOoöü) „bei der Pompa*. Rutherford ändert
xaO' ooov xT]v Miar^;, was E. L. Hicks billigt, R. Ellis xa8^ 65ou xr^
]i-i<3rf, W. R. Hardie xaftoöw xt] 'x Fiisric. — 57 hat die Hds. xa
osCKd'f/y epojxi, wodurch alle Konjekturen erledigt sind. Dasselbe gilt
von V. 60, in dem jetzt xaxaXitst (st. dYxaXi'Cei) als hds. Lesart fest-
steht; Fr. Buch el er vergleicht dazu VI 77. — 61 verteidigt Nicholson
mit Unrecht Mr)xpi/7); das t ist in der Hds. gestrichen. — 62. W.
Headlam will xaxapxTjsov in xaxapxuoov ändern; ohne Grund. 0. A.
Danielsson erklärt „füge dich der Göttin", R. Ellis ,,turn all your
thoughts to Aphrodite"; ähnlich Fr. Bücheier „deae te applica". —
64. Rutherford schreibt oi ola TrpVjistc -^ös aoi "/«pts xelxai, E. L. Hicks
Jahresbericht für Altertluimswissenschaft. LXXV. Bd. (,1893. l.j H
\ (52 Griechische Lyriker.
xal oia -p. f^dc. pYjuti apxEiTto, K. Ellis y.al Xtoa irpyj^stc r^ ooxei^ roT av
rpYjEat, A. Palmer xdl' ota zp. r^o iruToX-f] >i;£i coli. Thuc. 6, 16, W.
Headlam xai ooia rpr^;£'.;" r)ö' e-a'.vejsi xal aot, Fr. Buch der xal oia
(oder besser oxoTa) -p. f^ösu);, -Alv/ r.tiar^. Das Richtige scheint noch
uicht gefunden zu sein. — 66. Rutherford schreibt [xot st. [jleu; ebenso
Fr. Blafs und Fr. Bücheier im Rhein. Museum 1. 1. Dagegen erklärt
&ich mit Recht Nicholson 1. 1. S. 5; auch Fr. Bücheier in seiner
Ausgabe hat [xco, wo er bemerkt: „usidejöai x'.vo? (ut dxooeiv) structura
Herodotea". Ebenso ist Rutherfords Änderung tpiXei az st. ?pi>i(u ae,
sowie die Zuweisung der Worte xal (i,a xa; Moipa? an Metriche zurück-
zuweisen, wie E. L. Hicks und 0. A. Danielsson bemerken. —
67 ändert Rutherford aus metrischen Gründen TuUJ. in TollU; Fr.
Bücheier folgt ihm darin. 0. A. Danielssoi^ hält dies für unnötig
unter Verweis auf III 7. IV 20. 94. — 68. Die Hds. hat, wie Kenyon
später erkannte, xa-a-,-Xüjaiv , wodurch die gemachten Konjekturen un-
nötig werden, — 71. Rutherford schi'eibt ytüXfjV ö' 6.z\ osiv ttwXov
£;£-ai6£u9ifjv st. -/. 0 d£iÖ£tv '/ioXb'^ (oder yu)>' av) l^£T:ai6£uaa , wogegen
Nicholson mit Recht Einsprache erhebt; auch H. Richards fj-copT)
0 detoeiv jxuip' av eS£Trai8£uja ist zurückzuweisen. Ich ziehe mit Fr.
Bücheier die hds. Verbesserung yw)' av der ersten Schreibung ytuXov
vor. Die richtige Erklärung giebt 0. A. Danielsson: „ich würde
dich gelelu't haben, hinkend dein hinkendes (garstiges) Lied voi'-
zutragen", d. h. ich würde dich dafür gezüchtigt haben, worin vielleicht
eine Anspielung auf die choliambische Form liegt. 8o auch Fr.
Bücheier in seiner Ausgabe. — 73. I'c [izu wünscht Fr. Bücheier
st. zi [X£. Unnötig vermutet st. \>.rßl s'v, '^Ckr,, -ow F. W. Hall [xtjoIv
vrf'lii. — 74. Rutherford schreibt öc X7]c [XExpyjir)?, wogegen Nicholson
mit Recht Einsprache erhebt; es ist metrisch bedenklich, ebenso wie
Nicholsons oc xs (oder ~{z) ix£xp''r,cjtv , das auch H. Richards und
H. van Her werden vorschlagen, R. Ellis" ö? {xf, ■xatp£iaic (— jj-y) £xai-
p£iai;), wobei er \t.-q = jxTjSe fafst, F. D.'s \j.r^ xr^? IJ^s'^P^Tl« Academy 1891
8 409, 0. A. Danielssons o; <[i'r,> ix£xp7;r]c. Aufserdem vermuten
H. Richards oc -■£ [xf, ixaipf;;, E. L. Hicks ixY)xpo>i7]?, W. R. Hardie
IxTjXp'jiT^c, A. Palm er |j.£ixY)vuiatj, Fr. Bücheier ixtxpTjiau'., wozu er be-
merkt: „multa lectio mitras proprie meretricum esse docet" Servius
Aen. IV 216. o'.v'ixtxpo? ixaipa Pollux IV 151. Am besten erscheint bis
jetzt, was 0. Orusius liest: fk 7' ixatpvjTt. Die Hds. hat ix£xpir)iai;, das
fx und i etwas verwischt. — 75. Rutherford schreibt artaixct |X£ st.
drocYYsXXs , was Nicholson zurückweist. — 76. Rutherford schreibt
Ilü0''w st. ri'jOlüj; dals dies unnötig zeigen Nicholson und E. L. Hicks. —
78. 'fmi schreibt Rutherford st. 'fui£t mit a über u; ihm folgen die
andern, junter Hinweis auf VII 49. — 79. xyjv [xeXatvtSa erklärt Fr.
Griecbiscüe Lyriker. 1G3
Buche 1er .,die schwarze Trinkschale". — 80. Die Hds. hat yyj/tTjixopo'j;
Tper;, wie Nicholson uud Fr. Bücheier richtig vermuten. Im Folgenden
ergänzt Nicholson slta ysuov dxpVjTou, E. L. Hicks eiia osüaov,
A. Pal mar elz a<puc73ov, F. D. sl-a uizo'/zo'^; uTzoyth als Gegensatz zu
sTTr/Eiv, und Fr. Bücheier y.atapLSTpyjaov. — 81. Rutherford ergänzt
ocujüj, das er der Sklavin giebt, Nicholson Tjoetoc, Fr. Bücheier
aopüi?; vergleicht man Jon 2, 10, so könnte man auch xuopöic lesen.
W. Headlam verlai gt y.aXöi?, das er in der Bedeutung von „dank'
schön" der Gyllis giebt, und Fr. Blafs iopio. — 82 giebt Ruther-
ford der Metriche; er gehört von ozilov ab der Gyllis. Am Schlüsse
ergänzt Rutherford o'j j' üp-yisöerjav, grammatisch und metrisch be-
denklich, W. R. Hardie ou ßap-jvösTaa, H. Richards ou 9u[j,aivo'j3a
oder y oÄaivouaa , W. Headlam ouvs-/.' oo {^up-oi, Fr. Bücheier früher
ouv 9iXoiv6v at, jetzt in der Ausgabe ou xo fxeu a77£X|xa. Von der letzten
Ergänzung abgesehen, sind alle Folge der falschen Rutherford sehen
Personenverteiluug. — 83. Nicholson ergänzt aWa ßatov wvrjilrjv oder
u)VT^fXT)v, E. L. Hicks a}X airpaxto? (uvr][j,yiv; u)V7^ay]v vermutet auch W.
Headlam. Fr. Bücheier im Rhein. Museum 1. 1. dXXa {jlt] i->iw
vü)(jov. — 84. Ratherford schreibt ohne Not ouvsy iv st. ouvsy.£v.
Am Schlüsse ergänzt Fr. Bücheier Fu^Xu, wvao ^copou. — 85 bis
Schlufs spricht Gyllis, wie 0. A. Danielsson mit Recht gegen Ruther-
ford bemerkt. Rutherford schreibt o mi -'svoi-o st. "ji aoZ -(svotTo,
W. Headlam C? 3oü 7' ovatro (oder 0^.-0). Zu [xa bemerkt H.
van Herwerden, dafs es bei Herodas looZ zu bedeuten scheine, vgl.
IV 20. 33. 43. V 56. 59. VI 4. 21. 68. Am Schlufs liest Rutherford
rpo-ivtü coi, Fr. Bücheier -oXuc '^Uoi^. — 86. Fr. Bücheier ergänzt
im Rhein. Museum 1. 1. [xot po9£lv r/j-^o-, in der Ausgabe My)tpi/y)? oivo;,
MYjTpiyTic ist jetzt nach der Hds. sicher. Besser scheint Fr. Blafs'
M. oivou zu sein. — 87. Rutherford schreibt unrichtig xriTrpasy.E'. xi;,
wie Nicholson zeigt, der -rsüojyiv n; vorschlägt; S. E. Winbolt
Tteiiwxa? au; besser Fr. Blafs -£7:cuyiv y.co, und so auch 0. A. Danielsson.
Fr. Bücheier ergänzt -ercoy.' ouxw. — 88. 0. A. Danielsson ergänzt
ai3ä> aui^ooGOi, metrisch bedenklich. Fr. Bücheier im Rhein. Museum 1. 1.
aiveoic ö' aiet, in der Ausgabe d-|'xaXiCoo oi oder dX>>a xai Csülov. —
89. Rutherford schreibt xarEvrtfxrj, wofür Nicholson y.al Siixt) setzt;
so auch Fr. Bücheier. H. van Herwerden weist darauf hin, dafs
Myrtale und Sime Hetären unter der Aufsicht der Gyllis sind. — Der
1. Mimos zeigt nach Th. Rein ach Revue des etudes grec(iues IV.
(1891) S. 209 flg. Ähnlichkeit mit den Syrakusanerinnen des Theo-
krit; die Scene ist vermutlich Rhodos. Th. Tyler Academy XL (1891)
S. 242 weist darauf hin , dafs Horaz od. III 7 wohl im Anschlufs an
den 1. Mimos gedichtet sei.
11*
104 Griechische Lyriker.
II 2. Rutberford schreibt oy) y.ouösv; Nicholson undW. Headlam
halten mit Recht die Überlieferung 6rj-/.oui)sv. — 3. Die Hds. hat ttjv
vrjuv, wie A. Palm er und Fr. Blafs vermuteten. — 4. 6' ejj-ouc schreibt
F, Gr. Kenyon, Rutherford, Fr. Bücheier; A. Palmer i'iia 6e [xü;
ä'pTouc, sc. Tpa)-)u). — 5. Nicholson liest 1. 1. S. 13 dXX' eiirep e^ei B.
Tt 7:rj}jLr,vac, das letzte jedenfalls richtig, der Anfang- kaum in den Zu-
sammenhang passend; nicht zu billigen ist "W. Headlams iXl" ei'-sp
B. y.aTr||xuaas, — 6. F. D. ergänzt: xi |jly] ''(xaXeu); xauxov 7ap d^iui xXaüuat,
Fr. BUcheler in seiner Ausgabe [j-t, oty.rjv 6üi. — 7. W. Headlam ergänzt
|j.a|xixrj^, Fr. BUcheler schreibt mit F. G. Kenyon 6 [xastöj viiaj, giebt aber
an, dafs man auch oixaaizi? o'der |i.aaTt; und nachher rjiaae (oder >;iajev) äv
lesen kann. — 9 hält Fr. Bücheier v.aXlwi für richtig, da vorher-
gegangen sei z.B. T,v [xar erastxüi?. — 10. Fr. Bücheler bemerkt : „in
margine P vEfxetv habet, ut appareat agi de patrono inquilini (Suid.
v£[jL£>v -po5taxr,v) cui Mevvtjc aut plenius nomen. an vsjxciv omissum erat
initio versus?" — 12. Fr. Bücheler ergänzt xrjxt. — 13. Die Hds. hat
xou fjXt'ou ouvxo?, wieF. W.Hall und W. Headlam vermuteten. Nicholson
vergleicht dazu V. 25 und glaubt, dafs V. 13 mit xvJTzpyjcje begann. —
14. W. Headlam ergänzt: aveuöe (j.6ydu)v, avopsf, tO.rc/z y/.aTvav vgl. 21;
Nicholson hält eppTj/e vor yÄaivav für möglich. — 15. Fr. Bücheler
ergänzt 17(0 xw Trpo^xaxrj o£Öa)pr,ixai, 0. Crusius iJ.£i)cupt(7!JLa'.. — 17. Fr.
Bücheler ergänzt a.}X vj g'x-^t^^ xvjxrjsxaxiv, 0. Crusius vSr] xi xpax£T.
Am Schlufs hat die Hds. Xi[i.6v. W. Headlam axfcouja Trpiv xaxiaxa
X7)v xaxTjv Xijxov. — 18. Nicholson bemerkt mit Recht, dafs Tupou st.
xupou zu schreiben sei. W. Headlam ergänzt TtEpva?, F. D. Ttupou? os
-£pvas £x Tupou, XI xtü or]|i.o). E. L. Hicks bezieht ex Tupou xt xw ot|[xo>
auf eine Schiffsladung Weizen, die Thaies von Tyros nach Kos brachte,
vgl 19. 20. Ebenso scheint sich x£ivr,v V. 20 auf eine der Waren des leno
zu beziehen, von der in den verstümmelten Versen die Rede war. —
]9. W. Headlam ergänzt -^v ^ap out^' ouxo; -upo-j?, F.D. }j,£X£6ü)x£; oiupE/^v 7'
ap (oder 7(ip) ou8' ouxo; «tupou;, Fr. Bücheler -poxiOrijxi' o(üpeT,v 7ap oux'
ouxo; xxA. — 20. W. Headlam ergänzt ouvaxoc aXr^öeiv oux" £7(0 uaXiv 7:£ivf^v
F. D. oiocüj' aX-/;&£'.v oux' £701 zaXiv xEivyjv, Fr. Bücheler am Schlufs
xa/.r// y.'.vErv. — 26. Rutherford schreibt x/jcp' st. xa'f'. — 27. A. Palmer
vermutet Äu;x£ojv st. u[j.£a»v, H. Richards Xy;c;£i st. Xuj£i u. st. ujj-etuv ein Par-
ticip im Sinne von „wegnehmen" ; beides ohne Grund. — 28. Die Hds. hat ov
£ypr,v auxov; Rutherford schreibt xov auxov lyp?]v, ebenso E. L. Hicks,
richtig R. Ellis ov ypy-v iauxov, ebenso Fr. Bücheler, W. Headlam,
Fr. Blais, H. Weil. H. Richards wünscht ov ypr^v |j,£v auxov, [lzw dem
o£ (31) entsprechend. — xt;x st xdx Rutherford und E. L. Hicks.
— 29. Rutherford falsch Tic'fuprjxat, xoiT w; st. Tzcouprix' zloo-''
<'Ji. — 30. R. Y. Tyrrell verlaugt £u 6Y)p.oxüiv Trprjjjovxa,
Griechische Lyriker. ]ß5
ohne Grund. — 34. Rutherford schreibt TroXir^xrj? st. T.oKi-r^;. —
39. Rutherford schreibt xot TiavTa; Nicholson hält die Kenyonsche
Lesart r^, tA^^xol „siehe, alles" u. s. w. Das Richtige fand Fr. Blafs
fcavTa, das durch die Hds. bestätigt wird. — 43. ou dvei'-v] vermutet
H. Richards; Fr. Bücheier 'veittt). — 44. Die Hds. hat: [xtj Tipo^ ts
xujoc cpY)au 0. A. Daniel sson schreibt t' 6 (od. x)" 6) st. ts, indem er Ttpoc
mit „insuper" erklärt. A. Piccolomini 1. 1. vermutet -poa»)' 6 xujoc <fr^a'.,
und für rfr^v. tritt auch Nicholson ein. Ich halte diese altepische Form
für unpassend und lese lieber mit Rutherford cp-r) xt, wobei ich aber
dessen rpo? x' axupov zurückweise. Meiner Ansicht nach lautete die
Überlieferung [xy] Tipo? x' 6 xuao? 97] xi; Trpo? „dazu". W. Headlam
vermutet rpoc x6 Muaov, (pasi, yw, H. v. Herwerden ~p6s x' axupov
pET) XI, sc. xou uSaxo?, W. T. Purton Academy 1891 S. 563 irpo? 72
xuoov r)auycüxaxY)c rj[i.rv, A. C. Pearson Class. Review 1891 S. 483
3xp6? x£ Muao?, wodurch 97)51 erklärt werde, vgl. Mujüiv Xsia. A. Palm er,
upoc 72 MuGOi?, 'fTjai, '/Co, E. L. Hicks -po? 7' 6 ypuaoc, <pri5i, yuj.
Fr. Bücheier rpoc xs y.ujoc, 'frjji, yw xxX. „ne insuper etiam culus —
ita nempe istud ait proverbium — praeter stragulam nostram cedat in
praedam", W. Headlam später irpo? xs xuao'v, 97)51, ym coli. Poet. lyr.
ed. Th. Bergk fr. adesp. 25; R. Ellis hält xuao? für neutrale Form
und vergleicht dazu xuj&o;; xaTiy]? ist nach ihm ^^ a^raxr^c = a-axeuiv.
F. B. Jevons Academy 1891 S. 384 liest \}.-q — irpo? 7s xujov 97)7-,
yßi xaiTTjc Tjjxiv — x6 xoü X670U xxX. „aus Furcht — im Vertrauen oder
unter uns gesagt — dieser Teil meiner Rede könnte mir gestohlen
werden". St. yu> xauT)? schreibt Rutherford 0aX-^? ebenso unnötig, wie
A. Palmer yJ) TdfJBT)? rjixtv „unser Phrygier". — 45. xo xoZ X670U or^ xouxo
„wie das Sprichwort sagt' ' ; so erklärt W. Headlam richtigund verteidigt diese
Erklärung durch viele Beispiele gegen Nicholsons Zweifel. Rutherfords
Xr^iT) st. Xtjit)? weist Nicholson mit Recht zurück. — 46 flg. gehören
dem 7pa[jLixaxeu?, nicht dem Battaros selbst, wie 0. A. Danielsso n
mehat, der nach V. 45 die bei den Rednern mit v6|xo; bezeichnete
Redepause annimmt. — 47. Rutherford schreibt 2Xxcdv st. exwv, was
Nicholson mit Recht füi* unnötig erklärt. — 48. Fr. Bücheier be-
merkt: „Dorius legum conditor quasi auctor Coarum, Xapuivoa? prima
correpta Attice." — 50—54 teilt Rutherford mit Unrecht dem
7pa{X[jLax£u? zu. — 51. Rutherford verbessert mit Recht 97)517 in
97^5. — 53. Rutherford schreibt ohne Not oupou? st. opou?, das
H. Richards zweifelnd in ouoous ändern will. — 55. Rutherford
ändert 0aX% ohne Not in öaXTJ um, dagegen schreibt er mit Recht oTa&a
St. olaOa?; SO auch Fr. Bücheier. — 57. E. L. Hicks bemerkt, dafs
BpixtvoTjpa ein Hafen von Rhodos war; dagegen Fr. Bücheier: ,,Bricindera
ignota", quaesita syllabarum cum Abderis consonantia". — 62. Die Hds.
16(5 Griechische Lyriker.
hat xaT:i73r,[, korrigiert in xrj[jLzijar,t. llutherford schreibt "/tj 'P- i^i<JJTi
[XU? =- xoti 7j £v TttcjaT), wie F. G. Kenyon sagt, Fr. Bücheier xrjv = xai
£v. 0. Crusius Philolo^us 50 (1891) S. 719 vermutet xdv Oiffar] Mo.-,
indem er bemerkt, INIys ist hier der geprügelte Faustkämpfer; ich stimme
ihm bei, nur würde ich -at^ii., bzw. xrjv halten. — 64. Rutherford
schreibt jjLtuöoy st. [xts&ov, mit Unrecht, wie Nicholson zeigt, der darauf
hinweist, dals Battaros den 3. Teil des Erträgnisses des Hauses als
Miete zahlt. Ebenso Fr. Bücheier: „domnaedius pro mercede xoxou;
EzixpiTouc exigebat". Unrichtig erklärt 0. A. Danielsson TpixTjv mit
,, vorgestern". — 65. otztöc „versengt", wie E. L. Hicks, Nicholson,
W. R. Hardie, 0. A. Danielsson, H. Weil bemerken. — 68 flg.
hält E. L. Hicks für eine Parodie auf das bekannte Mittel des
H3T)ereides in der Verteidigung derPhryne. — 69. xaziuöc Rutherford
St. xatcu&ev. — 70. 0. Crusius wva^rjc ^^ 6 ava-j'y^c; 0. A. Danielsson
vergleicht Hesych. dva7r^? = 6 iva^v^c r^ ßepT]Xo?. — 72 ergänzt Fr. Blafs
richtig lirei xo aifx av Izv-f. coli. 6,10; ihm folgt Fr. Bücheier.
Rutherford schreibt s-d ToX|xav, R. Ellis e-öi wv xoXjjiav, E. L. Hicks
£-£i TOI }j.' av, J. Jackson ir^d -Jr^ z\i av, indem er zu tov £|X£ Plat.
Phileb. 20 B, zum Daktylos 4,19 vergleicht, W. R. Hardie enei airX^v'
äv coli. Aristoph. Thesm. 3; i-lr^ rührt von E. J. Palm er her. —
72. Dals in <piXi ein Eigenname steckt, betont 0. A. Danielsson mit
Recht; er vermutet OdvjTa;, W. R. Hardie OiXitttto?, A. Palraer
<I)iXrvov oder (I)iXrjfjLtuv , 0. Crusius C)iXivoc, Fr. Bücheier OtXiatoj.
S. E. Winbolt liest cpiAußpic und H. v. Herwerden ^ftXrjaa? {-= epaaÖEi?).
Am Schlufs des Verses hält der letztere 6 ßpr/xos und glaubt, dafs dies ein
unbekannter Barbar sei, der eine Dirne auf ähnliche Weise wie Thaies
mifshandelt haben mag. W. Headlam vermutet 6 Bpa-f/oi coli. Lactant.
ad. Stat. Theb. VIII 198 flg. und hält eine Anspielung auf die bei
Athen. XIII p. 605 F. erwähnte Geschichte für möglich. S. E. Winbolt
wünscht ij Bpr/yo;-, 0. A. Danielsson erklärt ßp£7xo; für einen Spitz-
namen = ppr/xoc; 0. Crusius liest xote, pri'xEt?; oder Bpsixoj,
W. R. Hardie 6 ßpEvi%;, Fr, Bücheier 6 apejxoj. — 76. Rutherford
schreibt ohne Grund ^tau(j.ßpo; st. 2i5U[Aßpa?. Fr. Bücheier vergleicht
Ovid fast. IV 865. — 78. Rutherford ergänzt l-{io \i'{oi\i , was
E. L. Hicks billigt, Nicholson verwirft, indem er T^apsEco 'v Xeoj
verlangt, 0. Crusius Xstp Xf/otfji', H. Richards e-'oj, Xirjv oder -/e o^
'/.i'loi.\x, E. J. Palmer und W. R. Hardie XErjXaToifx', bzw. XsT^XaTEotp.',
ebenso W. Headlam und R. Ellis, 0. A. Danielsson Xewv X£7ot|x', Xewv
als Prädikat des Bedingungssatzes vgl. CaUim. I 429 (Schneider),
A. Palm er Xewv Ei'roijx' „ich wäre so tapfer wie ein Löwe und würde
sagen". Am meisten entspricht bis jetzt Fr. Bücheier Xsovx aj/o\.\}.\
Am Schlüsse des Verses schreibt Rutherford ei'tjv st. eiV); 0. Crusius
Griechische Lyriker. 167
leitet eiV^ von slixi ab. — 79. Rutherford liest MuptaX/] xdiv awv evoov
st. MupxaXr]?- ouSev oöivov, H. v. Herwerden epqt? jaev i'atu; MupxaXT) au tü)v
ev6ov, beides ohne Grund. — 80. Die Hds. hat nach Keuyon sTiupeov;
dies verteidigen Nicholson und Ü. A. Dunielsson; der letztere er-
klärt es mit Ißojxov, fügt aber bei: „oder eTrupveov?" Rutherford
schreibt e-upoov, was E. L. Hicks billigt, W. Headlam eTY^peov,
W. R. Hardie, H. Richards, A. Palmer, Fr. Blals, 0. Crusius,
Fr. Bücheier Tiupuiv. — 81 erklärt W. Headlam richtig: d tj xapSia
jo'j e'pioTi OaXTrsxat; unnötig verlangt Nicholson rj st. r], Rutherford
aoi st. aeu. — 82. 0. Crusius hält Baxxapiw, das man gewöhnlich in
Baxxaptp ändert; vielleicht mit Recht. — 83. Fr. Bücheier schreibt
ri auxos st. xauxoc, Rutherford falsch xt] st, dXi^. — 84. 0. Crusius
verlangt mii Recht l'vsaxiv st. Iv o' ejxiv, wofür H. v. Herwerden Sv
ö' eW eV vermutet. — 87. Rutherford schreibt mit tTnrecht xf]v st.
^'v, richtig dagegen olov, worin ihm 0. Crusius folgt; Fr. Bücheier
hat öiov. — 96. Fr. ßücheler bemerkt: ,,hospitalitatis Coorum exempla
immortalia, Hippocr. epist. 9,1." — 97. Rutherford -/.o-z st. xüic, was
E. L. Hicks und Nicholson mit Recht zurückweisen. Nach 96 ist
nur Komma zu setzen. ~ 98. E. L. Hicks mit richtiger Trennung
nach den Andeutungen in der Hds.: xsü x^'p^^^ was allgemein aufge-
nommen wurde. Fr. Bücheier bemerkt zu dem Vers: „hoc novum
est cf. Callim. hymn. IV 160." — Nach A. Palm er ist der 2. Mimos
eine Parodie auf die Midias-Rede des Demosthenes.
im — 57 gehören der ]VIetrotime,wieO.A. Danielsso ngegenRuther-
f ord mit Recht bemerkt. — 2. H. Richards wiU x' nach ^or^s streichen.
— 3. Fr. Bücheier bemerkt: „hinc catomidiare". — 5. 0, Crusius
erklärt ax£7T)v mit „Hausstand, Familie", yaXxivöa V. 6 mit ,,Hazard-
spiel um Geld"; zu dem letztern Wort vergleicht H. Weil PoUux
Onom. VII 105: /aXxt'Cetv, zaiStSc xi sioo?, ev r] vo[xi3fJLaxt 7)pxtaCov. —
7. 0. CTrusius und Fr. Bücheier weisen darauf hin, dafs die 2. Silbe
in aaxpaYcxXat gedehnt ist, wobei jener (fapjxaxos bei Hipponax, dieser
i-iri vergleicht. W. R. Hardie und H. Richards wollen oopxaoe?
lesen. — 8. Nach [xe^ov ist stärker zu interpungiereu, wie E. L. Hicks,
H. Richards, 0. A. Danielsson sahen; Änderungen sind unnötig.
E. L. Hicks vermiitet you st. xoü, F. B. Jevons xou mit Verweisung
auf das Sprichwort ou-ox i'oysv tj Oupa, H. v. Her wer den xou [j.tv . . .
xXei'ei, W. R. Hardie xoy [aev es duprjv (poixi5. — 9. H. Richards ver-
langt xEi st. xai, kaum nötig. Fr. Bücheier bemerkt: ,,mercedem
menstruam quam Roniani idibus, Metrotime pridie Kai. solvit necessitate
instante [xsxa oaxpucuv ixsxsuouca: ita proverbium explicat Zenobius VI
10 Phrygum regem fuisse Nannacum uarrans, cf. vtvrjctxov neniam, xd-t
Navvaxou pro antiquissimis (Macarius 8,4}". Vgl. auch Kenyon zu der
IGS Griechische Lyriker.
Stelle. — 11. /i^s'.s St. Xr;;£ie E. L. Hicks, H. Richards, Fr. Blafs,
Fr. Bücheier, 0. A. Danielsson, H. Weil, 0. Gercke und
Günther Wochenschr. f. klass. Philol. 1891 S. 1320 flg.; H. Jackson
läl'st die Wahl zwischen li^ziz und os-'^sis, während Nicholson II S. 5
Xrfiziz schützt. Im folgenden schreibt ßutherford -/Iijly^v st. ^s |j,v^v,
was Nicholson mit Recht zurückweist. iraiarpT) wird allgemein „Spiel-
saal, Spielhaus'" erklärt. — 12. H. Richards unnötig oxot-sf; st. oV.ou-
-£p. — 16. 0. Crusius konstmiert richtig : 7:po tou iTit xoty^ov ipixlvo; xou
-rr^; ya}jL£uvrj;; Fr. B üchel er trennt yaiJLsuvrjj und spfj-ivoc durch Komma.
— 17. Fr. Bücheier und Fr. Blals schreiben yjv st. y.fjv coli. Eurip.
Med. 30; ebenso A. Palmer, -mit Recht. A. Gercke und 0. Günther
lesen xvjv, [ir^Y.o-' y.-Ä. , Rutherford [xrixst', H. Richards ixt^xet' . . .
ßXe<{y'(j st. jxr^xot . . . ßXe(|>a?, R. Ellis ot^xot . A.. 0. Danielsson er-
klärt die Überlieferung: ,,auch wenn er sie niemals — so wenig Mie
den Tod — gesehen hat und nichts Schönes darauf geschi'ieben, sondern
nur sie ganz abgekratzt hat." — 18. Rutherford schreibt: t^^^ri
}i£v, o'joev xaXov, sx 8' oXov $uet: ebenso A. Gercke und 0. Günther;
H. Richards ^patj^si . . • ^uaei. — 19. Die Hds. hat 8k Xmaptoxspai,
wodurch alle die zahlreichen Konjekturen überflüssig werden. W. Headlam
vergleicht das Sprichw'ort: Xi-apwTspoc \6'/yoo und XtiTapojxepos Xtjxuöiou.
0. Crusius stellt oopxaXtos? mit xp-r)-rö£? zusammen. Unnötig ist die
Forderung A. C. Pearsons und Th. Reinachs Revue des ctudes grecques
IV (1891) S. 223 Anm. 4, V. 20 u. 21 umzustellen, um r^? Xyjxü^ou
y;[j,£ojv näher an Xi-aptuxspat 7ioX>.ov zu bringen. — 20. Zu «puaTj; ver-
weist 0. Crusius auf Hesj'ch. 'füaa- aaxo?, indem er das lat. buUa ver-
gleicht. — 21. Rutherford ändert ganz willkürlich die Überlieferung
in xal x^ y-'JÖpT] fj[Ae(uv -q. — 22. Zu oüö' aXipa auXXaßyjv vergleicht
Fr. Bücheier Dionys Thrac. p. 632 b 25: dadurch wird H. v. Her-
werdens aX'f' ouol cuXXaßrjv unnötig. IL Richards verlaugt jüXXafJiuv.
— 23. Rutherford schreibt xwuxo st. xauxa, mit Unrecht, wie
Nicholson zeigt. Dagegen schreiben Fr, Blafs und Fr. Bücheier
mit Recht ßcuir^ st. ßuidat. — 24. Rutherford schreibt xpiilrip-epT, ; ebenso
Fr. Bücheier st. xpiOrjfXEpGt; A. Gercke und 0. Günther xpiö' rjjjLEpot,
kaum richtig. — 26. li\i.<oy ist, wie Rutherford und Fr. Bücheier
angeben, der Name eines Wurfes beim Würfelspiel, vgl. Pollux VU 205.
O. Crusius will darin aufserdem noch unter Hinweis auf proverb.
Alexaudr. 1 die sprichwörtliche Bezeichnung für „Schuft" im Gegensatz
zu Maptov, dem Heros vgl. Pausan. III 12, 9 erkennen, was meiner An-
sicht nach zu weit abliegt. — 29. acupi'r) erklärt 0. Crusius richtig
mit „schlimme Zeit, Alter"; ebenso Fr. Bücheier; unrichtig A. E.
Crawle^' Academy • 1891 S. 314 „carelessness". H. Richards ver-
mutet ohne Grund xiljaiv diropiTj?. — 30. Rutherford schreibt Itty^v st.
Griechische Lyriker. 169
Eiieav. Zu prjji; vergleicht O.A. Danielsson Aristophan. nub. 1371;
es ist wohl — so 0. Crusius — der Anfang einer tragischen prjsts ge-
meint, vgl. Aeschyl. fr. 200 p. 67 N-: a^peu? 8"A-6XXa)v. Fr. Bücheier
scheint die Worte "AttoXXov a-fpeü als Ausruf der Mutter zu fassen:
Rutherford giebt sie gar dem Lehrer. Die Worte ola 7rai3t3xov, die
Rutherford gänzlich mifsverstanden hat — „tlie boy is asked to explaiu
the meaning of Ttaiotjxos" — erklärt E. L. Hicks richtig: ,, wie es ein
kleiner Knabe soll" ; ebenso W. R. Hardie, 0. Crusius, 0. A. Daniels-
son, Fr. Bücheier. A. Palmer schlägt vor oia Trai? oisxov als An-
fang einer Fabel, die der Knabe deklamieren soll. — 32 ist Apposition
zu 6 raTr]p, keine Vergleichung zu 33, wie es Rutherford,
W. Headlam, R. Ellis fassen. — 33. Rutherford schreibt h^aZxoL
xojxi'vou Ix st. evTauö' oxws viv sx; A. Gfercke und 0. Grünther fassen
ox(u;=oTc; besser wird man mit andern oxw? = (oc nehmen. Zu xsTp/j-
{xsvr); ergänzt E. L. Hicks yuxpa?, W. R. Hardie uopia? oder upoyoy;
ebenso 0. A. Danielsson. Fr. Bücheier bemerkt: ,,in proverbio est
£x T£Tpr,{j.£vy]f xuXixoc Tcivsiv. imago tracta a percolantibus (Persius I 35)."
0. Crusius versteht die Worte mit Recht von dem stockenden, tropfen-
weisen Vortrag, den die Mutter in den folgenden Worten "AizoXXov afpsü
nachahmt. — 34. E. L. Hicks fafst ''A-oXXov a-^psu . . . (pYjixi als
Zwischensatz: „I do declare, by Apollon, it's true"; A. E. Crawley ver-
langt dp7£u st. «Ypsu, das er als „God of vacations" erklärt. — 35. Die
Hds. hat TaXr,s, das A. Gercke und 0. Günther halten = TaXas;
ebenso 0. A. Danielsson, der aber auch einen Hyperionismus für
möglich hält. Rutherford schreibt xaXas, wobei er die Frage offen läfst,
ob nicht ein Eigenname TaXrjs oder TaX?) zu schreiben ist Auch
0. Crusius vermutet xaXa?. E. L. Hicksr schlägt xa X-^? vor, und
so schreibt Fr. Bticheler, was mir wegen der Zweideutigkeit ,,was
du willst" unangemessen erscheint; ich halte xouxo für das Objekt zu
£p£t „dieses bestimmte Stück", das jetzt gerade von dem Knaben ver-
langt wird. F. B. Jevons vermutet ai XtJ]?, W. R. Hardie xaXridrj, was
schon metrisch anstöfsig ist. — 39. A. C. Pearson vermutet ohne Not xc''p£i
st. x£ip£t. — 43. Rutherford schreibt etit^v st. s^Eav, und dann iow
jj-iv st. io(ü[jLi; dieses vermuten auch Fr. Blafs und Nicholson. Die
Überlieferung halten Fr. Bücheier und A. Gercke und 0. Günther,
meiner Meinung nach mit Unrecht, da man diese homerische Form dem
Ilerodas kaum zutrauen kann. Ich vermute i'(3cD|j.at. Die folgenden
Worte giebt Rutherford dem Lampriskos, indem er xoü schreibt; das
Richtige ist xou; die Worte gehören auch der Metrotime. — 44. Die
Hds. hat ixict, wozu Fr. Bücheier bemerkt: „minus probabile ixta pro
ixfitvoi; dictum, cf. Babrii fab. 125". Er schreibt ititj, E. L. Hicks
tx£a, A. C. Pearson oti^ioi; das Richtige scheint ixpia zu sein, das
1 70 Griechische Lyriker.
Rutherford in den Text setzte, vgl. ■it^varuaixaxo; V. 46, das, wie
0. Crusius sagt, „Kuchen" und „Ziegelplatte" bedeutet. — 49. Euther-
ford schreibt dtXrjf^iV st. /(JXyjBiv" und toovia st. (336vTa, wasE. L. Hicks
billigt, aber Nicholso n mit Eecht zurückweist; W.Headlam verlangt für
den — allerdings nicht vorliegenden — Fall, dafs der Vers auch noch zur
Rede .i er Nachbarn gehört: |i.Yj6' loovra -[ivcuaxsiv; ebenso H.Richards.
S. E. Winbolt vermutet i^ovxaj, metrisch bedenklich, H. v. Herwerden
i66v-a ix7)vüffai und A. E. Orawley ooovt dxivYjTsiv. O. Crusius macht
darauf aufmerksam, dafs ooovta xtvsTv, das sonst ,,essen'' bedeute, hier
derber Ausdruck für „sprechen" sei, und Er. Bücheier bemerkt:
.,proverbium (566vTa xivsTv -mitius quam brf^zv/ sumptum a capris." —
50. pa'xiv erklären R. Ellis, 0. Crusius und Fr. Bücheier, wie es
scheint, richtig mit „Rücken" (0. Crusius fügt noch bei ,, Nasensattel?");
ebenso Rutherford. 0. A. Danielsson bringt paxis in Zusammenhang
mit paxo? und übersetzt: „sieh, wie schäbig seine Lumpenjacke ist von
all dem Unrat, worin er sich herumgetrieben hat." F. B. Jevons ver-
mutet pacptv von pacpU = U7i68r)[jia: uXr) ist dann = „Schmutz"; zu
XeXETTprixs vergleicht er Aristoph. Fr. 511. — 53. Rutherford be-
merkt, dafs der 7. und 20. Tag jedes Monats dem Apollon geweiht
sind; es sind also Ferientage. — 55. Rutherford schreibt oT ufisTc -.
a-.'tvsTTs; R. Ellis, W. lieadlam und Nicholson schützen die Über-
lieferung ot' fj[j.o; -. a-j'ivvjTs. 0. A. Daniel sson weist auf Apoll.
Khod. hin, der öfter fjfxo? oxe verbindet ,, des Tags wo". H. Richards
vermutet voeuvxa o^fxov u. a^tveüVTa. E. L. Hicks und 0. Crusius
übersetzen 7rat7viV,v mit „Schulfest, Ferien". Auch Fr. Bücheier
schreibt dtYivsixs, da ihm der Konjunktiv weder dem Sinn noch den
Partikeln ox' f,|xos angemessen erscheint. — 56. Rutherford schreibt
mit Unrecht i( xt deoi st. et xi aoi. — 57. Rutherford et ok st.
aiöe, womit die Musen gemeint sind, die in der Schule aufgestellt
waren. Mit diesem Vers lassen "W.Headlam, Fr.Bücheler,O.A.Daniels-
son, A. Gercke und 0. Günther die Rede der Metrotime schliefseu;
besser setzen R. Ellis und Fr. Blafs den Scblufs nach }j.tj 'Xa^jov
aüxw. — 58. H. Richards vermutet [xtj iJ.5aaov st. |jl?j Xaaaov, indem er
diese Worte dem Lampriskos giebt. St. auxw liest Rutherford auxa,
E. L. Hicks und Nicholson auxuiv. Den Dativ MyixpoxtfjiT; schreiben
Rutherford, E. L. Hicks und Nicholson. Um das Versmafs am
Schlosse herzustellen, vermutenE.L. Hicks, A. Gercke und 0. Günther,
0. Crusius e-eu/oio st. e-eu/eo, was Nicholson für unzweifelhaft richtig
hält. 0. A. Danielsson ergänzt eixeti (^ r, ii).oi) vor l-zdyto, H. Richards
fjLot: das Richtige scheint <fj.:?j> ire-j/eo zu sein, dasR. Ellis, H. Jackson,
Fr. Blafs und Ff. Büchelor fordern. — 59. Rntherford schreibt
}j.e^&v st. }i£tov, unrichtig, trotzdem es E. L. Hicks billigt, wie Nicholson
GriechiPcbe Lyriker. 171
zeigt. W. R. Hardie bemerkt, dal's Euthies, Kokkalos und Pliillos
Schulkameraden des Kottalos sind; ebenso H. v. Herwerden, der
Oi'AXi? st. OiXXo? verlangt; weniger richtig denkt Rutherford an Sklaven.
— 61/2. Das Richtige scheint tt] WyAatui zzXri^^oLiri \ osuovte? zu sein,
wie R. Ellis, Fr. Bücheier, 0. Crusius, A. Gercke und 0. Günther
vermuten. 0. Crusius fafst ösi^ovxs? = e-i'SeuovTs;, wie ein i}aufj.a;
R. Ellis weist auf das die Scene veranschaulichende porapeianische
Gemälde hin. Fr. Bücheier bemerkt: „verum puto 'Axeseu): i. sus-
pensum habituri ac resupinum, nam ista luna in pendenti est semper
neque apparet aversum iter teuens pro adverso. fuit proverbium ItiI
6iafJL£v6vTcüv xal ßpaSuvovxcuv, ettI dvaßaXXofJLSvtuv -pa^at xi." Vgl. auch
Rutherford, jedoch ist es nicht richtig, wenn Ps. - Diogenian dem
Sprichwort Aaxwvixac asXr,vac den entgegengesetzten Sinn geben will,
und Fr. Bücheier hätte dies zurückweisen sollen, oei^ovxs? ist An-
rede: „ihr, die ihr ihn dem Mond des Akeseas zeigen, d. h. ewig zaudern
wollt?" Daher ist auch 0. A. Danielsson ixyj 'Axejew xtX. zurück-
zuweisen. R. Herzog schreibt SiCovxsc, H. Richards versuchsweise
Xt^^ovxs?, W. Headlam X^$ov, H. v. Herwerden Xs^ov. Rutherford
schreibt xt] A. asXTjvatY]; | oe^ov xe a atvscu. — 63. 0. Crusius verteidigt
7re|A7rctv == „werfen" und erklärt aoxpaßoa (V. 64) acjxpaßüi; = „ohne zu
schütteln", vgl.PersiusIIISO. PolluxIX?, 103. —64. Rutherford schreibt
asxpaßöoxcüj-sp oioa st. oTos, E. L. Hicks ajxpaßoox' cojTisp oiöa, indem er
daxpaßooxo; ■= aaxpaßoooxo; „Packesel" fafst und: aiJTrsp olda. auf ö. -ai'Cetv
bezieht. F. B. Jevons vermutet axpsTrxivö' oxcüff-ep oTos, S. E. Win-
bolt dcjxpaßvic oxfosTTsp oloa oder a? xpauXov w? Trpä'fiA oioa; xpauXov =
rßh Hesych., H. Jackson ajxpa-(6\ Das Richtige ist aixpaSo oxcüjjiep
o7o£, wie W. Headlam, Nicholson, A. Gercke und 0. Günther^
O. A. Danielsson und Fr. Bücheier lesen. W. Headlam vergleicht
atjxpaß^a mit xußöot, ohne eine Bedeutung anzugeben, Nicholson nach
Gardner „ohne zu drehen", auf die Hand des Spielers oder besser auf
die Würfel bezogen, R. Ellis bezieht es auf die Stellung der spielenden
Knaben, 0. A. Danielsson „ohne auszureifsen", Fr. Bücheier „in-
corrupte". Mit dloz sind die oben genannten Schulkameraden gemeint. —
65. irpouvixoisi ßutherford mit Recht st. Tipovixoisi. — 66 flg. S. E.
Winbolt macht auf die Allitteration des x, 0. Crusius auf die
Aristophauesreminiscenz , vgl. Lysistr. 473 flg. aufmerksam. — 67. Die
Hds. hat xap'fo; zl, was ganz richtig ist; zu xivelv \xrfik y.dpfoz vgl.
I 54. Rutherford liest mit Billigung E. L. Hicks xap(pio'j xo f
Y)xi3xov, R. Ellis xap'foc £v x6 7' f^xisxov, H. V. Her wer den x. v^ xo 7"
^xirrov, W. Headlam xap^eos t6 7' TJoiaxov, H. Richards xapcpo; ei xö
|xrjX'.3xov. — 68. St. cxüXo;, ungewöhnlich für axuXo;, vermuten H. Jackson,
H. V. Herw.erden und 0. Crusius axüxo; -= tj ßoo; xepxo;, ohne Not.
17i' Griechische Lyriker.
llutherford schreibt r, st. f,. — 69. ßutherford liest xtJ st. m. S. E.
AVinbolt verlangt zeorjta^ „hinderers". — 70. Die Hds. hat /oXrj. E. L.
Ilicks, W. R. Hardie und Fr. Bücheier lesen yol^; besser ist -/oAr^v,
Avie ßutherford, H. Richards, Fr. Blals, 0. Crusius, A. Gercke
imd 0. Günther, 0. A. Danie.lsson vermuten; nach dem letzteren
ist ß^Sat — l^ihoii. Rutherford schreibt mit Unrecht Xrj^at, H. Richards
pfjSat. — 71. Fr. Bücheier schreibt [xy] jx ixexeuu) st. [jlt) [j-yj txexeuü),
nunötig; dagegen bemerkt er mit Recht, dais su als Kürze gebraucht
sei; 0. Crusius vermutet geradezu ixetsw und A. Grercke und
O.Günther Ixs-üi. Daher sind alle Konjekturen unnötig; H.Richards
}jl/, (jl' oder [j-Y] [jLTj avTOfj-ai, ßutherford riptffxs st. Aajj.Trpi5X£, R. Ellis
'Afj.-pi3X£, F. W. Hall Aa[j.rpiax£ [j-tj \i ixetsuü) irpo? as, W. Headlam
jj-Y] |j,Y) ixexsutu rpo? az Mouuewv AajxTipiaxe. — 72. E. L. Hicks liest
xoTTioo?; ebenso Fr. Bücheier, der übersetzt „capitale tuum Ingenium";
besser schreibt Rutherford KottiSo?, Koseform st. KozxdXoo „bei
meinem Leben"; so auch 0. Crusius und 0. A. Danielssou.
H.Richards will unter Kottis das Kind oder die Frau des Lampriskos
verstehen. — 73, H. Richards will 7s st. [xs schreiben, ohne Grund.
0. Crusius versteht unter xtu SptixeT den ifia? aaxpa-caXcoxo?. —
74. H. Richards vermutet xav st. xai. Fr. Bücheier bemerkt, dals
xai ohne av stehe, und verweist auf V 75 und Schneider Callim. I p. 358.
— 75. Rutherford liest ouo' oxo)? /topi^? „nicht einmal um dich los zu
werden"; ebenso E. L. Hicks; R. Ellis dagegen erklärt -/wpeiv mit
„gut abgehen" = einen guten Preis erzielen. R. Y, Tyrrell vermutet
ouo' oxüjc -/(üpei;. 0. Crusius und A. Gercke und 0. Günther halten
mit Recht an der hds. Lesart 000 oxco? 7/oprjc | ot [xüc xxX. fest, indem
sie üxüis lokal == oxou fassen, wofür 0. Crusius auf Theokr. I 13. Y 101.
103 verweist, wo wc ebenso steht. Es ist also nicht nötig, oxw^ in
oxou zu ändern, wie W. R. Hardie, F. B. Jevons und Fr. Bücheier
thun. Zur Stelle vergleichen 0. Crusius, F. B. Jevons und
Fr. Bücheier Senec. apocol. 7: venisti huc, ubi mures ferrum rodunt.
— 76. O. Crusius erklärt 6[j.oia)c richtig mit ,, ebenso wie andere
Nahrung". — 78. Rutherford schreibt l'i [x' evcpopfjjai st. e; [x£u 9 opr,aai ;
O. Crusius verlangt \loi st. |X£'j, unnötig, da die Rede unterbrochen
wird. — 79. Fr. Bücheier giebt xa xa dem Lehrer; er bemerkt:
„interiectio imitantis sonitum verberum, germ. patsch". Richtiger weist
Rutherford xaxa dem Kottalos zu. 0. Crusius meint, dieser ver-
wechsle infolge der Aufregung xaxä „Papa" mit „Mama"; ich erkenne
mit H. van Her werden darin eine Interjektion; letzterer vergleicht
axxaxai. Die Rede des Kottalos lassen H. Richards, 0. Crusius,
A. Gercke und '0. Günther mit dw^s.x'' endigen; besser nehmen
Rutherford, E. L. Hicks, R. Ellis, F. W. Hall, 0. A. Danielssou
Griecliisclie Lyriker. 173
lind Fr. Bücheier die letzten Worte des Verses noch dazu: si,' -i noi
;(irf,v, wie E. L. Hicks, W. Headlam und Fr. Bücheier richtig'
schreiben; der Nachsatz fehlt infolge der Unterbrechung^ durch die
Mutter. Rutherford schreibt si eti aoi Ctuw cpepetv, R. Ellis si 'ixt
a'j^(üT]v, ohne zu meiner Grofsmutter zu laufen, F. W. Hall -/oja? ixoi; oo?
ö^ ex, si Ti'sst Cw'iv (pepeiv, A. Gercke uud 0. Günther st' ti goi ^lori^
cpepetv, oaac av, 0. A. Danielsson ei' xt aoi ^cueiv, sc. efxe, „wenn dir
mein Leben etwas wert ist", A. Palmer v^ xi'jto ^lo-q-^; H. Richards
giebt diese Worte, wie den folgenden Vers, mit Unrecht dem Lampriskos
St. der Mutter. — 80. (pepetv hängt von cSevr) ab, wie E. L. Hicks
richtig bemerkt. — 82. Die Hds. hat ouyt r.pqlvi, eine Silbe zu wenig.
Rutherford schreibt ouyixt upiq^to; ebenso Fr. Bücheier; R. Ellis
o'jyi <xot od. xi> 7:p., A. Gercke und 0. Günther ou/i <xt> 7:p.,
0. A. Danielsson ouyt <7i7j od. xvj> irp., 0. Crusius ouyi <7:a> irp.
coli. Theoer. I 63. XI 28, Fr. Blafs ouyj <}xr;> Tcp. — 84 steht ebenso
auch V 8. — 85. [xuv erklärt 0. Crusius richtig mit „Knebel"; so
auch Fr. Bücheier und H. Weil. H. v. Herwerden versteht daruuter
die xepxo? ^06^;, und H. Richards verlangt geradezu ßoüv st. [xüv. —
87. Die Hds. hat ouosxXrj^at, eine Silbe zu wenig; das Richtige scheint
uu GS öei Xrj;ai ZU sein, wie W. Headlam, A. Gercke und 0. Günther
und Fr. Bücheier vermuten; der letztere auch oux loei Xrj^ai, nachdem
er früher ou Sset Xrjiai vorgeschlagen. Rutherford schreibt ouo' av
e/^^ais, E.L. Hicks ou o£o^ Xr^cai, R. Ellis ouosxo) Xt];si; oder ouoexoj
av Xrjiai?, A. Palmer oux eöi X^?ai, 0. Crusius ouol st; Xr^cat, der
Optativ im Sinne eines Imperativ. Metrisch bedenklich istA. C. Pear-
sons ou Sei a IxTiX^Eat, Fr. Blafs' ou 8ti xw X^^at, 0. A. Danielssons
ou 6et a ExXfj^ai. — 88. Sut) st. oucjy) vermuten Rutherford, Fr. Blafs
und Fr. Bücheier. 0. Crusius hält dös-Q mit Recht, glaubt aber,
dafs YiXiov St. Y]Xio; möglich sei coli. Callim. ep. II 3. Die I p. 302 R
(163 D): xaxaöuei? xov ^Xiov; mir scheint dies unwahrscheinlich. —
89. Rutherford bemerkt, dafs TroixtXwxspo? uöpr^s hier nicht in dem
sprichwörtlichen Sinn im xtuv ooXspuiv genommen sei, und H. Weil
stimmt ihm bei, indem er Plaut. Bacch. III 3,30 vergleicht. E. L. Hicks
giebt den Vers der Mutter und nimmt ihn im Sinne des Sprichworts,
was ich nicht billigen kann; ebenso A. C. Pearson. — 90 flg. gehören
der Mutter; Rutherford weist 90 xat . . . jjliv dem Lampriskos zu,
W. Headlam 90 u. 91 bis [ir^^iy, 0. A. Danielsson 90—92, ebenso
Fr. Bücheier; A. Gercke und 0. Günther 90 bis ßuBXiw der Mutter;
dann yjSt] xou \ xo \j.-i]di\ dem Kottalos, endlich aXXas sixoaiv 72 xxX. wieder
der Mutter. Rutherford schreibt willkürlich oeTpov st. otjxou. — 91. xo
[xr^Osv „wie nichts, wenigstens" H. Weil, 0. A. Danielsson, E. L.
Hicks, R. Ellis, Fr. Bücheier. A. C. Peurson hält xo y.rj^v* für
174 Griecliischc Lyriker.
eine Appositiou zu v.v oder besser für einen Ausruf: ,,the good for notliing";
II. Ricliards will gar ivieüOev oder touvtsüOev st. tö |j,rj9sv schreiben.
— 92. Rutherford setzt vor y.al r^v ixiXl-Q (V. 91) stärkere Inter-
punktion und nach avaYvüivat Komma; dies vorwirft A. C. Pearson mit
Recht, der vor y.al tjv Komma und nach dva-f/üivai Punkt setzt. —
93. 0. Crusius weist hai „ätsch" dem Kottalos zu, der fliehe und die
Zunge herausstrecke. Ich gebe den Ausruf der Mutter. Fr. Bücheier
bemerkt: „i'jja grammatici traduut, 'fuit igitur malevolorum exclamatio
alieuis malis gaudentium' Meinek. FCG. IV p. 80 cf. germ. heisa". A. C.
Pearsoü verlangt ijja zl, was Metrotime au ihren Sohn richte; daher
auch V. 94 der Vokativ Aa{i.T:ptr/.c ; ebenso 0. A. Dauielsson ijjoc ü
„ei, wie wäre es, wenn" u. s. w. ßutherford tW, äv X., F. D. iV
av X., H. V. Herwerden ttj^ oder au^' av X. Richtig Fr. Bücheier
und 0. Günther und A. Gercke hsa- Xa'öotc. 0. Crusius vermutet,
dafs ixeXi für jjLeXixTa? stehe ; oder (leXav ? Ich sehe in [xiXt einen Euphe-
mismus. — 95. 0. Crusius bezieht Taüxa mit Recht auf die neue, durch
ijja augedeutete Unbotmäfsigkeit, wegen der Kottalos gefesselt werden
£oll. — 96. Die Hds. hat aufxTroo' wos TrYjöeüvTa, was jede Konjektur
überflüssig macht. 0. Crusius bemerkt: „wie im Festtanz mit ähn-
licher Ironie wie op/eicjöai CaUim. 93. ä'vauXa dpyeiJÖai Babr. 9, 9."
(uoc fafst man besser mit Bücheier „so", als mit Weil „hier". —
97. Die Hds. hat at Tiotviat, wie "W. Headlam und 0. A. Danielssön
vermuteten: gemeint sind die Musen. Damit werden alle anderen Kon-
jekturen hinfällig.
IV 1 flg. weist Rutherford der Begleiterin der Kynno zu, deren
Sklavin Kokkaie ist; ebenso Fr. ßücheler; G. Kaibel Hermes 26.
(1891) S. 587 flg. will die Verse der Kynno geben. — 2. Ruther-
ford und Fr. Bücheier schreiben ^Xuxetav st. YXuxvjav; der letztere
bemerkt: ,,epitheton Coas mulieres Coique fani scaenam prodit". —
5. " streichen A. E. Crawley, Fr. Blafs, G. Kaibel und Fr.
Buch el er; dor letztere bemerkt: ,,Hygia non ut filia Aesculapii hie
describitur, sed quasi quae in manum ei convenerit". — 12. Die Hds.
hat oix''r,c Tot-/(üv, was Rutherford zwar seltsam findet, aber docli für
jichtig hält. H. Richards vermutet -rprjyuv st. toi/wv, H, v. H er-
werde ji Totov, O. Crusius opöptov to-'/wv. Das Richtige scheint noch
nicht gefunden. — 13. Tdrioop-a ist nach G. Kaibel = Taj:toop-ta, wie
V. 16 iVjTpa = irjTpeia. — 14. Zu koXXyjv ergänzt G. Kaibel o'jcjiav;
Fr. Bücheier vergleicht Theokr. X 13 h. -löw a-nktk und isrjv xi-at,
-oXXi» zaTsa'., y.evT)v -j/aXXeiv. — 16. W. Headlam verweist auf Hesych.
ia-cpa • [xiadol Ospa-siaj. Fr. Bücheler bemerkt: ,,iam Epidauriis titulis
pernotuit nomen", 'Mit Unrecht schreibt Rutherford: r.oXkq y^?''-''''^ • ■ ■
trj-p' av; roXXr,; ^opivr,? ist Genet. qualitat., wie E. L. Hicks richtig
GriecbiscLe Lyriker. 175
lemerkt. Rutherford citiert Bekkers Auecdota I 314 cpopsiva' jr,|jLatv£'.
Tüiv xpetuv zä esOoiieva. — 18. Rutherford schreibt wo' ava^ st. ui
avot^, unnötig. — 19. Unter rivaxa versteht Rutherford mit Recht
eine tabella votiva. Fr. Bücheier bemerkt: „-tva; potest esse tabella
votiva, eius tarnen nulla mentio fit nisi forte sub inscriptionis verbo otva-
Tti^eTjat. itaque ad Irioopra relatum escarium alveolum intellego (Dio-
uysius antiqu. II 23 rtvay.tcjy.oi? /.epaiJ-eot?) cf. 88 KoTtaXT). haec cum una
Sit ancilla, aut hie aut illic scriba erravit". — 20. Rutherford liest
TTp 'Y^uTQ?" jxä, [la' xaXöjv, R, Ellis ttjc 'j-jiiVjC |xor [xa xaXtov, G. Kaibel
rr,c u^ttr,?- jxa <t(üv> xaXcüv. Fr. Bücheler hält mit Recht die Üljer-
lieferuog: tr^'T-jisirj?" |xa xaXöiv, indem er bemerkt: „U7t£irj; producta prima
praeter moreni; alii post [xa incidi versum voluere addique [xä aut tüjv,
melius erat jü x^? aut auT% Tysiy);". G. Kaibel läfst mit u-j-uyic die
Rede der ersten Sprecherin (Kj'nno nach ihm) schliefsen; Rntherford
und Fr. Bücheler setzen sie richtiger bis V. 22 fort. — 21. H.
Richards vermutet apa st. %a, mit Unrecht; r^ pa ist episch und hier
ganz am Platze. G. Kaibel will ^pa als Präposition == „wegen" fassen,
wovon der Genet. -wv xaÄwv a7aX[xaTojv abhängig sei, wogegen der Sinn
spricht. — 26. Ruth erford schreibt Eydiv) st. Euöitj;, ebenso Fr. Blafs,
Fr. Bücheler und G. Kaibel; dagegen sucht R. Ellis sOöit); zu
halten, indem er erklärt: ,,aüd may he be a veritable forwarder of fine
workmanship"; vergeblich. — 29. Rutherford schreibt ix xa/a (^'j?s'.v;
ebenso Fr. Bücheler, mit Recht; der erstere meint, man könne auch
T'i-/ av t}tj?ai vermuten. G. Kaibel sagt, dais auch die Überlieferung
»|i'j;£i richtig sein könne, was kaum Billigung finden wird. — 30. Ruther-
ford nimmt zwischen tov 7£povTa und ttpo; Moipscjv Personenwechsel an;
ebenso G. Kaibel mit Robert, da der „Alte" mit ,,dem Knaben mit
der Gans" nichts zu thun habe, wie richtig gegen A. S. llurray bei
Kenyon bemerkt wii-d. Damit fällt auch die Vermutung, die A. S. Murray
Class. Review 1891 S. 389 ausspricht, dafs st. Tipo; Moipscov ein Infinitiv
notig sei, der angebe, wie sich der ,,Alte" an der Handlung des gänse-
würgenden Knaben beteilige. G. Kaibel bemerkt aber mit Recht, dafs
es bei der Trennung des Alten von dem Knaben auffällig sei, dafs man
von dem Alten gar nichts erfahre. Diesen Anstofs beseitigten 0. A. Da-
nielssou und Fr. Bücheler, indem sie 7£povTa als Attribut zu yjiwx.-
XcuTrexa fassen ,,die alte Fuchsgans''. Demnach spricht dieselbe Person
weiter, wie auch E L. Hicks annimmt. — 31. tov st. ty^v schreiben
mit Recht Fr. Bücheler und A. 0. Danielsson. Am Schlüsse inter-
pungieren Rutherford und Fr. Bücheler mit Recht stark; E. L.
Hicks läfst die Rede ohne Interpunktion weiter gehen. — 32. 7o^iv
begi-üiidet, wie G. Kaibel bemerkt, den Ausdruck der Verwunderung
-pos Mo'.p£wv: „denn es ist klar, wenn sie nicht von Stein wären, möchte
1 76 Griechische Lyriker.
man sie für lebendig- halten": -po -üiv -oööJv ist also nicht lokal. Ohne
Grund wünscht H.Richards oux st. -/oüv. — 33. Rutherford schreibt
)aXf,!jai st. XaXr^asi, H. Richards XaX7]5eiv, \ielleicht mit Recht. — 35.
Rutherford nimmt ohne Grund Personenwechsel an. — 36. Fr. Blai's,
"W. R. Hardie, H. AVeil und Fr. Bücheier erg-änzen !^£ßY)xev, was
die Hds. zu bestätigen scheint; ebenso 0. A. Danielsson, der auch au
ßEßr^y.e o-q denkt. Rutherford ߣ[kuo}xa, E. L. Hicks ßsßato?, A. Picco-
lomini ^ot)?, R. Ellis ßsßqi -ov, A. S. Murray ßEßorjxev, G. Kaibel
ßeßXazsuT oder ßsßax/euT, 0. Crusius ßaßaCovx oder ßaßa-/.r/]v, H.
Richards rs-oiriT , A. Palmer ßsßXaj-Tf]x', A. E. Crawley ßEßrjXo;,
W. Headlam ßEßaioT;, F. W. Hall wairsp ßaSt'CovT. Am Schlüsse des
Verses verlangt R. Ellis Mucrxsü) st. Mut-ew; ebenso H, v. Herwerden,
A. E. Crawley dagegen [xuatEu), — 38. Rutherford ergänzt 9a)v?jc»
was Fr. Bücheier billigt, indem er bemerkt: „agnoscimns hominem
forma ac voce", E. L. Hicks Oet),; ebenso oder loir^; 0. A. Daniels-
son, W. Headlam oo^yj?, A. Palmer Cw^tq? oder ^pacp^jc; C^jr^c auch
H. Weil, Fr. Blafs xeivr,?, Robert }j,t)3' aux^, H. Richards und
(t. Kaibel £T£pr,c, R. Y. Tyrrell und 0. Crusius Itu[xv)c, was ich für
das Beste halte. Über BaxaXr) bemerkt Fr. Bücheier: „mulier ignota,
credas saltatricem". — 42. Rutherford liest aurv), ebenso R. Ellis,
der es -^ aüxw? erklärt; E. L. Hicks vei*mutet au-v^; das Richtige ist
a5x7) als Anrede, wie H. Jackson, G. Kaibel und Fr. Bücheier
haben. Im folgenden ergänzt Rutherford xr] wSe ywos, was Fr. Bü-
cheier aufnahm; E. L. Hicks verlangt xtj 6r/ woe, R. Ellis und
G. Kaibel rrfiz iu>dt. Am Schlüsse schreibt Rutherford yoL^Y.o'jar^ st.
yar/.EUT/]; ebenso Fr. Blafs. — 44. Rutherford schreibt ohne Grund
fjpeusa: xotpxiv', ou |jle ^eTs; was H. V. Her werden in ä? ixe Cet^c ändert.
Die Überlieferung ist richtig. — 46. Zu Xat|xaaxpov bemerkt Fr. Bü-
cheier: ,,a XatjjL- ut XatixKusciv quasi devoratorium, cf. VI 16". Dann
hat die Hds. op^T); Rutherford schreibt ^p^!f^, Fr. Bücheier dp-^-q
„quae rem divinam facit: iam non extant ^p^oc 6p7TQ sed indidem ducta
opYia, opY«? dis sacrata prope Eleusinem terra, '5p7£ü)v£?. dominae di-
cuntur vel orgia faciens vel profana, i. omnis domina et profestis luci-
bus et sacris". Die meisten schreiben opxiQ, so H. Weil, G. Kaibel,
Fr. Blafs, W. R. Paton. 0. A. Danielsson verlangt op^rjc „Ge-
weihte": „so Lysias op7£tov = ^pyecuvwv*; ebenso R. Ellis; H. Dicls (5p-
7EU?, W. Headlam <5p7£wv, E. L. Hicks '3p7^at. — 47. Rutherford
liest ßEßaiov st. ßsßrjXo;: ebenso E. L. Hicks, ohne Grund. Am Schlüsse
scheint die Ilds. nach Kenyons nachträglicher Angabe otc; £7xtaai zu
haben; daher liest Bücheier o iV l'7X£iaai. Rutherford vermutet
0 axaxxTjToti, E. L. Hicks <5e vapxfjd«'. oder oioix^oai, A. Palmer o' dp:?)
vithai, R Ellis 5'dp76;, H. Weil o' dp7r^, 0. A. Danielsson o Uiü>
Griechische Lyriker. (Sitzler.; 177
xsTuai oder 3'£S<|Jxt!jaai, G. Kaibel 6e [xot e-^xeiaat; ebenso W. R. Paten,
der den Vers von der Kydilla beiseite sprechen läfst. — 49. Die Hds.
hat xatc, was H. Jackson richtig in xasi? verwandelte; so auch ßü-
cheler; damit fallen die anderen Konjekturen. Rutherford schreibt
o)? st. u)c und otor^aai st. oW^aai. — 50. A. Palm er vermutet: eadsr'
T](j,epr] xeivr), wohl richtig:; die Hds. hat £j(je-r)ix[£pjY]ix[e]ivY]t. Fr. Bü-
cheier schreibt ec eis XYjixepT] xstvrj, W. ß. Paton tyjixsXyj xeivy). — 51.
W. E,. Paton, Fr. Blafs und 0. A. Danielsson schreiben xwaupes
St. Twupaupoc, kontrahiert aus xo dcjupec „immundum illud Caput scalpes".
= plecteris. A. E. Crawley xco^upov, A. Piccolomini {^uaxspov, Fr.
Bücheier xwu $up6?. Derselbe schreibt xvr^jei, Rutherford xvy^av]? st.
xviQCTQ. Fr. Bücheier bemerkt: „servi capite raso sunt neqae capillati
nisi ex indulgentia aut ad delicias domini, istam Cynno servae poenam
minitatur." — 52. F. G. Kenyon schreibt \i.ii uavö' £xoi|X(us xapSiT]
ßaXot, und so auch Fr. Bücheier; Rutherford £xoi|x', w? xapoiY) biXzi;
er hätte ßaXoi auch bei seiner Auffassung beibehalten können. E. L. Hicks
verlangt xapoi?), Fr. Blafs und 0. A. Danielsson xotpöi?) ßaX?) coli, eüc
du|xov ßaXEcjdat, G. Kaibel xapoiv^ ßaXsü, indem er exoijjlu)? „so gleich, so
schnell" erklärt, W. R.Paton xap8nr)ßoXoü ; xap3ir]ßoX£Tj&ai^=--xapotoßoX£r(jOai
= XuTTEra&ai Hesych. — 54 weist E. L. Hicks derselben Sprecherin zu, wie
52. 53, mit Unrecht; es ist die Antwort der Herrin auf die von ihrer
Freundin vorgebrachte Entschuldigung der Dienerin; aXXT)|xepT) ist, wie
Gr. Kaibel richtig gesehen hat, = aXXr) TjfAEpr) „mit jedem neuen Tag
wird sie dümmer" ; jedoch ist die von ihm vorgeschlagene Änderung von
wÖEixoct in vtoÖEixat unnötig; ItzI [xe^ov cuderaöat heifst, „es immer weiter
treiben". F. G. Kenyon giebt dXX' rjiJLEpT) xe xxX., was Fr. Bücheier
unter Verweis auf Theoer. XV 73 übersetzt: „at et dies est et maior
fit turba trudentium". R. Ellis erklärt: „but day has come and is
moving on"; 0. A. Danielsson fafst wÖEixai = Inti-ft-cai „es wird schon
spät". Rut herford schi'eibt -{z st. xe, H. v. Herwerden aXX' ^ 'jxeXtjc
xe = dixEXi^s XE. — 55. Rutherford nimmt Pei*sonenwechsel an; wenig
wahrscheinlich, da nur die Herrin von ihrer Sklavin sagen kann auxY)
au jjLstvov. — 56. Rutherford sckreibt ohne Grund xavets st. xdvetö' ;
mit 6 TTaaxos ist, wie Fr. Bücheier sagt, sacrarium interius arcanum
gemeint. Nach o Tiaaxoc nimmt Bücheier Personenwechsel an; ich möchte
die Fi'eundin schon mit xdvEüV 6 x:. ihre Rede beginnen lassen, das Voraus-
gehende ergänzend und dann oi)-/ opvfc xxX. anschliefsend. — 57. Ruther-
ford liest Ol' £'p7a xeiv'; dann Personenwechsel y)v • xaüx' speTs A. 0. A.
Danielsson bemerkt mit Recht, dafs 57 u. 58 derselben Sprecherin
gehören; so auch Fr. Bücheier. Die richtige Lesart ist oi' e'pia ;
xaivTjv xaux', die Fr. Büeheler auf der Photographie zu erkennen
glaubt; dasselbe fanden R. Ellis und Th. Reinach. E. L. Hicks und
Jahresbericht liir Altertumswissenschaft LXXV. Bd. (1893. I.) 1"^
1 78 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
A. E. Crawlej' verteidigen Kenyons Lesung xoivr^v, 0. A. Daoielsson
vermutet xe''vT,v, Fr. Blafs xotTjv, A. Palm er KcjJyjv, A. Piccolomini
xou vuv, H. Richards ep7' ixei iv^v oder xsi vgl. 1,26, H. Jackson
£p7" axot v£?v „what triumphs of needlework". — 58. Th. Reinach
verlangt 7pa']>ai st. -(Xü^at, G. Kaibel x5Xa „Holzskulpturen", H. v. Her-
werden yj^'P" ^^^ Searotvat. — 59. Rutherford nimmt Personen-
wechsel an: wenig wahrscheinlich. Die Hds. hat zwischen ot] und YUfxvov
eine Lücke, die F. G. Kenyon mit xov ausfüllte; die andern folgten
ihm. E. L. Hicks erklärt xvqw für den 2. Aorist von xvt'Co), hält
aber xviaa) für besser; dieses vermuten auch Fr. Blafs, Fr. Bücheier,
H. Diels, H. v. Herwe'rden; Rutherford schreibt xvT^aw. Fr.
Bücheier bemerkt: „anaglj'ptum simile splanchnoptae Styppacis et
suffitori Lycii. puer ad arani prosicia deferens taflee (Iguvina II B 12)".
— 60. G. Kaibel sagt: „das warme Leben des Fleisches ist mit un-
vergleichlichem Naturalismus geschildert; drückt man den Finger in
das Fleisch, so scheint sich ein roter Fleck (2Xxoc) zu bilden, und (hört
der Druck auf), scheint das Fleisch wie lebendig, ob es gleich unlebendig
ist (oia depfi' ai}£p[ia), wieder emporzuschnellen." Ich stimme dieser
Lesart oladlpix' aOcpjxa, sowie der Erklärung bei, obgleich sie Bücheier,
der sie gefunden, jetzt verwirft: „sie enim enervatur oratio". Bücheier
schreibt jetzt mit Rutherford und Fr. Blafs ola >>£p[j.a 0£p(xa und be-
merkt: j.plures dantur explicandi viae, quasi Xourpa }hp|xa, aut }}£p{jL6v
nrjSöiuat, aut sicut aXX' aXXo, -aeov tcXeov, pius pius sim. auctus et ela-
tionis causa": mii- gefällt keine dieser Erklärungen. 0. A. Danielsson
vermutet ai; apx£3£'. -ra Mp\).' ai)£p[jLa ,,so wird er dadurch kein Geschwür
bekommen: denn au seiner Seite hat er in dem kleinen Gemälde ein
Büttel gegen Hitze, den kühl sprudelnden Wasserquell (sc. T:Tri7ai)". —
<)2. Die Hds. hat, wie Kenyon nachträglich mitteilt, Trupajxpov, was
R. Meister fand; damit fallen die an rupa7pov sich anschliefaenden
Konjekturen. — 63. G. Kaibel vermutet MuaxEXXo?. Fr. Bücheier
bemerkt: rna-atxtwv 6 xXettttjc inde ab Aeschinis et cynici Diogenis aetate
tritus". — 64. Rutherford ei'klärt sxßocXXeiv -:a; xoupac richtig: ,,so
gierig dreinschauen, dafs die Pupillen aus den Augen zu treten scheinen".
— 65. Rutberford vermutet unnötig ap-^upo'j st. ap^upeüv. — 66. Ruther-
ford richtig yß) st. yo. — 67. R. Ellis, L. Shadwell, Fr. Blafs
verlangen a^dji^io^, wie auch die Hds. ursprünglich hat st. avauiXXo?,
was Rutberford und Fr. Bücheier festhalten. — 68. E. L. Hicks
vermutet JHXe-oyj' yr,fj.£p7)v st. ßÄEirou^iv fj[x£pr)v; rjixEpr^v von r^\).zpoi;
11. iJicbards yf.i-o'j:;'. vr,[i£pT£u); oder vf,]j,£pTea; W. R. Hardie vrjfxeprrj
oder vT)|i.epT£a, A. E. Crawley vt, jx' 'Hpr,v = val jxa "Ilpr,v, S. E.
Winbolt ooxoüs'.v r;p£ix£rv. Fr. Rücheier bemerkt: ,,pictura pompae
sacrificalis, qualem Apelles Megabyzi i)inxit (Plin. ?)5. 03)". — 71. ootw
Griechische Lyriker. (Sitzler). 179
E,u th er ford und die andern st. ooto>;. Rutherford erklärt x-^ "ep^
-/oupT) richtig: „mit dem einen Auge". — 73. H. Weil verlangt Tzpd-{\LaT'
(st. 7pa}i.ixaT') = -[■paipa?. — 74. Th. ßeinach vergleicht Hom. IL XVI
250. H. Weil vermutet ei^ev st. eiosv, 0. A. Danielsson T^6e', H. v.
Herwerden oI8ev; „Äpelles lebte noch und hatte noch keine Götter-
bilder, also auch nicht die berühmte koische Aphrodite in demselben
Asklepiostempel , wo dieser Mimos spielt, gemalt". A. C. Pearson
verlangt ätinrjxaadr) st. dtKYjpvTQOY). — 75. flg. nimmt Rutherford Personen-
wechsel an, mit unrecht; die Vv. 72 — 78 gehören zusammen. Er
schreibt Ol iiri st. CO ETTi, R. Ellis o oder ou siri, W. R. Paton tp = o oi,
H. Weil vermutet voü? st. voüv. Ich halte es für das sicherste, an der
Überlieferung festzuhalten, die Fr. Bücheier übersetzt; „sed quemcunque
niente conceperat vel deornm contingere, properans eum urgebat".
G. Kaibel will Oeaiv t|>aus'.v im Sinne von tou oupavou «{^aueiv „das Höchste
erreichen" fassen. — 76. Rutherford schreibt mit Unrecht rJTreiye
i)£oc 6' St. YjTCsqeiT 8; o'. — 77 hat Rutherford mifsverstanden; das
Richtige giebt z B. Fr. Bücheier; nrap-^aXav = (xeta ev9ouata(j|jLou
iraßXeTcetv, und ix Sixr)c heifst : ,,ut aequom est". — 78. Fr. Bücheier
bemerkt : „sie poliatur tamquara vestis quae teudiculis diducta foedissimo
et atrocissimo quoque remedio macerata in fullonicis conciliatur (XaxxtCooji
iratouffi Xu[j.aivo(xevot xoTiTouatv sXxouatv Hippokrat. I p. 642 Kuehn.)". —
80. H. Richards verlangt ohne Not Xaiarov st. XüÜov. Rutherford
schreibt Ijj-ßXeuovTa, [xs'Cov u)?; E. L. Hicks richtig efj.ßXeT:ovTa* [xeCovo)?.
— 83. Die Hds. hat richtig xst' xive^; Rutherford schreibt xei.' xiv' Ix,
A. Ellis xet' TIC ex. — 84. Die Hds. hat IW oTruirjtai te xal ^svrjc asjov,
was Fr. Bücheier richtig übersetzt ,,et siqui harum sunt mariti et
genere proximi"; W. R. Paton vergleicht zu oTruiTj-nr)? ,, Gatte" Hesych.
ÖTzoiolai- Ol YeYaiJLTjxo-s?; H. Weil will darunter ,,alle Verwandten par
alliance" verstehen; zu 7£vr^ = -jevo? vergleicht G. Kaibel 2, 1. Ruther-
ford schreibt las, oTzuiTjxat xs xai -ysv^ (jocaas, das letzte nach einer Vermutung
Sargeaunts, R. Ellis exai?. — 86. Rutherford x^^^Tl ^^- X"T"71' wohl mit
Recht. — 88. vgl. V. 19.— 90. Rutherford vEtuxopo) mit Recht st. veoxoptp.
R. Ellis vergleicht Propert. IV 8, 7—14, Fr. Bücheier aulserdem
Babrius 153. — 92. Rutherford eigänzt uataxa, S. E. Winbolt uaiaa =
-XaxouvTia Hesych.; das Richtige ist tj^aiaxa, was E. L. Hicks, W.
Headlam, R. Ellis, Fr. Blafs, Fr. Bücheier und G. Kaibel fanden.
Der letztere versteht oixi-/]c eöpo von dem im Tempelbezirk befindlichen
Logierhaus; Fr. Bücheier übersetzt „domi sedentes": ebenso W. R.
Paton. — 93. Rutherford setzt nach «pepetv Punkt, nimmt Personen-
wechsel an und schreibt dann auxv]; E. L. Hicks stimmt ihm beL W. R.
Paton sagt mit Recht, dafs dieselbe Person bis zum Schlufs spreche;
dasselbe nimmt auch Fr. Bücheier an, der schreibt: ^Ipstv auxv]- | t%
12»
180 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
o^iiTjC Xüii 7:poa6o;'^ 7ap ipoiJiv | {xel^tuv afjLapTsuj' r^ u^i'r)' axl t^; fxoipTjc „ferre
ipsa: de salnte volo addas, sacris euim profecto pluris est si comitatur
Salus quam portio". Rutherford giebt der Kokkaie aurr) | -njc 67117)? Xw,
dann der mit Alpha von ihm bezeichueten Frau rpoaSo?" 7] 7ap xtX.,
ohne den letzten Vers zu entziffern. E. L. Hicks stimmt mit Ruther-
ford überein, liest aber im letzten Vers [xe^ov ä[i'xpiiri^ r) 6717] 'oxi ttjc
jioipr,? „make then the additional gift, says the lady; for by means of
sacrifice does Hygieia overcome whether trausgression or fate", d. h. the
goddess here worshipped with her father, in return for sacrifice, heals
US of sickness or preveuts it seizing us, whether as the result of sin or
of evil-fate. W. R. Pato'n versteht unter auvfi Kynno; diese wendet
sich dann an den vstuy.opo? mit den "Worten ir^ G7117); Xtü Ccoil. Hesych. und
Etym. Magn. zu 67181«) ; er giebt ihr, sie fährt fort- Trposooc ; im letzten Vers
ist nach ihm [xeCtuv oder [xeitDvherzustellen und etwa der Sinn zu erhalten:
„in sacrifices there is roore chance of mistakes being made (i. e. short mea-
sure being given) as regards the 67131« than as regards the priest's portion".
A. C. Pearson ^ 7ap . . . [xeCojv aixapiiT) a-^ 6717) 'cTi ttJ? fi. ,,for by means
of sacrifices Hygieia prevails over fate in favour of the transgression."
G. Kaibel versucht Äwa-rr^j 'T^ieia^' Trpoooxtj iv 7ap tpoiaiv 1 jjle^üjv afi-apTeüs'
(sc. isptüv) 7; T7irj' axi tt^; Motpr,? „wenn die Hygieia nicht bekommt, was
sie verlangen kann, so behandelt sie einen noch schlimmer als die avapctV,
MoTpa." W. R. Hardie giebt die Worte dem vstuxopo?, der zu wenig
erhalten: «3x7), t^c 6710)1;, Xüi, Trpojoof r^ 7ap . . . {aeCcüv «fj-apTeüa' T^ 6717)
xtX. „gieb etwas mehr für Hj'gieia; kann Hygieia mittels Opfer zu-
nehmen, wenn sie ihren Anteil daran nicht erhält?" A. Palm er ver-
langt t) 7ap . . . [xetcDv «jxapTi^aei 6711711; TpiT7)i; y-otpr,; ,,give more; othei'wise,
being short in your dues, you will miss a third part of health". 0. A.
Danielsso n liest «6x7^' | -rf^c 0 671017]; Trposoo;" -^ 7ap . . . [xe^wv afx.apTi7)
'axl TTJc i'ir,; [).. ,,und vergifs nicht selbst etwas beizusteuern; teile auch vom
Heilkuchen mit ; bei Opfern ist es ja besonders schlimm, wenn man um
den gebührenden Anteil kommt" oder «ur^ | ttJc 671817;; 6a»i'* ^ 7ap xxX.
„vergifs nicht den gebührenden Anteil von der Hygieia mitzubringen;
denn" u. s. w. coli. Hesych. oiu«i' otxattoc, oaitu; und owt«* 6|xoia; rpojSoc
Glossem zu 8imr^. Trotz der vielen Versuche ist eine überzeugende
Lesung der Worte bis jetzt nicht gelungen.
Der Mimos ist eine Nachahmung des Epicharm, vgl. Th. Reinach
Revue des ^tudes grecques IV (1891) S. 209 flg., der auf das Fragment
der 6£«poi' bei Athen. VIII p. 362 B verweist. E. L. Hicks bemerkt,
da/s die beste Illustration des Gedichts die Votivreliefs seien, die in
den letzten Jahren im Asklepieion zu Athen südlich von der Akropolis
entdeckt worden seien. Über die in dem Mimos erwähnten Kunstwerke
handelt, abgesehen von dem, was ich oben schon erwähnte, Th. Rein ach
[Griechische Lyriker. (Sitzler). 181
1. 1., S. A. Murray Class. Review 1891 S. 389 und besonders H. Diels
Jahrb. des deutschen Archäolog. Instituts G (1891), Institutsnachrichten
S. 190. Nach dem letzteren sind es im ganzen 5 Bildwerke: 1) ein
von Euthias gestiftetes, von den Söhnen des Praxiteles (Timarchos und
Kephisodotos) hergestelltes marmornes Anathem, 2) ein Mädchen, das
sehnsüchtig nach einem (vorgehaltenen V) Apfel in die Höhe blickt,
vermutlich Genrescene, keine Hesperidendarstellung, wie S. A. Murray
meinte, 3) ein Marmorwerk, ein Knabe eine alte Gans würgend, die
an Boethos' bekannte Bronze (Pliu. 34, 84) erinnert, 4) eine Porträt-
statue der Battale, 5) ein Tafelbild des Apelles, vermutlich eine Vor-
bereitung zum Asklepiosopfer. Bemerkenswert war ein nackter Knabe
mit der Feuerzange und der Zug der Opferknechte mit dem Opfertiere.
Der Knabe erinnert nach H. Weil an den uTiXa^yvoTtTY]? Plin. N. H.
34, 19, 21. Überall hebt der Dichter den Realismus der Darstellung,
die Porträtähnlichkeit, die Lebenswahi-heit hervor, und Apelles wird zum
Schlufs als der Meister des Verismus gefeiert. Dafs die alexandrinische
Kritik in der Erreichung der Dlusion das höchste Ziel der Kunst er-
blickte, ist längst aus den gleichzeitigen Epigrammen und vielen Anek-
doten bekannt; es ist aber nicht uninteressant zu sehen, dafs ein alexan-
di'inischer Dichter der besten Zeit dieselbe ästhetische Anschauung mit
Nachdruck ausspricht und zugleich in seinen eigenen Poesien zur Dar-
stellung bringt.
V 1. Die Hds. hat y)Ö' = rfi, was im Sinne von yj xspy.o; wohl zu
halten ist; Eutherford schreibt sl;, E. L. Hicks % oder ^58', H.
Richards ^38', A. Palmer %' (ap'), Fr. Blafs rio =T]Sr), Fr. Bücheier
£10.' — 3. Fr. Bücheier bemerkt: ,,Menonis servae ut v. 30 docet";
kaum richtig, wie Vv. 4. 5 zeigen. V. 30 beweist nichts. — 4. H. Jackson
vermutet: e^cb ' A|X(pu-at7j ; ttjv X. 6p. -(uvaixa; A. Palm er verlangt dpai-
p/jxa st. opojprjxa. — 5. Nach -pvatxa setzen mit Recht ein Fragezeichen
Fr. Bücheier und H. v, Herwerden. Nach -^uvaiza nimmt Ruther-
ford mit Unrecht Personenwechsel an; ebenso A. Palmer. V. 4 — 7
gehören dem Gastron. — 6. Fr. Blafs und Fr. Bücheier ergänzen
ßouX£'.<|xoi> , mit Recht; H. Weil versuchte oxi <8r\> ßotiXei, R. Ellis
oTi <xal> ß., H. Jackson ypecu |jloi oxy] ßouXei mit Rutherford. —
8. Derselbe Vers findet sich auch 3, 84. — 9. Rutherford schreibt
11.01 aÖTov st. (jLau-<^v; das Sichtige ist jjlcuütov. — 11. Rutherford
schreibt Xuuov st. Xiiaa?, unnötig, wenn man dXX'' zb' iaxTjxas als Parenthese
fafst, wie E. L. Hicks, H. Jackson und Fr. Bücheier sahen. — 12.
Die Hds. hat ttq a oXt), wie Rutherford schrieb. — 14. Rutherford
liest richtig <I>puE; e^iu aixiT) toutojv, e^o) xtX.; Fr. Bücheier <^puE ^T''' • • •
'ouTcjv; t{(i> y.xX. 0. A. Danielsson will <I>pu^ als Vokativ fassen. —
17. Rutherford itüipav; ebenso Fr. Bücheier, der bemerkt: „differre
][82 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
puto a |xu»pr,v ut morionem a stiüto". — 18. Die Hds. hat cpepiaouoTjaov;
Untherford schreibt 9epü)v aü o^cjov, A. Palm er 'ftup si; au- orjaov,
R Ellis und Fr. Bücheier cpep' zU ah S^uov, „cum par sit duos adhiberi
tortores (Petron. sat. 48)", E. L. Hicks, A. Piccolomini und 0. A.
Danielsson ^ep' eic au; o^oov „nun kommst du endlich?"; am besten
H. Richards cpepet? au; of^aov: „bringst du's?", nämlich was V. 10. 11
verlangt ist. — 19. Rutherford oeu|xat, wie auch in der Hds. korrigiert
zu sein scheint st. ooup,ai. — 21. H. Richards verlangt mit Recht
einen Punkt nach ^ivtpaxeiv, den auch Fr. Bücheier setzt. — 22. 0. A.
Danielsson erklärt richtig: „wie verwünscht der Tag war« u. s. w. —
25. Fr. Bücheier bemerkt: „an auaacpqfs scriba voluit?" Derselbe
vergleicht zu exxpiaov Soph. Ai. 1030; ebenso H. v. Herwerden. —
27. Rutherford schreibt e^v p? st. iur^v. — 29. Rutherford schreibt
richtig Taüxa, [x^ [le oder besser mit H. Richards p-Vl^^^; TrXTjxxtCea&at
7:p6c „kokettieren mit": J. B. Je von s wünscht [xoi st. jie, und Fr.
Bücheier liest xaüta jAr; [xe: ,,cum Aniphytaea hacc noli mihi suscensere"
coli. Aeschyl. Prom. 80. — 30. Das Richtige sah 0. Crusius: [xeö' -^c
dXtvosT xal t^i e/sic Tiooo^'TjaTpov ; nur würde mir «Tto^^TjoTpov besser ge-
gefallen mit Bezug auf dXtvSet. Rutherford a dXeiv oei, ohne das
letzte zu entziffern, A. Piccolomini ebenso und dann xcix IfieTv t6 dtTto-
tj;rjaTpov, E. L. Hicks xötfxov o^^-z (XTro'j^TiaTpov, Fr. Bücheler uLsö' % dXeiv
oEi xal e[xov fjax' (ä7i6t{>r|aTpov „quacum niolere oportet raeumque statutum
est hostorium". H. v. Herwerden vermutete TioSoif^rjaxpov. — 32. Zu
CY^xpeiov, wofür Rutherford r/j-ptov schreibt, vergleicht F. G. Kenyon
Etymol. Magn. s. v. — 33. Rutherford korrigiert tov vwtov mit Recht
in To vÜiTov. — 37. loiTj st. loia Fr. Bücheler. — 39. Fr. Bücheler
bemerkt: ,,a^rjaat Herodotus, aßa -Doris cf. 4'^aai 4'">crat» Oa$at dü)$at,
TtfiTiTa Tt|Xü)Td al." ; die Änderung in xaxaaßeaaai (st. xaxaaßöiaai) ist un-
nötig, die Rutherford und Fr. Blals vornahmen. — 41. H. v. Her-
werden verlangt oxot st. oxou. Im folg. hat die Hds. ooyj = o5y),
wozu Fr. Bücheler bemerkt: „Eurip. Cycl. 12 w? 68T)Oeiy)c [xaxpdv,
verbum proprium egerentium foras merces venditantiumque , cf. apage
istum". Rutherford vermutet afATJ, E. L. Hicks, R. Ellis und W.
Headlam »Xrj coli. II 83. HI 44. VII 6 flg., 0. A. Danielsson Ö 8t^
,,wa3 ich sagen wollte, ei sieh". F. G. Kenyon dachte an einen
Schreibfehler st. opr^. — 43. Die Hds. hat t]6y) '«pajxapxet aot edv; Ruther-
ford sclireibt gegen das Metrum tjot) ecpo|xdpxet Ö^xoi aot av, 0. A. Daniels-
son 7)6t) '^aiJLdpxEi x-ff aoi av, Fr. Blafs recht ansprechend ^'^r) '(pafxap-
xet; Ol a' 3v, Fr. Bücheler rjör) "tpaixdpxei acpi, edv. — 45. Zu dvtuvuixov
vergleicht H. v. Herwerden VI 14. — 50. Rutherford ohne Not
7:apaax£tS'/ic St. -apaaxi;/]?. — 52. E. L. Hicks erklärt xd MtxxdXr)?
richtig „the house of Mikkale". — 53. Rutherford schreibt ou8' eke-
Griechische Lyriker. (Sitzler.; 183
fivTjadifjv ; Fl'. Buch 6 1er und G. Kai bei richtig ou ö' vgl. 6, 42. — 55.
Die Hds. hat auxoc; H. Richards, Fr. Bücheier und Fr. BlaTs ver-
muten mit Recht auxouc; Rutherford hat auxov. — 56. Nach -/aAEi us
nimmt Rutherford Personenwechsel an, mit Unrecht; wie H. Weil,
0. A. Danielsson und Fr. Bücheier bemerken, gehören die Verse 55
—62 der Kydilla; erst mit 63 tritt Bitinna wieder ein. — 59. Rutherford
schreibt fjLa, [xa st. ep,«, A. Palmer |xa xov, F. B. Jevons eXa, Fr.
Bücheier richtig j£, [jl5; ebenso H. Weil, Fr. Blafs, O.A. Danielsson,
der überdies noch sS-^e • y.ä versucht. Der Dativ -ou-oi? ist beizubehalten,
für den toutouc schreiben Rutherford, Fr. Bücheier, 0. A. Daniels-
son, F. B. Jevons und A. Palnier. — 60. Die Hds. hat xouc, das alle
beibehalten, die xouxouj lesen; das Richtige ist xoii; 6uo, sc. o^OaXjxoTi;,
wie H. Weil und Fr. Blafs gesehen haben. Im Folg. schreibt F. B.
Jevons l'|x' o'l'eat st. Z7:6<\>s.^\ indem er diese Verse dem Gastron giebt,
A. C. Pearson und H. v. Herwerden etio^J^s', durch das von Ruther-
ford vor und nach Kydilla gesetzte Komma verfühi-t. — 61. Unter (ä^^aixac
ist nach allgemeiner Ansicht eine Art Fesseln zu verstehen. — 62. Fr.
Bücheier schreibt ohne Grund upujv st. -püiv ^ -pu»Yjv. — 63 verlangt
0. A. Danielsson mit Unrecht ^xeis st. -^xe; ebenso V. 65 Se st. xe. —
66. |jLi7] üocp erklärt E. L. Hicks „all under one". Fr. Bücheier „una
opera". — 68. Zu [xuo? vergleicht Fr. Bücheier III 85, wo er be-
merkt: „patibulum quoddam ostii clavumve ad suspendendum servum";
derselbe bemerkt zu r; Aaou xi\iri : „servi nequam pretium nullum poudus
habet quasi xptoJ^ioXov. Unnötig sind Konjektiu'en wie R. Ellis' tj Aacu
'vxijxT) (Entima) oder gar S. E. Winbolt's o3xa> xaxa[j.ua&El? Ssxe Aat-
6aXou xi|jL7^. — 69. Die Hds. hat [xr], xaxi, dtXXa xxX., wie Fr. Blafs u.
Fr. Bücheier haben coli. III 79 xaxa; Rutherford schreibt [xt] oxi^fia-
xiCe vüv, R. Ellis (XT) 'Ttatxiü) dXXd, A. Palm er fX7] xxa xi dXXd „even now
don't be tlie death of him" coli. V 35, III 79, 0. A. Danielsson jx9)
|x5 XI oder |xa \i.-q XI dXXd, E. L. Hicks [i^i 6pa xt dXXd „schone ihn
doch jetzt". Die Worte dXXd vüv [xev auxov sind mit «(ps? V. 72 zu
verbinden; ouxco aoi bis dpai? sind Zwischensätze, wie Fr. Bücheier
andeutet. — 70. E. L. Hicks ergänzt gut C^t]. Fr. Blafs verlangt jxiv st.
jxEv, wohl mit Recht, Fr. Bücheier stimmt bei; übrigens liest schon
Rutherford so, der am Anfang des Verses C^oi schreibt. — 71. Ru-
therford schi'eibt unnötig dpat st. dpai?. — 73. Die Hds. hat fXT) XuTCstxs
}x£, was in jxt^ fXE XottsIxe umzustellen ist, wie Rutherford, H. Richards,
Fr. Bücheier sahen. R. Ellis vermutet jxtj XutceTx' Tjfxi, H. Weil
jx^ XuTTEt. — TE770U j 1^ coli. Ai'istoph. Lys. 550, beides schon metrisch
bedenklich. — 75. Nach ETixdSouXov nimmt H. v. Her wer den eine
Pai-enthese an, die mit sfXTrxuot Y. 76 endigt; V. 77 8? xt)v xupawov —
führt den Satz weiter, mit Aposiopese, die den Gemütszustand der Frau
184 Griechische Lyriker. (Sitzlcr.)
lebhaft schildert. Fr. Bücheier bemerkt: „azavTtüsa sine av, cum tiV
soll optativo copuletur more Alexandrino (Jacobs AGr. XIII 86)".
Damit fällt Rutherfords aTravTtüjj' av, das auch H. v. Her wer den
znliel's. — 77. O. A. Danielsson ergänzt, wie es scheint, richtig: ou x^v
Tupavvov ^= ou jxa ttjv Sediroivav; ebenso A. Palraer, der zuerst öouXt]v
oder S(A(uf,v t. versuchte, und Fr. Bücheier, der bemerkt: „nescias
an magna mater hie dicatur". E. L. Micks vermutet oujyjv xupawov,
H.Eichards ooS' i)v Tupawo?, W.Headlam ö yp9;v. — 79. Fr. Bücheier
vergleicht Martial VIII 75, 9. — 80. Zu TspY^via bemerkt derselbe:
,,Neptuualia ut Geraestia Gerastia?" F. B. Jevous verlangt ^evecia 6\ —
81. Rutherford schi-eibt ohne Grrund -rauTTQv st. TauxYj; ebenso Xapiv
St. yaptv. — 84. Fr. Bücheier bemerkt: ,,consulta verborum ambiguitas,
ut possis vel defunctis missas inferias intellegere> pro medicina lassitu-
dinis": denn eine solche ist /utXy) (problem. Aristot. 881 a 4.). — 85.
E. L. Hicks bei Kenyon ergänzt: «Set? tot i^iilzi ttjv eopTTjv i^ eopTrj?,
was Fr. Bücheier billigt, indem er Lukian. [p. 405. 23] eopTYjv tt]v
EopTTjv sjet rs-oirjxu); vergleicht. Rutherford dachte au Heiraten, und
so vermutet E. L. Hicks Class. Review 1. 1. t/^vo' st ty^v, A. Palmer
a^ers ^ajiK^Xi' sIt' sopTrjv xtX., später t^jV inißoyiv st. ttjv eopriQv; E7:iß8at =
ai ixedeopTot rjfxspai.
VI. Die Hds. hat als Überschrift cpiXtr/Cousat, nicht (paXXtaCouaat, wie
G. Kaibel vermutete. — 1. Die Hds. hat ^uvaixl Oe? aus 7. 86c kor-
rigiert, nicht -j-uvaiy.ia; £?, wie F. G. Kenyon angiebt; dadui'ch werden
alle Konjekturen gegenstandslos. — 2. F. G. Kenyon ergänzt richtig
avauTaOsTaa ; Rutherford verlangt ava jTafteiaav , indem er Punkt nach
otjppov St. nach avasTaöetaa setzt, R. Ellis gar avajTaXeiaav. — 3. Fr.
Bücheier schreibt ouo' Iv st. ouoev. — 5. St. elj ist xeis' zu schreiben,
wie H. Richards coli. IV 47, W. Headlam und Fr. Bücheier ver-
muteten; der letztere schlägt aul'serdem nocli [xoi et? vor, Rutherford
[xsu zl;, R. Ellis ei; 5u, G. Kaibel zh, KuotXXa oder dgl. Nach ek
nimmt Rutherford Personenwechsel an; ebenso R. Ellis, der schreibt
fiTj, «XXa xtX.; aber W. Headlam weist mit Recht Vv. 1 — 11 der Ko-
ritto zu coli. Plaut. Stich. I 2 (58 — 64); ebenso H. Richards, 0. A.
Danielsson, Fr. Bücheier. Am Schlüsse des Verses hat die Hds.
}i.£TpY) aus ]jL£Tp£(u korrigiert; H. Richards schreibt |X£Tpäi, Rutherford
und R. Ellis iitxpf^i; das Richtige scheint \izTpQ als Medium zu sein :
„wenn du dir zumessen läfst", vne Danielsson erklärt; ebenso Fr.
Bücheier, der Demosth. adv. Phorm. 37 vergleicht. — 6. Die Hds. hat
XY], was Fr. Bücheier als xoti £i erklärt; Rutherford, G. Kaibel
und Fr. Blafs schreiben xf,v . . . a7ro5Ta$r). — 8. Rutherford bemerkt
dai's -pr,[xovüJ3av eine' Nebenform zu T:pTr)|i.aiv£'.v VII 98 ist; Fr. Bücheier
„a 7tpr,}xovTp hoc a zpf^jat quod est 'fjjäv . eflfervescentem tanquam aquam
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 185
(npY)[x,aivou(ja? zt OueXXaj Aristophaiies)". Unnötig ist also G. Kaibels
airpT)-Y{iovtü(jav. — 9. auTov ^ Tov St'^pov, wie Robert bemerkt; daher ist
E. L. Hicks olxov entbehrlich. — 10. Das Richtige ist: oV esxl ypsir),
wie H. Jackson, Fr. Bücheier, W. Headlam, Fr. Blafs, G.
Kaibel, 0. A. Danielsson, der auch an oxeu denkt, und A. Picco-
lomini vermuten. Rutherford schreibt oV e? xi -/prjCei?, E. L. Hicks
ox' ioxl -/p^<j&ai, R. EUis ox es xi ypy^. Danach setzen ein Kolon Fr.
Bücheier, H. Jackson, R. Ellis; richtiger ist ein Fragezeichen, wie
A, Piccolomini, E. L. Hicks und H. Richards wünschen; nur
möchte ich noch ^cjxpi mit in die Frage einschliefsen. Die hds. Lesart
Ou£ (xot xauxr) halten mit Recht Fr. Bücheier, der erklärt: ,, bedanke
dich bei dieser, dafs ich dich nicht prügle", H. Richards, der auf
II 72 verweist, und E. L. Hicks; A. Piccolomini vermutet, metrisch
bedenklich: dec {jloi xaux7]t, H. Jackson düe |jt,oi. — xauxY)- ,,make haste! —
That will do; eise", R. Ellis öaXvjuxpi, Oul jxoi xauxir), A. Palmer 6V
£jxt, sc. XafiTrpo?; dann TXvjjxpa Oüe [xot xauxT). — 11. Rutherford er-
gänzt gut Q z-^soa av. — 12 — 15 gehören der Metro, wie W. Headlam
sagt; ebenso Fr. Bücheier, der zu V. 12 bemerkt: „proverbium Cu^ov
xov auxov sXy.civ"; ebenso vergleicht A. Danielsson Parömiographen I
p. 68, 43. Rutherford nimmt mit Ende 14 Personenwechsel an. —
13. Rutherford liest smßpuxouffa st. iTiißpuyouja; ebenso G. Kaibel. —
15. F. G. Kenyon ergänzt richtig irpo? c ^Xdov; O.A. Danielsson
verlangt zpoj^Xilov. Danach nehmen W. Headlam, F. B. Jevons,
0. A. Danielsson und Fr, Bücheier mit Recht Personenwechsel an;
die Worte ey.Troowv bis sopxat gehören der Koritto. Rutherford und
E. L. Hicks geben sie von dXX' ouvsxsv an der Sklavin; der letztere
schreibt : ^östpeaSat " ev toptaxoi (oder besser oapiaxui) , . . iopxrjc , das
letztere mit Rutherford. H. Richards fafst die Worte IxtcoSwv bis
iopxTf^ als Zwischensatz, so dal's oovsxev irpo? a ^X&ov von Xtaaoixai cre p.^
ij^EUffT) abhängt. — 16. H. Richards vermutet 99eipou; aber auch Metro
hat eine Sklavin mitgebracht; L. L. Shadwell wünscht cpdei'p'' iaxl
opi^axetp', G. Kaibel erkennt in vcoßujxpa mit Recht ein an die Sklavin
gerichtetes Schimpfwort; R. Ellis vergleicht es mit voußuaxixos, und Fr.
Buch el er übersetzt „obturacula mentis". W. T. Pur ton vermutet
voußutjxa. E. L. Hicks ergänzt gut (Sxa. 0. A. Danielsson vermutet
^Oeipeadov, «o ßuaxpa tuji [xouvov, A. C. Pearson (f^tipzaif Iv lo ^sx' ap' (uxa
}xoüvov, St. YXaaaat verlangen H. Richards und L. L. Shadwell
7X5j<ja, ohne Grund. — 17. Die Hds. hat sopxrji; H. Richards, Fr.
Blafs und A. Piccolomini ändern dies in sopxr^, wozu der letztere
Theoer. XV 26 vergleicht; wohl mit Recht. Fr. Bücheier schreibt
iopxat. — 19. ßaußtuv = oXußo;, wie G. Kaibel sah. — 20. Fr. Bücheier
bemerkt: ,, maligne adscita OeofXtoarsiuv mulierum nomina (AP. IX 26)".
186 Griechische Lyriker. (Sitzler).
Rutherford schreibt t) HpiwT); st. Tjpi'wT)?. — 21. Rutheriord nimmt
□ach TpiT7jp,ep7j }xiv Personenwechsel an, wogegen 0. A. Danielsson
mit Recht Einsprache erhebt. II. Richards verlangt t6 öwpTjfxa st.
Ti 0. — 22. H. Richards wünscht mit Recht Noaai'c; xo&ev X. st. Noaalc
xodev X.; wie Rutherford schreibt. — 23. Nach snctD setzt Ruther-
ford Fragezeichen; besser ist Punkt, wie H. v. Herwerden verlangt
und Fr. Bücheier schreibt. Zu vXuxea; ergänzen H. v. Herwerden
und W. Headlam iraTSa? „ihre eigenen Kinder"; richtig E. L. Hicks
6cp8aXiJiouc; ebenso A. Palmer. 0. A. Danielsson coli. Theoer. VI 22.
XI 53. XXIV 73 und Fr. Bücheier coli. V 59. Rutherford dachte
au deouc. — 26. E. L. Hicks vermutet [xriSe äv st. p.T)8ev' und verbindet
damit den folg. Vers, der der Koritto gehört, indem er schreibt: -fuvaixa;,
Tj au-r^ . . . exxpi^'ei, jat] als Fragewort = „ob".. Auch R. Ellis giebt
V. 27 der Metro, indem er aurj] = auxtu? st. auxi^ schreibt. — 27. Ruther-
ford schreibt -.'uvaixac aur?) \).^ 7. xot Ixxpi»]/?); das Richtige haben ganz
in Übereinstimmung mit der Hds. Fr. Blals, H. Weil, 0. A. Da-
nielsson und Fr. Bücheier: -pvarxsc, au-nfj [x rj 7. xot' IxTpi'j'st, wozu der
letztere bemerkt : exclamatio signiticans quod enuntiavit Aschylus w Zsü,
7üvaixwv oiov w7:aaaj '{hoi. — 30. F. G, Kenyon ergänzt richtig ap^aaaaa.
Rutherford fafst 91X7) als Vokativ, unrichtig; es ist prädikativ, wie
A. C. Pearson und 0. A. Danielsson bemerken. — 33. -aXXa zieht
zum Vorhergehenden H. Weil, richtiger zum Folgenden Fr. Bücheier,
H. Richards, G. Kaibel, E. L. Hicks. Der Infin. xp^^^a^ steht
Imperativisch; unnötig ist daher -/pTjaötu, was Fr. Blafs, H. Richards,
G. Kaibel, E. L. Hicks vermuten. G. Kaibel fafst xaXXa . . . XP^"'^"*
parenthetisch; W. G. Rutherford schreibt 'fiX/^v döpeiTw e; xaXXa Noaai'c
7jv ypr^aöui, was F. B. J OVO US mit Recht als unrichtig bezeichnet, da
Eubule, nicht Nossis Subjekt sein mufs. — 34. Ich stimme 0. A.
Danielsson bei, der eine anakoluthische Konstruktion annimmt, so d als
•r^ jxr) üoxEü) wieder aufgenommen und fortgesetzt wird mit -/iXiiuv euvtcuv
xtX.; zu fxr^ vergleicht er Kühner II 744 flg. H. Weil vermutet
Mrjöoxeuj St. |j.T) ooxeo), Fr, Blafs jxä, öoxeiu; ebenso W. Headlam,
H, Richards im Auschluls an NoaatSi ypn^jöü): [i^ '}xoi, Soxecu. Die
Worte |xeCov p.ev bis 'AöpTJoTEia bilden einen Zwischensatz; so H. Weil,
0. A. Danielsson, Fr. Blafs. E. L. Hicks zieht auch die Worte
fitj ooxeiu zum Zwischensatz; ebenso A. Piccolomini, nur dal's er [xS,
SoxEüj schreibt. Am Schlüsse ergänzen 0. A. Danielsson und Fr.
Buche 1er 7puSiu, womit auch die Hds. zu stimmen scheint; früher wollte
Fr. Bücheier Tzpr^iw coli. IV 69, wozu er jetzt bemerkt: „non fuit
-itpr^lui" ; -pT^^u) ergänzen auch G. Kaibel und A. Piccolomini, Xe^u)
H. Weil, Fr. BlaJs, W. Headlam, H. Richards, E. L. Hicks,
oeiUi oder IvSeUai R- Ellis. Rutherford schreibt ttjixi^, ooxeü), |xeCov
Griechische Lyriker. (Sitzler). 187
fjiev T^ -fuvrj T:pTj$ü), Fr. ßücheler tq [xr^, ooxeiu, [xeC^v (x^v ^ 70 vt) ^pii^o),
Xadoi|jLt 0' xtX. ,iü quam malus quidem quam mulier nihil muttiam, opinor,
pace autem tua dixerim etc." — 35. 0. A. Danielsson würde 'AopiQ-
atstav lesen, wenn es metrisch angeht; unnötig. H. v. Herwerden ver-
mutet Xa'ßoi 8i }jl' 'A3pTQ(rcsia, verleitet von Rutherford, der schreibt
Xaßot }x£ ö' 'ASpT^oxeia. Fr. Bücheier fafst ytXicov euvxojv kausal wegen
T:po(j6oüvai ; ich halte dies nicht für nötig; jedenfalls ist die Rede kräf-
tiger, wenn man es konditional erklärt; G. Kai bei erklärt TrposöotTjv
noch zu dem schon geliehenen hinzu. — 36. H. Weil verlangt e; xt
St. IsTi, und Rutherford schreibt T:poa»^ot|xrjv st. 7:poj5oiV^v. — 41. Die
Hds. hat metrisch unmöglich woXXa; F. G. Kenyon denkt an xal oder
7] T^oKXd; das letztere billigt Rutherford, wohl mit Recht. A. Palmer
denkt an xl ttoaXoc oder xa ttoXXoc, und xa uoXXa schreibt Fr. Bücheier,
indem er die Worte zum Vorhergehenden zieht; derselbe vermutet
aufserdem FloXXt? 61. Am Schlufs verlangt A. Palmer 8ti xoi st. öetxat,
das, wie Fr. Bücheier bemerkt, für Sst steht. H. Richards will
umstellen jasü xr)v 7X5(jaav st. xtqv }i,eu 7X. — 44. Rutherford schreibt
fjLOi ev^XsTrsic St. p.' Ivf^X. ; ebenso E. L. Hicks, ohne Not. — 45. Die
Hds. hat richtig 7) xi xdßpa aoi xaüxa; G. Kaibel erklärt xa aßpdc gut
mit , Ziererei", 0. A. Danielsson falsch mit „Zofen". Rutherford
schreibt 7] laxiv aßpa aoi x., F. B. Jevons v) xi -faupoT; £i xaüxa. — 46.
W. Headlam wünscht Iv su-/o|j.at st. Iveuyofxai, F. B. Jevons ereii^^ojjLat,
wie auch Rutherford schreibt, der auch {xoi Irwlivja-q st. tJ;-' im<\i. hat. —
47. Das Richtige ist (xa, xi |xot sveu'/TQ, wie die Hds. zu haben scheint
und wie Fr. Blafs, G. Kaibel und Fr. Bücheier vermuteten,
Rutherford schreibt \i.ä' iifi [xoi hrf/ti, E. L. Hicks [xa ^v xi fxot £v
Eü^iÜ, H. Richards [xä* [xt] (xoi sTreu/so, A. Palmer jxa ava [xoi veüs,
W. Headlam jxa" xi }xoi ev Eu)(et, L. L, Shadwell verbindet ev eu^^
mit eppa<}>£ ,he made it to my order", 0. A. Danielsson |xa, ei' -(s jxoi
EveuyTj oder et au, auch r^ ou; wenn Hiatus nach jxa gestattet ist, mit
der Hds. [xa- ^ fxoi. — 48. Mit G. Kaibel und Fr. Bücheier ist
lpa<}<£ St. eppatj'e zu lesen; Rutherford stellt um eppa<]^e KepSwv. Von
xoio? bis TipooTj/ousi (V. 56) gehört die Rede der Metro, wie W. Headlam
mit Recht bemerkt; so auch Fr. Bücheier und H. Richards;
Rutherford nimmt nach V. 50, 51, 53 und 54 Personenwechsel an. —
50. Fr. Bücheier bemerkt: „quaeritur utrum KuXatötSo? an KuXai9t3oj,
maris an feminae, item ut KuXai'ötoo? Theoer. 5, 15". H. v. Her wer den
verlangt Kuvaidiöoc. — 51. Fr. Bücheier vergleicht „pectinem scutu-
latum et pulcrum schol. luv. 6, 382"; G. Kaibel bemerkt, dafä
TcX^xxpov = avSpeiov sei. — 54. Fr. Bücheier vergleicht ^sav r.ox ^aav
aXxi}xoi MiXt^oioi. — 55, Rutherford ergänzt KuXatöi'c; ebenso Fr. Blafs ;
Fr, Bücheier Ouixaiftt? oder TaXatOic; zu jxaxapTxtc bemerkt der letztere:
188 Griechische Lyriker. (Sitzler.)'
„niiicum anapaesti talis exemplum, lectio certa cf. Theoer. 2, 70." —
57. G. Kaibel, Fr. Blafs, H. Richards verlangen m-j^ st. (o;; Fr.
Bücheier wv oder ouc; Rutherford schreibt xouc. Mir scheint die
Überlieferung richtig; denn Metro selbst hatte ja klar angedeutet, dafs
sie keinen der beiden für den fraglichen Kerdon halte. — 58. Ruther-
ford schreibt y) ex Xt'ou st. r^ X.; ebenso Gr. Kaibel; H. Richards
ei £x X. — 59. Zu tpaXaxpo;, fjiixxos vergleicht S. E. Winbolt Plat.
rep. 496. Dafs aüTo nicht zu ändern, zeigt 0. A. Danielsson coli.
Plat. Protag. 360 E: auTo ■?) apsxr^ und Lucian. somn. 9: auro [xovov
epYa-nrjj; ebenso Fr. Bücheier. Rutherford schreibt vjxef 9aXaxp6c.
jxixxoc euT'" ipei;. — 60. Die Hds. hat richtig etxcxjat korrigiert; Ruther-
ford sixa'ja'.c. — 61. F. G. Kenyon ergänzt richtig outw; Rutherford
läfst im Text eine Lücke. — 63. xat oixiyjv o' vermutet richtig Ruther-
ford; so auch Fr. Bücheier. — 65. Rutherford schreibt dXX' ep^'
oxoi' e<JT"" ep7a t% 'A9r,vatr,c | auT% opotv y.tX., W. Headlam a}X ep'f'
oxoi' stt' ep^a" ttj? "AÖTjvaiVjC xtX.; die richtige Interpunktion hat O. A.
Danielsson gefunden ötXX' ep-f", oxot' IW spYa x^c 'A8r(vatT);' | aux^;xxX.;
ebenso Fr. Buche 1er. H. Richards vermutet (iXX' ep^axT)? IW, ep^a-
TYjc. — 67. Rutherford schreibt 66^£i? sxsiva" ouo -/ap . . . MrjxpoT.,
E. L. Hicks 86$et;" itodev öuo 7ap, "W. Headlam So^etC 8u' elrcov ouo
70p, 0. A. Danielsson oo'^s-.c OeüipsTv ouo -fap, R. Ellis, G. Kaibel
und Fr. Blafs 6o'$eu* £7(0 6' ?v, 8uo ^ocp, Fr. Bücheier öo'^eic* efAoi [lev
ouo 7ap, später richtiger oo^ei;. e^w [xev, Öuo ^ap. — 68. Rutherford
ergänzt fia [xsu, E. L. Hicks ixevxoi, 0. A. Danielsson \ia xS? oder
|x5 oxu>?, A. Palmer [xaviTj, Fr. Bücheier früher 0 auxou;, in der Aus-
gabe löoüj ay tXXtu?; tXXüi? opav = fXXwTTxeiv, R. Ellis, Fr. Blafs und
G. Kaibel [xoüvov. Etwa a|j,' i&u«? Zu xa ofj.|Aaxa exxufiai'vstv ver-
gleicht G. Kaibel 4, 64 exßaXXsiv xa? xotSpac. — 69, Fr. Bücheier
bemerkt: ,,3aXX' pro cpaXX' opinor, potuit ex dialecto Macedouum pro-
venisse, potuit ex ludicra comparatione verborum ßaXXsiv paXXi'Ceiv BaXXiwv
(ex arce Ballionia PL Pseud. 1064). ßaßaXov et ßaixI'-laXov xo aiSotov He-
sychius: accentus iucertus utrum ßaXXia ut in deminutivis au ßaXXia modo
adiectivorum, illi favet tale x6v cpaXXöv opöov axrjsaxo)". G. Kaibel
wünscht xa paXavi'. — 70. Die Hds. hat h\ivj, wie H. Jackson ver-
mutete: dadurch werden die anderen Konjekturen unnütz. Fr. Bücheier
vergleicht Aristoph. Thesm. 472. Ach. 504. — 71. G. Kaibel und Fr.
Bücheier vergleichen Theoer. 5, 51. 15, 125. — 72. Rutherford er-
gänzt richtig ouy ifjLavxsc. — 73. Die Hds. hat supoic, eine Silbe zu wenig:
das Richtige vermutet wohl Fr. Bücheier suptjxoi;; Rutherford
schreibt e^süpoi;, A. Palm er (iveupoit av, G. Kaibel supotc au oder
eupo'.o. — 77. E. L. Hicks vermutet in Übereinstimmung mit der Hds.
xaxaXi^ouaa ,,calling him deary"; F. G. Kenyon vergleicht xaxa =
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 189
xexTa III 79. Fr. Bücheier bemerkt: „ficta vox ex sonitu palporum
videtur ut germ. tätscheln, cf. xrj xotTa xaxa (III 79). certe blanda et
illecebrosa dicitur attrectatio". Rutherford schreibt xaxa Xasxsuua,
H. Diels 7ap7aXiCou3a, G. Kaibel -/a-f^aXi^ousa, H. v. Her wer den
xata xXei'Couaa. — 80. Die Hds. hat eosi 7ap aXXa xaipov ou itpsTirovx tvai;
dies behält Fr. Bücheier bei und bemerkt: „toti duplicem vim habet
ut germ. es sollte, iam iteratur in hanc sententiam: at enim fata ita
ferebant tempus ut incommodum esset, vide interpretes Herodoti I 8.
II 161. V 33." H. Weil schreibt ouv st. ou und erklärt: ,,c'est qu'il
fallait que du moins la circonstance aussi y füt favorable." Richtiger
interpungieren andere nach eSei ^ap, wie 0. A. Danielsson, der xaipöv
00 Trpe-ovx' sTvat als exklamativen Infinitivsatz fafst, W. Headlam, der
eu st. ou vermutet, aber auch ou für möglich hält, ß. Ellis, der dtXX'
axatpov ou irpeTcov xeivai oder dXXa xatpov ou upeTrov xsTvai vorschlägt.
Für das beste halte ich bis jetzt H. v. Herwerdens -psTtovx' el/ov,
doch ziehe ich eTöov vor, indem ich glaube, dafs ivat einem Abirren des
Schreibers auf oouvat des vorhergehenden Verses seine Entstehung ver-
dankt. — 81. Die Hds. hat gegen das Metrum TqXTjösv 7ap tj; Fr. Blafs
streicht v, also fjXrjöe ^ap rj, U. von Wilamowitz und G. Kaibel 7ap,
also ^Xr){)£v rj. Ich sehe nicht ein, wie in rjXrjöev ein Hinderungsgrund
Hegen kann, da ja beigefügt wird auxy) 7ap f^p-scüv rjfxepTjv xe xal vuxxa
xxX. ; auch zwingt nichts dazu, dtXTr]9£iv und xpi^stv xov ovov mit G. Kaibel
zweideutig zu fassen. F. G. Kenyon stellt meiner Meinung nach richtig
her ^XOsv 7ap fj, was Rutherford und Fr, Bücheier aufnahmen.
Am Schlüsse will G. Kaibel ev {xsjcp EußouXY) st. oouXtj lesen; ebenso
F. B. Jevons. — 83. F. B, Jevons versteht unter ovo? ,, Spindel"
und erklärt xpi'ßeiv mit „drehen"; st. jxtopi'yjv verlangt er axT^jxova? oder
(jxr^ixvi'ov. G. Kaibel, von aXr^öetv ausgehend, nimmt ovo? als „Mühl-
stein". Ich nehme es mit Fr. Bücheier in seiner natürlichen Be-
deutung; xpi^etv ,, anstrengen, quälen". — 84. E. L. Hicks liest richtig
xexptußöXou xötj'Tr), was er auf den Mühlstein bezieht: ,,for fear of shattering
her own at a cost of four obols". Fr. Bücheier bemerkt: ,, — Xou
paene certum, nam v aut wi pro spatio nimis ampla, Aeschylus cppsväiv
xexotx}X£voc, Aristophanes oTtuv Siia^Zw auxov uapsxoTrxou. verba cum alias
in hoc carmine tum hie ambigua nequiter, quod priraum ac vulgare est
xoT:xeiv xov ovov (qui asinum potest, Stratum caedit), hie valet tripliciter.
quattuor obolos diurnum aselli quaestum puto istius, xoü auxfjs". —
87. Fr. Bücheier: „'ApxsfxT; eflferri male ut Äiovü; et peregrina BevSic
quam 'Apx£|xi?, etsi appellativa hypocoristica acui solent". Rutherford
schreibt 'Apx£iJ.i; und am Schlüsse Kavoaxou st. Kavoaxo?, vielleicht richtig.
— 89. Die Hd~. hat aiel jasv, wie G. Kaibel und 0. A. Danielsson
vermuteten, nicht öisi [xev, wie F. G. Kenyon giebt; die hds. Lesart
190 Griechische Lyriker. (Sitzlcr.)
macht die Konjekturen entbehrlich. — 90. Die Hds. hat rpocw irteoda,
was Fr. Bücheler schreibt Trpojo) Vieüja „i. srtouja artem lenoniam
similem medicinae in calfacientibus et levantibus". G. Kaibel vermutet
-p6 joi -leuja Tf,v TrpoxuxXtav, SC. xuXixa „jemand einen Kupplerschluck
zutrinken"; richtig scheint iroieijja zu sein, wie Rutherford und 0. A.
Danielsso n geben. Am Schlüsse ist die Hds. lückenhaft. Fr. Bücheler
bemerkt: „in fine P longius vocabulum videtur habere quam OdX'^iv, brevius
quam daXirtDpy^v, fortasse daXTajv, tum super Y]v&aX scripta alia, in his
zcjp. an irpoxoxXiv yaXitcupiQv coH'ector?" Er selbst schreibt ttjV T^poxu-
xXiYjv daXtptv, 0. A. Danielsson OaXTCwpT^v, indem er zum Versschlufs
vergleicht I 30. VI 22. II 31. VI 55. 71. G. Kaibel erklärt OaXiKüpiiv
für unsicher. Ich halte öaXXsiv für das beste. E. L. Hicks schreibt
unter dem Einflufs von Set (V. 89) -tsujav . . . OaXuciv. — 91. H. Ri-
chards wünscht mit Unreclft o-jx et st. onyj.. — 92. H. v. Herwerden
vermutet Uyouaa st. exooüsa. — 94 steht oben auf dem Rande und wird
von F. G. Kenyon gelesen: xauxY] ^ap xat Tj^aTnqaev [i,yjTpot; Fr. Bücheler
schreibt Taunr) ^ap, hdi, xai rovYjpöc Vjv, Mr,Tpor, G. Kaibel xauTT) ^ap
eiour r^■^^a.r.1]3 av, MTiTpoi, l-{ui. Was der letztere im vorhergehenden
Verse vermutet (ü|xo3" st. des von E. L. Hicks ergänzten m\i.q3z\, hat
schon Rutherford. — 95. Rutherford setzt Kolon nach fiot und
schreibt zT\n st. elvat, ohne Grund. — 96. F. G. Kenj-^on ergänzt richtig
siotü e^tu; so auch Rutherford und G. Kaibel. Fr. Bücheler liest
ciÖT^aio coli. V 78. — 97. E. L. Hicks ergänzt G^iottve und waXai }xaTr)v
-/u>peT, G. Kaibel G^iaivs, MT)TpoT, und ptaxrjV -/uipei; das letztere auch
H. Jackson; F.D. uYiaive, MrjTpo? [xa, raXat [xoctyjV ytopei. Fr. Bücheler
bemerkt: „quadrat in lacunam uvi'atve jjiot KopixTt. haec enim discedentis
verba esse uec supplendum MYjTpoi pro certo habeo. dubites licet de
exitu V. 98 utrum lletro an Coritto loquatur, cetera cum sua Coritto
serva agit. novum est, si est, Xatjiatptc". — 98. F. D. ergänzt ri\Lh §e,
cpwp yip ia-i. R. Ellis vergleicht zum Sinn I 33 und Catull. 61, 200. —
99. W. Headlam ergänzt to |xeXt, wozu Fr. Bücheler bemerkt; ,.potest
r.dh. non potest to jxeXt". — 100. 0. A. Danielsson denkt an isisriTot
aipai „immerfressendes Unkraut" von den Zofen mit Anspielung auf die
iciWot im Pr5'taneion. — 101. F. G. Kenyon liest auTYjt, Fr. Bücheler
avTY)r, wozu er bemerkt: „sequebatur r, l'/iov ?" Fr. Blafs ergänzt
-opOsuixa'., G. Kaibel iropdeuai, Fr. Bücheler rop&eüja. — 102. H.
Jackson ergänzt «opvoaö' ap' eytovai, Fr. Bücheler «opvjio rX^Sat
(or^z'll'^' Hippouax fr. 49).
VII zeigt, wie G. Kaibel bemerkt, Metro mit einigen Freundinnen
in Kerdons Werkstatt, aber die Handlung ist keine Fortsetzung von VI.
Zu dem Namen Kerdon als Schuhmaohr-r vergleicht W. Headlam
Martial. III 16. 59. 99. — 1. I.luthcrford ergänzt oeuWva? 7,v, richtiger
Griechische Lyriker. (Sitzler,) 1^1
Fr. Blafs <ptXac, et' ti; st. xt verlangt H. Weil «u, doch scheint n durch
die Photogi-aphie bestätigt zu werden; auch Fr. Bücheier liest so. —
2. Rutherford s/tjc st. ^yen. — 3. 0. A. Danielsson vergleicht zu
vorjpe« Hesych. voapew?. Nach £p7ov ist mit Fr. Bücheier Personen-
wechsel anzunehmen, nicht nach 'fiXew st (V. 4) mit Rutherford. —
5. Die Hds. hat AptjiuXu). woraus Rüther ford mit Fragezeichen nach
uaviSa macht dptixuXcp; Fr. Bücheier setzt nach aaviSa Komma und
schreibt Apiixu^'; w, 9. — 8. Fr. Bücheier ergänzt apiAo^TQ xaKi^, das letz-
tere hat die Hds. nach späterer Angabe Kenyons. — 9. Die Hds. hat
am Schlufs ^■, W. Headlam ergänzt w Ksp/o»]^; ebenso oder -rupoxXetj^
l'"r. Bücheier. — 11. Fr. Bücheier vergleicht zu ^offeZ^za. collicre-
pidae cruricrepidae ferriteri mastigiae Plaut.; dann ergänzt derselbe ver-
suchsweise vouÖ£TY)|xa i'ap Tcüvoe; das letztere hat die Hds. — 12 ergänzt
Fr. Bücheier Xetaveo), t6 8' aiu^uvT); doch hat die Hds. nicht uvr),
sondern uvtc, wie F. G. Kenyon richtig angiebt. — 13. Fr. Bücheier
trgänzt xrf)a.-{ uuep azZ ty)v xovtv aiio^'T)!?«; das letzte ähnlich W. Head-
lam TT)v xoviv S' a-o(j^Y^<>(u. — 14. Fr. Bücheier ergänzt eCea&e, MriTpoi:
A. Palmer e^eo au Mr^xpoT; dann Fr. Bücheier tyiv avw avoi^a;. —
15. W. Headlam ergänzt TiueXiSa, Fr. Bücheier iropYtoa; dann vermutet
der letztere p-r) xeiv' st. fiY) ti^v. — 17. Fr. Bücheier ergänzt avcoOs- vr) AC
<o MYiTpoü — 18. Derselbe yjjuy^ [xsv a9pr,(3ov. — 19. aa{AßaXouyY)v ergänzen
W. Headlam, Fr. Blafs und Fr. Bücheier, der das a in der Hds. zu
erkennen meint; dann Fr. Bücheier 01' eysixoSs. — 20. Fr. Bücheier
ergänzt apisTov lyvewv; nach Kenyon hat die Hds. apYj. — 21. ßuther-
ford ergänzt Yuvaixe?' tj TrxepvYj, so auch Fr. Blafs und Fr. Bücheier. —
22. W. Headlam ergänzt yaXxeoi? ^Xotc; so auch Fr. Bücheier. —
23. Die Hds. hat nach Kenyon e$Y]txttuxai , wozu Fr. Bücheier
l^aiTos, l^atdio? vergleicht, „sed praestat explicare r,dar\i aixta« exxö?
7£7evT)xat quasi iuridicialem translationem". W. Headlam schreibt
£$Tr)xirixat, F. D. eSrjpxiwxai , wie die Photographie zu haben scheint.
Den Schlufs ergänzen W. Headlam, Fr. Blafs und Fr. Bücheier
xoü xa jx£v xaÄü)?. — 24. W. Headlam ergänzt ttcxv-' £y£i xaXüi?; iravxa
auch Fr. Blafs; Fr. Bücheier uacra raYxaXwc oder xaXXitjxtoc —
25. Fr. Bücheier ergänzt ii\n\ t) Oeoc. — 26. Fr. Bücheier ergänzt
ßiou x£ yJiv, „verbum idem cum apiy- opty- pr/aaOat quibus Hipponax
Aristophanes al. utuntur, proximum ab ope^ea&ai dpqvasöa'. dpeypzi^,
significantibus omnibus erectum spe ac voluntate animum." Die Er-
gänzung ist übrigens metrisch etwas bedenklich. 0. A. Danielsson
vermutet sp lyavaaiy. — 27. Fr. Bücheier ergänzt vixöi xa uavxa
H-^X\ — 29. Fr. Bücheier ergänzt xotoy üi \ioi ftveac; am Schlüsse
Kavöaxi?, ßutherford KavoaxT^;; etwa KavSaxou vgl. VI 87? —
31. Fr. Bücheier ergänzt v.xäv oi ©yjjjli aut uno ppde plus xoüxo
192 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
<pTjp.t: dann am Schlüsse ejtIv i'a: „productani esse priorem in Tor (eai h)
aut solutam iu versu paenultimam syllabam non credes, num coutraetas
esse Yocales tan i'a?" — 32. Fr. Bücheier ergänzte früher -/rj^eTaöe \i
ahi Tr)v dXTjOtrjv ßau^etv, später [xy] }xe xspoaXea öi'Cetv. — 33. Fr. Bücheier
ergänzt epew 709 ou8h, 34. ßapuvov t). — 35. F. D. ergänzt «Tro
x£p6£ü)v, was mit den Buchstabenspuren nicht stimmt, Fr. Buche 1er
xujvTjiüJv. — 36. Fr. Bücheier ergänzt xuwv cpspoi" ou -jap, „sed potest
Kap." — 38. Derselbe ergänzt ,,[xi|i,ou|X£voi an ixy^? scilicet sutores alii".
Die Hds. hat -a ep^a; damit fallen die an die frühere Lesung xaOppa
sich knüpfenden Konjekturen. — 39. F. D. ergänzt e/oiaiv aXXoi, auxö;
8i; Fr. Bücheier: „poteät i>vt)t6?". 40. F. D. versucht öi'cppov xe
irovetuv, was nach den im Papyrus erhaltenen Buchstaben unmöglich ist;
Fr. Bücheier dva-^xecuv oder aveu Öeuiv. — 41. Die Hds. hat vor
a^pi, wie Kenyon nachträglich mitteilt, Tf)(x,e&ov oder r)|x£(ov; daher ist
F. D.'s ouo' £(jxi aTxov unmöglich; Fr. Bücheier ergänzt wpa? 7otp
Tj|X£u)v, dann 42 xc -rrp^^ixa xal Tipo?. — 43. Fr. Bücheier versuchte
xd jAcxp' S'ffov und am Schlüsse uuvov uTivwaaeiv ; W. Headlam ergänzt
%i iF uuo -/eXiSovcüv. — 44. Fr. Buche 1er ergänzt oitjxovou? ßoaxo),
45. (Jp7o; o'j axüxEuj, 46. jjlou xaxaSoucjt; aufserdem bemerkt er: „utji
correpta priore praeter morem. querela similis luven. 9, 67". —
47. Fr. Buch el er schreibt cplp' £i cplpets xf xaXXa 6' (i|xcpi jx wöeüvxai. —
48. F. D. vermutet xd? xo/a»v«; &Xtßovx£;, 0. A. Danielsson ftdX-
Ttovxe? St. OXi'ßovx£j; oder vEoaaov st, veoaaoi; Fr. Bücheier ebenso
xdc xoytuva; Oa'Xrovxej. — 49. Fr. Bücheier vergleicht I 78. — 50. Die
Hds. hat yaXxüiv 8e" xoüx' yjv p.T) ü[j.iv dvSdvT), MTjxpoT, wie W. Headlam
vermutete. H. Jackson xoüx' fjv xou [xiv (iX7uv7), MTjxpoT, ß. Ellis
xaüx' Tjv Süi u|jLiv, av ö' dvT^ Mvjxpcu. — 51. Fr. Bücheier bemerkt: „[jidXa
deinceps gradatim i. rursus, interpr. Herodoti I 134, Aristoph.
Pac. 460." — 52. W. Headlam ergänzt olv <txavü>c> uEtad^xe, R. J^llis
teXo?, f. D. ua^pea)?, H. v. Her wer den Xe^eiv, Fr. Bücheier lizl izay,
im Folg. hat die Hds., wie F. G. Kenyon nachträglich mitteilt, Xe^ei
oder Xr.'Ei;, nicht exei; daher F. D. und Fr, Buche 1er [x-?] Xe^eiv, wohl
richtig; W. Headlam T:£tai)^xE- xi? Xe^ei <\).; nicht zu brauchen ist
K. Ellis' jx/jS' £X£t und H. v. Herwerdens [xyjxexi. — 53. Fr. Bücheier
nach dem Papyrus richtig: xa? [x£u (oder fxsv) gaixßaXou/tSaj; W. Headlam
}xop(fd« 7dp o'jx eioe;. — 54. Fr. Bücheier ergänzt <5£r7dp sTrtXivTjbEiaac,
nachdem er zuvor versucht: eixoc 7a'p laxiv TjaÖEiaac; W. Headlam oeT
p.aXiaxa, 0. Crusius /pr, 7dp E7xtvT){)£iaa;, H. V. Herwerden ovtjöeiW,
was sich mit der Hds. nicht verträgt. — 56. Rutherford vermutet
»ET^aEabs St. thJCTEaÖE, Fr. Bücheler ihriEiaftE; dann ergänzen beide
ufXEic, der erstere läfst ohne Interpunktion 7£V£a xaüxa folgen, was dem
letzteren weniger gefällt; er schreibt xd vsa xaüxa. — 57. Fr. Bücheler:
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 193
,an NoaaioE; ut a Nosside norainatae? cf. Poll. VII 0-i qui ex bis
emaculatur.^ — 58. Die Hds. hat <|;tv-axata, woraus Rutherford
richtig '^in-d-Aia hergestellt hat; Fr. Bücheler verlangt »J^ixtaxea :
„'l'tTTaxeta Hesychius, viridantia scilicet". Derselbe schreibt ebenso wie
Rutherford ßXauTTai st. ßXau-i'a. — 59. Rutherford schreibt aixceiVfupa
St. dfX9ij<pa[pa, was E. Y. Tyrrell aus metrischem Grunde in aixcpta^upia
verwandelt; aber auch dies ist entbehrlich. — 60. Fr. Bücheler
schreibt ßap-ßaX' st. aaixßaX'; denn er glaubt auf der Photographie ein
ß st. er zu erkennen. — 62. Rutherford schreibt atj&vjcji}' m; st. aisSou-
de. — 63. Die Hds. bat cxuxea 7'jvaiy.s; xai xyvs? ti ßpoj^ousiv, d. h.
oxutea, "/uvaixss, xal xuve; -ri ßptu^oujiv == xi xal xtivs? ßpcu^ouai cxo-cea.
Eine Änderung ist also unnötig; Rutherford schreibt oxuTea -/uvarxsc
xal xuvEs ßtßpuJaxoüüiv : auch Fr. Bücheler liest axuxe«, und
0. A. Danielsson verlangt auch xuva?. W. Headlam wünscht
ßpa'Coujtv st. ßpüiCoyjtv; Fr. Bücheler bemerkt: „verbum hoc praesens
factum est ad ßptoxa et ßeßpu>-at, aeque antiquis inusitatum ßißpiusxw." —
64. Die Hds. hat richtig Tjstpa;. — 65. F. G. Kenyon wünscht, um
das Metrum herzustellen, to zwischen ar,£]x-oXf] und ^£1)70?, und so
schreibt Rutherford; 0. A. Danielsson vermutet a7i£[x::oÄr,v (=5v).
Das Richtige fanden R. Ellis und Fr. Blafs aT:£|jL7roXT]aai, abh. von
ypei^ei?. Fr. Bücheler bemerkt: „in fine potest aiTEtov legi"; mii" un-
verständlich. — 66. Rutherford liest mit Unrecht jxe^ov' st. ixs^ov; es
gehört zu ßpovTscuv. — 69. Die Lesung der Hds. ist unsicher; zuerst
gab F. G. Kenyon i xour .... 7ap ou; £pY]t 01 (uv . . . ., später xoyx
oxvic (wahrscheinlich) ou ae pYjioio); (möglich). W. Headlam vermutet
et xoux' IpEi; -/ap, ou ae prjoiov (oder p-rjoi'w;), F. D. si xouxo Xt^s ^ap, ou
«e pTjSicuv cj>euao> | tu'/itov, H. V. Her werden et xouxo Spr^c '/«p» ou Gt
pT^Siov ^/jXsuv, Fr. Bücheler zU ~oZz opüiv -.ap ou je pY)oiio? <lifj'j(a,
0. Crusius 6 a^av xovaiv -(ap ou je p7joi(uc tceiuei. — 70. Die Hds. hat
nach Fr. Bücheler jxuxecüv, nicht öeuxeojv, wie F. G. Kenyon an-
giebt. Damit fällt auch H. v. Her Werdens oeüx' wv (ouv?). Derselbe
setzt nach 7uvai Kolon und schreibt xwXtjÖec tjv ÖEXrjc £p7y, i ^P'i? t^'o
Rutherford xwXtjöe;- t]v 9. Ip-^tp, | spEi? xi. Richtiger liest Fr. Bücheler
mit der Hds. sp^ov mit Komma nach diesem Wort, so dafs V. 70 einen
Satz bildet. — 72. Die Hds. hat richtig l'f fjC aXonzY]^ voooiVjV zö-ocVjxev,
wie H. Di eis gesehen hat; damit werden alle Konjekturen unnütz.
Fr. Bücheler vergleicht Callim. hy. III 78: „meminerimus Kspocovo;
et xEpöoü? cognatiouem, unde xEpota tarn astutia quam alopecia." —
73. A. C. Pearson ergänzt Ivöa xavöa xiveügi, 0. A. Danielsson h
\K a£x|xa (aTj|i.a?) xiveüji coll. Hesych. et Et. Magn. s. v. a£x[xa,
Fr. Bücheler l'p^a xaXa oder sp^' aptaxa xiveüji. — 74. Die hds.
Lesart schreibt Fr. Bücheler 'Epixr^ ts xEpÖEcuv xal au, xspoirj OEtöoi
Jahresbericht für Altertumswissenscliaft. LXXV. Bd. (1893. I.) 13
1<,14 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
und übersetzt: ,,ita Mercuri deus lucrorum et tu, lucrosa Suada, me
aiiietis"; ebenso H. Weil, nur dafs er xspowri wünscht. Unrichtig
Rutherford 'Ep}j.9j, as Kepoojv xal as, Kep8iY^, av -stöot, E. L. Hicks
F.pa^ T£ KspocDv, xal sü xepoeiT) netOoi; ebenso 0. A. Danielsson. —
7ö. Rutherford schreibt wj, wofür E. L. Hicks richtig w; setzt. —
76. Rutherford schreibt xuöpr, st. -/u-pr), und so hatte nach
Fr. Bücheier vielleicht ursprünglich die Hds. — 79. E. G. Kenyou
orgäDzte |xvr)c; Er. Bücheier fragt: „argeuti mina an aeris"? —
80. Rutherford schreibt mit Unrecht avwiT st. avco o und ßXeuet; st.
ßÄE-etv, ebenso 81. pivr,txa ot^xot' st. pivT^ix o ori7i.QT, woraus H. v. Her-
werden otj t66' macht. — 82. Rntherford schreibt ohne Grund £<ov
sOacVTj? . . . d7:o3T£i;at; St. (ov£'j[i.£vr,j . . . dzojTa^ai, H. v. Herwerden
lovsufxevy) ah ttjsö' (rr^vo'?) av oux drosxu^ais. — 83 fg. spricht Metro,
bzw. eine der Frauen, wie E. L. Hicks und H. v. Herwerden richtig
gegen Rutherford bemerken. — 85. A. Palmer ergänzt xX-fl'caj oder
v.'/Aloii, wozu Fr. Büclieler bemerkt: ,,non potest xXirJGa?, quia a post
X clara est, in exitu potest a;". Er selbst schreibt mit Rutherford
xaXüic. Fr. Blafs vermutet xaXXaic — 86. Die Hds hat r^•/.az■t], worin
Fr. Bücheier richtig f,/a--^ -= yj 'Exar/j (= 'ExateTj) erkannte';
Rutherford schreibt r^ 'ExaT/j. Fr. Bücheier bemerkt: „Taureonera
Neptuno ut videtur sacrum meusem Jones habuere Samii Cj'ziceui Sino-
penses". — 87. F. G. Kenyon ergänzt gut xi^; 'ApraxTjvTjc, wozu
Fr. Bücheier bemerkt: ,, quasi ex Artace civitate oriundae". Ruther-
ford xal -r) 'ApTaxr,v7^. — 88. E. L. Hicks ergänzt -ra Xqz -poas'.j'.,
W. Headlam u. A. C. Peai-sou to Xtjc oi.'jou3i, Fr. Bücheier xd 'Kr^i
'fipo'jji, A. Piccoiomini xd XYJixfiax ujei, H. v. Herwerden xdXa;,
r,;üujt. — 89. E. L. Hicks verlangt ohne Grund lidXXov Trdvxwv
St. -dvTwc. Fr. Buche 1er bemerkt: ,,salse haec defricat hominem ex
postulatis XaxxorXouxov futurum, -/aXrjv appellat nt rapacissimam et
inauspicatam". — 91 und 92 gehören dem Kerdon, 93 — 99 der Metro:
Rutherford giebt nur ein Stück von 92 dem Kerdon, und H. v. Her-
werden lässt die Rede der Metro bis V. 99 gehen. Rutherford
schl'eibt r^v tj 'Exdr/j st. tjv x' f^xa-^ vgl. 86. — 92. r]v x' rj 'ApxaxrjviQ
vermuten mit Recht E. L. Hicks, H. v. Herwerden, A. Piccoiomini
und Fr. Bücheier: Fr. Blafs verlaugt r^v x' ■^ 'Apxaxrjvr], und
Rutherford sclu-eibt f^v, x-^, 'ApxaxTjvT). Danach lassen Rutherford
und E. L. Hicks Personenwechsel eintreten. — 93. E. L. Hicks
wünscht oi'owji xal fj st. o''oco3iv ■r^. — 95. Rutherford dXX' oi; xvtja,
O. A. Danielsson dXX' £i;xvuC«, Fr. Bücheier eTc xvuaa; A. C. Pearson
verlangt Ir/yvJ-T.: am besten scheint Fr. Büchelers Lesung. —
96. Rutherford ergänzt Xwiov sstouxoü T:pr];£t;, E. L. Hicks otacpop««;
Ocdj'jTOÖ zpTj^si;, W. Headlam dxXeöi;, eö», -prj;ei;, R. Ellis oi; Xoto
Griechische Lyriker, (Sitzler.) 195
c£o T.prilzii oder Xwa olc <j£o 7:prj^£ic, Fr. Bücheier a-Xs-coc a£o> -p^;u;
<j£ü) == (jEo T). Das Richtige scheint noch nicht gefunden. — 97. Ruther-
ford setzt nach ^eu^oc Punkt, Fr. Biicheler nach owjsic; ich möchte
TauTT] bis xojou in einen Fragesatz vereinigen. — 98. Fr. Buche 1er
schreibt richtig xoso-j; TiaXiv Trpr^firjvov ; ebenso d$iTf]v st. d^tav. —
99. (jTaT^paj TTEVTö ist, wie O. A. Danielsson bemerkt, Objekt zu
Xaßsrv (V. 101). — 100. ßutherford schreibt E'j£T9]ptc st. £TY]pij;
E. L. Hicks und Fr. Blafs verlangen E-jczyip-';. — 101. Fr. Bücheier
bemerkt: , .oratio efficacior est omisso quam addito Tjjxeac, facillimum
erat XaßEiv ^i dv". Am Schlüsse ergänzt F. G. Kenj^on richtig
iyöaipu). — 102. Rutherford liest richtig 8apr/.ou?, was die Hds.
oap£txouc schreibt; Spondeus ist auch hier nicht anzunehmen. Unnötig
ist W. Headlams ypussou; st. oap£ixou; und R. Y. Tyrrells Um-
stellung y.£i T£3Gapac [t-oi u-'.jyvEotTo oap£ixo'Jc. — 104. Rutherford
schreibt gut oswotc, was in der Hds. in o£tvois geändert ist.
Danach nimmt er und E. L, Hicks mit Unrecht Personenwechsel
an. Am Schlüsse ergänzt der letztere £i oi 7pYj[xd-cov 7p£ir,,
Fr, Bücheier £t oi \io'. -txprj 7p£''rj. — 105. Die Hds. hat, metrisch
unmöglich, 'fspEuXaßou-wv ; E. L. Hicks vermutet tpEp', euXaßoü orf
Tcüv; ebenso W. He a dl am, nur dafs er s-j st. örj wählt; Fr. Buche 1er
9£p£'j, Xaßou TouTtüv, metrisch bedenklich. Ich dachte an: ei o£ 501, -/uvat,
ypEi'r), 1 cpspEu, Xdß' auta und dann mit Fr. Bücheier täv Tpituv bilm
coüvai; auch ok go>. pafst nach Fr. Bücheier in die Lücke. E. L. Hicks
vermutet tüjv xptöiv OeXeic oouvat , da er die "Worte der -('xj-q giebt. —
106. Die Hds. hat xal -raux' auxa xal -aZ-i, woraus F. G. Kenyon
richtig herstellte xal xayxa xat xau-'; das Folgende ergänzt W. Head-
lam a'XXa TCEvxE oapEixwv; oapEixüiv schrieb schon Rutherford. — 107.
E. L. Hicks schreibt -zr^joi; oeivo'/ ouv cpr,3£i?, indem er die letzten
Worte dem Kerdon giebt; W. Headlam mit demselben Personenwechsel
verlangt nach xTJaos die Worte ttevte oapEixöiv. Fr. Bücheier glaubt
nach TvjjoE zu erkennen: cy) 6' et ocv rfui^r^. — 108. E. L. Hicks er-
gänzt tivai to [i eXasat aav6aXtuv -'t TEyvt-rjV, W. Headlam Eivai xo p.'
iXdjai 5a[j.[iaX', Fr. Eücheler o'jvaito \j.' iXaiat aa|xßdXotJtv Cxjx 'EpfXEoj.
— 109. W. Headlam schreibt richtig sovxa Xt&ivov st. £ovxaXYii)ivov ;
Fr. Bücheier vergleicht dazu Hippon. 10. Im Folgenden vermutet
E. L. Hicks h Heo'j? dvarxfjvai, was F. G. Kenyon für wahrscheinlich
erklärt: W. Headlam h Ueou? dvasx^vai, was nach Kenyon auch nicht
unmöglich ist. 0. A. Danielsson dachte an ä'-TTj-pj coli. Eustath.
1625, 36. — 110. Die Hds. hat nach F. G. Kenyon y;oY)vr,c oy) sXÖ'.v,
richtiger •l]or^\r^; or,i}|j.ov; daher schrieb Fr. Bücheier yj^ov^c 0 rjftixov:
,unde liquida voluptas defluit cf. ad III BH". H. v. Herwerden ver-
mutete Y^ov-T;; Xr^pr,v, R, Ellis £/£•; 7010 o'jxt -/Xäisav. y]fyr;vr,v 6' fjf)£t,
13"
196 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
E. L. Hicks 7] o'jvT) oy) eXösiv, indem er den Vers der yuvt, giebt. —
1]1. F. Gr. Kenyon schreibt af^swv; ebenso E. Ellis: es mul's heifseu
5 Hecüv, wie Fr. Blals, Fr. Bücheier und 0. A. Danielsson haben;
E. L. Hicks wünscht [a«, öewv, llutherford schreibt -div 9süjv. Der
letztere ergänzt am Schlüsse des Verses dcpear^jxsv, R Ellis acpsmqxcüc,
E. L. Hicks a-o ^(juet, 0. A. Danielsson «-«ox-j-rat, W. Headlam
ötTror/tarat , Fr. Blafs und Fr. Bücheier ar.za-' wvr,p, bezw. aTrsa^
uiVY^p. — 112. Rutherford ergänzt oqvo?, Fr. Blafs oqei?, W. Head-
lam otvoij, Fr. Bücheier oIztozI;. — 113. Nach -ooiaxov interpungieren
mit Recht Rntherford, Fr. Blafs, 0. A. Danielsson, Fr. Bü-
cheier; dann schreibt Rutherford eIjiv öc Orj^et, 0. A. Danielsson
sTj' C? öu)|jl{;£i, E. L. Hicks zU i/vo? öolixev ohne Interpunktion nach
-ootaxov, Fr. Blafs tU i'yvoc 9u> fiiv; unter ei; i/vo; ösjftat versteht
Hicks „das Mals nehmen", besser „anpassen". Fr. Bücheier schreibt
£1 ji'voc, 9(Iiu(xa „mirum, si Vitium est". — 114 will E. L. Hicks der
-,'üvTQ zuweisen: mit Unrecht. — 117. aurrj Rntherford und E. L. Hicks;
richtig auTY) Fr. Bücheier. — 118. Rutherford schreibt ij^tup/^ |
. . . ozXt) ßoü? x-X., wo die Hds. ij^copY] . . . o-Xri hat; dies behält Fr.
Bücheier mit Recht bei, indem er schreibt ij^cupf, | aprjpev ütcXt^, ßouc
0 X. Am Ende des Verses ist Funkt zu setzen; Rutherford verbindet
den Vers mit dem folgenden und setzt Punkt nach a[j.iXr,v, wo Komma
hingehört. — 119. Fr. Bücheier bemerkt: ,,i. si modum cepissem
pedis antequam calceos feci". — 120 ist richtig überliefert: oox of.v,
txa rr,v Kepomvo? isttV^v, ouTtu; auffallenderweise nimmt Rutherford
nach o'jx Sv Lücke an und liest isriv) tou-o. — 122 ist, wie Ruther-
ford, E. L. Hicks und Fr. Bücheier bemerken, an eine andere Frau
gerichtet, die an der Thüre erscheint. H. v. Her wer den verlangt mit
Recht oaptxo'j;, wie V. 103. — 123. Rutherford schreibt ohne Grund
i)'jpyj st. il'jpTjV. — 125. Rutherford liest richtig Tj S xa-' otxir,v. — 126.
F. G. Kenyon schreibt sif) ijfk, was Rutherford richtig zu ei'&ta&e
vereinigt. oouX ergänzen gut zu öouX-'o A. C. Pearson, W. Headlam,
der früher |j.oX'j3oiv verlangte, Fr. Blafs und Fr. Bücheier. E. L.
Hicks vei'mutot ttjV oouXtjv [xsv, H. Jackson ex/jv {j,oi r^ ooüXov. Nach
u)3s fügt Rutherford gut osi ein; Fr. Blafs hält auch ~i[).zoi-z für
möglich, und Fr. Bücheier bemerkt: ,,si non emendatum esset [irstj.-
T.z-z\ manu eadem 7:£|j,7:siv, scriberem -c'jjizotTs". — 129. Die Hds. hat
9aX-ooc avE'j oEivoov (fpovouvTa, was zu schreiben ist DaXiio'jaav tZ otl
voov '^povoövTa. H. Jackson und Fr. Bücheier verlangen i}aX-o'jc
i'vsu; Rutherford hat ooXo'fpovouvTa , wohl verleitet durch Kenyons
ooXi'fpovouv-a, E. L. Hicks tov cppovoüvta; endlich schreibt H. Jackson
^povciyvr ax^ p. st.' (ppovoüvx?. y.oX o., und Rutherford verlangt xTippa--
TS'.v x7-c(p7'-T£'.v St. xal p'/rTüv. Die richtige Erklärung giebt H L.
Gricchiscilc Lyriker. (Sitzler.) 197
Hicks: ..den Wams, der einen warm hält, wird ein weiser Mann auch
ausbessern lassen", d. h. Metro ist eine gute Kundin, und daher raufs
sie gut bedient, richtiger beschenkt, werden. Metro bekommt von jedem
Gewinn, den Kerdon durch sie macht, ihren Anteil. Nicht billigen kann
ich Fr. Büchelers Auffassung: „nempe corium sine calore oportet
intus cum prudentia etiam consui".
YIII. 1. a3trji)t = avjTTjf^i ^ ava^TT^Tlt schreibt mit der Hds. Fr.
Büchelei; A. Palmer und Fr. Blafs verlangen av3rf|\)t, das auch
Fr. Bücheier früher vorschlug und Rutherford schreibt. Der letztere
ändert auch xeiir; in y.zizv.. Fr. Bücheier bemerkt: Pulex cur nomen sitser-
vae, eloquitur Plaut. Cure. 501". — 2. Rutherford sclireil)t ohne Grund
oputj^ei st. opuz-st. — 3. Rutherford schreibt [xf/ptc eu, A. Palmer f^r/ptc
SU, W. Headlara richtig [i-r/pi cjsu; ebenso Fr. Bücheier. — 4. t6v xuaov
ergänzen richtig W. Headlam, H. Diels, Fr. Bücheier; A. Palmer
läfst folgen: tov OaXafJ-ov; ouosv aoi \Li\z'. cpwp v. vXi'^ti \ töv ypusov esSü? *.
— 5. xa riXsupa wird allgemein ergänzt; ebenso V. 6 aa-Y)9i, V. 7 y.al
TTjv. St. avauÄov verlangt W. Headlam IvauÄov. Am Schlüsse des
Verses ist -qx-^^ov zu lesen, wie alle sahen. — 8. Alle ergänzen t6v-
dpuss: im Folgenden verlangt A. Palmer fir/pu eu, während W. Head-
lam mit Recht [xr/pt aeu vermutet; ebenso Fr. Bücheier. — 9. Den
Anfang der Verse 9 — 19 giebt das 9. Fragm., wie H. Diels gesehen
hat; damit fallen A. Palmers und W. Headlams Ergänzungen. Am
Schlüsse verlangt A. Palm er öw • \m, st. Ocu[xa'., mit Unrecht. — 10.
Fr. Bücheier ergänzt richtig 0£iXy], F. G. Kenyon verlangt ooüXy]. —
11. o'j ergänzt mit Recht Fr. Bücheier, der auch rp'jyoujt und c7t£[i.}j.a
schreibt. — 12. Fr. Bücheier Itz . . . 3t^6jxsj9a • ßaioc; H. Diels
versuchte ßa']>t^. — 13. Fr. Bücheier ergänzt \li}1(k;. — 14. Fr. Bü-
cheier schreibt «sttjÖi • tout i|xov; aber F. G. Kenyon bemerkt, dafs
- in Toüx' unmöglich sei. — 15. Fr. Bücheier a'y.oujov o-j; F. G.
Kenyon las Xou^ov; dann Fr. Bücheier ouy o-retu (oder oTw) au xa;:
^tangitur proverbium xou[xov -{ i\Lo\ \i-{t\.z ovap sive xo aov ovap tjol
/v£7ü)". — 16. Fr. Bücheier schreibt xpa7ov, hält aber auch 01770; für
möglich: dann ergänzt er £Ti5ov 8c irap' aqoc toj-pK^Or). — 17. Fr. Bü-
cheier ergänzt jjLaxprjj o7ov oder 8 8' ^v 7Epu)v, 18. sreioe o£ oder l~u
0 löst |j.£ oder ISeöexo, 19. t\. eacpaXiQv jxev und dann am Schlüsse 9up.<i3l,
20. TzXsxxa?, 21. xtqXio? x£ vtj fläv' Eipicov x£ TTotsüvxsc oder 7:oi£U3i oder
■z iiroisuv XI. — 22 flg. ist das 2. Fragm. bei Kenyon, das sich un-
mittelbar an V. 21 anschliefst. Den Schlufs der Vv. 23 — 29 enthält
fr. 11, wie H. Diels erkannte. — 22. Fr. Bücheier er' ispoi;, wo
Kenyon £7 giebt, 23. eoacpoc . . . eIXxov, 24. dpv£ux^pjiv etxoxec irovxoo;
H. Diels ergänzt apvsux^paiv £ixox£c iidr/y- — 25. Fr. Buche 1er er-
gänzt lppt-x£uv xa |JL£>,£' £otv£uv x£, H. Dlcls epp'.-X£uvxo xyjriotvEÜvxo. —
198 Griechische Lyriker. (Sitzler).
26. Fr. Bücheler ergänzt avsjjLqvuv-ro , H. Diels exspavvuvTo. —
27. Fr. Bücheler und H. Diels ergänzen ixuptouj eyetv [xoy&ü'jc. —
29. Fr. Bücheler: „potest tua-' tj". — 30 flg. bilden frgm. 5 bei
Kenyon; Fr. Bücheler bemerkt: ,, aliud fragmentum somnii. induci
videtur venator". St. rJ)v \ir^-/ bei Kenj'on liest er xuverjv. — 31. Fr.
Bücheler ap-^cu-ov oopsa oder «[jLcptuT'.v, 32. tuv IX-^'Cero svou coli. Suida»
evouo To xayecDj, ojc r^\izTi, Msvavöpo;, 33. u)OS (od. £710 6e) tiuv dpiuSiiov
coli. Hippon. 63,34. v aqa rrj? 9., wo Kenyon vai tol ttJ? cp. liest,
35. dXX' ouo' ü>;, 36. alr.oXoi \i , 37. xsXsu. Darauf läfst Fr. Bücheler
fr. 3 bei Kenyon folgen. — 39. Fr. Bücheler liest xal st. v bei
Kenyon, 40. xa 6' dp.'^ tV.apxa , 41. xov aqa 7:oioüvx\ 42. dvd;iov st.
otov [LS bei Kenyon, 43. v [xa Xi st. aip-aXi bei Kenyon, 45. Xerr^j d,^
47. ev xu-do3£t, 48. sTy' dfxcpl y.vr||j.ac, 51. üj(iTjv i[i.ax, 52. xö Xio-o;,
53. 'ÜouajEüj? 0. Daran reiht Fr. Bücheler fr. 8 bei Kenyon. —
55 und 56 vgl. Herodas 10 bei Th. Bergk, das aus den Hemiamben
zu streichen. Fr. Bücheler schreibt epp' ix zpojujTiou, [xtq a' exsT rspcuv
Ttpsjßuc I o'jXtj xax' i9'j xfi ßaxrjpir) yA'\)T^ : „dantur autem alia multa ut
jjLTj XI a" exöepiuv, y.q az xrjjuptuv". H. Di eis vermutet xai-sp ojv. Die
Form xa<^r) erklärt F. Bücheler für unsicher, „sed non apta xajJnJ^Tj
xvd<{;7) ^Xutj^Tj". — 57. Fr. Bücheler schreibt xrjYu> [xev eTttov, 58. ba-
vEÜji' uz\ 59. |i.apx'jpo|xai, 61. xal xoüx' i oder xax' ouxi, 63. vösa (avösa)
St. voja bei Kenyon, 66. xoixrjv d. — Nach 68 folgt bei Fr. Bücheler
Fragment 10 bei Kenyon; dafs dieses mit fr. 2 und 3 zusammenhänge»
schlofs Kenyon aus der Beschaffenheit des Papyrus.
Fragm. 4 bei Kenyon ist = 9 bei Fr. Bücheler; der letztere
bemerkt: ,,si recte in v. 2 ia[j.[iov et in 4 cxa^ovxa intellego, cohaeret
cum fr. 6 epilogo libri aut prooemio". — 3. Fr. Bücheler sij ar),
5. edv St. aa bei Kenyon, 6. fX-f?]. Dann folgt bei Fr. Bücheler das
Fragment, das bei F. G. Kenyon No. 6 bildet. — V. 7. Fr. Bü-
cheler glaubt, dafs etwa Ttonrjjöi | eysiv vorausgegangen sei; H. Diels
und 0. Crusius ergänzen efiov. Am Schlüsse vermutet Fr. Bücheler
7.aXd. — 8. Fr. Bücheler ergänzt i>.vf il und 7va)|i,Tf): ,,sententia ad-
similis tritae istius: est nobis voluisse satis: si minor ore videbor, non
minor animo". H. Diels eXs-f i;, 0. Crusius Xi-f ii, und am Schlufs
dieser Seuxe prjv- oder -/]v^oöai, jener ^voüoa. — 9. Fr. Bücheler
schreibt mit F. G. Kenyon f,iJLä; und am Schlüsse d'ptjxa oder Trpwxouc;
H. Diels xXeivov, 0. Crusius xeTvov. i'r. Bücheler bemerkt: „pen-
dent ex xXeo;". — 10. Zu EouOiöat? vergleicht Fr. Bücheler Hesych.
ex Lycophron. 987: Soubiclat 01 "Ituvec Am Schlüsse schreibt er irzaouaiv
(oder ETirjouaiv) ; eirdouatv vermutet auch H. Diels. — Darauf folgt un--
mittelbar der Titel d7:ovTiaxiCo}i.£va'.. — 11. Fr. Bücheler ergänzt
■oe;»!, U. Crusius ilo;a. — 12. Fr. Bücheler liest am Anfang Mar/j'
Griechische Lyriker. (Sitzler). 199
Sc (i. 'EpfJi-^ Maiaoeu Hippou. 16. 21.) und am Schlüsse Sojxsi?; jedoch
läfst er im 4. Fuls den Spoudeus zu, was kaum angeht. — 13. Fr.
Bücheier cpaiopvj und oivoüasav. — Danach läist Fr. Bücheier fragni. 7
bei Kenj'on folgen, wozu er bemerkt: „hoc fr. ientaculo adscribimus
propter puleium memoratum in v. ultimo: nam puleiata potio ut vr^a-sipri?
Cereris ita ieientantium propria fuit, schol. Ar. Pac. 712". — 18. Fr.
Bücheier: „fortasse xsp::" — ; derselbe liest 19. auxr/ st. eyrif) bei
Kenyon, 20. eutc (st. eut) mit der Bemerkung: ,,potest au", 22. fXr,-/cuva.
Über den Namen unseres Dichters spricht F. G. Kenyon in
seiner Ausgabe S. 2; er wird Herodas, Herodes und Herondas genannt;
mit Recht giebt Kenyon der dorischen Endung den Vorzug vor der
attischen. Derselbe teilt Class. Review 1891 S. 480 üg. eine zu Ramleh
bei Alexandria gefundene Inschrift mit, die nach Dr. Nerutsos-Bey
aus der Zeit der ersten Ptolemäer stammt, sicherlich nicht später als
Euergetes ist. Auf dieser steht der Name Hpojoou. F. G-. Kenyon
vermutet, dafs 'Hpwvoac vielleicht die koische Form des Namens ist,
die in Alexandria zu 'Hpuioa? oder 'HpcuSrjc abgeschwächt wurde. Natür-
lich mufs die Beziehung zwischen jenem und unserem Herodas dahin-
gestellt bleiben.
Das Leben des Herodas fällt in das 3. Jahrhundert v. Chr.;
ösüiv aSeX'füiv t£}jl£voc (I 30) kann frühestens in den letzten Regierungsjahren
des Ptolemäos Philadelphos gesagt sein, und 6 ßasiXsu? yprjSTo? (ebenda)
bezeichnet den Euergetes, wie man ziemlich allgemein annimmt.
R. Ellis Class. Review 1891 S. 457 allerdings scheint ihn viel später
anzusetzen, indem er auf die Ähnlichkeit mit Virgil und CatuU hin-
weist; I 21. 22. 37 entspreche Verg. Aen. IV 32; I 61 Aen. 4, 19; die
Scene zwischen Gyllis und Metriche zeige grofse Ähnlichkeit mit der
Scene zwischen Anna und Dido; I 32. VI 98 erinnern an CatuU. VII 7.
LXI 203. 204; ferner VI 94 an Catull. XIII 11. 12. IH 1. XXXVI 3.
Doch giebt der Verf. zu, dafs an diesen Stellen auch die römischen
Dichter den Herodas nachgeahmt haben können; dagegen bezieht sich
III 24 flg. nach ihm wegen des Namens Maron, für dessen Anwendung
sonst kein Grund vorliege, naturgemäls, ja notwendig auf Virgil. Simon
sei aus Sinon verschrieben; stelle man Sivtuv' wieder her, so sei der
Grund für die Verwechslung der beiden Namen klar; Kottalos setze
statt Virgil einen von Virgils bekanntesten Charakteren, den lügenden
Sinon. Und Metrotime spiele wii'klich mit dem "Wort Sinon; denn sie
nenne sich avouv, weil sie ihn nicht lieber ovou? ßojy.stv lehrte, als ihm
eine gute Erziehung zu geben. Th. Tyler Academy 1891 S. 242
meint, der von Herodas erwähnte Maron sei der SatjT, der Sohn des
Seilenos, der bei Nonnos XTV 97 flg. vorkomme ; die Verwechslung mit
Simon sei leicht begreiflich, da dies „breitnasig, stumpfnasig" bedeute.
200 Griechische Lyriker. {Sitzler.)
vas ein charakteristisches Merkmal der Satyrn und Silenen sei. Jeden-
falls ist Simon beizubehalten und nicht Sinon zu schreiben; Simon be-
zeichnet einen g'CNnssen Wurf beim Würfelspiel, und damit ist die Er-
klärung gegeben: die Gedanken des Kottalos sind nur beim Würfelspiel.
Maron ist ein im Griechischen nicht ungewöhnlicher Name, hinter dem
man nichts weiter zu suchen hat.
Als Heimat des Dichters bezeichnet F. G. Kenyon die östliche
Seite des ägäischen Meeres, und dies findet allgemeine Zustimmung.
Er scheint sich besonders auch auf Kos aufgehalten und dem dortigen
Dichterkreis angehört zu haben. Auf Kos spielt der 2. und 4. Mimos;
vielleicht auch der 1. nach.Th. Reinach Revue des etudes grecques
IV (1891) S. 209 flg. und H. Weil Journal des Savants 1891 S. 655 flg.:
der letztere macht auf den Schwur Tipoc iMo'.pstuv 111. 66 und IV 30
aufmerksam. W. G. Rutherford S. 45 schliefst aus dem. Gebrauch
von Taureon VII 86, dafs dieser Mimos in Kyzikos spiele ; mit Unrecht,
da der Monat Taureon auch auf Samos und in Sinope vorkommt, vgl.
oben zu d. St. und Th. Reinach S. 215 Anm. 1,
Als Dichter ist Herodas, wie Th. Reinach sagt, ein unmittel-
barer Nachfolger des Theokiüt und Kallimachos: den ersteren ahmt er
in der Behandlung des Stoffes, den letzteren in der Wahl des Metrums
nach; er bezeichnet sich selbst als neuen Hipponax. Sein Versmafs ist
der Hinkiambus, den er in der gleichen Weise, wie seine Vorgänger,
baut: die von Babrios beobachtete Regel, die vorletzte Silbe stets mit
dem Accent zu versehen, kennt er noch nicht mid mifsachtet sie. Die
Sprache ist ionisch, mit Dorismen versetzt; sie zeigt viele volkstümlichen
Ausdrücke und Sprichwörter. Seine Mimen, fast nur [xI[jloi -j-uvacxsioi,
sind kurze Dialoge, für die Aufführung geschrieben, Vorgänge des ge-
wöhnlichen Lebens darstellend. Eine Analyse derselben giebt F. G.
Kenyon S. 7 flg., Th. Reinach 1. 1., B. Haussoullier Revue de
Phüologie XV (1891) S. 156 flg., H. Weil 1. 1. Der litterarische Wert
der Gedichte ist nach Th. Rein ach nicht grofs; es sei weder das feine
Attiscli des Lukian, noch die bewundernswerten poetischen Schöpfungen
des Theokrit; Herodas sei Realist, seine Poesie versitizierte Prosa; der
Stil sei leicht, abwechselnd, lebhaft, geistreich; die Charaktere und
Situationen wahr, auch fehle es nicht an Humor. Ahnlich urteilt
H. Weil, der den Herodas einen Künstler nennt, da er die Form dem
Inhalt anzupassen wufste.
Kerkidas.
3, 2 sclireibt E. Ililler in der Ausgabe der Anthologia lyr.
d}ivajjLov£Tj, was ebenso wenig genügt, wie so |j.va|xov£u\ das er aufserdem
Doch veimutet. Dagegen schreibt er richtig oTxoj 'f'Xo; st. xat ^t'Xo;.
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 201
Babrios.
Babrius. Fahles expliquees litteralement par Tb. Fix et traduits
par M. Sommer. Paris, Hachette. 1889.
Fahles de Babrius. Texte grec avec des notes par L. Fouillet.
Paris, Belin. 1890. 116 S.
Fahles de Babrius. Texte grec avec une introduction, des
notes et un lexique par L, Feuillet. Paris, Belin. 1891. 184 S. 12.
Babrius. Edition classique par E. Pessouneaux. Paris, Delalain.
1890. 76 S.
Babrius. Fahles. Texte grec ptiblie ä Tusage des classes avec
une notice preliminaire , des notes et un lexique par M. Croiset.
Paris, A. Colin et Co- 224 S. 12.
In 2. Auflage liegt vor
Babrius. Fahles. Texte grec publie ä l'usage des classes avec
une introduction, des notes et un lexique par A. M. Desrousseaux,
2. edition. Paris, Hachette et Co- 1892. XX, 234 S. 8.
Prooem. 3. M. Croiset schreibt eTrste-uxTo st. des anstöfsigen
Tt? eYevTj&Y): mir wenig wahrscheinlich. — 17. Derselbe schreibt w; ouv
. . . IvouTjC evl fjLv. st. ü>v vüv . , . av OetT)<j £(j.^ |xv.; ich nehme au dem
Ausdruck evöusiv Ivi liVT^fjiT) Anstofs.
Fab. 3, 2. M. Croiset liest J^Tieqev cö; 8' at p-sv juv-TjXöov st.
Iirl sTjxov ä'Yctv 9' (iic ai [xev ^Xilov; dem Sinne nach wohl richtig.
12, 16 (11, 14) schreibt derselbe ^~y/pi swu/ou aTi,3Y]? st. vuxto?
I'vvu^oc ctipT). — 17. a^ptov Tit'pei st. (i7pojTY]v -n^y.st; ich ziehe Eber-
hards (^YpoTiv vor.
18, 12 (16, 12) schreibt A. M. Desrousseaux l'x/sv st. er/ev,
wohl richtig.
24, 3 (22, 3) schreibt M. Croiset Xtixvtcp als Dat. loci st. XtfjLvaiouj;
ich würde in dem Fall o' h Xtfjivicü vorziehen.
26, 5 (24, 5) derselbe l-eiöov st. Ittej/ov, recht passend.
31, 20 hält derselbe für interpoliert.
33, 24 (30, 24) vermutet er 6' auxs st. oe; gut.
42, 8 (35, 8) schreibt er -oiyjv dv' 6o6v -irja st. roiav dvaXystv jjle;
kaum richtig.
45, 8. W. Headlam Journal of Philology XX 8. 294 flg. schlägt
TjSecos st. tSi'a? vor; wenig wahrscheinlich.
46, 7. M. Croiset schreibt ouo l-ai" tq ftvTQjxet st. 68s rsiviTj
^Vjuxet; (Jitlbauer vermutete ouS' £7:1^1' e? övr^cxsi.
63, 7. M. Croiset schreibt passend ouo' av sv tu st. ouö' av Tic.
66, 4 schreibt derselbe TrafjLfiqwv, um die Wiederholung von rfxaX
zu vermeiden, die er dem Babrios nicht zutraut.
202 Griechische Lyriker. (Sitzler).
71, 8 liest er ave[xoi 6' «evtc; st. 6e Travtsc; wohl richtig:.
75, 4 sclu'eibt er aveu xr/vrjc st. 6 o' d^Teyv-r^i;; besser wird der
Vers mit Th. Bergk gestrichen.
82, 8 (72, 8) schreibt M. Croiset: -/ay.rjv 6' £|jL£XET7)a Ir sixs
ÖTJ^' 686v Tpißsiv „il avait essaye de se frayer jusqu'ä moi une route
importune". Metrischer Bau und sprachlicher Ausdruck gefallen mir nicht.
85, 5 verlangt derselbe [xa/riv x szoxpuvsT, metrisch unmöglich.
88, 14 (77, 14) schreibt derselbe peTrovta st. psovTa.
91, 4 liest er iix^avxa xoüxov st. xov xaüpov ijxpavxa, wohl mit Recht.
95, 35. 0. Crusius Rhein. Museum 46 (1891) S. 318 flg. erklärt:
„morientium animi in oculis Versantur ; quos vident, eos heredes instituunt ;
quare mecum veni ad leonis regiam." — 63. M. Croiset schreibt puaai
St. 7p'jcai coli. Hesych., der „donne au verbe (j'Xio le sens o'GXaxxeiv et
traduit pu^ouai par 70776^0051, c'est-ä-dire ä. peu pres jgrogner'".
99, 3. M. Croiset liest dXX'<lv>£vr/upov ocuaetc.
101, 5 schreibt derselbe jjl-J] cppsvuiv stV) st. |j.^ «ppsvioOeiirj ; meiner
Meinung nach unpassend. — Ebensowenig kann ich 107, 7 aixsjjnrrov
st. ap-Eastuv billigen; es müfste wenigstens sTtt^j^aucst «[xefXTrxo)? heifsen.
115, 4. A. M. Desrousseaux schreibt y.upuac st. xaüxa; dem
Sinn nach passend.
118, 5 schreibt derselbe rop'fuprjc iTravöouffTjc st. TroptfupoTc iuav-
douvTiuv, mit Umstellung von 5 und 6, wie Seidler vorschlug.
130, 1 flg. stellt M. Croiset nach den Paraphrasen folgender-
mafsen her: 6 Zeu? xov 'Epix^v aixrXaxT^fxax' dv9pto-;:(uv | ixeXeuacv ailv
oaxpaxoiatv e77pa«}^at, | ezeixa 6' tU xi^cuxov «Y/t aajpeuaat | W auxo? s'vdsv
luifJLeXoTx" IpsuvT^cjac | üttwc ixaaxou xac oi'xac dvaTipaaaoi. — 8. schreibt er
ohne Not euduvei st. euöuvot.
131, 1 stellt M. Croiset her: olv cuoe cpaal xov vo|x^a TrpocicpcoveTv
8t. oTc xtc eiTTE Tzphi vo|jLEa ToiaSe. — 3 schreibt derselbe xö 7aXa 0'
(i[xeX7a)v ■ xdtjxiv, ei cpi'Xov, Tiyj^ai st. xo '(dXa 0 a.\i.ih[oy:^ etci goi iptXov
TiTjSai. — 7 liest er im Anschlufs an Haupt mit geringer Änderung
ßoxava; (äpata; st. ujpaia ßoxdfvrj. — 8. A. M. Desrousseaux schreibt
(pEpßEtc 70p st. 0' av. — 13. M. Croiset liest t^oi Ss ravxY) TTEpnpE^rouaa
xo>Xuü) st. TtEpixpE/ouia 6' l'(iii TrdvxoÖEv xtoXuu). — 14 versucht derselbe
im Anschlufs an Xenophon Memor. II 7: X7)axdj xe xki^ai xal Xuxouc
d'faprd^ai, A. M. Desrousseaux Xirjaxtüv ßtaaftov xal Xuxidv oiiuxxTf^ptuv.
132, 1. M. Croiset vermutet: ovov xi? eT/e xuva xe tcuv [xdX'
ü>pai(uv st. ovov xt{ 2xpE®E xal xuviSiov Tidvu üjpaTov. — 2. xuiov 6^ yapiEtc
Äv iTtatCev EupuöjXü); st. xuvi6iov oe ydpiv ov TraTCov supuöixu)?. — 4. xdxEtvoc
oäxäv oS xaxeiyev Iv x6Xron; St. exeivoc 8' atixo xaxEycuv ev xot; x6Xirot?. —
5. A.M. Desrousseaux schlägt vor: 6 fA-f ovo^ ettovei rr;v xe vuxx' dXExpEutuv.
— 8. Derselbe verlangt xaxot7(uv, M. Croiset xaxitbv ö' st. xai ^v. —
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 203
9 schreibt M. Croiset stpcü-f axavöa?, yoptov ovirep euoös'. st. l'-pcü-j's
xpiöa;. yoptov cus-ep sicuöst. —
131 (ßntherford), 4 liest M. Croiset autö oV/^V st. ou-ov t) ysi'p;
am Schlnfse Ta'jTTr]v mit A.M. Desrousseaux. — 11 schreibt M. Croiset
ejuXt^Öt) st. evix7]9i[, 13 xaivTJ st. xatvT^c, 16 waxe xpcuO^vat st. w;
axpouöiov.
133 (Riitherford), 2 (142, 2). M. Croiset vermutet ipKucjaaa st.
Äpuaaaaa; 0. Crusius 1. 1. richtiger xa-f/ocjaja coli. 100, 8. — 3 stellt
M, Croiset nach der Paraphrase folgendermafsen her : azaX-Ä) a-j 7X01737]
•jTüic ßaxouc (Jxav&tuSsi?.
134 (Rutherford), 4. M. Croiset liest oy sii 7' T/^^71 st. ooy
rj7V]a£i; recht passend. — 6 schreibt er mit A. M. Desrousseaux xot
uopeuTot xpivsi. — 12 verlangt M. Croiset TrpYjVT]? st. Trexpiric.
135 (Rutherford), 7. M. Croiset ergänzt am Schlüsse -oXko'j.
— 8. V. hat: £70» ypovov tosoutov ev&aoe öia-pißto; danach bildet
M. Croiset den Vers: xoxs S' ap' sxei'vT) * xojov 170)7' ivoixouptü.
Th. Bergk Philologus 47. (1889) S. 385 flg. spricht zunächst
über die Paraphrasen des Babrius; die einen seien kurz, die andern
schlössen sich enger an den Dichter an-, jene seien bei der Kritik der
vollständig überlieferten Fabeln, diese für die verlorenen zu gebrauchen.
Dann geht er zur Besprechung der metrischen Bearbeitungen aus
späterer Zeit über, die im Vindobonensis u. Athous vorliegen, die letzteren
von Menas aufgespürt und von Lewis herausgegeben. Er verteidigt
die letzteren als echt, wie ich glaube, ohne Erfolg. 51, 10 schreibt
er jetzt ei ßpassov dotxwv ym^z xi? 3ixiriv öcujsi und 60, 17: 6 6' o'fi; ^u^ösv
As-xov Eiirs oupi'^a? • | tun ah xu|jLßov, xt^vS' I7ü> xxX. mit Ausschlufs von
Vv. 18. 19. Schliefslich vergleicht er noch die vatikanische Sammlung
mit dem Athous.
E. Delage veröffentlicht Annales de la Faculte des Lettres de
Bordeaux. 1891. S. 79 — 120 einen Aufsatz über „Babrius et ses
fahles". Der 1. Abschnitt behandelt das Leben und die Persönlichkeit,
der 2. die religiösen und philosophischen Grundsätze, der 3. seine
Stoffe und die bei ihm vorkommenden Tiere, der 4. seine Absicht und
seinen Zweck, der 5. Darstellungsweise und Kunst des Babrius, der 6.
Stil und Vers, der 7. die schönsten Fabeln des Dichters, besonders den
kranken Löwen. Der Aufsatz bringt gerade nichts Neues, ist aber
recht dankenswert.
Als Übersetzung liegt vor:
Babrius. Traduction par L. Feuillet. Paris, Belin. 1891.
64 S. 12.
204 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
Zum Schlafs ist zu erw'ähneu
Les fablcs csopiques de Babrius traduites en totalite pour
la premiere fois, comparees aux fables d'Horace et de Phedre, de Cor-
rozet et de La Fontaine, avec une etude sur leurs origines et lern-
icouographie par E. Levoque. Ouvrage contenant 21 figures bors
texte gravees par Boussod et Valadon. Paris, Belin. 1890. LXXXVIII
u. 468 S. 8.
Die der Übersetzung vorausgehende UntersuebuDg über den Ursprung
der Fabel vertritt die Ansicht, dals die Fabel in Chaldäa und Assyrien
erfunden wurde und von da nach Griechenland kam. Zum Beweise
dafür stellt der Vei'f. die cbaldäischen und assyrischen, hebräischen,
egyptiscben und pbönizischen Fabeln zusammen; daran schliefst sich
eine Übersicht über die griechischeu Fabeln, die bei Dichtern erhalten
sind, über die Prosafabein des Asop, die französischen Fabeln des
Mittelalters, sowie eine Yergleichung der indischen und äsopischen Fabeln.
m. :\leliKohe Dichter.
Greek Lyric Poetry. A complete collection of the surviving
passages from the greek song-writers arranged with prefatory articles,
introductory matter and comraeutary by G. S. Farneil. London,
Longmans, Green and Co. 1891. XII, 490 S. 8.
Der Verf. will mit dem vorliegenden Buch seinen Landsleuten
den Weg zum Studium der griechischeu Lyriker öffnen. Die Einleitung
enthält so ziemlich alles, was zum allgemeinen Verständnis derselben
erforderlich ist; es wird hier über Entwickelung der griechischen Poesie,
über charakteristische Züge der griechischen Lyrik, über chorische und
monodische Lyrik, über dorische und lesbische Schule, über Tanz und
Musik als Begleiter des griechischeu Liedes, über Metrik und Dialekt
gesprochen. Hinsichtlich des letzteren ist der Verf. ein Anhänger der
von Ahrens begründeten Dialektmischung; jedoch scheinen ihm die
neueren Arbeiten auf diesem Gebiet, abgesehen von A. Führer, die
Sprache und die Entwickeluug der griechischen Lyrik, unbekannt ge-
blieben zu sein. Von den Dichtern hat er nicht alle Fragmente auf-
genommen, sondern nur die umfangreicheren und diejenigen, die einen
vollständigen Sinn geben, die anderen hat er in einem besonderen Anhang
nach Bergk kurz beigefügt. Jedem Dichter schickt er eine kurze Ein-
leitung voraus, in der er sein Leben und seine "Werke behandelt. Was
den Text der Fragmente betrifft, so schliefst er sich an Th. Bergk an;
nur dafs er an den Stellen, wo ihm dieser ohne Ginind von der Über-
lieferung abgegangen zu sein .scheint, wieder zu ihr zurückkehrt. Den
Fragmenten ist ein Kommentar beigegeben, der den Quellennachweis
Griechische Lyriker. (Sitzier.) 205
giebt, die Lesarten bespricht und sprachliche und sachliche Erklänmgen
enthält. Die eigenen Konjekturen des Verf. werde ich bei den einzelnen
Dichtern behandeln.
Prammeuti della melica greca da Terpandro a Bac-
chilide riveduti, tradotti e annotati per uso de" licei e delle ani-
versita da L. A. Michelangeli. Bologna, D. N. Zanichelli. Parte I,
Terpandro, Alcmane, Saffo, Erinna. 1887. XII, 122 S. 8.
Parte II: Alceo 1890. VIII, 8G S. 8. Parte tU: Stesicoro,
Ibico. 1891. VIII, 92 S. 8.
Der Verf. will mit seinem Werke Anfängern und Fortgeschrittenen,
der Schule und der Wissenschaft dienen, und daher rührt die eigenartige,
meiner Meinung nach besonders für die Anfänger unpraktische Gestaltung
des Kommentars, in dem Bemerkungen elementarster Art neben der
Behandlung wichtiger and schwieriger kritischer Fragen stehen. Davon
abgesehen, zeigt der Kommentar grofsen Fleifs und besonnenes, selb-
ständiges Urteil; Kritik und Exegese sind darin in gleicher Weise be-
rücksichtigt. Der Text schliefst sich, wo es angeht, an die Überlieferung
an und ist daher von dem Th. Bergkschen zum Teil sehr verschieden.
Auch mehrere eigene Konjekturen bringt der Verf. vor, auf die ich bei
Behandlung der einzelnen Dichter zurückkommen werde. Dem Text
steht eine italienische Übersetzung gegenüber. Die Ausgabe enthält
alle wichtigeren Fragmente der betreffenden Dichter.
Terpandros.
E. Graf, Rhein. Museum 43 (1888), S. 512—523 handelt über
den v6iJ.o? opaio?. 0. Crusius hat in der Wocheuschritt für klass. Philol.
1887 S. 1392 flg. ausgeführt, dafs opBtoc in der metrischen Tradition
Vorgänger des späteren }jlovociotjs sei und sowohl von Füfsen gebraucht
werde, die aus gleichen ayjiJLsra bestehen, z. B. vom Päan aus 5 Kürzen,
als auch von Versen, z. B. von den aus reinen Jamben bestehenden
Trimetern und den aus reinen Daktylen bestehenden Hexametern. Er
glaubt daher, dafs jene gedehnten aus langen Silben bestehenden ö'pöiot
ihren Namen wohl davon erhalten hätten, weil die Figuren der Be-
gleitung in gleichmäfsige ypovot -ptutot zerfielen. Dafs es aber unnötig
sei, die Begleitung heranzuziehen, da ja der Fufs selbst aus gleichen
aT]|x£Ta bestand, bemerkt E. Graf mit Recht. 0. Crusius schlofs dann
weiter, dafs sich wohl ebenso auch der Name y6\).o; op8ioc auf die
gleichförmige und lebhafte Anlage der xpoostc und auf den entsprechenden
Bau der Verse aus reinen Daktylen (vgl. Alkman 26) beziehen werde.
Warum soll er aber nicht von dem Gebrauch jener opötoi in dem Nomos
herkommen? Fragra. 2 des Terpander kann dagegen nicht geltend
200 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
gemacht werden, da nicht feststeht, dal's es aus dem Nomos selbst
entnommen ist, vgl. vorigen Jahresbericht Bd. LIV S. 166. E. Graf
macht den meiner Meinung nach nicht beweiskräftigen Einwand, dafs
ein hexametrisches Gedicht in reinen Daktylen etwas für die klassische
Zeit der Dichtung beispiellos Eintöniges gewesen wäre. Er selbst ist
der Ansicht, die Benennung vojioc opSio; beziehe sich auf den hohen,
hellen Gesang; der vo[j.os opi>fo? sei identisch mit dem voixoj o^us; für
das Versmafs lasse sich aus der Benennung gar nichts folgern; dieses
sei beim vo|j.o? opf^toc ebenso wie bei allen anderen Nomen des Terpander
der daktylische Hexameter gewesen; das Zeugnis des Pollux und Suidas
sei nichtig; auch die Bezeichnung vofxo? Tpo/aio» beziehe sich nur auf
die Vortragsweise und bedeute „communiter leviterque decurrens";
Terpander habe überhaupt keine i'afj.-iot opOtoi un4 xpo/aioi arjixavxoi ge-
braucht; dieser Irrtum sei nur infolge einer Verwechselung des v6[xoj
opftto? mit dem tctixpo? o'pi}io? entstanden.
Dem Verf. stimmt 0. Im misch Rheiu. Museum 44 (1889)
S. 558 flg. bei. Ich nehme Anstofs an der Behandlung der ausdrück-
lichen Zeugnisse des Pollux und Suidas, an der ganz unwahrscheinlichen
Identifizierung von vojxo? opOioc und o^uc und vermisse überhaupt einen
stichhaltigen Grund für das ganze kritische Verfahren. Richtiger urteilt
meiner Meinung nach A. Dippe, Über die Frage der Terpandrischen
Komposition, Wochenschr. f. klass. Phil. 1888. No. 32 — 36, der zu
dem Resultat kommt, dal's die y(j\i.oi hymnusartige Gesänge auf eine
Gottheit seien, bestehend aus sieben Teilen, deren Hauptteil der fünfte
ist, vorzüglich im hexametrischen Versmafs oder auch in dem der
Tpo/aiot cTjixavToi und iaixßoi opfttot; nur darin kann ich ihm nicht bei-
stimmen, dafs er auf Grund von Plut. de mus. 4 rpooi'ixia und vopLot
identifiziert.
Fr. 1. E. Graf Rhein. Museum 44 (1889) 8. 469 flg. führt aus,
dafs apya kein Kunstausdruck sei, sondern der Redensart i/. Aioc ap/w-
jxscOa entspreche, was ich übrigens schon in der Festschrift der bad.
Gymnasien, Karlsruhe 1886, S. 40 gethan habe. Daher falle jede
Veranlassung weg, dieses Fragment mit den Nomen in Verbindung zu
bringen. O, Immisch 1. 1. S. 558 flg. möchte mit Th. Bergk ottevöü)
St. T.i\i~o) schreiben. Er glaubt, diese feierlichen Verse entstammen
jenen feierlichen Liedern zu Beginn des griechischen Symposiums, unter
deren Klängen in freier Folge dem olympischen Zeus, der Erde, sowie
den Heroen und schliefslich dem Zeus aco-r-z-p libiert wurde, vgl. Find.
Ol. VI, 1 flg. : Terpanders Verse seien ein vollständiges a::ovÖ£rov ; apya
bezeichne die a-ovor^ selbst. Dagegen spricht die Beifügung von up-vcov
zu apyav, sowie die Notwendigkeit der Änderung von -i\inM in arlwom.
Die Verse dieses srovoeTov, so argumentiert der Verf. weiter, seien
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 207
{jLovoiioitj und könnten daher auch als ö'pöioi bezeichnet werden; diesen
ernsten opdia ständen die heiteren axoXia gegenüber, deren Namen der
Verf. nach Dikäarchos erklärt, während er die Benennung der opi^ia
mit der würdigen, aufgerichteten Haltung der Libierenden in Zusammen-
hang bringt; einen Gegensatz der metrischen Form zwischen op{)iov und
axoXiov hätten die Alten nicht gekannt.
Alkman.
Fr. 13. Th. Bergk hat die Inschrift auf dem Kasten des Kypse-
los Tuvoapi5a x'tX. in der Weise emendiert, dals er Ai'öpav t' 'A^iövaösv
schrieb st. Aiöpav o eXxetov 'AOava&sv. Dagegen macht E. Maafs,
parerga attica. Ind. lect. Greifswald 1889/90 S. 1 flg. geltend, dafs
in 'A'ftöva&ev die attische Korreption stJire; auch könne das lakonische
Aphidna nicht gemeint sein, wie Robert Hermes 1888 S. 436 glaube;
an das attische sei aber nicht zu denken, da es unwahrscheinlich sei,
dafs auf einem so alten peloponnesischen Denkmal eine attische Sage
vorkomme; daher sei 'AOocvaösv zu halten. Diese Einwände widerlegt
überzeugend Th. Preger, inscriptiones Graecae metricae S. 144 flg.
18. E. Hiller in der neuen Auflage der Anthol. lyrica schreibt
£33a(x£va st. £7:a|i.£vat, woraus Th. Bergk eTrafi-jxeva gemacht hat. Ich
ziehe Bergks Emendation vor; der Scholiast schreibt iteptaTTTetai -/ap xtX.
und a-T£j&ai pafst besser zum Gedanken als £ac;aai}ai. Die Metrik
kann bei dem kurzen, vielleicht lückenhaften Fragment nicht ausschlag-
.«ebend sein.
23, 1. E. Hiller 1. 1. ergänzt: <tov £x-av£>; zweifelhaft.
23, 44 liest derselbe oZz' etioixesi}«!; die unrichtige Quantität will
er durch das selbst zweifelhafte sTiakitj^asa 41, 2 schützen; welchen
Sinn er aber hier dem Worte beilegt, sagt er nicht. Ich halte out£
|jLoj[jLTQ3dat, das nach Fr. Blafs der hds. Lesart am nächsten kommt.
23, 49. G. S. Farn eil 1. 1. schlägt vor: oiov u-o7:r£pioicov ovEipwv,
St(ov in u7:o-T£p'.otü>v einsilbig gelesen; unnötig.
23, 58. L. A. Michelangeli 1. 1. wiU t:£o' mit opafi-siTat ver-
binden und ändert dann 'AYioüiv in 'AYtool mit Bezug aufsißv^vip; dagegen
spricht zunächst die Stellung; dann pafst |X£-:aopaix£iv, bei dem übrigens
auch der Akkusativ stehen müfste, nicht, da nicht vom Nachlaufen,
sondern vom Wettlaufen die Rede ist.
23, 69 E. Hiller 1. 1. schreibt: tavo7X£cpapwv ; wo findet sich
iavoj in ähnlicher Verbindung?
24, 2. G. S. Farn eil 1. 1. erklärt: „Du bist kein Thor, nein,
nicht einmal in den Augen geschickter Kritiker". Aber wie passen
die Kritiker in diesen Zusammenhang? Ähnlich fafst uapa ao'foiaiv auch
L. A. Michelangeli, der überdies das davor stehende ouSs streicht.
208 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
Aber auch so wird dnrcli -apa cro'foijiv ein Gegensatz angedeutet, der
dieser Stelle ganz fern liegt. E. Hiller 1. 1. vermutet ou$e Travaaocpo?
Ti;, eine Ausdrucksweise, die man dem Alkman ebenso wenig zutrauen
wird, wie das Wort ::ava50'fo;.
25, 2. L. A. Michelangeli 1. 1. schreibt -/Xoxiaasfxevov, eine
Bildung, wie ich sie nicht kenne, im Sinne von Yjöu7Xtu(j3o?. Auch was
er sonst im Anschlul's an die Vulgata giebt: i~a';z 6e xal [xeXo? 'AXxixav •
£up£ TS, lälst sich dem Sinne nach nicht halten ; es müfste doch mindestens
£up£ oe heii'sen im Sinne von „nachdem er es erfunden".
65. E. Hiller schreibt: wc otp.ec toxa xaX' £|x£XiCo|X£c : er hätte
xofXX' schreiben müssen, vgl. fr. 98, da xaXoc bei Alkman nur kurze
Pänultima hat. In der praefatio bemerkt er: „fortasse scribendum
xaXXa |X£Xi«6ix£vai, ut fr. 96 ab hoc non diversum sit". Beide Ver-
mutungen bleiben zweifelhaft; ein Grund zur Änderung liegt meiner
Meinung nach überhaupt nicht vor. Allerdings meint E. Hiller, eine
Deminutivform auf laxov dürfte unerhört sein, vgl. vorigen Jahresbericht
Bd. LIV S. 171; aber wenn man 6 -atot'jxo? und -fj iraioi'cxrj sagte,
also laxo? und i'axT) gebrauchte, warum nicht auch tjxo^?
72. E. Hiller 1. 1.: „scribendum videtur £ax£"; aber die Stelle
wird ja gerade wegen ^axe von den Grammatikern angeführt.
74 A. Es ist zu lesen: sioTct xav9pu)7:oiaiv aiooiEüTatov , vgl.
R. Reitzenstein, inedita poetarum Graecorum fragmenta. Ind. lect.
Rostock. 1890/91. S. 6.
75, 1. L. A. Michelangeli schlägt xuaviov st. ;:uavtov vor, was
schon wegen der Quantität von xüavEoj unmöglicli ist.
76, 1. E. Hiller 1. 1. vermutet Zeu? st. xpEis; aber das Subjekt
kann im Vorhergehenden gestanden haben, während man Tpet; angem
entbehrt.
Ein neues Fragment des Alkman teilt R. Reitzenstein 1. 1. aus
dem cod. Florent. des Etymolog. Magn. mit, den Miller nicht richtig ab-
geschrieben hat: 0 0£ <.auTos> 'AXx[xav xb aßaXe, oiov „aßaXe xal voeovxa".
TouTo 0£ 7tveTat xal a xaxd ou-fxo7:i^v xxX., vgl. fr. 26 bei Bergk. — Eben-
derselbe führt 1. 1. aus dem cod. Coisliniau. 394 (saec. X) an: oXxa? •
tXoTov xal -apa WXxjxäv. aEioöJv xal eipy^vr). xal £ioo; TiXotou, vgl. Hesych. :
oXxa?' TkXoTa, vaüj cpopTr,7üc. d-f)Oü)v, EipiQvrj. ouvaTo;. Da nun bei Hesych.
kurz vorher die Glosse steht: oXxawv Xaxdvr]. vtTrtr'p. xpa-n^p, so glaubt
R. Peppmüller Berl. philol. Wochenscbr. 1891 No. 31/32 S. 978 flg ,
dafs EJpVT) aus xparr,p entstanden sei, und liest bei Hesych.: oXxdc •
zXoiov. vaü? (popTTj-foc. drj^u)'/. xpaT^,p ouvaioj und bei CyriU im cod. Coisl. :
oXxdj' [üXoTov xal] ~apa 'AXxjjiavt arfiiu-/. xal xpatr^p. xal £i6o; TrXoioy.
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 209
Arion.
W. R. PatOD, Classical Eeview 1890, S. 134—135 sucht zu
erweisen, dafs Arion von Methymna eine mythische Persönlichkeit sei.
Arion sei nämlich eine Lokalgottheit zu oder nahe bei Tänaros gewesen,
die zu Pferden Beziehungen gehabt habe, vgl. 'Aptovxia, ^Apsitov, also
auch zu Poseidon Hippios, der mit Apollou Delphinios, für dessen
Statue der Verf. die zu Tänaros erklärt, in engster Verbindung stand.
Dieselbe Verbindung thue auch in Methymna die Geschichte des Enalos
dar, wie sie von Plut. sept. sap. conviv. 20 und Athen. XI p. 466 erzählt
werde. "Wenn man nun die Erzählung Herodots von Arion so auffasse,
dafs die Delphingeschichte in Lesbos von einer Persönlichkeit berichtet
worden sei, die man Arion von Methymna genannt habe, so habe man
guten Grund, diesen Arion von dem Arion in Tänaros nicht zu trennen.
Dabei läfst der Verf. die Überlieferung von der Erfindung des Dithy-
rambos durch Arion in Korinth dahingestellt. Aber bevor diese erklärt
ist, ebenso wie die anderen an die Person des Arion sich knüpfenden
Überlieferungen, wird man dem Verf. nicht beistimmen, zumal da seine
Ausführungen durchaus nicht überzeugender Art sind; denn die An-
nahme einer Pferdegottheit Arion bei oder zu Tänaros ist unerwiesen;
zweifelhaft die Beziehung der Statue zu Tänaros auf Apollon Delphinios;
Studniczka Kyrene 184 hält sie für eine Statue des Poseidon; unwahr-
scheinlich endlich, dais mau dasselbe, was man auf Lesbos von Enalos
erzählte, auf demselben Lesbos auch von einem Arion erzählt haben soll.
Lesbische Dichter.
A. Fick, Die Sprachform der lesbischen Lyrik, in Beiträge
zur Kunde der indogerman. Sprachen. XVIE (1891). S. 177—213.
Der Verf. stellt das Vorkommen homerischer Wörter und Formen
bei Sappho und Alkäos in Abrede; was man darauf zurückführen
wollte, wie t.hI? und 7:ai;, die Genetive auf oto und awv, tu und cu,
"Aprit, 'A/iXXsa und oc (Sappho 99, 2), stammt aus der frühereu
lesbischen Lyrik. Von der Einwirkung anderer Dialekte auf die
lesbische Lyrik kann aber überhaupt keine Rede sein, und daher ist
das attische cuv in Euvoiy.r,v (Sappho 75, 3) und — in xuüa-rTioe^
(Alk. 15, 6) u. a. m. zu beseitigen. Die Sprache der lesbischen Lyrik
des 7. und 6. Jahrh. v. Chr. war durchaus rein, unterschied sich aber
von der des gewöhnlichen Lebens dadurch, dafs sie vom Zwange des
Augments frei war, altertümliche Formen und Wendungen festhielt und
die äolische Verdoppelung der Liquiden für metrische Zwecke wieder
aufheben konnte. Hinsichtlich des Acceutes stellt der Verf. den richtigen
Grundsatz auf, dafs man entweder beim Hergebrachten bleiben müsse,
Jahresl)ericht für Altertumswissenschaft LXXY. Bd. (1893. I.) 14
210 Griechische Lyriker, (Sitzler.)
da man ja doch das Alte und Echte nicht mehr gewinnen könne, oder
überhaupt gar nicht accentuieren dürfe. Er selbst entscheidet sich für
das erstere. Aus der Forderung der Grammatiker, Ilo-Eioav zu betonen,
folgert er, dal's man auch Genetive wie .Moi'aav zu barytonieren habe;
auch sei kein Grund vorhanden, die einsilbigen Akkusative av, totv, toi'c
und Tat; zu oxytouieren, statt mit Perispomenon zu versehen; ebenso
müsse es auch ypr^ und soi heil'sen; für ['>p sei Fp zu schreiben, und
ebenso ^, nicht oo. Dann folgen die Fragmente des Alkäos nnd der
Sappho.
F. Spiro, Der kyklische Daktylos und die lesbische
Lyrik, in Hermes XXÜI (1888). S. 234—258.
Der Verf. betont den Unterschied zwischen Metrik und Rhythmik;
die Metrik wisse nichts vom kyklischen Daktylos; daher könne ein
solcher auch nicht in den Holischen Versen vorkommen und zur Er-
klärung beigezogen werden. In diesen bilden die sog. beiden Elemente
nach dem Verf. nifr eines, ein unauflösliches, das mit Versfüfsen nichts
zu thun hat; die sämtlichen Erzeugnisse dieser Poesie seien nicht nach
Versfüfsen, sondern nach metrischen Kola zu messen, deren jedes eine
letzte, jeder weiteren Analyse verschlossene Einheit darstelle. Man hat
daher nach dem Verf. nicht die Aufgabe, die Entstehung dieser Kola
zu erklären, sondern nur festzustellen, welche von ihnen die ursprüng-
lichen Vertreter der äolischen Dichtung, also die lesbischen Lyriker,
nnd welche ihre Nachahmer, die Meliker des 5. Jahrb., angewandt
haben. Der sapphische Elfsilber besteht nach dem Verf. aus - — - _
und - w_ - w - -, der alkäische Zwölfsilber aus _ — ■- - und -^ -:
Glykoneus und Pherekrateus sind Kola. Der Adonius ist bei Alkäos
und Sappho mit dem vorhergehenden Verse der sapphischen Strophe zu
einem unzertrennlichen Ganzen vereinigt. Ähnlich urteilt über kyklische
Versmafse C. v. Jan, die Metrik des Bacchius Rhein. M^iseum 46 (LS1>1),
S. .57.3 flg. Vgl. dagegen Fr. Snsemihl, Geschichte der griechischen
Litteratur in der Alexandrinerzeit, Leipzig, B. G. Teubner, 1892.
Bd. II S. 220%.
J. Beloch, Wann lebten Alkäos und Sappho? Rhein.
Museum 45 (1890). S. 465-473.
Der Verf. verwirft die Angaben der alten Chronographen als
irrig und macht Alkäos und Sappho zu Zeitgenossen des Anakreou;
aber die Beweise, die er für seine Ansicht anführt, sind nicht stich-
haltig. Dafs die ErziUilung von dem Zweikampf des Pittakos mit
Phrynou auf Volkstradition beruhe, uud dafs es nicht sicher sei, dafs
dieser Phrynon derselbe ist, der im J. G36 in Olympia siegte, kann
man dem Verf. zugeben, wenn es auch unwahrscheinlich ist. Bedenk-
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 211
lieber ist schon, dals er die Datierung des Denkmals der attischen
Herrschaft in Sigeion (IGA. 492), das Köhler nach den Schriftzügeu
in den Anfang des 6. Jahrh. setzt, anfechten mufs, da die Bestimmung;
meiner Inschrift nach den Schriftzügen immer etwas Milsliches sei. Jn,
«r ist sogar gezwungen, die Erwähnung Perianders bei Herodot V 95
als einen Irrtum zu bezeichnen, um den Kampf zwischen Athen und
Mytilene um Sigeion in die Zeit des Peisistratos verlegen zu können,
trotzdem doch die ganze Stelle bei Herodot schon längst überzeugend
behandelt ist. Auch die weitere Behauptung des Verf., Alkäos Bruder
könne als Söldner zu dem Herrscher von Bab)'lon erst gegangen sein,
als dessen Eeich sich bis an das Mittelmeer ausgedehnt habe, was nicht
unter Nebukadnezar, sondern unter Nabonedos (555—538) der Fall ge-
wesen sei, erscheint mir unbegründet. Unrichtig ist endlich, dals Nau-
kratis, wo sich der Bruder der Sappho aufhielt, erst unter Amasis nach
596 V. Chr. eine griechische Stadt geworden sei; schon im 7. Jahrh.
waren hier Griechen ansässig, vgl. G. Hirschfeld ßhein. Museum 44
(1889) 8. 461 flg.
A. Cipollini, Saffo. Milano, Fratelli Dumolard, 1890. 445 8. 8.
Dieses Werk zerfällt in zwei Teile; der erste, studio critico-
bibliografico überschrieben, giebt die Quellen, Ausgaben und Übersetzungen
der Sappho an ; der zweite behandelt das Leben, die Werke — die Frag-
mente werden nur in Übersetzungen mitgeteilt — und die Sagen, die
sich an den Namen Sappho knüpfen; aufserdem zählt der Verf. die bild-
lichen Darstellungen der Dichterin auf und fügt viele Illustrationen dem
Text bei. C'h. W. Super in dem Artikel Recent Sapphic literature in
American Journal of Philology XII (1891) S. 229—237 sagt, dals das
Werk nichts Neues enthalte. Wenn dies auch richtig ist, so hat sich
•^der Verf. doch durch seine aufserordentlich fleilsigen Zusammenstellungen
den Dank aller Sappho-Freunde verdient.
R. Mascari, Per Saffo. Ferranova-Sicilia, Stab. Tipog. Giro-
lamo Scrodato. 1891. 20 S. 8.
Der Verf. prüft die Nachrichten über Sappho und kommt zu dem
Schlnfs, dafs die Sappho-Frage keine endgiltige Lösung erwarten lasse;
denn es bieten sich uns nur ein Name, wenige Verse und einige Data
dar, die von einem Strom unwahrscheinlicher Begebenheiten umwogt und
von der poetischen Sage verändert sind. Ahnlich meint Ch. W. Super 1. 1.,
dafs die Untersuchung der Sappho-Frage geschlossen sei, wenigstens bis
neues Material gefunden werde.
W. Hörschelmann, Sappho, N. Jahrb. f. Philol. u. Päd.
143. Bd. (1891), S. 577—78 ist der Ansicht, dafs ein Phaon in den
14*
212 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
Gedichten der Sappho nicht erwähnt gewesen sei ; Palaiphatos bekannte
Stelle sei korrumpiert; es sei dort aiixa, nicht ajji-a überliefert, vgl. fr. 140.
Aach J. Luuaks Beweis (vgl. über ihn Ch. "W. Super 1. 1.), der auf
der Erwähnung Phaons in Ovids Sappho beruht, sei nichtig, da Ovid
den Namen auch der Legende entnommen haben könne. A. CipoUini 1. 1.
S. 308 hält den Phaon für einen Typus der Schönheit, wie Anchises^
Ganymedes, Adonis und Endymion. Immerhin darf man es meiner
Meinung nach als wahrscheinlich betrachten, dafs eine Stelle in Sapphos
Gedichten vorkam, an die die Sage von Phaon sich anschliefsen konnte.
D. Naguiewski, in.quaestiones Sapphicas observationes-
Dissert. inaug. Kasan 1890. (Leipzig, Fock.)
Stand mir nicht zur Verfügung.
Ode 1 behandelt A. Piccolomini Hermes 27 (1892), S. 1—10.
Aus 27 Codices, die er teils selbst verglichen, teils durch andere hat
vergleichen lassen, teilt er den Text samt kritischem Apparat mit. V. 9
schreibt er uzauosu^aija mit Laui'entian. plut. 59 cod. 15 und Vatican. 64
und dann mit demselben Vatic. xaXoj di a ayov | (uxes axpouöüj . . .
oivvfjVTE, trotzdem die Grammatiker den Aoliern den Dual absprechen. —
V. 24 wird Th. Bergks löeXoiaa durch Vatic. 64 und den ältesten Mediceus
bestätigt.
1, 5. A. Fick 1. 1. S. 198 verlangt xa-epoTTa, weil der Iktus
vor Konsonanz diese im Aolischen verdoppele. — 11 schreibt derselbe
mit Recht oiwevxec. — 15 wünscht er r\ppz; denn es stehe für rjpFeo
und die Verdoppelung der Liquiden müsse als das eigentlich Dialekt-
gemässe überall eintreten, wo es möglich sei.
1, 28. C. Häberlin Philol. 47 (1889). S. 598 vermutet: 0.
i}j.£ppei, ah TE^EJJOv auxa | JUjX|xa^oc £7ja; zu e'jja =- oZaa vgl. 75, 4.
Meiner Meinung nach entspricht die Überlieferung dem Gedanken besser;
gerade die Hervorhebung des Nebenbegriflfs ah o auta xxX. ist aufser-
ordentlich bezeichnend.
2, 11. A. Fick: eT:iFp6|ji.ßeiai „es wirbelt mir das Gehör". —
13 erklärt er }xiop(uc = jxoi i'i5pu)c, vgl. Mimnerm. 5, 1.
2, 13. L. A. Michelangeli schreibt in seiner Ausgabe aoi =
rfii. Findet sich dies bei den lesbischen Dichtern? — Derselbe vermutet
16 flg.: <paivc>}j.ai. aXXa | Ttav <e[ioi> T6X|j.axov, eirel . . .
4, 1 hält A. Fick 1. 1. »j^uypov für das Subjekt: „Kühling":
richtiger fafst es L. A. Michelangeli als Accus, neutr. an Stelle eines
Adverbs, falls nicht, wie er bemerkt, das Beziehungswort vorausging. —
Weiter schreibt A. Fick: oJituv jxaXicuv; das letztere mir unbekannt st.
fiaXivcov, vgl. auch unten 56, 1.
Griechische Lyriker. (Sitzler.; 213
11, 1. A. Fick: vuv xaoe OYjxapai^t st. -aos vüv ixaipatc; un-
wahrscheinlich; e-atpai? ist allerdings zweifelhaft. In ädaio sieht er
den Konjunkt. Aor., vgl. [xv7]cjo|xat oGSs Xai>u)[i,at.
13. A. Fick verlangt ot-ito st. oxtco; ebenso 14 mit Eecht
xaXaia' st. xaXai;.
16, 1. A. Fick: ({^auxpo? „leicht" st. <\iu'/p6i; ich sehe keinen
Grund zur Änderung ein.
17. E. Hiller trennt xax e[xov sraXa^p-ov mit Recht von dem
Folgenden, das er für lückenhaft hält und folgeudermafsen ergänzen
möchte: xov o'eTinrXa^ovxe^ < — a'xou , 'Epivvj, | xa? e[j.ac S'j/ä? — >
ave[jLoi xxX. ; ich halte die Annahme einer Lücke für unnötig; keinesfalls
aber dürfte man sie mit so nichtssagenden Worten ausfüllen.
20. A. Fick: T:avxo5ai:(u?, vgl. 5. Jedenfalls pafst das Adjektir
besser; allerdings ist die Form anstöfsig, aber man darf nicht vergessen;
dafs man es mit einem Fragm. zu thun hat, wo das eine oder andere
fehlen kann.
28, 1 verlangt A. Fick 1. 1. i'jxsppov, offenbar infolge eines Ver-
sehens, 3: xt'yavvsv, vgl. oben 1, 15. — L. A. Michelangeli will bei
Aristoteles, wo diese Worte citiert werden, eittovxo? xou 'AXxaiou streichen,
lim nicht durch das schwerwiegende Zeugnis des Aristoteles gehindert
zu werden, das hier angeführte Fragment des Alkäos (55) mit dem der
Sappho zu vereinigen und beide der Sappho zuzuschreiben. Ein etwas
gewaltthätiges Verfahren!
29. A. Fick versucht: axaöi [i avxa, tpiXo^, xai xtv' s'iraj d\jLrA-
xaaov yapiv „tritt mir gegenüber. Lieber, und entfalte alle Grazie, die
du hast"; wenig glücklich. Was ist sTiaa?
44, 5. E. Hill er 1. 1. bemerkt: „alterum xa^^ovcuv in locum
Hominis proprii irrepsisse suspicor".
51, 2. A. Fick: xoTj Foivo/orjuat st. OsoTc oivoy.
53. E. Hiller: „fortasse duo fragmenta sunt".
54, 3. L. A. Michelangeli vermutet zweifelnd [xaXaxtüj, um
die Zweideutigkeit zu beseitigen.
56, 1. A. Fick: uaxiv&iov, st. uaxivöivov, vgl. oben 4, 1. Gaxiv-
8tvo? steht Homer C 231 und '^ 158; uaxtvOios kenne ich nicht.
67, E. Hiller glaubt, dafs Athenäos manches ausgelassen habe;
ich vermutete s. Z.: (jiteXXa 5' dvap. t.. xaX' aacpt(v).
68, 3. G. S. Farneil 1. 1. vermutet x' siv oder y.aW st. xtjv. —
A. Fick: 0011(0 st. oojxoic, wohl mit Recht.
69, 1. A. Fick schreibt Trpostoiaav st. irpojtootcjav ; dies verlange
schon eajeaöai. Ich kann dieses Bedenken nicht teilen, da ja Trpo^iooisav
auch Ingressiv gebraucht werden kann; freilich wenn man der Ansiebt
ist, dafs die Lesbier überall das Digamma festhielten, pafst ~po3t5oi7av
214 Griecbiscbe Lyriker. (Sitzler.)
Hiebt; aber jedenfalls ist -poaiotaav ^aoc aXtu) unmöglich; denn eini
solche Eedensart giebt es im Griechischen nicht.
73. A. Fick auxat 8' (Jjpaiat TcecpavaTzXoxev.
75, 2. L. A. Michelaugeli schreibt apvT| ah st. apvuao; apv>;
erklärt er für den Imperativ eines äolischen apvY)(i.t = ion. atpeu», at'po-
|xai, apvufxat.
78, 1. A. Fick vermutet epa-oi; st. ipaxai;; wohl richtig. —
ii will er MeXexai st. TziXzxai schreiben, das er mit „Musen" erklärt.
88. A. Fick ergänzt aus Hesych.: w 'pawa yeXiowv opofxia.. —
89 schreibt derselbe o'a^potai; die letzte Silbe lang durch den Iktus
vor folgender Liquida. Besser vielleicht aßpoiatv.
91, 1. L. A. Michelaugeli schreibt: av' uijjot otj xtX. und
verbindet dieses dv" mit dsppexs =^ dvaeppexs = dvdtpexe. Ich nehme an
der Stellung dieses dv' ebenso wie an dem Kompositum dvaip£ai>ai An-
stois. Auch was derselbe Gelehrte 94, 2 schreibt: ydjjLai öi xe 7:op(pt>p'
ovdv{h)c kann ich nicht billigen; st. ovdv&T)? mülste es dvdvSir); heiiseu.
vgl. 67: dvdpiöfio?; -op<pupa hat ein langes a, das nicht elidiert werden
kaiui, und aul'serdem wird es nie von Blumen gebraucht.
95, 2. Gr. S. Farnell vermutet: cpepet? cir^o [i.axepoc Trdtv, A. Fick:
eic ol■^ ar/a 9sp£tc, är.o fiaxepi TiaiSa (fiptiaWoL , nämlich die Braut in das
Hans des Bräutigams. Wie A. Fick, beziehe auch ich iratSa auf die
Braut, glaube aber ferner, dafs <pepeiv auch im dritten Satzglied dieselbe
Bedeutung haben mul's wie in den vorhergehenden; daher halte ich
ano jjiaxspi für korrupt und schlage vor: otv xe cpspetc au xal al-c«, ^epeic
51 xci dvepi TtaToa.
98, 2. A. Fick tritt für die Vulgata uevxeßosta ein, 6 verlangt
er rÄoaD'i'ioi „Schuster" st. iri'uaüYYot.
99, 2. A. Fick will die Vulg. eyeu halten, aber st. dv, dem
einzigen Beispiel des Relativs o; in der lesbischen Lyrik, schlägt er
<u; vor, wie V. L
101, ]. E. Hiller 1. 1. ergänzt fxovov, der Bedeutung nach un-
nötig, der Stellung nach auffallend. Sollte nicht eher ~di nach ueXexat
ausgefallen sein?
103. A. Fick: yaipoic a vy{i.(pa; a. als Anruf. — 104, 1: xewp
= xi'ü), dann xdXio; FeFixdJ^o) im 1. und 2. Verse. — 108: «> xov^Aowviv
«o, vgl. u|XTr)v 5 uixevai* tu; 'Aowvioc scheint sonst nicht vorzukommen.
109, 2. L. A. Michelaugeli schreibt: upoc 8e <irdXiv> ouxexc
E'.'f(o, oOxexi sr^uj <aoxic>, was metrisch unmöglich ist; denn es ist nicht
richtig, dafs die letzte Silbe von irdXtv, wie der Verf. meint, auch lang
sein könne: was W. Hartel hom. Stud. I- 109 bemerkt, gehört nicht
hierher.
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 215
The Songs of Sapplm by James 8. Easb^'-Smj'tli. Stor-
mont u. Jackson, Washington. 1801. IX, 07 8.
Einleitung- über Leben und Werke der Sapjdio, g-riechischer Text
mit uietrisclier englischer Übersetzung.
Erinna.
2. G. Kuaack Hermes XXV. (1890) 8. 8G weist zum Beweise
dafür, dais dieser Vers aus der „Spindel" ist, auf Antipater Sidonius
Anth. Pal. VII 713 hiu.j
3, 1. L. A. Michelangeli 1. 1. schreibt -:o'jt6i>cv, was dem
Sinne nach Meiuekes to'jtw gleiclikommt; aber ungern vermiist man
das von demselben Gelehrten zu sU "Aioav gesetzte y.ii Vielleicht: -ou-
toOö 7.r)c 'Ai'&av /.tA.?
Alkäos.
5, 2. L. A. Michelangeli schützt die Vulgata xoputpa; h a-j-
■/ai?, die er mit „auf glänzender Bergspitze" erklärt. Ich glaube nicht,
dals die Worte das lieifsen können; aufserdem ist Hermes geboren
avTpo'j £jü) 7:aXi3xiou, wie es in den beiden Hymnen heilst. E. Hill er
schreibt mit W. Hoerschelmann : zopucparc Iv a^votic; aber wo ist a-^vo;
in dieser Weise gebraucht? Überdies ist bei beiden Schreibweisen die
Form des Dat. Plur. anstöfsig, die bei den Lesbiern auf aic?-. endigen
sollte. Daher vermutet A. Fick y.opu'fa; sv ax-^, vgl. Soph. Antig. 1131.
Aber diese Stelle kann den ungewöhnlichen Gebrauch von a/-q im vor-
liegenden Falle nicht rechtfertigen. Eher würde sich xopucpac h
avxpto empfehlen; doch scheint in aO^ai? ein anderes AVort zu stecken.
— V. 3 liest L A. Michelangeli [lolUksol, w'as schon metrisch be-
denklich ist, aber auch dem Sinne nach nicht pafst; denn er leitet es
von }iaty)[jL'. -= [xaitu oder vielmehr [xatüi ^ ixatoixat „streben, begehren" ab.
Th. Bergk hat mit \i.qzi-ja sicherlich das nichtige getroffen.
9, 1. A. Fick vermutet: Favasc?' 'A&avaa TtoXiao/o?, | a tm Ko-
pwveias Iruoz'joLo, indem er Hesych. ETriosucai ■ l-taxpe'l'ai und s-toeuov
(^ eziSsuov) • sTiisTpsilov und Anakr. 2, 4 vergleicht.
15, 5. L. A. Michelangeli schreibt y.o'lai, indem er glaubt,
dafs die erste Silbe durch den Iktus gelängt werde. A. Fick schlägt
xouiXia (aus xoFiXai) vor.
18, 1. L. A. Michelangeli erklärt jxaatv mit „Stille, Ruhe",
eine Bedeutung, die mir nicht in den Zusammenhang zu passen scheint;
vgl. auch den vorigen Jahresbericht Bd. LIV S. 173. — V. 9 vermutet
derselbe a-fxuXat „Taue"; wohl richtig.
19. 1. E. Hill er 1. 1. schreibt mit A. Ludwich: xtp -poTepco
vofitp, für unseren Dichter doch zu prosaisch. Ich vermute XaßpoTsp«»
216 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
|X£V£'. mit poetischer Belebung des y.ü|i.a, wozu auch jisiyei und -apeSet
stimmen. — V. 3 verlaugt L. A. Michelangeli sixßr] st. ejAßqt.
21. A Fick: sl? TüoXi: el; = unus, — 26, 3: simv = aeiuiv, vgl.
Auakr. 49. — 33, 1 : iXsffavTtav st. iXscpavrivav, trotzdem eXecpavxtoc sonst
nicht vorkommt, vgl. oben Sappho 56, 1. — 3.: Ba^^uXcoviwv | a6[x[i.a-/oc.
— 35,4: evixajXEvo'.c st. £v£ix7.|j.£votc. — 37 A, 2: dJ^oXtu „unberaten" st.
ay6\vi ; ob nötig?
39. A. Fick verlangt V. 3 Fcxy/j, V. 6 avÖT) und V. 7 Si'pptoc;
aufserdem schlägt er V. 6 Xisptu-atai oder XatopturaTat st. [itaptuTaxai
vor, keines dem Zusammenhang angemessen. Warum soll ixiapcoTarai
nicht in dem Sinn des hesiodischen [xa/Xo-atai stehen können? L. A.
Michelangeli vermutet V. 5: xaöex a[j--eTETafjL£vov , so dals xaöer' im
Sinne des Adverb, stände. Mir ist es unverständlich, wie man xadexoc
„senkrecht" mit dixK£TiTa|j,£vov oder 7:£7:Ta[j,£vov verbinden kann; es müfste
doch ein Verb, mit der Bedeutung „herabsenden, herabfallen" dabei
stehen. E. Hiller 1. 1. V. 5 cpXo-jUjxöv st. 9X67107, allerdings nur
„dubitauter". Meiner Meinung nach hat Th. Bergk hier mit Unrecht
zwei Fragmente vereinigt, die getrennt überliefert sind und auch inhaltlich
nicht zusammengehören, trotzdem sie dasselbe Thema behandeln. Der
Satz oTTTTOTa 9X67107 xxX. stört den Zusammenhang, da er die Aufzählung
der Anzeichen für den Sommer durch den schon als Voraussetzung in
V. 1 — 2 ausgesprocheneu Gedanken, dafs es Sommer sei, unterbricht.
Der Gedanke von to 7ap actpov Tispi-EXXera'. xxX. kehrt wieder in oitttox«
9X6710V xxX., und ebenso ä'/si ö' ix -£xaXu)v xxX. in ■nx£p'J7tüv ö^ utto xtX.
Man wird also am besten thuu, die zwei Fragmente auch als zwei zu
behandeln; das erste lautet: xE77e T:v£U[xova Foivw • xo 7ap aaxpov riEpixeXXäxat,
i a 0 (Jupa yaXEra, -avxa 0£ 6t<|iat7' uttö xau|xaxo;. | ay£i 6' ex TrsxaXwv
Faoea xextic, (7x6Xu(j.o; ot xal | avöst, vüv oe 7'jvarx£c <x£X£i}orutv> |j.ta-
püjxaxat, I X£--ot 0 avopEs, etiei <Coyj> x£9aXav xal 767« aöipio; | a'Cei;
das zweite: 7:x£pu7(ü7 6' uiro j xaxysEi Xi7upa7 <Tiux707> doioa7 <7:£xdXot3
£71 > oder <-- 7:£xdXoi3i7 £7>, I o--oxa 9X67107 xax OEpo; «Lc rXeTaxa [i.£7oc
xaFir) I sEiptcu; das letzte ist natürlich nur ein Versuch, den stark ver-
dorbeneu Worten einen passenden Sinn zu entlocken; xocFt) von einem
eingenommenen äolischen xdFr^|j.i ^==^ xdtu.
41, 2. L. A. Michelangeli schliefst sich an Th. Bergks letzte
wie mir scheint, verfehlte Herstellung des Verses an, nur dafs er ocix'
a TTO'j st. ai'x" oxi schreibt, was metrisch nicht angeht, da ülxt Digamma
liat. Vgl. über die Stelle vorigen Jahresb. Bd. LIV S. 174. — A. Fick
verlangt V. 4 x£p7ai;; ebenso 45, 2 x£p7otx£, V. 5: TiX/jai;.
42, 1. A. Fick: xaxysE-uj; Th. Bergk schrieb xax/£axcu, was
y.a/yc'jaxü) heifsen müfste, vgl. 36, 3.
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 217
46, 2. A. Fick verlangt sfxoi -,£ -jsvsjöat st. Ys-is'vTjaöat , da das
Perfekt hier nicht an der Stelle sei; wohl richtig.
52. A. Fick vermutet: sx 6s -orrjpiov ixTrwvr;; -api^wv A'.vvo|X£vy] ;
die beiden h. sind für mich störend.
53. A. Fick verlangt mit Recht dvDpwro'.i'.; um einen alkäischen
Zwölfsilber herzustellen, ergänzt er am Schlüsse hzi, oder schlägt vor.
Poivoc "jotp 1 avi)p(üTco'.3i StoTTTpov, was ich vorziehe.
54 B. A. Fick: oeöpo <xat> auix-w&i, vgl. N 481; ansprechend.
— 57 ergänzt er xiOTjai oder -oirj, da aXaiha nicht als aXaösta gefafst
werden könne. — 62 schlägt er Kpoxoi st. Kpovw vor; Kpivoi, dos
Th, Bergk liest, müfste Kptwoi lauten. — 64 schi'eibt er mit Recht
zÄsiJToicj' eFa'vajss Xa'ots', wenn man nicht für das letztere ^.aoist vorzieht.
— 83 vermutet er ai Fsi-7]c st. ai'x' si'-rjc
84. Gr. S. Farn eil liest oTo' st. ofo', wogegen schon die Stellung;
spricht.
86. E. Hiller schreibt ju 8s cpaU st. ok «pot oder cpai. Der
Wechsel zwischen der 2. und 3. Person stört; etwa sXdr) <7roxa>, 07.I
oder cXöt), <T6xa> 9^1?
90. A. Fick eppa'fituTa ' tj ^ap Fava;. — 92: ooEfxvac st. 6a|i.vyja'.,
wofür Th. Bergk oa[xvat? schrieb.
94, 2. E. Hiller liest Xa'fxTtp' aTruxea-' st. Xa[x~pa xlat, dem Sinne
nach gut, nur nehme ich an der Auflösung der Länge in zwei Kürzen
Anstofs. Warum nicht a^uxeivT'? War dies in Xa[i.7rpa xsTv-' verdorben,
so lag die Schreibung xsax' st. xeivt nahe.
R. Reitzenstein, inedita poetarum Graecorum fragmenta, index
lect. Rostock 1890/91. S. 16 teilt aus dem cod. Yatic. 1818 des
Etymologicum s. v. 'AiranQvopa ein neues Fragment des Alkäos mit:
itsupva; xocl tji3upa? ' xa oasea oepfiaxa xa xexpr/üJ[i.£va , xal 'A\Y.cdoQ 0
jxsaohoioc ■ «svö'jc anj'jpvav."
Echembrotos.
E. Hill er 1. 1. streicht die Inschrift des Echembrotos aus der
Sammlung der Lyriker; denn sie bestehe aus einem Hexameter, dem
Prosa vorausgehe und nachfolge. Die von Th. Bergk zuerst vorge-
nommene Einteilung in Kurzverse verteidigt Th. Preger inscriptiones
Graecae metricae S. 110 flg., der auch den ursprünglichen Dialekt
wiederherstellt.
Stesichoros.
0. Crusius, Stesichoros und die epodische Komposition
in der griechischen Lyrik in Commentationes philologae quibus
Ottoni Ribbeckio praecepiori inlustri sexagesimum aetatis, magisterii
21S Griechische Lyriker. (Sitzlcr.)
Lipsiensis deoimum annnm exactum coiigratulautnr disoipnli Lipsienses,
IJpsiae, B. G. 'I'euhiier. 1.^88. S. 1—22.
Der Verf. kommt auf Grund einer sorgföltigeu Prütuug- der Über-
liefernng zu dem Eesultat, dais es kein positives Zeugnis für die Eiii-
lübrung des di'eiteiligen Baues der Chorgesänge durch Stesichoros gebe.
Diese angebliche Neuerung tindet sich, wie der Verf. richtig bemerkt,
sclion bei Alkman. Strophe, Antistrophe und Kpodos hält er für
musikalische Begriffe: 77^09/^ bezeichne ein melodisches Ganze, einen
abgeschlossenen musikalischen Satz, gleich der moderneu Periode, also
eigentlich „Hin- und Herweuden" der Melodie: avTiaxpo'fo;, sc. "pocpr^,
bilde das Gegen- oder Seitenstück dazu, und auch zu sTTtpoo? habe man
gleichfalls stoo^tj zu ergänzen. Diese Einteilung sei aber nichts Neues,
sondern liege schon in der ältesten Kunstübung, wie die alkäische Strophe
im Vergleich mit Alkmans Parthenion zeige.
1, 1. L. A. Michelangeli 1. 1. verlangt, allerdings zweifelnd,
'Kpixrjac, mit Unrecht; Stesichoros gebraucht die homerische Form.
E. Hiller 1. 1. schreibt: 'EptjLita; [j-iv sotoxe | <I)Xo7£6v <-s> xat xx/,..
■^•orin ich ihm beistimme; nicht billigen kann ich es aber, dafs er voi
<I>Xo7sov noch Traisl /iik ergänzen will; dieser Begriff kann im Vorher-
gehenden enthalten gewesen sein.
7, 2. L. A. Michelangeli möchte -k 'zix/ojievo? schreiben,
nm dem r.U mehr Nachdruck zu geben; in der Wirkung sind beide
Schreibweisen nicht verschieden.
29, :}. L. A. Michelangeli erklärt xoptovtoa; mit „ciocche'',
d. h. „virgulti crespi e molli".
37. L. A. Michelangeli nimmt aus Aristophanes Frieden
Vv. 797 flg. die Worte t6v ao<pov 7:oit)t9)v auf, die er zwischen xaXXi-
xfVu)v und GixveTv einschiebt, indem er glaubt, der Scholiast habe sie
bei Anführung der Verse des Stesichoros vergessen. Naturgemäis mufs
er dann auch iScupovia aßpuic mit Hiatus lesen, der durch kein Digarama
entschuldigt werden kann, selbst wenn ein solches für «ppoc nachgewiesen
wäre. Daher wii'd maii die Überlieferung mit sSeupoviotc st. £;£'jp6vTa
"vorziehen.
42, 2. G. S. Farn eil versteht mit andern unter [iisiUh;: ilXets-
Oevi'Sa; Orestes; meiner Meinung nach palst der Ausdruck nur auf
Agamemnon; vgl. auch vorigen Jahresbericht Bd. LIV S. 177.
50. E. Hiller 1. 1. erkennt mit Kecht in [i-dhara, aus dem
Th. Bergk ixeXtatSv machte, eine andere Lesart für [laXa xoi.
Zum Schluls ei-wähne ich
Fr. Hager, Die geschichtliche Entwickelung des He-
rakles-Mythos. Progr. des Gymn. zu Wandsbeck. 1888. 20 8. 4.
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 2Jlt
Der Verf. führt S. 4 die Hauptausbildung des Mythos vom Kerberos
auf Stesichoros zurück. Über die dichterische Ausgestaltung des Ge-
ryoneus-Mythos spricht er S. 9 flg. Er sagt dabei: „Mit zwiefachen
Waflen, mit dem Bogen und der Keule, ist Herakles ausgerüstet. ])ie
Ausrüstung mit dem Bogen ist die ältere, echt hellenische, und kenn-
zeichnet den Herakles als Sonuenheros, die andere kann nicht älter
sein als Peisandros und Stesichoros , da nach den Zeugnissen der Alten
diese beiden Dichter zuerst dem Herakles das Lövvenfell und die Keule
beilegten. Es ist nicht anzunehmen, dafs der eine die unterscheidenden
Merkmale von dem andern entlehnt habe, sondern sie fanden, als sie
dichteten, den Heros derartig ausgerüstet in ihrer beiderseitigen Heimat
vor. Da aber beider Heimat nicht den hellenischen Herakles, sondern
den hellenisierten Melkart verehrte, so ist diese Ausstattung ursprünglich
dem phönizischen Gott eigen." Damit stimmt kaum Athen. XII 512 E
(Fr. 57 bei Th. Bergk), wo die Ausrüstung mit Keule, Löwenfell und
Bogen auf Stesichoros zurückgeführt wird, während Xanthos und die
Früheren dem Herakles die homerische Eüstung beilegten. Die Nach-
ahmung des Peisandros durch Stesichoros steht mir aufser Zweifel.
Ibykos.
22, 1 flg. E. Hiller 1. 1. schreibt: -apa yspaov Xi'öiuv j exXev.-wv
xtX. St. Xtdtvov l'xXexxov; gut, nur würde ich im Anschlufs an Strabon
den Singular Xtdoo exXsxxou vorziehen.
26, 3. L. A. Michelangeli liest vyjvocd st. Ijaoi; das selbst-
gebildete vTQvoo? erklärt er mit avoo;; auch in den Zusammenhang palst
ijjioi besser.
Anakreou.
G, Pellegrino, Anacreonte Teio. Studio critico. Lecce,
Garibaldi. 1890. 147 S.
Konnte ich mir trotz aller Mühe nicht verschaflen.
Für den Schulgebrauch sind bestimmt:
Alcune odi di Anacreonte con le note di A. Franco.
3. edizione migliorata ed ampliata. Verona, D. Tedeschi & figlio.
1892. 64 S. 8.
Anacreonte ed Anacreontee, scelta ad uso delle scuole con
commento di C. 0. Zuretti. Torino, E. Loescher. 1889. XXXII,
84 S. 8.
Anacreonte. Scelta di odi purgate ed annotate da G. Garino.
Torino, Libr. Salesiana. 1889. 30 S. 8.
2, 7. W. Headlam Journal of Philology XX S. 308 vermutet:
eXöejiev oder eXöeiv [j.oi, da sich daraus am besten das hds. eXd' -/jjiiv
220 Griechische Lyriker. [Sitzler.)
neben z)3oi; |j.ot erkläre. Von diesen Vermutungen ist nur die zweite
möglich, und diese würde ich allerdings der Vulgata vorziehen; iXöep-Ev
ist bei Anakreon formell und metrisch anstöfsig.
8, 1. H. "W. Smyth, Transactions of the American philolog.
Association XX (1889) S. 1 flg. verlangt 'Aixa^^&erj;.
9, 1. E. Hiller 1, 1. vermutet: au [xtjv -exeai st. xi |j.yiv -.;
warum? — 18 ergänzt derselbe nach yopSar? das Adj. sucpftoY^ov, ich
vermisse vielmehr ev yepsiv als nähere Bestimmung zu r/u>v, das auch
nach yopöai? leichter ausfallen konnte.
28 schliefst G. S. rarnell 1, 1. nach dem Vorgange Hartungs
au 29 an, indem er statt' auxt? mit Schneidewin dcurrjc schreibt. Ich
glaube nicht, dafs xoy.xuS als Bild der Feigheit in der Schlacht ge-
braucht werden kann; opvsov &£iX6Ta-ov im Et.> Gud. 333, 22 bedeutet
einen ängstlichen, scheuen Vogel, und 29 mufs sich auf einen Vorfall
beziehen, wo es sich um Ängstlichkeit und Scheu handelte.
44. E, Hill er sucht das Versmafs herzustellen durch die
Schreibung: /aptsv -j-ap f^\\o: tx/ets; die Überlieferung lautet: yapisv ^dp
£-/£ic ^öo;; ich glaube, es genügt, wenn man l'/etc in den ingressiven
Aorist tr/t; verwandelt: „du hast erhalten", vgl. Herod. VI 47.
75. Fr. Haussen, American Journal of Piniol. IX (1888).
S. 460 nimmt an den akatalektischen trochäischen Tetrametern Anstofs,
die die Griechen seiner Meinung nach nie gebrauchten. Er möchte daher
unser Gedicht in trochäische Systeme zerlegen, aus je 3 akaialektischeu
und einem katalekt. Dimeter bestehend. Zu dem Zweck ändert er V. 3
eii,ßdXoi|xi in £[i.[:iaÄot[ir,v und ebenso V. 4 jTp£'foi|xi in jTp£rpoi[XTiv. Aber
yaXivov l\i^aXiabai ist ungewöhnlich, und statt aTpscpoifi-iQv verlangt der
Sinn aTpl'fO'.iJLi j, wie Th. Bergk geschrieben hat; vgl. aufserdem
W. Christ Metrik S. 290 flg.
98. E. Hiller 1. 1. streicht mit Recht dieses Fragment, da Ma-
kedonios Anthol. Pal. X 70, 7 flg. nicht die Worte des Anakreon, sondern
nur den Sinn mitteilt.
Anacreonte ed Anacreontiche, traduzione e note per OL
Aurenghi. Edizione integra. 1890. Dilta G. B. Paravia E. C. di
J. Vigliardi. 30 S.
Prosa- Übersetzung mit Anmerkungen.
Anacrdon et les pocmes Anacreontiques. Texte grec avec
les traductions et imitations des poetes du XVI« siöcle par A. Del-
boulle. Havre, Lemale et O^- 1891. XI, 182 S. 8.
Anakreon. Nachdichtungen von 0. Kaysei. Ludwigslust,
Hinstorff. 16.
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 221
Anakreontea.
Fr. Hanssen Philologus 46 (1888) S. 445—457 sucht zu be-
weisen, dafs die Gedichte 21 — 32 einem Autor angehören. Aus Ähn-
lichkeiten, die er zwischen diesen Gedichten und den Pseudopholcylidea
gefunden haben will, schliefst er, dafs diese beiden apokryphen Litte-
raturdenkmäler ein und denselben Verfasser haben, vielleicht Aristobulos
oder einen ihm nahestehenden Mann. Demnach würden 21 — 32 aus dem
2. vorchristlichen Jahrhundert stammen; dann dürften 1. 3. 5 — 14, wenn
nicht in ihrer Gesamtheit, doch in der Mehrzahl kaum jünger sein, als
der Anfang dieses Jahrhunderts, können aber sogar in das 3. Jahrh.
gehören. Wie schwach diese Ausführungen begründet sind, zeigt
0. Crusius Philologus 47 (J889) S. 235 flg. Nach seiner Meinung
sind die fraglichen Gedichte kaum älter als die Blüte der nachchristlichen
Sophistik; auch der Beweis, dafs sie von einem Verfasser herstammen,
ist nicht erbracht; es ist, wie schon Th. Bergk sagt, gemeinsame Schul-
manier, die den Stücken zu Grunde liegt. Anacreont. sylloge Palat.
S. 10 bemerkt Fr. Hanssen, die Gedichte 2^ und 50 hätten die Eigen-
tümlichkeit, keine Schlufskürze zuzulassen; dies kommt auch sonst vor,
wie 0. Crusius nachweist; besonders wird die offene Schlufskürze ver-
mieden.
E. Hittrich, Egyetemes Philologiai Közlöny XIII (1889)
S. 417 — 424 weist, wie ich aus einem Auszug ersehe, auf die Ähnlichkeit
hin, die manche Anakreonteen mit dem Hohen Lied haben. Daraus
schliefst er, dafs die Gedichte 15 — 18 den Pseudo-Phokyüdes zum Ver-
fasser haben, d. h. den Aristobulos, dem Fr. Hanssen 21 — 32 zuweist.
Fr, Han ssen, QuaestiunculaPseudanacreontica inCommen-
tationes phüologae quibus Ottoni Ribbeckio etc. congratulantur discipuli
Lipsiensis. Lipsiae, B. G. Teubner. 1888. S. 189—194.
Der Verf. führt aus, dafs man den Herondas mit Recht für den
Vorläufer der hemiambischen Dichter halte, vgl. fr. 10 bei Th. Bergk;
denn dafs Anakreon fortlaufende Hemiamben schrieb , sei nicht wahr-
scheinlich. In den pseudanakreontischen Dichtungen seien aber, wie es
scheine, zwei verschiedene Elemente mit einander verschmolzen, nämlich
Trinkgedichte nach Art des Anakreon und Hemiamben. Wie diese
Verschmelzung stattgefunden habe, lasse sich noch aus der palatinischen
Sammlung erkennen, besonders aus 1. 3. 5—14, die mit 15—20 in
einer älteren Anthologie gestanden haben, ohne jedoch alle einem
Alter anzugehören. Die Hemiamben seien aus der alexandriuischeu oder
römischen Zeit, die übrigen aus der Zeit des Hadrian. Die Hemiamben
gehen auf einen Dichter oder Dichterkreis zurück; sie halten die Mitte
zwischen den anakreontischen Trinkliedern und den Mimiamben des
222 üriechisclie Lyriker. (Sitzler.)
Herondas; der Dichter bleibe innerhalb der Grenzen der iambischeii
1 )ichtg'attung' und sei eher ein Bewunderer als Nachahmer des Anaki-eon.
Dagegen seien die Gedichte 21 — 32 Beispiele der Verschmelzung dor
liemiambischen mit der anakreontischen Poesie. Das Gedicht tU vsxpöv
\'\6(üv'.v mache den Übergang von den Hemiamben zu der bukolischen
Dichtung. Vgl. dazu O. Crusius Philolog. 50 (1891) 8. 167 Aum. 6;
dieser tritt Fr. Haussens Ausführungen über die Hemiamben entgegen
und glaubt, dais es auch kaum angehe, die Dimeter der Anakreonteen
von den paar Versen des Herodas abzuleiten.
I Anacreontisl carmiua selecta recognovit A. Lombardi.
Firenze, G. C. Sansoni. 1889. 25 S. 8.
Textausgabe für die Schule.
Odi Anacreontiche scelte ed annotate da A. Lombardi.
Firenze, G. C. Sansoni. 1890. 33 S. 8.
Anacreontee, scelte con prefazione, commento e lessico pei
ginnasi da G. Bertolotto. Torino, E. Loescher. 1890.
40. 12. C. 0. Zuretti in seiner Ausgabe schreibt: (pEu-.'fuv st.
tfe.'r;z: ich halte nur 9267(0 für richtig, wie man gewöhnlich liest; denn
es wird hier nicht ein Zusatz zum Vorhergehenden gegeben, sondern
ein selbständiges weiteres Glied angereiht.
53. 3 schreibt derselbe auv itaipT] o?u iaIAttiov, das erstere mit
Mehlhorn, das letztere mit Bergk; ein Urteil läfst sich bei der lücken-
haften Beschaffenheit der Verse nicht abgeben. — V. 16 schreibt
E. Hiller 1. 1. gut y.poTa^tp st. «oc do'ftp; auch das folgende to 0' wj-6
ist kaum richtig: vielleicht too" aZzz?
56, 31. E. Hiller 1. 1. vermutet mit Recht Sei'voij ju o" «vtI
.Mo'jsuiv und 36: TS'iv st. -t.
58, 17 schreibt derselbe: -a [j.£v . . . y.£v-:pa; mit Recht.
Appendix Anacreonteorum.
Fr. Haussen American Journal of Phüology IX (1888) S. 460
bis 4<i2 erklärt zunächst die Behauptung Th. Bergks, das 2. Gedicht
des Ivon.stantinus (Jrammaticus Siculus stehe nicht im Laurentianus.
für ir)-ig: dann behandelt er eingehend das 3. Gedicht, das er dem
Theophanes (7raminaticus zuschreibt auf Grund des Verzeichnisses des
codex ßarberinus, der nach dem 2. Gedicht des Konstantinus die Worte
hat: Bsocpavou; 7pa;j.;j.aTr/.o'j öcvaxpiOVTiov <«; 91X0? 'filtiTai xal ou TTOikiTOi
£■/. -Tii ä'vav cpiÄia,-, die ganz auf unser Gedicht passen. V. 21 vermutet
er ÄctXoyjav st. /^yoüaa. — 22: i-aAUr^ im Sinne des Futurs st. ir.zkbz. —
25: v£viy.r)xuio: St. vcVtxT,7.u(a. — 28: evcToov st. sv eioei. — 44: TzXixw
mit dorn Codex st, ^-i/i-oj; ebenso 46: epo'jx/) st. Epui af^. — 48: 6 ttoOoc
Griechische Lyriker. i^SitzIcr.) 223
tlXo-zoi ohne ö'. Die Verse 1 — 10. 15—30. 43—49 spricht er dera
Knaben, 11—14 und ol — 42 dem Mädchen zn.
E. Hittricli unterzieht die christliche Anakreonteendichtung im
Mittelalter im Supplementband der Egyetemes PhUologiai Közlöuy 1889,
wie ich aus einer Inhaltsangabe t'rsehe, einer sorgfältigen Untersuchung,
<lie sich auf Inhalt, Form, Metrik und Ähnlichkeit mit Anakreon sowohl
als den Anakreonteen erstreckt. Georgios Gramm at. 1,83 vermutet
der Verf. -por^XOs st. T.poGr^)3e, vgl. 1, 7. 21. — 3, 79 flg. arJj -cüiv opoii
TpacpsvTtuv I rotXtv r, Tcexpai? -pa^svTOJv, Vgl. 1, 165 flg. 2, .36. — 3, 89.
Der Verf. tritt für 8iodaY.zi; ein unter Vergleichung von 1, 112. 4, 27.
Leon Mag. 5, 47 flg. — 7, 5: 6 eptu; ohne ö', vgl. 4, 27. — 8, 20 flg.:
«*('' atiato (od. aY spastov) t) rexovTa ] YeveTTjV xtX. St. a:f eXascov r^ TsxovTac.
S. Sophronii Anacreonticorum carmen XIV primum edidit
L.Eberhard. Progr. des kath. Gymn. zu Strafsburg. 1887. S. 16— 20.
Dem Verf. ist es gelungen, dieses Gedicht des Sophronios, von
dem bisher nur die Überschrift si? xf^v aXwciv t% v^iac ttoXsu)? -cyjv Giro
llsoGcüv 7$voiJ.£v-rjv und V. 1: äiia. woXr» Osoio vorhanden war, in dem
Pariser cod. miscell. sect. lat. No. 3282 fol. 26—27 aufzufinden. In
dem vorliegenden Programm teilt er den Text mit Konjekturen von
ihm selbst und W. Studemund mit.
S. A. Naber, Mnemosyne XIX (1891) S. 1 — 15 veröütentlicht
eine gröfsere Anzahl von Konjekturen zu S. Sophronii Anacreonticum XX.
Simonides Ton Keos.
A. Croiset, Simonide de Ceos, Revue des etudes grecfiues III.
(1890). S. 32-47.
Recht anziehende Schilderung des Lebens und der Werke des
grofsen Lyrikers: jetzt abgedruckt in dem 2. Bd. der Litteratur-
gescbichte des Verf.
5. F. Schwenk, Das Siraonideische Gedicht in Platous Prota-
goras und die Versuche, dasselbe zu rekonstruieren. Progr. Graz.
1889. 18 S. 4.
Der Verf. knüpft an J. Aars au, vgl. vorigen Jahresbericht
Bd. LIV S. 180: aber in folgenden Punkten weicht er von ihm ab.
Er glaubt nicht, dais am Anfang des Gedichtes etwas fehlt, und darin
stimme ich ihm bei, ebenso wie R. Peppmüller, Berl. philol. Wochen-
scln-ift 10. Jahrg. 1890 8. 174 flg. Die .Lücke nach den beiden ersten
Versen denkt er sich durch Erläuterungen derselben durch Beispiele,
Möglicherweise auch durch einen Hinweis auf Skopas ausgefüllt: der
letztere jedoch kann seiner Meinung nach auch in der Mitte oder gegen
Ende des Gedichts erwähnt gewesen sein. R. Peppmüller 1. 1. hält
224 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
es für möglich, dufs sich die Widmung- an Skopas in einer Schlufs-
strophe befunden habe, was mir unwahrscheinlich ist. Die Worte oO -/dp
eiixt (fiX6[ivi[L0i, die J Aars an den Schlufs des 2. Verses der 4. Strophe
stellte, spricht F. Schwenk dem Simonides ab. Er nimmt mit anderen
am Anfang der 4. Strophe eine Lücke an und glaubt, dafs darin eine
Apostrophe an Skopas enthalten war. Mir scheint es wahrscheinlicher,
dafs in der Mitte der 4. Strophe etwas fehlt; zu dieser Ansicht be-
stimmen mich aufser sachlichen auch metrische Gründe ; den Sinn denke
ich mir ungefähr folgendermafsen : <l^ ap' i\i.oqe xal dpx£r,> oa<Tt?>
av (j,7] xaxo? tj | \).r^Q' <u)v>- a'/av a-dXafJivo?, siSiu? 7' ovaoi'uoXtv ot'xav,
j-;ir,? dvTjp. <Tov e-jfu) outi iJ.to[xdjO|xai cpiXo[X(ü|xoc wv ' ei o£ Tis xs "/ap/j
i|iE7tüv, I xopsaaadat ou~o? cppsva; öuvaTai ] xat ix£[jn}<io;*> TÜiv -/ap aXiöiwv j
a-etptuv 7sv£öXa. ] 7:(xvxa xoi xaXa xxX. Die sicherlich notwendige Er-
wähnung des Skopas verlege ich in die Lücke nach V. 2, die möglicher-
weise ziemlich umfangreich gewesen sein kann. Dem Ven-f. stimme ich
darin bei, dafs das Gedicht ein Enkomion war. — Im letzten Vers der
2. Strophe schreibt F. Schwenk to'j? 7s; ich ziehe xe vor; -(i ist hier
ohne Bedeutung. — V. 2 und 3 der 4. Strophe schreibt der Verf. eiapxst
5' l'ixoqs ö }j.Ti wv xaxo? st. Sj av [xv] xaxo; v) bei Platon, das er als
prosaische Wendung betrachtet, die sich in die Hds. eingeschlichen hat
— eine Ansicht, die mir wenig wahrscheinlich ist. Unverständlich ist
mir, was E. Hill er 1. 1. schreibt: 0 v.t |jLf, xaxoc; 6 kann weder Pro-
nomen noch Artikel sein. Auch zlz , was derselbe Strophe 3, 4 vor-
schlägt st. et:-', ist, wie Hill er selbst zugiebt, äufserst unsicher.
29 verbindet G. S. Farn eil in seiner Ausgabe mit 30; aber dies
ist unmöglich, da sich die Worte oh^ dva Aoi-riov xxX. nicht unmittelbar
an xuva 'A|xuxXaiav anschliefsen können.
37, 3. E. Hiller 1. 1. liest ot(^o.-zi <t> 7;piT:£v; möglich, jedoch
ist der Anfang dieses Fragments so verdorben, dafs sich ein sicheres
TTrteil nicht abgeben läfst.
45, 2 schreibt derselbe ypujo-e-Xc st. ypu^ors-Xov; gewifs sicher.
— 60 bezweifelt er, dafs w 'v9p(U7rs von Simonides herrührt. — 84, 4
ergänzt derselbe recht passend: o'i<7:sp>.
81. E. Hiller Philologus 48 (1889) S. 241 flg. glaubt mit
Recht, dafs das Fragment unrichtig überliefert ist; seiner Meinung nach
mochte der Relativsatz mit dem Hexameter beendet worden sein; dann
sei das zum Kondicionalsatz gehörige Verbum finit. gefolgt und hierauf
eine Begründung, deren Schlufs der Pentameter bildete. Hartungs
lXt-i\zazt erscheint ihm nicht unwahrscheinlich. Was das fragm. 82
anlangt, so ist E, Hiller der Ansicht, dafs eine Verwechslung des Si-
monides und der Schlacht bei Marathon mit Demosthenes und der
Schlacht bei Chäronea vorliege. Ja, er geht soweit, die Marathon-Elegie
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 225
des Simonides überhaupt in Abrede zu stellen, worin ich ihm nicht
folgen kann; meiner Ansicht nach thut man am besten, bei der Über-
lieferung stehen zu bleiben.
Th. Preger, De epigrammatis Graecis meletemata selecta, Diss.
inaug. München 1889 spricht S. 3flg. über die Epigramme des Simonides ;
dasselbe Thema behandelt er Inscriptiones Graecae metricae. Leipzig,
B. G. Teubner. 189L S. XXIflg. Er tritt den Ausführungen E. A. Jung-
hahns und G. Kaibels, die vielfach zu weit gehen, mit Recht ent-
gegen; sein Urteil ist mafsvoll und besonnen. Dabei spricht er die
Ansicht aus, dafs Simonides seine Epigramme gesammelt und entweder
selbst herausgegeben habe, oder dafs dies nach seinem Tode von einem
seiner Verwandten geschehen sei. Ahnlich äufsert sich E. Hiller Phi-
lologus 1. 1. S. 245 Anm, 33, der meint, die Epigramme seien mit den
Elegien vereinigt und am Schlüsse derselben beigefügt gewesen. Es
läfst sich nicht leugnen, dafs die Ansicht, Simonides habe selbst seine
Epigramme gesammelt, grofse Wahrscheinlichkeit für sich hat, wenn
auch U. von Wilamowitz-Möllendorff Commentariolum grammat. IV
S. 5 sagt, dafs er sie nicht ernsthaft nehme; Gründe hat er keine
beigefügt.
90. E. Hiller Philologus 1. 1. S. 239 flg. erklärt die Form des
Pentameters, wie sie bei Aristides vorliegt, mit Recht für spätere Ent-
stellung; darin stimmt ihm auch Th. Preger inscriptiones S. 159 flg.
bei. Th. Bergk hat dieses Epigramm dem Simonides zugesprochen,
weil er der Ansicht war, dafs Aristides an der Stelle, wo er das Epi-
gramm anführe, nur aus Simonides eitlere. Dafs sich diese Ansicht
nicht halten lasse, weist E. Hiller 1. 1. überzeugend nach, giebt aber
auch zu, dafs hiermit noch keineswegs der simonideische Ursprung jener
Epigramme als undenkbar erwiesen ist. Er glaubt, die Echtheit unseres
Epigrammes lasse sich nur unter der äufserst unsicheren Voraussetzung
aufrecht erhalten, dafs der bekannte Wettstreit des Äschylos und Simo-
nides mit den Gedichten anf Marathon auch wirklich stattgefunden habe.
Mir ist unerfindlich, was dieser Wettstreit, der ja nach der Überlieferung
sich auf Elegien erstreckt, mit unserem Epigramm zu thuu haben soll.
Kann Simonides aufser jener Elegie nicht auch noch ein Epigramm auf
die bei Marathon Gefallenen gedichtet haben? Doch, wie gesagt, That-
sache ist, dafs unser Epigramm durch die Überlieferung dem Simonides
nicht zugeschrieben wird.
91, 1. Th. Preger 1. 1. S. 160 No. 200 schreibt mit Recht
TeiSe St. TTjSe. Nach E. Hill er 1. 1. kann das Epigramm von Simonides
sein; aber der Ursprung müsse dahingestellt bleiben; ähnlich Th. Preger 1. 1.
S. 16. Da nichts gegen Simonides spricht, und da es aufserdem von
vornherein wahrscheinlich ist, dafs sich die Amphiktyonen der Kunst
Jahreslöericht für Altertumswissenschaft. LXXV. Bd. (1893. L) 15
226 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
des Simoiiides bedient haben werdeu, der ja selbst auch bei dieser Ge-
legeuheit seinem Freunde Megistias die Inschrift setzte, da es endlich
keinem Zweifel unterliegen kann, dals die zweite Inschrift, die die
Amphiktyonen anbrachten (Epigramm 92, vgl. Th. Preger 1. 1. S. 16),
von Simonides herrührt, so sehe ich keinen Grund, in diesem Fall das
Zeugnis des Korrektors der Anthol. Pal. VII 248 anzuzweifeln, der das
Gedicht dem Simouides zuschi-eibt.
93. Th. Preger 1. 1. S. 18 schliefst aus der Verschiedenheit
zwischen dem Bericht des Herodot und Strabon, dafs die Gräber in den
Thermopylen im Laufe der 400 Jahre, die zwischen Herodot und Strabon
liegen, zerstört und dann wieder errichtet worden seien, wobei auch
noch neue von anderen Staaten, wie im vorliegenden Fall von den
opuntischeü Loki-eru, gefügt worden seien. In diesem Fall ist das —
übrigens durch keine Überlieferung dem Simonides zugeschriebene —
Epigramm nicht von unserem Dichter.
96, 1. A. Fick, Die Sprachform der altionischen und altattischen
Lyrik, in Beiträge zur Kunde der indogerm. Sprachen XIII (1888)
S. 173 flg. vermutet: (L $£vF', euuopov v£[xo[i.£; iroxa Ftxaxu K. Zu eüuöpov
vergleicht E. Cougny, epigrammatum anthologia Palat. S. 225 passend
Livius 45, 28, 2: fontibus scatens. — V. 2 schlägt H. Stadtmüller
vüv 6'auT , V. 3 xaxa xapioj saovtsj vor St. xal Illpja? iXovxss, was kaum
nötig ist. Th. Preger 1. 1. S. 6 flg. widerlegt überzeugend die gegen das
Epigramm von G, Kaibel vorgebrachten Einwände; trotzdem spricht er
das Gedicht dem Simonides ab. von dem es meiner Meinung nach ganz
gut sein kann.
97. E. Hill er Philologus 1. 1. S. 244 flg. hält nur das 1. Distichon
für alt; die Vv. 3 — 6 seien spätere Erweiterung; die Zurückführung
des 1. Distichons auf Simonides beruhe nur auf der zweifelhaften
Autorität der Anthologia Pal. VII 250; jedoch enthalte es nichts, was
gegen die Abfassung durch Simonides spräche. Auffallend sei das
Fehleu einer Bezeichnung der Toten sowohl, als der Feinde, sowie der
Umstand, dafs die Worte den Eindruck machen, als handle es sich um
Bestattung an Ort und Stelle. Immerhin hält E. Hiller die Verse für
eine wirkliche Inschrift, die vielleicht einer Prosa-Inschrift zum Abschlul's
gedient haben. Auch Th. Preger 1. 1. S. 5 flg. verwirft V. 3 flg.,
indem er glaubt, sie seien von Ai'istides beigefügt. Ich glaube, dals,
Aristides nicht nötig hatte, sich diese Mühe zu machen, da er doch
ohne Zweifel Gelegenheit genug hatte, sich die Inschrift selbst zu ver-
bchart'en. Verstümmelungen von Inschriften bei Schriftstellern kommen
auch sonst vor, vgl. No. 26 bei Th. Preger. Das gegen die Verse vor-
gebrachte Belastuugsmaterial ist zwar umfangreich, meiner Meinung
nach aber zui' \'erurteilung nicht hinreichend. Th. Preger spricht von
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 227
■einer „inanis verborum loquacitas", von der ich nichts wahrnehmen
kann; er weist anf den epischen Dialekt hin und auf die gesuchte
Annominatio (zT^ixaTa— }xv/^|xaTa), die jenen zu ändern liindere. Aber
•diese Annominatio ist doch erst durch die Einführung der epischen
Form in die Inschrift entstanden, für den Dichter war sie nicht vor-
lianden, da er ja {xvaiJLaxa schrieb; der Herstellung des ursprünglichen
Dialekts steht durchaus nichts im "Wege. E. Hiller 1. 1. findet Travt^
bei rJ^iiaza anstöfsig, das mir in der Bedeutung „aller Art" ganz gut
zu passen scheint; ungeschickt sei auch die "Verbindung llspcjaic -epl
ippsal Tty^fxaTa 7](];afisv, in der ich eine Erinnerung an das homerische
Tpweffjt 8e' yi.rid& etp^TTtat erkenne: „den Persern aber hefteten wir ins
Herz Leiden aller Art". Endlich erklärt E. Hiller i-i^r^y.t von einem
Kenotaphion als unpassend; sollte dies wirklich der fall sein, was ich
nicht glauben kann, so liegt die Änderung in das verlangte dv£9r,y.£v
gewifs sehr nahe. Zur "Verwerfung genügt schliefslich auch der Anstofs
nicht, den Th. Preger an dem absolut ohne Ortsbestimmung gesetzten
x£i|xe&a nimmt, denn dieses steht bei Th. Preger No. 8, 4 ebenso, ohne
dafs er etwas darüber bemerkt, beidemal meiner Meinung nach ganz
richtig in der Bedeutung „gefallen sein". Dafs es an unserer Stelle
nur diese Bedeutung haben kann, zeigt der Zusammenhang ganz klar;
wir sind gefallen, Griechenland rettend, den Persern Leid zufügend;
unsere Gebeine ruhen auf Salamis, unsere Vaterstadt Korinth aber hat
uns zum Dank dieses Denkmal gesetzt. Die Ortsbestimmung folgt also
«rst im letzten Satz, der auf das Kenotaphion hinweist. Nach alledem
halte ich die Inschrift in der von Aristides überlieferten Form für richtig
und sehe keinen Grund ein, sie dem Simonides abzusprechen. — "V. 1
schreibt Th. Preger sm, V. 5 rjfxiv.
98. Th. Preger 1. 1. S. 4 flg. spricht im Einklang mit E, A. Juug-
hahn und G. Kaibel dieses Epigramm dem Simouides ab, einmal wegen
'j'jtoc und dann weil Simonides zur Zeit, wo Adeiraantos starb, in Sizilien
gewesen sei. "Wann der Tod des Adeimantos eintrat, wissen wir nicht ;
aber auch angenommen, Simonides sei damals in Sizilien gewesen, so
war doch der "Verkehr zwischen Korinth und Sizilien so rege, dafs von
dieser Seite aus der Abfassung des Epigramms durch unseren Dichter
nichts im Wege steht. Noch weniger kann oZxoi eine solche Annahme
bindern, da ja Th. Preger selbst zugiebt, dafs es in jener Zeit auf In-
schriften gebraucht worden sei. "Warum soll es also Simonides ver-
schmäht haben? Die sonstigen von E. A. Junghahn und G. Kaibel
gegen das Gedicht vorgebrachten Gründe hat Th. Preger überzengenü
zurückgewiesen. "-•' i- - r . .■
100. Th. Preger 1. 1. S. 8 Weist darauf hin, dafs unser Epi-
gramm CIA IL 3. 2724 nachgeahmt ist; es sei also nicht epideiktisch,
15*
228 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
wie E. A. Junghahu und andere meinen, sondern wohl auf einem
Grabstein im Kerameikos gestanden. Dem Simonides wird es von dem
Korrektor der Anthol. Pal. und dem Scholiasten des Aristides zuge-
schrieben, die nur für eine Quelle gelten können, vgl. E. Hiller
Philol. 48 S. 229 flg., und deren Zeugnis nicht schwer wiegt. Immerhin
sehe ich keinen Grund ein, ihnen im vorliegenden Fall die Glaub-
würdigkeit abzusprechen, da weder äufsere noch innere Argumente dazu
zwingen.
101. E. Hiller Philol. 1. 1. S. 229 flg. erklärt das Epigramm
für ein Produkt späterer Zeit, das noch am besten für die Schlaclit
bei Marathon passe. Th. 'Preger 1. 1. S. 225 stimmt ihm mit
Recht bei.
104. E. Hiller 1. 1. giebt die Möglichkeit zu, dafs die Verse
von Simonides stammen können; bei dem Mangel jeder Beglaubigung
lasse sich dies aber nicht behaupten: ebenso urteilt Th. Preger 1. 1.
S. 7 flg. Das Epigramm wird nirgends Simonides zugeschrieben.
107, 9. E. Hiller in seiner Ausgabe hat <9&[ixevotc> zwischen
Tooe und ^epa? eingeschoben; dieses entbehrt man gern, ungern aber
vermifst man einen Begriff" wie xoS' <dv5p£ia^> oder <euci£ßia?>.
110, 2. R. Weifshäupl, Die Grabgedichte der griechischen
Anthologie. "Wien, C. Gerolds Sohn, 1889, S. 55, verteidigt mit Erfolg
die Lesart der Hds. Xatvtp, indem er ähnliche Stellen sammelt; tacpoc
ist hier = (jdqXtj.
129, 2. H. Stadtmüller vermutet C^vit ireuopLcpe st. C'uvx'
ötJTeSwxe, was mir nicht nötig zu sein scheint. Epigr. 128 und 129
schreibt die Überlieferung dem Simonides zu; E. A. Junghahu und
G. Kaibel sprechen sie ihm ab. Th. Preger 1. 1. S. 203 flg. tritt ihnen
bei, da das Zeugnis der Gewährsmänner unglaubwürdig sei; er glaubt,
dafs die zwei Epigramme später in Erinnerung an das ursprüngliche
Epigramm gemacht seien. Ich finde in ihnen nichts, was gegen Sirao-
nides spreche, und halte daher an der Überlieferung fest.
132. Neuerdings wurde wieder ein Marmorfragment mit dieser
Inschrift aufgefunden, dessen Schriftzüge auf das Ende des 6. Jahrh.
V. Chr. hinweisen; die Ordnung der Verse ist 3. 2. 1. 4, vgl. A. Kirch-
hoff, Sitzungsber. der Berl. Akad. 1887 S. 111 flg. Hinsichtlich des-
Verf. urteilt E. Uiller 1. 1., wie über 104. Th. Preger 1. 1. S. 59 flg.
spricht es dem Simonides ab, jedoch ohne Angabe von Gründen. Unter
Simonides' Namen ist es nicht überliefert.
134. Th. Preger 1. 1. S. 53 weist mit Recht E. A. Junghahu
und G. Kaibel zurück, die die Verse einer späteren Zeit zuschreiben.
Auch er spricht sie Simonides ab, teils wegen outoc, teils wegen der
Unzuverlässigkeit des Zeugnisses der Anthologie; aber vgl. oben zu 98.
Griecbische Lyriker. (Sitzler.) 220
Ein innerer Gnind zur Anzweifelung- des Zeugnisses der Anthologie
liegt nicht vor.
136 hält Th. Preger 1. 1. für vollständig, indem er daran er-
innert, dafs in einem Weihepigramm das Verbum des Weihens auch
vollständig fehlen könne.
137, 1. U. V. Wilamowitz - MöUendorff commentariolum
gramraat. IV. Ind. lect. Göttingen 1889/90. S. 1 flg. empfiehlt mit
Hecht (J^ysfxaywv als Gegensatz zu dem folg. xo^ocpopoutv Mr]«5oic. —
Th. Preger 1. 1. S. 54 flg. schreibt TioXtaxav st. iroXtYjrav. V. 2 verlangt
U. V. Wilamowitz -MöUendorff estadsv, was Th. Bergk schrieb, in dem
Sinne von „accedere iussae sunt". Im Gegensatz nämlich zu Th. Preger
de epigrammatis Graecis meletemata. Diss. iuaug. München 1890.
S. 10 flg. versteht er unter dioz (V. 1) Sklavinnen der Aphrodite, die
aufser ihrer sonstigen Beschäftigung dem Opfer und den feierlichen
Handlungen anwohnen mnfsten; diese hätten während der Perserkriege
Aphrodite um Hilfe angefleht, und zur Erinnerung hätten dann die
Korinthier nach dem Sieg bei Platää das Gemälde mit dem Epigramm
g'eweiht; die Überschrift habe gelautet: KopivOtot 'Acppooira su/av.
Dagegen wendet Th. Preger inscriptiones S. 55 flg. mit Recht ein, dafs
Theopompos nicht sage, die Korinthier hätten das Bild geweiht; dies
stehe nur bei Chamaeleon ; auch sei es nicht Sitte gewesen, die Weihenden
im 5. Jahrh. v. Chr. aufserhalb des Epigramms in Prosa anzugeben.
Daher schreibt er mit Theopomp saraffav, akt. Aorist, vgl. Homer M 56.
7 182. a 307. Anthol. Pal. IX 708 G. Meyer gr. Gr.^ § 42. Unter
-atSs (V. 1) versteht er, wie man dies auch sonst that, korinthische
Frauen, welche infolge eines Gelübdes der Aphrodite, die ihr Vaterland
geschützt hatte, dieses Weihegeschenk setzten; ai^Ss war durch Anführung
der Namen am Schlufse des Epigramms erklärt. — oatjxovta hält
TJ. V. Wilamowitz-Möllendorff für Adverb. ^= auv 8at[xovt coli. Pind.
Ol. IX 110 und schol. BI ad Homer B 367; so, glaubt er, wird der
i?lusammenhang zwischen dem 1. und 2. Distichon hergestellt: nicht
ohne die Götter; denn Aphrodite Avollte Griechenland nicht verraten.
Th. Preger bezieht oii^ovw. auf Kuupiöi, obwohl er kein anderes Beispiel
für diese Verbindung kennt, H. Stadtmüller Berl. phil. Wochenschr.
1890. S. 302 schlägt xot|i.[xoviav vor. — V. 3. IT. v. Wilamowitz-
Möllendorff vermutet st. l\irp'xzo ein korinthisches Wort, etwa eSi^Xsto
oder ISstXeTo; denn [X7]OE(j9ai werde nicht mit dem Infinitiv verbunden,
«.ufser Pind. ol. I, 30, wo der Infinitiv auch fehlen könnte.
138. Th. Preger 1. 1. S. 72 flg. weist darauf hin. dafs auf dem
noch erhaltenen Denkmal keine Spuren von der überlieferten Tilgung
der Inschrift sich zeigen; diese müsse also an einer anderen Stelle des
Dreifufses, wie die spätere, angebracht gewesen sein oder, was noch
2oO Griechische Lyriker. (Sitzler.)
walii'scheinlicher sei, auf der Marmorbasis. Die Abfassung durch Siuu»-
iiides verteidigt er mit Recht gegen G. Kaibel.
139. Th. Preger 1. 1. kommt nach sorgfältiger Prüfung der
versclüedenen Ansichten zu dem Resultat, dafs sich Diodoros in seiner
Angabe geirrt liabe, und dal's das Epigramm auf einem anderen Weihe-
geschenk gestanden sei, vgl. S. 74 flg. Mit Simonides, dem es auch
die Überlieferung nicht zuschreibt, hat es nichts zu thun.
140. Th. Preger 1. 1. S. 65 widerlegt G. Kaibels Einwände
gegen das Epigramm, wie vor ihm schon Th. Bergk, und räumt ein,
dal's das Gedicht von Simonides sein könne, wenn es auch nur durch
die Anthologie bezeugt werde. Ebenso urteilt er über die Abfassung voa
141, zu dessen V. 4 er bemerkt: ^^kgiu^us apud Diodor. Sic. II, 2G
Carthaginienses Damaretae reginae coronam auream donasse, quod eos
in pace facienda adiuvisset. Hac igitur corona putamus praedam, quae
ex toto hello tyrannis affluxit, auctam et ex ea aucta decimam, ut
fieri solebat, deis destinatam esse: unde et alia donaria deis collocata
sunt et ex decima rursus eius decimae particula ApoUini Delphico
donum positum est, aureus scilicet de quo agitur tripus; ad hunc con-
ficiendum pars auri a Damareta praedae adiecti consumebatur". —
V. 5. H. Stadtmüller vermutet SixsXtjv st. -oXXrjv, wie mir scheint,
olineNot; recht ansprechend schlägt Th. Preger Tiaplayov st. rapax/eiv
vor. Gegen Th. Bergk, der am letzten Distichon Anstols nahm, be-
merkt der letztere 1. 1. S. 72 mit Recht, dafs die Karthager nach
Ephoros und Tiraäos im Bunde mit den Persern standen, dal's alsa
Simonides von den Sikulern, die die Karthager bekämpften, ebensogut
sagen konnte, sie hätten den Griechen geholfen, wie Pindar von Hieron
'E'fjAo £;£Xx£iv ßapsta^ SouXsia;, Vgl. ol. I, 75.
142. E. Hill er Philol. 1. 1. macht darauf aufmerksam, dafs der
.\ristides-8choliast in der Angabe des Verfassers zwar mit Anthol.
Pal. VII 296 übereinstimme, in den Lesarten aber mit Aristides;
zur Erklärung dieser Thatsache nimmt er an, dafs der Scholiast seinen
Text mit dem des interpretierten Autors habe übereinstimmen lassen
wollen. Das Epigramm ist nach ihm weder simouideisch, noch überhaupt
gleichzeitig; vgl. auch Th. Preger 1. 1. S. 213 flg.
146. Th. Preger inscriptiones proleg. S.XIV bezeichnet Th.Bergks
Annahme, dal's dieses Distichon einem Epigramm entnommen und mit 14.^
zu verbinden sei, mit Recht als unwahrscheinlich; er möchte es lieber
mit Schneidewin einer Elegie zuweisen.
157. Th. Preger 1. 1. S. 87 flg. glaubt, dafs der Anfang des
Gedichts, also das I.Distichon verloren ist, in dem der Name des Weihenden
stand, etwa: o osTva . . . | xa'XXtSTOv -avTojv avOex ET:eu$ap.evoj | 'ApTe[xiooc
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 231
v-X. — V. 3 schreibt er ar/.r,T(Ji)c o ettoitjtsv, 4: Nof^'o; 'ApxsjiXetoj,
Na;toc mit M. Schmidt. An der Abfassung- durch Simonides hält er fest.
160, 2. Th. Preger schreibt mit Recht TcspilojxsvYjv st. rsp&o-
lj.£vav; derselbe tritt S. 202 %. für die Abfassung- von 169 durch
Simonides ein, indem er die Ansicht derer zurückweist, die glauben, im
5. Jahrh. v. Chr. habe man überhaupt noch keine Spottepigramme
gedichtet.
172. Th. Preger 1. 1. S. 226 hält es mit Recht für unwahr-
scheinlich, dafs dieses Rätsel auf einem Weihegeschenk gestanden sei.
185 B. Th. Preger 1. 1. S. 229 kann Th. Bergk nicht bei-
stimmen, der die Ansicht aussprach, dafs diese beiden Verse der Anfang
eines gröfseren Gedichts seien, in dem der Sturz des Kolosses von
Rhodos geschildert worden wäre; mir erscheint Bergks Ansicht nicht
unwahrscheinlich.
Das Epigramm apEa(j,£vor itpSto'. xxX. S. 515 weist Th. Preger 1. 1.
S. 6] flg., wie es scheint, mit Recht dem früheren von Themistokles
begonnenen Mauerbau zu, indem er die entgegenstehenden Ansichten
der Gelehrten zu widerlegen sucht. — In den Epigrammen auf Kimon
S. 518 sclilägt Deheque bei Cougny epigrammatum Anthol. Palat. III
294 in EpS. igr. U, 4 «[xcpl ra-pa; st. apitpi -spl vor; recht ansprechend.
Timokreon.
8, 1. G. S. Farnell in seiner Ausgabe der Meliker vermutet:
|jL7) 'ut 7?], fiT]-' £v öaXasjcTTj x-X.; wenn zu ändern ist, würde ich fjLV]07.[j.v^
vorziehen, das in f^aXajsa und f^Trstpo? zerlegt werden kann.
Pratinas.
Er. Blafs N. Jahrb. f. Phil. u. Päd. 137. Bd. (1888) S. 663—664
weist darauf hin, dafs Pratinas kein Lyriker war: das 1. Fragment,
das als uTr(5p-/Y)fxa bezeichnet werde, gehöre einem Satyrdraraa an, eine
Ansicht, die schon 0. Müller Kl. Schriften I S. 519 aussprach, und
bilde den Anfang desselben, wie Inhalt und Versmafs zeigen. Das-
selbe gelte auch von den anderen Stücken.
Phrjnichos.
3. Th. Preger inscriptiones proleg. S. XIII weist die Verse
mit Recht einer Elegie zu; unrichtig ist es aber, wenn er beifügt, dafs
dies schon Th. Bergk UI^ 561 gethan habe.
Bakchylides.
J. della Giovauna Rivista di Filologia XVI (1888) S. 465— 503
giebt eine schön geschriebene Übersicht über Leben und Gedichte des
Bakchylides, ohne jedoch etwas Neues beizubringen.
232 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
3, 2. G. S. Farn eil 1. 1. vermutet suxaipwc st sv xaipol; ich
sehe nicht ein, was dadurch gebessert ist.
29 will J. della Giovanna 1. 1. dem Ibykos zuweisen, indem
er eine Verschreibung von wc ''Il^üxoc in 6 Xupixo; annimmt. Dagegen
scheint mir der ganze Charakter der Sprache und des Metrums ent-
schieden zu sprechen.
Melanippides.
1, 5. E. Hiller in seiner Ausgabe schreibt gut: TepTr6|X£vai,
<7ioXXaxi o'> tepoSaxpuv xxX. — 3, 1 vermutet derselbe ansprechend:
xaXeixat 6' <:ap'> Iv xoXuoia'. 7.
Philoxenos.
R. Schmer tisch, De fragmento quodam Philoxeni neglecto, in
Commentationes philologae quibus Ottoni Ribbeckio . . . congratulantur
discipuli Lipsienses. Leipzig, B. G. Teubner. 1888. S. 525 — 527
meint, die von Plutarch im Anfang der Schrift de audiendis poetis
citierten Worte des Philoxenos seien einem Gedicht entnommen, das
der Gattung der aöupfj-axa (vgl. 3, 23) angehört habe; die Worte xuiv
xpe(i)v xa |xrj xpe' aStcjx' saxl xat xwv ly&ucuv büden einen katalektischen
trochäischen Tetrameter, die folgenden 01 |xt) ij^&uec beginnen einen
daktylischen Vers; der Hiatus sei durch Homers Vorgang entschuldigt,
vgl. 1 193. 0 536. Das letzte wird man dem Verf. nicht glauben,
und auch ein reiner trochäischer Tetrameter ist bei Philoxenos auf-
fallend, dagegen gebe ich dem Verf. zu, dafs die Worte des Philoxenos
einem Gedicht entnommen sind; ob aber in genauem Anschlufs oder
frei, läfst sich nicht entscheiden. Ist das erster e der Fall, so kann
man lesen: xuiv xpetJüv xa [xt] xpe' aStJxa xat xcüv lyöuouv ot |xtj ly&tSe;,
die zwei letzten Worte mit Synizesis.
Timotheos.
10. G. S. Farneil streicht 0' nach 'EXXa's, bezw. nach ypusov;
wohl mit Recht.
12, 1 schreibt derselbe des Metrums wegen otow st. deiou). —
2. E. Hill er in seiner Ausgabe schreibt: xal xa <xaiva> -/ap a|xa
xpeiaacu st. xaivä -/ap ai^a xpetaatu, wo Th. Bergk a|xa in [xa'Xa verwandelt.
Mir ist xai a\La. unverständlich; auch scheint mir die Änderung nicht
in der Überlieferung begründet zu sein, da xat xa oifenbar nur aus
xatva verschrieben ist.
13, 0 vermutet G. S. Farne 11 des Metrums wegen h/ppoXia st.
lyppoXi. — 15, 1 schreibt E. Hiller 1. 1. gut 00' 6 r-epioxo; st. 0' o.
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 233
Simias Rliodios.
Hephäst, c. 13^ fr. 4 in Tli. Bergks Anthol. lyrica schlägt
U. V. Wilamowitz -Möllendorff Commentar. graminat. IV. Ind.
lect. Gröttingen 1889/90. S. 27 vor [xatsp <i) ro^tia st. uoTvia, da weder
die Länge des a vor xX, noch das epische Epitheton rorvta bei unserem
Dichter am Platze sei.
Mesomedes.
C. von Jan, Die Handschriften der Hymnen des Meso-
medes. N. Jahrb. f. Philol. u. Päd. 141. Bd. (1890). S. 679— 688.
Der Verf. konnte einige der von Fr. Bellermann benutzten Hds.
persönlich einsehen und noch einige weitere Quellen dazu benutzen,
und so ist er in der Lage, einige Nachträge zu Fr. Bellermanns Aus-
gabe zu liefern. Zunächst weist er die Richtigkeit der von Th. Bergk
früher ausgesprochenen, aber so ziemlich allseitig zurückgewiesenen
Vermutung nach, dafs Dionj'sios nicht der Verfasser der Hymnen, sondern
der denselben vorausgehenden Abhandlung sei. Für den Dichter aller
drei mit Noten versehenen Hymnen darf man den Mesomedes ansehen.
Vgl. auch 0. Crusius Philol. 50 (1891) S. 172 Anm. 15. Dann wendet
sich der Verf. der Untersuchung der Hds. zu; er zeigt, dals cod. Lugd.
und Hamb. aus Paris. 1 (2532) stammen, Paris. 1 aber ebenso wie
Paris. 2 (2458) aus dem Monac. 215, dafs endlich der Monac. auf Ven.
«iarc. VI 10 zurückgeht, aus dem sich auch Neap. 2 (259) herleitet,
von dem wieder der Mut. abhängt. Die diplomatische Grundlage der
Hymnen bilden also Venet. und Neap. 1 ; daraus ergiebt sich für den
Verf. die Notwendigkeit, 1, 4. 1, 9 und 2, 11 rhythmisch etwas anders
zu gestalten, als es Fr. Bellermann gethan hat.
Carmina figurata.
C. Häberlin, Epilegomena ad figurata carmina Graeca.
Philolog. 49 (1890). S. 271—284 und 649—661.
Der Verf. teilt zunächst eine neue Vergleichung des cod. Vatic.
1I:>15 (m bei Chr. Ziegler, b in seiner Ausgabe), des cod. Vatic. 434
(o in seiner Ausgabe und des cod. Palat. 319 (mit ß bezeichnet, aus
b abgeschrieben) mit. Daran reiht er eine Übersicht über das hds.
Material, das sich seit seiner Ausgabe neu ergeben hat, sowie über
Erklärer und Herausgeber dieser Gedichte, und fügt endlich einiges zu
ihrer Verbesserung und Erklärung bei.
Simiae securis. G. Knaack Hermes 25 (1890) S. 85 weist
darauf hin, dafs der Dichter Lykophron Alex. 948 nachahme.
Simiae ovum. C. Häberlin 1. 1. vermutet V. 17 -uxtvcotaTw
St. zouy.o-ra-ov, das U. v. "Wilamowitz-Mollendorff in jxuyotxaTO) änderte,
234 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
uiul V. 18 dvsXsiv st. zlth, Ulli die Gleichnüil-igkeit des Metrums her-
zustellen.
Dosiadae ara. C. Häherlin 1. 1. glaubt, dafs iii^o'h V. 2 auf
Theokrits Vaterstadt Kos anspiele.
Besantiui ara. C. Häb erlin 1. 1. vermutet V. 7 [xr^xe 'YapioZ:
Tapcj6c =- 'l'apTYiJcjo;. — Für den Verfasser dieses Gedichts hält er einen
gewissen Vestinus. Ein ägyptischer Hohepriester dieses Namens wird
GIG 5900 erwähnt, ein Sophist bei Suidas s. v., ein BriaTetvoc
CIG 3148, 10. Auf dt!n Sophisten, wohl den Sohn des Hohepriesters,
mag unser Gedicht zurückgehen. Dieser stammte vielleicht aus Besä,
das 130 n. Chr. Besantinoeia genannt wurde; seit dieser Zeit liiel'sen die
Bewohner Br^zy.-^^hou Dies ist, wie man sieht, bis jetzt reine Hypothese.
Scolia.
14 steht Aristotelis (?) 'Aflrjvaiiov roXitsia Kap. 19, aber auch
hier lautet der 3. Vers öt-zaihuc -t -/.al suTraxpiöa?. A. Y. Tyrrell
Classical Review 1891, S. 177 11g. vermutet recht ansprechend xs xa^
eO^axptoäv. Nicht billigen kann ich, was J. Bury 1. 1. vorschlägt:
a7ai)ol; xaXoo; s'j-axptoa?.
1.5, 1. A. Fick Beiträge zur Kunde der indogerm. Sprachen
XVII (1891). 8. 177 flg. schlägt vor: Ia 7a; eypyi xax' <avöpa> Fiotjv
-Xoov, um den Vers zu vervollständigen : aber ä'vopa ist wegen des folg.
ä' TIC nicht am Platze.
18, 2. E. Hiller in der Praefatio seiner Ausgabe vermutet, dafs
die Worte Aavaüiv xal 'A/tXXea vom Schreiber aus Unachtsamkeit aus
17, 2 statt der echten Worte wiederholt worden seien.
27 liest man Aristotelis (?) 'Ai>T,vaiu)v -oXixsia Kap. 20, wo der
2. Vers si ypf, xou «7x1)01; lautet, wie Porson vermutete.
28, 9. E. Hiller in seiner Ausgabe schreibt: <:ai£t aeßovxi 7:poa>-
xuveovTi xe 0. xxX. Von aiei ganz abgesehen, nehme ich auch an aeßovxt
Anstofs; denn dieses macht 70VU TreuxT^üixe? xxX. zu einem selbständigen
Satzglied, während es doch seiner Bedeutung nach nur die Art und
Weise des folg. irpo^xuveovxi xxX. ausdrücken kann; dagegen steht dem
TTpoaxuveTv das cptuveiv als selbständiger Begriff entgegen. Vergleicht
man Euripid. suppl. 279: dixcpnrixvousa xo oov 76VU, so kann man an
unserer Stelle lesen: ttgivxs; 76v'j -ö~xr^Gixt<; <aixcpi> | xou(jlov <-/aiJLat \xz
irpo5>xoveuvO' axe o£3-oxav j xal jAr^av ßaatXvja <pu)veovxi.
Carmina popularia.
2 schliefst E. Hill er aus seiner Ausgabe aus im Anschlufs an
E. Maafs Hermes 23 S. 303 flg., der nachweist, dafs der Scholiast die
letzten Verse auf eigene Faust änderte, da ihm seinen eigenen Worten
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 23")
nach keine andere Quelle vorgelegen sei. Es ist also nur ein Epigramm,
kein Volkslied auf Lines beglaubigt. Vgl. auch Th. Preger inscriptiones
S. 13%.
3. E. Hiller 1. 1. schlägt vor: 'Ap-s|xt, soi \i l~\ cpprjv i'pi'ij.spov i
ujJLvov ücpaive[xsvai deo&sv saauTai; ich nehme au [x im = [loi zui, den zwei
Dativen aoi [j-oi und an öeoösv Anstols. Daher möchte ich lesen: 'A.,
Grjvf fj ^pi^v [jiEu icpi[x$pov | ujjlvov utpaivsfievai |xe[xov£v <>.fj'uv"> xtX.
15. G. S. Farn eil in seiner Ausgabe schreibt: ßaXßiöi -ooaj
\)ixz Ttotp -ooa Troöa, was wegen des doppelten zooa mifsfällt. E. Hiller 1. 1.
vermutet: ejrl ßaXßiSo? st. ßaXßioa zoSo?; aber auch diese Änderung genügt
nicht; es scheint gelesen werden zu müssen: ßaXßiocov imßaxe Oevxe; Tiooa
.Tapa rooa. Da dies aber nach der Überlieferung die stereotype Auf-
forderung der Herolde an die "Wettläufer vor Beginn des Laufes ist, so
hat es mit der Poesie, auch der Volkspoesie nichts zu thun und ist
daher aus der Reihe der Fragmente zu streichen. Dasselbe gilt von
Fragm. 5 und 11.
27. Fr. Haussen American Journal of Philology IX (1888),
S. 457 — 460 schlägt V. 2: upiv xa \i.oXh, V. 3: [xy) xaxov jüiE^a ttoiy^to; !
(3£ xTjixe xtX., V. 4: d|xapa x t]8yi vor.
41, G. S. Farneil 1. 1. spricht die Vermutung aus, dafs die
Nachricht des Athenäos und Eustathios, dasselbe sei im Boedromion
gesungen worden, auf einer Verwechslung mit der Eiresione beruhe, und
es läfst sich nicht in Abrede stellen, dafs das Frühlingslied allerdings
in den Boedromion nicht passen will.
43. U. von Wilamowitz-Möllendorff Hermes XXV (1890),
S. 225 — 7 weist darauf hin, dafs das Liedchen lange Zeit nach der
Tyrannis des Pittakos gemacht worden sei. Pittakos sei in den Ruf
gekommen, als ob er in der Mühle gearbeitet habe, weil seine hoch-
adligen Feinde ihm seine niedere Herkunft vorgeworfen hätten, und es
lasse sich auch nicht leugnen, dafs er einen thrakischen Namen führe.
Das Metrum bestehe von xal fap x-X. an aus Jonikern; hinter jxe-yaXa?
sei Katalexe oder Unterdrückung einer Länge. Der Anfang sei aXsi
IxuX' aX£i zu sprechen, zwar unsicher, aber doch aus der gewöhnlichen
Metrik nicht herausfallend.
Päan der Chalkidier auf T. Flaminius Plut. Flam. Kap. 16.
Gr. S. Farn eil 1. 1. schreibt im V. 2: ixs^aXiioTotrav st. [xs^aXaXxcUTaTav.
Ist vielleicht ixe^axXetscxa-av zu lesen, das die Verderbnis am leichtesten
erklären würde?
Fragmenta adespota.
6. E. Hiller in der Praefatio der Anthologia lyrica bemerkt,
,versum proverbialem ex carmine elegiaco petitum esse fernere statuit
Bergk."
236 Griechische Lyriker. (Sitzler:)
8 A. 0. Crusius Phüologus 48 (1889), S. 178—180 macht
darauf aufmerksam, dafs sich der Vers aufser bei Polyb. XV 16 auch
bei Suidas s. v. i-'^olr^ findet. Erasmus Chiliad. III 10, 94 (p. 671
Bas. 1574) schreibt ihn dem Parömiographen Zeuodotos, d. h. Zenobios
ZU; Suidas hat die von Polybios erwähnte Trapot|xia in einer Sprich-
wörtersammlung nachgeschlagen und die Erklärung auszugsweise abge-
schrieben. Bei Zenobios stand das Sprichwort nach dem Verf. im
2. Buch der athoischen Excerpte unter ttS' und tcs'; es ist einem helle-
nistischen Epigramm auf Hyllos entnommen.
11 B. E. Hiller 1. 1. hält das Fragment für äufserst unsicher;
Th. Bergk habe es nach dem Vorgange Cobets aus einer sprichwört-
lichen Redensart gebildet.
26 A. E. Hiller 1. 1. vermutet -ctjv st.> xat, wofür Th. Bergk
xaTcl schrieb. Meiner Meinung nach ist zu lesen entweder v.a\ y.'r^o;
cptüvrjv tei's • ßau 3au oder „[Wj [^au" xuvoc (pu>vT;v Ute.
39. E. Hill er 1. 1.: ,,in heroicos versus redigendos esse existimo."
114. E. Hill er 1. 1.: „verba aut a metricis ficta aut, id quod
statuit Bergk, ex epigrammate aliquo petita sunt." Auch 121 hält er
für das Machwerk eines Metrikers, und vielleicht auch 115 B und 121.
Einen neuen Pentameter teilt W. Studemund index lect.
Breslau 1889/90, S. 29 aus einem grammaticus anonyraus des cod. 0
des Theognis mit: eujsßeojv [xaxapwv sujjlsvecuv ts <piX(uv.
Ein neues Fragment eines Hymnos veröffentlicht K. Reitzeu stein
iudex Icct. Rostock 1890/91 S. 9 aus dem cod. Florent. des Etymologie.
Magnum: cieü 7ap Etpr^vr) (cod. oicipY^vrj) IloXuJ^oia xal avopajtv r^moi ai«ov
(cod. icuv) riXvaixevT); xat ö^ps? ava Spupta Trpr/JvovTat oder aeu ^otp oi -^ - —
EtpT^vrj xtX.
0 Crusius, Ein Liederfragment auf einer antiken Sta-
tueubasis. Philologus 50 (1891). S. 163—172.
Das Fragment wurde von W. M. Ramsay im Bulletin de corre-
spondancf Hf'llenique VII (1883), S. 277 zum ersten Mal veröffentlicht,
abgedruckt von E. Cougny Anthologia Palat. III, S. 595 und 607. Was
den Text betrifft, so mufs cpatvou V. 1 die Bedeutung haben: „sei froh".
Wenn Ramsay die Inschrift nicht als ,.quite distinct" bezeichnen würde,
würde der Verf. (patopoö empfehlen; ich sclilage lat'vou vor. V. 3: irpoc
^Xi7ov ist gleich dem gewöhnlichen Itc ^Xi/ov, und xo xsXo; V. 4 erklärt
0, Crusius richtig mit „den Zoll". Vom metrischen Gesichtspunkt aus
betrachtet, stellen die 4 Verse nach dem Verf. eine abgeschlossene vier-
gliedrige iambisch-logaödische uspiooo; vor. In den kleinen Buchstaben,
die zwischen den Zeilen über den einzelnen Silben stehen, erkennt
0. Crusius mit Recht Musiknoten; er findet darin eine Bestätigung der
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 237
Regel, (lafs eine lauge Silbe entweder mehrere Noten oder eine^Note
mit dem Dehnungszeichen haben muls. Zum Beweise dafür, dals die
Alten die Texte ihrer melischen Dichter mit darüber geschriebenen
Gesangsnoten besafsen, führt der Verf. Dionys. de comp. verb. 11 an
und weist auf die Hymnen des Mesomedes hin. Vgl. dazu den Nach-
trag, den 0. Crusius ebenda S. 576 giebt.
IV. Bukoliker.
E. Hiller, Beiträge zur Textgeschichte der griechischen
Bukoliker. Leipzig, B. G. Teubner, 1888. 132 S. 8.
Der Verf. untersucht die hds. Überlieferung folgender Gedichte:
'HpaxX% XeovT096vo; (Th. XXV), Me-^apa (M. IV), 'E^xcjfJLiov tU UzoXz-
[xaiov (Th. XVII), 'Enixa^tos- Bimvo,- (M. lU), Aioaxoupot (Th. XXII),
'Ertf}aXaixio?'EX£vy]c (Th. XVIH), BouxoXwxoc (Th. XX), 'AXicT; (Th. XXI),
'Eptoc Spa-STTj? (M. I), KvjpioxXeiTTY]? (Th. XIX), 'Aocovtoo? emTa'pto? (B. I),
£1? vsxpov ^A^cuviv, 'EpajTT^c (Th. XXIII), 'Eiti9aXa|xto? 'A^iXXecuc xal
.Ar,toa{jLiac (B. II). Auf Gi'und einer sorgfältigen Untersuchung und
Vergleichung der Codices, in denen diese Gedichte erhalten sind, sucht
er die Lesarten des Archetypus festzustellen, und in dieser Form läfst
er die betreffenden Gedichte am Schlüsse seiner Untersuchung abdrucken.
Ph. Tribukait, De proverbiis vulgaribusque aliis locu-
tionibus apud bucolicos Graecos obviis. Diss. inaug. Königs-
berg 1889. 60 S. 8.
Das 1. Kap. handelt de sententiis proverbialibus, das 2. de pro-
verbiis aliisque locutionibus ex usu vitae communis petitis und umfafst
1. metaphorae ab animalium rerumque inanimarum natura profectae,
2. metaphorae a gentium hominumque singulorum natura et indole de-
promptae, 3. proverbia a fabulis quibusdam historiisque sumpta, und
4. proverbia ex communi hominum vita occupationibusque cotidianis
exorta. Die Sammlung des Materials ist fleifsig, geht aber mitunter in
der Annahme von Sprichwörtern und Sentenzen zu weit; die Verarbeitung
desselben zeigt weder bei Theokrit, noch bei den Parmömiographen die
wünschenswerte Bekanntschaft mit dem Stand der heutigen Forschung.
Etwas zu streng urteüt über die Arbeit 0. Crusius Wochenschrift f.
klass. Philol. 1890, No. 16, S. 433 flg.
Theocritus, Bion and Moschus rendered into English prose
with introductory essay by A. Lang. London, Macmillan, 1890.
Theokritos.
H. Traut, Quaestionum Theocritearum pars prior. 29 S.,
particalall. 24 S., pars tertia. 23 S. 4. Progr. Krotoschiu. 1888—1890.
238 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
Die Arbeit zeigt grolsen Fleiis, ist aber öfter zu breit, da auch
bekuunte und wohl allgemein feststehende Thatsachen ausführlich be-
handelt werden. Der 1. Abschnitt handelt de nomine Theocriti; der
Verf. vertritt die Ansicht, dai's die bekannte Stelle in der Vita Theocriti:
xaxot ';oüv Tivotj Moayo? xaXou|j.£vo? Bsoxpito; ustspov (i)vo|xaa9T) zu deuten
sei: Moschos erhielt später den Beinamen Theokritos; dieser sei ihm
ehrenhalber gegeben worden. Darin stimme ich dem Verf. bei. Den
Beinamen Theokrits Simichidas führt er im 2. Abschnitt, der de geüere
Theocriti spricht, darauf zurück, dafs Theokrits Geschlecht von einem
gewissen Simichos abstamme; auch sein Vater Praxagoras und Grofs-
vater Perikles hätten diesen Namen geführt. Für unwahrscheinlick
halte ich die von F. Hertens Wochenschrift f. klass. Philol. 1889,
No. 49, S. 1336 flg. ausgesprochene Vermutung, dafs Simichidas nur
auf einer Verwechslung mit Sikelidas beruhe : so habe sich nämlich der
Dichter nach seiner sikelischen Heimat genannt. Dagegen halte ich
mit F. Mertens au Sizilien als Heimatland unseres Dichters fest, während
sich H. Traut für Kos entscheidet. Im 3. Abschnitt de temporibus et
carminibus Theocriti setzt der Verf. des Dichters Leben auf 308 — 245
fest. Was aber das Todesjahr betrifft, so bemerkt F. Mertens I. 1. mit
Recht, dafs sich aus Ovid. Ibis 551 flg. und 55— Gl nichts für Theokrit
folgern lasse, da der hier erwähnte Syracosius poeta nach allgemeiner
Annahme Empedokles sei, und es sich nicht beweisen lasse, dafs der
Tod des Theokrit schon vor dem Streite zwischen Kallimachos und
ApoUonios Rhodios eingetreten sei. Nach den Ausführungen A. Gerckes
in den alexandrinischen Studien Rhein. Museum 44 (1889), S. 127 flg.
beteiligte sich Theokrit im Gegenteil sehr lebhaft an dem Streite, und
wenn der Verf. auch in Einzellieiteii zu weit geht, so wird sich doch
«ein Resultat im Ganzen kaum aufechten lassen.
In der 2. Abhandlung spricht der Verf. kurz über Echtheit und
Unechtheit Theokritischer Gedichte und geht dann zu ausführlicherer
Behandlung des 7. Idylls über. Darauf werde ich bei der Besprechung
der einzelnen Gedichte zurückkommen; ebenso auf das, was er in der
3. Abhandlung über Idyll XVI. XIV. XVII sagt. Hier will ich nur
noch erwähnen, dafs er Abh. III S. 3—10 über die Sage von Daphnis
luandelt. E)- hält die Gestalt, in der sie im 1. Idyll erscheint, für die
ursprüngliche und weist darauf, hin, dals Daphnis und Komatas bei
Theokiit verschiedene Personen sind.
J. Denis Bulletin raensuel de la Facult6 des Lettres de Caen.
1889. No. 5 handelt über das dramatische Talent Theokrits. Die
Zeitschrift stand .mir nicht zur Verfügung.
1 schreibt H. Traut II S. 9 der vierten Periode zu, jenen Ge-
dichten, die nicht nur in Sizilien, sondern auch in Italien entstanden.
Griccliisclie Lyriker. (Sitzler.) 230
— A. Gercke 1, 1. S. 142 will in der Schilderung des kunstvollen
Bechers V. 27 flg. ein Gegenstück zu der von Apollon. Ehod. Argon.
I, 721 flg. sich findenden Beschreibung des Gewandes, welches Athene
dem Jason geschenkt hat, erkennen, meiner Meinung nach ohne P'e-
rechtigang; derartige Schilderungen sind seit Homer und Hesiod üblich.
— V. 85: 5 ouasptu? xic «"fav xal dt[j.T^yavo; isai erklärt H. Traut III
8. 7: bubulcum nominari „consilii inopem", qui amoris desiderio percat
et tameu a puella araata requiratur, et „tardum in amore".
2 gehört nach H. Traut II S. 9 zu den Gedichten der dritten
Periode, die in Alexaudria bis zum J. 248 entstanden. — V. 20 ver-
mutet G. Knaack Hermes 25 (1890). S. 89: ^ pa -^s -pl; [xujapa st.
Tj pa ■;£ Tou Mir scheint toi nicht nur möglich, sondern an unserer Stelle
sogar recht passend; -rpis findet sich so bei Theokrit nicht,
3 weist H. Traut 1. 1. den Gedichten der vierten Periode zu;
ebenso 4.
4, 11. C. Häberlin Phüologus 49. (1890). S. 181 — 182 schlägt,
vor : TTsijai -A oTv MiXujv xax Tui Xuxco auxi'xa ?.uaaf,v ; wohl richtig. —
It. Knaack 1. 1. S. 84 macht darauf aufmerksam, dafs Theokrit Vv. 30 flg.
in geschickter Weise das verwendet, was der milesische Dichter Pyrrhos
über Appetit und Stärke seines Landsmannes Astyanax gesungen hatte.
5 rechnet H. Traut 1. 1. zu den Gedichten der vierten Periode,
während es A. Gercke 1. 1. S. 257, allerdings zweifelnd, in das
J. 274/3 setzt. Aufserdem bezieht der letztere dieses Idyll, den Wett-
kampf zwischen dem älteren selbstbewul'sten Komatas und seinem un-
dankbaren Schüler Lakon, auf den Streit zwischen Kallimachos und
ApoUonios.
6 ist nach H. Traut II S. 8 in der ersten Periode der dichte-
rischen Thätigkeit Theokrits auf Kos entstanden.
7 setzt H. Traut n S. 9 flg. in das J. 280; A. Gercke 1. 1
»S. 257 glaubt, dafs das Gedicht für den Streit zwischen Kallimacho.s
und ApoUonios gedichtet worden sei, und verlegt es in das J. 276/5.
Ähnlich spricht sich F. Hertens Wochenschrift f. klass. Phil. 1889.
No. 49 S, 1338 flg. aus. Über die Örtlichkeit, wo die Szene spielt,
spricht St. K. Pantelides ftsoxpi-ou siapivY) oöoi-opia ßeC-Jaiouixs'vT, 1%
iT:i7pa'fü)v avsxooTwv Bulletin de correspoudance hellenique XIV 3. 4.
S. 292—300. Der Verf. bespricht die von W. R. Paton Classical
Review 11 p. 265 veröffentlichten Inschriften, vgl. vorigen Jahresbericht
LIV. 1888. S, 188 flg. Über die in dem Gedicht auftretenden Personen
handelt C. Häberlin Philologus 49 (1890). S. 649 flg.: er hält au
seinen früher geäufserten Ansichten fest, nur dafs er. jetzt in Lykidas
mit Hecker und U. von Wilamowitz-Möllendortf den Dosiades von Kreta -
erkennt,, vorausgesetzt, dafs der im Scholion zu V. 78 erwähnte Lyko.s
240 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
von Rhegium ist uud nicht Lucius Tarrhaeus. A. Gercke 1. L
8. 145 will in Lykidas Kallimachos erkennen; mit Kydonia kann nach
ihm nicht nur der libysche Ort dieses Namens gemeint sein, sondern
auch die wegen einer heifsen Quelle von Plin. II 103 ('106). V 31 (39)
i^rwiihnte Insel Kydonia vor Lesbos. H. Traut 1. 1. ist der Ansicht,
dafs unter Tityros, dem Lykopiten und Archarner keine bestimmten
Personen gemeint seien. Aristis stehe für Aristias und sei der Name
eines jüngeren Preundes des Theokrit, der wegen der Gleichheit der
Bestrebungen nach dem bekannten Tragiker genannt sei. F. Hertens
1. 1. will in Aristis den Nikias finden.
V. 11. K. TümpelRhein. Museum 46 (1891) S. 541 flg. spricht
über den Poseidon -Brasilas von Kos. BpajiXa; = (jsicjt'yöujv „Pelszer-
schmetterer, Erderschütterer" ist nach ihm ein Beiname des Poseidon
auf Kos; das saixa BpajO.a ein Denkmal, das die kölschen Adelsge-
schlechter wegen ihres Sieges über das Volk errichtet haben, indem
sie BpaatXa; in dem Sinne von „Volkszersclimetterer" fafsten. Der
Verf. vermutet, dafs dieses Denkmal durch die Diadochen von Kos nach
Athen gebracht worden sei, wo es Pausanias (I 2, 4) gesehen habe.
Ähnlich spricht sich der Verf. PhUologus 50 (1891) S. 621 flg. aus.
Dagegen wendet sich A. Gercke Göttinger Anzeigen 1891 S. 983 flg.,,
der darauf hinweist, dafs Brasilas kein Gott, sondern ein Mensch sei,
der mit dem Demeter- und Poseidonkult nichts zu thun habe. Die Er-
klärung des Namens sei und bleibe unsicher. Ferner erwähne Theokrit
kein Denkmal, keine statuarische Gruppe, sondern nui' ein Grabmal
(säp-a); die Übei-führung von Kos nach Athen beruhe auf reiner
Phantasie.
V. 45. A. Gercke Rhein. Museum 44 (1889) S. 140 flg. bezieht
das Bild des Berge türmenden Baumeisters auf ApoUouios Rhodios I
735 — 741, wo die Geschichte von Zethos uud Amphion berichtet wird.
Auch F. Mertens 1. 1. erkennt darin eine Anspielung auf ApoUonios.
V. 78 flg. J. Schmidt Rhein. Museum 45 (1890) S. 148—151
spricht die Ansicht aus, dais die Geschichte des Komatas nicht mit dem
unteritalischen Märchen zu identifizieren sei, das man bei dem Historiker
Lykos von Rhegion erzählt fand. Der Grund liege hier in TepTiva
zsTTovOeu, das andeute, dafs der Bürte die Gunst der Gattin oder
Tochter des a'vac genossen und dadurch den Zorn desselben erregt habe.
.Die Andeutung sei nur kurz, weil die Geschichte den Lesern bekannt
gewesen sei, vielleicht aus der Bearbeitung eines zeitgenössischen
Alexandriners.
V. 103. H. Traut HL S. 9 vermutet: tov jxot, MaivaXi'a; ipoxüv xtL
oder mit A. Meineke: tov jioi Ilav, MaXea; epaxov xtX., wenn überhaupt zu
ändern sei; denn vielleicht lasse sich die Überlieferung halten, da ja
Griecbisclie Lyriker. (Sitzler.; 241
Pau überhaupt der Gott des Gestades sei, vgl. V. 14 äxTiö;, und
Magnesia im 3. Jahrh. v. Chr. nicht zu Thessalien gehört habe. Ich
glaube nicht, dafs die Gründe genügen.
Y. 148 flg. Nach .T. Schmidt 1. 1. besteht der Trank, den die
Nymphen damals bei dem Altar der tannenbeschirmenden Demeter
strömen liefsen, in den Gesängen oder Wettgesängen, mit denen die
befreundeten Dichterhirten sich damals unterhielten.
8 setzt H. Traut II S. 9 in die vierte Periode der dichterischen
Thätigkeit Theokrits; ebenso 9 und 10. A. Gercke 1. 1. S. 257
weist, allerdings nur zweifelnd. Id. 9 dem J. 278 zu.
10, 11. Th. Tribukait de proverbiis etc. hält an der auch
in Passows Lexikon gegebenen Erklärung von yopiov = „secundas" fest.
— V. 12 möchte J. Mähly Blätter f. das bayer. Gymnasialschulwesen
25. Bd. (1889). S. 242 £voexa|j.vivoc st. ivosxa-aioc schreiben: ..denn von
der Saat her bis zur Ernte kommen 11 Tage kaum in Betracht; der
Mann muls schon länger verliebt sein; auch (x/t^o^i hätte sonst kaum
einen Sinn." Ich bin anderer Ansicht: gerade beim Beginn ist das
Feuer der Leidenschaft am heftigsten ; in 1 1 Monaten hätte sich die
abschwächende Wirkung der Zeit bereits fühlbar gemacht. — V. 57 flg.
sind nach A. Gercke 1. 1. S. 141 flg. eine Parodie von ApoUon. Argon.
III 474 flg., eine Verhöhnung der Muttersöhnchen, wie U, 25. 67 flg.
11 zählt H. Traut 1. 1. S. 8 zu den Gedichten, die nach dem
J. 265 auf Sizilien entstanden sind. — Y. 41 liest G. Colin Revue
de Philologie 14 (1890). S. 150—152 mit Fritzsche [j.r,vocp6pü);, worin
er eine Anspielung auf die hervorbrechenden Geweihe erblickt: die
Stirne ist zu beiden Seiten wie von einer Mondsichel überragt, vgl.
Hör. od. IV 2, 57.
12 rechnet H. Traut 1. 1. zu den Gedichten der ersten Periode,
die auf Kos entstanden. — V. 36 flg. hält J. Vahlen Ind. lect. Berlin
1891/92. S. 1 flg. in der lids. überlieferten Form fest, indem er ver-
bindet: oTCOiT] (ipYupctii.otßot TTSuöovtai ypuGov, IXT) tpauXoc eTrjTU|J.ov, sc. Isnv,
und [AT^ als Fragepartikel fafst. Mir ist in dieser Verbindung stVjtujxov
anstöfsig.
13 ist nach H. Traut 1. 1, nach dem J. 265 auf Sizilien ent-
standen; A. Gercke 1. 1. S. 257 möchte das Gedicht in das J. 276/5
setzen; vgl. S. 143: „namentlich die Erzählungen von einzelneu Aben-
teuern des Herakles (13. 24. 25) und die Dioskuren (22) scheinen
nach der Argonautenfahrt entstanden zu sein; Zug um Zug kann man
an ihnen fast die pädagogisch zu nennende Eigenart des Dichters spüren,
wie dies für den Hylas (13) kürzlich angedeutet ist, vgl. G. Knaack
Hermes 23 S. 137."
Jahresbericht für Altertumswissenschaft LXXV. Bd. (\%^<. I.i '6
242 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
14 schreibt. H. Traut 1. 1. S. *J der vierten Periode der dichte-
rischen Thätigkeit Theokrits zu; er g-laubt, dafs es der Dichter nach
seiner Entzweiung- mit Ptolemäos Philadelphos und nach seiner Abreise
aus Alexandria, wenn nicht in Syrakus selbst, so doch in Sizilien um
das J. 247 verfalst; habe , vgl. Abh. III S. 11 12. — A. Gercke 1. L
8. 142 erkennt in der Flucht Kyniskas ein Gegenstück zur Flucht der
iledea aus dem Elternliause Apoll, ßh. Argon. IV 1 flg. — V. 27 ver-
mutet U. von Wilamowitz-Möllendorff Commentariol. grammat. IV.
Ind. lect. Göttingen 1889/90. S. 28: eysvt' I'tto; aauyc?; „tiote (roxa),
was man bisher las: ä^evxa Trof}"" xxX., explicari uequit: dicit rumorem
percrebrescentem , quem quamvis frequenter audiret, tarnen speruebat".
— V. 68 flg. schlägt A. Nauck Hermes 24. (1889). S, 452 vor:
drco y.pOTatptüv 7rsX6|Ji,ej9a | Tiparov aua-aXeoi, y.at iTTiayepto 1; -/evuv
?p7rei I Xsuxaivojv supto? (od. XeuxaTvov 7%«?) st. ttoivtec YTjpaXloi und
ypovo?; meiner Meinung nach unnötig.
Fr. Schmidt, Florilegium Palatinum sententias contincus ex
poetis Graecis collectas. Progi*. des Heidelberger Gymn. 1889/90. S. 17 f.
führt eine Anzahl Verse aus Theokrit 4 — 1.5 an, nämlich 4, 41 — 43.
55. 5, 23. 38. 6, 17. 18. 19. 8, 57—59. 9, .83—35. 10, 11. 13.
17. 45. 55. 19—20. 11,75. 12,2. 13,60. 14,9. 22. 43. 49. 15,26.
Die nennenswerten Varianten sind: 4, 43: y/o 0£<$« st. yu> Zsuc. — 4, 55:
ToayixGt st. TU}i.|xa. — 8, 59: otTtaXo; st. «TraXSc. — 10, 13: o?ou? st. ö'^o?.
— 10, 55: {xrj ""TTiTajxrjC st. p.>^ xt xa|XYjc. — 10, 20: [Jltjv [ii-(a jxuHeuou.
14, 43: [ießr^xe xaypo; st. sßa Kevxaupo;. — 15, 26: äpYOi st. (JspYOtc;
der Hrsg. schreibt dipYoT?: an "Apvst? Vgl. S. 6. Von diesen scheint
nur 10, 13 o$ou? beachtenswert.
15 rechnet H. Traut 1. 1. zu den Gedichten, welche während
der dritten Periode in Alexandria bis zum .7. 248 entstanden sind.
A. Gercke 1. 1. glaubt, dafs dieses Gedicht in das J. 272/1 fällt,
vgl. S. 257. — V. 15 flg. vermutet ü. von Wilamowitz-Möllendorff
]. 1.: \vio\i.ti o£ Tipootv ftr^v * „raitra, virpov x7.i (füxoc (Jtto 3xava; «YopaCeiv"
— ^v»£ 9Epu)v xxX. — V. 78 flg. bezieht A. Gercke 1. 1. S. 142 auf
Apollonios' Besclireibung des Gewandes, das Athene dem Jason geschenkt
hat; aber vgl. was ich zu 1, 27 flg. bemerkte. - M. Schneider N. Jahrb.
f. Philol. u. Pädag. 143. Bd. (1891). S. 444 weist Vv. 80 — 83 der
Praxino, 84—86 der Gorgo zu. — V. 90 vermutet J. Mähly Blätter
f. das bayr, Gymnasialschulwesen 25. Bd. (1889) S. 242: Ttstjoixevatc
st. TraffotfiEvoc : „solchen, die dir gehorchen werden", jedenfalls besser als
ra(ja|xsvoc; doch scheint in Taaaixevoc etwas Anderes zu stecken.
16. H. 'I'raut III S. 10 flg. tritt für Abfassung des Gedichts
im J. 265 ein. Dagegen glaubt C. Häberlin Philologus 50 (1891).
S. 689 flg., da/s es 273/2, sicher nach 274 gedichtet sei. Auch K. Kuiper
Griechische Lyriker. (Sitzler,) .24;»
Mneraosyne 17 (1889). 8. 378 %. setzt die Entstehung unseres Gedichts
zwischen 275—200, etwa in das J. 274, also in die Zeit, bevor sich
Theokrit nach Alexandra begab. — Nach K. Kuiper 1. 1. ahmt
Theokrit in diesem Gedicht Pindar nacli, vgl. fr, 15Ö. Pyth. 1.5; auch
entspreche es ganz der Art des Pindar, das Gedicht den Grazien zu
widmen. V. 5 vergleicht der Verf. mit Nera. 9, 4, V. 22 mit Isthni.
1, 67 und sonst oft, V. 24 mit Ol. 4, 17. 3, 40. 5, 10. Pyth. 1, 90.
3, 71; doch genügen meiner Meinung nach alle diese Stellen nicht, um
eine iNachahmung zu beweisen. — V. 71 vermutet U. von Wilamowitz-
iMöllendorff 1. 1. ajjiaTo^ st. apfj-a-co; unter Billigung von Cobets Sivr^-
oouotv st, xivrj3ou5tv; denn „requirimus, cuius equi illi sint, Solls nimirum
aut 'H|xspa?, quam doctus poeta ita appellat, ut personam deae tollat,
([uod etiam in superiore versu fecerat".
17 will H. Traut III 8. 12 flg. in das J. 247 setzen, da weder
die Worte a7ioTe}ji.v£Tai lupia; noch die Schilderung der Macht und des
Reichtums des Königs auf irgend eine andere Zeit passe. Vgl. dagegen
den vorigen Jahresbericht Bd. LIV S. 195 flg. C. Häberlin 1. 1. kommt
zu dem Resultat, dafs das Gedicht 271—70 oder 272—71 abgefafst
sei, vgl. 86 flg.; die Vv. 43 flg. darf man nach dem Verf. nicht zu
stark betonen. — V. 30 flg., an denen Grever Anstols genommen, erklärt
H. Traut III S. 18 flg. so, dafs er sagt, dem Dichter schwebe schon
das Folgende vor Augen; wie aus Herakles' Stamm Männer entsprofsten,
denen er Bogen, Köcher und Keule anvertrauen kann, so hat auch
Ptolomäus Soter auf Erden einen Sohn, den später sogenannten Phila-
delphos, mit dem er seine Pläne und das Reich teilen könne. Die
Schilderung, wie Herakles und Soter nach Besorgung der königlichen
und göttlichen Geschäfte der Ruhe pflegen, erklärt der Verf. bei dem
ersteren für scherzhaft, bei dem letzteren für unpassend. — V. 43 flg.
bezieht H. Traut 1. 1. S. 19 flg. auf das Ende des von Philadelphos
glücklich beendete}! zweiten Syrischen Krieges. Philadelphos verheiratete
damals seine Tochter mit Antiochos II, der seine bisherige Gemahlin
Laodike verstofsen und deren Kinder für vofJoi erklären mufste. Dies
gab nach dem Verf. zu schlimmen Gerüchten über Laodike Anlafs, die
wohl auch noch in anderen Verhältnissen Nahrung fanden, vgl. Just. XV 4.
Diese ganze Kombination fällt schon deshalb, weil das Gedicht nicht
so spät abgefafst sein kann. — V. 53 flg. H. Traut 1. 1. S. 22 ist mit
Droysen der Ansiclit , dafs in diesen Versen zwei Vergleichungen an-
gedeutet seien; aber nicht Antigonos, des Demetrios Sohn, sondern
Ptolomäus Keraunos sei es, der mit Diomedes verglichen werde, wie
Plüladelphos mit Achilles. — V. flO flg. H. Traut 1. 1. S. 22 flg. weist
auf die Geschenke hin, die Philadelphos dem Aratos, dem Sohn des
■ Kleinias, dem Tvranncn von Milet Timarchos und den Bewohnern von
244 Griechische Lyriker. (Sitzlcr. )
Herakleia am Poutos gab. Alles das fiel in die letzte Zeit der Re-
gierung des Philadelphos , ^vo auch sein Heer und seine Flotte am
mächtigsten war. Aber sollten die Verse nicht auch auf die frühere
Rcgiernngszeit des Königs passen? — V. 120. J. Vahlen Ind. lect.
Berlin 1891/92. S. 13 Hg. verteidigt mit Recht die Überlieferung d£pi
T.a xsy.purxai in dem Sinne von „ist irgendwo in die Luft entschwunden".
— V. 137 tritt H. Traut 1. 1. 8. 23 für £;et? ein, meiner Meinung
nach mit Erfolg; i^sij schliefst sich an ^bi'iloitoa an: „in posterum
qnoque se illum celebraturum esse pronüttit, et tali quidem, quod ipso
dignum sit, pacto: virtutem quidem illum habiturura esse a Jovc: nun-
quara igitur largam laudum illius sibi defuturam esse materiam; ueque
enim virtutem, qua les praeclarae gerantur, neque victoriam Jovem
illi negaturum esse."
18 hält H. Traut II S. 9 für unbestimmbar nach Ort und Zeit.
19 ist unecht, vgl. H. Traut 1. 1.: E. Hill er Beiträge zur Text-
geschichte der griech. Bukoliker S. 57 hält Moschos für den Verfasser,
womit F. Hertens Wochenschrift f. kl. Phil. 1889. No. 21 S. 569 flg.
übereinstimmt, AuchH. .StadtmüllerBerl. philol. Wochenschrift. 1890.
S. 083 findet diese Vermutung nicht ohne Wahrscheinlichkeit, meint
jedoch, dafs mau auf die Stellung des Gedichts in der Sammlung kein
grofses Gewicht legen dürfe.
20 ist unecht; die Vermutung von Ahreus, dafs Kyros von
Panopolis der Verf. sei, widerlegt E. Miller 1. 1. S. 70 flg.; vgl. auch
H. Stadtmüller 1 1., der auch di»^ Bemerkung E. Killers für richtig-
hält, dafs in der Anthologie die Zusammenstellung von Kyros' Abschieds-
versen mit dem Eingang von Idyll. 20 durch eine gewisse Gleichartigkeit
des Themas — Stadt- und Landlebeii — veranlafst wurde. — V. 13 ver-
mutet H. Stadtmüller 1. 1. S. 984 flg. aupt'Cotaa oder zoriwü^otaa st.
jAuOtCoiija oder {xu/iluotsa: zum ersteren vergleicht er Demosth. de cor. 265,
zum zweiten Theokr. 5, 7 (u. Aristoph. Vesp. 626). — V. 39 schlägt
ü. von Wilamowitz-Möllendorff 1. 1. S. 28 vor: xol sie ea -atS'.xä
veycxev st. ei; eä raiot xabeuos und V. 44 flg.: \lr^•/.i-l [xrjo" a, Kuicpi, . . .
-s'./io'., ixu'iva o" . . . xaHeuooi st. \j.t^ ok oder |xtj^' 7 und 'fiXeoi; uod
xafte-joo'.c, recht ansprechend.
21 gilt ziemlich allgemein für unecht; H. Traut 1. 1. hält es für
echt und rtchnet es unter dir Gedichte, die in Alexandria bis zum
J. 248 entstanden. — V. 10 vermutet O. Ribbeck Rhein. JMuseum 45
(1890) S. 147 flg.: Ta 'fjxioEVTa x£ v^tpo st. Xrj-ja, Vgl. Suidas v9)Tpov '
x).(uT:r^p'.ov , V. 58: xaXaYpsrov eorspvaTov ^feliciter captum, bene vendi-
bilem" st. xa?.a -(t x&v yjTn-jpaxov.
22 erklärt H. Traut 1. 1. S. 9 für unbestimmbar nach Ort und
Zeit: nach A. Gercke 1. 1. S, 257 ist das Gedicht in dem J. 277/6
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 240
abgefalst. — V. 116 flg. , nachgeahmt Kalliraaoh. hymn. III 186, ist
nach A. Gercke 1. 1. S. 135 flg. die Antwort auf Apollon. Rh. I 20,
eine Verspottung des letzteren. — V. 178 verlangt H. Stadtniüller 1. 1,
»S. 984 CwvTs; oder avaioi st, uavTsc oder -avxa;.
23 ist nach allgemeiner Ansicht, der auch E. Hiller und H, Traut
beitreten, unecht, vgl. E. Hiller 1. 1. S. 67 flg. — V. 26 schützt
U. von Wilamowitz-Möllendorff 1. 1. 8. 27 das Subst. -/oXo-t durch
Hinweis auf V. 22 : xsyoXiofi-svov.
24 versetzt H. Traut 1. 1. in die 3. Periode der dichterischen
Thätigkeit Theokrits, unter jene Gedichte, die in Alexandria bis zum
.1. 248 entstanden.
25 wird nach E. Hiller 1. 1. S. 60 flg, durch keine für uns
irgendwie in Betracht kommende Überlieferung als ein Gedicht Theokrits
bezeichnet; es rührt, wie Mosches TY, das mit ihm vereinigt war, von
einem unbekannten Dichter aus hellenistischer Zeit her. Damit scheint
H. Stadtmüller 1. 1. S. 983 übereinzustimmen. Auch L. Genther
Über Theokrit XXV und Moschos IV, Progr. Luckau 1891 ist dieser
Ansicht, nur sclüieit er aus dem Umstand, dafs Theokr. 25 den Homer
geschickter nachahmt als Moschos 4 und auch sonst an dichterischem
Wert dieses übertrifft, dafs der Dichter Th. 25 später als M. 4 verfafst
habe. F. Mertens dagegen Wochenschrift f. klass. Philologie 1889,
Xo. 21, S. 565 flg. hält E. Hillers Ansicht nicht für bewiesen; er
glaubt, dafs Id. 25 eine Jugendarbeit Theokrits sei. Auch H. Traut 1. 1.
hält das Gedicht für echt und setzt es, wie Id. 24, in die 3. Periode;
ebenso A. Gercke 1. 1., der glaubt, dal's es 276/5 entstanden sei. —
E. Hiller 1. 1. schreibt den unfertigen Zustand unseres Gedichts der
mangelnden Vollendung seitens des Dichters zu; daraus erkläre sich
auch das Fehlen des Titels. Dagegen glaubt L. Genther 1. 1. mit
mehr Recht, dafs wir es hier mit künstlichen Nachahmungen homerischer
Rhapsodien zu thun haben , die Bilder aus dem Leben des Herakles
darstellen, ohne dafs dabei an den Zusammenhang mit einem gröfsereu
Ganzen gedacht wäre. Zum Beweise dafür weist er auf die vor V. 85
stehende Überschrift l-i.r.diXrpM hin, sowie auf die starke Anlehnung an
homerischen Ton und Sprachgebrauch, wie er im einzelnen ausführlich
zeigt. — V. 27 vermutet Ph. Tribukait de proverbiis etc.: oupou;
}xrjvJaou3'. st, oupou? fjLTiv iaa^t, weder dem Sinn noch der Form nach
passend. — V. 137 schlägt H. Stadtmüller 1. 1. S. 984 vor: <fovov
XeuooovTs; 'irio-T) st. 9. Xs'jssovts TrpojuiTriü, vgl. Apoll. Rhod. III 1022.
Oppian, de venat. III 75. — Vv, 181 flg, verspotten nach A. Gercke 1. 1.
S. 142 die Alt und Weise, wie Apollonios Rhod. seine wilden Tiere
auftreten lälist. ohne anzugeben, woher sie kommen. Ich kann dies nicht
in den Versen finden. — V. 183 möchte H. Stadtmüller 1. 1. S. 982
>_>4<> Griechische Lyriker. (Sitzlcr.)
mit D TÖ30V ,3 .st. Tosovos sclneibeii ; ebenso V. 156 i;avjjavte und 267
actpy.o; ötTToopu']'?! = '^"^h V. ^4 ist nach ihm wohl iovte und V. 202 >I;
«jj-oTOi mit <I> zu halten.
26 setzt A. Geicke 1. 1. in das J. 274/o. H. Traut 1. 1. schreibt
es der ersten Periode der dichterischen Thätigkeit Theokrits zu, und
damit stimmt E. Maal's Hermes 26 (1891) S. 178%. überein, der die
Ansicht ausspricht, dal's Tlieokrit das Gtediclit während seines Auf-
enthalts in Kos noch vor dem J. 280 für den dortigen Dionysosdienst
verfalst und bei festlicher Gelegenheit durch einen andern oder auch in
eigener Person vorgetragen habe. Der ispoj ^oyo; des Hymnos, die
Geschichte des Pentheus, sei* nicht Euripides' Bakchen entnommen, wie
man allgemein annehme: denn von der Dreizahl des Dionysos stehe
hier nichts; vielmehr habe sie Theokrit seiner persönlichen Kenntnis der
Ceremonie bei diesem Gottesdienst zu verdanken. AVie man aus der
Altarinschrift aus Magnesia am Mäander, die in den atheiiischen Mit-
teilungen 1891 8. 330 flg. von Kontoleon veröffentlicht wurde, hervor-
gehe, sei der Kult des Dionysos voji Theben nach Kos gekommen, wie
es scheine, von einer aus griechischen Thrakern und Kadmccrn ge-
mischten Bevölkerung aus Böotien oder Euböa dahin gebracht. Daher
fänden sich auch auf Kos die drei thebanischen Kulte wieder, der des
Dionysos KaraßaT-r,; , ^Evoevopoj und SxuUixa?. — V. 1 ist nach G. Knaack
Hermes 25 (1890) S. 86 Hesiod Theogon. 075 flg. entnommen. -
Vv. 27 flg. enthalten, wie A. Gercke 1. 1. S. 144 flg. meint, eine heftige
Polemik gegen Apollonios Rhodios, gegen den auch Kallimach. hymn. 4, 98
gerichtet sei. — V. 33. Drakanon ist nach E. Maal's 1. 1. das Vor-
gebirge Drekanon auf der Insel Kos; denn Drekanon und Drakanon
sind gleichberechtigte Varianten.
27 hält H. Traut 1. 1. nach dem Vorgang anderer für unecht.
A. Gercke 1. 1. S. 142 meint, das realistische Stelldichein sei das"
wi)'k8amste Gegenstück zu der Art, wie Hypsipylc bei Apollonios Bh.
diplomatisch den Jason veraulafst, zeitweilig in ein eheliches Verhältnis
7.U ihr zu treten. Eine ätzende Kritik des theokritischen Gedichts sind
nach A. Gercke 1. 1. 8. 240 flg. vielleicht die Verse des Apollon.
Rh. II 1025 flg. — Über dieses Gedicht handelt O. Ribbeck Rhein.
Museum 45 (1800) 8. 14Gflg. Nach V. 8 folgt im Ambrosian. (c):
7,o£ -• 7r,paj/o) to^£ -o'j |j.£>.'. xal 70!).« ri'vto: 0. Ivibbeck korrigiert: h.h'>
-: -pripasxw v.tA. „das Altern, welches ich erlebe, ist mir ein wahres
Vergnügen, wie Milch und Honig". Im folgenden Vers liest er: a (oder yi)
ara'f'j/.l; ira'^l; eixa». o vyv poSov, auov oXzX'c'xi. Darauf läfst er V. 17
folgen : fi.r;T:i^iaXif;c xav yz^j'-i y.al zl'jz-'. yzTKo; afiu^tu ; das Mädchen knüpft
an das eben gebrauchte Bild an: „die Rose ist stachlich, lafs die Hand
davon; drückst du sie an die Lippe, so wird .sie dich verwunden; noch
Griechische Lyriker. {Sitzler.) 247
(eiuETt) habe ich Zähne zum Beifsen." Nach V. 15 ist nach ü. Kibbeck
eine Lücke von 2 Versen, in denen »erst Daphnis auf die Macht de.s
Eros im Allgemeinen hingewiesen, das Mädchen aber ihre Gering-
schätzung derselben ausgesprochen haben mul's". V. 23 vermutet der
Verf. : xal Tt (ftXov arsp^atixi st. xi, cpO.o?, (jizoii[i'. und V. 27 : -iV o'j (oder
Tt 6'ou) TpO[JL£OUJl "i'UVatXE^ st. Ttva Tp0|JL£0U3l 7.
28 gehört nach H. Traut 1. 1. den Gedichten der 2. Periode an,
die nach 265 auf Sizilien entstanden; 29 ist nach demselben während
der 1. Periode auf Kos gedichtet; ebenso 30 und die Syrinx.
30, 3%. vermutet C. Häberlin Philologns 40 (1888) S. 605:
xaXü) [i.£v [xsTpio)?, TiiXXa S' oatüt Tzaioict -eppiyet. \ xa; ^a?, touto /«pt;.
TaT? 0£ TTapauau yXuxu [j.etotai, mit Ausschluls von V. 4. — V. 16 flg. :
KaX [xotv aXXo (js XaOät* — xo 6' ap' ^? Xcuiov £|X|j.£7at | ?£vvov xcüv yaXeTTOJv
KaTSo? Epav<vü) Traparav Ttoftwv — >. — V. 23: iraüsa'. o" aox' sviauxo;
yaXETTotc o'j<S'jvaxai Trüi>oi?>. — Der Verf. fügt bei, dafs Theokrit den
altäolischen Dialekt angewandt habe; nur das seinen Zeitgenossen meist
unverständliche Vau habe er verschmäht.
C. Wintzell, Studia Theocritea. Dissert. inaug. Lund,
H. Möllers TTniversitätsbuchhandlung, 1889. 145 S. 8.
Der Verf. behandelt Idyll. 15 und 22, die in dialektischer Be-
ziehung besonders bemerkenswert sind. Die mit aulserord entlichem
Fleifs und grofser Belesenheit in der neueren grammatischen Litteratur
geführte Untersuchung hat zum Resultat, dafs in Id. 15 überall die
dorischen, in Id. 22 überall die epischen Formen herzustellen sind. Hin-
sichtlich des letzteren Gedichts gelangt auch E. Hiller 1. 1. S. 77 flg.
auf Grund hds. Untersuchungen zu demselben Resultat. Demnach schlägt
der Verf. vor 15, 2: aux« oder auxä „huc". — lo und 56: ^dpazz. —
31: s'Y/e' uömp. — 48: oaX££xa'. — 64: a^a-js^'. — 86: xpi'fiXaxo; und
dann mit Hds. (ptXy)xai. — 22, 1 und 214: ATjSr^?. — 140: "lor^;. —
205: [xrjv. Den Schlufs bildet die Behandlung metrischer Eigentümlich-
keiten, wie des Hiatus, der Position und Elision. Dabei ist der Verf.
in der Lage, die verdienstlichen Untersuchungen K. Kunsts (vgl. vorigen
Jahresb. Bd. LIV S. 186) in manchen Punkten zu ergänzen und zu
berichtigen.
P. GileS; Notes on Theocritus. Proceedings of the Cambridge
Philol. Society XIX— XXI p. 7—8 war mir unzugänglich.
An Übersetzungen liegen vor:
Theokrit übersetzt von Vofs, neu bearbeitet von F. Mertens.
Leipzig, Reclam, 1890. 107 S.
Theokritus, gli idilli tradotti da G. Mazzoni. Foligno, Cani-
pitelli, 1890. 62 S. — Faenzi, Conti. 1891.
248 Giiechische Lyriker. (Sitzler.)
Idylle.s de Theociite. Traduction nouvelle de J. Girard etc.
Paris, librairie des bibliophiles, 1888.
E. Remeuyi, Theokritische Idyllen ungarisch übersetzt und
kommentiert. Egyetemes phil. Küzlöny 14 p. 438.
Theokrits Gedichte russisch von A. N. Sirotinin. Journal des
kais. russ. Ministeriums der Yolksaufklärung 1890. S. 23—141.
Mosches.
3 rührt nach allgemeiner Ansicht nicht von Moschos her; dafs
das Gedicht aber von einem gleichzeitigen Dichter sei, möchte
H. Traut I S. 7 aus Y. iOO schliel'sen. Dagegen erklärt sich mit
Recht F. Mertens Wochenschrift f. Mass. Piiilol. 1889 No. 49 S. 1336 flg..
indem er darauf hinweist, dals in dem Gedicht offenbare Nachahmungen
theokritischer Stellen und Anspielungen auf solche vorkommen.
F. Bücheier setzt es in die Zeit Sullas. — V. 99 vermutet H. Traut,
dais sich -oXirai; TptoTrioai; auf die Koer beziehe, weil Triops, des
Phorbas" Sohn, König von Kos war, nach dem das Yorgebirg von
Knidos benannt worden ist, vgl. S. 9.
4. Vgl. was wir oben zu Theoer. 25 sagten. — V. 89 tritt
H. Stadtmüller 1. 1. S. 984 mit Recht für ayit; st. auxov ein, indem
er Homer ^ 50 vergleicht.
Bion.
1, 70 vermutet H. Stadtmüller 1. 1.: Xsxrpov lyoi, Kuftspeia, xo
oov -/Xuxü vsxpo; ASojvt? St. X. e'ysi K. xo aov vyv 81 vexpo; ^A.
Aufserdem sind zu den Bukolikern zu vergleichen die betreffenden
Abschnitte in Fr. Susemihl Geschichte der griech. Litteratur in der
Alexandriuerzeit. Leipzig, B. G. Teubner. 1891. 1892. Bd. I und
Bd. II Nachträge, wo viele einschlägige Fragen bald mehr bald weniger
ausführlich behandelt werden.
V. Anthologie.
C. Dilthey Ind. scholarum, Göttingen 1891, S. o spricht die
Überzeugung aus, dafs man den cod. Marciauus 481 des Planudes neu
vergleichen müsse. "Wie Recht er damit hatte, zeigt er Ind. scholarum
Gtjttingen 1891/2 S. 3 flg., wo er Mitteilungen über die Hds. und eine
von ihm vorgenommene Vergleichung des 1 . Buches macht. Die editio
princeps des Planudes stammt nicht aus dem Kodex, sondern aus einer
Abschrift, die voll Schreibfehler und Interpolationen ist. Yiele Fehler,
die man jetzt dem Plaundes zuschreibt, rühren gar nicht von ihm her.
Griechische Lyriker. (Sitzltr.) 249
vielmehr tritt seine Hds. au Wert nahe an den Palatinus heran. Über
dieselbe Hds. handelt auch L. Sternbach Authologiae Planudeae
appendix Barberino-Vaticana S. VIII flg. Er weist, wie vor ihm schon
H. Stadtmüller, darauf hin, dals der Marcianus die 4 ersten Bücher
der Planudeischeu Sammlung in zwei getrennten Abteilungen enthält,
von denen die zweite als Anhang der ganzen 7 Bücher umfassenden
Sammlung beigegeben ist. Die den 7 Büchern, sowie den 4 Abschnitten
des Anhangs im Kodex vorausgeschickten Inhaltsangaben teilt der Verf.
mit und stellt sie vergleichungsweise den Inhaltsangaben der editio
princeps gegenüber. Weitere Aufsclilüsse über den Marcianus 481 giebt
H. Stadtmtiller Berl. philol. Wochenschrift 1890 S. 1395 «g., wo er
eine Xotiz des Planudes veröffentlicht, die über dessen Verfahren und
Zweck der Epigrammordnung aufklärt.
L. Sternbach veröffentlicht in Anthologiae Planudeae
appendix Barberino-Vaticana. Leipzig, ß. Gr. Teubner, 1890.
XVin, 149 S. 8. aus dem cod. Vatican. gr. n. 240 (V) u. Barberinus
gr. I 123 (M) eine Sammlung von 54 Epigrammen, von denen nur 2,
nämlich No. 7 und 45, neu sind. Das erstere ist, wie H. Stadtmüller
1. 1. S. 1389, vgl. auch Blätter f. das bayr. Grymnasialschulw. 26. Bd.
1890 S. 550 flg., bemerkt, mit Anth. Pal. IX 361 verwandt, vielleicht
von demselben Verfasser, V. 3 schreibt L. Sterubach XaXa st. cpi'Xa,
U. Stadtmüller wohl richtiger cpotva, vgl. Hom. B 159. E. Kurtz
N. philol. Ftimdschau 1890 S. 357 glaubt, dafs am Anfang keine Lücke
anzunehmen sei, sondern dals uns der Dichter gleich in medias res
führe; mit V. 4 möchte er ein neues Gredicht beginnen lassen, da in
den folgenden Versen derselbe Vorgang nochmals vorgeführt werde;
richtiger wird man diese Verse als weitere Ausführung und Erklärung
der ersten fassen. Das Epigramm 45 stimmt fast wörtlich mit Anth. P.
XII 60 überein. V. 1 schlägt H. Stadtmüller Blätter f. das bayr.
Gymn. 1. 1. xauxrjv 72, ta Travö' st. Ta'jxriv xa 76 7:avi>' vor, wenn man
nicht annehmen wolle, dals Numenios st. tauTYjv einen weiblichen Eigen-
namen gesetzt habe. Die 52 übrigen Gedichte sind auch in der Antho-
logia Pal. enthalten, und so werde ich unten an den betr. Stellen auf
sie zurückkommen. Hier will ich nur noch im allgemeinen bemerken,
dafs der den einzelnen Gedichten beigegebene Kommentar weitvoUe
Beobachtungen über Sprache und Metrik enthält, so z. B. über st? und
i; vor Konsonanten und ev und evi im 4. Fuß des Hexameters.
Der cod. M bildet einen Anhang zu der Authologia Planudea,
dazu bestimmt, die von Planudes ausgelassenen Erotika zu erhalten.
Er ist, wie L. Sternbach mit Recht annimmt, von F. Mosinus aus
der Hds. des Angelus Colotius abgeschrieben, die ihrerseits wieder nahe
mit der Anthologie-Hds. des M. Musurus verwandt war, wie eine Ver-
250 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
gleichuug des Vatic. gv. 1416 ii. 1169 zeigt. Doch steht M nach der
Ansicht des Hrsg. an Wert V nach. Wenn er dafür auch den Umstand
£reltend macht, dai's No. 15 durch Interpolation in M gekommen sei, so
ist dies ein Versehen, wie H. Stadtmüller Berl. phil. Wochenschr. 1. 1.
zeigt: No. 15 steht nicht in M, wohl aber in V. Das Yerhältuis der
Barberino-Vaticanischen Appendix zum Palatinus läfst sich nach H. Stadt-
müller Blätter f. das bayr. Gymn. 1. 1. noch nicht feststellen; ebenso
äufsert sich (', Häberlin Wochenschrift f. klass. Philologie 1890
S. 1398 flg. : L. Sternbach glaubt, dals beide Hds. voneinander un-
abhängig sind. Der Unterscliied zwischen den beiden Hds. hinsichtlich
der Lesarten und der Zuweisung der einzelnen Epigramme an bestimmte
Autoren ist ziemlich grofs, aber nicht gerade bedeutend. H. Stadt-
müller 1. 1. weist nach, dafs fast in allen Fällen, wo die Appendix
Adespota des Palatinus einem bestimmten Autor zuweist, fehlerhafte
Übertragung des Lemmas vom vorhergehenden auf das folgende Ge-
dicht vorliegt.
Aufser MV hat L. Sternbach noch andere Hds. beigezogen,
die jene Epigramme enthalten. Für die wichtigste unter diesen erklärt
er den cod. Laurentian. Plut. LVII No. 29 (F), den er S. XIV flg.
beschreibt. Er enthält fol. 153^ — 101'' die sogen. Euphemios-Sammlung,
schickt aber dieser fol. ]42i' — 153^' noch 119 Epigramme voraus, die
der Verfasser aufzählt, da es ihm entgangen ist, dals schon H. Stadt-
müller ein Verzeichnis dieser Epigramme veröftentlicht hatte, vgl. Jahrb.
f. Philol. u. Pädag. 139. Bd. (1889) S. 769 flg. Nachträge und Be-
richtigungen giebt H. Stadtmüller an den oben angeführten Orten.-
besonders weist er darauf hin, dafs die Sammlungen, die in F sind,
auch im Parisinus 1773 fol. 245'— 266^' vorkommen, über den er ge-
nauere Mitteilungen macht.
R. Weifshäupl, Die Grabgedichte der griechischen
Anthologie. Abhandl. des archäolog.-epigraphischen Seminars der
Universität Wien, Heft VII. Wien, C. Gerolds Sohn, 1889. 106 S. 8.
Der Verf. handelt im 1. Teil S. 1—50 im Anschlufs an die
Arbeiten von Passow. Weigand und Benndorf eingehend über ,die
Quellen und Arbeitsweise des Konstantinos Kephalas. Dieser benutzte
die Kränze des lileleagros und Philippos oder richtiger eine Sylloge, in
der diese verarbeitet waren, und den Kyklos des Agathias. Dal)ei macht
der Verf. darauf aufmerksam, dafs die Epigramme, welche ein Dichter-
lemma tragen, in der Jiegel nicht direkt vom Steine abgeschrieben sind,
was bei den Adespota durchweg angenommen werden raufs, wenn nicht
gewichtige Giiinde dagegen sprechen. Übrigens haben Meleagros,
Philiiipos und Agathias nie oder doch nur äufaerst selten Inschriften
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 251
an Ort und Stelle abgeschrieben , sondern aus EpigraniniensaminUmgen
geschöpft. Dagegen wurde die Pammetros des Diogenes von Kephalas
nicht beigezogen; er benutzte vielmehr die Bioi. aber auch diese nicht
direkt. G. Knaack Wochenschrift f. klass. Philologie ISO! 8. 916 flg.
kann jedoch die Gründe nicht anerkennen, welche den Verf. an einer
direkten Entlehnung aus den ?>'.o<. des Diogenes Laertius zweifeln lassen.
Die Arbeitsweise des Kephalas ist sehr mechanisch, wie die nähere Be-
trachtung des 5. Buches zeigt: er nahm jene drei oder vier Quellen
her, excerpierte sie allenfalls und reihte die Auszüge nebeneinander,
indem er am Schluls etwa noch anderweitig aufgefundene Epigramme
beifügte. Dabei ist die Kompilation ziemlich flüchtig, wie der Verf. am
7. Buche nachweist.
Der 2. Teil der Abhandlung beschäftigt sich mit der Betrachtung
der Grabgedichte der griechischen Anthologie vom archäologischen Ge-
sichtspunkt aus. Dabei macht der Verf, 3 Abschnitte; der erste be-
handelt die Gräberformen, nämlich den Grabhügel und das Epithema,
das letztere wieder als Grabstele, Grabsäule, Grabtempel, Sarkophag
und Grabthüren; der zweite die Gräbersymbolik, zunächst hinsichtlich
des Namens, dann des Charakters des Verstorbenen, endlich in Bezug
auf Tod und Schicksal, wobei die Grabsireuen, die Darstellungen der
Schiffbrüchigen und das Totengerippe eingehende Besprechung finden;
der dritte endlich die Totenbilder, also Reliefs, Gemälde und Statuen.
Crinagorae Mytilenaei epigraramata edidit, prolegomenis
commeutario verborum indice illustravit M. Rubensohn. Berlin,
Mayer & Müller, 1888. 124 S. 8.
In deu Prolegoniena stellt der Verf. zunächst auf Grund der
Zeugnisse und datierbaren Gedichte das wenige zusammen, was wir über
das Leben des Dichters wissen. Dabei ist zu bedauern, dafs er die Ab-
handlung von C. Cichorius, Rom und Mytilene. Leipzig, B. G.
Teubner, 1888. 67 S. nur im Anhang benutzen konnte; denn sonst
hätte manches eine andere Gestalt bekommen. Der Verf. meint, Krina-
goras sei Hauslehrer im Hause der Octavia gewesen; es ist dies ebenso
unwahrscheinlich, wie C. Cichorius' Vei mutung, der Dichter habe als
gewandter Politiker aus seinem Verhältnis zu Octavia und ihrem Hause
Vorteil für seine Vaterstadt gezogen. Epigr. 46 weist der Verf. der
ersten Reise des Kriuagoras nach Rom zu, was sehr ungewifs ist.
Während der ersten Reise ist, wie ich glaube, auch Epigr. 32 ent-
standen, das M. Rubensohn in das Jahr 710 a. u. c. setzt. Epigr. 41
beweist nicht, dafs Epigr. 23 in Rom gedichtet ist; da Philostratos"
Unglück etwa in das Jahr 724 fällt, so kann dieses Gedicht ganz gut
yov dw Reise nach Rom in Lesbos entstanden sein, wo mehr Ver-
252 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
anlasBung zur Abfassung vorlag als in Rom. Epigi'. 43 ist kurz vor
dem Jalire 25 verfalst, bezieht sich also nicht auf die erste Reise, wie
ich mit dem Verf. N. philol. Rundschau 1889 S. 11 3 flg. annahm. Die
Beweise, die der Verf. dafür beibringt, dal's Epigr. 25 und 48 noch in
die Zeit des Augustus, nicht des Tiberius fallen, genügen nicht; auch
Epigr. 31 möchte ich auf die Zeit beziehen, wo Germanicus, von Tiberius
zurückgerufen, seinen glänzenden Triumph in Rom feierte.
Nach dem Leben behandelt der Verf. die Sprache, Metrik und
Prosodie unseres Dichters: jedoch geht er darin vielfach zu weit, be-
sonders wenn er aus wenigen mehr oder weniger seltenen Beispielen
auf Abfassungszeit oder gar Echtheit oder Unechtheit der Epigramme
schliefst. Für unecht erklärt der Verf. im letzten Abschnitt der Prole-
gomena zunächst Epigr. 1 G, das er dem Antipater Thess. zuweisen will,
eine Vermutung, die durch nichts Entscheidendes empfohlen wird, dann
Epigr. 37, das Planudes mit Recht dem Antiphilos zuschreibt, ebenso
wie Epigr. 45 dem Philippos, endlich Epigr. 50 im Anschlul's an Geist.
Von der Unechtheit des Epigr. 6 kann ich mich nicht überzeugen, vgl.
N. philol. Rundschau 1. 1. 8. 114. Epigr. 29, 3 — 4 sind unpassend, aber
die Ausschlielsung dieser Verse genügt zur Herstellung des Gedichtes
nicht; ich vermute, daJs die zwei eingeschalteten Verse zwei ursprüng-
liche verdrängt haben, in denen angegeben war, von wem dieser Band
Lyriker der Antonia geschenkt wird.
Der 2. Teil enthält die Epigramme des Krinagorus mit kritisch-
exegetischem Kommentar. Hds. Nachträge dazu giebt L. Sternbacli
Wiener .Studien XII (1890) S. 206 flg., besonders aus dem cod. Marcian.481.
Epigr. 2, 4 schützt L. Sternbach Zeitschrift f. Österreich. Gymna-
sien 40 (1889). S. 304flg mit Recht gegen H. Stadtmüllers xivTjtleic;
xoiiJLTiÖEi; steht absolut: „sich schlafen legen"; die Akkus, urrvov und
xoTTov hängen von -(vw^t; ab. Die Redensart ist der Gegensatz von
Hom. II. VIT 482: xotixvr^javT «y cZStTa xal vJttvo'j ouipov eO.ovto. —
Epigr. 3, 2 nimmt derselbe ebenda rjjpixXo-ir^z in Schutz, wofür der
Hi-sg. -'jpox/.o-(r,; schrieb. — Epigr. 4, 2 schreibt der Hrsg. veo^ixT^xtu)
ooupotTi £v X. st. veo-|xrjXTov ooypaT-'rjv xa/.otjAov und erklärt mit Cichorius:
„calamam in theca conditum lignea". Ob oop-j in dieser Bedeutung sich
findet? Ich schlage :^o>p'.axov vor, vgl. Epigr. 10, 1: la&jx'.x'vv spYov-
o>.zr,v nnd Theokrit 2, 156: Atupio« o^Tiav; es ist dorische oder korinthische
Arbeit gemeint. — Epigr. 5, 5 schreibt der Hrsg. ota «5^ oottr^?, Soipov
6 TTo; lz\ 70'. xt).. St. 0(7 oe oazo; owpov ö'raaa' ettI <joi; ich vermute:
oiov ETaTpo; oüipov, ''jz.i'st^ ItX aoi (oder oTtaacsv aoi): „ein kleines Ge-
schenk, wie es ein Freund gerne schickt, sandte Dir" u. s. w. —
Epigr. 6, 0 schreibt der Hrsg. mit Di eis rAizi '^iXoaxT,7:iuvt xxX , da so
die Konstruktion hergestellt, die sonst nicht vorkommende Verbindung
Griechieche Lyriker. (Sitzler.) 253
\on Pan und Priapos beseitigt und die Epitheta 9iXo3xr,r<i)v und s-jj-ropOo-^Y'.
verständlich werden. Für die Richtigkeit der Überlieferunj^ spricht
schon die Stellung der beiden Epitheta, die von Jacobs und Passow in
seinem Lexikon richtig erklärt sind; zu dem Adj. vjT:6p^u-fi vgl. auch
Anth. Pal. VI 35, 3. Pau und Priapos sind auch sonst verbunden, vgl.
7.. B. Anth. Pal. IX 338; aber statt ^dojxi^rtovt möchte ich schreiben
9'.Ä03xy]t:Tpo) Si, so dafs der Sinn ist, die angeführten Gegenstände sind
eine reiche Kost für Zecher, aber nur ein einfaches Mahl für Pan und
Priapos. — Epigr. 7, 5 schreibt der Hrsg. mit H. Stadtmüller 8iyzsb&,
St. Sr/owöe, unnötig: ebenso 9,^7. L. Sternbach Zeitschrift f. östeiT.
Gymn. 1. 1. vergleicht zu oiyo>.sbt Anth. Pal. VI 158, 3. Im folgenden
Vers ist mit Geist eux^xtvov oder suxXeta zu schreiben st. EuxXeiSrjv,
vgl. VI 278, 3. — Epigr. 8, 6 lies f^ vt)ou? st. fj wrßo:, — Epigi\ 9, 1
liegt d-i'Xaov st. at tojov etwas weit ab; besser wäre ai xaXov, ixeXav oder
XofXov; für richtig halte ich ai xopov uötup, vgl. IV 1, 7. C. Dilthey
ind. schol. Göttingen 1891. S. 4 Anm. 2 vermutet Ou6v und Vers 8
k\'x(fr^'3Q•:y\i st. eXa^ousotr,?. Vers 7 schlägt E. Kurtz Blätter f. das
bayr. Gymn. 25. Bd. (1889). S. 349 au-t; st. au-cat vor: »seid auch
künftig gnädig". Mir gefällt besser avtoixat „ich bitte", das hier, wie
öfter, ohne Einttnl's auf die Konstruktion eingeschoben ist, vgl. Anth.
Pal. XIV 55, 4 und Jacobs zu d. St. H. Stadtmüller bei M. Rubeu-
sohu: aiet. —
Epigr. 12 setzt Cichorius S. 57 Anm. 2 vor den Anfang des
Jahres 15. — Epigr. 13, 5 flg. stellt L. Sternbach Wiener Studien XII
(1890) S. 206 flg. lichtig her dui'ch die Schi-eibung: öcjtov MtX>jTou
i\r)|i,oadevY) . outzo-ö xwSojv | yaXxso; fj^ei aou irXsiOTeptp (jx. st. öctcoc M.
JiT)fxo(ji>ev£; und ^'yjrisev oder r^ytfszi. Der Hrsg. schrieb azxh^ M. Ar)fi,oaÖ£ve'
und r^yrpti, H. Stadtmüller schlug vor: si o au xal xp. rj^a-fe (sc. y\
sikrxiX) 501 j-recpavou;. — Epigr. 14, 5 schreibt der Hrsg. gut xetfiai 6t^
St. 6' £v oder 6e. — Epigi-. 15, 4 tritt L. Sternbach Zeitschrift f.
österr. Gymn. 1. 1. für die Verbindung der Worte a.}X ^ßr^? ßaiov
suaüpoixsvo; mit dem folgenden Distichon ein. — Epigr. 16 ist der Hrsg.
geneigt, mit Jacobs nach Vers 4 eine Lücke anzunehmen, was unnötig
ist, wenn man Vers 5 tt]v 6 ^otpouor,; x-X. st. -r-^ xal ^ocp. liest; 6 CocptoSrp
vexu; = 6 vsxu; ev ^ö(pti> wv „der Tote im Dunkel der Unterwelt". —
Epigr. 17, 4 vermute ich oxXa§ir)v st. oiottsotjv: „die Krümmung der
Kniee, wie sie Sklaven haben", vgl. Suidas oxXaoia =- oxXasi;. —
Epigr. 18, 5 liest C. Cichorius Cv TUfißw lirfi üiTEOrjxa-o ßwXou; den
Xamen itr^c entdeckte er auf einer lesbischen Inschrift, 6-£9r,xa-:o aber
ist eine Konjektur Heckers. M. Rubensohn Berl. philol. Wochen-
schrift 1890 S. 1131 flg. billigt dies; nur möchte er mit W. Ditten-
b erger Deutsche Litt.-Zeitung 1889 S. 1646 Tu|ißoy ßciXw schreiben,
254 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
was Icli für minütig halte, vgl. N. philol. Kuiidschaii 1. 1, S. 116. —
Kpigr. 19, 2 vermutet H. Stadtmüller ^f-vi-io-, st. t:£vi%?-, mir gefällt
die Überlieferung- besser.
Epigr. 20 erklärt L. Stern bach Zeitschrift f, österr. Gymn. 1. 1.
lulgendermaiseu: „ein Schiffbrüchiger oder auch der Schatten eines
Schift'brüchigen spricht den Gedanken aus, dafs es besser gewesen wäre,
das Leben eines Hirten zu wählen, anstatt als Schiffer das j\[eer zu be-
treten". — Epigr. 23, 6 ist xeiSir' unmöglich : H. Stadtraüller schlägt
/.c'jileT', H. Di eis ttusst' vor; am besten erscheint mir tcuSet ; auch an
TEpjcT Heise sich mit Bezug auf 'l^a^apvi denken. — p]pigr. 24, 2 ver-
mutet H. Stadtmüller axpa st. ep/a coli. 1, 4 und Theocrit XV 142. —
Vers 3 empfiehlt G. Knaack N. Jahrb. f. Philol. u. Päd. 143. Bd.
(1891) S. 775 Scaligers Vermutung: "'Appio; ai/fx-fj-v;;. — Epigr. 29, 1
sclu-eibt der Hrsg. ivt' st. h, mit Unrecht, wie li. Sternbach Antho-
logiae Planudeae appendix S. 111 zeigt. C. Cichorius S. 57 setzt das
(gedieht in das Jahr 26 n. Chr. — Epigr. 32, 3 muls in -/ap fj ein Eigen-
name stecken, wie das zweite Glied xal Ai^^u-/.?^? >}oijxjj.o'j Eprj}ji.oT£pr; zeigt.
Man könnte Xpyar,; vermuten, vgl. Pausan. 8, 33; noch empfehlens-
werter ist vielleicht TpotVp, da das Unglück dieser Stadt häutig sprich-
wörtlich gebraucht wird. — Epigr. 33, 2 schlage ich vor: 'Pi'J!.».r,, o'j«3'
0350V ßXa^i'Tj aöevo;, aypt /s [JieixvTj ös^a xxX. oder mit Umstellung : ouc'
i;; 'z-j 'pÄ'Yr^, 'l'wixr,, aö£vo; xt/.. : ;,nicht einmal dann wirst Du, Rom, au
Macht geschädigt werden, so lange Du gedenkst"' u. s. w. — Epigr. 30, 1
vermute ich r^v st. des unerklärlichen xTfi-. „siehe des Schafes" u. s. w.
Oder y/n'o', o-.; ■^v^^T^'^ \i.h xtX.? Vgl. X, 101. St. des folgenden hxCz
ist mit Reiske Evftsv zu schreiben — exeTf^ev ou „von der Gegend wo",^
vgl. Kühner II S. 915 Anm. 6, Krüger 51, 60, 8. Vers 2 schlägt
H. S t ad tm aller TrO.vaTGti st. Ttivetat vor; mit Unrecht. Vers 3 kon-
Jiciert R. Ellis Journal of Philology IX (1888) S. 362 flg.: /rxXzo.'. u oO
[xy.otaiv ri~\ ou jxoiXaxoT; e-i iJ-a^Äot;; wenig wahrscheinlich. — Epigr. 37,
5 flg. schlägt L. Stern bach Zeitschrift f. österr. Gymn. 1. 1. vor: xeixo
xaxa -pE[xvoio . . . o^pa (oder 09p' 6) TreXctcjsa; | (JiJpTQJoit xtX. ; ZU 'f siosaÖa'.
.;itou ^ y.rfitz^rjK ^-{{o-j vergleicht er VII 383, 7 flg. — Epigr. 39, 4 möchte
ich ozep oder otov der Überlieferung o3ov vorziehen.
Epigr. 40, 4 vermutet II. Stadtmüller 'fopwv st. /spaiv coli. Phit.
mor. 747 B: op/EhOai 'fopiv -^(A -iopoEv. — Epigr. 41 will C. Cichorius
vor den cantabrischen Krieg, etwa in 29/8 setzen; vgl. S. .54; dagegen
bemerkt Th. Mommsen Sitzungsber. der Berl. Akademie 1889 S. 981
mit Recht, dal'« auch nach <le)- Rückkehr aus jenem Kriege ein solcher
Wunsch nicht einfach unhöflich, sond(;rn im Gegenteil recht höflicli
oder recht* höfisch war. Vers 5 ist wohl /m tA st. w. xal zu lesen. —
Epigr. 42, 1 verbindet It. Ellis I.l. tv> mit 'W'.i^i -- -n-.'ii -)(t SaiV'"
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 255
(ouoav), £1 xai [xs xtä. : ich ziehe [xr^v vor. Derselbe verteidigt Journal
of Philol. 18 (1890) S. 311 %. im 2. Vers sTaotouc als Akkus, der Aus-
dehnung im Raum. Vers 3 vermutet H. Stadtmüller dpoTpsTst. dpo-cpou,
L. Sternbach Wiener Studien 1. 1. ötpoTptp. Vers 5 billigt R. Ellis 1. 1.
Melnekes xai f 6t:6 ixatp?]; 67:0 zur Bezeichnung des begleitenden Um-
Btandes, wie oft in späterer Giäcität. Vers 7 schlägt derselbe zögernd
-/eXasTai vor oder mit Beibehaltung von -/sXajilai Vers 8 : iCo sttsi wpiuörjv :
,quo vocabulo destinata sum ad ridendum, hoc mihi nomeu indidi".
Ähnlich vermute ich N. phil. Rundschau 1. 1. S, 117: alla. YsXaaaaf | tw
ETr£>.a)|^r^örjv (oder £7ri[J,co[i.y^0riv oder eiriTio&ajil/jv) xtX. — Epigr. 44, 1 ver-
mute ich: pfi'icTrj Travxojv hoai yöovo?: „Erdbeben, allerfürchterlichster
Schrecken." — Epigr. 45, 7 schützt L. Sternbach Wiener Studien 1. 1.
iv oupestv SIC 3^ o£ KaTaap xtä. durch Vergleich mit VI 252, 5; aufser-
dem vermutet er iTrei^ev st. eireissv, vgl. IX 517, 1. Gregor. Naz.
Carm. I, 2 n. 29, 169 (Patrol. Gr. vol. 37 p. 896). — Epigr. 47, 4 tritt
L. Sternbach Zeitschrift f. österr. Gymn. 1. 1. für |xe7aXa; ein, da die
grofsen eleusinischen ilysterien gemeint seien; H. Stadt niüUer ver-
mutet !i,e-,'aXY]?. — Epigr. 48, 4 hat der cod. Marc. 481 nach C. Dilthey
ind. schol. Göttingen 1891. S. 4 eucro, das in susotrjv zu ergänzen ist. —
Epigr. 49, 2 will E. Kurtz 1. 1. KepatoSv von fj TrspaT/] lesen. ~
Epigr. 50, 1 vermutet L. Sternbach 1. 1. j'j3!siY/.Ta)v st. Tja'ft'YYcuv;
wohl richtig.
Den Schlufs bildet ein Index verborum, in den der Verf. jedoch
nur ),memoratu digna" aufgenommen hat.
Th. Reinach, De Archia poeta. Thesis. Paris, E. Leroux,
1890. 68 S. 8.
Der Verf. kennt die Arbeit von M. Haupt über Archias nicht,
kommt aber, was die Zuweisung von Epigrammen an ihn anlangt, im
ganzen zu demselben Resultat. Im ersten Teil behandelt derselbe das
■Leben unseres Dichters, ohne gerade neues zu bieten, im zweiten die
Dichtungen. Cicero de divin. I 36, 79 bezieht er mit^Recht auf unseren
Archias, der danach ein Epigramm auf den jungen Roscius dichtete.
Auf eine Untersuchung der Frage, wie es mit den Eigentumsansprüchen
steht, wenn das Lemma einen gleichnamigen oder neben Archias noch
einen anderen Dichter nennt, läfst sich der Verf. nicht ein, vielmehr
weist er alle diese Epigramme kurzer Hand zurück. So bleiben
schliefslich 21 Epigramme übrig, die er unserem Dichter zuweist; er
hätte noch VII 164 und 16ö, wo H. Stadtmüller das ursprüngliche
"Ap/iou in der Rasur fand, hinzunehmen und VI 195 dem Dichter nicht
absprechen sollen. Wenn er weiter annimmt, dals keines dieser 21 Ge-
dichte in der Sammlung des Meleager oder Philippos stand, so ist dies
25() Griechische Lyrilver. (Sitzler.)
uicht richtig, wie H. Stadtiniiller Berl. phil. Wochenschrift 1891
S. 913 flg. dartlmt. Auf Gruud dieser 21 Epigramme spricht Th. Reinach
über die Sprache und Metrik des Archias, jedoch kaum in genügender
Weise, wie man H Stadtmüller 1. 1. zugeben mul's. Leere Mut-
malsungen sind es auch, was er über den Inhalt der verlorenen Epen
vorbringt, von denen Plutarch die Mithridatika im LucuUus benützt
haben soll.
Den Schlufs' bilden die Epigramme mit kritisch-exegetischen An-
merkungen. No. 4 ^^ A. P. VII 214, 8 vermutet der Verf. -oXutj^aujTou;
St. ro/.u'{>cy'ix}j.o'j; coli. Hesycli. '{^ausTa t|iat3-a, ' Apyiac H. Stadtmüller 1. 1.
weist dies zurück und schlägt amXaöac st. 'j^aixaUou; vor. — 8, 4, 2 --
A. P. VI 181, 2 vermutet der Hrsg. recht ansprechend Äi'va st. raoe. —
9, 6 - A. P. XV 51, 6 will H. Stadtmüller 1. 1. vöewv st. f^ixiöstüv
schreiben und 12, 7 -^ A. P. VII 147, 7: vjYÄats" oder es-coXta st. wTcXisev.
G. Setti. studi sulla Antologia greca. Gli epigrammi
degli Antipatri. Turin, H. Löscher, 1890. 162 S. S.
Die Schrift ist ein wertvoller Beitrag zur griechischen Anthologie,
um so beachtenswerter, als der Verf. mit Nachdruck für die Über-
lieferung subjektiver Kritik gegenüber eintritt. Das Thema ist, das
Eigentum des Sidoniers Autipatros von dem des Thessalonichers zu
scheiden. Dabei verfährt der Verf. so, dais er aus den ganz sicher
bezeugten Epigrammen die Eigentümlichkeiten beider Dichter in Sprache,
Ausdruck und Versbau zu ermitteln sucht, um dann danach die übrigen
Gedichte zu beurteilen. Wie H. Stadtmüllej- Berl. phil. Wochen-
schrift 1892 No. 8 S. 229 flg. bemerkt, sind diese Untersuchungen nicht
n)it der nötigen Akiibie bis ins einzelnste durchgeführt: aulserdem sind
die Meleager- und Philippos-Fragmeute nicht überall befriedigend ab-
gegrenzt, das Verhältnis der Antipater zu den anderen Dichtern nicht
hinreichend untersucht, auch steht dem Yerf. das hds. ]\raterial nicht in
wünschenswertem Umfang zu Gebote So kommt es, dafs er nicht
immer Abschliefsendes bietet.
VII 409, 8 vermutet H. Stadtmüller 1. 1. a.-;/o-6-(a o 'Jrato;
oder aiToraTo) oder «jaotaTojv o' -j-aro? St. dtilavaTujv o o-a-ro;; mir gefällt
besser, was er früher vorschlug: a/./." £tepü>v oder tüjv o'sTepwv o' 'jt.cl-zo;.
— Anth. Plan. IV 175 weist der Verf. dem Antipater aus Thessalonike
zu. Im Marcian. 48] steht das Epigramm, "wie H. Städtmüller 1. 1.
bemerkt, ohne Autorlemma nach Anth. Plan. IV 166: EOr^voo: daher
hält H. Stadtmüller es für wahrscheinlich, dafs es ebenfalls von Euenos
ist, indem er auf die Ähnlichkeit mit IX 717 hinweist. — VII 216
gehiirt nach 11. Stadtmüller 1. 1. dem Sidouier: ebenso Vll 209. IX 26;
dagegen IX 309. 418. VII 246 dem Antiphilos. — VII 286, 4 liest
H. Stadtmüller 1. 1. -fpo-S^r <£pps'> , rarr,; r/ ihr.'.;. — VI 219.
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 257
VII 172. 210. 498. 743 schreibt der Verf. dem Sidonier zu, dem er,
im Gegensatz zu G. Kaibel, die Formel lo' co? zuerkennt. H. Stadt-
müller 1. 1. bemerkt mit Recht, dafs sich beide Dichter dieser bedient
haben können, und auch G. Setti giebt XII 97 trotz '(o tu; dem Thessa-
lonicher: H. Stadtmüller möchte das letztere Gedicht dem Sidonier zu-
weisen. — IX 151, das nach dem Verf. dem Sidonier gehört, giebt
H. Stadtmüller 1. 1. dem Thessalonicher wegen des trochäischen
Hiatus im 4. Vers, der von dem Sidonier gemieden wurde. Aus dem-
selben Grunde gehört auch VII 745 dem Thessaloniker, das der Verf.
ebenfalls von dem Sidonier gedichtet sein läfst. — IX 106, 1 liest
H. Stadtmüller 1. 1. [).' bd'fltls. Toar^wo' und V. 4 ttqv ■( £jj,e; dadurch
ist Isopsephie hergestellt und als Verfasser Leonidas Alexaudrinus er-
wiesen; demselben Dichter gehört VII 550. — VI 291, das der Verf.
für dSejTTOTov erklärt, ist nach H. StaJtmüUer 1. 1, von Antipater
Sidonius. — VII 232 giebt der Verf. dem Sidonier; nach H. Stadt-
müller 1. 1. liegt die Entscheidung in dem Verhältnis der Dichter zu
Hegesippos, vgl. V. 2 mit VI 124, 3. — Anth. Plan. IV 197 ist nach
dem Verf. von dem Sidonier, nach H. Stadtmüller von Meleager. ~
XI 223 wollte L. Sternbach dem Antipater zuweisen; nach G. Setti
entspricht es mehr der Art des Nikarchos oder Ammian, womit H. Stadt-
raüller 1. 1. übereinstimmt. Dem Nikarch weisen H. Stadtmüller
und G. Setti auch XI 415 zu; aufserdem H. Stadtmüller XI 219,
das der Verf. dem Thessalonicher giebt, ferner XI 221. 242. — IX 752
stammt nach dem Verf. und H. Stadtmüller von Asklepiades. — IX 77, 4
liest H. Stadtmüller 1. 1. 9^Xu st. Tr^jxa; er glaubt, dafs die Aufschrift
Y] 'Ep|Ao6topou doch Beachtung verdiene; denn in dem Epigramm des
Hermodor Anth. Plan. IV 170 sei auch von Paris die Rede.
G. Setti, gli epigrammi di Luciano. Rivista di Filologia XX.
(1892). S. 233—276.
Unter dem Namen Lucians sind 53 Epigramme auf uns gekommen,
von denen eines in der Bibliothek des Photios, die übrigen in der
Anthologie Pal. und Plan, enthalten sind. Diese prüft der Verf. auf
ihre Echtheit. Nach der Überlieferung verbleiben nur 18 unbestritten
dem Lukianos: die von dem Verf. vorgenommene Untersuchung der
Metrik, des Dialekts, der grammatischen Formen, des Stils und des
Inhalts aber zeigt, dafs vielleicht kein einziges auf Lukianos zurückgeht,
dafs sie überhaupt nicht einheitlich sind, aulser in der Armut an Gedanken
und Kunst. Sie sind dem Lukian zugeschrieben, teils um ihnen einen
Namen zu geben, teils infolge einer Verwechselung mit Lukillios und
Julianos. Dem Lukillios schi-eibt der Verf. zu: 15. 20. 21. 22. 24.
27. 34. 38. 41. 52. 53; vielleicht gehören diesem auch 10. 12. 39;
Jahresbericht für Altertumswissenriolinft. LXXY. Bd. (1893. I.) 17
258 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
dem Animiunos kommen nach dem Verf. zu 17. 42. 43, dem Palladas
4. 45. 46. dem Cerealis 25, dem Julianos 33, dem Agathias vermutlich 50.
Die übrigen müssen anonym bleiben.
C. de Boor, der Epigrammendichter Ignatios. Hermes 23.
(1888.) S. 149—152.
Der Verf. stimmt P. Wolters bei. der im Rhein. Museum 38
5. 117 zwei Dichter des Namens Ignatios annimmt; aber hinsichtlich
der Bestimmung ihrer Lebenszeit weicht er von ihm ab. P. Wolters,
setzt das Leben des Ignatios frühestens auf 911 u. Chr. fest. Nach
dem Verf. war die Lebenszeit der beiden Ignatii etwa um ein Menschen-
alter verschieden; der eine war Diakon und Metropolit, der andere
magist er grammaticorum ; der Diakon und Metropolit ist wahrscheinlich
zwischen 780—790 geboren.
M. Rubensohu, Gegen die Wassertrinker. Hermes 26.
(1891.) S. 153—156.
A. P. IX 406 ist von Antipater von Thessalonike, wie H. Stadt-
m Uli er aus der Rasur im Palatinus ersehen hat. Auf diesen Dichter
gehen nach M. Rubensohn auch andere Epigramme gegen die Wasser-
trinker zm*ück, die alle eine durchaus singulare und individuelle, Auf-
fassung von dem Wesen eines uopo-oTT^; zeigen. Sie sind, wie C. Dilthej^
de Callimachi Cydippe S. 15 flg. zu XI 20 bemerkt, gegen Kallimachos
gerichtet, der in seinen Aitien erzählte, wie er, im Traum auf den
Helikon entrückt, von den Musen über die Götter- und Heroenmythen
belehrt worden sei (A. P. VII 42). Dabei sind ihm die xaOapal Xi^ioEosc
(VII 55) und das evöeov uötop der Hippokrene sicherlich ebenso kredenzt
worden, wie den anderen Dichtern. Gegen diese nun wendet sich der
Hohn des Dichters; daher gehört XI 24, dann XI 31, eine Anspielung
auf die Dichter, die aus der Hippokrene Begeisterung trinken und die
ihnen dort eingegebenen Mythen als wirkliche |xvrj|xov£j m\i.r,6xon be-
richten. „Wenn nun endlich der Frosch IX 406 sein Pfui denen zuruft,
die Wassei" trinken [xavir^v ^«ucppova [xc^ivojxsvot , so wird es wohl nicht
mehr zweifelhaft sein, dafs hier nur die Poeten gemeint sein können,
welche Begeisterung schöpfen am Musenquell und doch oft so unsäglich
nüchtern und prosaisch sind, dafs ihnen in der That das Feuerlied des
Weins zu fehlen scheint."
A. P. 1116 ist nach H. Stadtmüller N. Jahrb. f. Phil. u. Päd.
139. Bd. (1889) S. 755 flg. so zu lesen, dafs die zwei ersten Verse als
Dittogi'aphien von 130 und 116 zu tilgen sind: auf I 30-: Xptjre . ..
epuxoic folgt 116: 6e'/vu3o . . . aapöovuywv.
n 101 ist eine Nachahmung von Apollou. RL Argon. IV 180, wie
G. Knaack Hermes 25 (1890) S. 85 bemerkt. — 128 ist nach H. Stadt-
Griechische Lyriker. (Sitzier.) 259
raiillei- Berl. phil. Wocbenschr. 1890 S. 1397 zk «aoc zu schreiben. —
249 vermutet H. Stadtmiiller Blätter f. d. bajT. (Tymn. 26. Bd.
(1890) S. 1 flg. gut -a'/i'ösjffiv St. -sXa-zsajtv. — 304 schlägt derselbe
N. Jahrb. 1. 1. vor: a^zo TraTr-aivcuv 'A-oXv^tov st. a^STo tt. 'At:oX-/^'''o;.
III 2, 3 vermutet H. Stadtmüller Blätter f. d. bayr. Gymn. 1. 1.
8. 556 ■/pu<fio; 7070? aÖTO? Iitoi/vuiv st. 9O.0; 7. a'jto; 'j^rotoycov.
V 2, 2 schlägt H. Stadtmüller N. Jahrb. f. Phil. u. Päd.
143. Bd. (1891) S. 322 flg. ipz--oiii\r^v st. ep£U70|xevr,v vor: sollte sich
£psu7saftai in der späteren Bedeutung „hervorstolsen, nennen" nicht
halten lassen? Auch V. 4 erscheint mir die Änderung rpiXr,? in 3oX^;
.,Strahl" unnötig. Für den Verf. hält H. Stadtmüller den Argentarios.
dem er auch V 7 zuweist, wo er im 1. Vers Tt-apotvToc st. Traosoüja ver-
mutet. — 11 will L. Sternbach Anthol. Plan, appendix S. 18 dem
Asklepiadcs zuweisen, wogegen C. Häberlin Wochenschr. f. klass.
Phüol. 1890 S. 1399 flg. Einsprache erhebt. — 12,4 schlägt H. Stadt-
müller 1. ]. y.al vouaoi st. y.tuXojsi vor. — 13, 1 liest C, Dilthey ind. schol.
Göttingen 1891/92 S. 16 recht ansprechend llpa^irslsy; (oder IIpa^tTeXoy;)
St. npa?'T3Xrp. — 18 erklärt L. Sternbach 1. 1. unter Beistimmung
H. Stadtmüllers Berl. philol. AVochenschr. 1890 S. 1392 so, dafs er
der ancilla nicht die matrona, sondern die meretrix entgegengestellt
denkt: daher schreibt er V. 1 soSdtowv st. croßotpwv, V. 2 mit MV
ToTc s-axaXuiv -x>i[X|j.a3[ -irsiöofASVot und V. 4: -/spSaivoua' st. xivSuvou:
H. Stadtmüller möchte statt dessen lieber xsv suXäo oder 5' sx^uaüjj"
lesen. Derselbe vermutet V. 6 ou 5£Xa7i^6ix£vov coli. Gregor. Naz.
bei Migne 37,439,4. V. 7— 8 trennt L. Sternbach von dem Vorher-
gehenden. — 20, 4 vermutet H. Stadtm tiller N. Jahrb. 1. 1. passend
aopoTjvTj St. xaXXocrjv?]. — 22, 5 will H. Stadtmüller recht ansprechend
(fiXr,c durch 'fo3r,c ersetzen. — 29, 1 will H. Herwerden studia critioa
jü epigrammata Graeca. Leiden, E. J. Brill, 1891 S. 140 ai-TQ als
II. Pers. Pass. fassen. — 31, ö schreibt L. Sternbach 1. 1. S. 14
Nes-ajp TTQ lla'ft/; mit MV, was H. Stadtmüller Berl. phil. Wochen-
schrift 1. 1. mit Ptecht zurückweist. — 35, 5 vermutet L. Sternbach 1. 1.
S. 21 (j'jjcprfcop.evY) st. o'f pa7t!o}X£vr,, da V TpoyaXoTat <jcpi770uivr^ bietet, —
36 wurde nach H. Stadtmüller N. Jahrb. 1. 1. von 42 aufgenommen,
dann folgte 37; daher erklärt sich die Beischrift o]xotüj; zu den letzteren.
Beide, 37 und 42, gehören dem Onestes, vgl. 20. — 37, 4 vermutet
H. Stadtmüller 1. 1. |x£iov st. XeTtcov. — 39, 3 schlägt H. Stadt-
müller Blätter f. d. bayr. Gymn. 26. Bd. (1890) S. 1 flg. (x' (J.poü^'.v
St. [i aipo'jstv und V. 4 i'^apawv st. 7ap iswv vor. — 41, 2 verlangt
L. Sternbach 1. 1. el/s: y.al 0?' r-iX£T:£;. — 50 weist L. Sternbach 1. 1.
S. 92 mit AI dem Rufinus zii: mit Unrecht, wie H. Stadt müller Berl.
phil. Wochenschr. 1. 1. S. 1390 zeigt. — 51, 1 vermutet H. Stadt-
17*
260 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
milller N. Jahrb. 1. 1. siunentsprechend : xateroaSa, Yeisuixat; auch eKoXoyv
st. E'^O.o'jv ist ansprechend. — 57, 1 mochte derselbe aüv nupl vr,y6ixsvoi
t}<i>yy|v xt).. lesen, vgl. Cougny I 199. — 58, 2 schlägt II. Stadt -
miiller 1. 1. irav -juaXov st. Tav ob [ii'Ko^ vor; ich halte ^uaÄov nicht für
passend; etwa -avta ooyov? Zu ooyoj „Behälter" vgl. Hesych. —
60, 3 nimmt L. Sternbach 1. 1. S. 22 flg. Austols an aXXy]Xat;, für das
ihm auTOjxa'ai am besten gefällt; H. Stadtmüllcr Berl. phil. Wochenschr.
S. 1393 vermutet suxuy.Xtu? coli. Orph. Lith. 135. Mir erscheint dies
neben rspir^vse; tautologisch: aXXrjXai; ist richtig: „für einander, mit Be-
zug auf einander'- , womit recht passend das schöne Ebenmal's dieser
Teile bezeichnet wird. V. 5 — 6, die in MV fehlen, möchte L. Stern-
bach dem Epigr. V 36 zuweisen, wo nach V. 8 ein Distichon über
Melite ausgefallen sei, auf das dann jene Verse folgten; zum Beweis
dafür beruft er sich auf Suidas s. \. Euptu-a;, wo es heilst : uepl atSotou
avopöc 6 X6-|'oc. Ich glaube, su gut die Verse zu der in 6ü beschriebenen
Situation passen, so unpassend wiü'deu sie in 36 sein. — 74, 6 vermutet
H. Stadtmüller N. Jahrb. 1. 1. -i^xtj oder «pöivstf st. Xtjysic — 77, 2 liest
H. Stadtmüller Blätter f. d. bayr. Gymn. 26. Bd. (1890) S. 550 flg.
ypovae'.iV . . . drovojtfiv st. /pove'eaxev . . . dXoyo'.jtv. L. Sternbach 1. 1.
S. 37 und 79 möchte die Verse den Daphniaka des Agathias zuweisen;
H. Stadtmüller Berl. phil. Wochenschr. 1. 1. S. 1390 flg. kann nur
schwanken, ob sie dem Rurinus oder Palladas gehören; X. Jahrb. 1. 1.
weist er sie dem Klaudianos zu. — 82 weist L. Sternbach 1. 1. S. 20
mit M dem Diouysios zu, mit Unrecht, wie H. Stadtmüller 1. 1. 1391
zeigt. Vers 1 schreibt L. Sternbach mit M: xi |x" outü>? e|x::upa,
Vers 2 vermutet er Trpt'vj' und 7;'7{>av6(jLr,v, — 94, 3 verlangt H. Stadt-
müller N. Jahrb. 1. 1. doiaaet 6t. dxo-jei coli. Plat. Phaedr. 255 D. —
96 wollte .Jacobs mit XII 113 verbinden, wogegen L. Sternbach mit
Recht Einsprache erhebt (1. I. S. 93). — 99 weisen M V dem Meleager
zu. was nach L. Sternbach 1. 1. S. 29 „adniodum suspectum", nach
H. Stadt müller Berl. phil. Wochenschr. 1. 1. S. 1380 unmöglich ist. —
127, 5 ersetzt H. Stadtniüller N. Jahrb. 1. 1. XdXov gut durch fiapv
coli. 16, 4 und Lukiau. ovo; 4; dann vermutet er eirtoüaa st. ijiooüsa. —
132,3 vermutet R. EUis .Journal of Philol. 18 (1890) S. 211 flg. A
]xvoiüiv ixaTTüiv, vgl. Hesych. |j.voto; diraXo;; etwa pooecuv |x. vgl. Nonn.
Dionys. 9, 296.* V. 6 hält R. Eilis an iße [it fest: „with which
she used to slay nie". — 134 ist nach G. Knaack N. Jahrb. f. Phil.
143. Bd. (1891) S. 769 )ioch zu Lebzeiten des greisen Zenon (gest. 264/3)
in Athen gedichtet, als Kleauthcs schon als designierter Nachfolger
galt. So erklärt sich auch die kekropische Elasche. — 144, 2 fordert
C. Dilthey ind,' schol. Göttingen 1891/92 S. 16 flg. oop£ji>oißa st.
o'ipea'/fo'.ta; ob nötig.' — 167, 2 vermutet H. Herwerden 1. 1. o^utöv
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 261
Ö7) oder oiateov -^v st. oTvoc xai; ich kann weder das eine noch das
andere billigen. — 168, 1 vermutet H, Stadtmüller l. 1. tiuxivoj st.
TTup xai. — 182,7 liest W. Headlara Journal of Pliilol. XX S.'309:
\i.}i 'fet3ou T« 7:avTa Xr/siv coli. Euripid. Ürest. 385. — 186, 3 will
L. Sternbach, wenn überhaupt zu ändern ist, 1. 1. S. 59%. tosoov st,
TouTov schreiben, — 198, 5 ergänzt H. Stadtmüller 1. 1. -/Xafpuprj. -
199. Hedylos ahmt nach G. Knaack 1. 1. Asklepiades XII 135 nach;
dafs er mit Asklepiades genau bekannt ist, zeigt das Epigramm bei
Athen. XI 473, W'O es von Sokles heilst: iXW. uap' olvov SixsXioou izcniCtt
zoqXq jjLsXr/poTspov, — 202 ist nach <j. Knaack Hermes 25. (1890)
S. 85 Nachahmung von Callim. lav. Pallad. 2. — 232, 3 wünscht L.
Sternbach 1.1, S. 35 flg. os^a^irr^ st. ^Xssajisv-rj , wohl mit Recht. —
238, 3 vermutet H. Stadtmüller 1. 1. sixiSv' st. aurov und dann Vers 4:
fjv TTOT i\iEio X. — 239, 2 fordert derselbe mit Recht cixu/ofxevoc st.
4'uy6iJi.svoc. — 242 trägt in dem cod. Pal. Gr. 128 fol. 89i' das Lemma
'AYTfiötoy, während es sonst dem Eratosthenes zugeschrieben wird. Für
Agathias spricht nach L. Sternbach 1. 1. S. 72 der Name Melite in
dem 1. Vers. — 24.3, 3 vermutet L. Sternbach 1. 1. S. 59 flg. tisi^sto
6e st. [Aot, V. 5: "Eptoc' xai wY.'zoXoyqaoa, das letztere allerdings nur
zweifelnd. — 244 schreiben M V mit Unrecht dem Eratosthenes zu ; es
gehört dem Paulus Sil , wie der cod. Pal, hat, vgl. L. Sternbach 1, L
S. 33; dasselbe gilt von 246. V. 7 vermutet L. Sternbach aStxasTov
st, dSexasTov. — 246, 4 vermutet C. Dilthey ind. schol. Göttingen 1891/92
S. 16 T:ap&evix% st, -apösvir)?. — 255, 1 verlangt L. Sternbach 1. 1.
S. 38 flg. «uXtqtoio St. (JtXrjToio, allerdings nur zweifelnd. — V. 3 wird
acpsfieo; von MV bestätigt. — 258, 2 bestätigen MV ip-sip«, vgl.
L. Sternbach 1. 1. S. 44, der auch V. 3 aus Suidas xopu|x^ouc auf-
nimmt. — 268, 6 schlägt H. Stadtmüller 1. 1. otats st. sU i\t.l vor. —
270, 2 vermuten XiOoxoXX/^tujv st. xs Xtf^oxp-v^tcov H, Stadtmüller 1. 1.
und C. Dilthey 1. 1. S. 16, vgl. 276, 10. — 275,3 bestätigen MV
xsXsudou, vgl. L. Sternbach L l. S. 47. V. 4 vermutet H. Stadt-
müller Blätter f, das bayr. Gymn. 1. 1. ajipaXeto? st. dtcr-aaiwc, vgl.
Hom, N, 141. — 285, 7 verlangt L, Sternbach L 1. S. 45 flg. ttoöou
St. TOvou; kaum nötig. — 289, 3 will L. Sternbach 1. 1. S, 64 flg.
ouxexi St. OUT l-\ schreiben: mit Unrecht, vgl. H, Stadtraüller Berl.
phil. Wochenschr. 1, 1. S, 1393; damit fällt auch o-joe V. 4. — 294,7
verlangt L. Sternbach 1. 1. S. 73 flg. 9oßr;(jev; H. Stadtmüller Blätter
f. das bayr. Gymn. 1. 1. tritt mit Recht für cpoßrjaotv ein, V, 10
schlägt L. Sternbach sie OaXaixov st. h ftaXa^-tp vor. — 305 weist
L. Sternbach 1. L S. 78 flg. den Daphniaka des Agathias zu; vgl.
dagegen H, Stadtmüller Berl, phil. Wochenschr. 1. 1. S. 1390. V. 1
schreibt L. Sternbach gut xt'c [jis «iXt^^ev. — 306, 3 flg. weist R. Ellis 1. 1.
•j{^2 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
G. Kaibels xaaöfxatvr;; mit ßeclit zurück; er erklärt: sed cum dixi
„accumbu tibi'', et tu moraris uec mihi te statiin applicas. — Über
die Komposition von V vgl. R. AVeiishSupl S. 08 flg.
VI (i ist die Form des Hexameters festzuhalten, wie Th. Preger
de epigrammatis Graecis meletemata selecta. Diss. München 1889
b. lo Hg. = luscriptiones (Iraecae metricae. Leipzig 1891. S. 66 flg.
gegen Bergk zeigt; Pausan. 9, 10, 4 bezieht sich auf ein anderes Epi-
gramm, das Th. Preger mitteilt. — 7 bezieht sich auf einen Faust-
kämpfer .Skaiüs. der zwischen Ol. 20—30 lebte, wie auch Th. Preger
nach Bergk annimmt. 8 ist eine Fälschung der Priester, vgl. Th.
Preger 1.1.; mit Laodamaö ist der Sohn des Eteokies, der König der
Thebaner, gemeint. V. 2 schlägt H. Stadtmüller ij.o'jvofj.ay20)v sti
'^ouvapyecuv vor. — 16, 4 fordert C. Dilthey 1. 1. S. 16 s'!vaMxoiva st.
eivaXi'^otxa. — 34, H vermutet A. Nauck Hermes 24 (1889) S, 462
•/uva^xtav st. y.'jvaxTocv oder xuvayyav. — 62, o vermutet H. Her-
werden 1. 1. xavov' töyvTr,v st. xavc/vio' u-dTr,v, C. Häberliü Wocheuschr.
f. klass. Phil. 1891 S. 737 flg. richtiger xavov töuievr) nach 65. 2. —
106, 1 wünscht C. Dilthey 1. 1. S. 17 GXrj'foiTa st. uÄe-.öixa, — 220 be-
handelt E. Fr. Kousis W^^rx 1. (1889) 8. 467 flg., der V. 10 ,e;
[U-{ eöv TujjLjravov coli. 217, 5. 219, 19 oder xoviov, V. 13 i/. oe sacüt^eU,
V. 14 [x^Tep st. [xr,-£pa und 16 avTiilerat St. dtvTiösp-ai vorschlägt.
G. Knaack Berl. phil. Wocheuschr. 1889 S. 394 tritt L. Sternbach
gegenüber für C. Diltheys atovoev V. 10 ein. — 226, 1 verlangt
G. Knaack Hermes 25 (1890) S. 89: r, p' st. f^ x", V. 3 oe st. xe. —
262, 1 liest H. Stadtmüller N. Jahrb. f. Philol. 139. Bd. (1-889)
S. 755 flg. gut: Xiv ixot|xvrjV xal eTrauXa: V. 2 ziehe ich Jtvojxsvov dem
von ihm vorgeschlagenen aivafievov vor; xpsaavxa verlangt kciue Änderung
des überlieferten jtvofxovov. — 292, 3 vermutet R. Ellis Journal of
Philology 18 (1890) S. 211 flg.: zavff aiJ.a NtxovoY); ev eixsiaiov „omnia
simul Niconoes unus cunuus erant, i. e. merces cunni, quem iudicibus
in certamiue pulcliritudinis uudaverat vel exhibcndum curavcrat". —
298, 1 vermutet G. Knaack N. .Jahrb. f. Phil. 1891 ö. 769flg. xaoo£t|/riTöv,
trotzdem sich dieses Kompositum sonst nicht fludct, und V. 2: 3axTpot>
-ouTo xö Aei7r6iJ.evov coli. 293. — 331, 4 schlägt H. Stadtmüller
N. Jahrb. f. Phil. 137. Bd. (1889) S. 353 flg. vor: v.;£v <.cjroYiou>
xuxOov 'j-£pf>£ ßp.: auch ax-j-jvoü oder XuYpoü seien möglich.
Vn 3 schreibt Th. Preger inscriptiones S. 25 dem 5. oder
4, Jahrh. zu. — 8. 2 verlangt .1. j\lähly Blätter f. d. bayr. Gymn.
25. Bd. (1889) S. 243 u/.o/o|jlo'j; st. aOxovofxoy; coli. Demaget. 4 S. 79
bei Jacobs delect. epigr. — 18, 4 vermutet derselbe o? M. ewea puöixov
l'xet. — 24. 4 vermutet H. Her wer den 1 1. passend X'.x(i> st. XerxuV —
^1, 6 möchte H. Stadtmülle}- 1. 1. lesen z\j iiolk epsiooixeva; st. I[i,[idf^',
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 263
-£i9o[i.evas. — 54 ist im Tal. dem Mnasalkas zugeschriehen , was iiacii
Th. Preger 1. 1. S. 15 nicht umvahrscheinlich ist; jedenfalls fällt es
vor die Epig'ramme im Peplos des Aristoteles, vgl. 19, 2 mit unserem
Epigramm. — 62, 1 verlangt Th. Preger 1. 1. S. 210 tivoj sixtuv oder
etwas Ähnliches st. -rivo; sIkz, H. Stadtmüller r^ 'x trivo; oder ex -civo;.
— 69, 3 vermutet H. Stadtraüller 1. 1. yuiJLov st. Oufxov. — 79, 3 liest
E. Ellis 1. 1. Ejxßac St. 'Äai?. — 84 stand nach Th. Preger 1. 1. S. 201
nicht auf dem Grabe des Milesiers Thaies, wie schon der Dialekt zeige;
ebensowenig 86 auf der Statue des Solon. wie derselbe S. 197 mit
Recht gegen R. Weilshäupl Grabgedichte S. 45 bemerkt. — 84, 2
verlangt H. Stadtmüller leTve st. toüto, 86. 2 vospov oder ispa st. ispov. —
S9, 15 fordert H. Stadtmüller Berl. phil. Wochenschr. 1889 S. 1229 flg.
TT)v 6' fJixaX-^v wj st. TYiv 6' oXqrj"' ^i- — 93, 1 vermutet H. Stadt-
müller ö' (Jttotcvsusw st. öe tt r.Xzio'/ oder zXeiJTov. Th. Preger 1. 1.
S. 201 bemerkt: „hoc voluit Duris in Pherecydem esse scriptos
versus : quos attulit ni fallor Samiorum tyrannus, ut Pythagoram civeni
hoc vaticinio laudibus efterret." Auch 94 hält er nicht für eine echte
Grabinschrift des Anaxagoras. — 119, 1 liest H. Stadtmüller 1. 1.
■/]v-'öe . . . eyp' o6e xxX. als Inschrift auf eine Statue des Pythagoras. —
125, 4 vermutet Th. Preger 1. 1. S. 133 «iSs st. aoe, „ut sxs'favouv
idem sit ac nixav". — 133, 3 vermutet H, He rw er den 1. 1. -|'vacpoi(jtv
^Xov st. 7701901? (5Xqov; metrisch bedenklich. — 153 behandelt Th. Preger 1.1.
S. 188 flg. ^ meletemata sei. S. 30 flg. Er stimmt H. Stadtmüller
bei, der V. 1 von den folgenden trennt und das Gedicht zu jenen
rechnet, in denen in drei in der Form des Kyklos gebauten Versen
variert wird, was im ersten Yers gesagt ist. Th. Preger macht mit
Recht darauf aufmerksam, dai's unser Gedicht nicht das von Simonides
fr. 57 dem Cleobulos von Lindos zugeschriebene sei, da hier Sonne,
Mond und Meer nicht erwähnt werden: deshalb habe später ein Gram-
matiker zwei Verse dieses Inhalts eingeschaltet, und so sei die bei
Diogen. Laertios vorliegende Form des Gedichts entstanden. H. Stadt-
müller Berl. phil. "Wochenschr. 1890 S. 304 meint, im 1. dieser ein-
geschalteten Verse müsse >i7:apa ts aeXi^vy) gelesen werden, falls Th. Bergk
bei Siraonides richtig Xnrapa? ergänzt habe. Th. Preger hält das Gedicht
für epideiktisch, etwa um das Ende des 5. Jahrh. entstanden, und ich
stimme ihm darin bei. — 154, 1 vermutet R. Weifshäupl S. 93
.zweifelnd oSupjxa st. a»%p[i.a. — 169, 4 verlangt H. Stadtmüller -/svoc st.
vexuc, V. 8: suvic "6' coli. Aesch. choeph. 247. 795 st. ivvexic. Th. Preger
inscriptiones S. 150 flg. ^ meletemata S. 40 flg. ist der Ansicht, dafs
ein Komiker im Scherz von Chares gesagt habe, er habe seiner Hetäre
Boidion eine Statue errichten lassen; daraufhin habe ein späterer
Grammatiker unsere Vei-se gedichtet, die dann auf das Denkmal gesetzt
o,;4 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
worden seien. Mir klingt dies aufserordentlich unwahrscheinlich ; richtiger
urteilt wohl H. Weifshäupl S. 57 flg., der an dem Grabmal der Boidion
festhält. — 174,2 wünscht H. Herwerdeu 1.1. apixoSo st. apixo^T. —
183, 1 ist nach H. Stadtmüller N. Jahrb. f. Philol. 139. Bd. (1889)
S. 755 flg-. Dittographie von 184, 1: der echte Vers ging verloren;
er lautete etwa fjyoov [xev Xwtoi ^ajjLixot • sTü/epioc o' d-oope^'a«- — 196, 2
wünscht C. Dilthey 1. 1. S. 13 d7pov6|xou st. d7pov6}jLav coli. 213, 3 flg.
— 200, 1 vennutet derselbe S. 11 flg. xüiXov st. xXwvo;; früher schon
hatte er op-jdSa st. opraxa und eXuadsi« st. eXi/öef« vorgeschlagen:
St. (3p-j'otoa zieht er jetzt Emperius' Giro xXdoa vor. V. 2 weist er
G. Kaibels ur.o st. a.~6 mit Recht zurück. V. 3 fordert er jxdp-^av st.
apatdv vgl. VI 199, 5. — 215, 4 verlangt H, Herwerden 1. 1. Tioii^u^tu
St. 7:oi(fuj3tu. — 233, 4 schlägt H. Stadtmüller N. Jahrb. 137. Bd.
(1888) S. 353 flg. s'ixßaXev „stürzte sich" st. £|xcpavec vor. — 234. 1
schützt R. Ellis 1. 1. "ApYouj, ebenso V. 8 lopap-e; V. 4 möchte er mit
Planudes -po-epiuv st. 7:poTepr)v lesen. — 243, 5 verlangt derselbe ßoo-
7'f «70/ oder poossoov st, ßoooxpuyov, falls dies letztere nicht -^ ox-stripping
ist, vgl. xpuysiv, Tpuyos. — 260, 4 vermutet W. Headlam 1. 1. S, 310
£Öai<ja st. eowxa, da ooüvai 7d}j.ouc nicht griechisch sei; doch weist er
selbst in dem mir vorliegenden Exemplar handschriftlich auf Achilles
Tat. 1, 8 hin, wo zu lesen ist: 7d}i.ov rfir[ oot öiöuiaiv 6 Trarr^p. — 272, 6
fordert H. Stadtmüiler 1. 1. 6i>jop,evtov st. Suojxevcuv coli, Hesiod. WT 383.
— 273, 6 schreibt derselbe Blätter f. d. bayr. Gymn. 26. Bd. (1890).
S. 1 flg. gut oyXsüjiai St. oiyrjfxai. — 276, 5 vermutet H. Stadtmüller
N. Jahrb. 1. 1, XufjLif); st. Xoitc^c — 279, 3 ist mit dem Palat. ev xuixac
zu schreiben, vgl. L. Sternbach 1. 1. S. 111. — 313—320 sind epi-
deiktisch, vgl. Th. Preger 1, 1. S. 211. — 327—340 (—343) besteht
nach R. Weifshäupl S. 39 flg. aus inschriftlichen lm7pdixji,aTa dSeoTco-a,
die wahrscheinlich von Gregorius Magister stammen. — 328, 5 lautete
die ursprüngliche Lesart nach H. Stadtmüller Blätter f. d, bayr.
Gymn. 1. 1. 70£pou;-Te; fi.o7epo'j; te rührt vom Korrektor her. — 338, 3
wünscht H Stadtmüller Berl. pliil. Wochenschr. 1889 S. 1229 flg.
z£piaaiJ.a st. rspl aa|xa coli. Moschos 2, 6 und Theokl'. 15, 82, — 339, 8
schlägt H. Stadtmüller N. Jahrb. 1. 1. xu)Xur?jv S (53uvt)c oder xyiXt)ttjv
o" oouvcüv Tor. — 364, 2 vermutet H. Herwerden 1. 1. Xetctt^v st. Xittjv.
— 365, 1 verlangt H. Stadtmüller Berl. phil. Wochenschr,"!. 1, evooft-
t. yoatt und V, 2 pooavr^v st. tJ.8ivr^v. — 377. G. Knaack Hermes 25,
1890) S. 88 billigt C. Diltheys Vermutung Cydippe S. 24, dafs mit
Parthenios Parthenios von Nikäa gemeint sei ; Erykios gehöre derselben
Zeit an, wie VI 96 zeige. — 390, 5 schlägt R. Ellis 1. 1. stXiSav st
r;Xe75av vor, — 406 hält G. Knaack N, Jahrb. f. Phil. 143. Bd. (1891;
8. 769 flg. im Anschlufs an Meineke, aber im Gegensatz zu Fr. Susemihl
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 265
für ein wirkliches Grabgedicht des Theodoridas auf Euphorion, nicht
für ein Spottgedicht. — 408, 3 vermutet H. Stadtmüller Blätter f.
d. bayr. Gyran. 1. 1. ö xEp-ofxeovxa 3aü?ac st. 6 xal roxewv eia ßau^ac. —
413, 7 verbessert derselbe aiuiv st. öcfitv. — 435, 4 schreibt derselbe
N. Jahrb. 139. Bd. (1889) S. 755 flg. [xqaoav st. [xsvaXav. — 446, 2
verlangt derselbe Blätter f. d. bayr. Gymn. I. 1. o&vstav -/oEv £i:t£3(ja|xevoc
Bt. "Ap7eiav -faiav eTTSjaajxsvo?. — 456, 3 vermutet derselbe N. Jahrb. 1. 1.
ipoixöjv St. d7pü)v, wobei er bemerkt, dafs Xt)v<$; auch „Tränke" bedeute.
— 465, 3 schlägt derselbe Berl. phil. Wochenschr. 1. 1. oiaxptvsovTe; st.
oiaxpivavTs; vor, falls Ypc'ixixa doch von der Inschrift zu verstehen ist.
— 472, 11 liest R. Ellis 1, 1. 'j^aXuYsTov st. tj^aXaOptov , vgl. Hesych.
»l'aXuYcov ■ svtoi 'i/tiXuyj.i Ta? Xe70u.evac <j^uyac afxs'.vov y.al Toy; (iadsveic
omvd^pas. — 479, 2 und 6 brauchen nach R. Weifshäupl S. 66 nicht
im eigentlichen Sinn aufgefafst zu werden; vielmehr handelt es sich um
ein rundes, massives Epithema, das von seiner Stele abbrach und am
eine Stralse zu liegen kam, möglicherweise eine massive Steinume, die
den Namen Herakleitos trug. — 485, 5 sucht R. Ellis 1. 1. aoanTat;
zu schützen coli. Hesych. aöa-Tov • -|"j[jlv&v • aosp(i.ov; doa:r-rai etwa „Tänze
mit nackten Gliedern" vgl. Propert. IV (V), 5, 72. — 491, 4 verlangt
H. Stadtmtiller Berl. phil. Wochenschr. 1. 1. Ssipv^voiv, um den zu
eiodXiiJioi „ähnlich" erforderlichen Dativ zu bekommen. — 504, 5 ver-
mutet derselbe N. Jahrb. 1. 1, gut -X(ut% st. Tzpcuxr)?. — 602 geht nach
R. Weil^häupl S. 105 auf das Wachsbild des jugendlich gestorbenen
Enstathios, des Enkels eines byzantinischen Kaisers, vielleicht ein Nach-
klang der römischen Sitte der imagines. — 617 ist nach Th. Preger
inscriptiones S. 21 verstümmelt aus der bei Aleidamas TJlix. 24 erhaltenen
Inschrift; sie fällt wegen des ionischen Dialekts nicht vor das 4. Jahrb.
— 665, 3 flg. vermutet H. Stadtmüller Blätter f. d. bayr. Gymn.
xyaa o iv aoTti)? | apor,v s? xoiXtjV st. xufxa öe vauraic döpoov e; x. —
667, 3 verlangt derselbe -atoa? st. Tratos;. — 699, 1 liest H. Stadt-
müller N. Jahrb. 1. 1. opvsotpoiTov st. w v£6(potTov, vgl. X 11, 1. —
707, 9 schlägt R. Ellis 1. 1. vor: iTixaSufAip bupaia (oder Oidjw) v'moi,
ou-/ EVI xatvo-o|XY)&si? , indem er erklärt: „dancing in the measured
rhythm of the masculine Dorian Muse and to the accompaniment of
sonorous diction, a mode (of Satyric drama) cut to a new pattern not
with one thyrsus (thiasus), but with seven, by the adventurous device
of Sositheus." — 708 hält Th. Preger 1. 1. S. 32 für eine wirkliche
Grabinschrift. — 713, 4 vermutet R. Ellis 1. 1. xwxuexa'.: „she is not
bemoaned as lying beneath nights' dark wing." — 721, 1 liest derselbe :
"Apifei Tots 27idpTY)&£v xtX.: ,,Argos hat die gleiche Zahl Hände, wie
die von Sparta, und unsere Waffen kamen den ihren im Kampfe gleich."
— 726, 7 vermutet H. Herwerden 1.1. d'xpiov st. apxiov coli. Oppian.
206 üriecliische Lyriker. (Sitzler.)
Cj'neg. II 552. — 745, 1 vermutet H. Stadtmüller N. Jahrb. 1. 1.
£x zob' cifjLiXou st. I'y. ■JTOTe vv^aou und V. 3: oüX.' £7rtp(u ja(i.£vov ; ouX&v = 8^ü.
— 746 erklärt Th. Preger 1. 1. S. 179 flg-. für „temere fieta".
VIII 2, 5 liest L. Sternbach 1. 1. S. 58 s7:o|j.vuixat. — 24, 5
verbessert derselbe S. 97 oaxpuoisi.
IX 6. 1 vermutet H. Stadtmüller Blätter f. d, bayr. Gyran.
26. Bd. (1890) S. 16: 07x07 st. o-/vy)v. — 78— 80 gehören, wie derselbe
Berl. phil. Wocbenschr. 1889 S. 1229 flg. bemerkt, als l<s6<^r^'^7. dem
Alexandriner Leonidas au; 79, 2 ist Traüaov, [xy] (jxXTjpor? xtX. zu lesen,
wie derselbe X. Jahrb. f. Phil. 139. Bd. (1889) S. 755 flg. zeigt. —
159, 7 liest H. Herwerden 1. 1. wa XiV^v st. eic aiSriv. — 162, 3 ver-
langt W. Headlam Journal of Philology XX S. 810 flg. sXtxuivta st.
iXixü>vioa. — 185 will E. Dittrich X. Jahrb. f. Philol. 141. Bd. S. 831
mit Kalliniachos 37a verbinden, vgl. oben zu Kallimachos. — 223, 5
vermutet H. Herwerden 1. 1. t[).-.ej oijTo* st. sixTrsse o" opvic und V. 6
ßsXei st. [ii'KT^. — 251, G fordert derselbe [-laj/aviiri; 'j^Yftp st. ßaaxavov ev <l.
— 315 fafst R. Weifshäupl S. 105 flg. uapiopuetat V. 4 als Medium
und schliefst sich der Erklärung von Jacobs Animadv. au. — 330 ist
nach H. Stadtmüller Berl. phil. Wocbenschr. 1. 1. von Nikias. dem
Freund 'i'heokrits, nicht von Nikarchos. Damit wird auch R. Weifs-
häupls Vermutung (S. 27), dafs es zwei Dichter Nikarchos gegeben
habe, hinfällig. — 340, 5 liest R. Ellis 1. 1. sil^s st. st 6e und erklärt:
.,ich wollte, dafs da, wo einst der Schäfer von Kelänä (Marsyas) saug
und von ApoUon bestraft wurde, der Streit ihn gezeigt hätte, nämlich
den Hyagnis; denn weun Hyagnis Marsyas' Stelle eingenommen hätte,
wäre er nicht besiegt worden". — 345, 1 verlangt H. Stadtmüller
X. Jahrb. f. Phil. 143. Bd. 1891 S. 322 flg. dp 'AOa'iiac st. o-3o' und V. 4
Tzou ri3Tt? St. viiv, wodurch die Isopsephie hergestellt ist. — 346 stellt
H. Stadtmüller X. Jahrb. 1889 S. 755 die Isopsephie her, indem
er V. 1 rovTouc st. vr^uou;, V. 2 "ipaTTT?;? st. YparTT) und V. 3 t'Kizzi St.
IXioj schreibt. — 347 liest derselbe X. Jahrb. 1891 S. 322 V. 1 euapoToi
ßoe; st. s'jGtpoTov und \. 4 ösXcpr/ aoOi; 77], um Isopsephie zu erlangen.
— 354 erhält er dieselbe, indem er V. 1 ovirep^Apr); st. ov zoX£fJi.&; und
V. 2 ev o" «Oew St. Joio) vermutet. — 356 gewinnt er X. Jahrb. 1889 1. 1.
die Isopsephie durch die Lesung ix veap^; st. e^ £T£pr,c V. 1. — 361, 6
bemerkt L. Sternbach 1. 1. S. 84 flg.: „potuit tarnen etiam oupov S-^e
scribi''. Ich ziehe H. Stadtmüllers eirtTtposTixE vor. — 362 behandelt
K. Holland, de Alpheo et Arethusa in Commentationes philologae
quibus Ottoni Ribbeckin . . . congratulantur discipuli Lipsienses S. 382
— 414. Er weist zunächst nach, dafs der unbekannte Verf. unseres
Gedichts ein Anhänger der Schule des Xonnos war. V. 24 schreibt er
o'jok A{xr,v '/.r^^h^. ravSspxea St. e/.abev. Das Gedicht selbst bezieht er
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 267
auf deu Einfall des Alarich iu den Peloponnes im J. 39H, bei dem die
Goten zuerst siegten, dann von Stilicho am Alpheus geschlagen wurden.
Das Gedicht schilderte nach E. Holland zuerst das siegreiche Einrücken
der Goten in den Peloponiies, wo der mit Blut gefärbte Strom „aus
Schamgefühl darüber still stehen blieb"; dann die gerechte Bestrafung,
die nicht uui' iu der Kesiegung durch Stilicho, sondern auch in dem
frühen Tod des Alarich bestand, der mit cpotvtoc avri[i („blutig oder blond ?")
gemeint ist. Nach V. 11 ist eine Lücke, in der die Grausamkeiten
der Goten beschrieben waren; Xi,3av -yj^Tj V. 12 =^ niger humor; ~.r^^r^
von -rj-jO-. V. 15 ist -opöfAov st. -oxjxov zu lesen. Xach V. 23 ist
vielleicht keine Lücke, aber am Ende fehlt vieles. Der Verf. teilt die
Ansicht Bruucks, dafs die vorliegenden Verse ein Exzerpt aus einem
längereu Gedicht seieu. Den Dichter setzt er nicht viel nach dem
Ende des 4. Jahrh. u. Chr. uud glaubt in ihm den Musäos zu erkennen^
Das letzte ist ,,iusto calidius'" vermutet, wie L. Sternbach S. 120
bemerkt, der Y. 3, 6 und 17 d; st. h verlangt. — 365, 3 ist nach
C. Dilthey lud. schol. Göttingen 1891 S. 5 /jfiexepo'.ai oovsüvxat, V. 4
•JTco und Y. 8 sy.ip-eüvxe? ZU schreiben, zum Teil mit cod. Paris, bibl.
nat. suppl. Gr. 690, mit dem auch cod. Yaticau. Gr. 29 stimmt. —
381, 6 schreibt L. Sternbach 1. 1. S. 86 flg. mit Pal. vr,y6|xevo; • xal . . .
ixKspaajxs, wohl mit Recht. — 420, 2 vermutet H. Herwerden 1. 1.
icTsve; St. azves?. — 427, 4 vermutet Sterubach Wiener Studien XII.
(1890) S. 221 richtig; oour.r^Gti xidtty) vyjo.; st. oo'jy.r^jstc xcüirr^v. — 492
ergänzt W. Headlam 1. 1. S. 311 oyoc zwischen i'-p/o? "öd Owpri^. —
584. 4 schützt H. Herwerden 1. 1. mit Recht airsxpe'fi^jsv gegen Heckers
ixepjxaT'.aev. — 615 und 616 verteidigt ß. "Weiishäupl 8. 31 Anm. die
Glaubwürdigkeit der Lemmata gegen Dübuer; auch weist er die Ansicht
Bruncks zurück, dafs in den Lemmata zu 642—44 uud 662 2}Aupvr( iu
M'jpfvr; zu ändern sei. — 625 ist nach H. Herwerden 1. 1. ebenso wenig
von wirklichen Göttinnen die Rede, wie 640 von wirklichen Göttern:
es sind Männer uud Frauen gemeint. 640, 2 schützt H. Herwerden
/.ouo[xsv(uv gegen F. "\V. Schmidt, der ),oy30[j.£vü)v verlangt. — 657 weist
Zonaras 14, 10 dem Agathias zu, mit Recht, wie Th. Preger 1. 1.
S. 166 flg. bemerkt, der auch darauf aufmerksam macht, dafs Y. 2
aX'.xÄ'j5TU)v iz Tj'.ovcuv nicht mit Of,xe, wie Jacobs wollte, sondern mit
rXaixTo; zu verbinden sei; Y. 6 verteidigt Th. Preger oepxs-ai gegen
&epxea'. — 684, 8 wild, wie Th. Preger S. 168 flg. bemerkt, die
Lesart des Palat. durch die Nachahmung bei Kaibel 1071 geschützt.
Die Verse sind kaum vor Alexander dem Grofseu entstanden. — 704, 1
verlangt Ph. Tribukait, de proverbiis vulgaiibusque aliis locutionibus
apud bucolicos Graecos obviis. Diss. Königsberg 1889. Kap. i.
'>(/£'. 8t. -rv-xei coli. YII 225, 1. — 710, 4 wünscht H. Her wer deu
268 Griechisclie Lyriker. (Sitzler.)
1.1. x&o'JO'jdiv oder xpououa' iv (-- l^y.pouousiv) st. xupouaiv, — 712, 1 liest
derselbe aus metrischen Gründen Ste os^axo. — 742, 4 will R. Ellis 1. 1.
ereCa>r,g£v st. £CwT:6vr,(j£v schreiben, eine mir unerklärliche Form. —
752, 1 nimmt C. Dilthey ind. schol. 1891/92 8. 14 flg. aus den libris
Parisinis eu o st. £v o' auf; st. -ro ^Xujxixa vermutet er oaioaXixa oder
Ti (bzw. t6) zovTjixa: behalt man to '(k6\x\j.oi bfei, so mui's man V. 2
r^axTjjxai St. 7E7Xu|ji.pLai lesen. Übrigens gefällt ihm am besten xöi-faXixa,
das ihm G. Kaibel st. to 7Xu{ifxa als Konjektur brieflich mitteilte;.
V. 2 ist nach C. Dilthey aXXoTpiV,;, bzw. te/vtiv . . . dUoTpiT) zu
schreiben. V. 3 a)M xi KXEiora-pT);. C. Dilthey ist geneigt, das Gedicht
dem Asklepiades zuzuweisen-, wenigstens spreche in den Versen selbst
nichts gegen ihn. — 753, 1 vermutet C. Dilthey 1. 1. f)eiovoou st.
-/loveTj. — 769, 4 vermutet H. Herwerden 1. 1, sxprjvo^ow st. pivoßoXtu;
H. C. Muller 'ElUz III S. 337 verteidigt pivoß^Xw. — 78G, :'. verlangt
R. Scholl ejxfxopiV,;, i. e. au^).lxoplr^^ „der Zugehörigkeit"; cf. c;'j|j.[xopoj
^ auvxeXr^? Thuc. 4. 93, 4, H. St a dt m tili er apiAoviT); coli. Hom. X 255.
vgl. Th. Preger 1. 1. S. 83. — 814, 2 vermutet R. Ellis 1.1. Xrj^eiv
St. Fj^etv und erklärt: „Xajaden, die ihr uns verlassen, ich hätte nicht
gedacht, dals ihr alle auf einmal aufhören würdet, unsere Ströme zu
versorgen; und doch wenn das Bad so reizend ist, wie es wirklich ist,
wird die Eifersucht nichts ausrichten, trotzdem die Nymphen mit der
ganzen Wasserversorgung aufliörten (aTreXst-ov)". Richtiger erscheint
mir die Erklärung M. Rubensohns Berl. phil. Wocheuschr. 1891
8. 160 flg.: „der Liebreiz des Bades ist so grofs, dafs alle Nymphen
sich an seinen Quellen einlinden, ihre eigenen also sämtlich verlassen".
Die Verse sind nach M. Rubenäohn der Ergufs eines Lokalpatrioten,
eines Dilettanten, und daher auch wohl eine wirkliche Inschrift; dies
zeige auch die Anspielung auf den <ipi)ovo;, der von den anderen Bädern
ausgehe, die jetzt das Nachsehen hätten, aber vergeblich scheel drein-
sehen, da ja (ti) die Nymphen sämtliches Gewässer verlassen haben.
Zu fjLExivaaxtoi vergleicht der Verf. Anth. Plan. 233. 3, wo Pan, der
bisher noch nicht in Athen verehrt wurde, p-exavacxa? genannt wird. —
824, 2 vermutet C. Dilthey 1. 1. S. 17 f>ps'.'f0''x7. st. '3pei(6xa.
X 23. 6 schlägt H. Herwerden 1. 1. Ix p68ou st. sfiTiposHsv vor.
— 73. R. Ellis 1. 1. weist darauf hin, dals der Nachsatz mit xal oauxov
Xusei; beginnt. — 84, 4 ändert H. Stadtmüller N. .Tahrl). f. Philol.
137. Bd. (1888) S. 353 flg. ^sp^ixevov in ^spßoiAevov. — 121 weist
M. Rüben söhn N. Jahrb. 1889 S. 656 mit Engel dem Nikarchos zu;
bei Planudes werde es nur infolge eines Schreibversehens dem Palladag
zugewiesen; in "Wirklichkeit bezeichne er es als avr^\o^.
XI 25. 4 hält W. He ad 1 am Journal of Philology XX S. 311
die Lesait der Aiithol. Plan. -oXo; yp'ivo; st. -oXuj, ttoXu; für richtig
I
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 269
— 39, 1 vermutet L. Steinbach 1. 1. S. 122 iyßh Efioi st. kybi:; |xo'..
— 87, 3 wünscht H. Herwerden 1. 1. lieber en' opOpou st. ir ö'p9pot>;
V. 4 erklärt er ttevt km itevts — Ird irevtaxi« itsvce. — 135, 2 verlangt
0. Dilthey 1. 1. S. 17 vexpotepov ve/yoc; itapa aoi = domi tuae. V. 3
ist roi'et zu wiederholen, um die Lücke auszufüllen; V. 5 möchte C. Dilthey
Texviou an die Stelle von vexpou setzen. — 169, 4 verlangt H. Herwerden
1. 1. fiaUov St. aUov. — 203, 4 schreibt H. Stadtmüller N. Jahrb.
1888 S. 361 y.auXoi? st. vauxat?. — 223 spricht L. Sternbach 1. 1.
S. 2 flg. dem Meleagcr ab; er möchte das Gedicht dem Autipater von
Thessalonike zuweisen, vielleicht auch dem Ammianos oder Nikarchos.
— 275 kann nach A. Gercke Rhein. Museum 44. (1889) S. 135
nur von dem Rhodier Apollonios verfalst sein, nicht von Dyskolos, wie
.Tureuka glaubt. — 305, 1 liest H. Herwerden 1. 1. \ipi\i.\L aiopsiv)?
st. Qpi\i\i.'x fj.opiV,j. — 327, 3 flg. schreibt L. Sternbach 1. 1. S. 17:
3uv(ux£'. — I 701, i'oT! Toiautai -a-X., indem er nach V. 3 „hie subagitat"
ergänzt, ein obscöner Ausdruck, den der Dichter unterdrückt. — 362, 4
liest R. EUis 1. 1. a)X ai /Sv opajj,' eoiöa^s liovov und erklärt: „glücklich
war Orestes, dals er Pylades nie auf dieselbe Probe stellen mufste, auf
die ich meine Freunde gestellt habe; hätte er nur ein einziges Stück
auf die Bühne gebracht, so hätte er dadurch bald seinen Freund ver-
loren; ich habe ein Stück auf die Bühne gebracht, und alle meine
treuen Freunde sind verschwunden.-' — 366,4 verlangt H. Herwerden 1. 1.
s^üTCvoc „expergef actus" st. II unvou. — 406, 2 schreibt derselbe ouv st,
oy. — 416, 1 vermutet er ropvoi; st. Tropvai?.
Xn wird hinsichtlich seiner Kompositionsweise von R. Weifs-
häupl S. 41 flg. besprochen, wobei er die Frage oflfen läfst, ob das
Buch Bestandteil der konstantinischen Sammlung war oder nicht.
H. Stadtmüller Berl. phil, Wochenschr. 1889 S. 1229 flg. bezeichnet
unter Berufung auf das Scholion zu Anthol. Pal. IV 1 die Möglichkeit,
dafs das Buch zur Kephalassammlung gehörte, als eine sehr geringe. —
3, 9 verlangt H. Herwerden 1. 1. xozxtu st. xioxw, das Jacobs ver-
mutete. — 4, 4 liest L. Sternbach 1. 1. S. 6 flg. mit MV apSa[j,evo? st.
apyo|ievoj. — 16, 2 verlangt derselbe S. 33 oaxti^etv st. Xaxxi'^siv. —
l7 wird von den Hds. L. Sternbachs dem Asklepiades oder Posei-
dippos zugewiesen; L. Sternbach 1. 1. S. 89 flg. will es dem Poseidippos
geben wiegen der Ähnlichkeit mit V 211. Dafs auch Ähnlichkeit mit
Asklepiades vorhanden ist, zeigt H. Stadtmüller Berl. phil. Wochen-
schrift 1890 S. 1391, vgl. 12, 166 und 50, der beifügt: „war der Ordner
der Appendix, wie anzunehmen, mit der Anthologie des Planudes und
des Kephalas vertraut, so konnte er jene Vermutung wagen, das Doppel-
lemma aber lag gerade ihm nahe darum, weil in der ganzen Appendix
nur zwei Dichter des Meleagrischeu Kranzes genannt sind, nämlich
270 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
Asklepiatles niid Posidipp (vgl. n. 29. 30)." — V. 2 schreibt X.
Sternbach mit P M V apssvo? st. apasvs;. — 20. 1 wird nach L. Stern-
bacb S, 49 -aXt und siXamvaistv von M V bestätigt; ebenso V. 4 r\
Nach E. Kurtz N. phil. Rundschan 1890 8. 3ö7 wird der letzte Satz
f^ »tX67:atc y.TÄ. besser als Frage gT^fal'st. — 50, 7 vermutet R. Ellis 1. 1.
r:ivu)|i6v (joßapuic st. T:''vo[xev oo ',"xp lp<o?; soßotpüic ..heftig". — 65, 3
schreibt L. Sternbach 1. 1. S. 3 flg. y.rjxov st. -/.T^fjLoi: gnt. — 09 will
L. Sternbach 1. 1. 8. 2 flg. dem Meleager znweisen, und ('. Häberlin
Wochenschr. f. klass. Philol. 1890 S. 1399 giebt zn, dalte die Wahr-
scheinlichkeit für Meleager spricht. Y. 1 fordert L. Sterubach
-Aor.vj St. T£p-o'j, E. Kuvtz 1.1. -poTspw ..weiterhin", wie bisher, vgl.
Apoll. Rhod. 2, 864, st. rpo-repcp. — 76, 3 schreibt L. Sternbach
8. 52 flg. mit \[\ £>tüv; H. Stadtmüller 1. 1: 8. 1392 hält an k'vvon*
fest. — 77 weist L. Sternbach I. 1. S. 49 flg. dem Poscidippos zn.
dem das Gedicht des Asklepiades 12, 75 vorgeschwebt sei. V. 3
vermutet er passend o[j.vtj[xai st. oO jx'). tov. V. 4 wird tsto/sv durch
M V bestätigt. — 79 geben MV dem ]\[eleager, was L. Sternbach 1. 1.
S. 58 billigt. — 86, 1 verlangt L. Sternbach 1. 1. 8. 53 flg. a Kyrptc
d ÖT^Xeta St. a K. ^f^^iKi; H. Stadtmüller Blätter f. d. bayr. Gj'mn
1890 S. 550 flg. schützt die Überlieferung durch Hinweis auf IX 331, 2.
XII 48, 4: f^dls eine Änderung erforderlich, würde er (u? ör^Xsia vor-
ziehen. — 97, 3 liest II. Herwerden 1. 1. MlXiv st. 'Heu „iam non adibit
Ol.ympiam, ibi cui-sn certatnrus". — 118, 5 vermutet derselbe svor^aa st
i'-JoTjao-., wofür Pierson ly.'jr^^n schrieb. — 119, 1 interpungiert C. Dilthey
ind. schol. (xöttingen 1891/92 8. 17 7.-;eo y.wixwv, «V/s. — 129, 1 ver-
mutet G. Knaack N. Jahrb. f. Phil. 143. Bd. (1891) 8. 769 flg xaXo,-.
xaXo; 3t. "Ap7£'. y.aXo?, V. 5: iXK '<, llp'.r,v£'jc st. 7.XX7. lip., mit dei
Vermutung, der hier genannte Philokles könnte derselbe sein, dessen
Kosenamen Philinos Tlieokrit VII 105 hat. — 173, 1 flg. vermutet
H. Stadtmüller Berl. phil. Wochenschr. 1. 1. S. 1392 f, [xsv sTaipT)-
♦^Epfi-iov 7^ 0' o'Jrco y.xX. — 196, 3 nimmt L. Sternbach S. 54 flg. aus
S « anf: H. Stadtmüller 1 1. S. 1393 schützt das von PM V tiber-
lieferte 501 durch Stellen wie 'suh 7v I'jj.o-.ys -rsTXotiV, ... ei; (u-a losaöat.
V. 4 vermutet H. Stadtmüller dacptrupoi; st. «[x^oTepo-.?. — 217 ist
nach H. Herwerden 1.1. obscün zu fassen; 56pu „membrum virile".
-eXTr, ,,scrotuni", y.s'faXrj ,,glans" und y.op'j; „podcx". — 237 wird in M V
dem Xumenios zugeschrieben, sonst dem Strato», vgl. L. Sterubach
8. 11 flg., der V. 2 or< st. ar; liest.
Xni 29, 5 vermutet .1. Mähly Blätter f. d. bayr. Gymn. 25. Bd.
(1889) 8. 243: oefiac l.'3pu£v st. [j-e-;«; sfjpuev, eine Konjektur, die schoa
Meineke ausgesprochen hat. 0. Dilthey 1. 1. 8. 17 fordert jj.:-,'«/.'
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 271
E^puev coli, iiviil' exTu-e. [j.£Ya>." ia/s u. a. in. bei Homer. Der Be-
deutnog nach stellt er [j-sYaXa ßpusiv mit }jLS7a>.a izyth zusammen.
XIV rührt nach C. Dilthey ind. schol. Göttingen 1891 S, 13 flg.
von Kephalas her. In dem cod. Parisin. bibl. nat. suppl. Gr. 690
fol. 79 entdeckte C. Dilthey eine kleine ßätselsammlung, die er 1. I.
8. 6 flg. veröffentlicht. Es sind 7 Eätsel ; 5 davon finden sich auch in
der Anthol. Pal., nämlich I-- 14, 9. in--14, G. V=14, 118. VI = 14, 105
und VII -^14, 108. Von V ist nur die Lösung erhalten, nicht der
Text; im letzten Vers liest C. Dilthey tjX-j&ov mit den cod. und dann
hixosi. III und VI enthalten keine beachtenswerten Varianten. VII ist
um den Vers: iravTs; o ri[i.z-ipr^^ ap£T% |x£Ya &al>[xa cpspovtai erweitert,
der besser fehlt. I ist auf Grund der neuen Hds. zu lesen: av8p' Ijxov
siÄ' sx'jpo^, ixupov 0 IfJLO? exravsv dvr|p. IV findet sich sonst nicht; es
lautet in der Hds.: zliiX -aöo; xal dtvr)p xal osvopov xal opvsov xai ojiopt),
was C. Dilthey ändert in ei|j.l -iraOo? xal avTjp xal osv^psov opvi; fj^wpYj.
II findet sich auch bei Athen. X p. 457 B; ich werde weiter unten
darauf zurückkommen. — 72, 11 schreibt C. Dilthey ind. schol.
Göttingen 1891/92 S. 17 ßiootuTopo? Yjvtoyf,a st. ßiootu-opa /jYcjxovYJa.
Planud. 27 weist Th. Preger inscriptiones S. 183 flg. dem Choe-
rilos aus Samos, dem^ Zeitgenossen des Herodot, zu. V. 4 vermutet
H. Stadtmüller afxucjtua st. a<p'j3ptaa coli. Eurip. Cycl. 565. — 66, 2
erklärt Preger S. 129 flg.: „uno monumento simul Byzantem et Phi-
daliam honoravit, cf. Kaibel ep. 879." — 79 hält derselbe S. 134 füi-
eine Nachahmung eines Epigramms, wie das des Asklepiades oder
Poseidippos Anth. Planud. 68. — 85, 1 liest C. Dilthey 1. 1. S. 18
rap' auTot? st. 7ap auxa und bezieht es auf eine Statue, die, ohne Kopf,
nicht mehr erkennen liefs, wessen sie war. — 120 ist nach Th. Preger
S. 228 rein epideiktisch. — 262, 3 tritt C. Dilthey 1. 1. S. 15 flg. für
Jacobs" 30'^% ■/'P'^? st. aotpal '/spsc ein ; dann weist er 0. Jahns Aovaxir^v
st. -^avar,v zurück coli. G, 317. Den Schlufs des Epigramms vergleicht
er mit Kallimach. frgm. 70. — 292 ist nach Th. Preger S. 131 nicht
vor der Zeit Alexanders gedichtet; die Auffassung Dübners, als ob das
Epigramm eine Ausgabe der Ilias und Odyssee geschmückt hätte, weist
Th. Preger mit Recht zurück. — 300, 3 vermutet E,. Peppmüller
X. Jahrb. f. Phil. 1891 S. 453 flg. auxap EjreiTa oder slxa ö' 'AyaiÄv;
das Gedicht beziehe sich nur auf Ilias und Odyssee. — 334 behandelt
Th. Preger inscriptiones S. 130 flg. = meletemata graeca S. 44 flg.:
er zeigt, dal's Kj riakos fälschlich vorgiebt, er habe dieses Epigramm
auf einem Stein gefunden,
Appendix 6, 1 kann man nach Th. Preger S. 42 st. MaTpa auch
MuTa lesen, was auf einer lateinischen Inschrift als Hundenaraen vor-
kommt, vgl. Hermes 1, 68. — 11 hielt Jacobs für Verse des Diogenes
272 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
Laertins, was Th. Preger S. 36 flg, mit Kecht zurückweist; derselbe
bemerkt, dals Kaoavaorj; (V. 2) Patronymikou ist, und erklärt V. rt:
„multornm quos habebat servorum tu eras ei carissimus." — 19, 2 ver-
mutet P. Tannery Revue des etudes grecques IV (1891) S. 377 flg.
b\LOT:\oXi st. oßoXoic und /pi^Tc' ezi-aTxofJLevoc st. -^pyiTrov emiTaiJLSvo!; :
„navigationis sociis facere utilia iussus". Was die Lösung der Aufgabe
betrifft, so bemerkt der Marcianus: zu acht Drachmen yoetuv o ixovaSsc
la, zu fünf Drachmen yoeojv ap'.9|jLÖiv x^. Der Matritensis ersetzt jj-ova^e?
durch y.° = xotuXt) = ^ö X^^»- Es waren also 4 yoec und 11 xoxuXai =
59 xoi'JXai oder 59/12 yoej zu acht Drachmen. Das Wort apS[i.wv
scheint falsche Auflösung st. a und x^ = x"C, also 6 yos? und 7 xoTuXat =
79 xoTuXai oder 79/12 yoe? zu fünf Drachmen. — 25 behandelt Th.
Preger 8. 92 flg. , der mit Erfolg die Echtheit des Epigramms gegen
E. Hiller verteidigt. — 34, 5 vermutet H. Stadtmüller bei Th. Preger
S. 249 eupe st. elye. — 42 weist C. Dilthey ind. schol. Göttingen 1891
S. 17 flg. dem Eustathios Kanikles zu mit M fol. 108, der folgende
Varianten hat: V. 1 esxTjxe st. za-i Tt, 2 aüv xoX; xXa^ou st. xapiioT;
a|xa und 3 tup« \ui 8i St. [iiöt o' £v Spot. — 62, 2 liest H. Stadtmüller
jisTpa XsYojv st. «xsTpov l'yoiv, ohne Not. Th. Preger S. 200 macht
darauf aufmerksam, dafs schon das Wort yatps zeige, dafs die Inschrift
nicht von Pindar sei. — 67, 3 liest J. Vahlen Sitzungsber. der Berl.
Akademie 1889 S. 47 7^v ava xoip. st. rjv dvaxoip., H. Stadtmüller bei
Th. Preger S. 96: r.v vüv xoip. — 94. Th. Preger S. 18 flg. schickt
die zwei Verse voraus: <iv9a8e fiapv^jj-svoi repl 'EXXaooc avxta .VIyjowv |
xthxai a-j-Yipatw ypwixevot suXoYi«>, um den Sinn anzugeben; er bezieht
mit anderen die Vei-se auf die bei Thermopj'lä gefallenen Thespier,
glaubt aber, dafs die Inschrift lange nach der Schlacht gesetzt sei. —
100, 6 schreibt Th. Preger 1. 1. S. 169 flg. iovt« st. io-na; „neque enim
tum solum cum in fönte essent, aura vini ofi'endebatur, sed etiam cum
excessissent". — 102 behandeln C. Dilthey ind. schol. Göttingen 1891
S. 18 flg. und Th. Preger S. 21 flg. V. 1 schreiben sie rfi'' st. a5\
V. 7 ItXyjv rt\i 'ExofßT); mit Hds., V. 8 C. Dilthey val p-r^v, Th. Preger
val val st. aioti", dann (■. Dilthey e|j.7:voo? oia Xiöo;, "was Th. Preger für
unnötig hält, indem er bemerkt: „dicit Constantina se quasi Niobam
esse ejjLTT/oov X'.i^wösTiav ; xr^; Nioßr)? enim sfArvooc Xiöo; circumscriptii»
est velut Jiiavarj; oeu.«; similia." Auch V. 9 hält Th. Preger C. Dil-
theys Konjektur: oItJ. t(>) '^svett] ti ^k xat t-i vso-p/ s-sOyaav für un-
nötig; er liest aiai tov 7eveTrjV t-' 51 xa-. -ra veo-f/a ^Ouaav. V. 10
lesen beide mit Hds. ifjLrXaxir,^ [xspo-wv st. «vOod'jTrwv xax''T,j; C. Dilthey
aufserdem noch.oüo£v st. jxt,oev, was kaum nötig erscheint. V. 1 1
zum Teil mit Hds. f,|xeTepofj'. xXaiSoir. st. f^ixeTEpot; ~£TaXoi7t und V. 12
schreibt C. Dilthey mit R iflXasDr, st. sxXotji^y;. Derselbe erwälint, daf«f
üriccliisclio Lyrikor. (öitzlui.) 27H
ilas (jredicht iu zwei Hds. dem Agathias zugewiesen werde, was wegen
der Chronologie und der inneren Bescliaffenheit der Verse nicht an-
gehe; vielleicht habe man einen jüngeren Agathias anzuuehnieu. —
106 fügt Th. Prag er S, 82 die prosaische Widmung bei: FiacjiXsü;
lluppos (XTCo Maxsöovwv dil Naitu. — 114, 2 schreibt Th. Preger S. 163
zweifelnd: -oi eU^x-o st. f}' eiXi^a-o; V. 3 vermutet C. Weymauu
«Y/'.vow,- coli. Kaibel EG-. 403, 6. — 116. H. Stadtmüller bei Th.
Preger S. 250 bemerkt: „si quid [versii 1 1 mutandum, i]xy.&Kiwi scribendum
esse censeo cf. Plat. Äpol. 4 et Simon id. 5, 8'*. Derselbe verlangt Y. 4
a-£veifjL£ st. a-ixsiTo. — 123, 2 vermutet H. Stadtmüller -/.atv!>(jL5vos
St. xal Ne|X£ou, Th. Preger S. 57 '[5i>|xiay.arc di sjxe trre<|>aixevo; -.; der
letztere glaubt, dafs das Epigramm etwa im 1. Jahrb. n. Chr. gedichtet
sei. — 124 vgl. oben Simonides am Schlüsse. — 129, 2 verlangt H.
Stadtmüller -üxa st. xotta, vgl. Th. Preger S. 182 flg. , der das Epi-
gramm für epideiktisch hält. — 133, 1 sucht Th. Preger S. 12 raSe
-avra durch Belegstellen zu schützen, die aber alle nicht passen, da in
ihnen ein Yerbum als Prädikat enthalten ist: ich schlug N. phil. Rund-
schau 1892 S. 69 ou y.i~ä ~dy-0L vor: „nicht in jeder Hinsicht, voll-
ständig", denn ravroösv £u8öx[|j.o;. — 138, 3 vermutet Th. Preger
S. 119 a'fxsc, Y. 6 H. Stadtmüller ftesfjLo'v st. ^jSfxov; die Namen der
Weihenden waren nach Th. Preger entweder vor oder nach dem Epi-
gramm eingeschrieben. — 141, 1 tritt Th. Preger S. 142 für Jacobs"
Konjektur Oappaatoto ein, indem er es für viel wahrscheinlicher hält,
anzunehmen, dafs der Schild der Athene nach der Statue von Mys
ciseliert worden sei, als dafs es einen Künstler Perasios gegeben habe,
dessen Name vielleicht nicht einmal griechisch sei. — 142, 2 vermutet
.T. Menrad bei Th. Preger S. 46 flg. ilrjFo; oajxü); Th. Preger setzt
die Inschrift in die ersten Jahre des dritten messenischen Krieges. —
146 steht auch bei Aristoteles (V) "Aftrivatwv roXitsta Kap. 7, wo der
1. Yers lautet: At^iAou 'Avi}£[j.iu>v Tf^^^o avsör^xc dsoTc. Th. Preger
S. 62 erklärt es mit Recht für unwahrscheinlich, dafs eine so alte In-
schrift aus zwei Pentametern bestehe; er glaubt, Aristoteles habe aus
dem Gedächtnis citiert, und zieht die bei Pollux überlieferte Form vor.
Ich möchte den Fehler nicht dem Aristoteles, sondei-n einem Sclireiber
beimessen; Aristoteles hätte siche]'licli die Form gewahrt. R. Y. Tyrrell
("lassical Review 1891 S. 177 flg. vermutet: <.'--ov ArfiXou 'Av9£|x''u>v
av£Örjx£ »)£or3i, J. B. Mayor und H. Richards besser A. '.Avi>. Tr\^jo
<£ixov> IftrjXE Osolst. Ähnlich E. S. Thompson 1.1. S. 225: A. 'A.
-iQvö' <sixova> OsoT? dvs9r^x£. — 156, 1 vermutet H. Stadtmüller bei
Th. Preger S. 132 o' Hvap' IftvüJv st. o £v do£//^(uv. indem er glaubt, dals
der Statue die Beute dreier Völker beigefügt gewesen sei. V. 3
schlägt Th. Preger Aaiaiou? st. xal 5.v£c vor coli. Thuc. 2,96. Das
Jahresbericht tür Altertumswi.ssenschal't. LXXV. Btl. (1693. Li IS
274 Griechische Lyriker. (Sitzler.)
Gedicht ftillt nach ihm in das 3. Jahrh. v. Chr. — 169 hält Th. Preger
S. 1«)2 im (ilegcnsatz zu Mciueke für spät; auch stand es nicht, wie
Pausauias sag"t, auf dem Grabmal des Phytalos, sondern auf einem
ixvy,acc, wie das der ]\iegarer zu Ehren des Orrhippos. — 183 weist
Th. Preger S. 135 dem Anfang des 5 Jahrh. v. Chr. zu. Dem-
selben Jahrh. gehört nach ihm S. 45 flg. 186 an. — 187,1 schreibt
Th. Preger S. 44 flg. ot V. st. ex; das Epigramm setzt er in das
ß. Jahrh. — 191 vgl. oben Simonides am Schlüsse. — 192, 1 ergänzt
II. Stadtmüller bei Th. Preger S. 123%. stsixov, J. Menrad [xuatuiv
vor T£ yiXeu})«; Y. 4 vermute ich N. phil. Rundschau 1890 S. 338
Kauxwvo; Sxart St. KauxtuviaSao. — 194,3 ergänzt H. Stadtmüller bei
Th. Preger S. 11 Ö'jixsXy].; zwischen yopcüv und tspai;. V. 4 schreibt
Th. Preger a^rjpaTouc. — 202, 1 vermutet H. StadtmüUer bei Th.
Preger S. G3 a|i.£poa>ir, iroflsousa. — 213, 2 bezieht sich der Plural
|j.7.pvajj.£fla nicht nur auf den Dolcli, sondern auch auf die Waffen der
anderen, wie H. Stadtniüllor bei Th. Preger S. 77 bemerkt; das
Epigramm ist nach Th. Preger von den delphischen Priestern er-
dichtet. — 222, 5 vermutet H. Her wer den Studia critica in epigr.
iiv. S. (>2 flg. Eij-javec st. JUYYsvIs; richtig ist ao-j^zwiz; ohne ot. V. 6
wünscht H. Stadtmüllcr bei Th. Preger S. 229 flg. xTiarav st. y-isxa;,
indem er mit eia otxa xTurav vergleicht f^ ^ap o'.y,r^ Ijp. -|SpovTo>v. —
22G, 3 schreibt E. Cougn3' epigrammatum Anthol. Palat. TU, 1, CO
xctl TaoTifjc |jL£TpTjTal 'Apiarwv; Y. 4 vermutet H. Stadtmttller bei Th.
.Preger S. 50 -alos (st. xaXa) Acz'xwvoc l'ftsv. — 231 stammt nach
Th. Preger S. 52 aus späterer Zeit. — 243, 3 schreibt Th. Preger
S. 49 Tol st, o". — 245 behandelt Th. Preger S. 58 flg., wobei er sich
gegen die wendet, welche glauben, die jetzt aufgefundene Inschrift sei
eine spätere Erneuerung der alten, von der Thuk. 6, 54 sagt, sie sei
a;jL'jopotj -,p7!JL|xa3t geschrieben; er ist der Ansicht, dafs auf jener In-
schrift zur Zeit des Thukydides entweder der Earbenanstrich der IJuch-
staben verblichen oder die Aufstellung für das Lesen ungünstig gewesen
sei. Jlir erscheint diese Erklärung einem Thukydides gegenüber un-
wahrscheinlich. — 267 behandelt Th. Preger S. 103 flg. , wo er
Pausanias mit Recht gegen Kalknianns Zweifel in Schutz nimmt. —
271, 2 fordert H. Stadtmüller bei Th. Preger S. 31 flg. Aiowvsü;,
damit |xe nicht wiederholt wird. — 272, 3 veiiangt Th. Preger
S. 119 flg. avsswsaTo st. a-e/.'jaaro, H. Stadtmüller «TreoadtjaTO coli.
TTom. X 118; ich würde '/reoii^aro schreiben. Die Inschrift gehört nach
Tli. Pi' ger in das 5. Jahrh., wurde aber später erneuert. — 274. 1
schreibt E. Cougny 1.1. 1,35 tZ^z-o st. lopato, mit Unrecht; Y. 2
vermutet Th. Preger S. 137 T£Ö;ev i\).k K/.eoixa;, kaum nötig; dann
liest derselbe mit Recht "AptiToxJio; st. 'Apt3-:ox>iou;. — 285, 2 setzt
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 275
Th. Preger S. 131 flg. eiu Kolou und schreibt dauii V. 3: irad-Ai täv
uTcaTav 6' apy/iv; <pi>XaSa? behält er bei; wenn zu ändern wäre, würde
er ^uXa^e schreiben, V. 4 vermutet er exxaTeyeus st. i-^xaie/eue, das ich
vorziehe. H. Stadtmüller schlägt vor: si? ttoX'jv ätvxin:. r/x^^' e/sue cp.
coli. A 438. — 294 ist, wie Th. Preg-er S. 51 zeigt, nicht von den
Messeniern, wie Kallisthenes sagt, sondern von den Arkadieru, wie
Pausanias berichtet, geweiht; es fällt in die erste Hälfte des 4. Jahrh. —
312, 5 vermutet H. Herwerden 1. 1. S. 66 oXßiov ap st. av. — 325, 3
vermutet Th. Preger S. 103 l/api^axo st. r/apijaaTo. — 334, 2 ver-
mutet H. Stadtraüller bei Th. Preger S. 138 Ir.rfj'iz st. ereu^e, J.
Menrad eyeus coli. Hom. 3 12, was Th. Preger aufnahm, und K. Sittl
cOyjxc. — 342, 1 schlägt H. Stadtmüller bei Th. Preger S. 19 t^jos
7:01)75 st. xr^aoi r.oW ■r^ vor. — 352, 1 verlangt H. Stadtraüller 1. 1. S. 78
a8r)X£ st. £&Y)X2 coli. Hippon. 100. — 359, 2 bemerkt Th. Preger
S. 207: „an KaXyr,o(ov, quam formam nummi exhibenf?" Derselbe er-
klärt das Epigramm mit Recht für epideiktisch. — 361 schreibt Th.
Preger 1. 1. S. ] flg. = meletemata Graeca S. 36 flg. dem 3. Jahrh.
V. Chr. zu und glaubt, dais Arkadion ein Eleer war. — 370, 4 ver-
mutet H. Stadtmüller bei Th. Preger S. 135 flg. epvp-', öv ev At7ivqc
7civaTo; Th. Preger schreibt Ai7ivaTa, tov 7. im Anschlwfs an Kayser,
indem er beifügt, dafs man auch Arctvata; tov 7. lesen könnte. —
372 setzt Th. Preger S. 113 flg. etwa in die Mitte des 4. Jahrh. —
373, 4 vermutet H. Herwerdeo 1. 1. S. 62 6i<^d\t.zwoy , indem er axpa
als Adverbium falst; in betreff a/pa stimmt Th. Preger S. 171 flg.
mit ihm überein. II. Stadtmüller verlangt aypi jj,. Xtyvou y. coli.
Anth. Pal. V 14. — 377, 4 vermutet C. Dilthey ind. schol. Gröttingeu
1891/92 S. 18 -zm-;'i.]xrjii st. -5.jt 70([j.cov, J. Mahl y Blätter f. d. bayr.
Gymn. 1889 S. 243: xXs^-i-'Vov. — 389, 2 schlägt H. Stadtmüller
Berl. phil. AVochenschr. 1890 S. 303 vor: <I>£io6X'x r^ tcoiioojv, was er bei
Th. Preger S. 250 folgendermafseii rechtfertigt: „Pliidolae sivc filiorum
domum dicit. »luoniam quot victoriae in Phidolae familia per unum
Lycum reportatae sint interest, non interest paterne an filii fuerint
victores. Ceterum non obloquor. si quis praeferat OsiooXa 0? iF uiüiv
Phidolae eiusque filiorum ex crebro illo dativi usu, quem habes ex.
gr. Pind. ol. 9, 15. Od. 0 771." Th. Preger S. 100 flg. bemerkt, dals
nichts hindere, zwei Siege des Pheidolas anzunehmen, den einen mit
dem Pferde Aura, den anderen mit dem Pferde Lykos; über jenen
vgl. VI 135.
R. Ellis, notes on the Palatino Anthology. Transactions of the
Oxford philolog. Society 1888/89. S. 10—13.
Stand mir nicht zur Verfügung.
18*
o^{-\ Griechischo Lyriker, i Sitzler.)
Ponor Thewvek, variae lectioiies. Anthol. Pal. XV 13.
Egyetemes philol. Közlöiiy XIV 8. 371— o73. Ungarisch.
Aulserdem erwähne ich
(>. Leichsenriug-, de metris (iraecis quaestioiies ouoma-
tologicae. Dissert. Greit'swald 1888. 48 S. 8,
welcher 8. 21 flg. die Lebenszeit des Phaläkos in die ßcgiernug Alexanders
und die nächstfolgenden Jahre setzt und 8. 27 aus metrischen Gründen
schliefst, dafs Boiskos schon in der ersten Alexandriuerzeit gelebt habe
An Übersetzungen liegen vor
G. Tomson, selections from the Greek anthology trans-
lated. New -York, Gage & Comp. XL, 277 8.
J. W. Mackail, select cpigrunis froni the Grcek antho-
logy. London, Longmau.
Fifty poenis of Meleager with a translation by W. licad-
lam. London. Macniillan.
Carmina e graeca anthologia. Traductio Hcnrici Bi-
lancionii. Pars I. Arniini. Malvolli. 1888. 22 8.
Als Anhang füge ich bei
Epigram matum Anthologia Palatina cum Pianudeis et
appendice nova epigramniatum vcterum ex libris et raaruioribus ducto-
runi. annotatione inedita Boissonadii. Chardonis de la Rochctte. Bothii.
partim inedita Jacobsii, nietrica vcrsione Ilugonis Grotii. et apparatu
critioo iustruxit Ed. Cougny. Graece et Latine. Vol. 111, cum
iudicibus epigramniatum et poetarum. Paris, Firmin, Didot S:, Comp.
1890. G31 S. gr. 8.
Der Verf. stellt eine grofse Zahl von Epigrammen zusammeu. die
bei alten 8chriftstellern oder auf Steinen erhalten «ind. Im Auschlufs
an die Anthologie teilt er sie in sieben Kapitel: avai)rjij,anx«', £7itTU[x:^>ia.
Ita^eivl-v/A, TTOoxpE-Tiy.a xai ixsTSUTixa, s/üJTrxi/«, yprjaixoi und 7:po'pcr^]).a.Ta
xal Qtivi7iJ,aTa. Daran reihen sich addcnda et corrigenda. sowie die
iudices. Jeden) Gedicht stellt der Hrsg. die wörtliche lateinische Über-
setzung gegenüber; aulserdem fügt er am Pufse jeder Seite unter An-
gabc der Verfasser die metrischen lateinischen Übertragungen derjenigen
Epigramme bei. zu denen solche veröflentlicht sind. Am Schlüsse jedes
Kapitels folgt eine brevis annotatio, die über Fundort. Herausgeber
und Kritik der im betr. Kapitel enthaltenen Epigramme handelt. Leider
ist die Sammlung der Epigramme nicht vollständig, die Bearbeitung
der-selbcn nicht genügend und die latcinisdio llhtTsetzung voll Fehlei-.
Dies weist ausführlich nach
Giieoliisohe Lyriker. (Sifzler.) 277
H. Vau Herwerdeii, Studia critica in epigrammata
Graeca. Aduotatioues ad epigrarnraata in tertio volumiue Authologiae
Palatinae editionis Didotiaiiae cum appendiee epigrammatum nondntn
collectoriim. Leydeu, E. J. Brill. 1891. 157 8. 8, die ein schätzbarer
Beitrag zur griechischen Anthologie sind, zum Teil erklärender, haupt-
sächlich aber kritischer Natur. Viele Fehler und Verseheu werden
durch sie aus den Epigraumien eutfernt ; anderes freilich erscheint auch
wieder verfeliit oder bleibt doch wenigstens zweifelhaft. Zu hart urteilt
darüber C. lläberlin Wocheuschr. f. klass. Philol. 1891. No.27. S.737 flg.
H. C. Muller, epicritica ad studia critica in epigrammata Graeca
auctore H. van Herwerdeu, 'EXXa\- III. (1891) S. 335 flg. enthält
Nachträge zu H. van Herwerdens Htudia critica, die sich meistens auf
Druckfehler und Aussprache, nur zum geriugeren Teil auf Lesarten
beziehen.
Couguy I 13, 4 vermutet Th. Preger 1. 1. S. 79 flg. Tiaißa öaV«?
"Epuvlov, H. Stadtmüller jraiö" "Epuöov jikvapov. Die Inschrift ist von den
Aniauen odei" Priestern der Auianen etwa im 4. Jahrh. verfafst. —
15, 1 lese icli mit A. Kirchhoff; V. 2 schlug ich N. phil. Rundschau
1890 S. 338 'AXxicppiov oi [xs xovos xtX. vor, — 27 verlangte ich ebenda
OX'jixTTta vixtüv I s?x6v' dvsaTTjdsv st. 'OXufiirt" svixtov • eixova o' esxirjjsv xtX.
— 43, 2 fordert C. Häberlin 1. 1. 6 st. i. wofür der Hrsg. ev schrieb;
ebenso 88, 1 -odo "ATitauivos st, r.ai6% FliSojvoc — 113, 2 vermutete ich
N. phil. Ruudsch. 1892 S. 59 SieXüiv st. oiettojv, wofür H. Herwerden
ottuiv vorschlägt. — 136, 1 vermutet C. Häberlin 1. 1. xaXa xot 7^
araua st. Yaia Tcaja. — 152, 1 %. schlug ich N. phil. Ruudsch. 1890
S. 339 vor: -/epi 8[tjx' Ivl naxpo? • | o^JXiov oü /piTjCt« xtX. — 162, 3 flg.
liest C. Häberlin 1. 1. Aiyutttou -oXuoXßou | atsv eXo? st, A^utctov tzoXuoX-
ßov aiev exo?; eXoc „die Sumpfniederungen", V. 7 wünschte ich N. phil.
Rundsch, 1892 S. 59: 7reun{>atc fj|ia; jui? Kpovou st. rÄ\i.'^oni atuou? e?
Kpovou. — 182, 9 vermutete ich 1. 1. ajxoißai' sv&ao'; H. Herwerden
aixotßa, 6ts evaaö'. — 199, 3 tritt M. Rubensohn N, Jahrb. f. Philol,
139, Bd. (1889) S, 774 flg, mit Recht gegen U, v. Wilamowitz-
MöJleudorff und G. Kaibel für Er, Jacobs Vermutung, dals 'Hovo^ ein
Eigenname sei, ein coli. CIL VI 17 170 und Orelli 2445. Mit Drusus
und dessen Gattin ist der ältere Nero Claudius Drusus und Autonia
gemeint. — 237, 5 vermutet H. Herwerden Cwt^c st. C^s-^p, was
C. Häberlin 1. 1. wegen Hom. A 88 für unmöglich erklärt. — 258, 8
verlangt C. Häberlin I. 1. eLvaXtot?; H, Her werden schlug siv aXioic
vor. — 301, 5 lälst sicli xop/^aa? im Sinne von xe}j.ujv vielleicht doch
halten: E. Cougny hat Tiopisa? (sie), H. Herwerdeu uotv^a«^-, C, Häberlin
1. 1, X spsiV/j coli. Hom. W 329. vj 95, — 324, 3 schreibt C. Häberlin
1, 1. stp-l <5ixc<7Trj? St. i\txY)? 7ap, — 328, 3 vermutete ich Össp-oü oder
27R Griechische Lyriker. (Sitzler,)
}h3}jL(uv ahh. von axrjzTpoi? st. i)e.!i\x6i: H, Her wer de 11: i>ea|Aoif . . .
jxT^Tztpoi; x'. — 358, 6 verlaugt H. Stadtmüller bei Tb. Preger S. 250
ou xparepf, oder ou otepeifj st. o^y etept) nnd V. 9 ^uXa^ai st. cpuXotEoi, —
365, 1 vermutet J. Menrad unter Billigung Tb. Pregers S. 84 flg.
501 st. TJ, V. 3 derselbe raoe re xat', wofür H. »Stadtmüller besser
Tajjiok xal, was Th. Preger aufnabm, der selbst in V. 2 Tipoa^Eoi st. Trpoa-
r^u^a schrieb coli. CIG IV 8787.
Couguy II 3. 1 vermutet H. Stadtmüller bei Th. R-egcr S. 250
oixTWTotc coli. Apoll. Rhod. 2, 784. — 18 ist ein titulus dedicatorius
nicht sepiilcralis, wie R. Scholl mit Hecht bemerkt, vgl. Tb. Preger
8. 64 Hg. — 25. 3 schlug ich N. phil. Rundscb. 1892 S. 59 vor: quo'
a\) ZOT* £7:atvo'j, ebenda 50. 2: aCxco ö\ «o -apoosiTai oder -apooeiia,
acpet'XsTo. — 117, 1 verlangt C. Häb erlin 1.1. 7rüp~Tpiütov<yj6'> 'EKXdoos
122. 3 avaajr); st. hö-'i^rfi- — 135 wünscht H. Herwerden Mnemosj'ne
XVII S. 274 aocpoi |X£v -^(j-sv und suToyei?, mit Unrecht. — 141, 1 ersetzt
C. Häberlin &? durcb wo'. — 173. c, 3 ergänzt C. Häberlin 1. 1.
-r' lös Texvmv rexv' ejiSovxec coli. II 668; icli schlug 1. 1. S. 60 vor:
-vsüjxa Xiirövre ßtou | a{x<pcu ^YjpaXew ' <9'Xicuv> 8e xsxvtüv Tex<v' tS6vTa?>
I ij\% ö. 7X<uxuTaT>oc oder ßX<rf/p6TaT>o; x. — 181. b, 6 ergänzt
E. Hoffmann |jLvaix" im -aiol 91X7, wozu C Häberlin 1. 1. bemerkt,
mau könne auch ergänzen: r^oWo^i oöupaixsva, | ixvajxosuvov 91X1«? zxX. —
192. 7 vermutet C. Häberlin 1. 1. o-j 0' sidaa?; v.iui episch^ ed«>. —
198. d, 1 ergänzt derselbe Ta-aa , ooTia oder e[j.}jiev', oot-a; ich schlug 1. 1.
vor: r^piov, l\%io Isiaytuv, | y. suxXeiöj; fj-ye tov xaxa 7. — 231, 4 ver-
mutete ich 1. 1. 7SVEX-/) Xp'j!j076vtü ousayeT und V. 7 odxpu st. ooxou,
das G. Kaibel in (lopov verwandelte. — 234, 11 flg. schlug ich vor:
xaXXa oe -dvxa X£Xoi-e, y.al l-i ßtox^ xa [xexesnov (jj-ef^ecrTrov), oiy/]xa'. xxX
— 241, 8 vermutet C. Häberlin 1. 1. reXet st. ^vt. — 255. c, 5 be-
merkt derselbe, daJs man auch Kpovoo Tcaioo; und Aios Tttaxw ergänzen
kann. — 287, 4 glaubt H. C. Muller 1. 1., dal's stech nicht zu ändern
sei, da die erste Silbe wegen des Accents wohl hing gebraucht sein
könne. — 316, 13 läfst sich nach C. Häberlin 1. 1. uulser vepa? auch
repa; und xsXo; ergänzen ; oder 79jpaj? — 333, 2 steckt vielleicht xaXüJv
Tep'f9r,x". in y.iL'j'i xcyfkw; zum Sjjondeus vgl. Eur. .Jon 1236. — 371. b, 3
vermutet Th. Preger S. 232 flg. 1% ^ßY); (avOo; ^pirase oai'ixwv): H. Stadt-
müller eSa'/fvr,;. — 395, 1 flg. schlug ich 1. 1. vor: xav [jie7dXauyov
opötc <a'j 7'jvarx rfi > vho\C ci:ii-i'Hüz oder xöic iJ,£7aXayyo'j xäsoE -{^rrxvfJji
xo'jvofi.' (iv£7V(o;. — 447, 3 vermutete ich 1. 1. siiof^as jxdX', 'jp'fvaiV(y
oder i;ro8ir)!j£v , '7|j,' op^vair,-/: V. 4 ist vielleicht 3Tai')|j.io oder rxcosst zu
lesen; V. 5: ijlovo; ai)p6a p.'j;a{; |j.'j;a? von [x-ji^eiv „seufzen, stöhnen".
V. 6 ergänze ich : otovo|j.ov -oXir// oder oiov oxXov TioXifj«. — 450, 7 liest
C. Häberlin 1. 1. oiAÜi; st. 6 XsdK- — 526, 4 schlug ich e/etv st. e/wv
Griechische Lyriker. (Sitzler.) 279
vor. — 534, 1 vermutet H. C. Mull er 1. 1. Jvöafie xeTxat st. ev&a xi-
TeuxTott. V. 4 ist w<»hl f^oivyjftst? st. 8ü)|i.Y){)eu zu lesen. — 539, .5 ver-
mutete ich l. 1. Tt' (xaTYjv Tov e(j.6v irpoorrucrffSTe xufxßov coli. Eur. El. 1255
st. xevscp T:po(ji}(u-/£rs TU|x3tp. — 583, 3 verlangt H. Herwerden dpta-
^aXaxTov; H. C. Muller 1. 1. will aptqaXaxTov halten. — 621, 2 ist der
Ausdruck rupo^fopoi? ßoxavatc kaum mit H. Herwerden zu tadeln. V. 3 üg.
schlug" ich 1. 1. vor: f, ßs |x' eyeaxsv ewOev eirl ypovov, f^vtxa 9sp(j.T] | (Jxtiv
IxrpoXtiroi -^evs'' fjfjLspttov xaraSüja: ^ oe ^= tj BüiXo; „der Acker beschäftigte
mich". — 632, 5 verlangte ich 1. 1. J raatov ou i^^x'. — 037, 21 änderte
ich 1. 1. -j'Evsjt? in Aa'yejt?. — 651, 5 ergänzte ich 1. 1. cuvt6[xü>c, odlxa,
[X£. — 657, 4 vermutete ich 1. 1. w ^evs, ßaia [xs xXauastc — 667, 5
schlug- ich vor entweder xal |ev' opötc, oaov otov [xv. exsXsajsv oder xal
Sev opac, oiov jiv. e^sxEXsauev. — 668, 2 ist xeteu/e wohl durch das intransit.
xsxsuHe zu ersetzen. — 696, 10 vermutet C. Häberlin 1. 1. xpixt-jv st.
xpiTxuo?; oT sei dann ohne Austols. — 699, 3 sclilägt derselbe vor:
o'jvo|xa ö' £1 oi'^Yjai £Ti:i7:p6 ' Sxr,3t(i,£vf,^ f^v; EiriTipo -=^ ötoÄou vgl. Schol.
Apoll, Rhod. 1, 983; möglich sei auch, vor sTriTcpo zu interpungiereii,
das dann = l'fA-pojiJEv sei.
Cougny III 4, a, 2 vermutet Th. Preger S. 143 apnassv ex vaoü
ava-^Ei TtotXiv, H. Stadtmüller apTzaasv ex vaoü i:aXiv a^ oc'^ei coli. - 280,
.1. ÄFenrad £x vaoTo 7:7!Xiv ayEt; aber rAXh geht hier nicht. — 4, C schlägt
.T. Menrad Ooßoc «[x^ißpoxo? vor coli. Hom. B 389. A 32, — 4, yj, 2
fordert derselbe /)3' 'Acppooi'xav, um den Hiatus zu vermeiden. — 45 ver-
langt H. Stadtmüller bei Th. Preger S. 224 f/ st. ^v. — 75, 5
schreibt Th. Preger S. 83 Se xaö' st. oi jxtv, H. Stadtmüller o I'xu|jl'.
181, 1 schlägt C. Häberlin 1. 1. [xrca Xatxfxa st. ixe^' ata|xa vor; derselbe
vermutet 198, 5 eöaujxa? st. löaXÄEv, 204, 2 dt'f'xExo, dsTxxo oder dcpixe
St. 6ir^r^Ya. — 228, 3 will H. C. Muller 1 1. xaXXo,- xr^? (= auxr,?) lesen
st. 7fj?; mit Unrecht. — 417, 1 verlangt C. Häberlin xoitov st. xpoTiov. —
Cougny IV 23 glaubt, dais am Anfang ein Distichon fehle: mit
Unrecht vgl. Th. Preger S. 52. — 104, 14 flg. vermutet C. Häberlin
1. 1. oocojov st. oooou und V. 15 dxapmxov st. dvaxpoTcov. — 113, 3 ver-
langt derselbe a'vavxe? st. apavxs?.
Cougny VI 75, 2 ist auch dvaim^aouat möglich, vgl. C, Häberlin
1. 1. — YII 23 ist nach C. Dilthey ind. schol. Göttingen 1891. S. 16 tlg.
dem Julian abzusprechen. Derselbe weist 27. 28 und 32 auf Grund
der Hds. dem Moschopulos zu, 32, 14 liest er ebenfalls mit Hds.
-oX'jÖpoov st. -oX'>föo77ov. — 31 behandelt derselbe S. 8 flg. Wie die
Alten das Rätsel deuteten, teilt er aus M (== Cod. Paris, bibl. nat. suppl.
Gr. 690) mit: „nee fimditores cogitantur qni proelio uavali congressi,
nee pugiles qni in pavimento decertantes, dum multo sudore manant,
siti excruciantur, neque vero Ai'ftov nonien est unius illoruni sv XiBot;
"jHii Orieclilsclif Lyriker. (Sitzler.)
putrnantiuni. imnio vero to '^r^xr^\lOL ^i'JxoLi 'j7:o-t{)sTai irspiitsTpiaavTac iv [■>pa/J(
y.oti rö ^'x'fAzx'.O'i a-ö toü -Xoioo i.;avT>.oüvTOt; yowp". V. 2 schreibt
C. Pilthey: Xi^ou; o" oüy. r,sv e^isbai; der cod. hat Ätöoi; o' ouy. ev^v iX.,
V. 3: uStop 6' ÜTtsp <o|iov l'ßaXXov: der cod. hat w(xou^.
Anthol. Pal. II p. 608 ed. Dübner liest man den Vers Y^^r^ ixot
Aioj apa rTj^r, rapa oot, dio|xr,or(, der vorwärts und rückwärts gelesen
gleich lautet, aber gegen Metrum verstöfst. O. Immisch Khein.
Museum 46 (1891) S. 488 flg. vermutet recht ansprechend ap~ a.r.o.-ci.
coli. Kaibel epigr. 1124. Uemeint ist ^Diomeda quaedam ni fallor
muliercula libertiua. Verba habes non grammatici, sed cuiusvis amantis
a puella sua IHomcda eodem modo decepti, (^uo Jovem apud Homerum
decepit Juno".
W. Studemund ind. lect. Breslau 1880/90. S. 33 %. teilt die
Verse mit. mit denen Theodoretos sein lexicon de spiritibus dem Patrikios
widmet; dazu fügt er den kritischen Apparat ans einer grölseren
Anzahl Codices.
Appendix bei H. v. Herwerden 1. I. S. 94 flg XVIII behandelt,
wie C. H. Muller 1. 1. S. 336 bemerkt, Papadimitracopulos in VAkÖLi II
p. 247. — XXVI H ist nach C. Häberlin 1. 1. 'Opeioi st. 'Üps'.ov y.n
lesen. — XLV 2 nach demselben Mty.y.iaoYjv. — XL VI 5 vermutet der-
selbe OvrjToic St. Osoi?. — LIII 1 liest H. C. Muller dvit^Yjy.sv uioi, das
letzte Wort als Jambos. — LIX 1 tritt derselbe für sii^ov st. elosv ein,
wohl mit Recht. — LXXX vermutet er ^i6z st. Ato;.
E. Loch, De titulis Graecis sepnlcralibus. Diss. inaug.
Königsberg 1890. 62 S. 8.
Der Verf. dieser verdienstlichen Abhandlung handelt I. de titulis
sepulcralibus antiquissimis (nsque ad initium saec. V). IL de titulis
sepulcralibus saec. V. ITI. de titulis sepulcralibus Atticis, A. quomodo
recentiores nominum formulae saec. V ex veteribus ortae sint. B. de
titulis IV. et sequeutium saeculorum, C. de epigrammatis sepulcralibus.
D. de lapidum sepulcralium Atticorum formis et sculpturis, IV. Atti-
corum titulniiim formae tota Graecia usitatae.
Fr. Allen, on Greek versification in inscriptions. Papers
of the American school at Athens V S. 35—204. (Roston 1888.)
Der Verf. behandelt in eingehender Weise die Verskunst, wie sie
iu d^M Inschriften zu Tage tritt.
JAHRESBERICHT ,
A
über /
die Fortschritte der dassischen
Alterthumswissensehaft
begründet
von
Conrad Bursian,
herausgegeben
von
Iwan V. Müller,
ordentl. öffentl. Professor der classischen Philologie an der Universität München.
Sechsundsiebenzigster Band.
Einundzwanzigster Jahrgang, 1893.
Zweite Abtheilung.
LATEINISCHE KLASSIKER.
BERLIN 1894.
VERLAG VON S. CALVARY & CO.
NW., Luisenstr. 31.
JAHRESBERICHT
über
die Eortschritte der classisclieii
Alterthumswissensehaft
begründet
Conrad Bursian,
herausgegeben
von
Iwan V. Müller,
ordentl. öfi'entl. Professor der clasSischeu Philologie an der Universität München.
Sechsundsiebenzigster Band.
Einundzwanzigster Jahrgang, 1893.
Zweite Abtheilung.
LATEINISCHE KLASSIKER.
BERLIN 1894.
VERLAG VON S. CALVAEY & Co.
NW., Luisenstr. 31.
I
ß
1 11 h a 1 1 s ■ V e r z e i c li II i s s
des secliöUQdsiebenzigbteu Bandes.
Jahresbericht über die Litteratur zu Ciceros Reden aus
den Jahren 1890. 1891. 1892. Von Dr. Gustav
Landgraf in Münchf ii 1 — 28
Jahresbericht über die Litteratur zu Horatius fiu- die
Jahre 1890 -1 89 L Von Prof. Dr. J. Häussner in
Karlsruhe ' 29—97
Bericht über die Litteratur zu den römischen Annalisten
in dem Jahrzehnt von 1883-1892 Von Prof Dr.
Hermann Peter. Rektor zu St Afra .... 98-161
Bericht ül^er die Litteratur zu Caesar 1891. 1892. Von
Prof H. J Heller in Berlin 102-176
Vergiliu.s Von Otto Güthling in Liegiiitz . . .177-212
Bericlit über die Litteratur zu Ciceros philosophischen
Schriften aus den Jahren 1887-1890. Von Dr. P.
Schwenke in Königsberg- 213 — 247
Jahresbericht über Calpurnius Siculus. Nemesianus Auso-
nius. Claudianus. Von Otto Gut h lins: in Liei!nitz. 248 — 262
Jahresbericht über die Litteratur zu Ciceros
Reden aus den Jahren 1890. 1891. 1892.
Von
Dr. Gustav Landgraf
in München.
Die Cicero-Litteratur des von uns zu besprechenden Trienniums ist,
wie man es nicht anders erwarten durfte, von dem in diese Zeit fallen-
den heftigen Ansturm auf die altklassische Bildung und ihre Lehrstätte,
die Gymnasien, nicht unberührt geblieben. Richtete sich der Angriff
überhaupt gegen den in unseren Gymnasien angeblich zu stark betonten
sprachlichen Unterricht, so mufste in erster Linie derjenige Schriftsteller
sich die genaueste und peinlichste Nachprüfung und Taxierung der Er-
giebigkeit seiner Schriftwerke für den Unterricht gefallen lassen, dem
das Gymnasium bisher unter allen Schriftstellern die meisten Stunden
einräumte, ja der, wenigstens für den gesamten lateinischen Unterricht,
den Mittelpunkt bildete. Cicero hat als Mensch wie als Gelehrter und
Staatsmann seit Drumann und Mommsen besonders in Deutschland viel
an seinem Ansehen verloren und die Geringschätzung seiner Person und
seiner Werke ist fast zur Mode geworden, allein die Anzeichen mehren
sich, dafs endlich wieder eine gerechtere Würdigung sich Bahn bricht.
Den Anstofs dazu gab eben jene gelegentlich der didaktischen Unter-
suchung seiner Werke erneute und vertiefte Beschäftigung mit dem Leben
und den Schriften dieses so verschieden beurteilten Mannes. Hat schon
der Franzose Boissier in seinem geschätzten Buche »Cicero und seine
Freunde« sich mit Wärme des hart angegriffenen Mannes angenommen,
seine menschlichen Schwächen mit menschlichem Auge gemessen und
seinen Verdiensten ein unparteiisches Lob gespendet, so haben sich in
unseren Tagen auch in Deutschland Männer gefunden, die den Mut hatten
an die Stelle des Drumann'schen Zerrbildes ein aus ebenso gründlichem
Studium wie liebevollem Versenken in des Schriftstellers Eigenart her-
ausgewachsenes wahrheitsgetreues Lebensbild zu setzen. Auf die sorg-
fältige, aber mehr populär geschriebene Biographie von Fr. Aly (Berlin
1891) »Cicero, sein Leben und seine Schriften« sei hier nur in Kürze
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXVI, Bd. (1898. II.) 1
2 Ciceros Reden.
hingewiesen , dagegen müssen wir uns etwas eingehender beschäftigen
mit dem ebenso formgewandten wie inhalts- und gedankenreichen Buche
von 0. Weissenfeis »Cicero als Schulschriftsteller« (Leipzig 1892).
Diese neueste Schrift des geistvollen Kenners antiker Litteratur und
Sprache giebt mehr als der Titel verspricht; insbesondere die zwei ein-
leitenden Kapitel »Die klassische lateinische Prosa« und »Die treibenden
Hauptkräfte in Ciceros Charakter« sind wahre Kabinetstückchen. Was
nun speziell sein Urteil über die Reden Ciceros betrifft, so sieht er
in ihnen weder die Blüte seiner schriftstellerischen Thätigkeit, noch die
für die Schule ergiebigsten unter seinen Schriften. »Die Reden«, sagt
er S. 89, »enthalten zu wenig Substanzielles, als dafs man sie unserer
Jugend als Hauptnahrung in den lateinischen Stunden bieten dürfte, und
beleuchten Zustände und historische Ereignisse, welche auf eine ein-
gehendere Behandlung, als der Geschichtsunterricht ihnen gewähren kann,
keinerlei Anspruch haben«. Er will deswegen an ihrer Stelle auf der
obersten Stufe neben Horaz vor allem die rhetorischen und philosophischen
Schriften behandelt wissen. Auch die Briefe hält er für wenig geeignet.
»Diese beleuchten stets nur einen Punkt von der Oberfläche des dama-
ligen politischen Lebens und nur, wenn man den Impulsen der Sprache
nachgeht, gestatten sie bei ihrer Erklärung tiefer in das Wesen des
Römertums und des Altertums einzudringen. Die rhetorischen und philo-
sophischen Schriften hingegen ziehen das Facit aus der gesamten antiken
Bildung und lassen in ihrem Umkreise nichts Wesentliches vermissen,
was irgendwie für das Wollen und Denken nicht blofs der Römer, son-
dern der Alten überhaupt charakteristisch ist«. Mit diesen Anschauun-
gen berühren sich vielfach die Detailuntersuchnngen von P. Dettweiler
über den didaktischen Wert ciceronianischer Schulschriften (vgl. Nr. 3
und 58). Nur läfst sich Dettweiler meines Bedünkens etwas zu sehr
von Drumanns und Mommsens abfälliger Kritik des ciceronischen Cha-
rakters beeinflussen, so dafs sein Urteil über einzelne Reden herber
ausfällt, als sie es in Wahrheit verdienen. Man gewinnt diesen Eindruck
der Voreingenommenheit des Verf. z. B. gleich beim Lesen des ersten
Satzes seiner neuesten Schrift, wo er sagt : » Die Reden , durch deren
Benennung schon der niemals bescheidene Meister der aristokrati-
schen Senatsrede sich mit dem nationalen Pathos des grofsen Atheners
messen zu können glaubte« etc. Abgesehen davon enthalten seine sub-
tilen Untersuchungen viel des Berechtigten und werden ohne Zweifel zu-
sammen mit den Ausführungen von Weissenfeis dazu beitragen, dafs der
Kreis der am Gymnasium zu lesenden Reden auf ein bescheidenes Mafs
zusammenschrumpft. Was nun den Standpunkt des Ref. in dieser gan-
zen Frage betrifft, so hat er zwar aus seinen Erfahrungen in der Schule
nicht die Überz-eugung gewonnen, dafs der Primaner im allgemeinen
einer philosophischen Schrift, z. B. den Tusculanen oder den Offizien
ein gröfseres Interesse entgegenbringe odf-r aus ihr inhaltlich mehr vom
Ciceros Reden. 3
Römertume und dem antiken Wesen überhaupt profitiere als z. B. aus
der Rede pro Murena, wo ja aueli die Sprache auf philosophische Dinge
kommt, aber doch in einem viel lebendigeren und jugendliche Gemüter
ansprechenderen Tone als in einer philosophischen Schrift -- anderer-
seits kann er sich der Einsicht nicht verschliefsen, dafs gewisse Reden
bislang zu stark bevorzugt wurden (wie z. B. die katilinarischen oder
philippischen) und durch gehaltvollere wie die IV. und V. Verrina oder die
Rede pro Archia oder andere Schriften Ciceros (Cato maior, Laelius, Som-
nium Scipionis) ersetzt werden sollten. Jedenfalls stimmt Ref. Weissen-
fels voll und ganz zu, wenn er S. 23 sagt: »Cicero ist der Schulschrift-
steller xar' iBoyjjV. Er ist es auch jetzt noch, nachdem hervorragende
Vertreter der philologisch -historischen Wissenschaft in Deutschland ihn
geschmäht und geschändet von dem Postamente seines Ruhmes herabge-
zerrt haben.« Wir halten das Buch von W. für die bedeutsamste Er-
scheinung auf dem Gebiete der Cicerolitteratur in den letzten drei Jahren
und werden die Gelegenheit wahrnehmen, bei den einzelnen Reden, zu
denen wir jetzt übergehen, wiederholt auf die dort niedergelegten An-
sichten zurückzukommen.
1) Anecdota Oxoniensia. Collations from the Harleian Ms. of
Cicero 2682 by Albert C. Clark. Oxford 1891.
Madvig beklagte es in seinen Opusc. acad. wiederholt (vgl. II, 302.
331), dafs man an so vielen Stellen die Lesarten des vorzüglichen Codex
Coloniensis, den noch Modius und Guilelmus benutzt hätten (Über Hittor-
pianus, Coloniense exemplar Hittorpii) nicht kenne. Herrn Prof. Clark
ist es gelungen, denselben in dem Harleianus 2682 wieder zu erkennen
und seine Lesarten in vorliegender bedeutsamer Publikation der philo-
logischen Welt wieder zugänglich zu machen. Er giebt uns in der Ein-
leitung eine genaue Besclireibung der Handschrift (XI. Jhd.) samt einem
gelungeneu Facsimile, hierauf eine Geschichte derselben; S. XIV f. wird
auf die Verwandtschaft mit dem Erfurtensis hingewiesen, der in einzelnen
Teilen geradezu als Abschrift des Harl. anzusehen sei. S. 1 — 51 erhalten
wir genaue Kollationen zu folgenden Schriften Ciceros: de amicitia, de
senectute, Cicero in Salustiuni, in Catilinam, pro Marcello, pro Ligario,
pro Deiotaro, pro Miloue, de imp. Cn. Pompei, excerpta ex Verr. IV.
V., während in einem zweiten Teile der Einleitung S. XVI — LXIV die
wichtigeren neuen Lesarten besprochen und nach ihrem Werte geschätzt,
nicht selten etwas überschätzt werden; vgl. das Urteil von Nohl in B.
Ph. W. 1892 Sp. 587 f.: »Im ganzen scheint mir Clark in der Entdecker-
freude die Hs. zu überschätzen; sicher ist dies in der Rede pro Milone
der Fall, wo ich die Lesarten genauer geprüft habe. Besonders erfreu-
lich ist es, dafs in der Rede pro Deiotaro der Harleianus sich als ein
ZwiUingsbruder des Ambrosianus herausstellt; dadurch ist der Zweifel,
den Müller an der Genauigkeit der Baiterschen Kollation geäussert hatte,
4 Or. pro Roscio Anierino.
beseitigt und der Wert dieser beiden Hss. als der besten Vertreter der
Überlieferung aufser Frage gestellt«. Papier und Druck, überhaupt die
ganze Ausstattung ist, wie wir es an englischen Büchern gewöhnt sind,
eine vorzügliche.
2) Chr. Herwig, Das Wortspiel in Ciceros Reden. Progr. des
Gymnasiums zu Attendorn 1889. 19 S.
Der Verf. bespricht im 1. Teil das Wortspiel mit klangverwandten
Wörtern (adnominatio), wie laedere-laudare (s. m. Abh. de Cic. elocut.
S. 12), im 2. das Wortspiel mit stammverwandten Wörtern, wie maleti-
cium-beneticium, im 3. die wirkliche Amphibolie, im 4. das Wortspiel
mit Eigennamen. Dieser letzte Teil ist der umfassendste und anregendste.
Es gelingt hier dem Verf. ciceronischen Wortwitz aufzudecken, wo er
bis jetzt nicht gefunden oder nicht genügend ausgebeutet wurde. So
findet er in dem Apronius (vgl. unsere Familiennamen Eber und
Eberle) das andere Ich des Verres (cf. III, 84 Verrem alterum) auch
dem Namen nach; vgl. bes. III, 23, wo von dem odor Apronii die Rede
ist, ib. § 62 cum interea Apronius caput atque os suum unguento con-
fricaret verbindet er nicht uneben suum mit unguento! — In der Er-
wähnung des Eutychus in der Rosciana § 46 findet er eine deutliche
Anspielung auf Sulla den Glücklichen, Felix. — Cato wird in der Mu-
reniana nirgends mit seinem Gentilnamen Porcius, mit seinem Vornamen
nur § 13 genannt, so dafs es fast aussieht, als wolle der Redner den Cato
(catus schlau!) als den Dummen an den Pranger stellen (vgl. Strenge zu
Mur. § 3). — Ja, sogar Caesar kommt nicht ungerupft davon; in der
Sestiana § 132 findet H. in den Worten »qui Caesarem, mitem homi-
nem et a caede abhorrentera, saepe increpuit, saepe accusavit, cum
affirmaret illum numquam, dum haec natio viveret, sine cura futu-
rum« eine leise Anspielung auf den blutigen Sieg, den Cäsar wenige
Monate vorher über die Nervier errungen. »Cäsar, der sich so gut
darauf versteht nationes delere et concidere (wie die Vernichtung des
Nervierstammes zeigt, de b. g. 2, 28), wird von Clodius unablässig auf-
gefordert, doch auch diese natio optimatium zusammenzuhauen«.
Or. pro Roscio Araerino.
3) P. Dettweiler, Untersuchungen über den didaktischen Wert
ciceronianischer Schulschriften. 1. Die Rede pro Roscio Amerino.
Halle a. S. 1889. 82 S.
Der als Gelehrter wie als Schulmann gleich tüchtige Verf. prüft
in dieser interessanten Schrift den Wert der Rosciana nach den Gesetzen
der didaktischen Psychologie und kommt bei dieser skrupulösen Prüfung
zu dem Resultate, dafs diese Schrift erzieherische Ideen nur in ge-
ringem Mafse enthalte und deshalb aus dem Kanon der Schullektüre ver-
Or. pro Roscio Amerino. 5
schwinden müsse. Der Wert der Rosciana als Schulrede hat von jeher
eine verschiedene Beurteilung erfahren. Um nur die Urteile zweier her-
vorragender Pädagogen hier vorzuführen, so empfiehlt sie Naegelsbach
und nennt sie die erste welthistorische That Ciceros, während Eckstein
sie aus formalen Gründen verwirft. Ich habe die Rede wiederholt mit
Gymnasiasten gelesen und immer gefunden, dafs die Schüler an dem
warmen Ton, mit dem Cicero für seinen Klienten eintritt, selbst warm
werden, dafs ihnen der Mut des jungen Advokaten, der gegen Sulla und
seinen allmächtigen Günstling mit ebensoviel Mut als Geschick auftritt,
imponiert, ja dafs ihnen gerade die mitunter etwas zu schwülstige und
überladene Ausdrucksweise sogar gefällt. Und warum? weil diese ver-
bositas und diese redundantia gerade die charakteristischen Eigentüm-
lichkeiten der Altersstufe sind, der sie selbst angehören. Andere mögen
ähnliche Erfahrungen mit dieser Rede in der Schule gemacht haben.
Denn wie wäre es sonst zu erklären, dafs trotz des neuerdings auf sie
geschleuderten Bannstrahles allerwärts in den Jahresberichten der An-
stalten die Rede als gelesen verzeichnet wird? Vgl. auch Kornitzer Z.
f. d. österr. Gymn. 1892 S. 454 Fufsnote und besonders Weissenfeis
I. 1. S. 73 f.: »Was diese Rede auszeichnet und vor allem für das Stu-
dium unserer Jugend geeignet erscheinen läfst, ist die sittliche Wärme
und Wahrheit, mit welcher er seinen Klienten verteidigt«.
4) E. Lincke, Zur Beweisführung Ciceros in der Rede für Sextus
Roscius aus Ameria. Commentationes Fleckeisenianae S. 187 — 198.
Der Aufsatz Linckes verfolgt den Zweck, durch eine Zusammen-
stellung der Mängel in der Beweisführung Ciceros die Unzuverlässigkeit
seiner Behauptungen zu zeigen. Dafs die in dem I. Teile der Beweis-
führung von Cicero gegen das Vorhandensein einer Feindschaft zwischen
Vater und Sohn vorgebrachten Gründe nicht stichhaltig seien, habe ich
in meinem gröfseren Kommentar zur Rosciana S. 214 f bereits ausein-
andergesetzt. Lincke führt diese Erörterungen weiter aus; auch der fol-
gende Nachweis, dafs S. Roscius den Mord überhaupt nicht habe be-
gehen können, sei wenig überzeugend; nur aus dem Umstände, dafs
die Gegner die Auslieferung der Sklaven zum Verhör verweigerten, gehe
die Unschuld des S. Roscius deutlich hervor. — Auch bezüglich des
II. Hauptteiles, in welchem Cicero die Schuld des Mordes auf die Geg-
ner seines Klienten wälzen will, hob ich im Kommentar S. 289 bereits
hervor, dafs man den Schlufsfolgerungen Ciceros nur mit Vorsicht Glau-
ben schenken dürfe. So bringen Linckes Ausführungen in der Haupt-
sache zwar nichts Neues, immerhin ist die zusammenfassende und ein-
gehende Betrachtung der einzelnen Glieder der ciceronischen Beweisfüh-
rung ein dankenswerter Beitrag zur unparteiischen Beurteilung des fak-
tischen Thatbestandes.
Or. pro Roscio Amerino.
5) A. Spcngcl, Zu Cicero pro Sexto Roscio Amerino. Bl. f. d.
Gymnasialwesen 1891 S. 273 — 279.
Herr Gymnasialrektor Spengel bespricht in vorliegendem Aufsatze
scharfsinnig eine Anzahl von Stellen, an denen Halm einen Verstofs gegen
Ausdruck und Logik finden zu müssen geglaubt hatte. § 47 wird ohne
Zweifel odiosum est richtiger erklärt mit piget, vgl. Cat. m. § 47 odio-
sum et molestum est. Nimmt man diese Erklärung an, so ist der ganze
Gedanke korrekt durchgeführt. Der Fehler lag also bei Halm, der odio-
sus = gehässig fafste. An .zweiter Stelle wird besprochen c. 7 § 18
(nicht § 78!), wo Halm die Worte cum hie filius . . Romae esset als
eingeschobene Zwischensätze auffafste. Die von Spengel gegebene Er-
klärung habe ich bereits im kritischen Anhang meiner gröfseren Aus-
gabe S. 88 ff. niedergelegt, was Sp. entgangen zu sein scheint. Gegen
die Erklärung von c. 17 § 48 (nicht 18!) et ipsi = auch selbst spricht
der Umstand, dafs Cicero diesen Gebrauch von et ipse = item noch
nicht kennt, vgl. Iw. v. Müllers Note zu Naegelsbachs Stilistik 8. Aufl.
S. 367. — § 57 will Sp. die Worte alii vestrum anseres sunt . . . mor-
dere possunt als die geistreich sein wollende Texterweiterung eines Inter-
polators auswerfen. Wir können ihm darin nicht beistimmen. Wenn
Cicero die Ankläger nur mit den Hunden in Vergleich setzen wollte,
warum spricht er dann überhaupt von den Gänsen, ja leitet den Ver-
gleich mit den Worten ein anseribus cibaria publice locautur? Auch
weisen die Worte cibaria vobis praebei'i deutlich auf jene staatliche
Ernährung der Gänse hin. Endlich gewinnt, meine ich, der ganze Ver
gleich gerade durch die boshafte Bemerkung: alii vestrum anseres sunt?
einige von Euch Anklägern sind weiter nichts als dumme, ungefährliche
Schreihälse. — §7 wird brevis erklärt mit 'klein, gering"; brevis postu-
latio = eine bescheidene Forderung. — § 74 wird also hergestellt: si
per aliüs fecisse dicis, quaero [servosne an libcrosj, quos homincs? in-
didcmne etc. — § 120 wird die verderbte Stelle folgendermafsen lesbar
gemacht: "in dominos quaeri de servis iniquum est' anne quaeritur?
Sextus enim Roscius reus est; nequc enim cum de hoc quaeritur. 'in
dominum quaeritur' vos enim dominos esse dicitis = »Es ist unbillig.
die Sklaven gegen ihre Herren zu inquirieren. Geschieht denn dies?
Der Angeklagte ist ja doch S. R., und wenn inbetrcff seiner die Unter-
suchung angestellt wird, ist es keine quaestio in dominum, denn ihr
behauptet die Herren zu sein«. — Änderung der Interpunktion will Sp.
eintreten lassen: § 66 Videtisne . . . patiauturV Qu od nc pii quidem
sine scelere esse potuerunt, sie se res habet, während bis jetzt allgemein
mit 'sie se res habet' der neue Satz begann und zwar mit Recht. Denn
der ganze feierliche und nachdrückliche Ton der folgenden P^xpektora-
tion 'magnam vim, magnam necessitatem' etc. ist verwischt, wenn nicht
das darauf hinweisende und vorbereitende sie se res habet an der Spitze
Div. in Caec, Orr. Verrinae. 7
steht. Mit potuerunt hat der Redner den ersten Satz, der den Exkurs
über die unausgesetzte Verfolgung der Verbrecher durch die Furien ein-
leitet, beschlossen. Nun holt er Atem und schickt sich zu der morali-
schen Begründung dieser Thatsache an, als ankündigender Vorläufer der-
selben dient die vorausgeschickte Formel: Sic se res habet. § 138 nimmt
Sp. vielleicht mit Recht die Worte 'decerne modo recte' zusammen, wäh-
rend bis jetzt getrennt wurde decerne, modo recte. — Endlich § 152
probatum suis, filium. Es ist nicht zu leugnen, dafs die Rede kräftiger
wird, wenn tilius als besonderes Glied aufgeführt wird, vgl. § 88.
6) Kan, Mnemosyne XVIII S. 365
sieht § 146 in den Worten sine sanguine eine die Konzinnität störende
Glosse zu inte gram. Allein an derartigen uns überflüssig scheinenden
Zusätzen dürfen wir uns bei dem wortfreudigen Cicero, zumal in seinen
Jugendreden, nicht stofsen.
7) Pascal, Rivista di filolog. XXI S. 133
vermutet ansprechend § 104 sei zu schreiben num quid statt nunc quid.
Div. in Caec. Orationes V^errinae.
8) Die Divinatio hat zwei neue Erklärer gefunden, die sich be-
reits durch kommentierte Ausgaben der IV. und V. Verrina vorteilhaft
bekannt gemacht haben. Die deutsche Ausgabe von Hachtmann in der
Bibl. Gothana (1891) teilt die bereits an dessen Bearbeitungen der bei-
den Verrinen gerühmten Vorzüge und ist für die Hand des Schülers sehr
zu empfehlen. Der Text weicht nur unwesentlich von Nohl ab. Die
französische Ausgabe von E. Thomas (Paris 1892) ist mir nicht zuge-
gegangen. Wie ich aus der Besprechung Luterbachers im XVIII. Jahres-
bericht S. 9 ersehe, ist sie für Gelehrte bestimmt und reich an guten
Bemerkungen. »Für das Variantenverzeichnis hat Th. den cod. Parisinus
7776 (XI. Jahrh. nach Chatelain) neu verglichen, ohne dafs derselbe je-
doch auf die Gestaltung des Textes Einflufs gehabt hätte«. Kritische
Beiträge zu den Verrinen giebt J. S. Speijer in seinen Observationes
et emendationes (Groningae 1891). Vgl. dazu Stangl in W. f. kl. Phil.
1892 Sp. 131 ff. Nicht weniger als 14 Glosseme glaubt Sp. ausscheiden
zu müssen. Davon seien erwähnt Act. I § U [quaestura] primus gradus
honoris quid aliud habet in se nisi [Cn. Carbonem] spoliatum a quaestore
suo [pecunia publica, nudatum] et proditum consulem (Müller schliefst
primus gradus honoris nach Halm ein); act. II, 2 § 61 an is horao [Verres]
— Müller schliefst mit Kayser homo ein, was auch in Lg. 42 fehlt. —
II, 3 § 27 [hoc est de aratoribus]; § 40 [ut ad dimidias partes emendas],
§ 186 [de qua victoria]. Von seinen sonstigen Konjekturen seien hier
verzeichnet: Act. II, 1 § 136 apud quem non cuiusquam auctoritas, uon
gratia prae pretio valeret; Müller schliefst an d. St. das hinter auc-
g Or. pro Caec,, de imp. Cn. Pomp.
toritas überlieferte pro pretio ein; II, 4 § 90 will er an der schon viel
behaudelteu Stelle (s. unten) schreiben 'eins religioni te ipsum ac t'ide
(= fidei) vinctum' vgl. auch Mnemos. 1891 S. 386. Derselbe Gelehrte
eniendiert ebenda S. 199 II, 2 § 71 quoi rei privatae iudex esset statt
quod rei etc.
9) Die Schulausgaben der IV. und V. Verrina von A. Kornitzer,
Wien 1889 und 1890 sind empfehlenswert wegen ihrer guten Ausstattung.
Der Text sucht womöglich die Vorzüge von Müller und Nohl zu vereini-
gen. Eine Begründung der von ihm gewählten Lesarten und eigenen
Emendationen giebt er in ' dem Programm des Staatsgymnasiums zu
Nikolsburg 1891 »Textkritische Bemerkungen zu Ciceros Reden«. Die
Konjektur Jeeps IV § 2 ne in hospitis (st. oppidis) quidem wird gegen
Nohl und Luterbacher gut verteidigt. Seine Änderung IV § 90 te testi-
bus (st. isti) ist nicht neu, da schon Lehmann W. f. kl. Phil. II Sp. 656
so vorschlug, vgl. Jahresbericht pro 1889 S. 192. Ebenda habe ich den
Vorschlag Kornitzers V § 113 facinus exstinguere statt nos exst. zu lesen
für beachtenswert erklärt.
Or. pro Font ei o.
Zu den Fragm. Cusana s. Nr. 60.
Or. pro Caecina.
10) Pascal, Rivista dl filol. XXI S. 133
schlägt vor § 2 zu lesen quo de (codd. (juod) arguitur nach Rose. Am.
§ 118 si quo de dubitabitur u. ähnl. Stellen.
Or. de imp. Cn. Pompei.
11) Ciceros Rede über das Imperium des Cn. Ponipeius. Für den
Schul- und Privatgebrauch erklärt von Fr. Richter und A. Eberhard.
Vierte umgearbeitete Auflage. 1890.
12) M. Tulli Ciceronis oratio de inipcrio Cn. Pom}iei. Scholarum
in usum edidit A. Kornitzer. "Wien 1889.
13) M. Tullii Ciceronis de imperio Cn. Pompei. Rccensione e Note
dcl V. Turri. Turin— Rom 1892.
14) Ciceros tale de imperio Cn. Pomi»ti til skolebrug udgivet af
V. Vofs. II. oplag. Christiania 189 1.
Die Pompeiana gehört zu den wenigen Reden Ciceros, die sogar
in unsern Tagen, wo über den didaktischen Wert der ciceronischen Reden
so strenge zu Gericht gesessen wird, Gnade vor den Augen ihrer Richter
findet. Dcttweiler S. 106 seiner Untersuchungen (vgl. Nr. 58) und
Or. de imp. Cn. Pomp. 9
Weissenfeis 1. 1. S. 77 empfehlen sie, ersterer wegen ihrer Bedeutung
auch für die Gegenwart, letzterer wegen ihrer formellen Vorzüge als
Muster einer kunstvoll gestalteten Rede. Dafs die Schulmänner im Nor-
den und Süden Europas von diesem Werte der Rede überzeugt sind, be-
weisen die vielen Jahr für Jahr neu erscheinenden oder wiederholt auf-
gelegten Schulausgaben. In Deutschland gehört die kommentierte Aus-
gabe von Richter-Eberhard zu den bekanntesten und beliebtesten. Eber-
hard ist unablässig bemüht Text und Kommentar zu vervollkommnen und
trägt mit Bienenfleifs alles zusammen, was in Ausgaben, Zeitschriften,
Programmen, Rezensionen und Jahresberichten zur Kritik und Erklärung
dienliches sich findet. Der Text ist im grofseu und ganzen der gleiche
geblieben, doch werden die einzelnen Lesarten nicht selten im Kommen-
tar oder im Anhang tiefer begründet, so § 7 denotavit mit Note; § 18
rem publicam ipsam illa vectigalia postea victoria recuperare, s. Note
und krit. Anh. Dieser Versuch, die schwierige Stelle zu heilen, hat übri-
gens den Beifall des Schweden Vofs gefunden und ist von ihm in den
Text gesetzt worden.
Gleiche Sorgfalt verwendet Kornitzer auf die Textkonstitution
seiner Schulausgaben. In der Hauptsache folgt er auch hier C. F. W.
Müller, ohne sich gegen die Besserungen bei Nobl zu verschliefsen, vgl.
§ 28. 33. 67. Die Änderung Nohls § 46 communi <(consilio> Cre-
tensium hat er jedoch wie Eberhard abgelehnt. Das von C überlieferte
communi scheint mir indes Cicero zu gehören und mit Guilelmus in
a communi verbessert werden zu müssen. Cicero gebraucht commune
im Sinne von rw xocvav häufig in den Verrinen, vgl. a communi Siciliae
II § 114. 154. 168. Dazu kommt, dafs in Inschriften von Kreta (Bull, de
Corresp. Hell- Jan.-Fevr. 1889) sich wiederholt findet zoo^s rw xutv<b
Kpr^racecuv, vgl. Clark Anecdota p. LXI (s. Nr. 1). Aus all dem
scheint hervorzugehen, dafs unsere Stelle in der richtigen Weise von
Guilelmus verbessert worden ist.
Die italienische Schulausgabe von Turri gehört einer gröfsereu
Sammlung von Ausgaben lateinischer Schulschriftsteller mit kurxen Noten
an. Papier und Druck sind gut; die Noten erfüllen ihren Zweck; der
Text zeigt Bekanntschaft mit den wichtigeren deutschen Ausgaben. Ab-
weichend von der üblichen Paragraphierung sind die einzelnen Kapitel
für sich paragraphiert.
Einen sehr sauberen Eindruck macht die schwedische Ausgabe von
Vofs nach Form und Inhalt. Voran geht eine Einleitung, welche in zwei
Abschnitten über den mithridatischen Krieg und Pompejus handelt, am
Schlüsse ist eine Disposition der Rede beigegeben, ähnlich wie bei
Richter -Eberhard. Der Text ist im wesentlichen der Halm'sclie, doch
ist auch, wie bereits oben erwähnt, der Richter-Eberhard'sche nicht ohne
Einfiufs geblieben: die Rezension von Müller und Nohl scheint Vofs
nicht bekannt zu sein. Die Noten sind knapp und streng sachlich.
10 Or. de imp. Cii. Pomp.
15) Ciceros Rede De imperio Cn. Pompei, nach pädagogischen
Gesichtspunkten erklärt von E. T hürnen. Berlin 1890. 140 S.
Neu an diesem Kommentar zur Pünii)eiana ist die Betrachtung
und Erläuterung des Inhaltes der einzelnen Abschnitte nach der Herbart-
scben Interessenlehre und zwar nach dem empirischen, spekulativen,
ästhetischen, sympathetischen und sozialen Interesse; für das religiöse
Interesse bietet nach Th. die Rede kein Material. So anregend und
bildend diese Methode für den jungen Lehrer, insbesondere bei Seminar-
übungen sein mag, in die Schule selbst möchten wir sie nicht eingeführt
sehen. Natürlich muss auch die Interpretation in der Schule alle jene
von Th. bereits ausgeführten Gesichtspunkte, soweit sie zum Verständnis
und zur Erschliefsung der Rede und des antiken Lebens nach seinen
verschiedenartigen Seiten überhaupt inbetracht kommen, heranziehen,
allein derartige Ausführungen sollen meines Erachtens in unmittelbarer
und ungezwungener Weise aus dem Unterrichte selbst herauswachsen,
nicht aber erst künstlich mittels Anlegung des Interessenmafsstabes her-
ausgeprefst werden. Ich stimme in dieser Beziehung vollständig überein
mit dem, was mein verehrter Kollege Hammer bei Besprechung eben
dieses Buches in den Blatt, f. d. bayr. Gyranasiahv. XXVII, 242 sagt:
»Drängen sich die einen oder die anderen Gesichtspunkte unwillkürlich
auf, so müssen sie dem Schüler zum Bewufstsein gebracht werden, ohne
sie unter eine Schablone mit wissenschaftlichem Anstriche zu bringen.
Es erscheint als eine Versündigung an dem jugendlichen Geiste und ver-
kümmert ihm die unmittelbare Freude an der Lektüre, wenn er sich
Schritt für Schritt fragen mufs, wo er zwei oder drei oder gar sechs
'Interessen' finden kann.« - Bezüglich des Textes finden wir nur im
Vorwort die kurze Bemerkung, dafs er in dieser Rede keine besonderen
Schwierigkeiten biete; es wird auch nicht gesagt, wem der Herausgeber
in der Textkonstitution sich vorzüglich anschliefst. Vgl. auch die Be-
sprechung von Kornitzer in Z. f. d. österr. Gymn. 1891 S. 406.
16) J. Lange, Flcckeisen's Jahrbb. 1892 S. 356
emendiert ansprechend § 24 also: Mithridates autem et suum animum
(codd. suam manum) confirmarat et eorum. qui etc.
17) Th. Bernd t, Krit. Bemerkungen zu Griechischen und Römi-
schen Schriftstellern (Festschrift, Herford 1890).
S. 5 schlägt er vor §4 zu lesen qui postea, (cum) quam maximas
etc., verbindet also (juam mit maximas. Aber an der Überlieferung ist
nicht zu rütteln, .denn posteaquam mit Konjunktiv steht nicht nur bell.
Afr. 40, 5 und 50, 4, sondern auch Cic. de leg. II § 64, p. Cluent. § 181,
p. Deiot. § 36; s. den letzten Jahresbericht S. 196. 227. Die zu § 33
der Rede p. C'orn Balbo vorgetragene Emendation hat bereits Tschiassny
Or. pro Cluentio, de leg. agr. 1 1
in den Wiener Studien 1887 S. 325 f. gefunden, vgl. Jahresbericht LIX
(1889, II) S. 219.
18) Ludw. L'ahmeyer, Studien zur lat. Grammatik (Programm,
Görlitz 1891, 14 S.).
L behandelt die Allitteration in der Pompeiana nach ganz äufser-
lichen und teilweise willkürlichen Gesichtspunkten, ohne die übrige,
ziemlich reichhaltige Litteratur über diesen Gegenstand zu nennen oder
zu kennen. Vgl. Archiv f. Lexikographie VIII, 150.
Or. pro Cluentio.
Die causa Cluentiana haben zum Gegenstande zwei kleine Aufsätze
der Commentationes Philologicae Monacenses (Festschrift des Münchener
Philol. Seminars zur Begrüfsung der 41. Versammlung von Schulmännern
und Philologen) 1891.
19) Joannes Stöcklein, De iudicio luniano S. 196 — 200.
20) Franciscus Bell, Num Cluentius de crimine iudicii corrupti
causam dixerit S. 201—209.
Beide Arbeiten haben das Programm von C Bar dt, Zu Ciceros
Cluentiana (Neuwied 1878) zum Ausgangspunkt; vgl. darüber das Referat
im Jahresbericht XIV (1878, II) S. 204f. Stöcklein führt die Ansicht
Bardts weiter aus, dafs Cicero den Vorsitzenden des acht Jahre zuvor
spielenden Prozesses, C lunius, und die sieben dabei amtierenden Richter
nicht ausreichend von dem Verdachte der Bestechung durch Cluentius
reinige. Boll kehrt im Widerspruch zu Bardt zu der frühereu Annahme
zurück, dafs Cluentius aufgrund einer Bestimmung der lex Cornelia aufser
auf Giftmord auch der Richterbestechung angeklagt gewesen sei. Doch
scheint uns Boll die Unhaltbarkeit der wohlbegründeten Annahme Bardts
nicht völlig überzeugend nachgewiesen zu haben. Übrigens hätte auch
auf Hamiltons Einleitung zur Ausgabe der Cluentiana von Fausset
(London 1887) bezug genommen werden sollen, S. XIII ff.
Or. de lege agraria.
21) F. J. Drechsler, Z. f. d. österr. Gymn. 1892 S. 297
vermutet II, 5, 13 contio uvide exspectatur P. Rulli (codd. tundem,
Müller vakk). Ebenderselbe glaubt, dafs II, 19, 50 die Lücke vor d zu
suchen und dort ein dem ccrtisniniinn entsprechender Superlativ ausge-
fallen sei. Er schreibt deshalb ansprechend: qui item a censoribus locati
sunt, (viaximuniy et certissimum vectigiil. Cf. bes. de imp. Pomp. 2, 6.
12 Or. p. C Rab. perd.
Or. p, C. Rabirio perd.
22) G. Marabelli, Di un processo politico avvenuto negli Ultimi
tempi della repubblica Romana. Studio di storia antica e di filosofia
politica Savona 1890. 75 S.
23) 0. Schul tefs. Der Prozefs des C. Rabirius vom Jahre 63 v.
Chr. Progr. der thurgauischeu Kaiitonsschule zu Frauenfeld 1891.
Mit drei Anhängen. 77 S.
Während die erste Schrift mehr in philosophischer Weise die poli-
tische Seite des Rabirius-Prozesses beleuchtet (von deutschen Werken
ist nur Drumann und Mommsen beigezogen), haben wir in der Programm-
Abhandlung von Schultefs eine ebenso gründlich und sorgfältig durch-
geführte, als klar und interessant geschriebene erneute Untersuchung
dieses berühmten Rechtsstreites vor uns. Der Herr Verf. bemerkt zwar
im Vorwort selbst allzu bescheiden, dafs seine Arbeit keine eigentlich
neuen Ergebnisse biete, allein eine endgiltige Lösung dieser ganzen Frage
wird bei den schwer zu einander völlig in Einklang zu bringenden Nach-
richten der Alten über den Prozefsgang überhaupt nicht möglich sein.
Es kann sich also nur darum handeln, die Wahrscheinlichkeit der einen
und der anderen Ansicht durch möglichst minutiöse und exakte Prüfung
aller mit ins Spiel kommenden Momente zu vergröfsern oder zu verrin-
gern- Das hat denn auch Seh. in gewissenhafter und von grofser Sach-
kenntnis zeugenden Weise gethan Was seine eigene Stellungnahme zu
dem Prozesse anlangt, so kehrt er zu der von Niebuhr und Huschke
vertretenen Annahme eines Multverfahrens vor den Tributkomitien
zurück. Unseren Standpunkt in dieser Frage haben wir bereits wieder-
holt in diesen Jahresberichten (XXII, 1880. II S. 24lf.; XXXV, 1883
II S. 33 f.; LIX, 1889 II S. 197) präzisiert und sehen auch jetzt noch
in der von Cicero bekämpften Anklage nicht eine Mult, sondern eine
kapitale. Dieser Ansicht ist auch Hammer in den ßl. f. d. Gymnasial-
wesen 1892 S. 189: »Der auffallende Ausdruck § 8: multae irro-
gatio' pafst allerdings nur für eine Geldstrafe. Da deren Antrag aber,
wie im Anhange II gezeigt ist, auch zu kapitaler Bestrafung führte, so
widerspricht der Ausdruck, selbst wörtlich genommen, nicht der An-
nahme, es sei ein Perduellionsprozefs nach altem gestrengen' Verfahren
gewesen, aber durch ein spezielles, von Cicero veranlafstes (§ 10) Gesetz
gemildert und den neuen Bestimmungen angepafst worden. Ob der
Senat dies thun konnte, oder ob nicht vielmehr ein Plebiszit notwendig
war, dem ein Gutachten des Senates zugrunde lag, ist noch nicht abge-
macht.« Vergl. auch 0. Fischer in der deutschen Litter. -Zeitung 1892
No. 18 S. 599 und Kornitzer, Zeitschr. f. d. österr. Gymnasien 1892
S. 403 ff.
Orr. in Catil. 13
In L. Gatilinam orat. IV.
24) Ciceros ausgewählte Reden, erklärt von Karl Halm. III. Band :
die Reden gegen L. Sergius Catilina und für den Dichter Ärchias.
13, umgearbeitete Aufl., besorgt von G. Laubmann. 1891.
25) M. Tullii Ciceronis in L. Catilinam oratio prima. Recensione
e Note del V. Turri. Turin 1892.
Auch für die »berühmtena Catiliuarischen Reden als Schullektüre
scheint die Stunde geschlagen zu haben. Zwar will sie Dettweiler 1. 1.
S. 138 als »Meisterstück geschickten Drängens« trotz ihres geringen
pädagogischen Wertes immer noch den philippischen vorziehen, aber
Weifsenfels bricht den Stab über sie, indem er S. 78 sich also gegen sie
ausläfst: »Diese Verschwörung des Catilina entbehrt der wahren Gröfse.
Sie bietet nicht das erhabene Bild eines Sturmes, sondern ist vielmehr
einem ekelhaften, aus verdorbenen Säften des Staatskörpers entstandenen
Geschwüre vergleichbar. Es will mir fast scheinen, als versündige
man sich an der Jugend, wenn man, anstatt solche Dinge in einer Ge-
schichtsstunde kurz abzuthun, die historischen Dokumente dieser Ver-
schwörung langsam lesend und erklärend, ein ganzes Semester hindurch
Schüler dieses Alters dabei festhält.« (Ein ähnliches Urteil fällte bereits
Gebhardi in Fleckeis. Jahrbb. 1878 Bd. 118, S. 242). Die Zukunft wird
lehren , ob auf diese schweren Vorwürfe hin die catilinarischen Reden
ihre Popularität in der Schule einbüfsen, ob das sprüchwörtliche quousque
tandem seine Zauberkraft auf Lehrer und Schüler verliert, ob die Halm-
sche Schulausgabe mit ihrer nunmehrigen dreizehnten (!) Auflage ihren
Höhepunkt erreicht hat oder nicht. Jedenfalls hat sie in der vorliegen-
den Neubearbeitung von Laubraann in gewisser Beziehung einen Ab-
schlufs erfahren, insofern als derselbe in Übereinstimmung mit C. F. W.
Müller und Nohl den Text der Reden nunmehr auf der Handschriften-
klasse a allein aufgebaut und konsequent umgestaltet hat — ein Ver-
fahren, das unbedingt vor dem in der 12. Auflage befolgten eklektischen
den Vorzug verdient. Der kritische Anhang ist praktischer und über-
sichtlicher angelegt und zeigt wie Einleitung und Kommentar eine ge-
naue Kenntnis der einschlägigen Litteratur. Da S. 17 Note 90 auf die
Programmabhandlung von Charabalu, Neuwied 1888 hingewiesen ist (vgl.
Jahresbericht LIX, 1889, II S. 201), so benutze ich die Gelegenheit, auf
den wie es scheint nicht bekannten Aufsatz von Treuber Ȇber die
vier catilinarischen Reden« im Korrespondenzblatt f. Gel. u. Realschulen
Württembergs 1879 S. 31 — 67 aufmerksam zu machen, in welchem be-
züglich der 4. Rede vielfach eine ähnliche Anschauung wie bei Chambalu
vertreten wird. Bezüglich der italienischen Schulausgabe der 1. Catili-
narischen von Turri sei auf das über die Ausgabe der Pompeiana
14 Orr. in Catil.
desselben Herausgebers gefällte Urteil verwiesen, das auch für diese
Rede Geltung hat.
26) III § 5 lesen die Handschriften 'occulte ad pontcm Mulvium
pervenerunt atque ibi in proximis villis ita bipertito fuerunt'. Polle,
Fleckeisen's Jahrbb. 1891, S. 280 vermutet für das matte fuerunt an-
sprechend latuerunt.
27) K. Füfslein, Über Ciceros erste Rede gegen Catilina. Oster-
programm des Dom-Gymnasiums zu Merseburg 1889. 20 S.
Der Verf. verteidigt in seiner lesenswerten Abhandlung die erste
katilinarische Rede mit Glück gegen den von Richter — Eberhard u. a.
erhobenen Vorwurf, sie entbehre einer sorgfältigen Disposition und einer
streng logischen Ausführung. Die auf S. 16 — 18 zusammengefafsto über-
sichtliche Disposition ergiebt eine ebenso ungezwungene wie überzeu-
gende Gliederung der mit Unrecht angegriffenen Rede. Für die Erklä-
rung der Rede in der Schule bietet das Programm vielfache Belehrung
und Anregung.
28) Kornitzer, Zur vierten katilinarischen Rede. Z. f. d, österr.
Gymn. 1891 S. 389 fi'.
K. weist durch Samniluug der einschlägigen Stellen aus Sallust
und Cicero nach, dafs die vierte katilinarische Rede nicht wie in dem
Argumentum C. F. W. Müllers zu lesen II, 2 S. 287 im Tempel des
Juppiter Stator gehalten wurde, sondern im Tempel der Concordia, vgl •
Sali. Cat. 49, Cic. p. red. in sen. § 12. 32, Sest. 26. 28. Phil. II, 16. 19'
ep. Att. 2, 1, 7.
29) Levi behandelt in Riv. di filol. XX S. 144ff. eingehend 111 § 22
und schlägt die Einklamraerung resp. Tilgung der Worte 'illa Allobrogum
soUicitatio' vor, die in unseren neueren Texten nach Mommsen längst
entfernt sind. Dagegen sucht sie gegen Levi zu lialten P^rcole ebenda
XXI S. 137Ö-.
Or. pro Murona.
30) Ciceros Rede für L. Murena für den Schulgebrauch erklärt
von Julius Strenge. Bibl. Goth. 1892.
31) M. Tulli Ciceronis pro L Murena oratio. Scholarum in usum
edidit AI. Kornitzer. Wien 1891.
32) M. TuUii f^iceronis oratio pro Murena. Texte Latin avec une
introduction et un commentaire critique, historique et grammatical par
Ferd. Antoine. Paris, Garnier freres, 1891.
33) M. T. Ciceronis oratio pro Murena. Edition revue sur les
meilleurs textes . . . par M. L. Mellerio. Paris, Delalain Ireres 1890.
Or. pro Murena. 15
34) M. Tullio Cicerone. Discorso in difesa di Lucio Murena con
proemio e note di Arturo Pasdera. Torino, Loescher 1891.
Mau beginnt der Mureniana, die lange Zeit wegen ihres schlecht
bestellten Textes in den Schulen wenig gelesen wurde, in neuerer Zeit
mehr und mehr Beachtung zu schenken. Dies beweisen die nicht nur
in Deutschland, sondern auch in Frankreich und Italien erscheinenden
Schulausgaben. In Deutschland stellt sich die von Direktor Strenge
würdig an die Seite der Halm'schen und Koch-Landgraf'schen. Der
Verf. hat mit grofsem Geschick den Rahmen eines Schulkommentars bei-
behalten und seine sprachlichen wie sachlichen Noten sind in hohem
Mafse geeignet, dem Schüler das Verstcändnis dieser gar nicht leichten
Rede zu eröffnen. Für die Erklärung sind die neuesten einschlägigen
Arbeiten mit Sorgfalt benutzt, besonders auch die von Herwig über das
Wortspiel in Ciceros Reden (vgl. No. 2); docli geht er mit ihm manch-
mal etwas zu weit im Aufspüren von beabsichtigten Wortspielen, z. B.
§ 16 notior. In der Gestaltung des Textes ist Str. der Ausgabe von
C. F. W. Müller gefolgt; die Abweichungen von ihm sind S. IV und V
des Vorwortes aufgezählt; in den Ergänzungen diente besonders Nohl
als Wegweiser; eigene Vermutungen hat der Verf. nicht in den Text
gesetzt. Im einzelnen habe ich mir Folgendes notiert: § 2 cum salute]
die Note über cum ist für diese Stufe überflüssig. — ib. hoc quidem in
tempore] das zweimal unmittelbar einander folgende »darauf« ist hart.
— § 3 rationis normam] »eigentlich der Mafsstab (Gnorimaa). Diese
Form »gnorimaa wird der Schüler an dieser Stelle nicht verstehen, sie
mufs als Erläuterung hinter norma gesetzt und dazu bemerkt werden =
»aus gnorima«. — Unrichtig erklärt ist § 21 adsiduitatis et operarum
harum cotidianarum putat esse consulatumj «die tägliche Agitation und
Wühlerei, wie sie vom Angeklagten (harum) betrieben worden ist«>
denn wie das folgende zeigt, spottet ja Cicero über dieses Kleben
(assiduitas) am Forum und über diese täglichen Plackereien auf
dem Forum, auf welchen nach des Sulpicius Meinung das Wesen
des Konsulats beruht! - § 22 Überflüssig ist die Note qui = quomodo
etc. und § 23 über die Form arbitrere; unverständlich § 22 aquae
pluviae] ein häufiger Gegenstand der Klage waren die iura stillici-
diorum (ohne Erklärung!); sarkastische Antithese. -^ Überhaupt dürfte
m. E. der Verf. im Gebrauche der Fremdwörter und der gehäuften An-
wendung von Term. techn. etwas vorsichtiger sein. So begegnet häufig
Paraphrase st. Umschreibung (z. B. § 28. § 29. § 35 paraphrasierend);
§ 29 wird exercitatio mit Routine erklärt; ebenda mit manirierter
Bescheidenheit, § 32 mit assertorischer Kraft; Kap. 33 thetische
Einführung der Occupatio u. s. w. Etwas breit ist die Note § 27 rau-
lieres]. — Druckfehler sind selten, doch z. B. § 32 Schlscht statt
Schlacht; ebenda befremdet die Übersetzung von ad confirmandas
] f, Or. pro Miirona.
ratioiies belli] mit »um die Pläne des Krieges festzulegen«. — Mehr
als in anderen Kommentaren ist das Augenmerk des Schülers auf die
Bedeutung und Kraft des vorausgestellten Tonwortes gelenkt, so § 46
gestus est mos, vgl. Nep. Them. 7, 3; § 4V, 51 u. s. w. — § 65 erklärt
Str. die Worte te ipsum iam usus flectet, dies leniet, aetas mitigabit]
»der langsam zunehmende Tag und das zunehmende Alter im
Gegensatz zu dem Augenblicke mit seiner leidenschaftlichen Erregung«.
Die Wendung war sprichwörtlich, wie aus den von mir z. St. citierten
Belegen Cael. § 77 u. Cic. fara. 6, 13, 2 hervorgeht; man vgl. noch Verg.
Aen. 5, 783 quam (Iiinonem) noc longa dies pietas nee mitigat ulla
und Curt. 6, 3, 8 (vielleicht in Nachahmung Vergils) quas longior dies
mitigat. An diesen Stellen bedeutet aber (longa) dies nicht den langsam
zunehmenden Tag, sondern »kollektiv die lange Reihe der Tage, die
Zeit, deren abschwächendem Einflüsse alles unterworfen ist« (s. Gebhardi
und Brosin z. St.).
Die Ausgabe von Kornitzer ohne Anmerkungen gehört der Wiener
Sammlung an, deren Anlage wir schon in den frühereu Jahresberichten
als zweckmäfsig bezeichnet haben. Auch der Text dieser Rede ist in
der Hauptsache der MüUer'sche, doch ist die Zahl der Abweichungen
bei Kornitzer eine gröf^^ere als bei Strenge. Über einige derselben
werden wir unten sprechen. § 49 hat er seine eigene Vermutung spe
multorum st. niilituin in den Text gesetzt, vgl. meinen letzten Jahres-
bericht S. 204, wo ich vorschlage spe mi<(uistroruni atque satel) litum.
Ausführlicher begründet hat Kornitzer seine Konjektur im Progr. des
Nikolsburger Staatsgymnasiums 1891 S. llff.
Von den beiden französischen Ausgaben ist die von Antoine
ohne Zweifel die wissenschaftlichere. Mellerio schreibt zwar auf den
Titel seiner Ausgabe 'revue sur les meilleurs textes', aber der jüngste
Text, den or benutzt, ist der von Halm in den beiden Ausgaben; weder
die Textrezension von Müller noch die von Nolil, noch die 2. Aufl. des
Koch'sclien Schulkommentars ist beigezogen. Ebenso wie der Text ist
auch die Orthographie veraltet, man begegnet Schreibungen wie tril)u-
nifios, iwio; die Erklärung ist oft zu dürftig, der Druck der Noten viel
zu klein. Alle diese Ausstellungen treffen die Ausgabe von Antoine
nicht: Einleitung und Noten legen Zeugnis davon ab, dafs die ganze
einschlägige Litteratur sorgfältig benutzt ist. Für Schulzwecke wäre es
jedenfalls mehr anzuraten, die zahlreichen kritischen Noten aus dem
Kommentar selbst verschwinden zu lassen und in einen besonderen An-
hang zu verweisen: was soll z B. dem Schüler die lange Note § 11 über
die krit. Geschichte der Worte nee industrius quisquam nutzen?
Im übrigen hat diese französische wie auch die italienische von Pasdera
mehr deutschen Züsclinitt; die letztere zeigt mit ihren zwei Anhängen,
einem sachlich-spracliliclien und einem kritischen, grofse Älinliclikeit mit
der 2. Auflage der von mir bearbeiteten Koch'schen. Was die Text-
Or. pro Murena. 17
konstitution anlangt, so wandelt Antoine konservative Bahnen und stimmt
mehr mit Müller überein, während Pasdera sich an Nohl anlehnt. Auch
Pasdera ist in der deutschen Litteratur gut bewandert, er kennt alle
wichtigeren Beiträge zur Rede, doch citiert er konstant Stangel statt
Stangl. Beide Ausgaben verdienen Beachtung von selten der deutschen
Gelehrten. Einige Bemerkungen und Berichtigungen zu Antoine mögen
das Referat beschliefsen. § 3 nimmt Antoine (wie auch Kornitzer) meine
Emendation uni versa (st. una) res publica an, in der Note ist Müllers
Lesung unrichtig angegeben; S. 9 im Texte ist der Druckfehler exitismo
statt existimo stehen geblieben; S. 12, Z. 3 im Texte sollte caeteris in
ccteris geändert werden; S. 14 Note 10 mufs es im Citat aus Verg.
Aen. 9, 200 heifsen summis st. commis; S. 30 Note 19 möchte ich Ant.
bezüglich des Sprichwortes cornicum oculos configere auf Otto, die
Sprichwörter der Römer 1890 s. v. cornix und auf Vannucci, Proverbi
lat. illustrati II, 152 verweisen. — S. 75 Note 7 ändere quippaim in
quippiam; zu § 63 mediocritate qua dam vgl. Wölfflin im Archiv III,
459 'quadam = ut ita dicam deutet an, dafs der Ausdruck mediocritas
{= /isoorr^g, was mit medietas zu übersetzen er sich nicht getraut, vgl.
Tim. 7) nicht allgemein bekannt sein werde'. Doch läfst er in den spä-
teren philos. Schriften Off. 1, 89 u. 2, 60 quidam weg. — Zu § 76 vgl.
die Nachahmung der Stelle bei Vell. Pat. 2, 1, 2 publicam magnificentiam
secuta privata luxuria est. Gut ist die Bemerkung zu § 83: 'Cic. dit
non cupidus, parce que le compose avec in ou ne negatif (incupidus,
necupidus) n'existe pas'.
35) J. K. Wijga, De viris illustribus. Groningen 1890
stellt folgende Thesen auf: § 44 sei zu lesen domos omnium candida-
torum concursent et ex vultu coniecturam faciant; § 45 et cui non
aperte inimici sumus, etiam alienissimi (Lagom. 9) in capitis periculis
amicissimorum officia et studia paramus.
36) A. Kornitzer, Zum Canon der in der Schule zu lesenden
Reden Ciceros. Z. f. d. österr. Gymn. 1892 S. 453—461.
In den für die österreichischen Gymnasien erlassenen Instruktionen
sind S. 38 als zunächst zu lesende Reden aufgeführt: de imp. Cn.
Pompei, in Catilinam, pro Sex. Rose. Am., in Verrem IV und V, pro
Sulla, pro Archia, pro Sestio, pro Milone, Philippica II. K. vermifst
mit Recht in diesem Canon die Rede pro Murena, für deren Aufnahme
in die Zahl der empfehlenswerten Reden er mit grofser Wärme eintritt.
Kühler urteilt über ihre Bedeutung in pädagogischer Hinsicht Weifsen-
fels 1. 1. S. 78 f.
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXVI. Bd. (1898. II.)
]8 Or pro Sulla, pro Archia.
Or. pro Sulla.
37) M. Tulli Ciceronis or. pro P. Sulla, pro A. Licinio Archia
poeta. Scliolarum in usum ed. AI. Kornitzer. Wien 1889.
Die Einrichtung der Kornitzer'schen Schulausgaben ist bekannt.
Der Text ist mit Umsicht gestaltet, zwar im Wesentlichen nach Müller,
doch auch das Gute von anderen nicht verschmähend; vgl. § 1 aut
antea-aut post (Pluygers), § 30 de supplicio, de vinculis (Jeep, Land-
graf, Nohl); § 44 cur, cum videres (Nohl); ib. mecum ut cum fami-
liarissimo; §48 multa cognovit (Lambin, Landgraf); § 55 sed tarnen
ut muneri servir et (Landgraf); § 66 metum vobis caedis seditionisque
(Madvig, Landgraf, Nohl); § 73 quae domesti-ca celebratio (Pluygers,
Landgraf).
Or. pro Archia poeta.
In der Beurteilung der Rede pro Archia als Schullektüre nimmt
ohne Zweifel die neuere Pädagogik einen richtigeren Standpunkt ein als
die ältere. Denn während Eckstein und Nägelsbach dieser Rede einen
Platz in der Schule nicht einräumten, weil nur solche Reden zu lesen
seien, welche entweder für die Geschichte Ciceros oder für die Ge-
schichte Roms von Bedeutung seien, nennen sie Dettweiler und Weifsen-
fels eine Schulrede xar e^o'/^r^v. »Aus beredtem und berufenem Munde
tönt hier dem Schüler das Lob der humanen Bildung, zu welcher ihm
der Verkehr mit den Geisteswerken des Altertums verhelfen soll.« Ein
Beweis ihrer internationalen Beliebtheit sind die zahllosen Ausgaben,
welche alljährlich mit und ohne Kommentar in Deutschland, England,
Italien und besonders in Frankreich auf den Büchermarkt gebracht
werden. Für den diesmaligen Jahresbericht liegen uns vor:
38) M. Tullii Ciceronis pro Archia con prefazione ed annotazioni
stilistiche e storiche segnito da una adnotatio critica per cura del
Prof. Ad. Cinquini. Milano 1889.
39) Cicero pro Archia, edited by A. H. Allcroft and F. G.
Plaistowe. London 1892.
39 a) Cicöron. Plaidoyer pour Archias. Explique litteralement,
traduit en fran^ais et annote par M. Chanselle. Paris 1891.
Bei Halm-Laubmann, 13. Auflage, ist die Rede vereinigt mit
den Catilinarischen (s. No. 24), bei Kornitzer mit der Sullana (s.
No. 37).
Die italienische Ausgabe von Cinquini empfiehlt sich durch ihr
wissenschaftliches Gepräge. Text und Kommentar zeigen Vertrautheit
mit der einschlägigen deutschen und französischen Litteratur. Besonders
die Ausgaben von E. Thomas hat Cinqu. ausgiebig benutzt. Auch dessen
Or. pro Archia, pro Flacco. 19
Text ist neben dem Müller'schen in erster Linie berücksichtigt worden.
Wir erwähnen folgende Einzelheiten: § 4 schreibt er mit Hirschfelder
(u. Nohl) Antiochiae, celebri quondam <in> urbe, dagegen lassen Müller
und Laubniann mit Recht i n weg, bei Kornitzer fehlt es im Texte, aber
unter seinen Abweichungen vom Müller'schen Texte führt er S. V celebri
quondam in urbe an. § 4 steht bei Cinquini Archias . . . coepit im Texte,
aber Archias . . . contigit als Lemma in der Note. Störend ist es,
dafs Text und Kommentar nicht Seite für Seite genau stimmen, sondern
meist die Note um eine Seite den zu erklärenden Textworten voraus-
geht. § 5 schreibt Cinqu. mit Jeep prima affuit, § 9 mit E. Thomas
(1883) in tabulis nullam lituram, nomen A. Licini videtis und § 10 mit
eben demselben haud gravatim, Kornitzer tilgt mit Halm u. a. das
handschriftliche gratuito und § 11 pro cive. § 18 ändert Cinqu. mit
Recht et in ex nach Müller, schweigt aber in der Adnotatio crit. dar-
über. § 19 setzt Kornitzer die Konjektur von Polle delubrum ei suo
in oppido in den Text, bei Cinqu. ist die Notiz hierüber im kritischen
Anhang nicht ganz genau.
Die englische Ausgabe ist vorzüglich ausgestattet, hat aber eine
ganz eigentümliche Einrichtung. S. 1 - 15 Einleitung, S. 17 — 28 Text
(der Müller'sche!), S. 29 — 47 Noten, S. 48— 54 Verzeichnis der Eigen-
namen mit historischen Erläuterungen Nun folgt ein neu paginierter
Teil, enthaltend S. 1 — 4 sprachliche und sachliche Repetitionsfragen,
S. 5 — 16 ein nach Kapiteln geordnetes Vokabularium. Für welche Stufe
dieses eigentlich gedacht ist, ist mir nicht klar geworden, denn es sind
Wörter wie index, pueritia, sermo, legatus, saepe aufgeführt, der Form
nach erklärt und übersetzt! Den Beschlufs macht eine Übersetzung der
Rede ins Englische S. 1 - 14. Wenn dem Schüler diese Ausgabe mit
Kommentar, Vokabular und Übersetzung in die Hand gegeben wird, dann
weifs ich nicht, wie noch von einer Selbstthätigkeit des Schülers oder
des Lehrers die Rede sein kann.
Ähnlich, aber von noch geringerem Werte für die Wissenschaft wie
für die Schule ist die französische Ausgabe von K. Chan seile. Die-
selbe gehört zu einer Sammlung von Ausgaben, welche den vielver-
sprechenden Titel führt: 'Les autcurs Latins explique d'apres une ra6-
thode nouvelle par deux traductions frangaises'. Seite 1 bringt eine
Inhaltsangabe. Seite 2 beginnt der Text der Rede; unter dem Texte
findet sich die fortlaufende Übersetzung und auf der gegenüberliegenden
Seite in zwei Spalten eine wortwörtliche Übersetzung des in Einzelteil-
chen zerlegten Textes, wie iudices, si quid | luges, si quelque genre.
S. 54—60 geben kurze erklärende Noten.
Or. pro L. Flacco.
40) F. J. Drechsler, Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 1892 S. 297
vermutet § 64 (nicht 6) es sei gnbemaret zu lesen anstatt generaret, eine
2*
20 Orr. post rediliim, pro Caelio.
V>rniutung, die bereits Th. Stangl in seinen Tulliana (Progr. d. Luitpold-
gymnasiums in München) 1888 S. 7 niedergelegt hat.
S. auch unter Fragmente, No. 60.
Or. cum senatui gratias egit.
41) F. J. Drechsler I. 1. S. 298 verteidigt die hss. Überlieferung
in den von verschiedenen Gelehrten verdächtigten Worten § 30 '^omnis
erit aetas mihi ad eorum erga me merita praedicanda'; es scheine eine
Wendung der Umgangssprache vorzuliegen, vgl. Richter zu Verr. IV § 50-
Or. cum populo gratias egit.
§ 3 schreiben die Hss. reliquao meae fortunae reciperatae plus
mihi nunc voluptatis adferunt quam tum incolumüatia adferebaut, Müller
mit Halm tum in incolumitate; Drechsler empfiehlt a. a. 0. quam statu
incolumitatis. Allein an dem überlieferten tum, das in scharfem Gegen-
sätze zu nunc steht, darf nicht gerüttelt werden. Ich vermute, dafs
(^phnae) vor oder nach incolumitatis ausgefallen ist. Die Umschreibungen
mit plenus sind bei Cicero sehr beliebt, wie ein Blick in das Lexikon
von Merguet zeigt.
Or. de domo sua.
42) F. J. Drechsler, Zeitschr. f. d. österr. Gymn. 1. 1. will § 8 also
gestalten: nee cum iis sentio, qui (contra) statuuut minus bonis terapo-
ribus, in senatu (cuvi) ipsi non venirent . . . Die Stelle scheint mir
auch so noch nicht in der Ordnung zu sein.
Ebenda § 99 emendiert er (allerdings nach einem Winke Müllers):
Quare dirumpatur licet ista furia atque (/ax)\ audiat' etc.
Ebenda § 136 ergänzt Drechsler 1. 1. ansprechend: Quam quidera
rem quanta (iractaverit) severitate quantaque diligentia.
43) Or. de haruspicum responsis § 4
vermutet Drechsler 1. 1. mobilis für das unpassende nobilis. Doch
scheint mobilis zwischen furens und vulneratus zu schwach zu sein.
Or. pro Caelio.
44) In den Worten § 11: tarnen infamiam veram effugere non
poterat hat sich das überlieferte Adjektiv verus viele Änderungen ge-
fallen lassen müssen, vgl. C. F.W. Müller zur Stelle, der es dadurch zu
stützen sucht, dafs er es im Sinne von =' rechtmälsig, berechtigt' aufi'afst.
In diesem Sinne ändert Vollgratf in seiner Ausgabe vere meritam und
Wijga de viris illustribus Groningen 1890 (These) vermutet veritam.
Will man überhaupt ändern, so wäre vielleicht meram das einfachste,
Or, de prov. cons., p. Mil. 21
doch gebraucht Cicero dieses Adjektiv nur in den Briefen. — Ebenda
stellt Wijga die weitere These auf § 16 sei perpetuum silentium zu
schreiben anstatt perpetuam licentiara.
Or, de provinciis consularibus,
45) E. Müller, Ciceros Rede de provinciis consularibus ins Deutsche
übersetzt. Progr. Kattowitz 1889. 75 S.
46) Bernhard, Über Ciceros Rede von den Konsularprovinzen.
Progr. des Vitzthumschen Gymnasiums in Dresden 1890. 28 S.
In dem ersten Programm läfst E. Müller seiner im Jahre 1886
veröffentlichten Einleitung zur Rede von den Konsularprovinzen (s. Jahres-
bericht pro 1886 S. 250) eine im guten Deutsch abgefafste Übersetzung
folgen. Im dem Dresdener Programm erhalten wir von Herrn Rektor
Dr. Bernhard ein klares und vollständiges Bild der Vorgänge, welche
die plötzliche Sinnesänderung Ciceros im J. 56 und seine Schwenkung
zum Lager Caesars herbeiführten. Das mit grofsem Fleifs gesammelte
und geschickt verarbeitete historische und antiquarische Material ist ein
schätzenswerter Beitrag nicht nur zum Verständnis der ganzen Rede
wie einzelner Stellen (vgl. bes. S. 14 zu § 9, S. 15 zu § 11, ibid. zu § 17
u. 36, S. 16 ff. zu § 1, S. 18 zu § 36, S. 22 Fufsnote zu § 45), sondern
auch der übrigen gleichzeitigen Litteratur. Am Schlüsse S. 25 ff. wird
die berühmte Rechtsfrage zwischen Caesar und dem Senat in Kürze be-
sprochen.
Oratio p. Milone und die orr. Caesarianae.
47) M. TuUii Ciceronis pro T. Anuio Milone, pro Qu. Ligario,
pro rege Deiotaro orationes. Scholarum in usum edidit R. Noväk.
Prag 1892.
Der Text Novaks ist auf dem Nohls aufgebaut, doch ist die Zahl
der Abweichungen von ihm immerhin noch eine sehr erhebliche, wie sich
das von einem so selbständigen Kritiker wie Novak nicht anders erwarten
läfst. Nach seinem auch bei anderen Schriftwerken angewendeten kriti-
schen Verfahren sind auch in dem Texte dieser drei Reden eine nicht
geringe Zahl von Glossemen und Interpolationen angenommen Wir
vermögen ihm auf diesem Wege nicht zu folgen und werden uns daher
begnügen, seine eigenen, meist scharfsinnigen und gut begründeten Ände-
rnngen oder Änderungsvorschläge aufzuzählen. § 14 der Miloniana wird
die schwierige Stelle teilweise nach Bake also lesbar gemacht : aut (ille),
quo arma Saturnini oppressa sunt, etiam si e re publica <erat>, rem
publicam tamen non vulnerarunt. § 15 schreibt er mit E adparet
statt paret; wegen at adparet weist er auf Phil. 2, 14 at ad quos refert
hin. § 17 stellt er in Übereinstimmung mit dem zweiten Gliede her si
quis (St. qui der codd.) consularem, si quis humilem etc. § 37 wird
22 Orr- Caesarianae.
itaquc vor quando gestrichen. § 38 ändert er nach dem vorausgehenden
cum est lata auch das hss. agnovisset in ag novit § 41 zieht er die
Lesart von B irruisset der von ET ruisset vor 'cuius verbi non est
perf. in Cic. orationibus'. — § 47 streicht er non vor eo consilio. § 54
liest er morae et tergiversatio, befürwortet aber im Anhang die Lesart
von C mora et tergiversatio, weil Cic. auch an den übrigen Stellen der
Reden aufser Phil. 8, 17 den Plural von mora vermeide. — § 65 schiebt
er se vor coniurasse ein, ebenso § 52 vor Roma und § 95 ablaturam
<s e> esse in der Rede pro Deiotaro § 31 und 41; allein die Auslassung
des Subjektsaccusativs beim Infinitiv ist nicht nur den Komikern, Histo-
rikern und besonders dem Briefstil ganz geläufig (vgl. die Litteratur-
nachweise bei Schmalz, Latinität dos Asinius PoUio^ S. 33f.), sondern
auch in den Reden, so z. B. in der Rosciana § 59. 61. 74. 84. 97. 100.
126. — § 67 schreibt er an der noch nicht geheilten verdorbenen Stelle
cum tamen metuimus etiam nunc. — Aus derLigariana erwähnen wir
seine gewifs richtige Vermutung, dafs in dem Satze § 28 pacis equi-
dem semper auctor fui, sed tum sero das letzte Wort unpassend sei;
er schreibt dafür belli im Gegensatz zu pacis; palaeographisch näher
liegt ferri oder armorum unter Vergleichung von Deiot. § 29 ego qui
pacis semper auctor fui, suasor fuissem armorum ponendorum, wenn
nicht vielleicht suasor in sero steckt und zu schreiben ist suasor belli
oder armorum. Man darf hier nicht auf Stellen wie Marc. 14 hinweisen,
denn wie die folgenden Worte, besonders aber die kräftige Beteuerung,
omnes inquam vincere volebamus beweisen, macht Cicero hier die
kriegs- und siegesfreudigen Gedanken der Pompejaner zu den seinigen.
§ 31 schreibt N. tuorum necessariorum wegen eorum.
In der Rede pro Deiotaro § 2 entscheidet sich N. für die Les-
art von a perturber, 'quod verbum conturbare non legitur in bis
orationibus', dagegen perturbare noch § 1. 4. 7. 10; Mil. § 1. Ebenso
§ 12 für in quem a E^ statt ad quem unter Vergleich von Mil. 64. 100,
Plane. 83, Phil. 13, 9. — § 34 liest er mit Nohl ducimus, vermutet aber
in der Adnotatio virum ducimus oder ducem putamus; vgl. zur Stelle
auch Kornitzer in dem in der nächsten Nummer citicrten Programm
S. 17, der sich ebenfalls für ducimus entscheidet. § 40 wird mit ß
denegavisti geschrieben, weil § 9. 10. 19 und Lig. 19 immer die vollen
Formen sich finden, dagegen von der verkürzten in diesen Reden kein
Beispiel.
48) A. Kornitzer im Nikolsburger Programm 1891 S. 14 f. weist
überzeugend nach, dafs § 15 die Einschiebung Lehmanns von punien-
dum hinter interitum, die Nohl und auch Noväk in den Text gesetzt,
nicht nur überflüssig, sondern sogar störend sei. Ebenda S. 16 verteidigt
K. das in E fehlende omnis gegen Nohl.
Orr. Caesarianae. 2.3
49) Fr. Itzingcr, Index der in Ciceros Rede für Milo enthal-
tenen Metaphern und Angabe des Wandels der Wortbedeutung. Gymn.-
Progr. Budweis 1889.
Die fleifsige Sammlung der in der Miloniana vorkommenden Verba
nach etymologischen und sprachgeschichtlichon Gesichtspunkten und die
Erklärung des tropischen Gebrauches derselben fördert weniger die
Interpretation der Rede als das lateinische Wörterbuch, weshalb hier
diese kurze Notiz genügen mag.
50) L' orazione per il Ritorno di M. Gl. Marcello riveduta e com-
meutata da Rice. Cornali. Torinö, Löscher 1890. 27 S.
51) L' orazione in difesa del reDeiotaro riveduta e commentata
da Rice. Cornali. Torino, Löscher 1892. 30 S.
Die beiden Ausgaben von Cornali gehören einer 'Collezione di
Classic! Greci e Latini con note Italiene' an, welche sich durch ihren
wissenschaftlichen Charakter wie durch ihre zweckmäfsige Einrichtung
vorteilhaft von anderen ähnlichen italienischen Sammlungen auszeichnet.
Wie die Mureniana von Pasdera (vgl. No. 34) und die Pompeiana von
Tincani (s. den letzten Jahresbericht S. 193), zeigen auch die beiden
Bearbeitungen von Cornali grofse Vertrautheit mit der deutschen Litte-
ratur. Nicht nur dafs der Text auf C F. W. Müller beruht, auch für
die Erklärung sind in erster Linie die Kommentare von Halm-Laubmann
und Richter-Eberhard beigezogen, ja es wird bei grammatischen und
stilistischen Bemerkungen auf die deutschen Grammatiken von F. Schultz
und Ellend-Seyffert verwiesen. Um so mehr ist es mir aufgefallen, dafs
Cornali bezüglich des Streites über die Echtheit der Marcelliana nur die
ältere deutsche Litteratur kennt; die Dissertationen von Hahne (Jena
1876), Schwanke (Erlangen 1885), Siegfried Schmid (Zürich 1888)
scheinen ihm unbekannt geblieben zu sein. Auch der von ihm citierte
Aufsatz von Suster, 'de Plinio Ciceronis imitatore' (Rivista di tilologia
class. XVIII, 1889 p. 74 — 86) bringt keine neuen wichtigen Parallel-
stellen, die nicht schon Schwanke in der angeführten Dissertation ge-
sammelt hätte. Im Anschlufs daran giebt Cornali S. XXII eine Reihe
von Stellen aus den späteren Panegyrikern, an denen ihm eine Nach-
ahmung der Marcelliana vorzuliegen scheint, wie Paneg. X, c. 31 immor-
talitatis amore flagrare = p. Marc. § 27 , Paneg. II c. 4 obstupescerent
certe omnes homines = § 28; Paneg. X c. 31 bis maxirae servire iudi-
cibus, qui de rebus gestis tuis sine odio et gratia iudicabunt = § 29.
Es ist damit ein weiterer Beleg geschaffen, dafs die Marcelliana den
späteren Panegyrikern als das erste klassische Muster einer Lobrede
galt und als solche sklavisch nachgeahmt wurde.
24 Orr. Caesarianae.
52) L' orazione pro Qu. Ligario commentata da Clcm. Vignali.
Torino 1890.
Der Text ist gut, die Noten dünken uns zum Teil für Schüler, die
die Ligariana lesen, doch etwas zu elementar, wie wenn zu § 3 bemerkt
wird, dafs effugere im Lat. Transitivum ist; adventu Ablativus tomporis
oder § 17 der Unterschied von non dubito quin und der Infinitivkon-
struktion klar gemacht wird. Auf deutsche Werke ist nur einmal Bezug
genommen, nämlich § 24 facturi fueritis auf EUendt's Grammatik.
53) Ciceros Rede für den König Deiotarus. Für den Schul-
gebrauch erklärt von Juliufe Strenge. Bibl. Goth. 1890.
Strenge neigt hinsichtlich der Wertschätzung der Hss. der Meinung
Nohls zu (vgl. den letzten Jahresber. S. 227), ~dafs die Lesarten der
Klasse a an einigen Stellen den Vorzug verdienten, wie § 5 dico intra
parietes, § 15 iudicas, § 17 non audita est, § 21 sed fatuus et amens,
ib. transire, § 35 praeteritum. Sonst ist im wesentlichen der Müller'sche
Text beibehalten, sogar § 36 cum, posteaquam a L. Scipione devictus
est . . iussus esset. Entweder mufste hier nach Xohl cum . . . devictus
(so die codd.) iussus esset geschrieben werden oder nach Hoffmann (vgl.
den letzten Jahresbericht S. 227) postquam . . . iussus esset. — Der
Kommentar verdient Lob, doch scheint der Verf. in der Erklärung das
rhetorisch-technische Moment etwas zu stark zu betonen. Sind schon
dadurch die Noten mit Terminis technicis oft übertrieben gespickt (vgl.
z. B. § 7'Conclusio loci bestehend in einer mit quoniam eingeführten
Complexio mit Adhortatio), so macht der Verf. auch aufserdem von
Fremdwörtern reichlichen Gebrauch, vgl. z. B. zu § 28 »Subst. auf -tor
zur Bezeichnung einer inhärierenden, charakteristischen Eigen-
schaft«; ebenda weiter unten: »der Parallelismus der Satzglieder, das
invertierte Determinativum und das Hyperbaton geben der Dik-
tion einen lebendigen und mannigfaltigen Charakter«. Manche Noten
sind in Anbetracht der Stufe, auf welcher die Rede gelesen wird, zu
elementar, wie § 7 a. E. über non sine aliqua spe; andere nicht zu-
treffend, wie zu § 16 über den Unterschied von homo und vir: dieser
der Mann, der in die Öffentlichkeit tritt, jener der Mensch in seinem
Privatleben. Man denke an homo novus, homo de plebe, homo Ronianus
und vir Romanus! — § 28 hätte zu commilito kurz bemerkt werden
können, dafs dieses Modewort Cäsars — er bediente sich desselben nach
Suet. 67 bei Ansprachen an seine Soldaten (Kameraden !) mit Vorliebe
— durch den Gebrauch Ciceros an unserer Stelle salonfähig wurde, vgl.
Archiv für Lexikogr. V S. 67 f.
54) In scharfsinniger Weise bespricht Engelbrecht Z. f. d. österr.
Gymn. 1891 S. 965 ff. p. Deiot. Kap. 8 § 23. Zunächst ergänzt er dem
Sinne nach zu "at misit ad nescio quem Caecilium' nicht nuntios wie
Orr. Philippicae. 25
Halm, sondern richtiger militcs; dann kehrt er zu der früheren Lesung
Halms zurück mit Cardenus (Heumann und Garatoni) im folgenden Satze
non zu streichen, denn der Sinn sei: »Es sei nicht wahrscheinlich, dafs
1) der König Truppen gehabt habe, um sie jemandem zu Hilfe zu
schicken, jnd 2) selbst zugegeben, dafs er welche schicken
wollte, sei es nicht wahrscheinlich, dafs sie ihm dann nicht Gehorsam
geleistet hätten, und 3) zugegeben, dafs die Truppen dem König nicht
Gehorsam leisteten, sei es unwahrscheinlich, dafs er sie, statt zu töten,
blofs gefesselt habe.«
55) Ferd. Becher, Rhein. Mus. 45. Band S. 318 bespricht pro
Lig 2, 4-5 tertium tempus est, quod etc. und nimmt an, dafs mit
tertium nicht der dritte Zeit-, sondern der dritte Anklagepunkt ein-
geleitet werden solle; das dann überflüssige tempus streicht er. Vgl.
für tertium est quod Verr. V, 34 alterum, quod.
56) M. TuUi Ciceronis orationes selectae. Scholarum in usum
edidit H. Nohl. Vol. VI: Philippicarum libri I. II. III. Leipzig, Wien
und Prag 189L
Mit dem vorliegenden 6. Bändchen hat Nohl seine verdienstvolle
Neubearbeitung ciceronianischer Schulreden beendigt. Die Kritik hat
einstimmig in dieser sorgfältigen, von Scharfsinn und Kenntnis des cice-
ronianischen Sprachgebrauches zeugenden Rezension einen Fortschritt
auch C. F. W. Müller gegenüber konstatiert. Auch das letzte Bändchen
teilt die Vorzüge der vorausgehenden. Zwar neues handschriftliches
Material stand dem Herausgeber, abgesehen von der Nachkollation des
Vaticanus durch E. Stroebel (s. den letzten Jahresbericht S. 220) nicht
zur Verfügung, aber durch gewissenhafte Nachprüfung und Abwägung
aller in Betracht kommenden Momente ist es Nohl an nicht wenigen
Stellen gelungen, den Text wirklich zu verbessern. Wir lassen einen
kleinen Conspectus der wichtigeren Veränderungen folgen.
I § 2 wird mit Kraffert reperiebat statt reperiebatur der codd.
geschrieben, § 3 mit Stangl de quo (qua codd.); § 6 könnte veteranj
qui appellantur (so cod. Teg.) nach meiner im letzten Jahresbericht
S. 228 gegebenen Erklärung im Texte belassen werden. — II. § 8 schreibt
Nohl utMustelac iam Seio et Tironi Numisio und begründet diese
Lesart unter Hinweis auf XII, 14 nolite ne Tirones quidem Numisios et
Mustelas Seios coutemnere näher in den Commeutat. Wölfflin. S. 264 f.,
doch ist iam schon wegen der Stellung auffallend, wie Nohl selbst zugibt
Comm. Wölffl. 'sed de hoc vocabulo dubitari posse concedo'. — II § 34
wird mit Campe geschrieben si enim fuissem <socius>; § 35 schreibt
Nohl nach eigener Vermutung quamquam illud fuit, tum quidem ut
dicebas, oninibus homo, nicht überzeugend. — § 42 folgt Nohl mit Recht
der Lesart von o ingenii acuendi (cf. Brut. § 126 non enim solum
26 Orr. Phiüiipicae.
acuere sed etiam alere ingenium potest) und ebenso § 49 observa-
tus (vgl. Seyffert-Müller zu Cic. Lael. S. 190). — § 55 ist Stangls Kon-
jektur prospcxerat in den Text aufgenommen. § 68 entscheidet sich
N. für Violen tus, Müller liest vinulentus; ebenda ist das hss. furere
beibehalten, das Drechsler Fleckeis. Jahrbb. 1891 S. 152 in horrere
(= vor Furcht zusammenfahren) ändern will. — Ansprechend ist Nohls
eigene Emendation §70 omni um (codd. homi, homo) nequissimus; nicht
übel die Änderung illius § 77. — III § 1 stellt N. nach dem sonstigen
Sprachgebrauch Ciceros richtig her aus o postulavit, ebenso ist § 12 in-
signe mit Recht aus o aufgenommen. Zweifelhaft ist § 17 seine Kon-
jektur luliae nepos (natus V), Luterbaclicr emptichlt filia luliae natus.
Dafs § 27 die Emendation Cobets abs entern appello in den Text ge-
setzt wurde, ist zu billigen.
57) Eine griechische Übersetzung der 4. philippischen Rede
von Hellas Gruenperg aus d. J. 1554, enthalten, in dem Miscellankodex
n. 280 B der Münchener Hof- und Staatsbibliothek, hat Herr Direktor
Laubmann in den Abhandl. aus d. Gebiete der klass. Altertumswissen-
schaft (Festschrift f. Prof. v. Christ) 1891 S. 365— 371 herausgegeben.
Die Übersetzung ist »ein gutes Beispiel für die Gewandtheit und Fertig-
keit im griechischen Ausdruck im 16. Jalirh.«
58) P. Dettweiler, Untersuchungen über den didaktischen Wert
ciceronianischer Schulschriften. II. Die philippischen Reden. Halle 1892.
In ähnlicher Weise wie die Rosciana (vgl. No. 3) werden in dieser
anregenden und gedankenreichen Schrift die philipi)ischen Reden auf
ihren didaktischen Wert hin geprüft; das Endurteil, mit dem wir uns
übrigens eher befreunden können als mit dem über die Rosciana ge-
fällten, ist ein sehr ungünstiges. Besonders schlecht weg kommt die bis
jetzt allgemein hochgehaltene und bewunderte II. Philippica (doch vgl.
auch Aiy, Ciceros Leben S 153). Sie ist weiter nichts als eine Schmäh-
schrift comme il faut, die den guten Eindruck, den man aus der ersten
Rede über Cicero gewinnt, vollständig verwischt; die ganze Rede beruht
auf innerer Unwahrheit; Verleumdung mit Feigheit gepaart, Boshaftig-
keit, Unkeusrhheit, I'nsachlichkeit, kleinliche Schwäche, Grundsatzlosig-
keit werden dem grofsen Redner vorgeworfen. Auch die übrigen phil.
Reden haben, etwa abgesehen von der kleinen neunten, keinen tieferen
ethischen Gehalt; ihre Persönlichkeiten sind nicht grofs und erhaben;
Zeit und Verhältnisse sind unwahr dargestellt und aus einem Dutzend
ciceronianischer Briefe dieser Periode viel deutlicher zu erkennen. So
können nach Dettw. die Philippicae weder als didaktisch wertvoller Typus
der Lilteraturgattung überhaupt, noch als Beweis für die grofse Kultur-
aufgabe der Beredsamkeit gelten. Als Hauptredner für die Schule habe
Cicero auszuscheiden und an seine Stelle trete Deraosthenes!
Philippicae, Fragmente. 27
59) M. Tullius Ciccros I., IV. und XIV. Philippische Rede. Für
den Schulgebrauch herausg. von E. R. Gast. Leipzig, Teubner 1891.
Den Ausschlufs der II. Philippica aus dieser Schulausgabe moti-
viert Gast mit ähnlichen Gründen wie Dettweiler, dessen Beifall er sich
hierdurch errungen hat S. 82 der eben besprochenen Schrift: »Es ist
gar kein Zweifel, dafs der Schüler hier den Cicero wenigstens ohne jene
Unwahrhaftigkeit kennenlernt; hier ist er nur Kämpfer gegen Anto-
nius. Allein wir hegen doch ein Bedenken gegen diese Lektüre, soweit
Ciceros Persönlichkeit in Betracht kommt, wenn wir auch den vor-
geschrittenen didaktischen Takt des Herausgebers in vollstem Mafse an-
erkennen. Die philippischen Reden sind im Kampf gegen Antonius ein
Ganzes und es hiefse eigentlich sie in ihrer Eigenart abschwächen, wenn
man die charakteristischste, die zweite, wegnähme.« Wie sehr die Ur-
teile über den Vorzug der einen phil. Rede vor der andern auseinander-
gehen, möge man noch daraus entnehmen, dafs z. B. Weifsenfels, der
feine Kenner römischer Sprache und Litteratur, S. 83 seines Buches,
Cicero als Schulschriftsteller, die 3. und 7. Rede als der 1. und 2. eben-
bürtig bezeichnet. Auch Aly 1. c. S. 157 sagt von der siebenten Phi-
lippica, dafs Cicero vielleicht in keiner Rede seinem Vorbilde Demo-
sthenes näher gekommen sei als in dieser so kurzen, aber so inhalt-
reichen und wuchtigen Ansprache. — Was die Art der Bearbeitung der
von Gast ausgewählten phil. Reden anlangt, so entspricht dieselbe den
Bedürfnissen der Schule vollkommen. Der Text schliefst sich an die
»Teubner'sche Ausgabe« an, aber wie es scheint an die von Klotz, denn
z. B. I § 15 lesen wir das hss. orationem, während Müller (u. Nohl) mit
Gomperz rationera liest.
Fragmente.
60) L. Traube kommt in Kap. VIII seiner ebenso interessanten
wie gehaltreichen philol. Untersuchungen aus dem Mittelalter, die er
unter dem Titel "0 Roma nobilis' als Festgrufs der 41. Versammlung
deutscher Philologen und Schulmänner München 1891 herausgegeben hat,
auf die Exzerptensammlung der Handschrift C 14 in der Bibliothek des
Hospitals Cues zu sprechen. Als Verfasser dieser Sammlung erweist er
den Sedulius Scottus. Bekanntlich hat Joseph Klein im Jahre 1866 aus
dieser Handschrift des Nicolaus von Cues eine Anzahl ungedruckter
Fragmente cicerouischer Reden (die sog. fragm. Cusana) herausgegeben.
Während nun Klein geleitet von der Überschrift ' Pro Fonteio ' die sonst
unbekannten Fragmente 1-18 der Rede pro Fonteio zuwies, behauptet
Traube, dafs die Fragmente 11 — 18 dem nur bruchstückweise erhaltenen
Eingang der Rede pro Flacco angehören. Doch mufs erst noch der
Nachweis erbracht werden, dafs diese Bruchstücke sich ungezwungen in
den Gedankenrahmen dieser Rede fügen.
28 Scholien.
Scholien.
61) B. Schilling, De scholiis Bobiensibus. Leipziger Diss.
1892. 32 S.
Bei der Besprechung des tüchtigen Gyinnasialprogrammes von
H. Gaiimitz, Zu den Bobienser Cicero-Scholien (Dresden 1884) in diesen
Jahresberichten XXXXIII (1885. II) S. 10 wurde darauf hingewiesen,
dafs G. nicht nur die aperten, sondern auch die latenten Quellen der
Kommentare hätte zusammenstellen sollen. Diesem Verlangen kommt
Schilling im ersten Teile seiner Dissertation nach. Es sind dies vor
allen Cicero und Livius; dafs auch Asconius von dem Bobienser Scho-
liasten benutzt sei, macht Seh. gegen Gauraitz wahrscheinlich. Der
zweite Abschnitt bandet ' de scholiastae doctrinä '. Der Scholiast citiert
zwar eine grofse Reihe von Schriftstellern und Schriftwerken, aber es
ist zweifelhaft, ob er alle selbst gelesen hat; an nicht wenigen Stellen
laufen ihm Irrtümer und Verwechslungen unter. Im dritten und vierten
Teile wird über die Sprache und Komposition der Scholien gehandelt.
Da die dem Verf. eigentümlichen Lieblings Wörter in allen Teilen des
Scholions sich finden, so spricht dies für die Einheitlichkeit des Ver-
fassers. Seinem Wortschatze nach zu schliefsen lebte er gegen Ende des
vierten Jahrhunderts.
Jahresbericht über die Litteratur zu Horatius
für die Jahre 1890—1891.
Von
Professor Dr. J. Häasaner
in Karlsruhe.
I. Ausgaben.
1) Q. Horatius Flaccus. Oden und Epoden. Für den Schulgebr.
herausgegeben von K. K. Küster. Paderborn. Schöninghs Verlag.
1889. 116 S. 8.
2) Q. Horati Flacci carraina. Horaz Oden und Epoden. Für den
Schulgebrauch erklärt von K. K. Küster. In demselben Verlag.
1890. 428 S. 8.
Die erstere Ausgabe giebt den blofsen Text, ganz genau wie er
in der zweiten Ausgabe dem Kommentar voraufgeht und ist für den Ge-
brauch in der Schulstunde bex'echnet. Die kommentierte Ausgabe hebt
in dem Vorwort hervor, dafs zu einer befriedigenden Erklärung der
Oden ein ganz anderer Standpunkt gewonnen werden müsse, als der
bisher gewohnte. Ein sehr erheblicher Bruchteil der Oden habe nämlich
bisher eine Auslegung erfahren, die »mit dem Bilde von Horazens dichte-
rischer und moralischer Persönlichkeit, wie man sie gewinnen müsse aus
den Sermonen und vielen, nicht mifszuvei'stehenden Oden, gar wenig im
Einklang stehe«. K. meint besonders die sog. »Liebesoden«. Wer in
diesen ernstgemeinte Liebesergüsse erblicke, »mache den sonst so idealen,
Religion, Humanität und Tugend, Zucht und gute Sitte, strenge Er-
ziehung der männlichen und weiblichen Jugend, Verzichtung und Ent-
sagung predigenden Horaz zu einem lockeren Zeisig, einem flatterhaften,
lüsternen, immer schmachtenden und nie befriedigten Gesellen«, der »im
Sumpfe watend, wenig Recht habe zu behaupten, dafs ihn sein Dichter-
siun himmelhoch über die Menge erhebe«. Gedichte, wie I 13, I 19,
I 25, IV 1, ni 12 nach der von den Kommentaren durchweg vertretenen
Interpretation in der Schule vortragen, heifse den Dichter eher zum
»Tollhäusler« als zum Lehrer der deutschen Jugend machen. Ent-
30 IToratius.
weder müsse die Lektüre einer den Dichter nicht ehrenden und die
Schüler nicht belehrenden und veredelnden »Liebeslyrik« aus der
Schule vorbannt werden oder aber es müsse eine neue Bahn der
Erklärung beschritten werden. K. thut letzteres, indem er die
erotischen Lieder »unter dem Gesichtspunkt der Didaxis zu
begreifen« sucht. Er findet, dafs die »erziehliche Tendenz« des
Horaz auch diesen Oden eigen ist, dafs auch hier das ridentera dicere
verum des Dichters zutrifft und dafs mehrere Oden so eine ansprechende
Schullektüre werden, die man bisher als für die Schule wertlos oder
ungeeignet zurückgewiesen habe. Wie die Einleitung zu dem Kommentar
S. I14ff. ausführt, bedauert z. B. I 13 ein junges Mädchen wegen der
rohen Zudringlichkeit eines Jünglings, die mit wahrer Liebe nichts gemein
habe; Donec gratus eram (III 9) enthalte eine Schilderung der Flatter-
haftigkeit und Unbeständigkeit solcher Liebespaare; 1 25 (Parcius iunctas)
ist »der blutige Hohn, der die Dirne trifft, ein Weckruf an die verlotter-
ten Jünglinge«. I 17 ist nichts weniger als eine Einladung an Tyndaris;
aus dem si veneris, manabit u. s. w. sei vielmehr ein irreales si venires,
manaret u. s. w. herauszulesen und das Ganze diene vielmehr zur Ab-
schreckung an T}nidaris. Denn es sei im Ernste nicht denkbar, dafs
derselbe H., der sich so behaglich fühlte, wenn er sich auf sein Sabinum
zurückgezogen, nach der Person einer Libertine begierig gewesen sei.
In II 8 »hält der Dichter seinem Volke die unverhüllte Wirklichkeit als
Spiegel vor, welcher jedem, der sehen will, das garstige Bild seiner
schmachvollen Thorheit und Verworfenheit zurückwirft.« III 7 soll einen
in Gefahr schwebenden Jüngling vor den Netzen der Buhlerei bewahren.
III 12 ist »der anscheinend so teilnahmsvolle Ausdruck des Mitleids für
das Mädchen nur Ironie; in Wahrheit freut es den Dichter, dafs der
emancipatiouslustigen Neobule durch den ernsten Herrn Oheim die eng-
sten Schranken gezogen werden.« K. fügt bei: »Möchten doch alle jungen
Römerinnen solche Erzieher haben, möchten doch alle römischen Jüng-
linge diesem Hebrus gleichen. Das ist die Wahrheit, die der Dichter
hier in seiner Weise vorträgt.» Bei dem Gedanken an Ligurinus (IV 1)
treten dem Dichter Thränen des Schmerzes und Mitleids ins Auge,
nicht, wie die andern P>klürer meinen, Thränen ungestillter Liebesqual;
»die Zunge findet keine Bezeichnung für sein schmachvolles Treiben«.
Die tlinladung an Phyllis IV 11, den Geburtstag des Mäcenas mitzu-
feiern, kann nach K. unmöglich an ein Mädchen gerichtet sein, um mit
ihr den Geburtstag des M. zu feiern. »Das wäre, wortwörtlich genom-
men, ein fades, ungereimtes Geschreibsel.« Die Ode enthalte etwas ganz
anderes, nämlich eine Andeutung der Beziehungen zwischen Augustus
und Mäcenas. »Der Schlüssel des Verständnisses liegt, wie es scheint,
bei Tacitus Ann. III 30 . . . H. scheint V. 21 — 24 anzudeuten, dafs es
die Gemahlin des Augustus, Livia, war, welche die Erkaltung der Be-
ziehungen zwischen Kaiser und Mäcenas herbeiführte. ... Du siehst
Horatius 31
(redet der Herausg. den Schüler an), die Verhältnisse, welche die Ode
berührt, sind recht heikler Natur und liefsen sich höchstens durch die
Blume besprechen. Und das geschieht hier! Das unglückliche Mädchen,
das den Dichter dauert, ist — Mäcen selbst, und ihn will IL »Wei-
sena lehren, welche seine Kümmernis lindern werden«.
Man sieht, bis zu welchem Grade des Hineininterpretierens eine
vorgefafste Meinung führen kann. Vorgefafste Meinung aber ist es, von
einer erziehlichen Tendenz der Horazischen Dichtung im Sinne des
Herausgebers zu sprechen Gewifs will H. seinen Zeitgenossen ein Lehr-
meister sein und er ist es auch. Aber nicht in dem Sinne, wie etwa
ein Sittenprediger unserer heutigen Jugend das christliche Sittenideal
vor Augen zu führen pflegt. Ganz abgesehen davon, dafs das antike
Ideal davon grundverschieden ist, liegt z. ß. in den Sermonen eine er-
ziehliche Tendenz nur insofern, als H. hier gegen die Ausschreitungen
und Albernheiten einer an Gewinn- und Ehrsucht oder an unvernünftiger
Genufssucht krankenden vornehmen Welt zu Felde zieht. Aber der
Genufs als solcher ist keineswegs verpönt; eine unsern christlichen Be-
griffen entsprechende Askese ist dem Horaz und der Antike überhaupt
fremd; ja mafsvoUer Genufs ist sogar das eigentliche Lebenselement
des H. Der Begriff concessa venere uti ist nicht nach unsern heutigen
Anschauungen zu messen, sowenig, als es überhaupt hier einen absoluten
Mafsstab giebt. Es braucht kaum gesagt zu werden , wie verschieden
der Begriff' »Liebe« nicht nur in den verschiedenen Jahrhunderten, son-
dern selbst heute bei den verschiedenen Ständen und Nationen ist; wir
wollen nicht an die Moral der Patriarchen des alten Testaments er-
innern; aber selbst beim Edelsten der alten Welt, bei Sokrates, deckt
sich bekanntermafsen der Begriff »Liebe« keineswegs mit dem unsrigen.
Man denke an die Ansicht der Alten hinsichtlich der Knabenliebe! So
thöricht es ist, aus den 12 oder 14 Mädchennamen ebenso viele Romane
zu konstruieren und dem Horaz anzudichten — mit demselben Recht
wirft ihm Daniasippus mille puellarum und mille puerorura furores vor
— so verkehrt ist es andrerseits, den Dichter zum Prediger der Ent-
haltsamkeit zu machen. Aus zahllosen Stellen wird mau, wenn man
nicht den Worten offenbare Gewalt anthun will, auf eine ehrliche Sinn-
lichkeit des Dichters schliefsen müssen und was seine Beziehungen zu
den Libertinen (ein bei K. oft angezogener, mit den modernen Strafsen-
dirnen ohne weiteres identifizierter Ausdruck) angeht, so wird H. trotz
mancher Derbheiten in Oden und Epoden nicht schlechter, aber auch
nicht viel besser als die Durchschnittsmenschen seiner Zeit gewesen sein.
Die aurea mediocritas, zu der ihn Temperament wie philosophisches
Studium hinzog, mag bei ihm früher als bei andern jugendliche Liebes-
raserei gedämpft und jenes Gleichgewicht hergestellt haben, das ebenso
frei ist von wüstem Genufs wie von heiligem Eifern gegeu die »Liber-
tinage«. Wenn K. p. V des Vorwortes fragt: ist es möglich, dafs ein
32 Iloratius.
solcher Horaz Millionen Sterblicher an Geist und Gemüt gebildet und
veredelt habe, so mag ihm die Thatsache, dafs Horaz und zwar der
Horaz, wie er nach den bisher allgemein geltenden Erklärungen seiner
Gedichte dasteht, dies fertig gebracht hat, eine bejahende Antwort geben,
und man wird beifügen dürfen, dafs derselbe Horaz, wenn man abstra-
hiert, was den Anschauungen seiner Zeit über einzelne Punkte anklebt,
noch heute ein Lehrer von Millionen, auch ein Lehrer unserer Jugend
sein kann. Die von K. aufgestellte Alternative , entweder die »Liebes-
lyrik« aus der Schule zu entfernen oder eine neue Erklärungsmethode
zu versuchen, möchten wir .schon aus dem Grunde anders als K. ent-
scheiden, weil uns seine P^rklärung eine unwahre, den thatsächlichen
Verhältnissen, dem klaren Wortlaut zuwiderlaufende ist. Will man die
erotischen Lieder, unter denen übrigens sehr ernst und strenge denkende
Pädagogen nur wenige prinzipiell von der Schule ausschliefsen, gänzlich
fernhalten, so nehme man eine Auswahl statt des ganzen Horaz. K.
selbst mufs ja darauf verzichten, sämtliche Gedichte seinem Prinzipe
dienstbar zu machen.
Sieht man von dieser, gewifs in bester Absicht und rückhaltlosen
Bewunderung des Dichters unternommenen Erklärung der erotischen
Gedichte ab, so bietet der Kommentar viel Anregendes und Beachtens-
wertes. An Umfang (324 enggedruckte Seiten) wird er die andern Aus-
gaben weit übertreffen. Die Einleitung giebt im Anschlüsse an s. I G
und ep. H 2 eine kurze Vita des Horaz. Zu den Worten paupertas
inpulit audax ut versus faccrem bemerkt K., man könne dies dem Dichter
kaum glauben, sagt aber nicht, wie die Worte aufzufassen sind. Dafs
H. durch Mäcenas seine Stelle als scriba quaestorius erlangt habe, ist
durch nichts zu belegen; die Bekanntschaft mit ihm fällt bekanntlich viel
später und die erste Audienz macht gar nicht den Eindruck, als sei irgend
eine Beziehung zwischen den beiden bereits angeknüpft gewesen. Der
Angabe über den Charakter der Oden und der Metrik fügt K. eine ziem-
lich umfangreiche Sammlung griechischer Stellen bei (Alcaeus, Sappho,
Anacreon, Simonides, Solon, Theognis u. a.), die sehr willkommen ist.
Der Kommentar will alles geben, was der Schüler aufser dem
Lexikon bei der Präparation braucht. K. schliefst sich besonders an
Osterlcn an, dessen er auch im Vorwort gedenkt. Die voraufgeschickten
Inhaltsangaben, Dispositionen und sonstigen einleitenden Bemerkungen
sind sorgfältig und auch treffend, soweit dabei die oben besprochene
Hypothese des Herausgebers nicht in Betracht kommt. Da und doit
verbreitet sich K. mit einer vielleicht zu grofsen Ausführlichkeit über
Dinge, von denen das Verständnis der Ode nicht gerade bedingt ist.
So gleich zu Anfang I 1 über mercator. - Dafs Uxorius der Titel
eines Poems Ciceros ist, konnte bei Besprecliung von uxorius amnis
(I 2) wohl unterdrückt werden. — Die Ausfülirung über die Platane
(S. 247j dient für die betreffende Stelle zu keinem tieferen Verständnis,
Horatius. 33
ebenso wenig die genaue Angabe S. 264, wie das Horoskop gestellt
wurde. — Zu IV 7, 25 ist erst Hygins Bericht ausgeschrieben, dann von
der Rettung aus der Unterwelt durch Diana die Rede, worauf K. fort-
fährt: »Wenn nun H. den Schlufsakt dieser frommen Sage leugnet,
so mufst du, um das in seiner ganzen Tragweite und Schärfe zu er-
messen, festhalten, dafs die Mythen den Griechen und Römern für hei-
lige Geschichten galten, welche eine höher als die geschichtliche stehende
ewige Wahrheit enthielten, so dafs sie selbst in philosophischen Schriften
häufig zur thatsächlichen Begründung aufgestellter Sätze angeführt und
dann in der Regel den historischen Beispielen vorangestellt werden.«
Aber damit ist der Schüler erst recht neugierig gemacht, warum H. hier
leugnet und worauf diese Leugnung zurückgeht.
Während im allgemeinen alle Realien mit grofser Ausführlichkeit
besprochen werden , hat K. da und dort schwierigere Stellen ziemlich
kurz abgemacht. Das quem vocas (II 20) ist durch die Citate: »II 18,
10 me pauperem dives petit, vergl. III 30, 13: (dicar) ex humili
potens» doch noch nicht ausreichend erklärt. Übrigens erwartet man
bei dieser Auffassung der Stelle am allerwenigsten vocas, denn nicht
Mäcenas ist es, der ihn seine Abkunft vom armen Freigelassenen fühlen
läfst, sondern der grofse Haufe seiner Neider, wie H. in der sechsten
Satire des I. Buches deutlich ausspricht. Dies führt aber auf vocant,
das wir denn auch in den Text gesetzt haben. — Zu ep. 9, 35 bemerkt
K.: »übersetze nach ep. 7, 13 für. caec. Der attonitus vates scheut
auch einen Cynismus nicht, der übrigens dadurch gemildert erscheint,
dafs nicht vom Ausbruch der Sache, sondern von einem Vorbeugungs-
mittel dagegen die Rede ist«. Die angezogene Übersetzung (ep. 7, 13)
lautet nun: »wahnsinnige Verblendung«. Wir verstehen nicht, wie dies
auf die Situation in der 9. Epode passen soll. — HI 14, 10 schlägt K.
vor zu lesen: pueri et puellae non virum expertae. Es geht doch aber
aus dem vorangehenden matres virginum iuvenumque nuper sospitura
deutlich hervor, dafs unter dem Chore auch die Mütter sind; und wenn
denn doch einmal gebessert werden mufs, so ist doch ein puellae ac oder
et eine viel einfachere und zugleich sinnentsprechende Lösung. — proe-
liis audax I 12, 21 bezieht K. zu Liber, der des Attributs nicht ganz
entbehren könne. Aber wie ist es denn, abgesehen von dem ganz uner-
hörten Hyperbaton bei neque, mit Pallas? Denn dafs in diesem Worte
allein schon eine Prädicierung durch die Vorstellung der »lanzenschwin-
genden Kämpferin« enthalten ist, kann doch nicht behauptet werden. —
11 20, 2 soll biformis auf die Doppeldeutigkeit oder Doppel-
züngigkeit gehen, die den Oden anhafte. K. citiert das duplex
Ulixes. Aber sollte Horaz im Ernste sagen wollen, dafs er einer »ge-
flissentlich gesuchten Doppeldeutigkeit« die Unsterblichkeit verdanke?
Das bekannte ridentem dicere verum ist ja doch nichts weniger als eine
»Doppelzüngigkeit«. — In Catonis nobile letum (I 12) sieht K. eine
(Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXVI. Bd. (1893. II.) 3
34 Horatius.
»Ironie, natürlich nicht eine boshaft spottende, sondern gutmütig be-
dauerndea. Aber wenn irgendwo, so ist hier, wo nach dem Preis der
Götter von grofsen Römern (Romulus, Regulus , Fabricius, Curius etc.)
die Rede ist, Humor oder gar Ironie übel angebracht. Selbst Oesterlen
rechnet diese Ode zu den feierlich pathetischen. Dafs H. den Selbst-
mord Catos als eine »Schwachheit einer grofsen Seele« ironisiert haben
soll, entspricht auch der Charakterisierung desselben durch atrocem
animum Catouis (II 1, 24) keineswegs. — Die Ode an Septimius (II G)
zeigt nach K., dafs H. den Besitz des Sabinums nicht für durchaus ge-
sichert ansah. Die Abhandlung von Luchs über diese Ode weist aber mit
Recht darauf hin, dafs nach den Worten ver ubi longum tepidasque prae-
bet lupiter brumas viel eher an Gesundheitsrücksichten zu denken
ist, wenn es sich um eine Umsiedelung nach Tarent handelt. — In der
Erwähnung Orions II 13, 39 sieht K. einen an Mäcen gerichteten
oNasenstüber«: 'Siehst Du (läfst er den H. damit sagen), Mäcen,
selbst ein Orion läfst die wilde Jagd ruhen, um dem Sänger zu lauschen,
Du aber willst den vates Horatius durchaus seinem Berufe entziehen,
um ihn zu Deinem Weidgesellen zu machen'. Der Name Mäcenas
stimme auch prosodisch mit Orion überein. Wir bezweifeln, ob diese
Interpretation auch nur einen Gläubigen findet. — Ebenso unwahr-
scheinlich ist die Auffassung von IV 8 als einer Ode, die eine »sati-
rische Abfertigung jener Uusterblichkeitsbedürftigen sei, die mangels
persönlicher Verdienste ihr Heil bei einem befreundeten Dichter suchten«.
Chronologische Erörterungen hat K. ferngehalten, ebenso textkri-
tische Fragen, für eine Schülerausgabe beides mit Recht. Der Text ist
im ganzen konservativ. Aufgefallen ist uns, dafs K. die tetrastichische
Schreibung bis auf IV 8 beibehält, obwohl er S. 125 seine Bedenken
dagegen ausspricht. In dem letztgenannten Gedicht IV 8 wird V. 17
als »zweifellos von ungeschickter Hand eingeschwärzt« bezeichnet; V. 32
weil »zu mehrfachen Bedenken Anlafs gebend« ausgeschieden.
Aufser den S. VIII angeführten Druckfehlern bemerken wir noch:
C. I 7, 8 ist offenbar in honore erklärt, während der Text honorem
hat. — IV 7, 15 steht im Texte pius, im Kommentar wird pater er-
klärt. — IV 2, 2 ist lule erklärt, im Texte steht ille. — S. 177 mufs
das Cilat zur 15. Ode heifsen ep. I 2 (nicht II 2); S. 346 ist das ausge-
schriebene Citat aus ep. I 10, 15 (nicht sat.). S. 345 steht im Kom-
mentar ne semper, im Texte nee. Geringere Versehen, an denen es
allerdings nicht fehlt, übergehen wir.
3) Q. Horatii Flacci opera. Nouvelle Edition d'aprös les meilleurs
textes avec des arguments analytiques et historiques et un commentaire
en fran(;ais . . . par A. Cartelier. Paris, Delagrave. 1890. 378 S. 8.
Diese 6dition classique schöpft hauptsächlich in ihrem kommen-
tierenden Teile aus Orelli; auch Walckenär und die Artikel des Journal
Horatius. 35
des Savants dienten dem Herausgeber als Quelle. Auf die Lebensbe-
schreibung des Dichters folgt eine metrische Übersicht, die nicht gerade
als wissenschaftlich begründet bezeichnet werden kann. C unterscheidet
überhaupt fünf Arten von Metren: das dactylische, jambische, trochäische,
choriambische und kleinere jonische. Der versus Asclepiadeus wird analy-
siert (S. XVI) als »un vers compose de deux choriambes, preced^es d'un
spondee, et suivi dun iambe.« Der versus adonius ist »un choriambe
suivi d'une syllabes ; der Pherecrateus ein Vers »compose d'un choriambe
entre un spondee et une syllabe«! Die Versarten sind aufgezählt nach
2 zeiligen Strophen, worunter bunt durcheinander jambische, trochäische,
dactylische, logaödische Rhythmen ohne besondere Ordnung fallen, 4 zei-
ligen und solche, in denen immer derselbe Vers sich wiederholt — eine
höchst mechanische Gruppierung.
Der Kommentar beschränkt sich auf das allernötigste , steht aber
z. B. der Ausgabe von Waltz, die demselben Zwecke in Frankreich
dienen will, weit nach. Der Text ist konservativ, doch sind da und dort
ohne Not Änderungen vorgenommen. So liest C. z. B. c. I 9, 15 nee
dulces Camoenoe (!); I 38,6 curae (st. curo); III 17, 13 potis sc.
es (st. potes); III 26, 1 vixi choraeis (st. puellis); IV 7, 12 re-
curret (st. recurrit). — c. I 17 bricht mit nee metues protervos
(V. 24) plötzlich ab; IV 2, 2 erklärt C. in den Anmerkungen, lulus
stehe für lulius; 1 27, 19 steht das schlechtüberlieferte laboras in.
Auffallend ist die veraltete Orthographie, die zudem noch wechselt:
sylva neben silva, praeliis und proeliis, coelum, littus, cly-
peus, moestus.haeres (st. heres), coena, negligo, poenitet,
dejicere, quum u. s. w. Die table alphabetique des pöesies d'Horace
(p. 375) führt u. a. auch eine besondere, mit Quid obseratis begin-
nende Epode an. Es sind dies natürlich nur die Verse von ep. 17, 50
ab, die aber C. selbst nicht anders als die'seconde partie* der 17. Epode
angesehen haben will. Selbständigen Wert hat die Ausgabe nicht.
4) Q. Horatii Flacci carmina edidit Carolus Pozder. Budapestini
1891 (R. Lampel) 255 S. 8.
Diese Ausgabe gehört zu der unter Aem. Thewrewk de Ponor's
Leitung in Budapest erscheinenden Bibliotheca scriptor. Graec. et Roman.
Da sie für die Schule bestimmt ist, hat P. die bedenklichen Partien
(ep. 5. 8. 11. 12. 17. s. I 2 u. 8; von s. I 5 die Verse 82 — 85, von II 7
die Verse 47 — 67) fortgelassen. Nach einem Überblick über die Metrik
folgt eine Aufzählung der einzelnen Gedichte mit Angabe des Jahres
ihrer Abfassung, »soweit dasselbe bestimmt oder wenigstens vermutet wer-
den könne«. Diese chronologischen Data sind jedoch grofsen Teils höchst
zweifelhafter und dehnbarer Natur. Zu c. I 3 ist angegeben als Jahr
der Abfassung: 20—19; bei c. I 1 u. c. III 30 steht 24 — 23. P. scheint
also anzunehmen, dafs, da die zwei letzteren Oden wohl ohne Zweifel den
3*
36 Horatius.
Charakter abschliefsender, epilogartiger Gedichte haben, die Publicierung
der 3 Bücher ins Jahr 24 — 23 fällt. Wie stimmt aber dazu die Chrono-
logie von I 3? Warum mufs denn auch das Gedicht ins Jahr 20/19
heruntergedrückt werden? Andere Angaben von Jahren sind vielfach
recht vag und dadurch wohl entbehrlich. So soll c. I 14 verfafst sein;
32-29, c. I 34 gar 29 — 24; weshalb, ist nicht gesagt, wird auch für das
letztere Gedicht kaum gesagt werden können. Epod. 7 verlegt P. in die
Jahre 38 — 3 2. Warum er aber hier nicht die Zeit vor dem Krieg
zwischen Octavianus und Sextus Pompeius angesetzt hat, sondern einen
Zeitraum von 6 Jahren angißbt, ist ebenso dunkel, als wenn er für c. I
20 ansetzt: 26 — 24. Die letztere Ode enthält auch nicht das mindeste
Anzeichen dafür, c. II 13 soll 30—26 fallen; III 8 aber 29—25, also
wieder ein Spielraum von 4 Jahren. Warum da nicht lieber, wo sichere
Judicien nun einmal nicht vorliegen, von einer chronologischen Fixierung
absehen? Übrigens hat Schütz zu c II 13 und III 8 eine viel präcisere
und ganz ansprechende chronologische Kombination aufgestellt. Die 6
sog. Römerodeu, die doch sachlich wie zeitlich einander nahe stehen,
sind auf 5 Jahre (29 — 24) verteilt. Für sämtliche Satiren weifs P. die
Abfassung zu fixieren, aber auch hier ist ein solcher Spielraum gelassen
(42-38, 37 — 33; 42 — 36, 40 — 36), dafs er von keiner einzigen des
I. Buches, von denen des II. Buches nur bei 2 Gedichten sieh auf ein
bestimmtes Jahr präzisiert. Die ars poetica vollends trägt als chrono-
logisches Datum den achtbaren Zeitraum: 17 — 8. Wäre es da nicht
besser gewesen, lieber von einer solchen Tafel Umgang zu nehmen und
blofs den Zeitraum anzugeben, in welchem die einzelnen Bücher abge-
fafst sind?
Dem Texte ist nirgends eine varia lectio beigegeben, was wohl bei
einer Schulausgabe entschuldbar ist. Im ganzen ist die Textgestaltung
sehr konservativ. Mit Recht hält sich P. fern von Konjekturen; wir
konnten nur finden: III 14, 11 non virum expertae; IV 2, 2 ille, was
wohl jetzt unnötig ist, III 4, 9 avio. Der Druck ist sehr korrekt.
5) Q. Horatius Flaccus' Oden und Epoden. Für den Schulgebrauch
erklärt von Emil Rosenberg. 2. Aufl. Gotha, Perthes. 1890.
252 S. 8.
Die im Jahre 1883 in erster Auflage erschienene, nach den Grund-
sätzen der Bibl. Gothana bearbeitete Ausgabe ist hier mannichfach ver-
vollkommnet und erweitert. Gleich die Einleitung (S. 1—14) ist erwei-
tert durch eine »Ordnung der Gedichte nach dem Inhalt« unter 6 Rubriken
mit Überschriften der angeführten Gedichte. Die kurze Biographie des
Dichters ist da und dort etwas ergänzt. Weshalb R. jetzt den Dichter
»als Sohn eines Freigelassenen von griechischem Ursprung« be-
zeichnet, ist uns nicht recht erfindlich. Selbst L. Müller und Hirsch-
felder gaben diese Vermutung — und mehr als das ist sie doch schwer-
Horatius. 37
lieh — nicht ohne weiteres als feste Thatsache an. Die Abfassung der
zwei Bücher Satiren setzt R. (S. 2) in die Jahre 3 5—29 v. Chr. Die
erstere Zahl beruht aber wohl auf einem Versehen. Der Abschnitt über
die Sprache und politisclien Ereignisse ist erweitert, dagegen erfuhr die
metrische Übersicht aufser der Angabe sämtlicher in den verschiedenen
Mafseii geschriebenen Oden keine Änderung. Die neu hinzugetretene
Ordnung der Gedichte nach dem Inhalt ist dankenswert; die Über-
schriften sind (einige nach Leuchtenberger, andere mit Nauck überein-
stimmend) treffend. Von den Epoden sind dabei nur (S. 12) angeführt
bei Erwähnung von IV 15 (»Friede unter Augustusa): ep. 7 und 16.
Bei c. III 21 dürfte es sich wohl empfehlen, in der Überschrift: »Gebet
an den Weinkrug« das erste Wort zu streichen. Die Ode an das Schiff
(I 14) mit »Politisches Erwachen« zu bezeichnen, scheint uns verkehrt.
Will man Naucks: »Das gefährdete Staatsschiff« oder etwa »Allegorie«
nicht, so scheint uns Bohrend ts Überschrift: »Warnung« jedenfalls zu-
treffender. Ausgelassen ist von R. nur c I 15; dagegen kommt I 27
zweimal mit zwei verschiedenen Überschriften vor (unter N. IV c und IV d).
Der Text zeigt manche Besserung. So ist die Konjektur potabo
(I 20, 1) fallen gelassen; doch nimmt im Kommentar R. auch jetzt noch
potabo als allein möglich an. Das limina rusticae c. III 4, 10 ist
dem hss. Pulliae gewichen, das R. als Name der Amme fafst. — c. IV
2, 2 steht auch jetzt noch lule. Der schiefe und gesperrte Druck
grofser Partien ist nunmehr aufgegeben. Der Kommentar giebt, mehr
als die übrigen Ausgaben , gute Winke für eine geschmackvolle Über-
setzung, überläfst dagegen grammatische, mythologische und historische
Aufklärungen dem Lehrer. Der Hinweis auf moderne Dichterstellen ist
vermehrt und sehr verdienstlich. In der Sacherklärung ist viel gebessert,
doch verstehen wir nicht, weshalb unter Licyrania (c. II 12), wie jetzt
R. ausführt, die Gemahlin des Mäcenas aus dem Grunde nicht gemeint
sein kann, weil Horatius »die Terentia nicht in solcher Weise hätte be-
siugen dürfen«. Besonders zu schätzen sind die gleichfalls erweiterten
allgemeinen Bemerkungen am Schlüsse einzelner Gedichte. R. zeigt hier,
wie wir dies auch aus seinen sonstigen Arbeiten kennen, ein durchweg
feines Verständnis für Horazische Lyrik.
6) Q. Horatii Flacci carmina selecta. Für d. Schulgebrauch herausg.
von Johann Huemer. 3. Aufl. Wien, Holder. 1891. 204 S. 8.
Änderungen bringt diese Auflage nicht. Das vorzüglich ausge-
stattete Büchlein entspricht wohl allen Anforderungen an eine für Schul-
zwecke beschnittene Sammlung. Die Biographie zu Anfang bietet alles
Wesentliche für den Schüler, ebenso die metrischen Bemerkungen. Dafs
Horaz in den Oden immer vier Verse zu einer Strophe verbindet, sollte
nicht so bestimmt hingestellt werden. Abgesehen von allem anderen
geben weitaus die meisten Ausgaben z. B. III 12 in anderen, jedenfalls
38 Horatius.
nicht 4 zeiliger Strophenform. Dafs Huemcr auch dieses Schema wie
noch die gröfscre Sapphische Strophe, die dritte Archilochische, erste
und zweite pythianibische bespricht, während kein in diesen Metren ge-
schriebenes Gedicht aufgenommen ist, scheint uns entbehrlich. Ungern
vermissen wir in der Sammlung c. I 9, sat. II 5 , die für Horazens Ver-
hältnis zu Mäceuas so wichtige epist. I 17, wogegen wir gern verzichteten
auf die Weissagung des Nereus (c. I 15) und die Archytasode, auch
c. II 20 möchten wir der nun einmal unserra Geschmack wenig zusagen-
den Verwandlung halber preisgeben.
7) Q. Horatius Flaccus. Recensuit atque interpretatus est J. C
Orellius. Edito quarta maior emeiidata et aucta. Vol. II Sat. Epist.
Lexicon Horat. Post J. G. Baiterum curavit W. Mewes. Fase I— V
Berol. S. Calvary u. Co. 1890-1892. 831 S. 8.
Q. Horatius Flaccus. Recensuit Guil. Mewes. Vol. II. Berolini.
S. Calvary u. Co. 1891. 188 S. 8.
Wir können diese beiden Ausgaben um so eher zusammenfassen,
als die zweitgenannte wortgetreu den Text und die Angabe der Varian-
ten aus der gröfseren Ausgabe (über deren I. Teil, von Hirschfelder bear-
beitet, s. Jahresber. 1884—1887) enthält und nur eine besondere, kurze
Praefatio voranschickt, in der M. darauf hinweist, dafs gegenüber dem
einseitigen kritischen Standpunkte von Keller- Holder eine Neubearbei-
tung des kritischen Apparats angezeigt schien, die besonders die Blan-
dinischen Hss. zu berücksichtigen habe. Er will vor allem also die Lss.
des Bland, vetust. geben, aufserdem werden beigezogen von den Keller-
Holder'schen Hss.: Aa B C F (^ und </>) R g y d a y. Durch diesen hand-
schriftlichen Apparat bekommt das Orelli'sche Buch ein neues Aussehen
— zu seinem Vorteil, denn Orellis kritischer Apparat konnte nicht mehr
genügen. Was M.'s Umarbeitung betrifl't, su mochte gewifs eine Kürzung
des Keller-Holder'schen Apparats wünschenswert sein; da und dort ist
sie vielleicht manchem zu sehr beschnitten. Über die Wertschätzung
der Bland. Hss. kann hier nicht diskutiert werden. Dafs aber des Cru-
quius Citate sehr unzuverlässig, ja thatsächlich vielfach falsch sind, steht
aufser Zweifel durch die CoUation des cod. Divaei. Zum mindesten
konnten jene Citate desselben, wo er von omnes Codices spricht, wäh-
rend z. B. cod. Divaei anderes bietet, fortgelassen werden, wie z. ß. zu
s. I 1, 19; 38; 39; 91; 2, 14; 10, 21; II 3, 96; 194; ep. I 2, 23; 18,
111; a. p. 49; 249; 393. Mit Recht hat M. dies an anderen Stellen ge-
than, wie z.B. s. I 1, 108, wo er in dem reproduzierten Citat des Cru-
quius die Erwähnung des cod. Divaei übergeht. Bei s. I 5, 36 wäre es
ebenso angezeigt gewesen, wo Cruquius notorisch ungenau ist; ebenso
s. II 5, 87. Die Abweichungen vom Orellischen Texte sind sehr zahlreich
und betreffen nicht blofs Orthographica, wo durchweg eine der Über-
lieferung entsprechende Vcibesserung vorgenommen wurde (Accus, plur.
auf is, cena, obicere, temptatum , taeter, Sallustius, quicquara, ligurrio
Horatius. 39
u. V. a.; bei den Composita wählt M. fast überall die Dissimilationsformen
conpono, conparo, adponit, iiipar u. s. w.)- Hinsichtlich der Anordnung
des kritischen Apparats hätte es die Übersicht erleichtert, wenn eine
strengere Ordnung festgehalten wäre, damit nicht die recipierte Lss.,
wie das jetzt der Fall, bald zuerst, bald zuletzt angeführt wird.
Unter den Abweichungen vom Orellischeu Texte scheinen uns wohl-
begründet zu sein: I 1, 83 (reddat gnatis); 88 (an); 101 (Naevius); 3, 7
(Bacchae); 85 (die Interpunktion vor acerbus); 130 (Alfenus); 4, 25
(elige); 39 (poetas); 70 (sim); 87 (avel); 109 (utque); HO (Baius); 5,
36 (vatillum); 6, 75 (octonos . . . aeris); 7, 7 (tumidus); 8, 41 (resona-
rint); 44 (caliendrum); 9, 50 (iuquam); 64 (pressare); 10, 88 (sint);
II 1, 15 (describit); 31 (usquara); ep. I 2, 5 (distinet); 32 (hominem);
3, 30 (sit); 7, 6 (dissignatorem); 10,5 (die Interpunktion nach pariter);
24 (expelles); 40 (vehet); 15, 37 (correctus), 17, 21 (verum); II 1, 69
(delendave); 198 (nimio); 268 (operta); 2, 158 (mercatus et aere est);
a. p. 32 (imus); 49 (rerum et); 129 (parturient) ; 190 (spectanda); 339
(ne) ; 394 (urbis); 410 (prosit); 416 (nunc). Dagegen halten wir lieber
Orellis Lss. fest bei s. I 1, 81 (adfixit); 108 (nemo ut); lio (pelli); 3
60 (versetur, das u. a. Krüger mit guten Gründen verteidigt); 6, 31 (ut,
das einen weit besseren Sinn giebt); 68 (aut); II 2, 3 (abnormis); ep.
I 1, 57 (et, das auch die bessere Überlieferung für sich hat); 2, 8
(aestus); 31 (curam); 10, 9 (fertis); 16, 3 (et pratis); 18, lll (quae
donat); 20, 7 (ubi quis); II 2, 16 (laedat); a. p. 92 (decenter); 197 (pa-
care); 294 (perfectum); 330 (at). Den Vers ep. I 18, 91 setzte Oreili
in Klammern, M. hält ihn mit Vahlen für echt.
Dem Kommentar Orellis, der heute noch mit Recht hochgeschätzt
und namentlich im Auslande der beliebteste ist, hat M. durch Beach-
tung der neueren Forschungen noch weitere Vorzüge gegeben. Durch
wohlangebrachte Kürzungen (die zahlreichen Exkurse Orellis sind bis auf
wenige fortgelassen und deren Gehalt geschickt in den Kommentar ver-
arbeitet) wurde Raum gewonnen für die notwendigen Umarbeitungen und
Zusätze, namentlich auch über die Chronologie, ohne dafs dadurch der
Umfang des Buches erweitert worden wäre. Ja, trotz des erschöpfenden,
recht verdienstlichen Index, der 174 Seiten umfafst (bei Oreili nicht ganz
100), ist diese Auflage gegen die Orellische um etwa 100 Seiten gekürzt.
Der Index selbst giebt allerdings nicht mehr wie bei Oreili knappe Er-
klärungen, sondern lediglich nur die Stelleu.
Die Erläuterungen im Kommentar sind durchweg sorgfältig, besonnen
und, auch wo entgegengesetzte Ansichten angeführt werden, ohne jenen
absprechenden Ton, in dem sich einige Horazinterpreten immer noch ge-
fallen. Meinungsverschiedenheiten werden ja hier immer vorhanden sein.
So scheint uns, um nur einiges herauszugreifen, s. I 4, 21 nitro delatis
nicht gut auf die Schmeichler bezogen, »die dem bewunderten Fannius
kostbare scrinia und ihr Bild zum Geschenke machen«. Abgesehen davon,
dafs hierbei nitro noch weniger erklärt ist als bei der Auslegung des
40 Horatios.
Scholiasten. kann zu diesem Abi. absol. nicht wohl ein andres logisches
Subjekt gedacht werden, als das daneben stehende Faunius. — Auch
s. I 6, 79 halten wir nicht für richtig erklärt. Denn wenn, wie M. glaubt,
in magno ut populo mit sequentis zu verbinden ist und gesagt wird,
dafs in der Grofsstadt eben die Knaben überhaupt nicht ohne Beglei-
tung ausgehen konnten, so konnte doch niemand aus diesem Umstände
einen Schlufs auf den Wohlstand des Vaters machen; die Begleitung ist
dann ja selbstverständlich und kann nicht mehr auffallen. — II 2, 3 hat
sogar Dillenburger die Autorität des Cod. V. verlassen und schreibt
abnorrais, während M. abnormi giebt. Dafs Hör. die sprichwörtliche
Redensart crassa Minerva durch einen Zusatz, zumal ein neben crassa
so mattes Attribut, geändert haben soll, ist unwahrscheinlich. — ep. I
6, 7 hält M. an Orellis Erklärung von ludicra fest. Allein die von M.
citierte Stelle bei Cicero de fin. I 69 (ludicra exercendi aut venandi)
spricht eher gegen den absoluten Gebrauch von ludicra im Sinne von
ludi. — Mit Recht verwirft M. s. I 9, 27 (quis te salvo opus est)
die von Schütz und Kiefsling vertretene Interpretation , als ob in den
Worten auf eine Geisteskrankheit des Schwätzers hingedeutet sei. Wenn
in derselben Satire zu V. 69 (tricesima sab b ata) M. fast zwei volle
Seiten auf Reproduktion der verschiedenen Meinungen über dieses Juden-
fest verwendet, um schliefslich zu konstatieren, dafs überhaupt damit
kein besonderes Fest derselben bezeichnet werde, so hätte hier Orellis
Gelehrsamkeit ohne Schaden für die Interpretation übergangen werden
können. Doch gehören derartige Weitläufigkeiten zu den Ausnahmen.
Sehr gut sind u. a. behandelt s. I 2, 45; 6, 44; II 1, 86; 3 57; 5, 102;
6, 59. ep. I 7, 29; 16, 8; 18, 15. Klar und lichtvoll sind die Einlei-
tungen zu den einzelnen Gedichten, besonders auch zur ars poet. In
der Chronologie schliefst sich M. den Ausführungen Vahlens an.
Der Druck ist korrekt. Zu verbessern sind: s. I 1, 15, wo nach
En ego eine Interpunktion stehen mufs, wenn es, wie der Kommentar
will, nicht mit faciam verbunden werden soll; s. I 2, 24 steht in der
grofsen Ausgabe curreut, aber im Index currunt, ebenso in der klei-
nen kritischeu Ausgabe; s. I 5, 23 fehlt nach hora der Punkt; s. II 3,
27 ff. steht die Erklärung nicht im Einklänge mit der Interpunktion.
Falsche Citate fanden wir zu s. II 1, 1 (videar), wo es heifsen mufs:
c. I 1, 4; zwei Zeilen weiter: sat. I 2, 28 (nicht 1, 103).
Die mit vorliegendem Bande abgeschlossene Ausgabe ist durch die
glückliche Heranziehung der reichen Horazlitteratur ganz besonders
geeignet zur Einführung in unsern Dichter.
8) Quinti Horatii Flacci opera omnia. The works of Horace with
a commentary by E. C W ick harn. Vol. II. The satires, epistles and
de arte poetica. Oxford, Clarendon Press 1891. 474 S. 8.
Nach längerem Zwischenraum (vol. I erschien schon 1877) läfst mit
vorliegendem Bande W. die Bearbeitung der Satiren und Episteln folgen.
Horatius. 41
Dieselbe darf als eine der überlegtesten und beachtenswertesten Erschei-
nungen auf dem Gebiete der fremdländischen Kommentare bezeichnet wer-
den, weniger wegen eigentlicher Neuheiten in der Interpretation, als wegen
der überaus praktischen Art, wie das vorhandene Material ausgebeutet ist.
Nichts von jener unfruchtbaren Gelehrsamkeit, die in so manchen Aus-
gaben begierig nach Gelegenheit sucht, alle möglichen grammatischen und
metrischen Sonderlichkeiten der lateinischen Dichter abzulagern, sondern
überall mafsvolle und doch ausreichende Heranziehung alles Wesentlichen.
Aufser Heindorf, Obbarius, Schütz, Wilkius, Düntzer, Dillenburger, Ritter
(Kiefsling konnte W. nicht mehr benützen) ist es vor allem ßentley,
dem W. folgt, von seinen neueren Landsleuten auch Palmer. So sehr
im allgemeinen Bentley beachtet wird, sind doch dessen zahlreiche Kon-
jekturen meist unbeachtet geblieben W. folgt in kritischer Hinsicht
den Blandinischen Hss., weicht aber doch da und dort vom Vetustissimus
ab, selbst in Stellen, wo Mewes u. A. die Lss. von V verteidigen. So steht
s. I 1, 81 adfixit; 2, 110 pelli; H 3, 1 sie; 7, 83 sibi qui. An andern
Stellen hält er an Lss. fest, die jetzt ziemlich allgemein aufgegeben sind;
so z. B. steht s. I 6, 75 octonis Idibus aera, da die Assonanz in
octonos Idibus aeris nicht recht horazisch sei. Bei aller Vorliebe
für Bentley sind nicht einmal Besserungen aufgenommen wie: s. I 8, 41
resonarint. "Wenn W. für das hs. resonareut anführt, dafs die
Handlung des resonare »more continous« sei. wie auch Wilkins meinte,
und daher das Imperfectum gesucht sei, so ist das wie Schütz gezeigt
hat, nicht stichhaltig. Diese Bedeutung kann , zumal nach voraufgehen-
dem Praesens unmöglich im Imperfect an und für sich schon liegen.
Auch Bentleys musto (s. II 4, 19), das gleichfalls von den meisten
Herausgebern rezipiert ist, wird abgelehnt, ebenso dessen olea (ep. II 1,
31), pacare (a. p. 197), das übrigens auch handschriftlich gestützt wird,
und artis (a. p. 423). An drei Steilen ist eine Lesart als verdächtig
bezeichnet: ep. I 2, 31 (cessatum ducere curam), II 2, 88 (huic) und
ep. II 2, 114 (intra). Überall wird in den Anmerkungen Bezug genommen
auf die abweichende Textüberlieferung, meist sogar recht eingehend.
Kurz ist s. I 2 behandelt, wohl aus pädagogischen Gründen. Dagegen
orientieren Ausführungen wie z. B. zu ep. I 7, 29; 18, 91; a. p. 32; 120
u. V. a. rasch über alles Wichtige. Zu dürftig scheinen uns nur wenige
Stellen behandelt wie ep. I 16, 5; a. p. 92; zu ep. I 6, 7 hätte W. mehr
Wilkins Bemerkung beachten sollen; die grammatische Verweisung auf
Madvigs Lehrbuch zu licet esse beatis (s. I 1, 19) ist wohl entbehrlich;
hinter pingui (s. I 3, 58) ist die Interpunktion zu tilgen; auch die Ortho-
graphie tetra (s. I 2, 33 u. a.) entspricht nicht der besten Überlieferung.
Die vorangeschickten Erörterungen über die Chronologie der ein-
zelnen Stücke schliefsen sich au die Forschungen von Mommsen und
Vahlen an und zeichnen sich ebenfalls durch Kürze und Klarheit aus.
Ohne Weitschweifigkeit werden überall die Hauptgesichtspuukte knapp
42 Horatius.
zusaramengestellt, ancli gegnerische Fixierungen der Gedichte (vergl,
S. 328 über cp. II 1 oder S. 332 über a. p.) meist erwähnt. Besonders
hervorzuheben sind die lichtvollen dispositiven Inhaltsangaben vor den
einzelnen Satiren und Episteln. S. 296 giebt W. ein Kärtchen der Villa
des Horaz im Sabinerlande, das unter den uns bekannten Skizzen dieser
Art weitaus das beste ist. W. erwähnt die beiden Lokalisierungen des
Horazischeu Landhauses ohne sich zu entscheiden. In der That wird
dies auch schwer sein. Nach der neuesten Abhandlung über diesen
Gegenstand von dem Italiener Mazzolini (Rivista ili filolog. 1890) wäre
die Ansicht Rosas und Noel de Vergers'. die das Landgut weiter oben
bei Rocca Giovane identifizierten, unrichtig und wir hätten eher einem
Ort unterhalb Rocca Giovane anzunehmen, und zwar etwas weiter nörd-
lich und mehr in der Thalsohle des Digentiabaches. Referent hat 1887
ebenfalls die Gegend besucht und gesteht, dafs man in dieser Frage über
ein non liquet schwerlich hinauskommen kann.
Zum Schlüsse giebt W. einige Lss. aus einer Oxforder Horazhand-
schrift (XII. Jahrb.), die aber wenig Bedeutung hat.
Das Buch ist, was besonders gegenüber den in Deutschland er-
scheinenden Ausgaben hervorgehoben werden mag, musterhaft ausge-
stattet.
9) Des Q. Horatius Flaccus Satiren und Episteln. Für d. Schul-
gebraucb erkl. von G. T. A. Krüger. Zwölfte Auflage, besorgt von
Gustav Krüger. Zweiter Teil: Episteln. Leipzig, Teubner. 1890.
206 S. 8.
Auf den die Satiren umfassenden ersten Teil macht der letzte
Jahresbericht S. 116f. aufmerksam. Die typographischen Änderungen
durch Beifügung der betr. Verszahlen in den Noten sowie durch Trennung
der Anmerkungen mittels horizontaler Striche geben auch diesem Teile
eine grölsere Übersichtlichkeit. Der Text weicht nur wenig von der
letzten Auflage ab: I 7, 29 ist Bentleys nitedula st. volpecula aufge-
nommen; wie wir glauben, ohne Not. — I 10, 2 — 5 ist jetzt im An-
schiufs an Kiefsling ein Punkt gesetzt vor hac in re, während bisher
wie die Bemerkung im Anhange sagt, urbis aniatoreni . . . amatores,
hac in re..dissimiles: at cetera. .auimisquid(|uid..etalter,
adnuimus pariter interpungiert wurde. Übrigens hat bereits die uns
vorliegende 6. Auflage die jetzt wieder gewählte Interpunktion vor hac
in le. — I 14,43 wird nach piger interpuntriort ; mit Recht, da piger,
wie ausgeführt wird, zu beiden Subjekten gchiiit. — I 20, 24 ist zum
hss. solibus aptum zurückgekehrt, dessen vollkunimene Richtigkeit
M. Hertz jüngst gezeigt.
Andere Erklärungen, meist nach Kiefsling, haben mehrere Stellen
erfahren. So I 1, 37 und 51, letzteres im Anschlüsse au Schütz. Wäh-
rend diese beiden Änderungen Beifall verdienen, scheint uns I 4, 6 eras
Horatius. 43
in der früheren Auflage zutreffender erklärt zu sein. — I 10, 37 wird
mit Vahlen jetzt violcns prädikativ zu discessit gezogen, was wohl
nach Vahleus Ausführung allgemein anerkannt werden wird. — II 1, 7
colunt in zwei verschiedeneu Bedeutungen zu nehmen (erst zu terras
im Sinne von incolunt, dann mit hominum genus als excolunt), wie
Kiefsling gethan, dürfte aber bedenklich sein. — II 1, 124 hat Kiefsling
militiae richtig als Dativ gefafst, entsprechend dem folgenden urbi;
dagegen hätte Kr. statt des von dem genannten Erklärer bevorzugten
praesectum (a. p. 294), wir wir glauben, besser an perfectum der
früheren Auflagen festgehalten, vergl. Kellers Epilegg.
Die im Anhange gegebenen kritischen Notizen zeigen, wie sorg-
fältig Kr. die neueste Litteratur überall verfolgt, und sind für die ge-
lehrte Beschäftigung mit dem Dichter von grofsem Wert. Obwohl kürzer
als der Schütz'sche Anhang, bietet diese Beigabe doch entschieden weit
mehr und vor allem besser gesichtetes Material.
10) Q. Horatius Flaccus. Erklärt von A. Kiefsling. I. Teil:
Oden und Epoden. Zweite verbesserte Auflage, Berlin, Weidmann.
1890. 431 S.
Der Kommentar dieser neuen, an Umfang nur wenig stärkeren
Auflage ist vielfach berichtigt und erweitert, neue Lesarten sind nur
wenig aufgenommen,
C I 1, 4 hatte Kiefsling früher mctaquc — deos als ausmalenden
Zusatz, der selbständig eingefügt sei, betrachtet. Jetzt läfst er die Inter-
punktion nach iuvat fallen und beginnt mit palmaque . . evehit einen
neuen Satz, »da die Kraft des farblosen iuvat nicht über meta evitata
(= cvitavisse) hinausreiche«; evehit gehöre dann auch zu dem folgen-
den hunc und illum als Prädikat. Wir können dem nicht beipflichten;
gerade das weiter unten nochmals auftretende multos castra iuvant
(V. 23) scheint uns darauf hinzuweisen, dafs auch hunc und illum von
iuvat abhängig sind. Dazu kommt noch, dafs evehit ad deos wohl von
den tergeraini honores gelten könnte, aber doch kaum für den, der in
seinen Scheunen möglichst viel Getreide birgt. — ib. 20 folgt über das
Zeugma pocula und parteni dem er e eine längere Auseinandersetzung,
die sehr feinsinnig, aber für die Interpretation der Stelle doch ohne er-
sichtlichen Belang ist. — ib. 29 erklärt K. doctus mit »künstlerisch
gebildet und mit dem Geist griechischer Poesie vertraut«. Es liegt aber
in doctus vor allem auch ein Hinweis auf metrische Fertigkeit, wie
L.Müller (Horaz, Leben 107ff.) und Weifsenfeis (Horaz p. 186) gezeigt
haben. — I 2, 43 ist filius nicht mehr als Vokativ gefafst, sondern =
cum filius sis erklärt und zum folgenden, nicht wie Nauck u. A. thun,
zum Yoraulgeheuden Satz gezogen. — Die Autfassung von alite (I 6, 2)
als Abi. abs., wird noch etwas stärker abgefertigt als »Albernheit, den
durch die Lüfte sich schwingenden Schwan mit Dinte und Papier hau-
44 Horatius.
tiercn zu lassen«. — I 12, 45 ist jetzt aevo als Dativ gefafst (früher:
Dat. oder Abi.). - ib. 55 ist orientis (früher Orientis) von der
oriens plaga caeli verstanden. — I 14, 6 giebt K. zu funes, das er
übrigens wie Schütz im Sinne von uTto^oj/iara (Gurttaue) nimmt, eine
ausführliche Erklärung. — 18, 16 wird zu perlucidior die Neigung
des Hör. für Komparative (statt einfacher Vergleichung) mit Beispielen
belegt. — Zu tota (I 19, 9) wird auf den alexandrinischen Gebrauch
von dßpoog verwiesen. — Bei I 20 glaubt K., dafs dem Interpolator der
Eingang von ep. I 5 als Motiv seiner Erfindung vorgeschwebt. — Wert-
voll ist die Ausführung zu .Scythae (I 26, 4), ebeuso zu Tiridates.
Für die Wiedereinsetzung der Phrahates »bald nach dem Sommer 24«
citiert K. Mommsen, mon. Ancyr. 135. Darnach floh aber Tiridates
schon 26/25 zu Augustus und man wird also wohl die Rückkehr des
Phrahates auf den Thron früher ansetzen müssen. — sodales (I 37, 4)
aus »Paul p. 296: quod ex suo datis vesci soliti sint« zu erklären, dürfte
doch bedenklich sein, vergl. Curtius Grundz.* S. 251. — Den Vers oux
iör' iv ä\'Tfjucg u. s. w. (zu II 2) wird man jetzt wohl definitiv Eurip.
Phil, zuschreiben. — II 6, 7 hält K. fest an Peerlkamps domus. Aber
ist das nicht schon in sedes gesagt? - II 7, 10 findet K. im Deminutiv
parmula eine Abschwächung des Ausdrucks. — Deutlicher ist die Note
geworden zu II 13, 1; V. 14 findet K. Lachmanns Thynus besser als
Roschers Bospori poenas. Uns scheint Schütz hier mit Recht auf
die durch Thynus verloren gehende Pointe hingewiesen zu haben. Neu und
treffend ist die Erklärung zu V, 30- - In der von K. für interpoliert be-
zeichneten Strophe II 16, 21 — 24 soll der Nachdichter auch das aerata
triremi seiner Vorlage (III 1, 39) niifsverstanden als Kriegsschiff gefafst
haben. Wir verstehen nicht, worin dieses Mifsverständnis besteht; der
Gedanke scheint uns genau wie III 1, 39, wo, genau wie hier die Curae,
auch Timor und Minae mit der aerata triremis des reichen Mannes
in Verbindung gebraclit werden. — Die durchgehende Verbesserung des
Kommentars ist auch der nicht immer einfachen und leichten Sprache
zu gute gekommen. Doch zweifeln wir, ob es korrekt ist zu sagen (II
18, 15): »Aber indem das Bild der sich drängenden Tage und des unab-
lässig sich erneuernden und wieder abnehmenden Mondes die Vorstellung
vom schnellen Flufs der Stunden erweckt, tritt es zugleich in die
Funktion eines konzessiven Vordersatzes zu dem Unver-
stand dessen, der diese Spanne Zeit in Nichtigkeiten ver-
trödelt.« - c. III 2 tritt K. Mommsens Erklärung bei; dann müfste aber,
meinen wir, fideli silentio eher mit: »treue Verschwiegenheit« über-
setzt werden als mit »still verschwiegener Treue«. — III 2, 9f. sei nicht
(früher: »unmöglich«) direkte Rede; denn wie könne es sonst heifsen:
regius sponsus? Der Satz drücke nur die Empfindung der Braut
aus: suspirare heifse: »mit Seufzern befürchten« (früher = optare). —
III 4, 10 wird mit Mommsen Pulliae gelesen und dies als Name der
Horatius. 45
märchenreichen Amme gefafst. Diese Beziehung von fabulosae
ist aber doch noch sehr zweifelhaft. Neuerdings hat Born für die Zu-
gehörigkeit zu palumbes auf die sonst bei Horaz übliche Wortstellung
hingewiesen. — III 4, 46 ist Bentleys umbras fallen gelassen und zum
hs. urbis zurückgekehrt. — III 28, 6 liest K. jetzt sentis et (früher
ac), weil et die älteste Überlieferung sei. — III 29, 27 sieht K. jetzt
in Seres und Tanais discors mehr als blofse poetische Phrasen; »wie
V. Gutschmid gezeigt, standen damals die Chinesen in engen Beziehungen
zu diesen Ländern und hatten vorher im J. 44 in Baktrien interveniert«.
— IV 2, 2 kehrt K. zum hs. lulle zurück. — ib. 33 wird Lachmanns
CO nein et auch deshalb für nötig erachtet, weil ein episches Lied wohl
Augustus Thaten , nicht aber seinen Einzug und die Festfreude der
Bürgerschaft feiern könne. — IV 5, 4 ist K. geneigt, mit Fea und
Linker consilio statt concilio zu setzen. — Sehr ausführlich und
zugleich treffend ist die Bemerkung zu premit comes (5, 24). — Zu
IV 7, 3 wird es wohl richtiger heifsen: 'die nach der Jahreszeit ver-
schiedenen Wechsel' als 'die nach dem Ort' . . — Zu IV 12, 18 steht,
dafs die horrea am Tiberemporium nach ihrem letzten Besitzer, dem
Kaiser Galba: horrea Galbae genannt seien. Vielleicht überzeugt
sich K. aus Richters Topographie (S 852), dafs es nicht der Kaiser
Galba ist, von dem der Name herrührt. — Ep. 1, 10 wird jetzt die
Interpunktion vor feremus getilgt und interpungiert: an hunc labo-
rem .. feremus, et te .. sequemur pectore? K. hält die drei-
fache Wiederholung des ferre in einem Satze für besonders nachdrucks-
voll. — Porphyrios Bemerkung zu novendiales (ep. 17, 48) bedarf
wohl keiner Korrektur (»genauer am 9. Tage nach dem Tode«), wie
Rohde (Psyche p. 213) zeigt.
Durch Einrücken der verschiedenen Verszeilen ist der Druck über-
sichtlicher geworden. Druckfehler sind beseitigt bis auf I 17, 13 dies;
24 metuens; 23, 19 patentia; 36, 17 steht hinter putris ein Punkt;
37, 10 ebenso hinter impotens; II 4, 6 captiva; IV 2, 25 aure; 9, 49
parti; ep. 6, 10 cibam; 7, 12 fehlt die Interpunktion hinter feris; 17,
23 capillius. — Im Kommentar steht S. 42 male; S. 150: I 26 st. I 24;
S. 174 refixiv; S. 175 iaformis; S. 178 verlaufen; S. 208 cohi-
bebur; S. 217 (zu prospiciens) abgelöst und (st. um); S. 378 par-
vum. Auch die Orthographie der Anmerkungen stimmt noch nicht
ganz mit jener des Textes, immanis und inmanis, quicquam und quid-
quam, nequis und ne quis, quodsi und quod si, finitumus und finiti-
raus u. a.
Kiefslings Ausgabe ist unter allen neueren Bearbeitungen die her-
vorragendste durch Selbständigkeit und Feinheit des Urteils. Wer sich
mit dem Dichter beschäftigt, wird notwendig zu ihr greifen müssen.
46 Horatius.
11) Q. Horati Flacci sernionuni et epistularum libri. Satiren und
Episteln des Horaz. Mit Anmerkungen v. Lucian Müller. I. Teil.
Satiren. Prag-Wien-Leipzig. Freytag. 1891. XXXII u. 277 S. 8.
L. M. glaubt (Vorrede S. 3), dafs Kritik und Exegese in den Sa-
tiren und Episteln noch lange nicht ihr letztes Wort gesprochen haben;
daher habe er sich durch mehrfache Wünsche bestimmen lassen . seine
Erfahrungen im Gebiet der römischen Poesie für eine Bearbeitung der
Satiren und Episteln zu verwerten. Unter den bisherigen Leistungen
giebt er Heindorfs Ausgabe den Ehrenplatz, auch Peerlkamp, ob-
wohl glücklicher in den Oden und Epoden, sei zu beachten; als tieifsige
Arbeiten werden auch die Kommentare von Düntzer, Ki r ebner -
Teuffei, Keller- Holder , Schütz, Fritzsche, besonders aber
Orelli - Hirschfelder , Krüger und Kiefsling angeführt. Aber
gerade der letztgenannte zeige, wie nötig eine Bearbeitung sei; denn
für Wortkritik und Metrik habe Kiefsling »wenig oder nichts gethan«.
Die Differenzen mit letzterem Herausgeber beträfen wichtige Punkte,
auch hinsichtlich einer tieferen Erkenntnis des Dichters. Für die Text-
kritik kommt nach M. aufser den vier Bland. Hss. cod. Berneusis in
Betracht, namentlich aber Bentley, an den er sich möglichst nahe an-
geschlossen habe. Obgleich die Ausgabe aufserordentlich reich an Kon-
jekturen ist, so nennt sich der Herausgeber doch in der Textbehandlung
konservativ, insofern er diese Vorschläge nicht in den Text selbst gesetzt
hat, sondern in die Noten. Für Erklärung sei am meisten den Philo-
logen des 16. Jahrhunderts zu danken (Lambinus, Fabricius, Cruquius,
Torrentius u.a.). Diejenigen Gedichte, welche sich auf die Geschichte
der römischen Poesie beziehen, seien von keinem seiner Vor-
gänger befriedigend behandelt. Kiefsling tretfe der Vorwurf, die
Horazbiographie wie die Enniusausgabe des Herausgebers nicht zu Rate
gezogen zu haben. In der Interpretation sei besonders berücksichtigt
die kritische und die litterar-historische Seite, weniger die Realien.
Die Einleitung giebt eine kurze Geschichte der vorhorazischen
Satire. Ennius' Satire habe nichts gemein mit der altrömischen, nur
dafs auch er die dialogische Form angewendet habe. Seine Stoffe waren
manniclifach, meist ernst, alle Stilgattungen umfassend vom Cynismus bis
zum höchsten Schwünge. Lucilius schafft erst den Begriff »Satire« in
unserem Sinne d. h. als Lehrgedicht, dessen Stil die Umgangssprache
der Gebildeten war. An ihn schliefst sich Horaz an, als er 41 n. Chr.
nach der Rückkehr von Philippi aus innerem Drange wie durch die Not
der Zeit mit Dichtungen hervortrat. Es entstanden zuerst s. I 7, dann
I 2. 3. 4. Wie viel Horaz dem Borystheniden Bion zu danken hat, bleibt
dunkel. H. liabe gleich Lucilius die beiden Sonderausgaben der Satiren
betitelt: Saturarum libri; als aber später die Briefe dazu kamen, war
jene Bezeichnung nicht mehr passend, daher habe er die ersteren als
Horatius. 47
Sermon es bezeichnet, nicht in Erinnerung an Bions diazpcßat, sondern
weil die Gesprächsform in ihnen so bedeutend vorherrsche. S. XXI — XXX
handelt M. eingehend über die Metrik.
Schon äufserlich betrachtet zeigt der Text durch die vielen Kreuze,
eckigen Klammern und Zeichen für Lücken eine namhafte Anzahl von Stellen,
die nach L. M. verdorben sein sollen. Von Konjekturen sind in den Text
folgende aufgenommen: I 2, 38 moechis rem; 64 genero; 81 Cerin-
tha, tuo; 3, 20 haut; 71 amare; 121 nunc; 132 tonsor; 4, 33
poetam; 5, 61 laeve; 6, 111 multis; 8, 29 manibus; 10, 4 isto;
27 oblitos; II 3, 86 Arri et; 117 incubet ulvae; 154 ingesta; 208
cerebrique; 4, 45 adferat atque ars; 5, 103 illacrima; e rest;
6, 58 egregium; 59 deperit; 7, 82 Signum; 88 in quo; 8, 18
miras; 30 porrexit is. — In Klammern eingeschlossen sind:
I 2, 13 mit Sanadon, Lachmann u. a.; 3, 85 als überflüssiger Zusatz;
5, 92 mit Bentley; II 2, 136 als ganz müfsiger Zusatz; 3, 294 als un-
echt. — Umstellungen sind vorgenommen II 1, 48 und 49; 6, 17 ist
nach V. 19 gerückt (mit Kirchner). Für weitere Umstellungen tritt der
Kommentar ein zu: I 10, 80, hinter welchem Vers »in der I. Ausgabe
wohl V. 92 gestanden sei«; II 4 seien die Verse 37 — 39 vor V. 45 ein-
zuschalten; II 5 unterbräche der Abschnitt von V. 51 — 69 den Zusammen-
hang und sei wohl vor 99 einzuschieben. — Lücken soll die hs. Über-
lieferung mehrfach bieten: I 5 seien vor V. 34 einige Verse ausgefallen;
I 6, 22 sei eine Lücke; ebenso II 3, 246; ebenda V. 280; II 4, 47; bei
der Umstellung II 6, 17 scheine gleichfalls etwas verloren gegangen zu
sein; einige Verse seien vermutlich auch II 6, 23 ausgefallen; ebenso
II 6, 65 und II 7, 64.
An einer viel gröfseren Anzahl von Stellen ist die handschriftliche
Lesart im Texte mit einem Kreuz versehen; wir zählten dieser Art gegen
30 Stellen, zu denen dann im Kommentar Emendationen vorgeschlagen
werden; zu andern wiederum werden Vorschläge gemacht, ohne dafs sie
im Texte obelisiert sind. Es würde zu weit führen, wenn wir die ein-
zelnen Konjekturen alle anführen wollten. Obwohl der Herausgeber sie
zu begründen sucht, dürfton doch die wenigsten Anklang finden. So um
nur einiges anzuführen, soll I 1, 87 merearis schlecht überliefert sein,
weshalb das von einigen Hss. gebotene merearis empfohlen wird. Aber
der Sinn verlangt doch gerade merearis, nicht merearis, denn vom
kaufen ist keine Rede, wohl aber davon, dafs der Geizhals nur den
Mammon kennt, alles andere dagegen hintansetzt. Treffend citiert übri-
gens Kiefsling zu d. St. nardo vina merebere aus c. IV 12, 16. — I 2,
33 eifert L. M. wie auch 3, 107 gegen taeter als unhorazisches Wort.
Aber spricht nicht auch Catull in ganz ähnlichem Sinne von taeter
morbus = araor? Das aus B entnommene tecta dagegen (I 2, 33)
scheint in diesem Zusammenhange ganz unpassend; abgesehen von dem
Mangel an Belegstellen für den Ausdruck überhaupt, versteht man nicht,
48 Horatius.
was hier die geheime' Begierde soll, wo lediglich vom geschlechtlichen
Bedürlnis die Rede ist. Das derbe Wort taeter ist auch, wie Mewes zu-
treffend bemerkt, der Sprache des borstigen Cato ganz entsprechend. —
I 1, 29 soll caupo ein Verderbnis sein, da ofl'enbar auf die V. 4 — 12
geschilderten Personen Rücksicht genommen sei; vielleicht sei perditus
hie causis zu lesen. Ähnlich werden I .3, 63—65 als späteres Ein-
schiebsel betrachtet, da Horaz in den Versen 55—95 die verschiedenen
Mängel der Freunde nirgends durch konkrete Beispiele belege. lu
beiden Fällen wird eine bis ins kleinste gehende Concinnität verlangt,
die doch dem Plaudertone der Satirc eine gar zu strenge Fessel anlegt.
An der ersteren Stelle tritt der caupo ein, weil eben Horaz den vorher
erwähnten iuris peritus nicht, wie L. M. glaubt, als zünftigen Advokaten
betrachtet. Das erste Mal ist von der Unzufri"Bdenheit der Menschen
die Rede, von V. 28 an folgt die Erklärung durch die Thatsache, ilafs
die Menschen von Habsucht erfüllt seien. Dafs nun die Typen für die
Jagd nach Gold bis ins kleinste die nämlichen sein müssen wie jene für
die Unzufriedenheit, ist um so weniger nötig, als wir in den Versen
1 — 22 und 28—107, wie Heinze und neuerdings Gercke (Rh. Mus. 1893
S. 41ff.) betont, eigentlich zwei von einander ganz unabhäugige Themata
haben. — Die Eingangsverse I 10, 1 — 8 hält L. M. für horazisch, die
8 Verse seien aber später, als H. das erste Buch überarbeitete um es
mit dem zweiten herauszugeben, getilgt worden. — U 2, 55 schreibt
L. M. nach einer Hs. Feas Aufidieiius statt Avidienus, das nur von
avidus kommen könnte und also die erste Silbe lang haben müfste. Da-
gegen wird zu Nasidienus (II 8) bemerkt, es lasse sich nicht erweisen,
dafs dieser Name fingiert sei. Warum soll aber dann Avidienus fingiert
sein und von avidus hergeleitet werden müssen?
In der chronologischen Fixierung der einzelnen Satiren weicht
L. M. mehrfach von der landläufigen Annahme ab. So wird I 1 ins Jahr
37 gesetzt, weil das Gedi« Iit eine gewisse Befangenheit zeige, wie sie
II. bei der ersten Begegnung mit Mäcenas zur Schau getragen; 1 3 ist
40/39 angesetzt, dazu muls aber V. G4 als unecht erklärt werden; die
Reise nach Hrindisi verlegt M. ius Jahr 37 (Schütz: Herbst 38; als
ältestes Gedicht betrachtet M. I 7, das 41 verfafst sei- Während Kiefs-
ling aus der »völligen Objektivität und kühlen Ruhe« schliefst, dafs H.
durch die Erinnerung nicht mehr aufgeregt werde, meint M., den .\n-
fänger zeige die zu umfängliche Parenthese (V. 10 — 18), der magere
Witz (V. 6) und die dunkle Darstellung in V. 7. 8. 10. 11. 27. 28 — 31.
Man wird zugeben müssen, dafs beide Argumente doch zu sehr sub-
jektiver Natur sind um daraus sichere Schlüsse zu ziehen. Dafs das
erste Buch aufser l und 7 nach der Zeitfolge geordnet sei, wie L. M.
p. XXXI sagt, ist nach den ungenügenden Anhaltspunkten, die in den
Stücken gegeben sind, weder zu bejahen noch zu verneinen.
HoratUis. 49
lu sachlicher Hinsicht zeichnet sich der Kommentar durch aus-
führliche Behandlung der formellen und besonders der metrischen Eigen-
tümlichkeiten aus. Man vergl. die Bemerkungen zu s. I 2, 113 (über
Synkope); 1, 5; 8; 83; (gnatus); 2, 30 (zu fornice); 3, 70 (hisce); 3, 101,
(dein); 104 (über die Quantität des verbalen o); 4, 93 (zu li\idus); 115
(über die Supina auf u); II 2, 74 (Endung is im Perf. Conj. und II Fut.)
u. V. a. Da und dort verbreitet sich der Kommentar über Dinge, die
für Horaz und die betr. Stelle ohne Belang scheinen. So steht z. B.
n 6, 89 (über ador) : „Der Genit. des Wortes hat sowohl adöris als
adoris, doch findet sich meist nur der Nom., cf. Priscian p. 700". Zu
s. I 1, 40 (nil) giebt L. M. eine ausführliche Erörterung über das "Wort
nihil; zu I 6, 4 (imperitarent) ist von induperare des Ennius und indu-
perator des Lucilius die ßede. — Dai's über die litterarhistorische Seite
eingehend gehandelt wird, kündigt der Herausgeber zum voraus an.
Gerade hier wie in den Abschnitten über die Metrik konnte L. M. aus
dem Vollen schöpfen und so sind denn diese Partien (vergl. zu s. I 4, 1
über Lucilius, ebenso I 10, 50 ff. über Lucilius, Accius, Enuius etc.,
ir 5, 41 über Furius, II 8 über Lucilius) mit erschöpfender Aus-
führlichkeit behandelt. — Neu ist in der eingehenden Besprechung von
I 3 über das Verhältnis des Horaz zu Tigellius die Annahme, dafs
letzterer zwar eine Neigung zu Extravaganzen gehabt, aber eine edle
Natur gewesen sein könne und dafs ihm Hör. befreundet war. — Dafs
II 1, 85 (si quis opprobriis dignum latraverit) dignum adverbiales
Neutrum (=gebührend) sein soll, von dem opprobriis abhängig ist,
ähnlich wie certum vigilans u. ä., ist schwerlich richtig; das nachfolgende
integer ipse verlangt eine Charakterisierung des Angegriffenen als
eines Menschen, der verdient getadelt zu werden; aufserdem braucht
latrare im Sinne von denotare keiner näheren adverbialen Bestimmung ;
selbst wenn es, wie M. glaubt, nur = latratu agnoscere und nicht
=r allatrare ist, kann der Sinn durch die Angabe, dafs ein opprobriis
diguus agnosziert wird, nicht zweifelhaft sein. — II 3, 72 wird alienis
malis ridere erklärt: „er lacht so herzhaft, als ob er mit fremden
Kinnbacken lachte, d. h. als ob er den Kinnbackenkrampf nicht zu
fürchten hätte." Wir glauben nicht, dafs hier vom starken Lachen die
Rede ist; wie schon Porphyrio in Erinnerung an das homerische Vor-
bild erklärt, ist der Ausdruck wohl nichts anderes als nou ex animo
ridebit. — II 6, 46 soll rimosa auris nicht von einem indiskreten,
sondern von einem gesunden Ohr zu verstehen sein, das mit natürlicher
Hörkraft begabt sei, wie purgata; Gegensatz sei obtusa, hebes. Bei
dieser Auffassung der Stelle scheint aber rimosa ziemlich müfsig zu
sein; wenn Hör. ep. I 1, 7 von purgata auris spricht, so wird das Ohr
als für die leiseste Mahnung zugänglich bezeichnet. An unserer Stelle
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft LXXVI. Bd. (.1893. n.j 4
50 Uoratius.
dagegen ist nicht einzusehen, weshalb das Ohr, dem mau alltägliche
Kleinigkeiten sagt, ausdrücklich als ein gesundes charakterisiert wird.
Von einem Gegensatz zur Taubheit oder Schwerhörigkeit ist doch keine
Eede. Horaz braucht sich nicht gerade als unzuverlässigen Schwätzer
hinzustellen, wenn er sagt, seine Unterhaltungen mit Mäcen beträfen
Dinge, die ohne Gefahr anderen mitgeteilt werden kfjnnten; rimosa in
aure bene deponere ist ein hübsches, zur launigen Schilderung gut passendes
Oxymoron, so dafs bene deponere und rimosa auris ausdrücken,
dals diejenigen Geheimnisse, über die mit Mäcen gesprochen wird, jeder
hören dürfe , weil sie eben nichts geheim zu haltendes betreffen. —
I 1, 8 (victoria) ist nach M. zu beachten, dafs vincere nicht blofs vom
Besiegen militärischer Hindernisse gilt, da diese Worte ein vom Sturm
herumgeschleuderter Kaufmann spreche. Aber gerade hier kann der
Kaufmami doch nichts anderes meinen als den militärischen Sieg. —
Dals I 1, 62 (quia tanti quautum habeas sis) eine Reminiscenz aus
Lucilius sei, ist möglich; Heinze in der von M. eingangs erwähnten
Dissertation p. 19 f. hält es jedoch für unmöglich zu entscheiden, ob
liier H. aus Lucilius oder aus einer griechischen Quelle schöpfte. — Die
Übersetzung von indormis (I 1, 71) „Du schnarchst" liegt in dem
Worte und auch in der Situation, die geschildert wird, u. E. nicht be-
gründet. — I 9, 13 fafst M. vicos im Sinne von „Dörfer, Flecken";
„Stadtbezirke" gebe keinen Sinn; gleich dai'auf wird pro sequar (v. 16)
für besser als persequar erklärt. Wir möchten beide Behauptungen
bezweifeln. Krüger hat persequar mit Eecht als zum nachfolgenden
quo nunc iter est tibi viel besser passend bezeichnet; weshalb das vor-
genannte vicos = „Stadtbezirke" aber keinen Sinn geben soll, ist nicht
zu ersehen. — Entschieden glücklich sind u. a. behandelt I 1, 81 ad-
fixit; I 4, 44 magna sonaturum; I 10, 65 zu urbanus; II 7, 48
intendit; 118, 7 (Interpunktion). Da und dort verwertet M. auch seine
russischen Erfahrungen (zu I 6, 119; II 2, 1J2; 3, 12).
Im Druckfehlerverzeichnis vergessen ist I 4, 70 sim, wofür wohl,
wie die Anmerkung besagt, s um stehen muls. Das Nachschlagen würde
erheblich erleichtert, wenn oben am Rande jeweils Buch- und Ordnungs-
zahl der Stücke notiert wäre.
Um ein abschlielsendes Urteil über M.'s Leistung zu erhalten,
besonders hinsichtlich der von ihm gegenüber Kiefsling in Anspruch
genommenen Verdienste, wird man erst noch die unter der Presse
befindliche Ausgabe der Episteln abwarten müssen.
J2) Le Epistole di Orazio, commentate da R. Sabbadini.
Torino, E. Löscher. 1890. 143 S. 8. — Le Satire ibid. 1891. 140 S. 8.
Unter den italienischen Ausgaben verdient die vorliegende besondere
Beachtung durch die praktische Anlage wie die Selbständigkeit der
Iloratius. 51
Arbeit. 8. benutzt zwar, wie er iu der Vorrede sagt, die bekamitestea
unserer deutschen Ausgaben und Arbeiten (Krüger, Schütz, Kiefsling,
L. Müller), zeigt aber in der Interpretation doch eigenes Urteil und
giebt in aller Kürze, was die Bedüi-fnisse der Schule erheischen. Den
Episteln gehen Paraphrasen in Prosa voraus, deren trefifliche Ausführung
der Erklärung am besten vorarbeitet, den Satiren nur kürzere
Orientierungen über Inhalt, Chronologie und Personalien. Die Text-
behaudlung bevorzugt die Blandinischen Hss, giebt daneben al)er auch
Konjekturen grofsen Spielraum. S. erwähnt im Vorworte einige
besonders: s. I 6, 102 (rusve peregreve), 10, 5 (est); 19, 86 (Bibule);
II 4, 19 (rausto); ep. I 2, 31 (cessantem); 18, 91/92 (nach Meineke);
II 1, 31 (olea); 2, 89 (huic ut Mucius ille); neu werden von S. vorge-
schlagen: s. I 1, 88 an sie; 3, 9 saepe velut quis; II 2, 29 carne
tarnen quom avis ducat nil haec raagis illa; 2, 84 ubi quoi (st. ubique);
ep. I 6, 68 is (= iis) st. his; II 2, 199 pauperies immunda procul
demum absit. Nicht in den Text setzt S. folgende weitere Vorschläge :
s. II 1, 59 fors si ita; 3, 305 si vis st. veris; 5, 79 venit enim
ambitum; 6, 59 luditur st. perditur; ep. I 19, 12 — 14 Quid? sit
quis voltu torvo ferus et pede nudo Exiguaeque togae simulet textura
Catonem: Virtutemue . . . Aufserdem empfiehlt S. neue Interpunktionen
zu s. I 2, 80—82; II 1, 49/51; 2, 2—4; 3, 201. Von all den neuen
Konjekturen möchte Ref. keine einzige empfehlen zur Aufnahme in
den Text. Hinsichtlich der chronologischen Fixierung der einzelnen
Gedichte sei erwähnt, dafs S. den Florusbrief 19 ansetzt, die ars poet.
aber vor ep. I 19 datiert, und zw^ar deshalb, weil nocturno certare
mero putere diurno (ep. I 19, 11) „die Karikatur von nocturno
versate manu versate diurna (a. p. 269) sei;" der terminus ante
quem für die ars poet. sei damit jedenfalls, da ep. I 19 zwischen
23 und 20 falle, gegeben. Bekanntlich wird die ars poet. wie auch
ep. II 2 von vielen früher als das carm. saec. angesetzt, ja die ars poet.
früher als alle anderen Episteln überhaupt ; das von S. vorgebrachte
Argument scheint uns jedoch am wenigsten stichhaltig. Übrigens ist
die ars poet. selbst in die Ausgabe S.'s nicht aufgenommen.
De)' Kommentar ist sorgfältiger und besser als in den landläufigen
italienischen Ausgaben ähnlicher Art. Dem praktischen Bedürfnisse
entgegenkommend, begnügt sich S. häufig mit einem Winke für gute
italienische Übersetzung. Durch die Vorw'egnahme des Gedankenganges
der einzelnen Gedichte in den voranfgeschickten Einleitungen kann sich
S. auf eine knappe Worterklärung beschränken, die denn auch überall
Vertrautheit mit dem Dichter zeigt. Einzelnes bleibt allerdings zu
beanstanden. Dafs s. I 6, 117 echinus als Salzfafs verstanden wird,
mufs doch bestritten werden. Der Comment. Cruq., der vom vas salis
4*
52 Horatlus. v
spricht, irrt hier allem Anschein nach; Acro nud Porphj'rio und auch
fast alle neueren Erklärer verstehen darunter irgend ein Gefäls, das
hei Bereitung des Tischtrunkes eine Rolle spielt. Horaz spricht au der
»Stelle von bescheidenem Aufwand beim Essen, aber immerhin von
Aufwand, und nennt dabei lauter Dinge, die auf die Einfachheit des
Mahles schliefseu lassen (3 Sklaven, duo pocula cum cyatho, cum
patera guttus). Dabei kann er wohl nicht vom Salzfafs reden, denn
das ist so selbstverständlich, dafs es auch der Ärmste hat, vergl. s. I 3, 14. —
s. I 4, 21 verstellt S. nitro delatis capsis vom Herab tragen nach
den Läden, das Fannius selber besorge; ultro sei = porto da se. Aber
kann er denn überhaupt alle Exemplare tragen und, vor allem, macht
denn das so glücklich, wenn er statt seines Sklaven die Rollen trägt?
Da und dort stimmen Text und Kommentar nicht zusammen.
So steht s. I 10, 13 urbane im Text, während der Kommentar
urbaui erklärt; ebenso II 1, 79 diffingere im Text, diffiudere im.
Kommentar.
13) Quindecim carmina Horatii, edidit B. D. Christiania
1891. 79 S. kl. 8.
Enthält 15 Oden aus den 3 ersten Büchern mit nebenaustehender»
im Versmals des Originals wiedergegebener norwegischer Übersetzung.
Die Ausstattung ist noch hübscher als Ecksteins bekannte Ausgabe für
Bibliophile.
Dem Titel nach führen wir noch au:
14) Miquel R. de: Exposicion grammatical, critica, lilosofica y
razonada de la Epistola de Horacio Flaco ä los Pisones, y traduccioii
en verso castellauo. Madrid, Jubera. 8. 114 p.
15) Horaz, Oden. Russ. Ausgabe mit Einleitung und Über-
setzung von D. Naguiewski. Kasan. 1891. 8. 250 S. 4 M.
II. ÜbersetzHiigen.
10) Horaz in deutscher Übertragung von L. Behrendt.
Mit beigefügtem Originaltext. I. Teil: Oden und Epoden. Zweite
Auflage. Berlin 1890. C. W. L. Behrendt. 272 S. II. Teü: Plaudereien
(Sermones). 1891. 140 S. III. Teil: Ansprachen (Episteln). 1891.
132 S. H.
Vorliegende Übersetzung ist in mehr als einer Hinsicht beachtens-
wert und originell. Was die Oden und Epoden angeht, so sind sie
nicht nur, wie übrigens auch Satiren und Episteln, im Metrum des
Originals übersetzt, sondern sie enthalten auch den Reim. Diese Ver-
Horatius. 53
biuduDg antiker und moderner Prinzipien bot nicht geringe Schwierig-
keiten, die auch ein unleugbares Sprachtalent nicht immer zu überwinden
vermag. So besonders bei' jenen metrischen Schemata, wo mit der
Kurzzeile die Langzeile durch den Reim verbunden ist. Wir nennen
beispielshalber I 36:
Die treuwaltend sich ihm erprobt,
Bringt den Göttern nunmehr Opfer, wie wir's gelobt I
Weihrauch dampfe, ihr Saiten klingt!
Kehrt von Spanien ja Numida heim und bringt
Küsse allen mit, die er liebt,
Seinem Lamia doch mehr, als er allen giebt.
In der 3. Asklepiadeischen Strophe^Teimen V. 1 und 2, 3 und 4,
in der Sapphischen Y. 1 mit dem kurzen Adonius, und V. 2 mit 3.
Dals hierbei die Reime an Reinheit oft viel zu wünschen übrig lassen
(wissen — müssen, bedient — sühnt, fest — läfst, schweren — hören,
umringelt — gezüngelt, nennst — glänzt, müden — Danaiden), ist wohl zu
begreifen. Auch an Formen wie „seufzst", „verhunzt", „geh brechen" u, a.
fehlt es nicht; der Rhjthmus wird nicht selten gestört. Man achte
z. B. in der Schlufsstrophe von c. II 14 auf den Ictus des letzten Verses:
Mit hundert Schlössern hütest Du Deinen Wein:
Zu würd'gerem Brauche wird einst der Erbe Dein
Mit Stoff, den Priester kaum verprassen,
Den Mosaikgrund sich färben lassen. (— uu— uu— u— u)
Bei alledem ist grosse Beherrschung und Gewandtheit der Sprache un-
verkennbar; die Überschriften der Gedichte sind durchweg glücklich
gewählt.
Neu und originell ist die Wiedergabe der Satiren. B. hat nämlich
die überlieferten Namen durchweg in der Art umgestaltet, dals die
von ihm eingesetzten griechischen Namensformen einen Gleich-
klang mit den überlieferten zeigen. Wie er anderswo ausführt, ist der
uns erhaltene Text entstellt, besonders dadurch, dafs die von H. ge-
brauchten griechischen Worte ausgemerzt wurden und an deren Stelle
ähnliche römische traten. Die von B. repristinierteu griechischen
Namen zeichnen den Charakter der geschilderten Personen. So ist die
Rede s. I 4, 28 von einem „Prachtmann" (Olbius), 51 von „Querköpfel"
(Paraphronius) , 66 von „Hechler" (Sillius) und „Foppner" (Coprias),
69 von „Raffbeut u. Stipitzner" (Scylius u. Phorius), 72 von „Ausdeutbold
Stichelierers Gelichter« (= vulgi Hermenisque Stigelli). Aus dem
Gargonius (c. 92) wird ein „Grasonius = Schweifsachsler". Aus dem
Satze: Thraex est Gallina Syro par (s. II 6, 44) wii'd gar ein ganzer
Satz: ,,Tp'j; ia-i, ydhq y.7.-' oiruipav . . = das ist Most; was noch di'aus
wird, das ist fraglich." Bei aller Anerkennung der Konsequenz, mit
54 lloratius.
der B. seine Theorie diircliföhrt, können wir dieselbe doch nur als eine
kühne, kaum ernst zu nehmende Hypothese betrachten.
17) Q. Horatius Flaccus Werke. Deutsch in den Versweisen
der Trschrift von "W. Binder. Berlin. Langenscheidt. 8. verbess,
Aufl. T. Oden und Epoden. 176 S. 5. Aufl. 1885. II. Sat. und
Epist. 140 S. 8.
Im GegenstTtz zu Karstens (s. N. 20) Bearbeitung hält sich Binders
in vielen Auflagen vorliegende Übersetzung sehr genau an den Text des
Originals. Die voraufgehende Einleitung handelt eingehend über das Leben
des Dichters (S. 1 — 22). Poetisches Kolorit lälst sich der Übersetzung nicht
nachrühmen; dafür aber ist sie um sie treuer. Formen wie ,,Liberu"
als Akkusativ (c. I 32, 9) oder „fernen" für entfernen könnten
wohl beseitigt werden. Au Druckfehlern fallen auf Larissos (c. 17, 11),
versucht st. versuch (c. I 11, 3).
18) Horaz' ausgewählte, auf Gymnasien zumeist ge-
lesene Oden, Epoden, Satiren und Briefe, in den Versmafsen
der Urschrift verdeutscht und mit erklärenden Anmerkungen versehen
von K. J. Creutz, Kgl. Oberstabsarzt a. D., Kreispliysikus und
Sanitätsrat. Ausgabe zum Schulgebrauch. Eupen 1890. 72 S. 8.
Wie die Vorrede bemerkt, ist die Übersetzung einer von Prima
an gehegten Vorliebe für den Dichter entsprossen; manche Entwürfe
reichen zurück bis in die Kriegsjahre 1866 und 1870, wo C. auch mitten
im Ki'iegs- und Lagerleben, am Feuer des Feldlagers seinen Dichter
nicht vergafs. Die Übersetzung selbst ist allerdings nicht ohne grofse
-Mängel und es tritt hier wieder die öfter gemachte Wahrnehmung deutlich
hervor, dafs eine Übersetzung in den Versmafsen des Originals ein
nngewöhnliches Sprachtalent beansprucht, wie es nur wenigen beschieden
ist. Hätte sich Cr. entschliefsen können, ein modernes Gewand für die
Oden und auch für die Satiren zu wählen, so wäre seine Arbeit vielleicht
dankbarer geworden.
Störend wirkt zunächst die häufige Wortbrechung am Ende der
Verszeilen wie:
I 12, 13 Wa.s .sollt eh'r ich singen, als wie gewohnt, All-
vaters Lob . . .
I 22, 7 Durch die Steppen, welche bespült der sagen-
hafte Hydaspes.
I 27, 5 Zuvor war's Frevel, CUcuber aus der ür-
grossväter Kellerräum zu entnehmen, als
der P'ürstin Wahn dem Capitole . .
Horatius. 55
Auch in eleu Satiren öfter, wie:
I 1, 37 Diese jedoch kriecht nicht mehr hervor, wenn umdüstert der Wasser-
mann das sich neigende Jahr . .
I 6, 121 Dass ich morgen schon früh aufstehn und den Marsyas muss auf-
suchen . .
Gleich darauf ist getrennt : früh — stücke etc. Auch die cäsurlosen
Verse klingen recht hart:
c. I 1, G ff. Zu den Göttern emporjjhebt, zu den Herren der Welt . . .
Jenen, wenn er sich aufjspeichert in eigner Scheun,
Was von Libyens Frucht||böden zuhauf man kehrt.
Verkehrte Wortstellung findet sich gar zu häufig : z. B. c. I 35, 36 :
Wovon aus Gottesfurcht die Jugend die Hand zurückhielt?
s. I 1, 67: Das Volk mich auszischt (als Hauptsatz), c. IV 7, 3:
Wechselt die Erd ihr Kleid st. die Erde wechselt u. v. a. Während
Grazie zweisilbig gebraucht ist (c. IV 7), ebenso Ausdaur (c. I 7),
findet sich lasset (s. I 6, 78), Nachbaren (s. I 1, 86), Schwesteren
(c. IV 7, 5) aber Ikarerwelln (c. I 1, 15).
Sprachwidrig ist auch: „Knaben vou Stand, die links am Arme
Tafel und Schultasch hingen" (s. I 6, 75), oder ,, nicht ihrer die
Schuld sei" (s. I 6, 91). Falsche Betonung enthalten schon die oben
gegebenen Proben; da und dort wären sie aber mit geringer Änderung
zn vermeiden gewesen, so z. B. c. I 9, 1: Siehst Du, wie weifs dort
raget im hohen Schnee, statt: Du siebst . . . Hexameter wie (s. I 6, 108):
Reiter den Biig. Niemand mir schmutzigen Geiz wie dem Tillius
oder (s. I 1, 114 ff.):
. . . der sich nicht dem
Gröfseren Haufen vergleicht, der arm ist, sondern jetzt dem,
Dann dem trachtet zuvor es zu thun . . .
enthalten doch einen unleidlichen Widerstreit zwischen JVIetrum und
Wortsinn.
An Druckversehen fehlt es nicht. Die Einleitung spricht vom
zweiten, durch Octavian, Antonius und Crassus geschlossenen Triumvirat;
Marsyas wird S. 59 in der Anmerkung als Sylanus bezeichnet; mehrfach
steht epikureisch; zu verbessern sind: Klytemnestra, Taliarchus,
Bachus, Char/bdis etc. — Einen Hügel Quirinus (S. 72) giebt es
nicht. — Dafs die 6 sog. Römeroden (III 1 — 6) sich nicht auf einen
besonders hervorzuhebenden sittlichen Inhalt beziehen, dafs sie ferner
keine innere Einheit haben und mit den von Augustus beabsichtigten
oder erlassenen Gesetzen über Staats- und Verwaltungseinrichtungen,
Verbesserung der Sitten in keinem Zusammenhang stehen, wird S. 24
doch nicht genügend erwiesen.
5(j Horatius.
Die auf dem Titelblatt beigefüg-te Notiz: ,Aiisgabe für den
Schulgebrauch' verstehen wir nicht.
19) B. Fahland: Gereimte Übersetzungen einiger Stellen röra.
und griech. Dichter. Progr. des Gym. Greifenberg i. Pommern, 1889.
20 S.
Die Sammlung enthält aus Horaz nur 2 Stücke: c. III 30 uud
epod. 2. "Wie Verf. im Vorwort selbst sagt, glaubte er dem Geschmacke
der Leser dadurch gerecht zu werden, dafs er die äuisere Form des
Originals geändert, auf wortgetreue Wiedergabe überhaupt verzichtet
hat und nicht nur Reim und Stropheneinteilung anwendet, sondern auch
vom Inhalt des Originals manches wegläfst, anderes wiederum weiter-
ausführt, c. III 30 ist in dieser Weise im ganzen gefällig in Verse
gebracht („übersetzt" kann man es nicht nennen); epod. 2 dagegen
will uns trotz aller in Anspruch genommenen Freiheit doch recht trocken
erscheinen. Wir eitleren 2 Strophen:
Nicht das Perlhuhn würde so behagen,
Noch das Haselhuhn aus Attika,
Als des Oelbaums saft'ge Frucht dem Magen,
Die er sieht auf seinem Tische da.
Als Gemüse, das der Gaumen achtet,
Weil es für ihn ist gesund und süfs,
Als das Lamm am Erntefest geschlachtet
Und der Bock, den er dem Wolf entrifs.
20) Horaz. Seine Lj'rik. Übertragen von Joh. Karsten.
4. Ausgabe. Hagen 1. W. 1890. 223 S. 8.
Im Vorwort sagt der Verf., dafs Horaz schon oft übersetzt,
aber noch nicht im eigentlichen Sinne übertragen worden sei. Um
den Gedankeninhalt klar und verständlich zu macheu, müsse eine dem
deutschen Sprachgeiste entsprechende Form gewählt werden, wobei
allerdings anscheinende Willkürlichkeiten nicht zu umgehen seien. Statt
trockener Randglossen über die vielfachen Anspielungen und scheinbar
absichtslosen Bemerkungen des Dichters sei es vorzuziehen, diese „auf
möglichst unverdächtige Weise mit in den Text aufzunehmen" (p. IX).
Wir haben es daher hier weniger mit einer Übersetzung der Oden als
mit einer freien Bearbeitung Horazischcr Gedanken zu thun. Und da
läfst sich nicht leugnen, dal's K. oft mit grofser Gewandtheit und poetischer
Färbung Horazische Lieder interpretiert, c. I 7 z. B. ist meisterhaft
und auch ziemlich -im Anschlüsse an den Horazischen Text bearbeitet;
der scherzhafte Ton der Ode an Merkur (I 10) ist wohl getroffen. Die
leichteren modernen Rhythmen, zu kunstvollen kürzeren und längeren
Horatius. 57
Strophen gereimt verhimden, gestatten freiere Bewegung auch in Wieder-
gabe des Gedankens. Bald wii-d eine Ausführung des Originals ganz
fortgelassen (so ist c. I 4 das von Lycidas Gesagte ganz weggelassen;
ebenso der Schluls von I 5 u. v. a.), bald wird ein bei Horaz ange-
schlagener Gedanke breiter ausgesponnen, wodurch allerdings nicht
selten fast ganz neue Gedichte entstehen. Aus den 8 Zeilen der Ode
an Leuconoe ist ein Gedicht von 9 Strophen geworden mit teilweise
ganz neuen Gedanken, c. I 18, „Beim Wein" überschrieben, ist zum
Wechselgesang (Horaz und Chor) geworden, der 14 Strophen umfafst.
c. I 8 („Die Diebin« betitelt) beginnt:
Was hast Du denn aus Sybaris gemacht?
Er ward ja fast ein Sybarit . . .
Achill geworden, der bei Weibern weilt;
Achill gewesen, kampfergrimmt.
c. I 21 („Fragment" überschrieben) verteilt K. auf 4 von ,,Volk, Jüng-
linge, Jungfrauen, Alle" vorgetragene Strophen; I 28 („Morituri") zer-
fällt in zwei Teile: 1) Der Schiffer, vor dem Grabmale des Arch5'ta3
an der Küste vor Calabrien, 2) Ein Schatten. — Zu I 16, 13 ff. er-
geht sich K. in folgender Ausführung:
Als einst Prometheus Menschen schuf.
Da fehlt es ihm an Lehm;
Ein Anlehn war zu dem Behuf
Bei Tieren ihm bequem.
Vom Löwen nahm er etwas Wut;
Vom Fuchs ein wenig List;
Vom Hasen Kärglichkeit an Mut;
Vom Schwein Gesinnungsmist.
Und diesen Zug vom Tiere hat
Der Mensch noch nicht verwischt;
Noch frifst man, gleich dem Schwein, sich satt,
Wird danach aufgetischt.
Noch ist das Tier in uns uns lieb;
Nicht allen, manchen nur;
Denn mancher zähmt noch nicht den Trieb
Der tierischen Natur.
Die Furchtsamkeit des Hasen ist
Bei manchem nicht erstickt;
Und manchen macht des Fuchses List
Zu manchem noch geschickt . . .
5ft Horatius.
Da niid dort ist freilich der Ausdruck recht ungewöhulicli. So wenn
K. von „einheriiaheu" (c 14, 4) spricht, oder wie es c. I 9 heifst:
Siehst Du den Sorakte ragen,
Aus dem Schnee i* und Wälderreihn,
Welche kaum die Schneelast tragen?
Freuen wir uns, einzuschnein!
Neu sind Bildungen wie „Ge mächt" für Macht (c. 1 12, 2. Strophe)
oder Konstruktionen wie: ,, Pallas mag die Nächste sein, der sich
Ehrfurcht leiste".
21) Das dritte Buch der Oden des Horaz in freier Nach-
bildung von H. Lei sc ring. Progr. des Sophien -Realgym. Berlin
(Gärtner) 1891. 24 S. 4.
Der erste Teil, Buch I und II umfassend, ist bereits von Hirsch-
felder (Jahi'esber. 1884 — 87 S. 80 f.) als wohlgelungene Übertragung
bezeichnet worden. Auch die hier vorliegenden Gedichte können als
meisterhafte Leistungen zu dem besten gezählt werden, was die Über-
setzungslitteratur bietet, und es wäre zu wünschen, dafs durch Her-
stellung einer handlichen Buchform diese Proben dem flüchtigen Lose
der Programmlitteratur entrissen und einem gröfseren Kreise zugänglich
gemacht würden. In der kurzen Vorbemerkung betont L., dafs er im
allgemeinen möglichsten Anschlufs an den Text gesucht und nur da sich
kleine Freiheiten gestattet habe, wo der Geist und Zweck dieser Nach-
bildung es gebieterisch forderte. Da er selbst seine Übersetzung eine
Nachbildung nennt, so darf man gegen die allerdings grofse Freiheit
hinsichtlich der Textesworte nichts einwenden, um so weniger, als die
Sprache durchweg sehr gewandt und geschmackvoll ist. Wir führen
als Probe den Eingang von III 21 an:
Altersgenosse aus Manlius' Jahre,
Ob für uns Jammer Dein Bäuchlein bewahre,
Ob draus entsteige uns sprudelnde Lust,
Magst Du zum Tüfteln die Geister bewegen.
Wildesten Kitzel der Liebe erregen,
Senkst Du in Schlummer die friedliche Brust . . .
22) Horazische Oden des III. n. IV. Buches in freier
Nachdichtung von Wiesner. Progr. d. ev. Fürstenschule zu PI eis.
1891. 29 S. 4.
Übersetzt werden in 8. 9. 11. 16. 23. 24. 28. 29. 30. IV 2. 3.
7. 8. 9. 12. 13. 14. 15.
Die meisten Übersetzungen sind in vierfüfsigen .Jamben gehalten.
Doch springt W. nicht selten dabei in dactylisch-trochäischen Rhythmus
Horatius. 59
hinüber. So gleich III 8 (Was schmückt am heiligen Feste der
Frauen | Der Junggeselle mit ßosen das Haar?), wenn es v. 16 lautet:
Trink auf den Freund heut hundert Pokale,
Denn er wurde vom grausigen Tode befreit . . .
Umgekehrt wechselt fallender Rhythmus mit steigendem in Übersetzungen
wie zu III 9. Wie soll z. B. betont werden in Versen:
Calais, der herrliche Sprols
Eines T huriners, des Ornytos,
Liebt mich jetzt mit flammender Glut,
Und ich bin ihm von Herzen gut ....
oder gar III 24, wo Strophe 7 lautet:
Will jemand die Wut der Bürger vertreiben
Und die ruchlose Lust, die zum Morden entbrannt.
Will er, dafs wir auf Marmor schreiben:
Er hat gerettet sein Vaterland!
oder IV 2:
Dich befrein vom Gelübde zehn Kühe und Stiere,
Ich werde durch ein Kälblein befreit,
Das der Mutter beraubt in dem grünen Reviere,
Zu meinem Opferschmause gedeiht.
IV 14, 29 wii-d Claudier ^u— gemessen, v. 43 Italien xjj_\jj_,
Gallier j_^j jlu. a.
Die Übersetzung klingt, wie schon die Proben zeigen, im ganzen
sehr prosaisch. Man nehme z. B. III 24 gegen Schluis:
Und verbotenes Würfelspiel macht ihm Vergnügen,
Indessen der Vater auf Meineid bedacht,
Danach trachtet, den Freund und den Gast zu betrügen.
Und so dem Sohne Vermögen macht.
Der Ausdruck ist nicht immer korrekt, wie „den Korken schnüren" (III 8,
10). — „Durch deren Macht, So wie sie's verdient, Die Centauren gefallen,
Und Chimära, die flammende, umgebracht" (IV 2, 16). — ,,Wen Du
bei seinem Eintritt in das Leben Mit holdem Blick, o Muse, schautest
an. Wird nicht im Faustkampf nach dem Siege streben" (IV 3 1 IT.). —
Falsch ist u. a. III 24, 19 gegeben mit:
Dort sind die Frauen noch nicht verdorben,
Sie schauen mit liebendem Blicke noch au
Die Kinder, denen die Mutter gestorben,
Und arm, beherrschen sie nicht den Mann.
(*,( ) Horatius.
23) Q. Horatius Flaccus. Deutsch von C. Bardt. I. Teil:
Zwölf Satiren. Das Buch von der Dichtkunst. Bielefeld und Leipzig,
Velhagen & Klasing. 1890. 125 S. 8.
Der schon 1866 erschienene II. Teil, welcher die Episteln um-
t'alst, ist bereits im Jahresber, für 1884 — 87 besprochen. Dem dort
gespendeten Lob kann auch für diesen Teil durchaus beigepflichtet
werden. Treu in der Wiedergabe des Gedankens und im Tone, spricht
B. doch eine auch dem Modernen deutliche Sprache und sein Wunsch,
den Deutschen des 19. Jahrh. so vernehmlich zu sein, wie etwa Horaz
mit seinen Versen auf seine Zeitgenossen gewirkt hat, darf wohl als
erfüllt bezeichnet werden. Der von B. gewählte fünffülsige Jambus
(nur I 5 ist in freieren vierfüfsigen Rhythmen gehalten) eignet sich für
diese geistreichen horazischen Causerien in der That weit besser als
der gemessene daktylische Hexameter. Aus der Charakteristik des ßuso
(s. I 3, 87-89) macht z. B. B. folgende hübsche Fufsnote:
Der Leser weifs gewifs von dem kein Jota,
Drum sag ich's ihm in einer kurzen Nota,
Der Mann war reich und Dichter vierter Sorte,
Er lieh auch aus für Geld und gute Worte.
Und jeder mufst' am ersten pünktlich zahlen.
Ob Kapital, ob Zins von Kapitalen.
Wer nicht bezahlte, kam nicht ins Gefängnis,
Doch harrte sein noch härtere Bedrängnis,
Zur Schlachtbank ward er wie ein Schaf getrieben
Und hfiren mufst er, was der Manu geschrieben.
Auffallend ist der etwas reiche Gebrauch von Fremdwörtern, wie: „als
manche Granden unsres Orts"; „die liefs man nur bei Flavius in-
formieren** u. a. Immundus Natta (I 6, 124) giebt B. mit:
„Das Natta aus den Lampen stiehlt, das Schwein"! Als ganz be-
sonders gelungen mufs die Wiedergabe der ars poet. bezeichnet werden
(..Zerstreute Betrachtungen eines weiland Poeten, zukünftigen zur Lust
und Lehre"); ausgelassen sind I 2. 7. 8. II 4. 7. 8.
24) Die Briefe des Q. Horatius Flaccus im Yersmafs der
Urschrift verdeutscht von A. Bacmeister und 0. Keller. Leipzig,
Teubner. 1891. IV. 100 S.
Adolf Hacmeisters eminentes Übersetzertalent ist unbestritten
anerkannt und seine Horazübersetzung zählt zu dem Besten, was wir
in. dieser Hinsicht' haben. Leider umfafste diese nur die Oden und
Epoden; die Episteln, die bei seinem Tode (1873) im Nachlasse sich
faiiden, waren unvollendet und bedurften mancher Korrektur, ja manche
Horatius. Gl
Teile mulsten erst noch übersetzt werden. Dieser Arbeit unterzog sich
0. Keller. Vielleicht wäre es wünschenswert gewesen, die selbständig
von letzterem beigefügten Partien als solche in dem Büchlein irgendwie
zu bezeichnen , denn nirgends pflegt geistige Eigenart stärker hervor-
zutreten und dem Charakter einer Kollektivarbeit mehr zu widerstreben,
als bei einer Übersetzung. Zwar läfst sich nicht leugnen, dafs die vor-
liegende Übertragung nach Geist und Ton einen einheitlichen Charakter
trägt und dem Bändchen der Oden und Epoden sich würdig anreiht.
Der abgeklärte, geistvoll überlegene Zug, der in dieser Dichtgattung
zum Ausdruck kommt, tritt auch in der gewandten Übersetzung hervor;
besonders sei hier die der ars poetica hervorgehoben. Einzelnes ist
Geschmacksache. So wenn I 2, 62 ira furor brevis est gegeben ist
mit: „Jähzorn ist periodische "Wut", oder wenn o, 26 von „der
Sorgen eisigem Sturzbad" die Rede ist; bene nummatus (6, 38) wird
gut durch ,, Millionär" gegeben; der eques (si discordet eques II 1, 185)
vielleicht weniger ansprechend durch: ,,Weun sich die Logen nicht
fügen". Dafs a. p. 32 an der Lesart unus festgehalten ist („mancher
Gesell"), dafs v. 119 convenientia durch ,,was innerlich gleich bleibt"
gegeben ist, wird nicht allgemein Beifall finden, doch betrifft das nur
einzelnes. Metrisch bedenklich erscheint uns dagegen der dreisilbige
Gebrauch von ^, Forderen" (a. p. 314), während z. B. umgekehrt
,Mosaiken" (I 10, 19) auch nur dreisilbig gemessen ist; ebenso be-
denklich ist die Messung meine (u u) I 1, 34, seine (u u) I 1, 14,
einen (u u) I 7, 29 etc., die doch sämtlich trochäisch zu messen sind.
An Druckfehlern fanden wir II 1, 247: ,,wenn Du sie begünstig"
und a. p. 284, wo die Interpunktion am Schlüsse fehlt.
25) Die Episteln des Q. Horatius Flaccus. Deutsch von
J. Kipper. Rostock 1890. 157 S. kl. 8.
Diese den Satiren rasch nachgefolgte Übersetzung der Episteln
ist wie die ersteren (s. Jahrb. 1887—89 S. 122) in tunffüfsigen Jamben
gehalten. Dieselbe Frische und Leichtigkeit des Konversationstons, die
dort zu rühmen war, zeichnet auch dieses Bändchen aus. Da und dort
ist vielleicht zu reichlicher Gebrauch von Fremdwörtern gemacht (amü-
sieren, normaler Mensch, offiziell, ä la Cethegus u. a.). Etwas Glättung
dürften auch Verse erfahren wie ep. I 15:
Was für ein Winter, lieber Vala, herrscht
In Velia, für'n Klima in Salern?
Was für'n Charakter haben die Leute dort . . .
In rhythmischer Hinsicht sind Härten nicht immer vermieden, wie z. B.
a. p. 79:
(32 Horatius.
Der Jambus ist das eigenste Produkt
Des Archilochus von Faros, den als Waffe . . .
oder gleich danach: ,Feuriger Jünglingsherzen LiebesquaP .. . Ausdrücke
wie Schwarzbrotknacker (a. p. 249), Stutzern (a. p. 246), Schache-
yos (^-= aenigo a. p. 330) werden leicht zu bessern sein; a. p. 197 über-
setzt K. peccare; dagegen hat Kiefsling das gleichfalls überlieferte
pacare so gut verteidigt, dals dessen Aufnahme doch unabweisbar
scheint. Im ganzen aber ist die Übersetzung recht empfehlenswert.
Nicht zugegangen sind dem Refer.:
26) Horatius. Oden und Epoden. Im Versmafs der Urschrift
übers, und mit Anni. versehen von J. C. Köhler. Halle. 152 S.
27) Lieder, treu und frei nach Horaz von A. Daumiller.
Ausländische Übersetzungen, welche dem Ref. nicht zugingen:
28) Q. Horatius Flaccus. La epistola a los Pisones, traducida
y comentada por M. Correche y Ojeda. Madrid 1890. 108 S.
29) Ödes, trauslated into English verse. London. 244 S.
30) Les Satire s, traduites avec le texte en regard et les notes
par A. Desportes. Paris. 169 S.
31) Ödes I und 11 interlineary translated by J. Gibson. London.
32) Gli epodi, messi in volgare dalla lingua latina sui medesimi
diversi ritmi e con il numero uguale di versi da St. Mercantini. 31 S.
III, Abh an (Illingen.
Zur Kritik und Exegese.
A. Allgemeines.
3.3) A. Campaux: Histoire du texte d'Horace. Paris-
Nancy 1H91, Berger-Levrault. 108 S. 8.
■\Vir verweisen über diese Arbeit auf unsere eingehende Besprechung
in den Glitt. Gel. Anzeigen 1892 No. 3 (p. 113—116). Das Resultat
derselben ist, dafs C. statt einer eindringenderen Behandlung sich über-
wiegend nur mit bibliographischen Angaben begnügt, besonders aber die
Textgeschichte des 19. Jahrh. zu mangelhaft behandelt hat. Zu den
von uns angeführten Ausstellungen vergl. auch noch die Anz. von
Lucian Möller in Berl. Phil. Woch. 1892 (v. 14. Mai).
Horatius. 63
34) M. Hertz: De Horatii opeium exemplari olim Guyetiano
narratio I und II, Breslau, Lektiouskatalog 1890 und 1891. 20 und 17 S.
Auf Guj^ets (1575—1655) kritische Beschäftiguug- mit Horaz
wurde man besonders durch Peerlkamp aufmerksam. Da aber dessen
Citate nicht direkt aus Guyet stammten, sondern aus Sanadon, der
selbst wieder nur das gab, was Marolles in seiner Ausgabe (1660)
aus Guj-et entnommen hatte, so war die Kenntnis der kritischen
Ansichten des gelehrten Jesuiten eine unvoUstäudige , ja, wie jetzt
gesagt werden kann, sehr unvollständige. Bekanntlich hat sich Guyet
damit begnügt, in seinem Horazexemplar (Ausg. v. Heinsius, Leyden 1612)
durch kritische Zeichen die von ihm für unecht gehaltenen Partien am
Rande zu markieren. Das Exemplar selbst war, nachdem Marolles
daraus seine Exzerpte gemacht, durch verschiedene Hände gegangen und
schliefslich verschollen, bis es Prof. Heitz aus Strafsburg bei einem
Pariser Antiquar entdeckte und sich erwarb. Von ihm erhielt es
Studemund, der es kurz vor seinem Tod M. Hertz übergab.
Der Yerf. der beiden in gewandtem Latein geschriebenen Ab-
handhingen giebt uns aus dem umfänglichen Marginalienmaterial Guyets
zunächst ein Verzeichnis der notierten Athetesen. G. verfährt sehr
j-adikal. Nicht blofs einzelne Worte und Strophen (worauf sich MaroUes'
und seiner Nachtreter Citate beschränkten), sondern ganze Gedichte
und nicht blofs lyiische werden als interpoliert (S) bezeichnet. So gleich
c. I 1 (durch SS obelisiert), das von demselben Interpolator sei vde
ep. I 1 und ep. I 19. Nach der verschiedenen Art zu stigmatisieren,
scheint G. bald mehr, bald weniger von der TJnechtheit überzeugt
gewesen zu sein; c. 11 4 hat sogar 4 S!
Auf welche Gründe G. diese Athetesen stützt, ist von ihm nicht
gesagt. Bemerkungen wie: quis haec spuria esse non videt (zu c. 131),
oder sed Horatianum non videtur (zu c. m 13, 13 ff.), ab interpola-
toribus intrusa sunt propter [xijxrjcjiv coli sequentis (zu c. III 27, 69 ff.),
haec puerilia non Horatiana videntur (zu epod, 6, 15 f.), s-rmixi^si autor,
quod Horatii non videtur (zu ep. I 6), Horatii animum non sapit
(ep. I 19) und ähnliche sind doch zu lakonisch, um als Begründung zu
gelten; meist fehlen auch sie noch und G. begnügt sich mit einem
davorgesetzten S oder SS oder SSS oder auch N. So, aufser den ge-
nannten Gedichten zu c. III 29. 30, IV 4. 8. 14. 15. s. II 8. ep. I 2
(SSS). 3 und 4 (SS). 5 (S). 6 und 8 und 10—12 (SSS). 14 (SS). 15 (SSS).
16 (SS). 17 (S). 18-20 (SSS). II 2 (NNN).
Neben diesen ganz athetierten Stücken haben wir dann noch
Athetesen einzelner Verse und Strophen, zum Teü auch von solchen
Gedichten, die G. vorher ganz verworfen, so dafs hier Int er-
(',4 Iloiiitius. •
polationeii der Interpolatoren selbst wieder dem uuerbittliclien
Obelos verfallen, wie zu c. III 4. 25. 29. 30. IV 8 (bemerkenswert, dals
die darin augefocliteuen Verse 10. 12. 16. 19. 21. 26 gerade die seit
Bentley bemängelten Verse nicht treffen), IV 14 und 15. Ganz
besonders ist dies der Fall bei den Episteln, unter denen eine wahre
Verheerung ungerichtet wird. Sie sind nahezu alle unecht: Gnade
findet nur 17, die als plane digna bezeichnet wird und nur einige
Verse einbüfst, I 9. 13 und II 1, freilich nicht ohne einige Streichungen.
Aus der ars poet. werden 69 Verse ausgeschieden. Am besten kommen
die Satiren weg: aufser II 8 wird kein Stück ganz verworfen, ja
I ö. 8. 9 bleiben sogar ganz verschont.
Indessen ist G. selbst wieder an recht Melen seiner Athetesen
hinterher irre geworden. Die krit. Zeichen sind nicht nur häufig
genug nachträglich wieder radiert (c. II 13, 1 — 4, ibid. 33 — 40;
II 16, 33—40; II 19, 29—32; epod. 2, 43 f. u. v. a.), sondern auch
Gedichte, die erst vollständig verworfen werden, finden wieder Gnade;
so wird ep. I 10 erst mit SSS notiert, weiter unten aber als „Horatio
non indigna" bezeichnet, ebenso ep. I 12 und 17,
Aus den sonstigen Eandglossen G.'s giebt Hertz sodann eine von
G. Türk besorgte Zusammenstellung der Konjekturen G.'s. Wir könnten
aber auch nicht von einer einzigen sagen, dals sie überzeugend wäre.
In der That läfst sich nicht einsehen, was gewonnen sein soll, wenn
z. B. c 1 7, 5 incidente st. imminente gelesen wird, s. I 8, 20
pellere st. perdere, II 5, 105 permissura st. commissum. Ganz
verunglückt scheinen Änderungen wie repedavit st. reparavit
(c. I 37, 24), perhorruit (c. III 16, 18); vigilem st. vitream
(c. I 17, 20), mox St. nox (III 28, 16) u. a.
Was schliefslich die Glossen selbst betrifft, so bieten sie fast
nichts eigenes, sondern sind eine Kompilation aus den Schollen von
Poriihyrio, Ps. Acro, Cruquius und anderer Kommentatoren.
Man kann sich angesichts dieser dankenswerten Mitteilungen aus
(iuyets Exemplar des Gedankens nicht erw^ehren, dafs dessen Horaz-
kritik für die Horazforschung selbst kaum mehr als historischen
wir möchten fast sagen, pathologischen Wert besitzt. Mit Recht
bemerkt Hertz, dals sie nichts gemein hat mit Bentley, der auch da, wo
er unnötig am überlieferten Wortlaut korrigiert und konjiziert, überall
Methode und Zucht, besonders aber grülste Sorgfalt zeigt, um für seine
Änderungen (im wesentlichen doch nur Wortkritik) treffende Beleg-
stellen beizubringen. Mit mehr Recht hat man behauptet, dals Peerlkamp
auf den Schultern Guyets stehe. Beiden ist ebenso grofser Scharfsinn
als Willkür in der Behandlung des Textes eigen. Aber während sich
der hoUänd. Philologe mit Ausscheidung von 6 Gedichten (keines
Horatius. 65
(lerselbeu ist auch von G. verworfen worden, ja, 5 davon bleiben ganz
ungeschmälert) begnügt und bei allem Subjektivismus, mit dem er sein
in Horaz geträumtes Ideal eines ganz vollkommenen Dichters von
allen Mängeln zu reinigen sucht, es sich nicht verdrielsen läfst,
ästhetische Momente und, wie Bentley, zahlreiche Parallelstellen für seine
Vorschläge ins Feld zu führen, so hat G. alle und jede Achtung vor
der Überlieferung beiseite geschoben. Die an Manie streifende wilde
Zuchtlosigkeit wird hier zur bizarren Afterkritik, die etwa an Sanadons
brutale Durcheiuanderschüttelung der Horazischen Gedichte oder gar
an des dritten Ordensgenossens Hardouin fast nicht mehr ernst zu
nehmenden krit. Standpunkt erinnert, wonach aufser Cicero ^Plinius d. A.,
Yirgils Georgica und Horaz' Sat. und Episteln die gesamte lateinische
Litteratur apokryph ist!
35) J. Poiret: Horace. Etüde psychologique et litteraire.
Paris. E. Thorin. 1890. 351 S. 8.
Der Verf. wurde zu dieser psychologischen Studie angeregt durch
Oesterlens bekanntes Buch über ^Komik und Humor bei Horaz'. Wie
er anführt, schien ihm aber die wissenschaftlich-kritische Darstellung
des schwäbischen Gelehrten den Stoff zu sehr zu zerpflücken und als
,, chirurgisches Operationsmaterial" (p. 4) zu behandeln. Deutschland ist
ihm das Land, oü fleurissent Fobjectif et le subjectif (p. 2); vollends zu
fragen, wie Oesterlen gethan: combien de fois Horace a-t-il ete comique?
ist ihm zu scholastisch, zu arithmetisch; um über der mikroskopischen
Untersuchung das Ganze nicht zu verlieren, giebt er nun Im vorliegenden
Buche ein Bild von Horazens Persönlichkeit im weitesten Sinne. In
XI Kapiteln wird über des Dichters Erziehung, Geschichte, seine
Schwächen und Vorzüge, Lebensanschauung, Philosophie und Dichtung
in jenem unterhaltenden und gefälligen Tone gehandelt, wie er den
geistreichen Causerien französischer Federn eigen ist. Neues bietet P.
nicht , aber er weifs die bekannten Materien in einer so ansprechenden
Darstellung zu geben, dafs die Lektüre zum Genufs wird, besonders
auch dadurch, dals der Verf. hübsche Parallelen zwischen Horaz und
französischen Schöngeistern zieht, namentlich Beranger, Montaigne,
La Bi-uyere, zwischen dem ganzen Zeitalter des Augustus und jenem der
Ptolomäer und wiederum dem Ludwigs XIV (Boileau und Racine). Die
Vergleiche fallen entschieden zu Gunsten des Augusteischen Zeitalters und
des Horaz aus. Das Charakteristische in der Physiognomie des Dichters
falst er (p. 345) in die Worte: ce qui domine et regne dans sa
Physiognomie c'est le sourire, mais un sourire k lui ce n'est pas le
charmant sourire d'une äme expansive, ni „raffreux" (ou malicieux)
sourire de Voltaire; on peut y lire, selon qu'il est dispose, ou qu'ou est
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXVI. Bd. (1893. II.) 5
6(3 Horatius.
disposö, le mi^pris des autres tempere par lindnlg-ence, et Testime de
soi-menie adoucie par la plaisanterie.
36) Hartman, J. J.: De Horatio poeta. Lugduni Batavorum,
Lipsiae. Harassowitz. 1891. 202 S. 8. (5 M.)
Verf. übt an den lyrischen Gedichten eine sehr einschneidende,
aber ebenso einseitige Kritik, nach der Horaz aus Mangel an poetischer
Begabung zu den ungeschicktesten Wendungen und Ausführungen greift.
Auf den luterpolator sei nichts abzuladen, Horaz selbst sei der Stümper.
Im einzelnen sei auf unsere eingehende, den Standpunkt des Verf.
verurteilende Besprechung in den Gott. Gel. Anzeigen 1892 No. 10
(S. 389—398) verwiesen.
37) W. Gilbert: Abgerissene Bemerkungen über den
ethischen Gehalt der Oden des Horaz. Festschrift des Gym. zu
Schneeberg. 1891. 4. S. 73—90.
Verf. spricht mit Wärme und feinem Verständnis vom tiefen
ethischen Gehalte besonders der pathetischen Oden, wie IV 2. 4. 14,
III 29, IV 9, II 1, der sog. Römeroden III 1—6 u. a. Der Hinweis
auf die Anregungen, welche die Lektüre der Oden für eine tiefere, eine
christliche Religiosität bietet, ist frei von jeder gezwungenen Interpretation
und zeigt an einzelnen Beispielen, wie überlegt oft gerade die Partien
sind, an denen das kritische Messer der Philologen zu beschneiden
versucht hat. Um nur einen Fall herauszuheben, so hat Hartmans
eben genannte Schrift an c. II 1 die Erwähnung des Jugurtha (v. 28)
als ganz besonders unglücklich, ja unsinnig hinzustellen gesucht. Statt
Jugurtha, meinte er nach dem Vorgange anderer, hätte Hör. die Punier
nennen sollen. Gilbert verweist mit Recht darauf, dal's an Jugiulha
die röm. Nobilität sich versündigt hatte, indem sie ihn durch schmach-
volle Bestechlichkeit zum gefährlichen Gegner Roms heranzog, dann
hinterlistig ihn in ihre Hände brachte und im Kerker ermordete.
Gerade die Verworfenheit der Nobilität aber war ein Keim des ersten
Bürgerkrieges, an den sich die späteren anschlössen, die in der Schlacht
von Thapsus zunächst, ihren Abschlufs fanden. Die Zurückführung der
Opfer dieser Schlacht auf die Sünden der Nobilität ist daher sittlich
und pragmatisch ganz berechtigt. Zum Schlüsse bespricht G. die
kunstvolle Komposition von c. I 37.
38) Schneidewin, Max: Die Horazische Lebensweisheit
aus den fünfzehn, den Fragen der Lebenskunst gewidmeten Oden ent-
wickelt und beurteilt. Hannover. Hahn. 1890. 40 S. 8.
Verf. will mit dem kleinen, nicht ohne Wärme geschriebenen
Büchlein nicht sowohl ein streng wissenschaftliches System der Horazischen
Iloratius. 67
Lebeuspliilosophie liefern, als vielmehr eine Art von Kartennetz der
Lebensgruudsätze des Dichters, zusammengesetzt aus den in 15 Gedichten
entwickelten Prinzipien, in das sich dann Verwandtes aus den Satiren
und Episteln leicht einfüg-en lasse. Er hat gerade diese Stoffgruppe
herausgegriffen, weil sie das Wesentlichste aus der Horazlektüre enthält
und als wertvollstes Besitztum mit ins Leben genommen wird. Die
Gliederung: I. die 3 Forderungen, die Gegenwart zu geniefsen, die Affekte
zu beherrschen, mit dem Lose zufrieden zu sein, II. deren Begründung
(Verf. führt in sorgfältiger Disponierung 16 Momente an) ist lichtvoll
und verständig und dürfte für eine nach längerer Lektüre immer wieder
zu veranstaltende Rekapitulation förderlich sein.
39) Er. Gebhard: Gedankengang Horazischer Oden in
dispositioneller Übersicht nebst einem krit.-exeget. Anhang.
Eestgrufs an die Münch. Pliil.-Vers. München 1891. X und 63 und
30 S. 8.
Verf. geht davon aus, dafs es nicht genüge, von der sorgfältigen,
klaren Gliederung des Gedankengangs in den Oden Kenntnis zu nehmen,
man müsse unbedingt in manche Täuschung verfallen, wenn man sich
nicht ein Bild des Gedankengangs bis in seine feinsten Ver-
ästelungen hinaus konstruiere. Leuchtenberger (s. den letzten
Jahresbericht S. 133) sei auf halbem Wege stehen geblieben, er habe
fälschlich gemeint: Horaz habe wohl einen Grundrifs entworfen, bei
der Ausführung aber habe sich ihm in Zahl und Folge der Teilge-
dauken oder Unterteile, wohl auch der Hauptteile, manches ver-
schoben. In 60 Detailanalysen giebt G. nun ausführliche, bis in das
Minutiöse gehende Dispositionen, indem er glaubt, dafs der Dichter wie
die Hauptgedanken, so auch die dazwischen liegenden Nebenteile in
gleich strenger logischer Gliederung aufgebaut habe, und dafs durch
eine derartige Disposition zugleich ein Substrat hergestellt werde für
die höhere Kritik.
Bei aller Anerkennung des von G. betonten Satzes, dafs gerade
in den Horazischen Oden strenge, ja sehr strenge Folgerichtigkeit
herrsche, erwehrt man sich angesichts der vorliegenden Zergliede-
rungen kaum des Gedankens, dafs hier des Guten zuviel geschehen sei.
Man betrachte z. B. I 2, dessen Disposition nach G. zu den mühe-
vollsten aber auch lohnendsten gehören soll. Wir führen von derselben
liier nur die zu den letzten 11 Versen gegebene Analyse an:
b) helfen wird Merkur in der Gestalt eines jugendlichen Mannes
(Octavianus). Ja, er weilt in Menschengestalt bereits unter uns,
der Ersehnte und Beglückte:
Pfi^ Horatius.
cü) der Ersehnte == in welcher Eigenschaft?
aa) privatim: als nicht widerwilliger, aber auch nicht als
enragierter (patiens vocari) RScher des Caesar — ent-
spricht III 2 a ly. rj/j.
fl^) publice:
a) domi: als Bringer des Frohsinns (laetus) und der Ge-
rechtigkeit — entspricht III 2 a c< ßß.
b) militiaeque: als Sieger über die auswärtigen Feinde,
Meder — entspricht III 2 a ß.
ß) der Beglückte =: welches wird sein Lohn und Dank sein?
05!) miÜtiae: Triumphe,
ßß) domi: Verehrung als pater und princeps.
"Was soll hier die feine Unterscheidung zwischen der Eigenschaft als
Ersehnter unter b a ßß b, wozu die v, 51 genannten Meder citiert
werden, und der Eigenschaft als Beglückter unter b ß aa, wozu die
V. 49 genannten Triumphe angeführt werden? — Das kleine, aus
8 Zeilen bestehende Lied I 38 wird disponiert:
I (Negativ:) Ich mag nicht besondere Vorkehrungen.-
1) persischen Prunk,
2) Rosenkränze:
a) (Kunst:) kunstvoll geflochten,
b) (Natur:) von verspäteten Rosen.
II (Positiv:) Es genügt das Naheliegende, Einfachste:
1) einfache Myrte,
a) für Dich, b) für mich;
2) das dichtbelaubte Rebdach.
Der kritisch- exegetische Anhang bietet manche neue Auffassung,
die aber schwerlich allgemeine Billigung finden. So wenn Verf. I 2,
9—12 in der „verkehrten Welt" eine Anspielung auf die Revolution
erblickt: Flucht (Proteus), Emporkommen der Niederen (Fische auf den
Bäumen), Lavieren der Vornehmen (Hirsche im Wasser). — I 12 soll
Horaz den Cato (v. 35) mit der bestimmten Absicht aufgenommen
haben, um den Octavian mehr oder minder zart an die Wandelbarkeit
des Geschicks zu erinnern, welches zwischen Monarchie und Republik
wechselt. — II 1, 21 f. werden die duces gerade wie cuncta zu
snbacta gezogen: 'alle grofsen Führer werden gedemütigt, nachdem
sie sich rühmlich gewehrt, auch alle Länder werden unterworfen; nur
einer giebt sich nicht besiegt, Cato'.
Die sehr fleifsige Arbeit zeigt lange und eindringende Befassung
mit Horaz, ob aber für eine fruchtbare Lektüre des Dichters in der
Schule die überaus künstvollen, um nicht zu sagen, gekünstelten Analj'sen
irgendwie erforderlich, ja ob sie bei der immer mehr gekürzten Stunden-
zahl für das Lateinische nur möglich sind, scheint uns zweifelhaft.
Horatius. 69
40) Sülskind: Talmud und Horaz. Monatsblätter für Belelu-ung*
über das Judentum. 1891. Februar. S. 37—38.
Der „lebemänniscbe Horaz, dessen naturalistische Frivolität die
unseres Heine bedeutend überbietet," verfolge die Anhänger der Stoa,
vs'elche mit ihren sittlich strengen Grundsätzen die römische Gotteslehre,
in der Jupiter eine so skandalöse Don Juan-Rolle spiele, verachteten
und sich zur jüdischen Lehre hingezogen fühlen mufsten. Die sowohl
bei Hör. wie im Talmud vorkommende Redensart ,,auf einem Fufse
stehend" (cf. s. I 4, 10) sei im Talmud so zu erklären, dafs zu dem
Rabi Hillel ein römischer Heide (Stoiker) komme, um sich ins Judentum
aufnehmen zu lassen. Er wolle die ganze Tora in kürzester Zeit,
während der er auf einem Fufse stehe, kennen lernen . . . Die
Redensart selbst sei im Hebräischen aber nur die Übersetzung aus dem
Lateinischen, bei den Juden sei sie sonst nicht üblich gewesen.
41) A. Krawutschke: Quibus temporibus Horatium tres priores
carminum libros edidisse verisimillimum sit. Troppau. 1889. Progi\
24 S. 8.
Fraukes, nunmehr überwiegend als sicher angenommene Chro-
nologie der 3 ersten Odenbücher, wonach die Herausgabe 24/23 v. Chr.
fällt, bekämpft der Verf., indem er zunächst untersucht, wann das
1 . Buch Episteln veröffentlicht worden ist. Die Angabe der als Epilog
fungierenden 20. Epistel: 'me qiiater undenos sciat implevisse Decembres,
coUegam Lepidum quo duxit Lollius anno' weise keineswegs auf das
Konsulatsjahr der beiden genannten (21) oder vielmehr das demselben
folgende Jahr 20 als Abfassungszeit hin. Die Worte besagten nur, dafs
Hör. in* jenem Jahre 44 Jahre alt geworden sei. Dafs aber thatsächlich
diese letztverfafste Epistel des I. Buches später geschrieben sei, gehe
daraus hervor, dafs in einigen andern Episteln dieses Buches Dinge
erwähnt werden, die ins Jahr 19 oder 18 fallen. So konnte Hör. ep.
I 18, 55 ff. von den Cantabrica bella und dem dux qui templis Par-
thorum signa refigit nunc erst nach der Rückkehr des Augustus
im J. 19 reden. Auch ep. I 12, 25 ff. (Cantaber Agrippae, Claudi vir-
tute Xeronis Armenius cecidit, ius imperiumque Phrahates Caesaris
accepit u. s. w.) sei nicht vor 19 oder 18 zu denken und da ep. I 1
in der Art, wie die Philosophie empfohlen wird, mit dem Tone m ep.
I 18 ziemlich übereinstimme, so falle auch sie ungefähr in dieselbe Zeit.
Dieselben Ereignisse seien nun auch gestreift in Oden wie c. n9, 19 tf.
(=ep. I 18, 56 f.); III 8, die nach v. 18 f. ins Jahr 20 falle (= ep.
I 12, 25 ff.); wenn daher ep. I 18; 12; 19; 1 zuletzt und zwar in dieser
Folge in den Jahren 19 und 18 verfafst seien, so müsse die letzte
70 Uoratius.
ep. I 20 um dieselbe Zeit angesetzt werden. Die Bestimmung me quater
undenos Decembres implevisse sei der Neigung zum Gebrauch der Multi-
plikation in Verbindung mit Kardinal- oder Distributivzahlen (quater
undeni) zuzuschreiben, auch habe er nur um seinen Freund LoUius zu
verewigen, sein Lebensalter zur Zeit des Jahres 21 angegeben. Ja,
sie könnegar nicht, wie Franke meint, gleich das Jahr darauf (also 20 v.Chr.)
verfalst sein, denn Hör. vollendete ja im J. 20 sein 4 5., nicht erst das
44. Lebensjahr. Auch kämen bei Frankes Annahme gar zu viele Ge-
dichte, aniser lyrischen noch fast die Hälfte der Episteln auf das eine
Jahr 20.
Die Herausgabe der Oden unter 23 herabzudrücken, verlange, wie
das Christ u. a. gewollt, besonders auch c. I 3. Nach Donat gehe
das Gedicht auf die letzte Reise des Dichters Virgil, falle also 20/19.
Somit könne die Sammlung nicht vor 19 publiziert sein.
Wir halten die hier vorgebrachten Argumente, die übrigens nichts
Neues beibringen, für nicht stichhaltig. Dais die in den Episteln er-
wähnten polit. Ereignisse nicht unter Ende 20 heruntergedrückt werden
müssen, ist in den Kommentaren, zuletzt von Kiefsling, und von Gaebel
(s. d. letzt. Jahresber. No. 88) genugsam gezeigt. Was die Schlulsworte von
ep. I 20 betrifft, so wäre es doch recht wunderbar, wenn Hör. im Jahr 18
sagen sollte: er habe im Jahr 21 das 44. Jahr vollendet! Einen Sinn kann
eine derartige Angabe doch nur haben, wenn er eben zur Zeit der Ab-
fassung sein 45. Jahr noch nicht zurückgelegt hatte, (also jedenfalls vor dem
Dezember 20). Und liegt in der blofsen Nennung des LoUius als Konsuls
denn wirklich eine besondere Ehrung dieses Mannes? Was nun aber
die Publikation der 3 ersten Bücher Oden angeht, so hat K. auch hier
keinen Umstand angeführt, der gegen das Jahr 24,23 spräche. Der
„sich selbst bekiiegende Meder", der ,,spät besiegte Cantabrer", der
Daker Cotiso u. s. w. zwingt nicht dazu, unter 23 herunterzugehen.
Nicht einmal I 3, das den grüfsten Anstofs gegeben, am genannten
terminus ad quem zu rütteln. Wo sagt denn Donat, dal's Virgil nur
einmal nach Griechenland ging, wie K. 8. 16 behauptet? Kann denn
die Reise, und wenn es die einzige und letzte gewesen, nicht Jahre
vorher geplant gewesen sein? Nötigt so kein Umstand zum Aufgeben
des Jahres 23, so scheint das für diesen Termin sprechende Moment
allerdings sehr schwerwiegend. Wir meinen als solches nicht etwa, dals
Uoraz auf Marcellus, Virgil, Tibull kein Trauergedicht verfalst hat, auch
nicht, dal's er die auf Murena bezüglichen Oden II 10 und III 19 nicht
gestrichen, sondern die von K. nicht genügend betonte Stelle I 12, 45:
crescit occulto velut arbor aevo fama Marcelli. Wie konnte der Dichter
einen Passus stehen lassen, der vom immernoch wachsenden Ruhme
der zu so hohen Ehren von Augustus bestimmten Marcellus spricht,
I
Horatius. 71
nachdem mit dessen Tode die schönsten Hoifnungen des Aiigustus so
bitterlich zu Grabe getragen waren, jenes Jünglings, dem Virgil eine
frons laeta parum et deiecto lumina vultu zugeschrieben und den herr-
lichen Nachruf gewidmet hat. Ein eigenes carraeu Ingubre brauchte
Hör. nicht zu verfassen; aber diese Stelle mulste nach 23 geändert
werden, wenn nicht ia Augustus eine brennende Wunde aufgerissen
werden sollte. So lauge dieses Bedenken nicht gehoben ist, wird man
das longum intervallum zwischen den 3 ersten Büchern und dem vierten
wohl noch nicht auf die Jahre von 19/18 bis 13/12 beschränken wollen. —
Zu den Errata typographica am Ende der im ganzen in flielsendem
Latein geschriebenen Abhandlung, führen wir noch an: illo als Dativ
S. 5 (unterste Zeile) imd S. 28 (10. Zeile); Romonorum (S. 7);
annum st, anno S. 8 (7. Zeile); Vergilio S. 15 (5. Zeile); efferet
St. efferret (ib.); Livinius (S. 19, 5. Z. v. u.)
42) Wegener, Phil.: Zur Methodik desHoraz-Unterrichts
in Prima. II. Teil. Progr. d. Gymn. zu Neuhaldensleben. 1890.
Giebt die Fortsetzung des im vorigen Jahresb. (No. 34) besprochenen
Programms.
Der Verf. zeigt, wie die Horazlektüre eine konzentrierende Be-
deutung in dem gesamten Gebiet der Altertumsstudien gewinnen kann.
Zimächst gelte es, bei der Lektüre die individuellen Momente, welche
zur Erfassung der Persönlichkeit des Horaz bedeutend sind, heranzu-
ziehen, vor allem s. I 6, Bei Besprechung dieser Satire schlägt der
Verf. vor zu interpungieren :
12) Contra Laeviuum, Valeri genus, unde Superbus
Tarquinius regno pulsus fiigit, unius assis
Non unquam pretio pluris licuisse. — Notante
15) Judice, quo nosti, populo, qui stultus honores
Saepe dat indignis et famae servit ineptus,
Qui stupet in titulis et imaginibus, quid oportet
Nos facere? — A volgo longe longeque remotos!
Namque esto . . .
Die Antwort auf die Frage: Was sollen wir thun? sei enthalten in:
remotos esse: „fernbleiben; denn, angenommen (wir hielten uns nicht
fern), würde das Volk u. s. w."
Diese Erklärung begegnet nach unserer Meinung einem sprach-
lichen Bedenken. Wii* halten nämlich die Weglassung von esse für
unzulässig, sobald remotos, wie W. annimmt, Prädikat sein soll.
Bei Lektüre dieser für Horaz' Entwicklungsgang so wichtigen
Satire empfiehlt W. Verweise und teilweise (private) Lektüre von Cicera
Brutus c. 89; für die Schilderung des Landaufenthalts sodann Cato
72 Horatlus.
niaior und die Elegien des Tibull. — Zur Beleuchtung- des religiösen
Standpunktes des Horaz u)id der damit zusammenhängenden Fragen sei
Cicero De natura deorum (I und II) heranzuziehen. Ganz besonders
aber müsse bei Behandlung der philosophischeu Richtung des Dichters
eine Besprechung der antiken Ethik zur Seite gehen. Gerade die
ethischen Ideen bei Horaz lassen sich zu den wertvollsten Kon-
zentrationsstoffen für den Unterricht machen. Ciceros philosophische
Schriften (besonders Tuscul. IV und V) sind hier zur Vermittlung der
ethischen Probleme des Altertums von höchstem Wert. "Wie im einzelnen
die Interpretation dadurch eine Vertiefung erfährt, zeigt W. an der
Besprechung von ep. I 1; 2; 16 und c. III 16.
Nachdem nunmehr Weifsenfeis seinem ausgezeichneten Buche
über Horaz eine Auswahl aus Ciceros philos. Schriften hat folgen
lassen (Teubner 1891), so dürfte für eine eingehendere Berücksichtigung
der Philosoph. Seite ein gewil's allen willkommenes Hilfsmittel gegeben sein.
43) 0. Friedel: Einige Horazstuudeu in Prima. Aus der
Festschrift zur Feier des 550 jähr. Bestehens des Gymn. zu Stendal.
1888. 16 S. 4.
Vorliegende Arbeit ist ein Beitrag zu den Frick-Richterschen
Lehrproben und Lehrgängen. Auf dem Boden der Herbartschen
didaktischen Grundsätze stehend, giebt F., ohne mechanisch und schema-
tisch zu verfahren, eine schulmäfsige Behandlung von carm. I 3. Die
auf diese Ode verwendete Zeit betrug 2^2 Unterrichtsstunden, — mehr
als wohl in der Regel auf die Besprechung eines zumal kleineren Ge-
dichts in der Schule verwendet werden kann. Aber F. ist weit entfernt
zu sagen, dafs jede Horazode so erklärt werden muis oder kann oder
erklärt zu werden braucht. Nachdem die Ode gelesen ist, und zwar
vom Schüler, folgt die Übersetzung; dann die grammatische und sach-
liche Analyse, wobei der Inhalt der einzelnen Abschnitte immer wieder
zusammengefafst, auf den Zusammenhang aufmerksam gemacht wird
u. s. f. — alles in gemeinsamer Arbeit von Lehrer und Schüler. Nach-
dem dann der Lehrer seine Übersetzung vorgetragen, und das sprachliche
wie sachliche Bedeutsame behufs Eintragung in die Kollektaneen zu-
sammengefafst ist, wird übergegangen auf genauere Darlegung der
Entwicklung und Gliederung der Gedanken, Gesamtgruppierung oder
Disposition, Mittel der poetischen Darstellung und Ideengehalt. Bei
letzterem Punkte eröffnen sich für den Schüler wichtige Rückblicke auf
antike und moderne Anschauungen über das Verhältnis des Menschen
zur Natur und zu den höheren sittlichen Mächten.
Diese Lehrprobe, aus dem Unterricht selbst hervorgegangen, darf
als eine musterhafte Behandlang einer Horazinterpretation bezeichnet
Horatius. 73
werden. Ohne die grammatisch-formale Seite zu vernachlässig-en, verlegt
sie den Schwerpunkt in eine Analyse des ästhetischen und ethischen
Gehalts der Ode.
Über die Metrik des Horaz handeln 2 Arbeiten:
44) N. Franzutti: Prospetto metrico dei carmi dl Orazio
ad uso dei corsi 1. e 2. dei licei. Siena 1891. 63 S. 8.
Das kleine Heft will nur eine für Schulzwecke (nach der Ver-
ordnung- der ital. Unterrichtsverwaltung vom Sept. 1889) brauchbare
Zusammenstellung der metrischen Schemata geben. Die Vorrede nennt
L. Müllers und Nancks metrische Einleitungen als besonders brauch-
bar; um so mehr ist es zu verwundern, dal's der Verf. sich weder dem
einen noch dem andern angeschlossen hat. sondern eine ganz mechanische
Analyse der einzelnen Verse giebt. So besteht der Alkäische Elfsilbler
a) di una tripodia giambico catalettica (cioe di tre (!) giambi e mezzo)
detta anche penthemimeris . . . . b) la secunda parte e una tripodia
logaedico catalettica. Der Asklepiadeische Vers besteht a) di una base
spondaica b) di due coriambi c) di un pirrichio und nun folgt als Schema
-L u I -:- uu ^ ii -!- uu — I uu- Unter den Musterversen dazu ist nirgends
ein Pirrichius markiert, wohl aber sämtliche Schlufsworte mit langer
Ultima ausdrücklich notiert. Überhaupt wimmelt der Druck von Fehlern.
Man liest: Mäecenas, sie, frätres, praeler Jäpiga, märe, nävis, fäeundus
u. v. a. Dais der versus Glyconeus auch Leu coneus heilst, von dem
athenischen Dichter Leucon, wird als bare Münze ohne weiteres an-
genommen. Zum Schlüsse folgt eine Rekapitulation in Fragen und
Antworten. Die Ai'beit ist ganz wertlos.
45) H. Schiller: Die lyrischen Versmafse des Horaz.
Nach den Ergebnissen der neueren Metrik für den Schulgebr. dar-
gestellt. 3. Aufl. Leipz. 1891. Teubner. 32 S. 8.
Das Werkchen ist seit dem Erscheinen der 2. Aufl. zweimal ins
Italienische übersetzt worden; auch eine französische Übersetzung ist
1883 erschienen. Mit Recht hat der Verf. daraus entnommen, dafs das
Buch den Zwecken der Schule wohl entspricht und hat daher keine
erheblicheren Änderungen vorgenommen in dieser neuen Auflage. Einige
Vorschläge füi' eine weitere Auflage des erprobten "Werkchens hat
Refer, in der Besprechung desselben (Berl. Pliil. Wochenschr. 1892 Xo. 44)
gemacht.
74 Horatius.
B. Einzelne Stellen:
46) B. Born: Bemerkungen zu einigen Odeii des Horaz
mit besonderer Berücksichtigung der Wortstellung. Magde-
burg. Progr. 1891. 4. 40 S.
Über die Wortstellung in den Oden hatte Eggers (De ordiue
et figuris vei'borura, quibus Hör. in carminibiis usus est) gehandelt.
Der Verfasser des vorliegenden Programms behandelt dasselbe Thema
von anderen Gesichtspunkten aus, indem er zeigt, dals ein Teil der
im einzelneu besprochenen Wortstellungen allerdings als eine Folge
äulserlich metrischer Notwendigkeit erscheint ^ dafs aber viele dm*ch
innerliche Gründe bedingt sind. Besonders erkennbar ist die Bedeutung
des Verseinsclmittes. Scheinbar werden dadurch zusammengehörige ge-
trennt, doch nur, um sie gerade durch die beiden bezeichnenden Vers-
stellen in der Cäsur selbst und unmittelbar nach derselben als zusammen-
gehörig zu bezeichnen. Unter anderen zieht Verf. in dieser Weise auch
u. I :!, .32. in c. I 3, 32 (semotique prius | tarda necessitas) das prius nicht mit
I 1, 7 n. Nauck u. a, zu semoti, sondern zu tarda. — Zu c, I 1, 7 ff. hunc . .
illum , . ergänzt B. iuvat aus dem Voraufgehenden; wie wir glauben,
mit Recht. Zwar hat Kielsling in der 2. Aufl. seiner Oden diese
Konstruktion aufgegeben, weil „die Kraft des farblosen iuvat nicht über
meta evitata (= metam evitavisse) reiche" und ergänzt dazu das un-
mittelbar vorhergehende evehit. Aber Born weist darauf hin, dals,
abgesehen von anderen Momenten, iuvat au derselben Versstelle v. 23
ausdrücklich noch einmal wiederholt wird (multos castra iuvant) und
dals die entsprechende Stellung, welche hunc und illum im Verse in
Bezug auf sunt quos einnehmen, diese Ergänzung als allereinfachste
fordert. — Über die Stellung des Pronomens in Gegensätzen, entweder zu
Anfang des Verses oder des Halbverses, gewinnen wir durch die fleilsige
Zusammenstellung B.'s klare Übersicht; nur wird man sich hüten müssen,
hier allzu viel folgern zu wollen. So halten wii' es für verfehlt, wenn
II II. .-,]. D. m 11, 51 gegen die hs. Überlieferung (nostri) empfiehlt, nostro
zu lesen, weil so der Gleichklang des Auslautes der beiden Vershälften
sich ergebe (p. 4); ebenso, wenn er aus der Beobachtung, dafs beim
Verbnm finitum die letzte Silbe meist in die Vershebung falle, eine
j]i -t. '.1. Empfehlung der Peerlkarapschen Umstellung c. III 9, 9: me nunc
Thressa regit Chloe zu gewinnen glaubt (p. 13). Dais Ausnahmen
von der die Kegel bildenden Stellung genug vorkommen, dafs insbesondere
die kurzen Verszeilen der Wortstellung überhaupt wenig freien Spiel-
raum gewähren, hebt er ja selbst hervor. Über die Stellung des Imperativ
falst er die Wahrnehmungen in folgende Regel zusammen: die impera-
Horatius. 75
tivischen Anssageformen stehen häutiger nach der Cäsur als vor der-
selben; die Imperativischen Anssageformen hat Hör. entweder an das
Ende des Verses oder Halbverses gestellt, oder an den Anfang desselben
mit der Einschränkung, dafs ein einsilbiges Wort — meist als repetitio
eines voraufgehenden Begriffs — mitunter vorhergeht (p. 9 f.) — Die
Bemerkung Kiefslings zu III 30, 7, dafs usque mit crescam zu ver c. iii 30,
binden sei, wird dahin von B. verallgemeinert, dafs „die Partikel, welche
im alkäischen Elfsilbler und den asklepiadeischen Versen ego vorangeht,
in der inversio stehe und zum Verbum finitum des Satzes gehöre" (p. 19).
47) N. Fritsch, Zu Horatius Oden. N. Jahrbb. 1890.
S. 213—223.
C. I 1, 3—6 pulverem collegisse mit „Staub aufzuwirbeln" c. i 1,3-
zu übersetzen, verfehle nicht nur die Wortbedeutung, da colligere
sammeln heifse, nicht aber aufjagen, sondern auch die Zeitbedeutung;
denn collegisse könne nur eigentliches, nicht aoristisches Perfekt sein,
da ihm evitata (meta) palma d. h. accepta palma parallel stehe. Der
Infinitiv Perf. bezeichne eine zur Zeit des iuvat vollendete Handlung:
Der Sieger freue sich, mit olympischen Staube ganz bedeckt zu sein.
Ganz entsprechend werde c. IJ 1 , 21 duces non indecoro pulvere
sordidos gesagt. Den Wettfahrer erfüllt nach der Fahrt, wenn er wieder
im Volke erscheint, der Anblick des auf ihm liegenden Staubes mit
Freude. Also sei zu übersetzen: „manche freut es, als Wettfahrer sicli
mit olympischem Staube bedeckt zu haben." — I 7, 8 f. sei Oudendorps ,■. i 7, 8.
honore aufzugeben, da das hs. in honorem dicet als allein formell
korrekt erscheine; plurimus sei Subjekt zu dicet; natürlich seien in der
Reihe alii — sunt quibus — me nur Dichter unter dem kollektiv ge-
brauchten Superlativ zu verstehen, so dafs der Sinn und die Latinität
(für letztere wii'd noch auf das analog gebrauchte multus bei Lncau
III 707 f. vei*wiesen) tadellos seien. Nicht gelöst bleibt bei dieser
Auffassung von plurimus als Subjekt die wichtigste Frage, wer denn
diese plurimi sein sollen, — II 18, 36 — 40 non vocatus audit (un-
gerufen hört er) habe nur Sinn, wenn man vocatus von der offenen Bitte,
non vocatus (= non voce, sed mente h. e. tacite rogatus = still gebeten)
von der stillen Bitte des Armen verstehe. Einen derartigen Unterschied
zwischen lautem und innerem Gebet können wir aus vocatus und non
vocatus nicht herauslesen. Die scharfe Nebeneinanderstellung scheint uns
gebieterisch einen kontradiktorischen Gegensatz za verlangen, deraufserdem
am Schlüsse höchst wirkungsvoll ist; allerdings mufs dann audit zeug-
matisch gefafst werden (non vocatus venit). — III 24, 4 Apulicum hat
schwankende Quantität und ist von H. des Metrums willen dreimal in
der seltneren gebraucht. Sachlich ist es besser als der durch Lachmauns
c. I
7(5 Iloratius.
Konjektur hergestellte Sinn. Die 2 entgegengesetzten Meere entsprechen
genau den 2 entferntesten Ländern (Ai'abien und Indien), während das
zu omne logisch ganz schief stehende Beiwort publicum und das
schon an sich seltene Subst. terrenum für H. unannehmbar seien.
Mit Recht ist auch darauf hingewiesen, dafs durch Lachmanns Kon-
jektur der bestimmte und plastische Ausdruck völlig verloren geht. —
III 24, 5—8 das Präsens figit bezeichne eine dauernde oder wieder-
holte Handlung der Gegenwart wie expedies eine solche der Zukunft:
da das Schicksal fest und unerschütterlich waltet, so wird immer der
Tod dich in seiner Macht halten und daher dich immer Furcht quälen,
von ihm einmal fortgerafft zu werden, vertices hält F. für Giebel
von Gebäuden, aber nicht von menschlichen, sondern göttlichen; der
Gottheit eigene Bauten seien aber ihre Fügungen und Beschlüsse.
Wie I 35, 17 ff. die saeva Necessitas Nägel und Balken etc. führe zur
Befestigung von Bauten der Fortuna, so schlage sie hier die Nägel in
ihre und der Fortuna gemeinsame göttliche Bauten d. h. Fügungen, um
dieselben zu festigen. Diese x\uffassuDg scheint uns verkehrt. Nachdem
eben mit caeraentis u. s. w, von einem wirklichen Bau die Rede gewesen,
kann vertices nur den Giebel desselben gehen. Der Bau ist fertig;
das Einschlagen des Nagels drückt wie auf dem etruskischen Spiegel
symbolisch aus, dafs dem Bauherrn, der schon glaubte, ietzt am Ziele
seines Wunsches zu sein, das Todesverhäugnis naht.
48} J. Hilberg: Zu Horatius und Velleius. Zeitsch. f.
öst. Gym. 1891. HL Heft. S. 197—200.
C. I 2, 21 (audiet civis acuisse ferrum) seien die Leiber der
Feinde der Wetzstein für die Schwerter, Im Bürgerkrieg werde
von Bürgern an Bürgern das Schwert geschärft; unter cives könne man
sowohl die Tötenden als die Getöteten verstehen. Horaz denke an die
Proskriptionen, die das Nachspiel der Bürgerkriege bildeten. — Auch
c. II 8, 14—16 sei mit cote cruenta nicht ein gewöhnlicher Wetz-
stein, sondern das schwerverwundete Menschenherz gemeint, dem
das heifse Blut aus den von der Liebe geschlagenen Wunden entströme.
49) Fr. Scholl: Fronti praeponere olivam (c. I 7, 7).
Archiv f. lat. Lexikographie VII, Heft 3, S. 441—442.
Man hat sich seit Bentley damit begnügt, praeponere kurzweg
im Sinne von praetexere, praecingere oder im ponere zu verstehen.
Aber wer den Kranz ,fronti praeponit', bekomme ihn über oder vor die
Nase, nicht auf den Kopf. Auch frons im Sinne von ,Dichterstirne'
sei bedenklich. Die nach dem ganzen Zusammenhang gebotene Bedeutung
ist nach Seh. eine andere, nämlich die frons des Gedichtes, und damit
1
Horatius. 77
erhalte auch praeponere seine richtige Bedeutung- und Beziehung.
Zum Belege wird verwiesen auf Ovid Trist. I 7, 32: Hos quoque sex
versus in prima fronte libelli Si praeponendos esse putabis habe
(folgt das Prooemium). Horaz ironisiere die kompilatorische Art jener
Dichtungen, zugleich aber auch den Fehler, dafs der Verfasser gleich
im Eingänge den Mund voll nahm und auf seine von allen Seiten ab-
gepflückten Olivenblätter stolz war. — I 2, 11 (et superiecto pavidae c i j, ii.
natarunt aequore dammae) ist zu superiecto weder terris noch
montibus et ulmo zu denken; grammatisch und stilistisch allein richtig
ist superiecto seil, dammis, wobei dann freilich superiecto aequore
als abl. absol. zu fassen ist: ,Die Hirsche, da das Wasser über sie
hereingebrochen, schwimmen — gegen die Natur\
50) A. Elter: Vaticanum. Rhein. Mus. f. Phil. 1891. N. F.
46, 1, 1 p. 112 flf.
Mons Vaticanus ist ursprünglich keine an einem einzelnen f. 1 20, 7.
Punkte des Vaticanum (dies der richtige Name des Gebiets) ausschliefslich
tixierte topographische Bezeichnung; welcher der vatikanischen Berge
bei den alten Schriftstellern gemeint ist, mufs der Zusammenhang er-
geben, wie besonders bei Hör. c. I 20, Zu Horaz' und Juvenals Zeit
hat der Vaticanus mons als Eigenname noch nicht existiert. Ursprünglich
war Vaticanum Bezeichnung einer (etruskischen) Änsiedlung, dann
des ganzen Gebiets zwischen Tiber und den Bergen; erst seit
der Anlage des Neronischeu Circus wird der Name an diesem fixiert.
Mons Vaticanus ist bei H. nur der Berg im Vatikauischen d.h.
in unserem Zusammenhange das heutige Gianicolo, Horaz wählte aber
den Ausdruck, um zu sagen: Der Beifall war so grofs, dafs er bis zum
Tiber und die Quais (ripae) entlang und über Trans Tiberim und hinaus
bis an den Berg im Vatikanischen erschallte, also nicht nur an Gianicolo
sich brach, sondern selbst über dies hinausgegangen bis an den Vatikan
hin, gleichsam ins ganze vatikanische Land sich verbreitete. Möglich,
dafs Hör. bei der Wahl dieses fremden und wohl etruskischen Wortes
eine feine Anspielung an des Mäcenas paternum flumen im Auge hatte.
51) J. M. Stowasser: Der Schiffbruch des Horaz (c. I 28).
Ztsch. f. öst. Gym. 1891. III. Heft. S. 193—197.
Gegen Kiefsling sei die einheitliche Gedankenentwickelung von 0.124
c. I 28 festzuhalten. Die Grundstimmung sei im ganzen vergleichbar
c. I 34, wo H. dem Epikureismus entsage, also ebenfalls eine Palinodie
und zwar diesmal der „mathematischen und seelenwanderischen Welt-
anschauung". Der Kern des Gedichtes: sed omnis una manet nox et
calcanda semel via leti ist gegen Pythagoras' Ansicht von der Seelen-
78 Uoratius.
wauderung: gerichtet. „Nicht melirmals stirbt der Mensch, wie jener
gemeint, sondern nnser aller harrt nur einmal die Nacht und nur
einmal betreten wir den Pfad des Todes." Mit dem folgenden nie
(v. 21) könne Hör. nur sich selbst meinen. „Mich hat der Sturm mit
Wogen überschüttet" heilse eben: „ich habe Schiffbruch gelitten". Auf
der Düne liegend, male sich der Dichter, dem Tode nahe, das Bild
näher aus, wenn am Strande seine Gebeine unbegraben liegen werden.
Die Situation erinnere an Scheffels Gedicht, da er fieberkrank unter
den Palmen Bordigheras lag und zu sterben meinte, oder an Körners
„Die AVunde brennt". Der Schifl'brüchige sei also ein Lebender und
zwar Horaz. Dadurch werde auch die persönliche Beziehung des
Sprechers im zweiten Teil zu dem im ersten erwähnten Pythagoreismus
hergestellt. Für diese Auffassung von me spreche auch c. III 4, 26,
wo er von einem und zwar demselben Schiffbruche rede: nee Sicula
Palinurus unda. Dafs der zu Anfang genannte Archytas irgendwo in
Calabrien gestrandet ist, kommt nach St. wenig in Betracht; übrigens
wisse man nicht, wo das matinische Gestade sei; für den Dichter komme
es sicher nicht in Betracht als Scenerie, sondern der stehe nach v. 2()
an der Westküste von Italien (Hesperiis uudis). Daher dürfe denn
Illyricis nndis nicht wörtlich verstanden werden, sondern per enallagen :
„ein Süd, wie er sonst auf dem Ostmeer zu toben pflegt."
52) Th. Plüfs, Zu Horatius(c. II20). (Jahrbb. f. Phil. 1890.
S. 783—785).
c. n 20. Gegen Naucks (in dessen neuester Aufl. der Oden) Polemik ver-
teidigt der Verf. die früher von ihm entwickelte Ansicht, dal's vates
biformis auf die Verbindung von Menschengestalt (Gesicht, Leib,
Glieder) und den blols oben, an den Schultern und Fingern heraus-
wachsenden Flaum des Schwans zu beziehen sei. Wenn die Alten
derartige Doppelgestalten in der Plastik ertragen haben (vergl. die
fliegenden Windgötter, Iris, Victoria, etruskischen Todesgötter, römische
Laren), so sei an unserer Stelle um so weniger Anstofs zu nehmen,
als das tierische Element in der Doppelgestalt nur angedeutet sei.
Die hier von Plüfs angegebenen Analogien erscheinen aus dem
Grunde wenig geeignet, weil bei jeder dieser Gestalten die Flügel
lediglich nur Attribute dieser göttlichen Wesen sind; die Göttertigui'
ist dabei keineswegs aufgegeben; dagegen handelt es sich beim Dichter
um eine förmliche Verwandlung in einen Schwan, wobei die frühere
menschliche Gestalt vollständig hinschwindet. Gewifs ist mit dem
dircäischen Schwan (c. IV 2, 25) ein wirklicher und leibhaftiger Schwan
gemeint. Von einer Doppelgestalt im Sinne Plüfs' kann daher u. E.
keine Rede sein. Wenn anderer.seits Nauck u. a. unter biformis
Horatiua. 79
„Schwan und Dichter zugleich" versteht, so entspricht das aller-
dings, wie Plül's mit Recht betont, der Bedeutung des Wortes, das doch
von forma kommt, keineswegs. Auch darin mag Plül's mit O. Jahn
recht behalten, dal's bei der hier geschilderten „Apokyknose" schlielslich
keine Doppelgestalt, sondern lediglich nur die einzige forma des Schwanes
herauskommt. Aber weshalb mufs denn gerade das Endresultat dieser
Metamorphose ins Auge gefalst werden? Die ganze Ode zeigt uns den
Beginn, das allmähliche Werden der Verwandlung; für diese erste
Phase der Metamorphose pafst aber jedenfalls noch das wunderliche
biformis,
53) H. Müller: Zwei Oden des Horaz (c. 11 14 u. 20).
Zeitsch. f. öst. Gym. 1891. H Heft. S. 97—103.
Dass eine stärkere Betonung der humoristischen Seite der
Horazischen Dichtung das richtige Verständnis erschliel'sen helfe, will
Verf. an der Postumusode (II 14) zeigen. Die letzte Strophe habe c. ii 14.
schon Österlen durch Hervorhebung der scherzhaften Züge gerettet.
Dagegen habe er die 5. Strophe (visendus ater u. s. f.) nicht beachtet
und messe der Ode immer noch zu viel Ernst und elegische Ruhe bei.
Horaz habe unter dem Namen Postum ns eine bestimmte Person an-
geredet. Dies zeigten schon die individuellen Züge des Angeredeten.
W^enn er ihm aber in der betr. Strophe ,,die Hölle heils mache",
wenn er ii'onisch seinen Aberglauben pietas nenne, ihn selbst mit
amice anrede, gar mit ,, komischer Derbheit" v. 1 den Namen
zweimal setze, so könne das alles nicht auf einen Freund gehen. Einem
solchen könne er unmöglich Furcht vor dem Tartarus, ,,also ein böses
Gewissen" zuschreiben. Vielmehr sei unter dem Pseudonym Postumus
(„der Spätling" oder „ Nachgeborene ") ein Mensch derb verspottet, der
zwar reich sei, aber durch sein böses Gewissen doch groi'se Furcht vor
dem Tode habe. Die rechte Beleuchtung erhalte die Ode durch die
vorhergehende: Während der Dichter, wenn ihn der Baum wirklich
erschlagen hätte, mit gutem Gewissen in die Unterwelt hätte gehen
können, biete c. 14 als Gegenstück hiezu das Bild eines Mannes, der
vor diesem letzten Gange zittere.
So sehr auch zuzugeben ist, dafs, wie Österlen schon gezeigt,
scherzhafte Züge in der Ode enthalten sind, so ist doch der Grundgedanke,
wie Osterlen lichtig gesehen, ein durchaus eraster. Jedenfalls fehlen
aber für die Ansicht, dals wir einen Adressaten vor uns haben, der
ein böses Gewissen hat, alle Anhaltspunkte. Will man den Charakter
desselben näher bestimmen, so kann man ihn wohl nur als einen Mann
bezeichnen, der zäh am Leben hängt, sein Hab und Gut ängstlich hütet,
um es — einem unwürdigen Erben zu hinterlassen. Stimmt es so in
so IJoratius.
Tendenz und Aufbau mit c. IV 7, so hat auch die Ausmalung des
Orkus so wenig auflfallendes, als dort die splendida arbitria des Minos.
In den Worten: Imquenda tellus u. s. w. vermögen wir aber ebensowenig;
eine Verspottung- zu sehen, als in amice eine Ironie; ja gerade die
mittlere Strophe, die den Hauptgedanken enthält (frustra cruento Marte
carebimus), klingt elegisch. —
c. II 20 gehe das vielbesprochene biformis auf eine Doppel-
gcstalt, wie bei Virgii Minotaurus und Scylla, bei andern Pan und
Glaucus genannt werden. Zu den geflügelten Wesen gehören aber
nach Eiirip. Fragm. 903 auch die Sirenen und diese seien hier geraeint.
Ales bedeute ganz allgemein jedes geflügelte Wesen und wenn sich H,
als ein „lichtes Flügel wesen" bezeichne,- so wolle er mit dieser
scherzhaften Sirenenverwaudlung auf den unwiderstehlichen Reiz musischer
Kunst hinweisen.
Sicherlich wird ales mehrfach mythologischen Wiesen beigelegt
wie Perseus, Mercur u. a. Aber mutari in album alitem ist doch
etwas anderes und kann wohl nur wie auch nachher canorus ales (v. 15)
von der Verwandlung in einen Vogel gedacht werden. (Siehe übrigens
Nummer 52, Th. Plüis zu c. II 20.)
Über die unterdessen vom Verf. besorgte Ausgabe der lyr.
Gedichte (Stralsburg 1892) wird der nächste Jahresbericht referieren.
54) G. H. Müller: Beiträge z. Erklärung u. Kritik des
Horaz. Progr. des Lyceums in Stral'^burg i. E. 1888/9. 22 S. 8.
Die Bemerkungen, welche der Verf. zugleich als eine Art Begleit-
schiff t zu seiner Horazausgabe bezeichnet, betreffen:
c. I 1, 4—6 terrarum dominos ist Objekt von evehit und be-
zeichnet die vornehmen Römer der Horazischen Zeit; auch die
Römer insgesamt könnten als domini terrarum bezeichnet werden,
insofern ihnen ja (cf. c. II 1, 23 f. und c. III 3, 45 ff.) die Welt-
herrschaft zukomme. Der Satz metaque — deos wird parenthetisch ge-
falst: „es gebe Römer, welche stolz darauf wären, Olympische Sieger
zu werden." Bekanntlich hatte Ritter unter den terr. dominos an die
Griechen gedacht. Das eine ist aber so unstatthaft wie das andere.
Die Schilderung ist eine so allgemeine, alle Kreise umfassende, dal's
eine Beschränkung auf die vornehmen Römer wenig angebracht ist;
der Ausdruck domini terrarum selbst aber kommt auch in den vom
Verf. angezogenen Stellen nur als prädikative Bestimmung zu
Komani vor, nicht aber, auch nicht in der Vcrgilstelle Aen. I 2S2,
als Bchlechthinige Bezeichnung für Romani. Aufserdem aber
könnte die selbständige, wie M. will, parenthetische Konstruktion nur
den Sinn haben: ,die adelnde Palme . . . erhebt die Römer (oder die
I
Uoratius. 81
Herren der Erde) zu den Göttern". Es sind aber doch nicht alle Römer
oder die Römer schlechthin, sondern nur jene gemeint, welche gesiegt
haben! Wir halten daher die Erklärung für verfehlt. — ib. 15 ff. rura c i i,
bedeute, wie schon Eitter gesehen, „Landgut": oppidi sui rura sei
= das Landgut bei seinem Städtchen. Es sei also von zwei
Wünschen die Rede: Ruhe (vor dem Sturme) und der Besitz des
Landguts beim Städtchen. Uns scheint dieser doppelte, auf ganz
verschiedene Dinge gehende Wunsch des vom sturmgepeitschten Kauf-
manns recht wenig bescheiden, dann aber auch dem Sinn der Stelle
fernliegend. Es handelt sich doch nur um den Gegensatz zum brausenden
Meere. Dieser ist aber gegeben in der „ländlichen Ruhe seines Städtchens."
Er verlangt gerade wie c. II 16, 1 nur eines: otium, und diese Ruhe
ist als idyllische durch die epexegetische Beifügung et rura oppidi sui
näher charakterisiert. — c. I 3 wird mit Recht, wie wir glauben, eis.
auf den Dichter Yirgil bezogen. In durchaus plausibler Weise führt
Verf. aus, wie Virgil seine letzte Reise wohl jahrelang mit sich in
Gedanken erwog, vde die Aeueide das Produkt einer 11jährigen Arbeit
ist. Wohl auch möglich, dafs Virgil in seiner ängstlichen Weise öfters
selbst mit seinen Freunden über diese Reise, ilire Gefahren etc. redete.
Alles berechtigt also zur Annahme, dafs das Gedicht, obwohl es auf
Virgils letzte Reise (die allerdings erst 19 wirklich ausgeführt, aber
längst projektiert war) geht, doch bereits vor 23 v. Chr., dem Jahre
der Herausgabe der 3 ersten Bücher Oden, verfafst ist. — c. I 12, 21 fl'. e. i 12,
liest M.:
proeliis audax; neque te silebo,
libera et saevis inimica virgo . . .
Das hs. Liber sei aus libera verkürzt, einem allerdings sonst
nicht nachweisbaren Epitheton der Diana, die nach Artem. oneir. II 35
als Artemis 'EXsüftspa verehrt worden sei. Libera sei die Übersetzung
davon. So lange aber nicht bessere Beweise für dies angebliche Attribut
der Artemis beigebracht werden können, wird die Vermutung des Verf.
wenig Glauben finden. — c. II 12 sei die gepriesene Licymnia nicht c- n '-
identisch mit der Terentia, Gemahlin des Mäcenas. Denn der Dianae
celebris dies (v. 20) sei der 13. August, der von Sklaven und
Sklavinnen bezw. Liber tinen gefeierte Dedikationstag ihres Tempels
auf dem Aventin. Auch der Name Licymnia (Xq-j^ uixvsiv) weise auf
eine Libertine hin; domina brauche nicht notwendig auf eine vornehme
Dame bezogen zu werden. Letzteres ist richtig; allein der dies Dianae
celebris braucht keineswegs der 13. August, dieser dies servorum, zu
sein, sondern kann recht wohl irgend ein anderes Tempelfest der Diana
sein. Ganz besonders aber liegt, abgesehen von dem ganzen Ton der
Ode und abgesehen von der ernsten Persönlichkeit des Adressaten
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXVI Bd. (.1*^93 II.) 6
g2 lliiatius.
Mftoenas, kein Grund vor. weshalb wir der so bestimmt auf Terentia
lautenden Notiz des pseudakronischen Scbulions liier nicht glauben, und
in der dulcis domina Licymnia eine Libertine uns denken sollen.
„. ,,, — c. II 16, 19 liest Verf.: mutaraus patriä . quis exul . . .
niese Konstruktion sei notwendig-, weil bei niutare aliquid in der
Bedeutung , etwas eintauschen" der andere Gegenstand, für den etwas
eingetauscht wird, nicht ausgelassen wei'den könne, ohne dals ünverstiiiid-
lichkeit entstände. Mit Recht ist dagegen 1) eingewendet worden, dals
durch den Beisatz terras alio sole calentes eine jede Unklarheit
beseitigt ist und besondeis 2") dafs der Gegensatz se quoque fugit
(■..21 ff. das patriae bei exul kaum entbehrlich erscheinen läfst. — c. III 6, 21 ff.
wird in Übereinstimmung mit Vahlen (Berl. Lektionskat. 188G) niatura
1 II. iJ. iin Sinne von frühzeitig (= mature) gefafst. — c. III 11 und 12 weiden
wie die 2 vorangehenden Oden 9 und 10 als Ständchen aufgefalst. —
I 3'.. 7. c. in 26,7 wird statt des überlieferten arcus vorgeschlagen: asses
Bohlen oder Balken, welche irgendwo vielleicht zum Bau aufgeschichtet
zur Hand lagen Verf. verweist auf die Analogie mit dem, bei römischen
Belagerungen und Stürmen gebrauchten aries. Ob aber hier an Waffen
zum Einrennen im engsten Sinn und nur an solche zu denken ist,
ob nicht vielmehr der Bogen als Symbol des Liebesgottes der
Plastik der Darstellung mehr entspricht, darf billig bezweifelt werden.
; 1.-, ff. — c. IV 8 ist in zweizeiligen Strophen verfalst; Verf. verwirft nach
dem Vorgange anderer die Worte non celeres — rediit, verteidigt
aber die gleichfalls viel angegriffenen Verse 29 und 33 mit guten Gründen
i:^. 21. und erhält nun 30 Verse. — c. IV 13, 21 wird statt nota vorgeschlagen
Iota: der Dichter bezeichne damit nichts anderes als das hübsche
Antlitz der Lyce. Aber, wird man fragen, ist der Schönheit nicht
gclion genügend Erwähnung gethan in den voraufgehenden Versen?
Auch ist die Bezeichnung Iota facies für Schönheit doch recht
merkwürdig. Das Plautinische est lepida ac lauta ist doch etwas
1.2.37. anderes. — epod. 2, 37 rt\ liest M.: quis non malaruni, quas labor
(statt amor) curas habet -- „Wer vergifst hierbei (unter den im voiigen
geschilderten Annehmlichkeiten des Landes) nicht die bösen Sorgen der
Arbeit?" Dieser Gedanke erscheint uns in dem Zusammenhang dieser
Epode ganz ungeeignet. Denn was sollen das für Sorgen der Arbeit
seinV Die Arbeit des Landmannes bietet ja nach Ansicht des Alfius
nichts weniger als Sorgen; sie gewährt vielmehr lauter Vergnügen! —
I 7. ;,. s. [ 7, 9 wird statt ad regem redeo vorgeschlagen: ad rix am redeo.
Warum soll aber der Dichter nach der Digression nicht sagen: ich
komme nun auf die Geschichte mit dem ßex zurück? — Schlief slich
10. :^i. bespricht Verf. in Anführung von ep. I 6, 31 die Etymologie und Be-
deutung des Wortes lucus (von luerej.
llorativis. 83
55) P. Seliger: Die ersten sechs Oden im 3. Buche des
Horaz. N. Jahrbb. f. Phil, und Päd. 1890. S. 301—320.
Verf. bekämpft die neuerdings von Mommsen und Teuber über
diese vielbesprochenen sog. Römeroden geäufserteu (s. vorigen Jahresbericht
8. 152 — 156) Ansichten. Zunächst schlägt er eine Umstellung vor, um
innern Zusammenhang in diesen Cyklus zu bringen, und zwar folgen:
1. 2. 6. 4. 5. 3. aufeinander. Er unterzieht zur Begründung dieses
seines Vorschlags eingehend Inhalt und Zusammenhang der 6 Gedichte.
Ode 1 sei weder eine Theodicee (Nauck) noch ein „allumfassendes c. iii i.
Weltbild mit der sittlichen Auffassung des Idylls", wie Plüfs wollte;
Hör. giebt vielmehr eine Darstellung der Weisheit, die darin gipfelt,
dafs man mit Vermeidung alles mafslosen Strebens sich mit dem be-
gnüge, was nötig ist. — In Ode 2 habe Mommsen zuviel hineinerklärt: c. ili 2.
es sei lediglich von der sittlichen Erziehung der Jugend zur Tüchtigkeit
und Gottesfiu'cht die Rede. Unmittelbar an den Schlufs der Ode
lehne sich nun die 6. Ode an: das jetzige Geschlecht müsse Frevel der o. iii 6.
Vorfahren büfsen, besonders deren VerDachlässigung der Götter und
Entheiligung der Ehe; 1. 2. 6 enthielten so eine vollständige Aufzählung
der Gebrechen des damaligen Rom. Dagegen charakterisiere sich Ode 4 c. iii 4.
durch seine Einleitungsstrophe als Anfangsgedicht einer besondern Reihe
und sei voller Beziehungen auf die 1. Ode. Wie in letzterer vor mafs-
losem Streben gewarnt werde, so zeige das Beispiel der Giganten (III 4),
wohin die vis consili expers führe. — Ode 5 giebt nach S. dann analog c. iii 5.
eine Ausführung des Themas der 2. Ode: was in letzterer als allgemeine
Mahnung ausgesprochen werde, belege Ode 5 durch das Beispiel des
Regulus. Von einer Aufforderung an den Augustus, die Parther zu
bekriegen, welche Teuber aus den 3 ersten Strophen herausgelesen, sei
nichts zu finden. Das hoc (v. 13) gehe nur darauf, dafs der römische
Soldat imPartherland einheimisch geworden sei; dissentientis condicio-
nibus sei von Regulus gesagt, weil er die ihm von den Feinden
gestellten Bedingungen (in ihre Verhältnisse sich einzuleben) zurück-
gewiesen habe. Dadurch unterscheide er sich eben von den römischen
Gefangenen im Partherlande; er hätte durch sein Beispiel das Verderben
auf künftige Geschlechter heraufbeschworen, wenn er nicht den Rat
gegeben hätte, die Gefangenen ohne Gnade umkommen zu lassen. Die
Gefangenen im Partherlande aber seien auf die Bedingungen (der Parther)
eingegangen, hätten sich bei ihnen einheimisch gemacht und so dem
Vaterlande Schmach bereitet, p e r i r e t sei wörtlich zu fassen : Wären
die 10 000 nicht auf die Bedingungen der Feinde eiugegangen und
hätten diese, darüber erbittert, sie getötet, so wäre grofse Schmach er-
spart geblieben . . .
6»
«^4 Horatius.
Am bedenklichsten scheint uns die Auffassung von condicionibus
im Sinne von Bedingungen, welche die Karthager dem Regulus ge-
macht haben sollen, sich bei ihnen heimisch zu machen. Denn die
ganze Scene ist in Rom, nicht in Karthago zu denken, und zwar,
wie V. 45 f. donec labantis consilio patres firmaret auctoi' numquam
alias dato zeigt, im römischen Senate. Es kann sich mithin nur um
die Bedingungen handeln, welche Regulus vom karthagischen Senate
dem römischen zu überbringen hatte und deren Annahme er selbst
widerriet. Auch ist ja Regulus nicht deshalb gestorben, weil er das
Anerbieten, sich in Karthago heimisch zu machen, abwies, sondern weil
er gegen den Frieden und die Annahme der Friedensbedingungeu in
Rom gesprochen,
c. in 3. Die Anfangsworte von Ode 3, welche S. an sechster Stelle setzt,
sollen auf Regulus passen. Aber ardor civium prava iubentium mit
labantes patres zu identifizieren, geht doch nicht an. Wenn Zonaras
berichtet, dafs u. a. Regulus' Frau und Kinder ihn baten (avsXaßovro) zu
bleiben, so kann dies doch nicht civium ardor genannt werden. Jubere
ist kaum anders als von einem politischen Volksbeschlufs zu fassen.
Und was sollte erst voltus instantis tyranni in diesem Zusammen-
hange? S. meint das Karthagische Volk könne tjTannus genannt werden.
Aber wie das übrige (dux Hadriae, magna manus Jovis) zeigt, ist hier
gewils nicht von Regulus die Rede, sondern ganz allgemein von der
Unerschütterlichkeit des Gerechten gegenüber äufseren Hindernissen.
Die Rede der Juno deutet S. mit Dillenburger nur auf die Mahnung,
in die Sünden zu verfallen, welche den Untergang Trojas herbeigeführt
haben. Unerklärlich scheinen uns aber bei diesem doch nur ganz all-
gemein verwendbaren Bilde (Sünden der Trojaner='Wiederaufbau Trojas)
die ganz s])ezialisierten Züge v. 65 f. ter si resurgat murus aeneus
auctore Phoebo, ter pereat meis excisus Argivis, ferner 40 ff. dum
Priami Pariflisque busto insultet armentum et catulos ferae celent inultae,
stet Capitolium; auch das ne nimium pii rcbusque fidentes avitae tecta
velint reparare Troiae (v. 58 f.) zwingt doch zu einer weniger allge-
mein gehaltenen Interpretation und die von Mommsen aufgezeigte Be-
ziehung auf das mit der Zunahme des römischen Reiclies immer be-
stimmter anfti-etendc Projekt einer Verlegung der Residenz nach dem
Osten scheint uns kaum abweisbar.
Wenn schlieCslich S. für seine Umstellung der 2 Oden (3 und 6)
in der hs. Überlieferung eine Stütze zu finden glaubt, insofern aus
Porphyrios Worten (/lafs mit III 17 eine neue Ode beginne, sei irrig")
eine frühe Verwlrriing der Reihenfolge der Oden überhaupt hervorgehe,
so dürfte hier zu viel gefolgert sein. Dafs in den Hss zwei Oden des
gleichen Metnims in ein Ganzes zusammengezogen werden und umge-
Horatius. 85
kehrt, ist ja uiclit selten (cf. 1 16 und 17, umgekehrt 17, 15, epocl. 2, 23),
kann aber durchaus nicht für eine Verwirrung der Reihenfolge gedeutet
werden.
56) C. Haeberliu: Epilegomena ad Figurata Carmina
Graeca. Philolog. 49. Bd. (N. F. III) 4. p. 652.
Die Wendungen c. III 16, 1—8 .turris aenea' und ^conversum ein m,
in pretium deum' entlieh Hör. dem Epigrammendichter Asclepiades
V. Samos, der identisch ist mit Sikelidas.
57) J. Lengsteiner, Horaz III 30. (Zeitschr. für östcrr. Grymn.
1890. S. 593-598).
Für Situs in der konkreten Bedeutung (= Bau) fehlen Belege, c. m 30.
an allen gewöhnlich angeführten Stellen könne vielnielir ruhig für
Situs gefal'st werden: dispositio. Situs aber im Sinne von Nauck
(Moder, Schmutz, Verwitterung) brächte einen schneidenden Gegensatz
zu regali herein („königlicher Schmutz oder Verwitterung"), der auch
nicht durch sog. trajectio epitheti gehoben werde. Die von Kiefsling
angezogene Martialstelle spreche von der Unvergänglichkeit des
Ruhmes, bei Horaz aber sei, wie altius beweist, die Höhe betont.
Lambinus habe mit seiner Erklärung recht, situs sei = Status,
cTC(3t;, ÖEGi? d. h. --Lage, abstrakte Höhe. Wir hätten also wie III 24
intactis opulentior thesauris Arabum et divitis Indiae eine sog. kompen-
diarische Ausdrucksweise: H. vergleicht sein Denkmal hinsichtlich
der Höhe mit den Pyramiden (situs ist die hohe Lage, wie z. B. situs
montium vom hohen Aufbau einer Sache, = altitudo). Statt zu sagen:
„Ein Denkmal, das hinsichtlich seines Aufbaues (abstrakt) höhier ist als die »^
P. in ihrem majestätischen Aufbau" sagt H. kurzweg: „ein Denkmal,
das höher ist als die majestätische Höhe der Pyramiden."
Die Aufforderung surae superbiam im Sinne von: „Fasse Da c. iii so,
hohes Selbstgefühl" wirke arrogant. Es liege vielmehr eine Entschul-
digung darin: „Nimm mein zu hoch getriebenes Selbstgefühl als ein
solches hin, wozu ich mir die Berechtigung erstrebt habe."
58) J. M. Sto Wasser: Anzeige von Kiefsling, Horaz Oden
und Epoden. 2. Aufl. In Zeitschr. für österr. Gymn. 1891. 6. Heft.
(S. 509—514):
C. m 14, 11 wird vorgeschlagen: c. in i4
. , vos pueri et puellae
iam vicum expertae . . .
d. h. ,,ihr, die ihr des Schicksals Wechsel erfahren habt," also ent-
sprechender Gegensatz zu sospes. So sei der so lauge und vergeblich
gesuchte Genetiv von vices gefunden.
Si; Iloratius.
;-,. ^7. Epod. 5, S7 (vcuena u. s. \v.) Mag-uiim sei nichts als mäuum
(=mauium), eine Form, deren Möglichkeit von manus 3 aus Yarro
1. 1. VI 4 Fcstus p. 122 ebenso klar werde, wie vom Standpunkte der
daktylischen Dichtung ihre Notwendigkeit erhelle. Dann stünden mane^^i
und humanam vicem im Gegensatz: auf Erden läfst sich Recht und
Unrecht verkehren, nicht aber in der Unterwelt. St. übersetzt demnach:
"Was Recht und Unrecht jenseits ist, kein Zauber kelirfs
Ins Gegenteil nach Menschenart!"
59) H. Zschau: tJber.Horaz c. IV 8. Programm des städtischen
Gymn. zu Schwedt a. 0. 1891. 12 S. 8.
Der Verf. imterzieht dieses von der Kritik am meisten augegriffeue
Gedicht einer erneuten Prüfung. Was zunächst Lehrs gegen den
Anfang der Ode vorgebracht, wird als grundlos bezeichnet; dagegen
, 7-s. verwirft Z, die Verse 7 und 8: hie saxo, liquidis ille coloribus Sollers
nunc hominem ponere, nunc deum. Wenn nämlich Censorinus mit den
Namen Parrhasius und Scopas nicht sofort die Vorstellung des Herr-
lichsten und Wertvollsten verbinde, sondern ihm erst gesagt werden
müsse, dals der eine ein Maler, der andere ein Bildhauer sei — und
„sonst bedeuten sie weiter nichts" — so gehe die ganze Pointe verloren.
Es ist kein Zweifel, dals, wenn die beiden Verse weiter nichts
enthalten, der angeredete Censorinus, sofern er einer solchen Belehrung
bedurfte, ebenso bedenklich charakterisiert wäre als die Notiz selbst
herzlich wenig besagen würde. Es steht aber mehr darin. Nicht, dals
der eine ein Maler, der andere ein Bildhauer gewesen, ist die Haupt-
sache, sondern dafs sie herrliche Götterbilder und Menscheu-
statuen (soUcrs nunc hominem ponere, nunc deum) geschaffen haben.
Diese letzteren werden den paterae, aera, tripodes hinzugefügt, viel-
leicht umständlicher hinzugefügt, als nötig wäre, aber doch weder
formell noch auch dem Inhalt nach Anstofs erregend.
8, 13. Wenn weiterhin v. 13 notae publica e von manchen auf jene
marmornen Statuen bezogen wurden, die nach Sueton (Aug. 31) Augustus
im J. 2 aufstellen liefs — bei welcher Deutung man denn richtig den
Interpolator ertappt zu haben glaubte — so zeigt Verf. überzeugend,
dafs derartige Statuen längst schon grofsen Männern (gerade z. B.
Scipio) errichtet waren, sogar von Staats wegen, wenn publicae wirk-
lich im Sinne von publice positae zu verstehen ist, wie Verf. meint.
8, 17. Der am meisten angefochtene Vers 17 (non incendia Oartha-
ginis iinpiae) ist nach Z. nicht nur aus metrischen Gründen, sondern
mehr noch des historischen Fehlers halber (dafs es übrigens auch ein
litterarhistorischer sein kann und als solcher weit weniger ins Gewicht
fiele, hat Referent seiner Zeit in der Abhandlung über diese Ode näher
1
Horatius, 87
aiisgefübrt) auszuscheiden. Aber damit sei nicht geholfen: v. 14 — 17
mülsten ausgeworfen werden. Denn celeres fugae (v. 15), das nur
auf den Rückzug Hannibals aus Italien bezogen werden könne, sowie
reiectae minae passe nicht zu dem voraufgehenden non in eis a notis
luarmora publicis (v. 13). Denn die Thaten müfsteu doch vor den
mariuora stehen, da letztere mehr Gewähr für ein Fortleben bieten als
die 1'haten selbst. Es könne aber in diesem Zusammenhange überhaupt
nicht von Thaten die Rede sein, da es sich lediglich um die Mittel,
grofse Thaten fortzupflanzen, nicht aber um letztere selbst handle.
Eine Vergleichung zwischen Statuen, Gedichte, Thaten sei unstatthaft,
denn erstere beide verkünden den ßuhm, die Thaten jedoch machten
den E,uhm aus.
Zunächst ist gegen diese schon von Lehrs und Niemeyer er-
hobene Ausstellung daran zu erinnern, dafs keineswegs von Thaten
schlechthin die Rede ist, sondern von ganz speziellen und zwar gerade
den aller berühmtesten Thaten der römischen Geschichte, von Ereig-
nissen, deren bloiser Name schon geeignet ist, das Andenken Scipios
zu verewigen. "Warum soll es l. B. ungereimt sein, dem Reiterstand-
bild Friedrichs d. Gr. den Namen Rofsbach und die schimpf-
liche Flucht der Franzosen an die Seite zu stellen? Verkünden
nicht beide den Ruhm des grofsen Königs? Oder zu sagen: Nicht
Marmorbilder, nicht „Salamis' Eiland und des Xerxes jähe Flucht predigen
lauter das Verdienst des Themistokles als die Muse des Aschylus!" Der
Name ,,Hannibar' wie die Trümmer von Karthago sind vielleicht
ein wirksameres Mittel, an die Grofsthaten Scipios zu mahnen, als Denk-
mäler, ja sie sind, wenn man mit dem Verf. bei incendia an den Brand
Karthagos, die Trümmer jener Stadt denkt, sogar ein recht greifbares,
sichtbares äufseres Mittel, den Preis Scipios zu verkünden.
Wenn sodann Z. mit Schütz und Verrall in den Worten: per
quae spiritus et vita redit bonis Post mortem ducibus einen
Widerspruch mit dem ,,Kern" des Gedichtes findet, weil H. in einem
Atemzuge sage: „Die Unsterblichkeit werde durch nichts sicherer er-
langt als durch Gedichte" und wiederum: ,,öifentliche Denkmäler seien
geeignet, grofsen Feldherrn nach ihrem Tode die Unsterblichkeit zu
verbürgen", so scheint uns dies ganz unbegründet. Die Tendenz des
Gedichtes enthält denselben Gedanken wie ep. II 1, 248:
non magis expressi vultus per aenea signa,
quam per vatis opus mores animique virorum
clarornm apparent.
Dafs Marmorbilder sehr wohl geeignet sind, das Andenken grofser
Feldherrn zu verewigen , ihnen Leben und Atem zurückzugeben , kann
gj^ Horatius.
die Bedeutung der Poesie, die dasselbe leiste, doch nur erhöhen, znnial
einem Adressaten geg'enüber, der ja nicht zu jenen grol'seu Feldherru
g:ehört und also wie die meisten Menschen auf monumentale Verewigung
durch Staudbilder etc. nicht rechnen kann. Für diese greise Kategorie
von Menschen ist der Mund des Sängers geradezu das einzige Mittel, ihr
Verdienst zu preisen (neque si chartae sileant, quod bene feceris, nier-
cedem tuleris), und diese Verherrlichung ist nicht minder vernehmlich
und wirkungsvoll als in Stein ausgehauen zu werden.
Mit Recht weist Z. die Ansicht Verralls ab, der nach Ausscheidung
der V. 15 — 20 verbindet:
Non incisa notis marniora publicis
Per quae spiritus et vita redit bonis.
Si chartae sileant quod bene feceris,
Mercedera tulei is ?
Abgesehen davon, dal's es dem Dichter, der die vorhin von uns ange-
zogenen Verse epist. II 1, 248 geschrieben, kaum in den Sinn kommen
kann, leugnen zu wollen, dafs Standbilder das Andenken grofser Männer
fortpflanzen, so könnten die 2 ersten Verse nicht heifsen wie Verrall
meiut: Xot what the people can grave upon raarble is the means
wherebN' the good return to breathiug life, sondern nur: Es giebt
keine mit Inschriften versehene Marmordenkniäler, durch welche u. s. w.
Nach Verralls Ansicht müfste aufser der Ellipse von sunt nicht nur die
Negation unmittelbar vor marmora stehen, sondern auch statt redit
der Konjunktiv eintreten.
In v. 24 findet Z. ein schweres Bedenken : si tacituruitas Obstaret
meritis invida Romuli. Aber die von ihm angeführte Interpretation
Gebhardis (was hätte ein Sohn des Mars und der Ilia vermocht, wenn
er nicht als Romulus, als der verdiente Gründer Roms seinen Säuger
gefunden') hebt jedes Bedenken und findet eine ganz gewichtige Stütze
in der prägnanten Stellung von Romuli. Wir halten daher die Kon-
jektur carminum (an Stelle des Romuli) für unnötig, bezweifeln auch,
ob taciturnitas carminum wirklich eine Verbesserung wäre für das
einfache taciturnitas.
V. 2.5. 28 und 3.3, von denen namentlich die beiden letzteren
vielfach beanstandet wurden, nimmt Z. in Schutz; nur schlägt er vor
v. 33 ornatis (statt ornatus) zu lesen, weil mau erwarte, dafs ge-
sagt werde, wessen Vota Liber ad bonos exitus führe. Er thue
das nur seinen Verehrern, die sich ihm zu Ehren bei Gelagen mit
grünem Weinlaulj bekränzt haben. Uns will scheinen, als werden
infolge dieser Konjektur nicht sowohl Bacchus als vielmehr die mit
Weiulaub Bekränzten hervorgehoben und gera'lezu als das dritte
lloratiua. 89
Glied (Hercules, Tyudaiidae, ornati vlridi temporu pampino) hingestellt.
Auch beachte man, dal's die Concinnität (inipiger Hercules, claruui Tyn-
daridae sidus, ornatus Liber) auch ein Attribut zu Liber erlieiscut.
Wenn schliel'slich durch die 6 athetierteu Verse das Gedicht der
sog. lex Meiuekiana sich fügt, so vermag uns dieses Moment von der
ßichtigkeit der Athetesen nicht zu überzeugen. Dagegen ist es ein an-
sprechender, auch von Küster schon geäul'serter Gedanke, dais wir in
vorliegender Ode ein Geschenk zum Satui-nalienfeste vor uns haben, das
einer gewissen Schalkhaftigkeit nicht ermangelt: Censorinus wünscht
besungen zu werden. Es geschieht; aber wir erfahren über ihn nichts
als seinen Namen und — dal's er ein Freund der Dichtkunst ist, so dals
in der That das Lied für ihn zum Danaergeschenk geworden ist.
60) Th. Mommsen: Commeutarium ludorum saecularium
quintorum, qui facti sunt imperatore Caesare Divi f. Augusto trib.
pot, VI. Monumenti antichi pubblicati della Reale Accademia dei lincei.
vol. I fasc. 3. 1891 Sp. 617ff. (auch in der Ephemeris epigr. VIHp. 225 ff.).
Für die Abfassung des carm. saec. durch Horaz im Auftrage
des Augustus liegt durch die Auffindung von Bruchstüclieu der vom
Senat aufgestellten, nunmehr bei den 1890 veranstalteten Ausgrabungen
am Tiberufei" gefundenen Denksäule ein inschriftlicher Beweis vor. Die
Inschrift enthält ein Schreiben des Kaisers an die Fünfzehnmänner und
die beiden dadurch hervorgerufenen Beschlüsse der Behörden. Danach
fand die Feier von der Nacht des 31. Mai zum 1. Juni an bis 3. Juni
17. V. Chr. statt. Die hier in Betracht kommende Stelle lautet nach M.
(Z. 47 und 149): sacrificioque perfecto pueri XXVII, quibus denun-
tiatum erat patrimi et matrimi et puellae totidem Carmen cecinerunt,
eoderaque modo in Capitolio . . . Carmen composuit Q. Horatius Flaccus.
61) Th. Mommsen: Die Akten zu dem Säculargedicht des
Horaz. (Wochenschr. „Nation" No. 11. 1891. S. 161—163.)
Die inschriftliche Angabe, dal's das carmen saec. am 3. Juni
17 V. Chr. auf dem Palatin und Kapitol (,,in Palatio . . eodemque modo
in Capitolio cecinerunt") gesungen wurde, eröffnet zugleich nach M."s
Ansicht einen Einblick in die Werkstätte des Dichters. Denn die beiden
Götterreihen, nach denen diese Feier geordnet ist, die der überirdischen
(Jupiter, Juno, Apollo, Diana) und die unterirdischen der Mören,
Ilithyien und ]\[utter Erde, hätten für einen Dichter, der es verstanden,
,,der Gelegenheit ein Gedicht zu schaffen", die rechten Schwingen sein
müssen, um Sinn und Folge sei es aus ihnen zu entwickeln oder in sie
hineinzulegen, um den auf dem Boden der Erde zwischen Himmel und
Erde wandelnden Menschen die Herrlichkeit wie die Bedingtheit ihres
90 Iloratius.
Loses in zweifacher Bildermacht vorzuführen, Horaz: habe das nicht
gethan. Er nenne wohl die Götter, aber in aufgelöster Folge, was
ein rechter Dichter nicht gethan hätte, und ohne die so nahe liegende
Verknüpfung.
Noch auffallender, ja fehlerhaft sei das Verhalten des Festgedichtes
zu seiner unmittelbaren Aufgabe. Gesungen wurde an dem dritten,
dem Apoll und der Diana gewidmeten Feiertag; entsprechend beginne es
auch mit dem Preise dieser Götter und schlielse damit. Dagegen folge
nach Str. 9 eine Anrufung an nicht genannte Götter. Diese seien
Jupiter und Juno, da das Opfer in weifsen Eindern bestehe. Auf
diese beiden Götter passe auch der Preis besser als auf Apollo und
Diana (die man früher mit den genannten Partien besungen glaubte),
da nur Jupiter und Juno als Schöpfer Eoms und Spendei' alles Heils
gefeiert werden könnten, was für Apollo und Diana doch zu übertrieben
wäre. Dazu passe endlich, dafs das Lied, wie nun bekannt, auf dem
Palatin und dem Kap i toi gesungen wurde, also auch am Heiligtum
des Jupiter und der Juno. Wenn nun auch der Standort der offenbar
vom Palatin zum Kapitol und wieder nach dem Palatin znrückziehenden
Prozession dem Kundigen die Beziehung der mittleren Partie auf Jupiter
und Juno deutlich ergeben mochte, so hätte H. doch für einen weiteren
Leserkreis — und an den mulste ein im kaiserlichen Auftrag verfal'stes
Festgedicht denken — die nach Sti*. 9 sicher gemeinten Götter (Jupiter
und Juno) deutlicher und schärfer bezeichnen müssen. So zeige denn
Horaz in der Ausführung dieses seines Auftrages ein noch bescheideneres
Mals von Talent als man es sich bisher vorgestellt habe.
62) F. v. Hoffs, Zu Horatius epod. 3. (Jahrbb. f. Phil. 1890.
S 781-782.)
Wiederholt die im Trierer Programm 1887 vorgetragene neue
Erklärung der 3. Epode mit einer kleinen Modifikation: H. hat
die Schnitter gelobt wegen ilirer Genügsamkeit, Mäcenas setzt ilnn
daher schalkhaft bei nächster Gelegenheit die Schnitterkost vor, um
den für schlichte Landkost schwärmenden Dichter auf die Probe zu
stellen. H. schmeckt den Knoblauch, von dessen Vorhandensein
Mäcenas selbst vielleicht gar nichts weils, nicht sofort, erkennt ihn aber
hinterher an seiner Wirkung und vei wünscht nun das Gericht: ,;ich
danke für das verdammte Zeug, sollte Dich aber jemals danach gelüsten
(früher hatte Hoffs gemeint, Mäcenas habe, durch die Verwünschungen
des Dichtei's nrugieiig geworden, selbst Lust gezeigt zu einer Probe
des Gerichts), dann möge vor Deinem Knoblauchatem" etc.
Mit Recht wird dabei gegen Kielsliiigs Auffassung betont, dals
dieser in der \. Aufl. um quam (v. 19) iirigerweise mit ,,n och einmal''.
Iloratius. 91
in der 2. Aufl. dagegen gar nicht übersetzt hat. Auch lu der Er-
klärung von tale, das Kiefsling mit incommodum meum oder gandiuni
incouimodi, Österlen gar auf das Folgende bezieht, scheint uns Hoifs
das Richtige getroffen zu haben.
63) 0. Imniisch: Zu griechischen Dichtern. Philologus
49 Bd. (N. F. ni) 2. p. 19ü.
Die bei Tzetzes erwähnten Verse aus Archilochus frg. 22 u. 85
(über deren kritisclie Herstellung und Verbindung eingehend gesprochen
wird) sind das unverkennbare Vorbild für Horaz epod. 11: <U'o(i. u.
dXXä [x' 6 Xi>atjj.£Ä7]s, w Taipe, Sa'ixvaxai -oifo;.
Petti, nihil nie sicut antea iuvat
scribere versiculos, amore percussuni gravi.
Die Komposition der Epode ist streng archilochisch , ebenso der
asynartetische Bau, der sich im Hiatus und syllaba anceps zeigt. Das
Gedicht dient dazu, uns einen Begriff vom Liede des Pariers zu machen.
Horazisch ist der Personenname, ferner die Rechnung nach dem Dezember,
seinem Geburtsmonat, endlich wohl auch der 7,(u;xo; sowie der apprjv
spü);. Der Name Lyciscus weist vielleicht schon auf Horazens Be-
schäftigung mit Alkaios. Dagegen wird die Gliederung des Ganzen
(4 -^ 2 -r 16 !- 2 + 4) schon bei Archilochus dieselbe oder ähnlich gewesen
sein. Das Mittelstück stehe offenbar dem Originale am nächsten. Contrane
hierum nil valere candidum ingenium sei ganz des Archilochus Situation,
der dem Lykambes (um niemand anders als um Neobule könne es sich
handeln) den Spitznamen Äwx'i^r^<; gab. Das Quodsi nieis inaestuet
praecordiis libera bilis möchte sich bei Archilochus noch lebhafter
geäufsert haben.
Horaz schlage mit dieser Epode offenbar einen neuen Ton seiner
Poesie an. Die Wendung vom Jambus zum Melos sei zwar bei ihm
sicher nur äufserlich vorhanden, ein ordnendes Pi'inzip in der Auswahl,
die er uns aus seinen ersten Arbeiten bietet: aber auch bei Archilochus?
Es spreche alles dafür, dals das Gedicht wirklich seine epodische
Dichtung eröffnete, dafs er also Epoden erst nach dem Verhältnis zu
Neobule gedichtet habe.
64) M. Graf: Die 15. Epode der Horaz. Ein Beitr. z.
Krit. und Erklärung der Hör. Epoden. Xenien der 41. Ver-
sammlung D. Philol. in München. 1891. S. 15—19.
Pecori lupus sei ganz unhaltbar: dafür sclüägt G. vor: fureret i-i.od. ir>, 7.
notus. Der Verf. hat gewifs recht, wenn er die Ellipse von foret
92 Uoratius.
nurli lupus als liart bezeichnet; ebenso, wenn er auf die Schwierigkeit
hinweist, welche bestehen bleibt, wenn infestus das eine Mal als
Prädikat, das zweite Mal als Attribut verstanden werden mul's.
"Wenn er aber gegen die hs. Lesart anführt: was denn der Wolf
und das Lamm bei dem Sternbild des Orion zu schatten habe und
in dieser Zusammenstellung: das schlimmste von allem Barocken sieht,
das man dem Dichter aufbürde, so verkennt er, wie auch seine weitere
Ausführung zeigt, ganz und gar den Sinn der Stelle. Es handelt sich
durchaus nicht um einen Schwur bei den Sternen, auch nicht um
einen Schwur bei Apollos-Lockenhaupt, sondern um einen Schwur
bei der immerwährenden Dauer, bei der Ewigkeit und Un-
veränderlichkeit der Leidenschaften, , welche in feindseligen
Wesen der Natur wie in den Elementen herrscht. Die Ironie liegt
hierbei nur darin, dals die Ewigkeit der Feindschaft und des
Kampfes das Analogen zur Unverbrüchlichkeit der Liebe und Treue
abgeben mufs. Das Bild selbst aber ist dem Dichter nicht fremd; er
hat die Ewigkeit der Leidenschaft grade aus dem Tierreiche gleich in
der folgenden Epode IG, 30 ff. in ganz ähnlicher Weise illustriert.
Dagegen ist ein Schwur in den Wind („auch den Schwur bei Apollos
Lockenhaupt weht der Wind fort" sagt der Verf.) den Worten des
Dichters wie auch dem ganzen Gedanken völlig fremd. Dem Aufruhr
des Meeres durch den Sturm, wie dem Schütteln der Locken durch den
Wind ist der Begriff des Fortwehens, Sichverflüchtigens sogar
direkt entgegengesetzt.
V. 15 bezieht G. das hs. offensae auf parem, ebenso wie
coustantia die Treue der neuen Geliebten sei. Die 2 Verse von
Nee semel bis dolor lauten in der von G. beigefügten, metrischen, auch
sonst öfters den Gedanken freier ausspinnenden Übersetzung:
„Diese wird, icli glaub' es sicher,
Treu mir sein, sowie sie schön,
Nicht beim ersten Mifsvcrständuis
Stolz mir gleich den Rücken drehn.
Händel sind ja unvermeidlich,
Oft von leisem Scherz geweckt ;
Kennst Du nicht das alte Sprichwort,
Dafs die Liebe gern sich neckt?"
Man sieht, wie der Verf. über den Wortlaut des Textes doch
gar zu weithinaufgreifen muJs, um seine Auffassung von semel offensae
und certus intrarit dolor zu begründen. In der That ist auch der
hier vom Verf. eingeführte „unvermeidliche Liebeshader * der Schilderung
einer eidbrüchigen Geliebten, die er mit Schadenfreude einem andern
überläfst, ganz und gar fremd.
HoratiuB. 93
65) M. Hertz: Ein paar Horazische Kleinigkeiten.
Comment Woelffliniauae. S. 107—112. 8.
Ep. 8, 17 f. Inlitterati nuni minus nervi rigent minusve languet epod. 8, n
fasciuum erfordere der Sinn ailerdiüg-s das von Guj'et und Bentley
verlangte magisve, H. glaubt aber doch, dafs das überlieferte minusve
beizubehalten ist. Nicht die Abschreiber, sondern Horaz selbst habe
geirrt, verleitet durch das vorhergehende minus. — ep. 13, 13 sei cpod. 18. i:
pravi St. p arvi zu lesen. Der schlimme Skamander scheine im
Munde des Kentanren, der die Zukunft schaue, ganz passend. —
s. I 3, 7 sei an Bacche nicht zu rütteln. Das langgebrauchte e solle ?. i :•,, 7.
die Manier des Tigellius nachahmen und verhöhnen, der seiner bis zum
Übermals bald in den höchsten, bald in den tiefsten Tönen wiederholten
Anrufung des Clottes durch eine langgezogene, auf die letzte kurze
Silbe gelegte, wohl auch mit anschwellender Stimme vorgetragene Fermate
eine immer mehr gesteigerte Wirkung auf die Zuhörer zu geben sucht.
— ep. I 7, 5 f Das Humoristische der Stelle liege darin, dals der im ep. i 7, 5
Gefühl seiner Würde aufmarschierende dissignator für den nicht ganz
von Trauer erfüllten Teilnehmer an einer Leichenfeier einen komischen
Eindruck macht, wenn man ihn so umgeben sieht von meist als lictores
verwendeten, teils blassen, teils wohlgenährten und angeröteten Gevatter
Schneider und Handschuhmacher in ihren schäbigen schwarzen Fräcken
oder sonst geliehenen Röcken. Decorare als Ausdruck dieses ziemlich
fragwürdigen, aus Persönlichkeiten der untersten Schichte bestehenden
Aufputzes oder Zierrates des von ihnen umgebenen, in seinem Aufseren
ganz ähnlichen dissignator klingt dann allerdings scherzhaft. *
66) K. Meiser: Zu lateinischen Schriftstellern. Bl. f.
bayer. Gymn. 1891. 3. u. 4. Heft. p. 178—180.
S. II 3, 294 f. könne die Mutter nur gelobt haben, der Knabe s.ii.b,294
solle im kalten Wasser stehen; ripa sei daher tälschlich aus limpa
entstanden. — ib. 318 sei maior diraidio einfältig und daher un- ^;. ii 3, .31
möglich. Die Antwort sei vielmehr : maior, di, multo. — Dann folgen
Konjekturen zu Porphyrio (s. I 1, 108; 4, 11; 47: 132; 6, 120: 10,
24; ep. II 2, 1; 87: 2, 96).
67) F. Ch. Höger: Kleine Beiträge zur Erklärung des
Horaz. Progr. d. Studienanst. Freising. 1891. 8. 69—85. 8.
S. I 1, 18 sei discedere = weggehen, und zwar von dem s. i i, is.
Platze, den einer bisher eingenommen, an den jenes, mit dem er gern
tauschen möchte; zu nolint sei nicht esse beatis zu ergänzen, sondern
mutatis partibus discedere. — 69 quid rides? Der Geizhals lache, ?■ i i, <»
weil er sagen will : ich bin Tantalus nicht ; fabula non de me narratur.
<»4 lloratius.
— 71 sei inbiaus nicht von der Begierde nach mehr gesagt, sondern
der Geizige sei von Geldsäcken umgeben und hat Begierde nach Speise
und Trank, er üfifnet den Mund, um danach zu schnappen (inhians ^
captat), aber sie entfliehen. Die Furcht zu verhungern, ist es, die
ihn nicht zum Genuls kommen lälst. So ist er gezwungen, selbst das
zu schonen, was er bereits hat. — 92 bedeute finis nicht Ende,
sondern Ziel, Grenze; weiterhin schlägt II. vor, zu lesen neu statt
ne oder aber vor ne stärker zu interpungieren : „mach es nicht wie
Ummidius." — I G, 46 bedeute rodere ^ beneiden; dagegen I 4, 81
----- culpare. — I 4. 14 verteidigt II. die Lesart accipe iam mit
gnten Gründen. — 105 f. exemplis notando gehe nicht auf den Vater
sondern auf den Sohn selbst =^ ,dadurch, dafs ich sie (die Fehler, ihr
I ■•• «•■■'. Scliändliches und Schädliches) mii' durch Beispiele einprägte.' — I 9, 43
wird zu nemo dexterius fortuua usus est ergänzt: quam tu. —
2. i_> ff. II 2 (Druckfehler im Citat), 12 ff. wird vorgeschlagen: seu te discus
agit per cedentem aera missus. Übrigens seien die Verse von
II 6. r.'.i. Anfang an bis 116 als Rede des Horaz zu fassen. — II 6, 59 wird
das hs. perditur verteidigt; v. 18 sei von der ambitio nicht des
II f.. 'tT. Dichters, sondern seiner Mitmenschen die Rede. — 97 sei zu inter-
pungieren: haec ubi dicta (sc. sunt), agrestem pepulere; domo
■2, II tf. levis exsilit ... — ep. I 2, 11 ff. hunc amor . . . Die Bezielumg
des huDC auf Agamemnon sei falsch, denn in Sachen der Chryseis habe
Nestor gar nichts zu vermitteln. Es gehe vielmehr auf Achill, dem
[ a 32 f. Ehrgefühl und Liebe zugleich Thränen entlocken. — I 3, 32 f. at vos
i sei zu lesen, nicht ac vos. Der Satz wäre als Anknüpfung (durch ac)
matt und kraftlos, auch sei hier ein „und" in kausaler Bedeutung eine
zu auffallende Anknüpfung. Aufs folgende bezogen gebe aber at einen
II 1. ii. sehr guten Sinn. — II 1, 31 wird Bentleys Konjektur olea als unnötig
zurückgewiesen und das hs. oleam verteidigt; intra wird als Präposition
gefai'st, statt an zweiter Stelle nun auch nucem zu schreiben, habe
Hör. extra in nucc gesagt, um anzudeuten, dafs das durum zwar
aulserhalb der nux, aber doch mit ihr verbunden, darauf,
daran ist: „Dann ist nichts Hartes innerhalb der Olive, nichts Hartes
aul'seu an der Nuis."
68) Proschberger: Zu Hör. ep. I 3, 26 (Bl. f. Bayer. Gymn.
1890. 26. Bd. 10. S. 533—535):
. 1 .3, 2t;. Die genannten Curae sind nichts anderes als die Unzufriedenheit
mit sicli und der Welt, die seelische Zerrissenheit, der Mangel an innerer
Kühe und Befriedigung, die miseri tnmultus mentis (c. II 16). Wie
der im Fieber Liegende durch frigida fomenta, kalte Umschläge, nur
vorübergehende Linderung findet, nicht aber auf die Dauer gesund wird.
Horatius. 95
so mufst Du von einer nur vorübergehenden Bescliwichtiguug der
curae absehen und dieselben an der Hand der Philosophie (vergl.
ep. I 18, 96 ff.) gründlich bekämpfen; dann erst wird die tranquillitas
animi Dir zu teil werden.
69) Luciani Mülleri do Horatii epistularum II 1, 50 — 62
disputatio. Berlin, Calvary, 1890. 16 S. 8.
Verf. widerspricht mehrfach Kiefsliugs Interpretation der vor- ep. ii i, 5t
lieg;ende Stelle. Auch dessen Auffassung von s. I 10, 64 ff. sei falsch, b. i lo, 64
denn der auctor rudis et Graecis intacti carminis sei kein anderer als
Enuius; wenn vorher (v. 46) Lucilius als inventor bezeichnet werde,
so spreche dies nicht dagegen, da dieser in anderem Sinne als Schöpfer
der Satire gelte (nämlich der neuereu, an die alte attische Komödie
sich anlehnenden). Die Worte ep. II 1, 50 f. Ennius et sapiens etc.
gehen nur auf dessen Annalen; sapiens auf die Eingangspartie der-
selben, worin bekanntlich pythagoreische Lebren vorgetragen werden,
fortis gehe nicht auf die Kriegsthaten, sondern stehe im allgemeinen
Sinne = vir strenuus. Das Carmen Naevii sei blofs das bellum
l'unicum desselben. V. 56 heil'se Pacuvius doctus nicht wegen der ,
Vertrautheit mit griechischer Kunst, wie Kiefsliug meint, sondern wegen
der von ihm behandelten entlegeneren Stoffe senis gehe nicht auf das
hohe Alter beider, sondern auf den grofsen Zwischenraum, der zwischen
ihnen und der Zeit des Horaz liege. Afrani toga conveuisse di-
citur Menandro stelle blofs die urbanitas des Afranius der dtaxeiorrjc
des Menander gleich. Das properare (v. 58) bezeichne die ars breviter
et concinne disponendi argumenta; übrigens gehöre ad exemplar nicht
zu properare, das gar nicht ad zu sich nehmen könne (c. IV 12, 21
wird statt ad quae si properas gaudia Sengers Konjektur empfohlen:
raperis), sondern sei = exemplo oder more. Endlich sei mit
ediscit verwiesen auf die Annalen des Enuius — und auf das bellum
Punicum das Naevius, neben der Odyssee des Livius die Hauptschul-
bücher. Im Gegensatz zu Kiel'sling, der bei numerat an einen krit.
Kanon dachte, hebt M. hervor, dals es sich hier nicht von Kritikern
handle, sondern vom röm. Volke, das auf jene Autoren hinweise, wenn
ihm die Griechen Armseligkeit ihrer poet. Leistungen vorwerfen.
70) Fennell (Cambridge Philolog. Society 1890. N. 945 p. 412):
C. I 12 sei gedichtet 26 v. Gh.; hinter Fabriciumque sei ein c 112.
Fragezeichen zu setzen; Catonis nobile letum wird verteidigt; auch
III 14, III 29, I 26 fallen in das Jahr 26; ein Jahr später I 19,
II 2 und ni 8.
96 Horatius.
71) A. 8. Wilkins (Academy 1890. N. 942. p. 357):
verteidigt in einer Anzeige von Eibbecks Gesch. der röm. Dichtung
•. IV 2. -2. die Form Julius Antonius; Julius sei das Nomen, Antonius das
Cognoraen.
Dagegen polemisiert W. A. Eamsay (The Antonius and Sallustius
of Horace, Academy 1890, N. 943 p. 376), indem er auf die inschrift-
liche Form Julius hinweist, das Vorname sei, während der Name
Antonius laute. Aulserdem stellt er den Irrtum "Wilkins klar, der
das Salluslische Bergwerk nach Spanien verlegt hatte. In einer weiteren
Polemik hält aber Wilkins (ib. N. 944) fest au seiner Ansicht von
Julius Antonius, die, wie jetzt wohl allgemein angenommen, falsch ist.
72) A. E. Housman: Adversaria orthographica. (Class.
Eev. 1891. N. 7.)
IV 7. 15. C. IV 7, 15 dives ist falsch; zu lesen sei: saevos. — s. II 3, 172
II •{. 172. statt et ludere zu lesen: ec funder e (!)
73) P. Sandford (ib.):
II 11. '21. C. II 11, 21: quis deviam ad nos eliciet.
74) H. A. Strong (ib.):
ip. I 7. 2*1. Ep. I 7, 29 vulpecula erkläre sich einfach dadurch, dafs der
Fuchs sich der Mäuse wegen in den Kornbehälter einschleicht. 0. Jäger
erwähnt in seiner Nachlese zu Horaz (Kölner Progr. 1887) die sehr
einfache Lösung eines Laien, dals auf dem Kornboden sich wahrscheinlich
viele Mäuse befunden haben und der Fuchs sich möglicherweise an diesen
den Magen überladen habe.
75) A. Palmer: Horatiana (ib. 4):
-.125.17. schlägt vor zu lesen c. I 25, 17 lenta quod pubes. — 32, 15
I ii^^i'ff ^^^^ cuique solve. — c. 11 11, 21 — 24 scitam (st. scoitum). —
. ir 1.5. 14. 13, 14 Bospori poenas. — ni 8, 25 — 28 wird Bonfinius' Konjektur
nV24^itt- parte empfohlen. — 11124, 1 — 8 et mare sublicis. — IV 13, 17— 22
V 13. 17 flf. notaque dotium gratarum facies. — c. s. 25 — 28 (luod seinel dictum,
c P 25 ff
lod. 17. ."i. ^6s stabilisque rerum terminus servet. — epod. 17, 55 albo tundit
. III ß. -29. salo. — c. m G, 29 coram non bene conscio.
76) Postgate (Cambridge Philolog. Society. 1890. N. 943.
S. 377):
, n 18, ai. Vorgeschlagen wird c. II 18, 34 pueris als Spondeus zu lesen.
.11.3,208. — s. II 3, 208 alius veris (ebenso auch Gow); für scelerisque,
Iloratius. 97
wofüi' Gow cerebrique konjiziert, sei iecorisque zu lesen, —
ep. n 2, 87 sei f rater und rhetor gerade zu vertauschen, weiter ep. ii
dann statt consulti: consulto ita.
77) Derselbe (ib. N. 945. p. 412 t):
c. rv 4, 65 für evenit sei zu lesen exiit. — Zu c. III 6, 22 c. iv -
c III
verteidigt P. (N. 913) das Lehrs'sche Roma na.
78) Verrall (Cambridge Philol. Soc. 1888; 19—21):
C. III 25 sei zu Ehren des G. Julius Caesar, des Sohnes des c. ni ;
Agrippa und der Julia, im J. 20 geschrieben. V. vergleicht dazu Ovid
ars. am. I 177.
Nicht zugegangen sind dem Referenten:
Th. Arnold: Die griechischen Studien des Horaz. Neu herausg.
von W. Fries. Halle 1891.
P. Lewicki: de natura infinitivi atque usu apud Hör. (I) Progr.
Lemberg. 1890.
J. Spika: de imitatione Horatiana in Senecae cauticis chori. Progr.
Wien 1890.
H, Stimmer: Kleidung und Schmuck der Römer zur Zeit des
Horaz. Progr. Meran. 1889.
Dispositive Inhaltsübersicht ausgew. Satiren des Horaz.
(anonym). Ansbach. 1890.
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXVI. Bd. (1893. II.)
Bericht
über
die Litteratur zu den römischen Annalisten in dem
Jahrzehnt von 1883—1892
Prof. Dr. Hermann Peter,
Rektor zu St. Afra.
Ein Bericht über die römischen Annalisten läfst sich in ver-
schiedener Ausdehuung denken; er kann entweder alle ihre gelegent-
lichen Erwähnungen in wissenschaftlichen Abhandlungen über andere
Stoffe und die Untersuchungen, welche sich von ihnen aus auf eigentlich
geschichtliche Themen oder die erhaltenen Historiker erstrecken, in
seinen Bereich ziehen oder sich auf ihre litterargeschichtliche Behandlung
und die Textesgestaltung der Fragmente beschränken. Ich habe den
letzten Weg eingeschlagen, weil er den Zielen dieser Zeitschrift besser
zu entsprechen scheint, während der andere oft in das Gebiet anderer
Mitarbeiter hinüberleiten würde; daher sind z. B. alle diejenigen Auf-
sätze, welche sich mit dem vielberufenen Vei'hältnis der ersten Bücher
der dritten Dekade des Livius zu Polybius beschäftigen, ausser acht ge-
lassen, ebenso die zahlreichen chronologischen Fragen, welche sich an
die Gründungsära des Fabius, des Cincius und des Gate anknüpfen.
Allerdings wird eine mit dem engeren Raum sich begnügende Bericht-
erstattung sehr knapp und dürftig ausfallen. Zudem sind zwar gerade
von den Schriftstellern, welche uns die meisten Fragmente im Wortlaut
erhalten haben, während der letzten Jahre neue kritische Ausgaben er-
schienen; namentlich die monumentale des A. Gellius von M. Hertz
(1883 und 1885), ferner von Servius die längst erwartete, durch ent-
sagungsreiche Arbeit auf festem Unterbau aufgeführte von G. Thilo
(1881, 1884 und 1887; der von H. Hagen versprochene Abschlufs steht
leider noch aus), von Nonius die mit grolsen Hoffnungen begrüfste von
Lucian Müller (1888); von Festus ist wenigstens ein getreues Ab-
bild der handschriftlichen Überlieferung von dem ungarischen Gelehrten
Aem. Thewrewk de Ponor (1881») veröffentlicht worden, dem ein
zweiter Teil mit dem kritischen Kommentar nachfolgen soll. Indes für
Gellius und Servius' war mir bereits für den ersten Band meiner
ilellifjuiae (1871) der handscliriftliche Ap])arat von ihren Herausgebern
zur Verfügung gestellt worden; die Vorzüge des neuen Nouius liegen
Römische Annalisten. 99
TDesondera in der Konjekturalkritik, durch welche L. Müller die Frag-
mente zu verbessern bestrebt gewesen ist; für die handschriftliche Über-
lieferung- sind neue Quellen von Bedeutung nicht erschlossen worden,
weshalb von dieser Seite der Ertrag der Ausgabe die Erwartungen
nicht erfüllt hat (s. Fleckeisens Jahrb. Bd. 139 [1889] S. 499—511).
Ein Vergleich mit der genannten Festusausgabe hat endlich nur für
zwei Fragmente kleine belanglose Abweichungen von der Müllerschen
Kollation des Farnesianus ergeben. Wichtigere Abweichungen in dem
Wortlaut der Fragmente, welche wir diesen oder anderen Ausgaben
(der Catos de agri cult. und Varros rer. rust.) verdanken, sei es durch
Feststellung der richtigen handschriftlichen Lesarten, sei es durch Kon-
jektur, werde ich im folgenden verzeichnen, einsetzen indes erst nach
dem Erscheinen meiner Ausgabe der Fragmente (1883), in deren Vor-
rede ich die Ergebnisse der Beschäftigung mit dem Text der Annalisten
seit dem ersten Band der Relliquiae zusammengetragen habe.
Bened. Niese, De annalibus Roraanis obseruationes. Index lect.
aestiu. 1886. Marburgi typis acad. Rob. Friedrich. 4. XV p.
Eec: Liter. Centralbl. 1886 S. 1761 f. von Q. Th(oui-et). —
Wochenschr. f. klass. Philol. III S. 1603—1605 von G. Thouret.
— In diesen Berichten Bd. 52 S. 289 f. von H. Schiller.
— — De annalibus Romanis obseruationes alterae. Ind. lect. aest.
1888. Marburgi typ. acad. R. Friedrich. 4. XVI p.
Ber. in diesen Berichten Bd. 54 S. 130 von H. Schiller.
Die bekannte Nachricht des Cornelius Nepos über die Origines
Catoa 'horum bellorum duces non nominauit sed sine nominihus res
notauif, welche durch Plinius n. h. VIII 11 bestätigt wird, vei'allgemeinert
Niese auf alle älteren römischen Annalisten und stellt dem gegenüber
einerseits den Namenreichtum in der Überlieferung des Livius und
Dionj'sius, andererseits die Unsicherheit, welche in ihr über gewisse
Namen herrscht, und das Fehlen der Pränomina bei den Frauen, welche
solche in alter Zeit geführt hätten. Jene Zuthaten stammten zum
gröfsten Teil aus den Konsularfasten , und zwar habe man zur Er-
gänzung durch plebejische Namen vor den leges Liciniae Sextiae zu
verschiedenen Mitteln gegriffen, zunächst, wie dies Mommsen gemeint,
zu dem, dafs man Namen aus den Gracchanischen und Sullanischen
Parteikämpfen in die früheren übertrug, aber auch zu mannigfachen
anderen. Als Beispiel behandelt N. das zweite Jahr des Dezeravirats
und namentlich die Liste der nach seinem Sturz gewählten zehn Volks-
tribunen L. Verginius, L. Jcilius, P. Numitorius, C. Sicinius, M. Duilius,
200 Römische Annalisten.
M. Titinius, M. Poniponins, C. Aproiiius, Ap. Yillius, C. Oppins (Liv. III
51,10; 52,1; 54,11). Der Name des Vaters der Verginia sei er-
dichtet nach dem der Tochter, 'quae uirginitatem quam uitam maluit
retineie' (p. VIII), die der nächsten vier Tribunen nach denjenigen
des Jahres 471/283, die uns der aus alten Quellen schöpfende Diodor
(XI 68) und in anderer Umrahmung Livius nach Piso (II 58) nenne,
jedoch erst in der Zeit des Cicero, da dieser an der zeitlich frühesten
der drei Stellen, an denen er die Dezemvirn erwähne, überhaupt noch
keinen Namen kenne, an der zweiten den des 'Decimus" Verginius, erst
an der dritten auch den des Appius Claudius.
Dals zur Ausfüllung der grofsen Lücke, welche die älteste Anna-
listik zwischen der Sagenzeit und der eigenen Erinnerung gelassen
hatte, stark gefälscht worden ist, wird allgemein angenommen; auch
dafs Namen von anderen Ereignissen entlehnt wurden, ist zuzugeben;
dagegen ist die Verallgemeinerung der Namenlosigkeit in deu älteren
Annalen kaum zu billigen, denn sonst würde sie Nepos gew'ifs nicht
als eine Eigentümlichkeit der Origines hervorgehoben haben, und gar
der Vorsuch, diese Erdichtung bis in die Zeit des Cicero hinunter zu
schieben, beruht auf einer sehr schwachen Unterlage, wie auch die
weitere Folgerung, dafs das Tribunat überhaupt erst im Jahre 471 ge-
schaffen sei, mit Recht auf entschiedenen Widerspruch gestofseu ist; s.
Joh. Schmidt, Herm. XXI S. 460 ff.
Die zweite Abhandlung will den späten Ursprung der Livianisch-
Dionysischen Überlieferung an der Darstellung des Scipionenprozesses
bei Livius (38, 50 — 60) erweisen; er verwirft daher die Ansicht von
Moramsen, der (nach ihm Nissen) sie, abgesehen von geringen Zusätzen,,
auf Valerius Antias zurückgeführt hatte, und erklärt sie für eine Kon-
tamination aus ihm und aus deu Excrapla des Cornelius Nepos.
Besonders betont er die Erwähnung von Reden des Ti. Gracchus und
des r. Scipio (c. 56, 5 ff.), welche in dem Prozefs gehalten sein sollen ;
denn wenn Cicero von der Beredsamkeit des letzteren überhaupt nichts
wisse und deu ersteren de orat. I 9, 38 liomo prudens et grauis, haud-
qiiaquam elofjuens nenne, in dem später verfafsten Brutus (20, 79) ihn
unter den Rednern aufzähle und eine griechische Rede von ihm erwähne»
so folge daraus, dals erst nach Cicero jene Rede des Gracchus habe
erfunden werden können. Cicero aber äufsert sich an der letzten Stelle
folgendeimafsen: Erat eisdem iemporibus Ti. Gracchus P. f., qui bis
consul et cevsor fuit, atius est oratio graeca apud Rhodios, quem ciuem
cum grauem turn etiam eloquentem constat fuisse, bezieht also keineswegs
sein Urteil auf die gnecbische Rede, sondern stellt es als ein ganz all-
gemeines hin, und sogar jenes zugegeben, wird nus dem Nichtwissen
Ciceros ohne weiteres auf ein Nichtvorhandensein geschlossen werden
Römische Annalisten. 101
dürfen? Rhetorische Machwerke waren jene Reden, wie auch Livius
andeutet (si modo ipsorum sunt qiiae feruntiir), und die von ihm geraeinten
können sehr wohl dem Cicero unbekannt geblieben sein, aber der Beweis,
dafs sie jünger als er gewesen sein müfsten, ist nicht erbracht, ebensD
wenig der der Abhängigkeit des Livius von Nepos, womit ich natürlich
nicht für die Glaubwürdigkeit aller Livianischen Angaben über den
Prozefs eintreten will. ^)
A. Volkmar, De annalibus Eomanis quaestiones. I. De historia
decemuiratus, qua aetate confecta sit. II. De T. Livio fönte Dionysl
Halicamassei. Dissert. inaug. Marburg 1890. 8. 74 p.
Rec: Sybels histor. Zeitschr. LXVII S. 490 f. von L. Holz-
apfel. — Neue philol. Rundschau 1891 S. 118—121 von J. Bader.
Die Dissertation tritt ganz in die Fufstapfen von B. Niese, dem
sie auch gewidmet ist, und sucht die von ihm ausgesprochene Ansicht,
dafs die Livianisch-Dionysische Überlieferung erst nach der Zeit des
Cicero entstanden sei, im ersten Teile dadurch weiter zu begründen,
dafs er 23 Punkte in ihrer Geschichte des Dezemvirn Appius Claudius
aufzählt, welche dem Diktator Cäsar abgeborgt seien. Mit ihr ver-
gleicht er darauf die kurze Erzählung des Dezemvirats bei Diodor und die
mit ihr im wesentlichen übereinstimmenden gelegentlichen Erwähnungen
des Cicero und entwickelt, wie die Zusätze des Livius hätten entstehen
können. Der zweite, umfangreichere Teil (S. 24 — 73) soll den Nachweis
liefern, dafs Dionys den gröfseren Teil des Livianischen Werkes in das
seinige hei übergenommen und seine Thätigkeit hauptsächlich darin be-
standen habe, den fremden Grundstock durch Ausschmückungen ver-
schiedener Art seinem pragmatischen Programm anzupassen.
Über das Mehr oder Minder von Citateu neuerer Bücher wii"d
man verschiedener Meinung sein können; der Verf. aber kennt wichtige
in sein Thema einschlagende Arbeiten gar nicht, sonst würde er in dem
zweiten TeU, in welchem er nur je einmal Nieses De ann. Rom. und
die Weifsenbornsche Liviusausgabe nennt, zu einer klareren Einsicht
in die Schwierigkeiten der von ihm in Angriff genommenen Frage und
dann auch zu einem anderen Resultat gekommen sein. Aber auch in
dem ersten ist sein Blick beschränkt. Die Übereinstimmungen zwischen
*) S. auch desselben Verfassers Abhandlung 'das s. g. Licinisch-Sextische
Ackergesetz' im Hermes XXIII (1888) S. 410—423, wo die gewöhnliche
'lediglich auf Livius und diesem gleichaltrigen Quellen beruhende' Über-
lieferung über dies Gesetz mit der des Appian und Plutarch zusammen-
gestellt und bis in die Zeit zwischen dem Ende des Hannibalischen Kriegs
und dem Jahre 180 herabgedrückt wird.
102 Römische Annalisten.
dem Livianisch-Dionysischeu Appius Claudius und dem geschichtlichen
Cäsar beziehen sich teils auf allgemeine Züge, wie sie jedem rücksichts-
losen Ilen-scher eigen sind (ich verweise z. B. auf W. Roschers Ab-
handlung über den Cäsarismus), sodais Nitzsch (Rom. Annalist. S. 142)
in jener Schilderung eine 'absichtliche Parallele mit der Stellung und
Haltung der Sullanischen Nobilität' finden konnte, teils beweisen sie
nicht das, was V. meint. So stellt er an die Spitze die Angabe des
Livius (III 35, 9 f.), dafs Appius Claudius sich selbst zum Dezemvirn
gewählt habe, und die Thatsache, dafs 'eadem ratione noua et plane
inaudita' Cäsar bei seiner Konsulwahl verfahren sei (p. 4); Mommsen
hat aber im R. St. R. I S. 402 Anm. mehrere derartige Fälle vor
Cäsar verzeichnet; s. Bader a. a. 0. S. 119 ff., der S. 122 auch die grofsfr
Flüchtigkeit in den Citaten selbst aufgestochen hat. Irgend welche
wissenschaftliche Förderung ist also in dieser Dissertation nicht zu
suchen.
Die Annales luaximi.
Über die Entstehung und den Zweck der A. m. hat 0. Seeck
(Die Kalendertafel der Pontlfices. Berlin, Weidmann, 1885) eingehend
gehandelt; er bringt die 'geweifste Tafel' in Zusammenhang mit der
kalendarischen Wirksamkeit des Oberpriesters, indem er als ersten Zweck
die tagweise Veröffentlichung des Datums ansieht, und wenn jener merk-
würdige Vorfälle in kürzester Form angeschoben habe, so sei dies-
weniger der künftigen Geschichtsschreibung halber geschehen als um
JJerksteine innerhalb des Kalenders zu schaffen (S. 61 — 65). Ich freue
mich, darin mit S. mich berührt zu haben, dafs auch ich (Relliq. I
p. IX sq.) die gewöhnliche Annahme der Aufzeichnung der geschicht-
lichen Ereignisse am Ende jedes Jahres verworfen und wegen der be-
stimmten Angabe des Servius (zu Verg. Aen. I 273 tahulam dealhatam
quotannis pontifex maxitnus habuit, in qua — notare consueuerat —
gestaper singulos dies) tägliche Aufzeichnungen behauptet habe; darin
weiche ich indes auch jetzt noch von ihm ab, dals ich sie nicht kalen-
darischem Zwecke dienstbar mache, sondern sie mit den telegraphischeii
Depeschen vergleiche, welche heutzutage an den Strafsen angeschlagen
werden, um wichtige Mitteilungen schnell zur Kenntnis des Volkes zu
bringen.
Ein besonderes Kapitel beantwortet die Frage: 'Was ist aus der
Pontifikalchronik erhalten'? (S. 83 — 100) Ihre ursprüngliche Gestalt
habe die Geschichtssclireibung nur in geringem Grade beeinflufst, in desto
höherem aber die Schlufsredaktion in 80 Büchern, die S. jedoch eine
verfälschte nennt. Wirklich selbständig gekannt hätten sie freilich nur
Cicero und Verrius Flaccus, und wahrscheinlich sei sie nie in die Öffent-
Römische Annalisten. 103
lichkeit gedrungen: 'wer sie gebrauchte, mulste sie wie Atticus iu den
Archiven der pontifikalen Familien aufsuchen'. Aber notwendig müsse
aus ihnen geschöpft sein die Triumphliste der kapitolinischen Fasten,
die ja Verrius Flaccus zusammengestellt haben solle; auch die geschicht-
lichen Gedenktage im 6. Buch von Ovids Fasten gingen durch die Ver-
mittelung des nämlichen Antiquars auf diese Quelle zurück. Die Ver-
anlassung zu der Behauptung, dafs die Schlufsredaktion eine gefälschte
gewesen sei, hat S. namentlich das Citat des Gellius gegeben, dai's die
römische Jugend, als etruskische Hamspices durch einen versuchten
Betrug sich selbst ins Unglück gestürzt hätten, auf den Strafsen den
Senar gesungen hätten 'Malum consüium considtori jjessimum est'. Natüi*-
licb kann dieser auf der weifsen Tafel nicht gestanden haben, Gellius
aber sagt über den Ursprung (IV 5, 6): Ea historia de aruspicibus ac
de nersu isto senario scripta est in annalihus maximis lihro widecimo
et in Verri Flacci lihro primo rerum memoria dignarum, scheidet also
zwischen der historia über die Haruspices und über den Senar, der, wie
er hinzufügt, aus Hesiod übersetzt ist, und so habe ich (Rellici- I p XIV)
nur den Kern der ersteren den Annales max. zugeschrieben, was mit
der Citierweise des Gellius wohl vereinbar ist. S. indes meint 'fällt der
Mantel, so mufs der Herzog nach' (S. 85), und auch Bücheier (Rh.
M. 41 [1886] S. 2 f.) hält es für sicher 'puerorum gratia aut adeo
puellarum annales quosdam tanquam fabulas esse compositos inter
Gracchana et SuUana terapora'.
Zum Text: fr. 4 (d. Rell., 3. Fragm.) bei Gellius IV 5, 3 oppo-
situ circum iindique altarum aedium Hertz nach 0. Jahn Philol. 28, 8.
Fabii Pictores,
Die brennende Frage ist hier auf das Verhältnis des Diodor
zu den griechischen Annalen des Fabius Pictor gerichtet. Nach
dem Vorgang Dodwells und Niebuhrs hat Mommsen die knappen No-
tizen, welche Diodor über die ältere römische Geschichte mitteilt, mehr-
fach als Fabianisch bezeichnet und mit ihm die meisten seiner Schüler,
aufserdem A. Schäfer in seiner Quellenkunde. Es fehlt aber auch nicht
an anderen Aufstellungen; Matzat empfiehlt mit grofser Zuversicht den
Zeitgenossen des alten Fabius, den Cincius Alimentus, Clason u. a., be-
sonders L. Triemel ('Diodors Bericht über die Censur des App. Clau-
dius Cäcus. Ein Beitrag zur Zeitrechnung des Fabius und Piso' Fleck-
eisens Jahrb. 139 [1889] S. 345-354) und Klimke ('Die ältesten Quellen
zur Geschichte der Gracchen' Progr. v. Königshütte 1886) den L. Cal-
purnius Piso (dagegen G. Busolt in Fleck eisens Jahrb. 141 S. 321 ff.),
Harlels, Holzapfel, Soltau die lateinischen Annalen des Fabius Pictor,
Büdinger den Claudius Quadrigarius, Nitzsch den Cn. Flavius, Ed. Meyer
104 Römische Annalisten.
('Untersuchuugen über Diodors röni. Geschichte' Rh. M. 37 [1882] 8.
610—627) im allgeraeiuen eine lateinische Quelle. Wollte ich mich
hierauf genauer einlassen, so würde ich dem Berichterstatter über Diodor
vorgreifen ; nur eine recht tüchtige Dissertation, welche zahlreiche Bei-
träge zur Geschichte der römischen Annalistik enthält, darf ich auch
hier nicht übergehen:
Joann. Bader, De Diodori rerum Romanarum auctoribus. Leipz.,
Diss. (K. Cichorius gewidmet), 1890. 8. 78 p.')
Indem Bader zuerst die Bücher XI — XX behandelt, geht er der
Reihe nach alle Annalisten (aufser Fabius) durch, die Diodor, der selbst
hier keinen einzigen historischen Gewährsmann nennt, benutzt haben
könnte und nach der Meinung einzelner Gelehrten (s. ob.) benutzt hat,
und entwickelt seine Bedenken dagegen klar und übersichtlich ( — p. 46).
Darauf prüft er die Gründe für Fabius ; es liege überhaupt nahe, dals
Diodor einen griechischen Autor herangezogen habe, und es fänden
sich auch bestimmte Spuren, welche auf die griechische Sprache seines
Quellenwerkes hindeuteten (unschöne Wiederholung des nämlichen Wortes
nach kurzem Zwischenräume, die ihm selbst nicht zuzutrauen sei) ; sein
Verfasser scheine Kriegsdienste gethan zu haben (wie Fabius); Diodor
werde ausführlicher, sobald er auf die Geschichte des Fabischen Ge-
schlechtes zu reden komme; XIX 72 beziehe sich e'w; ruiv y.aö' f^[x5;
ypovüjv auf die Zeit des Pictor; auch die Chronologie stimme bei beiden
überein. So gewinnt B. das für ihn unzweifelhafte Ergebnis, dafs für
XI — XX der 'primarius fous' des Fabius Pictor griechische Annalen
gewesen seien. In den Büchern VII — X liege die Sache anders; denn
wenngleich hier Fabius Pictor citiert und auch sonst eingesehen worden
sei, so ständen hier neben ihm Kastor, der das chronologische Gerüst
geliefert habe, und aufser ihm Polybius. B. hat also richtig das Ein-
quellenprinzip für Diodor verworfen und die Autorität des Fabius nur
für einen Teil seiner römischen Nachrichten in Anspruch genommen; er
geht aber immer noch zu weit, und die Einwände C. Peters (Zur Kritik
der Quellen der älteren röm. Gesch. S. 118 ff.) sind von ihm unwider-
legt geblieben. Die hohe Schätzung, welche Diodor bei vielen Forschern,
besonders bei B. Niese geniefst, verträgt sich schlecht mit der Leicht-
fertigkeit und Nachlässigkeit, die wir in sicher kontrollierbaren Stücken
ihm nachweisen können, und das mehrfach beliebte Verfahren, ein Er-
*) C. P. Burger 'Ad annalium Romanorum rcliquias a Diodoro ser-
uatas' Mncmos. nou. ser. XVI (l.SSS) p. 1 — 9 versucht einige Eigennamen
in Diodors Geschichte der Samniterkriegc zu emendieren und gehört nicht
hierher; s. H. Schiller ob. Bd. 52 S. -'90 f.
Römische Annalisten. 105
eignis deshalb anzuzweifeln, weil er darüber schweigt, wird sich kaum
rechtfertigen lassen, wenn wir bedenken, dafs in den vollständig erhal-
tenen Büchern XI — XX, welche die Geschichte von 179 Jahren um-
fassen, nur 42 berücksichtigt sind (C. Peter a. 0. S. 120).
Dies mahnt uns auch zur Vorsicht gegenüber den kürzlich von
H. von Arnim aus dem Vatikan veröffentlichten Chrieen ('Ineditum
Vaticanum'. Herrn. XXVII S. 118—130), welche der Entdecker — aller-
dings nur in Form einer Frage — wegen der Verwandtschaft mit Diodor
mit Fabius Pictor in Beziehung gesetzt hat.
Aufserdem hat man sich vielfach mit dem Verhältnis der latei-
nischen Annaleu des Fabins Pictor zu dem griechischen Werk
des gleichnamigen Verfassers beschäftigt, ohne jedoch neue gesicherte
Ergebnisse zu gewinnen. L. Holzapfel (Rom. Chronol. 1885 'Anhang II.
Über die lat. Annalen des Fabius' S. 351 f.) hat sich durch die Art,
wie Cicero de di\än. I 21, 43 das letztere erwähnt (Aeneae somnium, quod
in nosiri Fabii Pidoris Graecis annalihus eins modi est) bestimmen
lassen, das griechische und lateinische Werk dem gleichen Verfasser zu-
zueignen (so auch Schwegler), sonst hätte Cicero schreiben müssen apud
Fabium nostrum, qui Graecos annales conscripsit. W. Soltau ('Die lat.
Annalen des F. P.' Fleckeisens Jahrb. 133 [1886] S. 479 f.) behauptet
dagegen, dafs diese Worte, soweit sie einen bindenden Schlufs zuliefsen,
eher auf das Gegenteil führten, und löst jeden Zusammenhang zwischen
den beiden Annalen, da die Fragmente der lateinischen nicht mit
den griechischen zusammenträfen. Zuletzt hat Bader ('De F. P., qui
latine scripsit annales' p. 32—42) überhaupt geleugnet, dafs lateinische
eines F. P. einem römischen Historiker bekannt gewesen seien (Cic. de
or. n 12, 51 meine die griechischen, auch de legg. I 2, 6), und die Frag-
mente, auf welchen bisher diese Annahme beruhte, entweder den griechi-
schen oder dem Buch des F. P. über das ins pontificium oder den
Annalen des Fabius Maximus Servilianus zugeteilt, wobei er allerdings
den Nonius einer Verwechselung des Servilianus und Pictor beschul-
digen mufs.
Eine Bereicherung der Kenntnis der Persönlichkeit des alten F. P.
verdanken wir H. Diels ('Sibylliuische Blätter'. Berlin, Reimer, 1890);
er vermutet nämlich in ihm den Verfasser der beiden Androgynenorakel
bei Phlegon (p. 75 sqq. Keller, S. 111 ff. Diels), der mit grofser Klug-
heit 'unter der Maske der alten cumanischen Wahrsagerin das geängstete
Volk mit den Göttern versöhnte und zu wiederholten Malen obscui-is
uera inuoluens nach Sibyllenart politischen Rat und Trost erteilte'
(S. 104 ff.), und weifs aus dem Schatze seines Wissens dies überraschende
Resultat bis zu einem gewissen Grad uns wahrscheinlich zu machen und
den ersten Geschichtsschreiber Roms uns auch menschlich näher zu rücken.
10(3 Römische Annalisten.
Zum Text: fr. 1 der lat. Ann. (Rell. I p. 109. Fragm. 75) hat
Thilo, weil fahios pkior dicit nur der cod. Floriacensis überliefert, die
Lesart der anderen Hdschr. alü clicunt in den Text gesetzt; s. Bader
p. 38 sq.
fr. 3 (bei Nonius) liest L. Müller in dem Titel verum Romanarum
anstatt des handschriftlichen rerum gesfarum, was nicht 7A\ bean-
standen ist.
fr. 6 hat Hertz mit Quicherat duouicesimo (für die Hdschr. duoet-
uic.) in den Text aufgenommen.
L. Cincins Alimentus.
C. Trieber ('Die Idee der vier Weltreiche'. Herrn. XXVII S.
321 — 342) findet eine Bestätigung der Vermutung Mommsens, der schon
aus anderen Giünden das Gründungsjahr Roms 728 nicht, wie dies ge-
wöhnlich geschehen ist, als Ergebnis der Rechnung des Alimentus, son-
dern als das eines Zeitgenossen des Dionj's von Halikarnals, L. Cincius
angesehen hatte, darin, dafs es genau eine Sothisperiode oder 1460 Jahre
nach Beginn des assyrischen Reiclis falle, wie ihn Ktesias festgesetzt
hatte (2188), was natürlich bei dem alten Geschichtschreiber nicht zu
glauben sei.
C. Acilins.
Dr. Luigi Cantarelli, Gli annali greci di C. Acilio e Q. Claudio
Quadrigario. 8. 25 S. Torino, Loescher, 1883. (Separatabdruck
aus 'Rivista di filologia et d'istruzione class.' ann. XII fasc. 1.)
Der Verfasser verfolgt in diesem Aufsatz, welcher die gesamte
Litteratur, namentlich die deutsche, vollständig beherrscht, die Absicht,
in Italien die 'Acilius-Frage' bekannt zu machen. Er widerlegt eingehend
die Ansicht Kissens (Quell, d. Liv. S. 34 ff.), dafs der von Livius an
einer Stelle als Übersetzer, an einer zweiten als Benutzer der Annaleu
des Acilius citierte Claudius von Quadrigarius verschieden und nur jener
vun Livius herangezogen sei, sowie die von G. F. IJnger (Philol. Suppl.
III S. 3 ff.), der von Claudius Quadrigarius zwei Werke verfafst sein
iJU'st. eine Übersetzung des Acilius in seinen früheren und selbständige
Annalen in seinen reiferen Jahren, und erkennt als die allein mögliche
Lösung diejenige an, welche ich in Fleckeisens Jahrb. 125 (1882) S. 103
— 106 vorgetragen und begründet hatte, dals nämlich Claudius Quadr.
den Acilius als Gewährsmann genannt und Livius sich auf beide Namen
berufen habe, ein in der alten Litteratur nicht seltenes Verfahren. Auch
A. Schäfer hat sich von mir überzeugen lassen, und so steht in der
zweiten, nach seinem Handexemplar von H. Nissen besorgten Auflage
seiner röm. Quellenkunde (8. 46), was ich S. 105 vorgeschlagen hatte:
Römische Annalisten. 107
Zu den Quellen des A. Claud. Q. gehören die griechischen Annalen des
C. Acilius'.
In mancher Beziehung berührt sich mit diesem Thema:
W. Soltau, 'Eine annalistische Quelle in Cicero de officiis III.
Wochenschr. f. klass. Philol. 1890 S. 1239—1245.
Ohne gelegentliche Mitteilungen aus dem Gedächtnis grundsätzlich
auszuschlielsen , hält S. doch die gröfseren Exkurse über römische Ge-
schichte, wie wir sie namentlich 'III 22, 86 — 33, 116' finden, für Lese-
früchte und zwar erstens wegen der Citate aus Polybius und Acilius und
dann wegen gewisser Momente in der Erzählung, welche wenigstens an
zwei Stellen (32, 113 und 31, 111 f.) sich nicht leicht in den Gedanken-
gang Ciceros einfügten und nur durch den Zusammenhang, in welchem
sie ursprünglich standen, sich rechtfertigen liefsen. Die Vermutung, dafs
er einige Abschnitte aus einem Annalisten exzerpiert und diese dann in
sein bereits dem Abschluls nahes "Werk ohne wesentliche Änderung ein-
geschoben habe, werde zur Gewifsheit dadurch, dafs 'mit höchster Wahr-
scheinlichkeit' alle diese Abschnitte auf einen Annalisten, nämlich auf
Claudius Quadr. zui'ückgeführt werden könnten (S. 1241); denn III 30, 109
lasse dieser bei Ciaudium einen Frieden geschlossen sein wie Claud.
fr. 18 (Liv. IX 5, 2); die Episode von T. Manlius Torquatus III 31, 112
erzähle Livius VII 4 f. 'völlig gleich, oft wörtlich übereinstimmend',
TTT 22, 86 nenne Cicero den Verräter des Pyrrhus einen Überläufer
(vgl. Claud. fr. 41 PeU. I p. 220). Ferner reihe in der Erzählung von
dem sophistischen Eidbruch der gefangenen Römer nach der Schlacht bei
Cannä der letztere III 32, 113 ff. au den Bericht des Polybius ebenso
den des Acilius unter Nennung beider Xamen an, wie Livius XXII 58 ff.
ohne Namen (Pell. I p. 45), und Gellius bringe ebenfalls darüber zwei
Überlieferungen, die zweite aus Cornelius Nepos, und zwar müsse dieser
sie schon kontaminiert vorgefunden haben, 'weil er, die Grenzen beider
verwischend, die uota censoria (über die zurückbleibenden) aus der
zweiten in die erste überträgt. Also hätten Cicero und Livius eine
Vorlage vor sich gehabt, in welcher Acilius und Polybius schon zusammen-
gearbeitet gewesen seien, und wenn Claudius 'ein Übersetzer des Acilius'
gewesen sei, ein polybiauischer Bericht auf Acilius bezogen werde (Nissen
S. 169) und Livius oft auf Claudius Quadr. fulse, so würde dadurch die
Autorschaft jener historischen Exkurse bei Cicero höchst wahrscheinlich
gemacht, wie es nun auch nicht mehr bezweifelt werden könne, 'dafs
Livius manche polybianische Berichte nur durch Vermittelung des Claudius
benutzt habe, ein Resultat, das namentlich für die Beantwortung der
Frage nach den Quellen des Livius im 21. und 22. Buch von nicht ge-
ringer Bedeutung sein dürfte" (S. 1245).
lOS Rötnische Annalisten.
Nicht glücklich hat S. in seinen Nachweis Gellius hineingezogen,
da die charakteristisclien Merkmale der polj'bianischen Erzählung (dals
nnr einer in Rom zurückgebliehen und dieser vom Senat zu Hannibal
zurückgeschickt sei) in seinen beiden Berichten fehlen; auch kann bei
der Aneinanderreihung des Polybius und Acilius bei Cicero und Livius
sehr wohl ein Zufall gewaltet haben; dies aber hat S. gewifs richtig
gesehen, dafs Cicero Lesefrüchte aus einem Annalisten, ohne sie in allen
Einzelheiten dem Zusammenhang sorgfSltig anzupassen, in seine philo-
sophiechen Werke eingestreut hat (wodurch die gröfste Vorsicht in der
Annahme von Interpolationen geboten wird), und wenn dieser auch nicht
Claudius Quadr. ist, von welchem bei Cicero sonst keine Spur entdeckt
ist, so hat er wenigstens mit Recht die Aufmerksamkeit auf Acilius hin-
gelenkt, der also von Cicero unmittelbar, von Livius durch die Vermitte-
lung des Cl. Q. benutzt worden wäre.
Um ein neues Stück hat Sieglin (Philol. Wochenschr. 1883 S.
1449) die Sammlung der Fragmente des Acilius vermehrt: Isig. Nie. 40
(Acta soc. phil. Lips. I 39 ed. Rohde) 'AxüXto? ol 'Pwixatoc btopixoc
^TjCTt T^jV StxsXiav lipo Tou xaTaxXucT]xou }Jfy] v^aov eTvai o>c (ri^|X£pov, Si)X
T^rstpov -csveaOai ouvtjjijjlevtjV ttj uaxspov 'ItaXiot. Ix 8k xrfi JuixXuaeax; xüiv
p£ü[xaTcuv TtJüv pt^mv (Jjtojraailercjav tou 'Airevvivou xata to SxyXXatov paYetuT)?
T^; TjTretpou vrjdov dnoxatadT^vai xal oia. toüto 'Piq^iov xXrjö^vai xo TiXs'jpov
TTJc M-aX''a; ixslvo.
A. Postnmins.
Jac. Cortese hat in der Rivista di filol. XII (1884) S. 396 fol-
gendes in der Zeit Cassiodors geschriebene, interessante Bruchstück
veröffentlicht und nach ihm Bücheier Rh. M. 39 (1884) S. 623:
is cum eo tempore, uf narrat in historiae s^iae principio, duae quasi
factiones Romae essenf, quarum una graecas artes afque disciplinas ada-
mahat, altera patriae caritatem praete[x]ebat, acerrime ab illa stellt Al-
binus. hie Athenis siudiosus audievdi uersatus est adtdescentulus, atque
propterea graecam institutionem prae ceteris extoUebat non sine quadam
iartatione et j)et\dantia. inde irae atque accusationes aduersariorum, qui
minus paterentur graecum sermonem in scriptionibus usuiyari ad rem
R. spectantibus. graece autem, ut scimus, historiam ille confecerat Q.
Ennio inscriptam- ceterum satis erat in eo litterarum et philosophiae,
cuius alumnam eloquentiam inculcandam aiebat, dann nach zwei unleser-
lichen Zeilen consulafu arrepAo cum dilectu ....
Über die Herkunft wissen wir nichts; Cortese hat an des Nepos
De uiris illustribus gedacht, ohne jedoch die Zustimmung Büchelers zu
finden. Wie dem auch sei, so lernen wir aus diesem Fund, dafs Postu«
Römische Annalisten. 109
raius seine Annalen dem Dichter Ennius gewidmet, sie also als junger
Mann verfaist hat, und gewinnen zugleich ein neues Fragment.
M. Porcii Catonis origines.
Friedr. Leo ('Miscella Cicer.' im Ind. lect. aest. Gotting. 1892
p. 15 — 17) untersucht im Anschlufs an den Anfang des zweiten Buches
von Ciceros De re publ. (s. Rell. I p. CXXXV sq.) die Bedeutung des
AVortes oriijo und versteht darunter nicht den ersten Anfang eines Staates,
sondern die Entwickelung bis zur festen Gestaltung (vgl. Polj'b. VI 4, 11
£Tii xas exaaxu)v xaxa cpu Jiv apya? xal '{vdatiz xal [xsTa^oXa? eTciaxirjja?. 7,11
«■JTT) [-JasiXeiotc ätXr|Oivrjs apyr] xal Yevcjtc, und die Übersetzung von Origines
durch Dionys von Halik. 111 ^sveocXo-^iat töjv h IcaXiqt iroXsojv); dem-
nach habe an sich der Titel sowohl die ei'Sten fünf als die ersten drei
Bücher begreifen können (bis zum Ende des zweiten punischen Kriegs
oder bis zur Vertreibung der Könige) ; das letztere aber entspreche dem
Sinne des Cato; denn de rep. II 1, 2 lasse ihn Scipio den römischen
Staat gegründet sein (constitutd) aliquot saeculis et aetatibus und II 11, 21 f.
erscheine das junge Volk unius uiri consilio (des Romulus) non solum
ortum — sed aduUum iam et paene puberem und nach der Darstellung
Scipios werde mit den Königen ^quasi perfectam rem p.^ sein. Von
Interesse ist bei Leo der Vergleich von origo mit den citierten Poly-
bianischen und Ciceronianischen Stellen ; dafs sich der Titel nur auf die
drei ersten Bücher beziehe (dafs demnach diese für sich veröffentlicht
wurden, was auch durch andere Gründe bestätigt wird, s. Seeck, Ka-
lendert. S. 178), ist schon oft bemerkt worden. Die gelegentlich ge-
gebene Deutung, dafs des Nepos atque haec oninia capiiulatim sunt
dicta von den fünf ersten Büchern gelte, und dafs, wenn er fortfahre
reliquaque bella pari modo persecutus est, er nur die vorher erwähnten
zwei punischen Kriege meine, ist unmöglich; pari modo kann allein ca-
'pitulatim aufnehmen, was allerdings anders erklärt werden mufs, als es
Leo thut. Auch die von ihm gewollte Einreibung der Gedanken des
ersten Kapitels von Cicer. de rep. II unter die Fragm. der Orig. kann
ich wegen des sie einführenden is dicere solebat nicht billigen.
Im übrigen ist die Beschäftigung mit Catos Origines zu einem
Stillstand gekommen; die Untersuchungen über das Catonische Gründungs-
jahr Roms (W. Soltau in Fleckeisens Jahrb. 131 S. 553 ff., L. Triemer
ebda. 133 S. 189 ff , 137 S. 373 ff., C. G. Unger ebda. 135 S. 419 ff.
C. Trieber im Herm. XXVII S. 342 ff. u. a.) fallen aufserhalb des
•Bereichs unseres Berichts, ebenso die Versuche W. Soltaus, die Origiaes
zu einer Vorlage des Polybias zu machen; denn nachdem zuerst Seeck
(Kalendert. S. 178) dies vermutet hatte, hat er den Beweis für Polyb. II
14—22 Auf. in der Wochenschr. f. klass. Philol. ('Neun Kapitel aus
JIO Römische Annalisten.
Catos Origines I. 11/ 1886 Ö. 886—891. 916—925) anzutreten unter-
nommen. Dafs der Kreis der Scipionen , wenn auch politisch zu
den Gegnern des alten Cato gehörig, sich gegen sein Geschichtswerk
nicht völlig ablehnend verhalten hat, lehren die Worte warmer Ver-
ehrung, welche Cicero in dem schon erwähnten Anfang von De rep. II
dem jüngeren Scipio in den Mund legt: nicht nur seine Person, sondern
auch seine geschichtliche Auffassung über das Werden der Staaten er-
fahren dort rückhaltlose Anerkennung.
Zum Text: 0. Keller in Wölfflins Archiv IV S. 139 rügt gleich
im ersten Fragm. das 'verunstaltende' queis'. in meiner Sammlung hätte
er das von ihm empfohlene ques (als Pronomen indefin.) schon linden
können, auch den Verweis auf das S.C. de Baccanalibus.
fr. 38. Larius locus — per sex et triginta tenditnr milia
W. Sieglin Phil. Wochenschr. 1883 S. 1450.
fr. 39. In Italia Insuhres terna atque qiiaterna milia succidiarum
sali er e, sus — crescere solet H. Keil im Komment, z. Varr. r. r. p. 162.
fr. 65. Cato originum lih. V: sed indu nauis imtidas — com-
meatum ponere solehant L. Müller coli. Liv. XXV 3 sq.
fr. 95b. metiiere, ne si — faceremus. Ne — essenf, lihertaiis suae causa
in ea sententia fnisse arhitror Hertz nach A. Schäfer Philol. XXIV 176.
fr. 95 f. Rodiensibus uel oherit Hertz.
fr. 95g. minime deici uelini vermutet Hertz.
fr. 109. ecquis nie ob meam augurii scientiam augurem capiet
Hertz.
fr. 125. ne praedia in ludihrium diriherentur L. Müller.
fr. 136. Sieglin Phil. Wochenschr. 1883 S. 1450 läfst die Worte
Catos enden mit ui captmn und schliefst daran die Erklärung j)roj;nw?o
pedatn et secundo. Derselbe (S. 1448 f.) will noch unter die Frag-
mente aufgenommen wissen Lyd. de mag. I 47, weil die beiden anderen
Citate des Cato hei Lydus aus den Origines stammten.
L. Ca^sius Hemina.
Zum Text: fr. 5. G. Wissowa ('Die Überlieferung der röm.
Penaten' Herrn. XXII S. 38 f.) lehnt die Behandlung dieses Fragments
durch Ritscbl ab, schreibt den Beinamen des L. Cassius 'Censorius'
einer Verwechselung des Scholiasten zu und hält idemhistonarum lihro F
für verderbt; keinesfalls sei an Varro zu denken: s. auch Pison. fr. 2
Kell. I p. 118.
fr. 8, welches Mommsen Chronol. S. 155 angefochten hatte, geben
dem Cassius zurück Ed. Meyer Kh. M. 37 S. 615, Soltau Chronol. S. 420
und Bader p. 55.
Römische Annalisten. 111
fr. 36 bezieht L. Havet (Revne de philo). VIII p. 10) auf die
Verhandlungen über die Bacchanalien im Jahre 186 unter Vergleich
von Piatos Ion p. 534 A at ßax^rat (JpuTovxai ex twv iroxaixuiv \iih. xal
-(■dfXa xaT£y6(jL£va[, e'ficppovec 6s ou^ai o'j und Liv. 39, 13, 12.
C. Fannias.
0. Hirschfeld ('Die Anualeu des C. F." Wiener Stud. VI [1884]
S. 127 f.) zieht aus der wiederholten Erwähnung von Drcpauum im
8. Buch seiner Aunalen (fr. 3) den Schlufs, dafs in diesem Buch der
erste punische Krieg enthalten gewesen sei und also sein Werk eine
gröfsere Anzahl von Büchern umfafst habe; auch zweifelt er, gestützt
auf die Autorität des Atticus (fr. 9), an der Identität des Geschichts-
schreibers mit dem Schwiegersohn des Lälius.
L. Coelins Antipater.
K. J. Neumann 'Wann schrieb Cölius Ant." Philol. 45 (1886)
S. 385—388.
Nach Plinius (n. h. II 169 fr. 56) berichtete Nepos, dafs in seiner
Zeit ein gewisser Eudoxus vom arabischen Meerbusen aus Afrika um-
fahren habe, lange vor ihm aber schon Cölius Ant. 'uldisse se qui naui-
gasset ex Hispmiia in Aethiopiani commerci gratid' ; da Cölius den
Tribunen C. Gracchus überlebt habe (fr. 50), so könne der von ihm
gesehene Afrikaumsegier kein anderer als sein Zeitgenosse Eudoxus
von Kj^zikus gewesen sein, der unmittelbar nach dem im Jahre 117 er-
folgten Tode von Euergetes II. seine Reise angetreten habe, und den
bei seinem durch Strabo (II o, 4) bezeugten Aufenthalte in Puteoli
der römische Historiker sehr wohl habe sehen können; also habe dieser
sein Werk erst nach dem genannten Jahre verfafst, eine Vermutung,
welche sehr viel Ansprechendes hat, obwohl sie sich auf eine durch
einen Irrtum entstellte Nachricht des Plinius stützt.
Die Annahme eines historisch-antiquarischen Werkes neben der
Geschichte des zweiten punischen Krieges, aus welchem zahlreiche, in
dem letzteren nicht unterzubringende Fragmente des Cölius herrührten,
hat ihr Vertreter Sieglin (in seiner Schrift über C. A. 1879) trotz
des Widerspruchs von Unger, 0. Gilbert und R. Pöhlmanu (Philol.
Anz. X S. 384—400) u. a. in der philol. Wochenschrift 1883 S. 1451 ff.
wiederholt und E. Zarncke hat sie in der Wochenschr. f. klass. Philol.
1888 S. 515 f. noch dadurch zu begründen gesucht, dafs Cicero de
diuin. I 26, 55 den Cölius hinter den Gellii nenne (Omnes hoc historici,
Fdbii, Gellii, sed proxime Coelius), de legg. I 2, 6 dagegen umgekehrt
(Ecce autem successere huic [Coelio] Gellii, Clodius etc.), also zwei ver-
schiedene Werke kenne. An der zweiten Stelle ist aber nicht Gellii
112 Römische Annalisten.
sondern belli überliefert, und die von Siegliu aus seinem Hauptwerk
ausgesonderten Fi-agmente können sehr wohl in geographischen Exkursen
ihren Platz gehabt haben. S. Seeck, Kalendert. S. 106 f.
Aus der die Quellen der dritten Dekade des Livius betreffenden
Litteratur nenne ich wegen der genauen Vergleichung der Fragmente
des Cölius mit der erhaltenen Erzählung des Livius:
Joann. Bapt. Sturm, Quae ratio inter tertiam T. Livi decadem
et L. Coeli Antipatri historias intercedat. "Würzburg. Dissert. 1883.
8. 54 pp.
Die G. F. Unger gewidmete Dissertation soll beweisen, dafs
Livius in diesen Büchern den Cölius überhaupt nicht gekannt habe:
elf seiner Fragmente, und zwar grade inhaltsreichere, widersprächen
dem Livianischen Bericht, die Mehrzahl sei in ihm nicht verwertet, und
aus den sechs Fragm., welche mit ihm übereinstimmten, sowie aus dem
Citate fr. 39 lasse sich nichts Sicheres für die Benutzung des C. er-
schliefsen. Sturms Erörterungen werden zuweilen zu einer schärferen
Bestimmung des Verhältnisses der beiden Überlieferungen Veranlassung
geben, das Schlufsresultat aber ist verfehlt.
Zum Text: fr. 1. Gegen Fr. Marx, der das Werk des C. dem L.Älius
Stilo gewidmet sein läfst (s. Adnot. der Fragm. p. XIII), wendet Sieglin
a. a. 0. S. 1450 ein, dafs Cölius um 180/574 geboren zu sein scheine,
Älius Stilo dagegen 151/603 oder 134'620, dafs demnach das Alters-
verhältnis diese Ansicht nicht begünstige; jedoch verschiebt sich dies
um ein bedeutendes, wenn Mentz (De L. Aelio Stil. p. 7 sq.) richtig
die Geburt des Älius in das Jahr 160/594 verlegt und Neumann die
Abfassung des Cölianischen Geschichtswerkes später als 117/637. Dafs
in der Comificius-Stelle (IV 12, 18) noch nicht jeder Zweifel durch
Marx gehoben ist, räume ich ein.
fr. 5 weist Sieglin a. a. 0. S. 1458 dem Caecilius zu, L. Müller
in seiner Noniusausgabe 'diu meditatus' doch wieder dem besser be-
zeugten Cölius, obwohl nicht übler Rhythmus in den Worten liege
tnntum bellum suscitare cövari aduersdrios \ contra bellomm genus.
Wölflflin (Berichte der bayer. Akad. 1888 S. 198) schwankt.
fr. 15. Alpis in longitudinemCCLCJO miliapassuumpatere(i.li.
250 000 Sehr.) Sieglin a. a. 0. S. 1453.
fr. 17. Vgl.E. Wölfflin ('DießettungScipios am Tessin' Herrn. XXIII
S. 307—310), der mit Recht die Meinung von Luterbacher und Posner
widerlegt, dafs T.ivius XXI 46, 1 fälschlich als Gewährsmann der Rettung
durch einen ligurischen Sklaven anstatt des Valerius Antias den Cölius
genannt habe, und, da Polybius auf die Autorität des Lälius hin dem
Sohn das Verdienst zuweise, den Sohn und den Sklaven in den Rulim
sich teilen läfst, wenn nicht die Beteiligung des ersteren überhaupt er-
Römische Annalisten. 113
fanden sei. Durch die Überlieferung des Livius, der persönlich g-ern
dem Cölius glauben möchte, erhält übrigens die Vermutung, dafs sein
Werk nicht dem Lälius gewidmet sei, eine neue Stütze.
fr. 23. Primum <in> malo piihlico grata singulatm nomina
L. Müller mit der Deutung Romanos adflictis rebus mutandae in melius
fortunae duces et auctores circunispexisse.
fr. 24. Neben dies Fragment will Sieglin a. a. 0. S. 1449 (mit
Roth) noch folgendes aus Charisius p. 126 eingereiht wissen, welches
ich Relliq. I p. CCXXXI sq. wegen der Lückenhaftigkeit des Textes
ausgeschlossen hatte, indem er unter Verweis auf GeU. IX 14 folgende
HersteUung durch G. Löwe mitteilt: 'Du' pro 'di' siue ^diei' Lucanns.
Paulus enim 'libra die somnique pares uhi fecerit horas' hoc est diei di-
centem arguit diique uel dies pro die legendum esse definit idqiie in Coeli
Histormxvim lihvo notare deprehendes.
fr. 30. Imperator conclamat de medio, [ut] u£lites a (statt in d.
Hdschr.) sinistro cornu r emoueantur h-Miiller; utuelitantis üi sin. c.
H. Peter Fleckeisens Jahrb. 139 S. 506.
M. Aemilins Scanrns.
Auf dessen Autobiographie führt Lichteufeldt (De Acon. fönt, ac
fide p. 73 sqq.) aus Asconius zurück p. 18, 20—19, 5. p. 19, 11 — 17.
p. 19,22 — p. 20, 9. p. 20, 18—23. p. 24, 11—13.
P. Rutilius Rufus.
Die Benutzung seiner 'Ijxopia pu)[xai7.7]' durch Poseidonios ver-
muten Diels Sibj'll. Blatt. S. 23 und G. Busolt in Fleckeisens Jahrb. 141
(1890) S. 437.
L. Cornelius Sulla.
Hinter fr. 11 ist mit Siegliu (a. a. 0. S. 1448) folgendes Frag-
luent einzuschieben: Plut. an seni s.ger.resp. 6 '0 os^uX^a?, oxs wv iix'fuXiojv
-o>i[Xü)v TYjv 'I-aXiav y.a{h^pac Tpoff£|J.i$e tv) 'Ptup-in itpwTov, ouoe |xixpov Iv
T"^ vjy.Ti xaTsoap&sv G-o -ffjfJo'j? xai /apa? }xe7aXrj?, üJ37:£p 7:v£U}JLaT0?, dva-
cpspofXcvoc TYJV «j/'J/TiV. xai Täüxa Tuepl auTou YE^pä^sv ev toi? u7:oixvY]|j.acJiv.
Für den Einflufs, welchen Sullas Memoiren auf die spätere Ge-
schichtsschreibung ausgeübt haben, besitzen wir eine beachtenswerte
Untersuchung in G. Busolts 'Quellenkritischen Beiträgen zur Geschichte
der römischen Revolutionszeit' in Fleckeisens Jahrb. 141 (1890)
S. 321—349. 405—438. Nach seiner Meinung hat Diodor verhältnis-
mälsig am reinsten die sullanische Darstellung wiedergegeben, aber nur
durch Vermittlung des Poseidonios, der auch von Plutarch und Appian
benutzt worden sei, aber in verschiedener "Weise; jener nämlich bevor-
zugte von den Bestandteilen der beiden Richtungen, welche Poseidonios
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXVI Bd. (1893 II.) 8
114 Römische Annalisten.
vereinigt hatte, die sullanische Erzählung, dieser die nichtsullanische;
dann aber verarbeiteten sie beide mit Livius, dessen Erzählung ebenfalls
teilweise auf Poseidon ios und auch auf Sulla beruhte, und aufserdem
Plntarch noch mit Sulla. Demnach würden uns in der Plutarchischen
Biographie seine Memoiren vorliegen erstens in unmittelbarer Benutzung
und zweitens in einer doppelten mittelbaren, einmal durch Poseidonios
und dann durch Livius. Endgültig ist damit die Frage noch nicht
gelöst; namentlich gilt es noch, das schwierige Verhältnis des Plutarch
zu Appian zu bestimmen.
Q. Claudius Qaadrigärius. (S. ob S. 106 ff.)
Zum Text: fr. 15. Persuadent i cuiäam adulescenti Lucano
M. Hertz.
fr. 32. priuisqiie dudortbus indidere reticula galearia L. Müller.
fr. 36. offendit montem, loco munitum res omnes hah entern
L. Müller,
fr. 38. hie desubito utrisque nuntiatus L. Müller.
fr. 47. adortei sient L. Müller.
fi*. 55. patriae ueteris recordauit L. Müller.
fr. 72. eilico populus murmurari coepit L. Müller.
fr. 78. equei Jminibundei L. Müller.
fr. 80. 0. Rofsbach De Senec. philos. libris recens. p. 171 hält
auch die folgende Erzählung von Vettenus für Claudianisch.
fr. 94. annalibus: inihi lutus erat multus L. Müller,
Talerins Aelias.
Fr. Münzer, De gente Valeria. Berliner Dissertation (Oppoliae)
1891. 8. 76 pp.
An der Glaubwürdigkeit des Geschichtsschreibei's des vielgenannten
Geschlechts zu zweifeln, sind wir schon von Livius gelehrt worden, und
so ist gelegentlich über viele seiner Nnchrichten der Stab gebrochen
worden, namentlich über die seine Geschlechtsgenossen betreffenden.
Der Verf., der sich durch eine sehr umfassende und gründliche Litteratur-
kenntnis auszeichnet, hat aber den glücklichen Gedanken gehabt, unter
Zugrundelegung des von Haakh mit gewohnter Sorgfalt in der Paulyschen
Realencyklopädie zusammengetragenen Materials (VII S. 2322 ff.) einmal
alles dasjenige zusammcDzustellen, was in der Überlieferung über die gens
Valeria einer schärferen Kritik nicht standhält.
Nach einer Untersuchung 'De nomine origine sacris gentis Valeriae'
(p. 3—9) begründet das zweite Kapitel (p. 9—18) die Abhängigkeit des
Plutarch in der Vita Poplicolae von Val. Antias aufs neue und stellt
unter Ablehnung der Niebuhrschen Vermutung über die herrschende
Stellung, welche dies Geschlecht in der Übergangszeit von dem König-
Römische Annalisten. 115
tum zur Republik eingenommen habe, die Valerische Version der glaub-
würdigeren des Piso gegenüber. Das dritte Kapitel (p. 18 — 25) legt
die verschiedenen Fäden der Überlieferung über M. Val. Maximus, der
gewöhnlich der Bruder des Poplicola genannt wird, auseinander und be-
seitigt namentlich den angeblichen ersten Diktator M.' Val., das vierte
(p. 25 — 34) behandelt die Geschichte des M. Val. Corvus, indem auch
die gewöhnlich dem Claudius Quadr. zugeschriebene Erzählung von seinem
Zweikampf mit einem Gallier für Val. Antias beansprucht wird (?),
das fünfte ('Index Valeriorum' p, 34—54) zählt die (73) bekannten An-
gehörigen der einzelnen Familien des Geschlechts bis zur Gemahlin des
Kaisers Claudius auf. Das sechste Kapitel endlich ist überschrieben
'De rebus in Valeriorum honorem fictis' (p. 54 — 71); hier wird zuvörderst
auf die Vulgata über die volksfreundliche Gesinnung als mit der glaub-
würdigen Geschichte keineswegs vereinbar hingewiesen, und dann werden
die zahlreichen Valerier besprochen, welche bei genauerem Zusehen in
der Geschichte teils nur eine höchst zweifelhafte Existenz führen, teils
den offenbaren Stempel der Erdichtung an der Stirn tragen, meist in
der Weise, dafs, wo es möglich ist, den allgemeinen historischen Be-
denken eine Darlegung der Beziehungen, welche sie mit Val. Antias
in Verbindung setzt, vorausgeschickt wird. An der Spitze steht die
Schwester des Poplicola, welche der Mutter und der Gemahlin des
Coriolan den klugen Rat zur Rettung des Vaterlandes erteilt haben
soU; es folgen die Staatsgesandten des Namens und die Kriegsfeldherren,
der Val. Antias, der im Jahre 215/539 die Gesandten des Königs
Philipp und Hannibals in den Senat geleitet, die Priester, Magistrate,
Zwischenkönige, Militärtribunen. Die vielen Vermutungen, welche der
Verf. hier vorträgt, eigene und fremde, haben ungleichen Wert, und
raan wird ihnen nicht allenthalben beipflichten können; sehr oft aber
treffen sie gewifs das Richtige, und besonders anzuerkennen ist die
Vorsicht, mit welcher er sich dagegen verwahrt, den Val. Antias für
alle Erfindungen verantwortlich zu machen. Sie seien vielmehr grofsen-
teils älteren Ursprungs, z. T. daraus entstanden, dafs man des guten
Vorzeichens wegen an die Spitze der Listen der Beamten, Priester,
Triumphatoren u. s. w. einen 'Valerius' setzte; Antias habe sie aber
gesammelt, Flecken in der Überlieferung getilgt, Ruhmesthaten noch
glänzender aufgeputzt, das Eigentum fremder Geschlechter geplündert
und namentlich die gesamte Überlieferung volksfreundlich gefärbt, nur
einiges selbst hinzugefügt. Die Abfassungszeit verlegt er in der vierten
Senteutia controuersa in das Jahr 74/680 (ungefähr-).
Für die Beurteilung des Valerius Antias und die Bestimmung
seines Verhältnisses zu Livius würde es von Wichtigkeit sein, zu er-
mitteln, ob er wirklich den Polybius benutzt hat, was Mommsen im
8*
116 Römische Annalisten.
Herrn. XX S. 151 als wahrscheiulicli bezeichnet; doch reicht das Material
kaum zu einer sicheren Entscheidung aus.
L. Cornelins Sisenna.
E. Marks, die Überlieferung des Bundesgenosseukriegs. Strals-
burger Dissertation 1884. (S. H. SchiUer ob. Bd. 44 S. 73—76.)
Da die Abhandlung die unmittelbare Überlieferung der Jahre 91
bis 89 V. Chr. einer Durchsicht unterwerfen will, so muis sie vielfach
auf Sisenna eingehen und teilt S. 67 f. nach den Fragmenten, welche
sie teils nach den festen in Ihnen enthaltenen Anzeichen, teils nach
Vermutung bestimmt, den Beginn der Erhebung vielleicht bis zur
Jahreswende dem ersten Buch zu, den Sommer 90 dem zweiten und dritten,
dem vierten den Herbst 90 (mit welchem auch Livius das 74. Buch
begonnen habe) und das Jahr 89 (zum Teil), ohne zu entscheiden, ob
der Stoff chronologisch oder noch Landschaften geordnet war.
Zum Text verzeichne ich folgende Änderungen L. Müllers:
fr. 16. quod ex aruis in oppidum conportatum erat.
fr. 18. et arte multifariam confossa.
fi\ 26. cum clamore utrorumque commissum est.
fr. 29. materihus aut lanceis confligunt.
fr. 43. magno cum tumultu conuenientium (od. coeuntium).
fr. 44. et tunc Curionis hortatorem (od. Curioni auctorem.)
fr. 50. animi getilgt.
fr. 51. ut reiro per callis — posset intra fines Asculanorum
pervenire.
fr. 52. cui minus sohrictas mentis ab natura tradita uideretur.
fr. 54. fluuiam., quae — ad mare pertingebat.
fr. 59. Et prope editam ad fineni ripae perueyierant .
fr. 67. Victoribu^ propriae spem <virtutis> .
fr. 77. quid re publicae suae maxime conducere uideretur.
fr. 109. Egregias et longe praestantis aestumandas aduer-
sariorum opes esse.
C. Licinias Macer.
Nachdem L. M. lange Zeit als ein gewissenhafter Historiker und
ürkundenforscher gegolten hat, ist er von Mommsen (Köm. Forsch. I.
S. 315 ff.) bekanntlich der Fälschung bezichtigt worden und steht seitdem
in sehr üblem Rufe. Seeck (Kalendert. S. 42 — 53) hat aus dieser
'Mischung von scharfsinniger Kombination und unverfrorener Fälschung'
das ius Flavianum efitstehen lassen, K. Cichorius ('De fastis consu-
laribus antiquissimis' Leipzig. Stud. IX p. 171 sqq.) sieht in ihm einen
der Hauptinterpolatoren des Konsularverzeichnisses und der Triumph-
Römische Annalisten. 117
liste; die erst während des fünften Jahrhunderts d. St. im Schriftgebrauch
aufgekommenen Beinamen seien nämlich im siebenten Jahrh. für die
frühere Zeit ( — cca. 400) hineiugefälscht worden, um den Verzeichnissen
eine gleichmäfsige Gestalt zu verleihen und zwar zunächst von Lic. M.,
dem einzigen Annalisten, der vor dem Jahre 400 Cognomina hinzufüge;
von ihm stammten sowohl die Konsullisten des Idacius und das Chronicon
Paschale als auch wahrscheinlich diejenigen, welche Livius und Dionys
von Halik. befolgten; aufserdem aber habe sich auch ein zweiter Fälscher
in gleicher Richtung versucht, von dessen Thätigkeit bei Diodor Spuren
sichtbar seien, und dann habe Atticus diese beiden Listen zusammen-
gearbeitet, sie auch noch durch Vaters- und Grolsvatersnamen erweitert
und so die Grundlage für jene beiden amtlichen Listen und für die
Konsuln des Chronographen von 354 geschaffen.
Die Ergebnisse dieser Abhandlung hat jedoch G. F. Unger in
ihren Hauptsätzen vollständig zerstört (Fleckeisens Jahrb. 143 (1891)
S. 289-321, 465—496, 625—655). Vor allem ist die Voraussetzung,
dafs Lic. M. zuerst für die Jalire 245 — 400 d. St. Beinamen anführe,
nicht richtig (S. 296 ff.), wie auch der Zusammenhang, den Cichorius
zwischen ihm und der Idacischen Fastenredaktion behauptet hatte, in
Wahi'heit nicht vorhanden (S. 318 ff.); es finden sich Beinamen schon
vor ihm bei Annalisten und in 'Kundgebungen amtlicher oder halb-
amtlicher Art so früh, wie uns solche überhaupt begegnen', wenn sie
auch 'im erhabenen und feierliehen Stil der hohen Versammlungen lange
Zeit verraiedeu wurden' (S. 292). Auch die (zwei) Verdachtsgründe,
durch welche Mommsen die Autorität der libri lintei, der vornehmlichen
Urkunde des Lic. M., angefochten hatte, werden 'erfolgreich zurückge-
wiesen und ihre Echtheit von neuem gestüzt; denn wenn nach Livius
(IV 7, fr. 13) die prisci annales und die libri magistratuum von den
nachgewählten Konsuln des Jahres 444/310, um welche sich die Frage
hauptsächlich dreht, nichts gewufst hätten, so habe er stillschweigend
die späteren Annalen ausgenommen und nach dem Veroneser Palimpsest
sei in folgendem zu lesen Licinius Macer audor est etiam in foedere
Ärdeatino et in linteis libris ad Monetae ea (die Namen) inuenta. — Übrigens
soll nach Ungers Ansicht (S. 314—318) Livius im 4. Buch den Lic. M.
bis weit über c. 30 hinaus nur an den Stellen, wo er oder die libri
liutei citiert werden, benutzt haben, und zwar erst nachträglich.
Zum Text: fr. 21 Nequaquam (Yielleicht nequiquam) sui leuandi
<causa> reluont arma [lue]. L. Müller. S. Fleckeisens Jahrb. 1 39 S. 505 f.
L. Yoltacilins [Plotus].
M. Hertz, der Name des ersten römischen Geschichtschreibers
aus dem Stande der Freigelassenen. Rh. M. XLIU (1888) S. 312—314.
118 Römische Annalisten.
Von dem Namen dieses Geschichtschreibers und Lehrers des
Pompejus in der Rhetorik, dessen Kenntnis wir Sueton (und Hieronymus)
verdanken, stand lange nur der Vorname fest; dann haben Eoth und
Reiflferscheid für das *nomen gentile Voltacilius als die ursprüngliche
Lesart des Suetonischen Textes gesichert; auch an den *w. uotacüius
pytholaus' bei Macrobius (sat. n 2, 13), d, h. M. Voltacilius Pitholaus,
den Urheber des Witzwortes über den Eintagskonsul des Jahres 45/709
(und Verfasser bösartiger Epigramme auf Cäsar, Suet. 75) war schon
früher erinnert worden. Endlich hat Hertz vor einigen Jahren eine
Alizahl Inschriften dieses Zweiges der gens Voltacilia in einer französischen
oder italienischen Zeitschrift gefunden, und so wird das Cognomen
Pitholaus auch für den Geschichtschreiber bei Sueton (wo die Hdschr.
pihitus, pehäus, pilhitus, plutus, pilatus, bei Hieronymus Plotus) gewonnen.
Aelins Tubero.
G. F. Unger (in Fleckeisens Jahrb. 143 S. 318 ff.) entwickelt
aus fr, 3 (bei Dionys I 80) die Gesinnung eines eifrigen Anhängers
von Cäsar oder Octavian und damit der demokratischen Partei und will
ihn daher nicht, wie es gewöhnlich geschieht, mit dem Juristen Quintus,
der unter Pompejus bei Pharsalus gefochten hatte und durch seinen
Freiheitssinn bekaimt war, identifizieren, sondern benennt ihn mit dem
bei Gellius X 28 von mehreren Handschriften überlieferten, aber meist
verschmähten Vornamen Kaeso und schreibt bei Livius IV 23 (fr, 6),
um den so entstehenden Widerspruch zu beseitigen Valerius Antias atqiie
Tuhero (statt des hdschr. Antias et Q. Tubero). Verfafst habe er seine
Annalen zwischen 45 709 und 22ll^'2\ die erste Grenze werde durch
fr. 3 bestimmt, die zweite durch die Veröffentlichung des vierten Buches
des Livius. Der Ausgangspunkt dieser Argumentation ist freilich sehr
unsicher.
Scribonins Libo.
Unger a. a. 0. S. 644 — 649 bestimmt dessen Werk als ein dem
Annalis des Atticus nahe verwandtes Jahrbuch, erschienen wahrscheinlich
46 708, ärmer an Zusätzen geschichtlichen Inhalts und knapper in ihrer
Fassung, dafür aber au)ser den Konsuln, Dezemvirn, Konsulartribunen,
Censoren, Diktatoren und Reiterobersten noch die Prätoren und Adilen
verzeichnend und deshalb von Cicero zu Rate gezogen, nicht allein an
den Stellen, wo er ihn nennt, sondern z. B. auch ep. ad diuers. IX 21,
wo er dem Papirius Pätus den Nachweis liefert, dafs melirere Familien
seines Geschlechts patrizisch seien, und sonst, sowie auch von der Quelle
des Chronographen, namentlich dann, wenn das dem Libo eigentümliche
Interesse für die ursprünglichen Wortformen hervortrete, dessentwegen
ihm Varro ein gi-ammatisches Werk gewidmet habe (Macr. sat. III 18).
//
Bericht
über
die Litter atur zu den Scriptores historiae Augustae
in dem Jahrzehnt 1883 — 1892
von
Prof. Dr. Hermann Peter,
Rektor zu St. Afra.
Über die s. g. Scriptores historiae Augustae ist in dieser Zeit-
schrift erst einmal berichtet worden, und zwar von dem trefflichen
A. Eussner über die Erscheinungen der Jahre 1874 — 1877 in Band XXII
(1880) S. 123—128. Infolge einer dringenden Aufforderung der Redaktion
trete ich jetzt in die Berichterstattung ein, glaube jedoch die Jahre
1878 — 1882 überspringen zu können, nachdem ich bereits im 43. Bande
des Philologus S. 137 — 194 eine ausführliche Darstellung der wissen-
schaftlichen Arbeit auf diesem Gebiete während der Jahre 1865 — 1882
gegeben habe. Wie damals, werde ich auch jetzt die Litteratur nicht
Nummer für Nummer besprechen, sondern eine stoffliche Einteilung zu
giTinde legen, um die Ergebnisse der Forschung klarer und bestimmter
hervorheben und zusammenfassen zu können. Ich schicke ein alphabe-
tisches Verzeichnis der Verfasser der einschlägigen Abhandlungen und
Bemerkungen voraus, indes unter Ausschlufs solcher, welche nur eine
Stelle betreffen und in dem letzten Abschnitt Erwähnung finden werden.
1) E. Baehrens, Noua aduersaria critiea in scriptores bist. Aug.
Fleckeisens Jahrbücher Bd. 133 (1886) S. 213—224.
2) R. Bitschofsky, Kritisch-exegetische Studien zu den scr. h.
A. (Separatabdruck aus dem Jahresberichte über das k. k. Staats-
gymnasium im n. Bezirke von Wien.) Wien 1888. 44 S. 8.
Rec: BerUner philol. Wochenschi-. Vin S. 1437—1439 v.
H. Peter. Wochenschr. f. klass. Philol. V S. 1458—1459 v. W. Ge-
moll. Neue phüol. Rundschau 1888 S. 361—363 v. J. Plew. Blätter
für d. bayr. Gymn. XXV S. 215. Ztschr. f. d. österr. Gymn. XL
S. 955—956 v. M. Petschenig.
120 Scriptores historiae Augustae.
3) C. Cotta, Quaestiones grammaticae et criticae de uitis a scr.
b. A. conscriptis. Yratislauiae 1883. IV. 84 p. 8. (Dissertation.)
4) H.Dessau, Über Zeit und Persönlichkeit der Scr. li.A. Hermes
XXIV S. 337—392.
5) — Über die Scr. h. A. Hermes XXVH S. 561—605.
6) F. Drechsler, Ki-itische Adversarien. Ztschr. f. d. österr.
Gymn. XXXIX, darin S. 295—297 über die Scr. h. A.
7) S. Frankfurter, Textkritisches zu den Scr. h. A. Wiener
Studien XIII (1891) S. 245-254.
8) W. Fröhner, Kritische Analekten. Philol. Suppl. Bd. V, darin
S. 28—31 über d. Scr. h. A.
9) A. Gemoll, Die Scr. H. A. I. Wissenschaftl. Beilage zum
Progr. des Stadt. Real-Progymn. zu Striegau 1886. 1 Bl. 14 S. 4.
Rec. : Ztschr. f. d. österr. Gymn. XXXVm S. 788 von A. Kor-
uitzer. Wochenschr. f. klass. Phil. V S. 205—206 v. A. Teuber.
10) F. Görres, Zur Kritik einiger Quellenschriftsteller der röm.
Kaiserzeit. III. Zu Eusebius (H. e. V 21) und Äl. Spartianus (Did.
Jul. c. 2 u. Sept. Sev. c. 4). Phil. XXXXH (1884) S. 134-140 u.
rV. Zur Kritik einiger auf die Geschichte des Kaisers Aurelianus be-
züglicher Quellen ebenda S. 615—624.
11) J. Go lisch, Zu den Scr. h. A. Fleckeisens Jahrbb. Bd. 127
(1883) S. 656.
12) Habcl, Zu den Scr. h. A. Wochenschr. f. klass. Philol. VII
(1890) S. 418-421.
13) 0. Hirschfeld, Bemerkungen zu der Biographie des Septimius
Severus. Wiener Studien VI (1884) S. 121—127.
14) — Zu röm. Schriftstellern. Herm. XXIV, über d. Scr. h. A.
S. 105—106.
15) El. Klebs, Die Vita des Avidius Cassius. Rhein. Mus. N. F.
XLm (1888) S. 321-346.
16) — Zu den Scr. h. A. Philol. XL VII (N. F. I. 1889)
S. 559—562.
17) — Die Sammlung der Scr. h. A. Rhein. Mus. N. F. XLV
(1890) S. 436—464.
18) - Die Scr. h. A. Rhein. Mus. N. F. XLVII (1892) S. 1—52.
515—549.
19) K. Lessing, Studien zu den Scr. h. A. Wissenschaftl. Bei-
lage zum Progr. des Friedrichs- Gjnnn. zu Berlin 1889. 39 S. 4.
Scriptores historiae Augustae. 121
Reo,.: Archiv f. lat. Lexikogr. VI 8. 302—303. Berl. philol.
Wochenschr. IX S. 852—855 v. M. Petschenig. Woclienschr. f.
klass. Philol. VI S. 892—893 v. R. Bitschofsky. Neue philol. Rund-
schau 1890 S. 180—183 von J. Plew.
20) J. Mähly, Flavius Vop. in d. V. Probi. Phil. XLVin S. 644 f.
21) Th. Mommsen, Die Scr. h. A. Hermes XXV S. 228—292.
22) F. Navarro y Calvo, Escritores de la historia Augusta.
Traduccion directa del latin por F. N. y C. Madrid, Hernando. 2 Bd(\
1889 u. 1890. 404 u. 354 S. 8. 6 M. 50. ')
23) B. Nihues, De Vulcacii Gallicani uita Auidii Cassii com-
meutatio. Verzeichnis der Vorles. Winter 1885/86 zu Münster.
11 S. 4.
24) R. Novak, Zu Gerd., Carin., Numer. Sammlung philol. Ar-
beiten, herausgeg. zur Feier des 25jähr. Jubiläums des Prof. Kvicala
(Böhmisch), Prag 1884 S. 54 f.
25) — Listy filologike 1884 S. 194—205. 1885 S. 389—395.
1886 S. 18—19. 360—363. 1887 S. 7—14.
26) — Ztschr. f. d. österr. Gymn. XLII (1891) S. 392—394.
27) H. Peter, Zu den Scr. h. A. Fleckeisens Jahrb. Bd. 129
(1884) S. 75—80.
28) — Scr. h. A. iterum recensuit adparatumque criticum addidit
H. P. 2 uoll. Lipsiae in aed. B. G. Teubneri 1884. XLn. 300.
n 402 S. 8. M. 7,50.
Rec: Deutsche Litteraturz. 1884 S. 1649 f. von H. J. Müller.
Wochenschr. f. klass. Philol. 1885 S. 297—299 von F. Eyssenhardt.
Revue de linstruction publ. en Belgique XXVIII (1885) p. 97—101
, von A. Ceuleneer. Berlin, philol. Wochenschr. V (1885) S. 428 ff.
von S. Frankfurter. Litter. Centralbl. 1885 S. 581 f. von A. E(ussner).
The contemporary review, Maiheft 1885. Ztschr. f. d. österr. Gymn.
XXXVI (1885) S. 610 f. v. M. Petschenig.
29) — Die Scr. h. A. Sechs litterar-geschichtliche Untersuchungen.
Leipzig bei Teubner. 1892. VID. 266 S. 8.
30) M. Petschenig, Zur Kj-itik der Scr. h. A. Wissenschaf tl.
Abhandlungen n. 63. Wien u. Leipzig, gr. 8. o. J, (1885). 16 S.
Rec: Neue philol. Rundschau I S. 360 f. von C. Wagener.
Philol. Anz. XVI S. 413—417 von H. Peter.
31) J. Plew, Kritische Beiträge zu den Scr. h. A. Beilage zum
Progr. d. Lyceums zu Strafsburg i. E. 1885. 4. 32 S.
^) Mir nicht zugegangen.
122 Scriptores historiae Augustae.
Rec. : Liter. Centralbl. 1886 S. 512 f. Deutsche Litteraturz.
1886 S. 1493 f. von E. Klebs. Jalu-esber. Bd. 48 S. 288 v.
H. Schiller.
32) J. Plew. Quellenuntersuchung-en zur Geschichte des Kaisers
Hadrian (Stralsburg bei Trübner 1890), darin S. 11—53 'Die Vita
Hadriani des Spartianus'.
33) Fr. Rühl, Die Zeit des Vopiscus. Rh. M. N. F. XLIII (1888)
S. 597—604.
34) W. Schmidt, De Romanorum imprimis Suetonii arte bio-
graphica. Mai'burger Doktordiss. 1891. 8. 68 S.
35) 0. Seeck, Studien zur Geschichte Diocletians u. Constantins.
ni. Die Entstehungszeit der h» A. Fleckeisens Jahrbb. Bd. 141 (1890)
S. 609—639.
36) G. Suster, Gli scrittori della storia Augustea secondo lo sto-
rico Flavio Biondo. Rivista di filologia e d'istruz. class. XVI (1888)
p. 1—6.
37) — De altera quadam scriptura orationis quae a Maecio Falconio
Nicomacho Tacito Augusto habita est. Rivista XVII (1889) p. 247—254.
38) E. Wölfflin, Die Scr. h. A. I. Sitzungsberichte der philos.-
philol. u. histor. Klasse der bayer. Akad. d. Wiss. 1891. S. 465 — 538.
I. Die Zeit der Entstehung der historia Augusta
A. Gern oll (n. 9) hatte noch einmal in knapper und übersicht-
licher Form auf 14 Quartseiten die bis dahin geltenden Ansichten über
die litterargeschichtliche Stellung der Scriptores bist. Aug. zusaramen-
gefai'st. Um eine Probe einer gröfseren Arbeit, in welcher er die viel
behandelte Frage über die Verfasser der Vitae bis Maximus und Balbi-
nus, so weit wie möglich, zur Entscheidung zu bringen verspricht, vor-
zulegen, hatte er über die Reihenfolge der BiograpMeen, die Überliefe-
rung der Autornamen, die Abfassungszeit, Plan und Absicht, die Ver-
weisungen, die Widersprüche und die Quellen gehandelt, dabei das
vorausgeschickte Progi'amm, nicht von einer vorgefafsten Meinung, son-
dern von der Überlieferung auszugehen, gewissenhaft eingehalten und
einzelnes hier und da schärfer, als es vorher geschehen war, bestimmt,
ohne freilich tiefer in den Gegenstand einzudringen. Die Zahl der 'Wider-
sprüche' in der h. A. beschränkt sich bei ilim auf fünf. Skeptischer
hatte sich der Vulgata gegenüber Rühl (n. 33^ gestellt und die Zeit der
schriftstellerischen Thätigkeit des Vopiscus bis zu der des Lampridius
heiTintergedrückt, die Vita Probi in die Jahre 322 oder 323, jedoch
mit der Deutung der Stellen, auf welche er seine Rechnung stützt, nicht
Scriptores historiae Augustae. 123
das Richtige getroffen (s. Mommsen n. 21 S. 256—259. Dessau u. 4
S. 347).
Da erschien im Jahi* 1889 Dessaus Abhandlung (n. 4) und er-
regte durch den Scharfsinn ihi-er Entwickelung und durch die Fülle ihrer
Gelehrsamkeit allgemeines Aufsehen. Er entfaltet zunächst das 'Nest
von Rätseln und Widersprüchen', in welches wir nach seiner Meinung,
sobald wir der gewöhnlichen Ansicht näher treten, geraten : der nämliche
Verfasser habe Viten sowohl Diocletian wie Constantin gewidmet, die
Apostrophierung der Kaiser zeige einen ganz undenkbaren Freimut, es
fehlten alle Anspielungen auf die eigenen Erfolge der Kaiser; die Ver-
herrlichung des Constantius durch Trebellius passe nicht in die Zeit kurz
vor 303, in welche die Abfassung seiner Viten gelegt werde, schliefse
eine Herausforderung des Italien regierenden Cäsars Severus, seines Ober-
kaisers Galerius und des in der Nähe von Rom wohnenden Maxentius,
des Sohnes des alten Herculius, ein, und von der ihr zuliebe vorgenom-
menen Fälschung der verwandtschaftlichen Anknüpfung an den berühmten
Gothenbesieger Claudius finde sich sonst um jene Zeit keine Andeutung;
in die Monate der städtischen Präfektur des Junius Tiberianus, wählend
welcher sich dieser an den Hilarien mit Vopiscus nach dessen Darstellung
(Aur. 1 f.) unterhalten und ihn zu seiner biographischen Thätigkeit be-
redet habe, sei jenes Fest gar nicht hineingefallen; denn da die erste
Verwaltung des Amtes 291/92 mit den übrigen Zeitbestimmungen im
Texte nicht stimme, so könne nur an die zweite, vom 14. September
303 bis 4. Januar 304 (nach dem Chronogr. v. 354, Chron. min. ed.
Momms. I p. 66) gedacht werden und die (grofsen) Hilarien seien am
25. März gefeiert worden; ferner würde Vopiscus (Aur. 43) zu wenig an-
erkennend von dem eben zurückgetretenen Diocletian sprechen, und end-
lich wolle die Nennung des Julius Capitoünus und des Älius Lam-
pridius unter den Mustern des Vopiscus (Prob. 2) zu dem, was wir an
anderen Stellen über die Zeit dieser drei Scriptores erfahren, nicht
stimmen. Nachdem Dessau so die Glaubwürdigkeit der in der h. A. ge-
machten Hindeutungen auf die Zeit der Verfasser genügend erschüttert
zu haben glaubt, will er gerade in solchen Erzählungen, welche auch
sonst unseren Verdacht erregen, Spuren einer späteren Zeit, nämlich der
letzten Jahrzehnte des 4. Jahrhunderts, erkennen, und zwar zunächst in
Namen der früheren Geschichtserzählung Beziehungen auf vornehme
Männer in diesen Jahrzehnten, in Toxotius, dem Gemahl der früheren
Braut des Kaisersohnes Maximinus (Max. 27, 6), eine solche auf den im
Jahre 379 gestorbenen Gemahl der aus Hieronymus bekannten Aristo-
kratin Paula und einen Sohn von ihm, der 'vermutlich' um die Mitte der
90 er Jahre des Jahrhunderts eine Tochter aus einem der vornehmsten
Häuser heimführte, in Ragonius Celsus, dem Adressaten eines Briefes
]24 Scriptores historiae Augustae.
des Septimiiis Severns (Pesc. 3, 9), eine auf eiaen Gerichtsredner, Quästor,
Consul imd Präfectus annonae vom Ende des Jahrlmnderts, in Faltonius
Probus, dem Proconsul von Asien unter Aurelian (Aur. 40, 4), eine auf
den Stadtpräfekten des Jahres 291, in Clodius Celsinus, einem Verwandten
(Bruder) des Usurpators Clodius Albinus(Seu. 11,3, Clod. 12,9; 11), eine auf
den Vater des eben genannten Präfekten. Besonderes Gewicht legt Dessau
auf die Prophezeiung, welche nach Prob. c. 24, 1 f. allen Nachkommen des
Kaisers Probus die höchsten Ehren verheilseu haben soll; denn diese
lasse sich nur begreifen, wenn man daran denke, dafs gerade in den
letzten Jahrzehnten des 4. Jahrhunderts die Familie der (Petronii) Probi
zu Rom ein hohes Ansehen genossen habe. Auch die gotisch-alanische
Abkunft des Kaisers Maximinus könne nur im letzten Viertel desselben
erdichtet worden sein, weil erst damals 'Goten und Alanen in dem Ge-
sichtskreis eines Römers vereint zu erscheinen pflegten' (S. 360). Schon
wiederholt bemerkt ist die auffallende Übereinstimmung eines längeren
Stücks der V. Marci (16, 3 — 18, 3) mit Eutrop und eines anderen der
V. Seueri (17, 5—19, 4) mit Aurelius Victor, welche man entweder aus
der Benutzung der h. A. durch die Epitomatoren oder aus der einer
gemeinsamen Quelle hergeleitet hat; die letztere Ansicht ist jetzt meist
vorgezogen worden, Dessau aber hält sie für unvereinbar mit der Selb-
ständigkeit, mit welcher Aurelius Victor arbeitete, und sieht in den
Caesares (verfafst 360) die Vorlage für die h, A. und daher auch in
Eutrop, dessen Breviarium um 369 herausgegeben ist. So gelangt er zu
dem Ergebnis, dafs 'die einzelnen Stücke der Sammlung im Ausgang
des 4. Jahrhunderts niedergeschrieben seien und ihnen von ihren Autoren
der Schein einer früheren Entstehung verliehen worden sei', um ihnen
durch ein höheres Alter mehr Ansehen zu geben und nebenbei zeitge-
nössischen römischen Grofsen durch Erwähnung ihres Namens in der
früheren Geschichte und Zurückdatierung ihres Glanzes zu schmeicheln.
Den Einwand, dafs eine Erdichtung von sechs verschiedenen Verfassern
höchst wunderlich sei, widerlegt er, indem er auf die 'auffallend vielen
Berührungspunkte und Ähnlichkeiten' in ihren Schriften aufmerksam
macht, namentlich das gemeinsame Prinzip, den Caesares und Usurpa-
toren eigene Biographieen zu widmen, die Ausfüllung des Raumes durch
Erdichtungen, die Hervorhebung der Sinnlichkeit des Helden, die Auf-
nahme von gefälschten TTrkunden, die Art des Citierens, das Übersetzen
griechischer Verse, das Spielen mit Eigennamen, den gleichmäfsigen Ge-
brauch gewisser, sonst nicht gewöhnlicher Redensarten und Worte. Sonst
sei alles Maskerade, warum nicht auch die Erfindung von G Autoren?
Der Fälscher habe wohl damit auf ein grölseres Interesse gerechnet.
Mit der lebhaftesten Freude hat dies Ergebnis Seeck (n.35) begrüfst
und es, wie er sagt, für Pflicht und Bedürfnis gehalten, in den Kampf
Scriptores historiae Augustae. 125
einzutreten, um es einerseits genauer zu begründen, andererseits noch
weiter auszuführen und gegen Moramsens inzwischen erhobene Bedenken
zu verteidigen. Zu dem Zweck schlägt er den Weg ein, von allen den-
jenigen Stellen, auf welclien die bisherige Datierung der Viten beruhte,
'zu erweisen, dafs sie nicht in der Zeit geschrieben sein könnten, in
welcher sie sich den Anschein geben'. So bespricht er der ßeihe nach
die Schwierigkeiten, welche nach seiner Meinung bei Vopiscus liegen in
Aiu-. 30, 4, Prob. 23, 3 ff., Car. 18, 3, Aur. I, 1 und Bonos. 15, 10,
dann bei Trebellius in der Claudiuslegende, der Benennung der Victorina
als mater castrorum (Tyr. 5, 3. 6, 3. 25, 1. 31, 2) und des Galerius als
Galerius, die den Zeitgenossen völlig fremd sei, endlieh in der Erwäh-
nung eines 'Bruderzwistes' Claud. 2, 6. In der Reihe der Biographieen
von Hadrian bis Macrinus nimmt er Anstofs au der Beziehung auf
die Thronfolgeordnung Diocletians Seuer. 20, an der Bezeichnung
der Caesares als 'quasi quidani principmn fiUv Ael. 2, 2 und des Clo-
dius Albinus als frater durch Kaiser Severus (Clod. 7, 3), während
Adoptivsöhne den leiblichen gleich gegolten hätten und unter Diocletian
der Cäsar filius, nicht frater des regierenden Kaisers genannt worden
sei. Auch in der nächsten Reihe (von Heliog. bis Max. und Balb.) will
er Heliog. 24, 3, Gord. 34 und Alex. 67 nicht die gemeinten Anzeichen
späteren Ursprungs sehen und schliefst nun, dafs 'alle Biographieen auf
eine einheitliche, überall durch die gleichen anachronistischen Anschauungen
bestimmten Fälschungen zurückgingen', also eine homogene Masse bil-
deten. Endlich wisse bis ins fünfte Jahrhundert hinein niemand von der
h. A. und wie allgemeine Erwägungen mehr die spätere Entstehung
empföhlen, so auch die Betrachtung einzelner Stelleu, unter welchen er
besonders auf HeUog. 7, 7, Clod. 4, 1, Prob. 24 und Valer. 5, 4 ff. Wert
legt, auf welche wir zurückkommen werden.
Hatte sich Dessau im wesentlichen mit dem Nachweis der Fäl-
schung begnügt, so bezieht Seeck die Verherrlichung der Nachkommen
des Claudius auf den Usurpator Flavius Claudius Constantinus, der vom
Jahre 407 an länger als drei Jahre in den gallischen Provinzen herrschte,
läfst die in die h. A. eingestreuten Deklamationen über die Themen,
dafs grofse Väter nie ihrer würdige Söhne gehabt hätten und dafs die
Thronfolge im römischen Reich nicht erbUch sein dürfe, gegen den
Schwächling Honorius gerichtet sein und glaubt, dafs aus Vorsicht wäh-
rend der noch schwebenden Entscheidung der Verfasser unter falschem
Namen geschrieben und die Entstehung um ein Jahrhundert hinaufgerückt
habe, eine Vermutung, welche übrigens auch Dessau in seinem späteren
Aufsatz (n. 5 S. 585) nicht gebilligt hat.
Mommsen (n. 21) läfst der Ai'beit Dessaus alle Gerechtigkeit
widerfahren, nennt sie eine 'vortreffliche' und erklärt zu Anfang der
126 Scriptores historiae Augustae.
eigenen sie unternommen zu haben 'supplendi gratia magis quam corri-
gendi'. Aber doch erscheint ihm seine Hypothese 'verwegen' (S. 245),
und sein Ergebnis fafst er in den Worten zusammen (S. 228): 'Die
Sammlung ist nicht, wie Dessau meint, eine Arbeit aus Theodosischer
Zeit, welche fälschlich in der Diocletianisch-Constantinischen geschrieben
sein will, sondern sie ist im wesentlichen in der letzteren Epoche ent-
standen und nur in der folgenden Dj'^nastie mit einigen relativ nicht be-
deutenden Einlagen versehen und hie und da überarbeitet worden'. So
sehen wir denn unter seinen gewaltigen Schlägen einen Pfeiler nach dem
anderen in dem Gebäude Dessaus zusammensinken. Es befremde, argu-
mentiert er, dals eine unter den Yalentinianisch-Theodosischen Djaiastie
zusammengestellte Kaisergesehichte mit Carus abgeschlossen worden sei,
die Lobrede auf Claudius des Constantius wegen sei unter ihr unbegreif-
lich, die Bebandluug des Christentums und des Judentums sei in der
Sammlung verschieden, je nach der Zeit der Abfassung der Viten, ent-
spreche aber im ganzen der Diocletianisch-Constantinischen Periode,
ebenso die administrativen Ordnungen, die Civil- und Militärämter, die
Benennung der Truppenkörper, des Hofgesindes, der Geldsummen; die
seit Constantiu eine so grol'se Rolle spielenden Comites fehlten noch ganz
und gar, auch die seitdem geläufige Unterscheidung gleichnamiger Truppen-
körper in seniores und mniores, die domestici als Gardetruppen u. s. w.
Xachdem so Mommsen die Annahme einer Fälschung in späterer Zeit,
die doch jedenfalls vor zahlreichen Anachronismen sich nicht habe hüten
können, zurückgewiesen hat (S. 228 — 243), zerlegt er die Sammlung in
ihi'e Bestandteile und stellt deren Eigentümlichkeiten und Entstehungs-
zeit fest. Trebellius Pollio und Flavius Vopiscus hätten völlig in dem
Sinn derjenigen Zeit geschrieben, in der sie geschrieben haben wollten,
und es liege kein Grund vor, an den Namen irgend zu rütteln. Dagegen
herrsche in dem vorausgehenden Teil (von Hadrian bis Gordian lU)
grol'se Verwirrung •, eine geringere in der zweiten Hälfte von Heliogabal
an, deren Viten wirklich aus dem letzten Decennium Coustantins, ver-
mutlich alle von einer Hand herrührten, (in den malsgebenden Hand-
schriften Heliog. und Alex, von Lampridius, die nächsten von Capito-
linus) ; die ersten teilt er nach dem Wert ihrer Nachrichten in (9) pri-
märe Viten, d. h. die der Kaiser, und in (7) sekundäre, d. h. die der
Mitherrscher, Cäsaren und Usurpatoren; denn jene seien 'echte, aller-
dings vielfach zerrüttete Geschichtsquellen, die in der zweiten ßeihe
enthielten wenig oder gar kein eigenes wirklich geschichtliches Material
und seien wesentlich entweder aus jenen der ersten zusammengestoppelt
oder gefälscht" (S. 246). Entstanden seien die primären unter Diocletian,
die anderen unter Constantin, Den handschriftlichen Über- und Unter-
schriften der Viten mifst Mommsen geringe Bedeutung bei; zwar hält
Scriptores historiae Augustae. 127
er an der Mehrheit der Verfasser der diocletianischen Reihe bei, aber
er scheut sich, den einzelnen ihr Eig-entum zuzusprechen, und erklärt
die der Constantinischen Reihe alle für das Werk eines Verfassers, die
Namen in den Handschriften für gefälscht.
Ein 'Samtredakteur', am naturgemäßesten der Verfasser der jüngsten
Abschnitte, habe nämlich in dem letzten Jahrzehnt Constantins nicht
allein die Biographieen der (wirklichen) Kaiser gesammelt, indem er die
des Trebellius und Vopiscus sämtlich aufnahm, aus denen der übrigen
auswählte, sondern auch 7Air Vervollständigung die sekundären in der
eben bezeichneten Weise zusammengeschrieben und zu den anderen Zu-
sätze gemacht, z. B. den am Schlufs der trig. tyr. (31, 7 — 33, 8) und
den über das Alter des Adels in Byzanz (Gall. 6, 9). So sei die Samm-
lung um das Jahr 330 zu einem ersten Abschlufs gebracht worden.
Doch hat Mommsen von dem Theodosischen Ursprung einzelner
Stellen sich durch Dessau überzeugen lassen und daher noch eine zweite,
spätere Diaskeuase zugestanden, welche die Stücke aus Eutrop in der
V. Marci und aus Aurelius Victor in der V. Seueri, das Probusorakel
(Prob. c. 24) und überhaupt die Beziehungen auf die mächtige Familie
der Probi eingeschoben habe. Sachliche Quellen aufser den beiden Bre-
viarien hätten ihr indes schwerlich zu Glebote gestanden, auch liefse sich
nur annähernd bestimmen, 'inwieweit der zweite Diaskeuast sachlich
und sprachlich die Vorlage umgestaltet habe'. Im allgemeinen scheint
Mommsen nicht geneigt, diesem Theodosischen Diaskeuasten einen gröfseren
Einflufs einzuräumen; immerhin leuchtet ein, dafs der Wert der h. A.
als Geschichtsquelle im ganzen um ein bedeutendes sinkt, sobald im
Prinzip die Einschiebung gröfserer Abschnitte unter Theodosius ange-
nommen wird ; denn für die Forschung haben dann alle Nachrichten nur
den Wert einer um ein Jahrhundert jüngeren Überlieferung, wenn nicht
die Entstehung unter Diocletian oder Constantin bestimmt nachgewiesen
werden kann.
Daher hat Klebs, nachdem ihm die beabsichtigte Widerlegung
der Dessauschen Vermutung durch Mommsen vorweggenommen war, in
seinem dritten Aufsatz (n. 17) eben diejenigen Stellen einer sorg-
fältigen Prüfung unterzogen, welche das Werk dieser zweiten Diaskeuase
gewesen sein sollen, um so den endgültigen Abschlufs der Sammlung
wieder in die Diocletianisch-Constantinische Regierung zu verlegen.
Zunächst weist er mit Recht nach, wie für die Kapitel der V. Seueri
17,5—19,4 kein ii'gend glaublicher Grund zu einer späteren Ein-
schaltung, wofür sie Mommsen ansieht, gefunden werden könne, wie
vielmehr ohne sie mehrere Rubriken in der üblichen biographischen
Schablone fehlten, die genaue Angabe der Todesart, des Todesortes,
der Regierungszeit und der göttlichen Ehren nach dem Tode, ferner
128 Scriptores historiae Augustae.
dafs das folgende Stück der Biographie 19, 5 ff. die vorherige Er-
zählung des Todes voraussetze, und dal's auch sonst bei Spartian Spuren
einer ebenfalls von Aurelius Victor benutzten Kaiserchronik vorhanden
seien; von besonderem Gewicht aber sind die Abweichungen von Aurelius
Victor, welche Klebs in dem Berichte des Spartian aufdeckt; nament-
lich hat dieser sich nicht wie Victor die Vermengung des Kaisers
Didius Julianus mit dem Rechtsgelehrten unter Hadrian Salvius Julianus
zu Schulden kommen lassen, ein Fehler, den er keinesfalls vermieden
hätte, wenn er seiner Quelle eigen gewesen wäre. Dals in der V. Marci
'c. 16 u. 17' (so Mommseu) ein Doppelbericht vorliegt, ist schon oft
bemerkt worden ; indes lälst er sich nicht einfach ausscheiden und auch
er entfernt sich in mehi'eren nicht gleichgültigen Punkten neben wört-
licher Übereinstimmung von Eutrop und übergeht einzelne Nachrichten
deshalb, weil sie die Biographie schon vorher gebracht hatte. Ebenso
überzeugend hat Klebs die anderen Bedenken Mommsens beseitigt.
Aus dem Probusorakel hat dieser erst durch eine Konjektur ein 'Vati-
cinium post euentum' gemacht; die handschriftliche Lesart (posteri
nuteni videnfur aeternitatem habere, von modum) enthält vielmehr eine
höhnische Bemerkung gegen die Nachkommen des Kaisers Probus
(s. meine Untersuchungen S. 47 f.), als welche übrigens die gegen das
Ende des vierten Jahrhunderts blühenden Petrouii Probi gar nicht
nachgewiesen werden können. Der Nachtrag zu den trig. tyr. 31, 7 ff.
läfst sich besonders durch sprachliche Übereinstimmungen für Trebellius
wieder gewinnen, deren Zahl Wulffliu (n. 38 S. 537 f.) noch vermehrt
hat; die V. Opilii Macrini wird überhaupt anders zu behandeln sein,
als es Mommsen gethan hat.
In einem weiteren Kreise bewegt sich die vierte Abhandlung von
Klebs (n. 18); denn nachdem unterdes Seeck mit Entschiedenheit Dessaus
Sache verteidigt hatte, will er nun auf Grund seiner fortgesetzten ein-
gehenden Studien im allgemeinen die Frage beantworten 'Ist die ganze
Sammhuig echt oder eine Fälschung?' und zwar in der Weise, dal's er
ihre gesarate litterarisclie Beschaffenheit untersucht und aus ihr die
Unmöglichkeit der Entstehung durch einen Fälscher ableitet. So hält
er in der Einleitung Dessaus Verurteilung entgegen, dafs die "Wid-
mungen von Viten des ersten Teils (bis Gordian III) an die Kaiser
Diocletian und Constantin gerichtet seien, die des zweiten an Privat-
personen, und dafs die Verfasser und Widmungen innerhalb jenes bunt
durcheinander gewürfelt seien, ferner die Beziehungen auf gleichzeitige
Persönlichkeiten und Ereignisse bei Trebellius und Vopiscus, das Fehlen
schwindelhafter Citate in den Viten von Hadrian bis Caracalla, des
Merkmals von Fälschungen, die blol's der Lust am Lügen ihr Dasein
verdanken, und das Nichtvorhandensein eines jeden bestimmten Zweckes
Scriptores historiae Augustae. 129
der Erdichtung-, die Verschiedenheit der Verfasser in der Auffassung
des Verhältnisses zum Senat und zu einzelnen Kaisern, die Berichtigung
von Irrtümern innerhalb der Samn)lung u. a. Noch gröfsereu Wert
aber besitzen die Einzeluntersuchungen, zu welchen sich Klebs S. 15
wendet. Er leugnet einerseits die nahe Verwandtschaft nicht ab, welche
in der Art der Darstellung und Behandlung des geschichtlichen Stoffes,
in Stil und Sprache" alle Biographieen vereint, aber er erklärt sie
richtig durch die Macht der Nachahmung im Altertum, welche kleine
Geister nicht zur Selbständigkeit aufkommen liels, zumal einer so aner-
kannten Autorität wie Sueton gegenüber, und entwickelt darauf im
einzelnen, wie die Scriptores den Aufbau der Biographie und die Art
der Charakteristik von ihm herübernahraen, auch gewisse sprachliche
Wendungen und Worte, und wie Trebellius und Vopiscus sogar einen
'auus' und der letztere noch einen 'pater' als Zeugen erdichteten, weil
Sueton solche citiert hatte. ^) Noch enger werden sie sich, so weit
es anging, an Marius Maximus, dessen Werk sich bis Heliogabal er-
streckte, angeschlossen haben, und so darf es nicht wunder nehmen,
dafs die Biographieen der Kaiser von Hadrian bis Opilius Macr. oder
Heliogabal eine Gruppe für sich bilden, welche sich als solche von den
folgenden deutlich abhebt. Daher ist Klebs durchaus methodisch ver-
fahren, wenn er, um die Eigenart der Scriptt. zu schildern, mit dem
letzten angefangen hat; wie über sein litterarisches Eigentum vor
Dessau nicht gezweifelt worden ist, so hat er am ehesten seine Per-
sönlichkeit hervortreten lassen können, da er den seiner Zeit am nächsten
liegenden Stoff bearbeitete. Für Vopiscus betont also Klebs namentlich
die Nachahmung des Trebellius, die rhetorische Schwärmerei für die
Senatsrechte und die Unvererblichkeit der Herrschaft und die Stellung
zum Christentum ; vorzüglich gelungen aber ist ihm der Nachweis seiner
sprachlichen Besonderheiten, der mit aufseror deutlicher Belesenheit und
einer Beobachtungsgabe geführt ist, die ihn Wölfflin würdig zur
Seite stellt. Diesen Abschnitt rechne ich zu dem ertragreichsten, was
über die Sprache der h. A. geschrieben worden ist. Er beginnt mit
der Nachahmung Ciceronianischer Perioden, für welche er einige treffende
Beispiele giebt, zählt dann eine ganze Reihe weiterer Eigentümlich-
keiten auf, zeigt, wie er die Kunstmittel der Rhetorik viel geflissent-
licher ausgenutzt habe, als irgend ein anderer der Scriptores, die Wort-
spiele namentlich mit Personennamen, die Allitteration in mehrfacher
Form u. a., und ergänzt endlich diese Darlegung durch eine Zusammen-
M Auf dieselbe Vermutung war gleichzeitig Wölfflin S. 537 gekommen.
Andere ähnliche Fälle siehe in meinen Untersuchungen S. 238.
Jahresbericht für AUerthumswissenschaft. LXXVII. Bd. (.1893. II.) 9
130 Scriptores historiae Augustae.
Stellung vou Redewendungen der übrigen Scriptt., welche Vopiscus
fremd sind.
Es folgt Trebellius PoUio (n. 18 S. 515 ff.); auf seinen scharf
ausgeprägten politischen Charakter hatte er schon anderweit hingewiesen,
jetzt bringt er für seineu Sprachschatz die nötigen Beispiele bei und
knüpft daran mehrere feine Beobachtungen über kleinere Verscliieden-
heiteu von seinem Nachahmer Vopiscus. Von dem ersten Teil der h. A.
gehören nach seiner Ansicht dem Spartian aufser den handschriftlich
bezeugten Viten, denen des Hadr., Did., Sev., Oarac. und AI., noch die des
Pius, Marcus, Verus und Pertinax (in den Hdschrr. dem Capitolinus)
und die des Commodus (in den Hdschrr. dem Lampridius), dem Capito-
linus die des Clod., Opil., der Maxim., Gord. und des Max. und Balb.
(so auch in d. Hdschrr.), ferner die des Pescenn. (in d. Hdschrr. dem
Spart.) und mit dem Zugeständnis, dafs sie von den für Capitolinus
charakteristischen Eigenheiten wenig aufweist (S. 533) die des Geta
(in d. HdschiT. unbestimmt, s. m. Unters. S. 25 f.), dem Lampridius
die des Heliog., Alex, und wohl auch Diad., dem Vulcacius die des
Ävidius. Auch hier arbeitet Klebs wieder mit reichem sprachlichen
Material, obwohl es nicht die gleiche Beweiski'aft besitzen kann wie
bei Trebellius und Vopiscus, da wenigstens die Viten bis Heliogabal
sich alle an Marius Maximus (direkt oder indirekt) und an eine kürzere
Kaiserchronik inhaltlich und sprachlich anlehnen. Diese Beschränkung
erkennt Klebs selbst an (S. 520). Trotzdem aber gebührt ihm ganz
unzweifelhaft das Verdienst, die Existenz von sechs verschiedenen Schrift-
stellern erwiesen und wenigstens für den grölseren Teil der Viten die
Autorschaft der handschriftlich bezeugten Namen bestätigt zu haben.
Manche Bedenken gegen dieselbe eiiedigen sich, sobald man nach den
Anreden der Kaiser die schriftstellerische Thätigkeit des Capitolinus
in eine Diocletianische und Constantinische teilt; Klebs hat, um sie
ganz in die Regierung des Constantinus zu verlegen, sowohl in der V.
des Opil. als in der des Pescenn. den Namen des Diocletian in den des
Constantin ändern müssen. Vielleicht erklären sich aus dieser zwei-
fachen Abfassuugszeit auch manche Ähnlichkeiten, welche ilm bestimmt
liaben, vier nach den Hdschrr. Capitolinische Viten dem Spai'tian zuzu-
schreiben; die Anfänge der rhetorischen Redeweise, welche den V. Maxim.
— Max. et Balb. charakteristisch ist, hören wir schon aus der V. Marci
heraus (s. Klebs S. 521). Die gewichtigsten Gründe sprechen gegen
den Namen des Spartianus über der V. Pescennii; das Bild, welches
uns aus ihr entgegentritt, will zu dem aus seinen bezeugten Viten gar
nicht recht stimmen; -z. B. hat er sonst nii-gends Aktenstücke eingefügt;
aber trotzdem kann ich mich noch nicht mit Klebs für Spartian ent-
scheiden : ich vermisse in ilir Citate sowohl des Cordus als des Herodian,
Scriptorcs historiae Augustae. 131
welche sich sonst in allen Viten der Constantinischen Reihe des Capi-
tolinus finden, und bin durch die Gegenbemerkung von Klebs (S. 527)
noch nicht beruhigt.
Durch diese Abhandlung ist zugleich die Vermutung Mommsens
(S. 246 ff.) zu Falle gebracht, der sich noch Wölfflin zum Teil angeschlossen
hatte, dafs die Nebenviten alle von den Diaskeuasten entweder aus den pri-
mären zusammengestoppelt oder gefälscht seien; gewil's stehen sie au
historischem Wert weit hinter den übrigen zurück, indes enthalten sie
mehrere glaubwürdige Nachrichten allein und fügen zu anderen die
Quelle hinzu, welche in den primären fehlt (s. m. Unters. S. 80 ff.).
Wölfflin (n. 38) hat den Schwerpunkt seiner Untersuchung aus-
drücklich auf den sprachlichen Teil gelegt (S. 468) und von der sprach-
lichen Analyse aus entwickelt, 'dafs die sechs Schriftsteller nicht nur
unmöglich in eine Persönlichkeit zusammengefafst werden können, sondern
auch, dafs sie nicht von gleichem Wert sind.' Zur Erklärung der
nicht zu bestreitenden Gleichföraiigkeit der Sprache hält er die allge-
meine Nachahmung Suetons und die besondere des Trebellius durch
Vopiscus sowie die bei ihnen schon um sich greifende romanische Auf-
lösung für genügend, alles dies mit vollem Recht, während ich die S. 472
behauptete 'Umgangssprache' für Vopiscus überhaupt nicht, für Tre-
bellius nur zum Teil gelten lasse, auch die Benutzung der Vorgänger
durch Lampridius (S. 476) nicht für erwiesen erachte. Wie Klebs warnt
aber auch er davor, diese Gleichförmigkeit allzu weit auszudehnen,
widerlegt aus dem reichen Schatz seiner Sprachkenntnis die übertriebenen
Aufstellungen Dessaus und geht dann dazu über, die Besonderheiten
zuerst des Trebellius Pollio zu schildern, seine allgemeinen Anschau-
ungen, seine rhetorische Bildung und Kenntnis der Geschichte, sein
Verhältnis zum Kaiserhaus und die durch seine Darstellung sich hindurch-
ziehende Claudiuslegende; daran schliefst sich eine gleiche Behandlung
seines 'Fortsetzers und Nachahmers", des Flavius Vopiscus, dem auch
noch eine sehr wertvolle Beilage gewidmet ist, welche die Phraseologie
dieser beiden Scriptt. miteinander vergleicht (S. 529 — 537) und es voll-
ständig begreiflich macht, dafs sich Trebellius und Vopiscus zu einer
Gruppe vereinen, die übrigens auch in mehreren äufserlichen Dingen
(Klebs n. 18 S. 30 f.) zu den anderen in Gegensatz tritt. Von dem
vierten Kapitel ('Die Aktenstücke des Tr. und V.') wird in unserem
dritten Abschnitt die Rede sein; das fünfte (S. 511 — 529) ist betitelt
'Vop. als Herausgeber und Redaktor der Sammlung', darin nicht genau,
als es die Viten des Capitolinus und Lampridius von dieser Verarbeitung,
die zwischen 308 und 315 erfolgt sein soll, ausnimmt und in den Be-
reich seiner Untersuchung auch von den übrigen zunächst nur die des
Spartian hineinzieht. Dafs namentlich in den zwei ersten Dritteln der
9*
132 Rcriptorcs )li!^toriae Augustae.
h. A. (bis (-rordiau III) viele Sätze durch einen imrichtigea Platz den
Zusanimeuhang stören, ist unschwer zu erkennen, und so habe ich die
nach meiner Meinung unzweifelhaftesten in meiner zweiten Ausgabe
ilurch Winkelklammern (< >) bezeichnet. Von diesen schreibt Wölfflin
den gröfsten Teil nebst einer Anzahl anderer dem Vopiscus zu und
ebenso die Hinzufügung der unter dem Namen des Spartian gehenden Neben-
viten, der V. des Ael., Geta und Fescenn. ; die letzte sei die IJberarbeitung
einer älteren Vorlage, die beiden anderen aber seien durchaus sein
eigenes AVerk, wie sprachliche Übereinstimmungen und die rhetorischen
Ergüsse lehrten. Allerdings kann er dies Ergebnis nur durch die ge-
waltsamen Mittel aufrecht erhalten, dafs er die Anrede zu Anfang der
V. Getae ^Constanthie' in 'Diocletiane' verwandelt , und Seuer. c. 20 f.
als Zusatz ausscheidet, weil Spartian sonst in seinen Kaiserbiographieen
(Hadr., Did., Seu. und Carac.) den Diocletian nicht anrede, wie dies
hier c. 20, 4 geschieht. Auch die Worte des Vopiscus Bonos. 15, 10
supersunt mihi Garus, Carinus et Numerianus, nam Diodetianus et qui
secuntur stilo maiore dicendi sunt sind nicht richtig verstanden. Wölfflin
(S. 511) meint, Vopiscus habe damit seine Absicht öffentlich kund ge-
geben, das Leben des Diocletian und seiner Mitkaiser zu beschreiben,
und wenn er Gar. 18, 5 eine solche Aufgabe mit Entschiedenheit ab-
lehne, so habe ihm solche Änderung ein Wink von oben eingegeben,
und daher habe er sich der Darstellung der früheren Kaiser zugewandt.
Allein jene erstere Stelle besagt offenbar ganz dasselbe wie die zweite,
nur mit geringerer Bestimmtheit (s. m. Untersuch. S. 21), und der
Ausgangspunkt der Wölfflinschen Vermutung wird dadurch hinfällig.
Aufserdem beschränken sich die Anzeichen einer Redaktion nicht auf
Spartian sondern erstrecken sich zugleich auf die Viten des Capitolinus
und Lampridius, die auch nach Wölfflin später als Vopiscus geschrieben
haben, sodafs also noch eine zweite Hand bei der Zusammenstellung
des Gorpus thätig gewesen sein müfste; die sprachliche Begründung,
durch welche er seine Ansicht zu stützen gesucht hat, ist von Klebs
(n. 17 8. 542 ff.) zerstört worden. Ich glaube einfacher diese Frage
dadurch erledigt zu haben, dafs ich den spätesten der Scriptt., Capito-
linus, zum Schlufsredaktor machte ; Einschiebsel in Viten des Lampridius,
die durchgeführte Gräcisierung der Kaisernamen Caracallus und Helio-
gabalus, die Anfügung eines Abschnittes an die V. üpilii, welche der
ersten Periode der schriftstellerischen Thätigkeit des Capitolinus ange-
hört, aus dem in der zweiten zu Grunde gelegten Herodian erheben
dies wenigstens zu einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit (Unters.
S. 146 f.). Dafs der Sclilulsredaktor jedenfalls sich nicht mit der
blofsen Auswahl aus den Werken mehrerer Verfasser und der Abschrift
der gewählten begnügt hat, erhellt aus allgemeinen Erwägungen und
Scriptores histoi iac Augustae. 1 33
besonders aus der sonst nicht erklärlichen Komposition der V. des
Marcus, Severus und Pescenuius, in welchen auf das mit der Anrede
des Diocletian auch stofflich zu einem gewissen Abschlufs gebrachte
Werk noch ein Abschnitt mit vielen Wiederholungen folgt (Unters.
S. 124 ff., 140 ff).
Mein eigenes Buch (n. 29), dessen Erscheinen durch den Setzer-
streik verzögert worden ist, ist durch die Aufsätze Dessaus, Mommsens
und Seecks insofern veranlafst worden, als ich mich entschlofs, ziun
Teil ältere Untersuchungen in ihrem ganzen Umfange zu veröffentlichen,
während ich früher nur die Ergebnisse gelegentlich in einem grölsereu
Werk hatte vorlegen wollen. Die erste Hälfte der vierten Abhandlung
von Klebs (n. 18) und die von Wölffiin sind erst erschienen, als ich
mit den meinigeu bereits fertig zu sein glaubte, doch kamen sie noch
zeitig genug, um das Manuskript teilweise umzuarbeiten und dm-ch sie
die Begründung meiner Ansichten zu vervollständigen, mehreres auch
zu kürzen, da ich mich auf jene beziehen konnte. Die Form der Polemik
ist auf die fünfte Untersuchung eingeschränkt, sonst habe ich mich be-
müht überall den gesamten Thatbestand der alten Überlieferung vorzu-
legen und von ihm aus meine Schlüsse zu ziehen. Dafs sich dabei häutig
Gelegenheit geboten hat, namentlich von Seeck beanstandete Stellen
wieder in die Diocletianisch-Constantinische Zeit zurückzuverlegen, war
natürlich; aus vielen Beispielen greife ich nur eins heraus. Die
Gleichung Heliog. 24, 3 *idem numquam minus centum sestertiis cenauit,
hoc est argenti libris triginta' hatte Mommsen (S. 243) dadurch erklärt,
dafs Lampridius den Sesterz mit dem Diocletianischen Denar verwechselt
habe, Seeck (S. 629 f.) dadurch, dafs der Fälscher um die Wende des
vierten Jahrhunderts zum fünften 'aus Unkenntnis' den Sesterz auf die
Hälfte des Denars berechnet habe; mit dem, was er aus seinen gründ-
lichen Münzstudien zur Widerlegung seines Vorgängers beibringt, hat
er gewils das Richtige getroffen, ist dann aber, wo er auch diese Stelle
zur Begründung der späteren Entstehung verwerten will, recht will-
kürlich verfahren. Die Sache verhält sich so, dafs die Berechnung
nach einer Tabelle, welche für die Zeit vom ersten punischen Krieg
bis auf Nero galt, gefertigt worden ist; nach einer solchen waren
100 000 Sesterzen genau gleich 30 Pfund, so dafs bei Lampridius nur
die Zahl von 10 000 Sesterzen oder von 300 Pfund einzusetzen ist.
Eine andere verkehrte Anwendung eines veralteten antiquarischen Hand-
buches habe ich in der V. Opil. 7, 2 aufgedeckt (S. 28 f.), auch
Senatsberichte sind von Vopiscus nach republikanischem Muster gefälscht
worden (S. 226 f.).
In diesen ersten Abschnitt meines Berichts gehört die erste und
die sechste Untersuchung. Jene ('Persönlichkeit, Plan und Zeit' S. 1 — 49)
J34 Scriptores historiae Augustae.
entvs'ickelt, meist bekanntes wiederholend, die Stellung- der h. A, in der
römischen Litteratur und das Verhältnis ihrer Verfasser zu den beiden
Kaisern Diocletian und Constantin, zum Senat und zum Christentum
(wobei auf die durch die Verschiedenheit der Abfassungszeit bedingten
Unterschiede der Auffassung aufmerksam gemacht wird), die nüchterne
Darstellungsweise in den Viten bis Heliogabal im Gegensatz zu dem
rhetorischen Aufputz des Trebellius und noch mehr des Vopiscus,
welcher mit dem vorgeschobenen Programm der 'Curiositas' wenig
stimmt, und setzt dann, soweit es möglich ist, unter vielfacher Be-
richtigung und Ergänzung von' Richters, Brunners und eigenen Ver-
öffentlichungen die Zeit der Abfassung der einzelnen Viten fest, für
welche S. 49 folgende Übersicht gegeben wird.^) ~
I. Die Diocletian gewidmeten Viten:
September 284—1. Mai 305 Vulcacii Auidius.
1. April 286 — 1. Mai 305 Capitolini Pius*, Marcus, Verus,
Pertinax*, Opilius.
1. März 293—1. Mai 305 Spartiani Hadrianus*, Aelius, Ju-
lianus*, Seuerus, Pascennius, Caracallus*.
II. Die Freunden gewidmeten:
Um 298 — 303 Trebellii Valeriani, Gallieni, triginta tyranni,
Claudius.
1. Mai 305 — 25. Juli 306 Vopisci Aurelianus, Tacitus.
Gegen 307 Vopisci Probus, Fii-mus etc.
Vopisci Carus etc. bis Mai 311 (oder 3. Dezember 316).
in. Die Constantin gewidmeten:
Kurz nach 324 oder 325 Lampridii Commodus*, Geta, Diadu-
menus*, Heliogabalus, Alexander.
Capitolini Clodius, Maximini, Gordiani, Maximus et Balbinus.
Die sechste Untersuchung ('Über die augebliche Entstehung der
h. A. durch Fälschung in der Zeit Theodosius' des Grofsen' S. 242—259)
fafst einerseits die mannigfachen Verschiedenheiten zusammen, welche
zwischen den Viten und Verfassern bestehn und die nur einem über
die Mafsen raffinierten und in der Geschichte bewanderten Fälscher zu-
zutrauen sein würden, in der Aussprache über die Thronfolge, die
Stellung zum Senat und die Verehrung der Antonine, in der Benutzung
von Vorlagen, in dem Programm der Schriftstellerei , in der Art der
') Die Sterne bedeuten das Fehlen sicherer Merkmale für die Be-
stimmung.
Scriptores historiae Augustae. 135
Fälschung der Urkunden, namentlich der Senatus consulta (8. 225 ff.),
vor allem in der Sprache. Die 'groben Schnitzer und der 'Blödsinn',
welchen Seeck in gewissen Stellen aufgestochen haben wollte, waren
meist schon bei früheren Gelegenheiten beseitigt worden, sodals nur wenige
Stellen, die nach seiner Meinung nicht in die Zeit des Übergangs vom
dritten Jahrhundert zum vierten pafsten, noch der Klarlegung bedurften
und schlielslich behauptet werden konnte, dafs keine derselben ein Jahr-
hundert später geschrieben sein müsse, viele nicht um diese Zeit ge-
schrieben sein könnten, und dafs sich damit zugleich die Annahme
einer zweiten, Theodosischen Diaskeuase erledige (s. ob. S. 126). Dafs
ein glaublicher Zweck der Fälschung noch nicht angegeben sei, war
vorher schon eingewandt worden, auch dafs die Claudiuslegende noch
nicht das letzte Stadium ihrer Entwicklung erreicht habe sondern sich
noch in demjenigen befinde, welche etwa für das J. 310 auch sonst
bezeugt sei. Über die Anreden der Kaiser ist S. 253 ff. gehandelt
worden, um sie als für Diocletian und Constantin wohl passend zu
erweisen.
Der letzte, der sich in dieser Frage ausgesprochen hat, ist
Dessau (n. 5), der aber weder von meinem Buch noch von der zweiten
Hälfte des letzten Aufsatzes von Klebs bei der Abfassung des seinigen
Kenntnis haben konnte. Hauptsächlich ist es ihm darum zu thun, die
Einwände, welche früher Klebs erhoben hatte, zu widerlegen. Er weist
daher in dem ersten Teil (S. 561 — 590) noch einmal kurz auf die
Spuren hin, welche auf die Valentinianisch-Theodosische Zeit (etwa 380
— 395) hinführen (s. ob. 123 f.), und stellt den Angaben, welche Trebellius
und Vopiscus über die ihrige machen, die Schwierigkeiten gegenüber,
welche aus den Prophezeiungen erwachsen, die zu Gunsten des Con-
stantinus in einem Gebiet niedergeschrieben sein wollen, welches gar
nicht innerhalb des Machtbereichs dieses Regenten lag; die Schmeichelei
hätte also nicht allein ihr Ziel nicht erreicht sondern hätte auch dem
Verfasser höchst gefährlich werden können. "Was Klebs hiergegen vor-
gebracht habe, sei für ihn nicht durchschlagend gewesen. Weiter aber
erklärt er den Gesamtinhalt der h. A. für unvereinbar mit der früheren
Zeit, namentlich die Darstellung der Regierung des Carus und seiner
beiden Söhne (282 — 284), über welche 20 Jahre später ein Biograph
jedenfalls viel mehr hätte ei'fahren können, als Vopiscus mitteilt, und
versucht es, Beweggründe, 'weshalb die Biographen für ihre Fälschungen
die von ihm behauptete Einkleidung gewählt hätten' (S. 572), unter
Vergleichung des 'Diktys' und 'Dares' und italienischer Inschriftenfälscher
zu entwickeln. 'Der oder die Verfasser' hätten von Anfang an gar
nicht die Absicht gehabt eine Fälschung zu liefern, wie sie uns jetzt
vorliege, erst während der Arbeit wären sie durch ihre Schwierigkeiten,
"I 36 Scriptores hlstoriao Augustae.
besonders den Stoffmang-el dazu s"edrängt worden, Geschichteu, Urkunden
und Gewährsnüinner zu erfinden und hätten nun, um 'nicht als Schwindler
erkannt zu werden', unter Verzicht auf Autorruhm sich entschlossen,
sie unter falschen Namen zu veröffentlichen und darauf ohne Scheu
sich jede Erfindung- erlaubt. Die dem Claudius über seine und seiner
Nachkommen Regierungsdauer geg-ebenen Prophezeiungen (Claud. 10)
hält Dessau für das Werk des nämlichen Verfassers, der auch in anderen
Viten die Äneis als Stechbuch habe befragen lassen, weil die antwortenden
Verse aus den gleichen Abschnitten (derJ^eriieilsung des Anchises an
Äneas VI 759 — 883 und des Juppiter an v enus im 1. Buch) stammten,
und meint, dafs die Verherrlichung der Kaiser ein beliebter Gegenstand
in den Rhetorenschulen gewesen sei und Claudius^ also recht gut auch
100 Jahre später hätte gelobt werden können. Die Geschicklichkeit
der Fälschung sei endlich gar nicht so hoch zu schätzen, wie mau es
gewöhnlich thue. Der zweite Teil (S. 590 — 605) will nochmals die
Annahme begründen, dafs die Fälschung von einer Hand herrühre.
Neu ist hier die Beobachtung, dafs in verschiedenen Gruppen von Viten
dem Kaiser sein Schicksal durch Virgilverse, w'elche 'derselben Stelle'
entnommen seien, voraus verkündet würde, während sich sonst diese
Sitte der Schicksalsbefragung erst um das Jahr 400 finde; sonst be-
schränkt sich Dessau darauf die Ergebnisse von Klebs abzuweisen,
namentlich die Nachahmung des Trebellius durch Vopiscus, und leitet
die von seinem Gegner ermittelten Sprachverschiedenheiten, welche
er 'nur zum kleinsten Teil' für zutreffend erachtet, aus der wörtlichen
Herübernahme der Vorlagen ab, indem er sich die Sammlungen Wölflflius
zu nutze macht, nach welchen sich auch in den Viten anderer Verfasser
Spuren von der Sprechweise des Vopiscus fänden, natürlich ohne sich
dessen weitere Folgerungen anzueignen.
Ich kann indessen nicht sagen, dafs diese Darlegungen Dessaus
in irgend einem wichtigeren Punkte meine Ansicht erschüttert hätten.
Wenn er z. B. vermutet, dafs die Düj-ttigkeit und der (Charakter der
Nachrichten über Carus, Carinus und Nuraerianus nicht denkbar sei
20 Jahre nach dem Tode des Carinus (S. 567), so ist dem entgegen-
zuhalten, dals eben Vopiscus, da er noch bei Lebzeiten des Diocletian
schrieb, nichts mitteilen wollte, was seinem Kufe hätte schaden können,
also auch nicht, dafs Carinus in der Entscheidungsschlacht ihn erst
besiegt habe, und dafs er alle jene schmutzigen Klatschgeschichten über
den Vorgänger (übrigens unter Berufung auf Onesimusj, obwohl sie
nicht wahr waren, auftischt, um so den Diocletian zu heben, v/ie zu
Ehren des Claudius Trebellius den Gallienus zu einem ganz und gar
verkommenen Fürsten erniedrigt hatte (s. m. Unters. S. 177). Die Er-
wägungen, was Vopiscus zur Ermittlung einer kurz vergangenen Zeit
Scriptores historiae Augustae. 137
hätte tliun müssen, sind aus modernen Anschauungen entsprungen und
entsprechen nicht den Anforderungen, welche ein antiker Geschicht-
schreiber an sich stellte. Auch den Satz bestreite ich: 'Alles drängt
zu der Annahme, dafs die Biographieen einer Zeit angehören, in der
jede Erinnerung, jede Tradition aus der geschilderten Epoche versiegt
war': man vergleiche die in unseren Tagen vorhandene 'Erinnerung und
Tradition' 20 Jahre älterer Ereignisse! Ferner kann Dessau die
Prophezeiung ewiger Regierungsdauer in dem Virgilverse Hü ego nee
meias rerum nee tempora ponam (Ciaud. 10, 5) nicht ableugnen , sucht
sie aber dadurch abzuschwächen, dafs er den Autor 'einfach nicht über-
legt" haben läfst, 'was die Leser bei den Worten nee tempora ponam
denken würden', und stellt ihr das erste Orakel (§ 3) entgegen, in
welchem drei G-eschlechtern der Thron zugesagt würde, ein zumal bei
der Unsicherheit der Lesart des letzteren sehr bedenkliches Verfahren;
auch der Grund, dafs es 'in all diesen angeblich von verschiedenen
Autoren herrührenden Biographieen dieselbe Vergilstelle' (er meint
Aeu. VI 759 — 883) sei, die für diesen Zweck ausgebeutet werde
(S. 593), geht von einer unrichtigen Annahme aus; zunächst ist es nicht
eine Stelle, sondern es sind, wie er selbst S. 584 angegeben hatte,
ihrer zwei, und zwar sind eben in dem hier zur Frage stehenden
Kapitel sogar zwei Prophezeiungen aus dem ersten Buch entlehnt;
gerade diese beiden virgilischen Verheifsungen eignen sich für den Zweck
einer derartigen Befragung, zu anderen sind in der h. A. auch andere
Stelleu aus Virgil verwertet. Einwandfreie Spuren einer späteren Zeit
hat er endlich nicht aufweisen können; die S. 587 f. aufgezählten haben
schon in meinem Buche eine andere Deutung erfahren, welche sie mit
der Diocletianisch-Constantinischen in Einklang bringt.
II. Das Verhältnis der h. A. zu den Quellen und die
Komposition der Viten.
Bekanntlich sind wii' io der glücklichen Lage, eine der Vorlagen
der h. A. noch zu besitzen, den von ihr mehrfach genannten Herodian,
und es liegt nahe genug, einen Vergleich mit ihm zum Ausgangspunkt
der Untersuchung über die Arbeitsweise der h. A. zu machen. Dafs es
nicht durchweg geschehen ist, dafs man lieber dem erhaltenen Herodian
den verlorenen Marius Maximus vorgezogen hat, begreift sich nur aus
der Art, wie heutzutage 'Quellenuntersuchungen' oft geführt werden;
um gewisse allgemeine Sätze auf den einzelnen Fall übertragen zu
können, findet man es natürlich bequemer, mit einer unbekannten, be-
liebig zu gestaltenden Gröfse zu rechnen. Ich habe mich daher in
meiner zweiten Untersuchung (S. 49—102) hauptsächlich mit dem Ver-
138 Scriptores historiae Augustae.
bältnis der h. A. zu Herodian beschäftigt und bin auch deshalb weiter,
als es vielleicht manchem nötig erscheint, auf das Einzelne eingegangen,
da es zugleich galt die Meinung beseitigen, dafs er durch Vermittlung
des Dexippos benutzt sei. Die Parallelberichte in den drei Werken
des Capitolinus Maxim. — Max. et Balb. , welche mehrfach dieselben
Ereignisse berichten, dienten zu einer wesentlichen Unterstützung, und
so wurde denn ermittelt, dafs der Biograph in ihnen denselben Ab-
schnitt des Herodian verschieden wiedergiebt, bald mehr bald minder
ausführlich, und dafs er ihn durch Einschiebsel, kleinere und gi"ölsere,
ergänzt; Ungenauigkeit und Flüchtigkeit ist ihm überhaupt eigen und
zwar um so mehr, je knapper er ihn zusammenfafst, aber auch eine
gewisse Selbständigkeit, die eine wörtliche tJbei-setzung meidet und
durch Übertreibung und Erweiterung den rhetorischen Griechen nocli
zu überbieten trachtet (s. auch Mommsen S. 262 ff.). Dies Ergebnis
pafst indes insofern nicht auf die Benutzung lateinischer Vorlagen, als aus
solchen ungescheut mit der Thatsache auch die Form, in welche sie
gekleidet war, entnommen wurde, was eine Anzahl von Vergleichsstellen
sowohl gegenüber dem Marius Maximus als gegenüber einer ebenfalls
verlorenen aber mit Hilfe des Eutrop, Aurelius Victor, Rufus und der
Epitome rekonstruierbaren Kaiserchronik unwiderleglich beweist. Allein
sogar in diesem Falle sind die Scriptt. nicht einem einzigen Autor
sklavisch gefolgt, sie haben auch hier kompiliert und kontaminiert.
Dafs sie dies wirklich selbst gethan haben und dafs ihre Ver-
sicherung, aus 'mehreren' Büchern zusammengeschrieben zu haben, nicht
aus der Luft gegriffen ist, habe ich durch Prüfung der Komposition
der Viten in der dritten Untersuchung (S. 102—153) weiter auszuführen
und zu begründen versucht und nun auch den Marius Maximus hinein-
gezogen. Von der Anordnung seiner Biographieen ein Bild zu ge-
winnen, mufste hier die erste Aufgabe sein.
Die Fragmente lehren, dais er viel breiter erzählte als Sueton
und ganze Urkunden einreihte (Plew n. 31 S. 28 f.); dafs er aber
mit der Anordnung in die Fufstapfen seioes Vorgängers trat, läfst sich
aus des Capitolinus V. Pii erkennen, die ganz nach des letzteren Muster
gearbeitet ist, aber durch ungeschickte und schiefe Fassung einzelner
Nachrichten verrät, dafs Capitolinus ihr Verhältnis zu der Rubrik, in
welcher sie steht, nicht erfalst hat. Eine wesentliche Änderung hat
Marius Max. mit seinen Anhängen eingeführt, welche teils eine Art
Urkundenbuch entliielten (Pesc. 15,8), teils vielleicht kritische Nach-
träge verschiedener Art und von mehreren Scriptt. nachgeahmt worden
sind (jene in der V. Tac. Com. u. a., diese in d. V. Max., Max. et
Balb., Gall.). Im Gegensatz zu der V. Pii, welche das Vermögen des
Capitolinus nach einer Vorlage eine Biographie zu schreiben zeigt,
Scriptores historiae Augustae. 139
werden darauf die Nebenviten besprochen; für sie fehlte es an der
einheitlichen Grundlage, welche bei den Kaiserbiographien bis Heliogabal
die Arbeit so wesentlich erleichterte (Marius Max, hatte die der Tyrannen,
Mitherrscher und Cäsaren in jene eingeflochten), und wenn gerade sie
sich abheben wie durch Dürftigkeit echten Stoffes so durch eine die
Klarheit der Ordnung verwirrende Aneinanderreihung verschieden-
artiger Stücke, so folgt daraus entweder, dafs schon ihre Vorgänger
kontaminiert haben oder dals sie es selbst gethan haben. Gegen die
erstere Annahme konnten mehrere Gründe geltend gemacht werden,
und so wiederholte sich hier das Ergebnis, dafs im allgemeinen den
Scriptt. das Streben und das Vermögen, mehrere Vorlagen zusammen-
zuarbeiten, nicht abzusprechen sei, wie sie dies ja auch selbst als ihr
Progamm hinstellen. Dies gab den Mafsstab der Beurteilung der Kaiser-
biographieen ab, die deutlich teils aus einem einfachen Grundstock mit
kleineren Einschiebseln bestelm, teils aus umfangreicheren Abschnitten
verschiedenen Ursprungs. Doch wollte sich in die allgemeinen Grund-
sätze die Komposition von 3 Viten (des Marcus, Severus und Pescennius)
nicht fügen, und da in ihnen auch andere Anzeichen die Hand eines
Schlafsredakteurs verrieten, so wurde auf dessen Rechnung die Ein-
fügung auch gröfserer Stücke gesetzt, der Abschlufs der ganzen Sammlung
aber nicht über das Jahr 330 hinausgeschoben.
Als ein besonders lehrreiches Beispiel für die Komposition dieser
Biographieen und die Art ihrer Quellen hat Klebs (n. 15) die Vita
des Avidius Cassius einer einschneidenden Behandlung unterzogen und
in ihr mit Recht zwischen zwei verschiedenartigen Teilen unterschieden.
Den einen, besseren (6, 5—9, 4) führt auch er auf Marius Maximus
zurück, jedoch nicht unmittelbar, sondern durch Einschiebung eines
Auszuges, den er auch anderen Abschnitten der vier ersten Scriptores
zu Grunde legt, ohne indes die direkte Benutzung des Originals über-
haupt in Frage stellen zu wollen; doch erklärt er nicht alle Nachrichten
für das Eigentum des Marius Max., sondern nimmt noch eine von ihm
unabhängige kurze Kaiserchronik als Quelle an, wie ja auch neben dem
viel autoritativeren Sueton eine selbständige Überlieferung bestanden
habe. In der anderen Hälfte sieht er die freie Phantasie eines Rhetors
über das Thema 'Avidius Cassius, der strenge, republikanische Staats-
mann, und Marcus, der milde Philosoph, auf dem Thron' und vermutet
wegen der vielfachen Übereinstimmung der Fälschungen mit denen
in der V. Diadumeni, dafs sie von dem in der letzteren citierten Lollius
Urbicus herrühren. Dafs wir ihr keinen historischen Wert bei-
zumessen haben, wird nicht bestritten werden können, auch nicht, dafs
der Biograph selbst sie nicht verfafst hat; im einzelnen wird aber
manches anders bestimmt werden müssen (s. m. Unters. S. 191 f.); dafs
140 Scriptores lüstoriae Augustao.
die Charakteristik c. 3, 4 zu dem Bilde seines Fälschers nicht recht
l>asse, räumt Klebs selbst ein (S. 326).
Unbekannt scheint ihm geblieben zu seiu, dafs drei Jahre vorher
schon Xiehues ein Proömium über diese Vita geschrieben hatte (n. 23);
doch würde er schwerlich durch dasselbe Veranlassung bekommen haben,
seine eigenen Erörterungen zu ändern; denn N. dringt nirgends tiefer
iu die Sache ein; dafs c. 6, 5 — 9, 4 auf Marius Maxiraus, die übrigen
Stücke auf andere Autoren zurückgehen, hat auch er gesehen; wenn er
aber schliefst, dafs Vulcacius aufser den citierteu, Quadratus und
Aemilius Parthenianus, auch noch den Älius Cordus gekannt habe und ihm
die Urkunden verdanke, so beruht diese Folgerung nur darauf, dafs
auch dieser derartige eingelegt habe. Andere Gründe enthält auch
sein Proömium über Cordus (De Aelio Cordo rerum Augustarum scrip-
tore commeutatio, Münster, Sommer, 1885) nicht.
Ein verschiedenes Ziel verfolgt Ple w; sein Schulin'ogramm von 1885
(n. 31) soll in seiner ersten Hälfte (S. 3—20) besonders die Auf-
stellungen eines früheren ('Marius Max als direkte und indirekte Quelle
der Scr. h. A.' 1878) gegen die Bemerkungen, welclie ich Philol. XLIIl
S. 167 f. eingewandt hatte, verteidigen; er bestreitet nämlich den Scriptt.
die Fähigkeit, mehrere Autoren zusammenzuarbeiten. 'Sie exzerpieren',
sagt er (Mar. Max S. 21), 'd. h. kürzen ihn (Marius Max); dies ist
ihre einzige Selbständigkeit ihm gegenüber', und da sich damit die Neben-
viten nicht vereinigen lassen, so schliefst er für sie auf eine mittel-
bare Benutzung des Marius Max. und nennt sie das Exzerpt einer
fremden Bearbeitung desselben: 'die Abhängigkeit dieser Skribenten
von ihren Vorlagen könne man sich gar nicht grols genug denken'
(a. a. 0. S. 45). Polemik gehört nicht in einen 'Bericht'; ich begnüge
mich also mit der Angabe, dafs Plew in dem zweiten Programm den
Standpunkt des ersten behaupten will, und denke, ohne das Verdienstliche
seiner Behandlung mancher einzehien Stellen heruntersetzen zu wollen,
durch die zweite und dritte meiner Untersuchungen im allgemeinen die
Unhaltbarkeit desselben dargethan zu haben. Demgemäfs mufs ich auch
«las Endergebnis der Anwendung dieses Grundsatzes in der V. Hadriani
(n. 32) ablehnen. Er bezeichnet sie als das Werk 'der den Marius
Max. sinnlos zerschneidenden Papierschere' und gesteht nur 'wenige
Schnitzel' aus einer anderen Vorlage zu; die Verschiedenheit der Tendenz,
welche die Nachrichten des Spartian scheidet, sei schon bei Marius Max.
vorhanden gewesen (S. 53). Gerichtet ist diese Auseinandersetzung
namentlich gegen Dürr, der ('Die Reisen IJadrians' S. 73—88) zwar
ebenfalls für den Reisebericht eine Mittelquelle zwischen der kaiser-
lichen Autobiographie und Spartian eingeschoben, aber diese als ver-
schieden von dem älteren Biographen angesehen hatte, der nur 'subsidiär'
Scriptoros historiae.Augustae. 141
aufserdem herangezog-en worden sei. Auch hier hat Plew mehrere
scharfsinnige Beiträge für die Erklärung geliefert und mit Recht Marius
Max. einen gröfseren Teil der Nachrichten des Spartian zugesprochen,
als es Dürr wollte (s. Berlin, phlilol. Wochenschr. 1890 S. 850—854);
weiter jedoch kann ich ihm nicht folgen und raufs die Kompilation aus
einer (anonymen) Bearbeitung der Autobiographie des Hadrian und aus
Marius Max. dem Spartian selbst zutrauen (s. m. Untersuch. S. 121 — 124);
freilich wird dieser darum mit der Menge von Widersprüchen und
Wiederholungen in unserer Würdigung nicht eben sehr steigen, und ich
wundere mich, dafs Plew, wenn er in dem zweiten Teil seines Pro-
gramms (S. 20 — 29) den Marius M. gegen TJnterschätzung verteidigt,
nicht selbst den Widerspruch bemerkt hat, in den er dadurch gerät,
dafs er die so ungünstig beurteilte Biographie der h. A. für Ausschnitte
aus jenem hält. ^)
Endlich hat im Zusammenhang mit der Anordnung in den übrigen
Biographieeu der römischen Litteratur Schmidt (n. 34) die der h, A.
p. 46—65 zergliedert. Das dankbare Thema ist mit Fleifs bearbeitet
worden; bei der Ausdehnung des Stoffes ist jedoch auf die Eigentümlich-
keiten der nachsuetonischen Biographie nicht genauer eingegangen woi'den,
und dafs die Abhängigkeit der h. A. von der Suetonischen Schablone
schon Philol. XLIII S. 154—164 dargelegt war, hat der Verf. über-
sehen; eine gründlichere Bekanntschaft mit der einschlägigen Litteratur
hätte ihn wohl auch davon abgehalten, p. 62 — 65 eine neue Ansicht
über die Verfasser der Viten vorzutragen. Dagegen verdient die Wider-
legung der Nissenschen Ansicht, dafs das sog. Monumentum Ancyranum
für Sueton das Muster für die stoffliche Einteilung 'per species' ge-
wesen sei, und die Feststellung gewisser Unterschiede in seinen eigenen
Biographieen, die durch Tabellen veranschaulicht werden, alle Beachtung.
m. Die Glaubwürdigkeit.
Obgleich über die eigene schriftstellerische Fähigkeit der Scriptt.
schon längst ungünstig abgeurteilt worden ist, hatten doch im allgemeinen
die in ihnen enthaltenen Urkunden als ein wertvolles Archiv gegolten
•) Dafs Plew S. 29 die Beziehung der Inschriften bei Borghesi
Oeuvr. V 457 ff. auf eine Person nicht bewiesen sein lassen will, ist Hyper-
kritik; die Übereinstimmung in den Namen und in der Ämterfolge ent-
rückt sie allem Zweifel, wie Klebs in seiner Recension S. 1493 bemerkt
hat, der auch die anderem Ausführungen Borghesis in Schutz nimmt, ab-
gesehen davon, dafs nach der jetzt vollständiger vorliegenden Inschrift von
Ardea (C. I. L. X 6764) L. Mar. Max. Perpetuus Aurelianus nicht nach
seinem zweiten Konsulat das Prokonsulat von Afrika verwaltete, sondern
vor ihm, zwischen 217 und 222.
142 Scriptores liistoriae Augustae.
und zugleich die Darstellung gehalten und gestützt. Dagegen sind bei
den meisten Historikern die Zweifel an der Glaubwürdigkeit gewisser
Nachrichten in demselben Malse gewachsen, als ihre Kenntnis einzelner
Abschnitte der römischen Kaisergeschichte fortschritt, und nur ver-
einzelte, darunter aber sogar Kritiker wie Waddington und Renan,
haben die Echtheit verteidigt. Indes bezogen sich jene Bedenken immer
nur auf einzelne Urkunden, an einer allgemeinen Prüfung und Sonderung
fehlte es noch.
Mit ihr hat Wölfflin (n. 38 S. 498—511 'die Aktenstücke des
Trebellius PoUio und des Vopiscus') den Anfang gemacht. Er teilt
dieselben in zwei Gruppen; die mit talis fuisse dicitur oder fertur, sie,
ita, huiusmodi, auch hic^) eingefülirten stellt er den rhetorischen Er-
zeugnissen des Sallust und Livius gleich; wo sie aber ponere, extare,
inserere vorausschicken oder gar (Vopiscus) exemplum und damit den
Anspruch auf archivalische Forschung erheben, verfallen sie bei ihm
dem 'Vorwurf des Schwindels'. Dann entwickelt er die Tendenz dieser
Aktenstücke, namentlich die der 'ludicia principum', d. h. der An-
erkennung der Tüchtigkeit von Privatleuten, welche später den Kaiser-
purpur getragen haben, als 'post festum fabrizierter Atteste", ferner
das Streben des Vopiscus ,^ seinen Gönnern zu gefallen und die Gröfse
Roms zu heben, und weist auch in der Sprache einer Rede des Ballista
(trig. tyr. 12, 4 — 8) die Hand dieses Biographen nach.
In weiterem Umfange habe ich (n. 29) S. 153—231 das Thema
behandelt und für alle (130) Aktenstücke ein Urteil zu gewinnen ge-
sucht. Da über die Autorschaft des Trebellius und Vopiscus kein
Zweifel für diejenigen bestand, welche nicht mit Dessau und Seeck an
eine Fälschung glauben, und die Persönlichkeit von ihnen sich am
schärfsten ausprägt, so mufste von hier die Untersuchung ausgehen, die
mir durch die sprachlichen Sammlunge)i von Klebs und Wölfflin ganz
wesentlich erleichtert wurde. Die Tendenz also, welche überhaupt die
Darstellung des Trebellius beherrscht, den römischen Namen und den
Kaiser Claudius als den Vorfahren des Constantius zu verherrlichen,
kehrt in seineu Urkunden wieder, ebenso die militärische Nomenklatur
(über welche wir jetzt durch Mommsens ausführliche Abhandlung 'Das
römische Militärwesen seit Diocietian" Herrn. XXIV S. 195—279 zuver-
lässige Kenntnis erhalten haben) und zahlreiche sprachliche Eigen-
tümlichkeiten. Für Vopiscus ist die durch Klebs und Wölfflin festge-
stellte Abhängigkeit von Trebellius verhängnisvoll: wie seine geschichtliche
') Aur. 23, 2 <mvi milites — exposcerent, respondit his: '■Canem' inguit,
negauV etc. ist übrigens his nicht Ablativ, wie Wölfflin S. 504 meint, sondern
Dativ.
Scriptores historiae Augustae. 143
Darstellung-, so tragen auch seine Urkunden durchaus den Charakter
der übertreibenden Nachahmung; hatte jener z. B. nur unbestimmt von
einem Brief behauptet (tyr. 10, 9) quam ego repertam in' authenticis in-
serendam putaui. fuü enim publica, so nennt dieser eine ganze Reihe
von archivalischen Fundstätten und will ein Senatusconsultum in der
Ulpischen Bibliothek 'in armario sexto' gefunden haben (Tac. 8, 1),
wobei es das Geschick so gefügt hat, dafs gerade in diesem die Spuren
eigener Erdichtung recht augenfällig zu Tage treten. Auch den Inhalt hat
Trebellius nachweislich beeinflufst, und die Sprache erstrebt Nachbildung
des Cicero in der Ei'zählung und in den Urkunden. Historische Irr-
tümer bestätigen die Erdichtung, besonders wieder in den militärischen
Bezeichnungen, ferner ein Vergleich mehrerer Urkunden mit der sie be-
gleitenden Erzählung und eine genauere Behandlung von einzelneu
derselben.
An das Paar Trebellius und Vopiscus reilit sich Vulcacius an,
dessen Urkunden von Czwalina (in einer Bonner Dissertation v. 1870)
und von Klebs (n. 15) schon so sorgfältig geprüft waren, dafs ich mich
mit einem Referat begnügen konnte; indes konnte er selbst von der
Erdichtung freigesprochen werden, auch sind die Acclamationes senatus
(c. 13) vielleicht als echt zu retten. Für die Schriftstücke in der Con-
stantinischen Reihe des Capitolinus gewährte der Untersuchung einen
wichtigen Anhalt der Umstand, dafs er in zwei Viten an einer und derselben
SteUe der geschichtlichen Ereignisse völlig verschiedene Fassungen eines
solchen mitgeteilt hat (Max. 16 und Gord. 11., Max. 18 und Gord. 14),
von welchen natürlich nur eine echt sein kann. Als Gewährsmann für
einige Urkunden wird der alberne Junius Cordus genannt, andere deuten
auf einen von ihm zu trennenden Ursprung hin; jedoch in beiden Gruppen
stofsen wir auf schwerwiegende Verdachtsgründe, sprachliche und sach-
liche, und so wird zu vermuten sein, dafs sich nach dem Muster des
Cordus unser Capitolinus selbst in solchem Machwerk versucht hat.
Ahnlich steht es mit des Spartian V. Pescennii, des Capitolinus Opilius
und des Lampridius Diadumenus, welche wegen der Mehrheit der Ver-
fasser einzeln besprochen werden.
Dagegen konnte für die Senatus consulta in des Lampridius V.
Commodi und V. Alexandri, von denen das erstere ausdrücklich auf
Marius Maximus zurückgeführt wird, den einzigen Urkunden in diesen
Viten (abgesehen von einer nicht als solche auftretenden Rede Alexanders
tum nie — ita coepit 53, 5—54, 3) die Echtheit in Anspruch genommen
werden, am bestimmtesten für das erstere durch den Vergleich mit
einer Beglückwünschung der Arvalbrüderschaft aus dem Jahre 213,
während die Senatsberichte bei Vopiscus schon durch das beobachtete
Schema auffallen; denn es ward in ihnen nach dem republikanischen
144 Scriptores historiae Augustae.
Geschäftsgang- verhandelt. Auch die zum Schluis noch zusammen-
gestellten Inschriften und Übersetzungen griechischer Verse ins Lateinische
luulsten sämtlich verurteilt werden.
Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind im einzelnen nur zum
Teil neu — Mommsen, Czv^'alina, Wulff lin, Klebs verdanke ich die
Mehrzahl — , aber ich meine das Verdienst zu haben , sie zum ersten
Mal zu einem Gesamtbilde vereinigt zu haben , in welchem auch das
fremde Eigentum in hellerem Lichte erscheint und überzeugender wirkt,
und so für eingehendere Prüfung der einzelnen Urkunden, wo eine
solche für nötig befunden wird, eine Grundlage geschaffen zu haben.
Wird man deshalb die Scriptt. 'Fälscher' nennen müssen? (s. Unters«
S. 231 — 242.) Nach unseren heutigen Anschauungen Trebellius und
Vopiscus unzweifelhaft, zumal da auch ein Teil ihrer Citate keinen
Glauben verdient, sie z. B. das Zeugnis eines 'auns\ Vopiscus auch noch
das eines Spater erdichtet haben, um nicht gegen Sueton zurückzustehen
(s. ob. S. 129). Jedoch zog sich bei den Alten nicht eine gleich scharfe
Grenzlinie zwischen der Fälschung und der rhetorischen Ausschmückung
hin, und so wird man ohne andere Gründe dies Verdammungsurteil nicht
oluie weiteres auf die einfache Berichterstattung übertragen dürfen.
Günstiger wird jedenfalls das Urteil über Capitolinus zu lauten haben,
der nirgends sich für seine Einlagen archivalischer Herkunft rühmt und
gewifs nicht über die nämliche Seuatssitzung zwei verschiedene Berichte
und von der gleichen Rede zwei verschiedene Fassungen mitgeteilt hätte,
wenn er es auf Betrug abgesehen hätte. Auch der von ihm oft citierte
Alius Junius Cordus, den Mommsen aus der Reihe der wirklichen Bio-
graphen gestrichen hatte (8. 271 f.), wird wieder herzustellen sein. Für
die gröisere Glaubwürdigkeit der Erzählung spricht der Vergleich mit
Herodian, mit Aurelius Victor und Eutrop und mit den Juristen; alle
möglichen Arten der Ungenauigkeit und Flüchtigkeit mag man den
Scriptt., dem einen mehr, dem anderen minder, nachsagen, einer ab-
sichtlichen Fälschung der Thatsachen aber werden sie nicht beschuldigt
werden können, ausgenommen solche Spielereien, wie die Verknüpfung
der Abstammung des Constantius mit dem Gotenbesieger Claudius.
lY. Der Sprachgebrauch.
Die Beschäftigung mit dem Sprachgebrauch der h. A. war ins
Stocken geraten, nachdem die in zwei Königsberger Dissertationen (1869)
unternommenen Versuche, durch Beobachtungen über die Verschieden-
heit der Sprache das Eigentum der Scriptt. zu bestimmen, nicht zu
einem Resultat geführt hatten. Es waren mehrere Besonderheiten be-
merkt worden, aber sie verschwanden vor dem Eindruck, den die Über-
Scriptores historiae Augustae. 145
einstimmung in Sprache und Stil hervorrief, und so konnte einerseits
Plew (Neue phil. Eundsch. 1890 S. 180) meinen, dafs es wohl für
immer aufzugeben sei, auf diesem Gebiet sichere Kiiterien für die
Verteilung der Viten unter die Verfasser zu gewinnen; andererseits hat
Dessau (S. 386 ff., s. auch Seeck S. 611) eben diese Einheitlichkeit
benutzt, um die Abfassung aller durch einen Fälscher zu begründen.
Darüber sind wir aber duixh Wölfflin (n. 38) und Klebs (n. 17 und
18) eines Besseren belehrt worden. Beide haben den erfolgreichen Weg
eingeschlagen, dals sie mit Trebellius und Vopiscus aus eben demselben
Grunde, wie ich bei der Behandlung der Einlagen (s. ob. S. 141), an-
fingen und zunächst hier das wirkliche Vorhandensein bestimmter Eigen-
heiten feststellten, und da sie über eine gleich scharfe sprachliche Beob-
achtungsgabe verfügen, so sind sie auch zu einem im wesentlichen sich
deckenden Ergebnis gelangt.
Die Abbandlungen von Cotta (n. 31) und Lessing (n. 19) fallen
noch in die Zeit ror dieser Erkenntnis. Die erstere besteht aus zwei
Teilen, von denen sich der zweite auch auf die Frage nach den Ver-
fassern einläfsi (p. 60 — 81), die er nach der Zeit der Entstehung und
nach den Quellen und der Art ihrer Benutzung zu beantworten sucht;
ihm zufolge soll Spartian unter Diocletian alle Viten von Hadrian bis
Opilius Macrinus aufser denen des Avidius, Clodius und Geta geschrieben
haben, Vulcacius zu gleicher Zeit die des Avidius, Capitolinus unter
Constantin die des Clodius, der Maximine, Gordiane und des Maximus
und Balbinus, Lampridius die des Geta, Diadumenus, Heliogabal und
Alexander, und zwar Spartian die des Alius, Pescennius und Macrinus
nach zwei Quellen, von denen die eine wahrscheinlich Junius Cordus,
die andere nicht Marius Maximus war, die übrigen mit Ausnahme von
zwei SteUen allein nach dem letzteren, Vulcacius die seinige nach eben-
demselben, Lampridius jede Vita nach je einer Quelle, Geta und Dia-
dumenus nach Cordus, Heliogabal nach Marius Max., Alexander nach
Acholius, Capitolinus nach mehi'ereu, besonders Cordus und Herodian,
auTserdem Marius Max., Alius Sabinus, Curius Fortunatianus, Vulcacius
Terentianus und Dexippos. Indes hält sich die Beweisführung hier auf
der Oberfläche und dreht sich im Kreise heram; gründlicher und sorg-
fältiger ist der erste Teil geai'beitet, der in di'ei Abschnitten die Ad-
verbien, Präpositionen und Konjunktionen bespricht und zahlreiche falsche
Angaben seiner Vorgänger über das Vorkommen gewisser "Wörter und
Konstruktionen bei den einzelnen Scriptt. korrigiert. Erschöpft hat er
freilich den Gegenstand noch nicht, obwohl Wölfflin (S. 469) etwas zu
hart urteilt; ein Vergleich mit der Schrift von Kraufs, der ein Jahr
voi'her die Präpositionen in der h. A. behandelt hat (s. Philol. Anz. 1883
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXVII. Bd. (1893. II.) 10
■[46 Scriptores liistoriac Augustae.
S. 78 ff.), aber Cotta unbekannt geblieben ist, zeigt einen bedeutenden
Fortschritt.
Lessing beweist in dem ersten Kapitel seines als tüchtig aner-
kannten Progi-anims an einzelnen Stellen, wie notwendig für die Kritik
eine genaue Durchforschung des Sprachgebrauchs sei ; quin habe Madvig
Clod. 1, 2 unrichtig eingesetzt, weil die h. A. diese Konjunktion mit
dem Konjunktiv ebenso wenig kenne wie quominus: der feinere Unter-
schied zwischen den Pronominibus aliquis, quidam, quisquam, quispiam,
zwischen dem Demonstrativum und Determinativura sei in der h. A.
schon verwischt, magnus werde schon durch nimius und ingens (noch
nicht grandis) verdrängt, und auch sonst zeige sich ein Wechsel in der
Walü von 'KonkuiTenzwörtern'-, die afrikanische Latinität sei nicht ohne
Einflufs geblieben u. a. Den gröl'sten Raum nimmt seine Darstellung der
Kasussyntax S. 13 — 34 ein, in welcher namentlich auf das Schwanken
zwischen dem Streben nach Korrektheit und dem Eindringen des Vulgär-
lateins aufmerksam gemacht wird; Nachträge hat Klebs n. 18 S. 37 ge-
liefert, derselbe auch S. 25 seine Bedenken gegen die 'afrikanische La-
tinität' energisch geäufsert; zu Vorsicht hatte schon Wölfflin in seinem
Archiv VI S. 302 gewarnt, obwohl er sie nicht ableugnet. Ich würde
mich auf die Annahme eines gewissen 'Tumor' beschränken, der aber
nicht den Afrikanern allein eigen ist und sich in der h. A. aus der
rhetorischen Nachahmung Ciceros entwickelt hat.
Von Klebs gehört hierher aufser einigen später (n. 18 S. 537—540)
vervollständigten Bemerkungen über die Nachahmung des Sallust in der
h. A. n. 15 S. 330 f. besonders n. 18 S. 15—30. 34—52. 515—536.
Die Verwandtschaft aller sechs Scriptt. wird zunächst aus der im Alter-
tum allgemein üblichen Anlehnung an gewisse Vorbilder in Sprache und
Stil entwickelt, in unserem Fall an Sueton, von welchem viele "Wen-
dungen und Ausdrücke in der h. A. wiederkehren, wahrscheinlich auch
an Marius Maximus; dann aber werden die mit scharfem Blick erkannten
Besonderheiten der einzelnen Verfasser durchgegangen. Vopiscus er-
öffnet die Reihe: die Abhängigkeit von Cicero bis auf ganze Perioden
ist hier zum ersten Mal zu klarer Anschauung gebracht. 'Auf Grund
eigener Wahrnehmung und Feststellung', welche die sorgfältigsten Studien
verrät, werden darauf Eigentümlichkeiten in seiner Sprache und seinem
Stil aufgezählt und diesen mehrere der übrigen Scriptt., die man bei
ihm vermifst, entgegengestellt, sodal's sich die Persönlichkeit des Vopiscus
deutlich aus der Sammlung heraushebt. Dasselbe läfst sich von Trebellius
sagen, zu dessen Charakteristik neben seiner politischen Tendenz auch
das Sprachliche manche Beiträge liefert (S. 515—517), nicht aber von
den ersten vier Scriptt.: denn da diese die nämlichen Quellen benutzt
hätten, 'könne von einer ausgeprägten Eigenart hier nicht die Rede sein'
Scriptores historiae Augustao. J47
(S. 520). Gleichwohl versucht es Klebs, wenig-stens einzelne Eigenheiten
bei ihnen nachzuweisen (s. ob. S. 130), zunächst bei dem formlosesten
unter ihnen, welcher daher auch keinen eigenen Stil schreibe, bei Spartian;
eine geringere Zahl hat er bei Capitolinus gefunden, eine gröfsere bei
Capitolinus, wenigstens einige in der einzigen Vita des Vulcacius.
Wölfflin (n. 38), dessen Abhandlung zwischen dem ersten und
zweiten Teil der letzten von Klebs erschienen ist, ist es nicht darauf
angekommen, das ganze Material zum Nachweis der Mehrheit der Vei--
fasser zu erschöpfen; er verfügt über dasselbe, wie die für die Nach-
ahmung des Trebellius durch Vopiscus höchst lehrreiche Zusammen-
stellung in der Beilage 'Aus der Phraseologie des Treb. Pollio und des
Vop.' (S. 529 — 537) beweist; in der Abhandlung selbst aber (1. 'Die
Sprache der Scr. h. A. S. 469—479. 2. 'Treb. P.' S. 480 - 492. 3. 'Vop>
S. 492—498) hat er sich nach Ablehnung der sprachlichen Beobach-
tungen Dessaus (S. 477 ff.) mit einigen charakteristischen Beispielen be-
gnügt, nachdem er vorher, wie Klebs, die Bedeutung der Nachahmung
des Sueton und Marius Max. zur Erklärung der allgemeinen Gleich-
artigkeit der Sprache erörtert hatte. Auch sein Schluisergebnis geht
dahin, 'dals die sechs Schriftsteller nicht nur unmöglich in eine Persön-
lichkeit zusammengefafst werden können, sondern auch, dafs sie nicht
von gleichem Werte sind". Dagegen trennt ihn von Klebs erstens die
Annahme einer Schlufsredaktion durch Vopiscus, der die Sammlung auch
dui'ch mehrere eigene Viten ergänzt habe, und zweitens die Auffassung
der Sprache als Umgangssprache, in der auch bereits die Symptome der
romanischen Auflösung hervorträten. Gegen beide Ansichten hat sich
Klebs in einem Anhang zu seinem letzten Aufsatz mit grofser Ent-
schiedenheit ausgesprochen (S. 540—542. 546—548), gegen die erste
gewils mit Recht; weniger kann ich ihm bei der zweiten Meinungsver-
schiedenheit beipflichten. Die Stelle Heliog. 31, 7, welche mehrfach als
Beispiel das Eindringen von ad c. acc. für den Ablativus Instrumentalis
angeführt worden ist (rasit et uirilia suhactoribus ad nouaclum manu
sua) , bezeichnet er selbst (S. 532) als 'höchst auffällig und fehlerhaft',
erklärt es aber dadurch, 'dafs Lampridius weder nouacula et manu noch
nouacula manu schreiben wollte und sich nicht die Mühe 'einer kleinen
Umschreibung nahm'. Indes der gleiche Fall liegt Hadr.26, 1 ßexo ad pec-
tinem capillo vor. Es ist Klebs einzuräumen, dafs sich die als Spuren der
romanischen Auflösung bezeichnete Abundanz der Präposition bei älteren
Schriftstellern, sogar bei Cicero hier und da findet; ich will also auf verein-
zelte Stellen wie cohjmbos — cum piscihus inpleuit (Heliog. 23, 7), pallia de
oenanfhio fudisse (Heliog. 23, 1), notum sibi in militia (Hadr. 17, 6),
potentisshnum regem tarn in re quam nomine (Alex. 56, 7) keinen grol'sen
Wert legen; aber die Unsicherheit im Gebrauch der Casus und der
10*
J48 Scriptores historiae Augustae.
Präpositionen ist in der h. A. allgemein. Daher werden die letzteren zu
den Städtenamen oft ebenso unnötig hinzugefügt, wie bei den Ländernamen
weggelassen (so z. B. auch im bell. Hispan.), und da das m am Schlufs
eines Wortes nicht deutlich gesprochen und gehört wurde, so ist mit in
zunächst der Singular falsch konstruiert worden, dann aber auch der
Plural. Flüchtigkeit und Unwissenheit der Abschreiber mögen diese Ver-
wiiTung in der h. A. vergrölsert haben, aber allein verschuldet haben
sie sie nicht: dies hat sich mir aus einer Vergleichung mit Ciceronischen
Schi'iften, welche uns in Handschriften des 9. und 10. Jahrhunderts,
also solchen, welche den malsgebenden der h. A. gleichalterig sind, er-
geben. Auch andere Eigenheiten des Übergangs zum Romanischen lassen
sich in grölserer Zahl beibringen, namentlich die volleren Formen, z. B.
ipse und idem für is, abgeleitete Verba für die einfachen (despotisare
u. ä.), Komposita {aduiuere, comedere, addiscere, condiscere u. s. w.) für
das Simplex, der Konjunktiv Plusquamperfecti für das Imperfectum.
Von vielen anderen hebe ich nur noch eine hervor: bekannt ist das
Überhandnehmen des hie für is, und wenn z. B. ob hoc oder das zeit-
liche inter haec (für interim oder interea), von welchen Verbindungen
die erstere Klebs n. 18 S. 49 bei den übrigen Scriptt. 24 mal, die an-
dere 15 mal gezählt hat, Vopiscus überhaupt gemieden hat, so stimmt
dies zu der bei diesem auch sonst hervortretenden strengeren Beobach-
tung der Schriftsprache und bestätigt, dafs die anderen weniger den
Einfluls der gesprochenen Sprache haben abwehren können. Klebs ge-
bührt das Verdienst, die uninchtige Vorstellung über den Bildungsstand
der Scriptt., welchen Bemhardy mit seinem Urteil 'opifices de plebe'
verschuldet hatte, gi'ündlich zerstört zu haben, aber wir würden wieder
auf einen falschen Weg geraten, wenn wir ihre Sprache, weil sie schul-
gemäl's haben schreiben wollen, danach korrigierten und alle Reste
des Vulgarismus beseitigten oder auch nur eine gewisse Gleichmäfsigkeit
der Grammatik herstellten.
V. Die Überlieferung bis zum XVI. Jahrhundert,
Für die handschriftliche Grundlage ist von Bedeutung, dafs
Mommsen (n. 21 S. 281—288) die vor Jahren gelegentlich im Litte-
rarischen Ceutralblatt von einem Anonymus hingeworfene Bemerkung,
dai'sB(ambergen8i8) ausP(alatinus) abgeschrieben sei, wieder aufgenommen
und zu begründen versucht hat. Ich will dem Umstand weniger Wert
beimessen, dals nach der allgemeinen, auch von Mommsen nicht bean-
standeten Schätzung B aus dem 9. Jahrhundert stammt und auch die
'sachkundigen Freunde' Mommsens P 'nicht jünger als das 10. Jahr-
hundert erachten' (8. 281), also ilin nicht entschieden in das neunte zu
Scriptores historiae Augustae, 149
schieben wagen. ^) Den Ausschlag mufs der Vergleich der Lesarten geben.
Hier ist freilich ein sicheres Urteil durch die zahlreichen Korrekturen
in P sehr erschwert. Auch Mommsens Korrespondent, Dr. Bethe, er-
kennt in diesen, wie ich (praef. m. Ausg. p. VII) drei Hände an, 'welche
übrigens wohl nicht allein in der Handschr. später herumkorrigiert haben'
('manus tres quattuorue emendatrices' hatte ich geschrieben), die des
Schreibers des Textes und zwei durch grünliche Tinte wohl von dieser,
aber untereinander schwer unterscheidbare Hände; während ich aber
viele Korrekturen der helleren Tinte wegen der zweiten Hand zugewiesen
hatte, nimmt sie Bethe zuversichtlich für die erste in Anspruch, und so
kann Mommsen sagen, dal's 'der Schreiber von B durchgängig den von
erster Hand emendierten Text wiedergegeben hat'.
Indes läfst sich selbst ohne nochmalige Einsicht der Hdschr. be-
haupten, dafs eine ältere Hand eine von dem Archetypus verschiedene
herangezogen hat; denn wenn in P Pesc. 2, 6 miserat, [quasi imperat]or
tantus a centurione posset occidi die eingeklammerten Buchstaben, die
wegen des Homoioteleuton leicht übersprungen werden konnten, später
eingefügt sind (in B fehlen sie überhaupt), so wird durch die Lesart in dem
nicht von dem Archetypus des P abstammenden R(egius) miserat korta-
tus a centurione erwiesen, dafs nicht erst das Auge des Schreibers von
P abgeirrt ist ; auch die Zeile Carac. 8, 3 eumque — successisse, die erst
von P- herrührt, fehlt (wie in B so) in B und kann also nicht in dem
Archetypus gestanden haben. Daneben aber ist P ebenso an zahllosen
Stelleu später verbessert worden, wo in B von Anfang an das Richtige
zu lesen war, wie umgekehrt, und so darf es nicht wunder nehmen, dafs
bei der Menge der Änderungen schliefslich beide Handschriften selten und
nur in unwichtigen Dingen voneinander abweichen. B heilt allein keine
einzige schwere Verderbnis, aber auch nicht P. Vielleicht hat sogar ß
selbst oder eine Tochterhandschrift einem Korrektor von P vorgelegen.
Car. 8, 6 war nämlich in P zuerst geschrieben worden (tonitruum) quo
contra (territa erant), dies ist aber dann korrigiert worden in quo cuncta,
wie B liest; cuncta rührt jedoch nicht aus dem Archetypus her; denn
eine Pariser Handschrift, welche trotz ihrer Jugend für die Textesge-
staltnng von Gewicht ist, weil sie auf eine von B und P unabhängige, ihrem
Archetypus gleichwertige Hdschr. zurückgeht und z. B. auch die obi-
gen Ergänzungen bietet (ich nenne sie L), hat ebenfalls contra und eine
andere Pariser, welche der schlechten Überlieferung angehört, circa.
Unter solchen Umständen wird bei der Bestimmung des Verhält-
nisses von B zu P von allen Stellen, an welchen hier oder dort herum-
korrigiert worden ist, abgesehen werden müssen. Dagegen sind von Be-
^) 'saec. IX vel X' bei Stevenson Catal. Pal. lat. bibl. Vatic. I p. 320.
150 , Scriptores historiae Augustae.
dewtung einige unangetastete Verschiedenheiten in der Wortfolge. Max.
et Balb. 17, 2 schreibt P mit L generis humani, B mit ß hmnani ge-
neris, Gall. 20, 2 P ponam tarnen, B mit L und R tarnen ponam, Prob.
12, 5 P priuatus cepit, B mit L und R c(o)epit priuatus. Sodann wird
Hadi". 5, 1 intendit in B gegenüber hnpeyuHt in P gestützt durch einen
V(aticauus) und L, trig. tyr. 31, 9 ist in B (auch in R und Admont.)
das richtige memor erhalten, in P (und L) in tneror verderbt, 32, 1
steht in B (und R) richtig ut Uli dicunt, in P (und L) falsch ut alii
dicunt; Claud. 13, 7 qvaereyis richtig in B, quae res falsch in PLR.
Com. 5, 4 liegt tiieptusque in B dem richtigen ui pretüsque näher als
nuptiisque in P (oder nuptusque L), Max. 8, 4 siiit in B dem richtigen
siuit näher als fuit in P und L, 24, 3 fectis in B dem refectis näher
als fecistis in P und L, Opil. 4, 1 und Max. 4, 6 imperatore in B dem
imperare näher als imperatorem in P und L.
Diese Aufzählung ist nicht vollständig, doch räume ich ein, dafs
auch eine solche nicht eine erdrückende Menge beibringen würde, denke
aber, dafs sich die geringe Zahl aus der gegenseitigen Vergleichung und
Korrektur erklärt und die Abweichungen von B, namentlich die in der
Wortfolge, welche durch eine andere Handschriftenfamilie bestätigt
werden, die Selbständigkeit von B erweisen. Diese Handschrift wird
also auch künftig in dem kritischen Apparat als die Zwillingsschwester
von P ihren Platz behaupten müssen.
Die Aufgabe weitereu Suchens wird sein, Handschriften ausfindig
zu machen, welche möglichst frei von den im Laufe der Zeit eindrin-
genden Fehlern uns ermöglichen, den Bruder des Archetypus von B
und P zu konstruieren und so in der Textesgestaltung noch eine Stufe
weiter hinaufzusteigen. Oberdick (Ztschr. f. die österr. Gymn. 1865
S. 732 ff.) hat deshalb die jüngere Handschriftenfamilie (1), von welcher
uns ein Vertreter (R) durch Casaubonus einigermafsen bekannt war,
herangezogen wissen wollen, und Petschenig (n. 30) ist durch die
Kollation einer Admonter Handschrift aus dem Jahre 1439 ebenfalls auf
diese Ansicht gekommen. Er gesteht zwar B und P die mafsgebende
Autorität bei der Gestaltung des Textes zu und will sich mit ihnen be-
gnügen, wo sie unzweifelhaft das Richtige bieten. Aber, fügt er liinzu,
'wo B und P differierende, aber an sich gleich gute Lesarten haben
(was oft der Fall ist), treten die jüngeren entscheidend ein. An allen
in B P korrupt überlieferten Stellen sind die übrigen Handschriften zu
befragen. Erst dann, wenn sich aus den letzteren das Richtige nicht
gewinnen läfst, tritt die Emendation in ihre Rechte' (S. 9).
Ich leugne nicht, dafs an einzelnen Stellen die Handschriften
der schlechteren Klasse dasjenige schon bieten, was die Ausgaben als
Konjekturen neuerer Gelehrten anführen. Aber — ich darf von einer
Scriptores hiatoriae Augustae, 151
vollständig verglichenen Pariser Handschr. (R) auf die früher in Italien
eingesehenen (praef. m. Ausg. p. XXIII — XXVI) schliei'sen — ankeiner
einzigen der in B und P schwerer verderbten Stellen bieten sie
die Heilung oder die Andeutung einer solchen, efferebant fladr. 5, 2
(statt afferehant in B P und anderen Hdschrr.), dicebat 5, 3 (statt dice-
bant BP), in foro diul trayani 7, 6 (st. Hadriani BP), texerit 17, 9
(st. texeret BP'), cuntos 19, 7 (d. h. cundos ß; centum P corr., conto
B), nimie multam 21, 9 (st. nimie B, nimiam P und andere Hdschr.),
Sed mortuo 24, 1 (st. et m. BP und andere Hdschrr.), dies ist (aufser
sibi delatum 6, 4) die einzige Ausbeute, welche für die V. Hadiiani
Petschenig aus seiner Admonter Hdschr., die an den angeführten Stellen
bis auf eine durchweg mit R übereinstimmt, zuteil geworden ist. Und
nun halte man daneben die bodenlose Verderbnis, die teils aus Lieder-
lichkeit, teils aus systematischer Willkür durch Interpolation, Weglassung
und Umstellung entsprungen ist. Die Kollation des R für die V. Ha-
driani in meiner Ausgabe praef. p. XXXVII — XLI gewährt einen Ge-
samtüberblick; aus den übrigen Viten greife ich noch einige Proben heraus
(praef. p. XXV j: Auid. 3, 7 petentes eos für per ordinem paraeneseos; 14, 8
fiUos qui für phüosophi, Heliog. 6, 3 cretani in etruria f. certamine cu-
ruli, Prob. 22, 2 quem inuenio f. quinquetinio, Sat. 8, 6 calices tibi albos
fortes diuersi coloris f. calices tibi allassoyites uersicolores, Car. 8, 5 cir-
cumstantium f. corruscaiionum. Der Schreiber des Archetypus dieser
Klasse hat sich um den Sinn gar nicht bekümmert, es allein auf latei-
nische Worte abgesehen und verstümmelte Stellen in der aberwitzigsten
Weise zurechtgemacht; z. B. lesen B und P Aur. 4, 7 ut haberet in la-
tere uno auetr, in alio coronam; sehr fein hat Kellerbauer aus auetr das
hier unbedingt notwendige 'aue imperator" herausgefunden; in ß und A
aber steht ut haberet in latere a uentriculo coronam! Die Editio princeps,
deren Lesarten ich, um zwischen ß und P in zweifelhaften Fällen zu
entscheiden, in meinen Apparat aufgenommen habe, ist nur ein Not-
behelf und wird hoffentlich noch einmal durch eine bessere Autorität er-
setzt werden; Handschriften von der Klasse R und A aber würden die
Übersichtlichkeit des Apparates stark beeinträchtigen und für ihre ver-
einzelten guten Lesarten nur den Wert von glücklichen Treffern im
Raten beanspruchen können (s. praef. 1. s. und Philol. Anz. XVI
S. 415 f.).
Die Verderbnis der Überlieferung der h. A. im allgemeinen will
Suster (n. 37) dadurch charakterisieren, dafs er neben die Rede des
Maecius Faltonius (so B P, s. Dessau n. 4 S. 352 f.) Nicomachus iu
des Vopiscus V. Tac. 6 eine abweichende Version 'Metii Vocouif stellt,
die er in zwei Handschriften der Panegyriker aus dem 15. Jahrhundert
(einem Riccardianus 619 und einem Ottobonianus 1303) gefunden und
]52 Scriptores historiae Augustae.
schon vor ihm Schwarz im Jahre 1721 aus einer Hdschr. ('nunc Caro-
liruhensi nel Durlacensi') herausgegeben hatte, indem er sie für das Ori-
ginal, die bei Vopiscus für eine erweiterte Verschlechterung erklärte.
Diese Ansicht bekämpft Suster mit Recht, denn auch die Rede des 'Vo-
conius' ist durch mehrere sprachliche Unmöglichkeiten entstellt; was er
aber, um ihre Selbständigkeit zu retten, beibringt, bedeutet auch nicht
viel. Die Kürzungen sind meist Verbesserungen, die aber durch Ab-
schneiden einzelner rhetorischer Auswüchse nicht schwer fallen konnten,
und die Zusätze und kleinen Änderungen lagen auch sehr nahe. Exzerpte
aus der h. A. sind mehrfach angefertigt worden.
Der andere Aufsatz des italienischen Gelehrten (n. 36) will einen
Brief des Plavio Biondo aus dem Jahre 1443 für die Greschichte der
Überlieferung nutzbar machen, legt indes dem rhetorischen Ergufs zu
grofsen Wert bei. Biondo läfst den Vulcacius und einzelne Viten der
anderen Verfasser ganz weg und nennt den Vopiscus 'Flauius Eutripius',
und so beruhen ohne Zweifel auch seine, übrigens wenigen Abweichungen
von der handschriftlichen Verteilung an die Verfasser auf einem Ge-
dächtnisfehler: nur dafs er die V. Alexandri dem Spartian zuweist, wird
auf Rechnung der Hdschrr. zu setzen sein, da die schlechtere Klasse es
ebenfalls thut.
Nachtrag.
Fr. Rühl verdanke ich die Mitteilung (Berlin, philol. Wochenschr.
1893 S. 56), dals Pierre de Nolhac in seinem Buche Petrarque et
rhumanisme d'apres un essai de restitution de sa bibliotheque
(Paris 1892) sich auch mit der handschriftlichen Überlieferung der bist.
Aug. beschäftigt hat. Von den Handschriften nämlich, welche sich nach
einem alten Katalog im Jahre 1426 zu Pavia befunden und vorher
Petrarca gehört haben, ist mit einem grofsen Teil der übrigen auch eine
der h. A. nach Paris in die Nationalbibliothek gekommen und trägt dort
die Nummer 5816. Über ihren Schreiber und die Zeit der Entstehung
giebt die Subscriptio genaue Auskunft: ^Scriptus fuit sub millesimo
CCC^ LVI de Mense febr. Et scripsit cum fratev Johannes de Cam-
pagnola Reginensis dioc(esis). Deo gratias. Amen. Amen. Amen.' Noch
bedeutungsvoller aber ist eine Angabe, welche früher 'sur la garde du
volume' stand 'Hunc feci scribi Verone 1356' und zwar von der Hand
Petrarcas (S. 99; s. Delisle Cabinet des manuscr. de la bibl. imp. I
p. 140), die Nolhac auch in den überaus zahlreichen Randbemerkungen
verschiedensten Inhalts erkannt hat (S. 256—262). Die Handschrift hat
ihm also lange Zeit als Handexemplar gedient.
Mir war sie bei einer Musterung der Pariser Handschriften wegen
ihrer Verwandtschaft mit der besten Überlieferung durch B(arabergensi8)
Scriptores historiae Augustac. 153
und P(alatinus) aufgefallen, und so war es meine Absicht, sie für die
zweite Auflage meiner Ausgabe hier in Meilsen auszunutzen. Leider aber
verzögerte sich die Übersendung, eine Zeitlang schien sie überhaupt sich
nicht ermöglichen zu lassen, und so mufste ich damals auf die Hdschi".
verzichten und habe sie erst später verglichen, ohne indes den berühmten
einstigen Besitzer zu erkennen, da die obigen entscheidenden "Worte jetzt
verschwunden sind.
Es wäre diese Vergleichung eine unnötige Arbeit gewesen, wenn
Nolhac mit seiner Annahme, dafs sie aus dem Palatinus abgeschrieben
(S. 254 f.) sei, recht hätte. Er schliefst dies aus der Übereinstimmung
der Lesarten und daraus, dafs der Schreiber der Veroneser Hdschr. (ich
nannte sie ob. S. 149 L) nach Anweisungen, welche am Eande des P im
14. Jahrhundert in den Viten des 'Maximinus et Balbinus' die richtige
Folge der Blätter angegeben hätten, diese Ordnung beim Abschreiben
beobachtet habe; namentlich aber soll die dritte Hand, welche im P
viele Änderungen des Textes vorgenommen und Bemerkungen am Rand
gemacht hatte, die Petrarcas sein. Hierüber läfst sich nur angesichts
des Kodex selbst eine Entscheidung treffen. ') Dafs indes die Bemer-
kungen in L und P völlig unabhängig voneinander sind, räumt Nolhac
selbst ein (S. 255 f.), und dafs in dem allgemeinen Charakter beider
eine gewisse Ähnlichkeit besteht, fällt nicht schwer ins Grewicht, da sie
sich auch auf viele andere Handschriften ausdehnt; so bestimmte Be-
ziehungen, wie in L auf 'Stephanus magnus' d. i. Colonna (S. 260), fehlen
in P gänzlich. Doch mag dieser immerhin Petrarca einmal gehört haben
(später war er in dem Besitz 'lanocii Manetti' [1396—1459], nicht in
dem der Bibliothek von Pavia), mag dieser ihn auch mit Randbemer-
kungen versehen haben, jedenfalls hat er dem Frater Johannes de Cam-
pagnola nicht vorgelegen. Eine Schwierigkeit würde schon darin zu
finden sein, dafs Petrarca, der von 1353 — 1362 seinen ständigen Wohn-
sitz in Mailand hatte, im Jahre 1356 zu Verona eine ihm gehörige
Hdschr. kopieren liefs — diese Thatsache würde eher dafür sprechen,
dafs wir das Original eben hier zu suchen haben — ; ferner aber erinnere
ich zum Beweis der Unabhängigkeit des L von P daran, dafs an Stellen,
wo die "Wortfolge völlig gleichgültig ist, sie in L mit B und nicht mit
P übereinstimmt (ob. S. 150); endlich waren in dem Archetj'pus von P
(und B) in den V. Alexandi'i, Maximinorum, Gordianorum, Maximi et
Balbini die Lagen aus dem Bande gelöst und folgende Verschiebung ein-
^) In dem Catalog. cod. Palatin. lat. bibl. Vatic. I v. H. Stevenson
iun. heifst es p. 321: 'In toto codice insunt adnotationes uaria manu, sae-
culi praesertim XV et lannotii Manetti'.
154 Scriptores liistoriae Augustae.
getreten, als P und B abgeschrieben wurden: b. a. li. c — g (s. praef.
m. Ausg. p. XIV sq.); von diesen Lagen entliielt jede etwa 300 Zeilen
der Teubnerschen Ausgabe (nämlich a; 301, b: 308, c — g: 1235,^) h:
299). In L aber ist b (Alex. 43, 7 — 58, 1) in c. 15, 5 hinter affecit
eingeschoben an einer völlig unpassenden Stelle, wo sie allen Zusammen-
hang stört, sodafs hier uumöglich an die Thätigkeit eines Diaskeuasten
gedacht werden kann. Nun beläuft sich die Zahl der Zeilen zwischen
c. 15, 5 und 43, 7 auf 610, demnach auf die von zwei Lagen des Arche-
typus von B und P, und so mufs, wenn nicht ein merkwürdiger Zufall
sein Spiel getrieben hat, in diesem Archetypus die lose Lage b in der
Zeit der Benutzung durch Johannes de Campagnola oder richtiger durch
seine Vorlage fälschlich noch um zwei Lagen weiter zurückgeraten sein.
Von dieser Verwirrung weist indes P (und B) weder eine unmittelbare
Spur noch die Veranlassung zu einer solchen auf, und da die Lesarten
auf einen engen Zusammenhang mit P und B hinführen, so bleibt nur
die Möglichkeit offen, dafs L aus dem Archetypus von P und B stammt,
und zwar zusammen mit dem Vaticanus 5301, der von ßonaccursius aus
Pisa-) in der editio princeps (des Jahres 1475) abgedruckt worden ist
und der genau durch dieselbe Lagenverschiebuiig enstellt ist (praef. m.
Ausg. p. XVin sq.) wie L und mit diesem auch sonst auf das genaueste
übereinstimmt. L wäre also gegenüber P (und B) selbständig und bildet
mit der ed. pr. zusammen einen dritten Zweig der Überlieferung aus
dem Stammkodex. Ich hoffe, es wird mir noch einmal möglich sein, die
Folgerungen hieraus für die Textesgestaltung zu ziehen und dui'ch Ver-
bindung von der ed. pr. und L und Rekonstruktion ihrer Vorlage einen
den Hdschrr. ß und P gleichwertigen Zeugen zu gewinnen. Eine irgend
wesentliche Änderung der Worte der bist. Aug. wolle man jedoch davon
nicht erwarten ; nur der kritische Apparat wird ein etwas anderes Aus-
sehen annelimen, indem die der ed. pr. eigenen Abweichungen wegfallen
und an die Stelle von ihr die Vorlage tritt, aus welcher L und die Vorlage der
ed. pr., der Vatic. 5301 abgeschrieben sind. Von mafsgebender Bedeutung
wird sie nur in den (wenigen) Fällen sein, wo B und P auseinandergehen.
*) Ich habe infolge dieser Rechnung für den Abschnitt XIX 18, 2 —
XXI b, 2 jetzt vier Lagen angenommen, nicht drei, wie früher.
*) Wie mir mein Kollege Dr. 0. E. Schmidt nachgewiesen hat. be-
gegnet uns derselbe in einer Quittung, nach welcher der Kanzler des Sforza
Marcus Trottus 'bonacursio Pisano' im Jahre 1460 24 Pfund ausgehändigt
hat 'pro scriptura iibri sancti Tbomasii de rege et regno'; s. Indagini sto-
rjche, artistiche et bibliograpbiche sulla libreria Visconteo-Sforzesca (Milano
lts75) p. ll'J f.
Scriptores historiae Augastae. 155
VI. Kritik und Erklärung.
Die zweite Auflage meiner kritischen Bearbeitung der h. A.
(n. 28) steht auf der nämlichen kritischen Grundlage wie die erste, da
irgendwelche handschriftlichen Hilfsmittel seitdem nicht ermittelt worden
waren; doch habe ich mich bemüht, die Lesarten der malsgebenden mög-
lichst genau zu geben, und bin darin für B durch eine in meinen Besitz
gelangte bis V. Seuer. c. 4 reichende Kollation von Fr. Haase und durch
eine von Kellerbauer wesentlich unterstützt worden. Im Text hätte
vielleicht mancher angesichts der 1200 in der Zwischenzeit ausgeschütteten
Konjekturen zahlreichere und tiefer einschneidende Änderungen erwartet.
Verzeichnet habe ich sie in der Adnotatio alle, bis auf die sehr wenigen,
welche mir entgangen waren, aber bei der Verschiedenheit der Verfasser
lind ihrer Abhängigkeit von den lateinischen Quellen, sowie bei dem Hin-
und Herschwanken zwischen der Sprache der Schule und des Lebens
schien mir die äufserste Vorsicht geboten. Daher steht z. B. Seuer. 19, 5
Septizonium im Text, aber 24, 3 und Get. 7, 2 Septizodium (vgl. Araniian.
XV 7, 3 Septemzodium und Schuchardt Vokal. I S. 142), Pius 9, 6 Ladii
für Lazi (Schuchardt I S. 68 f.) u. ä. , auch erweislich falsche Zahlen
sind gewöhnlich nur in der Anmerkung korrigiert. Daher mufste ich
den Vorwurf übergrofsen Konservatismus erwarten, aber nicht gefafst
war ich auf den Plews, 'Widersprüche durch Textänderung beseitigt zu
haben, sodafs die Thatsachen mitunter eine Änderung erfahren hätten'
(n. 31 S. 4); freilich begründet er ihn nur durch eine einzige Stelle
(Marc. 16, 3 f. S. 5—7) und kann auch hier seinerseits nicht ohne eine
Änderung des offenbar verderbten Textes auskommen. Ich habe mich
aber selbst über das Vorhandensein von Widersprüchen gerade in der
Beurteilung des Verus, um den es sich hier handelt, Philol. XLIII
S. 150 flf. ausgesprochen und bin mir bewufst, dem Grundsatz, 'die
Handschriften, nicht die Autoren zu verbessern', auch in der Textes-
gestaltung treu geblieben zu sein.')
^) Vgl. Plews Verfahren S. 8 f.: ich hätte nicht genau gelesen, meint
er da, was er gesagt habe, wenn ich (Philol. a. a. 0. S. 154) behauptet
hätte: 'zwar spricht Plew auch diesen (den Einleitungen zu einzelnen Viten)
die Selbständie;keit ab'. Plew aber schreibt in dem von mir citierten Pro-
gramm über Marius Max. S. 22 wörtlich: 'Ganz selbständig ist aber auch
die Einleitung (zu d. V. Aelii) schwerlich' und S. 36: 'Da zeigt sich zuerst,
dafs sogar die Selbständigkeit der Einleitung in den Pesc. Nig. bezweifelt
werden mufs' — also genau dasselbe, was ich gelesen hatte! Zu seiner
Rechtfertigung druckt er a. a. 0. zwar die erste Stelle ab und zwar 'ganz'
gesperrt, die zweite aber, die von mir citiert war, hat er übersehenl
156 Scriptores historiae Augustae.
Eine Neuerung meiner Ausgabe war die Einführung ge^^is8er
Zeichen, durch welche die Einsicht in die Zusammensetzung der Viten,
welche in den letzten Jahren durch fruchtbare Forschungen in der er-
freulichsten Weise gefördert war, auch dem flüchtigen Benutzer erleichtert
werden sollte. Manches auf diesem Gebiete ist und bleibt streitig, wenig-
stens hindern jene eine richtigere Erkenntnis nicht. Die Begründung eines
grofsen Teils ist in der diütten meiner Untersuchungen enthalten. Der
Index ist auf 155 Seiten gewachsen und ist auch im einzelnen durch
genaue Bezeichnung und Unterscheidung der genannten Persönlichkeiten
gebessert worden; doch bleibt immer noch zu thun übrig.
Die Zahl der in diesem Jahrzehnt veröifentlichteu Konjekturen
ist wieder eine sehr bedeutende (gegen 500), ohne dafs ihr jedoch der
Ertrag für die wirkliche Verbesserung des Textes entspräche. Petschenig
(Ztschr. f. d. österr. Gymn. 40 S. 955 und Neue philol. ßundsch. 1888
S. 361) läfst z. B. in dem Programm von Bitschofsky (n. 2), in
welchem er 52 Stellen der Reihe nach und 27 gelegentlich behandelt
hat, keine einzige Konjektur gelten, während ich (Berl. ph. Wochenschr.
Vni S. 1437 f.) einige wenigstens wahrscheinlich genannt, auch seine
Bemühung, handschriftliche Lesarten gegen Konjekturen zu verteidigen,
anerkannt hatte. Viele Änderungen lagen bei einem schnellen Lesen
nahe und sind daher wiederholt vorgeschlagen worden, sind aber gleich-
wohl nicht richtig, weil sie sich in den Sprachgebrauch und die Schreib-
weise der Scriptt. nicht fügen; namentlich haben Bährens (n. 1) und
der oft sehr gewaltsame Novak (n. 24 — 26) ihre Eigenheiten nicht be-
rücksichtigt und trotz ihres Talents zum Konjizieren die Kritik in ge-
ringem Mafse gefördert. Gründlicher ist der auf eine tüchtige Sprach-
kenntnis sich stützende Lessing (n. 19) verfahren, mehrere glückliche
Verbesserungen verdanken wir Petschenig (n. 30), besonders dadurch,
dafs er bis dahin vernachlässigten Spuren der Handschriften sorgfältig
nachgegangen ist; gelegentlich hat auch Klebs aufser seinem Aufsatz
im Philologus (n. 16) durch Vergleichung von Parallelstellen den Text
richtig gestellt; Frankfurter (n. 7) hat namentlich durch Einschieben
von Worten und Silben ihn zu heilen versucht. Wieder können wir von
0. Hirschfeld (n. 13 und 14) einige glückliche Treffer verzeichnen,
noch zahlreichere von Mommsen (n. 21). Die (drei) Konjekturen von
Golisch (n. 11), von denen ihm die wertvollste (Seuer. 2, 3) vierzehn
Jahre vorher von Hirschfeld (Herm. III S. 230) vorweggenommen war,
habe ich schon in meiner Ausgabe angemerkt, auch meine eigenen, die
ich mit einer kurzen Begründung in Fleckeisens Jahrbüchern (n. 27)
veröffentlicht liatte; die von Cotta (n. 3) beruhen meist auf richtigen,
zuweilen feinen Beobachtungen, sind aber fast alle vor ihm schon von
Scriptores historiae Augustae. 157
anderen gemacht worden. Nicht bedeutend sind die Vorschläge von
Fröhner (n. 8).
Demnach wiederholen sich alle Erscheinungen der Konjektural-
kritik, welche in dem Berichte über die Litteratur von 1865 — 1882 be-
sprochen worden sind, in dem letzten Jahrzehnt; z. B. sind wegen der
Verkennung des Sprachgebrauchs zu verwerfen cum hoc simulacrum post
Neronis cultum — Soli consecrasset ÜSidr. 19, 3 (Bährens, statt uultum;
s. über die brachylogische Anwendung von post Cotta p. 17), diligentia
uilici sumptus conuiuii constituit Hadr. 22, 5 (Drechsler statt iudicis,
d. h. eines Civilbeamten, wie jetzt auch Novak gesehen hat, der früher
ingenti eingesetzt hatte); monitus est dis penatibus [eius] Hadriani si-
mulacrum inserere Ael. 3, 5 (Novak), desponsa est Marc. 4, 5 (Novak st.
desponsata est); uides multis opus esse gladiis, <non> multis eulogüs
Auid. 14, 6 (Frankfurter statt elogiis, vgl. Seuer. 2, 6 fustibus cum sub
elogio eiusdem praeconis cecidit. Alex. 34, 3); quae saepe Gallienus
<in~> malo generis humani — dixerit Gall. 6, 3 (Lessing unter Beistim-
raung von Petschenig, während malo Dativ ist und 'zum TJnheir heifst,
s. Klebs n. 18 S. 515); et proaui Gallieni Gall. 19, 3 (Frankfurter st.
des allgemeinen aui). Unnötig sind z. B. Marc. 25, 6 ne <sanguine>
eius poUueretur imperium Novak (neben Madvigs nece, das aber auch
vielleicht entbehrt werden kann); Seuer. 7, 3 inuenta diriperent Novak
(für inempta); Heliog. 26, 3 Omnes de circa, de theatro, de stadio et
conmunibus locis et balneis meretrices collegit Bähi'ens (st. omnibus);
Heliog. 32, 9 ad omnes drei et theatri et amphiiheatri et conmunium
urbis locorum meretrices Bährens (st. omnium); Alex. 5, 3 cum hie magis
adfinitate Garacallo iungeretur Lessing (st. Caracalli), Alex. 16, 2 ne in-
cogitati dicere cogerentur de rebus urgentibus Fröhner (st. ingentibus)]
Alex. 33, 3 sed speciosis <et> claris uestibus Frankfurter. Dafs der
Text durch viele Lücken entstellt ist, läfst sich nicht bezweifeln; aber
wenn Novak in der Charakteristik der Varietas des Hadrian (14, 11)
schreibt seuerus \laetus'\ comis, grauis lasciuus, cunctator <:festinans>,
tenax liberalis, Simulator <uerus>, seuerus Clemens, also zwei Adjektive
einschiebt und eins streicht, so wird er schwerlich überzeugen; auch sonst
sind die Annahmen des Ausfalls einzelner Wörter oft nicht zwingend:
Peso. 1, 2 quae magna sunt, in eorum honorem <a quibus uicti sunt>
ab scriptoribus deprauantur (Frankfurter); Alex. 35, 5 quod ementitos
de se multa <multos> oder <m,uUos> multa cognouerat (Lessing);
Marc. 27, 5 rhetorem Eugamium <prae rhetoribu^> sui temporis darum
(ßährens); Claud. 6, 5 quis tandem <nisi> Xerxes hoc habuit (Bährens);
Car. 19, 2 qui uelut <.humi funibus> intentis cothurnatus ferretur (No-
vak), oder qui uelut in uentis cot. <funibus> ferretur (Drechsler).
In der Aufzählung der mehrfach veröffentlichten Konjektui-en be-
158 Scriptorcs historiae Augustae.
schränke ich mich auf den ersten Band : Hadr. 3, 8 Snhnrano bis et
Senuano ifenon coss. Mommsen (so auch ich in der ersten Auflage, aber
aufgegeben wegen der Zemittung des Textes), 18, 2 uilis materiae causa
Bährens und Mommsen (st. uUis oder ullius), 20, 1 quasi seruantes
Fröhner und die Vulgata (natürlich ist das hdschr. seruantis Nora. Plar.,
quasi suhruentis Bährens): Marc. 13, 4 ne quis uhi uellet Novak (so
schon in meiner ersten Ausg.), 25, 9 et omne contionum genus Lessing
(auch schon in m. erst. Ausg.), 26, 3 in omnihus — odiis Eussner (Zarn-
ckes Centralbl. 1885 S. 582) und Novak (die Hdschrr. locis, von
welchem Wort in m. Ausg. nach der Korrektur das l abgesprungen ist,
oecis Mommsen), Clod. 6, 8 <.cum> Pescennio subrogare Frankfurter
und die Vulgata {<prae> Pesc. Bährens); Opil. 8, 1 subito contra Persas
profectus est Novak (und meine Ausg.), Heliog. 10, 3 diuitias enormes
parans Novak und Gemoll, 20, 6 exhibuit et patinas ingentes Novak und
Gruter, Alex. 67, 3 His carior est mihi tuta res p. Bährens und
Eyssenhardt.
Als beachtenswert stelle ich noch folgende Konjekturen zusammen,
obgleich ich sie noch nicht sämtlich der Aufnahme in den Text für wert
halte: Hadr. 4, 5 eosdemque saepe linxisse Mommsen (saepe appeiisse
Bährens, eisdemque se pollnisse Novak); 11, 3 quod apud Sabinam uxo-
rem in xiisu eius familiarius se tunc egerant E. N. Bennett, Classical
review V p. 68 (uxorem munium sub officiis Bährens, uxorem inuisam
ei Frankfurter); 23, 7 tunc liuore Seruianum — mori coe^^/^ Mommsen ;
Pins 2, 1 ingenuitate clarus, moribus f/emews Frankfurter; 8, 9 <fa-
bula^^ famosa Novak; 10, 4 auaritiam eiiam mercedis notauit und
Marc. 8, 10 assectatu ornauit Mommsen; Ver. 4, 4 pudendis aniori-
bus infamatus est Novak; 4, 11 haec omnino sciens Petschenig; Comni.
5, 11 nee irrumantium in se inuenum carebat infamia, 10, 2 si qui^
ante se mori uelle praedixisset und 11, 2 gibbos — conuiuis sinapi
perfusos exhibuit Mommsen., 13,2 uersus ideo multi scripti sunt Kle\i% \
20, 4 quoniam leuia percensui und Did. 2, 1 Scuerum, classiarium
militem Novak: 3, 10 <:ob>tantas necessitates sollintus Mommsen; Seuer.
2, 2 a Juliano praetore , 2, 6 sub ei%smodi elogio praeconis und 6, 4
septingenos uicenos aureos legatis dedit Hirschfeld; 11,7 ac derideri
iussit Novak; 13, 4 Ael(ium) Stilonem und 13, 7 Marcium Asellionem
Hirschfeld; 17, 7 dixisset <se fecisse>, ille quod facturus esset Frank-
furter; 19, 5 eiusdemque Septimianae Zangemeister Rh. M. XXXIX
S. 635 {eiusdemque etiam aliae Hirschfeld, Seuerianae Hartel); 22, 3
nomine adscripto Mommsen; Pesc. 2, 4 qui haberet exercitus seque
tweri posset Bährehs; 3, 11 tamdiu tumebit Novak; 7, 4 alter ad li-
bellos appar Hisset Madvig Staatsverf. I S. 583 f.; Clod. 2, 5 facul-
tatem vie et praesente et absente, cum Novak; 3, 2 ut quidam uolunt,
Scriptores historiae Augiistae. 159
arte firmatum Bährens ; 8,2 [warn] cum — dedissent Lessing: 13, 10
senatus nohis consules fadat Steuding Fleckeisens Jahrb. 1889 S. 599
(bonos Hirschfeld); 14,2 adscisceret <et> apud lul. Petschenig; Car.
7, 5 niystice tarnen <Lunum> deum dicunt Frankfurter: Gret. 2, 2 uel
patrem suum Frankfurter: 6, 6 rccitanti fausta pr aetori Klehs: Opil.
3, 5 aut quia praenomen tantum Frankfurter; 4, 7 ohtenta fadione
Mommsen: Diad. 1, 6 Antoninum diu uiuum omnes rogamus Petschenig-
und Bährens; Heliog. 4,2 ad — suhsellia et tarn scribendo adfmt und
9, 1 idque factum carminibus et consecratione. inde cum Bährens ; 15, 7
per praetorem urbanum Mommsen; 17, 6 solus quippe omnium Bäh-
rens; Alex. 10, 6 di uerecundiae tuae Novak (di immortales faueant
uerec. im Fragm. Cns.); 14, 4 terraeque <marisque> Frankfurter; 45, 3
ambidabant <nescn>, ne Bährens; 59,6 cui Sitillia nomen est Fröhner ;
68, 1 imperatoris parens vir insignis und Max. 26, 6 iussu senatus
Mommsen; 27, 7 harum rerum persecutor, ei fuisse Novak; 28, 10 ne
qui, si Cordum legeret Bährens; Gord. 21, 2 et quidem plurimas bibit
Petschenig, 26, 5 et uicit et Sapore — et post Artaxia duce und Max.
et Balb. 5, 1 1 quare uolenti senatus — detulit Mommsen (uolenter Hirsch-
feld, ueluti <dignissimo> Novak); 7, 3 a Balbo Cornelio <et a> Theo-
fane Cichorius Eom und Mytilene S. 7; 15, 2 tamen leuiter pertime-
scebat Bährens ; 17, 4 quae quanta et cuius modi sit Lessing; Valer. 3, 3
cepisti sed fecisti Petschenig und Bährens ; Gall. 9, 4 epulis dies plures,
alios Mommsen; 12, 6 naualiue hello superati sint Bitschofsky; 16, 4
corrigias gemmeas adnexuit Mommsen; 17, 8 et uenationibus. lauabant
Novak; trig. tyr. 6, 6 post diuum Posfumum ßühl; 8, 11 enitar denique
Petschenig: 10, 12 fiblatoria; ecum ipse misi de nostris Bährens; 10, 6
inlibata se in suo statu res p. nostra tenuisset Novak; 11,2 cepit
<aliquos>, aliquos — addixit und 23, 2 regeret, <coactus> ab militihus
sumpsit imperium Bährens; 26, 6 etenim in media — solo und 30, 1 im-
perarent et quidem <peregrinae> . peregrina enim Petschenig: 30, 21
Latini sermonis non — ignara sed ut loqueretur pudore cohibita Momm-
sen; 32, 7 scifntia materiae facnltate uerhosa est Novak; Claud. 7, 7
Quam tantam statuam faciet populus Romanus quae tua gesta loquatur?
Wölfflin Sitzungsber. d. bayer. Ak. 1892 S. 214; 12, 1 morbo aeque
exercitu Labor ante Bitschofsky: Aur. 4, 2 sacerdotem Solis sui in uico
Mommsen: 21, 8 perodiendum talem principem Hirschfeld (perpetien-
dum Novak); 22, 1 ad saeptiones sacrae urbis Mommsen; 23, 5 sed
citius bona eius liberis reddidi und 36, 4 quod nescio quid de fumo
suspicatus esset Bährens; 44, 4 Äurelianum Gallizenas consuluisse
Dryadas L. Paul (Fleckeisens Jahrb. CXLV S. 796 f. nach Mela III
3, 48; dafs Druiden gemeint sind, ist nicht zu bezweifeln; doch mnfs
die Form Dryadas beibehalten werden, da Alex. 60, 6 und Numer. 14, 3
160 Scriptores historiae Augustae.
Dryas vorkommt und die hdscliriftl. Überlieferung überall diesen Nomin.
voraussetzt); Tac. 5, 2 habes prudentem et honum fratrem Frankfurter;
10, 3 scribi publicitus a praefectis archiis iussit und 11, 4 nitoris
renatorii Moramsen; 14, 8 inter militares Petsclienig; 15, 2 qui ad
Monam msidam proconsulem mittat und Sat. 7, 4 haruspices, medid
omnes Inda ei, Christiani Mommsen; 8, 7 uenerantur [et] gentes Bäh-
j'ens (eins gentis Novak); Car. 4, 1 ut prae summa ego uarietate Novak;
4, 5 ipse se — Romanum uult videri Petsclienig (ipse sane Bitschofsky) ;
(), 3 ut publico sumptu uelitis Bitschofsky; Num. 11, 2 inque agoni-
bus inlustratus Novak; 18,4 perreuerenies Romani senatum Petsclienig
(speciem reu. Bälirens); 20, 4 et risit, si auiae pallio Novak (et con-
cessit auiae pallio — ut uteretur Mommsen).
Späi'licher sind die Beiträge für die Erklärung geflossen. Görres
(n. 10) findet Did. 2. 1 und Seuer. 4, 3 Spuren eines gegen Angeberei
gerichteten Gresetzes des Marc Aurel, aus welcliem später ein Toleranz-
edikt zu Gunsten der Christen gemacht worden sei, und lehnt mit Recht
die Vermutung derjenigen ab, welche eine Christenverfolgung des Aureliaa
aus des Vopiscus Vita herausgedeutet hatten; L. Cantarelli (Bullet,
della Commissione archeclogica di Roma. Serie terza. 1888 p. 1 — 13)
erklärt im Anschlufs an Gori die rätselhaften anabolicae species (Aur.
45, 1) als chirurgische Instrumente. Habel (n. 12) erörtert 'zwei offen-
bare Fälschungen' des Spartian, um so 'einen kleinen Beitrag zur Unter-
stützung der Ausführungen Dessaus zu liefern'. Er vergleicht deshalb
Lampr. Com. 5, 12, wo der Tod des älteren Claudius Porapeianus, des Ge-
mahls der Lucilla, also Schwiegersohns des Marc Aurel, mit dem seines
Sohnes (aus erster Ehe), der den Commodus zu ermorden versucht hatte,
verwechselt wird, nachdem c. 4, 4 richtig der Hinrichtung des Sohnes
gedacht war, und Spart. Carac. 3, 8, nacli welcher Stelle Caracalla
einen jüngeren Pompeianus aus der zweiten Ehe mit Lucilla getütet
haben soll. Die Thatsache der Hinrichtung der zwei Sühne des ange-
sehenen kaiserlichen Schwiegersohnes ist auch anderweitig bezeugt,
wälirend der Vater noch bis in die Regierung des Pertinax hinein ge-
lebt hat (Dio 73, 3). Wie schon von anderen bemerkt worden ist, liegt
also Com. 5, 12 ein Irrtum vor; weiter aber ersclieiut es unglaublich,
dais sowohl von Commodus der ältere Sohn als von Caracalla der jüngere
beseitigt worden sei 'quasi a latronibus' (so au beiden Stellen der h. A.).
Solches kann nur in einem Fall geschehen und mufs fälschlich auf den
anderen übertragen worden sein. Unter Beibringung des gesamten
Materials setzt dies Habel richtig auseiuaudei'. Weniger überzeugt er
mit der Annahme eines ähnlichen Vorgangs in Spart. Did. 8, 3 und
Capit. Pert. 4, 10 — die beiden Handlungen können sehr wohl neben-
einander bestehen und gleichen sich gar nicht in demselben Malse wie
Scriptores historiae Augustae. 101
die obigen Stellen — , aber selbst diese zugegeben, ist die Schlufsfolge-
rung unbegründet, dals deshalb die genannten vier Biograpliieen aus
der Feder eines Litteraten stammen und dafs dadurch die Dessausche
Ansicht noch mehr in den Bereich der Wahrscheinlichkeit gerückt
werde (s. meine Unters. S. 146 f., wo ich von Habeis Darlegung noch
keine Kenntnis hatte). — Mehrere Stellen hat Plew gelegentlich er-
klärt — besonders ausführlich n. 32 S. 26 if. Hadr. 7, 4 in senatu quo-
que excusatis quae facta erant 'auch im Senat lehnte er jede Verant-
wortung für das Geschehene, jeden Anteil daran ab' — , auch ich in
meinen Untersuchungen. Ein Kommentar, wie ihn Mommsen S. 281 ver-
langt, 'welcher für jede einzelne Notiz die in der Sammlung selbst so-
wie aufserhalb derselben auftretenden Parallelstellen vor die Augen
führt oder auch deren Mangel konstatiert', bleibt ein dringendes Be-
dürfnis; ist aber erst die von der Berliner Akademie verheilsene Pro-
sopographie der römischen Kaiserzeit erschienen, wird, denke ich, auch
zu ihm die Zeit gekommen sein. Ein Wortverzeichnis, die zweite For-
derung Mommsens (s. auch Klebs n. 18 S. 52), bereitet Lessing vor
(Wölfflin S. 537).
JahresDericlit für Alterthumswissenschaft. LXXVII. Bd. (.1893. II.j 11
Bericht über die Litteratur zu Caesar 1891. 1892.
Von
Professor H. J. Heller
in Berlin.
Bellnm Oalllcum.
Eight books of Caesars Gallic war by William Rainey Harper
and Herbert Cashing Tolman. New -York. Cincinnati. Chicago,
American book Company 1891. 502 S.
Die Verfasser, welche sich im Text an Kraner, in der Einleitung
über das Kriegswesen an ßüstow anschliefseu, und welche ihrem Buche
eine Karte von Gallien, Pläne und viele Abbildungen eingefügt haben,
machen Anspruch darauf, für den Schulunterricht manches Eigentümliche
einzuführen: dies besteht hauptsächlich in grammatischen Anleitungen,
welche an die Worte des Schriftstellers angeknüpft werden, weniger
darauf berechnet, das Verständnis derselben zu fördern, als den Schülern
für ihre eigenen Übungen im Lateinschreiben nützlich zu sein; diese
unter dem Text augebrachten Anleitungen enthalten die Angabe der
grammatischen Besonderheit (z. B. Superlativ mit quam) und Hin-
weisungen auf die Paragraphen di'eier in Amerika im Gebrauch befind-
licher Grammatiken. Von einer so eng nur zu sprachlichen Zwecken
betriebenen Lektüre der alten Schriftsteller ist man jetzt bei uns abge-
kommen. Eigentliche Erklärungen, die auch nur der Auffassung des
Wortlautes und dem Verständnis der Sätze dienen, sind in den hinten
angebrachten Notes beigebracht, hinter denen sich auch Exercitien be-
finden zum Übersetzen aus dem Englischen ins Lateinische im Anschlul's
an das Gelesene. Angehängt ist ferner ein Vocabularium, dem Listen
von Wörtern vorangehen, welche mehr als lOOmal, 50 bis 75 mal u. s. w.
vorkommen, sowie eine Zusammenstellung der Verba der verschiedenen
Konjugationen, endlich ein Index geographicus und ein Namenverzeichnis.
Unter Inductive Studies befinden sich vor dem Text Nachweisungen,
wie oft cum mit dem Konjunktiv oder Indikativ und in welchen Kapiteln
des I. Buches, ferner wo dort Gerundium und Gerundivum etc. vor-
kommen. Was diese Zusammenstellungen dem Schüler fruchten sollen,
Caesar. 163
ist mir unerfindlich, und obgleich das einzige Neue, keineswegs gut oder
brauchbar.
C. Julii Caesaris commentarii de hello Gallico, Edition de Fr.
Dübner. Avec Observatious graramaticales, Notes, Variantes et Index
geographique, par Ed. Degove. Paris, Victor Lecoffre 1892.
Dübner hatte nach seiner kritischen Bearbeitung eine Schulausgabe
veranstalten wollen; der Tod hat ihn daran gehindert; Degove hat nun
diese Aufgabe erfüllt. Aufser einer Karte Galliens und verschiedenen
Plänen sind in den Text auch Abbildungen von Kriegern und Waffen
eingefügt. Wenn auch im ganzen Dübners Texte folgend, hat der Heraus-
geber doch in nicht wenigen Stellen sich den Entscheidungen und Ver-
mutungen der deutschen Bearbeiter und Kritiker angeschlossen, auf
eigene Forschung allerdings gänzlich verzichtend; darüber geben die
Variantes Auskunft. Die dem Buche vorausgeschickten Observatious
grammaticales sollen dem Schüler die Eigentümlichkeiten der Ausdrucks-
weise Caesars vorführen; darunter findet sich freilich manches, was bei
den römischen Schriftstellern überhaupt vorkommt, wie quam vor dem
Superlativ; einzelnes ist geradezu verfehlt, z. B. wenn III, 10, 2 dem
Substantiv conjuratio der Satz ne — reliquae natioues sibi idem arbitra-
rentur untergeordnet sein soll; auch fehlt es nicht an Druckfehlern oder
Nachlässigkeiten: so ist in dem eben angeführten Satze licere hinter idem
fortgelassen; in einem anderen Beispiele V, 25, 2 ist gedruckt Huic
Caesar pro ejus atque in se benevolentia .... restituerat; was soll der
Schüler mit diesem Satze, aus dem virtute hinter ejus ausgelassen ist,
anfangen ? Aus I, 40, 5 wird accipiunt in indirekter Rede statt accepissent
beigebracht. Was Schülern in die Hand gegeben wird, mufs ohne ihr
weiteres Nachschlagen durchaus verständlich und grammatisch richtig
sein. Dafs der Herausgeber non dubitare einfach als bald mit quin, bald
mit dem Infinitiv verbunden, anführt, wird selbst schon vorgerückteren
Schülern auffallend erscheinen, welche die verschiedene Bedeutung und
Konstruktion von dubitare zweifeln, douter und dubitare, Bedenken
tragen, hesiter zu unterscheiden gelernt haben. Nichtsdestoweniger
empfehle ich, wegen der Zusammenstellung, die Bemerkungen des Ver-
fassers Lehrern wie Herausgebern.
Bellimi civile.
Peskett, Gai Julii Caesaris commeutariorum de hello civili liber
primus with introduction, notes and maps. Cambridge, Universitj'
Prefs 1890.
Der Verfasser, von welchem früher auch das bellum Gallicura er-
schienen ist, hat aus Nipperdeys, Krauer-Hofmanns, Moberlej^s (1883),
11*
1 64 Caesar.
Diuters, Pauls und E. Hoffmanns Ausgaben seine Lesarten ausgewählt,
sonst auch die neuesten Werke, J^Ieusels Lexicon Caesarianum, Merguets
Lexikon, Gölers Bürgerkrieg, Stoffels Histoire de Jules C^sar, Rud.
Schneiders Herda; Nissens Aufsatz Der Ausbruch des Bürgerkrieges in
von Sybels Historischer Zeitschrift XLIV und XLV (1880 und 1881),
Mommsens Die Rechtsfrage zwischen Caesar und dem Senat, Langes
Römische Altertümer, sowie ferner manche von den in unseren Zeit-
schriften enthaltenen Besserungsvorschlägen benutzt. Man sieht ans
dieser Zusammenstellung, dafs der englische Herausgeber — mit Aus-
nahme des allerdings höchst bedeutsamen Werkes Stoffels — lediglich
auf die Arbeiten deutscher Gelehrter angewiesen gewesen ist. Eigene
Vermutungen hat er nicht in den Text gesetzt, aber im Appendix aus-
gesprochen; aufserdem teilt er daselbst eine Anzahl von Emendationen
mit, welche Dr. Reid ihm hat zugehen lassen. 6, 3 schaltet er se hinter
passurum ein, nach h, weil Caesar nach negare niemals das Keflexivum
weglasse; 7, 4 vermutet Reid tribunis für das hdschr. dona und
das gewöhnlich dafür gesetzte bona; 11, 2 schlägt Peskett selbst vor
si peractis consularibus comitiis non profectus esset, was, wenn cons.
com. geschrieben worden war, leicht in peracto consulatu hätte über-
gehen können; er schägfc 14, 1 vor et ad pecuniam, mit Zufügung von
et; 16, 1 verteidigt er in den Noten Firmo in derselben Weise, wie ich
es immer gethan habe; 25, 3 möchte Reid ex maritimis lesen st. ab
extremis, und 27, 4 terraque injecta aequat st. terraque inaequat; 32, 5
scheint Peskett wegen der Variationen der Hdschr. (non postularent,
alterorum postularent) zwischen altere und postularent ein Wort aus-
gefallen zu sein; 39, 2 glaubt er, es sei M (mille) hinter hominum weg-
geblieben; 44, 4 hält er, unter Beibehaltung des censuerant, se servare
st. des blol'sen servare und dimittere st. dimitti für ratsam; 55, 1 non
ita magnam st. des hdschr. quam magnam oder des von Paul dafür ge-
setzten permagnam; 62, 1 bringt er auch im Text jam rem deduxerat
st. des hdschr. jam reduxerat rem und Pauls jam deduxerat
rem, weil so nach seiner Ansicht die Verschreibung reduxerat sich
leichter erklären lasse; 63, 3 morari iter atque impedire st. morari
atque iter impedire; 69, 3 consilium suum summis st. des hdschr. con-
silium suum ; 78, 1 dierum XII st. des hdschr. dierum XXII oder Gölers
dierum VTII und Dinters dierum VII; 85, 9 ut semper fit, sed st. Aldus'
Verbesserung ut semper, sed st. des hdschr. ut semper fit. — In den
erklärenden Anmerkungen ist oben nichts Neues. Zu I, 64 giebt er an,
dafs in praesentia den Ablativ des Substantivs, nicht den Pluralis des
Neutrums vom Adjektivum enthält; er hätte hinzufügen sollen, dafs es
unter den gegenwärtigen Umständen bedeutet , ebenso wie in bis temporibus
unter den obwaltenden Zeitläuften und nicht in dieser Zeit sagen will.
,
Caesar. 165
C. Julii Caesaris commentarii de bello civili, recensione e note
di Eusebio Grarizio. Torino, Paravia e comp. 1891.
Die Ausgabe macht keinen Anspruch auf kritische Feststellung
des Textes, sie begnügt sich mit der dem Verständnis des Anfängers
am meisten entgegenkommenden Auswahl der Lesarten und stimmt an
manchen Stellen mit Dinter-Doberenz, an anderen mit Fr. Hofmann
(z. B. I, 80, 4 relictis impcdimentis, III, 25, 4 sive ad litora Apolloniatium
sive ad Labeatium etc.) überein. In den Anmerkungen überwiegen die
Worterklärungen, welche nur wenig Neues bieten, z. B. I, 33, 3 timoris
causa, raro esempio d'antico classico, dove il genitivo con causa nou
indica la causa finale, ma il motivo esistente in luogo deir ablativo solo
0 deir accusativo con ob o propter, come per solito si usa. — Eine
geographische Karte, sowie eine „Auswahl der Caesar geläufigen und
eigentümlichen Ausdrucks weisen" soll den Käufern des Buches nach-
geliefert werden; mir ist beides noch nicht zugegangen.
Gai Juli Caesaris de bello civili commentariorum I edited with
Notes and Vocabulary for the use of Schools by Malcolm Montgomery,
M. A., London, Macmillan and Co. 1891.
Der Text dieses zu der Sammlung Elementary Classics gehörigen
Buches ist lediglich der 10. Auflage der Kraner-Hofmannschen Ausgabe
entnommen; aus derselben Quelle sind die Einleitungen über Caesars
Leben und die römischen Heereseinrichtangen ausgezogen. In einer
Schulausgabe sollten störende Druckfehler, wie S. 7 gesserent für gesse-
rint, oder gar in englischen Wörtern, wie S. 64 the mos elementary
für most etc. nicht vorkommen. Die dem Text angehängten An-
merkungen, durchaus für die Schüler berechnet, könnten in ihrer Kürze
hier und da bei ihnen Mifsverständnisse hervorrufen; so 4, 4 totum
whoUy, adverbial use; das ist doch so ausgedrückt, als wenn totum als
Adverbium gebraucht werden könnte; zu 14, 1 Caesar — et equites —
nuntiabantur heilst es: The personal pass. construction, for which we
use the impersonal; sollte das nicht in dem Schüler die Vorstellung er-
wecken, dafs diese Ausdi'ucksweise bei allen lateinischen Verben an-
wendbar, und nicht vielmehr auf die verba dicendi etc. beschränkt ist?
Wenn gut genug für englische Schulen, kann ich diese Ausgabe unseren
Schulbuchherausgebern zu nützlicher Kenntnisnahme nicht empfehlen.
C. Julii Caesaris commentarii de bello civili. Von F. Ramorino
in der Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Hoepliana,
Mailand, Hoepli 1893.
Der Herausgeber hat, wie er in der Vorrede angiebt, sich bemüht,
für die Schule einen verständlichen Text herzustellen, dabei die Ver-
166 Caesar.
besserungen der Kritiker bis anf die neueste Zeit, aus der er Meusel
und Paul namhaft macht, berücksichtigend und eigene Änderungen nicht
vorbringend. Dem Text geht eine kurze historische Einleitung voran.
Bellum Alexandriunm.
In den Blättern für das bayer. Gymnasialschulwesen XXVI Jahr-
gang S. 393—400 und 511—523 setzt Heinr. Schiller seine Unter-
suchungen „Vom Ursprung des Bellum Africanum" weiter fort, dabei
zeigend, dafs im Gebrauch einzelner Wörter, wie des Relativs, des
Pronomens hie, der Konjunktionen cum, ubi etc. sich kaum ein Unter-
schied zwischen B. Gall. VIII und B. Alex, findet, und dafs nur der
Abschnitt des letzteren über Alexandria, Kap. 1 — 32, z. B. in der An-
wendung von cum und atque eine Sonderstellung einnimmt, „als die
eigentliche Heimstätte der Abweichungen von lib. VIII." Die Erzählung
von den spanischen Unruhen, B. Alex. 48—64, hat Landgraf bekannt-
lich auf einen Bericht des Asiuius Pollio zurückzuführen versucht;
Schiller weist diese Vermutung ab, indem er an den von jenem Kritiker
angeführten Fällen zu zeigen unternimmt, dafs in den angegebenen
Kapiteln des B. Alex, weder ein Archaismus noch ein Vulgarismus zu
finden sei. Er schliefst: „Die bisherigen Versuche, dieses Buch dem
Hirtius ganz oder teilweise abzusprechen, sowie die Bestrebungen, den
Auetor B. Afric. mit der Entstehung desselben in nähere Verbindung
zu bringen, sind nicht von Erfolg begleitet gewesen". Es darf jedoch
dabei nicht verschwiegen werden, dafs der Verfasser es für nicht möglich
erklärt hat, in seiner Abhandlung alle Beweise Landgrafs zu besprechen.
Im Philologus 1891 hat Widmann eine Abhandlung über den
Verfasser des bellum Africanum veröffentlicht: dieser Gelehrte weist
Landgrafs und Wölfflins Annahme der Autorschaft PoUios aus sachlichen
Gründen zurück; nach ihm ist der Verfasser des Tagebuchs über den
afrikanischen Feldzug ein Angehöriger der V. Legion gewesen, mit der
Pollio in keinem Zusammenhang gestanden hat.
Erläuterungsschriften.
Caesar's Expeditions to Britain von Henry Elliot Maiden in
The Journal of Pliilology, Vol. XIX No. 38.
In Vol. XVII dieser Zeitschrift hatte derselbe Gelehrte geäufsert,
dafs Sir George Airy „wissenschaftlich die Unmöglichkeit der Landung
Caesars bei Deal "nachgewiesen habe; ich selbstbin, trotz Airys Auseinander-
setzungen (Athenaenm 1851. 1859. Archaelogia 1852, 1862), für Deal
eingetreten (Zeitschr. für allg. Erdkunde 1856, Philol. 1867). Als Ab-
fahrtsort nahm Maiden nur für das erste Mal Wissant au, als Landungs-
Caesar. 167
platz Romney Marsh. Gegen diesen Aufsatz wies Ridgeway in Vol. XIX
No. 37 nach, dafs Caesar beide Male aus demselben Hafen und zwar aus
Wissant abgefahren sei; als Landungsplatz nahm er dagegen Pevensey,
fast 7 deutsche Meilen westsüdwestlich von Komnej'^ Marsh an. In der
oben angefühlten Abhandlung giebt Maiden zu, dafs Caesar beide Male
aus demselben Hafen ausgefahren sein wird; dafs es Wissant gewesen
sei, glaubt er, sei schon dadurch entschieden, dafs William of Poictiers
und William of Jumieges kurz nach der normannischen Eroberung von
einem und demselben Orte sprechend, der eine portus Jcius, der andere
portus Wissanti schreiben. Bei dieser Abfahrt hält er es jedoch, wegen der
Entfernung, nicht für möglich, dafs Caesar bei Pevensey gelandet sein könne.
Caesar's Invasion of Britain von William Ridgeway in The
Journal of Philology, Vol. XIX No. 38.
Der Verfasser sucht zu zeigen, dafs Caesar, von Wissant aus-
laufend, etwa bis South Foreland gelangt, bei angestrengter Arbeit der
Ruderer in der angegebenen Zeit recht wohl Pevensey habe erreichen
können, dabei die Ziffern in den Kommentarien und bei Strabo unan-
gefochten lassend, gegen welche Maiden Zweifel erhoben hat. In dem
ganzen Streit zwischen beiden Gelehrten handelt es sich nur um die
Leistung der Ruderer, über welche die Ansichten beider weit ausein-
andergehen. Am Schlufs seines langen Aufsatzes (S. 200 — 210) sagt
Ridgeway jedoch, dafs es höchst unwissenschaftlich sein würde mit Be-
stimmtheit zu versichern, dafs irgend eine gewisse Stelle der Platz der
Landung Caesar gewesen sei. Ich meinerseits glaube daher an Wissant-
Deal festhalten zu können.
Heinr. Schiller wirft in den Blättern für das bayer. Gymnasial-
Schulwesen, Jahrgang XXVII S. 119, dem von Raimund Öhler heraus-
gegebenen Bilder-Atlas zu Caesars Büchern de b. Gall. vor, dafs er zu
seinen Abbildungen nicht immer die besten Originale ausgewählt habe,
und dafs namentlich der Taf. I No. 5 abgebildete Signifer auch nach
Lindenschmits Urteil geradezu eine Karikatur sei; er bestreitet ferner
die Annahme Öhlers, dafs die Gallier für ihre Schwerter vom Gebrauch
des Eisens zur Bronze zurückgekehrt sein sollten; er behauptet, dafs
die im Atlas abgebildeten Schwerter nicht aus dem Zeitraum von Caesars
Invasion stammen. Schliefslich empfiehlt jedoch auch er das Buch den
Erklärern Caesars und gesteht, viel Interessantes darin gefunden zu haben.
Colonel Stoffel, Guerre de Cesar et d'Arioviste et premieres
Operations de Cesar en Tan 702. 164 p. in — 4^. Avec 2 cartes et
5 plans. Imprimerie nationale. Pr. 30 Francs,
Durch die Berechnung der von Caesars Legionen sieben Tage
hintereinander und ohne Unterbrechung ausgeführten Märsche, für welche
168 Caesar.
man täglich nicht mein- als 27 Ivilouaeter ansetzen düi-fe, wie durch
genaue Besichtigung des Terrains ist der Oberst dazu gelangt, als fest-
stehend anzunehmen, dal's die römischen Truppen, von Besanron auf-
brechend, auf ihrem Umwege um den nördlichen Vorsprung des Jura
über Voray, Rioz Vallerois-le-Bois, Villersexel und Arcey und ihrem
geraden IMarsche über Beifort und Cernay, am siebenten Tage an der
Fecht anlangten und nördlich von Kolmar zwischen Gemar und Ostheini
lagerten; Ariovist befand sich zuerst etwa zwischen Germersheim und
Pelz (nicht, wie Goeler angegeben hatte, im Württembergischen, was
wegen der Entfernung Stoffel für unmöglich erklärt), sodann als er näher
an Caesar herangerückt war, zwischen Eosheim und Dorlisheira, an der
Brüche; die Zusammenkunft beider Feldherren fand auf dem Hügel von
Plettig statt. Zwei Tage darauf setzte Ariovist, dem der Oberst das
Zeugnis giebt, ein vortrefflicher Taktiker gewesen zu sein, sich am
Fufs der Vogesen an dem Giefsen bei Kestenholz fest; sodann
marschierten die Germanen durch die Berge, wo sie nicht angegriffen
werden konnten, über Kinzheim, Saint-Pilt, Bergheim und Rappolts-
weiler und nahmen Stellung auf den östlichen Abhängen, welche sich
von Zellenberg bis Bennweier erstrecken. Das kleine Lager, durch
welches, nach dieser Umgehung seines groisen Lagers durch die
Germanen, Caesar seine Verbindung mit den Sequanern und den Aeduern
wiederherstellte, setzt Stoffel entweder auf dem Bühl genannten Hügel,
in der Nähe von Bennweier und der Weifs, oder, was er für wahr-
scheinlicher hält, auf dem in die Ebene der Fecht auslaufenden Berg-
vorsprung bei Bebeinheim an. Die Schlacht fand nach seiner Ansicht
in eben dieser Ebene, am Fufs der Anhöhen von Mittelweier, Bebeln-
heim und Zellenberg statt, obgleich er diese Annahmen durch Nach-
grabungen bisher nicht hat stützen können. JNachträglich wird hier
aber die Aufzählung der Funde beigebracht, welche den Verfasser be-
stimmt haben, das Schlachtfeld des Krieges gegen die Helvetier bei
Montmort festzusetzen; er giebt aufserdem den Marsch der Helvetier
und Caesars, sowie die Daten der verschiedenen Vorgänge, ferner die
Zahl der Kämpfer und der Überlebenden nach einer etwas anderen
Schätzung, als er es früher in der Guerre civile gethan hatte, an. Es folgt
sodann eine ausführliche Schilderung der eigentümlichen Kämpfe des
römischen Feldherrn mit den Germanen. Trotz der Bestimmtheit der
Behauptungen des Obersten darf man seine Ortsangaben im Germanen-
kriege, weil sie eben noch nicht durch materielle Anzeichen begründet
sind, wie einleuchtend er sie sonst auch zu machen weils, vorläufig nur
noch als mutmafsliche- Annahmen ansehen; zwei gröfsere Karten und
ein kleinerer Plan machen übrigens seine Darstellung völlig deutlich.
Einen ziemlich gi'ofsen Teil des Buches nimmt die Schilderung der
Caesar, 169
gallischen und der germanisclieu Zustände ein, meistenteils ein über-
flüssiger Auszug aus den Kommentarien, eine Umschreibung ihres
Inhalts mit Zusätzen aus der allgemeinen Geschichte der Kelten und
der Germanen, wohl eher für das gröfsere Lesepublikum als für den
Geschichtsforscher berechnet. Ob die Schlacht bei Magetobria (Mageto-
briga), wie Napoleon I im Precis annimmt, bei Pontailler vorgefallen
sei, läfst er fraglich, ohne auf die anderen Versuche, den Ort zu be-
stimmen, einzugehen, aber wegen Cic. ad. Att. I, 19 verlegt er das
TreÖ'en in das Jahr G94, nicht 693, wie in manchen Geschichtsbüchern
angegeben wird. Die auf S. 75 — 138 folgenden Explications et remarques
sollen einzelne Teile der vorangehenden Erzählung rechtfertigen und
aufserdem einige Betrachtungen , welche der Text der Kommentarien
dem Obersten aufgedrängt hat, beibringen. So bezweifelt er, trotz des
Ausdruckes Eodem die, 48, 1, die Möglichkeit, dafs die Abschickung der
Gesandten von Ariovist, die Absendung des Procillus au diesen und der
erste Marsch der Germanen, der 28 Kilometer betrug, an einem und
demselben Tage hätten stattfinden können; die "Worte 37, 3 qui Rhenum
transire conarentur will er nicht übersetzt haben, welche beabsichtigten
oder bereit wären, über den Rhein zu gehen, er meint, die Worte
Caesars schlössen notwendig schon einen Anfang der Ausführung in sich
und müfsten aufgefafst werden, welche es unternähmen etc. Nach den
im Auftrage Napoleons III. vorgenommenen Messungen des Obersten
Stoffel liest man jetzt 38,5 pedum MDC statt DC; nur Thomann hat
gegen diese Änderung Einspruch erhoben; der Oberst giebt ihm jetzt
Recht, da Caesar durch reliquum spatium hat bezeichnen wollen,
nicht die Breite der Basis des Berges von einer Uferstelle bis zur
entgegengesetzten (oder anders ausgedrückt, nicht die Breite des Terrains
der Enge, welche der sich krümmende und fast an denselben Ort zurück-
kehrende Lauf des Flusses bildet), sondern vielmehr das auf der
Mitte des Berges befindliche Plateau, als den einzigen Punkt, von dem
aus die Stadt hätte angegriffen werden können , ein Plateau , dm-ch
welches man in die Stadt gelangt, und aus dem die Gallier eine Festung
gemacht hatten, es mit einer Ringmauer umgebend; dies Plateau ist in
der That ungefähr 600 Fufs breit. Stoffel fügt sogar aufserdem hinzu,
dafs die Alten nicht das Mittel kannten, die Breite eines Berges von
einer Stelle der Basis desselben bis zu der gegenüberliegenden zu
messen. Der auf S. 48 eingeschaltete Plan von Vesontio verdeutlicht
diese Auseinandersetzung. Völlig überzeugend ist übrigens die Dar-
legung, durch welche Stoffel nachweist, wie, unter Annahme des von
ihm bezeichneten Terrains, Caesar es ruhig mitansehen mufste, dafs seine
Verbindung mit den Aeduern und den Sequanern abgeschnitten wurde,
und warum er, trotz des in seiner Nähe ausgeführten Flankenmarsches
170 Caesar.
Ariovists gänzlich unthätig blieb, was sich nach der Meinung des
Obersten nur bei dem von ihm nachgewiesenen Marsch der Germanen
über die Bergabhänge erklären läfst, so dafs der römische Feldherr den
ihm von Militärschriftstellern deshalb gemachten Vorwurf nicht verdient.
Nach der Berechnung des Verfassers hat die Schlacht gegen die
Helvetier am 29. Juni, die Schlacht gegen Ariovist am 14. September
stattgefunden; auf den 18. September fiel der Neumond. Den Ober-
befehl über die einzelnen Legionen hatte, nach Stoffels Ansicht, der
erste Soldatentribun; der Legat oder Quästor sollte nur Zeuge des
Verhaltens der Soldaten sein ; bei detachierten Heeresabteilungen, denen
besondere Unternehmungen anvertraut wurden, führte jedoch der an die
Spitze gestellte Legat oder Quästor den Oberbefehl. Die Centurionen
vergleicht er mit den jetzigen Kompagnieführern; der primipilus entsprach
etwa dem Bataillonskommandeur. Die dritte Linie erklärt er, trotz der
Ausnahme, welche die Schlacht bei Pharsalus darin macht, nicht, wie
Rüsch, Goeler und Rüstow, für eine allgemeine Reserve, sondern die
Kohorten derselben standen nach seiner Annahme zur Verfügung der
an der Spitze einer oder mehrerer Legionen stehenden Legaten,
Gleichwohl glaubt er, entgegen der Ansicht Goelers, dafs Crassus in
der Schlacht an der Pecht dem bedrängten linken Flügel nicht blofs
die Reserve des Centrums und eines Flügels, sondern die allgemeine
Reserve zu Hülfe geführt habe, hier den Ausdruck r^serve generale
gebrauchend, den er an anderer Stelle verwirft; diese Annahme ist wohl
wegen der Gröfse der Entfernungen und der Dringlichkeit der Lage,
schwerlich gerechtfertigt, auch wenn Caesar der Kürze wegen schlecht-
hin tertiam aciem sagt, womit er hier wohl nur die Abteilungen der-
selben, welche hinter dem bedrängten linken Flügel der Römer standen,
meinen kann. Merkwürdigerweise will der Oberst es für einen ein-
gewurzelten Irrtum ansehen, dafs die Franzosen für eine lateinische
Rasse gelten, und dafs die französisclie Sprache von dem Lateinischen
abgeleitet werde; er meint im Gegenteil, dafs viele römische Wörter,
besonders die auf den Ackerbau bezüglichen, durch die Einfälle der
Gallier in Italien aus dem Keltischen in das Lateinische übergegangen
seien; wenn er auch recht haben sollte in seinem Vergleich des Charakters
der Gallier mit dem der Franzosen, so bleibt es doch im philologischen
Sinne geradezu abenteuerlicb, nach rein ethnographischen Betrachtungen
dem Französischen seinen lateinischen Ursprung absprechen zu wollen.
Ungeachtet einzelner von mir erhobener sachlicher Bedenken und einer
Ausstellung, welche man an der Form machen könnte, die infolge der
vom Verfasser gewählten Disposition an zahlreichen Wiederholungen
leidet, ist, nach meiner Auffassung, das W^erk Stoffels dennoch die ein-
gehendste und gründlichste Erklärung, welche über irgend einen Teil
Caesar. 171
der Kommentarien verfafst worden ist. Wie man aus einem einge-
schalteten Abschnitt sieht, hat der Verfasser bei der Ausarbeitung
seines Buches vorzüglich an die Belehrung jüngerer Offiziere gedacht,
welchen er, neben anderen Schriften, die Kommentarien angelegentlich
empfiehlt, und für die ein volles Verständnis derselben allerdings auch
eher zu erwarten ist als für Tertianer eines Gymnasiums.
Ein zur eigentlichen Hauptaufgabe des Verfassers nicht gehöriger
Anhang behandelt die Anfänge des Feldzugsjahres 702; er will hier
einige von allen seinen Vorgängern begangene Irrtümer berichtigen.
Ihm zufolge konzentrierte Caesar seine Legionen nicht in Agedincum,
sondern im Lande der Lingonen, etwa in Chätillon-sur-Seine, als einem
zwischen Agedincum und dem Gebiete der Trevirer gelegenen Punkte;
sodann marschierte er mit dem vereinigten Heere nach Agedincum. Diese
Auffassung hat jedoch den Übelstand, dal's die in dem letzteren Ort
stehenden Legionen nutzlos erst in das Land der Lingonen marschiert
sein würden, um von da wieder nach Agedincum zurückzu-
gehen. Wenn Caesar VII, 9, 5 sagt ad reliquas legiones mittit, so
liegt darin keinesweges , dals er auch den in Agedincum liegenden
Legionen den Befehl erteilt habe, bis in das Land der Lingonen zu
ihm zu stofsen; es genügte, diesen die Weisung zukommen zu lassen,
sich marschfertig zu halten ; es ist noch nicht einmal gewifs, dafs Caesar
mit den aus dem Lande der Trevirer und dem Lande der Lingonen zu-
sammengezogenen HeeresabteiluDgen bis Agedincum vorgegangen sein
mul's; er kann den in dieser Stadt befindlichen Legionen aufgegeben
haben, mit Zurücklassung zweier von ihnen und des Gepäcks, ihn an
irgend einer Stelle seines Marsches zu erw'arten oder anzutreffen — er
sagt deshalb hier auch nur in unum locum — und das um so mehr, als
es unter den von ihm geschilderten Umständen ihm hauptsächlich auf
Schnelligkeit seiner Unternehmungen ankommen mufste. Vellaunodunum,
auf welches Caesar in gerader Linie von Norden nach Süden losgeht,
sucht Stoffel nicht in Ladon oder in Chäteau Landen, auch nicht mit
Napoleon III. in Triguieres an der Ouanne, sondern in Toncy an der
Ouanne, ohne dals wenigstens bis jetzt Bodenuntersuchungen seine als
gewifs ausgesprochene Vermutung bestätigt hätten; dann, sich von dem
Wege zu den Bojern, der ihn auf Nevers zu führte, abwendend, rückt
der römische Feldherr gegen Genabum (Gien) vor; altero die in 71,1
kann, nach des Obersten Meinung, wegen der Entfernung nicht am
folgenden Tage, sondern mufs alsdann am zweitfolgenden Tage oder in
zwei Tagemärschen bedeuten; und eben diese Bedeutung legt er dem
nur noch einmal bei Caesar in VII, 69, 2 vorkommenden Ausdi'uck bei,
weil von dem nach seiner Behauptung ganz unbestreitbaren Schlachtfelde
an der Vingeanne die römische Armee nur in zwei Tagemärschen
172 Caesar.
Alesia eiTeiclien konnte, während ich gerade wegen dieses altero die
früher die Annahme des Schlaciitfeldes an der Vingeanne nicht für gut
möglich erklärt hatte. Der Oberst Stoffel ist jetzt unstreitig der be-
rufenste Ausleger der Kommentiu'ien; auch diese seine Auseinander-
setzungen verdienen daher, ungeachtet der eben von mir vorgebrachten
Einwendungen, die sorgfältigste Beachtung aller künftigen Forscher.
Im Rheinischen Museum 1892 ist von E. Schmidt die Abhandlung
Der Ausbruch des Bürgerkrieges im Jahre 49 v. Chr. erschienen; der
Verfasser, Ciceros Briefe als die wichtigste Quelle für die Streitfrage
ansehend, unterstützt Nisseüs Ansicht (in Sybels Historischer Zeitschrift,
Bd. 44 und 46).
Heerwesen.
Dr. Franz Fröhlich, Das Kriegswesen Caesars III. Teil 2 (Schlufs) :
Gebrauch und Führung der Kriegsniittel. Zürich, Schulthess 1891.
Der Verfasser behandelt hier die Gefechtsleitung und unterzieht
das Verhalten Caesars in den wichtigsten Schlachten einer eingehenden
Kritik; vom 2. Kriegsjahre an kann er ihm auch ein recht günstiges
Zeugnis ausstellen. In den folgenden Abschnitten werden die Offensiv-
und Defensivschlacht, die Seeschlacht, die Märsche, die Flufsübergänge
besonders besprochen; in dem letzten dieser Kapitel bekommt Frfihlicli
es natürlich auch mit der liheinbrücke zu thun; „als Nichttechniker
mafst er sich nicht an, den vielen schon vorgebrachten Lösungen
eine neue hinzuzufügen"; obgleich er meine Bemühungen um die Er-
klärung des Brückenbaues anerkennt, befriedigt ihn doch am meisten
die von Menge Philol. XLIV vorgetragene Auffassung, die er wiedergiebt,
ohne sich zu erinnern, dafs ich dieselbe Philol. Siippl. V 386 ausführ-
lich widerlegt habe; so kommt er denn auf den von mehreren Erklärern
begangenen Irrtum zurück, dafs utraque und utrimque in einem und dem-
selben Satze eine und dieselbe Beziehung gehabt haben sollen, — eine
Wiederholung, die in einem Schüleraufsatze unstatthaft, und deren Be-
schuldigung schon für einen geringeren Schriftsteller als Caesar geradezu
beleidigend sein würde; utrimque ab extrema parte ist doch deutlich
genug soviel wie et ab exteriore et ab interiore parte und bildet gerade
80 ausgedrückt den besten Gegensatz zu der hier nicht angewendeten,
sonst aber üblichen Durchschlagung der fibulae per media tigna; extremus
wird aber, sei es rechts oder links, östlich oder westlich, im Gegensatz
zu medius gebraucht. Die letzten Kapitel handeln vom Lager, von den
Feldbefestigungen, vom Festungskrieg und von der Strategie; „während
Caesar in taktischer Beziehung als Feldherr nur hier und da selbst-
thätig eingriff, war er in Beziehung auf den strategischen Teil der
Kriegsführung sein eigener und alleiniger Generalstabschef". In der
Caesar. 173
Beschreibung des Turmbaues vor Massilia folgt Fröhlich, wenn auch
in anderer, ich weifs nicht woher entlehnter Fassung-, der von mir
Philol. Suppl. V gegebenen Auseinandersetzung.
Lexika.
A complete lexicou of the Latinity of Caesar's Gallic war by
E. G. Sihler. Boston Unit. Stat. Amer. Ginn et Co. 1891. 188 S.
Unabhängig von Merguet und Meusel, wie der Verfasser behauptet,
schliefst sich dies "Wörterverzeichnis der 7 von Caesar selbst verfafsten
Bücher an Holders Index an; für Kritik und Erklärung hat er nach
der Vorrede Kraners Ausgabe und meine Berichte im Philol., auch, wie
man aus einzelnen Anführungen ersieht, Pauls Aufsätze benutzt. Die
Wörter haben jedesmal die für die verschiedenen Stellen geeignete
englische Übersetzung, die Sätze sind in den hauptsächlichsten Fällen
kurz beigefügt. Die unsicheren Lesarten werden durch ein Zeichen
angedeutet, z. B. VII, 74, 1 ejus discessu, ohne Angabe der versuchten
Besserung; si ita accidat, ebenda, fehlt ganz. Nur selten bringt der
Verfasser zwei Lesarten bei; so salutem sibi reppererunt (or pepererunt,
dies letztere aus Nipperdeys Ausgabe) I, 53, 2. Zum Nachschlagen ge-
suchter Ausdrucksweisen ausreichend.
Prof. Dr. A. Procksch, Dir. des Herzogl. Gymn. in Eisenberg,
Anleitung zur Vorbereitung auf Caesars Gallischen Krieg, Leipzig,
Teubner 1890. I. Bändchen, Buch I— III.
Der Verfasser giebt, Satz für Satz, sachliche und besonders sprach-
liche Erläuterungen, welche zum Verständnis und namentlich zu einer
passenden Übersetzung anleiten sollen, darunter vieles, was der Schüler
sich auch ganz gut aus dem Wörterbuch entnehmen kann, dessen Ge-
brauch bei Benutzung dieser Prockschen Präparation fast überflüssig
gemacht wird, eine Erleichterung, die ihm zwar Zeit erspart, aber in
gleichem Mafse seine Selbstthätigkeit verringert. Es ist sogar Gefahr
vorhanden, dafs er glaubt, was ihm überall so bequem ent^gengebracht
wird, brauche dem Gedächtnis nicht eingeprägt zu werden; sicherlich
behält er fester, was er sich selbst herauszusuchen bemüht gewesen ist.
Ich wünsche stets die Besprechung solcher lediglich pädagogischen
Zwecken dienenden Schriften auch in wissenschaftlicher Beziehung nutzbar
zu machen. Zu I, 14, 3 schreibt Procksch: „eo invito, gegen seinen
(Caesars) Willen", und vorher: „die Sätze mit quod geben die That-
sachen an , in welchen die Beleidigungen (besser wohl die Gewaltthätig-
keiten) bestehen". Der Ausdruck eo invito befindet sich in einer indirekt
wiedergegebenen Bede Caesars; in einem anderen abhängigen Satze I, 8, 2
heifst es dagegen quo facüius, si se invito transire conarentur, prohibere
174 Caesar.
possit. Warum hier se und dort eo gebraucht wird, darüber kann der
Schüler auf die von Procksch aufgeworfene Frage: „also entspricht eo
welcher Person der direkten Rede?" nicht genügende Auskunft geben
oder erhalten. In 8, 2 gehört se invito zu Caesars eigener (subjektiven)
"Willensäufserung; in 14, 3 enthält quod eo invito iter — teraptassent
den (objektiven) Thatbestand der recentiura iujuriarum, ein Thatbestand,
der etwa auch so hätte ausgeführt werden können: quae in eo positae
essent, quod Caesare invito iter — teraptassent. Eine Bemerkung dieser
Art habe ich in den rait Erklärungen versehenen Ausgaben vermifst.
Einen ähnlichen Zweck, nämlich den Schülern der mittleren Klassen
die Präparation zu erleichtern, oder im vorliegenden Fall ganz abzu-
nehmen, verfolgt die Präparation zu Caesars^ Gallischem Kriege von
Fritz und Julius Ranke, Hannover, Norddeutsche Verlagsanstalt 0. Goedel
1887. Die Wörter sind mit ihrer Ableitung und der gerade passenden
Bedeutung angegeben, so dafs die Hülfe des Lexikons völlig entbehrt
werden kann. Wenn die Schüler die im Französischen und im Griechi-
schen den lateinischen Vokabeln entsprechenden Wörter des Anhangs
sich einprägen sollten, würden sie einigen Vorgeschmack der vergleichen-
den Sprachkunde empfangen; ohne dazu angehalten zu werden, möchten
sie aber wohl schwerlich von dieser Abteilung des Buches Gebrauch
machen. Nach meiner langjährigen Erfahrung haftet im Gedächtnis
nur, was durch eigene Arbeit erworben wird, ich werde jedoch einer
entgegengesetzten Erfahrung nicht widersprechen.
Dr. Otto Eichert, Schulwörterbuch zu den Kommentarien des
Cajus Julius Caesar vom GaDischen Kriege. Mit einer Karte von
Gallien. Siebente revidierte Auflage. Breslau, Kerns Verlag 1891.
In dieser neuen Auflage sind auch die vom Kraner-Dittenbergschen
Text abweichenden Lesarten der Ausgaben von Dinter und Holder be-
rücksichtigt worden. Ein besonders für einen Schriftsteller berechnetes
Wörterbuch soll dem Schüler Winke zu passender Übersetzung der
verschieden A Stellen geben. So hätte denn unter intermittere angeführt
werden können, dafs I, 38, 5 qua liumen intermittit am besten übersetzt
wird, wo der Fhils einen Zwischenraum lälst; und dais I, 50, 1 instituto
SUD, mit Baumstark und Stoffel, verstanden werden mul's, nach seinem
vorhergefafsten Plan.
Les Noms gaulois chez Cesar et Hirtius par H. d'Arbois de
Jubainville, Membre de l'Institut, avec la collaboration de E. Ernault
et G. Dottin. . Premiere serie, les composes dont rix est le dernier
terrae. Paris, I^mile Bouillon 1891.
Der Verfasser hat seit 16 Jahren Materialien zu einem dictionnaire
gaulois gesammelt: das dem gleichen Zweck dienende grofse Werk Alfred
Caesar. 175
Holders hat ihn sein Unternehmen aufgeben lassen; die jetzt von ihm
veröffentlichte Arbeit beschränkt sich auf die aus dem Keltischen her-
rührenden Eigennamen. Er behandelt in dem bis jetzt erschienenen
Teil die Zusammensetzungen mit rix und ausführlich die mit dieser
Endung verbundenen Wortstämme, wie Dumno- oder Dubno-, Orgeto-,
ßitu-, Eporedo-, Vercingeto-, die Vorsilben Ver und Tri, und die aus
diesen Elementen hervorgegangenen mannigfaltigen Bildungen von Per-
sonen-, Völker- und Ortsnamen, endlich die daher stammenden Be-
nennungen französischer, deutscher, englischer und spanischer Städte
und Dörfer, wobei er, wenn auch von Caesars Kommentarien ausgehend,
sich auch über die bei anderen römischen und griechischen Schriftstellern
oder in Inschriften vorkommenden Namen verbreitet. Nach seinem
eigenen Geständnis ist ihm der Plan zu diesem Buche durch Glücks
Werkchen die bei C. J. Caesar vorkommenden keltischen Namen ein-
gegeben worden, dessen Annahmen und Angaben durch die Forschungen
deutscher, englischer und französischer Gelehrter in manchen Stücken
haben Abänderungen erfahren müssen. Die Bedeutung der gallischen
Namen wird, soweit sie sich ermitteln läfst, von dem Verfasser überall
festgestellt. Ausführliche Register erleichtern das Nachschlagen; nur in
äufserst seltenen Fällen sind die Seitenziffern nicht richtig angegeben;
ebenso wechselt auch nur in wenigen französischen Namen die Ortho-
graphie, Billom neben Billon, Saint- Alban neben ^Saint-Albans, Moutiers
neben Moustiers, Yvois neben Ivois; ich führe das ausdrücklich an, um
unter dieser Einschränkung bemerken zu können, dafs die Korrektur
des schwierigen Druckes überaus sorgfältig gemacht ist. In kritischer
Beziehung für Caesar habe ich nur zu berichten, dafs d'Arbois de Jubain-
ville aus etymologischen Gründen im b. Gall. Mandubili st. Mandubii,
im b. civ. die Schreibart Octogaesa st. Octogesa, im b. Alex. 48 Medu-
briga st. Medobrega oder Medobriga für die richtigeren Formen erklärt.
Für die Wissenschaft ist die Leistung des in seinem Fach hervorragenden
Forschers sicherlich höchst bedeutsam, für die Franzosen aufserdem noch
interessant, da sie in Männern wie Vercingetorix , nach welchem sie
sogar eine Strafse in Paris benannt haben, längst Verteidiger ihres
Bodens gegen fremde Eindringlinge zu sehen angefangen haben.
Einzelne Stellen.
Jahrbuch für klassische Philologie 1891. J. Lange schlägt b, Gall.
VI, 1, 3 vor sed etiam illae (nämlich facultates) majoribus augeri copiis
possent; VI, 8, 6 paulum modo (statt des blofsen modo); V, 7, 6 ver-
teidigt er enim mit Beziehung auf den erwarteten und nunmehr ein-
getretenen Ungehorsam des Dumnorix; I, 16, 4 will er conquiri für
conferri einsetzen; VI, 14, 2 will er den Satz itaque annos nonnulli —
176 Caesar.
memoriam reniittaut liinter tradunt versetzt haben; I, 49, 1 soll hie
locus - aberat und vorher ad eum locum venit gestrichen werden, wo-
durch denn die fünffache Wiederholung des Wortes locus auf eine drei-
fache rednziert wird; I, 28, 5 hält er quosque für überflüssig; VII,
33, 1 soll gelesen werden cui ipse semper favisset omnibusque rebus
ornasset (aus cui soll man sich quam zu ornasset hinzudenken); IV, 35, 2
will er equites hinter secuti eingeschaltet haben; VII, 45, 6 vermutet
er oniues in locum munitionum statt illo munitionum der lacunosi oder
illo ad munitionem der interpolati; VI, 5, 3 omnia st. animo; II, 19, 7
etiam inopinantibus nostris statt et jam in manibus nostris; VI, 40, 2
etsi st. et si, mit Streichung von confidunt.
Ferdinand Weck erklärt VI, 10, 5 ab Suebis und ab Cheruscis
durch „nach der Seite der Sueben", was mir wenigstens nicht neu ist.
Deiter schlägt VII, 74. 1 vor si ita accidat ejus accessus st. si
ita accidat, ejus discessu, und VIII, 36, 1 fugato duce altero perterrito,
statt fugato duce altero perterritos, beides schwerlich richtig,
Philologus 1890. A. Funck, Beiträge zur Erklärung und Kritik
des Bellum Africum. Der Verfasser faist 3, 2 ad defendendum absolut,
ohne Hinzudenken eines Substantivs oder Pronomens, verteidigt 5 as-
census gegen das auch von Wölfflin vorgezogene accessus ; übersetzt
19, 3 tantam sese multitudinem auxiliorum adversariis subministraturum,
er wüi'de den Gegnern mit einer solchen Menge von Hülfstruppen auf-
warten; verteidigt 25, 4 capit consilium mit dem accusativo cum infini-
tivo, und 26, 5 trucidari, das Wölfflin gestrichen haben will; ferner
28, 4 quam fratrem und atque ita esse interfectos, und 47, 4 das hinter
quicquam folgende non der geringeren Handschriften, für das Wölfflin
nihil gleich hinter modo einschaltet; 11, 4 vermutet er mente für das
von Wölffln eingeklammerte metu; 25, 1 sociis für das eingeklammerte
suis, und 30, 2 Jubae für Juba.
Vergilius.
1889—1893.
Von
Otto Güthling in Liegnitz.
Le bBcoliche di Virgilio con introduzione e commento
di Ettore Stampini. Parte prima. Ecloghe I— V. Torino, Er-
manno Löscher, 1889.^) 8. XXVIII u. 90 S.
Die XXVIII Seiteü umfassende Einleitung bringt alles zum Ver-
ständnis der Eklogen notwendige und legt zugleich ein Zeugnis ab von
der Belesenheit des Verf., denn er hat alles herangezogen, was für
seinen Zweck zu verwerten war. Die Anmerkungen sind sehr umfang-
reich und m. E. nicht selten überflüssig; oft findet man 3 — 4 Verse
Text auf einer Seite und den übrigen Raum derselben nehmen die mit
kleinen Lettern gedruckten Anmerkungen in Anspruch. Für überflüssig
halte ich nun solche Anmerkungen, welche eine Untersuchung über die
Etymologie von Eigennamen enthalten; so nimmt z. B. der Name Ti-
tyrus, dessen etimologia der Verf. selbst „dubbia" nennt, I4V2 Zeile
weg! Für überflüssig halte ich ferner die vielen Bemerkungen über die
griechischen Akkusativformeu, die Quantität von illius, aberät u. s. w.,
orthogi'aphische Bemerkungen wie über caespes und cespes u. dgl.
Doch alles dies vermag nicht den günstigen Eindruck, den Stampinis
Buch auf mich gemacht hat, abzuschwächen, da der Kommentar neben
vielem Überflüssigen sehr viel Gutes enthält, und nur selten wird man,
wenn man Erklärung sucht, von dem Buche in Stich gelassen.
Weniger günstig lautet mein Urteil über
P. Vergili Maronis Bucolica. Herausgegeben von Franz
Hermes, ordentlicher (sie!) Lehrer am Königl. Friedrichs-
gymnasium zu Frankfurt a. 0. Dessau, Rieh. Kahle's Buch-
handlung (Heim. Oesterwitz). 1890. 34 S.
') Das Buch ist erst Ende 1890 in meine Hände gelangt, konnte also
in dem vorigen Jahresbericht nicht besprochen werden.
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXVI. Bd. (1893. II.) 12
178 Vergilius.
S. 1 — 22 enthalten den Text der Eklogen mit schönen scharfen
Lettern und auf gutem Papier; aber trotz dieser schönen Ausstattung
flimmerten mir bei der Lektüre die Augen: Eine solche wüste Kritik
ist mir noch nicht vorgekommen. Die zweite Ekloge (ich nehme eine
beliebige heraus) hat bei Hermes folgende Gestalt: 1 — 13, 17, 19 — 31,
34, 36—38, 45—48, 51—52, 40—42, 56, 58—60, 66—68, 64—65,
69 — 73, und in ähnlicher Weise verfährt er mit den übrigen Eklogen,
von denen die 6, 9 und 10 noch am glimpflichsten davongekommen sind.
In einem ^Nachwort' (S. 34 ff.) deutet sodann der Verf., ohne auf jede
Einzelheit näher einzugehen und den Stoff zu erschöpfen, die Gründe
an, aus denen sich seine Fassung des Textes ergeben hat.
Auch P. Deuticke urteilt in der Wochenschr. f. klass. Phil. 1890
No. 44 S. 1205 ff. nicht günstig über Hermes' Buch; M. Rothstein
sagt in der deutsch. Litt.-Ztg. 1890 No. 26 S. 964: Die Anschauungen
des Herausgebers machen eine ernsthafte Prüfung nicht notwendig, und
ein französischer Kritiker (A. Cartault, Revue crit. 21 S. 404 ff.)
kommt zu dem Resultate, dafs weder Plan noch Ausführung zu recht-
fertigen sind.
Dazu kommt noch, dafs die Begründung des Verfassers oft auf
recht schwachen Füfsen steht. So liest man S. 28: „Der Nachdichter
hat den Bacchusdieust hineingezogen und vergilische Brocken verwertet" ;
von der vierten Ekloge heifst es S. 30: ,Die Zusätze, welche das Lied
gefunden hat, bestehen in einem dürftigen und unklaren Vorwort (1 — 3),
drei verkehrten und den Zusammenhang störenden Schmeicheleien für
Polio . . . ., einer wahrhaft lächerlichen Ausmalung des 42. Verses . . . .,
zwei unnötigen Erklärungen u. s. w. u. s. w.; S. 32 (Ekl. 1): „29/30
sind inhaltslos" .... „Oktavian hat keine Veranlassung, mit Tityrus zu
sprechen" . . . „v. 73 ist unpassend im Munde des Meliboeus, der eben
auswandert". Das nennt man Begründung!
Von demselben Verfasser sind ferner erschienen: Beiträge zur
Kritik und Erklärung des Catull. 1888. Leipzig. G. Fock, und neue
Beiträge zur Krit. und Erkl. des Catull. Ebd. 1889. Von letzterer
Schrift fand ich eine prinzipiell gegnerische Kritik von M. Erdmann in
der Wochenschr. f. kl. Philol. 1890 No. 19 S. 520 ff. Dieselbe scheint
also in demselben Geiste verfafst zu sein wie die Ausgabe der vergi-
lischen Bukolika.
Vergil als bukolischer Dichter. Vergilstudien von M.
Sonntag. Leipzig, B. G. Teubner. 1891. 8. 249 S.
Die Abhandlungen und Schriften über die Abfassungszeit der
Vergilischen Eklogen haben nachgerade eine seeschlangenartige Gestalt
angenommen; es mag genügen, an Namen wie Krause, Bitschofsky,
Vergilius. 179
Przygode, Feilchenfeld u. s. w. zu erinnern. Der Verf. des ange-
führten Buches versucht, einer neuen Anschauung Bahn zu brechen.
Den Ausgangspunkt seiner Untersuchungen bildete indessen nicht die
Frage nach Abfassungszeit und Reihenfolge der einzelnen Eklogen, son-
dern die nach Bedeutung und Gedankengang derselben. Bei genauer
Zergliederung des Wortlautes kam er zu der Überzeugung, dafs die
landläufige Auffassung einiger Eklogen mit diesem im Widerspruch stehe.
Es handelte sich dabei um Unterschiede, die durch leichte Änderungen
des Textes sich ausgleichen liefsen. Es mufste versucht v^^erden, ob sich
nicht Andeutungen fänden, nach v^^elchen sich die Abfassungszeit ein-
zelner Fklogen anders bestimmen liefs. In der That enthielt die Wid-
mung der 8. Ekloge die Handhabe zu neuen Festsetzungen. Indem der
Verf. 5, 11 carmina als wirklichen Plural auffafste und auf mehrere
Eklogen bezog, bot sich ganz ungesucht eine neue Anordnung, welche
durch Vergil selbst unerwartete Bestätigung erfuhr. Als die aller Wahr-
scheinlichkeit nach richtigste bewährt sie sich auch dadurch, dafs sie
selbst im engen Rahmen der bukolischen Dichtung eine fortschreitende
Entwickelung des Dichters zu erkennen gestattet, was bei der vulgären
Anordnung weniger der Fall ist. Zur Stütze seiner Theorie bot die
Sammlung der römischen Feldmesser noch unbenutztes Material. Da die
Frage sich dahin zuspitzt, ob die Eklogen 1 , 9 und 6 vor 4 und 8 oder
erst nach 8 und unmittelbar vor 10 anzusetzen sind, so war es wichtig
festzusetzen, welche Arbeiten mit der Ansiedelung der Veteranen und
mit der Verteilung des Gebietes von Cremona verbunden waren. Die
Inanspruchnahme Mantuas sollte erst durch die Unzulänglichkeit des
Cremonensischen Gebietes bedingt gewesen sein. Gerade hier läfst uns
die bisherige Vergilerklärung im Stich, und doch ist dem Leben Vergils
nur durch die Äckerverteilungen nach der Schlacht bei Philippi die
Wendung gegeben worden, durch welche er zu dem auch uns inter-
essierenden römischen Nationaldichter geworden ist. Das Allgemein-
gültige bildet die Grundlage, von der aus wir die besonderen Vorgänge
verstehen lernen. Die Kenntnis desselben gestattet uns zu unterscheiden,
wo allgemeine Verhältnisse, wo besondere, gewaltthätige Eingriffe auf
das Leben des Dichters bestimmend eingewirkt haben.
Der erste Teil (S. 15 ff.) behandelt die Äckerverteilungen der
Triumvirn und die Schlacht bei Philippi, der zweite (S. 47 ff.) die erste
Ekloge , der dritte (S. 61 ff.) die vierte, der vierte Teil (S. 88 ff.) die
Einleitungen in die achte und in die sechste Ekloge, der fünfte (S. 119 ff.)
die Gedichte der ersten Sammlung, der sechste (S. 141 ff.) die zweite
Sammlung, der siebente (S. 175 ff.) die Anschauungen der Alten. —
Nach Sonntags Untersuchungen kann nun die erste Ekloge nicht vor
4em Frühjahr 40 abgefafst sein; für die vierte Ekloge glaubt S. eine
12*
180 Vergilius.
sichere und feste Zeitbestimmung gewonnen zu haben: sie ist nach dem
Brundisinischen Frieden gedichtet, nachdem Polio sein Konsulat wirk-
lich angetreten hatte. Das genauere Datum beider Ereignisse ist zwar
unbekannt^ doch scheint der Brundisinische Friede nicht vor dem Spät-
sommer des Jahres 40 abgeschlossen zu sein. Die vierte Ekloge fällt
also in das letzte Drittel dieses Jahres. Die siebente Ekloge setzt er
in den Winter 40/39, die achte in den Sommer 39. Dann dichtete
Vergil in rascher Folge die vier Eklogen, 1, um seinen Dank auszu-
sprechen für den Schutz , den ihm Oktavian im Herbst 39 und Früh-
jahi' 38 hatte augedeihen lassen, 9, um zu zeigen, mit welchen Ent-
würfen er sich seit jener Zeit beschäftigt habe, Entwürfe, die alle durch
seine Flucht unterbrochen und verurteilt seien, unvollendet zu bleiben,
6, welche dem Varus eine Schuld der Dankbarkeit abtragen und ein
gegebenes Versprechen einlösen soll, endlich 10, welche des Cornelius
Gallus Namen dem Oktavian empfehlend vor die Augen führt.
H. T. Karsten will Mnemosyne XIX 4 S. 373 ff. Ekl. 3, 109 ff.
so lesen:
et vitula tu dignus et hie, et quisquis amores
aut metuet dulcis aut expedietur amaris;
und 7, 19
coepere, alternis Musae meminisse valebant,
sie vermochten im Wechselgesang ihr Lied zu behalten. Beide Konjek-
turen sind überflüssig; die zweite bietet zum Teil nichts Neues, s. For-
biger z. d. St,
E, Pascal handelt in der Rivista di filologia XXI 7 — 9 S. 128 fif.
über Ekl. 4, 8 und die Göttin Lucina. In derselben Zeitschrift XVII
10 — 12 S. 565 &. befindet sich eine Abhandlung von demselben: Asinio
Pollione nei carrai di Virgilio. Nach L. V(almaggi) enthält die Ab-
handlung manches Ungenaue.
A. Colla, Annotazioni alla Bucolica e su le Georgiche
di Public Virgilio. Ferrara 1889, Tipografia dell' Eridano. 96 S.
Wie der Titel besagt, enthält das Buch Bemerkungen zu Vergils
Bukolika und Georgika. Neues habe ich nicht gefunden, und so kann
ich wohl auf eine Inhaltsangabe verzichten.
Erich Bethe, Vergilstudien 11, Zur ersten, neunten und achten
Ekloge. Rhein. Mus. 47 (1892) p. 576—596. Dazu 0, Ribbeck,
Epikritische Bemerkungen, Ebenda p. 597 f.
Die erste und' neunte Ekloge sind aus je zwei verschiedenen Bil-
dern zusammengesetzt, von denen das eine durch Vergils Lage und Er-
lebnisse hervorgerufen ist, das andere durchaus unabhängig nur die
Vergüius. 181
ideale Hirtenwelt zur Voraussetzung hat. Ahnlich ist die Entstehung-
der achten Ekloge, deren drei Teile auseinanderfallen. — Von Bethes
Ansichten über die achte Ekloge will Ribbeck nichts wissen, glaubt so-
gar, dafs in Bethes Erörterungen der strophischen Gliederung ein ge-
wisser Widerspruch zu bemerken sei.
0. Crusius, ad scrlptores latinos exegetica. Rhein. Mus. 47 (1892)
p. 61 — 73 sagt p. 66, dafs der nach Macrob. Saturn. V 16, 7 vice pro-
verbii usurpatus' Vers (vgl. A. Otto, Sprichw\ der Römer p. 296)
G. I 53
et quid quaeque ferat regio et quid quaeque recuset
vielleicht auf das von Plin. N. H. XVIII 170 angeführte ^rakel' des
Cato zurückgehe: Syi'ia quoque tenui sulco arat ... In omni quidem
parte culturae, sed in hac maxume valet oraculum illud, quid
quaeque regio patiatur.
J. Geffcken, Saturnia teUus. Hermes 27 (1892) p. 381—388
giebt eine quellenmäfsige Ordnung der Citate zum Lobe Italiens von
Dionysius bis zu Verg. Georg. II 136 ff.
Nicht gesehen habe ich
A. Colla, delle traduzione e segnatamente delle opere
di Virgilio e di Orazio. Eerrara, Eridano. 8. 21 S.
Und
R. Della Torre, La quarta egloga di Virgilio commen-
tata secondo l'arte grammatica. Udine 1892. 201 S.
Ferner hat R. Unger im Philologus XLIX 1 erste Hälfte (N. F.
in 1 I) 1890 S. 26—37 Ad poetas Latinos miscellanea critica veröffent-
licht. Ob sich unter den von ihm behandelten Dichterstellen auch ver-
gilische befinden, kann ich nicht angeben, da mir der Philologus hier
nicht zugänglich ist.
Vergil, Georgics, liber I. Edited for the use of schools
by T. E. Page. With vocabulary. London. Macmillan. 18.
120 S.
Virgil's Georgics I. II. A vocabulary and test papers.
By Tutors of TJniversity Corresp. College. London, Olive and
Co. 8. 26 S. — L IL A translation. By F. P. Shipmann
Ibid. 8. 29 S.
Mein Urteil über die vorstehenden Bücher ist dasselbe wie über
A. Calverts Ausgabe des VII. Buches der Aeneide, auf welche Ich weiter
unten zu sprechen komme.
1 g2 Vergilius.
Virgil Georgias books III., IV. ed. with introduction and
notes by C. S. Jerrain. Oxford 1892. Parti 66 S., part II 86 S.
Anfser Ribbecks jmportant edition' hat der Verf., wie er introd.
p. 19 erklärt, ^consulted Ladewig's fourth edition, with German notes
revised by Schaper in 1883' (soll heiisen 1882, und für fourth edition'
wohl ^seventh ed.'), und von englischen Ausgaben die von Bryce, Ken-
nedy und Sidgwick. Der Text giebt zu Ausstellungen keinen Anlafs.
Mein Urteil über dies Buch lautet genau so wie über desselben Ver-
fassers Ausgabe von Aeneid I, welche ich Jahresber. 1889 p. 137 f. be-
sprochen habe. Wissenschaftlich hat das Buch wenig Wert wie die
meisten Schülerausgaben des Vergil, an welchen England sehr frucht-
bar ist. — Von demselben Verfasser ist früher Buch I und II in ähn-
licher Bearbeitung erschienen.
P. Verg|ili Maronis Bucolica et Georgica. Scholarum in
usum ad optimarum editionum fidem iterum recensuit
G. Fumagalli. Editio altera. Veronae 1893. 94 S.
Das Buch enthält den blofsen Text der Bukolika und Georgika
auf starkem Papier und in schönem Druck. In grofser Menge hat der
Herausgeber Quantitätszeichen im Texte gegeben: der Leser wird an-
gewiesen, carmina, ducite, pocüla, impröbus, auröra, agricölae, poterunt,
teUürem u. s. w. u. s. w. zu lesen. Mehr kann man nicht verlangen.
Von den Georgika sind zwei italienische Übersetzungen erschienen,
eine von C. Monteverde, Modena. tip. Sociale 16. 96 S. und von
A. B. Constantini, Caserta. tip. Marino. 8. 68 S.
De Georgicis a Vergilio retractatis. Scripsit N. Pulver-
macher. Berolini. Heinrich und Kemke. 1890. 118 S.
Jacob van Wageningens Buch de Vergili Georgicis (Traiecti 1888)
ist dem Verf. erst während des Druckes des seinigen bekannt geworden.
Er sagt p. 118 Aum. 1: Jacobi von Wageningen librum . . . non ante
in manus meas venisse quam haec commentatio tota sub ipso esset prelo
doleo. Multis in rebus, quod hoc loco addere liceat, illum mecum con-
sentire gavisus sum; in aliis etiamnunc dissentio: veluti quod ille Geor-
gica non ante a. 728/20 in lucem prodiisse itaque, propter Donati de
Septem annis testimonium (p. 60, 5 B,; v. s. p. 23, a. 721/33 scribi
coepta esse statait (p. 9 sqq.) nuUa fere alia de causa nisi quod Galli
laudes ex edito carmine — et in hac re rectissime iudicat — exstingui
non potuerunt, hanc opinionem eis quae supra exposui satis refutatam
esse puto. Das Gesamtresultat von P.'s Untersuchungen ist, dafs die
Georgika zwischen 36 und 30 abgefafst, im folgenden Jahre dem Augustus
vorgelesen und bald darauf veröffentlicht wurden, und dafs wir diese
Ausgabe, an welcher weiterhin keine Änderungen vorgenommen wurden,
Vergiliufl. 183
besitzen. Wie man aus p. 5 f. ersehen kann, ist der Verf. vertraut mit
der älteren und neueren Litteratur über die Ueorgikafrage; seine Unter-
suchungen sind gründlich; störend wirkt nur eine nicht selten bemerk-
bare Breite in der Darstellung.
Reo. A. Zingerle, Berl. phil. Wochenschr. 1891 No. 24 S. 745;
M. Rothstein, deut. Litt.-Ztg. 1892 No. 19 S. 625.
Etüde sur Tepisode d'Arist^e dans les G6orgiques de
Virgile par Andre Oltramare. Genöve et Bäle 1892. 128 S.
Das Schriftchen ist eine höchst angenehme Lektüre, und bei aller
Gelehrsamkeit — wie P. Thomas in der Revue critique 1892 No. 49
p. 395 urteilt — führt der Verf. seine Feder mit Eleganz. Derselbe
kommt zu folgenden Resultaten:
1. C'est un point acquis, ce nous semble, et mis hors de doute
que la calamite qui a frapp6 les abeilles d'Aristee repond exatement
ä, la desolation des campagnes de Fltalie apres les guerres civiles, c'est-
ä-dire k la cause meme qui a fait ecrire les Georgiques.
2. Celui qui etait le plus directement Interesse k remedier aux
maux dont il etait lui-merae en partie responsable, ne peut avoir ete
qu' Auguste dans la pensee de Virgile. C'est lui qui a joue, comme
Arist^e, le role d'un Apollon guerisseur etsauveur: non content d'avoir
assure aux Romains les bienfaits de la paix et la prosperite materielle,
il a cr6e de nombreuses colonies et repeupl6 les anciennes cites ; et, pour
apaiser le courroux des dieux, il a releve leurs autels, restaure leurs
temples et remis en honneur les cereraonies de la religion ofticielle.
3. La mere dAuguste, Atia, fut sans doute, pour lui ce que Cyrene,
dans Virgile, est pour son fils Aristee; eile l'encouragea et le dirigea
dans l'oeuvre de restauration de la societe roraaine.
4. L'intervention de Protee, personnitication des forces qui Pre-
sident aux metamorphoses de la matiere, n'a rien que de naturel dans les
revolutions politiques ; il represente Taction des causes qui agissent dans
les profondeurs de la societ6. On peut aussi lui rapporter les mouve-
ments variables de l'opinion publique. A qui sait la consulter, eile donne
de salutaires conseüs; eile avertit des fautes commises et met sur la
voie de prendre les mesures appropriees k la Situation.
5. Si Aristee et l'homme d'Etat aux prises avec de grandes
difficultes, Tesprit positif tout occupe des besoins presents, Orphee est
le type des natures tendres et mystiques qui souffrent au milieu de con-
flit des ambitions dechainees. II n'a pour se defendre que les accents
de la lyre. Inconsolable dans le deuil qu'il mene de ce qu'il avait de plus
eher au monde, il ne lui reste qu ä, oublier en sabreuvant des eaux du
L6the (lethaea papavera, G^org., IV, 544). De meme, ä Rome, tandis
184 Vergilius.
qu' Auguste triomphait au Capitole, beaucoup pleuraient la perte irrepa-
rable de leurs esperances; car la republique etait bien morte, et rien ue
pouvait plus la rappeler h la vie.
6. Nous avons cru voire dans rinfortunce Eurydice l'image touchante
de la patrie, victime innocente des discordes civiles; mais ce que nous
avons dit de Timportance des uymplies en general, au poiut de vue des
ph^nomenes naturels, suffirait dejä pour que la figure d'Eurydice et de
ses compagnes eüt sa raison d'ctre dans un cpisode destine ä l'illustration
des choses rustiques. Les räpports que nous lui avons attribues, en
outre, avec Rome et Tltalie, -sont assuröment de nature assez vague et
problematique; mais on ne s'arretera pas, croyons-nous, ä cette difficulte,
si Ton fait reflexion que tous les Clements narratifs contenus dans un
mythe ou dans une allegorie ne sauraient avoir leur correlatif dans la
realite, de meme qu'inversement, il y a dans celle-ci des faits, en nombre
bien plus grand encore, qui echappent aux prises d'un recit fictif. Ce
que Ton est en droit d'exiger, c'est que Fidee capitale ressorte avec une
clarte süffisante. Or cette condicion nous parait remplie dans
l'episode d'Aristee, tel que nous l'avons compris.
Avons nous trouve leaiot derenigme,oude pursfantomesont-ilshante
notre esprit? C'est ä d'autres d'en juger. Chacun appreciera jusqu'ä, quel
point nous avons r6ussi k justifier d'un reproche qui nous semblait immörite
un poete digne d'etre toujoui'S tres haut place dans Testime de ceux qui
aiment encore les lettres anciennes.
In der Classical Review IV 1 — 3 S. 49 f. findet sich unter anderen
eine Erklärung von populea sub umbra Georg. IV 511 und des Bei-
wortes der Nachtigall yXtopriiz Hom. Odyss. XIX 518. Das Richtige
scheint übrigens (wie so oft) der alte Voi's getrofi'en zu haben, wenn er
zu unserer Stelle bemerkt: „Die Pappel wählte der Dichter wegen ihres
schönen, beweglicheu'uud melancholisch säuselnden Laubes. Die dichtere
Dunkelheit im Laube am sternhellen Frühlingsabend ist Schatten . ."
Ob die Nachtigall auf Pappeln sich aufhält oder nicht, ist einem Dichter
ganz gleichgültig; auch heifst yXojpTjic in der Homerstelle nicht „gelblich-
grün", denn eine solche Spezies giebt es nicht, sondern dei „im Grünen
wohnende" Nachtigall.
Nettleship erklärt Journal of Philologie XVIII (36) S. 328
Georg. 1263 pecori Signum a. n. impressit a. nachServius: id est
facit aut characteras, quibus pecora signantur, aut tesseras, quibus
frumentonim numerus designatur: nara numerus pro litteris posuit, quibus
numeri contiiientur. Sed hoc non de aestate, qua siguari vel fruges vel
animalia solent, sed de hierae, qua imber frigidus esse potest, loquitur.
Hoc autem secundum ea, quae aliter dicuntur, aliter audiuntur, dictum est.
Vergilius. 185
A. Levi, del concetto delT agricoltura nelle Georgiche,
Rivista di filologia XVIII 10—12 S. p. 563—565
ist mir nicht zugänglich gewesen.
P. Vergili Maronis Aeneis. Cum delectu variae lectionis
edidit Th. Ladewig. Editionem alteram curavit et multi-
fariam auxit Paulus Deuticke. Berolini. Apud Weidmannes.
1889. 8. Xn und 304 S.
Schon ein flüchtiger Vergleich mit der im Jahre 1 866 in demselben
Verlage erschienenen Ladewigschen Textausgabe zeigt, dafs Deuticke nicht
blofs eine zweite Auflage besorgt (curavit), sondern auch vielfach ver-
mehrt hat (multifariam auxit). Während Ladewig, dessen kritische
Anmerkungen mehr als dürftig sind, nur auf FMPR (ceterorum librorum
vel omnes vel nonnuUi) Rücksicht genommen hat, ist Deut, hierin viel
weiter gegangen, wie seine Übersicht der libri manu scripti p. VIII er-
giebt. So hat denn der Text, welcher an vielen Stellen geändert worden
ist, gegenüber der Ladewigscheu Arbeit ein so verändertes Aussehen
erhalten, dafs man Deutickes Ausgabe als eine durchaus eigene betrachten
mufs, und der Verf. hätte dieselbe getrost als seine eigene bezeichnen
können und dürfen.
Über seinen kritischen Staudpunkt spricht sich Deut, in der prae-
fatio folgendermafsen aus: In constituendis poetae verbis ea potissimum
retinui, quae codex M exhibet prima manu scripta, sed falsa, sive quod
errore mutata sunt sive perpoliendi studio invecta, in M quoque inesse
mihi persuasi eaque paulo plura, quam editores recentissimi statuerunt.
ita factum est, ut aliis locis adiumentis codicum P et y praelatis ad
Ribbecki exemplarpropiusaccederem, aliis ceterorum librorum fidemamplec-
terer nee deteriores, sicubi meliora haberent, sequi vererer; ein Standpunkt,
welchen gewifs jeder besomiene Kritiker billigen wird. Fremden Konjek-
turen gegenüber verhält sich der Herausg. möglichst vorsichtig und seinen
eigenen Verbesserungsvorschlägen hat er einen Platz in der adnotatio
critica angewiesen. Einige davon sind auch wirklich kühn, so z. B. wenn
D. I 268 für regno lieber salva lesen möchte, II 396 momine st.
numine, III 510 requiem st. remos, XI 356 pangas st. firmes u. s. w.
Auch einige Interpunktionsänderungen hat D. vorgenommen, so tilgt er
z. B. das Komma nach praeterea I 49, 11 690 steht hoc tantum in
Parenthese, wodurch meiner Ansicht nach der Eindi-uck der schönen
Worte abgeschwächt wird.
Da die Aeneide ein in Einzelheiten bekanntlich unvollendetes
Gedicht ist, hat der Hrsg. sich nicht blofs damit begnügt, einen les-
baren Text herzustellen, sondern er hat sich auch grofse Mühe gegeben,
diese Mängel aufzudecken und im Texte hervorzuheben. So werden
186 Vergilius.
mehrere Verse darch eingerückten Druck hervorgehoben, womit an-
gedeutet werden soll, dals diese Verse einen öfter wiederkehrenden Ge •
danken enthalten und bei einer späteren Durcharbeitung des Gedichtes von
Vergil geändert worden wären.
Dank verdient der Hi'sg. für die praktische Tabelle (p. IX ff.)
De lacunis codicum sowie für die übersichtlichen Inhaltsangaben vor
den einzelnen Büchern. Den iudex nominura, das stemma regulorum
und die vita poetae am Schlufs halte ich für überflüssig. — Druckfehler
habe ich mii* folgende notiert: I 193 Anm. 1. Servil, 381 Anra. senis,
ineu Anm. 1. 614 st. 146, VII 811 1. aequore, VIII 219 Anm. 1.
219 st. 218, 731 Anm. 1. 731 st. 721, 1X785 ediderit, X 890 Anm.
1. 890 st. 879, XI 293 ist das Komma hinter arma zu tilgen.
Interessant ist übrigens C. Häberlins (s. u.) Urteil über die in
den letzten Jahren erschienenen Vergilausgaben : Ladevdg — Deuticke ist
eine Ausgabe für Lehrer, Güthling — Ribbeck für Schüler, Kloucek für
Studierende, Thilo für jedermann.
Rec. H. Kern, Neue phil. Rundsch. 1889 No. 15 p. 227 ff. —
C. Häberlin, Wochenschr. f. klass. Phil. 1889 No. 44 p 1201 ff. —
A. Zingerle, Berl. phil. Wochenschr. 1890 No. 18 p. 567 ff. — Bolten-
stern, Ztschrft. f. d. Gymnw. XXXXIV p. 138 ff. — M. Rothstein, Deutsch.
Litt. -Ztg. 1890 No. 51 p. 1857. — H. S. Sedlraayer, Ztschrft. f. d.
öst. Gymn. XVII No. 8/9 p. 737. —
Vergils Gedichte. Erklärt von Th. Ladewig und
C. Schaper. Zweites Bändchen: Aeneide Buch I— VI. Elfte
Auflage, bearbeitet von Paul Deuticke. Berlin, Weidmannsche
Buchhandlung. 1891. 8. VI und 286 S.
„Das ganze Werk als bequemste Handausgabe zu empfehlen, er-
scheint überflüssig, da es durch eine stattliche Reihe von Auflagen be-
kannt und unerkannt ist." So urteilte P. Deuticke über die Schapersche
Beaibeitung der Ladewigschen Ausgabe in den Jahresber. des philol.
Vereins 1882 S. 144 ff., und ich möchte dasselbe Urteil auch über das
vorliegende Bändchen abgeben. Der neue Herausgeber hat sich seiner
schwierigen Aufgabe mit grol'sem Gescliick entledigt. Der Text ist
zwar im grofsen und ganzen derselbe geblieben, aber die Anmerkungen
sind stark verändert worden, wie es auch Schaper s. Z. gethan hat.
Die Citate sind gesäubert und vermehrt worden; solche aus Dichtern
und Prosaikern, welche dem Schüler nicht zur Hand sein können, sind
ausgeschrieben; sehr zu billigen sind die wenigen Citate aus modernen
Dichtern; dieselben sind überall treffend und nicht „bei den Haaren
herbeigezogen", wie in den meisten Fällen bei Brosin und Gebhardi.
Vergilius. 187
Verweisungen anf die zwei anderen Bändchen hat der Hrsg. — und
auch dafür mufs man ihm dankbar sein — nach Kräften vermieden und
die wichtigsten Regeln über Dehnung, Hiatus, Synizese u. dgl. aus dem
dritten Bändchen in das zweite gezogen. Umgekehrt fehlen allerlei
stereotyp gewordene Verweisungen, namentlich auf die Besprechung der
Archaismen auf S. 7 des ersten Bändchens, der Hypermeter zu I 332,
der Halbverse zu 1 534 , zuletzt auch der verschiedenen Fälle der
Allitteration zu HI 412 u. a. m. Gestrichen sind auch in den Anm.
die Angaben über Vergils Neuerungen im Wortschatz und über die
Abweichungen vom prosaischen Sprachgebrauch, die in einen Kommentar
zu einem Dichter nicht gehören. Doch hätte der Hrsg. hierin noch
etwas weiter gehen können, indem er Anmerkungen gestrichen hätte
wie 1256 die Bemerkung über libare, 335 die über dignari, 420 die
über aspectareu. s. w. Eine gründliche Umarbeitung hat der kritische
Anhang erfahren : Ladewigs Abweichungen von Ribbeck und Haupt sind
in Wegfall gekommen, sofern nicht Abweichungen vom früheren Texte
oder besondere Erörterungen dies verboten. Dafür bringt aber der
Anhang mancherlei Hinweise auf wichtige Arbeiten der Neuzeit. — Das
von Ladewig aufgestellte Verzeichnis derjenigen Wörter, welche in der
Aeneide des Vergil zuerst vorkommen, hat Deuticke, da dasselbe nicht
uninteressant ist, mit abdrucken lassen unter Hinzufügung folgender An-
merkung: „Lad. folgt hier — bewufst oder unbewufst? — einem Vor-
gänger aus alter Zeit: schon in den Zusatzscholien zu Servius (cod. a)
sind Worte bezeichnet, die Vergil zuerst aufweise; vgl. E. Thomas,
Essai sur Servius (Paris 1880 S. 112)." Mit Rücksicht auf das „be-
wufst oder unbewufst?" möchte ich behaupten, dafs Ladewig von
dem angeführten „Vorgänger aus alter Zeit" wohl keine Kenntnis ge-
habt hat ; denn sonst hätte er unzweifelhaft desselben Erwähnung gethan
in dem Vorwort zur 5. Auflage des ersten Bändchens, wo es heifst:
„An Vorarbeiten fand ich nur die syntaxis priscorum scriptorum Latinorum
und die syntaxis Lucretianae lineamenta von Holtze, war also für die
lexikalische Seite und für die Berücksichtigung der Prosa, abgesehen
von einigen Bemerkungen, die ich den wackern Arbeiten Nipperdeys und
Drägers über den Tacitus verdanke, ganz auf meine eigenen
Sammlungen angewiesen, denn unsere lat. Wörterbücher, selbst das
in der 6. Auflage so vortreffliche Georgessche, geben nur unzuverlässige
und unvollständige Auskunft über die historische Entwickeln ng des
Gebrauches der einzelnen Wörter."
Rec. von C. Häberlin, Wochenschr. f. kl. Philol. 1892 No. 15
Sp. 953 ff., H. Kern, Neue philol. Rundsch. 1892 No. 17 u. 18 p. 264 ff.
u. 278 ff., R. Sabbadini, Riv. d. filol. XXI 1-3 p. 177 ff.
188 Vergilius.
Vergils Aeneide. Für den Schuigebrauch erläutert von
Karl Kappes. Drittes Heft: Aeneide VH — XII. 3. Auflage.
Leipzig, B. G. Teubner. 1892. 120 S.
Mit der zweiten verglichen ist diese dritte Auflage, obwohl es
nicht auf dem Titel ausdiücklich vermerkt ist, eine wirklich verbesserte.
Die Anregung zu erneuter Prüfung und Verwertung des Besseren hat
der Verf., wie er in der Vorrede angiebt, ganz besonders dem Beferenten
und P. Deuticke zu verdanken. Georgiis Buch „Die antike Aeneis-
kritik aus den Schollen und anderen Quellen hergestellt" ist ihm erst bei den
letzten zwei Korrekturbogen bekannt geworden und hat deshalb keine
Verwertung mehr finden können.
Was nun den Kommentar anlangt, so habe ich denselben genau
durchgesehen und mit der zweiten Auflage verglichen: Auch nicht eine
Seite des Buches ist ohne Verbesserungen geblieben. Dieselben bestehen
in Streichungen, Kürzungen und in präziserer Fassung der Anmerkungen ;
Aen. Vn 1 — 340 haben die Anmerkungen an ungefähr 115 Stellen eine
Änderung und zwar zum besseren erfahren. Im einzelnen ist zwar noch
manches verbesserungsfähig und verbesserungsbedürftig, wie z. B. VH 13
nocturna in lumin a, zu nächtlicher Leuchte, dafs es hell leuchtet in
die Nacht, warum nicht „zur Erhellung der Nacht"? 93 ist die An-
merkung zu bidens zu ändern (s. meinen vor. Jahresber. p. 181), die
Erklärung vertique regique 101 ist unklar u. dgl. m. , allein die
Ausgabe ist als Schulausgabe — und nur das will sie sein — brauchbar,
und der Sekundaner kann bei seiner häuslichen Vorbereitung viel aus
dem Buche lernen, da dasselbe ihm über manche Schwierigkeit hinweghilft.
Möge der fleifsige und sorgfältige Interpret des Vergil noch
manches Jahr der Vollendung seiner Ausgabe leben.
P. Vergili Maronis Aeneis. Für den Schulgebrauch er-
klärt von 0. Brosin. IL Bd.: Buch III und IV. — IIL Bd.:
Buch V und VI. 3. Aufl. besorgt von L. Heitkamp. Gotha,
Fl-. A. Perthes, 1892. S. 139—423. — V. Bd.: Buch X— XII zu
Ende geführt von demselben. Ibid. 1890.
Brosin hat die Textesrevision bis zum Schlüsse des zwölften Buches
durchgeführt, während er den Kommentar bis XI 230 ausgearbeitet
hinterlassen hat. — Wenn ich in dem vorigen Jahresberichte (p. 153 f.)
an Brosins Kommentar die vielen Fragen und Parallelstellen aus
modernen Dichtern getadelt habe und nachgewiesen zu haben glaube,
dafs jene häufig höchst überflüssig und diese in vielen Fällen nicht zu-
treffend sind, und wenn ich zu dem Resultat gekommen war, dafs
Brosins Ausgabe an so vielen Mängeln und Verkehrtheiten leide, dafs
dieselbe als Schulbuch kaum zu gebrauchen ist, so raufs ich dasselbe
Vergiliüs. 189
Urteil auch über den letzten Band fällen, der ja zum gröfsten Teile
noch Brosins Werk ist.
In der Vorrede erklärt Heitkamp, dais er, je mehr er sich von
den Vorzügen der Brosinschen Ausgabe überzeugt hatte, desto mehr
fürchten mufste, diese Verdienste ^culpa deterere ingeni'. Von dieser
Furcht möge sich der Herausgeber befreien, denn nihil detrivit culpa
ingeni. — Auf Einzelheiten einzugehen halte ich für unnötig, da mein
Urteil über das Buch, welches ich in dem vorigen Jahresberichte aus-
gesprochen habe, ich zu ändern nicht in der Lage bin.
Vergils Aeneis. Für den Schulgebrauch herausgegeben
von W. Kloucek. 2. verb. Aufl. Leipzig 1891, G. Freytag. 355 S.
Der Text stimmt genau überein mit der in demselben Verlage im
Jahre 1886 erschienenen kritischen Ausgabe Klouceks. Die vorliegende
Ausgabe enthält eine deutsche Einleitung und ein Namensverzeichnis
mit deutscher Erklärung. Für entbehrlich halte ich die deutschen
Inhaltsangaben der zwölf Gresänge. Fremdwörter findet man in der
Einleitung in nicht geringer Anzahl.
Von demselben Verf. ist ferner in zweiter verbesserter Auf-
lage erschienen:
Vergils Aeneis nebst ausgewählten Stücken der Bucolica
und Georgica. Wien und Prag 1890, F. Tempsky. 407 S.
Die Einleitung handelt von Vergils Leben und Dichtungen und
dem Inhalt der Aeneis. Von den Eklogen sind aufgenommen I, V, VIT
und IX, aus den Georgika I 1—42; 118—159; 351—514; II 109—176;
458—540; m 179— 208; 339-383; 478—566; IV 8— 50; 116—148;
149—227; 315—558. Den Schlufs des Buches bildet ein ausführiiches
Verzeichnis und eine Erklärung der Eigennamen. Hervorzuheben ist
die schöne Ausstattung, hinter welcher die italienische Über-
setzung dieses Buches von G. de Szombathely (2 ed. migliorata)
zurücksteht.
P. Virgili Maronis Aeneidos epitome. Accedit ex Geor-
gicis et Bucolicis delectus. Scholarum in usum edidit
Emanuel Hoffmann. Editio retractata. Vindobonae, C. Gerold
filii, 1889. 266 S.
Der Text ist der Ribbecksche; Abweichungen von demselben sind
p. V — Vn verzeichnet. Von Buch I der Aeneide sind aufgenommen
555 Verse (756), Buch II ganz, von III 677 (718), von IV, was ich
nicht verstehen kann, 305 (705), von V, das ich mit Schülern nie wieder
lesen werde, 374 (871), Buch VI fast ganz, von VII 541 Verse (817),
von VIII 511 (731), von IX 410 (818), von X 461 (908), von XI
190 Vergilius.
552 (915) und von XII 692 (652). Aus den Georgika hat Hoflfmann
einige schöne Episoden g-egeben und zum Schlnfs die erste und die
fünfte Ekloge. — Das Bach ist laut h. Ministerialerlafs vom 17. März
1889 zum Unterrichtsgebrauch an österreichischen Gymnasien allgemein
zugelassen.
Bei uns werden hoffentlich solche ^beschnittene' Ausgaben von
Klassikern nicht zur Verwendung kommen, denn der Schüler soll und
mufs die ganze Aeneide, den ganzen Horaz, die ganze Odyssee und
die ganze Ilias in Händen haben (s. den vorigen Jahresber. p. 146).
Zwar bestimmen die „neuen 'Lehrpläne und Lehraufgaben für die höheren
Schulen", dafs Vergil nach einem Kanon gelesen werde, der in sich ab-
geschlossene Bilder gewährt und einen Dui'chblick auf das Ganze er-
möglicht. Ich glaube, jeder verständige Lehrer und Pädagoge wird
nicht blofs aus Vergil, sondern auch aus Horaz und aus Homer eine
Auswahl treffen; sind dazu aber Ausgaben dieser Dichter in Auswahl
notwendig, die noch dazu teurer sind als z. B. die schönen Teubnerschen
Texte? So kostet die Werrasche Auswahl 95 Pf., die Langesche
1,80 Mk., während ein guter Text der ganzen Aeneide (z. B. Ribbeck,
Thilo u. a.) für 90 Pf. zu haben ist.
Auswahl aus Vergils Aeneis. Nach den Bestimmungen
der neuesten Lehrpläne für den Schulgebrauch heraus-
gegeben von Adolf Lange. Berlin, R. Gärtners Verlagsbuch-
handlung (H. Heyfelder), 1892. VIU u. 170 S. 1,80 M.
Zu demselben Genre gehört
Vergils Aeneis. Für den Schulgebrauch in verkürzter
Form herausgegeben von Joseph "Werra. Münster, Aschen-
dorffsche Buchhandlung 1892. XVI u. 192 S. 0,95 M.
Beide Bücher enthalten eine Einleitung, welcher Ribbecks Schilde-
rung von Vergils Leben und Werken (Gesch. d. röm. Dicht.) zu Grunde
gelegt ist; beide haben ferner gesperrten Druck für die dem Gedächtnis
des Schülers einzuprägenden Verse gemeinsam. Die ausgewählten Stellen
sind mit Überschriften versehen, und die in Wegfall gekommenen Stücke
werden inhaltlich angegeben. Wenn Werra von dem anerkannt herr-
lichen vierten Gesänge der Aeneide vier Fünftel streicht , dagegen den
dritten Gesang fast ganz bietet, so ist das ein Verfahren, das wohl
mifsbilllgt werden mufs; lieber will ich den dritten Gesang, obwohl der-
selbe auch schöne dichterische Stellen enthält, opfern als etwas vom
vierten; Lange hat wenigstens 705 Verse von diesem Gesänge in seine
Auswahl aufgenommen. Zum Widerspruch fordert die Bemerkung Werras
Einl. p. VII heraus: ,,In diesem Werke (Aeneis) wollte er seinen Lands-
leuten ein Nationalepos schaffen, das den unerreichten Mustern
Vergilius. 191
homerischer Dichtkunst würdig an die Seite gesetzt werden
könnte und den Römern Odyssee und Ilias zugleich sein sollte." Nichts
lag dem bescheidenen Dichter wohl ferner als das. Den Schlufs bildet
bei beiden Herausgebern ein Verzeichnis der wichtigsten Eigennamen;
Werra giebt noch eine Stammtafel des trojanischen Königsgeschlechtes
nach Ladewig-Deuticke , Lange Abweichungen vom Text der Ribbeck-
schen Ausgabe.
P. Vergili Maronis Äeneis. Edidit Geyza Nemethy.
Budapest 1889, Lampel. 306 S.
In dieser Schulausgabe zeigt sich N. als Anhänger der konservativen
Richtung in der Textkritik und hält die Überlieferung der Hss. des 4.
und 5. Jahrhunderts für genügend zur Herstellung eines guten Textes,
huldigt dabei aber einem vernünftigen Eklekticismus. Nur in wenigen
Fällen — es sind im ganzen kaum zwanzig — ist er von seinem Prinzip
abgegangen; von Konjekturen neuerer hat er sechs angenommen.
Publii Virgilii Maronis Aeneis ex recensione C. Gr.
Heyne. Variis lectionibus instruxit atque adnotatiunculis
illustravit Vincentius Lanfranchiüs. Lib. IV — XTT. Augustae
Taurinorum, ex officina Salesiana. 1889. 275 S.
Die dürftigen Anmerkungen, welche kritisches und exegetisches
Material bieten, sind wertlos; der Text ist einerseits entstellt durch die
veraltete Orthographie (z. B. coelum), andererseits durch die vielen
überflüssigen Interpunktionen, namentlich Kommata, und das Papier ist
dünn und schlecht. An vergangene Zeiten erinnert die Einleitung:
Yincentii Lanfranchii de Aeneide cum fructu legenda. Mich erinnerte
diese ^acroasis' an die oratio de praestantia ac dignitate P. Vir-
gilii Maronis Aeneidos, habita Tubingae VI. id. iun. anno CIO.
ID. LXXIV a Nicodemo Frischlino.
Vergilio. L'Eneide commentata da Remigio Sabbadini.
Libri I, 11 e III. Seconda edizione interamente rifusa. Torino,
Ermanno Löscher, 1892. XV u. 154 S.
Die erste Ausgabe, und zwar sämtliche zwölf Gesänge der Aeneide,
erschienen in den Jahren 1884 — 88, habe ich im vorigen Jahresberichte
p. 134 f. besprochen. Näher auf die zweite Auflage des ersten Bänd-
chens einzugehen bin ich nicht in der Lage, da mir dasselbe nicht zu-
gegangen ist. Es ist aber wohl anzunehmen, dafs Sabbadini an Ver-
besserungen es nicht hat fehlen lassen.
Die Ausgabe der Aeneis commentato da A. Monaci kenne
ich nur aus der Anzeige von C. Weymann (vgl. Wochenschi'. für
klass. Phil. 1891 No. 16 p. 436), welcher die Arbeit „sehr anspruchslos"
nennt. Auch
192 Vergilius.
Virgilio, L'Eneide con prefazione di Dom. Cancogni.
Koma. 2 voll. 470 S. habe ich trotz aller Bemühungen nicht er-
langen können.
In England sind während der Berichtsperiode erschienen:
Vergilii opera. With introduction and notes by A. Sidg-
wick. 2 vols. Cambridge. 9,60 M.
Aeneid, books 1 — 3, edited, with introduction and notes
by T. L. Papillon and A. E. Haigh. Oxford. 8. 152 S. 3,60 M.
Unter den Notes befinden sich manche gute und treffende, die-
selben sind aber gar zu kurz gehalten; auch vermifst man au nicht
wenigen Stellen eine Erklärung.
Virgils Aeneid b. I w. notes a. argum. abridged frora
Coningtons edition by J. Gr. Sheppard, vocabylary by
Shilleto.
Saturd. rev. 1767 S. 281 notiert.
Virgils first book of Aeneid by Ch. H. Poole. 120 S.
nennt der Recensent im. Athenaeum vom 29. Novbr. 1890 ,, nutzlos".
Nicht besser ist die Ausgabe von lib. VII und Vm von Arthur
Calvert, von welcher der ßecensent in derselben Zeitschrift sagt, dafs
dieselbe für den Schulgebrauch ungeeignet ist.
Books IX und X, edited by A. H. Allcroft and W. F.
Masom. London, Clive. 12. 80 u. 86 S. ist mir unbekannt ge-
blieben. Von der Ausgabe des zehnten Buches der Aeneide von S. Gr.
Owen urteilt E. S. Shuckburg in The Class. Rev. 1891, 1/2 p. 67,
dafs die Ausgabe ihren Zweck erfüllt. Der Titel lautet: Aeneid X
edited for use of schools by S. G. Owen, with notes and vocabulary.
London, MacmiUan. 110 S.
Vergilii opera. Texte latin, publi6 d'aprös les travaux
les plus recents de la philologie, avec commentaire etc.
par E. Benoist. Eneide, Livres VIT— XII. 4 tirage. Paris,
Hachette. 8. LH, 457 p. 7,50 M.
Auf diese Ausgabe gedenke ich im nächsten Jahresbericht zurück-
zukommen, um dieselbe dort ausführlicher zu besprechen. T.E.Page
(The Class. Rev. 1891, 5 p. 221) nennt die Arbeit „sehr klar und be-
sonders solchen Lesern zu empfehlen, die nach der Schulzeit den Vergil
zum Vergnügen zu lesen wünschen." Wer hegt aber noch solch einen
Wunsch?
Von der kleineren Ausgabe Bönoists ist die neunte Auflage, be-
sorgt von L. Duvau, erschienen; dieselbe ist einige Seiten stärker ge>
worden. Vgl. den vorigen Jahresber. S. 138 f.
Vergilius. 198
In demselben Verlage ist ferner erschienen:
Eneide. Livre \TII. Explique litteralement par
E. Sommer. Traduit et annote par A. Desportes. 92 S.
Eine russische Ausgabe der Aeneide vom ordentl. Professor
Darius von Naguiewski in Casan ist im Jahre 1891 ersclüenen.
Dieselbe kann ich nicht besprechen, da ich russisch nicht verstehe.
In derselben Lage befinde ich mich bei der ungarischen Schulausgabe
von J. David und G. Fodor. Budapest, Lauffer. 8. 232 S. Ygl.
G. Nemethy in Egyetemes phil. kuzlöny XIV p. 614—615.
Vergils Aeneide. Buch III, V, VII, IL In freien Stanzen
übersetzt von Emil Irmscher. Programme der Zeidlerschen
Realschule in Dresden 1889—1892.
Im vorigen Jahresberichte p. 162 habe ich Irmschers Übersetzung
von Aeneide VI angezeigt und nachgewiesen, dafs der Übersetzer unfähig
zu solchen Arbeiten ist. Die Fortsetzung habe ich nicht gesehen, worüber
ich mich sehr freue, denn es macht kein Vergnügen, derartige Mach-
werke zu lesen, und ich kann nicht annehmen, dafs dem Verf. die
Übersetzung der angeführten Bücher besser gelungen ist als seine
früheren. Irgendwo habe ich gelesen, dafs sich z. B. Heime finden, wie
verwest — Pest, unglücksel'gen — schwelgen u. a. Irmschers Über-
setzung des VII. Buches ist, wie ich aus der Berliner phil. Wochenschr. 1891
No. 45 p. 1436 ersehe, von Karl Siegen „Litterarischer Merkur" 1891,
XI No. 33 p. 260 besprochen worden; S. kommt zu dem Resultate,
dafs die Übersetzung einen vorwiegend erfreulichen Eindruck mache;
ich möchte ein bescheidenes Fragezeichen diesem Urteil hinzufügen.
Karl Troost, Seebilder aus Vergil. Versuch einer im
Goetheschen Sinne ,, identischen" Übersetzung. Jahresbericht
des Progymnasiums zu Frankenstein i. Schles. 1892.
Ist mir unbekannt geblieben. Auch habe ich nirgends eine Anzeige
oder Rezension gelesen.
Von ausländischen Übersetzungen mögen noch folgende drei er-
wähnt werden:
L'Eneide di P. Virgilio, versione dell' Aur. Colla.
Ferrara 1888, LXXXIV, 381 S. Selbstverlag. Vgl. H. Kern, Berlin,
phil. Wochenschr. 1891 No. 15 Sp. 459 f. und
L'Eneide, tradotta da A. Caro, annotata da E. Mestica.
Firenze, Barböra. K). VIII. 183 p.
Virgil in english verse: Eclogues and Aeneid I — VI.
Ch. Bowen. London, Murray. 2 ed. 306 S.
Jaliresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXVI. Bd. (1893. II.) 13
1 94 Vergilius.
Kemigio Sabbadini, Studi critici sulla Eneide. Inter-
pietazione — Quaestioue grammaticali — Composizione —
Cronologia. Lonigo. 1889. Prem. Tip. Gio. Gaspari. 173 S.
M. Kothstein (Deutsche Litterat. -Ztg. 1889 p. 1415) sagt, die
Schrift sei zwar anregend geschrieben, aber an positiven Ergebnissen
arm, besonders im kritischen und grammatischen Teil; Pais (Riv. di
tilol. XVIII p. 451—453) hält dieselbe für bedeutend (vgl. noch P. Lejay,
ßevue critique 1890 No. 9 p. 163—164, H. Kern, Berl. phil. Wochenschr.
1890 No. 38 Sp. 1202 ff. und P. Deuticke in d. Jahresber. des phil.
Vereins 1889 p. 367 f.). — Tra ersten Teile (S. 11—49) behandelt S.
über 100 Stellen der Aeueide, namentlich aus der zweiten Hälfte, im
zweiten ( — S. 69) findet man grammatische Untersuchungen, der dritte
60 S. umfassende ist seinem Inhalte nach ziemlich identisch mit des
Verfassers im Jahi-e 1886 erschienenen Abhandlung 'quae libris III
et Vn Aeneidos cum universo poemate ratio interadat'. Augustae
Taurinorum 1886 (vgl. den vor. Jahresber. S. 108). Der vierte Teil
(cronologia) kommt zu folgenden Resultaten:
L'Eneide fu commiciata a divulgare negli anni 26 — 25.
I Libri 11, IV, VI furono recitati nel 23—22.
I Libri I, H, IV, VI, Ylil, IX cadano nel 28—26. Piü special-
meute si fissa il 27 — 26 per tutto il libro VIII e il 28 per la prima
metä del libro I.
La scena del X 118 — 142 e anteriore al 23. L'ultiraa parte del
X e anterioi'e 24.
II duello del übro XU cade nel 27—26.
L'episodio del VI 854—886 e del 23. La scena del VI 788—807
e del 20. D Vn 606 e del 20.
Ferdinand Noack, Die erste Aeneis Vergils. Hermes 27
(1892) S. 407—445.
Nach Noack bilden die Bücher I, 11, IV, VI für sich eine Einheit,
III und V sollen aus chronologischen und anderen Gründen später ab-
gefafst sein; in jenen vier Büchern ist die erste Aeneis abgeschlossen
und ziemlich rein erhalten: mit dem nachher erweiterten Plan wird die
Hias mehr verwertet, der Stoff von VII— XII herangezogen und je ein
Buch vor und nach IV eingesetzt; die erste Aeneis ist 29 begonnen,
der erweiterte Plan war 25 bereits gefafst und auch dem Properz
(III 34) bekannt (vgl. Berl. phü. Wochenschr. 1892 No. 44 Sp. 1405).
E. Bethe, Vergilstudien. I. Die Laokoonepisode. Rhein.
Mus. 46 (1891) 8. 511—517.
Die aus der mythographischen Überlieferung sich ergebenden
beiden Versionen gehen bei Vergil unverbunden nebeneinander und
Vergilius. 195
durcheinander : zu Grunde gelegt ist die zweite, jüngere, wo die Beratung
über das hölzerne Pferd am Meeresgestade stattfindet; später hat Vergil
die beiden Laokoonscenen 40 — 56; 199 — 233 eingelegt, welche die ältere
Version (Beratung vor dem Palaste des Priamos) zur Voraussetzung
haben (vgl. Berl. phil. Wochenschr. 1891 No. 48 Sp. 1530).
Gr. Ettig, Acheruntica sive descensuum apud veteres
enarratio. Leipziger Studien XIII. Band, 2. Heft, S. 249 — 410.
In dieser gehaltreichen Abhandlung, auf die ich leider nicht aus-
führlicher eingehen kann, hat der Verfasser zuerst alle testimonia über
die Unterwelt und den Abstieg zu derselben mit Fleifs gesammelt und
die philosophischen Ansichten der Alten über die Unterwelt erörtert,
wobei er besonders die Lehren der Platoniker und den Lucianischeu
Menippus genau analysiert, so dafs ein möglichst genaues, gewifsermafsen
dogmatisches Gesamtbild des Unterweltsmythus erzielt wird. — Dafs
Vergil in der Darstellung der Unterwelt seine Vorgänger bei weitem
übertreffe, giebt Ettig zu ; das hat bereits E. Eichler in seiner bekannten
Programmabhandlung nachgewiesen .
A. Kornitzer, Zur Wanderung des Aeneas durch die
Unterwelt. Zeitschr. f. d. öst. Gymn. XLII S. 961 ff.
In Aen. 'Ml 260 fordert die Seherin den Aeneas auf, mit gezücktem
Schwert (invade viam vaginaque eripe ensem) die Unterwelt zu betreten.
Das ist wieder eine der vielen gedankenlosen Entlehnungen aus Homer;
denn nirgends findet sich ein Aulafs, dafs Aeneas sein kampfbereites
Schwert gegen die Schatten gebrauchen könnte, ja dieselbe Sibylle wehrt
ihm wenige Verse weiter selbst ab, da gegen die Spukgestalten mit
irdischen Waffen nicht anzukämpfen sei. Das Gebot der Sibylle ist
vielmehr eine rein äufserliche Nachahmung von Hom. x 516 ff.
Karl Baur, Homerische Gleichnisse in Vergils Aeneide.
I. Progr. der Freisinger Studienaustalteu, 1891.
Auf diese Arbeit, welche einen Beitrag zur Würdigung der nach-
ahmenden Kunst Vergils (wie P, Cauer in dem Kieler Progr. 1885,
vgl. vor. Jahresber. p. 170) liefert, werde ich näher eingehen, sobald
der II. Teil erschienen ist, welcher S. 64 in Aussicht gestellt wird.
L'Opera di Virgilio. Lettura pubblica fatta il 23 Set-
tembre 1888 da Gaetano Quadri. Estratto Dagli Atti deUa Reale
Accademia di Science Lettere ed Arti in Mantova (biennio 1888 — 89),
Mantova 1889 und desselben Verfassers Schrift
Suir Enea Virgiliano Mantova 1893 sind mir unbekannt
geblieben,
13*
-j 96 Vergilius.
Nnr aus bucbhändlerisclien Anzeigen kenne ich
Onorato Occioni, Scritti di letteratura latina. Patavia
— Torino 1891 und
A. Rebellian, De Vergilio in informandis mulicbribus
(juae sunt in Aeneide personis inventore. Paris 1892.
J. Kvicala, Novo Kriticke a exegeticke pfispevky K
Vergiliove Aeneide (Neue kritische und exegetische Beiträge zu
Vergils Aeneis). Prag 1892. 160 S.
Diese Abhandlung des'iim die Kritik und Erklärung verdienten
Verfassers habe ich in der Berl. phil. Wochenschr. 1892 No. 44 Sp. 1387 ff.
angezeigt; es genügt daher, auf das dort Clesagte zu verweisen.')
Oskar Kraulse, Bemerkungen zu einigen Stellen der
Aeneide. Progr. Rudolstadt 1890. 27 S.
I, 3 ist hinter litora stärker zu interpuugieren ; es folgt sodann
eine längere Erklärung von I 52 ff., mit der ich mich nicht befreunden
kann; I, 78 vermutet Kr., Aeolus wolle mit V. 80 etwas anderes
liervorheben als den Besitz des blofsen Amtes, und z^\'ar wolle er sagen,
dafs ihm durch Juno auch göttliche Kraft und Autorität zuteil geworden
sei, der zufolge ihn die Winde als Herrn und Gebieter anerkennen und
ihm unbedingt gehorchen müssen. In ähnlicher Weise werden behandelt
I 81 ff.; VI 585 ff.; VIT 577 ff.; 59S ff.; VUI 169.; 296 ff.; 691 ff.;
X 104 ff.; XII 855 ff., welche Stellen ich nicht näher erörtern will,
obgleich sie manches Originelle, aber auch Anfechtbare enthalten.
H. C. Michaelis, Mnemosyne XVIII 1 p. 23—30, giebt einige
Bemerkungen zu Aen. I. 35 bedeute ruebant s. v. a. diruere, ster-
nere nach Douat zu Terent. Adelph. III 2, 20. 36 wird sub pectore
als gleich mit in pectore erklärt, wie durch viele Beispiele ans Vergil
u. a. nachgewiesen wird. (Zwischen sub und in p. ist doch wohl ein
Unterschied.) 49 will M. honores („Opfergaben") lesen. 147 drückt
perlabitur nicht den schnellen, sondern den ruhigen, ungehemmten
Lauf aus. 195 sei die Stellung von deinde nicht zu beanstanden (auch
meine Meinung; bemerkt sei hier gleich, dafs E. Göbel. N. Jahrb. f.
Phil. u. Täd. 141 42. Bd. 11. Heft p. 780 lesen will: deinde, bonus
(]uae vina). 403 wird divinum a vertice in Schutz genommen; 574
sei agetur nicht durch habebitur, sondern regetur zu erklären (?).
738 bedeute increpitans wie auch sonst „zur Eile antreiben" (V).
In derselben Zeitschrift (XIX 3 p. 271—283) weist M. die von
') Von meiner Rezension dieses Buches ist eine Übersetzung in
böhmischer Sprache erschienen und zwar in der Zeitschrift „Krok", Prag
1892 p. 447-449.
Vergilius. 197
Bährens, Speijer und Kvicala zu II 25 ; 59; 107 gemachten Konjekturen
zurück, rechtfertigt 260 promunt gegen das vorgeschlagene pro dunt,
305 rapidus gegen rabidus, zu 26 wird die Bedeutung von ergo,
zu 301 die von ingruit entwickelt; 125 sei et nicht adversativ.
H. Nettleship, Journal of Philologie XVIII 34 p. 157 erklärt
Aen. 18 den Ausdruck quo uumine laeso mit Hinweisung auf Lucr.
VI 68; Aen. II 183; Horat. epod. 15,3; Liv. 11 36, 4; Ovid. Her.
2, 31: „Welches Zeichen ihrer göttlichen Gegenwart ist unbeachtet ge-
blieben" . . . ., also numen = „die durch irgend ein Zeichen, (Er-
scheinung, Traumbild) als gegenwärtig sich erweisende Gottheit".
P. Weifsäcker, Korresp.-Bl. f. d. Gel.- u. Realschulen Württ.
1891 9 '10 p. 389 f.
erklärt Aen. I 75 ff. concilias = reconcilias („du bürgst mir ja für
das, was ich riskiere") und facis: ,,du erteilst mir jetzt Vollmacht"
(auf deine Verantwortung). Die kurzangebundene Antwort des Aolus ist
widerstrebend und verdriefslich. Davon sehe und merke ich nichts.
Schienger, erklärendeBeraerkungen und Verbesserungs-
vorschläge zu einigen Stellen unserer Schulklassiker. Progr.
Mainz 1890. Vergil p. 12 ff.
Nach Schi, ist 1403 ambrosiae „göttlich", 1X448 f. domus
Aeneae ,,das römische Volk" und pater Romanus „Roms Senat".
Paul Weyland, Vergils Beschreibung des libyschen
Hafens (Aen. I 159—169). Progr. Gartz a. d. 0. 1891. 11 S.
Abgesehen von einer gewissen lästigen Breite und den stellenweise
gerade nicht kurzen Sätzen ist die Untersuchung scharf und klar. In-
dessen scheint mir die ganze Frage bereits von Gofsrau (vgl. dessen An-
merkung z. d. St.), von Kvicala (Vergilstudien S. 58 ff.) und nament-
lich von Plüfs (Vergil u. d. ep. Kunst S. 10 ff.) erledigt zu sein.
J. S. Speijer, Verslagen en Mededeelingen der koninklijke Aka-
demie von Wetenschappen, 1891 VII 3 p. 243 ff.
behandelt u. a. das Wort mag all a Aen. I 421 ; IV 259, welches er von
mäpalia scheidet und als Namen der Vorstadt Karthagos deutet.
Ders., Observationes et emendationes. Groningen, Wolters,
1891. 79 S.
Vgl. L. Müller, Berl. phU. Wochenschr. 1892 No. 11 Sp. 334 flf.
Der dritte Abschnitt von Speijers Schrift beginnt mit einer Unter-
suchung über die Deklination der griechischen Feminina auf o bei Vergil.
Nach ihm ist Dido IV 383 Vokativ wie Cynthia bei Prep. I 18, 31.
Sp. bespricht ferner eine Anzahl Stellen aus Ciceros Verrinen, Plautus,
198 Vergilius.
Vergil und Tacitns. Gegen seine Vermutung Aen. III 329 nie faraulo
famulam Heleno trausmisit habendam erklärt sich L. Müller aus
metrischen Gründen entschieden. „Speijers Latein läist viel zu wünschen
übrig."
M. T. Tatham, The Class. Rev. VIS p. 124
liest Aen. 1455 f. inter se mirantur (näml. Aeneas und Achates)
trotz lustrat und videt.
P. Simpson und T. E. Tage, The Class. Rev. VI 8 p. 366 f.
u. 414,
verstehen die Worte Aen. III 510 sortiti remos von einer Verlosung
der Ruder, die im Hinblick auf die mitternächtliche Abfahrt vorher vor-
genommen ward.
Ebend. p. 367 vergleicht W. F. R. Shilleto den Sinn von Aschyl.
Agam. 313 mit dem von Aen. V 305.
J. C. P. Boot, Mnemosyue XVIII 4 p. 362 f. will Ecl. 2, 71
salicum potius und Aen. I 461 lacrimae miseris (= miseriis),
mentes mortalia tangunt lesen.
Jnl. Gj'omlaj' giebt in Egyetemes Philologiai Közlöui (Zeitschr.
für allgemeine Philologie), Budapest XIII 10 p. 725 ff.
Parallelstellen aus Homer zu Vergil. Aen. I; jedenfalls eine ganz über-
flüssige Arbeit. — In derselben Nummer findet sich p. 782 flf. eine unga-
rische Übersetzung der vierten Ekloge von J. Vietörisz.
T. E. Page, The Class. Rev. in p. 76
giebt eine genauere Interpretation von Aen. II 492: ,,die (mit Zapfen
verseheneu) Pfosten werden aus den Pfannen (cardine) gerissen und
stürzen (samt den Thoi-flügeln) nieder.
F. Weck, zu Vergilius (Sinon im 11. Buche). N. Jahrb. f.
Phü. u. Päd. 141 p. 469 ff.
W. bespricht das Auftreten Sinons im II. Buche. Er erklärt u. a.
76 füi' unentbehrlich und interpretiert quae sit fiducia capto als
einen zu hortamur gehörigen finalen Relativsatz -^ ,,um dem Gefan-
genen Mut zu machen." — Etwas geschraubt!
E. Eichler, Zeitschrift f. d. öst. Gymn. XL p. 22
erklärt die verzweifelte Stelle Aen. III 684 f.: „Dagegen warnen die
Einschärfungen des Helenus, auf die Scylla und Charybdis loszusteuern,
da die Todesscheidegrenze zwischen beiden AVegen nur schmal sei." "Wo
kommen da in aller Welt zwei Wege her?
Vergilius. 199
0. Linsenbarth, zu Yerg. Aen. IV 402 ff., N. Jahrb. f. Phil,
u. Päd. 1891 p. 706 f.
rechtfertigt die Annahme, dafs Ameisen Sämereien einsammeln und des-
halb dem Dichter eine mangelhafte Beobachtung der Natur nicht vor-
geworfen werden kann. Vgl. Cic. d. nat. deor. II 157; Ovid. ars. I 94
u. a. sowie aus neuerer Zeit W. Marshall „Leben und Treiben der
Ameisen", Leipzig 1889 S. 134 f.
Reichenhart, Zur Erklärung einiger Vergilstellen.
Zeitschr. f. d. öst. Gymn. XLITE p. 491 ff.
habe ich nicht einsehen können. Bekannt ist mir nur, dafs sich darunter
eine neue Erklärung vom Schilde des Aeneas befindet; der Dichter habe
bei dessen Schilderung nur solche Ereignisse aus der römischen Geschichte
herausgegriffen, bei welchen die Existenz der Stadt auf dem Spiele stand,
und zwar, damit Aeneas den Glrundgedanken erkenne: aus allen Nöten
hilft Tapferkeit und Götterbeistand.
P. Sandford, The Class. Rev. III 9 p. 419.
Aen. IV 436 (und Liv. XXIV 48) bedeutet cumulata gratia „mit
Zinsen". Vgl. noch Liv. II 47 und II 23.
Th. Berndt in der Festschiift zur 350jährigen Jubelfeier des
evang. Friedrichsgymn. zu Herford, 1891 S. 8 f.
will Aen. V 289 f. lesen
. . quo se multis cum milibus heros
Contulit et medius tumuli extructo aggere sedit.
G. Mc. N. R. und A. Platt, The Class. Rev. V S. 124, 232
u. 337.
Aen. III 702 soll fluvii als Spondeus gelesen werden, vgl. Georg.
1482. Aen. VI 657 heifse castigare „tadeln", und sie vergleichen
den Vers mit Claudian. in Ruf. II 476—480 und Plat. Gorg. 525 A,
aus welcher Stelle Vergil das aTi[X(o; vorgeschwebt habe.
H. Nettleship, Journ. of Phüol. 1890 No. 37 p. 110,
liest Aen V 602 Troiaque nunc cursus (oder lusus) statt pueri.
P. J. Scriberius will Mnemosyne XVI 4 p. 307
Aen. VI 664 mit geringer Abweichung von der Überlieferung lesen
memores reliquos fecere merendo.
E. Norden, N. Jahrb. f. Phü. und Päd. XVHI. Suppl.-Bd.
p. 342,
kommt bei seiner Abhandlung über Varros Furien auch auf Aen. VI
605 f. zu sprechen.
200 Vergilius,
R. Whitelaw, The Class. Rev. V p. 180
nimmt Aen. VI 743 f. manes in dem Sinne ,,Mäclite der Unterwelt";
725 Titania astra = „Sonne und alle Sterne" und spricht sich für
Umstellung' von 743/4 hinter 747 aus. Was dadurch gewonnen wird,
vermag: ich nicht einzusehen.
J. Martha, Le supplice de Phlegyas. Revue de philologie XII
No. 2 p. 97.
Wiederaufnahme einer oft erörterten Frage. Aen. VI 614 ff. ist
die Reihenfolge der Strafen 'des Phlegyas so seltsam unterbrochen, dafs
\aele an irgend eine Interpolation, andere an eine schlimme Duixhrütte-
lung der Verse gedacht haben. Um letzteren Fehler zu heilen, hat
L. Havet jüngst vorgeschlagen, die vv. 615 — 620 an den v. 601 zu
knüpfen, und Herr Martha findet in der That, dafs durch diese Um-
stellung der Text eine logische Gestalt gewinne. Ei- macht liierbei auf
den Kommentar des Macrobius zum Somuium Scipionis aufmerksam, in
welchem des Phlegyas Strafen so aufgezählt werden, als wären sie in
der Aeneis in zusammenhängender Reihe genannt. Aber durch die Vers-
umstellung bekommt der Stil etwas Ungelenkes ; die sinnähnlichen Worte
ne quaere doceri und non mihi si linguae centum stehen zu nahe
beisammen, auf fünf Verse Distance wii'd der nämliche Gedanke in bei-
nahe denselben Worten ausgedrückt. Dies führt den Verf. auf die Idee
einer doppelten Rezension derselben Stelle (014 — 615 und 625 — 627).
Vergil hat die Stelle auf zweierlei Weise verfafst, eine Version sollte
ausgemerzt werden, wenn der Dichter sein Werk hätte selber revidieren
und herausgeben können. Dies stimme auch mit der bekannten skrupu-
lösen Arbeitsweise Vergils und mit der evidenten Nichtvollendung der
Aeneis. Berl. phil. Wochenschr. 1889 No. 47 p. 1508. Wochenschr. f.
kl. Phil. 1889 No. 11 p. 303 u. No. 51 p. 1405.
Th. Reinach, Pirithous ou SisypheV Ebend. XIII No. 1
p. 78 ff.
Im Anschlufs an L. Havet (vgl. Wochenschr. f. kl. Phil. 1889
p. 303), welcher auf Aen. VI 601 die vv. 616 ff. folgen läfst, behauptet
der Verf., mit den Worten saxum ingens volvunt alii sei nicht
Sisyphus gemeint, sondern Pirithous, auf den Vergil die Strafe des Si-
.syphus übertragen habe.
A. Ciraa, La Rassegna degli Eroi nel Lib. VI delT
Eneide (v, 752segg.). Estratto dalla Biblioteca delle Scuole Ita-
Uane (No. 18, vol. III). Parma 1891. 11 S.
Ein treffliches Schriftchen, welches gelesen zu werden verdient.
Vergilius. 201
H. Ball, N. Jahrb. f. Phil, und Päd. 1889 p. 720,
fafst Aeu. VII 37 ff. advena als Substantivum und exercitus als
Adjektivum, so dafs advena exercitus „der geprüfte (geplagte) Fremd-
ling (Ankömmling)" d. h. Aeneas ist. Sollte man's für möglich halten??
E. Brandes, zum 6. und S.Buche der Aeneis, N. Jahrb. f. Phil,
u. Päd. 141 p. 59—77.
Br. legt die Komposition des 8. Buches und das Verhältnis des-
selben zur Nexuta dar und vergleicht sodann die Gliederung des Schildes
des Achilleus bei Homer mit der des Schildes des Aeneas bei Vergil.
Sodann stützt Br. Lessings Ansicht über den Schild des Achilleus
gegen Plüfs.
In derselben Zeitschr. 1889 p. 511 ff. wül Br. Aeu. 1X329 ff.
schreiben:
tris iuxta famulos fernere inter tela iacentis
armigerum regis premit aurigamque sub ipsis
nactus equis ferroque secat pendentia coUa.
(Th. Maurer wollte a. a. 0. 1886 p. 100 premit für Remi).
F. Polle ebend. 1891 p. 384
schlägt Aen. VII 373 vor zu lesen materqne Mj'cenae und macht auf
die seltsame Erfindung in 435 aufmerksam.
In der Sitzung der Cambridge Philological Societj^ vom 22. Mai
1890 las
Dr. Verrall über Aen. IX 48 und 403. Das et ist hier wie das
griech. xal als Folgerung „und so" zu nehmen. — In Aen. XI 199 — 202
ist die Wiederholung von ardentibus begründet; es ist das m3rthologisch
begründete Bild, dafs der Schein des die Toten verzehrenden Feuers
in den Sternen wiederkehrt.
"W. Gemoll, Kritische Bemerkungen zu lateinischen
Schriftstellern. Progr. des Gymn. zu Liegnitz 1890.
G. vermutet IX 579 eminus für manus. V 741 will derselbe,
wie er mir mündlich mitteilte, quo te inde ruis lesen; allein der refl.
Gebrauch von ruere ist selten, vgl. Gell. N. A. YII (VI) 2, 8 und
Apul. flor. I p. 341.
W. J. Evans, The Class. Eev. V p. 128,
versteht Aen. X 1 nicht vom Beginne eines neuen Tages, sondern nur
von der Eröffnung der Beratung, um die Mitte des zweiten Tages.
Über
Heribert Bouvier, Die Götter in der Aeneide des Vergil.
Progr. Krems 1890. 23 S.
und
202 Vergilius.
H. Blümner, Über die Farbenbezeichnungen bei den
römischen Dichtern. Niveus, lacteus, eburueus, marmoreus, ar-
genteus, ater, Phüologus XLVIIl 4 (n. F. 114) 1889 p. 706-722
kann ich keine Anzeige liefern, da ich beides nicht erhalten habe.
In den Bl. f. d. bayer. Gymn.-W. 1891 3/4. p. 164—237 be-
handelt H. Kern in einem coroUarium criticum et exegeticum
dreizehn Stellen aus Vergil, je eine aus den Eklogen, Georg., Cul. u.
Cii'., die übrigen aus der Aeneide. Weiter ist mir nichts bekannt.
M. Manitius, Rhein. Mus. 46 p. 622 ff.,
untersucht die Hexameterausgänge in der römischen Poesie von Lu-
cretius bis zu den Aenigmata Eusebii und findet, dafs die einsilbigen
Ausgänge abnehmen, bei den christlichen Dichtern aber zunehmen,
dals die viersilbigen früher an Eigennamen gebunden waren, bei den
christlichen Dichtern nicht in gleichem Mafse, ebenso die fünfsilbigen,
deren Zahl bei den christlichen Dichtern zugenommen hat.
J. Örtner, N. Jahrb. f. Phü. u. Päd. 1890 p. 121 f.,
definiert die Cäsur als Pause, diu-ch welche auch in der Musik die Unter-
brechung der rhythmischen Tonreihe bezeichnet werde.
L. Qu ich erat, Revue de philologie XIV 1—4 p. 51—55,
behandelt die hypermetrischen Verse Vergils.
Nicht erlangt habe ich folgende Abhandlungen:
W. Meyer, Über die weibliche Cäsur des klassischen
lateinischen Hexameters und über lateinische Cäsuren
überhaupt. Sitzungsber. der Königl. bayer. Akad. d. Wiss. zu
München. 1889.
B. Gerathewohl, Grundzüge für lateinische Allitte-
rationsforsehung. Vortrag vor der 41. Versammlung deutscher
Philologen und Schulmänner in München. 1892.
Derselbe, Allitteration tontragender Silben an den
beiden letzten Arsen des Hexameters in Vergils Aeneis.
W. V. Christ zum sechzigsten Geburtstage dargebracht. München 1891,
J. Rönström, Metri Vergiliani recensio. Luud 1892. 60 S.
Die Abhandlung enthält:
I. Exordium versus (p. 2). II. Vicissitudo dactylorura et spon-
daeorum prioris versus partis (p. 5). III. Exitus versus (p. 11).
IV. Caesurae versus heroici (p. 20). V. Licentiae metricae: a. vocales
concurrentes; b. productio et correptio; c. tmesis, syncope (p. 40).
VI. Excursus (p. 58).
Vergilius. 203
Bemerkenswert ist, dafs R. Hauptcäsuren nicht anerkennt, dafs
vielmehr alle denselben Wert haben. Im übrigen bietet die Arbeit
nichts Neues.
A. Ahlheim, Gymnasium 1891, 1 p. 1—8, Beitrag zur Be-
handlung der Vergillektüre.
A. skizziert eine Lehrstunde über Aen. II 750—795, woran sich
ein deutscher Aufsatz über das Thema „Verdient Aeneas den Beinamen
pius?" schlielsen soll. Ich mui's offen gestehen, dafs ich nicht verstehe,
wie mau in einer Lehrstunde mit einem solchen Pensum fertig werden will.
L. Weber, Die poetische Lektüre auf dem Gymnasium.
I. Progr. d. Luisengymn. zu Berlin. 1891. 24 S.
Nach W. sollen nur Vergil und Horaz gelesen werden, und zwar
von Vergil in Sekunda die erste Hälfte der Aeneide in Auswahl, während
eine solche aus der zweiten Hälfte in Prima neben der Ilias gelesen
werden soll. Aufserdem soll in Sekunda, ehe man mit Vergil beginnt,
ein Buch Homer gelesen werden, um ein besseres Verständnis in den
Schülern für das Epos zu erwecken. Hierzu sei eine wöchentliche
Stunde genügend, wenn die ganze Dichterlektüre der Klasse in einer
Hand liege. — Hoffentlich ein Vorschlag, der nirgends zur Ausführung
kommen wird.
J. Sander, Zur Schriftstellerlektüre. Bl. f. h. Schulw.
1891 p. 69,
will in Obersekunda für Vergil lieber Horaz lesen. Vgl. jedoch die
neuen Lehrpläne und Lehraufgaben für die höheren Schulen vom
6. Januar 1892, nach welchen in 0 II nur Vergil gelesen werden
soll. Überdies werden auch gute Sekundaner für die Lektüre der
lyrischen Gedichte des Horaz und noch weniger für die Lektüre der
übrigen Schriften desselben schwerlich schon geeignet sein.
F. Ehr lieh, Mittelitalien, Land und Leute in der Aeneide
Vergil s. Progr. d. königl. Gymn. zu Eichstädt 1882. 82 S.
Der Verf. (jetzt in Freising) hat seine Abhandlung, welche aUes
enthält, was sich über den Gegenstand in der Aeneide findet, für streb-
same Schüler zur Einfülmmg in das Gedicht bestimmt, und die Schrift
wird gewifs ihren Zweck erfüllen, wenn auch manches, namentlich An-
merkungen, über den Horizont von Schülern hinausgehen mag. Druck-
fehler sind nicht selten.
Max Hoffmaun, Der codex Mediceus pl. XXXIX No. 1 des
Vergilius. Pr. Pforta, 1889. XX u. 36 S.
M. Eothstein, Deutsch. Litt.-Zeitg. 1889, No. 34 p. 1232 sagt,
dafs hier der denkbar höchste Grad von philologischer Zuverlässigkeit
204 Vergilius.
erreicht sei; doch könne der Einrtuls auf die Textgestaltung kein erheb-
licher sein. G. Schepps (Wochenschr. f. kl. Phil. 1890 No. 3 p. 7H)
lobt die kaum zu übertreffende Gründlichkeit dieser Kollation, welche
A. ß. im Litter. Centralbl. 1890 No. 6 p. 190 „mustergültig" nennt:
H. N., The Class. Kev. IV 1/2 p. 45 sagt, die Schrift sei nützlicher
für das Studium der Paläographie als für* die Gestaltung des Vergiltextes.
Vgl. uoch A. Zingerle, Berl. phil. Wochenschr. 1889 No. 50 p. 1587 ff.:
E. Sabbadini, Rivista di filologia XVIII 4-G p. 285 ff.; P. Lejay,
Revue crit 1890 No. 9 p. 161 f.
P. III — XX enthalten eine ausführliche Beschreibung des Kodex
und seiner Schicksale: p. 1 — 36 werden ecl. 6, 48 — 10, 77, Georg., Aen.
I und VI mit Ribbecks Text verglichen.
R. Väri, Egyetemes Philologiai Közlöni 1889, Suppltbd. p.
361—365,
handelt über ,ein Viridariumcodex des ungarischen Nationalmuseums".
Die Hs stammt aus saec. XV und enthält Excerpte aus Prudentius,
Claudianus, Vergilius. Gaius Valerius, Statins, Lucanus und Ovidius.
Wie aus den mitgeteilten Varianten ersichtlich, ist der Text wertlos;
dies ein für allemal zu konstatieren, machte sich der Verf. zur Aufgabe.
M. Ihm, Die Scholien im cod. Mediceus des Vergilius.
Rhein. Mus. XLV 4 p. 622 ff.
Mitteilung der Scholien des Med. pl. XXXIX No. 1; dieselben
(im Sammelkommentar des Pomponius Sabinus benutzt) sind wie die
subscriptio ans einer anderen Quelle entnommen, deren Vergiltext der
minderwertigen Überlieferung angehörte, wahrscheinlich Donat.
II. Kothe, Vergilius und Timaios. iN. Jahrb. f. Phil, und
Pädag. 1889 p. 358—360.
Der Grundgedanke der Aeneis geht nicht auf Timaios zurück.
Im einzelnen ergeben sich anscheinend Berührungspunkte in ziemlich
grofser Zahl: aber diese Berührungspunkte beweisen nicht, dais Verg.
aus Timaios geschöpft habe, da ihm fast überall auch andere Quellen
zu Gebote standen. Die Geschichte des Hirten Daphnis war mit Stesi-
choros (fr. 63 Bergk) ein Lieblingsgegenstand der sikelischen Dichter,
namentlich der Bukoliker, von denen ja Verg. in den Eklogen vielfach
abhängig ist. Die Einwanderung der Tyrrhener aus Lydien berichtet
schon Herodot (I 94); die Weichlichkeit der Etrusker war allgemein
bekannt (Catull. 39, 11); der Name Trinacria wird durch Münzen sike-
lischer Städte als weit verbreitet erwiesen.
Vergilius. 205
M. ßothstein, Properz und Vergil. Hermes 1889 (XXIV)
p. 1—34.
Die Betrachtung des Zusammenhanges der Lyuceuselegie ergiebt,
daJ's die Einreihung des Properz unter die berühmten Liebesdichter den
Hauptgedanken des Gedichtes bildet, zu dem alles andere in Beziehung
stellt; was der Dichter sagen will, knüpft er mit bewul'ster Absicht an
Vergilische Gedanken an, daher widersprechen die auf Vergilische Ge-
dichte bezüglichen Stellen keineswegs jenem Zusammenhang. AVährend
Properz für seine Dichtungen Vergils Buc. und Georg, vielfach benutzte,
verwertete dieser für seine Äeneide Stellen aus den während seiner Be-
schäftigung mit der Dichtung entstehenden und zur Herausgabe gelangenden
Elegien des Properz.
Wilfred P. Mustard, The Etymologies in the Servian
Coramentary to Vergil (Reprinted from Colorado College Studies,
vol. III) Colorado Springs 1892. 8. 37 p.
Über diese Abhandlung vgl. Klotz, Wochenschrift f. klass. Phil.
1892 No. 44 p. 1202 ff., mit dem ich mich in der Beurteilung derselben
in Übereinstimmung befinde, so dafs ich nichts weiter hinzuzusetzen habe.
J. L. Moore, Servius on the tropes and figures of Vergil.
The Americ. Journ. of philol. 1891 p. 157—192.
Sammlung von Beispielen zu den rhetorischen Figuren und Rede-
wendungen bei Vergil, wie sie von Servius aufgeführt werden.
K. Hoppe, De Tib. Claudio Donato, Aeneidos interprete.
Diss. inaug. Göttingen 1891, 31 S.
Die Dissertation handelt I. De Donati indole (a. de Donati iudicio.
b. de Donati fide, c. quatenus auctores secutus sit, d. de confusis inter
se unius loci interpretationibus). IL De Donati auctoribus (a. Don.
num quem inspexerit commentarium , b. Don. num Servil commentariis
usus Sit, c. quae ratio inter Donatos intercedat, d. quaedam Ti. Donati
Aelio vindicantur, e. de Donati auctore. Die Arbeit verrät Fleifs und
Geschick; das Latein ist oft nicht korrekt und schwer verständlich.
Gustav Lämmerhirt, De priscorum scriptorum locis a
Servio allatis. Dissertationes philologicae Jenenses. Leipzig 1890,
Teubner. IV. 311 S.
Hinsichtlich dieser Arbeit unterschreibe ich das Urteil B. Kühlers,
Berlin, phil. Wochenschr. 1891 No. 2 p. 46 — 49, auf das ich, ne acta
agam, hiermit verweise. Eine zweite Besprechung der Schrift ist mir
nicht bekannt geworden.
M. Manitius, Vorbilder und Nachahmer des Valerius
Flaccus, Philologus 1889 (XLVIII, 2. N. F. Bd. II, 2 p. 248 ff.),
206 Vergilius.
liefert eine Zusammenstellung- verwandter Stellen aus Vergil, Ovid,
Lucan, Statins n. a.
Eob. Ellis, The Jouru. of Philol. XX 40 p. 159—161,
bestätig:t Munros Ausführung zu Lucret. III 1011, dafs Servius zu
Aen. VI 596 von Lucrez und nicht von Vergil spreche, aus einen»
Scholion in einer IIs von Macrob, zum somniuni Scipionis, saec. X — XI.
H. Georgii, Die antike Aeneiskritik aus den Scholieu
und andern Quellen hergestellt. Stuttgart 1891. VIII und 570 S.
In der Einleitung (p. 1—41) spricht der Verf. zuerst über die
Thatsache der Aeneiskritik, zweitens über die Serviusfrage und drittens
über die Ermittelung der Aeneiskritik aus den .Scholien. Es folgt dann
bis Seite 557 ein kritischer Kommentar zur Aeneide, zu welchem die
ganze bekannte Litteratur benutzt und verwertet worden ist. Auch viele
Emeudationen des Scholieutextes findet man, von denen manche Beach-
tung verdienen. S, 558 — 570 enthalten eine Übersicht der Hauptgesichts-
punkte der ganzen antiken Aeneiskritik.
Die Rezensionen des Buches, soweit mir solche bekannt geworden
sind, lauten durchweg anerkennend; so sagt H. H. im litter. Centralbl.
1892 No. 10 p. 327: „Der grofse Vorzug des Buches besteht darin, dafs
es die Berechtigung der gegen Vergil erhobenen ästhetischen Kritik
nachweist; man wird überzeugt, dals Vergil richtig fühlte, als er seine
Aeneis unzulänglich fand und deren Veröffentlichung in dieser Gestalt
nicht verantworten wollte." A. Kiefsling, Deutsch. Litt.-Ztg. 1892
p. 467: ,.Das Buch eröffnet einen umfassenden Einblick in die Thätig-
keit der römischen Vergiliomastiges." Auch E. Thomas, Revue crit.
1892 No. 15 p. 290 lobt den kühnen erfinderischen Geist, der logisch
bis zum Extrem sei, mii'sbilligt aber die dem Horaz ungünstige Tendenz
des Buches. Vgl. noch A. Zingerle, Berl. phil. Wochenschr. 1892.
No. 12 p. 360 ff.
Horst Kohl, Beiträge zur Kritik Rahewius. I. Die Ent-
lehnungen aus fremden Autoren. Progr. Chemnitz, 1890. 24 S.
Es sei mir gestattet, aus dieser interessanten Abhandlung folgendes
anzuführen :
Rahewin: nachgebildet:
Parcere prostratis et debellare snperbos . . . . Aen. VI 854.
Mortem intentaret „ I 91.
Ceptum iter peregit „ VI 384.
Danaum insidias r II 65.
Sed praevaluit auri sacra fames r III 56.
Bella, qaornm et eventus varius est „ X 160.
Letali vulnere n 1^ ^^0.
Vcrgilius. 207
Fridericus Seitz, De fixis poetarum latinorum epithetis.
I. Vrogr. Elberfeld, 1890. 30 S.
Die drei grofsen Dichter der augusteischen Zeit sind von grofsem
Einflufs auf die folgenden Dichter gewesen ; das beweisen die fixa epi-
theta von Göttern, Heroen, Bergen, Flüssen, Meeren, Ländern u. s. w.
S. 20 — 25 enthält eine Abschweifung gegen B. Deipser „Über die Bil-
dung und Bedeutung der lateinischen Adjectiva auf f er und ger," Progr.
Bromberg 1886, welche der Verf. getrost hätte beiseite lassen können
Heifst übrigens der dem fünften Jahrhundert angehörende Dichter Ru-
tilius Claudianus Namatianus oder Namantianus? Die letztere Form
gebraucht der Verfasser konsequent (S. 10 u. ö.). Das Latein, welches
der Verf. schreibt, habe ich oft nicht verstanden und den Sinn eines
Satzes deshalb erraten müssen. Auch der erklärteste Gegner des Latein-
schreibens mufs zugeben, dafs es eine gerechte Forderung ist, welche
schon L. Döderlein aufgestellt hat: Wer Latein schreibe, habe dafür zu
sorgen, dafs dasjenige, was Latein sein soll, auch wii'klich Latein ist.
"Wenn der Verf. ein besseres Latein nicht schreiben kann, so ist ihm
dringend zu raten, dafs er sich seiner Muttersprache bediene.
A. Otto, Die geflügelten Worte bei den Römern. Progr.
Matthiasgymn. Breslau, 1890. XIV S.
Über Vergil handelt p. Xn — XTEI. Derjenige Dichter, sagt der
Verf., w^elcher am meisten gefeiert, gelesen und nachgeahmt wurde, ist
Vergil. Dafs eine grofse Anzahl von Vergilstellen nach Art von
Sprichwörtern gebraucht wurde d. h. geflügelt war, bezeugt mit klaren
Worten Macrob. Sat. V 16, 6. Nachdem er einige Homerstellen ge-
nannt, welche proverbiorum loco in omnium ore sind, fährt er
fort: Nee apud Vergilium frustra desideraveris und beruft sich
auf Ecl. 8, 63; 10, 69; Georg. I 145; Aen. XII 646; X 467; II 390;
Ecl. 1, 53; Aen. III 57.
Ernst Grosse, Über die Naturanschauung der alten
griechischen und römischen Dichter. Progr. Aschersleben,
1890. 18 S.
Das ästhetische Interesse, das Vergil an der Natur nimmt, zeigt
sich besonders in seinen Idyllen und in dem didaktischen Gedicht vom
Landbau, aber auch in seinem Nationalepos, der Aeneide, fehlen keines-
wegs lebensvolle Naturschilderungen, obgleich nach dem Charakter dieser
Dichtung solche nur als schmückendes Beiwerk ei'scheinen und so einen
geringen Raum einnehmen. Als Beweise führt sodann der Verf. an,
wie Vergil das Leben des Meeres, die Schrecken des Meerstui-mes
sowie den Frieden des Meeres schildert; ebenso trefflich sind seine
208 Vergilius.
Schilderungen des "Wechsels der Jahreszeiten, des grausigen Winters
im Sc\^henlande u. s. w. Auch liat Vergil durch fleifsiges Beobachten
ein warmes Interesse und eine verständnisvolle Teilnahme an dem Leben
und Treiben, Schaffen und Wirken der Natur auch in der niederen Tier-
welt gehabt; das zeigt er am schönsten durch seine Schilderungen aus
dem Leben der Biene (admiranda levium rerum spectacula). Auch hat
den Dichter seine gemütvolle Naturanschauung zu einem tief religiösen
Menschen gemacht; das beweisen Georg. IV 221 — 227 und Aen. VI 724 —
727. — Die höchst lehrreiche Abhandlung ist für jeden, der sich mit
den alten Dichtern beschäftigt, von grofsem Werte.
Fridericus Leo, Culex carmen Vergilio ascriptum.
Accedit Copa elegia. Berolini. Apud Wefdmannos. 189L 122 S.
S. 1 — 14 enthält den Culextext, S. 15 — 111 die praefatio und
den commentarius, S, 115—117 den Copatext, S. 119—122 einen index
carminum und einen index commeutai-ii.
Ohne Zweifel mufs jeder dem Verf. für seine gründliche Arbeit
dankbar sein; dafs er aber den Culextext auf eine Hs basiert, ist
jedenfalls nicht ganz berechtigt; auch hätte er mekr die kritischen
Ai'beiten Früherer berücksichtigen müssen, besonders was Ellis geleistet
hat, wenn man andererseits auch zugeben mufs, dafs ^The American
Journal of Philology' bei uns schwer zu haben ist. In dieser Zeit-
schrift findet sich z. B. vol. III, No. 11 eine 14 Seiten lange Ab-
handlung von Ellis ^On the Culex and other poems of the appendix
Vergiliana': ebenso in vol. VIII, No. 1, 4 und IX No. 3.
Die eine Hs nun, auf welche Leo den Text basiert und in welcher
er die Hauptquelle der Überlieferung sieht, ist der Kod. Berab. Von
dem Kod. Vossianus (saec. XV), welchen Baehrens für den besten hielt,
urteilt Leo: Lectionem habet ab homine docto audacibus coirecturis
ittterpolatam neque quicquam utile praebet praeter coniecturas; sed in
ultima carminis parte exemplar eius variam lectionem habuisse videtur
ex fragmento codicis nunc amissi ascriptam (praef. p. 20 f.). Dies Urteil
kann ich nicht unterschreiben und ich gebe E. Thomas recht, wenn
er mit Rücksicht auf Leos kritisclien Standpunkt sagt (Revue crit. 1891,
52 p. 504—506), dafs die Arbeit als eine endgültige nicht angesehen
werden kann.
Siegfried Lederer, Ist Vergil der Verfasser von Culex
und Ciris? Zugleich ein Beitrag zur Geschichte des Hexameters,
Mit einer Tabelle als Beilage. Leipzig, Fock. 1890. 17 S.
Lederer untersucht sämtliche Gedichte Vergils auf die Ver-
teilung von Daktylen und Spondeen in den vier ersten Füfsen des
^examete^s und kommt zu dem Resultat, dafs dei- Culex vergilisch sei.
Vergilius. (Güthling.) 209
die Ciris nicht. Von solcher unsicheren Rechnerei halte ich nichts oder
wenig und sehe den Wert von Lederers Schrift nur in dem „Beitrag
zur Geschichte des Hexameters".
Maximilianus Röhrich, De Culicis potissimis codicibus
recte aestimandis. Diss. inaug. Berlin 1891. Heinrich und
Kemke. 48 S.
"Wie F. Leo (s. oben) glaubt auch Röhrich, dals der Kod. Voss,
durch viele Änderungen entstellt ist, während der Bemb. und der Canta-
brigiensis (C) saec. X/XI solche nicht aufweisen. Letzteres ist richtig,
über ersteres habe ich meine dissentierende Meinung oben angegeben.
Cir. 5 wül Röhr, et mens lesen, Cat. 9, 1 die Lesart der codd, dett.
si licet beibehalten, ib. 11, 50 verteidigt er meminisse, ib. 13, 2
weist er Bährens' Konjektur inde für das hs ire zurück.
A. Bienwald, De Crippsiano et Oxoniensi Antiphontis,
Dinarchi, Lycurgi codicibus. Diss. inaug. Görlitz 1889. 42 S.
Die dritte unter den ,sententiae controversae' lautet: Lydia et
Dirae carmina non ab eodem poeta conscripta sunt.
F. Bücheier, Coniectanea, Rhein. Mus. XLIII p. 321—334.
Emendationen und Interpretation mehrerer Stellen des Moretum,
der Copa und des Culex. Bemerkenswert ist Büchelers Ansicht: „Cen-
ties restitui oportet Bembini et aüorum codicum scripturas expulsas
ab editoribus".
A. Cima, Analecta Vergiliana. Riv. di filol. XII No. 7 — 9
p. 383 ff.
In der ersten Hälfte der Elegie auf Maecenas Tod versucht C.
eine neue Umstellung einiger Verse, die schon Ribbeck und Bährens
versucht haben. Mit den Umstellungen, welche diese beiden vor-
genommen haben, sei wenig anzufangen. C. versucht es noch einmal
und stellt das Distichon 37/38 (marmorea Aonia vincent) hinter
V. 20, die V. 41 — 48 aber ans Ende des betreffenden Abschnitts nach
V. 56, so dafs der Anschlufs lautet: (56) misit ad extremos
exorientis equos. (41) Illum piscori viderunt saxa Pelori, etc.
W. Fröhner, kritische Studien, Rhein. Mus. XLVH p. 303,
wiU Catal. 2, 2 atticae vepres und 7, 7 vale; Sabini iam valete
formosi lesen.
In der Berl. phil. Wochenschr. 1889 No. 47 p. 1505 fand ich
ein Buch (oder eine Abhandlung?) verzeichnet
J. S. Tunison, Master Virgil.
"W. Y. Sellar urteilt über dasselbe (The Class. Rev. 1889 III, 6
p. 265 ff.), dafs es als Materialsamralung wertvoll, in der Anwendung,
Jahresbericht für Altertumswissenschaft. LXXVI. Bd. (1893. 11.) 14
^]0 Vergilius. (Güthling.)
dem V ersuche einer Herleitung der Sage aus dem Leben des Dichters,
wenig ergiebig sei. — Über desselben Verfassers Buch, Virgil in
the Middle Ages, das mir ebenfalls unbekannt geblieben ist, sagt
U. Balzani in der Wochenschrift Academy No. 892 (8. Juni 1889)
p. 390 f.: Neben Comparetti hat der Verf. ein Buch geschaffen, in welchem
das reiche Material nach dem ethnischen Charakter geordnet ist; es ist
der Versuch gemacht nachzuweisen, inwieweit der Sagenkreis von
lokalen Einflüssen abhängig war.
T. F. Grane, A uew'mediaeval legend of Virgil, ebend.
No. 929 p. 134 f.
In dem Recull de Exemplis e Miracles (Barcelona 1881—1888)
wird eine Erzählung von Vergil mitgeteilt, welche auf einer Ver-
wechslung mit der livianischen Erzählung des Verginius beruht.
In seinem Aufsatze ,,eine untergegangene Ortschaft von
Latium", Berlin, phil. Wochenschr. 1889 No. 1 p. 36 sagt Chr.
Hülsen, dafs ihm die bei Vergil. Aen. VII 630 zusammen mit Tibur
superbum genannte Atina potens verdächtig ist. Die bekannte
Volskerstadt, auf welche mau die Stelle bisher anstandslos bezogen hat,
liegt so weit vom Schauplatze der Ereignisse ab, dafs es auffallen mufs,
sie in einer Reihe mit Tibur, Ardea, Crusturaerium und Autemnae
unter den Orten genannt zu sehen, welche bei den Kriegsvorbereitungen
n erster Reihe stehen (die Aufzählung der von fern herkommenden
Bundesgenossen folgt später V. 647 ff.), spielt auch sonst in der römischen
legendarischen Überlieferung gar keine Rolle. Die durchs Metrum be-
dingte Licenz Amitina für Amitinum wäre nicht schlimmer als z. B.
Crustumeri V. 631 und Mutuscae V. 711. Aber freilich bietet die
Überlieferung hier keine Handhabe zur Änderung.
Die Norddeutsche Allgem. Zeitung berichtet in der No. 379
Tom 1. August 1892 folgendes:
Eine Stelle in den Satiren des Juvenal hat neuerdings durch einen
archäologischen Fund ihre Bestätigung erhalten. Juvenal erzählt nämlich,
dafs zu seiner Zeit (zweite Hälfte des I. Jahrhunderts n. Chr.) die
Bildnisse des Horaz und Virgil nebeneinander in den Schulen auf-
gehängt gewesen seien, und giebt damit Kunde von einer tief ins Volk
!»edrnngenen Verehrung für seine beiden grofsen Dichter der Augusteischen
Zeit. Nun hat ein Fund in Pompeji solche Bildnisse ans Licht gebracht,
Marmormedaillons von gleicher ^iröfse, vollkommen als Gegenstücke be-
handelt und auch zusammen gefunden. Die etwas oberflächliche Arbeit
läfst erkennen, dafs man es mit einem billigen Massenartikel zu thun hat.
Vergilius. (GüthUng.) 211
Otto Ribbeck, Geschichte der römischen Dichtung.
IL Augusteisches Zeitalter. Stuttgart 1889, Cotta. 372 S.
„Der Preis unter den Kapiteln dieses Buches gebührt nach dem
Urteil des Ref. (r. in der Berl. phü. Wochenschrift 1890 No. 5 p. 149 f.)
unzweifelhaft dem über Vergil; wir versprechen uns von dieser liebevollen
und meisterhaften Schilderung der Art des Vergil den Erfolg, dafs der
in neuerer Zeit viel mifsachtete, viel milskannte Dichter zu verdienten
Ehren kommt — auch im Gymnasialunterricht. Mau hört ihn vielfach
als für den Schüler zu schwierig, wenn nicht gar langvi^eilig bezeichnen;
das können nur die sagen, denen es selbst Schwierigkeiten macht, und
die aus Mangel an ausreichendem Verständnis seinen Vorzügen nicht
gerecht zu werden vermögen und daher auch nicht imstande sind, ihn
andern verständlich und schmackhaft zu machen. Man vertraue die
Vergillektüre nur dem richtigen Manne an!" Diese Worte des mir un-
bekannten Referenten sind mir aus der Seele gesprochen; mögen sie
auf fruchtbaren Boden fallen! — Vgl. auch Ä. R.. Litt. Centr.-Bl. 1889
No. 46 p. 1583: ,,Die Aeneide stellt Ribbeck so hoch, dafs nur leb-
haft zu wünschen wäre, es möchten alle, die nach heutiger Mode dieses
Gedicht gering schätzen, Ribbecks überzeugende Ausführungen sorgfältig
prüfen und beherzigen." — P. Weizsäcker, Wochenschr. f. klass.
Phil. 1890 No. 24 p. 653 fi".; ,,Fast möchte man meinen, er habe mit
zu liebevollem Pinsel gemalt; allein gegenüber den vielfachen Ver-
kleinerungen, welche ein Vergil, Ovid u. a. zu verschiedenen Zeiten
und von verschiedenen Seiten erfahren haben, berührt es wohlthuend,
hier neben dem Nachweis der Abhängigkeit von griechischen Mustern
und einer i'ichtigen Abschätzung des Verhältnisses von Original und
Nachahmung eine eingehende und gerechte W^ürdigung der Originalität
der römischen Dichter und der Vorzüge zu finden, die sie in vielen
Stücken vor den griechischen Quellen voraushaben." — M. Hertz,
Deutsch. Litt.-Zeitg. 1890 No. 47 p. 1720: „Schilderungen von untrüg-
licher Wahrheit und packender Lebendigkeit."
Nachtrag.
Soeben lese ich N. Jahrb. f. Phil, und Päd. 1893 p. 64 ff., dafs
A. Nehring noch einmal auf bidens hostia zu sprechen kommt.
Diese Frage hat A. Spengel, Bl. f. d. Bayer. Gymu.-W. 1888 p. 262if.,
so ins reine gebracht, dafs sie jetzt nicht mehr als eine offene an-
gesehen werden kann. Vgl. meinen vor. Jahresb. p. 181.
14*
212 Vergilius. (Güthling.)
Scbliefslicli bitte ich, wie am Schliisse meines vorigen Jahres-
berichts, auch diesmal die Herren Pachgenossen , mir den Vergil be-
treffende Programmabhandlungen, Dissertationen sowie be-
sonders in Fachzeitschriften veröffentlichte kleinere und
gröfsere Mitteilungen direkt zugehen zu lassen, da sie auf buch-
händlerischem Wege in der Regel nicht zu erlangen sind. Ich bin gern
bereit, dieselben auf Verlangen zurückzusenden.
21
Bericht über die Litteratur zu Ciceros philosophischen
Schriften aus den Jahren 1887—1890.
Von
Dr. P. Schwenke
in Königsberg.
Der vorliegende Bericht über die Litteratur zu Ciceros philo-
sophischen Schi-iften aus den Jahren 1887—1890 ist zum grofsen Teil
schon Anfang 1891 niedergeschrieben. Dringende anderweite Inanspruch-
nahme des Berichterstatters, welche ihn auch zwingt, das Referat hier-
mit niederzulegen, haben leider die Fertigstellung verzögert, weshalb
Redaktion und Leser des Jahresberichts um Entschuldigung gebeten
seien. Die Jahre 1891 — 92 noch nachträglich hinzuzuziehen, was aller-
dings wünschenswert gewesen wäre, war aus mehreren Gründen nicht
thunlich, und es sind daher auch Hinweisungen auf die Litteratur dieser
Jahre möglichst vermieden.
Die Arbeiten auf unserem Gebiete sind in der Berichtsperiode
nicht so umfangreich gewesen wie in den unmittelbar vorhergehenden
Jahren. Nur die Industrie der Schulausgaben blühte mehr als je, nicht
allein in Deutschland, sondern auch in England, Frankreich und Italien.
Diese Litteratur ist mir nur zu einem kleinen Teile zugänglich gewesen,
und ich habe irgendwelche Anstrengungen, um ihrer habhaft zu werden,
nicht für nötig gehalten, vielmehr hier und da auf eine Anzeige in den
kritischen Zeitschriften verwiesen. Im übrigen habe ich Rezensionen
nur dann angeführt, wenn sie — was selten genug der Fall ist —
Selbständiges enthalten.
Die Gesammtausgabe der philosophischen Schriften von Th.
Schiebe (vgl. Jahresber. Bd. 47, S. 267) ist nur um die Tusculanen
(Bd. 5) vorgeschritten, während Cato Maior und Laelius (Bd. 9) in
Neudrucken erschienen sind. Das einzelne darüber s. unten.
214 Cicero, philosoph. Scbriften. (Schwenke.)
Nicht unwesentliche Fortschritte sind während der Berichtsjahre in
der Erforschung der handschriftlichen Überlieferung gemacht
worden. Von allgemeineren Beiträgen auf diesem Gebiete ist hier zu
erwähnen :
1. Karl Lehmann, Wie kann man Lesarten verlorner Hdss.
finden und für die Kritik verwerten? Wochenschr. f. kl. Philol. V
(1888), Sp. 470-478.
2. Ders., Zu Cicero. Berliner Philol. Wochenschr. VIII (1888),
Sp. 508.
Ausgegangen von der Prüfung der handschriftlichen Lesarten, die
in der 1528 von Cratander in Basel gedruckten" Oiceroausgabe für die
Briefe ad Atticum benutzt sind, hat Lehmann auch mehrere philoso-
phische Schriften in dieser Ausgabe untersucht und ist zu ziemlich
sicheren Ergebnissen gelangt (oben No. 1): Die Cratandersche Ausgabe
beruht auf der ersten und zweiten des Ascensius. Wenn sie nun in den
Acad. post. (Lehmann sagt, um die Verwirrung in den Citaten hier noch
zu vermehren, ,,Ac. 11"!) weder Varianten am Rand noch im Text
nennenswerte Abweichungen von jener Gnindlage aufweist, obgleich
gerade hier für die Konjektur ein weites Feld vorlag, so ist das nur
so zu erklären, dass Cratander — oder vielmehr sein Korrektor — über-
haupt nicht willkürlich geändert hat und dals ihm speziell für diese
Schrift eine neue Handschrift, nach der er hätte arbeiten können, nicht
vorlag. Andererseits düi-fen in den übrigen Schriften alle Abweichungen,
mögen sie an den Rand gesetzt oder in den Text aufgenommen sein,
als auf Handschriften beruhend angesehen werden. Auf dieser wohl un-
anfechtbaren Grundlage hat L. die Cratanderschen Lesarten zu De finibus,
die ja bereits von iladng gewürdigt worden sind, vervollständigt. Wenn
er nun aber auch für andere Schriften, Lucullus (er schi'eibt „Acad. I"),
De Officiis, De Legibus, eine gleiche oder wenigstens annähernde Be-
achtung der (Jratanderschen Lesarten, die er zum Teil ausgezogen hat,
verlangt, so übersieht er wohl, dass wir in diesen Schriften fast durch-
weg in der Lage sind den Archetj^ius unserer Handschriften aus diesen
selbst zu rekonstruieren und dazu nicht der doch recht unvollständigen
Überlieferung Cratanders bedürfen. Dafs aber diese Überlieferung
auf eine von jener ganz unabhängige Quelle zurückgehen sollte, ist
an sich ganz unwahrscheinlich. L. legt in dieser Beziehung viel
zu grolses Gewicht auf einzelne „gute Lesarten", ohne zu bedenken,
dafs diese der Mehrzahl nach auch in jetzt existierenden jungen Hand-
schriften, natürlich aus Konjektur, vorkommen und dafs es darum wahr-
scheinlicher ist, dafs eben solche junge Handschriften für die Cratander-
sche Ausgabe vorgelegen haben. Immerhin stimmen wir mit ihm in
Cicero, philosoph. Schritten. (Schwenke.) 215
dem Wunsche überein, die alten Ausgaben möchten nach denselben
Gesichtspunkten einzeln untersuclit werden, freilich mehr im Interesse
der Geschichte des Textes, als in dem (Glauben, dafs dabei viele Körn-
chen alter Überlieferung gerettet werden könnten. — An der zweiten
angeführten Stelle macht Lehmann auf die Lesarten aufmerksam, die
Turnebus in seinen Adversarien aus alten Handschriften citiert. Aus
den philosophischen Schriften führt L. nur je zwei zu Cato Maior und
zu den Tusculanen an. Von den ersteren bestätigt sich eine (§ 46 fehlt
magistro) durch Cod. Voss. 0. 79, die letzteren sind höchst verdächtig.
Übrigens ist Turnebus so sparsam in der Anführung handschriftlicher
Lesarten, dafs ihm bei Ausarbeitung der Adversaria gewiss nur ganz
vereinzelte Notizen vorlagen, aus denen ein Urteil über die Handschriften,
die er in Händen gehabt haben mag, schwerlich zu gewinnen ist.
Über die handschriftliche Überlieferung der Sammlung philoso-
phischer Schriften, die mit Nat. Deor. beginnt und die ich nach ihren
Hauptvertretein Voss. F. 84 und 86 die „Vossianische" nennen möchte,
vgl. unten No. 25—27.
Dafs die Veröffentlichung von textkritischen Vermutungen
sich in mäfsigen Grenzen gehalten hat, darf als erfreulich bezeichnet
werden, und dieses Urteil wird durch die beiden hier anzuführenden
Schriften dieser Art lediglich bestätigt:
3. Emendationes Tullianae. Miscella. Scripsit Em. Spanoghe.
Lugduni Bat., E. J. BriU; Lovanii, Car. Peeters 1890. Vn, 67 S. 8".
4. Tulliana scripsit Ern. Lohsee. Beil. z. Progr. d. Leibnitz-
Gymn. Berlin 1890. 18 S. 4".
Der Verfasser von No. 3, ein Belgier, denkt von seiner Arbeit,
zu der ihm, wie er klagt, die litterarischen Hilfsmittel gefehlt haben,
angeblich selbst sehr bescheiden : wenn etwas darin richtig sei, werde es
vielleicht manchem nützen, das Falsche aber werde niemand schaden.
Da aber von der ersteren Art kaum etw^as vorhanden ist, so wäre es
doch wohl besser gewesen, das Schriftchen nicht zu veröffentlichen oder
— da er Ac. I 2 emendiert nimium temperantis enim arbitror scribere
quod occultari velit — überhaupt das Konjizieren zu lassen. Er be-
handelt S. 1—27 nahezu 70 Stellen aus allen philosophischen Schriften
mit Ausnahme der Paradoxa und des Cato Maior, ohne eine andere Aus-
gabe zu kennen als die Teubnersche (nur Bd. 1 und 2 von Müller, Bd. 3
von Klotz), den Laelius von Seyffert nnd Nat, Deor. von Goethe. Dieser
Umstand hat ihm grosse Unbefangenheit gewahrt und ihn merkwürdiger-
weise auch nicht dazu geführt, alte Vermutungen als neue vorzubringen.
Denn die seinen sind eigenartig, kühn und einschneidend, alles bisher
dagewesene hinter sich lassend. Mit solcher Genialität bewegt er sich
216 Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.)
z. B. in dem Fragment der Academica posteriora, das auf diese Weise
viel von seiner Hoffnungslosigkeit verliert: § 1 ut mos est amicorum
inter se salutantium longo interuallo; 5 nihil apta interpretatione
coucludunt . . . qnoniam utramque rem ueram artem esse nostri
putant . . . cogemur uti; 8 iucunditate quadam ad legendum inuita-
uimus et lusionibus: in libris ipsis antiquitatum philosophiae
prooemia scribere uoluimus; 27 materiam quandam . . . quae loca
omnia cecupare possit . . . atque ex omni parte aeque ac totam
interii-e. Diese Beispiele genügen jedenfalls, um die Art der Textes-
behandlung zu charakterisieren. Weitere Anführungen bei den
einzelnen Schliffen zu machen ist zwecklos.
Lohsee (No. 4) beschränkt sich auf 10 Stellen der philoso-
phischen Schriften; obgleich auch seine positiven Vorschläge schwerlich
Gläubige finden werden, sind sie doch an ihrem Ort anzufühi-en. S. 13 — 16
enthalten einen längeren Exkurs über non modo non — sed ne quidem.
In mehr als einer Beziehung werden die Arbeiten auf unserem
Gebiete gefördert werden durch
5. Lexikon zu den Schi-ifteu Ciceros mit Angabe sämtlicher
Stellen von H. Merguet. 2. Teil. Lexikon zu den philosophischen
Schriften. (1. Bd. Jena 1887—89. 938 S. 4. Im Weitererscheinen
begiiffen.)
Die Einrichtung ist die aus dem Lexikon zu Ciceros Reden be-
kannte; innerhalb des einzelnen Wortes sind die Stelleu, an denen es
vorkommt, nach sj'utakfisch-phraseologischen Gesichtspunkten geordnet
verzeichnet. Ohne Zweifel ist diese Ordnung eine etwas äusserliche und
mechanische, aber andererseits ist der Umstand, dass auf diese Weise
der Sprachstoff unverarbeitet und von subjektiver Auffassung ziemlich
unberährt vorgelegt wii*d, ein unleugbarer Vorteil. Dem mit der Ein-
richtung vertrauten Benutzer wird es in den meisten Fällen leicht sein,
die Stellen nach seinen Zwecken zu gruppieren, zumal sie so ausführlich
wiedergegeben sind, dafs ein Nachschlagen der Ausgabe in der Regel
unnötig ist. — Die Vollständigkeit und Genauigkeit der Citate ist eine
ganz aulserordentliche. In ersterer Beziehung ist nur zu bedauern, dafs
Merguet die Eigennamen im weitesten Umfang ausgeschlossen hat: sogar
die Namen der Sternbilder Corona, Draco u. s. w. fehlen. Gerade für
die philosophischen Schiüften handelt es sich nicht nur um grammatisch-
lexikalische Gesichtspunkte, sondern man verlangt auch Auskunft auf
Fragen des Inhalts, die sich vielfach an Eigennamen ausclüielsen und
durch die vorhandenen Namenindices keine genügende Beantwortung
erhalten, ganz abgesehen von Fällen, wo auch der Gebrauch von Namen an
sich von Interesse ist. Wer für die Schreibung von N.D. I 1 sich über
Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.) 217
den Gebrauch von Academia und Acaderaici unterrichten will, wendet
sich vergebens an das Lexikon. Einen recht wichtigen Bestandteil des
Sprachschatzes der philosophischen Schriften, die griechischen Wörter,
erhalten wir hoifentlich in einem Anhange. — Eine schwache Seite des
Lexikons sind die Angaben über verschiedene Lesarten, die den Benutzer
über die Beglaubigung des vorliegenden Materials unterrichten könnten.
Dafs hier eine gewisse Beschränkung geboten war, mufs zugegeben
werden, aber das müfste man fordern können, dafs es ersichtlich gemacht
wäi'e, wenn ein Wort aus nicht absolut sicherer Vermutung eingesetzt
ist. Als Beispiele von Stellen, wo dies nicht geschehen ist, führe ich
nur au N.D. I 61 consessus, 66 hamata, 116 adlicere, H 153 accedit.
Es ist um so nötiger, wenn es sich um selten oder nur einmal vor-
kommende Wörter handelt, wie z. B. agnitio, das höchst wahrscheinlich
ganz zu streichen ist. Etwas reichlicher sind die Bemerkungen über
Abweichungen anderer Ausgaben von dem Müllerschen Text, der dem
Lexikon zu Grunde gelegt ist; hier fehlt dann aber häufig der Verweis
unter dem abweichenden Worte. — Auf Einzelheiten kann an dieser
Stelle nicht weiter eingegangen werden, doch sei im Vorbeigehen be-
merkt, dafs afluG von adfluo zu trennen ist. Hier und da wird etwas
zu mechanisches Excerpieren bemerkt, durch das manche Stellen unter
falsche Wortverbindungen geraten sind. Derartige und andere kleine
Verbesserungen weisen nach J. B. Mayor, Class. Review IE (1888), 212;
G. Andresen, Wochenschr. f. kl. Philol. V (1888), 920 ff.
Die bis jetzt (Anfang 1891) erschienenen Lieferungen reichen bis
inquam, und es ist von dem Pleifse des Herausgebers zu erwarten, dass
das Werk in wenigen Jahren abgeschlossen vorliegen wird.
Für die Erläuterung der philosophischen Schriften im allgemeinen,
namentlich für die Quellenuntersuchungen, kommen in Betracht:
6. Epicurea. Edidit H. Usener. Lipsiae, Teubner, 1887.
7. Carlo Giarabelli, Appunti suUe fonti deUe opere filosofiche
di Cicerone. Rivista di filologia. Ann. 16 (1888), S. 430—444.
552—563; A. 17 (1889), S. 116—134. 222—246.
8. Ders., Una nota sugli studi Aristotelici di Cicerone. Ebendas.
A. 18 (1890), S. 105-108.
9. Ders., Gli studi Aristotelici e la dottrina d'Antioco nel „De
Finibus'S I. Ebendas. A. 19 (1890/91), S. 242-276.
10. Demokritstudien. I. Demokrit in Ciceros philosophischen
Schriften. Von Dr. Wilh. Kahl. Beil. z. Gymn.-Progr. Dieden-
hofen 1889. 28 S. 4.
Usener hat in der Einleitung (S. LXV— LXVni) Gelegenheit,
sich über Ciceros philosophische Schrift stellerei überhaupt auszusprechen.
218 Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke,)
der sich nicht die Zeit genommen habe, die eingehenderen Werke der
griechischen Philosophen zu studieren, sondern dieselben nur sehr ober-
flächlich benutzt habe. Es sei deshalb für die Forschung wichtig, nicht
nm- zu sehen, welcher Quelle er folge, sondern auch wie er ihr folge.
Usener wii'ft den bisherigen Untersuchungen (und manchen gewils mit
Recht) vor, dafs sie darauf zu wenig eingegangen sind. In den beiden
gröfseren epikureischen Stücken, in Nat. Deor. I und Fin. I, hat Cicero
nach Usener die Lehre kurz und im ganzen gut, aber ohne tieferes Ein-
dringen dargestellt: igitur scholas expressit nel potius (quod in alterum
locum cadere mihi certum est) summa capita (xa xe^cicXatoc, wie Atheno-
dorus Calvns sie für De Off. anfertigen mufste) a Graeculo officioso
breuiter consignata largiore stilo prosecutus est. Glänzender und ge-
lehrter ist er in den akademischen Partien, den Widerlegungen, wo ihm
die Schriften des Kleitomachos (auch N. D. I, 61 ff.) und Antiochos
(Fin. II) die Gelehrsamkeit an die Hand gaben. Ihnen entnimmt er bis-
weilen sogar die Darstellung der gegnerischen Lehre, wenn ihm nicht
vorhandene oder eigens bestellte Exzerpte zu Gebote standen. Denn die
Akademiker waren genötigt, die Lehren der Dogmatiker zusammenzustellen
und in Handbüchern ihren Schülern vorzulegen. Ein solches erkennt
Usener in Xat. Deor. U, vermischt mit Stücken aus Poseidonios, und
weils die einzelnen Fragmente desselben in §§ 4 — 39 und 57 f. mit
grofser Sicherheit abzugrenzen. — Bei anderer Gelegenheit (S, LVII f.)
leitet er Tusc. V, 68 — 82 aus des Poseidonios llpoTps^tTixoc (dagegen ist
Hartlich, Leipz. Stud. XI, 290) und 83—120 aus Antiochos ab. —
Unter den Fragmenten kommen die epikureischen Stücke Ciceros, nament-
lich die aus Fin. I und Nat. Deor. I, zum Abdruck. Man hat hier besser
als in den Ausgaben Gelegenheit, sie mit den entsprechenden griechischen
Stellen zu vergleichen. Auf einige Textesänderungen und Vermutungen
Useners ist unten bei den einzelneu Ciceronischen Schriften verwiesen.
Die Lehre vom „Gehülfen" wird auch von L. Reinhardt (unten
No. 29) anerkannt. Zu einer in gewissem Sinne ähnlichen Vorstellung
von Ciceros Quellen ist Giambelli (No. 7) gekommen, freilich auf einem
etwas wundei-lichen Wege. In der bekannten Stelle ad Att. XII, 52, S
(nach seiner Schreibung lautet sie: de lingua latina securi es animi,
dices, qui talia conscribis. 'A-^-fpa^a sunt; minore labore fiunt; uerba
tantum affero, quibus abundo) erklärt er d-o'-fpocfa als „Nachschriften
von Vorlesungen", und da sich vollends Cicero selbst des öfteren auf den
Unterricht seiner griechischen Lehrer beruft, so steht Giambelli nicht
an zu sagen (X^^, .562): .. . . noi avremo, quasi direi, una certezza
assoluta che gli scritti filosofici di Cicerone, eccetto quelli De Re publica
8 fors'anco i libri De Legibus, derivano in gran parte da quelli apograti,
cioe sunti di lezioni de' suoi precettori". So erklären sich ihm auch
Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.) 219
Ciceros Fehler auf die einfachste Weise: es ist eben nicht leicht einer
Vorlesung ohne jede Ungenauigkeit zu folgen.
Als epikureische Lehrer Ciceros stehen Zenon und Phaidros zur
Verfügung. Giambelli entscheidet sich für den letzteren (XVII, 119),
und ihm will er auch lieber als dem Philodemos die Schrift -epl euaeßsia;
zuschreiben, von der er allerdings eine etwas unklare Vorstellung zu
haben scheint. Aus Phaidros ist also alles Epikureische abzuleiten, be-
sonders in F'm. I. In Nat. Deor. I mag vielleicht einiges Zeaon ge-
hören. — In ähnlicher Weise geht er die anderen Philosophen durch,
die in Betracht kommen, zählt ihre Werke auf und führt die Stellen an,
in denen sie bei Cicero erwähnt werden. Mehr auf solchen Aulserlich-
keiten als auf einer Analyse der Ciceronischen Schriften beruht sein
Urteil über die in diesen benutzten Quellen. Beispielsweise soll den
akademischen Teilen von Nat. Deor. nicht unmittelbar Kleitomachos zu
Grunde liegen, weil sein Name darin nicht genannt wird, sondern
Philon, natürlich auch dieser durch ein „apografo" seiner Lehrvorträge.
Denn das ist der Refrain, der in der weitschweifigen, unübersichtlichen
und von Mii'sverständnissen durchaus nicht freien Darstellung immer
wiederkehrt. Sogar Panaitios -epl -xaörjxovTo; soll Cicero nur in einem
Auszuge gelesen haben.
No. 8 behandelt hauptsächlich die Stelle über Orpheus Nat. Deor.
I 107, die, wenn sie auf Aristoteles -epl '^iXo-o'fia? zurückgehe, jeden-
falls nicht unmittelbar aus diesem Werke genommen sei [was jetzt wohl
auch niemand glaubt]. — No. 9 beginnt eine weitere Serie von Artikeln,
die aber für Cicero neues kaum zu bieten verspricht. Ich setze nur
die Überschriften der Abschnitte her: I. La tradizione Peripatetica e la
leggenda sulle opere Aristoteliche nei tempi Cicerouiani. Divisione
deUe opere Aristoteliche in due classi. II. I libri e^wtepiy.ol d'Aristotele
presso M. Tullio. I dialoghi e i commeutarii; la ivoeXe/eia = (evxsXr/eia);
ed i Tot irptuTa xara (pujiv; citazioni indirette e dirette.
Kahl (No. 10) bespricht die auf Demokrit, zunächst sein Leben,
seine Ethik, Physik und Psychologie bezüglichen Cicerostellen und führt
sie in letzter Linie auf Theophrastos zurück. Was die unmittelbaren
Quellen Ciceros betrifft, so folgt er meist den von anderen ausgeführten
Ansichten. Für De Fato, das noch nicht eingehend auf die Quellen
untersucht worden ist, nimmt er unter Vergleich von § 22 f. mit Nat.
Deor. I 69 Quellengleichheit mit letzterer Stelle (Kleitomachos) an. —
Ein arges Mifsverständnis ist S. 23 die Beziehung der Worte Fat. 21
eam plag am potius accipiam auf die Bewegung der Atome /.axa -XTj^rjv.
11. Einzelbeiträge zur Kritik und Erklärung des Lncullus
Zu § 5 vermutet Ed. Schwartz im Rostocker Ind. lect. aest. 1889.
220 Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.)
4. 8. 4 in legatione illa nobili, quam e ceusura obiit, während andere
in dem überlieferten ante censuram ein Versehen Ciceros angenommen
haben, — A. M. C(ook), Note on Cic. Academica. Class. Review II
(1888), S. 39 f. leugnet gegenüber Reid mit Recht, dafs Luc. 14 der
Konjunktiv cum perturbare . . . uelitis in iterativem Sinne gebraucht
sei. — Zu 75 schlägt A. Otto, Arch. f. lat. Lexicogr. VI (1889),
5. 338 vor coutorta et acu enucleata sophismata. -- Zu 80 vermutet
R. Ellis, Journal of philol. vol. XVI (1888), S. 320 hoc est uerum
esse confidere suis testibus et in torquata insistere mit Beziehung auf
den Taubenhals in § 79, E. Lohsee (No. 4) dagegen conf. s. test. et
incohata insistere. — § 104 schreibt Lohsee a. a. 0. Nam, ut placeat
eum, qui de omnibus rebus contineat se ab adsentiendo, moueri tamen
et agere aliquid relinquique eins modi uisa, quibus ad actiouem ex-
citemur, item usw.; wogegen Goethe, Wochenschr. f. kl. Phil. VII
(1890), Sp. 1370 vorschlägt Etenim cum placeat . . ., relinqui ut eius
modi uisa . . ., item ea usw. — Luc. 107 At id quidem perspicuum
est (sc. fieri posse) verteidigt ein Ungenannter, Class. Rev. II (1888),
S. 40 gegen Reids Änderung (et id qu. persp. esse).
12. M. TuUio Cicerone. I cinque libri de finibus bonorum et
malorum commentati da Carlo Giam belli. Vol. I. Libri I — III.
Torino, Erm. Loescher, 1889. (CoUezione di classici greci e latini con
note italiane.) XIX, 228 S. 8.
13. M. Tullii Ciceronis de finibus bonorum et malorum libri
quinque. Ed. Geyza Nemethj'. Budapestini, R. Lampel. 1890.
(Bibliotheca scriptorum gr. et rom. in usum scholarum edita cur. Aem.
Thewrewk de Ponor.) 180 S. 8.
G i am b ellis Ausgabe enthält nach einer Einleitung über Ciceros
philosophische Schriften überhaupt und De Finibus insbesondere den
Text der drei ersten Bücher mit erklärenden Anmerkungen, darnach
note critiche über einige Stellen (S. 218—223) und ein chronologisches
Verzeichnis der angeführten Philosophen. Der Text ist fast vollständig
der von C. F. W. Müller bis auf wenige Stellen, an denen sich aber,
soweit ich sehe, auch nichts neues oder dem Herausgeber eigentümliches
findet. Giambelli hat selbst 14 Handschriften benutzt, die meisten der
Laurentiana gehörig und fast alle aus dem 15. Jahrhundert; er führt
sie auch öfter an, aber neues oder sichereres haben sie ihm natürlich
nicht geboten. Eigentümlich berührt S. 219 das Bekenntnis seiner Un-
sicherheit darüber, welche Handschrift mit A bezeichnet werde. Kritische
Anmerkungen finden sich nicht nur in dem Anhang, sondern vielfach
auch in den Anmerkungen, welche im übrigen ganz zweckmälsig sind,
nur etwas überladen mit Citaten und nicht ganz frei von Irrtümern.
Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.) 221
Nemethys Ausgabe beschränkt sich auf den Text, den er im
Anschlufs an Madvig", aber selbständig, herzustellen gesucht hat. Die
Abweichungen von Madvigs 3. Ausgabe, die N. in der kurzen Vorrede
zusammenstellt, zeigen einerseits das Bestreben, sich enger an Cod. A
bezw. wo dieser fehlt, an BE anzuschlielsen, meist in Übereinstimmung
mit C. F. W. Müller, manchmal auch in nicht unbedenklicher Weise
über ihn hinausgehend. Andrerseits hat N. an den Stelleu, an denen
die Überlieferung verdorben ist, die vorsichtigeren Herausgeber aber
an einer sicheren Herstellung verzweifeln, die kühnsten Konjekturen in
den Text gesetzt und so zwar die Kreuze beseitigt, die Urkundlichkeit
seines Textes aber nicht eben gefördert, zumal derartige Stellen nicht
gekennzeichnet, sondern nur aus der Vorrede ersichtlich sind. Die
besten unter den aufgenommenen Konjekturen sind die von Langen
(s. No. 14), schon bedenklich die von Madvig nur in den Anmerkungen
versuchten, am wenigsten einleuchtend (nur mit Ausnahme der Ergänzung
in V, 69) die von N. selbst, die hier zusammengestellt sein mögen:
I 19 iterum attulit rem commenticiam ; II 78 nisi <noster> eris;
107 si hie perstiteris; III 61 neque uirtute retin emur in uita; IV 40
nam si omnia omnino neglegemus; 59 non facilia illa quidem nee
contemnenda esse; 66 conferam item auum tuum; V 69 quae quidem
sapientes uidentes (Madv.) sequuntur duce natura tarn quam <deo>.
Eine Begründung dieser Konjekturen hat N. jedenfalls in seinem Aufsatz
„Coniecturae in libros Ciceronis de finibus" in Egyetemes philol. közlöny
XIV (1890), S. 1 — 7 gegeben, leider ist mir aber gerade das betreffende
Heft dieser Zeitschrift nicht zugänglich gewesen.
Über eine 1890 erschienene Ausgabe von De Finibus mit An-
merkungen und Übersetzung „for London University examination" von
S. Moses und C. S. Pearnside (Bibl. philol. class. 1890, S. 116) ist
mir nichts näheres bekannt geworden.
14. P. Langen! ad nonnuUos locos Ciceronis de finibus libro-
rum adnotationes. Part. (1.) 2. Ind. lect. der Akad. zu Münster f.
S.-S. 1888 u. W.-S. 1888/89. 4. S. 3-7 bezw. 3—8.
Von diesen wertvollen, scharfsinnigen Bemerkungen, welche eine
Reihe von Stellen vortrefflich illustrieren und teils zur Verteidigung
fremder, teils zur Aufstellung eigener Konjekturen führen, enthält das
erste Programm die zu Buch I — II, das zweite die zu III — V. Es
kann hier nicht die Erörterung selbst, sondern nur das Resultat mit-
geteilt werden, welches natürlich nicht immer einwandfrei ist: I 30
prompta et aperta indicari (Lamb.); 33 temporibus autem quibusdam
uelut officiis debitis (von Nemethy in den Text aufgenommen); 37 (uolupt.)
quae suauitate aliqua naturam ipsa mouet (desgl.); 39 numquidnam manus
222 Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.)
tua sie affecta quemadmodum <mea> affecta nunc est, desiderat?
(desgl.); II 32 non illa stabili, sc. utitur, (desgl.); 57 M. Crassus . .,
(ini tarnen solebat uti suo beue. Die schwierige Stelle III 22 schreibt
Ij . mit Ausscheidung von et tarnen ut omnia faciat quo propositum asse-
quatur und quäle nos summum in uita bonum dicimus folgeudermafsen :
L't enim si cui propositum sit, collineare hastam aliquo aut sagittam,
huic, in eiusmodi similitudine, omnia sint facienda, ut collineet et sit
lioc quasi ultimum, illud autem, ut feriat, quasi seligendum, non ex-
petendum, sie nos ultimum in bonis dicimus. Ill 62 neque uero haec
inter se congruere possunt, ut natura et procreari uellet et diligi pro-
creatos non curaret; IV ß . . . de iustitia de temperantia de fortitudine
de amicitia de aetate degeuda [de philosophia] de capesseuda re publica;
haec sunt non hominum spinas uellentium etc.; V 16 ille enim uidit;
45 sin autem <re ferenda > est in ea; 89 quemadmodum in senatu
saepe est aliquis qui Interpretern postulet.
15. 0. R(iemann), Note sur un passage du „De Finibus*. —
E. Boutroux, Comparaisou d"un texte du De Finibus avec un texte
correspondant du De Fato. Revue de philologie. N. 8. XIII (1889),
S. 86—88.
R. analysiert die gegen die epikureische Physik gerichtete Stelle
Fin. I 17 — 21 uud kommt zu dem ganz unzweifelhaften Ergebnis, dafs
es sich in den "Worten (§ 20) ne illud quidem physici credere aliquid
esse minimum nicht, wie die bisherigen Erklärer anzunehmen scheinen,
um die Atomentheorie handelt, sondern um das eXcxyiartov, um welches
ein Atom von der senkrechten Linie abweicht Er macht bei dieser
Gelegenheit darauf anfmerksam, dafs die Worte erit hoc quasi pro-
uincias atomis dare auf demselben Vergleich beruhen wie Fat, 46 num
sortiuntur inter se (atomi), quae declinet quae non?, da eben um die
Provinzen gelost wird. — Im Anschlufs daran führt Boutroux aus,
dafs an beiden Stellen Epikur auf etwas verschiedene Weise ad absurdum
geführt werde, an der ersten, indem eine bestimmende Thätigkeit (pro-
uincias dare) als notwendig vorausgesetzt werde (?), die Epikur fremd
sei, an der andern, indem der epikureische blinde Zufall acceptiert werde.
IG. Von vereinzelten kritischen Beiträgen zu De Finibus sind
noch folgende zu verzeichnen: Im I. Buche, das er zum grofsen Teil
in seine Epicurea aufgenommen hat (vgl. oben No. 6), setzt Usener
(S. 199) in § 19 hinter itaque das Zeichen der Lücke, so dafs erst
attulit den Hairptsatz wieder aufnimmt; 30 (S. 350 als Nachtrag zu
S. 188) negat opus esse oratione neque disputatione; 45 (S. 268)
Zeichen der Lücke hinter expleantur: „intercidit colon, quo cupiditates
naturales nee necessariae defiuitae erant," was mir ganz unverständlick
Cicero, Philosoph. Schriften. (Schwenke.) 223
ist; 52 (S. 270) wird der ganze Satz Neque homini infanti— magia
conueniunt eingeklammert, nicht als unecht, sondern als nicht dahin
gehörig. Wahrscheinlich habe Cicero einen Marginalzusatz seiner
Quelle an die falsche Stelle gesetzt. — Die schwierige Stelle II 23 mit
dem Citat aus Lucilius stellt K. Dziatzko im Rhein. Museum N. F. 44,
(1889), 634 — 637 in höchst überzeugender Weise so her: mundos,
elegantis, optimis cocis . . . uitantis <:eorum> cruditatem, „quibus
uiaum defusum e pleno sit -/pujt'Cov," ut ait Lucilius, „cui nildum
situis (Bodensatz) [et] sacculus abstulerit", adhibentis ludos etc. Xpuui'Cov
lälst Dz. selbst zweifelhaft. — III 2 verteidigt Lohsee (No. 4) S. 11
die handschriftliche Lesart uec uero ullum probetur ut summum bonum
quod uirtute careat, qua nihil possit esse praestantius. — Ebend. § 15
will S. Linde, Hermes XXV (1890) S. 638, schreiben uam cum in
graeco sermone haec ipsa quondam rerum nomina nouarentur, noua
uidebantur (!) etc. — V 93 vermutet Lohsee a. a. 0. uirtutis causa,
nisi ea uoluptatem habere t, offenbar ohne die bisherigen Behandlungen
der Stelle zu kenneu. Drechsler, der pararet oder pareret vor-
geschlagen hatte (vgl. Jahresber. Bd. 47, S. 280), entscheidet sich im
Programm des deutscheu Staats-Obergymu. in Olmütz 1887, S. 3 f. für
das zweite und führt Belegstellen dafür aus Ciceros Reden an, und
zwar ohne zu sagen, dafs er sie durchaus Merguet entnimmt. Mit ihm
wird er nun wohl auch zu einer ,, genaueren Beobachtung des Cicero-
nischen Sprachgebrauchs" in den philosophischen Schriften, die doch
hier zunächst in Betracht gekommen wären, vorgedrungen sein. Dafs
er die Stelle selbst nicht noch einmal nachgeschlagen hat, geht daraus
hervor, dafs er sie immer noch in das vierte Buch verlegt.
17. M. TuUii Ciceronis Tusculanarum Disputationum ad M. Brutum
libri quinque. Erklärt von Dr. Gustav Tischer. 2. Bändchen.
Buch lU— V. 8. Auflage besorgt von Dr. Gustav Sorof. Berlin,
Weidmannsche Buchhandlung. 1887. 172 S. 8.
18. M. TuUi Ciceronis Tusculanarum Disputationum libri
• quinque. Scholarum in usum edidit The od. Schlehe. (M. T. Cic.
libri qui ad rem publicam et ad philosophiam spectant . . ed. Th. Schiebe.
Vol. V.) Vindobonae et Pragae, F. Tempskv; Lipsiae, G. Freytag.
. 1888. XIH. 173 S. 8.
Das 2. Bändchen von Tischer-Sorofs 8. Auflage zeigt überall
eine sorgfältige Revision sowohl des Textes als der Anmerkungen. Was
ersteren betrifft, so ist er gegenüber der 7. Auflage an einigen zwanzig
Stellen geändert, meist in engerem Anschlufs an die Handschriften und,
mit ganz wenigen Ausnahmen, in Übereinstimmung mit C. F. W. Müller,
dessen Ausgabe zwar schon in der 7. Auflage vom 3. Bogen au be-
224 Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.)
nutzt worden war, aber jetzt auch in diesen Partien von erneutem Ein-
fluls gewesen ist.
Schieb es Praefatio enthält, wie in den anderen Bänden der
Ausgabe, Auskunft über die Grundlagen des Textes, die Zeit der Ab-
fassung und den Inhalt des Werkes; den Text begleitet ein kurzer
kritischer Apparat, den Beschluls macht ein Index nominum. Über den
Torliegenden Band hat sich Referent bereits in der Berl. Philol. Wochen-
schrift Vni (1888), Sp. 916—919 geäufsert und möchte daher hier
nur wiederholen, dafs die Bearbeitung eine durchaus zweckentsprechende
und sorgfältige ist und dafs nur dem kritischen Apparat eine kleine
Erweiterung zu wünschen gewesen wäre. Wenn der Text nicht durchaus
befriedigt, so liegt das zum grolseu Teil an dem Zustand der Über-
lieferung (in den Handschriften G und R), die Schiebe an zahlreichen
Stellen zu retten gesucht hat, wo sie von den anderen Herausgebern
aufgegeben ist, zum Teil aber auch daran, dafs er mehr als anderwärts
eigene, noch nicht genügend geprüfte Vermutungen in den Text gesetzt
hat. In den ziemlich eingehenden Besprechungen von Degenhart
(N. philol. Rundsch. 1888, S. 196—199), Staugl (Blatt, f. d. Bayer.
Gjonn.-Schulw. XXIV 1888, S. 425—428) und Sorof (Wochenschr.
f. klass. Philol. VI 1889, Sp. 1140 — 45) haben nur zwei von diesen
etwa 20 Konjektiu'en je zwei billigende Stimmen erhalten (I 73 uel
aspectum; V 88 <in> dolore), fünf weitere nur je eine. — Gegen die
in der Vorrede ausgeführte Ansicht, dais die Tuskulanen bereits im
Juli 45 vollendet seien, hat aufser dem Referenten auch Degenhart
a. a. 0. Einwendungen erhoben.
19. Death no bane: a new translation, with copious illustra-
tive notes, of Cicero's first Tuscnlan Disputation. By Robert Black.
London, Sampson Low etc. 1889. XU, 172 S. 8.
Eine gute und lesbare, zugleich sehr hübsch ausgestattete englische
Übersetzung des ersten Buchs der Tuskulanen, nicht zur Hilfe für Latein-
beflissene, sondern zum Gebrauch filr Leser, „who are innocent of Latin,"
fnr welche auch die S. 103 — 171 füllenden Anmerkungen bereclmet sind.
20. Eduard Strubel, Die Tuskulanen im Cod. Vaticanus 3246.
Philologus Bd. 49 (N. E. 3). 1890. S. 49—64.
In dem genannten Codex hat Strubel bei seinen Cicerostudien in
der Vaticana eine Handschrift gefunden, die zwar auf Grund älterer
und unvollständiger Vergleichungen schon hier und da in den Ausgaben
angeführt wurde, die sich aber erst jetzt schon um ihres Alters willen
als R und G ebenbürtig erweist. Str. giebt eine genaue Beschreibung
der Handschrift und erörtert alle damit zusammenhängenden Fragen in
so vorzüglicher und methodischer Weise, dafs seine Resultate auch ohne
Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.) 225
Veröffentlichung der ganzen Kollation als gesicherte gelten dürfen. Hier
nur die Hauptpunkte: Vat. 3246 (V), IX. Jahrh., bietet von 1. Hand
einen Text, welcher R und G ganz nahe steht und in vielen Fehlern
mit beiden übereinstimmt, andere wieder nur mit einer von beiden Hand-
schriften gemein hat, so jedoch dafs die Verwandtschaft mit G gröfser
ist als mit R (vorausgesetzt, wie Str. selbst bemerkt, dai's eine neue
Kollation von R nicht anders ergiebt; dafs kleine Nachträge zu den
Angaben der 2. Züricher Ausgabe zu machen sind, zeigt eine Ver-
gleichung der bei Chatelain facsimilierten Stelle). Dagegen hat wieder
V an ungefähr 60 Stellen die richtige , jetzt bereits im Text stehende
Lesart, wo R G übereinstimmende Fehler haben. Str. glaubt daher
auch einige bisher kontroverse oder noch nicht beanstandete Stellen
auf Grund von V verbessern zu dürfen, von denen ich anführe I 105
Hectorem (Hectora hat V durch Korrektur des letzten Buchstabens),
ni 43 tu (ut V) huic acupenserem . . . dabis, 77 o Cleanthe (acl. V),
IV 40 in quo operae plurimum ponitur, V 5 qui non modo nos (wobei
jedoch Str. wohl übersehen hat, dafs auch Lact. Inst, m 13 quid liest),
73 cum fortunam contemnere. Fast noch grösseres Interesse beansprucht
die um wenig jüngere zweite Hand von V, welche die Handschrift
nach einer Vorlage (am Ende steht Contulimus) durchkorrigierte. Sie
hat mehrmals allein von allen bekannten Handschriften die jetzt rezipierte
Lesart, darunter mehrere Tilgungen und Ergänzungen (z. B. III 3 populus
accessit; 34 humana humane) und noch mehr richtige Lesungen dieser
Art teilt sie mit jüngeren Handschriften, aus denen sie bereits in den
Text gelangt sind. Die Vorlage dieses Korrektors scheint also einer
von GRV^ unabhängigen Überlieferung anzugehören. Freilich enthält
V^ auch manche offenbar willkürliche Änderungen, welche Ströbel selbst
veranlassen, bei Benutzung von V^ gröfste Vorsicht anzuwenden. Von
den Lesai-ten von V^, welche er als beachtenswert anführt, greife ich
nur heraus I 16 <sed maiora molior>; 20 corpus negauit esse ullum
(so Schiebe); 70 quae est eins natura; 104 is quidem <eadem> sentiens;
III 47 summamque <esse> uoluptatem, u. a. Auf pallida leto nubila
tenebris loca hat nach dem Bruxell., der es ebenfalls schreibt, und nach
Ribbeck, der es aus Bergks Konjektur aufgenommen hat, auch Fleck-
eisen, Jahrbücher f. Philol. Bd. 135 (1887), S. 87 aufmerksam ge-
macht. — Strubels Arbeit ist ohne Zweifel der bedeutendste Beitrag",
den wir seit Jahren zur Textkritik der Tuskulanen erhalten haben.
Eine andere von dem Archetypus R G unabhängige Textesquelle
sucht nachzuweisen
21. Karl Lehmann. Eine verlorene Handschrift zu Ciceros
Tusculanen. Berl. phüol. Wochenschr. IX. 1889. Sp. 1482—84.
Jahresbericht für Altertumswissenschaft. LXXVI. Bd. (.1893. II.J 15
226 Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.)
L. macht auf die Lesarten aufmerksam, welche in Lambins erster
und zweiter Ausg-abe (1560 und 1572) mit der Bezeichnung „vetus
codex'' augeführt werdeu (worunter allerdings nicht immer dieselbe Hand-
schrift zu verstehen sei) und welche gegenüber gemeinsamen Fehlern
von RG Verbesserungen bieten, die einem Schreiber oder einem ge-
lehrten Humanisten nicht zuzutrauen seien. Auf Grund von Lambins
Angaben will L. daher auch schreiben I 21 [uel animam]; 28 sed etiam
<uictoriae> nuntii; 92 [nou modo ipse]: 100 mortis, si est misera;
V 90 muuera autem ista, quibus delicatus es. Mir scheinen diese
Schreibungen, vielleicht mit Ausnahme der letzten, recht unnötig und
schon deswegen nicht unverdächtig, weil die Angabe „v. c." meist erst
in der nicht von Lambin besorgten zweiten Ausgabe auftritt. V 90 ver-
mutet Lambin selbst deliciaris oder deliciatus es und erwähnt von
delicatus es gar nichts.
22. A. Spengel, Die Personenzeichen in den Handschriften
von Cicero's Tusculanae disputationes. Philologus Bd. 48 (N. F. 2).
1889. S. 367—369.
Sp. führt aus, dafs A und M nicht als Anfangsbuchstaben be-
stimmter lateinischer Wörter betrachtet werden dürfen, sondern willkür-
lich gewählte Zeichen füi* die beiden redenden Personen seien. Er glaubt
.sogar, dafs für die Wahl von M seine Gestalt als doppeltes A von Ein-
flufs gewesen sein könne.
23. Einzelbeiträge zur Kritik und Erklärung der Tuskulanen:
I 1 will W. Gebhardi, Jahrbb. f. Philol. Bd. 133 (1886), S. 864
schreiben uon quin philosophia . . . percipi posset. — Zu 16 ver-
mutet J. S. van Veen, Hermes Bd. 23 (1888), S. 316 delectatione
aliqua afficere lectorem, — I 15 will Th. Staugl, Blätter f. d. bayer.
Gymnasialschul w. Bd. 24 (1888), 8. 427 das handschriftliche et quoniam
wiederherstellen und ebendas. S. 77 streicht A. Eussner in dem Satz
§ 108 ut mortuorum corpora nihil sentire uiui sentiamus nur das Wort
uiui, worin mit ihm J. S. van Veen a. a. 0. zusammengetroffen ist. —
HI 28 liest Usener (Nr. 6) S. 290 opinionem mali aegritudinem esse,
<ea> natura, ut u. s. w.; 41 nimmt ders. S. 120 nach den griechischen
Parallelen eine Lücke an (ausdrückliche Erwähnung der 6i' d^ppootstcov
r|6ovai): detrahens eas quae**, <detrahens eas quae> auditu e (so mit
Sorof und Schiebe) cantibus u. s. w. — III 79 vermutet Stangl a. a. 0.
quamnam quisque curationem recipere possit: IV 32 F. G. Sorof,
Wochenschr. f. klass. Philol. VI (1889), Sp. 1144 mouent eum multa
efferata. — Zu V 6 hat Referent, Berl. phil. Wochensclu'. VIU (1888)
Sp. 917 darauf aufmerksam gemacht, dafs aus dem Citat bei Lact.
Inst, m 14 audeat in den Text zu setzen ist. — V 104 schlägt
Cicero, philo&oph. Schriftea. (Schwenke.) 227
A. Eussner a. a. 0. vor operarios barbaros[(iue] ; ebd. 111 streicht
TJsener (No. 6) S. 336 das Wort audiamus und 112 vermutet er
sine notatione rerum. — H. Kothe, Timaios und Ciceros Tusculanen
(V, § 57—63), Jahrbb. f. Philol. Bd. 139 (1889), S. 637—640 handelt
nur von der Zahl der Lebens- und Regierungsjahre des älteren Dionysios
und das Verhältnis der Ciceronischen Angaben zu Timaios und Ephoros.
24. M. TuUii Ciceronis de natura deorum libri tres. Für den Schnl-
gebrauch erklärt von Dr. Alfred Gloethe. Leipzig, B. G. Teubner.
1887. .IV, 242 S. 8.
Wie Schömanns Ausgabe von N. D., bisher die einzige mit deutschem
Kommentar, geht auch die vorliegende über die Zwecke der Schule
hinaus und darf allen, die sich ^tiber die nach vielen Richtungen hin
interessante Schrift orientieren wollen, aufs wärmste empfohlen werden.
In der Einleitung wird hauptsächlich über den Stand der Religion und
Religionsphilosophie zu Ciceros Zeit und über die von ihm benutzten
Quellen gehandelt. Was die letzteren betrifft, so befindet sich Goethe
in den strittigen Punkten im ganzen in Übereinstimmung mit dem Ref.
(Jahrbb. f. Philol. Bd. 119), nur dafs er die einleitende Polemik des
epikureischen Vortrags auf eine von dem Folgenden verschiedene Quelle
(Phaidros) zurückführt. Für den Text ist, was in neuerer Zeit an hand-
schriftlichem Apparat und ki'itischen Bemerkungen veröffentlicht worden
ist, gewissenhaft benutzt. Das angehängte Verzeichnis der Stellen, in
denen von C. F. W. Müllers Text abgewichen ist, zeigt noch engeren
Anschlufs an die Handschriften und eine gröfsere Wertschätzung von B.
In ersterer Beziehung ist Goethe häufig mit Mayor zusammengetroffen,
der jedoch darin erheblich weiter geht und in Class. Review III (1889),
160 ff. dies namentlich für 11 75 eam esse generatam begründet hat.
Von den neu aufgenommenen Konjekturen kommen die meisten auf
Rechnung des Herausgebers selbst, der eine Anzahl schon in den
Jahrbb. f. Philol. Bd. 129 n. 133 vorgetragen hatte (vgl. Jahi'esber.
Bd. 47, 287 f.). Nur in die Anmerkung gesetzt hat er von diesen seine
Ergänzung zu I 25, und II 61 inteUegi für regi (diese Vermutung billigt
Mayor a. a. 0.). Dagegen sind neu hinzugekommen 11 11 <apud>
hortos Scipionis; 24 respuit; 89 alia multa hinter das Citat gesetzt;
123 alterius generis bestiis; 135 <item> depellit; III 53 [Atrei . . .
fuit]; 65 sedfsumemus; 74 id [quoque]. Ich kann weder in diesen
noch in den früher veröffentlichten eine überzeugende Verbesserung
sehen; trotzdem mufs der Text als sorgfältig hergestellt bezeichnet
werden. Das Hauptgewicht ist indes auf den Kommentar zu legen, der
natürlich auf den Schultern von Schömann und Mayor steht, aber überall
selbständiges Urteil und gründliche Kenntnis nach der sprachlichen wie
15*
228 Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.)
sachlichen Seite hin zeigt. Dals für Nachträge und auch Berichtigungen
noch ein weites Feld übrig bleibt, ist bei der Schwierigkeit des Gegen-
standes nicht zu verwundern. Eine Anzahl solcher haben zusammen-
gestellt Stangl BL f. d. bayer. Gyuin. 24 (1888), 296f., Sorof Berl.
philol. Woch. 9 (1889), 179 ff., Mayer a. a. O.
Die französische Schulausgabe des II. Buches von E. Maillet
(Bibl. philol. class. 1887, S. 57) ist mir nicht zugänglich gewesen, ebenso-
wenig dessen französische Übersetzung (ebend.) und die italienische von
T. C. Malvezzi (Bibl. 1890, ^. 180).
25. J. S. Reid, The Merton Codex of Cicero. Journal of phi-
lology. Vol. 17 (1888), S. 294-302.
26. P. Schwenke, Zum Cicerokodex Vindobon. 189. Berl. philol.
"Wochenschr. Jahrg. 9 (1889), Sp. 618—620.
27. P. Schwenke, Apparatus criticus ad Ciceronis libros de
natura deorum. Classical Review. Vol. 4 (1890), S. 347—355. 400—404.
454—457. (Fortsetzung und Schlufs in Vol. 5.)
Den Kodex des Merton College in Oxford (XII. Jahrh.), der unter
anderem Nat. Deor. und Diuin. I 1 — 106 (bezeichnet als N. D. IV) ent-
hält, hatte Mayor für seine Ausgabe der ersteren Schrift benutzt und
trotz einiger Schwierigkeiten, die noch entgegenzustehen schienen, seine
Stellung dahin bestimmt, dafs er aus Vindobon. 189 (V) abgeschrieben
sei zu einer Zeit, als in diesem noch nicht alle Korrekturen vorgenommen
waren (vgl. Jahresber. Bd. 35, S. 91). Reid hat nun dieselbe Hand-
schrift (Mn) für das darin enthaltene Stück von Diuin. untersucht und
findet die Abweichungen von V (nach den Angaben der 2. Züricher Aus-
gabe) so grofs und die Übereinstimmung bald mit V- gegen V^ bald
mit V gegen V- so wechselnd, dafs er M" nicht auf V selbst, sondern
beide auf ein gemeinsames Original zurückführen zu müssen glaubt. — ■
In der kleinen unter No. 26 angeführten Notiz habe ich auf Grund
meiner eigenen Vergleichung von V gezeigt, dafs die Schwierigkeiten
nur auf der Mangelhaftigkeit der früheren Kollation beruhen, und habe
zugleich die für die Frage wesentlichsten Verbesserungen derselben an-
gegeben. In der That entspricht M° fast vollständig dem Stande von V
nach Vornahme der ersten Korrektur (V-). Diese ist leider eine so um-
fassende gewesen und für die Kritik so wertlos, dafs M" auch als Ersatz
für V in den in N. D. I und II fehlenden Stücken nur mit Vorsicht zu
brauchen ist. Übrigens ist er nicht unmittelbar aus V abgeschrieben
und in dem anzunehmenden Mittelglied liegt jedenfalls der Grund der
noch verbleibenden Abweichungen.
Der Aufsatz von Reid war ein neuer Beweis dafür, dafs als
Grundlage für alle weiteren Untersuchungen auf diesem Gebiete eine
Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.) 229
genauere Kenntnis der ältesten Handschriften durchaus notwendig sei,
und so bin ich gern einer Anregung Jos. B. Mayors gefolgt, die Er-
gebnisse meiner diesbezüglichen Arbeiten für Nat. Deor. zu veröffent-
lichen (No. 27). Die Form einer Ergänzung und Berichtigung zur
zweiten Züricher Ausgabe, wie sie Deiter in seinen Programmen gewählt
bat, schien mir wegen der Schwierigkeit der Benutzung ausgeschlossen.
Ich habe deshalb meine Kollationen der drei Leidener Codices Voss.
F. 84 (A), 86 (B) und Bibl. publ. 118 (C = H), des Florentiner Mar-
cianus 257 (F), des Monacensis (Univ.-Bibl. 528 = M) und des Vindo-
bonensis 189 (V), sehr vollständige Mitteilungen über den Palatinus 1519
(P), und endlich die Lesarten des Hadoard (K) zu einem neuen Appa-
rate verarbeitet, von dem allerdings die alten Citate und die Lesarten
der Herausgeber ausgeschlossen bleiben mufsten. Infolge des stückweisen
Erscheinens gehört nur der Anfang (Einleitung und Buch I) in die
gegenwärtige Berichtsperiode. .Die Einleitung enthält zunächst eine
kurze Beschreibung der Handschriften und eine summarische Erörterung
ihrer Verwandtschaft untereinander. In letzterer Beziehung bin ich,
namentlich dank der Liberalität der Leidener Bibliotheksverwaltung,
die mir eine nochmalige und gleichzeitige Uniersuchung von A und B
ermöglichte, zu einem neuen, nicht nur für Nat. Deor., sondern für die
ganze „Vossianische" Sammlung wichtigen Resultate gelangt. Es war
schon aus der Bearbeitung der Hadoard-Excerpte (K) klar, dafs diese
und F in Nat. Deor. und Diuin. mit B, und zwar immer mit B^, zu-
sammengingen, in den übrigen Stücken aber mit A bezw. A-. Es schien
schon damals nicht unmöglich, dafs F in der zweiten Hälfte (Tim., Fat.
Top., Parad., Luc, Leg.) aus A abgeschrieben sei, was für Leg. bereits
Vahlen behauptet hatte. Durch die erneute Prüfung von A und B auf
diese Frage hin hat sich nicht nur dies bestätigt, sondern auch heraus-
gestellt, dafs die erste Hälfte von F (Nat. Deor. und Diuin.) aus B
dii-ekt geflossen ist. Vor Herstellung dieser Abschriften war die erste
Hälfte von B und die zweite von A sorgfältig durchkorrigiert worden,
jedenfalls von demselben Korrektor, einem nicht ungelehrten Manne, dem
offenbar aufser A und B sonst keine Überlieferung des Textes vorlag.
Bei Herstellung des Ajchetypus der Vossianischen Sammlung sind also
nicht nur F und die eng damit zusammenhängenden Excerpte des Ha-
doard (die nun zeitlich vielleicht etwas herabzurücken sind), sondern
auch A^ B^ auszuscheiden. Es bleibt für die eine Handschriftenklasse B,
für die andere A und der leider defekte V, zu denen C (=^ H) in Nat.
Deor., Diuin., Leg. und P in N. D. und Diuin. hinzukommen, diese
beiden freilich um 100—200 Jahre jüngere und nicht immer unver-
dächtige Zeugen. — Trotz dieser Erkenntnis habe ich in die angeführte
Veröffentlichung auch F und die aus A und F gemischte Münchener
230 Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.)
Handschrift aufgenommen, einmal um eine Nachprüfung zu ermöglichen
und ferner um die Bestimmung von Handschriften, Äie in Zukunft noch
werden verglichen werden, zu erleichtern. In eine kritische Ausgabe,
welche lediglich die Grundlagen des Textes bieten soll, wüi'den F und
M natürlich nicht gehören. — Die Einleitung enthält ferner zur Ent-
lastung des Apparates eine zusammenfassende Übersicht über die rein
orthographischen Varianten. — In dem ersten Stück der Kollationen
(Vol. IV, S. 400 — 404) ist störend, dafs die Zeichen für radierte Buch-
staben, gegen meinen "Willen, über die Zeile gesetzt sind. Auch sonst
haben sich, namentlich dadurch, dafs mir nur eine Korrektur zu lesen
möglich war, einige Fehler eingeschlichen, deren Nachweis ich der
Durcharbeitung des Apparates durch Herrn stud. Di eckhoff in Göttingen
verdanke. Ich benutze die Gelegenheit, die wichtigeren für die ganze
Kollation hier zu berichtigen. Es mufs heifsen bei I 5, 34 ut earum]
B^CFMK; 63, n . . . Divin. II 127 . . .; 66, 22 iieri simili t. similiora
B^FMT; 30 aut haec] ad haec C; 107, 7 tantaque C; gll 31, i5 cum]
B-FM-V . . .; 65, 19 planius quam] BCFP; 99, 17 strirpium C^; 141, 19
etiam war cursiv zu setzen; 159, 2 gestare B-FM; HI 5, i3 in priore
loco om. C^; 53, 25 carensem B' craetensem B^; 58, u matre B-FM.
28. Posidonius Werk itspl detüv. Von Dr. phil. Paul Wend-
land. Archiv für die Geschichte der Philosophie I (1888), S. 200—210.
29. Die Quellen von Cicero's Schrift de deorum natura von
Dr. Leopold Reinhardt. Breslau. W. Koebner. 1888. (Breslauer
philologische Abhandlungen. Bd. 3. Heft 2.) 3 El., 68 S. 8.
Wendland macht auf die Übereinstimmung der stoischen Ein-
teilung der Götter bei Ps.-Plut. Plac. I, 6 (Diels Doxogr. 295 ü.) und
Clemens Alex. Protr. p. 22 P. mit der bei Cicero N. D. 11 49 ff.
(2. Abschnitt der stoischen Theologie) aufmerksam. Offenbar gehen
alle drei auf dieselbe Quelle zurück. Die Ähnlichkeit zwischen Cicero
und den Placita erstreckt sich aber auch auf den ersten Abschnitt der
stoischen Einteilung (p. 293 Diels). Es ergiebt sich daraus, dafs die
beiden Teile bei Cicero nicht verschiedenen Quellen zuzuschreiben sind.
Nimmt man dazu die bekannten Übereinstimmungen zwischen Sextos
Emp. und Ciceros erstem und drittem Teil, so ist die einheitliche Quelle
von N. D. n ziemlich sicher gestellt und man wird sie um so mehr in
Poseidonios Tiepl deuiv suchen dürfen, weil dieser Philosoph in der doxo-
graphischen Litteratur viel benutzt worden ist. Die Einflüsse desselben
Werkes findet Wendland wieder in der Schrift -epi %6a\Lou, bei Areios
Didymos und in Dien Chrysostomos 12. Rede. (In der Deutschen Litte-
raturzeit. 1888, Sp. 1491 fügt er noch einen Verweis auf die Clemen-
tinischen Rekognitionen VIII, 20 ff. hinzu, wo sich allerdings ganz
Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.) 231
schlagende Parallelen zu Ciceros 3. und 4. Teile finden.) Die unge-
sclückte Benutzung der einen stoischen Quelle erkläre, sagt Wendland,
genügend den öfteren Mangel an Zusammenhang bei Cicero.
Umgekehrt geht Reinhardt gerade von den Unebenheiten, for-
mellen wie materiellen, der Ciceronischen Darstellung aus und kommt
so überall zur Annahme einer Mehrheit von Quellen. Im zweiten Buche,
um bei diesem zu bleiben, scheidet er zunächst 1 — 12 und 60 — 72 als
wesentlich selbständig verfafst aus. Was dazwischen übrig bleibt, beläfst
er allerdings mit Wendland und gegen Hirzel bei einer Quelle. Da aber
Baibus zu Anfang den Vorschlag macht, nur den ersten und zweiten
Teil der stoischen Theologie zu behandeln, und den zweiten mit „restat
ut . . ." einleitet, so kann Cicero nicht nach Poseidonios' Werk 7i£pl
öetüv gearbeitet haben, in dem die ganze Theologie einschliefslich der
Vorsehung enthalten war. Weil nun in dem genannten Abschnitt mehr-
fach Chrysippos mit besonderem Lobe genannt wii'd [woraus alle anderen
geschlossen haben, dafs eine nachchrysippeische Quelle zu Grunde liegt],
findet Reinhardt als einzig mögliche Quelle dessen Schrift :rspl OecDv.
Wendlands Nachweis beseitigt er damit, dafs Poseidonios den Chi^sippos
benutzt habe; dafs Ref. die §§ 29 — 33 vorausgesetzte Psychologie als
nicht-chrysippeisch erwiesen hat (Jabrbb. 119, 136) erwähnt er nicht
und ebensowenig macht er den Versuch, die verhältnismäfsig reichlich
vorhandenen Fragmente von Chrysippos uepl OeSv mit Ciceros Darstellung
zu vergleichen. Ich habe schon Berl. Philol. Wochenschr. VIII (1888)
Sp. 1304 ff. auf das Bedenkliche dieser Methode hingewiesen und kann
trotz des Protestes von Reinhardt (ebend. IX, 1889, Sp. 202—204)
und nach erneuter Prüfung nur wiederholen, dafs durch die Arbeit die
ganze Frage, die namentlich im I. Buche recht verwickelt ist, nicht ge-
fördert worden ist. Zu demselben Urteil ist auch Wendland, Deutsche
Litteraturz. 1888, Sp. 1490—1492, und zwar nicht nur bezüglich des
II. Buches gelangt. Günstiger urteilt J. Degenhart, Neue Philol.
Rundsch. 1889, 198 ff. Ich begnüge mich hier, Reinhardts Ergebnisse
kurz zusammenzustellen, möglichst mit seinen eigenen Worten: I 1 — 24
Cicero, 25 — 41 Philodemos und zwar von einem Gehülfen für Cicero
bearbeitet, 42 — 56 Zenon; 57 — 102 Kleitomachos (63—64 von Cicero
eingeschoben), 103—124 Poseidonios (106—108 und 117—120 von
Cicero eingeschoben, letztere mit Unterstützung eines „Handlangers").
II 1—12 Cicero, 13—60 Chrysippos, 60 — 72 Cicero mit Benutzung der
philosophischen Gedanken des Chrysippos; 73 — 153 Panaitios (jedoch
104—115 und 133 Cicero), 154—167 Poseidonios. IH 1—13 Cicero,
14 — 15 Cicero mit Benutzung eines Gedankens des Karneades-Kleito-
machos, 16 — 38 Kleitomachos, 39 — 93 Cicero mit Benutzung der philo-
232 Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.)
sophischen Gedanken des Karneades-Kleitomachos aufser 42 und 53 — 60,
die aus einem alexandrinischen Sammelwerk stammen.
30. In Useners Behandlung der epikureischen Stellen des I. Buchs
(vgl. No. 6) sind die einzelnen Entscheidungen für Lesarten der Hand-
schriften oder bisherigen Bearbeiter (z. B. 20 eadem si est, eadem re-
quiro; 49 cernantur . . . series; 114 afluant, wie auch 51 richtig afluen-
tius geschrieben ist) bemerkenswerter als seine eigenen Konjekturen-.
21 spatio tamen qualis ea fuerit intellegi <qui> potest? und 24 si
minima ex parte carnificetui*. Erstere Stelle behandelt auch A. Eussner,
Blätter f. d. bayer. Gymnasi^lschulw. Bd. 24 (1888), S. 77—78 und
glaubt mit der einfachen Änderung der Interpunktion quam nulla circum-
scriptio temporum metiebatur spatio ; tamen . . . intellegi potest aus-
kommen zu können, allerdings, wie ich fürchte, ohne seinerseits ver-
ständlich zu werden. — Von sonstigen Einzelbeiträgen sind zu nennen:
A. Romizi. Rivista di filologia Ann. 18 (1890). S. 243—245 führt aus
einer gegebenen Veranlassung aus, dafs I, 7 ff. dem primum ipsius rei
publicae causa in der Aufzählung entspricht hortata etiam est u. s. w.,
was aber auch schon Goethe ausdrücklich angemerkt hat. I 10 will
letzterer, Jahrbb. f. Philol. Bd. 137 (1888). S. 482 nach BF auctori-
tates einsetzen; die handschriftliche Lesart ist aber vielmehi" aucto-
ritatis (so schon Philol. Suppl.-Bd V, 540) und dies ist sicher richtig.
— n 17 vermutet Useuer, Jahrbb. f. Phüol. Bd. 139 (1889). S. 390
caeli pleniorem <umore> naturam; 31 beanstandet Goethe ebendas,
Bd. 137 (1888), S. 481 — 482 nam quid potest esse mundo ualentius:
man müsse entweder in mundo setzen oder annehmen, dafs Cicero einen
Genetiv xoÜ xoa|i.ou bei seinem Gewährsmann falsch bezogen habe. 120
schreibt L. Havet, Revue de philol. XIII (1889), S. 137—138 prin-
cipio eorum quae gignuntur e (H. setzt überall fälschlich a) teiTa et
quae radicibus continentur, stirpes et stabilitatem dant iis quae
sustinent, et e terra sucum trahunt quo alantur; obducunturque libro aut
cortice [trunci], quo sint . . . tutiores. — § 135 vermutet J. B. May er,
Class. Review Vol. III (1889), S. 162 cum delapsum (so schon in der
Ausgabe) et quasi detrusum cibum accepit, <denuo ipse> depellit.
— Zu 147 verteidigt Goethe a. a. 0, die Lesart von Cod. B ex quo
uidemus quid ex quibusque rebus efficiatur idque ratione concludimus.
— III 8 vermutet Sorof, Berl. philol. Wochenschr. IX (1889), Sp. 181
tu autem cum id quaeris. — In § 55 tritt Usener, Jahrbb. f. Philol.
Bd. 139 (1889), S. 391 für den Namen Memalius ein, den er mit dem
homerischen Maip.aX''or,c in Zusammenbang bringt. — 82 schreibt J. By-
water, Journal of philol. Vol. 17 (1888), S. 75 Zenonem Eleatem
tormentis necatum (Eleatem oder Eleaten in schreiben auch ältere Aus-
gaben).
Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.) 233
31. Zu den Büchern De Diuinatione sind nur einzelne Kon-
jekturen zu verzeichnen: I 12 Lohsee (No. 4) obseruata sunt haec . . .
et in significatione euentus animaduersa [et] notata (?); 15 H. Deiter,
Philol. Bd. 47 (N. F. 1), 1889, S. 677 uoluipedesque boues (-- bIU-
^TooEs). — Fernere Konjekturen zum I. Buche hat H. Usener an der
bereits angeführten Stelle, Jbb. f. Philol. Bd. 139 (1889), S. 391—392,
veröffentlicht: 16 cur (haec arbor) arandi maturitatem ad Signum floris
commodet; 17 (stellae) quae uerbo ex falso Graiorum motibus
errant; 101 cuius generis duo sumo ex multis exempla. 56 verteidigt
er die Überlieferung quaesturam petenti und ebenso 121 auium reliquo-
rumque signorum. — Derselbe a, a. 0. ändert II 47 scammoniam ari-
stolochiamque radices. An derselben Stelle will Lohsee a. a. 0.
schreiben redemptor ... ad istam horam retardatus est (mit Hottinger).
56 vermutet F. J. Drechsler, Progr. des Staats-Ob.-Gymn. in Olmütz
1887, S. 3 hoc igitur per gallinas Juppiter Thebanae ciuitati Signum
dabat: 62 Lohsee a. a. 0. cui, cum ad eum rettulisset, mit einem
älteren Vorschlag von Vahlen übereinstimmend, wie L. selbst nachträg-
lich bemerkt hat . — Zur Erklärung der Stelle über die akrostichischen
Orakel II 112 ist Diels, SibylHnische Blätter (1890) S, 26 zu ver-
gleichen.
32. Zu De Fato vermutet H. Usener a. a. 0. (vgl. No. 31)
S. 392 — 93 in § 22 sequitui- etiam (für enim), ut u. s. w. und leugnet das
Yorhandensein einer Lücke am Ende von § 35, indem er vielmehi-
korrigiert an ut eae res causam adfen-ent amoris? Den darauf folgenden
Satz (§ 36) Interesse autem — necesse sit hält er zwar für ciceronisch,
aber für einen späteren und schlecht untergebrachten Zusatz. § 48
ergänzt er quod omne pondus nulla re inpediente <deorsum> moueatur
et feratur necesse est. — In Fragm. 2 aus Servius will Drechsler
a. a. 0. (vgl. No. 31) S. 7 schreiben quae suo ordine et lege sua
uariatur, ohne zu sehen, dafs das sie, welches er durch sua ersetzt,
auf grund der handschriftlichen Überlieferung jetzt bei Servius ge-
strichen ist und daher mit gutem Recht auch von C. F. W. Müller
getilgt war.
33. M. TuUi Ciceronis Cato Maior de senectute, Laelius de
amicitia. Scholarum in nsum edidit Theod. Schlehe. (JI. T. Cic.
libri qui ad rem publicam et ad philosophiam spectant . . ed. Th. Schlehe.
Vol. IX.) Vindobonae et Pragae, F. Tempskj'; Lipsiae, Gr. Freytag
1890. Vin, 60 S. 8.
34. M. Tnlli Ciceronis Cato Maior de senectute. Für den
Schulgebrauch erklärt von Carl Meissner. 3. verbess. Aufl.
Leipzig, B. G. Teubner, 1888. 2 Bl., 67 S. 8.
234 Cicero, philosoph. Schriften, (Schwenke.)
35. M. Tullii Ciceronis Cato Maior de senectute. Erklärt von
Julius Sommerbrodt. 11. Aufl. Berlin, Weidmannsche Buchh. 1889.
87 S. 8.
36. M. Tulli Ciceronis Cato Maior de senectute. Scholarum
in usum edidit Aloisius Kornitzer. Vindobonae, C. Gerold, 1888.
2 Bl., 56 S. 8.
37. M. Tullii Ciceronis Cato Maior de senectute et Laelius de
amicitia. Scholarum in usum recensuit Robertus Noväk. Pragae,
A. Storch, 1889. 1 Bl., 77 S. 8.
38. M. Tullii Ciceronis Cato Maior de senectute. Für den
Schulgebr. erklärt von H. Anz. Gotha, F. A. Perthes, 1889. IV, 66 S. 8.
39. M. Tullii Ciceronis Cato Major seu de senectute dialogus.
Texte latin publie avec sommaires et notes en fran^ais par J. B.
Lechatellier. Paris, Poussielgue freres, 1886. IV, 66 S. 18.
Die Neuausgabe von Schiebe mit der Jahreszahl 1890 ist voran-
gestellt, weil auch schon 1887 ein Neudruck dieser Ausgabe (vgl.
Jahresber. Bd. 47, S. 291 f.) erschienen ist, sogar mit der Bezeichnung
„editio altera correctior. " Dieser Zusatz ist mit Recht wieder beseitigt;
denn es liegt, so viel ich sehen kann, nur ein neuer Abzug vor,
wahrscheinlich von Stereotypplatten, an denen nur einige Kleinigkeiten
geändert worden sind. So erklärt sich auch das vollständige Schweigen
über die seit der ersten Ausgabe (1884) aufgefundenen Handscluüften
(vgl. Jahresber. a. a. 0. S. 295 ff.).
Dem Text der Meissnerschen Ausgabe (No. 34) ist jetzt, wie
der Herausgeber in der Vorrede sagt, „die Ausgabe von C. F. W. Müller
zu gründe gelegt", und es werden deshalb im Anhang die Abweichungen
von dieser Ausgabe aufgeführt wie früher die von der Baiterschen.
Sehr zahlreiche Änderungen sind indes durch diesen Wechsel der
„Grundlage" nicht bedingt worden. Von den vielen Athetesen sind
einige wenige aufgehoben, dafür eine neue hinzugekommen. Die An-
führungen von Handschriften im Anhang stammen ganz aus Müller;
daher natürlich noch keine Spur von V zu finden ist.
Dagegen hat Sommerbrodt (No. 35) die neueren Ausgaben
und Abhandlungen sehr gewissenhaft benutzt und infolgedessen seinen
Text an einer gi-öfseren Anzahl von Stellen (ich zähle 18) geändert.
Zweimal hat er nach F. W. Otto Klammern gesetzt, einmal aus eigener
Initiative: 76 num [igitur] ea desiderant. Dafs seine Konjektur § 65
jetzt lautet non omnis hominis natura gegen früheres hominum, ist
wohl nur die Berichtigung eines Versehens. — Die Anmerkungen sind
wenig geändert. Die Einleitung enthält aufser einigen kleineren
Korrekturen einen Einschub von 8 Zeüen, welcher leider eine von
Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.); 235
A. Otto (unten No. 44) übernommene grofse Unrichtigkeit enthält, indem
das Ad Att. XVI 3, 1 erwähnte a'jvTa7iJ.a auf den C. M. bezogen wird
anstatt auf De Gloria (das Richtige schon Jahresber. Bd. 47, S. 298).
Es ist unbegreiflich, dafs die Herausgeber des C. M. sich immer noch
nicht entschliefsen können, in ihren Einleitungen die Daten der Briefe
anzugeben, in denen die Schrift erwähnt wird. Dann würde ein solcher
Irrtum unmöglich sein.
Von den zum ersten Mal erschienenen Ausgaben enthalten die von
Kornitzer und Noväk nur Text ohne Kommentar. Kornitzer
(No. 36) gibt ausserdem einen ausführlichen Index nominum und ein
Verzeichnis seiner Abweichungen von C. F. W. Müller. Es sind im
ganzen 18, davon 15 mit Schiches Text übereinstimmend und auch die
übrigen 3 nicht neu. Von den Ergebnissen der neueren Handschriften-
forschung scheint auch er nicht Notiz genommen zu haben.
Dasselbe ist offenbar bei Noväk (No. 37) der Fall. In der
umfangi'eichen Adnotatio critica, die er dem Text nachgesetzt hat,
existiert noch kein Codex V. FreiUch haben die Handschriften für
Noväk nur einen untergeordneten Wert; denn er behandelt den Text
mit vollständiger Souveränität. Neben stärkeren Abweichungen von der
Überlieferung, wie 25 tradere statt prodere, 60 peruenisse für perduxisse,
hat er es vor allem auf die Modi und Tempora abgesehen, die er nach
irgend einer Schablone korrigiert (er ist ein abgesagter Feind des
Konjunktiv), ohne sich darum zu kümmern, dals er dadurch die feineren
Nuancen des Gedankens zerstört. Ferner fallen auf den ersten Blick
die zahlreichen Klammern auf: an fast 40 Stellen sind im C. M.
Wörter oder Sätze als unecht bezeichnet, wozu noch eine ganze Anzahl
kommen, die spurlos aus dem Text verschwunden sind. Dagegen ist
Meissner noch ein konservativer Kritiker. Bei alledem mufs sich Noväk
noch sehr bescheiden vorkommen; denn in der Adnotatio critica erhalten
wir- noch eine sehr grosse Zahl Unechtheitserklärungen und Anderungs-
vorschläge. Er mag für seine Person davon überzeugt sein, dafs er auf
diesem Wege den echten Cicerotext herstelle, anderen aber, denen es
nm wissenschaftliche Kritik zu thun ist, wird er nicht verdenken dürfen,
wenn sie über seine Einfälle zur Tagesordnung übergehen. — Über den
Laelius s. unten zu No. 46/48.
Weit bedeutender ist die Ausgabe von Anz (No. 38). Während
Einleitung und Anmerkungen durchaus für die Bedürfnisse des Schülers
berechnet sind, der zum ersten Mal an eine philosophische Schrift
Ciceros herantritt, und daher hier nicht weiter in Frage kommen, ist
der Text mit durchaus selbständigem Urteil und mit Benutzung der
neuesten Hülfsraittel hergestellt. Anz hat sogar eine bisher unbekannte
236 Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.)
Handschrift, einen Bruxellensis saec. X (die Signatur ist nicht ange-
geben) in einer Kollation von E. Hedicke benutzen können, welcher
L sehr nahe verwandt ist und für die richtige Würdigung dieser Hand-
schrift von grofser Bedeutung zu werden verspricht (vgl. unten No. 40).
Allerdings hätte sich Anz gerade durch den Bruxellensis von Konjekturen
abhalten lassen sollen, welche auf ganz singulären Fehlern von L be-
ruhen, wie 18 praescribo quodam modo, Karthagini cum male . . .,
37 uigebat in illa domo domini, patris diciplina, ebenso § 31 von
der Schreibung uere praedicans. Auch sonst sind seine Vermutungen
etwas kühner und sogar" gewaltthätiger Art, aber nicht ohne eine
gewisse ansprechende Originalität. Auf allgemeine Zustimmung wird
freilich kaum eine rechnen können. Die wichtigsten sind: § 20 sie
senem percontauti in Naeui poetae Lüde respondentur , 28 senis
sedata et mitis oratio, 49 uidi amore miro dimetiendi, 55 disciplinam;
<nara> Curio, 56 sed redeo ad, 58 Habeant igitur alii sibi equos,
64 splendide umgesetzt vor peregisse. AVeitere Erwägung verdient 72
respondit: senectnte für respondisse senectute L^Br(A^); dicitur wäre
danach in den anderen Handschriften interpoliert, nachdem aus der
Dittographie responditse senectute geworden war respondisse sen. Die
Umsetzung des Serit arbores u. s. w. (§ 24) in einen Senar verbietet
wohl das gleichlautende Citat Tusc. I 31 und damit fällt auch die von
Anz versuchte Herstellung von Senaren aus Dis inmortalibus —
prodere (§ 25).
Die Ausgabe von Lechatellier (No. 30), welche in den vorigen
Bericht gehörte, mir aber erst nachträglich zugegangen ist, enthält die
übliche Einleitung, Inhaltsaugaben zwischen und Anmerkungen unter
dem Text. Letzterer ist nach der Baiterschen unter gleichzeitiger
Berücksichtigung der Meissnerschen Ausgabe abgedruckt und (charak-
teristisch für den Standpunkt der Benutzer) mit Accenten versehen.
Eine 2. Auflage ist bereits 1890 erschienen.
Nicht zugänglich gewesen sind mir die in der Bibliotheca philol.
class. angeführten Schulausgaben von J. Genouille Paris 1889;
L. Huxley London 1887 („the book is one which should never have
been printed" Class. Rev. I, 111), E. W. Howson ib. eod., A. Stickney
New York 1887 (mit Laelius zusammen; vgl. die Anzeige Berl. phil.
Wochenschr. VIII. 1888. Sp. 780 von H. Deiter, welcher die
Konjektur § 49 Mori <paene> uidebamus daraus anführt), ferner
zwei anonyme London, Gill, 1889 und ebenda, Clive, 1889; eine dänische
von G. F. V. Lund, 4. Aufl., Kopenhagen 1889; endlich eine Über-
setzung mit Anmerkungen von G. Caffi Pavia 1887.
Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.) 237
40. Fei. Ramorino, Notizla dl alcuni manoscritti italiani del
Cato Maior e del Laelius dl Cicerone. Rivista di filologia. Ann. 15.
1887. S. 247—262.
41. Exercitationes palaeographicas in bibliotheca TJniversitatis
Lugduno - Batavae instaurandas indicit S. G. de Vries. (Inest
commentatiuücula de codice Ciceronis Cat. Mai. Ashburnhamensi nunc
Parisino.) Lugd.-Bat., E. I. Brill, 1889. 45 S. 8.
42. Corn. Hofstede de Groot, Zur Handschriftenkunde des
Cato Maior. Hermes. Bd. 25. 1890. 8. 293—300.
43. M. Petschenig, Codex monasterii Admontensis 383 saec.
XII, ad Ciceronis Catonem Maiorem et Laelium collatus cum editione
C. F. W. Muelleri (Lips. 1879). Wiener Studien. Jg. 12. 1890.
S. 321-326.
Ramorino (No. 40^ bespricht zunächst Handschriften des C. M.
in der Ambrosiaua, der Laurentiana und der Universitätsbibliothek in
Pavia, die meisten sehr jungen Datums, und giebt die vollständige
Kollation dreier Laurentiani mit der Ausgabe von C. F. W. Müller,
nämlich von plut. 50, 45 saec. XI (von R. bezeichnet Ma), 45,2 saec. XIV
(Mb) und 76,31 saec. XII (Mc). Während er feststellt, dafs Mb ganz
unmittelbar und nicht ganz so eng auch Mc mit dem Rhenaugiensis 127
(R) zusammenhängen und somit für die Kritik weiter nicht in Betracht
kommen, glaubt er für Ma ein näheres Verhältnis zu P und V und daher
gröfsere Bedeutung in Anspruch nehmen zu dürfen. Meines Erachtens
mit Unrecht; denn Ma hat doch schon viele Interpolationen, welche in den
Halmschen codd. BJS vorkommen, repräsentiert als keine reine Über-
lieferung, sondern ist als aus Mischung und Korrektur hervorgegangen za
betrachten. Über den von R. mit Mb bezeichneten Codex (^ a in den
Catilinarischen Reden) macht einige Mitteilungen auch K. Lehmann,
Wochenschr. f. klass. Philol. V (1888), Sp. 958. Er setzt ihn in das
12/13. Jahrb. und legt ihm auch für CM. undLaelius einen „nicht zu unter-
schätzenden" Wert bei.
Einen wirklichen Vertreter der alten Überliefei'ung lehrt uns in
höchst dankenswerter Weise der Konservator der Leidener Handschriften
de Vries (No. 41) kenneu in dem ehemals im Martinskloster in Tours
befindlichen, jetzt aus der Bibliothek des Grafen Ashburnham zurück-
erworbenen Codex der Pariser Nationalbibliothek Nouv. Acq. 454 saec. IX,
welcher auch das Somnium Scipionis und den Kommentar des Macrobius
enthält. De Vries, bei dessen Mitteilungen man das angenehme Gefühl
absoluter Zuverlässigkeit hat, behandelt Herkunft, äussere Beschaffenheit,
Schrift u. s. w. des Codex , den er mit A bezeichnet, und fügt die Ver-
gleichung des C. M. mit der MüUerschen Ausgabe hinzu (leider ohne
Angabe der Paragraphenzahlen). Die Verwertung für die Herstellung
238 Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.)
des Textes behält er einer künftigen Arbeit über die Kritik des C. M.
überhaupt vor und konstatiert nur, dafs A mit den bisher bekannten
besten Handschriften L P V gleichberechtigt ist und in besonders naher
Beziehung zu L steht. Wenn nun aber de Vries urfter Betonung des
Umstandes, dafs in einer Eeihe von Stellen AL gegenüber den andern
das Richtige erhalten haben oder wenigstens dem Richtigen näher stehen,
der "Übereinstimmung von A und L besonderes Gewicht beilegt, so
schiefst er über das Ziel hinaus. Hätte er, was er wohl nur mit Rücksicht
auf eine zu erwartende Publikation von E. Hedicke unterlassen hat,
zugleich eine Kollation von L hinzugefügt, so würde sich eine noch viel
gröfsere Übereinstimmung beider in den Fehlern, auch ganz kleinen,
scheinbar leicht zu verbessernden, und in Auslassungen ergeben haben.
Wird dadurch die Autorität der Übereinstimmung einigermafsen ge-
schmälert, so entsteht auf der anderen Seite der grofse Gewinn, dafs wir
jetzt — und noch viel besser, wenn der neue Bruxellensis (vgl. oben No. 38)
veröffentlicht sein wird — in der Lage sind einen Archetypus A L (Br.)
herzustellen und alles, was eine von diesen Handschriften allein hat ohne
Übereinstimmung mit einer anderen alten wie P und V, als zufällig und erst
im letzten Gliede entstanden eliminieren können.
Wie auch im vorigen Bericht S. 296 bemerkt ist, lassen die beiden
veröffentlichten Vergleichungen des Cod. V (Voss. Oct. 79) von Dahl und
GemoU an nicht wenigen Stellen Zweifel über die wii'kliche Schreibung der
Handschrift. Dieser Unsicherheit ist jetzt durch die Arbeit von Hofstede
de Groot (No. 42) abgeholfen, welche eine mit minutiöser Sorgfalt aus-
geführte Ergänzung und Berichtigung der Dahlschen Kollation enthält.
Die von Petschenig (No. 43) mitgeteilte Kollation des Admonter
Cod. 383, saec. Xu., zeigt eine Handschrift von der oben erwähnten
Gruppe BJS.
44. A. Otto, Die Interpolationen in Ciceros Cato maior.
Philologische Abhandlungen, Martin Hertz dargebracht. Berlin 1888.
8. S. 94—104.
Otto bespricht die Unebenheiten, Wiederholungen und scheinbar
überflüssigen Zusätze im C. M., die namentlich Meissner zur Annahme
einer weitgehenden Interpolation geführt haben, und sucht sie teils durch
genauere Erörterung des Gedaukenzusammeuhangs als unverdächtig zu
verteidigen, teils aus einer nochmaligen Überarbeitung durch Cicero selbst
zu erklären. Dafs die von ihm hierfür augeführte Belegstelle falsch ist,
habe ich schon oben S. 234 bemerkt; dafs die auffallenden Stellen aber zum
grolsen Teil auf eine lässige Schlufsredaktion zurückzuführen sind, steht
aufser Zweifel. Von Meissners Athetesen lälst Otto nur bestehen 12 bella,
63 consuli, 72 sie hominem-natura dissoluit; er selbst scheidet 78 haee
Cicero, philosoph, Schriften. (Schwenke.) 239
Piatonis fere aus. Durch ein Versehen beim Abschreiben des Original-
manuskripts, meint er, seien die Stellen § 73 Solonis quidem — con-
sequatur und der ganze § 76 miteinander vertauscht worden und daher
unizustellea.
45. Von vereinzelten Konjekturen zum C. M. sind zu erwähnen:
§ 20 sie enim percontantur ut scitis iu Naeui poetae Ludo Th. Stangl,
Blätter f. d. bayer. Gymnasialschulw. Bd. 24 (1888), S. 484; 58 id
ipsum ut cuique lubebit H. Steuding, Jahrbb. f. Philol. Bd. 137
(1888), S. 862; 74 de quo non ita longa disputatione opus esse uidetur
Th. Stangl, Tulliana et Mario- Victoriniana (Progr. d. Luitp.-Gymn.
München 1888) S. 9.
46. M. Tulli Ciceronis Laelius de amicitia. Für den Schulgebrauch
erkläi-t von Carl Meissner. Leipzig, B. Gr. Teubner, 1887. 2 Bl.,
70 S. 8. Dazu gehörig:
47. Karl Meissner, Zu Ciceros Laelius. Jahrbücher für
Philologie u. Pädag. Bd. 135 (1887), S. 545—557.
48. M. Tulli Ciceronis Laelius de amicitia. Scholarum
in usum edidit Aloisius Kornitzer. Vindobonae, C. Gerold, 1888.
2 Bl., 55 S. 8.
Aufser diesen Sonderausgaben des Laelius liegen auch die mit Cato
Maior vereinigten unter No. 33 und 37 aufgeführten Texte vor. Voir
Schiebe ist nur zu erwähnen, dafs er § 41 jetzt quoquo modo potuimus
liest (Meissner: quoque modo nach cod. P). — Noväk hat den Text
des Laelius in derselben "Weise bearbeitet wie den des C. M. : wir zählen
über 30 Klammern. Als Beispiel sonstiger Änderungen sei nur die viel
behandelte Stelle in § 41 angeführt: serpit primo res, quae procliuis
ad perniciem; cum semel coepit, labitur. Dabei die Bemerkung zu primo
für deinde: „violenter talia mutant saepe ipsi librarii , . ." und zum
ganzen Satz : „subesse septenarius videtur hie : 'serpit primo res proclivis,
ät cum coepit, labitur'; illa 'quae' 'perniciem' 'semeF ex interpolatione
orta iudico." Das genügt jedenfalls, um eine Vorstellung von der Inter-
polation zu geben, die Novak für möglich hält.
Meissners Ausgabe stimmt in der Anlage überein mit der bereits
in mehreren Auflagen erschienenen des Cato Maior (oben No. 34). Das
Hauptgewicht ist auf die für die Schule berechnete Einleitung und die
erklärenden Anmerkungen gelegt und es wird von der Kritik allseitig
anerkannt, dafs diese ihrem Zweck in hervorragender Weise entsprechen.
Dem Text liegt auch hier die Müllersche Teubner- Ausgabe zu Grunde;
die Abweichungen von ihr hat Meifsner in dem unter No. 47 auge-
führten Aufsatze motiviert. Zu Athetesen hat ihm der Laelius sehr viel
240 Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.)
weniger Veranlassung gegeben als der C. M. : zum ersten Mal erscheinen
Klammern in § 5 disputatio est [de araicitia], 64 aut [si] in bonis, 76 in
amicitiis [dimittendis], 81 [agrestibus], während die in den Jahrbb. vorge-
schlagene Ausscheidung § 50 quam [ad amicitiam] similitudo im Text nicht
zum Ausdruck gekommen ist. Dagegen sind Einschiebungen vorgenommen,
m. E. ebensowenig mit Recht wie die Ausscheidungen, in 15 introieram
<in uitam>, 68 spem adferunt <fore> ut, 89 <nimirum> comitas adsit,
91 <item> sie habendum est. Von sonstigen Änderungen sind anzuführen
34 sinautemadadulescentiamperducti essent, 41 serpit enim in dies res;
68 in ipso equo, 74 alio quodam modo honestandi, 77 grauiter, at cum
bonitate. Als gelungen darf von diesen Änderungen wohl nur die in
§ 34 bezeichnet werden. — Kornitzer (No. 48; über die Einrichtung
vergl. oben 36) zählt 8 Abweichungen von C. F. W. Müller auf, von
denen 7 mit Schiebe übereinstimmen. — Aufserdem werden in der Bibl.
philol. class. aufgefühi-t zwei Ausgaben mit Übersetzung (die eine ohne,
die andere mit Anmerkungen) von A. Legouez, Paris 1887 und 1888;
Text mit Anmerkungen von E. Charles, nouv. 6d., Paris 1888; Text
mit Einleitung, Anmerkungen und Übersetzung „by the Editors of
Cicero pro Balbo," London 1890; ein Text (ed. 3) Augustae Taurin. 1889.
Endlich drei englische Übersetzungen, zwei mit Cato Maior, von
W. Melmoth, London 1889, und C. R. Edmonds, ib. eod., eine
zusammen mit pro Balbo, von J. Gribson, ib. 1890.
49. Die Mitteilungen zur Handschriftenkunde des Laelius
(No. 40 und 43) betreffen nur jüngere oder wenigstens als Grundlagen
der Kritik nicht in Betracht kommende Codices. Ramorino beschreibt
3 Ambrosiani saec. XIV und 5 Laurentiani, darunter die drei, deren
Kollation zum Cato Maior er gegeben hat (vgl. oben zu 40; die dort an-
gefühlte Notiz von K. Lehmann enthält auch einige Lesarten zum
Laelius aus cod. plut. 45, 2). Die beiden anderen(plut. 76, 20 und 23), saec.
XII, enthalten nur den Laelius, aber auch in interpoliertem Zustand. —
Die Handschrift Petschenigs (oben No. 43) gehört auch im Laelius
zur Klasse B S.
50. K. Schliack, Jahrbb. f. Philol. Bd. 139 (1889), S. 57 f.
vermutet, dafs Lael. 37 zu schreiben sei Tl. . . . Gracchum . . . a [Q.]
Tuberone Aelio aliisque amicis derelictum uidebamus, und dem § 41 will
er durch eine Umstellung aufhelfen, indem er den Satz Serpit (oder
serpsit?) deindc res — labitur unmittelbar hinter die Erwähnung des
Todes Scipios und . vor Nam Carbonem — augurari setzt. Wie dann
jenes deinde mit der angenommenen Zeit des Gesprächs in Einklang zu
bringen ist, erörtert er freilich nicht. — In § 50 möchte Franz Müller,
Berl. phil. Wochenschr. VIII (1888), Sp. 746 die Worte nihil est
Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.) 241
euira — quam natura als Zusatz ausscheiden. — Bemerkungen besonders
erklärenden, hier und da auch kritischen Inhalts zu einer grossen Anzahl
von Stellen giebt im Anschluss an Meissners Ausgabe Wilh. Nitsche,
Wochenschr. f. klass. Philo). V (1888), Sp. 523-527.
51. M. Tullii Ciceronis Paradoxa ad M. Brutum. Für den Schul-
gebrauch erklärt von Heinr. Anz. Grotha, F. A. Perthes, 1890.
(Bibliotheca Gothana.) 2 El. 38 S. 8.
Es ist nicht Aufgabe des Jahresberichts zu prüfen, ob die Para-
doxa für die Schullektüre geeignet sind. Unter der Voraussetzung, dals
sie es sind, kann Einleitung und Kommentar der vorliegenden Ausgabe
im ganzen als geeignet bezeichnet werden. Der Text der von Cicero
schnell hingeworfenen Schrift bietet erhebliche Schwierigkeiten und
harrt noch einer eingehenden Bearbeitung. Die des Herausgebers ist
jedenfalls kein Fortschritt gegen C. F. W. Müller, dessen Text er
zunächst ,zu Grunde gelegt" hat. Doch will er, wie es scheint, über-
haupt nicht mit wissenschaftlichem Mafsstab gemessen sein, da er sagt,
dafs „die Beschaffenheit der Textüberlieferung in Rücksicht auf das
Bedürfnis der Schule öfter einschneidendere Änderungen nötig machte"
und da er weder Deiters Nachkollation der Vossiani noch des Referenten
Hadoardus- Exzerpte kennt. Er hätte sich aus diesen Hilfsmitteln wohl
klar machen können, dals es sich in der Handschriftenkritik der Paradoxa
im wesentlichen nur um die Hdss. B einerseits und A V andererseits
handelt und dafs die „geringeren Codices", die er im Verzeichnis der
Abweichungen vom Müllerschen Text mehrfach anführt, überhaupt nicht
in Betracht kommen. Von gröfseren Änderungen seien nur erwähnt:
11 quemcumque regum uultis a Bomulo, quem uultis post liberam
ciuitatem; 20 . . . pertinet. <Et> peccare . . .; 31 te cum omnes
leges uelint, quem appellet inimicus? Leges exulem esse iubent; 44 animus
hominis diues <esto>; von § 44 wird aufserdem der grölste Teil,
jedoch in anderer Ordnung, hinter § 50 versetzt. In der Beibehaltung
des non modo non repugnanti in § 17 ist Anz mit Lohsee (oben No. 4)
S. 13 zusammengetroffen.
52. M. TuUi Ciceronis de offieiis libri tres. Scholarum in usum
ed. Aloisius Kornitzer. Vindobonae, C.Gerold, 1889. (2 Bl., 210 S.)
Kornitzers Ausgabe der Officien ist ebenso eingerichtet wie die
oben angeführten Ausgaben des C. M. und Laelius. Einen verhältnis-
mäfsig grofsen Raum nimmt der erklärende Index nominum ein (S. 165
bis 210). Das Verzeichnis der Abweichungen von der MüUerschen
Textausgabe zählt 23 Stellen auf, von denen 16 mit Schiebe überein-
stimmen, nicht wenige sich auch schon in Müllers erklärender Ausgabe
finden.
Jahresbericht für Altertumswissenschaft. LXXVI. Bd. (1893. II.) 16
242 Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.)
Nicht vorgeleg-en babeu mir: eine Ausgabe mit erklärenden An-
merkungen von P. Dcttweiler, Gotha (Perthes) 1890, au welcher iu
den erschienenen Anzeigen gerühmt wird, dafs sie reine Schülerausgabe
sei und welche sich selbst als pädagogische, nicht als philologische
Arbeit bezeichnet; eine Schulausgabe mit französischen Anmerkungen
von H. Marchand, Paris (Hachette) 1889, und Buch I und 11 von
E. Maillet, ebend. (Belin) 1887; Buch III ,,with iutroduction, analysis
and commentary by H. A. Holden, 7. ed., Cambridge 1888", wohl
ein Auszug aus seiner Gesamtausgabe, vgl. Jahresber. Bd. 47, S. 302 f.
Über die Ausgabe von Sabbadini, welche Referent vergebens beim
Verleger des Jahresberichts in fester Rechnung bestellt hat, vgl. die
folgende No.
53. Prof. Remigio Sabbadini. La critica del teste del De
Officiis di Cicerone e delle poesie Pseudo-Vergiliane secondo due
nuovi codici. Dissertazione letta . . . nella R. Universitä di Catauia.
Catania, tipogr. Fr. Galati, 1888. (64 S.)
Mit der Kritik der Officien beschäftigen sich S. 10 — 39. In der
Ableitung der in letzter Zeit benutzten Handschriften stimmt Sabbadini im
ganzen mit Popp überein, doch will er nur L als eigentlichen Vertreter
der zweiten Klasse anerkennen, während p und c eine .^sekundäre
Strömung" in derselben bilden. Eine analoge ,, isolierte" Stellung in
der ersten Klasse weist er dem neu von ihm untersuchten Ambrosianus
F 42 sup. (M) zu, einer Handschrift des XII. Jahrhunderts (falls sich
S. in dieser Bestimmung nicht irrt), welche unzweifelhaft zu BHb ge-
hört, aber neben einigen Berührungen mit der anderen Klasse (S. weifs
allerdings nur wenige anzuführen) namentlich mit manchen Lesarten,
die c eigentümlich sind, übereinstimmt. Mit seiner Theorie der „correnti
secondarie" will S. beweisen, dafs nicht alle besonderen Lesarten und
Umstellungen, wie sie p und c und mindestens in demselben Mafse M
bieten, als Schreibfehler, Willkürlichkeiten und Konjekturen, sondern
zum Theil wenigstens als gute alte Überlieferung anzusehen seien.
Die Konsequenzen dieser an sich ganz unklaren Theorie, welche an die
Stelle der glücklich gewonnenen festeren Giundsätze wieder vollständige
Willkür setzt, zieht S. in den ,,questioni, congetture ed emendamenti",
die er auf jene Erörterungen folgen läfst und in denen er eine
sehr grofse Zahl von Stellen bespricht, ersichtlich in der Absicht seine
neue Handschrift zu Ehren zu bringen. So sollen Auslassungen in 31
auf Glosseme hindeuten; Lesarten von M werden gegen alle anderen
Handschriften als die richtigen hingestellt oder es wird mindestens daraus
auf die Schreibung des Archetypus geschlossen, wobei natürlich die be-
liebten mifsverstandenen ,, Abkürzungen" eine Rolle spielen, wie sie in
Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.) 243
der Zeit des Archetypus nie angewandt worden sind. Eine solche Kritik
kann nur als Rückschritt bezeichnet werden und macht auch gegen die
übrigen Bemerkungen S.'s mifstrauisch. Glücklicherweise hat er nicht
alle Lesarten, welche er hier für richtig erklärt, in seine oben erwähnte
Ausgabe aufgenommen, in deren Einleitung auch der betreffende Teil
der vorliegenden Gelegenheitsschrift wieder abgedruckt ist. Vgl. nament-
lich Th. Stangl, N. Philol. Rundschau 1889, S. 67—70, der aber auch
so den Text als merklich umgestaltet bezeichnet. — Eine ausführliche
Behandlung widmet Sabbadini S. 34 — 39 dem Abschnitt III 19—32 und
der Disposition des III. Buches überhaupt. Er sucht nachzuweisen,
dafs dieses durchaus planvoll angelegt ;sei, wenn man den genannten
Abschnitt heraushebe, welcher erst eingefügt sei, nachdem Cicero von
Athenodorus Calvus den Auszug aus der Schrift des Poseidonios (aber
es ist höchst wahrscheinlich, dafs sich der Auszug nicht darauf be-
schränkte!) erhalten hatte. Dieser Schrift entspreche also jener Abschnitt.
Als Cicero den Athenodorus mahnen liefs (ad Att. XVI 11, 4), seien
bereits die anderen Teile des III. Buches in Arbeit gewesen, das ganze
Werk deshalb sicher im November 44 vollendet.
54) De Ciceronis librorum de officiis fontibus. Diss, inaug. quam . . .
def. Paulus Klohe. Gryphiswaldiae 1889. 2 Bl., 42 S. 8.
55) Wilh. Soltau, Eine annalistische Quelle in Cicero de
officiis III. Wochenschr. f. klass. Philologie. Jahrg. 7 (1890), Sp. 1239
bis 1245.
Klohe will hauptsächlich klarstellen, in welchem Verhältnis die
beiden ersten Bücher de Off. oder genauer I 1—151 und II 1—85 zu
den drei Büchern des Panaitios -spi xa{}r,y.ov-oj stehen. Er geht zu
diesem Zwecke die ganze Ciceronische Darstellung durch und kommt
zu dem Schlufs, dafs Cicero sehr viel selbständiger ist als man bisher
anzunehmen gewohnt war, oder, um Klohes eigene Worte zu brauchen,
mit denen er S. 20 den ersten Abschnitt (I 1—60, entsprechend dem
ersten Buch des Panaitios) abschliefst, die er aber auch auf die folgenden
Abschnitte ausgedehnt wissen will: ,,Ciceronem de libro I Panaetii
tantum, ut ita dicam, florem lactis dehausisse eaque quae dehausit cum
additamentis tarn arte coniunxisse, ut vix agnosci possiut." Trotzdem
äufsert sich Kl. im einzelnen vielfach recht bestimmt über die Urheberschaft;
nur wird es nötig sein, seine Aufstellungen einer erneuten und genauen
Prüfung zu unterwerfen. Besonders neigt er zu der Ansicht, dafs alles,
was an frühere Schriften Ciceros anklingt, aus diesen selbst genommen
sei. So soll Off. I 11—14 aus Ein. II 45 ff. stammen; da aber erst-
genannte Stelle gegenüber der anderen ein Mehr aufweist, welches mit
späteren Partien von Off. I übereinstimmt, so ist die ganze Stelle erst
16'
244 Cicero, Philosoph. Schriften. (Schwenke.)
nach Vollendung- des I. Buches eingeschoben! — Sehr kurz behandelt
Kl. die übrigen Teile des Werkes (Schlufs des I. und II. und das
III. Buch), merkwürdig-erweise ohne das von Athenodorus Calvus für
Ciceros Zwecke gelieferte u~o[xvY)!J.a. auch nur zu erwähnen. III 50. 54.
91 sollen aus dem Werke eines Akademikers genommen sein. —
So 1 tau (Nr. 55) weist nach, dafs eine Anzahl Stellen des III. Buchs,
welche Ereig-nisse der römischen Geschichte behandeln , nicht rein
Ciceros Gedächtnis entstammen, sondern auf einer schriftlichen Vorlage
beruhen müssen. Als solche vermutet S. mit grofser Wahrscheinlichkeit
die Annalen des Claudius Quadrigarius.
56. Behandlungen einzelner Stellen aus De Officiis: zu I 104
führt A. Zingerle, Kleine philol. Abhandlungen Heft 4, Innsbruck 1887,
S. 43 für seinen Vorschlag honorato horaiue dignus (Zeitschr. f. d.
österr. Gynin. 1883, S. 418) Belegstellen aus Salvianus de gnbern. dei
an. — m, 1 will K. Schliack, Jahrbb. für Philologie Bd. 139 (1889),
S. 232 schreiben ut neque cessaret umquani et [interdum] colloquio
alterius non egeret, indem interdum aus dem folgenden § eingedrungen sei.
57. C. Wachsmuth, Zu Ciceros Schrift de republica. Leipziger
Studien zur klassischen Philologie. Bd. 11 (1889), S. 197—206.
Wachsmuth weist nach, dafs die Person, der Cicero sein Werk
De Eepubl. widmete, nur sein Bruder Quintus sein kann. Damit ver-
liert allerdings die Nachricht des Laurentins Müller von einer Hand-
schrift der „libri Ciceronis de Republica ad Atticum" („codex Sar-
maticus") bedeutend an Glaubwürdigkeit. Ferner scheidet W. einige
Glosseme aus: I 1 [commemorare eos desino], 5 [Athenieusium], 6 [caedes
eonim multorum], so dafs der Satz lautet: uel acerbissima Marii clades
uel principum pestes quae paullo post secutae sunt. Endlich schlägt
er folgende Änderungen vor, von denen mir die erste und dritte am
meisten gesichert erscheinen: I 2 uirtus in usu [sui] tota posita est
(Dittographie) ; 3 anteponenda bene constitutae ciuitatis publico iuri
et moribus, 7 ex saeuitia (statt des schon kurz vorher gebrauchten
laetitia) improborum; 14 P. Africanus Luci Pauli filius (dagegen ver-
teidigt die Cberlieferuug Th. Stangl, N. phil. Rundschau 1889, S. 70). —
Zu R. P. II 59 vermutet Lohsee (oben No. 4) S. 12 fuerat fortasse
aliqua ratio maioribus nostris ilico aeri alieno medendi. — Einige
Vermutungen zum Somn. Scip. siehe unter No. 60.
58. M. TuUii Ciceronis Somnium Scipionis. Für den Schul-
gebrauch erklärt von Heinr. Anz. Gotha, F. A. Perthes, 1890.
(Bibliotheca Gothana.) 2 Bl.. 22 S. 8.
59. M. Tullio Cicerone. II Sogno di Scipione, epilogo della
Repubblica, con proemio e note di Arturo Pasdera. Torino,
Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.) 245
Erm. Loescher, 1890. (Collez. di classic! gv. e lat. cou note ital.)
XXXVin, 38 S. 8.
No. 58 gleicht in der Einrichtung den anderen in diesem Be-
richt besprochenen Schulausgaben desselben Herausgebers. Die Ein-
leitung ist knapp und auch die Anmerkungen weniger reichlich als in
der Ausgabe von Meissner. Der Text ist der seit Halm und Eyssen-
hardt ziemlich feststehende, der sich allerdings nicht auf eine voll-
ständige Benutzung der vorhandenen alten Handschriften gründet, aber
vielleicht auch nach deren Durchforschung sich nicht erheblich ändern
wird. Von Abweichungen sind zu notieren § 9 (17) in quo sunt infixi,
111 0 qui uoluuntur, stellarum cursus sempiterui und 21 (29) animus
[uelocius] . . . peruolabit. Über die Schiefheit des auch bei Anz wieder-
kehrenden Ausdrucks, dafs das S.Sc. „durch den Kommentar desMacrobius
erhalten" sei, vgl. Jahresber. Bd. 47, S. 310.
Die Ausgabe von Pasdera (No. 59) zeichnet sich durch eine
umfangreiche Einleitung aus, welche sich auch über das Eortleben und
die Benutzung der Ciceronischen philosophischen Schriften und be-
sonders von De Rep. im Mittelalter verbreitet, allerdings weder ganz
vollständig noch ohne Irrtümer. So werden z. B. die unter dem Namen
des ßaeda überlieferten Ciceroexcerpte unbedenklich für echt genommen.
Auch die Anmerkungen unter dem Text gehen nicht selten über das
zum unmittelbaren Verständnis nötige und über die Grenzen der deutscheu
Schulausgaben hinaus. Sie werden ergänzt durch ein Supplemente alle
note S. 29—32 und durch Bemerkungen zur Textki-itik S. 32—34.
Letztere enthalten jedoch nichts neues, wie überhaupt Pasdera im Text
lediglich seinen Vorgängern folgt. Der Realindex zu den Anmerkungen
S. 35 — 38 ist wohl dem Vorbild von Meissner zu verdanken. — Eine
andere italienische Ausgabe von Cl. Vignali, Turin 1889, wird in
der ßibl. philol. class. angeführt.
60. A. Eussner, Blätter f. d. bayer. Gymn. Bd. 24 (1888),
S. 78, scheidet im Somn. Scip. 9 (17) den Satz [supra lunam sunt
aeterna omnia] aus; ebenso erklärt er in 10 (18) nam terra nona
inmobilis u. s. w. das Wort nona für Interpolation.
61. Von den Büchern De Legibus ist eine italienische Über-
setzung ,.con prefazione e note" von S. Martini, Sanremo 1889, er-
schienen. Im übrigen ist nur über die Behandlung einzelner Stellen zu
berichten: Zu I 1 weist P. Thomas, Revue de Tinstruction publ. en
Belgique T. 33 (1890), S. 1, darauf hm, dafs die Erklärung von ut
ait Scaeuola de fratris mei Mario als ,,Scaevola im Gedicht Marius"
aus dem einfachen Grunde unmöglich ist, weil der angeführte Vers ein
Pentameter ist, der „Marius" aber in Hexametern abgefafst war. Es
246 Cicero, pbilosopli. Schriften. (Schwenke.)
lumdelt sich also sicher um ein Epigramm auf denselben. Ebend. S. 2
bemerkt Thomas, dal's in § 24 nulla gens est ueque tarn mansueta netiue
tarn fera kein besonderes Gewicht auf mansueta zu legen ist, sondern
durch den Gegensatz nur jeder mögliche Kulturzustand bezeichnet werden
soll. — I 16 vermutet E. Lohsee (Xo. 4) S. 12 nullo in genere dis-
putando omnia ista patefieri; § 17 Nettleship, Journal ofPhilology
Vol. 18 (1889), S. 140 tum haec tractanda quae composita sunt et
descripta iura [et iussa] populorum, indem er et iussa für ein Glossem
zu iura erklärt. Zu § 42 hatte F. J. Drechsler (s. Jahresber. Bd. 47,
S. 313) vermutet <incognifa:> aut indicta causa und führt nun im
Progr. d. St.-Ob.-Gymn. Olmütz 1887, S. 4, Stellen dazu aus Merguct
an, welche aber mit einer Ausnahme nicht die Zasammenstellung beider
Termini enthalten. Ebensowenig treffen die Parallelstellen zu, welche
H. Lattmann, Philologus Bd. 49 (1890), S. 189—191 für seinen Vor-
schlag anführt 152 zu schreiben libenter enim <facerem>, frater,
quod <ad> istam orationem tecum prolaberer, was sachlich wie
sprachlich unmöglich ist. — II 20 vermutet H. Usener, Jahrbb. f.
Philol. Bd. 139 (1889), S. 390 (sacerdotum genus) quod interpretetur
fatidicorum et uatium cofata incognita, quom senatus populusque
asciuerit. — Eine sehr ausführliche Besprechung hat H. Burckhard,
Zeitschrift der Saviguy-Stiftung f. Eechtsgesch. Bd. 9 (1888), Roman.
Abt. S. 286—330 der schwierigen Stelle Leg. 11 48—53 (Übergang
der Sacra priuata bei Todesfall) gewidmet. Den Kern der Abhandlung
bildet die Erklärung von § 50 in donatione hoc idem secus inter-
pretantur etc. Nach Burckhards Meinung liegt hier ein weiterer Modus
des „minus capere" vor, v/odurch die Übernahme der Sacra seitens
des Legatars vermieden werden sollte, indem dieser entweder selbst oder
durch seinen Haussohn von dem Legat etwas verschenke, um die Summe
desselben zu verringern. Dieser Erklärung ist mit Recht B. Kühler,
ebend. Bd. 11 (1890), S. 37 — 45 entgegengetreten und hat nachgewiesen,
dals es sich nur um die mortis causa donatio des Ilaussohnes, welcher
nicht testierfähig ist, handeln könne. Für die Einzelheiten der Stelle»
welche auch so nach Anordnung und Inhalt manches Befremdliche ent-
hält, mufs auf die genannten Aufsätze verwiesen werden.
C2. Zu Aristoteles Protreptikos und Ciceros Ilortensius. Von
H. Diels. Archiv für Geschichte der Philosophie. Bd. 1 (1888),
S. 477-497.
63. De exhortationum a Graecis Romanisque scriptarum historia
et indole disseruif Paulus Hartlich. Leipziger Studien zur klass.
Philologie Bd. 11, 1889, S. 207-336.
Diels giebt eine allgemeine Charakteristik des Hortensius, als
Cicero, philosoph. Schriften. (Schwenke.) 247
dessen Grundzug er eine warme religiöse Empfindung bezeichnet, und
liefert mehrere Beweise für die Abhängigkeit einzelner durch die Frag-
mente überlieferten Gedanken vom Protreptikos des Aristoteles. Für
die Fragmente nimmt er, und mit Recht, auch in Anspruch August.
Soliloqu. I 17 nullo modo appetendas esse diuitias, sed si prouenerint,
sapientissime atque cautissime administrandas. Damit stellt er die in
den Fragmeuten öfter wiederkehrende Polemik gegen die Lust zu-
sammen, leugnet aber, dafs sich darin stoischer Einflufs zeige: „Dais
Cicero des Poseidonios Protreptikos gekannt und neben Aristoteles hier
und da benutzt habe, ist auch mir wahrscheinlich. Aber er kann un-
möglich Hauptquelle gewesen sein. Sonst würden die Fragmente es
deutlich ausweisen."
Andrer Ansicht ist Hartlich (No. 63), der auf den Hortensius
nicht nur in dem ihm eigens gewidmeten Abschnitte (S. 291 — 300),
sondern auch bei der Behandlung der entsprechenden Schriften des
Aristoteles und Poseidonios näher eingeht und an der Hand der Frag-
mente eine Skizzierung des ganzen Dialogs versucht. Er konstatiert
in einigen Punkten Übereinstimmung mit Aristoteles und Poseidonios zu
gleicher Zeit und hält es deshalb nicht für ausgeschlossen, dafs die
aristotelischen Gedanken durch Poseidonios zu Cicero gekommen seien.
Er will aber doch lieber beide als nebeneinanderstehende Quellen des
Hortensius annehmen. Indes erscheint in den Vergleichungen zu den
Fragmenten ganz überwiegend Aristoteles, und in dem Abschnitt über
Poseidonios vermag Hartlich viel mehr dessen Einflufs auf andere
philosophische Schriften als gerade auf den Hortensius nachzuweisen.
Er findet ihn in den „Einschüben" Tusc. I 61 — 64 und auch 68 — 70,
Leg. I 22 und im Prooemium von Tusc. V. — Die Fragmente will
Hartlich bereichern durch Lact. Instit. HI 16 2 (so!), wo aber wohl
nur ein Auszug aus R. P. I 2 vorliegt. Von wenig Kritik zeugt auch,
dals er unbedenklich Fragm. 92 bei Baiter-Kayser verwendet. Es be-
ruht nur auf Roger Bacon (!), der nach dem Brauch des späteren
Mittelalters den Lucullus , .Hortensius" nennt, und ist bei C. F. W. Müller
schon beseitigt. Umgekehrt hat Diels nur die Müllersche Sammlung
benutzt und so nicht gesehen, dafs das bei August, de gramm. c. 20
überlieferte philosophi morturiunt nach Fr. Schneider schon von Baiter
unter die Fragmente des Hortensius (93) aufgenommen war.
Aus dem Hortensius soll nach Usener Epicurea S. LXXV, 2
auch genommen sein die ,,sententiarum pugnantium conlatio et acutissima
et cum fide instituta" Lact. Inst. III 17, 3 — 6, was schwerlich richtig ist.
Jahresbericht über Calpurnius Sicnlus. Nemesianns.
Ausonius. Claudianus,
Von
Otto Gttthliug
in Liegnitz,
Calpurnius Siculus.
0. Eibbeck, Geschiclite der römiscben Dichtung. III.
Dichtung der Kaiserherrschaft. Stuttgart 1892. Cotta.
Calpurnius Siculus S. 47—51.
Schon im Anfange der Regierung Neros war in höfischen Kreisen
die Parole vom goldenen Zeitalter ausgegeben, welches das augusteische
noch überstrahlen werde. Im Anschlufs an Vergil wurde auch jetzt die
Pastorale dazu ersehen, Glanz und Glück der Gegenwart gleichsam
durch den Mund des Volkes in kriechenden Tiraden auszuposaunen. Den
Text lieferte ein gewisser Calpurnius. Gleich sein erstes Gedicht ist
eine rauschende Prophezeihung der neuen Ära; in der vierten Ekloge
tragen zwei Brüder einen Wechselgesang in Doppelstropheu zum Lobe
der gegenwärtigen Zeit vor; einmal (7) kehrt Corydon von Rom zurück,
wo er ein neues, glänzendes Schauspiel gesehen hat, welches der junge
Kaiser in der Arena gab; als Kitharöden und Dichter feiert den Kaiser
die erste der Einsiedler Eklogen. Die übrigen Eklogen haben nach
Ribbeck w'eiter keinen Wert. Es sind leidlich elegante, aber unselb-
ständige Nachbildungen älterer Muster, vielleicht jene in der vierten
Ekloge ei wähnten Jugendversuche: gegenseitige Neckerei und Heraus-
forderung zum Wettgesang, ohne dafs es dazu kommt (6); ein Wechsel-
gesang in vierzeiligen Strophen, Bewerbung um eine gemeinsame Ge-
liebte (2), eine reumütig eifersüchtige Liebesklage zur Versöhnung eines
beleidigten Mädchens (3). Ganz lehrhaft im Stil der Georgika sind die
praktischen Anweisungen für Schaf- und Ziegenzucht, welche ein alter
Hirt seinem jungen Schüler erteilt. — Die bekannten Motive und Rede-
blumen der bukolischen Poesie sind gleichsam aufgefrischt durch neue
Auswahl, Anordnung, zierliche Variationen, wie ein erfindungsarmer
Calpurnius Siculus. Nemesianus. (Güthling.) 249
Musiker sich ein Konzertstück aus berühmten Originalen zusammenborgt
und sich mit ein paar Harmonien eigener Mache begnügt. So Ribbeck.
"Wahrscheinlich aus demselben Kreise, vielleicht gar aus der-
selben Feder stammt das Lobgedicht auf Piso, ein poetischer Bettel-
brief eines unbemittelten Jünglings unter 20 Jahren (72; 261) von niederer
Herkunft (254 f.). Der Verfasser wünscht unter die Freunde des leut-
seligen und freigebigen Calpurnius Piso aufgenommen zu werden. Aller
AYahrscheinlichkeit nach meint er den bekannten Verschwörer gegen
Nero, der im Jahre G5 sterben mufste, denn seine Persönlichkeit, wie
sie von Tacitus geschildert wird, stimmt völlig zu dem Bilde des Lob-
gedichtes: ein altadeliger Herr von stattlichem Aussehen, populär durch
seine Liebenswürdigkeit und seine erfolgreiche Beredsamkeit als Ver-
teidiger vor Gericht, gutmütig und begabt, aber leichtfertig. Verwiesen
unter Caligula, ist er von Claudius zurückberufen und zum Ersatz-Konsul
auf kurze Zeit ernannt worden. Vgl. Teuffel-Schwabe, Geschichte
der römischen Litteratur, 5. Aufl. 1890. S. 748 ff.
Calpurnius, the eclogues, rendered into Euglish verse
by E. J. L. Scott. London. Bell. Vgl. E. D. A. Morhead, The
Class. Rev. V 7 S. 327—328. — Athenaeum Nr. 3327 (L August
1891).
Der Eezensent in der zuletzt angeführten Zeitschrift sagt, dafs die
Übersetzung vortrefflich sei, auch vom archäologischen Staudpunkt. Ich
selbst habe das Buch nicht gesehen, bin also nicht in der Lage, ein
Urteil abzugeben. Eine deutsche Übersetzung ist meines Wissens nach
,,Des Titus Kalpurnius von Sicilien elf erlesene Idyllen nach der Becki-
sclien Rekognition des Textes übersetzt und mit diesem zugleich heraus-
gegeben von Gottlieb Ernst Klausen, Altona 1807" nicht erschienen,
und ein Bedürfnis nach einer solchen dürfte auch wohl nicht vorhanden
sein. Angeregt ist übrigens Klausen zu seiner Übersetzung durch
J. F. Degen, welcher im zweiten Bande seiner Litteratur der deutschen
Übersetzungen der Römer (1794— 97) sagt: „Es wäre zu wünschen, dafs
uns ein Mann, der für alte bukolische Poesie Gefühl und Sprache genug
besitzt, den schönen Nachlafs Kalpurns, des so wenig bekannten Buko-
likers der Römer, ganz liefern möchte. Bisher müssen wir uns noch
mit einzelnen Versuchen begnügen, die aber meines Erachtens den Grad
der Vollendung noch nicht haben, den man der ganzen Sammlung
wünschen würde."
Nemesianus.
Neues ist nicht za verzeichnen.
250 Ausonius. (Gütbling.)
Ausonius.
0. Ribbeck u. a. 0.
Ausonius S. 342-348.
Nur anhangsweise behandelt Ribbeck in seinem trefflichen Werke
einige Spätlinge, welche sich an dem Bau antiker Dichtung durch Bei-
träge von eigentümlichem und dauerndem Werte beteiligt haben. An der
Spitze steht Decimus Magnus Ausonius. Der grölste Teil seiner
poetischen Kleinigkeiten (Memorierverse für seine Schüler, den Sohn,
den Enkel, den kaiserlichen Prinzen u. s. w. u. s. w.) haben nur Inter-
esse als Proben und Zeugen damaliger Bildung, und auch der Verfasser
selbst denkt bescheiden von dem Wert seiner Gedichte und verhehlt sich
nicht, dafs sie geringen Anklang finden. Auch seine Grab- und Erinne-
rungsgedichte an Verwandte und an verstorbene Professoren der Schule
von Burdigala, so gut sie gemeint und so reich an bemerkenswerten
Zügen sie sind, können auf künstlerischen Wert keinen Anspruch er-
heben. Zu der ehrbaren Philisterhaftigkeit des Inhalts stehen die an-
spruchsvollen oder gekünstelten Ij^rischen Formen bisweilen in unfreiwillig
komischem Gegensatz. — Das einzige Gedicht grüfseren Urafangs (gegen
.500 Hexameter) des Ausonius hat für uns Deutsche den Wert eines
nationalen Denkmals. Seine Berufung nach Trier gab dem empfäng-
lichen Manne Gelegenheit, die Reize der Mosellandschaft kennen zu
lernen. Ihr hat er als Sechziger in seiner Moseila eine begeisterte
Schilderung gewidmet, welche das damalige Leben an jenen gesegneten
Ufern in treuem Bilde anmutig vergegenwärtigt.*) Vgl. noch Teuffel-
Schwabe a. a. 0. S. 1062 ff.
P. Jullian, Ausone et son temps. I. Revue historique Nr. 91,
nov. — dec. 1891. II. La vie dans une cite gallo-romaiue ii la veille
des invasions. Rev. bist. janv. — fevr. 1892.
Die Revue historique ist mir nicht zugänglich gewesen, so dafs
ich aufser stände bin, die angeführten Abhandlungen zu beurteilen.
F. Stahl, De Ausonianis studiis poetarum Graecorum.
Diss. Kiel. Lipsius und Tischer. 1886. 8. 48 S.
Das, womit sich die angeführte Doktordissertation beschäftigt,
ergiebt sich aus dem Titel. S. 5—7 handelt St. von den griechischen
Lyrikern, die Ausonius gekannt hat, dessen Anklänge an dieselben an-
geftihrt werden, vgl. bes. Pythag. carm. aur. 40 — 43, mit Auson. de vir.
*) Ich erlaube mir, an dieser Stelle noch einmal aufmerksam zu
machen auf „Decimus Magnus Ausonius Mosella, frei nachgebildet
von H. Viehoff." Neue Ausg. Trier 1885. Lintz. 111. 47 S. Vgl. meinen
vorigen Jahresbericht. LXllI. Bd. (1890. II.) S. 101 f.
Ausonius. (Güthling.) 251
boD. XXX 14 — 16. S. 7 — 10 werden die Stellen aus den poetae scenici
angeführt, welchen die aus den poetae epici, namentlich Homer (S. 10 — 15)
folgen. Der Verf. kommt sodann auf die poetae Alexandrini, ^e quibus
quamquam nominat nullum, tarnen sunt qui Ausouio vestigia impresse-
rint' (S. 15 — 16). Arati phaenomena et prognostica und Ciceros Aratea
kommen nicht in Betracht, wohl aber des Germanicus" Aratea (S. 17 ff.).
S. 22 geht A^erf. über auf Auson. XVII Epitaphia heroum, qui beUo
Troico interfueruut, quae ipse in praefatiuncula dicit e Graeco versa
esse. Fontem eorum Aristotelis qui fertur Peplum dudum viri docti erue-
runt. Überhaupt hat Auson. vieles aus griechischen Epigrammen ent-
lehnt; vgl. ß. Peiper, N. Jahrb. f. Phil, und Päd. XI. Supplmtbd.
S. 229 ff.; den Schlufs bildet eine Abhandlung über das Thema Qua
arte Ausonius in vertendis Graecis usus sit.
Das Latein, welches Stahl schreibt, leidet an nicht unbedenklichen
Mängeln: wo findet man z. B. ein Wort vi tu p er i um (S. 29)? Sae-
piuscule (ebend. u. S. 11) ist ohne sicheren Beleg; wer konstruiert
contingit (S. 28) mit dem Infinitiv? Ich würde meinen Schülern eine
solche Konstruktion als groben Fehler anrechnen, wenn sich dieselbe
auch einmal bei Cicero (pr. Arch. 4; s. Halra-Laubmann z. d. St.) und
in der späteren Latinität findet. Sibi place re in aliqua re (S. 42)
ist deutsch-latein ; dafür sagt Cicero (s. Madvig zu de fin. I 39) de-
lectari in aliqua re, Sallust. Cat. 7,4 lubidinem habere in ali-
qua re; deutsch-latein ist ferner ex ipsius sera confessione con-
cludere possumus (S. 2); non semper dubitatione exemptum
est (S. 11);*) quod in tanta materiae louginquitate haud miruni
(S. 15)**) und vieles andere. Junge Philologen, die wirklich Latein
schreiben können, scheinen quasi aves albae (Cic. ep. VII 28, 2) zu
sein. — Auf der Rückseite des Titels findet sich die Bemerkung: Jra-
primatur. A. Stimming, h. t. prodecanus,'
M. Mertens, Zu Ausonius. Jahrb. f. Phil, und Pädag. 141. Bd.
(1890), S. 785—790.
Die neueren Herausgeber haben die Abfassung der Ephemeris vor
dem Jahre 367 angesetzt; II. nimmt an, dafs dieselbe an das Ende des
Jahres 378 oder an den Anfang des folgenden zu setzen ist. Sodann
handelt M, über die Zeitbestimmung der Parentalia und der damit eng
verbundenen Commemoratio professorum Burdigalensium und kommt zu
folgendem Ergebnis:
1) Die Parentalia sind nach 379 begonnen, aber nicht vor 389
vollendet worden.
*) Dubitatio heifst nie „Zweifel", sondern „Bedenken".
**) Unverständlich.
252 Ausonius. Claudianus. (Güthling.)
2) Die Professores und Epitapliia sind nach 389 entstanden. Die
Mutter des Dichters starb ungefähr 353.
Derselbe will ebend. 1892 S. 142 flf.
Grat. act. 18,82 inaccessa lesen, et Galliam veterem als
Glossem beseitigen und epist. 9, 31 statt des unverständlichen Genonis
schreiben Gelonis.
W. Drexler, Miscellauea. Jahrb. f. Phil, und Pädag. 145. Bd.
(1892), S. 357
bemerkt zu dem Worte Tiillianum in Auson. epist. 22,48, dafs auf
Grund einer von Mionnet beschriebenen Münze von Sai'des in Lydien
Tj'los in der AVeise des Triptolemos dargestellt wurde; mithin müssen
ihm auch die Eigenschaften des Triptolemos zugeschrieben worden sein.
Es sei daher nicht kühn zu vermuten, dafs der Name dieses Heros in
Tullianum verborgen liege. — R. Peiper schreibt an dieser Stelle
uilliconum, was einen ganz guten Sinn giebt.
Claudianus.
0. Eibbeck a. a. 0.
Claudianus S. 348—365.
Gröfser angelegt als Ausonius, eine reiche Dichternatur und
besserer Zeiten würdig war Claudius Claudianus, der begeisterte
Lobsänger Stilichos, von welchem er ein Idealbild zeichnet. Er versteht
gut zu charakterisieren, er zeichnet scharf und anschaulich, nur zu
giüudlich im einzelnen, bis zur Ermüdung (z. B. die Persönlichkeit des
jungen Honorius VHI 513 ff.). Am unangenehmsten berührt das Über-
mafs an Hyperbeln: keine Gottheit und kein Heros der Vorzeit ist
sicher vor demütigenden Vergleichen mit den Helden dieses Dichters.
Stilicho ist ihm mehr als Äueas und Achill, ein Herkules und Atlas,
ein Argus an Wachsamkeit und Umsicht.*) Sein Triumphzug gleicht
dem des Mars, wenn er von den Skythen heimkehrt (XXII 367 ff.) ; der
Argonautenzug und Jasons Verdienst ist nichts gegen die Leistungen
Stilichos (XXVI 9 ff.). Der Besieger Alarichs vereinigt in sich Eabius,
Marcellus und Scipio (XXVI 141). Ebenso erblafst vor der Schönheit
und Tugend seiner Gemahlin Serena der Glanz aller edelsten Frauen-
gestalten der Griechen wie der Römer (XXIX 1 ff'.). Dagegen ist recht
hübsch, frei und zierlich die kleine Gruppe lyrischer Gesänge, welche
*) Vgl. Teuffel-Schwabe a. a. 0 S. 1125: Oft stöfst Claudiaa ab
durch das Mii«verhältnis zwischen den aufgebotenen Mitteln und der Klein-
lichkeit des Gegenstandes, sowie durch das Gesuchte und die rhetorische
Mafölosigkeit seiner Ausführungen.
Claudianus. (Güthling.) 253
unter dem Titel 'fescennischer Lieder' erhalten sind, und pikanter als
die Lob- und Prunkgedichte ist die grimmige Invektive (in zwei
Büchern XVIII. XX) gegen den Eunuchen Eutropius (f 399). den
Minister des Arcadius. Sein Hauptwerk ist ^der Raub der Proserpina',
von Ribbeck ein ,, wunderschönes" Gedicht mit Recht genannt. — Vgl.
Teuffel-Schwabe a. a. 0. S. 1124 ff.
Claadii Claudiani carmina. Recensuit Theodorus Birt.
Accedit appendix vel spuria vel suspecta continens. Berolini, apud
Weidmannes. 1892. CCXXX. 610 S. 30 M.
Vgl. M. Manitius, Preufs. Jahrb. 71 S. 346—351.
Die umfangreiche, CCIV Seiten umfassende Einleitung ist höchst
wertvoll und beweist nicht blofs des Verfassers grofse Belesenheit, son-
dern auch philologischen Scharfsinn. Es folgt dann noch ein Corollarium
collectanea grammatica metrica continens (I. De orthographia; IL Ob-
servationes metricae; LII. Grammaticae observationes) ; Carminum numeri
Gesneriani cum titulis et numeratione carminum huius editionis compo-
siti und endlich Locorum in praefatione indicatorum vel meraoratorum
delectus (— S. CCXXX).
Claudius Claudianus ist aus dem griechischen Osten gebürtig und
wohl nicht vor dem Jahre 375 geboren; seine Heimatsstadt ist wahr-
scheinlich Canopus. In Alexandrien, das er als seine zweite Heimat be-
trachtete, lernte er die Dichter kennen und beschäftigte sich mit Rhe-
torik und Geschichte ; dafs er sich auch mit anderen Disziplinen befafste,
ist unzweifelhaft, da zu seiner Zeit Alexandrien noch die Metropole von
Bildung und "Wissenschaft war. Als Alexandriner dichtete Claudian, da
er die griechische Sprache vollständig beherrschte, in dieser Sprache bis
zum Jahre 394; sein erstes Gedicht in lateinischer Sprache ist der Pa-
negyricus dictus Probino et Olybrio consulibus (Anfang des
Jahres 395), was bei der äufseren Formvollendung desselben wunder
nehmen kann, da Claudian bis dahin nur in griechischer Sprache ge-
dichtet hat. Man kann nur annehmen, dafs Cl. auch vorher manche
poetische Versuche in lateinischer Sprache angestellt hat. Vgl. Birt
p. VIII: Xoli tamen credere Claudiauum nuUum antea versum
Latinum panxisse. Imme cum in prirao hoc panegyrico et ser-
monis poeticiet artis metricae paene fastigium iam escende-
rit, similia eum curiose exercuisse antea quam fontes bibit
Romanos necesse est; item in lectione scriptorum Latinorura
iam tum multus fuerat Vergilii, Statu, Horatii, Lucani, Silii
Italic!, Ovidii, Juvenalis aliorum. Id vero tenendum, nullum
eum Carmen Latinum edidisse nullumve edendi causa compo-
suisse ante Olybrium et Probinum consules.
254 Claudianus. (Güthling.)
Noch in demselben Jahre erschien das (unvollendete) Epos De
raptu Proserpinae in drei Büchern. Der Anfang- des Gedichtes ist
dem römischen Stadtpräfekten Plorentinus gewidmet, welcher während
des Krieges mit Gildo von Rom jfamem avertit, commcatu anno-
uario urbi securitatem reddidit ipsumque cardinem quasi
fulsit totius mundi' (p. XVI). Wie Claudian dazu gekommen sein
mag, dieses Gedicht oder wenigstens den Anfang desselben dem Floren-
tinus zu widmen, ist nicht recht klar; mit Recht vermifst Gesner jeden
Zusammenhang mit dem Raub der Proserpina und meint, dies Vorwort
passe zu jedem anderen Gedicht, Wedekind (Übers, des Claud. S. 299)
scheint es ein Vorwort zu einem Dankgedicht auf Stilicho zur Befreiung
Italiens aus grofser Gefahr und Stilicho selbst, der „Florentiner" zu sein;
(doch dagegen s. Birt p. XVI 1). Von Rom begab sich Claudian nach
Mailand (Birt p. XXI f.), wo damals der Sitz der römischen Regierung
war, und anno vel 402 vel 401 in cursu bonorum iam ita eum
processisse videmns, ut in schola tribunorum ac notariorum
locura haberet. Aus seinen Beziehungen zum Hofe gingen hervor
seine Panegyrici auf das dritte und vierte Konsulat des Ho-
norius, und die moralischen Partien aus dem letzteren Gedichte ge-
hören zu den meistgekannteu Stellen im Mittelalter (S. weiter unten
M. Manitius, Beiträge zur Geschichte römischer Dichter im Mittelalter).
Einen seiner Muse würdigen Helden fand nun Claudian in Stilicho.
Seiner Geburt nach wahrscheinlich ein Vandale, aber seiner Bildung
nach ein Römer, gelangte er, nachdem er früh in Kriegsdienste getreten
war, unter Theodosius zu hohen Würden und grofsem Anselm, so dals
ihm der Kaiser seine Nichte Serena zur Gattin gab, und der spätere
Kaiser Honorius Stilichos älteste Tochter Maria und nach deren Tode
die jüngste heiratete. Zunächst sicherte Stilicho die Grenzen des Reichs
gegen die Germanen, zog dann nach Westen und schaffte den Vormund
des Arcadius, des älteren Bruders des Honorius, den elenden Schurken
Rufinus, durch den Goten Gainas aus dem Wege. Darauf kämpfte er
mit dem Westgotenkönige Alarich, welcher Griechenland mit seineu
Scharen übei'schwemmt hatte, wenn auch ohne Erfolg, infolge der Treu-
losigkeit des oströmischen Ministers Eutropius, welcher die von ihm ge-
sandten Hülfstruppen zurückrief, und so entkam Alarich, der bereits
in den Gebirgen Arkadiens eingeschlossen war (vgl. Bell. Get. 517 fl'.
und de IV consul. Honor. 478 if.). Im Jahre 398 unterdrückte er den
Aufstand der Mauren unter Gildo. Dann wurden seine Talente auf die
höchste Probe gestellt, als Alarich und fast gleichzeitig das Barbaren-
heer unter Radagais in Italien einfielen. Unter heftigen Kämpfen suchte
Alarich nach Rom vorzudringen, wurde aber wiederholt, zuletzt in der
entscheidenden Schlacht bei Pollentia und Verona geschlagen.
Claudianus. (Güthling.) 255
Diese Tliaten seines Helden sucht nun Claudian durch seine
Schmähgedichte gegen Rufinus und Eutropius in ein noch lielleres
Licht zu stellen. Gegen ersteren, den Verwalter des Ostens, einen harten,
grausamen, geizigen und habsüchtigen Menschen, welcher von dem öffent-
lichen Hasse beladen war, verfafste Claudian im Jahre 396 ein Gedicht,
das im Grunde genommen mehr ein Panegyricus auf Stilicho ist. Es
folgten sodann der Panegyricus auf das vierte Konsulat des
Honorius, das Hochzeitsgedicht aus Anlal's der Vermählung
des Honorius und der Tochter Stilichos Maria sowie das Gedicht
auf die glückliche Beendigung des Krieges gegen Gilde. Dann
griff er in drei Büchern den Eutropius an, welcher den Rufinus ge-
stürzt hatte und an dessen Stelle getreten war. Dieser verrufene Eunuch
zeichnete sich ebenfalls durch Habsucht, Feigheit und Grausamkeit aus.
Nach Vollendung seines Lobgedichtes auf Stilicho, welches er in
Rom vorlas, hatte Claudian den Gipfel des Anselms und der Ehre er-
reicht und ihm wurde eine Bildsäule auf dem Forum Traianum bewilligt;
die Inschrift (s. Birt S. LXXXHI) wurde daselbst im Jahre 1493 ge-
funden. Diese Ehre einer Statue und den Rang eines Patricius erhielt
der Dichter zwischen 400—402. Seine beiden letzten Gedichte sind die
über den pollentinischen Krieg und der Panegyrikus auf das
sechste Konsulat des Honorius; ersteres las er ebenfalls in Rom vor.
Von den sogenannten kleineren Gedichten Claudians haben die
meisten meines Erachtens wenig Wert. Dahin rechne ich die fünf
Briefe anSerena, in welchen er sich bei derselben bedankt für ihre
Hilfe bei seiner Brautwerbung, anOlybrius, Probinus, Gennadius
procos. u. s. w.; ferner das auf Personen bezügliche Epigrammatische,
wie z. B. die ironische Abbitte eines tadelnden Urteils über
die Gedichte desQuästorsAlethius, de Theodore etHadriauo,
de sene Veronensi, qui suburbium numquam egressus est. Für
ganz wertlos vollends halte ich die Gedichte auf Tiere wie de phoe-
nice ave, de hystrica (Beschreibung eines Igels), de torpedine (Be-
schreibung eines Zitterrochens), ferner Gedichte über Örtlichkeiten
(Aponus u. dgl.), auf die Statuen der Brüder Amphinomus und
Anapis, welche bei einem Ausbruche des Ätna ihre Eltern gerettet
hatten u. s. w. In mehreren Claudianhandschriften finden sich Gedichte,
welche unmöglich den Claudian zum Verfasser haben können: Das
Epithalamium Laurentii, de salvatore, laus Christi, miracula
Christi, in Sirenas, laus Herculis. Die kleinen in griechischer
Sprache verfafsten Gedichte hält Birt für echt; ich glaube das auch
trotz Schenkl und Jeep, welche sämtliche griechischen Gedichte dem
jüngeren Claudianus zuschreiben, den sie für einen Verwandten des la-
teinischen Dichters halten.
256 Claudianus. (Güthling.)
"Weiter handelt Birt de traditione Claudiani maioris (S. LXXVI ff.),
de Claudiaui maioris codicibus, de Claudiaui maioris carminum ordine
und de Claudiani minoris codicibus (S. CXLVIIff.). Claudians Gedichte
warei^ nämlich im Mittelalter in zwei Gruppen geteilt, die panegyrischen
nannte mau Claudianus maior, die übrigen Claudianus minor, eine Ein-
teilung, welche nicht nur handschriftlich überliefert ist, sondern sich
auch in mittelalterlichen Citaten findet. Eine Handschrift, welche sämt-
liche Gedichte Claudians enthält, giebt es demnach nicht. Die Anführung
und Beurteilung der Handschriften ist ausführlich und genau, und von
einer jeden bekommt man ein klares Bild. Unter Heranziehung der
besten aus dieser Menge von Handschriften hat nun Birt den Text kon-
stituiert; er folgt aber nicht blindlings oder einseitig den besten Hand-
schriften, sondern verschmäht auch einige Male das Gute nicht, was
bisweilen die sogenannten Codices deteriorcs bieten; enthalten diese
letzteren doch, wie mir jeder zugeben wird, unter vielen Schlacken auch
manches Goldkörnchen. Konjekturen gegenüber, wenn sie das Eichtige
zn treffen scheinen, verhält er sich nicht ablehnend, und nicht wenige
gute Verbesserungsvorschläge, eigene wie fremde, hat er in den Text
gesetzt, ein Verfahren, das bei der gerade nicht guten Überlieferung
der Gedichte Claudians wohl allgemeine Billigung finden wird. Unein-
geschränktes Lob verdient auch der mit grofsem Fleifse hergestellte
Index nominum propriorum und noch viel mehr der Index vocabulorum.
Je bereitwilliger ich anerkenne, dafs die Ausgabe Birts eine tüch-
tige und verdicDstliche Leistung ist, so dafs auf lange Zeit hin der von
ihm konstituierte Text mafsgebeud sein wird, um so weniger kann ich
die nachfolgende Bemerkung unterdrücken. Noch ist das Lateinische die
einzige Sprache, welche in den Kreisen der Gelehrten allgemein ver-
standen wird. Ihr Gebrauch ist deshalb notwendig in wissenschaftlichen
Arbeiten, welche auch jenseits der Grenzen der Heimat auf Beachtung
rechnen wollen. Die Pflege des lateinischen Ausdrucks ist darum nicht
überflüssig. In erster Linie liegt dieselbe den Meistern der pliilologischeu
Wissenschaft ob, welche den Jüngern der Wissenschaft Vorbild und
Muster sein sollen. Ich gebe gern zu, dafs dem Gelehrten, welcher nur
der Wissenschaft dienen will, eine freiere Benutzung des Sprachmaterials
gestattet ist, wie denn F. A. Wolf, Eeisig, G. Hermann, Haase und
Schümann ein gutes Latein geschrieben haben, ohne sich ängstlich an
die sogenannte klassische Latinität zu binden. Doch haben diese Ge-
lehrten niemals ohne Not das Latein der Nachklassiker für zulässig ge-
halten, am wenigsten die Sprache der Poesie und Prosa vermengt. Birt
ist nun im Ausdrucke durchaus nicht wählerisch. Ob er etwas aus
Plautus oder einem der späteren Nachklassiker entnimmt, und zwar
selbst dann, wenn die klassische Latinität einen entsprechenden Ausdi'uck
Claudianus. (Güthling.) 257
bietet, macht ihm wenig Sorge. Folgende Proben, die ich aus meinen
Aufzeichnungen noch reichlich vermehren könnte, mögen genügen, damit
der Leser sich selbst ein Urteil bilden könne. Wir lesen p. I nomen
gentile paene praenomiuis vicem habet (?)•, p. III locum moleste tur-
batum explanem necesse est; p. IX quo de disputabitur in alio capite;
p. X ut ad panegyricum retro vertani; p. XII non sine Stiliconis
despectu sensus est (?); p. XVII illud . . . minore obscuritate laborat
(deutsch!); p. XVIII tum enim sane diu fuit quod Roma vi-
derat (für cum . . . .); p. XX an usus castreusis fiduciam ei dedit,
ut . . . . änderet?; p. XXII seuex Veronensis quiete putat; p. XXVII
eodem traho (refero?) Claudiani locum; p. XXIX Hunos . . quo modo
repellere contigerit, tacet historia; p. XXX frenos Orientis arri-
puit Eutropius; ibid. barbaris feliciter inclnsis; p. XXXI hello fei i-
citer confecto; p. XXXV infelicissime rem gerere; p. XXXVII
usque ad medium . annum 396 carminis perfectionem protendit (?);
p. XL VIII non dissuadente Orientis aula; p. LH Grothis discessus
über coucessus est (deutsch!); p. LXXVII annus Claudiani emor-
tualis; p. LXXVIII neque panegyi'icus Aniciorum aut adeo Eaptus
neglectionem passi sunt; p. CIX (CXIII) merita huius libri si
enumerarem, rem ego actara agerem; p. CXLIII quo disputandi curri-
culo permeato iam in eo sumus ut metam tangamus u. s. w. u. s. w.
II ratto di Proserpina, con commenti, critica e tradu-
zione in versi di L. Garces De Diez. Messina, fratelli Messina.
8. 605 S.
Vgl. U. Amico, II ratto di Proserpina di Claudio Claudiano, con
commenti etc. Recensione. Caltanissetta 1891, tip. Punturo. 8. 10 S.
Fr. Trump, Observationes ad genus dicendi Claudiani
eiusque imitationem Vergilianum spectantes. Diss. Breslau
1887. 8. 64 S.
Der erste Teil behandelt die Kasuslehre (Akkusativ S. 5 — 9,
Dativ S. 9—14, Genetiv S. 14—17, Ablativ S. 17—20), den Infinitiv
(S. 20—31), den accus, c. inf. (S. 31—35), den nom. c. inf. (S. 35—36),
den imperat. infin. und den sogenannten infinitivus historicus — eine
Bezeichnung, die nachgerade ein überwundener Standpunkt sein sollte —
(S. 36 f.). Der zweite Teil (S. 38 — 64) de imitatione Vergiliana giebt
ebensowenig wie der erste Anlafs zu Ausstellungen, da gegen eine Samm-
lung von Stellen aus beiden Dichtern und der Sichtung und Klassifi-
cierung derselben nichts einzuwenden ist.
E. Stöcker, De Claudiani poetae veterum rerum Roma-
narum scientia, quae sit et unde fluxerit. Diss. Marburg. 1889
8. 97 S.
Jahresbericht für Altertumswissenschaft. LXXVI. Bd. (1893, II.) 17
258 Claudianus. (Güthling.)
Claudians veterum rerum ßomanarum scientia etc. ist geflossen
aus Ennius (S. 1 — 16), aus Livius eiusque asseclis — letzteres Wort
würde ich in dem vom Verf. gebrauchten Sinne nicht anwenden —
(S. 16 — 71), wie es in der Natur der Sache liegt, nicht nur der um-
fangreichste Teil der Abhandlung, sondern auch der interessanteste.
S. 71 — 82 handelt von Sallustius, dessen Historien sowie auch sämtliche
Bücher des Livius dem Claudian bekannt gewesen sind, und den Schluls
(S.83 — 92) bildet Tacitus und eine conclusio,in welcher es heifstrSatis firmis
igitur arguraentis evicisse videmur ad historiam perdiscendam non acquie-
visse Claudianum in deteriorum scriptorum epitomis, sed proposuisse sibi
exempla cum alios tum Ennium Livium Sallustium Tacitum. Quibus
scriptoribus deditus haud parvam sibi paravit rerum gestarura cognitio-
nem poeta, ut semel tantum, quod inveniamus, erraverit in Syphacis
morte describenda (cf. p, 55 sq.).
Julius Koch, de codicibus Cuiacianis, quibus in edendo
Claudian 0 Claverius usus est. Diss. Marburg 1889.
Vgl. H. Frey tag, Wochenschr. f. klass. PhU. VII. Nr. 20.
S. 548—550.
Auf Veranlassung von Th. Birt hat Koch den Claudiankodex Am-
brosianus M 9 sup. in Mailand untersucht. Den Gegenstand seiner
Dissertation bilden die bei seiner Prüfung der Hs wahrgenommenen
Beziehungen derselben zu der im Jahre 1602 in Paris erschienenen
Claudianausgabe des Stephanus* Claverius sowie zu einigen Marginalien
des Cuiacius. Das erste Kapitel handelt ^De codicum lectionibus quas
Claverius ad Raptum, ad panegjTi'icum Olybrii et Probini et ad minora
nonnulla carmina protulit" ( — 8. 8), das zweite ,De Cuiacii in exem-
plari Gottingensi marginalibus" ( — S. 12), das dritte ^De Cuiacii mar-
ginalium Claveriique codicum consensu' ( — S. 21), das vierte ^De co-
dice Ambrosiano M 9 sup. a Cuiacio et Claverio adhibito' ( — S. 41),
das fünfte .De codice X vel altere codice Claverii' ( — S. 46), das
sechste ,De Claudiani operum catalogo, quem et Claverius tradidit et
codex Ambrosianus" ( — S. 52) und das siebente ,De codicis X aucto-
ritate et pretio' ( — S. 62).
Die Arbeit zeugt von Fleil's und Gründlichkeit, und keiner, der
sich mit Claudian beschäftigt, darf dieselbe unbeachtet lassen. Aber
das Latein, welches Koch schreibt, ist nicht einwandsfrei : es ist in
der Regel Deutschlatein z. B. noraen praetereundo tangere,
alibi Stephanus Claviger se nuncupans, accuratiore tractatu
digni esse mihi videntur (S. 1), superest de codicibus . . ob-
servatio (S. 2), Claverius . . . frequenter in uno vetere advo-
cando se continet (?) (S. 3), itaque (S. 9) sollte man doch nicht
Claudianus. (Güthling). 259
an die zweite Stelle setzen, prima manus diictu utitur satis
pingui (ebd.), de paucis exceptionibus vide iufra pg. 33—36*;
(S. 21), pretium (S. 53) bedeutet nie ^geistiger, innerer Wert', econ-
tra (S. 54) für das einfache contra sollte man nicht schreiben (s.
Schmalz, Antibarb. I S. 441), und zum Schlüsse (S. 61) heifst es:
atque iam ad calcem curriculi uostri pervenimus (ist sehr
geziert ausgedrückt). Ich will meine Leser mit mehr Beispielen nicht
ermüden; jeder kann primo obtutu — um Kochs Lieblingsausdruck
zu gebrauchen — solche linden.
Dissertationes philologae Vindobonenses. IV. Wien,
Gerolds Sohn. 1893. 203 S. 8.
Dieser Band enthält drei Abhandlungen, von welchen die dritte
betitelt ist
De iraaginibus similitudinibusque, quae in Claudiani
carminibus inveuiuntur, disputavit Carolus Müllner.
Dieselbe steht S. 99 ff. Die Abhandlung ist mir nicht zugegangen;
ich setze deshalb hierher, was M. Heller über dieselbe in der Wocheu-
schr. f. klass. PhU. 1893 Nr. 20 S. 544 gesagt hat.
Als Ergänzung der Arbeiten von Ribbeck, Zingerle, Gramlewicz,
Jeep u. a. giebt Müllner aus eingehender Lektüre des Dichters heraus
eine Gesamtübersicht über die bei Claudian sich ündenden Bilder und
Vergleichungen. Er behandelt nacheinander die Ausdrücke, welche auf
Götter, Menschen, Tiere und leblose Gegenstände sich beziehen. Doch
scheint dieses Einteilungsprinzip nicht sehr glücklich gewählt zu sein,
da es füi' die Erkenntnis der Kunst des Dichters ganz irrelevant ist.
Da Verf. die verschiedenen poetischen Ausdrücke stets auf ihre griechi-
schen und lateinischen Vorbilder zurückzuführen sucht, so dürfte eine
Einteilung des Stoffes nach dem Gesichtspunkt der mehr oder minder
grofsen Abhängigkeit Claudians von seinen einzelnen Vorgängern wohl
fruchtbringender gewesen sein. Doch wird die Arbeit auch in dieser
Eorm von Freunden der Muse Claudians nicht unbeachtet bleiben.
Th. Birt, De velis Judaicis, Rhein. Museum 45 (1890)
S. 491—493.
B. behandelt die Stelle in Eutrop. 350—357, besonders die vela
Judaica, die mit Indiens luftigen Wesen bemalt sind, und kommt mit
Berufung auf Plaut. Pseud. 147 zu dem Schlüsse, dafs es wahrscheinlich
sei ,vela a Judaeis Alexandrinis iam Plauti aetate fabricata vel venum
ire solita esse eamque ibi mercaturam floruisse per annorum millenornm
•) Ein prächtiges Deutsch-Latein für: de paucis .... postea disputa-
bimus. cf. pg. 33—36'.
17*
200 Claudianus. (Güthling.)
plus quam diniidiura, a niaximo inde Scipiouum usque ad magnum Theo-
dosiuni. — G. L. König wollte übrigens 356/57 streichen, Burraann
vinctos lesen für iunctos, Lydiacis für Judaicis H. Grote,
Niliacis oder in Attalicis Heinsius: alles überflüssig; dagegen not-
wendig scheint mir zu sein L. Jeeps quod für quae 357, ut coniun-
geudum esset quidquid inane ludia nutrit, quod pingitur Ju-
daicis velis, quae structura paulo liberior nee tarnen ea inaudita".
Th. Birt, Zwei politische Satiren des alten ßom. Ein
Beitrag zur Geschichte der Satire. Marburg i. H. Elwert. 1888.
III. IBO S.
Ebensowenig wie Ed. Z e (vgl. Lit. Centralblatt 1888, Nr. 35
S. 1195 f.) kann ich Birt beistimmen, welcher seine Ansicht zu be-
gründen sucht, Claudian sei in seiner Invektive gegen Eutropius durch
des Lucilius 26. Buch angeregt und bei der Durchführung desselben
wesentlich beeinflufst worden. Vgl. noch E. Zarncke, Burs.-Müll. Jahres-
ber. LXXIII(1892. III) S. 322; Fr. Marx, Deutsche Litterat. -Ztg. 1888
Nr. 18 S. 662 f.; J. Mähly, N. philol. Rdsch. 1888 Nr. 15 S. 236 ff.;
J. Stowasser, Ztschrft. f. d. öst. Gymn. XXXIX 11 S. 984 1; J.
Proschberger, Blätter f. d. bayr. Gymn. XXV 7 S. 334 ff.; L.Jeep,
Berl. phil. Wochenschr. 1890 Nr. 21 S. 664 f., nach welchem Birts Ver-
mutung sehr viel "Wahrscheinlichkeil für sich hat.
M. Manitius, Beiträge zur Geschichte der römischen
Dichter im Mittelalter. 2. Claudianus. Philologus 49 (1890),
S. 554—560.
Claudian findet sich nur selten in alten Handschriftenkatalogen
erwähnt, und mit der Seltenheit solcher Erwähnungen stimmt die ge-
ringe Anzahl der erhaltenen Handschriften überein. Doch so unbekannt,
wie es darnach scheinen könnte, ist der Dichter im Mittelalter nicht
geblieben, denn Citate aus seinen Gedichten finden sich bei vielen mittel-
alterlichen Schriftstellern, und die moralischen Partien aus de IV cous.
Honorii gehören beinahe zu den meistgekannteu Stellen überhaupt. Da
in späterer Zeit die Gedichte ad Eufinum und in Entropium zu den
Schulbüchern gehörten, müssen dieselben sehr verbreitet gewesen sein.
Mehrere Verse Claudians finden sich nun bei Augustinus, Orosius, Paulus
Diaconus, in der Historia miscella des Landulfus Sagax und bei Otto
von Freising; aus der älteren Zeit haben namentlich folgende Autoren
den Claudian benutzt: Alcimus Avitus (s. Peiper im Anhange seiner Aus-
gabe und Manitius, Ztschrft. f. d. öst. Gymn. 1886 S. 244 ff.), Sidonius
Apollinaris, welcher sich sehr stark an Claudian anlehnt (s. L. Jeeps
Ausg. II p. LVII ff.), Ennodius, Corippus und Venantius Fortunatus,
Claudianus. (Güthling.) 261
welcher unseren Dichter sehr stark benutzt hat. Jedenfalls ist Claudian
zur Zeit Karls d. Gr. auch ins Frankenreich gelangt, da einige seiner
Werke in Frankreich und Deutschland schon im neunten Jahrhundert
vorhanden waren. Es scheint allerdings lange gedauert zu haben, bis
sich die Kenntnis seiner Werke etwas verbreitete.
Nach den interessanten Zusammenstellungen, die Manitius nun über
die Bekanntschaft mit den Gedichten Claudians giebt, war derselbe am
meisten in Frankreich bekannt und verbreitet, wo z. B. Alanus de In-
sulis sich in dem Anticlaudianus gegen Claudian richtet und seinen
Antirufinus dem Rufinus des Claudian gegenüberstellt; ferner in Deutsch-
land und England, weniger in Italien und noch weniger in Spanien. —
Von Florilegien ist der Cod. Berol. ms. Diez. B. Santen. 60 zu er-
wähnen, wo sich Fol. I^ findet ,proverbia Claudiani', Fol. 25^ ^Claudianus
contra Ruphinum'. — In derselben Weise behandelt Manitius noch
ITartialis.
Julius Koch, Claudianea. Philologus 49 (1890), S. 567— 570
und 744—748.
In Eutrop. I 504 will Koch lesen Agnosco fremitum quo palluit
Eurus; in Eutrop. II pf. 32 via facit pretium; Epithal. de Nupt. Hon.
108 fordert er für rapi eine andere Wortbedeutung, indem er zunächst
erinnert an seine Verwendung für sorberi wie in Ruf. I 207, II 122.
Venus wird gleichsam von den Spiegeln eingeschlürft und zwar immer
von demjenigen, auf den sie blickt, so dafs quocumque videt durch
Atti'aktion gesagt ist für rapitur a tecto quodcumque videt. Zur
weiteren Empfehlung dieser Wortbedeutung wird Juvenal. VII 183 (al-
gentem rapiat cenatio solem) und Plin. Hist. Nat. 37, 132 (qui-
dam causam nominis [sc. astrion] reddunt, quod astris opposita
fulgorem rapiat et regerat) herangezogen. De tert. cons. Hon. pf. 3
schreibt Koch in Anlehnung an die Florentiner Excerpte:
e scisso saliit cum tegmine proles.
De tert. con. Hon. 116 ff. findet K. einen auffallenden Sprachgebrauch
in den Worten in te, wofür Heinsius per te lesen wollte, und schlägt
vor zu schreiben
rursusque locutae
Uenti Chaoniae moverunt carmina quercus,
S. 744 f. handelt K. von dem syntaktischen Zusammenhange der Stelle
in Mall. Theod. 311 ff. Er hält es nicht für notwendig, mit Jeep nach
315 den Ausfall eines Satzes anzunehmen; die Punkte in 315 und 319
werden zu tilgen sein. De quart. cons. Hon. 190 schlägt Koch Arctis
für astris vor; de sext. cons. Hon. 48 arvaque für aeraque; ebd.
2()2 Claudianus. (Giithling.)
205 hie, rursus tum pacta movet; Bell. PoUeut. 174 devia rura
für devia rerum: ebd. 632 ft". acies araisit in annis. Anstofs
nimmt Koch schliefslich, ohne eine Emendation vorzuschlagen, an in
Curetium 10 ea dem und de piis fratribus 20 meruere.
R. Vari, Egyetemes Philologai Közlöni (Zeitschrift für
allgemeine Philologie), Budapest 1889, Supplementband S. 361—365,
handelt über ^einViridariumkodex des ungarischen Nationalmuseums'.
Die Hs. stammt aus saec. XV und enthält Excerpte aus Prudentius,
Claudianus, Vergilius, Caius Valerius, Statins, Lucanus und Ovidius.
"Wie aus den mitgeteilten Vai-ianten ersichtlich, ist der Text wertlos,
dies ein- für allemal zu konstatieren, machte sich der Verf. zur Aufgabe.
/
JAHRESBERICHT
über
die rortschiitte der classischen
Alterthumswissensehaft
begründet
von
Conrad Bursian,
herausgegeben
von
Iwan V. Müller,
ordentl. iiü'entl. Piolessor der classischen Philologie an der Universität München.
Siebenundsiebenzigster Band.
Einundzwanzigster Jahrgang. 1893
Dritte Abtheilung.
ALTERTHUMSWISSENSCHAFT.
Register über die drei Abtheilungen.
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BERLIN 1894.
VERLAG VON S. CALVARY & CO.
NW., Luisenstr. 31.
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JAHRESBERICHT
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die rortscMtte der classischen
AlteFthumswissensehaft
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Conrad Bursian,
herausgegeben
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Iwan V. Müller,
ordontl. iiä'eiitl. Professor der classischen Philologie an der Universität München.
Siebenundsiebenzigster Band.
Einundzwanzigster Jahrgang. 1893.
Dritte Abtheiluug.
ALTERTHUMSWISSENSCHAFT.
Register über die drei Äbtheilungen.
BERLIN 1894.
VERLAG VON S. CALVARY & CO.
NW., Luieenstr. 31.
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T 11 h a 1 1 s • V e r z e i c h 11 i s s
des sieltonundsiebeuzigsten Baudet:.
.Tahn'sluM'icht üIxt die (TiMiorapJiic von .Aüttcl- und OIhm-
Italion. dem iMiniisflicn Gallien, P)j-itainii(Mi und Hispa-
ni(Mi. \(.n Dil. Prot. Dl. I) Detletsen in Glückstadt. 1—28
Bei'iclit iil)t'r Geograidiie von (iiiecheniaiid. Von Prof.
Dr. Eniicn Olx^rliunijiicr in ^[ünrlien .... 29 — 9fi
Jahresboriclit über die lateinische Graniinatik. \on
Direktor Dr. A\'. Deecke in ^lühlhaiisen . . . 97 — Höti
Jahresbericht über die Geographie von Mittel-
und Ober-Italien, dem römischen Gallien,
Britannien und Hispanien.
Von
Direktor Professor Dr. D. Detlefsen
in Glückstadt.
I. Allgemeiner Teil.
Der letzte Jahresbericht über die Geographie der nördlichen Pro-
vinzen des römischen Reiches erschien im Jahre 1881 (Bd. XXVIII, 380
bis 396). Inzwischen haben sich erfreulicher Weise die Studien diesem
Gebiete in so ausgedehnter Weise zugewandt, dafs es nicht wohl mög-
lich ist, einen Bericht darüber zu geben, der nicht einen allzugrofsen
Raum in Anspruch nähme. Es geschieht daher im Einverständnis mit
der Redaktion, dafs der Berichterstatter dies Mal den weitschichtigen
Stoff in zwei Abteilungen trennt, deren erste sich auf die Quellenschrift-
steller des Altertums, und zwar in der Kürze auch auf solche, die über
den Rahmen der Nordprovinzen des Römerreiches hinausgehen, bezieht,
während der zweite, den Provinzen der Reihe nachfolgend, die Fort-
schritte verzeichnen wird , welche die geographische Erforschung der-
selben gemacht hat. Die Anordnung der ersten, hier vorzulegenden Ab-
teilung wird sich der zeitlichen Folge der Quellenschriftsteller möglichst
anschliefsen; doch wird es nicht angebracht sein, hier die Resultate der
Einzelkritik hervorzuheben, die in der zweiten Abteilung ihren Platz
finden mögen, sondern die Gesichtspunkte und Richtungen, welche die
Einzelstudien festgehalten und eingeschlagen haben, kurz anzugeben. Vor-
anzustellen sein wird der Bericht über ein paar allgemeinere einschlägige
litterargeschichtliche Arbeiten.
1) Dr. M. C. P. Schmidt, Zur Geschichte der geographischen
Litteratur bei Griechen und Römern. Prog. des Askanischen Gymn.
zu Berlin 1881. 27 S. 4.
Die Arbeit giebt eine allgemein verständliche , zeitlich geordnete
Darstellung einer Reihe alter geographischer Schriftsteller von den Kar-
thagern Hanno und Himilko, dem Griechen Skylax an bis zu Herodot;
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft LXXVII. Bd. (1898. III.J 1
2 Älteste Geographen.
sie entspricht also nicht voll ihrem Titel. Ist sie auch mit Fleifs gear-
beitet, so enthält sie doch kaum etwas wissenschaftlich Neues. Mit Vor-
liebe macht der Verf. auf solche Nachrichten der Alten aufmerksam, die
in der Neuzeit teils ihre Bestätigung, teils, nachdem sie lange für wahr
gehalten, ihre Widerlegung fanden.
2) H. Berger, Geschichte der wissenschaftlichen Erdkunde der
Griechen. Erste Abt. Die Geographie der Jonier. Leipz. 1887, Veit
& Co. 145 S. 8. 2. Abt. Die Vorbereitungen für die Geographie der
Erdkugel. Ebd. 1889. 150 S. 8.
Dies Werk ist sicherlich die bedeutendste wissenschaftliche Lei-
stung des letzten Jahrzehnts auf dem Gebiete der Geschichte der älteren
griechischen Erdkunde, deren Umrisse dadurch wohl auf lange Zeit fest-
gelegt sind. Beide Abteilungen habe ich in der Berliner philol. Wochen-
schrift 1887, 244 ff. und 1892, löff. kurz angezeigt. Da sie die römische
Erdkunde und ihre Quellen noch kaum an irgend einem Punkte be-
rühren, so darf ich hier wohl auf ein näheres Eingehen verzichten.
3) H. Entz, Über den Periplus des Hanno. Progr. von Marien-
burg 1884. 48 S. 4.
Der Verf. ist mit all den Fragen, die bei der Behandlung dieser
altehrwürdigen Urkunden in Betracht kommen, sehr genau vertraut; er
stellt es sich zur Aufgabe, die bisherigen Ansichten über die Stationen
und die Ausdehnung der in ihr beschriebenen Entdeckungsreise noch
einmal nachzuprüfen und zu klären. Dazu zieht er neu heran die Karten
und besonders die Reiseberichte der Neueren über die afrikanische West-
küste, indes nicht ohne sie stets mit den älteren zu vergleichen. So ver-
folgt er schrittweise in Einzeluntersuchungen den Weg Hannos von den
Säulen des Herkules an, als welche er Gades und das Kap Spartel er-
mittelt. Über die ersten Stationen sind die Abweichungen von C. Müller
(in den Geogr. gr. min.) weniger bedeutend , wohl aber in den letzten.
Er setzt den Chretes gleich dem Senegal, den Krokodilflufs gleich dem
Gambia, das 'Eanifjou y.ipag gleich dem Golf der Elfenbeinküste, SziLv
o/JjIw. gleich dem Ningo Peak , das ^ötou xifja^ gleich dem Golf von
Benin. Die Vermutungen über diese Örtlichkeiten werden aber damit
wohl nicht abgeschlossen sein, da sie auf einer vielfach unsicheren Grund-
lage beruhen. Der Druck der griechischen Citate ist leider übervoll an
Fehlern.
4) J. Geffken, Timaios Geographie des Westens (Philol. Unters,
herausg, von A. Kiessling und M. von Wilamowitz-Möllendorf. 13. Heft)
Berl. 1892. 206 S. 8.
Müllenhoff hatte gegen den Schlufs des ersten Bandes seiner deut-
schen Altertumskunde die Untersuchung über die auf Timäus zurück-
Timaeus. 3
gehenden Bestandteile der ältesten Kunde vom Westen und Norden
Europas in umfassender Weise aufgenommen und mit mehr oder minder
Wahrscheinlicbkeit besonders aus den pseudo-aristotelischen Mir. ausc.
und aus Diodor den zuletzt in den Fragm. bist, graec. B. 1 gesammelten
Schatz der Bruchstücke jenes Schriftstellers beträchtlich vermehrt. Seinen
Spuren ist G. gefolgt, aber noch weit über sie hinausgegangen, indem
er (S. 1 — 99) nicht nur Müllenhoffs Untersuchungen nachprüft und die
Resultate erweitert, sondern auch indem er den Lykophron und dessen
Scholien, sodann den Trogus, Varro, Vorgil und Silius Italicus als Aus-
nutzer des Timäus heranzieht. Zwar hat er auch auf diesen Gebieten
hier und da Vorarbeiter gehabt, indes in so umfassender und systema-
tischer Weise, wie von ihm, waren diese Fragen noch nicht behandelt
worden.
Auf Grund dieser Einzeluutersuchungen hat G. dann (S. 100 — 171)
all die Bestandteile jener Schriftsteller, die er auf Timäus zurückführt,
geographisch geordnet, so dafs Sicilien, die umliegenden Inseln, Illyrien
mit Liburnien, Italien, Ligurien mit Gallien und Spanien, Britannien,
Libyen , endlich Korsika und Sardinien die einzelnen Abschnitte be-
zeichnen.
»Das wäre also etwa Timaios' Geographie des Westens, wie sie
sich heute noch zurückgewinnen läfst, vielleicht eher noch zu wenig als
zuviel«; so beginnt der Verf. einen letzten Abschnitt (S. 172—191) mit
der Überschrift: Schlufsresultat. Er giebt hier eine ausgeführte Charak-
teristik des Schriftstellers, weiter eine Übersicht seiner Nachwirkung und
seiner Gegner bis zu Dionysius von Halicarnafs, während er bei Plinius
mit Zweifeln, bei den späteren Schriftstellern, die den Timäus nennen,
sicher keine unmittelbare Entlehnung annimmt. An das so gewonnene
Urteil des Altertums über Timäus knüpft er endlich noch einige beach-
tenswerthe Bemerkungen über die Bedeutung der von ihm gesammelten
Nachrichten für die Ethnographie.
Überhaupt haben diese Nachrichten ja mehr einen mythographi-
schen, historischen, antiquarischen und ethnographischen als im engeren
Sinne geographischen Wert, und die Fülle sowie der reiche Inhalt der-
selben in jenen Beziehungen ist in G.'s Zusammenstellung in der That über-
raschend. Ob freilich alle seine Aufstellungen stichhaltig befunden werden,
darf vielleicht bezweifelt werden, denn wie G. öfters von Müllenhoff und dessen
Rezensenten Gutschmid abweicht, so werden andere Gelehrte ohne Zweifel
wieder von ihm in manchen Einzelheiten abweichen; läfst sich doch, wie
überall auf diesem Gebiete, so auch hier nur zu einer mehr oder minder
beschränkten Wahrscheinlichkeit gelangen, und ist doch bei der ganzen
mehr nur sammelnden Thätigkeit des Timäus ein klares, ihn von andern,
ähnlichen Schriftstellern späterer Zeit deutlich unterscheidendes Merkmal
gar nicht oder nur selten nachweisbar. Als Beispiel, dafs G. nicht immer
die neuesten Hilfsmittel verwertet hat, führe ich eine merkwürdige, un-
1*
4 Polybius.
sere nordische Geographie betreffende Stelle an, in Betreff deren er sich
blindlings auf ein veraltetes Citat Müllenhoffs verlassen hat. In dem von
Timäus benutzten Berichte über das Bernsteinland (bei Plin. N. H. 37,35)
schliefst er sich (S. 68) ganz jenem (in der Deutschen Altertsk. 1, 476 ff.) an,
der von der in Silligs Ausgabe vorgezogenen, schlechteren Überlieferung
jüngerer Handschriften ausgehend gutonibus in teutonibus ändert und
die Lesart der besten Handschrift B guionibus nicht einmal erwähnt,
auf Grund deren Müller in seinem Ptolem. 1, 423 zu ganz andern Re-
sultaten kommt, indem er dafür Suionibus einsetzt. Ob dies mit Recht
geschehen, will ich nicht entscheiden; denkt man mit MüUenhoff an
die Nordseeküste als Wohnort des bei Plinius genannten Volkes, so kann
man in den Guiones auch wohl eine, vielleicht .schon auf Pytheas zu-
rückgehende Verstümmelung aus Inguiones, d. h. Inguaeones sehen. Aber
auch Müller bat so wenig wie MüUenhoff und G. im weiteren Text die
bessere Überlieferung zu Rate gezogen. Freilich ist das letzte Buch
der Nat. Hist. in allen Handschriften arg entstellt und verstümmelt, dafs
aber Sillig hier die Verwandtschaftsverhältnisse derselben in keiner Weise
durchschaute, glaube ich in meiner 1873 erschienenen Ausgabe desselben
bewiesen zu haben. Danach ist der Name des aestuarium, in dem der
Bernstein vorkam, nicht Metonomon, wie G. nach MüUenhoff schreibt,
sondern Metuonis (Metuonidis nomine), ein Name, dessen Endung — is
auf griechische Überlieferung hinweist, während die Silbe — uon —
wohl als eine germanische Ableitung zu deuten ist.
Indes, mögen auch noch manche andere Stellen des Buches Zweifel
und Widerspruch veranlassen, es ist jedenfalls sehr anregend und wird
sicherlich der weiteren Forschung über Timäus und die alten Geographen
vielfachen Anstofs geben.
5) Wagner, Die Erdbeschreibung des Timosthenes von Rhodos.
Leipzig 1888.
Das Buch ist mir erst nachträglich und nur dem Titel nach be-
kannt geworden.
6) M. C. P. Schmidt, Über die geographischen Werke des Poly-
bios, in Fleckeisens Jahrb. 28. Jahrg. 1882. S. 113 — 122.
Der Verf. widerlegt die von verschiedenen Gelehrten aufgestellten
Ansichten, dafs Polybios aufser dem 34. Buch seiner Geschichte noch
geographische Abhandlungen geschrieben habe. Zwei angebliche Schriften
de zonis et polis mundi und ein periplus oris libycae sind ohne Schwierig-
keit zu beseitigen, die dritte r.tpi zr^q -stA tuv lar^jispivov ocx^cracug,
welche von Geminos citiert werde, ist nach dem Verf. wohl nur als ein
Teil von B. 34 anzusehen, wie denn auch bei anderen Schriftstellern bis-
weilen Teile einzelner Bücher mit Sondcrtiteln bezeichnet werden.
Artemidor, Posidonius, Varro. 5
7) G. Rüge, Quaestiones Artemidoreae in doii Commentationes
Ribbeckianae. Lips. 1888. S. 475—485.
Der Verfasser behandelt die §§8 — 19 des Agathemerus, die einen
Periplus der Hauptmeerbusen und die Mafsangaben der Erdteile ent-
halten, um zu ermitteln, aus welcher Quelle sie stammen. Als solche
stellt er teils Eratosthenes, teils Artemidor auf. Manche Punkte hatte
ich bereits in der unter No. 10 zu besprechenden Arbeit behandelt, die
dem Verf. unbekannt geblieben war. Unsere Resultate stimmen vielfach
nicht zusammen, doch glaube ich auf den meinen bestehen zu dürfen.
8) F. Schühlein, Studien zu Posidonius Rhodius. Progr. von
Freising. 1886. 80 S. 8.
Die Arbeit besteht aus einer Reihe einzelner Studien, deren fünf
erste sich auf die Chronologie der Lebensgeschichte des Posidonius be-
ziehen. Der sechste behandelt seine Reisen, nach dem Westen bis Gades
hin, sucht deren Zeit und Dauer sowie die Umstände, unter denen sie
gemacht wurden, näher zu bestimmen, ohne, wie es scheint, wesentlich
Neues zu ermitteln. Die letzten vier betreffen wieder Einzelheiten aus
der Lebensgeschichte, vier kurze Anhänge geben sachliche Erklärungen
zu einzelnen geographischen Fragmenten.
9) R. Reitzenstein, Die geographischen Bücher Varros, im Her-
mes XX (1885) 514—551.
Die Arbeit behandelt in vortrefflicher Weise die Fragen nach dem
Inhalt der libri disciplinarum, legationum und de ora maritima, sowie
der Bücher VHI — XHI der antiquitates Varros, in denen de locis ge-
handelt war. Zwar kann hier vielfach nur mit Möglichkeiten und nur
selten mit Wahrscheinlichkeiten gerechnet werden, indes sind die Aus-
führungen des Verf. mit grofser Umsicht und Vorsicht gegeben. Die
beiden zuerst genannten Werke werden aus der Zahl der eigentlich geo-
graphischen ausgeschieden, in den Büchern de ora maritima wird eine
Art von Belehrung und Anweisung für Schiffer gefunden, da von den
Winden, den Wettervorzeichen, den Flutströmungen, den Seeküsten und
ähnlichem gehandelt war. Solin citiert das Buch nachlässig unter dem
Titel de litoralibus, Vegetius als libri navales.
Dagegen werden die zahlreichen chorographischen , mit Sicherheit
oder Wahrscheinlichkeit auf Varro zurückzuführenden Bruchstücke viel-
mehr den Büchern de locis in den antiquitates zugewiesen. Besonders
gelungen scheint der Nachweis zahlreicher Reste derselben bei Festus,
die sich vielfach mit Stellen in Plinius geographischen Büchern nahe
berühren und auf eine umfassende Benutzung der antiquitates durch
letzteren schliefsen lassen. Auch die Konkordanzen zwischen Mela, Pli-
nius und gewissen Solinstellen werden hierfür ausgenutzt. Ich möchte
6 l'liuius.
CS gar für wabrscheiulich lialteu, was der Verf. uicbt ausführt, dafs die
von mir auf Varro zurückgeführten Teile der Beschreibung Spaniens bei
Pliüius (s. Comment. Momnis. 28) auf dieselbe Schrift zurückgehen, zumal
da die Zeit, in der sie verfafst sein müssen, dazu stimmt; denn als
solche glaube ich die Jahre zwischen 705 und 727 festgestellt zu haben,
während die libri antiquitatum im Jahre 707 verfafst zu sein scheinen.
Besonders im Plinius dürfte eine methodische Untersuchung noch manche
weitere Reste varrouischer Gelehrsamkeit mit nicht geringer Wahrschein-
lichkeit nachweisen können, die denselben Büchern zuzuschreiben sind.
Der Wunsch, den ich am Schlufs des Jahresberichtes von 1881
ansprach, es möge die Untersucliung über die geographischen Bücher
des Plinius und ihre Quellen mit neuen Kräften aufgenommen werden,
ist inzwischen nach verschiedenen Seiten hin erfüllt worden. Eine An-
zahl von Gelehrten hat eine gewisse Gruppe von Quellenschriften, die
durch besondere Eigentümlichkeiten leicht im übrigen Texte erkennbar
sind, zum Gegenstand ihrer Forschungen gemacht, und nicht ohne Er-
folg. Immer deutlicher tritt nach Inhalt, Umfang und Form besonders
das statistische Werk hervor, welches eine Übersicht der Gemeinden des
römischen Reiches zur Zeit des Augustus enthielt; über dessen Verfasser
freilich sind die Ansichten noch geteilt. Auch über andere Quellen ist
mancherlei Äufschlufs gewonnen.
10) D. Detlefsen, Die Mafse der Erdteile nach Plinius. Pro-
gramm von Glückstadt 1883. 16 S. 4.
Plinius bestimmt das Gröfsenverhältnis der Erdteile zu einander
aus den Summen ihrer Küstenausdehnung längs des Mittelmeeres und
ihrer gröfsten gemessenen Breite innerhalb des Umfanges des römischen
Reiches. Diese Mafsangaben hat Plinius gröfstenteils aus Artemidor
entlehnt. Während sie 2, 242 ff. in ihrer Gesamtheit zusammengestellt
sind, kehren die meisten einzeln in der Länderbeschreibung der folgen-
den Bücher wieder. Alle diese Zahlen werden unter Hinzuziehung der
sonstigen Überlieferungen textkritisch behandelt, wobei insbesondere die
dem Plinius eigentümliche Zahlenschreibuug berücksichtigt wird.
11) D. Detlefsen, Untersuchungen zu den geographischen Bü-
chern des Plinius. 2. Die Quellen des Plinius in der Beschreibung
des Pontus. Philologus Bd. oo, S. 691—704.
Die Arbeit enthält eine der obigen ähnliche, sich besonders au die
Zahlenüberlieferung anschliefsende Untersuchung über die Quellen des
Plinius in der Beschreibung des in sich abgeschlossenen Gebietes des
Pontus. Eratosthenes, Varro, Artemidor und Agrippa kommen dabei be-
sonders in Betracht.
Einen ganz verschiedenen Weg schlägt ein
Augustus. 7
12) E. Seh weder, Beiträge zur Kritik der Chorographie des
Augustus. Dritter Teil. Über die »Chorographia«, die römische Quelle
des Strabo, uud über die Provinzialstatistik in der Geographie des
Plinius. Kiel 1883. 59 S. 8.
Über Teil 1 dieser Beiträge s. Jahresb. VIII, 310, über Teil 2 ebd.
XXIII, 91; diesen 3. Teil habe ich bereits im Philol. Anz. 1883, 566ff.
recensiert. Hier werde nur kurz wiederholt, dafs der Verf. schon im
Teil 2 die von Mülleuhoff und Mommsen aufgestellte Ansicht verfochten
hatte, dem Werke des Mela und den geographischen Büchern des Plinius
liege hauptsächlich eine gröfsere, auf Aniafs des Augustus verfafste
Schrift über den gesamten Erdkreis zu Grunde. Er versucht nun diese
Ansicht weiter auszuführen und ebenfalls bei Strabo einen gröfseren Be-
standteil jenes Werkes nachzuweisen. Ist die Arbeit auch mit grofsem
Fleifse ausgeführt und durch die Zusammenstellung der Konkordanzen
dankenswert, so kann ich doch ihren Schlufsfolgerungeu in den Haupt-
sachen eben so wenig beitreten, wie denen der früheren beiden Teile.
13) E. Borraann, Bemerkungen zum schriftlichen Nachlasse des
Kaisers Augustus. Rektoratsprogramm der Universität Strafsburg für
1884. Marb. 1884. 40 S. 4.
Die Abhandlung beschäftigt sich in ihrem ersten Teile mit dem
Monumentum Ancyranum, im zweiten (S. 33flf.) mit der augusteischen
Reichsstatistik und insbesondere mit der äufseren Form der darin gege-
benen Gemeindeverzeichnisse, doch beschränkt sie sich nur auf Italien.
B. kommt zu der durch die Form dieser Verzeichnisse bei Plinius nahe
gelegten Ansicht, dafs die einzelnen Namen in der Form des Ethnikon
aufgeführt seien, und dafs Plinius durch zufällige Beisätze, die er bei
einzelnen Namen hinzufügte, veranlafst sei, hie und da den Ortsnamen
selbst einzusetzen, so dafs er regelmässig z. B. Amerini, Attidiates u. s. w.,
nur ausnahmsweise z. B. Caesena, Claterna u. s. w. schrieb. Doch kann
dieser Wechsel in der Form wohl auch mit dem in manchen ähnlichen
Dingen erkennbaren Streben des Plinius zusammenhängen, das er in
der Praef. 15 ausspricht: Res ardua vetustis novitatem dare . . . obso-
letis nitorem . . . fastiditis gratiam; er wollte einfach Wechsel in die
Eintönigkeit bringen, wie er denn auch die jenem Verzeichnis sicher
entlehnten oppida der Provinz Afrika (5, 29 f.) wieder in anderer Form
als Assuritanum, Abutucense u. s. w. aufführt. Welche Formen also
Augustus im Verzeichnisse vorgezogen habe, läfst sich auf diesem Wege
schwerlich bestimmen ; die aus mehreren Werken zusammengesetzten Na-
men der Kolonien und Municipien der Provinzen wird er aber schwerlich
mit dem Ethnikon angeführt haben. Beifall wird auch die Ansicht B.s
schwerlich finden, dafs Augustus die von ihm selbst angelegten Kolonien
Italiens durch den Beisatz »coloni mei« von den übrigen unterschieden
g Augustus.
habe, für welche absonderliche Aunahme die augeführten Gründe schwer-
lich ausreichen.
14) 0. Cuntz, De Augusto, Plinii geograpborum auctore. Doktor-
diss. Bonnae 1888. 49 S. 8.
Diese Arbeit behandelt ausführlich einige von mir in den Comment.
Mommseuianae S. 23 — 34 nur kurz angedeutete Fragen über die Ein-
richtung der augusteischen Reichsstatistik; sie beschränkt sich auf die-
jenigen westlichen Provinzen des Reiches, über welche die hierher ge-
hörigen Angaben am vollständigsten vorliegen, und sucht durch Beob-
achtung der in den Städtereihen vorkommenden und noch nicht vor-
kommenden Rang- und Nameuangaben genauer zu bestimmen, zwischen
welchen Jahren die Gemeindeverzeichnisse der einzelnen Provinzen an-
gelegt sind. Dem Verf. steht es also nicht von vornherein fest, was an
sich doch wahrscheinlich ist, dafs der Urheber der Verzeichnisse, ob es
nun Agrippa oder Augustus war, den genauen Gemeindebestand des
Reiches in einem bestimmten Zeitpunkte habe angeben wollen. Streng
genommen hätte der Verf. auch die drei spanischen Provinzen gesondert
und nicht als ein Ganzes betrachten müssen, indem er festellt, dafs
deren Listen nach 19 oder 15 v. Chr. Geburt und vor den letzten Jahren
des Augustus verfafst seien. In der Textgestaltung der Listen dieser
Provinzen schliefst er sich in allem Wesentlichen den von mir aufgestellten
Ansichten au und begründet S. 12 f. ausführlicher die Eigenschaft von
Bilbilis als Kolonie.
In ähnlicher Weise behandelt er dann die Städtelisten der Narbo-
nensischen Provinz. Besonders schwierig ist in der augusteischen Be-
schreibung Italiens die Lösung der Frage, welcher Art und welchen Ur-
sprungs die Kolonien sind, welche dort genannt werden. Der Verf. be-
handelt sie zunächst iu einem Exkurs S. 19tf. de coloniis Tiberianis, in-
dem er nachzuweisen sucht, dafs Kolonien mit dem Beinamen Julia oder
Julia Augusta nicht nur auf Augustus, sondern auch auf den Kaiser
Tiberius zurückgeführt werden können. Seine Gründe und die ange-
führten Beispiele scheinen mir sehr beachtenswert. Sind sie richtig, so
liegt kein zwingender Grund zu der Annahme vor, dafs es auf einem
Fehler beruhe, wenn gewisse Städte mit jenen Beinamen nicht unter den
bei Plinius genannten italischen Kolonien erscheinen. Indes die Frage,
aus welchen Gründen nur die von Plinius bezeichneten Kolonien als
solche vorkommen, bleibt doch noch vielfach in Dunkel gehüllt, und we-
der die von Beloch (der italische Bund [1881] iff.) und von Moramsen
(die italischen Bürgerkolonion von Sulla bis Vespasian, im Hermes XVIII
[1883] 161-213), noch die von Kuntz versuchten Lösungen sind bisher
befriedigend zu nennen. Ähnliche Schwierigkeiten erheben sich bei den
Listen der Städte Illyricums, Siciliens und Afrikas, auf die im Einzelnen
hier einzugehen zu weit führen würde.
Agrippa und Augustus. 9
Die vom Verf. ermittelten Zeiträume, innerhalb welcher die Ge-
meindelisten der einzelnen Provinzen abgefafst seien, widersprechen nicht
der von mir (Comm. Momms. 31) auf anderem Wege gewonnenen Be-
stimmung, dafs die Schrift von Augustus nach dem Jahre 10 nach Chr.
Geburt verfafst sei. Aufgefallen ist mir, dafs der Verf. mit keinem
Worte die Stellung der gentes in diesen Listen erwähnt, die doch in
den Listen der spanischen Provinzen und der Regionen Italiens eine be-
stimmte Rolle spielen. Dafs die Listen beim Census zu Grunde gelegt
wurden, ist längst angenommen und nicht erst eine Entdeckung des
Verfassers.
15) 0. Cuntz, Agrippa und Augustus als Quellenschriftsteller des
Plinius in den geographischen Büchern der Nat. Hist. (Abdruck aus
dem 17. Supplementb. von Fleckeisens Jahrb. S. 474 — 526).
Der Verf. giebt hier die Fortsetzung und den Abschlufs der obigen
Untersuchung, bewegt sich in denselben Geleisen und fügt die dort noch
nicht behandelten Provinzen hinzu.
Dafs in Lyciens Beschreibung Spuren der augusteischen Listen
enthalten seien, scheint mir jedoch sehr unwahrscheinlich; der Verf. er-
hält dies ihm selbst zweifelhafte Resultat nur dadurch, dafs er den
ersten, dem folgenden ganz gleichartigen, aber nicht alphabetischen Teil
der Liste dortiger Städte ganz unberücksichtigt läfst. Bei der Behand-
lung der Provinz Asien ist mir aufgefallen, dafs die ihrer Natur nach
meines Erachtens auf die augusteische Statistik zurückgehende Nach-
richt am Schlufs der Provinzialbeschreibung 5, 150: is (sei. Bosporus)
finis Asiae est populorumque CCLXXXIL qui ad eura locum a fine Lyciae
numerantur, nicht berücksichtigt wird. Leider sind die Einzelzahlen in
der Beschreibung nicht ausreichend, um mit ihnen eine genügende Kon-
trolle anstellen zu können.
In einzelnen Punkten scheint der Verf. über das Ziel hinauszu-
schiefsen. Ein wesentlicher Grund, weshalb er die Gemeindelisten auf
Augustus zurückführt, ist der, dafs die Namen oft in der Form des Eth-
nikons erscheinen (s. zu No. 13), als ob diese nicht auch bei anderen
Schriftstellern oft genug vorkämen. Ja, dies ist für ihn der Hauptgrund,
um die 4, 85 angeführten Städte der taurischen Halbinsel als aus der
Statistik entlehnt anzusehen, da sie doch aufser aller alphabetischen Ord-
nung angeführt sind, die meines Erachtens ein Hauptmerkmal der Sta-
tistik ist. Aus demselben Grunde scheint mir auch die Annahme um-
fänglicher Benutzung der Statistik in der macedonischen Provinz, in Sar-
dinien und Korsika kühn zu sein. Ebensowenig wird man wohl den
wiederholt angeführten Grund anerkennen dürfen, dafs gewisse Listen
sonst völlig unbekannte Namen enthalten und deshalb der Statistik ent-
nommen sein müssen. Wie viele der geographischen Quellenwerke, die
Plinius benutzt hat, sind nicht verloren gegangen!
10 Agrippas Weltkarte.
Auch iu dieser Arbeit sucht der Verf. für jede Provinz die zeit-
lichen Grenzen zu bestimmen, innerhalb deren die Listen ihrer Gemein-
den verfafst seien. Am Schlufs (S. 523) stellt er seine Resultate zu-
sammen, aus denen sich dann ergeben soll, dafs die syrischen und cilici-
schen Listen schon vor 20 vor Chr. Geburt, die italischen und pannoni-
sehen erst nach 9 vor Chr. Geburt verfafst seien. Bei der so überaus
lückenhaften Kunde, die wir über die Einzelgeschichte so vieler Städte
und Gemeinden haben, für welche Thatsache grade die fleifsige Arbeit
des Verf. zahlreiche Beweise bietet, wird man kaum weiter schliefsen
dürfen, als dafs die Aufstellungen des Verf. möglich sind. Noch kühner
aber ist seine weitere Folgerung, dafs die angeblich älteren, im 5. Buch
der N. H. vorkommenden sjrischen und cilicischen Listen von Agrippa,
die jüngeren von Augustus stammen, alle aber ~in einer gemeinschaft-
lichen Schrift unter beider Namen veröffentlicht seien, die dann auch
noch die zahlreichen dem Agrippa zugeschriebenen Mafsangaben über
einzelne Länder, die sich bei Plinius finden, enthalten haben soll. Wenn
der Verf. zu dieser Annahme sich besonders durch die Thatsache be-
stimmen läfst, dafs der Name des Augustus nicht, wohl aber der des
Agrippa unter den Auetoren des 5. Ruches des N. FL erscheine, so legt
er darauf zu viel Gewicht; denn es steht fest, dafs Plinius in der An-
gabe seiner Auetoren durchaus nicht vollständig ist, wie ich denn z. B.
bereits im Philol. 31, 433 nachwies, dafs Vitruv an mehreren Stellen von
B. 31 und 33 wörtlich ausgeschrieben ist, ohne im Auctoreuverzeichuis
zu denselben vorzukommen.
So reichlich und wichtig daher auch besonders das inschriftliche
und numismatische Material ist, das der Verf. zur Erklärung der Bruch-
stücke der Reichsstatistik in seinen beiden Schriften beigebracht hat, so
scheint mir doch die Frage nach deren Umfang, Inhalt und Einrichtung
auch durch sie noch nicht abgeschlossen.
Mit der augusteischen Reichsstatistik stand die Weltkarte, deren
Darstellung Agrippa veranlafste, in zeillichem und wohl auch sachlichem
Zusammenhang. Da sie zudem wohl mit Recht als die Grundlage der
gesamten mittelalterlichen Kartenzeichnung angesehen wird, knüpft sich
an die Ermittelung ihrer Einrichtung ein nicht geringes wissenschaft-
liches Interesse.
IG) D. Detlefsen, Untersuchungen zu den geographischen Büchern
des Plinius. 1. Die Weltkarte des M. Agrippa. Progr. von Glück-
stadt 1884. 17 S. 4.
In dieser Arbeit versuchte ich die von mir in den Comment.
Momms. 33 nebenher ausgesprochene Ansicht, dafs alle von Plinius nach
Agrippa angeführten Ländermafse auf die von letzterem in der porticus
Vipsania dargestellte Weltkarte zurückgehen, ausführlicher zu begründen
und zu entwickeln. Dazu zog ich die Angabe der Dimeusuratio proviu-
Weltkarte des Augustus. 1 1
ciarum und der Divisso orbis heran, die ihrer Form und Fassung nach
auf dieselbe Quelle zurückgehen müssen. Bisher hatte man gemeint,
alle drei Fassungen seien einem Buclie des Agrippa entnommen (vgl. o.
No. 15); ich suchte dagegen nachzuweisen, dafs die Angaben unmittelbar
von einer Karte abgelesen seien, nur so könne man einerseits die eigen-
tümliche Zusammenlegung gröfserer und kleinerer Ländergebiete zum
Behuf der Angabe ihrer Längen- und Breitenmafse und andererseits die
verschiedene Reihenfolge dieser Ländergebiete in der Dimens. und Div.
genügend erklären. Auf der Karte sei die ganze Erde in 24 1) einzelne
Ländergruppen eingeteilt, die so zusammengestellt seien, dafs eine jede
entweder das Mittelmeer und den Pontus oder den Ocean berührt. Auf
den inselfreien Raum der Meere seien die Mafse der Länder einge-
schrieben gewesen. Wo sich im Binnenlande keine natürliche Grenzen
fanden, seien sie durch west-östlich oder nord-südlich gezogene Linien
bezeichnet worden; als Läugenausdehnuug sei die Richtung von West
nach Ost, als Breite die von Nord nach Süd angesehen worden. Wäh-
rend die von Plinius nach Agrippa angegebenen Mafse wirklich von der
Orginalkarte abgeschrieben seien, gebe sowohl die Dimens. als auch die
Div. einzelne Änderungen in den Ländergruppen und Mafsen, die wohl
so zu erklären seien, dafs Nachbildungen der Originalkarte vorhanden
waren, die nach den Zeitverhältnissen verändert seien; aus ihnen stam-
men dann jene abweichenden Angaben.
17) E. Schweder, Über die Weltkarte und Chronographie des
Kaisers Augustus, in Fleckeisens Jahrb. Bd. 145/6 (1892) S. 113—132.
Seh. hält an der von Müllenhoff schon 1856 ausgesprocheneu An-
sicht fest, »dafs Augustus aus den Kommentarieu seines Schwiegersohnes
auch eine Schrift zusammenstellte und zum Gebrauch neben der Karte
herausgab« (s. o. No. 12). Die Ausdehnung der Karte in der Vipsani-
schen Säulenhalle schlug Müllenhoff (im Hermes 9, 194) zu 40 Fufs in
die Höhe und mehr als 80 Fufs in die Länge an. Seh. hat nun (S. 114)
noch weiter berechnet, dafs sie »sehr wahrscheinlich mehr als 12 000
(vielleicht 16 000) geographische Namen enthalten habe«. Auf diese
Karte führt man die Peutingersche Tafel zurück, wie auch die, welche
dem Anon. Rav. vorlag; beide enthalten jedoch nach Seh. (S. 115) »nur
wenig über 4000 Namen, von denen etwa 2500 der Urkarte entstammen
mögen, während die übrigen später aufgenommen sind«. Jene römische
Chorographie der augusteischen Zeit stellt sich nun Seh. so vor, dafs sie
sämtliche 12 000 Namen der Weltkarte enthielt. »Bei Plinius und Mela
mögen uns aber aus ihr etwa 4500, höchstens 5000 Namen erhalten
1) Diese Zahl ist wohl nicht ohne Bedeutung für den Kartenentwurf
des Anon. Rav. gewesen, der auch 24 patrias annimmt und jede einer be-
stimmten Tages- oder Nachtstunde zuweist.
12 Weltkarte des Augustus.
sein«. Sehr grofs, meint Seh. daher, sei die Aussicht eben nicht, aus
den Konkordanzen der Peut. und des Rav. mit Plinius und Mela wesent-
liche Teile der Urkarte herzustellen, und er sei lange vor dieser mühe-
vollen Arbeit zurückgeschreckt , indes als er die von Plinius 5, 9. 10
erhaltenen Angaben des Polybius beim Rav. wiederfand, schien ihm die
Untersuchung doch belehrend und gewinnbringend. Er zieht in dieselbe
auch die Angaben der kleineren römischen Geographen hinein.
Aus diesen verschiedeneu Quellen stellt er dann eine nicht unbe-
deutende Anzahl von Konkordanzen zusammen, was sehr dankenswert
ist, und ich will gerne zugeben, dafs manche Namen von Inseln, Flüssen,
Ortschaften in ihnen auf die Weltkarte des Agrippa zurückgehen, doch
vermag ich nicht einzusehen, wie damit das Vorhandensein jenes umfang-
reichen Kommentars, der die Karte begleitet haben soll, bewiesen sei.
Erst auf S. 129 kommt Seh. dann »zu den von Plinius 5, 9 f. an-
geblich dem Polybius entlehnten Angaben über die Westküste Afrikas«,
die ihn zur Abfassung seiner Arbeit veranlafsten. Als Citat aus Poly-
bius giebt er die Worte 5, 9 inde . . , flumen Darat, in quo crocodilos
gigni ... 10. dein sinum u. s. w. bis GaeUüos Daras; schlägt man aber
die Stelle nach, so wird man sehen, dafs Seh. hier einen grofsen Irrtum
begangen hat; denn Plinius citiert diese Worte gar nicht aus Polybius,
sondern aus Agrippa. Will Seh. sie in seinem Sinne auslegen, so hätte
es einer eingehenden Beweisführung und Erklärung für diese Auflassung
bedurft; denn bisher hat, soweit ich sehe, weder ein Herausgeber des
Plinius noch des Polybius letzterem die angegebenen Worte zugeschrieben.
Indes ist die Stelle in der bisherigen Fassung dunkel, woher sich das
wegwerfende Urteil Viviens de S. Martin über sie und wohl auch der
Irrtum Sch.s erklären mag. Meines Erachtens ist sie so zu ordnen, dafs
die bekannten Worte zu Anfang von § 9 über die Fahrt des Polybius
an der Westküste Afrikas mit einem Punkte nach generat Africa abzu-
schliefsen sind. Dann ist weiter zu interpungieren: ad Humen Anatim
CCCCLXXXXVI ab co, Lixum CCV Agrippa, Lixum a Gaditauo freto
CXII abesse, inde sinum u. s. w. , und wie diese Worte, gehören auch
alle folgenden bis zum Schlufs von § 10 Mauretaniae proditum dem
Agrippa an^). Zur Erklärung füge ich noch hinzu, dafs im obigen Satze
die Worte ab eo sich auf den unmittelbar vorher genannten mons Atlas
beziehen, so dafs von dessen Vorgebirge aus die Entfernungen ad flumen
Anatim und nach der Stadt Lixus und weiter nach dem fretum Gadi-
tanum nach Agrijipa angegeben werden. Indes ein Flufs Anatis wird
weder von Pliniu.«, noch von sonst einem Sciuiftsteller an der Westküste
Afrikas genannt; ich möchte ihn für den spanischen Anas halten und
jene eigentümliche. Accusativform, wenn man sie nicht anerkennen will,
J) Diese Ausdehnung des Citates hat auch Philippi in seiner Sammlung
der Agrippacitate (De lab. Peuting. 1876, S. 35) nicht erkannt.
Strabo. 13
in die gewöhnliche Anam ändern. Dann haben wir hier eine quer über
das Meer gezogene Entfernungslinie, wie solche auch sonst von Plinius,
z. B. 4, 60 und 6, 209, nach Agrippa angegeben werden. Auf die
Schwierigkeiten, die der weitere Text bietet, einzugehen ist hier nicht
des Ortes.
Wie die geographischen Bücher des Plinius, so hat auch Strabo
im letzten Jahrzehnt eine Anzahl von Gelehrten zu wissenschaftlichen
Arbeiten angeregt, die sich teils auf die Textkritik, teils auf die von
Strabo verfolgten wissenschaftlichen Ziele, teils auf die von ihm benutzten
Quellen beziehen. Ich zähle sie nach dieser Anordnung auf.
18) G. Cozza Luzi, Della geografia di Strabone frammenti scoperti
in membrane palinseste. Parte prima. Roma 1884. Estratto dal perio-
dico »Gli studi in Italia». 85 S. 8.
Die leider in recht ungenügender Weise mitgeteilten Reste einer
mindestens dem 8. Jahrh. zuzuschreibenden Handschrift können nach
sorgfältigerer Untersuchung der Originalblätter für die Textgeschichte
Strabos vielleicht einige Bedeutung gewinnen. Die erhaltenen Stücke
gehören zu B. 8, 10 und 17. Eingehende Recensionen sind von A. V.
im Philol. Anz. XVI (1886) 103 — 109 und von mir in der Berliner Philol.
Wochensch. 1885 Sp. 1122—1125 gegeben.
19) E. Pais, Straboniana. Contributo allo studio delle fonti della
storia e dell' amministratione romana. Torino 1886. 150 S. 8.
Eine frisch und lebendig geschriebene Darstellung des schrift-
stellerischen Charakters und der wissenschaftlichen Bedeutung der Geo-
graphie des Kleiuasiaten Strabo. Sie zerfällt in vier Abschnitte, deren
erster (S. 1 — 26) vom politischen Charakter seines Werkes handelt.
Strabo behaupte zwar an mehreren Stellen, geographische Studien
seien für einen Politiker notwendig, und er schreibe für solche; indes
für Römer, wie Niese (im Hermes XIII, 1878, S. 45) behaupte, schreibe
er offenbar nicht, dazu berücksichtige er sowohl römische Schriftsteller,
zumal zeitgenössische, als auch römische Verhältnisse viel zu wenig.
Wie seine Quellen durchweg griechische seien, so auch ohne Zweifel
das Publikum, von dem er gelesen zu werden wünsche. Wenn er wirk-
lich politische Ziele im Auge habe, so seien sie durchaus von den An-
schauungen der griechischen Philosophen und Gelehrten seiner Zeit ab-
hängig, Das beweise die Ausführlichkeit und Befangenheit, mit der er
die homerische Geographie behandle, das genaue Eingehen auf die Ver-
fassung und die Altertümer zahlreicher griechischer, besonders klein-
asiatischer Städte, selbst untergegangener, neben denen er die altbe-
kannten Verhältnisse Athens und Spartas absichtlich übergehe, wäh-
rend die Altertümer und früheren Zustände Roms nur kurz besprochen
werden.
1 4 Strabo.
Der zweite Abschnitt (S. 27—50) handelt von den Nachrichten
Strabos über die römische Verwaltung der griechischen Provinzen. Der
Verf. zeigt, wie nachlässig die Grenzen der Provinzen und juridischen
Konvente angegeben werden, wie unvollständig die Nachrichten über die
Rangverhältnisse der einzelnen Städte und über manche andere Zu-
stände seiner Zeit sind. Des Verf. Ansicht geht dahin, dafs Strabo, der
früher ein sich an Polybius anschliefsendes Geschichtswerk verfafst hatte,
in seiner Geographie nur eine Art etluiographischer und topographi-
scher Erläuterung und Ergänzung zu demselben geben wollte.
Der dritte Abschnitt (S. 51 — 120) handelt von den Nachrichten
über die Verwaltung der westlichen Provinzen des Römerreiches. Auch
hier zeigen sich dieselben Mängel und Fehler. In Italien schenke
Strabo den römischen Staatsstrafsen besondere Beachtung, worin er dem
Polybius folge. Zeitgenössische und besonders römische Quellen scheine
er nur in geringem Mafse benutzt zu haben, seihst den ywpoypdifog,
aus dem er für Süditalien und den benachbarten Inseln eine Anzahl von
Mafsen mitteilt, wagt der Verf. nicht mit der Weltkarte des Agrippa
gleichzustellen ; aber auch der neuerdings angenommenen augusteischen
Chorographie (s. o. No. 12 u. 17) schenkt er keinen Glauben (S. 62fiF.).
Während das übrige Italien, selbst Rom, verhältnismäfsig kurz abgethan
werde, behandele Strabo ünteritalien recht ausführlich, gebe die Grün-
dungsgeschichten und manche sonstige Nachrichten von den griechischen
Städten daselbst und auch von solchen an der adriatischen Küste. Auch
hier seien seine Quellen rein griechische (S. 68f.). Von Noricum, Pan-
nonien, Mösien, Dalmatien und Germanien gebe er keine einzige die
Verwaltung betreuende Nachricht. Die Behandlung der gallischen Pro-
vinzen beruhe auf alten griechischen Quellen und bevorzuge wieder die
griechischen Kolonien, ^'öllig falsch sei die Grenze zwischen der lug-
dunensischen und der belgischen Provinz angegeben; auch die Nach-
richten über die aquitanischen Völkerschaften seien ungenau. Mannig-
fache, wertvolle Einzelheiieu über Gallien verdanke er vielleicht einem
Geschichtswerke.
Einen der besten Teile seiner Geographie bilde Buch 3 mit den
Angaben über Spanien, welche dem Polybius, Artemidor und Posidonius
entlehnt seien; dagegen berichte er von den Zuständen seiner Zeit aucli
hier nur weniges und mehr zufällig, ohne nach Vollständigkeit zu streben,
wie er gerade die Nachrichten in den Geschichten der dort geführten
Kriege fand. Eine ausführlichere Stelle über die Verwaltung der spa-
nischen Provinzen zu seiner Zeit (B. 3 S. 1G6) hält der Verf. für ein
später von Strabo hinzugefügtes £]inschiebsel (S. lOSfif.). Die Beschrei-
bung Afrikas (S 109lf.) beruhe hauptsächlich auf Artemidor, nur zu ge-
ringen Teilen auf Polybius und Posidonius; eingefügt seien Einzelheiten
aus den punischen und den späteren Kriegen.
Der vierte Abschnitt (S. 120—150) enthält Bemerkungen über Zeit
Strabo. 15
und Ort, wann und wo Strabo seine Geographie verfafst habe. Der Verf.
schliefst sich der Ansicht Meinekes an, der auf Grund der Stilunter-
schiede annimmt, Strabo habe das Werk stückweise geschrieben, und es
sei unvollendet. Einen Hauptbeweis dafür entnimmt er der Anwendung
des Wortes vewari, mit dem doch nur Ereignisse der letzten Vergan-
genheit angeführt werden könnten. Es sei aber gebraucht bei solchen
der Jahre 18 und 23 nach Chr. Geburt und wieder der Jahre 44, 40 — 35,
31, 25 vor Chr. Geburt und überall von weit aus einander liegenden
Zeiten. Das Resultat dieser Untersuchung geht dahin, dafs Strabo sein
Werk zuerst etwa im Jahre 11 vor Chr. Geburt oder kurz nachher ent-
warf, später aber Nachträge einfügte.
In Bezug auf den Ort der Abfassung wird aus der Erwähnung des
Dionysosbildes des Aristides (B. 8 S. 381 vgl. mit Dio Cass. 50, 10) ge-
schlossen, dafs Strabo im Jahre 31 nach Chr. Geburt in Rom war, aus
der Stelle vom Tode des Seluros (B. 6 S. 273 vgl. mit App. b. civ. 5, 131 f.
u. Gros. 6, 18), dafs er schon 30, aus seiner Bekanntschaft mit dem Ser-
vilius Isauricus (B. 12 S. 568 f.), dafs er 44, aus der mit Tyiannion (B. 12
S. 548), dafs er 46 dort war, aus seiner Erzählung von der Neugrün-
dung Korinths (B. 8 S. 379), dafs er 44 dort war. Vom Jahre 25 oder
24 an bis wenigstens 13 oder 12 befand er sich in Ägypten, meist in
Alexandrien. Wo er seine späteren Lebensjahre zugebracht, bleibt un-
sicher.
Auch in diesen Untersuchungen hat der Verf., wie in den übrigen
Teilen seines Buches, mit grofsem Fleifs und viel Umsicht manches
Neue beigebracht, um die Art, in welcher Strabo gearbeitet hat, und
den wissenschaftlichen Wert seiner Arbeit näher zu bestimmen. Bei wei-
teren Forschungen auf diesem Gebiete wird man seiner Anleitung nicht
entraten können.
20) Dr. F. M. Schröter, Bemerkungen zu Strabo. Progr. des
Stadt. Realg. zu Leipzig. 1887. 17 S. 4.
Die Bemerkungen beziehen sich zunächst auf das Geburtsjahr
Strabos, als welches mit Wahrscheinlichkeit das Jahr 67 vor Chr. Geburt
festgestellt wird, sodann auf seine Lehrer, seine Reisen, die ihm zuzu-
sprechende Glaubwürdigkeit, die besonders im Gegensatze zu Niese ver-
teidigt wird. Mit grofser Ausführlichkeit wird schliefslich die von Lins-
mayer (Der Triumphzug des Germanicus, München 1875) aufgestellte
Ansicht bekämpft, Strabo sei nicht Zeuge des Triumphes vom Jahre 17
gewesen. Diese mit Umsicht geführte Untersuchung leitet zu der wich-
tigen und vielfach behandelten Frage über die Abfassungszeit der Geo-
graphie Strabos und schliefst mit den Sätzen: »Strabos Geographie ist
kein innerhalb eines kurzen Zeitraums einheitlich und als Ganzes ent-
standenes, abgeschlossenes, abgerundetes Werk, sondern rührt aus ver-
schiedenen Zeiten her und wurde im Laufe der Zeit möglichst ergänzt
16 Strabo.
und verbessert. Strabo hat auch dieses sein Werk nie herausgegeben,
nicht einmal teilweise, geschweige denn ganz.« Eine ausführlichere
Begründung dieser Ansicht wird für ein anderes Mal versprochen, ist
aber meines Wissens noch nicht erschienen. Doch kommt zum selben
Resultat
21) Dr. P. Meyer. Strabouiana. Programm von Grimma. 1890.
34 S. 4.
Der Verf. stellt sich die Aufgabe, eine gerechtere Würdigung des
Strabo, als sie besonders in der Neuzeit ihm oft zu teil geworden, zu be-
gründen; zumeist bekämpft er Nieses im Hermes XIII aufgestellte An-
sichten. Zuerst behandelt er die Frage: für wen wollte Strabe schrei-
ben? und beantwortet sie dahin, dafs er in erster Linie auf gebildete
griechische Leser rechnete; für die Römer habe er verbindliche, für
die Griechen nützliche Worte; während er über Sparta und Athen
kurz berichte, weil diese Orte mit ihrer Geschichte allzu bekannt seien,
gebe er über römische Verhältnisse bis ins Einzelnste Belehrung. Weiter
wird von Strabos Reisen gehandelt. M. sieht keinen Grund, Strabos
Worte S. 117 zu bezweifeln, dafs wenige Geographen so weit gereist
seien wie er. Sorgfältige Listen der von Strabo genannten Geburts-
orte griechischer Schriftsteller (schon Pais hatte sie, weun auch etwas
unvollständig, gesammelt), der wichtigsten Marmor- und Steinbrüche,
der berühmtesten Weingegenden, endlich der durch Kunstwerke be-
kannten Orte werden aufgestellt. Aus der letzteren Liste wird gefol-
gert, dafs Strabo nicht die Absicht gehabt habe, eine Übersicht der
berühmtesten Künstler zu geben, denn manche der namhaftesten er-
wähnt er nicht; vielmehr liege die Vermutung nahe, dafs er nur solche
Kunstwerke nenne, die er selbst gesehen, und diese Vermutung wird
durch weitere Stellen zu begründen versucht.
Am wichtigsten ist der dritte Abschnitt: »Strabo hat seine Geo-
graphica nicht selbst herausgegeben «. Im Verfolg schon früher aufge-
stellter Vermutungen behandelt der Verf. eine gröfsere Anzahl von
Stellen, von denen die meisten schon bisher Anstofs erregten. Er glaubt,
und wie es scheint mit Grund, dafs hier Einschiebsel in den ursprüng-
lichen Text vorliegen, die oft in ungeschickter Weise den Zusammen-
hang unterbrechen. Meist enthalten sie Mitteilungen über Ereignisse
und Zustände aus der späteren Lebenszeit Strabos, die zur Vervollstän-
digung oder Berichtigung des ursprünglich Geschriebenen dienen. Der
Verf. stellt daher die Vermutung auf, Strabo habe sein Werk schon in
früheren Jahren ausgearbeitet, sei schon im Jahre 6 oder 5 vor Chr.
Geburt damit beschäftigt gewesen. Nach und nach habe er später jene
Nachträge an den Rand seines Buches beigeschrieben, sei aber nicht
dazu gekommen, sie in den Text zu verarbeiten. Nach seinem Tode
Strabo. 1 7
liabe ein Unbekannter in ungeschickter Weise die Beischriften in den
Text anfgenoramen und ihn so herausgegeben.
Ausführlicher werden gegen den Schlui's die Schwierigkeiten be-
handelt, die sich bei der Vergieichung der Angaben Strabos über den
Tod Jubas von Mauretanien und die Thronbesteigung seines Sohnes
Ptolemäus mit den Legenden ihrer Münzen ergeben. Die gründliche
Arbeit wird gewifs dazu beitragen, das Verständnis und die Beurteilung
Strabos zu klären.
22) K. J. Neumann, Strabous Quellen im elften Buche. I. Kau-
kasien. Habilitationsschrift. Leipzig 1881.
Diese Schrift hat mir nicht vorgelegen, doch zeigt die eingehende,
in den meisten Punkten zustimmende Rezension des gründlichsten Kenners
der griechischen Geographen, H. Bergers, in Fleckeisens Jahrb. XXVIII,
1882, S. 373, dafs es dem Scharfsinn des Verf. gelungen ist, die ein-
zelnen Teile, welche Strabo dem Artemidor, Theophanes, Metrodor, Hj'p-
sikrates u. a. entlehnt hat, insbesondere aber das Eigentum des Erato-
sthenes aus seinem Texte herauszuschälen. Die Bereicherung der Frag-
mente des letzteren scheint ein Hauptverdienst der Arbeit zu sein.
23) G. Beloch, Le fonti di Strabone nella descrizione della
Campania. Roma 1882. 22 S. in 4.
24) ß. Zimmermann, Quibus auctoribus Strabo in libro LEI
conscribendo usus sit quaeritur. Pars prior, Diss. Hai. Halle 1883
38 S. in 8.
Beide Schriften sind mir nur durch die A. V. unterzeichnete Re-
zension im Philol. Anz. XIV (1884) 383—385 bekannt geworden. Da-
nach ist das Resultat beider, dafs die Angaben Strabos über die Küsten
in den behandelten Abschnitten fast ausschliefslich aus dem Werke des
Artemidor von Ephesus entlehnt sind, das auch Plinius ziemlich aus-
giebig verwertete, während der Rez. die weitere Vermutung, auch
Strabo habe es benutzt, für nicht ausreichend begründet hält. Insbe-
sondere der zweiten Schrift wird Verständnis und Umsicht in der Be-
handlung der Aufgabe nachgerühmt.
25) R. Zimmermann, Posidonius und Strabo (im Hermes XX ITT,
1888, 102—130),
Diese Arbeit enthält zwei gesonderte Aufsätze, deren erster unter
dem Titel: Ein verborgenes Fragment des Posidonius bei Strabo, aus
der Charakteristik, welche Strabo 2, 3, 8 und 3, 2, 9 vom Stil und von
der Auffassungsweise des Posidonius giebt, die Folgerung zieht, dafs
Jahresbericht für Alterthuinswissenschaft. LXXVII. Bd. (1893. III.) 2
18 Strabo.
die diesen entsprechenden Worte Strabos 1, 3, 8 f. über die Verände-
rungen der Landlinien an den Flufsmündungen auf jenen zurückgehen.
Weit umfangreicher ist der zweite Aufsatz: Die Erdkarte in meu-
tern Strabonis ist eine Erdkarte nach Posidonius. Es werden die Haupt-
stellen gesammelt, in denen Strabo von der Gestalt und Gröfse der
oixoujxEvr, handelt, zuerst die über den Breitegrad vom Issischen Busen
bis zum heiligen Vorgebirge, über dessen Strecke von Rhodus nach Osten
Strabo mit Eratosthenes übereinstimmt, nicht aber über die nach Westen
hin. Hier werden dann die Mafse Spaniens, die Silphionzone, Land
und Leute südlich von ihr, die Kassiteriden besprochen, endlich die
Parallele von Gades nach Rhodus. Darauf wird die Gestalt der oixoujxsvy;
nach Strabos Angaben behandelt und nachgewiesen, wie diese, an ver-
schiedene Stellen zerstreut, nicht nur in einem inneren Zusammenhang
stehen, sondern auch dai's sie einigen Andeutungen nach auf Posidonius
zurückgehen. Ist, wie es scheint, diese Angabe richtig, so gewinnt das
Bild, welches wir uns von der Erdauschauung des letzteren macheu
können, dadurch eine grofse Bereicherung.
26) G. Rüge, Quaestiones Strabonianae, Lips. 1888. 107 S. in 8.
Diese Doktorarbeit untersucht Teile der Bücher 3, 13, 16 und 17
Strabos auf die Quellen hin. Sie ist recht unbequem zu bewältigen,
da der Verf. meist nicht den Inhalt der besprochenen Stellen, sondern
nur die Kapitel- und Seitenzahlen angiebt und es dem Leser überläfst,
sie hin und her nachzuschlagen. Um über die Resultate ein begründetes
Urteil abzugeben, bedarf es daher einer umfänglichen Arbeit. Ich be-
schränke mich hier auf eine kurze Inhaltsangabe. Buch 3 über die
spanische Halbinsel wird am ausführlichsten besprochen auf S. 1 — 46;
doch werden bis S. 8 auch Stellen aus dem 13. Buch in die Unter-
suchung hineingezogen. Am eingehendsten wird der Periplus behandelt.
Der Verf. sucht zunächst Eigentümlichkeiten in der Beschreibung auf,
die sich nur aus bestimmten Zeitverhältnissen erklären lassen, und weist
dann in ausführlicher Behandlung einige Stellen dem Polybius, andere
dem Posidonius, andere dem Artemidor, noch andere römischen oder
sonstigen Quellen zu, so daf's danach die Mehrzahl der Paragraphen
mosaikartig zusammengesetzt wäre. Mir macht die Arbeit öfters den
Eindruck, als ob der Verf. zu viel beweisen zu können meine.
Die Untersuchung über B. 16 (S. 46—71) und 17 (S. 71—99)
beschränkt sich vornehmlich darauf, aus Artemidor entlehnte Bestand-
teile im Texte aufzufinden, und da mag es dem Verf. wohl eher ge-
lungen sein (vgl. o. No. 7), eine gewisse Wahrscheinlichkeit für seine
Ansätze zu erreichen. Diese Bücher behandeln den Orient und Afrika.
Tacitus. Dionysius. 1 9
27) Dr. L. Schumacher, De Tacito Germaiiiae geographo.
Programm des Fr. Wilh. Gymn. zu Berliu. 1886. 28 S. in 4.
Der Verf. hat sich die Aufgabe gestellt, aus den Schriften des Tacitus
zu sammeln, was über die geographischen Verhältnisse Germaniens berichtet
wii"d, und den Wert dieser Berichte vom geographischen Standpunkt
aus zu bestimmen. Er handelt zunächst vom Gebrauch und von der
Ausdehnung des Namens Germania im Sgl. und Plural, von den Grenzen,
die Tacitus dem Lande steckt, von den Flüssen und Gebirgen, die er
in ihm nennt. Es stellt sich heraus, dafs Tacitus dabei fast nirgendwo
eigentlich geographische Gesichtspunkte im Auge hat, dafs seine An-
gaben freilich keine Irrtümer enthalten, aber sehr oft nicht genügen,
um daraus eine klare Vorstellung von Germanien zu erhalten. Tacitus
will nicht in geographischer Beziehung belehren, sondern setzt bei
seinen Lesern die Kenntnis des Landes voraus, und was er mitteilt, ist
nach rednerischen Grundsätzen ausgewählt. Die Art der Untersuchung,
in der allerdings schwierige geographische Fragen nur kurz berührt
werden, ist besonnen und mafsvoll. Eine versprochene Fortsetzung wird
vermutlich näher auf die Völkerverhältnisse Germaniens eingehen.
28) G. F. Unger, Dionysios Periegetes (in Fleckeisens Jahrb.
XXVIII, 1882. S. 449-464).
Der Verf. wendet sich gegen die von Tycho Mommsen (der Pe-
riegete Dionysios, Frankfurt a. M. 1879; s. Jahresber. XXI, 1881, 99)
ausgesprochene Ansicht, dafs Dionysios seine Periegese bereits zwischen
den Jahren 92 und 83 v. Cbr. Geburt verfafst habe. Er sucht Momrasens
Behauptungen der Reihe nach zu entkräften ; besonders inhaltreich sind
seine Ausführungen über das Verhältnis Roms zu den Parthern, über
ihren Vertilgungskrieg gegen die Nasamonen unter Domitian im Jahre 87
und vor allem über die Verhältnisse Sjaiens von den Zeiten des Sulla
und Pompejus an bis in die Kaiserzeit.
Die Untersuchung über die Zeit des Dionysius erhielt eine ganz
andere Grundlage durch die bald darauf erfolgte Entdeckung Leues,
der zwei Arkrosticha im Texte desselben fand, die über Ort und Zeit
der Abfassung berichten. Seine Mitteilung darüber ist mir nicht zu
Gesicht gekommen, wohl aber folgende zwei Abhandlungen, die den
Gegenstand betreffen:
29) G. F. Ungar tritt in Fleckeisens Jahrb. XXXIII, 1887,
S. 53 — 61 gegen Leue auf. Er sieht in dem ersten Akrostichon, welches
den Dionysios als tSv Ivto? <I)apou bezeichnet, einen Beweis dafür, dafs
wir in ihm den von Suidas genannten alexandriuischeu Grammatiker
und kaiserlichen Bibliothekar aus der Zeit von Nero bis Trajan zu er-
2*
20 Dionysius. Ptoleraäus.
kennen haben. Das zweite Akrostichon: öeoc'Epixrjc £7:1' A8piavou bezieht
er nicht auf den Kaiser Hadrian, bis in dessen Zeit Dionysios nicht
gelebt haben könne, sondern er übersetzt es mit den Worten : „ein Gott
ist Hermes (geworden) unter Hadrian", indem er annimmt, dafs, wie
das erste, in den Anfängen der Verse 109 — 134 enthaltene sich an die
V. 115 genannte OapiV^v aXa anschliefse, so dies zweite der Verse 513 — 532
eine Anmerkung zu 524 sei. Wahrend bei jeder der in den benach-
barten Versen genannten Inseln zugleich die wichtigste dort verehrte
Gottheit angeführt sei, fehle ein solcher Beisatz bei Imbros, und auf
diese Insel beziehe sich daher -das Akrostichon. Dort seien in älterer
Zeit die Kabiren als Hauptgötter verehrt, neben denen Hermes als Diener
erscheine; später aber habe sich dies Verhältnis umgekehrt, und Hermes
habe die Stellung der Hauptgottheit in der Gruppe erhalten. Diese
etwas kühne Vermutung sucht der Verf. durch ein inschriftliches Zeug-
nis zu beweisen. Der im Akrostichon genannte Hadrian sei nicht der
Kaiser, sondern irgend ein Beamter der römischen Provinzialverwaltung
oder wahrscheinlicher ein Priester des imbrischen Heiligturas, dessen
Inschriften überhaupt nach den Priestern datiert seien.
Gegen diese Annahmen erhob sich
30) 0. Crusins, Dionysios Periegetes und der irabrische Hermes-
dienst, ebd. S. 525-528.
Er weist nach, dafs Hermes in den saraothrakischen und imbrischen
Mysterien stets eine Hauptrolle spielte, nicht erst in späterer Zeit. So-
dann löst er das zweite Akrostichon in zwei Hälften auf, sieht in der
ersten fteoc 'Ep}l.r^i einen Ausruf des frommen Dichters, der wahrschein-
lich selbst ein Myste jenes Götterdienstes war, und fafst die zweite
ETTi 'Aoptavoü als Zeitangabe auf, die denn doch nur auf den Kaiser be-
zogen werden kann. Beide Erklärungen empfehlen sich offenbar durch
ihre Einfachheit.
31) Claudii Ptolemaei geographia. E codicibus recognovit, pro-
legomenis, annotatione, indicibus, tabulis instruxit Carolas Müllerns.
Voluminis primi pars prima. Parisiis 1883. 570 S. in gr. 8.
Der verdiente Herausgeber der Geogr. graeci minores hat seinen
Verdiensten ein neues, hochbedeutendes hinzugefügt in der lange er-
sehnten Ausgabe des Ptolemäus. Der oben bezeichnete erste Abschnitt
derselben enthält den Text der drei ersten Bücher der Geographie mit
ausführlichen Anmerkungen. Zum ersten Mal ist hier eine sichere hand-
schriftliche Grundlage für den Text gewonnen; indes wird eine aus-
führliche darüber berichtende Vorrede erst mit dem zweiten Teile er-
scheinen, während der dritte Band die gcograpliischen Karten enthalten soll.
Ptolemäus. • Ammianus. 21
Die Anmerkuiigeu gebeu teils die Lesarten der Handschriften,
teils Begründungen und Erläuterungen zum Texte. Nicht weniger als
38 Handschriften, wenn auch manche wolil frag'mentiert, und die älteste
Ausgabe, eine Ingolstädter. sind benutzt und mit Siglen bezeichnet, so
dal's in der Tbat der Wust der Lesarten bisweilen viel Platz einnimmt; man
möchte von vornherein glauben, dal's in den Handschrilten Merkmale
genug zu finden seien, um manche als Abkömmlinge älterer, noch er-
haltener nachweisen und dadurch für die Kritik beseitigen zu können.
Indes ist ein Urteil über diese Grundfrage erst möglich, wenn der
Herausgeber seine Einleitung veröffentlicht hat, die über diese Punkte
ohne Zweifel manche Aufklärung bringen wird. Gegenwärtig liegt
daiüber nur noch das vor, was Mommsen (Zur Kritik der Geographie
des Ptolemäus) und Müller selbst (Codex Vaticanus No. 191) im Hermes
XV (1880), 297 ft\ und 300 ff. mitgeteilt haben, nämlich dass die ge-
nannte vatikanische Handschrift (X bei Müller) in ihren älteren Be-
standteilen (B. I 3 — 19 Mitte und II 2, 5 bis zum Schlufs) allen
anderen Quellen gegenüber ihren besonderen, hervorragenden Platz ein-
nimmt. Klare Beweise dafür finden sich sowohl in diesen Aufsätzen
als auch an vielen Stellen der Ausgabe ; wenn die in ihr mit 2 <& T
bezeichneten laurentianischen Handschriften oft mit X übereinstimmen,
so darf man wohl vermuten, dafs sie aus letzterer entstammen.
Aber den umfangreicheren Teil der Anmerkungen Müllers nehmen
die Erklärungen ein, welche wichtige Prägen auf dem gesamten Ge-
biete der Geographie behandeln, über die aber im einzelnen zu berichten,
bei ihrer Mannigfaltigkeit, unmöglich ist. Der auf diesem Gebiete wie
kein anderer bewanderte Herausgeber hat nicht nur die Parallelstellen
aus den alten Geographen in weitem Umfange beigebracht, sondern auch
die Ausgleichung mit den gegenwärtigen Ortsnamen überall erstrebt,
so dafs die Anmerkungen einen ungemein reichen Stoff enthalten, und
zwar nicht blofs einen Eohstoff", sondern einen nach den strengsten An-
forderungen der Wissenschaft verarbeiteten.
32) Th, Mommsen, Ammiaus Geographica; im Hermes XVI
(1881) S. 602—636.
Die reichhaltige Arbeit giebt eine Durchsicht und Erweiterung
der von Gardthausen im Jahre 1873 (in Fleckeisens Jahrb. 6. Suppl.
S. 509—565) vorgelegten Untei-suchung über die geographischen Quellen
Ammians. Dieser für seine Zeit belesene Schriftsteller fügt an ver-
schiedenen Stellen seines Geschichtswerkes, vielleicht nach dem Vorbilde
Sallusts, Beschreibungen gröfserer Ländergebiete ein, die sich meist an
die Diözesen des damaligen römischen Reiches anschliefsen. Wenn Gardt-
hausen meinte, ihm habe eine nach diesem Gesichtspunkte verfafste Erd-
22 Ammianus.
beschreibnng vorgelegen, die er nur auszog, so ist M. im Gegenteil der
Ansicht, Ammian habe selbst nach einem bestimmten Schema jene Be-
schreibungen zusammengestellt.
M. untersucht nun, welche Quellen Ammian benutzte, und
da sind zuerst die geschichtlichen Angaben über den Eintritt der ein-
zelnen Länder in das römische Reich dem Rufius Festus entnommen.
Besonders beweiskräftig ist dafür die aus Kufius 13 entlehnte Stelle
22, 16, 24, in die ein grober Irrtum mit hinüber genommen ist, indem
aus der Person des Königs Ptolemäus Apion von Kyrene zwei gemacht
werden. Gelegentlich sind auch Nachrichten aus Val. Max. und, wie es
scheint, den Periocheu des Livius aufgenommen.
Weiter lag dem Ammian ein Verzeichnis der Reichsprovinzen und
Reichsgemeinden vor, geordnet nach den damaligen Diözesen, wie die
uns erhaltene Notitia Galliarum und des Hierocles Suve'xörjixo^; als Zeit
seines Ursprungs bestimmt M. die kurz vor der Einrichtung der neuen
gallischen Provinzen Lugdunensis 111 und Senonia.
Die dritte Quelle ist die Geographie des Ptolemäus, die Ammian
für die aulserhalb des römischen Reiches liegenden Gebiete, das asiatische
Sarmatien, das Perserreich und Libyen, vielleicht auch sonst heranzog.
Für die Ursprungsgeschichte der Gallier nennt Ammian den Ti-
mogenes seinen Gewährsmann. M. weist ihm aufser 15, 9, 2 — 3 mit
Recht auch c. 10, 9 zu, kommt ferner zu dem Schluf^, dafs das benutzte
Werk des Timogenes ein Periplus gewesen, und macht es wahrschein-
lich, dals auch die Beschreibung der europäischen Küste vom Athos
bis Byzanz, der asiatischen von Alexandria Troas bis zum Phasis (22,
8, 2 — 24) ihm verdankt wird, vielleicht auch noch einige andere Stellen.
Umfangreich ist die Benutzung des Solin, neben dem auch Plinius
in Betracht zu kommen scheint.
Beachtenswert sind die Schlufsworte M.'s: „Die Untersuchung,
die ich hier angestellt habe, hat mir in erschreckender Weise den
ilifsbrauch gezeigt, der mit ammianischen Nachrichten in den geogra-
phischen Handbüchern getrieben wird; hunderte (?) von Namen, die
Ammian aus Ptolemäus abgeschrieben hat, laufen in ihnen um und ge-
hören einfach vor die Thüre. Freilich zeigte sie mir nicht minder die
Endschuldbarkeit dieses Mi/sbrauchs. Wer jemals geographische Nach-
richten zusammengestellt hat, weifs aus Erfahrung, wie unmöglich es
ist, in jedem einzelnen Falle dem einzehien Zeugnis diejenige Stelle zu-
zuweisen, die ihm in der That zukommt. Wir brauchen eine Bear-
beitung dieser Abschnitte, welche, so weit das möglich ist — und in
weitem Umfange ist es möglich — einer jeden Angabe das Ursprungs-
zeugnis beisetzt". M. weist eine solche Bearbeitung einer neuen Aus-
gabe der Geographi minores zu.
Peripl. mar. Eryth. Julius Honorius. 23
33) B. Fabricius, Der Periplus des Erythräischeu Meeres von
einem Unbekannten. Griechisch und deutscli mit kritischen und er-
klärenden Anmerkungen nebst vollständigem Wörterverzeichnisse.
Leipzig 1883. IV und 188 S. iii-8.
Das Werk ist mir nur durch eine Rezension von K. J. Neumann
im Philol. Anz. XVI (1886) S. 213—220 bekannt. Danach ist die
litterarhistorische Einleitung samt den kritischen Anmerkungen zu breit
angelegt, die Erklärungen dagegen berücksichtigen in umfassender und
fruchtbarer Weise die x^ngaben der besonders in letzter Zeit reichlich
erschienenen Reiselitteratur.
Auch die letzten Ausläufer der römischen Geographie haben neuer-
dings eingehende Beachtung gefunden.
34) Dr. W. Kubitschek, Kritische Beiträge zur Cosmographia
des Julius Honorius. I und II. Beigaben zu den Jahresberichten des
k. k. Gymn. in Oberhollabrunn 1882 und 1883. 40 und 36 S. in 8.
35) Derselbe, Die Erdtafel des Julius Honorius. In den Wiener
Studien VII (1885) S. 1—24 und 278—310.
Es ist eine wenig erfreuliche Aufgabe, sich mit einem Schriftwerke,
wie es die sog. Cosmographia des Julius Honorius ist, eingehend zu be-
schäftigen, nicht allein weil es die wüste Arbeit eines unwissenden
Schreibers aus dem 5. oder dem Beginn des 6. Jahrhunderts ist, sondern
auch weil es als Schulbuch schon in der nächstfolgenden Zeit mannig-
fache Interpolationen und Entstellungen erlitten hat, wie die Hand-
schriften sie in wirrem Durcheinander bieten, so dals es kaum möglich
ist, den ursprünglichen Text festzustellen. Hier und da tauchen in dem-
selben Namen und Angaben auf, denen man auf den ersten Blick einen
wissenschaftlichen Wert zuschreiben möchte, aber geht man näher darauf
ein, so zerfliefsen sie meist in Nebel und Finsternis.
Der Text der Schrift war von Riese in der Geogr. lat. minores
herausgegeben (s. Jahresber. 1880, 3 S. 88—91); Riese hatte sich der
bunten Überlieferung gegenüber nicht anders zu helfen gewufst, als indem
er die des ältesten Kodex A (Paris. 4808 aus dem 6. Jahrb.), der allein
eine besondere Rezension enthält, mit Ausmerzuug der Fehler abdruckte
und daneben eine zweite Rezension, wie sie sich aus einer Reihe jüngerer
Handschriften ergebe. Im Gegensatz dazu hat K., wie auch ich es für
nötig erklärt hatte, den Grundtext einheitlich herzustellen unternommen;
doch hat er ihn nicht im Zusammenhange der Handschriften abgedruckt,
sondern die sachlichen Rubriken, nach denen derselbe in den vier Ab-
teilungen der Quadranten des Erdkreises geordnet ist, vereinigt. Diese
Rubriken enthalten in gleicher Ordnung die Aufzählung der IVIeere,
24 Julius Honorius.
Inseln, Beri^e, Länder (provinciae), Städte, Flüsse, Völker des östlichen,
westlichen, nördlichen und südlichen Quadranten, und diese sind, wie es
im Eingänge der Schrift heilst, deshalb von einer ursprünglich zum
Werke gehorendeu, jetzt aber verlornen Weltkarte zusammengestellt,
weil sie der auf dieser augewandteu gekrümmten oder akrostichisch*;n
Schreibweise wegen nicht überall leicht zu lesen waren. All diese Ru-
briken bis auf eine enthalten denn auch nur trockene Nameulisten, und
die Überlieferung beweist, dals auch ihr Verfasser die Namen nicht
immer richtig gelesen hat, oder aber, dafs die Karte sie sehr undeutlich
und fehlerhaft gab. Nur bei den Flüssen sind noch Angaben über Ur-
sprung, Mündung und Länge hinzugefügt (doch fehlen letzlere Angaben
meist in A), bisweilen auch ausführlichere Notizen über den Lauf gegeben.
Die kritischen Beiträge K.s behandeln uuu zunächst die Geschickte
der Überlieferung und die Verwandtschaft der Handschriften unter-
einander. Er unterscheidet drei Klassen: 1. den wenig interpolierten
cod. A, 2. eine durch 5 Handschriften (C V P ß S) vertretene, schon
mannigfach interpolierte Gruppe,^) 3. eine Anzahl jüngerer, noch mehr
entstellter Handschriften. K. hat jedoch den Apparat Rieses nur um
einige unbedeutende Angaben vermehren können, sein Hauptverdieust
besteht in der richtigen Verwendung desselben.
Darin hat er in der That manches Gute geleistet, zunächst in den
Städteverzeichnissen. lu ihnen finden sich zwar auch Namen, die unter
andern Rubriken als die von Ländern, Völkern u. a. wiederkehren, und
oft noch dazu in entstellten Formen, so dafs mancher Stern beigefügt
ist. Will man sich auf ihre Verbesserung einlassen, so ist es von
Wichtigkeit, dabei die Spuren der Anordnung zu verfolgen, die K. nach-
zuweisen versucht hat. Doch ist bei der augenscheinlichen Verworren-
heit der Namen auch damit noch nicht immer viel gewonnen, und es
kommen selbst Wiederholungen vor, z. B. c. 9 n. 10 und 18 Tarchi
(vielleicht Parthi nach Riese), ebenso wohl n. 6 und 21 Sallenites und
Salchamies, was beides gleich Saleantes sein mag, dem wunderlichen
Namen, der bei den Flüssen im Gangesgebiet (c. 7 und 8; s. u.) vor-
kommt. Besonders der östliche Quadrant bietet allerlei Rätsel. Die
Interpolationen der Jüngeren Handschriften scheinen bisweilen aus
Strafsenkarten zu stammen. Die Zusammenstellung der Städte weist
darauf hin, dais der Verfasser die zu Grunde gelegte Karte durch eine
Längen- und eine Breitenlinie in Viertel zerlegte und besonders die an
den äufseren und inneren Rändern der Quadranten liegenden Orte der
Reihe nach aufzählte.
*) Die in c. 18 f eingeschobenen zahlreichen Namen von Provinzen und
Städten Italiens weisen darauf bin, dafs diese Gruppe in Oberitalien über-
.arbeitet ist.
Julius llonorius. 25
Aus den verworrenen Verzeichnissen der Inseln, Meere und Berge
ist noch weniger Nutzen zuziehen; auch die der provinciae geben nichts
Merkwürdiges, während sich unter den gentes einige selten genannte
finden. Im Ostviertel möchte ich c. 13 n. 19 in den Oraccae die indi-
schen Oratae (Plin. 6, 75) wiedererkennen, im Westvieitel statt der
JutuDgi, wofür A tutuncii bietet, nach dem sog. Athicus (bei Riese p. 84, 3)
Turungi lesen. Die seltensten Namen giebt das südliche Viertel, die
Bacuates (wohl die Baquates des C. I. L. VIII, 9663), Barbares, zwischen
denen nach c. 4, 7 der Flul's Malva hindurchfüelst, Beguenses, Ferra-
tenses, Mazices, Musunei, Quinquegentiani. Die Barzufulitani dürften
den Barsunli beim An. Rav. p. 163, 16 P. et P. entsprechen. Einige
Namen, die Beitani (etwa gleich Belalitani im C. I. L. VIII, 1360),
Bures, Flumineuses, Gurbissenses sind noch nicht sonst nachgewiesen,
doch scheinen mir die letzteren, sowie der mens Gurbessa auf Ourubis
in der Nähe von Karthago bezogen werden zu können.
Am wichtigsten nehmen sich auf den ersten Blick die Listen der
Flüsse aus, die im Texte immer erst an vorletzter Stelle stehen. Ilinen
vor allen ist K.s Aufsatz in den Wiener Studien gewidmet, der besonders
aus ihnen die Anlage der zu Grunde liegenden Weltkarte nachzuweisen
sucht. Cod. A ist hier vielfach kürzer als die übrigen Rezensionen, er
bietet z. B. nur im östlichen und zum Teil im nördlichen Quadranten
die Längenangaben. Auf letztere Thatsache scheint mir K. zu wenig
Gewicht zu legen. Freilich ist, wie er ausführt, zwischen der angeb-
lichen und der wirklichen Länge der Flüsse kein Ausgleich zu finden,
allein an eine genaue Messung jener meist aufserhalb der römischen
Reichsgrenzen gelegenen Flüsse ist im Altertum doch schwerlich zu
denken. Aber auf der Karte sind die Mafse wohl angegeben gewesen.
Allzu künstlich und gewagt dürfte jedoch K.s Verfahren sein, von den
Angaben bei den spanischen Flüssen auszugehen und mit ihnen die
bei den andern Flüssen in ein ursächliches Verhältnis zu setzen, als ob
jene das Grundmafs für alle abgegeben hätten. Aber auch in den Flufs-
beschreibungen bleibt manches dunkel, selbst In den Namen. Der
Theriodes im Ostviertel ist wohl vielmehr ein Meerbusen (s. Anon. geogr.
comp, bei Müller, Geogr. gr. min. 2, 591), ganz verworren und schein-
bar durcheinander geworfen sind die Beschreibungen der Flüsse Oxus,
Ganges und Indus, die dabei erwähnten Saleantes möchte man als
Salientes erklären, wozu die bei Plin. 6, 65 gegebene Schilderung der
Gangesquellen pafst. Im wunderlichen Namen Sj'gogan oder Sj'gaton c, 8
möchte man einen, mii- zwar nicht nachweisbaren Zu^wtov finden, zu
welchem Namen die dunkle Beschreibung einigermafsen stimmt. Die
erste, ganz unerklärliche der beiden Erwähnungen des Chrysorroas
c. 10 und 11 dürfte wohl einfach zu streichen sein.
2G Julius Honorius.
Im Westviertel bietet die jüngere Rezension einige beachtenswerte
Mehraugaben als A, sie nennt den hier fehlenden ßaetis mit dem Neben-
flufs Singilius als vom mons Salurius d. 1. Solorius entspringend. Der
Durius kommt von mons Caia, in dem K, den Caunus bei Liv. 40, 50^
den Gaius bei Mart. 1, 49, 5 und 4, 55, 2, den jetzigen Moncayo wieder-
erkennt. Er durchfliegst den Paramus, eine bisher sonst nur aus einer
Inschrift nachgewiesene Gegend, die aufserdem als campus Paramus bei
Victor Tannunensis ed. Roncalli 2 p. 342 (s. Rankes Weltgesch. 4, 340 n. 3)
erwähnt wird. Wie im Orient dem Anschein nach Oxus, Ganges und
Indus, so waren im Westviertel auch Rhone und Rhein miteinander
verbunden; letzterer wird aber aufser mit seinem eigentlichen Namen
auch als Bicornius bezeichnet. Dieser Name stammt aus Verg. Aen. 8, 727
(Rhenus bicornis) und wird von Servius erklärt: bicornis autem aut
commune est omnibus fluviis, aut proprie de Rheno, quia per duos alveos
fluit:^) per unum, qua Romanum Imperium est, per alterum, qua interluit
barbaros, ubi iam Vahal dicitur et facit insulam Batavorum. Auch aus
Symmachus paneg. in Gratian. c. 9 habe ich jene Bezeichnung notiert.
Dadurch wird, glaube ich, die von mir vorgeschlagene Lesung u. 8 fluvius
Bicornius dictus st. Vicorni iunctus gesichert. In der Beschreibung des
Rhodanus n. 5 f. mufs es dann heilsen: cum sit unus et individuus st.
et dimidius und n. 6, 8 schwerlich, wie K. vermutet: aquae alveum per-
tortuosum, sondern unter Vergleiclmng der Nilbeschreibung 4, 1, 6 eher
anguillationem oder vielleicht angulationem pert., d, h. eine mannigfache,
aalartige oder winkelreiche Krümmung. Zur Erklärung des Namen»
Geobonna, der bei Athicus 23 Geon heilst, mag man die Egona j. Yonne
den Nebenflufs der Seine, beim An. Rav. p. 235, 10 und 236, 2 heranziehen.
Von wertvoller Überlieferung aus guter Zeit ist iii dem ganzen
Machwerk nicht viel zu spüren, das nur dadurch seine Bedeutung hat,
dafs es uns den traurigen Bestand des Schulwesens etwa im 6. Jahr-
hundert erkennen liiist. K. versucht (S. 303 ff.) das Bild der Karte zu
entwerfen, die dem Verf. vorgelegen, und fügt den Entwurf einer
Zeichnung bei, nach der ihre nordsüdliche Ausdehnung sich zur west-
Ostlichen etwa wie 2 zu 3 verhält, und auf der die Halbierungslinien
sich ein wenig südwestlich vom Peloponnes schneiden. Letzteres mag
richtig sein; mit Grund aber mag man zweifeln, ob statt der sonst im
Altertum nicht nachgewiesenen ovalen Form nicht vielmehr eine kreis-
runde anzunehmen sei.
36) E. Schweder, Über die Weltkarte des Kosmographen von
Ravenna. Versuch einer Rekonstruktion der Karte. Mit zwei Karten-
skizzen. Kiel 1880.
So heifst auch der Gianicus bei Ovid. met. 11, TCi) bicornis.
Anonymus Rav. 27
Pinder nnd Partliey fügten ihrer Ausgabe des An. Rav. vom
J. 1860 eine von Kiepert gezeichnete Kartenskizze bei, auf der sie
Jerusalem als Mittelpunkt der dem An. einst vorliegenden Karte an-
setzten, um den sich die Länder der Welt im Kreise ordneten. Seh.
weist auf die Unzuträglichkeiten des so gewonnenen Bildes hin und
konstruiert ein neues, zwar auch kreisrundes, doch eigentümliches. Er
nimmt an, dals die je 12 Stunden der Nacht und des Tages, auf die
der An. die Länder der Welt verteilt, nach Ravenna, der spätrömischen
Hauptstadt, als Mittelpunkt orientiert seien, legt aber diese Stadt nicht
in den Mittelpunkt der Karte, sondern etwa in die Mitte des nordwest-
lichen Quadranten. Von da aus teilt er den Raum des Kreises in je
12 winkelgleiche obere und untere Sektoren, jene für die Nacht-, diese
für die Tagesstunden. Zwar werden so einige Schwierigkeiten ver-
mieden, die sich bei der "Unterbringung der einzelnen Länder in die
Felder der Kiepertschen Karte ergaben, doch ist diese Konstruktion
mit keinem Worte im Text des Rav. angedeutet und, wie mir scheint,
überhaupt zu künstlich für diesen halbbarbarischen Schriftsteller.
Mir scheint es nötig, zunächst ein klareres Verständnis der räson-
nierenden Teile seines Textes zu gewinnen, dessen Schwierigkeiten bisher
von den Gelehrten allzusehr umgangen sind. In einer Rezension (in der
Berl. Philol. Wochenschrift 1887 S. 107 ff.) habe ich dazu einige Bei-
träge zu geben versucht. Indem ich auf sie verweise, füge ich hier
nur noch an, dafs auch ich Ravenna als Mittelpunkt, aber als wirklichen,
nicht als excentrischen der Kreiskarte ansehe und auf diese Art ein
Kartenbild gewonnen zu haben meine, das in der That den Angaben
des Textes in den wesentlichsten Punkten entspricht.
Eine im ganzen Seh. zustimmende Rezension gab K. J. Neumann
im Philol. Anz. XA^I (1887), 73—76.
37) J. W. Kubitschek, Der Text der Ravennatischen Erd-
beschreibung; im Hermes XXII (1887) S. 471—478.
Der Verf. sucht den Zusammenhang der Handschriften unterein-
ander und ihren Wert zu bestimmen. Er stellt zunächst aus gemein-
samen Verderbnissen fest, was ja schon bei dem Alter der drei Hand-
schriften, deren keine über das 13. Jahrhundert hinaufreicht, wahrschein-
lich ist. dals keine unmittelbar aus dem Archetypus stammt, sondern
alle aus einer nachlässigen Abschrift, sodann dafs keine aus einer der
beiden andern stammt, sondern dafs sie nebeneinander stehen, und zwar
so, dafs cod. A und C einander näher verwandt sind, und ebenso B
und die Handschriften des Guido, die eine kürzere, aber mit fremden
Zusätzen versehene Fassung des Textes geben.
28 Weltkarte.
Erwähnung und nähere Untersuchung hätte verdient, was Parthey
im Hermes IV, 134 ff. anführt, dafs ein Hchriftsteller vom Schlufs des
13, Jahrhunderts, Ricobaldus Ferrariensis, den Eavennaten ausge-
schrieben hat.
38) E. Schweder, Über eine Weltkarte des achten Jahrhunderts;
im Hermes XXIV (1889) S. 587-604.
Der Verf. macht auf eine in dreifacher, doch nicht ganz gleich-
artiger Wiederholung erhaltene und bereits herausgegebene Karte des
spanischen Benediktiners Beatus aufmerksam, die derselbe einem im
Jahre 787 verfafsten Kommentar zur Apokalypse beigefügt hat. Ist
sie auch den Weltkarten des frühen Mittelalters^ nahe verwandt, z. B.
darin, dal's Osten oben auf der Karte liegt, so finden sich doch auch
deutliche Spuren eiuer Verwandtschaft mit der Tab. Peut. und der
Karte, die dem An. Rav. voilag: doch fehlen auf ihr die eigentüm-
lichen und besonders wertvollen Bestandteile des letzteren, welche eine
Einsicht in die Verhältnisse der von den Germanen im 5. Jahrhundert
in Gallien gegründeten Reiche gewähren. Immerhin bleibt die Karte
des Beatus ein beachtenswertes Mittelglied zwischen den spätrömischen
Strafsenkarten und den Weltkarten des Mittelalters.
39) Nicetae Serrarum episcopi i-ythnii de marium, fluviorum,
lacuum, moDtium, urbium, gentium, lapidum noniinibus
sind von L. Cohn in Fleckeisens Jahrb. XXXII (1886) S. 649—661
herausgegeben und besprochen. Der Verf. gehört dem 11. Jahrhundert
an. Er schleppt Namen zusammen aus Homer, Apollonius Rhodius,
Lykophron, dem Periegeten Dionysius u. a., bis auf einige wenige alle
wertlos. Unter jenen, deren Quelle der Herausgeber nicht nachweisen
kann, findet sich z. B. der Flulsuame 'Hpetatvo», der wohl gleich dem
'Hpexsvo; (bei Ael. h. anim, 14, 8) oder dem 'Hpiovvo'c ist.
40) Die von F. Lenormant angeblich im J. 1863 zu Athen
im Laden eines Tabakhändlers gefundenen Reste eines griechischen
geographischen Lexikons, herausg. im Philol. XXV (1867) 147 f. und
in den Fragm. bist, graec. V, 1 p. LXVI if. wurden von Mordtmann
und Mommsen im Hermes XVII (1882) 452 ff. endgültig als Fälschung
abgethau.
Der Bericht über die Fortschritte der Geographie der westlichen
und nördlichen Provinzen des römischen Reiches wird demnächst folgen.
i1
Bericht über Geographie von Griechenland.
Von
Professor Dr. Eugen Oberhummer
in München,
III. Kypros.
Nachdem im ersten Bericlite des Referenten (Bd. 64 S. 347 — 446)
die Griechenland im allgemeinen betreif ende Litteratur, im zweiten
Artikel (Bd. 69 S. 251 — 86) diejenige über die westgriechischen Inseln
im besonderen zur Besprechung gelangt ist, soll nunmehr die ost-
griechische Inselwelt ihre Berücksichtigung finden. Ich beginne in
diesem Jahrgange mit der gröfsten und wichtigsten der hierher ge-
hörigen Inseln, Kypros, auf welcher die archäologische Forschung in
den letzten Jahrzehnten überaus thätig war. Aber mehr noch als die
archäologischen Arbeiten sind, hauptsächlich infolge der englischen
Besitzergreifung, die geographischen , touristischen und politischen
Publikationen über diese Insel zu einer solchen Menge angeschwollen,
dafs diese nicht immer leicht zugängliche Litteratur nur mehr von den
wenigen übersehen werden kann, welclie ihr ein spezielles Studium ge-
widmet haben. Es mag daher auch gerechtfertigt erscheinen, wenn die
so überaus wichtige und vieldurchforschte Insel diesmal den Gegenstand
besonderer Berichterstattung bildet.
Ich stelle an die Spitze einen bibliographischen Versuch, die
umfängliche Litteratur über Kypros zusammenzustellen und zu ordnen :
An Attempt at a Bibliograpby of C3'prus. By Claude Delaval
Cobham. Nicosia, 1886. 8. 12 S. — Second Edition. 1889. 24 S.
Der Verfasser, seit langen Jahren als höherer Verwaltungsbeamter
auf der Insel thätig, giebt in dieser Schrift ein Verzeichnis der über
K. erschienenen Litteratur vom Ende des L5. Jahrhunderts bis 1889,
wobei auch die wichtigeren Artikel in Zeitschriften berücksichtigt
wurden. In besonderen Rubriken sind zusammengestellt: Numismatik,
Inschriften und Sprache, Blaubücher (Cyprus Parliamentary Papers)
1878 — 88, in K. erschienene Zeitungen und Cesnola Controversy (nteist
Artikel in Zeitschriften und Ta^esblättern). Für die drei letzteren
30 Geographie von Griechenland.
Abteilungen, welche erst in der 2. Ausgabe beigefügt wurden, mufs
man dem Verf. ganz besonders zu Dank verpflichtet sein. Aber auch
das Hauptverzeichnis, obwohl es auf unbedingte Vollständigkeit keinen
Anspruch machen kann, ist sorgfältig gearbeitet und mit Nutzen zu ge-
brauchen. Leider wird hiei"zu auf dem Kontinent wenig Gelegenheit
gegeben sein, da die kleine Schrift auf Privatkosten gedruckt und nicht
in den Buchhandel gelangt ist. Eine dritte Ausgabe befindet sich, wie
mir der Verf. eben schreibt, in Vorbereitung.
Für griechische Litteratur ist auf das in den beiden vorigen
Berichten bereits mehrfach erwähnte Verzeichnis von Miliarakis^) zu
verweisen (S. 88-90).
Im Anschlufs an die Bibliographie wäre, hier die periodische
Litteratur über K. zu erwähnen, so weit sie ausschliefslich dieser Insel
angehört. Da dieselbe jedoch nur unter ganz besonderen Verhältnissen
erreichbar ist und überdies nur zum geringsten Teil wissenschaftliches
Interesse hat, verweise ich einfach auf das Verzeichnis bei Cobhara^ 23
und begnüge mich mit der Erwähnung der einzigen kyprischen Zeitschrift,
welche auch aufserhalb der Insel eine gewisse Vorbereitung erlangt hat,
nämlich der Oid ('Eule'). Dieselbe erschien seit Sept. 1888 zu Nikosia
in doppelter Gestalt , nämlich als "Wochenschrift politischen und wirt-
schaftlichen Inhalts u. d. T.:
The Owl. A Weekly Newspaper and Review (Folio),
welche uns trotz mancher für die Kenntnis von K. wertvollen Artikel
und Nachrichten hier nicht näher beschäftigen kann, und als halbmonatliche
Beilage wissenschaftlichen Charakters u. d. T.:
The Owl. Science, Literature and Art, Edited by Max Ohne-
falsch-Richter (Quart).
Hiervon erschienen 11 Nummern zu 8 S. (bis März 1889) mit
10 T. Illustrationen, zahlreichen Druckfehleren etc.; die Hauptartikel
sind folgende:
F. Duemmler, The Alabastron of Pasiades. No. 1, T, L
J. Naue, The Copper, Bronze and Iron Weapons of Cyprus
No. 2—4, T. II— [V.
M. Ohnefalsch-Richter, Ancient Idalion and Neighbourhood
No. 6—8, mit Plan u. T. V.
E. Oberhummer, Ancient Idalion. No. 7 und 8.
A. Weissb.ach, Craniological Studies. No. 9/10, T. VI.
») Vgl. Bd. 64 S. 340 und 437.
Kypros (Zeitschriften.) 31
M. Ohnefalsch-Richter, Excavations for Sir Charles Newton.
Teraenos of Artemis -Kybele at Achna»). No. 10/11, T, IX/X.
Im April 1889 wurde Oivl II in eine selbständige Zeitschrift um-
gewandelt u. d. T.:
The Journal of Cypvian Studies. Edited by Max Ohnefalsch-
Richter. 4.
Hiervon erschien nur eine einzige Nummer zu 24 S., welche
folgende gröfsere Aufsätze enthält:
M. Ohuefalsch-Richter, Ledrai-Lidir^) and the Copper-
Bronze-Age; hierzu zwei (entsetzlich überfüllte) Tafeln.
J. Di eck, Cyprus, reveille-toi!
Hierzu kommen u. d. T. „Linguistic and Epigraphic Studies"
verschiedene dialektologische Mitteilungen von 0. Hoffmann, C. D.
Cobham, E. Koustantinides u. s. w. Vgl. Nachtrag.
Ein Anlauf zu einer periodischen Veröffentlichung wurde auch
u. d. T. The Cyprus Museum unternommen. Meines Wissens erschienen
nur zwei Hefte, von denen das erste, mit der Sonderbezeichnung A Short
Account of Operations 4 S. Text und 3 T. in 4° umfafst und eine Mitteilung
von D. Pierides d. d. Nov. 1883 über drei epichorische Inschriften aus
dem Gebiet von Kythraia enthält. Im 2. Heft, 8 S. in 8° mit dem
Sondertitel A Bilingual Inscription (Phoenician and Kypriote),
2nd. Edition, Nicosia 1886 behandeln F. Warreu u. D. Pierides
eine phönizisch-epichorische Bilinguis aus Tamassos, welche ebenso, wie
die drei vorgenannten Inschriften, seitdem in neuerer und leichter zu-
gänglicher Ausgabe vorliegt (s. u.).
Ich wende mich von der periodischen Litteratur zu der eigentlichen
Grundlage des geographischen Studiums, den Karten der Insel.
Wie in den meisten der europäischen Kultur entrückten Ländern
ist auch in K. die genaue Aufnahme der Küsten derjenigen des Innern
vorausgegangen. So bildete auch seit der Mitte unseres Jahrhunderts
die Grundlage aller Karten von K, die Aufnahme der britischen
Admiralität
2074. Cyprus. Surveyedby Captain Thomas Grav es. 1849. 2V2 sh.
DasBlatt, welches 1851 veröffentlicht wurde und mit Berichtigungen
bis auf die neueste Zeit — mein Exemplar bis 1885 — versehen ist^),
') Zwischen Famagusta und Larnaka.
-) Der Löwenhügel bei Nikosia (s. u. Topographie).
') Soeben ersehe ich aus Peterm. Mitteil. 1893 Lit.-B. N. 188, dalä
eine neue Ausgabe dieses Blattes in 1 : 260800 zum Preise von 2 sh, er-
erschienen ist.
,•^9 Geographie von Griechenland.
hat den Mal'sstab von 0,3" =. 1 tnile (1 : 243455) und enthält aufser
der Hauptkarte Spezialpläne von Liraassol (1849), Larnaka (1849),
Famagusta (1878/9), Salamis und Kerynia, sowie Küstenansichten von
den genannten Plätzen und Kap Kormakiti. Die Karte steht an
Detailausführung den besseren englischen Küstenkarten aus griechischen
Meeren entschieden nach und ist für das Innere, für welches nur einige
Andeutungen gegeben sind, jetzt wertlos.
Aufserdem veröffentlichte die britische Admiralität folgende
Spezialpläne:
846. Limasol. Surveyed by Lieutenant Lord John T. Browne.
1849. 1:26960. Veröffentlicht 1878. IV2 sh. Korrekturen meines
Ex. bis 1885.
847. Famagousta and Salamis. Surveyed by Lieutenant A. L.
Mansell, 1849, and Staff Commander John Miliard, 1878/9.
1 : 22059 (Famagousta Harbour 1 : 10050). Veröffentlicht 1879. IV2 sh.
Korrekturen meines Ex. bis 1885.
848. Larnaka. Surveyed by Mr. J. Stokes. 1849. 1 : 29470.
Veröffentlicht 1878. 1\'2 sh. Korrekturen meines Ex. bis 1885. In
der Ecke r. u. eine Ansicht des (mittelalterlichen) Turmes von Kiti.
Auch die fianzösische Marineverwaltung ^) ist mit einigen, zum Teil
auf englischer Vorlage, zum Teil auf selbständigen Aufnahmen beruhenden
Karten hervorgetreten, nämlich:
2057. Carte du canal compris eutre la cote de Caramanie et l'ile
de Chypre. 1863. Korrekturen bis 1879. 2 fr.
2179. Carte de la cote möridionale de File Chypre. 1865. Kor-
rekturen bis 1892. 2 fr.
Die beiden Blätter sind eine Kopie (in gleichem Mafsstab) der
englischen Karte 2074 mit Hinzufügung eines Stückes der Südküste
Kleiiiasiens und Umsetzung von Mals und Schrift ins Französische. Bei-
gegeben sind auch die Spezialpläne von Kerynia, Larnaka, Salamis, Li-
ma88ol, letzterer nach No. 3243, die übrigen nach englischer Vorlage.
3243. Croquis du mouillage de Limassol fait sous la direction
de Mr. Duseutre par M. M. Desporte etDelile. 1873. 1 : 20000,
0,50 fr. Korrekturen meines Ex. bis 1882.
*) Früher Depot des cartes et plans de la Marine^ jetzt Service
hydrographique de la Marine; vgl. Bd. 04 S. 437. Der dort vermifste Katalog
ist mir jetzt zugänglich u. d. T. : „Catalogue par ordre geographique des
cartes, plans, vues de cotes, memoires, Instructions nautiques, etc., qui
composent l'hydrographie fran^aise." Paris. Impr. Nation. 1893. VIU 430 S.
Kypros (Karten), 33
3244. Croquis du mouillage de Larnaca Iev6 en 1861 par M. M.
Desmoiilin et Du Laurens. Veröffentlicht 1873. 1:20000. Kor-
rekturen meines Ex. bis 1886. 0,75 fr.
37J6. Famagouste. 1879. Port de Famagouste. 1:10000.1fr.
Kopie nach der englischen Karte No. 847, welche übrigens vor-
zuziehen.
Von dem festen Rahmen der englischen Seekarte gingen bis vor
kurzem alle Versuche aus, die Karte von K. auch für das Innere zu
konstruieren. Der erste wissenschaftliche Versuch dieser Art war die
Karte von L. de Mas Latrie (s. u. S. 49 f.), welche jedoch nicht mehr
in den zeitlichen Rahmen unseres Berichtes fällt. Aus neuerer Zeit ist
zu erwähnen:
New Original Map of the Island of Cyprus by Henry Kiepert.
Scale 1:400000. Berlin, Dietrich Reimer. 1878. M. 2.
Die Karte hat das Verdienst, nicht nur das allgemein zugäng-
liche Material, sondern auch die (leider nur teilweise) veröffentlichten
Reiseergebnisse Dr. Paul Schröders (s. u.) und einige andere noch nie-
mals ausgebeutete Quellen verarbeitet zu haben, worüber eine Legende
des Kartenblattes Aufschlufs giebt. Die Karte ist, wie bei dem Verf.
nicht anders zu erwarten, klar und übersichtlich gezeichnet, das Terrain
in geschummerter Manier; jetzt ist dieselbe durch die neue englische
Aufnahme völlig überholt und nur bei Ermangelung der letzteren, so-
wie zur Übersicht der türkischen Verwaltungsgrenzen noch von praktischer
Bedeutung.
Eines der wichtigsten wissenschaftlichen Ergebnisse der englischen
Besitzergreifung von K. ist die Durchführung einer topographischen
Aufnahme und einer hierauf beruhenden Karte, welche unter folgendem
Titel erschien:
A Trigonometrical Survey of the Island of Cyprus executed and
published by command of H. E. Mayor General Sir R. Biddulph —
High Commissioner, under the direction of Captain H. H. Kitchener,
R E., Director of Survey. Hillshading by Lieutenant S. C. IN. Grant,
R. E. 1882. Scale of 1 Inch to 1 Statute Müe = 1 : 63360. London,
Edward Stanford. 1885. 15 Bl. nebst Titel- u. Übersichtsblatt. Preis
3 £. 10 sh.
Da ich mich über diese grundlegende Karte bereits an anderer
Stelle ausgesprochen und dort auch die wichtigsten litterarischen Nach-
weise gegeben habe,^) mag es hier genügen, unter Beziehung auf jene
1) Ztschr. d. Ges. f. Erdk. 1890 S. 188 ff.
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXVII. Bd. (1893. III.)
34 Geographie von Griechenland.
Bemerkungen, daran zu erinnern, dafs für jeden, der sich irgendwie
näher mit K. zu beschäftigen hat, diese Karte unentbehrlich ist. Be-
züglich der antiken Topographie sei bemerkt, dafs die hierauf bezüg-
lichen Namen durch besondere (gotische) Schrift ausgezeichnet, übrigens
vielfach verunstaltet oder willkürlich angebracht sind. Die in grofser
Zahl und mit anerkennenswerter Sorgfalt eingetragenen Ruins können
ebensowohl antike als irgendwelche jüngere Trümmerstätten (Kirchen-
ruinen u. dgl.) bezeichnen.
Nur als Übersichtskarte kann zum Ersatz dienen eine Verkleine-
rung auf Vö des ursprünglichen Verhältnisses, w^elche u. d. T. :
Cyprus. Scale 1 : 316800. London. Published by Edward Stan-
ford.') 1886. M. 5.
erschien. Trotz seiner Übersichtlichkeit und ausdrucksvollen Zeichnung
— das Gelände ist in Strichmanier bei Annahme nordwestlicher Be-
leuchtung gehalten — ist dieses Kartenblatt nur mit Vorsicht zu be-
nutzen, da sich bei der Verkleinerung der Originalkarte mehrfache
Fehler und Mifsverständnisse eingeschlichen haben. Immerhin ist es z. Z.
die einzige Karte, welche bei handlichem Format und billigem Preis
ein an Einzelheiten reiches und annähernd richtiges Bild der Insel giebt.
Mit der gröfseren Karte beschäftigt sich eingehend ein Aufsatz von
H. Zimmerer, Die englische Generalstabskai'te von Cypeni.
Blatt, f. d. bajT. Gymnasialschulwesen 1888 S. 152—7, 224—9, 328—33.
Derselbe enthält allerdings nur zum kleineren Teile eine Be-
sprechung der Karte und ergeht sich vielmehr in allgemeinen, von viel-
seitiger Litteraturkenntnis zeugenden Betrachtungen über die Bedeutung
der Lisel und die neueren Forschungen über dieselben; doch sucht der
Verf. durch Anführung zahlreicher Einzelheiten sowohl eine Vorstellung
von der Reichhaltigkeit der Karte zu geben als auch daraus den Nach-
weis eines fast unvermischten Hellenentnms der Bewohner zu führen.
Neben der topographischen Karte hat die Inselregierung auch
Spezialpläue der drei wichtigsten Städte Nikosia, Larnaka und Fama-
gusta aufnehmen lassen, welche jedoch leider nicht zur Veröffentlichung
bestimmt sind. Diese Pläne sind in dem grofsen Mafstsab von 1 : 2500
aufgenommen und mit grofser Sorgfalt ausgeführt, so viel mir bekannt,
durch den Topographen Carle tti. Nur der Plan von Famagusta wurde
') Eine früher (lb78) bei Stanford erschienene Karte u. d. T. „Cypru.s.
Showing the Administrative Divisions and Identified Ancient Sites", welche
natürlich jetzt keinen Wert mehr haben kann, ist mir nicht zu Gesicht ge-
kommen.
Kypros (Allgemeines). 35
einiger in afsen zugänglich gemacht, da von demselben eine, tj^pographisch
freilich sehr unvollkommene Vervielfältigung erschien u. d. T. :
Plan of Famagusta. Scale 1 : 2500. Published under the dii-ection
of Lieut. S. C. N. Grant.
Meines Wissens wurde nur eine kleine Zahl von Abdrücken her-
gestellt, die wieder nur durch besondere Vermittelung zu beziehen sind.
Die Hauptergebnisse dieses Planes sind übrigens in die Seekarte No. 847
(o. S. 32) aufgenommen. Von dem grolsen Doppelplan von Larnaka
wurde für den Bef. eine Kopie gefertigt, aufser welcher neben dem
Original wohl keine zweite existieren dürfte. Der Plan von Nikosia,
dessen Veröffentlichung für das Studium der Geschichte und Topographie
dieser Stadt von gröfster Wichtigkeit wäre, vermodert leider ungenützt
im Survey Office.
Ich wende mich nun zu den Büchern und Aufsätzen allgemeiner
Natur, mit Einschlufs der Reisebeschreibungen, und gebe dieselben
in chronologischer Folge. Selbstverständlich können hierbei nicht Artikel
ganz vorübergehenden Charakters berücksichtigt werden, Mie sie anläfs-
lich der englischen Besitzergreifung fast jede gröfsere Zeitung brachte,
und kann ich auch in anderer Hinsicht bei der Flut von Litteratur eine
Sicherheit für Vollständigkeit nicht übernehmen.
E. Paridant van der Gammen, £tude sur l'ile de Chypre, Bru-
xelles 1874. Unzugänglich. Vgl. M. Ohnefalsch-Richter in ^Unsere
Zeit" 1880 n S. 302.
G. d'Orcet, Paphos, ses monasteres et la fete de Venus. Sou-
venirs d'une mission archeologique, Revue britannique 1874 V 5 — 31,
283—320 (belgische Ausgabe).
Die Reise des Verf. nach dem Westen der Insel fand im J. 1862
im Znsammenhang mit der bekannten Untersuchung der Insel durch die
französischen Archäologen de Vogüe, "Wad dington u, a. statt. So weit
sich der Inhalt obiger Artikel auf diese Reise selbst bezieht, sind die-
selben nicht ganz ohne Wert, zumal bezüglich gewisser sozialer Ver-
hältnisse (Zustände im griechischen Klerus u. s. w.). Leider wird jedoch
der meiste Raum durch sprachlich -mythologische Erörterungen in An-
spruch genommen, in denen der haarsträubendste Unsinn mit einer wahr-
haft verblüffenden Dreistigkeit vorgetragen wird. Vgl. u. S. 36.
Reisen in der asiatischen Türkei von Julius Sei ff. Leipzig,
J. C. Hinrichs. 1875. Vm 533 S. M. 7,50.
Kap. II (S. 65—132) führt die Überschrift „Reise durch die
Insel Cypern" und enthält (von S. 76 ab) die oberflächliche Schilderung
3*
36 Geographie von Griechenland.
einer Reise von Larnaka über Athienu und Dali nach Nikosia, dann
über Yatili nach Pamagosta, Salamis, Varosia, Ormidia, Larnaka, Ania-
thus, Limassol, Kolossi, Kiirion, Paphos, Chrysorrogiatissa, Kykku,
Kambos, Karavostasi, Nikosia, Larnaka, Zahlreiche Ungenauigkeiten
nnd Druckfehler. Ein Auszug erschien u. d. T. :
Wanderung auf der Insel Cypern. Ausland 1875. S. 498—502.
J. V. Zwiedinek, Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Insel
Cypern. Ost. Monatsschr. f. d. Orient II (1876) 182—86.
Nach der im Titel angedeuteten Beziehung beachtenswert, sonst
voll Ungenauigkeiten, besonders in der Schreibung der Eigennamen.
G. d'Orcet, Chypre (une des guerites de l'isthme de Suez).
Revue britannique N. S. 1877 77—104. Vgl. o. S. 35.
Eine von chauvinistischer Gesinnung durchtränkte Aufforderung
au Frankreich, sich K. zu bemächtigen, um gegen die damals angeblich
geplante Besetzung Kretas durch England ein Gegengewicht zu gewinnen.
Hieran schliefst sich eine Schilderung einiger der bekanntesten Plätze
der Insel, besonders vcoi Nikosia und Famagusta, welche dem Verf.
Gelegenheit zu kmisthistorischen und geschichtlichen Abschweifungen
geben. Den Schlufs bilden einige ethnologisch bemerkenswerte Mit-
teilungen über die karpasische Halbinsel. Ein anderer Artikel desselben
Verfassers,
Chypre et sa valeur stratßgique et commerciale. Revue de France
1878, 1. Aoüt,
ist mir nicht zugänglich.
Wir wenden uns nun zu demjenigen Werke, an das sich haupt-
sächlich der Aufschwung der k3'prischen Altertumsforschung knüpft, und
welches wir wegen seines allgemeinen Interesses, den rein archäolo-
gischen Publikationen vorausgreifend, am besten an dieser Stelle er-
wähnen:
Cyprus. Its Ancient Cities, Tombs and Temples. A Narrative
of Researches and Excavations during a Ten Years' Residence as
American Consul on that Island by General Louis Palma di Ces-
nola. With Maps and Illustrations. London, John Murray. 1877,
XX 448 S. 61 T. M. 60.
Cypern, seine alten Städte, Gräber und Tempel. Bericht über
zehnjährige Forschungen und Ausgrabungen auf der Insel von Louis
Palma di Cesnola. Autorisierte deutsche Bearbeitung von Ludwig
Stern. Mit einleitendem Vorwort von (xcorg Ebers. Mit mehr als 500
in den Text und auf 96 Tafeln gedruckten Holzschnittillustrationen,
Kypros (Cesnola). 37
12 lithographierten Schrifttafeln und 2 Karten. Jena, Hermann
Costenoble. 1879. 8. XXIV 442 S. CX T. M. 3G. ').
So grois die Bedeutung dieses Buches, wie verschieden man auch
«onst [über seinen Wert urteilen mag, für die kyprische Altertums-
forschung ist, so wird doch niemand nach so langer Zeit noch eine ein-
gehende Analyse des Inhalts an dieser Stelle erwarten. Indem ich viel-
mehr in dieser Hinsicht auf die seiner Zeit erschienenen Besprechungen
verweise-), will ich zunächst zui* äufseren Orientierung nur hervorheben,
dals von dem stattlichen Band der deutschen Ausgabe, die ich hier zu
Grunde lege, lediglich 288 S. grolser Ciceroschrift auf den eigentlichen
Text entfallen, während der Best durch die Vorreden, die Anmerkungen
des Übersetzers (S. 291 — 311), eine Abhandlung über „die Ringe und
Gemmen im Schatze von Kurium" nach dem Englischen von C. W. King
(S. 312 — 354), eine andere „über die kyprischen Thongefäfse" von
A. S. Murray (S. 355 — 366), eine gänzlich unbrauchbare Sammlung
gi'iechischer Inschriften (S. 367 — 91), die zum grofsen Teil schon ander-
weitig viel besser herausgegeben waren ^), die Erläuterung zu den
Tafeln, einschliefslich der (facsimilierten) epichorischen und phönizischen
Inschriften, nebst Register, und vor allem durch die zahlreichen Tafeln
in Anspruch genommen wird. In letzteren liegt der Hauptwert des
Buches. Denn obwohl dieselben weit entfernt sind, den Anforderungen
der archäologischen "Wissenschaft zu genügen, veranschaulichen sie doch eine
Fülle von Material und werden wohl, trotz wertvoller gröfserer Publikationen
(worüber später) noch auf lange hinaus ein wichtiges Hilfsmittel für das
Studium kyprischer Altertümer bilden. Ungleich geringwertiger ist der
Text, von dem übrigens noch 44 S. auf eine historische Einleitung entfallen.
Legt man an denselben den Mafsstab, von dem man nach dem Titel
und dem Vorwort des Verf. (S. IX) auszugehen berechtigt wäre,
nämlich den einer wissenschaftlichen Berichterstattung ,,über zehnjährige
Forschungen und Ausgrabungen auf der Insel", so mufs die hier ge-
zogene Summe als ein höchst klägliches Ergebnis bezeichnet werden.
AVas der Verf. über die einzelnen Ruinen- und Äusgrabungsstätten mit-
*) Eine italienische Übersetzung des Werkes (Turin ISST), welche
G. Hirschfeld im Geogr. Jahrb. XIV 173 No. 215 erwähnt, ist mir nicht
näher bekannt.
2) Bursian im Liter. Centralbl. 1880 Sp. 498-500; H. Scheube im
Ausland 1880 S. 420-4; C. T. Newton in Aeademy 1878 XIII 58 f., 81-3;
Athenaeiim 1878 I 24—6; Bayard Taylor in North American Review
Bd. 126 (1878) S. 118—23 und viele andere.
^) Besonders bei Lebas, vgl. Bursian a. a. 0. und Röhl in diesem
Jahresbericht Bd. 36 S. 53, sowie (bezüglich der epichorischen Inschriften)
Deecke in Bd. 19 S. 32 und Bd. 44 S. 270.
38 Geographie von Griechenland.
zuteilen weils, steht in gar keinem Verhältnis zur Dauer seines
Aufenthaltes auf K., zur Zahl seiner Reisen, welche die am Schlufs bei-
ge^ebene Routenkarte veranschaulicht, und vor allem zu dem Umfang
der von ihm veranstalteten Ausgrabungen. Die mannigfachen persönlichen
Erlebnisse und Abenteuer, deren Erzählung einen beträchtlichen Teil des
an sich wenig umfangreichen Berichts füllt, lesen sich zwar sehr unter-
haltend, können aber für die Dürftigkeit und Unzulänglichkeit der
eigentlichen Berichterstattung nicht entschädigen. Man ersieht klar,
dal's der Verf. als reiner Dilettant und ohne jegliche Vorbereitung au
die kyprischen Altertümer herangetreten ist, und seine Sammlungen
und Ausgrabungen ohne Rücksicht auf wissenschaftliche Interessen
lediglich zum Zweck der Erwerbung möglichst vieler beweglicher (und
verkäuflicher) Gegenstände augelegt hat ^); erst später, als man in
gelehrten Kreisen auf die von Cesnola angehäuften Schätze aufmerksam
geworden war, kam derselbe, wie er selbst in seiner Vorrede andeutet.
zu dem Bewulstsein, für seine Thätigkeit auf K. auch Rechenschaft
schuldig zu sein, und nun wurde aus offenbar höchst mangelhaften
Tagebuchnotizen und anscheinend noch mehr aus unsicherer Erinne-
rung — der Verf. hatte K. inzwischen bereits verlassen — ein
Btich zusammengeschrieben, das den Sammler Cesnola zum wissen-
schaftlichen Archäologen stempeln sollte. Leider ist dieser Versuch
vollständig mii'sglückt und hat den Verf. sogar in den Verdacht
eines Fälschers gebracht. Der Marlgel au wissenschaftlicher Schulung
könnte ja immerhin entschuldigt werden bei einem Manne, der seine
Berührung mit der Archäologie doch nur dem zufälligen Umstand seiner
Berufsstellung als amerikanischer Konsul zu verdanken hatte. Ebenso
würde man über das mehr geschäftliches als wissenschaftliches Interesse
verratende Verfahren Cesnolas bei seinen Ausgrabungen hinwegsehen
können , denn auch bei vielen von anderer Seite unternommeneu Aus-
grabungen auf K. ist die Wissenschaft häufig nur der Deckmantel für
geschäftliche Spekulation gewesen. Aber schlimmer ist die That-
sache, dal's auch das wenige Positive, das Cesnola über seine Aus-
grabungen mitteilt, vor der nachprüfenden Kritik fast nirgends Stand
') In dem Aufsatz von Perrot II 374 (vgl. u. S. 45), der im übrigen noch
ganz in der ersten Begeisterung über Cesnolas Erfolge niedergeschrieben ist,
finde ich folgende, die Art seiner Ausgrabungen scharf kennzeichnende
Stelle: ,,Pour celui-ci (Cesnola), les restes de cet edifice (sog. Tempel von
Golgos) n'ont ete qu'une mine ä exploiter en toute häte, pour y trouver
des objets de coUection et de vente. La fouille ainsi comprise est brutale
et destructrice ; eile ä'enfonce dans le so!, eile rejette les terres ä droite et
ä gauche sans s'inquieter de ce qu'elles recouvrent en retombant ä lourdea
pelletees: eile sacrifie tout ä la conquete de la proie qu'elle poursuit."
Kypros (Allgemeines). 39
hält. In der lebhaften Kontroverse, die sich über die Cesnola-Frage
entsponnen hat, und auf welche wir später noch zurückkommen werden,
ist diese TJnzuverlässigkeit von Cesnolas Angaben wiederholt aufs
schärfste gerügt worden, ja dem Verf. der Vorwurf bewnl'ster Fälschung
nicht erspart geblieben. Mag man nun immerhin annehmen, dals
Cesnola, wie so manche fromme Fälscher des Mittelalters, sich der
Tragweite und Verantwortlichkeit seiner irreführenden Angaben nicht
bewnl'st war und manche derselben vielleicht nur aus trügerischer
Erinnerung bona fide gemacht sind — denn brauchbare Auf-
zeichnungen hat der „General" oifenbar nie besessen — , so bleibt doch
leider die Thatsache bestehen, dals seine Mitteilungen durchaus un-
zuverlässig sind, und sich oft gerade da, wo sie den Schein gröfster
(Tenauigkeit tragen, als reine Luftgebilde erweisen. Es ist hart, über
ein rasch zu Verbreitung und hohem Ansehen gelangtes Buch ein solches
Urteil fällen zu müssen, aber gerade dieser Umstand macht es auch zur
Pflicht, weitere Kreise — für Archäologen ist dies längst nicht mehr
nötig — vor allzu vertrauensseliger Benutzung zu warnen. Cesnolas
thatsächliche Verdienste um die kyprische Altertumsforschung, die jetzt
auch von einem seiner erbittertsten Gegner ruhiger gewürdigt werden, ^)
sollen damit in keiner Weise angegriffen, sondern nur die litterarische
Verwertung seiner Ausgrabungen in ihrer Mangelhaftigkeit gekennzeichnet
werden.
Cypern. Eeiseberichte über Natur und Landschaft, Volk und Ge-
schichte von Franz von Löher. Stuttgart, J. G, Cotta. 1878. IV
376 S. — 3., um Yorwort und (chromolith.) Karte verm. Aufl. 1879.
X 376 S. M. 6.
Cyprus, Historical and descriptive. Adapted from the German
with much additional matter by Mrs. A. B. Joyner. London,
W. H. Allen. 1878. 324 S., 2 Karten. 10 sh. 6 p.
So verschieden Löhers Buch von dem vorgenannten nach Anlage
und Ausstattung ist, teilt es mit demselben doch eine Eigentümlichkeit,
dals es nämlich lange Zeit hindurch entschieden überschätzt worden ist.
Der durch zahlreiche Schi'iften auf dem Gebiet der Länder- und Völker-
kunde begründete schriftstellerische Ruf des Verfassers und insbesondere
der rein zufällige Umstand, dafs das Buch gerade zur Zeit erschien,
als infolge der englischen Besitzergreifung die Augen aller Welt auf
K. gerichtet waren, haben demselben eine Verbreitung und ein Ansehen
verschafft, welches nicht ganz im Verhältnis zur Bedeutung des Inhaltes
steht. Schon die Thatsache, dafs der Verf. nur sehr kurze Zeit (14 Tage)
*) Ohnefalsch-Richter, Kultusstätten S. II u. ö.
40 Geographie von Griechenland.
auf K. weilte und nicht einmal Zeit fand, einen Platz von so aufser-
ordentlichem geschichtlichen und touristischen Interesse wie Famagusta
zu besuchen, läfst Löhers „Cypern" gegen andere, vorzugsweise die
englischen Bücher, welche auf viel umfassendere Anschauung gegründet
sind, zurücktreten. Den in grofser Zahl eingestreuten historischen Be-
trachtungen, welche die Lücken der eigenen Beobachtung verdecken
sollen, wird man manche Anregung entnehmen, aber sie sind doch zu
wenig tiefgehend, um eine wissenschaftliche Bedeutung beanspruchen
zu können. Auch kann nicht verschwiegen werden, dass die Natur-
schild erungeu grofsenteils auf dem trefflichen Werk von F. Unger und Th.
Kotschy ^) beruhen, weit öfter, als der Verf. dies ausdrücklich hervorge-
hoben hat; überhaupt ist dieses für die physikalische Geographie der
Insel grundlegende, in historischer Beziehung freilich auch dilettantenhafte
Buch von neueren Schriftstellern über Kypros in umfassendster Weise
ausgenützt worden (wie schon Hirschfeld bemerkt hat-), ohne dafs es
deshalb in weiteren Kreisen das Ansehen erlangt hätte, das so mancher
seichteren Arbeit in reichlichem Mal'se zu Teil wurde.
Die 3. Auflage von Löhers „Cypern" unterscheidet sich von der
1. und 2. nur durch Beigabe einer Übersichtskarte und einer Vorrede,
welche allerdings manchen seusationsbedürftigen Leser enttäuschen wird.
Als Reiseroute des Verf. ergiebt sich aus der Reihenfolge der Kapitel:
Larnaka, Athienu, Nikosia, San Chrj'sostomo, Buffavento, Evrychu,
Troodos, Trooditissa, Chrysorrogiatissa, Paphos, Kurion, Limassol, Ama-
thus, Mazotos, Larnaka. Die Schreibweise ist, wie bei dem Verf. nicht
anders zu erwarten, gewandt und wortreich, mitunter etwas manieriert.
Lediglich ein Auszug aus dem vorgenannten Buche ist der Artikel
Die Insel Cypern. Ausland 1878. S. 646-9, 668—73.
Im Anschluls hieran mag auch gleich desselben Verf. übersicht-
liche Skizze der Geschichte der Insel genannt sein, welche den Titel führt
Cypern in der Geschichte. Von Franz vonLöher. Berlin 1878.
48 S. M. 1. (Samml. gemeinverständl. Vorträge XIII. Ser. Heft 307.)
Meine zweite Reise auf Cypern im Frühjahr 1873. Von Dr. P.
Schröder. (Aus Briefen an Prof. Heinrich Kiepert). Globus XXXIV
(1878) S. 135—9, 152-6, 168-72, 183—6.
Gegen die Flut meist oberflächlicher Erzeugnisse, welche das
englisch -türkische Übereinkommen hervorgerufen hat, stehen diese an-
spruchslosen, aber inhaltreichen und zuverlässigen Reisenotizen in einem
erfreulichen Gegensatz. Sie erinnern in ihrer gediegenen Schlichtheit
») Die Insel Cypern. Wien 1865.
^J Geogr. Jahrbuch X 422.
Kypros (Allgemeines). 41
an die Reisebeschreibung- von L. Rois *), die, obwohl ia weiteren Kreisen
wenig bekannt, zu dem Besten g-ehört, was über K. geschrieben wurde,
und noch heute eine reiche Quelle der Belehrung bildet. Die Reise-
route ist Larnaka, Nikosia, Lapitho, Larnaka Lapithu, Myrtu, Levka,
Pyrgo, Kykku, Troodos, Paphos, Limassol, Athienu, Larnaka; Akanthu,
Jalusa, Rhizokarpaso, H. Andreas, H. Theodore, Levkoniko, Treraithus,
Larnaka. Der Hauptwert des Berichtes besteht in den Mitteilungen
über die Ruinenstätten von Akanthu bis zur NO-Spitze, einem von
Schröder zum ersten Mal genauer durchforschten Gebiet. Aulserdem
hat der Verf. auf der ganzen Reise auch treffliche geographische Beob-
achtungen gesammelt, welche bereits Kiepert in seiner o. S. '6'6 erwähnten
Karte verwerten konnte.
Derselbe Band des „Globus" enthält auf S. 105—8 und 124—8,
anscheinend aus der Feder des Herausgebers Richard Kiepert, einen
anonjTiien Ai'tikel „Cypern", welcher aus den besten neueren Quellen zu-
sammengestellt, im übrigen ohne Originalwert ist; nur die Tabelle über
den Schiffsverkehr im Jahre 1876/7 (S. 126) scheint aus einer unver-
öffentlichten Quelle (KonsularberichtV) zu stammen.
Über den gleichfalls für die neueren Verhältnisse beachtenswerten
Artikel von A. zur Helle von Samo (Mitteil. d. Geogr. Ges. in Wien
1878) soll, da derselbe sich gleichzeitig auch auf die türkischen Inseln
des Archipels bezieht, im nächsten Jahresbericht referiert werden. Doch
mag hier erwähnt sein, dals eine (abgeküi'zte) englische Bearbeitung
der auf K. bezüglichen Mitteilungen zur Helles im GeograpMcal Maga-
zine V (1878) S. 167—71, 198—201 erschien, woran sich daselbst eine
von einer gröfseren Karte begleitete Notiz über K. (201 — 3), sowie
Auszüge aus Vorträgen über die Insel (S. 273—76) schlielsen.
Am fruchtbarsten war das Jahr 1878 natürlich an englischen
Büchern, von denen mir jedoch die Mehrzahl nui- dem Titel nach be-
kannt ist. Dies gilt leider auch von einem allseitig lobend anerkannten
Buche, das von einem Offizier, A. R. Savile, in dienstlichem Auftrag
verfafst, in London 1878 (Intelligence Brauch, Quartermaster-Generars
Department, Horse Guards) erschien, aber nicht in den Buchhandel ge-
langte und überdies jetzt ganz vergriffen sein soll. Das Buch, von
welchem ich ein Exemplar, jedoch ohne Titelblatt, einmal flüchtig bei
einem englischen Beamten in K. sah, soll eine sorgfältige Kompilation
aus den besten Quellen über K. sein. S. Baker (s. u. S. 47) S. X
sagt darüber: „It is impossible to praise the latter work too highly, as
every (?) authority, whether ancient or modern, has been studied, and
*) Reisen nach Kos, Halikarhassos, Rhodos und der Insel Cypem.
Halle 1852 (= Bd. 4 der griechischen Inselreiseu).
42 Geographie von Griechenland.
the Information thus carefiüly collected has been classed under special
heading^ and offered to the reader in a concise and graphic form which
renders it perfect as a book of reference." Auszüge aus dem histo-
rischen Teil haben J'Anson und Vacher in ihrer später zu besprechenden
knnstgeschichtlichen Arbeit (S. 8 — 13) gegeben.
Lediglich aus Cobhams Verzeichnis kenne ich eine in dem gleichen
amtlichen Verlag erschienene Schrift von:
E. H. H. Collen, A Report on Cyprus, 1845—77. London 1878.
Dasselbe gilt von folgenden Büchern, deren Titel ich zum Teil
nach der Bihl. philol. class., „Petermanns Mitteilungen" und dem Englisk
Catalogue of Books ergänzt habe. Vgl. Nachtrag.
Cyprus and Asiatic Turkey. A handy general Description of
our New Lastern Protectorate, from „The Euglish Cyclopaedia".
London, Bradbury. 1878. 12. 248 S., Karte. 3 sh. G d.
Cyprus Past and Present, with Map. London, A. H. Moxon.
1878. 12. 6 d.
Cyprus. Its Value and Importauce to England. London 1878.
J. L. Farley, Egypt, Cyprus and Asiatic Turkey. London,
Trübner. 1878. 268 S. 10 sh. 6 d.
F. H. Fish er, Cyprus, our new Colouy, and what we know
about it, with Maps. London, Routledge. 1878. 12. 128 S. 1 sh.
C. B. Harris, Cyprus, its Past, Present and Future. London 1878.
J. J. Lake, Ceded Cyprus. Its History, Conditiou, Prospects,
and Products. London, E. Wilson. 1878. 40 S. 1 sh.
Phil. Robinson, Cj^prus. Its phj'sical, economical, historical,
commercial, and social Aspects, Compiled from Encyclopaedias,
official, trade, and other Reports and foreign Publications. London,
Clowes 1878. 32 S. Karte. 1 sh.
Aus eigener Lektüre kenne ich
Cyprus: Its Resources and Capabilities, with Hints for Tourists.
ßy E. Gr. Ravenstein. With Mups and Plans. London, CTeorge
Philip & Son. 1878. IV 56 8. 1 sh. 6 d.
Knrae Kompilation aus Gaudry, Unger-Kotschy, Mas-Latrie,
Cesnola, Löher, Engel u. s. w. Die beigegebene, derb gezeichnete Karte
in 1 : 507 000 enthält auch die Pläne von Kerynia, Salamis, Famagusta,
Larnaka, Limassol(nach den englischen Seekarten, s.o. 8. 32), ferner Neben-
Kypros (Allgemeines). 43
kärtchen zur Veranschaulichung' der orographischen, geologischen, land-
wirtschaftlichen und religiösen Verhältnisse. ^)
Weit bedeutender als dieses Büchlein und wohl auch die meisten
der Vorgenannten ist
Cyprus: Its History, its präsent Eesources, and future Prospects.
By R. Hamilton Lang. With two Illustrations and four Maps.
London, Macmillan and Co. 1878. XII 370 S. 14 sh.
Chypre, son pass6, son present et son avenir. Traduit de l'anglais
par V. Dave. Paris 1879. 12. 3 fr.
Die Hälfte des Buches (Kap. 1 — 8) ist der Geschichte von K.,
und zwar hauptsächlich im Altertum, gewidmet; dieselbe ist auf Grund
der bekanntesten Hilfsmittel nicht ohne Geschick zusammengestellt,
entbehrt aber selbständiger wissenschaftlicher Bedeutung. Auch wird
man einzelne Unrichtigkeiten dem Verfasser , der als Dilettant
fern von dem litterarischen Apparat unserer Kulturzentren schrieb,
nicht zu hoch anrechnen dürfen. Dem historischen Teil folgen die
Kapitel IX Our prospects in the new era ^), X Agriculture and produce,
XI Drought and locusts, XU Minerals and sali, XIII Turkish and
futiire admmistratic*^ ; denselben ist inhaltlich das Schlufskapitel (XVIII)
My farm in Cyprus anzureihen. Dieser Teil des Buches ist für die
Kenntnis der wirtschaftlichen und sonstigen Verhältnisse von K. in
der letzten Zeit türkischer Herrschaft aulserordentlich wertvoll durch
die Fülle eigener Erfahrungen, welche der Verf. während eines mehr
als zehnjährigen Aufenthaltes auf der Insel als Konsul, Bankdirektor
und Landwirt sammeln konnte. Kapitel XIV Ä trip through the island
enthält nur einige Bruchstücke von Reiseskizzen, die Kapitel XV Archeo-
logy, XVI Eocktombs and their conients und XVII Andent coins sind
ebenfalls sehr kurz gehalten, doch findet mau darin, vorzugsweise über
die Geschichte von Längs eigenen Ausgrabungen, manche beachtens-
werte Notiz. Wir werden dem Verf. auf archäologischem Gebiet noch
später begegnen; von seinen sonstigen Arbeiten wären hier ein
Handbook to Cyprus, and Catalogue of the Exhibits (Colonial
and Indian Exhibition). London, Clowes. 1886. 12. 39 S. mit Karte,
sowie ein
^) Lediglich auf Ravenstein und dem u. S. 44 angeführten Artikel
des Nautical Magazine beruht ein Aufsatz „Die Insel Cypern" in „Annalen
der Hydrographie" 1878 S. 472-9.
-j Mit echt anglikanischem Selbstbewufstsein nennt der Verf. S. 199
die englische Regierung the model government of the worldl
44 Geographie von Griechenland.
Report upon the Results of the Cyprus Representation at the
Coloüial and Indian Exhibitiou of 1886. London. 1886. 12,
zu nennen, doch kenne ich beide Schriften nur aus Cobhams Liste,
wie mir auch die von dem Verf. vor dem Erscheinen des oben be-
sprochenen "Werkes in MacmiUaiis Magazine veröflfeutlichten Artikel
nur aus Anführungen bekannt sind.
Unter den Längs Buche beigegebenen Tafeln verdient die jetzt
natürlich veraltete gröfsere Karte der Insel, welche ähnlich wie die Be-
gleitkarte zu ßavenstein (s. o. S. 42) auch Spezialpläne, darunter einen
solchen von Nikosia und Umgebung, enthält, ferner die landwirtschaft-
liche und die geologische Übersichtskarte hervorgehoben zu werden.
Eine gedrängte Beschreibung der Insel vom seemännischen Stand-
punkte, d. h. vorzugsweise ihrer Küsten und Ankerplätze, erschien
u. d. T.:
Cyprus and Sokotra. Nautical Magazine Bd. 47 (1878) S. 792—9.
Der anscheinend aus amtlichen Kreisen der englischen Marine
stammende Artikel enthält im wesentlichen nur in kürzerer Fassung
dasselbe, was mau auch im Mediterranean Pilot vol. II (2. Aufl. 1885)
S. 279—92 lindet. Auf letzteres "Werk, als unsere Hauptquelle für die
Kenntnis der Mittelmeerküsten, mag hier neuerdings hingewiesen werden.^)
Die englische Besitzergi-eifung von K. wurde einer mehr scharfen,
als sachlich berechtigten Kritik unterzogen in einem Aufsätze des be-
kannten Korrespondenten der Daily News
Archibald Forbes, The 'Fiasco' of Cyprus. Nineteenth Centuiy
1878 IV 609—26.
Dieser einst viel Aufsehen erregende Artikel erschien seinem
wesentlichen Inhalt nach auch u. d. T.:
„Eine englische Stimme über den "Wert Cyperns" im „Ausland"
1878 S. 849—54.
Von den französischen Publikationen des J. 1878 ist mir unzu-
gänglich
H. F. P. de l'Auberivere, Aper(;u rapide sur Tile de Chypre.
Montpellier 1878.
Diese von Cobham angeführte Schrift scheint identisch zu sein
mit einem in Peterm. Mitteil. 1879 S. 362 u. Ztschr. d. Ges. f. Erdk.
1879 S. 508 ohne Verfasser verzeichneten Aitikel
Apercu rapide sur le role actuel, la transformation, Thistoire et
la g^ogi'aphie de- Tile. BuU. Soc. Langued. de Geogr. 1879 S. 207
—32, 320 flf.
^) Vgl. Bd. 54 S. 377 f., auch o. S. 43 A. 1.
Kypros (Allgemeines). 45
Ebenso kenne ich nur aus fremden Anführung-en die Aufsätze von
Ch. E. Ruelle, Les Anglais dans File de Chypre. ReMie de
g^ographie IV 179 flf,
und von Marquis L. de Sassenay (ib. 111337 ff.), von welchen der
letztere auch besonders erschien u. d. T.:
Chj'pre. Histoire et geographie. Paris, Ch. Delagrave. 1878.
32 S. 1 K.
Ein Aufsatz von
H. Capitaine, Chypre. L'Exploration 1878 Bd. VI S. 241—50
strotzt, wie die meisten derartigen Gelegenheitsartikel, von geogi-aphi-
schen Ii-rtümern und enthält nur einen Originalbeitrag, nämlich die
Ziffern des Schiffsverkehrs von Larnaka für 1870/1 (S. 247),
Eine weit solidere Arbeit leistete der bekannte Archäologe
George Perrot in drei Aufsätzen, welche u. d. T. : „L'ile de Cypre.
Son role dans Fhistoire" in der Revue des deux mondes erschienen ist.
Der erste derselben bringt unter der Überschrift ,Le climat et la na-
ture de l'ile, son agriculture et son Industrie" (1878 XXX 508—48)
eine geographische Skizze, woran sich ein kulturhistorischer Überblick
schliefst; der zweite: „Fouilles et decouvertes. Le general de Cesnola
et le musee metropolitain de New- York" (1879 XXXI 564—605) giebt
einen dankenswerten Überblick über die Geschichte der archäologischen
Forschung auf K. : der dritte Aufsatz endlich: „L'art et la religion ä
Cypre, les ^lömens pheniciens de la civilisation grecque" (1879 XXXIII
373 — 413) enthält Grundzüge einer kyprischen Archäologie, welche seit-
dem bekanntlich vom Verf. in seiner „Histoire de Tart dans Tantiquite"
(s. u. S. 76) zu einer wissenschaftlichen Darstellung der phönizisch-kypri-
schen Kunst erweitert worden sind.
Cypern. Eine Abhandlung von Paulus Cassel. Berlin 1879.
Rothberger u. Komp. 19 S. M. 0,60.
Kulturgeschichtliche Betrachtungen, mit Seitenblicken auf Ceylon.
Spazierritte durch C3^pern. Von C. Cin. Alte u. Neue Welt.
XIII (Einsiedeln 1879).
Der Verlauf der Reise ergiebt sich aus der Überschrift der ein-
zelnen Artikel: L.Vom kitischen Meerbusen (S. 552 — 7). 2. Über
Idalion, Golgos nach Levkosia (S. 566 — 70). 3. In der cyprischen Haupt-
stadt (S. 603—6). 4. Nach Kerynia u. St. Hilarion (S. 646—50).
5. Nach Bellapais u. Lapithos (S. 708 — 14). 6. Von Lapithos nach
Vasilia u. Larnaka tu Lapithu (S. 727 — 31). Für das Altertum be-
deutungslos, enthalten die „Spazierritte" doch einige schätzenswerte Be-
46 Geographie von Griechenland.
merkungen zur Kenntnis der heutigen Verhältnisse und verdienen insbe-
sondere wegen der in gröfserer Zahl beigogebenen Ansichten (in Holz-
schnitt) Beachtung; ich hebe unter letzteren hervor S. 649 Kerynia.
709 Bellapais, 712 f. dgl. u. St. Hilarion.
Ganz unbedeutend ist ein Artikel von
Friedrich von Hellwald, Die Insel Cypern. Deutsche Rund-
schau f. Geogr. u. Statistik. I (1879) S. 3—9.
Mit der ganzen Unwissenheit und Nachlässigkeit eines litterarischen
Dilettanten ist zusammengeschrieben
Die Insel Cypern in ihi'er heutigen Gestalt, ihren ethnographischen
und wirtschaftlichen Verhältnissen. Von Victor Graf Folliot de
Crenneville. Wien 1879. Verlag von Faesy u. Frick (jetzt Carl
Fromme). 8. 49 S. M. 1,60.
Der Verf., damals k. und k. Vice-Konsul in Srayrna, hat im Jahre
1876 mit Generalkonsul von Zwiedinek von Beirut (s. o.) die Insel be-
sucht und anläfslich der Ereignisse des Jahres 1878 obige Schrift heraus-
gegeben, welche von den gröbsten sachlichen, orthograpliischen und
Druckfehlern wimmelt. Das einzige, was darin brauchbar sein könnte,
nämlich die Tabelle über Ein- und Ausfuhr (S. 44 ff.), wirj! bei der
Leichtfertigkeit, mit welcher der Verf. sonst zu Werke geht, kein Ver-
trauen erwecken.
Cypern unter den Engländern. Reise -Skizzen von Karl Schneider.
Köln 1879. M. Du Mont-Schauberg. 8. VIII 155 S. M. 3.
Verf. war kurz nach der englischen Besitzergreifung als Bericht-
erstatter der Kölnischen Zeitung nach K. geschickt worden; die hie-
rüber entstandenen Zeitungsartikel sind hier in Buchform vereinigt. ,,Es
sind Kinder des Augenblicks und sie wollen als solche beurteilt sein.
Spätere Änderungen ei-schienen mir überflüssig; ich hätte sonst ein ge-
lehrtes Werk schreiben müssen, und das liegt mir fern." Mit diesen
Worten hat der Verf. sein Buch selbst hinlänglich gekennzeichnet. Es
ist nicht besser oder schlechter als manche andere derartige Gelegen-
heitsschriften, liest sich leicht und enthält manche brauchbare Beobach-
tung. Auf den Druck hätte allerdings, ohne deshalb ein „gelehrtes Werk
schreiben zu müssen," mehr Sorgfalt verwendet werden und viele störende
Schnitzer verbessert werden können. Die Ausnützung eines Buches wie
Unger-Kotschy kann ich dem Verf. nicht so schwer anrechnen, als es
von anderer Seite geschehen ist;') Verf. teilt diese Eigentümlichkeit auch
mit anderen Schriftstellern über K. (s. o. S. 40). Reiseroute: Larnaka,
') Hirschfeld im Geogr. Jahrb. X 422.
Kypros (Allgemeines). 47
Nikosia, Kerynia und Bellapais, Famagusta, Moii)hu, Kykku, Troodos,
Limassol.
Cj'pnis as I saw it in 1879. By Sir Samuel White Baker.
London: Macmillan and Co. 1879. XX 501 S. 12 sh. 6 d.
Cypeni im Jahre 1879. Von Sir Samuel White Baker. Aus dem
Englischen von ßichard Oberländer. Autorisierte Ausgabe. Mit einer
lithographierten Karte. Leipzig, F. A. Brockhaus. 1880. XVIII
385 S. M. 8.
Auszüge im „Ausland" 1881 S. 186—92, „Globus" XXXIX (1881)
255, 263—6, 282—5, 297—301.
Der berühmte Afrikareisende hat die Insel während eines acht-
monatlichen Aufenthaltes in allen Teilen kennen gelernt und seine Beob-
achtungen in obigem Buche niedergelegt. Dieselben beziehen sich vor-
zugsweise auf die wirtschaftlichen Verhältnisse, in deren Beurteilung der
Verf. reiche Erfahrung und einen praktischen Blick bewährt; für historische
und archäologische Dinge dagegen fehlt ihm offenbar Interesse und Ver-
ständnis, und es ist deshalb nur zu loben, dafs der Verf. hierauf so
wenig als möglich eingeht. Dagegen finden wir besondere Kapitel über
Weinbau, Waldwirtschaft, Bewässerung, Besteuerung, Politik u. s. w. Der
Anhang enthält Bruchstücke meteorologischer Beobachtungen , eine
Denkschrift über Einnahmen und Ausgaben u. s. w., woran sich noch
ein die Auffindung von Einzelheiten erleichterndes Register schliefst.
Die gewandte, nicht selten witzige Schreibweise macht das Buch zu
einer anziehenden Lektüre. In der deutschen Ausgabe ist der Anhang
weggelassen und dafür ein gefälliges Übersichtskärtchen beigefügt.
Sunshine and Storm in the East, or Cruises to Cyprus and Cou-
stautinople. By Mrs. Brassey. London: Longmaus, Green a. Co.
1880. XXII 448 S. 11 T. 21 sh. — Populär Edition. 1882. Post
8°. 7 sh. 6 d. — 1886. 6 d. — Tauchnitz Edition. Vol. 1882/3
(Leipzig 1880). 3,20 M.
Sonnenschein und Sturm im Osten. Seefahrten und Wanderungen
vom Hyde-Park zum Goldenen Hörn, mit besonderer Berücksichtigung
Konstantinopels, seines Volkslebens, des Hofes, der Harems u. a. m.
geschildert von Mrs. Annie Brassey. Für deutsche Leser, vorzüg-
lich Frauen, frei bearbeitet durch Anna Helms. Mit 111 Illustra-
tionen. Leipzig, Ferdinand Hirt u. Sohn. 1881. Vin264S. 6,60 M.
Die Eeihe der über K. schriftstellernden Damen eröffnet Annie B.,
Gattin des als Politiker und MarineschriftsteUer bekannten Thomas B.,
Verfasserin des auch in deutscher Übersetzung viel verbreiteten Buches
48 Geographie von Griechenland.
A Yoyage in ilie Siinheani ii. a, K. nimmt in obigem Werke allerdings
nnr einen ziemlich kleineu Raum ein (S. 250 — 306), in welchem die
Landung bei Paphos und Limassol, die Reise von Larnaka nach Nikosia,
K^-thraea und Mathiati, der Besuch von Famagusta und die Fahrt um
die Insel nach Kerynia, sowie die Reise von dort nach Bellapais, Levka
und K3'kku geschildert werden. Bei der kurzen Dauer des ganzen
Aufenthalts in K. (10 Tage!) ist an neuen Aufschlüssen von vornherein
nichts zu erwarten; auch leidet die Darstellung vielfach an Irrtümern.
Von den beigegebenen Illustrationen ist die Ansicht von Kerynia her-
vorzuheben.
S. Brown, Three Months in Cj'prus during the Winter of 1878—9.
Paper read at Meeting of British Association at Shefßeld. London,
Stanford. 1879. 12 34 S. 1 sh.
Unzugänglich.
British Cyprus by W. Hepworth Dixon. London, Chapmau and
Hall. 1879. XIL 368 S. 15 sh.
Wer dieses Buch des bekannten und vielseitigen Schriftstellers
mit der Erwartung zur Hand nähme, darin eine eingehende touristische
Beschreibung der Insel zu finden, würde es bald getäuscht von sich
legen. Xur wenige einzelne Örtlichkeiten der Insel werden näher be-
schrieben, während man von den Reisewegen des Verf. so gut wie gar
nichts erfährt. Dagegen liegt der Schwerpunkt in der Schilderung so-
zialer und politischer Verhältnisse, insbesondere des Gegensatzes der
neuen Herrschaft gegen die türkische Zeit, sowie in der Charakteristik
der christlichen und muhammedanischen Bevölkerung. Derartige poli-
tisch gefärbte, oft weit ausgesponnene Betrachtungen und Stimmungs-
bilder füllen den gröfsten Teil des Buches, das deshalb für die Kenntnis
der öffentlichen Verhältnisse in der Übergangszeit und den Anfängen
der englischen Verwaltung') nicht ohne Interesse ist; in geographischer
Beziehung sind hauptsächlich die topographische Besclu'eibung von Ni-
kosia (Kap. XV, vgl. Kap. XXIV) und die Kapitel über Famagusta,
Kerynia, Paphos und Limassol (XXVIII— XXXII) hervorzuheben.
Admiral Sir W. F. Martin, Cj'prus as a Naval Station and a
Place of Arms. London 1879.
TJnzogänglich.
') Mehr ergötzlich als überzeugend i.st das Kap. XIV Our Right in
Cyprm, worin das Anrecht Englands auf K. allen Ernstes auf die vorüber-
gehende Besetzung der Insel durch Richard Löwenherz zurückgeführt wirdl
Kypros (Allgemeines). 49
Our Home in Cj^^rus, by Mrs. Scott-Stevenson. With Hlu-
strations and a Map. London: Chapman and Hall. 1879. 2nd Ed.
1880. XXVin 332 S. 14 sh.
Die Gattin eines englischen Offiziers, welcher lange Zeit mit der
Verwaltung des Distriktes Kerynia betraut war und in dieser Eigen-
schaft eine sehr erspriefsliche Thätigkeit entfaltete, hat in diesem Buche
ihre Erfahrungen und Eindrücke während des ersten Jahres ihres Aufent-
haltes auf K. niedergelegt. Wissenschaftliche Zwecke lagen der Ver-
fasserin von vornherein fern, und man wird es ihr gerne zu Gute halten,
wenn sie in archäologischen und historischen Dingen, die glücklicher-
weise nur sehr wenig berührt werden, blindlings dem Buche Cesnolas
folgt. Im übrigen ist die ganze Darstellung von einer warmen und durch-
aus berechtigten Begeisterung für die landschaftlichen Schönheiten der
Insel und die Vorzüge ihres Klimas durchweht und reich an touristischen
Beobachtungen, die naturgemäfs am eingehendsten über den Norden, den
Distrikt Kerynia, fliefsen. Die vom Gemahl der Verf. gezeichnete Karte
giebt eine farbige Übersicht der 6 Verwaltungsdistrikte.
J. Thomson, Through Cyprus with the Camera in the Autumn
of 1878. With 60 permanent Photographs. 2 vols. London, Low.
1879. 4. 5 £. 15 sh.
Bei der Seltenheit guter Ansichten aus Cypern kann ich nur be-
dauern, dieses leider sehi- kostspielige Werk noch nicht zu Gesicht er-
halten zu haben. Kaum einen nennenswerten Ersatz bietet dafür ein
Vortrag des Verf. über seine ßeise, welcher u. d. T.:
A Journey through Cyprus in the Autumn of 1878, in Procee-
dings R. Geogr. Soc. 1879 S. 97—104
erschienen ist, woran sich S. 104 f. einige Bemerkungen von Captain
F. J. Evans und Dr. Phene, sowie eine Skizze von
H. C. Rawlinson, Rough Notes on Pre-histoiic Cyprus (S. 106 — 9)
schliefsen.
Der berühmte Orientalist unterscheidet hier 4 Bevölkerungsschichten
auf K.: 1. Kittim (Gen. 10, 4), ein turanisches (?) Volk, 2. Phönizier,
3. Kyprier, „verwandt mit Karern, Lykiern und anderen pelasgischen
Stämmen", 4. Griechen.
L'ile de Cbypre, sa Situation presente et ses Souvenirs du moyen-
äge par L. de Mas Latrie. Avec une carte. Paris, Eirmin-Didot.
1879. 12. Vni432 S. 5 Fr.
Unter den vielen, die anläfslich der englischen Besitzergreifung
mit Büchern über K. hervorgetreten sind, war der verdiente Erforscher
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXVII. Bd. (1893. in.) 4
50 Geographie von Griechenland.
der mittelalterlichen Geschichte der Lisel sicher einer der bernfensten.
Das Buch trägt durchaus den Stempel solider, selbständiger Arbeit, wo-
bei es sich der Verf. allerdings insofern ziemlich leicht gemacht hat,
als der gröfsere Teil lediglich aus dem "Wiederabdruck früherer Publi-
kationen besteht; freilich erwächst dem Leser daraus der Vorteil, mehrere
früher in Zeitschriften zerstreute Abhandlungen nunmehr bequem und
handlich vereinigt zu finden. Durchaus neu ist nur der erste Abschnitt
(S. 1 — 117), welcher auf Grund der Litteratur^) und der eigenen Auf-
zeichnungen des Veif. die Conditions physiques et agricoles — Districts
de l'ile — Commerce — Industrie — Gouveriiement behandelt. Geo-
gi"aphisch besonders wertvoll ist hierin die Beschreibung der 16 (früheren)
Distrikte der Insel mit ihren wichtigsten Ortschaften und wirtschaft-
lichen Verhältnissen. Der zweite Abschnitt — Construction de la carte
de Chypre — Limite des districts — Tahleaux des villes et villages
(S. 118—203) ist ein wenig veränderter Abdruck einer früher erschie-
nenen Abhandlung ; -) das gleiche gilt von dem folgenden Abschnitt
Souvenirs historiques I = Relations de l'ile de Chypre avec l'Äsie Mi-
neure au moyen äge^) (S. 205 — 339), wie auch die Inscriptions du
moyen äge (S. 340 — 401) von dem Verf. schon früher veröffentlicht worden
zu sein scheinen. *) Eine wertvolle Zugabe ist der Etat des prindpaux
fiefs et des terres du domaine royal souß les Frangais et les Venitiens
(S. 401 — 30), eine alphabetische Aufzählung der I. Fiefs, U. Terres du
domaine royal mit Rückweiseu auf des Verf. Hauptwerk, ^) welche hier-
durch einigermafsen für den Mangel eines Ortsregisters zu letzterem
aulkommt. Die beigegebene Karte ist dem Atlas zu den Geographi
Graeci minores (T. XXVI) entnommen.
Henry Tache, L'ile de Chypre, ses ressources et son avenii*.
Joiu-nal des economistes IV 5 (1879) 420—7.
Wesentlich nur ein Auszug aus dem Buche von Lang (s. o. S. 43),
sowie aus einem Vortrage von Wilson, worüber ebd. IV 4 (1878) 86.
Unzugänglich sind mir die beiden von Miliarakis unter No. 1034 f.
angeführten Aufsätze
*) Besonders des trefflichen Werkes von A. Gaudry, Recherches scien-
tifiques en Orient. Paris 1855.
^) Notice sur la construction ~d'une carte de l'ile de Chypre. Biblioth.
de TEcole des chartes S^r. V T. IV 1—50 (1863, auch separat).
=>) Ib. S6r. II T. I .'101—30, 485—521, II 121—42 (1845/6).
*) Angeführt als „Inscriptions de Chypre et de Constantinople. Paria
1850. 3,50 fr." leb habe mich bisher vergeblich bemüht, dieser Schrift
habhaft zu werden.
^) Histoire de File de Chypre sous le regne des princes de la maison
de Lusignan. 3 vols. Paris 1852—61. Vgl. u. S. 58 A. 1.
Kypros (Allgemeines). 51
'H v^tjoj KuTTpö? |XST7. 7£o>Yp. -ivav.o; ut:o 'P. Uz\z/.'iar^. 'Ev tcS
B'jCäVTtVlüi 'H[j.£poXo7icp tou 1879.
OixovofjLixa T^c Kujrpou. Oixov. 'E^ziösuip, Vtl 134 — 9 (1879).
Die Insel Cypern. Von Gustav Hirschfeld. Deutsche Eund-
schaü XXin (1880) 257—70.
Enthält eine Darlegung der weltgeschichtlichen Bedeutung von K.
Cyprische Reisestudien. VonMax Ohnef alsch-ßichter. Unsere
Zeit 1880 I 699—710, H 284—302, 456—69.
I. Erste Eindrücke von und in Larnaka. II. Über Dali und Tre-
mithoussa nach Aschia. III. Von Aschia nach Levkosia.
P. Chaix, L'Ue de Cypre. Le Globe XIX (1880) 105 — 13. Mit
einer autographierten Karte. Unbedeutend,
Luigi Luiggi, L'isola di Cipro, Roma 1880.
Unzugänglich; ebenso eine Arbeit des italienischen Vizekonsuls
Magni, welche nach Ohnefalsch-Richter a. a. 0. II 302 in der Revista
maritima und der Gazzetta uffidale erschien (vgl, u. S. 95), sowie
Raoul de Oazenove, Notes sur Tue de Chypre. Souvenii's et
Impressions d'un voyage ä travers les livres. Avec carte. 80 S. Lyon,
La Roquette. 1881. 2 fr.
Dafs in dem Handhook to the MediUrranean von Playfair
(2. Ed. 1882) K. in einem besonderen Kapitel behandelt ist, habe ich
bereits früher erwähnt (Bd. 54 S. 411),
Cypern. Ein Kulturbild aus dem Jahre 1883 von Max Ohne-
falsch-Richter. Unsere Zeit 1884 I ,346—66, 778—96.
I. Die Kirchen, Klöster, die religiösen und profanen Bräuche und
Sitten. IL Die geistige Bildung. Die Inselpresse. Der Volkscharakter.
Das Schulwesen. Die Administration, III. Klima, Wald, Boden und
"Wasser. Die Landesprodukte, Export und Import, Schlufswort,
Eine Übersicht der Geographie von K. im Sinne moderner Länder-
kunde gab
E. Reclus in seiner Nouvelle Geographie Universelle IX : L'Asie
anterieure (1884) S. 666—85 (8. 681 Ansicht von Kerynia).
Cyprus Guide and Directory. 1885, Printed and published by
J. W, Williamson & Co., Limassol. 8. 208 S.
Dieses Buch, das erste in englischer Sprache, welches in K, ge-
dinickt wurde, eröffnet ein Gedicht The Birtli of Cyprus, von Lieut.
H. M, Johnstone; hierauf folgen Records of the Ottoman Conqiiest of
Cyprus^ von Major D. A. Donne (S. 9—60), dann das eigentliche Hand-
52 Geographie von Griechenland.
buch, dessen Verfasser sich nicht nennt. Dasselbe behandelt Geogra-
phical Position (S. 66—8), Geology (S. 69 f.), Miner-als (S. 70—2),
Woods and Forests (S. 72—8), Natural Products (S. 78—83), Sport
(S. 83 — 6), Birds and Beasts (S. 86 — 90), Administrative Divisions
(S. 90—3), Police (S. 94), Agriculture (S. 95—102), Flora (S. 103—5),
The Locust (S. 106—8), Trade (S. 109), Customs and Excise (S. 110 f.),
Wine Assessment (S. 112), Turkish Tribute (S. 113 f.), Taxes etc.
(S. 115 — 7), List of Conditions to he fulfilled by any Person undertaking
Excavations in Cyprus (S. 118 f.), dann folgen Mitteilungen über Post,
Telegraph, mohammedanischen Kalender, Schiffsverkehr u. s. w., stati-
stische Nachi'ichten über die Städte Nikosia (S. 139—42), Limassol
(S. 143—6), Paphos (S. 147—9), Larnaka (S. 150—3), Famagusta
(S. 154 — 6), Kerynia (S. 157 — 9), endlich eine Art Adrefsbuch der be-
kanntesten Persönlichkeiten, ein kurzer Beiseführer (S. 180 — 9) und
Geschäftsanzeigen.
'E^yeipiotov ywpo^pa^iac xal -fevtx^s taxopta? xr)? KuKpou ut:o Eupu-
ßiaöou N. Opa 7x06 St). 'Ev 'AXs$av8p£ta 1885/6. Tutioi? 'Ofiovoi'as.
2 Hefte. x3' 78 S. und 131 S.
Das erste Heft, welches mir allein zu Gesicht gekommen ist, ent-
hält einen dilettantischen Abrifs der Geographie von K., voll von Un-
genauigkeiten. Vgl. im übrigen die u. angeführten Werke von Sakellarios.
I 800 f. und A. Smith 324 ff.
G. G. Hake, Cyprus since the British Occupation. Journ. of the
See. of Arts. Bd. 34 (1886) No. 1750, sowie ein Artikel desselben
Verf. in Science (?) 1887 Juli ist mir unzugänglich.
Through Cyprus by Agnes Smith. lUustrated, with Map. London:
Hurst and Blackett. 1887. X 352 S. 5 T. 15 sh.
Die Verfasserin, mit ihrem wahren Namen Mrs. S. S. Lewis, ^)
ist uns bereits durch ein Buch über Griechenland bekannt, das freilich
nur dem Titel nach erwähnt werden konnte (Bd. 54 S. 419). Sie ist
eine klassisch gebildete, sogar mit dem Ai-abischen vertraute Dame,
welche uns hier ihre Beobachtungen auf einer im J. 1886 von London
über Ägypten und Beirut nach K. unternommenen Reise vorlegt. Ein
nicht unbeträchtlicher Teil des Buches (Kap. 1—6) beschäftigt sich
mit den Erlebnissen bis zur Ankunft in K., welche oft sehr breit aus-
gemalt sind; dieses persönliche Moment tritt auch bei der Reise auf
der Insel selbst (Larnaka — Famagusta — Trikomo — Kythräa —
Nikosia — Levka — Kykku — Chrysorrogiatissa — Paphos — Kplossi
— Limassol — Larnaka) stark hervor, ist aber nicht ohne Geschick zur
*) Ich entnehme dies einer Notiz von Hogarth, Devia Cypria 35 A. 3.
Kypros (Allgemeines). 53
Belebung der Darstellung verwertet. Kap. 16 und 17 enthalten eine
hauptsächlich aus Engel und Phrankudis (s. o.) geschöpfte, im wesent-
lichen richtig wiedergegebene Übersicht der Geschichte von K. Die bei-
gefügten Bruchstücke meteorologischer Beobachtungen sind kaum von Wert.
L, Paisios, 'Eif^eipiSiov TOiro^pacpia? xal taxopiac t^c vtqoou KuKpoo.
Varoschia (Famagusta) 1887. 12.
Unzugänglich.
T. Massarani, Cipro antica e moderna. Nuova Antologia in 14
(1888) 41-70, 255—79. Vgl. Nachtrag (u. S. 95).
Cyprus. By Lieut. General Sir Robert Biddulph, late H. M.
HighCommissioner, Cyprus. Proceedings ß. Geogr. Soc. 1889 S.705 — 19.
Kurze geographische Skizze der Insel, welche durch die Persön-
lichkeit des Verf., des ehemaligen Gouverneurs von K., an Interesse
gewinnt. Besonders hervorzuheben sind die Mitteilungen über die Be-
kämpfung der Heuschreckenplage.
Devia Cypria. Notes of an Archaeological Journey in Cyprus in
1888 by D. G. Hogarth. "With Map and Illustrations. London:
Henry Frowde. 1889. VIII 124 S. 6 sh.
Obwohl vorwiegend archäologischen Charakters, mag dieses gehalt-
volle Buch, da es in die Form eines Reiseberichtes gekleidet ist und
auch allgemeinere geographische Gesichtspunkte berührt, bereits an dieser
Stelle seinen Platz finden. Es enthält im wesentlichen die Ergebnisse
einer Forschungsreise, die der Verf. im J. 1888 im Auftrag des Cyprus
Exploration Fund unternahm und welche die Blofslegung des Aphrodite-
tempels zu Alt-Paphos zum Hauptzweck hatte. Neben diesen und einigen
anderen Ausgrabungen, über welche in besonderen Publikationen be-
richtet wurde (s. u.), konnte jedoch der Verf. in zwei wenig besuchten
Teilen der Insel, dem Paphos- Distrikt im "W. und der karpasischen Halb-
insel im NO. zahlreiche Beobachtungen machen, welche im obigen Buche
vereinigt sind. Hervorzuheben sind die Mitteilungen über Neu-Paphos
(auch einige Inschriften), C. Drepano und Vorgab. Akamas (Fontana
amorosa!), verschiedene Orte im Gebirge von Paphos, darunter das
Kloster Chry so rrogiatissa und die Spuren eines Heratempels daselbst,
das Dorf Achelia (zwischen Alt- und Neupaphos), von dessen Kirche
eine architektonische Beschreibung von Elsey Smith eingefügt und
zwei prächtige Holzschnitzwerke (Pult und Baldachin) des 16. Jahr-
hunderts in Photographie beigegeben sind, endlich über die beiden Mono-
lithe^) an der Küste bei Alt-Paphos (gleichfalls mit Photographie),
*) Man vgl. hierzu einen Artikel über Monoliths in the Island of Cyprus
von Guillemard und Hogarth im Athenaeum 1888 I 474 f.
54 Geographie von Griechenland.
welche gewöhulich für Kultusobjekte und Bestandteile eines phönizischen
Heiligtums gehalten wurden, von Hrn. Hogarth aber, nach Analogie
ähnlicher in K. gefundener Steine, für die Pfeiler einer — Ölpresse aus-
gegeben werden! Ich mufs es dem Leser überlassen, sich über diese
etwas überraschende Lösung des Eätsels, welche wohl noch zu manchen
Diskussionen Anlafs geben wird, an der Hand von Hogarths Aus-
führungen selbst ein Urteil zu bilden, und wende mich zum zweiten Teil
des Buches „The Carpass^^. Nach einer geographisch-historischen Ein-
leitung über diesen Teil von K. im allgemeinen giebt der Verf. einige
Nachrichten über Salamis und dessen Umgebung, aus welcher auch
mehrere kürzere Inschriften mitgeteilt werden, sowie über merkwürdige
und bisher kaum beachtete Ruinen bei H. Theodoros, welche er auf eine
angebliche kyprische Stadt Knidos bezieht, während sie meiner Meinung
nach mit dem IlaXaia des Stad. m. m. § 306 s. in Verbindung zu bringen
sind. ^) Hierauf wird die karpasische Halbinsel bis in ihre äulserste
Spitze durchzogen und die Nordküste nach W. verfolgt bis Akanthu,
dessen Umgebung au Euinenfeldern aufserordentlich reich ist. Der
Verfr hat auf dieser Strecke eine reiche Fülle topographischen und
archäologischen Materiales gesamm elt, das sein Buch zu einer der wich-
tigsten Quellen für die Kenntnis dieses Teiles der Insel macht. Leider
sind ihm die Beobachtungen seines Vorgängers Schröder (s. o. S. 40 f.) ent-
gangen, denen er viele wertvolle Winke hätte entnehmen können, so
bezüglich der Lage von Urania, das H. irrig bei Aphendrika ansetzt.-)
'Ayaiüiv ax--q verlegt H. nach Galunia, Aphrodision nach Jastrika,
Makaria nach Mulos. 3) Für weitere Einzelheiten und die beigegebeuen
Pläne und Skizzen mufs ich den Leser auf das Buch selbst verweisen.
In einem 3. Kapitel Miscellanea behandelt der Verf. noch einige topo-
graphische Einzelheiten aus andern Teilen der Insel, so bezüglich der
Lage von Marion, das er entgegen der jetzt ziemlich allgemein ange-
nommenen Anschauung^) wieder an der Südküste (bei Mari und Maroni)
zu suchen geneigt ist, ferner von Larnaka,Kuklia (Mesarea) und Soloi.
Aus dem Gebiet der letzteren Stadt werden 2 Inschriften mitgeteilt, von
denen die erste (auf Kaiser Marcus) bereits früher von mir herausgegeben
*) Vgl. hierüber meine Bemerkungen in Ztschr. d. Ges. f. Erdk.
1S92 S. 458.
2) Vgl. M. Ohnefalsch -Richter in ßerl. Philol. Wochenschr. 1891
Sp. 1000 und meine Bemerkungen a. a. 0. S. 451.
^) Näheres hierüber s. in meiner eben angeführten Schrift S. 448 £F.
•) S. meine Nachweise in Sitzungsber. d. bayr. Ak. d. W. 1888
S. 321 und Ztschr. d. Ges. f. Erdk. 1890 S. 337, wo jedoch im Text die
irrige Bemerkung von der Zerstörung Marions durch Kimon zu berichtigen ist.
Kypros (Allgemeines). 55
war, ^) während ich die zweite, jetzt fast ganz unleserlich gewordene
im Hause meines Wirtes in Morphu wiederfand. -) Im Appendix werden
die bisher bekannten Pi'oconsuln der Insel zusammengestellt. Ein Re-
gister erleichtert die Anfündung der einzelnen Örtlichkeiten. Die bei-
gegebene Karte enthält die karpasische Halbinsel und ist von der ver-
kleinerten Generalstabskarte abgenommen.
In an Enchanted Island or a Winters Retreat in Cyprus by
W. H. Mallock. London, Richard Bentley & Son. 1889. 300 S. —
3. Ed. 1892. Vm 408 S. 12 sh.
Der Standpunkt des Verf. erhellt aus dem 1. Kap. The True
Traveller. Nur wer unbehelligt durch wissenschaftliche oder materielle
Interessen sich rückhaltlos dem Genufs hingiebt, welchen das Reisen
an sich gewähi't, indem es uns aus Sphären des Alltäglichen heraus-
reifst und mit neuen Eindrücken erfüllt, ist nach seiner Meinung der
wahre Reisende. Obwohl M. selbst zunächst durch eine sehr materielle
Rücksicht, nämlich die Hoffnung auf Ausbeutung einer Art Verde antico,
zur Reise nach K. bestimmt wurde, nahm ihn dort der Zauber einer
neuen, ihm bisher vollständig fremden Welt völlig gefangen und ver-
anlafsten ihn, seine lebhaften Eindrücke hieran in obigem Buche nieder-
zulegen. Insbesondere die romantische Erscheinung mittelalterlicher
Städte und Burgen inmitten einer südlichen Natui* schildert der Verf.
mit tiefer Empfindung und in blühender Sprache ; in diesem vSinne kann
das Buch, trotz des grundsätzlich ablehnenden Standpunktes gegen
wissenschaftliche Belehrnng, als eine anerkennenswerte Bemcherung der
Litteratur über K. gelten.
Die Insel Cypern. Eine geographische Skizze von Eugen Ober-
hummer. Jahresber. d. Geogr. Ges. in München f. 1888/9 (Xm. Heft)
S. 71 — 102.
Ei-w^eiterte Bearbeitung eines Vortrages, in welchem Ref. versucht
hat, auf Grund der Fachlitteratur und eigener Anschauung ein dem
heutigen Stande unserer Kenntnis entsprechendes, abgerundetes Bild der
Insel in geographischer Beziehung zu entwerfen ; der Entwickelung unter
englischer Verwaltung ist hierbei besondere Beachtung gewidmet, s)
Aus Cypern. Tagebuchblätter und Studien von Eugen Ober-
hummer. Ztschr. d. Ges. f. Erdk. z. Berlin 1890 S. 183—240 T. 111.
Dasselbe, II. Teil. Ebd. 1892 S. 420—86.
') Sitzungsber. d. bayr. Ak. 1888 S. 317 No. 7.
') Ztschr. d. Ges. f. Erdk. 1892 S. 428.
^) Sonderabdrücke dieser Skizze stelle ich, soweit der Vorrat reicht,
Interessenten gerne zur Verfügung.
56 Geographie von Griechenland.
Der I. Teil enthält im Rahmen eines Berichtes über des Ref.
erste Reise im Jahre 1887 einige Ergebnisse seiner litterarischen
Studien und sucht im allgemeinen den Stand der wissenschaftlichen Er-
forschung der Insel nach verschiedenen Beziehungen zu kennzeichnen,
zu welchem Zweck möglichst umfassende Nachweisungen der neueren
Litteratur gegeben werden. Die Einleitung versucht darzulegen, nach
welchen Richtungen die wissenschaftliche Forschung auf K. bisher haupt-
sächlich thätig wai', hierauf folgt eine Charakteristik der wichtigsten
Karten, dann wird auf Grund des vom Ref. gesammelten (inzwischen
von ihm bedeutend vermehrten) Quellenmaterials der Übergang des alten
Kition in das moderne Larnaka und die Entwickelung des letzteren
verfolgt, sowie die Überreste des alten Kition besprochen. Die Reise
nach Nikosia giebt Gelegenheit zu einem Exkurs über die für die
centrale Ebene so überaus charakteristischen Tafelberge und über
die merkwürdigen Ruinen auf einem solchen bei Nikosia (dem sogen.
Löwenberge s. o. S. 31 A. 2), von welchem ein Plan beigegeben ist. Ref.
bringt dieselbe mit der Vorgeschichte von Nikosia, dem alten Ledrai,
in Beziehung, für welche die Zeugnisse aus der antiken und frühmittel-
alterlichen Litteratur zusammengestellt werden. Der weitere Verlauf
der Reise führt nach dem alten Soloi und dessen angebliche Mutter-
stadt Aipeia (Plut. Sol. 26), deren Lage nachgewiesen wii'd, ferner
nach Limenia (Str. XIV 6, 3), dessen Peststellung durch archäologische
Funde, welche kurz vor des Ref. Ankunft gemacht wurden, und durch
Vergleichung bisher unbeachteter Stellen der hagiographischen Litteratur
möglich wurde. Die Weiterreise am Rande des wenig besuchten Ge-
birgsgaues der Tylliria giebt Anlafs zu Mitteilungen über den kypri-
schen Muflon, sowie über den in neuester Zeit (ohne Erfolg) wieder
versuchten Bergbau, dann wird Marion-Arsinoe und Paphos besucht
(S. 230 f. A. Zusammenstellung der meteorologischen Litteratui-) und
mit einer Nachricht über den Aphroditetempel von Alt-Paphos der
Bericht abgebrochen.
Der U. Teil hält sich im Rahmen der zweiten Reise von 1891,
berücksichtigt dabei jedoch auch solche Strecken der ersten Reiseroute,
welche in dem (unvollendeten) I. Teil nicht mehr zur Sprache kamen.
Wie letzterer dem Westen, so ist der II. Bericht hauptsächlich dem
Norden und Osten der Insel gewidmet. Nach kurzen Mitteilungen über
die neueste Entwickelung von Larnaka und Nikosia berichtet Ref. über
seine Reise in die Gegend von Morphu, welche ihm Gelegenheit gab,
mehrere der von Rols erkundeten Ruinenstätten aufzusuchen, wendet
sich dann über Myrtu an die Nordküste nach Lapethos und Kerynia,
behandelt mit eingehenden Quellennachweisen die Geschichte der drei
BergschlüSßer Ililarion, Buffavento und Kantara, sowie der Abtei
Kypros (Allgemeines). 57
Bellapa'is, tenier die Euinenstätten bei Akanthu und H. Theodoros
(vgl. 0. S. 54), die historische Bedeutung von Salamis -Famagusta,
sodann die Ruinen von Leukolla und Thronoi im SO. Die letzte
Reise führte von Nikosia über Tamassos nach Amathus, Limassol
nach Kolossi und Paphos, sowie nach den Gebirgsklöstern ChrysoiTo-
giatissa, Kykku und Trooditissa, endlich auf den Gipfel des Troodos.
Der Schwerpunkt der Abhandlung liegt in den historisch-geographischen
Ausführungen, wobei hauptsächlich die früher so gut wie gar nicht aus-
gebeuteten mittelalterlichen Quellen herangezogen werden. Die antike
Topographie wurde aus äufseren Gründen weniger berücksichtigt. In
das Gebiet der physikalischen Geographie fallen die Mitteilungen über
den Gebirgsbau der Insel und über die Witterungsverhältnisse.
r£ü)p-)fiou 2. Opa-jfxouSrj Kurpi;. 'H KuTrpo; xrj? (Tiq[xspov. 'iTcopt'a
T^C K'jTipou ^Tro Tcüv }jLUi}oXoYiXüiv y^povcüv JAEXP' OTQ^tspo''- To7roYpa<pia
Ku-pou Y] TTEpiT^YTioi; (ävÄ TTiv v^Gov. 'Ev 'AOi^vat;. ExooTTji 'AXs^avopo;
na-a7£(üp7iou. 1890. is' 516 S.
Das Buch enthält nicht sowohl die Ergebnisse eigener Forschung,
als eine historisch - geographische Beschreibung der Insel zn Nutz und
Frommen der Landsleute des Verf., deren panhellenische Gelüste bei jeder
Gelegenheit gekitzelt werden. Dafs die englische Verwaltung dabei als
ein Ausbund von Tyrannei und Unterdrückung hingestellt wird, wie
übrigens auch bei dem o. S. 52 erwähnten Namensvetter des Verf., versteht
sich von selbst. Abgesehen hiervon enthält der erste Abschnitt
schätzenswerte Beiträge zum kyprischen folklore, wähi-end der weit um-
fänglichere zweite, eine Übersicht der Geschichte von K., ganz ohne
wissenschaftlichen "Wert ist. JSützlicher ist der dritte Abschnitt (Reisen
des Verf.) durch die Reichhaltigkeit an topographischen Einzelheiten,
zu deren Erläuterung eine roh gezeichnete Übersichtskarte dient. Leider
fehlt ein alphabetisches Register.
Ta Kurpiaxa Y]TOt 7£a)7pa<pia, lUTopia xai 7Xtu(jaa xyjj vr^aou KuTipoo
dito Tüiv dp^ratOTaxtuv ypovwv ji-e^pi oy^ixspov üirö 'AOavaatou A. 2axeX-
Xapi'ou. 'Ev 'AdiQvat?, tuttoss xai dvaXtuixaoi 11. A. 2axeXXapiou. T6[xo;
A'. reoj7pa9ia, iTuopia, OY)[ji.oaio? xal iSkutixo? ßi'o?. 1890. x8' 844 S. 2 T.
12 M. — TofJLOC B'. 'H h KuTrpio 7Xwcrja 1891. r^t 896 S. 13 M.
Eine durchaus achtenswerte Leistung liegt in diesen beiden
stattlichen Bänden vor uns, deren Verf. den Kennern der Speziallitteratur
über K, kein Neuling ist. Waren doch seine Kurpiaxa schon in ihi-er
ersten, weit weniger umfangreichen Ausgabe^) ein auch aufserhalb
^) T(i Kurpiay.«. T. I. Athen 1855. iß' 304 S. T.IU. 'H sv K^rpu) -(iM^za.
1868 v;' 432 S. (Bd. II, welcher die Geschichte enthalten sollte, ist nicht
erschienen).
58 Geographie von Griechenland.
Griechenlands viel benutztes Handbuch, das trotz der axiich ihm an-
haftenden Mängel doch unbedingt zu den besseren derartigen Erzeugnissen
der neueren griechischen Litteratur gehörte. Verf. hatte vor Ausarbeitung
seines ersten Werkes 4 Jahre auf der Insel zugebracht und dieselbe
wiederholt in allen Teilen bereist; seitdem scheint er nicht mehr dorthin
zurückgekommen zu sein, so dal's also seine eigenen Beobachtungen vor
das J. 1854 fallen. Eür die neueste Zeit hat er einige der wichtigsten
(aber bei weitem nicht alle) über K. erschienenen Werke benutzt,
darunter auch solche in englischer Sprache, deren Kenntnis sonst bei
seinen Landsleuten noch wenig verbreitet ist. Die Citate aus der nicht-
griechischen Litteratur leiden freilich auch hier an den unvermeidlichen
störenden Schreib- und Druckfehlern. Der erste, Band enthält nach einer
mit grofser Unverfrorenheit aus Cobhams Liste abgedruckten Biblio-
graphie zunächst die Geographie der Insel, welche hauptsächlich aus
der Beschreibung der Ortschaften (S. 29 — 225) besteht. Unter den
Litteratui'nachweisen finden sich da und dort auch dankenswerte An-
führungen aus der noch so wenig ausgenützten Litteratur des Mittel-
alters. Im übrigen wird in diesem Abschnitt ein breiter Raum durch
den Abdruck von Lischriften (auch epichorische in Umschrift) ein-
genommen, die aber weder vollständig, noch sonst in einer Weise
wiedergegeben sind, dafs sie die Benutzung der Originalpublikationen
entbehrlich machen würden; höchstens für das augenblickliche Bedürfnis
können sie zur Orientierung genügen. Das Kapitel über die Natur-
produkte (S. 226 — 63) ist in erster Linie durch die neugriechischen
Bezeichnungen der einzelnen Gegenstände von einigem Wert. Den
gröfsten Teil des Bandes nimmt die politische Geschichte ein
(S. 264—608), für das Mittelalter und die neuere Zeit die ausführlichste
zusammenhängende Darstellung", die wir bis jetzt besitzen. ^) Hieran
schlierst sich als dritter Teil (or|[jLoato? xal iokutixoc ßtoc) eine Zusammen-
fassung dessen, was wir in der Altertumswissenschaft als Antiquitäten
zü bezeichnen pflegen (Verfassung, öffentliches Leben, Sitten und
Gebräuche u. s. w.), einschlieJslich der Leistungen von Kypriern auf
dem Gebiet der Kunst und Litteratur , wobei ebenso das alte wie das
neue K. berücksichtigt werden. Eingeschaltet ist ein Verzeichnis der
Münzen (S. 63G— 88), hauptsächlich nach Six (autonome M.), Mionnet
(Kaiserm.), Lambros (Mittelalter). Beigegeben sind ein ausfülu'liches
Inhaltsverzeichnis (aber leider kein Ortsregister), ein Register der in
^) Das unvollendete Hauptwerk von Mas Latrie [Histoire de VUe de
Chypre) umfafst nur den Zeitraum von 1191—1291 in fortlaufender Darstellung
(Bd. I) und Quellenmaterial für die Zeit von 1191— 1G70 n. Chr.
(Bd. II und III). Vgl. o. S. 50 A. 5.
Kypros (Allgemeines). 59
den abgedruckten Inschriften vorkommenden Eigennamen, eine
synoptische Tafel der epichorischen Schiift und eine nach der ver-
kleinerten englischen Karte (s. o. S. 34) abgezeichnete und umgeschriebene
Übersichtskarte.
Ist es schon beim ersten Bande nicht möglich, bei der Meuige des
Materials auf eine Kritik der Einzelheiten einzugehen, so entzieht sich
noch mehr der zweite, für den Dialekt- und Folklore-F ovschev berechnete
Band hier einer eingehenden Besprechung. Derselbe , welcher dem
ersten an Umfang nicht nachsteht, enthält nach einer grammatischen
Einleitung und einer Zusammenstellung kürzerer Sprachdenkmäler des
15. Jahrh. eine reichhaltige Sammlung von Volksliedern, Sprüchen,
Märchen u. s. w. (S. 9 — 358), ein altkyprisches Glossar nach Hesychios,
den übrigen Grammatikern und den Inschriften (S. 359—421) und ein
mit grolsem FleiTse ausgearbeitetes mittel- und neukyprisches "Wörter-
verzeichnis (S. 422 — 875) sowie Nachträge und Berichtigungen zu
beiden Bänden.^)
Max Ohnefalsch -Eichter, Cypern im Altertum. Eine
historische, kultur- und kunstgeschichtliche Skizze. Die Nation VIII
1890/1 S. 601—4.
Derselbe, Cypern unter englischer Verwaltung. Ebd. S. 691—5,
S. 708—12.
Derselbe, Die Insel Cypern. Eine geographisch- etlinograpliische
Skizze. Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik XIII (1891)
S. 241—7, 312—9.
Von diesen drei Aufsätzen sucht der erste über die Haupt-
ergebnisse der kyprischen Altertumsforschung zu orientieren, der zweite
giebt eine im ganzen wohl zutreffende Schilderung der Entwickelung
von K. unter den neuen Verhältnissen, um deren gerechte Wüi'digung
gegenüber übelwollenden oder aus sachlicher Unkenntnis entsprungenen
Angriffen sich der Verf. entschieden ein Verdienst erworben hat. Der
dritte Aufsatz deckt sich inhaltlich zum grofsen Teil mit dem zweiten,
formell ist er noch abgerissener und nachlässiger gehalten. Beigegeben sind
eine Übersichtskarte der Insel in 1 : 700000 und nach Photographien
gefertigte Bilder von Bellapais und dem Hochwald am Troodos
(S. 248 f.), sowie von Kerynia und H. Heraklides (Klosterhof).
Ehe ich mich von den Arbeiten allgemeiner Natur über K. zu den
besonderen Wissenszweigen wende, mufs ich noch einer der wichtigsten
^) Man vgl. auch die Besprechungen von Krumbacher im Litt.
Centralbl. 1891 S. 676—8 u. Byzant. Zeitschr. I 171, sowie von G.Meyer in
Berl. Philol. Wochenschr. 1893 Sp. 344 f.
92 S.
C.
4188.
72 S.
C.
4694.
76 S.
C.
4961.
66 S.
C.
5251.
60 Geographie von Griechenland.
Quellen für die Kenntnis der Insel gedenken, nämlich der sog. Blau-
bttcher oder amtlichen Berichte der englischen Regierung. Wenn es
auch nicht möglich ist, dieselben hier einzeln zu besprechen oder auch
nur vollständig aufzuzählen/) so kann ich doch nicht umhin, auf die
wichtigsten derselben hinzuweisen. In erster Linie stehen die jährlichen
Berichte des Statthalters 2), von welchen bis jetzt folgende erschienen
sind (2. in hoch 4°, die übrigen in 8°):
1. Report by H. M. High Commissioner for the Year 1879. IV 346 S.
C. 2543.
2. for 1880. 94 S. C. 3092.
3. for 1881. 96 S. C. 3385.
4. for 1882. 100 S. C. 3772.
5. from 1. Jan. 1883 to 31. March 1884.
6. — — for the Year ending 31. March 1885.
7. for the Year ending 31. March 1886.
8. for the Year ending 31. March 1887.
9. for 1887/8. 98 S. C. 5749.
10. for 1888/9. 26 S. C. 6189.
11. for the Years 1889/90 and 1890/1. 37 S. C. 6764.
In der Regel sind die Berichte so gehalten, dafs auf einen kurzen
allgemeinen Bericht des Statthalters diejenigen der Vorstände der
einzelnen Verwaltungszweige und Distrikte folgen. In den beiden
letzten Reports hat man jedoch, wahrscheinlich aus Sparsamkeits-
rücksichten, von dem Abdruck der Sonderberichte abgesehen und ist
dafür der allgemeine Teil etwas ausführlicher gehalten. Ergänzend
treten dazu besondere Finanz- und Wirtschaftsberichte, von denen mir
zwei vorliegen, u. d. T.:
Further Con-espondence relating to the Affairs and Finances of
Cyprus 1889. VI 162 S. C. 5812, und 1890. IV 62 S. C. 6003. Hoch 4.
In diesen beiden Heften wird u. a, auch die Beschwerde der
griechischen Bevölkerung bei der Krone, welche in der athenischen
Presse in üblicher Weise ausgebeutet wurde, eingehend behandelt.
Als geschichtliche Urkunden über die Erwerbung von K. durch
Eogland sind von Wichtigkeit (sämtlich hoch 4°)
Correspondence respecting the Convention between Great Britain
and Turkey of June 4, 1878. 8 S. C. 2057.
*) Man vgl. das bis 1888 reichende Verzeichnis von Cobham (o. S. 29)
*) Sämtlich, wie auch die meisten übrigen Blaubücher um geringen Preis
zu beziehen durch Eyre 4 Spottiswoode in London. Bei Bestellungen ist die
Nummer (C. 2.543 etc.) anzugeben.
Kypros (Geologie). 61
Further Correspondence respecting etc. (wie o.). 6 S. C. 2090.
Further Correspondence respecting the Affairs of Turkey. 8 S.
C. 2138.
Dgl. für die neue Verfassung der Insel:
Papers relating to the Constitution of a New Legislative Council.
1883. IV 22 S. C. 3791.
Das meiste und allgemeinste geographische Interesse unter den
Blaubüchern beansprucht jedoch der
Eeport on the Census of Cyprus, 1881, with Appendix. By
Frederick W. Barry. London 1884. Hoch 4. 58 S. C. 4264.
Es ist dies die erste auf wirklicher Zählung beruhende Statistik
der Bevölkerung nach Gemeinden und Ortschaften, Religion, Mutter-
sprache, Geburtsland u. s. w. und daher für die politische Geographie
der Insel von grundlegender Bedeutung.
"Wegen anderer, oft nur ganz spezielle Verwaltungsangelegenheiten
betreffender Blaubücher verweise ich auf Cobham, sowie auf diejenigen,
welche gelegentlich noch unten namhaft gemacht werden.
Ich wende mich nun zu denjenigen Schriften, welche die Insel K.
nicht im allgemeinen, sondern nur nach irgend einer bestimmten Richtung
betreffen, und beginne mit den Ai'beiten zur physikalischen Geographie
und zwar zunächst zur Geologie.
Die Geologie von K. beruht in der Hauptsache immer noch auf
den Arbeiten von Albert Gaudry, die, einer viel früheren Zeit als
dieser „Jahresbericht" angehörig, von mir bereits an anderer Stelle
aufgezählt worden sind.^) Nur die dort bereits namhaft gemachte
englische Übersetzung von F. Maurice (London 1878) wäre der Zeit
nach hier zu erwähnen, sowie ein mir nicht zugänglicher Aufsatz,
welchen Gaudry u. d. T. :
La geologie de Chypre in La Natur e 1879 No. 295
veröffentlicht hat. Ebenfalls unzugänglich ist mii* eine Abhandlung über
Les richesses minerales de File de Chypre. Journ. du comm.
marit. 11. Aug. 1878.
Eine kurze Skizze nach Gaudry und Unger giebt
Wandt, Geologisches aus Cypem. Ausland 1878 S. 816—9.
Dieselbe ist insofern bemerkenswert, als bereits hier gegen TJngers
Behauptung von dem jurassischen Alter der Nordkette gegründete Zweifel
*) Aus Cypern I 138 f. A.
62 Geographie von Griechenland.
erhoben werden. Dieselben Zweifel änfserte, unabhängig hiervon, Herr
Prof. V, Zittel sofort nach einer mündlichen Darlegung der geographischen
Verhältnisse Cyperns meinerseits, und veranlafste in der Folge einen
seiner Schüler, Herrn Dr. A. Bergeat, zu einer geologischen Studien-
reise nach K., deren Ergebnisse letzterer niedergelegte in der Abhandlung
Zur Geologie der massigen Gesteine der Insel Cypern. Von
Alfred Bergeat. Tschermaks mineral. und petrograpb. Mitteil. N. F.
Xn (1891) S. 263—312, T. Vni/IX (auch als Münchener Inaugural-
Dissertation erschienen). •
"Wie schon aus dem Titel ersichtlich, fällt der Schwerpunkt dieser
Arbeit in eine andere Richtung als ursprünglich beabsichtigt war, indem
eine sichere Altersbestimmung der Nordkette mangels leitender Ver-
steineningen noch nicht geglückt ist; doch enthält die Schrift neben
der Untersuchung der Massengesteine auch eine dankenswerte Übersicht
der Sedimentformationen von K. und bezeichnet jedenfalls den bedeu-
tendsten Fortschritt unserer geologischen Keftitnis der Insel seit Gaudry
und TJnger.
Über ein neues Mineral^) aus K., den Cyprusü, berichtet
P. F. Reinsch, On a New Mineral found in the Island of Cj'prus.
Proceed. R. Soc. Lond. XXXin (1882) S. 119—21.
Über das Klima von K. lagen vor der englischen Zeit nur Bruch-
stücke von meteorologischen Beobachtungen vor, deren Nachweis ich
teils an anderer Stelle -), teils bei den o. S. 47 u. 52 f. von Baker und
Smith angeführten Werken gegeben habe. Auf diesem älteren Material
beruhen die Zusammenstellungen von
A. Buch an, The Climate ofCyprus, from Observations made by
Th. B. Sandwith 1866—70. Joum. Scott. Meteor. Soc. N. S. V
(1880) 189—93, und
J. Hann, Klima von Cypern. Zeitschr. d. Österr. Ges. f. Meteor.
1878 S. 405-7.
Seit 1881 sind in den 6 Distriktshauptorten amtliche Beobachtungs-
stationen eingerichtet, deren Ergebnisse leider nicht unmittelbar ver-
öffentlicht werden. Nur die Monatsmittel des ersten Jahrganges wurden
gedi-uckt in dem (nicht in den Handel gelangten) Blaubuch
Second Annual Report of the Sanitary Commissioner with the
Government of Cyprus for the Year 1881. With Appendices. 8. 93 S.^*)
*) Näheres in meiner Abhandlung „Aus Cypern" I 226.
-} Aus Cypern I 230 A. 3.
^) Vgl. „Aus Cypern" 1 230 f. A. 4.
Kypros (Klima und Flora). 63
Eine Reihe von Beobachtungen (2. Apr.— 8. Aug. 1882) erschien
auch in der Lokalzeitung Cyprus Herald 1882 No. 25—43. Grlück-
lich erweise konnte sich Prof, J. Hann in das amtliche Material mehrerer
Jahrgänge Einsicht vei'schaflfen ^), aus denen die ]\[onatsmittel für die
Jahre 1881—86 berechnet und in den „Jahrbüchern d. k. k. Central-
anstalt f. Meteorologie und Erdmagnetismus" 1881 S. 301, 1882 S. 325 f.,
1887 S. 266 — 71 veröffentlicht wurden. Auf Grund dieser Auszüge gab
Hann auch eine übersichtliche Darstellung des
Klima von Cypern. Meteor. Ztschr. 1889 S. 427—33.
In engem Zusammenhang mit den klimatischen Verhältnissen
steht ein
Report on the Fevers of Cyprus by F. C. Hei denstam. 1886. 18 S.
Derselbe ist wie der o. angeführte Report of the Sanitary Com-
miss ioner für das Colonial Office gedruckt und nicht im Handel.
Die Flora von K. ist seit den gi'undlegenden Arbeiten von
Unger und Kotschy neuerdings von Paul Sintenis eingehender studiert
worden; sein (unvollendet gebliebener) Reisebericht, welcher weitaus
überwiegend botanische Beobachtungen enthält, erschien u. d. T.:
Cypern und seine Flora in „Österreich, botan. Ztschr." 1881
S. 150—8, 189—94, 225—32, 255—60, 285-91, 324—30, 390-5;
1882 S. 18—22, 51—5, 120—9, 190—5, 259—64, 290-3, 364—6,
396—400.
Von gröfster Wichtigkeit bezüglich der Waldverbältnisse der Insel
sind die folgenden amtlichen Berichte:
Report by A. E. "Wild on the Forests in the South and "West
of the Island of Cypnis. London 1879. C. 2427. Hoch 4. 13 8.
Forest Conservancy in the Island of Cypnis. By P. Gl. Madon.
London 1881. Hoch 4. 41 S.
Letzterer Bericht (nicht im Handel!), dessen Verf., ein Schweizer
Forstmann, längere Zeit als Principal Forest Officer in K. fungierte,
zerfällt in 2 Teile: The Eeplanting of the Island of C. (S. 1—24) und
The Preservation of the Forests of the Island of C. (S. 25 — 41).
In gemeinverständlicher Weise behandelt denselben Gegenstand
an leicht zugänglicher Stelle
Max Ohnefalsch-Richter, Cypems Wälder und Waldwirt-
schaft. Ausland 1883 S. 744—50.
^) Ref. besitzt aufserdem eine Abschrift der Monatsmittel aus den
Jahren 1881—6, sowie Beobachtungen aus dem Troodosgebirge, s. „Aus
Cypern" I 230 f. A. 4.
(54 Geographie von Griechenland.
Über eine interessante Einzelheit berichtet
J. D. Hooker, On the Discovery of a Variety of the Cedar of
Lebanon on the Mountains of Cyprus; with Letter thereupon from
Sir Samuel Baker. Journ. of the Linnean Soc, Botany XVII
(1880) 517—9. Vgl. Geogr. Jahrb. IX 173, Globus XXXVII 383.
Zu allen Zeiten hat der Wein von K. besondere Aufmerksamkeit
auf sich gezogen. Ich nenne von neuerer Litteratur hierüber
Max Ohnefalsch-Richter, Cyperwein und Branntwein. Österr.
Monatsschrift f. d. Orient 1881 S. 131—4. Vgl. ebd. 1884 S. 55.
P, A. Schmölder, Les Vins de Commanderie. Le Moniteur
Vinicole 1884 No. 1 S. 2, No. 2 S. 5, No. 6 S. 22.
Enthält u. A. eine chemische Analyse von Neubauer. Nach den
einleitenden Worten v/ar eine Monographie des Cyperweines in der-
selben Zeitschrift im Juni 1883 erschienen, doch sind mir die betreffenden
Nummern nicht zugänglich geworden.
Chi c CO , II vino di Cipro, Notizie suUa viticultura, viniiicazioue etc.,
dair epoca della occupaziouo inglese (1878) fino a tutto il 1885. Boll.
consol. Rom 1886 XXII No. 3.
Unzugänglich.
La Commanderia. Eine historisch -geographische Skizze (Von
S. B.) Ausland 1888 S. 11—15.
Cyprus Wines. The Owl 1888 No. 2—5.
Auch über die Fauna sind mehrere wichtige Arbeiten namhaft
zu machen. Über die für die Landwirtschaft der Insel so verhängnis-
volle Heuschreckenplage sind eine Reihe amtlicher Berichte erschienen,
welche Cobham a. a. 0. S. 21 f. verzeichnet hat. Ein neuerer liegt
mii* vor u. d. T.:
Report on the Locust Campaiga of 1890 by Captain J. H. Bor.
Hoch 4. 8 S. 1 T. C. 6486.
Aufserdem findet man mehrere Artikel über
The Locust in Cyprus and other Countries, in The Owl 1888
No. 4-6, 10.
Ein nützliches Insekt behandelt
Max Ohnefalsch-Richter, Die cyprische Biene und deren Zucht
auf Cypern. ,,Der Bienenvater aus Böhmen" 1882 S. 156 — 61, 173 — 6,
1883 S. 8—11, 24—7.0
*) Eine daselbst angeführte Abbandlang von E. Cori im „Bienen-
freund" 1874 No. 3—8 ist mir nicht zugänglich. Vgl. über dieselbe auch dea
Artikel The Cyprus lloney Bee in The Owl 1888 No. 3.
i
Kypros (Fauna). 65
Hierher gehört auch desselben Verf.
Cyprischer Honig. Ost. Monatsschr. f. d. Orient 1880 S. 72 f.
Beiträge zur Wirbeltierfauna von K. geben
0. Böttger, Die Reptilien und Amphibien von Syrien, Palästina
und Cypern. Bericht über die Senckenberg. naturforsch. Ges. 1879/80
S. 132—219, T. III f. Vgl. Schmarda im Geogr. Jahrb. IX 243 f.
Gr. A. Boulenger, List of Eeptiles and Batrachians from Cyprus.
Annais and Magazine of Nat. Hist. V 20 (1887) S. 344 f.
Ders., Second List of Reptiles and Batrachians from Cyprus.
Ib. VI 2 (1888) S. 505 f.
A. Günther, Notice of a Collection of Mammals and Reptiles
from Cyprus. Proceed. Zool. Soc. 1879 S. 741.
Am meisten ist die Kenntnis der Vogelwelt gefördert worden
durch die Arbeiten von
F. H. H. Guillemard, Ornithological Notes of a Tour in Cyprus
in 1887. With a Preface by Lord Lilford. The Ibis V 5 (1888)
S. 94—124, T. II.
Ders., Cyprus and its Birds in 1888. Ib. VI 1 (1889) S. 206—19.
Lord Lilford, A List of the Birds of Cyprus. Ib. S. 305—50.
Endlich bringt uns eine von einer kolorierten Abbildung be-
gleitete Monographie des merkwürdigsten Säugetiers von K., des Muflon, ^)
John Biddulph, On the Wild Sheep of Cyprus. Proceed. Zool.
Soc. 1884 S. 593—6, T. 58. Vgl. Globus Bd. 48 (1885) S. 127.
Wenden wir uns nunmehr zu den Bewohnern von K., so mag
zunächst das Wenige angeführt sein, was über dieselben in anthro-
pologischer Hinsicht veröffentlicht worden ist. Bezüglich ihrer körper-
lichen Eigenschaften sind mir nur die beiden folgenden Abhandlungen
bekannt:
R. Virchow, Über alte Schädel von Assos und Cypern. Abhandl.
d. k. Ak. d. W. z. Berlin 1884.
Enthält auf S. 38—55 u. T. IV/V die Beschreibung zweier von
Cesnola ausgegrabener Schädel von Maki-astyka und Alambra.
Eine neuere kraniologische Untersuchung von A. Weisbach,
welche sich auf drei aus einem Grabe bei Linu stammende Schädel be-
zieht, wurde bereits o. S. 30 angeführt.
Ethnologisches Material ist sowohl in den oben verzeichneten
*) Vgl. hierüber die erschöpfenden Nachweise aus der früheren
Litteratur in meiner Abhandlung „Aus Cypern'' I 23G und 239 f.
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXVII. Bd. (1893. III.) 5
QQ Geographie von Griechenland,
Reisewerken wie in den unten anzuführenden historischen und archäo-
logischen Publikationen in reicher Fülle enthalten. An dieser Stelle
möchte ich nur folgende Arbeiten nennen, die sich keiner der andern
Gruppen passend einfügen:
Aouxa?, OtXoXoYixal lTziay(.i<\>£ii tüjv ev tw ßio) xciv vswTepwv Ku-
rpiwv }jLVTf)[j.eia)v tüjv dp^aiojv. I. Athen 1874.
Ich kenne das Bnch nur aus einer ausführlichen Anzeige von
P. d'Estournelles im Annuaii-e de Tassociation pour Tencom-agement
des etudes grecques en France 1875 S. 395 — 405, wonach es in zwei
Abteilungen (1. Mythologie, 2. Sitten und Anschauungen) zerfällt, und
wertvolles Material zur Kenntnis des kyprischen folMore enthält. Dafs
in letzterer Hinsicht auch die Werke von Phrankudis und Sakel-
larios, besonders letzteres, vieles beibringen, wurde bereits o. S. 57
u. S. 59 hervorgehoben. In diese Richtung fällt auch ein Aufsatz von
Max Ohnefalsch-Richter, Parallelen und Gebräuche der alten
und der jetzigen Bevölkerung von Cypern. Verhandl. d. Berl. Ges.
f. Anthi-., Ethnol. und Urgesch. 1891. S. 34—43.
Derselbe bezieht sich hauptsächlich auf antike und moderne Ge-
räte in Töpfer-, Holz- und Flechtarbeit und ist durch mehrere Ab-
bildungen erläutert.
Die ethnologische Litteratur führt uns unmittelbar zu den For-
schungen über die Sprache, welche als eine der wichtigsten lokalen
Eigentümlichkeiten hier natürlich nicht übergangen werden darf. Doch
ist hierbei nur kurz auf die betreffenden Schriften hinzuweisen, da eine
sachliche Würdigung derselben in den Bericht über Dialektforschung gehört
und hier ebenso ausgeschlossen ist, wie ein näheres Eingehen auf rein
geschichtliche, archäologische oder naturwissenschaftliche Arbeiten. Ins-
besondere gilt das für die Erforschung der Sprachdenkmäler in epicho-
lischer Schrift, welche sich seit zwei Jahrzehnten zu einem besonderen,
freilich nur von sehr wenigen gepflegten kleinen Zweig der Altertums-
wissenschaft ausgebildet hat. Da über diese Forschungen der berufenste
Vertreter derselben, W. Deecke, in diesem Jahresbericht bis zum J. 1885
in erschöpfender Weise referiert hat,^) beschränke ich mich darauf,
unter Hinweis auf seine dort und in seiner grundlegenden Sammlung
der k3'prischen Inschriften -) gegebenen Litteraturnachweise, lediglich die
wichtigsten seither erschienenen Arbeiten über den altk3^prischen Dialekt
') Bd. 11 S. 125-31, Bd. 19 S. 32-5, Bd. 28 S. 220-5, Bd. 44
S. 266-72.
^) Die griechisch -kyprischen Inschriften in epichorischer Schrift.
Samml. d. griech. Dialektinschr. v. H. Colli tz. Bd. I (1884) S. 1—80.
Kypros (Sprache). 67
namhaft zu machend Das reiche luschriftenmatei'ial wurde in um-
fassender Weise systematisch verarbeitet iu dem bekannten Werke
Die griechischen Dialekte auf (Trundlage von Ahrens' Werk „De
Graecae linguae dialectis" dargestellt von Richard Meister. II. Bd.
Eleisch, Arkadisch, Kyprisch. Gröttiugen, Vandenhoeck u. Euprecht
1889. S. 131—203, 320—7, VI- IX.
Einen hiervon in wesentlichen Punkten abweichenden Standpunkt
nimmt Otto Ho ff mann ein, dessen scharfe Angriffe auf Meisters
Buch-) letzterer abwehrt in der Schrift
Zum eleischen, arkadischen und kyprischen Dialekte. Leipzig,
(rriesecke u. Devrient. 1890. 45 S. M. 1,20.
Von Hoff mann selbst erschienen aufserdem
Neue Lesungsvorschläge zu den kyprischen Inschriften. Beiträge
z. Kunde d. indogerman. Sprachen XIV (1889) 266—98.
Die kyprischen Glossen als Quelle des kyprischen Dialektes. Ebd.
XV (1889) 44—100.
Die griechischen Dialekte in ihrem historischen Zusammenhange
mit den wichtigsten ihrer Quellen dargestellt. I. Bd. Der südachäische
Dialekt. Göttingen, Vandenhoeck u. Ruprecht. 1891. S. 35 — 99.
Von der aufserdeutschen Litteratur nenne ich
Herbert Weir Smith, The Arcado-Cj^prian Dialect. Trans-
actions of the Amer. Philol. Association 1887 S. 59 — 133, 158 f.
Vgl. Ch. E. Bennett 3) in Class. Review 1889 S. 48—52.
Derselbe, On Poetical Words in Cyprian Prose. Amer. Journ. of
Philol. 1887 S. 467—71.
Über den mittleren und neueren kyprischen Dialekt handeln
G. Meyer, II dialetto delle cronache di Cipro di Leonzio Machera
e Giorgio Bustrone. Rivista di filol. IV (1876) S. 255—86.
Derselbe, Romanische Wörter im kyprischen Mittelgriechisch. Jahr-
buch f. roman. u. engl. Sprache u. Lit. N. F. III (1876) S. 33—56.
Mondry Beaudouin, Quelques particularites du dialecte chy-
priote. Bull, de corr. hell. 1879 S. 110-20, 202—11.
^) Vgl. Meister a. a. 0. 136 f., wo die seit Deeckes Sammlung er-
schienene Litteratur bis zum J. 1888 vollständig verzeichnet ist.
-) Gott. gel. Anz. 1SS9 S. 873—904 (kyprisch S. 886 ff.)-
^) Ein Aufsatz von Bennett, On the Sounds and Inflections of the
Cyprian Dialect, in University Studies, publ. by the Univ. of Nebraska I
nS88) 131—94, welchen Meister II 320 anführt, ist mir unzugänglich.
5*
68 Geographie von Grieclieoland.
Derselbe, l^ltude du dialecte chypriote moderne et medieval. Paiis»
E. Thorin. 1884. 148 S. (Bibl. d. Ecoles fran?. d'Ath^nes et de
Rome fasc. 36.)
Das umfassendste Werk über den neukyprischen Dialekt ist der
II. Bd. von Sakellarios KuTzpiaxa, worüber o. S. 59.
Eine wichtige Quelle für die Kenntnis der sprachlichen, der ethno-
graphischen und historischen Verhältnisse bilden die Inschriften, deren
wir in K. solche in epichorischer Schrift, solche in griechischer xotviQ und
phönizische zu unterscheiden haben. Die Litteratur über die erste dieser
Gruppen fällt mit derjenigen über den altkyprischen Dialekt zustimmen.
Bezüglich der zweiten Gruppe mag auf die bis zum Jahre 1887 reichen-
den Berichte über Epigraphik in dieser Zeitschrift verwiesen werden.')
Von der seither erschienenen Litteratur ist anzuführen
Eugen Oberhummer, Griechische Inschriften aus Cj'^pern.
Sitzungsber. d. k. bayer. Ak. d. Wiss. Pliilos.-philol. Kl. 1888 I
S. 305—48, 523—6.
Verf. hat hier, nach einer in der Einleitung gegebenen Übersicht
der früheren Veröffentlichungen gemeingriechischer Inschriften aus K.
(seit Pococke-), eine Anzahl teils neuer, teils mangelhaft bearbeiteter
Inschrifttexte mitgeteilt und die vorhandenen Varianten der Lesung, so-
wie ausführliche historische und antiquarische Erläuterungen beigefügt.
Die von mir nur unvollständig gelesene Inschrift No. 10 von Paphos ist
jetzt nach wiederholten Versuchen von Gardner ziemlich sicher herge-
stellt. 2) Eine eingehende Studie ist unter No. 14 der Gruppe der Seleu-
kos-Inschriften gewidmet, zu welcher die Ausgrabungen in Paphos noch
einiges neue Material beigebracht haben,*) sowie unter No. 24 den auf
die byzantinische "Wasserleitung von Kythraia nach Salamis bezüglichen
Inschriften. ^)
Einige Inschriften von Calliers Reise (1830—4) hat aus dessen
NachlaJs kiü-züch S. Rein ach in der Rev. d. et. gr. III (1890) S. 85
*) C.Curtius Bd. 2 S. 1239-41, Bd. 4 S. 291 f., Bd. 15 S. 79, H. Röhl
Bd. 36 S. 53-5, W. Larfeld Bd. (;6 S. 33—7.
^) Übersehen wurde nur der Hinweis auf C. T. Newton, Coli, of An-
cient. Greek Inscr. in the Brit. Mus. (Oxf. 1883) S. 152-6 No. 382— 398d.
^) In dem unten anzuführenden Bericht über die Ausgrabungen in
Paphos, im Journ. Hell. St. IX 259 No. :;, wozu auch ib. 249 No. 102, 250
No. 105 f. zu vgl.
*) A. a. 0. S. 225 No. 2, 232 No. 20, 233 No. 23, 235 No. 30, 238 No. 44,
239 No. 47, 246 No. 89.
'^) Den S. 341 B u. 345 genannten Erzbischof Plutarchos konnte ich
inzwischen bei Leontios Machairas p. is Miller (s. u. S. 91) nachweisen.
Kypros (Inschriften, Münzen). 69
herausgeg-eben. Im übrigen ist jedoch die bedeutendste Ausbeute an
neuen Inschriften den Ausgrabungen der letzten Jahre, besonders zu
Paphos und Salamis, zu verdanken , über welche unten bei der topogra-
phischen Litter atur berichtet wird (S. 85 ff.).
Die zahlreichen phönizischen Inschriften aus K. sammelt in muster-
gültiger Weise das
Corpus Inscriptionum Semiticarum ab Academia inscriptionum et
litterarum humaniorum conditum atque digestum. Prs. I. Tom. I (Paris
1881). Pag. 35—116, Tab. V-XIII.
Topographisch wichtig ist darin insbesondere der S. 35 gegebene
Plan von Larnaka, welcher auch eine Andeutung des Umrisses des alten
Kition enthält.^) Die seither neu hinzugekommenen Inschriften-) sollen
in einem schon seit längerer Zeit vorbereiteten Supplemente vereinigt
werden, von welchem jedoch meines Wissens noch nichts erschienen ist.
Im Anschlufs an die Inschriften möge hier auch in Kürze der
Münzen von K. gedacht sein. Die Berichte, welche hierüber in dieser
Zeitschrift veröffentlicht wurden,^) reichen leider nur bis 1876. Seitdem
erschien jedoch die grundlegende Arbeit von
J. P. Six, Du classement des series cypriotes, Rev. numism. III.
S. I (1883) S. 249—374, T. VI— VIII,
unentbehrlich für jeden, der sich mit der Topographie oder Geschichte
der Insel beschäftigt. ^) Nachträge hierzu gab Six selbst im Numismatic
Chronicle 1888 S. 121 — 32. Andere Zusammenstellungen kyprischer
Münzen findet man in den bekannten Werken von F. Imhoof-Blumer^)
und B. V. Head.G)
Aus den letzten Jahren ist zu nennen
Falk Warren, Notes on Coins found in Cyprus. Num. Chronicle
1891 S. 140—51 T. V.
^) Hierauf beruht im wesentlichen auch meine Skizze „Aus Cypern"
I 201, wozu jedoch jetzt auch ebd. II 467 A. 4 zu vgl. ist.
-) Man vgl. einstweilen die Nachweise über die Inschriften von Ta-
massos „Aus Cypern" II 470 A. 2, dazu Cpt. R. Ac. Inscr. 1887 S. 155 f.,
203 — 10 (Inschr. v. Idalion), ferner die Zusammenstellung der epigraphischen
Litteratur bei Cobham S. 18 ff.
2) R. Weil in Bd. 1 S. 236 u. Bd. 7 S. 459 f.; der Bericht in Bd. 32
S. 388 ff. (bis 1880) enthält nichts über K. Im übrigen vgl. man die Litte-
raturnachweise bei Friedlaender, Repertorium 305 f.
^) Man vgl. auch die Anzeige von Deecke in Bd. 44 S. 270 dieses
Jahresberichts.
^ Monnaies Grecques (Leipzig 1883) S. 379—83.
^) Historia Numorum (Oxford 1887) S. 620—8.
70 Geographie von Griechenland.
Für das Mittelalter (vgl. Nachtrag S. 95) bietet uns ein Hilfsmittel
ilauAo; Aa|X7:poc, 'Avexooxa vo|xij[jLaTa xou [xeaaKDVtxou ßaaiXstoi»
T^c KuTipou. 'Ev 'Aörjvat? 1876. 4. Auch franz. u. d. T. „Monnaies
inedites du Royaume de Chj'pre au moyen äge".
Diese Monographie scheint eine Neubearbeitung: der früher bei
Sathas gedruckten Abhandlung zu sein, worüber u. S. 90; Auszug bei
Sakellarios I 671—88 (o. S. 58).
Von Ai'beiten zur alten Geographie der Insel ist, abgesehen
von den topographisch-archäologischen Forschungen (s. u.), nur zu nennen
Studien zur alten Geograplüe von Kypros. Von Eugen Ober-
hummer. Abhandl. a. d. Gebiete d. klass. Altertumswiss. W. v. Christ
zum 60. Geburtstag dargebracht von seinen Schülern (München 1891)
S. 88—106.
Die Abhandlung beschäftigt sich mit „den antiken Flufs- und
Bergnameu der Insel" (einschliel'slich der Vorgebirge). Auf Grund der
besten dem Ref. bekannten kritischen Hilfsmittel werden die antiken
Schriftquellen für jeden Namen zusammengestellt, geprüft und mit den
Angaben der mittelalterlichen und neuereu Litteratur in sachlicher Be-
ziehung verglichen. Besonders hervorzuheben möchte sein die Erörte-
rung über den Namen Bokaros mit Rücksicht auf Eur. Bacch. 407
Nauck\) die Zurückweisung des Namens Olympos für die höchste
Erhebung der Insel-) sowie des Vorgebirges Dinaretou, das nur auf
einer falschen Lesart bei Plin. n. h. V 129 beruht. Beigegeben ist eine
Kartenskizze, in welche sämtliche Berg- und Flufsnamen, sowie die
wichtigsten antiken Ortschaften eingetragen sind.
AVas über die alte Geschichte von K. in neuester Zeit ge-
schrieben wurde, steht gröfstenteils unter dem Einflufs der in den letzten
Jahrzehnten auf der Insel so überaus thätigen archäologischen Forschung
und ist auch von Arbeiten der letzteren Richtung kaum strenge zu
trennen. Eine knappe Übersicht mit Litteraturnachweisen gab G. Hertz-
berg in der Allgem. Encykl. II 41 (1887) 42-8.^)
Als vermutlich in diese Gruppe gehörig erwähne ich eine mir un-
zugängliche Abhandlung von
Robert Unger, Paralipomenarerum Oypriacarum. Halis. 1875. 4.
Auf einen die ethnographischen Verhältnisse im Altertum beruh -
*) Vgl. Wecklein in diesem Jahresber. Bd. 71 S. 246.
^) Doch sind hierzu auch meine ergänzenden Bemerkungen im „Au.s-
land" 1S92 S. 305 A. 2 u. „Aus Cypern" II 485 A. 2 zu vgl.
") Vorausgehend und nachfolgend zwei sehr summarisch gehaltene
Artikel von E. Kaufmann über Geographie und neuere Geschichte der Insel.
Kypros (Alte Geschichte). 71
rendeii kleinen Aufsatz von H. C. ßawlinson wurde bereits oben
(S. 49) hingewiesen. An ihn schliei'se ich
Frangois Lenormant, Kittim. Etüde d'eihnographie biblique.
Revue des quest. bist. Bd. 34 (1883) S. 225—46.
Diese mit umfassender Litteratui'keuntiiis g-eschriebene Abhandlung
erörtert die Bedeutung des biblischen Namens Kittim, welcher wenigstens
in den älteren Büchern sicher auf K. zu beziehen ist; hierbei werden
u. a. auch die assyrischen und hieroglyphischen Bezeichungen für K. so-
wie die ältere Geschichte der Stadt Kitiou besprochen. Mehr ober-
flächlich streift den biblischen Namen die ein buntes Gemisch semitisclier
und keltischer Studien enthaltende Schrift
Kitim-Chitim. Ein Sendschreiben an Prof. A. H. Sayce in Oxford
von D. Paulus Gas sei. Augehängt sind einige wissenschaftliche
Erinnerungen an die Januar- und Februartage in London. Berlbi
1887, W. H. Kühl. (IV) 32 S. M. 0,60
Unzugänglich ist mir eine Schrift von
T. Thain Davidson, Cyprus, England's New Possession. Its
Place in Bible History. London, Hodder. 1878. 18. 58 S. 1 sh.
Hierher wären auch zu ziehen die Aufsätze von
Max Ohuefalsch-Richter, Cypern, die Bibel und Homer.
Ausland 1891,
deren bunter Inhalt aus den Überschriften der Abschnitte erheUt : I. 1 .
Das Lied der Debora. 2. König Hirams Herrschaft auf der Insel
(S. 501 — 4); n. 3. Baal und Zeus. 4. Melqart und Herakles. 5. 'Astar
und Kamos, die bärtige Aphrodite. 6. Eesef, ApoUon, Hadad und Jahwe.
7. Kinyras und Agamemnon (S. 546 — 50); III. und IV. 8. Einige weitere
semitische und arische Gottheiten (S. 576 — 80 und 586 — 9).
Näher auf dieses urwüchsige Gemisch von kühnen Kombinationen
auf dem schlüpfrigen Gebiet der vergleichenden Religionsgeschichte ein-
zugehen, ist hier nicht der Ort; ohnehin ist dasselbe nur als ein Vor-
läufer des gleichnamigen Hauptwerkes des Verf. zu betrachten, worüber
unten S. 79 f. Im Anschlufs hieran erwähne ich einen Aufsatz des gleichen
Verf. über
Die vorbabylonischen und babylonischen Einflüsse in Hissarlik und
Cypern. Die cypr. Bronzezeit vorhellenisch und vorphönikisch. I.
Phrygisch-thrakische Zeit. Ztschr. f. Assyriol. III (1888) 62—8.
Die am Schlul's versprochene Fortsetzung ist meines Wissens nicht
erschienen.
72 Geographie von Griechenland.
Hieran diü'fte am passendsten anzureihen sein
Kritische Versuche zur ältesten griechischen Oeschichte. I. Kypros
und der Ursprung des Aphroditekultus. Von Alex. Enmann. Mem.
de FAc. Imp. des Sei. de St.-Petersbourg. VII. Ser. T. XXXIV
No. 13 (1886). 85 S. 4.
Über den Inhalt dieser das geographische Gebiet nur in ethno-
graphischer Beziehung streifenden Abhandlung kann ich hier um so eher
hinweggehen, als dieselbe schon an anderer Stelle dieses Jahresberichts
eine ausführliche Besprechung gefunden hat. ^)
Eine historische Skizze von K. im Altertum, wobei auch die neueren
archäologischen Forschungen berücksichtigt sind, gab
Eudolf V. Scala, Cypern vor der römischen Herrschaft. Öster-
reich. Monatsschi-, f. d. Orient 1887 S. 83—5, 100—2.
Der Löwenanteil v^issenschaftlicher Forschungen auf K. entfällt
auf die Archäologie. Die Eutwickelung der kyprischen Altertums-
forschung knüpft sich hauptsächlich an die Namen zweier Persönlich-
keiten, L. Palma di Cesnola und M. Ohnefalsch-Richter. Merkwürdiger-
weise sind beide ohne die geringste archäologische Vorbildmig an die
Sache herangeti-eten und, nur durch äufsere Verhältnisse zufällig nach
K. verschlagen, dort zur Ausgrabung und Sammlung von Altertümern
veranlafst worden. Archäologen von Fach haben bisher nur selten und
auf kurze Zeit auf K. geweilt, und keiner der durch Vorbildung und
Lebensstellung hierzu berufenen Vertreter dieser "Wissenschaft hat sich,
so \ie\ ich beurteilen kann, bisher so eingehend und anhaltend mit den
kj^prischen Altertumsfunden beschäftigt, um das gewaltige Material
methodisch zu verarbeiten und demselben die gebührende Stellung innerhalb
des Gesamtgebietes der Wissenschaft anzuweisen. Der einzige nennenswerte
Versuch, der in dieser Richtung gemacht worden ist, nämlich derjenige
von Perrot (s. u. S. 76), kann leider nicht befriedigen, nicht aus Schuld des
um die Ai'chäologie hochverdienten Verfassers, sondern wegen der Un-
zuverlässigkeit des von Cesnola gelieferten Materiales, das zudem auch
inhaltlich durch die Ausgrabungen der jüngsten Zeit weit überholt ist. So
trägt die kyprische Archäologie noch immer den Stempel der Zerfahren-
heit an sich, der ihr auch durch das neueste, an sich sehr verdienstliche
Werk von Ohnefalsch-Ricliter (s. u.S. 79f.) kaum benommen werden dürfte.
Es ist selbstverständlich ganz unmöglich, hier auf Einzelheiten
der kyprischen Altertumskunde einzugehen, zumal ja dieser Bericht auch
kein archäologischer sein soll. Wer sich hierfür näher interessiert, findet
') F. Back in Bd. ßO S. 327—31; vgl. auch A. Bauer in Bd. GO S. 97
u. Dümmler in der Wochenscbr. f. klass. Philol. 1887 Sp. 1313 — 18.
Kypros (Cesnola). 73
eine knappe, wenn auch nicht unbedingt vollständig-e Übersicht über
den Fortgang der Entdeckungen in der seit 1883 von Salomon Rei-
nach in der Revue archeologique eröffneten Chronique d' Orient, welche
längst zu einem unentbehrlichen Orientierungsmittel über die Fortschritte
der Ausgrabungen im griechischen Orient geworden sind. Die bis zum
Jahre 1890 erschienenen Berichte wurden in einer dankenswerten Sonder-
ausgabe vereinigt u. d. T.:
Chroniques d'Orient. Documents sur les fouilles et decouvertes
dans l'orient hellenique de 1883 ä 1890 par Salomon Eeiuach.
Paris, Firmin Didot et Cie. XVI 788 S. 1 T. 15 M.
Über die K. betreffenden Abschnitte dieses Sammelbandes giebt
der sorgfältige Index Aufschlufs. Seither erschien eine Fortsetzung in
Rev. arch. ni 19 (1892), wo von K. auf S. 115 f. und 417 f. gehan-
delt ist. ^) Auch das American Journal of Archaeology bringt gelegent-
lich Berichte über den Fortgang der kyprischen Altertumsforschung.
Versuchen wir es, hier wenigstens die Hauptmomente dieser Ent-
wickelung herauszuheben, so müssen wir zunächst wieder auf Luigi
Palma di Cesnola zurückgreifen, dessen Hauptwerk wir seines allge-
meineren Interesses wegen bereits oben S. 36 ff. besprochen haben. Die
ersten Arbeiten, mit denen Cesnola vor die Öffentlichkeit trat, waren
meines Wissens die beiden Aufsätze
Scoperta del tempio di Venere a Golgos nell' isola di Cipro. Atti
della R. Accad. di Sei. di Torino VI (1870/1) S. 554-68 mit 2 T.,
und
Scavi neir isola di Cipro. Ebd. XI (1875/6) S. 495—522, T.
III-V.
Über die von ihm gesammelten Gegenstände erschienen, abgesehen
von einem bereits 1870 durch Fröhner herausgegebenen Auktions-
kataloge,-) den ich nicht gesehen habe,
Die Sammlung Cesnola beschrieben von Johannes Doell. Mem.
de r Ac. Imp. des Sei. de St.-Petersbourg. VII. Ser. T. XIX No. 4
(1873). 76 S., mit 17 Steiiukucktafeln. 4.
The Antiquities of Cyprus discovered (principally on the Sites of
ancient Golgoi and Idaiium) by General Luigi Palma di Cesnola.
^) Reinach veröffentlichte aufserdem: „Tetes chypriotes en calcaire du
musee de Constantinople". Gaz. arch. ISSö S. 11 f., T. III.
-) Antiquites chypriotes provenant des fouilles faites en 1S6S par
M. de Cesnola. Paris 1870. Roy. 8, mit (i T. Vgl. Perrot, Rev. des deux mondes
31 (.1879) 598 A.
74 Geographie von Griechenland.
Photog^'aphed by Stephen Thompson, from a Selection made by
C. T. Newton. With an Introduction by Sidney Colvin. London
1873. Fol. 4 S. Text u. 36 T. Photographien.
A descriptive Athis of the Cesnola Collection of Cypriote Anti-
quities in the Metropolitan Museum of Art, New York, by Louis
Palma di Cesnola. Vol. I. With Preface by Sam. Birch. 5 Parts.
Berlin 1885. Asher & Co. Fol. 150 T. in Lichtdruck mit 150 Bl.
Erklärungen u. 12 S. Text. 210 M.
Ist auf drei Bände berechnet.
Von kleineren Arbeiten über Cesnolas Ausgrabungen verdient
wegen der biographischen Nachrichten über den ,, General •* hervorgehoben
zu werden
G. Regaldi, Le antichitä di Cipro e il generale di Cesnola.
Nuova Antologia Bd. 43 (1879) S. 248—65.
Wie schon oben augedeutet, entspann sich über Cesnolas Aus-
grabungen ein lebhafter Streit, an welchem als Gegner des Generals
hauptsächlich die Amerikaner G. L. Feuardent und W. J. Stillmau,
sowie Max Ohnefalsch-ßichter beteiligt waren. Die hierher gehörigen
Schriftstücke sind zum grofsen Teil in amerikanischen Zeitschriften und
Tagesblättern veröffentlicht und sollen in ilirer Gesamtheit mehrere
Kisten füllen. Glücklicherweise ist die Mehrzahl derselben weder mir
noch hoffentlich auch meinen Lesern zugänglich, und begnüge ich mich
daher, auf die von Cobham S. 24 getroffene Auswahl und die wenigen
Artikel hinzuweisen, die mir aus eigener Anschauung bekannt sind. Die
deutsche Lesewelt wurde meines Wissens zuerst durch einen in heftiger
Sprache gehaltenen Aufsatz
Altertumsfälscher auf und mit Cypern. Von Max Ohnefalsch-
Richter. Repertor. f. Kunstwiss. 1884 S. 275—80
ans ihi'er Begeisterung für Cesnolas Erfolge aufgerüttelt. Während
hier jedoch die Anklage mehr allgemein gehalten ist und sich als ein
Ableger der in Amerika bereits mit grofser Erbitterung geführten Fehde
darstellt, fand sich bald auf darauf ein scharfer, sachlich begründeter
Angriff" von
Henri de Morgan, Quelques observations sur le „Cyprus" de
M. de Cesnola, im „Courier de l'art" 1884 S. 569—72 u. 580-2.
Hierher gehören auch zwei anonyme Artikel
Le Scandale du ,, Metropolitan Museum of Art" de New York.
Ebd. 1885 S. 317 f., und
Kypros (Archäologie). 75
M. de Cesnola. Ebd. S. 580-2,
sowie eine Besprechung des Buches von Perrot-Chipiez (s. u.) von
Eugene Veron in „L'Art" 1885 Bd. 38 S. 29—31.
Das umfassendste und vernichtendste, was mir von den Cesnola-
Streitschriften bekannt wurde, ist jedoch der
Report of "W. J. Stillman ou the Cesnola Collection. Privately
printed. New York 1885. 8. 33 S.
Indem ich bezüglich dieser, auf Veranlassung der American Nu-
mismatic and Archaeological Society of New York unternommenen Unter-
suchung, mit welcher übrigens der Streit keineswegs abgeschlossen ist,
auf die Bemerkungen von Deecke in Bd. 44 S. 269 f. dieses Jahresberichts
verweise, wende ich mich von diesem unerquicklichen Gegenstande ab
und gedenke zunächst derjenigen Männer, welche sich gleichzeitig mit
Cesnola an der kyprischen Altertumsforschung beteiligten. Unter ihnen
ist neben Hamilton Laug^) insbesondere der früh verstorbene fran-
zösische Archäologe Georges Colonna-Ceccaldi (f 1879) zu nennen,
dessen in verschiedenen Jahrgängen der Revue archeologiqiie zerstreute
Arbeiten vereinigt wurden u. d. T.:
Monuments antiques de Chypre, de Syrie et d'Egypte. Paris,
Didier et Cie. 1882. 314 S., 34 T. 25 Fr.
Dieses schön ausgestattete, leider wenig bekannte Buch enthält
nach einer biographisch- bibliographischen Einleitung (S. 3 — II) im
1. Kap. „Decouvertes en Chypre" (S. 15 — 34)-) Mitteilungen über Alter-
tumsfunde in Larnaka (mit Planskizze), Pyla, Alasso, Ormidia, Dali
(Planskizze), Athienu, Lympia, Alambra; Kap. 2 „(rolgos" (S. 35 — 82) ^^
behandelt Funde aus der herkömmlich mit diesem Namen bezeichneten
Euinenstätte bei Athienu, Kap. 3 „Idalie" (S. 83 — 135)^) dgl. von
dieser Stadt (mit Planskizze), Kap. 4 dgl. von ,,Amathonte" (S. 137
—51)5), g;ap. 5 ^^Les Fouilles de Cuiium" (S. 153— 82). ß) In Kap. 6
,,Epigraphie" (S. 183 — 210)') werden eine grölsere Zahl griechischer
') Vgl. 0. S. 43 f. und u. S. 83.
-) Rev. arch. 21 (1870) S. 23-36, 353 f.
^J Rev. arch. 22 (1870/1) S. 361—72, 23 (1872) S. 335-7, 24 (1872)
S. 221—8, 25 (1873) S. 31 u. 159—65, 29 (1875) S. 22—9.
0 Rev. arch. 24 (1872) S. 304-16, 25 (1873) S. 18-30, 37 (1879)
363 — 75, Magasin pittoresque 1876 S. 228 f.
=) Rev. arch. 31 (1876) 25—36.
«) Rev. arch. 33 (1877) S. 1 — 11, 177—89.
') Rev. arch. 27 (1874) S. 69-95, 29 (1875) S. 95—101.
76 Geographie von Griechenland.
Ins clirif teil, meist Grabschriften ans später Zeit, vorzugsweise von Lar-
naka, dann Dali, Atliieuu u. s. \v. mitgeteilt. Der II. und III, Teil
des Buches beschäftigt sich mit verschiedenen Denkmälern in Syrien und
Ägypten, der „Appendice" enthält dann wieder eine nachg-elasseue
Studie des Verf. über „La Ceramique de Chypre" (S. 269—80), An-
zeigen der Werke von Lang-, Cesnola^) und Rodet -j (S. 285—9), so-
wie einig-e Mitteilungen von dem Bruder des Verf., Tiburce Colonna-
Ceccaldi, vormals Konsul in Larnaka. über Dali und einige andere
Funde auf K. (S. 293— 308). s) Die Tafeln, darunter auf PI. I ein
grofser Plan der Ausgrabungen in Dali, sind durchwegs sehr sauber
ausgeführt.
In die Zeit Cesnolas fällt ferner auch eine wichtige Ai'beit von
Thomas B. Sandwith, On the diflferent Styles of Pottery found
in Ancient Tombs in the Island of Cyprus. Archaeologia Bd. 45
(1877) S. 127—42, T. IX— XIIL
Der Verf., welcher, wie Lang, als Vicekonsul auf K. lebte, hat
in dieser aus einem 1871 gehaltenen Vortrag erweiterten Abhandlung
zuerst die methodische Behandlung der kyprischeu Altertumsfunde an-
gebahnt und zur Unterscheidung der Hauptperioden den Weg gezeigt. *)
Unter den Veröffentlichungen, welche die Funde Cesnolas u. Anderer
für die Wissenschaft nutzbar oder weiteren Kreisen bekannt zu machen
suchten, nenne ich, neben Schriften, yne G. Begaldi (o. S. 74) und
Jakob Keller, Die kyprischen Altertumsfunde. Berlin 1881.
32 S. M. 0,G0. (Samml. gemeinverst. Vortr. XVI. Ser. Heft 363),
vor allem die ausgezeichnete Darstellung der phönikisch-kyprischen
Kunst bei
Georges Perrot und Charles Chipiez, Histoire de Tart dans
Fautiquite. T. III. Phenicie-Cypre. Paris 1885.
Für K. kommen hauptsächlich in Betracht S. 261 — 91: Le temple
k Cypre, and S. 479—628: Cyin-e et la sculpture cypriote. Vgl. auch
0. S. 45 und S. 72.
Gleichzeitig erschien
») Rev. arch. 38 (1879) S. 324—6.
-) Rev. arch. 32 (1876) S. 280. Vgl. Bd. 11 S. 129 f. dieses „Jahres-
berichts".
^) Rev. arch. 18 (1868) S. 367, 19 (1869) S. 2.37 f., 20 (1869)
S. 208—13.
Vgl. Ohnefalsch-Richter, Cultusstätten S. III.
4^ v,
Kypros (Archaeologie). 77
Die alten Kyprier in Kunst und Cultus. Studien von A. E. J.
Holwerda. Mit mehreren lithographischen Abbildungen und einer
Lichtdrucktafel. Leiden, E. J. Brill. 1885. XII 61 S. 8 T.
M. 4,50.
Den wesentlich archäologischen und deshalb hier nicht näher zu
besprechenden Inhalt des Buches mögen die Kapitelüberschriften an-
deuten: 1. Die antiken Heiligtümer bei Athienu und Dali; 2. Kyprische
Kunsterscheinungen; 3. Die Bronzeschale von Idalion; 4. Alte Kultus-
gebräuche. Weihung des eigenen Bildes; 5. Die Kj-progeneia. Die
zahlreichen Druckfehler und sprachlichen Verstöfse wird man dem Verf.
als Ausländer zu gute halten müssen.
Beruhen die vorgenannten Arbeiten noch ganz auf dem zu Ces-
nolas Zeit gesammelten Material, so werden wir in eine neue Aera hin-
übergeleitet durch die grundlegenden Untersuchungen von
F. Dümmler, Mitteilungen von den griechischen Inseln. lY.
Älteste Xekropolen auf Cypern. Mitteil. d. deutsch, arch. Inst. 1886
S. 209—62, III T. (vgl. Nachtrag). V
sowie durch einen Vortrag von
J. Xaue, Die Bronzezeit in Cj^pern. Korrespondenzbl. d. deutsch.
Ges. f. Anthr., Etlmol. u. Urgesch. 1888 S. 123—7. Vgl. o. S. 30.
Letztere Publikationen berühren sich bereits enge mit den Ar-
beiten desjenigen Mannes, der im ersten Jahrzehnt der englischen Ver-
waltung, ebenso wie Cesnola im letzten der türkischen Herrschaft, haupt-
sächlich anregend auf die kyprische Altertumsforschung gewirkt hat,
nämlich Max Ohnefalsch-Richter, Derselbe ist uns bereits als
Herausgeber und Verfasser verschiedener Veröffentlichungen über K.
bekannt-), meist rasch hingeworfener Aufsätze, die nicht nur inhaltlich
vielfach den Stempel der Flüchtigkeit tragen, sondern auch eine oft die
Grenzen des Erlaubten überschreitende Vernachlässigung der sprachlichen
und stilistischen Form aufweisen. Von letzterem Vorwurf sind auch die
archäologischen Arbeiten des Verf. nicht frei zu sprechen, wenngleicli
zuzugeben ist, dafs in dem jüngsten gröfseren "Werke etwas gröfsere Sorg-
falt zu Tage tritt. Was den sachlichen AVert derselben betrifft, so haben
wir uns zunächst zu vergegenwärtigen, dafs der Verf. ohne jede wissen-
schaftliche Vorbildung, wenigstens für die Altertumsforschung, nach einer
') Dümmler veröffentlichte aufserdem : SUberner Schmuck aus Cypern,
Jahrb. d. Arch. Inst. 1887 S. 85—94, T. VIII, und Attischer Lekythos aus
Cypern, ebd. 1G8-78, T. XI. Vgl. auch o. S. 30 und u. S. 96.
-) S. 0. S. 30 f., 51, 59, 68 ff., 71, 74.
78 Geographie von Griechenland,
wechselvollen Laufbahn als Landwirt, Maler und Photograph in Deutsch-
land, Österreich und Italien, kurz nach Besitzergreifung der Insel durch
die Engländer als Zeitungsberichterstatter nach K, kam, dort eine Zeit
laug als Forstbeamter thätig war und erst seit 1879 anfing, sich mit
archäologischen Dingen zu beschäftigen. ^) Verschiedene Aufträge, die
ihm von wissenschaftlichen Instituten und Privaten zu teil wurden, gaben
ilim Gelegenheit zu Ausgrabungen an zahlreichen Plätzen der Insel und
ermöglichten es ihm, sich während eines zwölfjährigen Aufenthaltes auf
derselben -) mit den kyprischen Altertümern in einem Umfang praktisch
vertraut zu machen, wie es aulser Cesnola wohl niemand vergönnt war.
Letzterem gegenüber hat O.-ß. jedoch den unbestreitbaren Vorzug, dais
er sich von Anfang an genauer Aufzeichnungen und eines methodischen
Vorgehens bei seinen Ausgrabungen befleifsigCe. Es ist hauptsächlich
das Verdienst des bekannten Malers und Prähistorikers Julius Naue
in München, der sich selbst auch durch mehrere Veröffentlichungen an der
kyprischen Altertumsforschung beteiligt hat 3), O.-ß. auf diese Bahn
geleitet und seine Tliätigkeit für die Wissenschaft nutzbringend gemacht
zu haben. Das Urteil über O.-R.'s archäologische Arbeiten wird indessen
verschieden ausfallen, je nachdem nur die Gewinnung und Veröffent-
lichung des ]\raterials oder die wissenschaftliche Verwertung desselben
und die Einreihung in die Gesamtheit der antiken Denkmäler in Frage
kommt. Ohne ihm nach letzterer Richtung jedes Verdienst abzusprechen
und zu verhehlen, dafs O.-R. vielfach das Richtige erkannt und zu wei-
teren Studien die Anregung gegeben hat, ist doch nicht zu leugnen,
dafs der völlige Mangel philologisch-historischer und archäologischer
Schulung ihn zu manchen bedenklichen Seitensprüngen und höchst ge-
wagten Kombinationen veranlafst und seinen Ausführungen liäufig einen
dilettantenhaften Charakter aufprägt, der alle, die in archäologischen
Dingen nicht auf eigenen Füfsen stehen, zu einer grol'sen Zurückhal-
tung und Vorsicht nötigt. Nur in diesem Sinne, nicht um O.-R. einen
Vorwurf aus etwas zu machen, was bei seinem Lebens- und Bildungs-
gange unvermeidlich war, möchte ich auf dieses Sachverhältnis aufmerk-
sam machen, über das sich übrigens Urteilsfähige kaum je einer Täuschung
hingegeben haben dürften. Was nun 0,-R.'s archäologische Arbeiten im
*) Mitteilungen über seinen Entwicklungsgang findet man bei S. Rei-
nach, Chron. ir,9 ff. (Rev. arch, 1885 II 340 ff.), aufserdem in seinen „Kul-
tusstätten" S. III ff. u. 58.
^) O.-R. kehrte 1890 nach Deutschland zurück und befindet sich
meines Wissens gegenwärtig in Amerika.
■'') Vgl. 0. S: 30 u. S. 77, ferner „Kupfergoldringe von Cypern" Antiqua
(Zürich) 1885 N, 1 (mir unzugänglich), und „Kupferwaffen aus Cypern" ebenda
S. 17-24, T, IV-VL
Kypros (Ohnefalsch-Richter). 79
einzelnen betrifft, so beziehen sich dieselben, so weit noch von K. aus
veröffentlicht, meist auf bestimmte Örtlichkeiten und sind deshalb erst
im folgenden zu besprechen. Allgemeineren Charakters sind aul'ser dem,
was schon früher angeführt wurde, die leidenschaftlich geschriebenen
Aufsätze
Das Museum und die Ausgrabungen auf Cypern seit 1878. Repert.
f. Kunstwiss. 1886 S. 193-206, 309—28, 456—65.
Man findet hier über die Art, wie unter den Engländern auf K.
Ausgrabungen betrieben wurden, sowie über die Einrichtung des Museums
in Nikosia, manche beachtenswerte Mitteilungen, die allerdings nicht
immer den Eindruck der Unparteilichkeit machen.
Eine kurze, zur raschen Orientierung geeignete Übersicht seiner
Forschungsergebnisse bietet ein Vortrag
Cyperns Kultur im Altertume. Mitteil. d. anthrop. Ges. in
Wien 1890 S. [90] — [95].
Neuerdings hat O.-R. die Ergebnisse seiner Arbeiten und Studien
in K. in einem gröfseren Werke zusammengefafst. Als Vorläufer des-
selben erschien
Die antiken Cultusstätten auf Kypros. Zusammengestellt von
Max Ohnefalsch-Eichter. Mit 18 Tafeln. Als Dissertation behufs
Erlangung der Doktorwürde der philosophischen Fakultät der Uni-
versität in Leipzig eingereicht von Max Ohnefalsch-Richter. Berlin,
Druck von H. S. Hermann. 1891. 4. XII 58 S. XVm T.
In dieser mit aufsergewöhnlichem Luxus hergestellten Abhandlung
giebt der Verf. eine Geschichte seiner Thätigkeit auf K., beschreibt
hierauf 42 antike Cultusstätten der Insel und geht sodann, nach einem
Kapitel über „Cj'perns Bedeutung" (S. 31 — 6), zur Erklärung der
Tafeln über. Den Schluls bildet eine kurze vita des Verf. Die in
Lichtdruck ausgeführten Tafeln enthalten aufser einer lithographierten
Übersichtskarte, welche auf meiner Routenkarte (o. S. 55) beruht, neben
Abbildungen rein archäologischen Charakters auch einen topographischen
Plan von Idalion und Umgebung (Il/IU), eine Wiederholung der
englischen Aufnahme vom Aphroditetempel zu Alt-Paphos (IX) und
. Spezialpläne mehrerer vom Verf. erforschter Heiligtümer.
Diese Abhandlung ist, mit Ausnahme der Einleitung, übergegangen
in das jetzt vorliegende Hauptwerk
Kypros, die Bibel und Homer. Beiträge zur Kultur-, Kunst-
und Religionsgeschichte des Orients im Altertume. Mit besonderer
J30 Geographie von Griechenland.
Berücksichtigung eigener zwölfjähriger Forschungen und Ausgrabungen
auf der Insel Cypern. Von Max Ohnefalsch-Richter. Mit einem
Briefe von W. E. Gladstone an den Verfasser. Berlin. Verlag von
A. Asher u. Co. 1893. 4. 1 Bd. Text, VIII 535 S., 1 Bd. mit
9 farbigen und 210 schwarzen Tafeln. M. 180. i)
Die Einteilung des dem Erbprinzen Beruhard von Sachsen-Meiuiugen-
Hildburghausen gewidmeten Werkes ist folgende: Das 1. Kapitel wird
diu'ch die Abhandlung über die antiken Cultusstätten gebildet (== S. 1
— 31 der vorigen Schrift) ; dann folgt der umfangreichste Abschnitt des
ganzen Werkes über den „Bailmkultus und dessen Übergang zum anthropo-
morphen Bilderkultus" (S. 32 — 227), hierauf als dritter „die Gottheiten,
Fabelwesen und deren Kulte" (S. 228—343). Den Schlufs bildet die
Erklärung der Tafeln (S. 349—515), von denen auch diejenigen zu
T. I — XVIII, welche bereits in der vorigen Schrift enthalten sind, neu
gedruckt und mehrfachen Änderungen unterworfen wurden. Beigefügt
ist ferner ein Ortsregister, ein Verzeichnis der Textabbildungen und
eine lange Druckfehlerliste, Dagegen vermifst man ein systematisches
Inhaltsverzeichnis.
Da ich voü dem Werke erst in letzter Stunde vor Drucklegung
dieses Berichtes Einsicht erhielt, mufs ich auf eine eingehende Prüfung
hier verzichten; dieselbe würde ohnehin, wie man aus der Inhaltsangabe
ersieht, mehr Sache eines Berichtes für Mythologie und Archäologie als
für Geographie sein. Den allgemeinen Eindruck, welchen eine flüchtige
Durchsicht gewährte, kann ich wohl dahin zusammenfassen, dafs der
Verf. mit kühnen, ja gewaltsamen Kombinationen und den Früchten
einer ziemlich ausgebreiteten, aber nur teilweise verdauten Belesenheit
ein gewagtes Spiel treibt, das ihm wohl noch manchen Straufs mit geschul-
teren Vorkämpfern auf dem schwierigen Arbeitsfelde der vergleichenden
Religionswissenschaft kosten dürfte. Dabei leidet das Ganze unter einer
gewissen Effekthascherei, die sich bereits in dem Titel ausspricht,
welcher offenbar mehr für das Sensationsbedürfnis englischer und ameri-
kanischer Bibel- und Romer-Enthusiasten als für den nüchternen Gelehrten
berechnet ist. Noch weniger angenehm berührt das stete Vordrängen der Per-
sönlichkeit des Verf. und die Art der Polemik gegen andere Forscher (vgl.
z. B. S. 502 ff.). Diese Schattenseiten, zu denen noch die Unvollkommen-
heit der äulscren Form tiitt, hauptsächlich aber der Mangel an strenger
wissenschaftlicher Zucht, beeinträchtigen erheblich den Wert des Buches,
das auf der anderen Seite gleichwohl den wichtigsten Erscheinungen
*) Die gleichzeitig erschienene englische Ausgabe, welche ich nicht
gesehen habe, führt den Titel „Kypros, the Bible and Homer. Oriental
Civilisation, Art and Religion in Ancient Times" und kostet 216 M.I
Kypros (Kition). 81
der modernen archäologischen Litteratur beigej^ählt werden mufs. Die
Fülle des Materials ist eine so anfserordentlich grofse, die bildliche
Wiedergabe desselben eine so gute, mitunter sogar glänzende, dafs ohne
Zweifel die Wissenschaft viele neue Anregungen aus demselben ziehen
wird. Für kyprische Archäologie im besonderen wird es, neben den
Bilderwerken über die Cesnola-Sammlung, auf lange hinaus grundlegend
bleiben. Leider ist der Preis ein so hoher, dafs, in Deutschland
wenigstens, nur sehr wenige Privatpersonen in der Lage sein dürften,
tine so grofse Summe für eine Spezialität wie kyiirische Altertums-
kunde anzulegen.
Indem ich hiermit die Reihe der K. im ganzen betreffenden Arbeiten
beschliefse, wende ich mich nun zu denjenigen Veröffentlichungen, welche
sich nur auf einzelne Örtlichkeiten beziehen,*) und zwar zunächst in
archäologischer Hinsicht. Ich beginne hierbei mit derjenigen Stadt,
welche herkömmlich, wenn auch vielleicht mit Unrecht als älteste auf
K. gilt und im Mittelpunkt des phönizischen Machtbereiches steht,
nämlich Kition, Hierher gehören zwei Aufsätze von Max Ohnefalsch-
Richter,
Die Akropolis von Kition und ein Sanktuarium der syrischen
Astarte. Ausland 1879 S. 970—4, und
Altes Bauwerk bei Larnaka. Arch. Zeitung. Bd. 39 (1881)
S. 311—4, T. 18.
Die erstere Arbeit beschäftigt sich mit den Gebäuderesten, welche
bei der teilweise durchgeführten Abtragung des Burghügels von K. zum
Zweck der Ausfüllung des versumpften alten Hafens zum Vorschein kamen,
die zweite giebt uns nach Rofs -) die beste Beschreibung von dem merk-
würdigen alten Bauwerk, welches als H. Phaneromeni bekannt ist.
Einen zusammenfassenden Artikel über Kition schrieb Karl Wilke
für die Allgem. Encykl. II 36 (1884) S. 323—5. Ergebnisse eigener
Studien mit einer Planskizze, welche auf dem Plan des Corp. Inscr.
Sem. I 35 beruht, und Litter aturnachweisen veröffentlichte Ref. „Aus
Cypern« I 192 f., 199—204, II 467. Vgl. Nachtrag S. 96.
^) Natürlich kann es sich hier nicht darum handeln, die in den früher
genannten Schriften enthaltenen Bemerkungen über jede Örtlichkeit aus-
zuziehen \md zusammenzustellen, sondern nur um Anführung derjenigen
Bücher, Aufsätze u. s. w., die nach Titel und Inhalt eben nur eine bestimmte
Örtlichkeit betreffen. Im übrigen verweise ich wiederholt auf die trefflichen
Berichte von S. Reinach (o. S. 73).
-) Arch. Zeit. Bd. 9 (1851) S. 327 f., T. 285.
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXYII. Bd. (1893. III.) 6
82 Geographie von Griechenland.
Landeinwärts von Kition sind hauptsächlich di'ei Stellen dm*ch
Ausgrabiuigen bekannt geworden; von denselben entsprechen zwei
sicher den wohlbekannten Städten Idalion u. Tamassos, während die Be-
nennung der dritten strittig ist. Es sind das die Heiligtümer bei Athienu, in
denen man seit der Reise der französischen Archäologen (1862) das
schon von Mannert in diesem Teile von K. gesuchte Golgoi erkennen
wollte. ') Diese besonders durch Cesnola ^) populär gewordene Ansicht
wurde indessen erheblich erschüttert durch die Abhandlung von
Richard Neubauer,. Der angebliche Aphi'oditetempel zu Golgoi
und die daselbst gefundenen Inschriften in kyprischer Schrift. Comment.
philol. in hon. Th. Mommseui (Berol. 1877) 673—93.
Obwohl diese Abhandlung unter einem anderen Gesichtspunkt,
nämlich dem sprachUch-epigraphischen, bereits an anderer Stelle dieses
Jahresberichts besprochen worden ist, ==) müssen wir doch hier wieder
darauf zurückkommen, da sie auch die Ortsfrage eingehend erörtert.
Nach Prüfung der antiken Belegstellen, insbesondere Paus. VIII 5, 2,
kommt nämlich der Verf. zu dem Ergebnis, dafs Golgoi nicht der Name
einer Stadt, sondern einer Örtlichkeit zu Alt-Paphos war, eine Vermutung,
die übrigens schon von Munter geäussert wurde.*) Aufserdem macht
es N. sehr wahrscheinlich, dafs der angebliche Aphroditetempel Cesnolas
thatsächlich ein Apolloheiligtum war. Wenn wir nun in ersterem
Punkte dem Verfasser auch nicht sogleich beistimmen können, so ist
hier doch nicht der Ort, die Streitfrage zur Entscheidung zu bringen
und begnüge ich mich deshalb mit dieser kurzen Andeutung der
Sachlage. Aufserdem möchte ich nochmals auf die Arbeiten Colonna-
Ceccaldis^) über dieselbe Stätte hinweisen, welche neben den
Mitteilungen Cesnolas wenig bekannt geworden zu sein scheinen.
Unzugänglich ist mir ein von Miliarakis No. 1048 angeführter Aufsatz
AI h ToXydic (ipxatOTTQTSc uto Xp. ria-aoo-o'JXou. AquTiT. 'Aar/^p 11
417 f. (1887).
Westlich von Athienu, und wie dieses, ungefähr in gleicher Ent-
fernung von Larnaka und Nikosia liegt die Stätte des alten Idalion,
bekannt als Fundort des umfänglichsten Sprachdenkmals in epichorischer
') Vgl. W. H. Engel, Kypros I 145 ff., Krause in der Allg. Encykl. I
73 S. 337, Rev. arch. 1862 VI 244 f.
-) Cypern S. 90 ff. Vgl. dazu die Bemerkungen von L. Stern S. 302 ff.
und die Kritik von. Morgan (o. S. 74) über Cesnolas Angaben.
") Bd. 11 S. 129 (von Deecke).
*) Engel, Kypros I 145.
*) Monuments S. 35 ff.; vgl. o. S. 75 f.
Kypros (Golgoi, Idalion, Tamassos). 83
Schrift, das so lange den Scharfsinn der Gelehrten vergeblich heraus-
gefordert hat (Roeths „Proklamation des Amasis"!). Später hat sich
um die Durchforschung des Bodens von Idalion neben Colonna-Ceccaldi
(o. S. 75) und Cesnola hauptsächlich Hamilton Lang verdient ge-
macht. Der Bericht über seine Ausgrabungen daselbst ist, nach einer
früheren Mitteilung in den Transact. Soc. Bibl. Arch. 1871, nieder-
gelegt in
Narrative of Excavations in a Temple at Dali. Transact. R, Soc.
Lit. n. Ser. XI (1878) 30—54, mit 1 Plan u. 5 T., dazu Observations
by R. S. Poole, ib. 54—79.
Neuerdings hat auch Ühnefalsch-Richter zu I. eingehendere
Forschungen angestellt und hierüber sowohl in seiner Zeitschrift The
Oid (o. S. 30) als in seinen GultiisstäUen (o. S. 79; S. 6 f., 16—20,
36 ff., 53 berichtet. Einen leider typographisch ^■ielfach entstellten
Aufsatz über die Geschichte von I. lieferte Ref. in The Owl (o. S. 30).
Noch mehr Ei'folge als zu Idalion erzielte Ohne f als ch-Ri cht er in
dem noch weiter westlich gelegenen Tamassos, wo derselbe wiederholt,
zuletzt für die k, Museen in Berlin, Ausgrabungen geleitet hat. Die
Ergebnisse derselben sind, so viel ich nach den wenigen bis jetzt ver-
öffentlichten Mitteilungen, ^) den in Berlin vorläufig zur Ausstellung ge-
langten Gfegenständen und hauptsächlich nach den von mir im Jahre 1891
besuchten Grabkammern beurteilen kann, von grofser kulturhistorischer
Bedeutung und lassen eine baldige Bearbeitung des offenbar sehr reich-
haltigen Materials dringend wünschen.
Weiter nördlich als die genannten drei Städte, unweit der heu-
tigen Hauptstadt Nikosia, ist in den letzten Jahren eine früher fast
ganz unbeachtet gebliebene Ruinenstätte auf dem sogenannten Löwen-
hügel (Acovrapt ßouvo), einem der Tafelberge der Mesaria, bekannt ge-
worden. Nachdem ich selbst mit Herrn Ohnefalsch-Richter im Jahre
1887 die Stelle zum ersten Male wissenschaftlich untersucht und letzterer
dort auch gegi'aben hatte, unternahmen die Archäologen der englischen
Schule in Athen im folgenden Jahre dort Ausgrabungen, über welche
M. R. James im Journ. Hell. St. 1888 S. 152—58 berichtete (s. u. S. 85).
Ohnefalsch-Richter veröffentlichte seine Forschungen in dem o. S. 31
angeführten Aufsatz des Joxirn. Cypr. St., welchem auch die Reduktion
des von Williams aufgenommenen Planes beigegeben ist. Ich selbst
habe eine kurze Schilderung mit besonderer Rücksicht auf die Terrain-
verhältnisse und vollständigem Litteratarnachweis an anderer Stelle ge-
^) Ich habe die Nachweise hierüber zusammengestellt in meinem
Bericht „Aus Cypern" II 470: dazu vgl. noch Reinach, Chron. 704.
6*
84 Geographie von Griechenland.
geben/) woselbst ebenfalls der vorgenannte Plan, leider in noch klei-
nerem Mafsstabe, vi^iederholt ist. Obwohl das Alter der jetzt am meisten
in die Augen fallenden Ruinen auf jenem Hügel noch zweifelhaft ist,
ja ein mittelalterlicher Ursprung derselben nicht ausgeschlossen erscheint,
haben doch die Ausgrabungen Ohuefalsch-Richters und der Engländer den
Beweis geliefert, dafs wir uns hier auf dem Boden einer uralten Ansiede-
lung befinden, welche wahrscheinlich mit dem schon in assyrischen
Denkmälern auftretenden Ledroi, der Vorgängerin des späteren Ni-
kosia, in Verbindung zu bringen ist.
Wenden wir uns von Kition der Küste entlang nach W., so be-
gegnet uns Amathus als nächste unter den altkyprischen Königsstädten.
Auf ihrem Boden wurde die bekannte Kolossalstatue des sogenannten
phönizischen Herakles gefunden, jetzt eines der Hauptstücke des Mu-
seums in Konstantinopel. Eine Beschreibung gab
A. Sorlin-Dorigny, Statue colossale decouverte k Amathoute.
Gaz. arch. 1879 S. 230-6, T. XXXI.
Bezüglich der nächstfolgenden grüfseren Stadt, Kurion, ist zu-
nächst an die Abhandlung von Colonna-Ceccaldi (o. S. 75) zu er-
innern, sowie an den Streit um den berüchtigten Tempelschatz Ces-
nolas (o. S. 74). Zwei archäologisch sehr merkwürdige Silberschaleu-)
aus Kurion behandelt
A. Marquand, A Silver Patera from Kourion. Am. Journ. of
Arch. 1887 S. 322—37, T. XXX, und
An Archaic Patera from Kourion. Ib. 1888 S. 169—71, T. VII,
Eine Anzahl Bleiplättchen mit Beschwörungsformeln (dirae), welche
neuerdings zu Kurion gefunden wurden, veröffentlichte
Miss L. Macdonald, Inscriptions relating to Sorcery in Cyprus.
Proceed. Soc. Bibl. Arch. XHI (1891) 160—90.-')
Vorläufig nur dem Titel nach bekannt ist mir
de Castillon Saint-Victor, Rapport sur les fouilles de Curium.
(Extrait.) Paris, Leroux. 38 S. Vgl. Bibl. phil. class. 1892 S. 81;
Reinach, Chron. 476 u. 642.
Das archäologisch wichtigste Gebiet im westlichen Teile von K.
ist das von Paphos, in welchem Alt-Paphos die Hauptstätte des ky-
1) Aus Cypem I 207 ff; vgl. o. S. 56.
^) Man vgl. hierzu auch Gesnola-Stern T. 66; Colonna-Ceccaldi, Mou.
166-82, T. IX (-=Rev. arch. 1877 XXXIII 177—89).
') Vgl. A. Dieterich, De hymnis Orphicis. Marp. Gatt. 1891. P. 47 ss.
Kypros (Amathus, Kurion, PapLos). 85
prischen Aphroditekultes, Neu-Paphos der Sitz des einheimischen
Königtums, sowie der Mittelpunkt der römischen Verwaltung von K.
war. Einen Teil der ausgedehnten und mannigfaltigen Ruinen letzterer
Stadt ^) behandelt
E. Pottier, Les hypogees doriques de Nea-Paphos. Bull. coit.
hell. 1880 S. 497—505.
Li Alt-Paphos haben von jeher die Reste des berühmten Aphro-
ditetempels die Aufmerksamkeit der Reisenden in Anspruch genommen,
aber bei dem Zustand ihrer Erhaltung nur zu willkürlichen Veraiutungeu
Anlals gegeben. Eine thatsächliche Erweiterung unserer Kenntnis
brachten erst die von der Englischen Schule in Athen mit Unterstützung
des Cyprus Exploration Fimd und der Society for the Promotion of
Hellenic Siudies im Jahre 1888 unter Leitung E. A. Gardners unter-
nommenen Ausgrabungen, worüber derselbe in Verbindung mit den an-
deren beteiligten Forschern berichtete in
Excavations in Cyprus, 1887 — 88. Paphos, Leontari, Amargetti.
Journ. Hell. Studies 1888 S. 147—271, T. VII— XI.
Die Abhandlung zerfällt in folgende Abschnitte:
1) The First Seasons Work, Preliminary Narrative. -) — D. G.
Hogarth. (S. 149—74.)
2) On the History and Antiquities of Paphos. — M. R. James
(S. 175—92.)
3) The Temple of Aphrodite: its Architectural History and Re-
mains. — R. Elsey Smith. (S. 193—202, mit Plan des Tempels.)
4) The Temple: Results of the Architectural Evidence. — E. A.
Gardner. (S. 203—15.)
5) Contents of the Temple. — E. A. Gardner. (S. 216—24.)
6) Inscriptions of Kuklia and Amargetti.^) — E. A. Gardner,
D. G. Hogarth, M. R. James. (S. 225—63.)
7) Tombs. D. G. Hogarth, M. R. James. (S. 264—71.)
Auf den Inhalt dieser wichtigen Publikation näher einzugehen,
ist bei dem ohnehin schon grofsen Umfang dieses Berichtes ebensowenig
') Vgl. mein „Aus Cypern" I 231 ff.
^) Enthält auch den Bericht über die Ausgrabungen am Löwenhügel,
worüber o. S. 83 f.
^) Ort im Gebirge 20 km nördlich von Alt-Paphos, wo ein merkwür-
diges Apollo-Heiligtum aufgedeckt wurde, worüber auch Hogarths Devia
Cypria zu ^gl.
36 Geographie von Griechenland.
möglich als bei den im folgenden angeführten Abhandlungen desselben
Jo7(rnal. Die topographischen Ergebnisse derselben werden in dem bald
erscheinenden gröfseren Werke des Ref. über K. verarbeitet werden.
Auch im Nordwesten der Insel war die Forschung sehr thätig.
Über die Ausgrabungen Ohnefalsch-ßichters bei Polis bis Chrysochu,
wo man wohl mit Recht das alte Marion sucht, ^) berichtet
Paul Herr mann, Das Gräberfeld von Marion auf Cji)ern.
48, Progr. zum Winckelmaunsfeste. Mit 3 Tafeln. Berlin, Georg
Reimer, 1888. 4. 64 S. 3 T. M. 4.
Die Ai'beit ist in erster Linie archäologischen Charakters, bietet
aber zugleich für die Topographie und Geschichte wertvolles Material.
Inzwischen wurden auch von den englischen Archäologen in den Jahren
1889 und 1890 dort Ausgrabungen unternommen; die Ergebnisse der-
selben sind niedergelegt in
Excavations in Cyprus, 1889. Second Seasou's Work. Polis
tes Chrysochou. Limniti. Journ. Hell. St. 1890 S. 1—99, T. III— V.
Der Bericht zerfällt in 5 Abschnitte, von denen I. Preliminary
Narrative, 11. The Tombs, JJl. Contents oftlie Toynhs von J. A. R. Munro,
lY. Inscriptions und V. Limniti von H. A. Tubbs bearbeitet sind. Der
letzte (S. 82—99) bezieht sich auf eine Örtlichkeit der Nordküste westlich
von Soloi, w^elche ich mit Herrn Ohnefalsch-Richter im Jahre 1887 be-
suchte und welche ich später als das Limne (Limuetis) der Hagio-
graphen und wahrscheinlich auch das Limenia Strabos nachgewiesen
habe.^) Im Jahre 1890 wurden die Allheiten auf der Stätte von
Marien wieder aufgenommen und darüber berichtet von
J. A. R. Munro, Excavations in Cyprus. Third Season's Work.
Polis tes Chrysochou. Journ. Hell. St. 1891 S. 298—333, T. XIII—
XV A.
Wenden wir uns nun über das Gebiet des alten Chytroi, in
welchem Ohnefalsch-Richter ein „Heiligtum des Apollon bei Voni"
aufdeckte,^) nach dem Osten der Insel*), so tritt uns hier als weitaus
wichtigste Stätte antiker Kultur das alte Salamis entgegen. Nach
dieser Stadt betitelt sich das anspruchsvoll ausgestattete Buch
^) Ebd. 1 227, wo jedoch die Worte „schon 449 v. Chr. durch Kimon
zerstört" zu berichtigen sind; vgl. o. S. 54 A. 4.
2) Aus Cypern I 220 f.; vgl. o. S. 56.
=>) Mitteil. d. Inst. 1884 S. 127—39; vgl. seine „Cultusstätten" S. 3-7.
*) Über die Nordküste von Kerynia bis zum Karpäs vgl. was o. S. 4Uf ,
54, 57 von Schröders, llogarths und meinen Arbeiten gesagt ist.
Kypros (Marion, Salamis). 87
Salaminia (Cyprus). Tbe History, Treasures, & Antiquities of
Salamis in the Island of Cyprus. By Alexander Palma di Cesnola.
With an lutroduction by Samuel Birch, and with upwards of 700
Illustrations and Map of Ancient Cyprus. London, Trübner & Co. 1882.
XL VIII 330 S. Second Edition, Whiting & Co. 1884. XLV 276 S. M. 25.
Noch weniger Fachmann als sein Bruder, hat der Verf. ') in
diesem Werke, das bereits an anderen Stellen des „Jahresberichts"
Erwähnung gefunden hat,-) lediglich eine (wissenschaftlich ganz un-
genügende) Beschreibung der von ihm bei Salamis wie an verschiedenen
anderen Orten der Insel gesammelten Altertümer gegeben. Für die
Topographie von Salamis bietet das Buch gar nichts als die ungeheuer-
liche Vermutung, dafs das merkwürdige alte Gebäude der H. Katharina
(s. u.) ein Überrest der Hafenmauer sei (S. 2)! Die beigegebene Karte
des alten K. ist eine Verkleinerung nach Abraham Ortelius (1584)!
Nicht zu Gesicht gekommen ist mir eine italienische Ausgabe des
Werkes^), ein (jetzt vergriffenes) Album mit etwa 1000 Abbildungen,
welches nach p. XXIV s. 1881 erschien und die Grundlage zu obigem
Werke bildete, sowie ein anscheinend gi'öfseres Bilderwerk welches über
die „Lawrence-Cesnola Collection"*) of Cypriote Antiquities" in Boston
1884 ff. erschienen sein soll; doch vgl. u, S. 96.
Mehrere wertvolle Mitteilungen über S. verdankt man Max Ohne-
falsch-Bichter. Derselbe veröffentlichte
Von den neuesten Ausgrabungen in der cyprischen Salamis. Mit-
teil, d. Inst. 1881 S. 191—208, 244-55, T. VIII.
Mitteilungen ans Cypern. 1. Nekropole im Norden von Salamis.
2. Neue Gräberfunde aus der Nekropole westlich von Salamis. Ebd. 1883
S. 133—40.
On a Prehistoric Building at Salamis. Journ. Hell. St. 1883
s. 111—6, T. xxxni f.
Letztere Publikation enthält eine vorzügliche Aufnahme des ur-
alten Bauwerkes (Quellentempel?) der H. Katharina, wovon auch von
den englischen Ingenieiu'en der Insel (S. Brown u. s. w.) eine minder
^) Eine biographische Notiz über ihn enthält die Vorrede zur 2.
Ausgabe.
-j Bd. 44 S. 266 f. und Bd. 66 S. 33.
"J Salamina. Torino 1888 ?
*) So benannt zum Unterschiede von der Sammlung L. Cesnolas,
nach AI. C.'s Schwiegervater Edwin H. Lawrence, welcher die Kosten der
Ausgrabungen getragen hatte und die Sammlung in seinem Hause zu London
aufstellte. Über das spätere Schicksal der letzeren vgl. S. Reinach Rev.
arch. 1888 I 382 (Chron. 476).
88 Geographie von Griechenland.
f?ut ausgestattete Besclu-eibung in der Zeitschrift The Builder 1883 S. 706
g-egeben wurde, die ich vor langer Zeit einmal flüchtig gesehen habe.
Über Ohnefalsch -Eichters Arbeiten in Salamis sind auch dessen
Mitteilungen im Kep. f. Kuustwiss. (o. S. 79) S. 202 ff. u. s. „Cultus-
stätten" S. 26 ff. zu vgl.
An letzterer Stelle beschäftigt sich derselbe auch mit den be-
deutenden Ausgrabungen des Cyprus Exploration Fund, mit welchen
die Ei'forschung von S. in ein neues Stadium getreten ist. Die Ergeb-
nisse derselben, welche eine Fortführung der auf halbem Wege steheu-
gebUebeneu Ausgrabungen äufs dringendste wünschen lassen, veröffent-
lichten die Leiter des Unternehmens, J. A. R. Munro und H. A.
Tubbs in
Excavations in Cyprus, 1890. Third Season's Work. Salamis.
Journ. Hell. St. 1891 S. 59—198, T. IV- X.
I. The Excavations (Tubbs) S. 61—122.
n. The Finds (Munro) S. 122—69.
III. Inscriptions (Tubbs) S. 170—98.
Ein näheres Eingehen auf den wichtigen Inhalt mufs ich mir an
dieser Stelle ebenso wie bei den o. S. 85 f. angeführten Publikationen
versagen.
Knüpfen wir an die Forschungen über das alte Salamis die Arbeiten
über Topographie und Geschichte von Famagusta, das als die mittel-
alterlich-moderne Nachfolgerin jener Stadt bezeichnet werden kann,
so haben wir als wichtigsten Beitrag die amtlichen Berichte über die
Bedeutung von F. als Hafen anzuführen, nämlich
Reports made to the Admiralty on the Anchorages etc. of the
Island of Cyprus. London. 1879. C. 2224. Hoch 4. 12 S. 3 T.
Report by Mr. Ormiston on Improveraents proposed at the
Harbour of Famagousta. London. 1880. C. 2544. Hoch 4. 6 S. 6 T.
Das erstere Schriftstück enthält „Remarks on Famagousta Har-
bour" von Vice-Adniiral Sir G. Philipps Hornby, einen „Report on
Famagousta" von Captain Harry H. Rawson, und ein „Memorandum
on the Anchorages ot Cj'prus; and on other Questions, chiefly nautical,
connected with that Island. By the. Hydrograph er to the Admiralty"
(F. J. Evans). Auch der letztere Abschnitt handelt hauptsächlich
von F., wie auch die drei beigefügten Pläne lediglich diesen Hafen be-
treffen. Die zweite Schrift giebt technische Vorschläge über die Ver-
besserung des Hafens und ist von farbigen Zeichnungen begleitet.
Aktenstücke aus der Blütezeit von F. veröffentlicht
Kypros (Famagusta, Nikosia). 89
Cornelio Desimoui in „Actes passes il Famagouste de 1299 h
1301 par devant le notaire genois Lamberto di Sambuceto". Archives
de rOrient Latin H 2 (1884) S. 1—130.
Unzugänglich sind mir folgende von Cobham und Miliarakis an-
geführte Schriften und Aufsätze:
Aless. Podacataro, Eelazione de' successi di Famagosta dell'
anno 1571 ora per la prima volta pubblicata. Venezia 1877.
Del successodiFamagosta. Diariod'unContemporaneo. Venezial873.
'ApyaioXoYixa irfi KuTipou utio Xp. UanzaooTzoüXou. Oepl zr^^ Ir.i-
■fpafff,; Tou Iv 'Afip-oycoffTtp xsiyou? xou Nicolao Foscarino. A'quTiTiaxos
'AoTr> I 145—57 (1886).
riepl Tüiv ev 'AixjjLoytuJTtp Xa;£UTojv xacptuv utio Xp. YlaizaooTtooXou.
Ib. 221—3 (1887).
^OXi'ya uspi 'AjxjxoycujTOU uizb Xp. IlaiiaoououXou. Ib. II 401
s. (1887).
Eine eingehende Beschreibung der Hauptstadt Nikosia mit einer
Anzahl selbstgezeichneter Ansichten lieferte Erzherzog Ludwig Sal-
vator von Toskana in einem seiner ersten Werke ^)
Levkosia, die Hauptstadt von Cypern. Prag. Druck und Verlag
von Heinr. Mercy. 1873. 4. (X) 90 S. 12 T.
Levkosia. The Capital of Cyprus. Hlustrated. London, Kegan
Paul. 1881. 70 S. 10 sh. 6 d.
Auf Nikosia beziehen sich auch mehrere historische Veröffent-
lichungen, worüber u. S. 92.
Unzugänglich ist mir
'H £v Asuxcuaia üdü>|xavixrj ßißXiodrjxiQ utto Xp. IlaTraooTrouXou.
Al'iUT.T. Ajtt^p I 305-7 (1887).
Ebenfalls nur aus Miliarakis kenne ich ferner die beiden Aufsätze
'H [xovTj TTj? neXXaTcatoo? -) iv Kuirpcp utio 0. A. riaTraoocxrj. (MsTot
s'ixovo?). "Ecr-spoc I 290 (1882).
'H [xovfj Toü Ktxi'ou. (MsTa EIXOVOS). "EjTTSpOJ 1884 S. 17.
Diesen Arbeiten über einzelne Örtlichkeiten der Insel mag an-
gereiht sein
Der Berg des heiligen Kreuzes auf Cypern. Von Eugen Ober-
hummer. Ausland 1892 S. 364—6, 380—3, 394—7, 407—10.
Ref. hat hier zum ersten Male versucht, die Nachrichten über den
von Legende und Cultus des Mittelalters gefeierten Berg von Strabo
') Vgl. mein „Ä-us Cypern" I S. 215 u. 239.
-) Abtei Bellapais, worüber „Aus Cypern" II 438 ff.
90 Geographie von Griechenland.
bis zur Gegenwart möglichst vollständig zusammenzustellen. Einige
nachträgliche Ergänzungen v^airden „Aus Cypern* II 471 A. 4 und
485 A. 2 gegeben.
Nur ganz kurz können hier die Arbeiten über mittlere und neuere
Geschichte von K. Erwähnung finden. Hierher gehören in erster
Linie die wertvollen Ausgaben der Quellenwerke aus der Zeit der
Lusignans, deren griechische Originale^) von Mas Latrie in seinem
Hauptwerk (o. S. 50 A. 5, 58 A.) nicht herangezogen waren. Bahn-
brechend war hier das verdienstvolle Sammelwerk
Mssatwvix:?) ßißXio&T^xY) zmaxarsici. K. N. 2ada. 6 Bände. Venedig
1872—7.2)
Hiervon ist Bd. II (1873) ausschliefslich den Xpovo7pa<poi BaaiXeiou
Ku-pou gewidmet und enthält nach einem ausführlichen -npoXoYo? des
Herausgebers (p^o' S.) 1. Nsocpuxou^) upotepov pLova/oü xal ey/Xsicitou,
Tiepl Tüiv xaxa tyjv yiopav KuTipou axaiüiv; 2. Fspixavoü Tiaxp. KcovaxavT.
lirtTCoXT) axaXeija ev xrj vtq(Jüj Kuirpci) — dp^jiepaxeuovxoc ev xt] aux-^ vy^acp
xou xupoü Nsocpuxou xal dtva-cxaCojxEvou rcapa Aaxivwv uTiOxa-c^vat auxoi?;
3. Tou auxou a'(. xupou Tspixavoü eTziaxo'kri p' Tipoc xoui; Ku-piou?;
4. Ai7]7Y)(7ic X(ov a. q' 6s. TraxepcDV xcSv öta irupoc xsXenodevxwv rapa xtuv
Aaxi'vüjv — iv xw ,ct{^X&' l'xei; 5. 'EttwxoXy) xoü otYtcox. xupoü FspixavoÜ
apyts-, Koivaxavx. — Trpo? xov irarrav rpyj-i-optov; 6. 'H xoü izdiza. s-tJxoX-?)
rpTfjYopiou rpo? xov oixoup,. raxp. x. Fepixavov; 7. Aeovxiou Ma^^atpSf*)
Xpovixov Ku-pou (S. 51 — 410); 8. FswpYiou Bousxptüviou^) Xpovixov
Ku-pou (S. 411 — 544); 9. n. Acffiirpou 'AvexSoxa vo[xi<jfjLaxa xoü [izatxi-
(uvixoü ßajtXeiou xrjc Ku-pou (S. 544 — 96, dazu 9 T. ; Vgl. 0. S. 70).
Am Schlüsse ist ein das sprachliche Verständnis erleichterndes YXwssrjfxa
beigegeben.
Der VI. Band (1877) des Werkes wird zum gröfsten Teil (S. 1
— 497) eingenommen durch die Ausgabe der 'Aai^ai xoü [üaatXsiou xtov
'IepoaoXu|X(üv xal x^c Kuirpou.*') Aufserdem finden sich in demselben noch
(S. 514 — 85) 'EXXir)vixoi vo[xoi isyuovxs? ev Kuirptu It:\ x^c <lJpa7xoxpax''ac.
Bilden die Assisen nebst den vorgenannten Chroniken für uns
eine unschätzbare Quelle zur Kenntnis des mittelkyprischen Dialektes
*) Vgl. hierüber im allgemeinen jetzt Krumbacher, Gesch. d. byzant.
Litt. S. 475 ff.
-) Der Titel Rihliotheca Graeca medü aevi, unter welchem gewöhnlich
citiert wird, findet sich nur auf den Umschlägen.
') Krumbacher 88; vgl. u.
*) Krumbacher 477 ff.; vgl. u.
^) Krumbacher 479 f.
') Krumbacher 475 ff.
Kypros (Neuere , Geschichte). 91
(vgl. 0. S. 67 f.) , wie wir sie ans dem Mittelalter sonst von keinem Teile
des griechischen Sprachgebietes in diesem Umfange besitzen, so ent-
halten anderseits die Chroniken auch eine Fülle noch ungehobenen
Materials zur historischen Topographie der Insel, dessen Verwertung
im Zusammenhang mit den in Dokumenten romanischer Zunge, in mittel-
alterlichen und späteren Reiseschriften, sowie bei orientalischen Hchrift-
stellern erhaltenen Nachrichten sich Ref. zur Aufgabe gemacht hat.
Seit der dankenswerten ersten Ausgabe der griechischen Chro-
nisten von K. bei Sathas erschien der wichtigste derselben, Leontios
Machairas, in neuer Bearbeitung, zu welcher eine zweite (Oxforder)
Handschrift herangezogen wurde, nebst Übersetzung, Glossar und Index,
sowie einer venezianischen Karte des 16. Jahrh. u. d. T.
Chronique de Chypre par Leonce Macheras. Texte grec et tra-
duction francaise par E. Miller et C. Sathas. 2 vols. XX 432 S.,
1 T.; Vni 440 S. Paris 1881/2. (Publ. de rficole des langues
Orient. Vivantes. 11. Serie. T, II u. III).
Der vorerwähnte Neophytos erschien auch im „Recueil des
hlstoriens des croisades, Historiens Grrecs" I (1875) S. 559—63, vgl.
S. Xin u. 555 f.; eine andere Schrift desselben nebst Bemerkungen
über die vorgenannte enthält die Abhandlung
The „Ritual Ordinance" of Neophytus. By the Rev. Frederick
Edward "Warren; and an Account of the „Misfortunes of Cyprus"
by Neophytus, and the Condition of the Island in bis Time. By
Edwin Freshfield. Archaeologia Bd. 47 (1882) S. 1—40.
Auch von den Chroniken in romanischen Idiomen wurden neuer-
dings mehrere veröffentlicht, von denen besonders Florio Bustron^)
für historische Topographie eine überraschend reiche Ausbeute-) ge-
währt:
Chronique de l'ile de Chypre par Florio Bustron publice par Rene
de Mas Latrie. CoU. de docum. ined. sur l'hist. de France. IV.
Ser. Melanges bist. T. V (1886) S. 1—532.
Andere Chroniken wurden herausgegeben u. d. T.
Les Gestes des Chiprois. Recueil de chroniques frangaises ecrites
en Orient au XIII. et XIV. siecles (Philippe de Navarre et Gerard
de Monreal) publie pour la premiere fois par Gaston Raynaud.
Publ. de la Soc. de l'Orient Latin. Serie bist. T. V (1887). XXVHI
393 S.
*) Krumbacher 479.
=) Vgl. „Aus Cypern" II 436 f., 453, 485 A. 2.
92 Geographie von Griechenland.
In der gleichen Sammlung' erschien früher die altfranzösische
Reimchronik der Eegierung Peter I
La prise d'Alexandrie ou chronique du roi Pierre I de Lusignan
par Guillaume de Machaut publiee pour la premiere fois par L. de
Mas Latrie. Ib. I (1877). XXXVII 327 S.
Der Heransgeber der letzteren, der verdiente Altmeister auf dem
Gebiet der mittelalterlichen Geschichte von K., Graf Louis de Mas
Latrie, dessen 1879 erschienenes Buch über K. wir bereits o. (S. 49 f.)
kenneu gelernt haben, ist auch in den letzten Jahrzehnten noch mit
neuen Arbeiten, meist Quellenpublikationen, hervorgetreten, von denen
mir folgende bekannt geworden sind:
Nouvelles preuves de Thistoire de Chypre. Biblioth. de r£cole
des chartes 1871 S. 341—78, 1873 S. 47—87, 1874 8. 99—158.
Le b. Hugues de Pise, archeveque de Nicosie. Eevue bist. V
1877 S. 68—83.
Genealogie des rois de Chypre de la famiUe de Lusignan. Archivio
Veneto XXI 1881 S. 309—59.
Documents nouveaux servant de preuves ä Thistoire de lile de
Chypre. Coli, de doc. ined. sur Thist. de France. IV. S. Mel. bist.
T. IV (1882) S. 337—620.
Histoire des archeveques latins de lile de Chypre. Archives de
rOrient Latin n (1884) S. 207—328.
Documents genois concernant l'histoire de Chypre. Ib. II 2
8. 170—76.
Texte officiel de l'allocution adressee par les barons de Chypre
au roi Henri II de Lusignan pour lui notifier sa decheance. Revue
des quest. bist. 43 (1888) 8. 524—41.
D^couvertes rdcentes en Chypre. Ib. 44 (1888) S. 225—30 (be-
trifft Nikosia, nach Mitteilungen von Sil" T. Chamberlaine).
In dem Sammelwerke der Archives de l'Orient Latin findet man
aufser den beiden Arbeiten von Mas Latrie u. der o. 8. 89 angeführten
Veröffentlichung über Famagusta noch folgende Beiträge zur Ge-
schichte von K.:
P. Viollet, Les Remembrances de la haute cour de Nicosie.
I (1881) 610—13.
G. Schlumberger, Fonctionnaires byzantins du theme de Chypre.
n (1884) 8. 436—8.
Kypros (Neuere Geschichte). 93
C. Sathas, Vies des Saints aUemands de Feglise de Chypre.
II 2 (1884) S. 405—26.
Nichts Näheres ist mir bekannt über eine Schrift, deren Titel
ich deshalb auch nicht verbürgen kann, von
Strubles, The Medieval Kingdoms of Cyprus and Armenia Minor.
London 1879.
Einzelne Episoden aus der mittleren und neueren Gresclüchte von
K. behandeln ferner
F. V. Löher, Kaiser Friedrich II. Kampf um Cypern. Abhandl.
d. k. bay. Ak. d. Wiss. Hist. Kl. XIV 2 (1879) S. 109-80.
Hans Müller, Der Longebardenkrieg auf Cypern 1229 — 33.
Mit besonderer Berücksichtigung der Gestes des Chiprois des Phelippe
de Novaire. Halle a. S. 1890. 8. 63 S. Diss.
Fr. Zarncke, Der Priester Johannes. IL 5. Die Mongolengesandt-
schaft in Cypern. Abhandl. d. k. sächs Ges. d. Wiss. XIX (Phil. Kl.
Vin) 1876 S. 78—81.
Is. Jos. H. Paul Herzsohn, Der Überfall Alexandriens durch
Peter L, König von Jerusalem und Cypern, aus einer ungedruckteu
arabischen Quelle mit historischen und kritischen Anmerkungen dar-
gesteUt. 1. Heft. Bonn 1886. 8. XXVI 52 S. Diss.
Cyprische Königsgestalten des Hauses Lusignan. Von Karl
Herquet. Halle a. S., Buchhandlung des Waisenhauses. 1881. 8.
IV 182 S. 1 T. M. 5.
Erweiterte Neubearbeitung von „Charlotte von Lusignan und
Caterina Coruaro, Königinnen von Cypern." Eegensburg 1870.
Henry Simonsfeld, Caterina Cornaro. Allg. Zeit. Beil. 1879.
No. 187—9.
Dasselbe italienisch mit Zusätzen von Lorenz o Fietta im Ai'ch.
Ven. XXI 1881 S. 40—81.
Ders., In Sachen der Caterina Cornaro. Korrespondeuzbl. d.
deutschen Archive 1881 No. 10 u. 12.
Ders., TJn documento di Caterina Cornaro. Arch. Ven. XXI 1881
S. 293 f.
De Cheon, L'ile de Chypre et la Eepublique Frangaise au con-
gres de Berlin. Paris 1878. 8. (Cobham).
Über die englischen Aktenstücke zur neuesten Geschichte von K.
s. 0. S. 60 f.
94 Geographie von Griechenland.
Die kirchlichen Verhältnisse findet man, abgesehen von den
allgemeineuWerken und den o. S. 00 ff. erwähnten Arbeiten, behandelt in
Eiorjasi; iaxoptxal Trspt x^s £xxXr)aias t% Kurpou ouXXsYeTaai xal
ex5i6o[JLevai uro OiXitttiou Fetupifiou. 'AOrjVrjaiv ex xoü xuTro^pa^eiou
,'Eptxou . 1875. 8. r)' 185 S.
C. W. Sandford, Our Church in Cyprus. A Sermon. Oxford.
1886. 8. — 'H iv KuTiptü IxxXTjtjta [xas. (Übersetzt von C. D. Cob-
bam.) Larnaka. 1886. 8.
Letztere beiden Schriften sind mir nur aus Cobhams Verzeichnis
bekannt.
Sehi' wertvolle Beiträge zur Kulturgeschichte von K. im
Mittelalter enthält das ausgezeichnete Werk von
W. Heyd, Geschichte des Levantehandels im Mittelalter. 2 Bde.
Stuttgart 1879.
Man vgl. besonders Bd. I 396 ff., n 3 ff., 406 ff.
Den Baudenkmälern von K. aus dem Mittelalter ist, abgesehen
von den älteren Ai'beiten von L. de Mas Latrie^) und Gr. ßey,-)
folgende schöne Publikation gewidmet:
Mediaeval and other Buildings in the Island of Cj^prus. A Paper
read at a Meeting of the Royal Institute of British Architects by
Edward J'Anson. With Notes by Sydney Vacher. London 1883.
4. 20 S., 20 T. Extracted from the Transactions 1882/3 of the
R. Institute etc.
Nachtrag.
Zu S. 30 f. Wie ich aus einer eben eingetroffenen freundlichen Zu-
sendung von Herrn C. D. Cobham ersehe, erscheint Oivl I noch immer
und erhält von nun ab wieder eine wissenschaftliche Beilage in 4° unter dem
Titel Excerpta Cypria, in welcher von Cobham Auszüge und Über-
setzungen aus älteren geschichtlichen und ßeisewerken über K. mitge-
teilt werden. IT. a. findet sich in den mir bis jetzt vorliegenden Bogen
(S. 1 — 38) auch ein Abdi'uck der bis 1685 zurückreichenden Grab-
schriften in dem kleineu englischen Kirchhof zu St. Lazarus bei Lar-
naka, über welchen ich an anderer Stelle kurze Nachweisungen ge-
geben habe. ^)
Zu S. 36. Der Aufsatz von dOrcet steht Bd. V des Jg. 1887.
») Arch. d. miss. scient. I. Ser. T. I (1850) S. .002-56.
^) Etüde sur les monuments de rarchitecture militaire des croises
en Syrie et dans l'ile de Chypre. Coli, de doc. ined. s. l'hist. de France.
I. Serie T. 47 (1871) S. 229—52, T. XXlll s.
') Aus Cypern I 197 A. 6..
Kypros (Nachtrag). 95
Zu S. 51. Die mir unzugängliche Arbeit des italienischen Vice-
konsuls führt nach Cobham S. 15 den Titel
Renato Magni, La casa di Savoia e l'isola di Cipro. Appunti
storici. Boll. consolare XV 7 (1879).
Zu S. 53. Die beiden Artikel von Tullo Massarani, welche
ich infolge eines ungenauen Citates lange vergeblich gesucht hatte, sind
mir erst im Augenblick der Drucklegung dieses Bogens zugänglich ge-
worden und kann ich nach flüchtiger Durchsicht nur bemerken, dafs
dieselben hauptsächlich auf Litteraturstudium beruhen und nach einer
Anmerkung der Redaktion einem gröfseren "Werke entnommen sind,
das jedoch m. W. bisher noch nicht erschienen ist.
Dem Accessionskatalog des Britischen Museums^) entnehme ich
noch die Titel folgender mir sonst nicht bekannter Schriften
F. T. Gammon, Cyprus. Its History. London 1878. 16.
A. Rostovitz, Cyprus. London 1878.
L. Palma di Cesnola, Oro e vetri antichi di Cipro. Torino. 1884.
8. 97 S.
A. Padula, Marie de Lusignan et la Maison Eoyale de Chypre.
Genes. 1884. 112 S.
Einen Abrifs der physischen Geographie der Insel, hauptsächlich
nach Gaudry und Unger-Kotschy, enthält der Ai-tikel von
G. Li^tard im Dictionn. encyclop. d. sciences medicales XVII
(1875) S. 183—96.
Von sonstigen zusammenfassenden Artikeln encyklopädisclier Natur
(vgl. 0. S. 70 A. 3) sind zu erwähnen ein solcher in der Encyclopaedia
Britannka 9. Ausg. VI (1877) 747—50 (von E. H. B.\ im Dictionn. de
geogr. univ. von Vivien de Saint-Martin I (1879) 741 f., und besonders
von A. Berthelot, C. Kohler und M. Beaudouin in La Grande Encydopedie
XI 334—9.
Zu S. 63. Einige Nachweise medizinischer Artikel, hauptsäch-
lieh für die Zeit der englischen Okkupation, giebt der „ Index- Catalogue of
the Library of the Surgeon General's Office. U. S. Army" III 573 f.
Zu S. 70. Wegen mittelalterlicher Münzen ist besonders auch
zu vergleichen das umfassende "Werk von
G. Schlumberg er, Numismatique de l'Orient Latin. Paris. 1878.
4. S. 144—213.
*) G. K., Fortescue, A Subjeet Index of the modern Works added
to the Library of the British Museum. 1880—5. Dgl. 1885-90.
96 Geographie von Griechenland.
Zu S. 77. Übersehen wurde o. der Hinweis auf den Abschnitt
„Der kyprische geometrische Stil" bei F. Dümmler, Bemerkungen zum
ältesten Kunsthandwerk auf griechischem Boden. Mitteil. d. arch. Inst.
(Athen) 1888 S. 280—94, wobei auch au die Ausführung über ky-
prische Vasen bei Fr. Winter, Vasen aus Karlen (ebd. 1887 S. 234
— 40) zu erinnern wäre.
Zu S. 74 f. Über den Cesnola-Streit vgl. man auch S. Reinach,
Clu'oniques d'Orient S. 267.
Zu S. 81. Über Funde zu Kition sind auch die Nachweise von
S. Reinach, Chroniques 173 f. (Rev. arch. 188511344 f.) zu vgl.; ebd.
705 f. (R. a. 1890 II 252) über einige Funde von Paphos.
Zu S. 87. Wie ich nachträglich aus einer Anzeige hinter der
ersten Ausgabe von A. Cesnolas Salaminia ersehe, führte das von dem-
selben herausgegebene „Album" den Titel
Lawrence -Cesnola CoUectiou. Cyprus Antiquities excavated by
Major Alexander Palma di Cesnola, 1876 to 1879. London 1880.
60 Photographien in Querfolio. Vgl. auch Ohnefalsch-Richter, Cultus-
stätten S. 48 A; Biblioth. philol. class. 1881 S. 182.
Die von mir vorgefundene Notiz über ein unter ähnlichem Titel
zu Boston erschienenes Werk scheint hiernach ungenau zu sein.
Endlich möchte ich noch auf die Serie von Photographien hin-
weisen, welche W. Dörpfeld gelegentlich einer Reise durch K. aufge-
nommen hat; dieselben beziehen sich in erster Linie auf Denkmäler
des Altertums, dann aber auch auf Bauwerke des Mittelalters (besonders
Bellapais) und sind vom k. deutschen archäol. Institute in Athen käuflich
zu beziehen; s. das Verzeichnis im Jahrbuch d. k. deutschen arch.
Inst. 1891. S. 89 ff.
Jahresbericht über die lateinische Grraininatik
für die Jahre 1885 — 1892.
Von
Direktor Dr. W. Deecke
in Mülhausen i. E.
Nach längerer Pause erscheint hiermit wieder ein Jahresbericht
über die lateinische Grammatik, und zwar, während der letzte
nur zwei Jahre umfafste, über die acht Jahre von 1885—1892. Die
Verzögerung hat zunächst in persönlichen Verhältnissen gelegen, durch
die mit meiner Versetzung nach Mülhausen i/E, verbundenen Berufs-
mühen, sowie anderweitige Arbeiten; dann aber schien es mir auch
sachlich geraten, einen längeren Zeitraum abzuwarten, um zu sehen,
wie die beiden im letzten Jahresbericht signalisierten neuen Richtungen,
diejenige der junggrammatischen Schule und diejenige der historischen
Grammatik , sich weiter entfalten würden. Es ist dies denn auch in
einer grofsen Fülle von Einzelarbeiten, doch ohne die erwarteten neuen
epochemachenden Entdeckungen, geschehen, und von den gi'ofsen, zu-
sammenfassenden Werken ist K. B r u g m a n n s Grundrifs der Vergleichenden
Grammatik der Indogermanischen Sprachen, das Hauptwerk der ersteren
Schule, erst bis zur Wortbildungslehre vollendet; die grofse wissen-
schaftliche Grammatik der lateinischen Sprache in vier Bänden aber,
von Landgraf, Schmalz, Stolz und Wagener, welche das Standard-
work der historischeu Schule werden soll, ist überhaupt erst angekündigt;
doch kann man allerdings die im 2. Bande des Handbuchs der klassischen
Altertumswissenschaft von Iwan v. Müller erschienene Lateinische
Grammatik von Fr. Stolz und J. H. Schmalz, 2. Aufl. 1890, als
einen vorläufigen Abrifs jenes gröfseren Werkes betrachten. Um-
fassendere Vorarbeiten liegen ferner vor in der inzwischen vollendeten
Neuausgabe von K. Eeisigs Vorlesungen über lateinische Sprachwissen-
schaft, mit den Anmerkungen von Fr. Haase, neu bearbeitet von
B. Hagen, F. Heerdegen, J. H, Schmalz und G. Landgraf, in
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXVII. Bd. (1893. ni.) ^
98 Lateinische Grammatik.
Calvarys Philologischer und archäologischer Bibliothek in 15 Bändchen
1880 — 1890 (s. Jahresbericht für 1879—80 u. 1883—84); dann in der
mit dem 2. Bande begonnenen 3. Ausgabe von Fr. Neues Formenlehre
der lateinischen Sprache von C. Wagener, auch bei Calvary u. Co. seit
1889 (s. desselben Hauptschwierigkeiten der lat. Formenlehre, Gotha,
Perthes, 1887); teilweise in gedi-ängter Form überholt durch
K.E.Georges Lexikon der lateinischen Wortformen, Leipzig, Hahn,
1890; endlich in der 6. Auflage von Krebs Antibarbarus der lateinischen
Sprache durch J. H. Schmalz, Basel (Schwabe) 1886 — 88, sownie in
der 8. Aufl. von Nägelsbachs Lateinischer Stilistik für Deutsche von
Iwan V. Müller, Nürnberg (Geiger) 1888, alle diese Werke höchst
sorgsam überarbeitet, ja umgearbeitet. Auch Ed. Wölfflins Archiv
für lateinische Lexikographie und Grammatik, Leipzig (Teubner), ist
inzwischen rüstig fortgeschritten bis in den 8. Band ; der Gedanke eines
umfassenden, wissenschaftlichen, lateinischen Lexikons aber, der von
Wölfflin bis zu grofsen Vorarbeiten und Druckproben bis „acceptus" ge-
fördert worden war, ist in gewaltigerem Mafsstabe aufgenommen worden
von Martin Herz De thesauro latinitatis condendo, Programm zum
Sommer-Lektionskatalog der Universität Breslau 1892; doch haben die
Preufsische Akademie der Wissenschaften und die Staatsregierung, event.
das Deutsche Reich, ohne deren thatkräftige Unterstützung das Riesen-
werk nicht gelingen kann, zu der Sache noch nicht Stellung genommen.
Die eigentliche Signatur der letzten acht Jahre aber bildet die
Flut lateinischer Schulgrammatiken, die teils in verbesserten Auf-
lagen, teils in Überarbeitungen, teils neu erschienen sind, veranlafst
einerseits durch die Reformen im höheren Schulwesen, besonders die
Verkürzung der lateinischen Unterrichtszeit und die Veränderung der
Ziele, andererseits durch den steigenden und sich ausbreitenden Wunsch,
die Ergebnisse der Sprachvergleichung und historisch -grammatischen
Forschung für die Praxis zu verwerten und so den Unterricht wissen-
schaftlicher, anregender, fruchtbarer zu gestalten. Wenn nun auch von
diesen Jahresberichten die Schulgrammatiken an sich bisher ausge-
schlossen gewesen sind, da sie durchweg keine selbständigen Forschungen,
sondern nur pädagogischeVerarbeitungenvonAnderen gewonnener Resultate
enthielten, so ist das jetzt wesentlich anders geworden, und manche
dieser Grammatiken sind zugleich höchst achtungswerte wissenschaftliche
Leistungen. Kaum mehr für den Unterricht in der Schule, wohl aber
auf der Universität, benutzbar ist die 2., mit Hufe von Alfr. Surber
gänzlich umgearbeitete, Auflage von H. Schweizer-Sidlers Grammatik
der lateinischen Sprache, 1. Teil (Laut-, Wortbiegungs- und Wortbildungs-
lehre), Halle, Waisenhaus, 1888. An eigentlichen Schulgrammatiken
Allgemeines. 99
erwähne ich diejenigen von Berger (bearbeitet von Wagener und Land-
graf); Ellendt-Seyffert (bearbeitet von M. A. Seyffert und Tries);
P. Harre; K. Heraus; Fi-. Holzvs^eifsig; G. Landgraf (mit
Litteraturnachweisen und Bemerkungen) ; H. Menge; Aug. Scheindler;
J, H. Schmalz u. C Wagener (mit Erläuterungen von Schmalz);
Ferd. Schultz (neubearbeitet unter Mithilfe von M. Wetzel). Ostern 1893
habe auch ich selbst bei Calvary u. Co. in Berlin eine lateinische Schal-
grammatik, 300 S. 8, nebst einem Bande (pädagogischer und wissenschaft-
licher) Erläuterungen, 477 S. 8, erscheinen lassen. Zu erwähnen sind
auch wohl die mannigfaltigen, wenn auch vorwiegend praktischen, auf
einem eigenen Standpunkte stehenden Arbeiten zum lateinischen Unter-
richt von J. Lattmann und H. D. Müller, von denen die „Kurzge-
fafste lateinische Grammatik" von des ersteren Sohne H. Lattmann
in 7. Auflage neu bearbeitet worden ist (Göttingen 1892).
Auch im Auslande haben, wesentlich auf Grundlage der deutschen
Forschungen, von hervorragenden Gelehrten tüchtige Neubearbeitungen
der lateinischen Schulgrammatik stattgefunden: so in Frankreich von
Louis Havet; von Mich. Breal u. L^once Person; umfangreicher von
Sal. Reinach, denen sich in gleicher Sprache die belgische Bearbeitung
von Jos. Janssens anschliefst; in England von E. A. Sonnenschein (in
der Parallel Grammar Series), während H. J. ßoby's Grammar of the
Latin language from Plautus to Suetonius (5. ed. London, MacmiUan
1887, 520 p. 8) einen wissenschaftlicheren Charakter trägt; in Nord-
Amerika von Harper and Purgess Inductive Latin method, New-York,
Jvison & Cie 1889; in Italien von L. Broccardi Grammatica latiaa
secondo i metodi piü recenti, I. Fonologia, 11. Morfologia, Torino
(ßisso) 1889, 684 S.; L. Valmaggi Grammatica latiua (in den ManuaJi
Hoepli), Milano 1892; Fr. Scerbö Grammatica della lingua latina,
L Fonologia e Morfologia, Firenze (leMonnier) 1891, 124 S.; Enr. Cocchia
la Sintassi latina, esposta scientificamente ad uso delle scuole di magi-
stero, Napoli (Morano) 1890, Werke, auf die ich zum Teil unten,
bei Betrachtung der einzelnen Teile der Grammatik, zurückkommen
werde.
Die sprachvergleiclienden Arbeiten, die das Lateinische be-
rühren, findet man, bis 1888 eingeschlossen, in H. Ziemers „Jahres-
uiid Litteraturbericht über allgemeine und vergleichende Sprachwissen-
schaft, mit besonderer Rücksicht auf die alten Sprachen" (im Jahresber.
über die Fortschr. d. klass. Altertumswissenschaft LIV, 138 — 368); für
die letzte Zeit im Anzeiger für indogermanische Sprach- und Altertums-
kunde von W. Streitberg, Beiblatt zu den seit 1891 bei K. Trübner
in Stralsburg i/E. erscheinenden „Indogermanischen Forschungen" von
7'
IQQ Lateinische Grammatik.
K. Brugmann und "W. Streitberg, — Ich erwähne hier, aufser den
oben angegebenen Werken, als von allgemeinerer Bedeutung:
H. Hübschmann, Das indogermanische Vokalsystem. Strafsburg,
Trübner, 1885. 192 S. 8.
Die Arbeit beruht im wesentlichen auf de Saussures Memoire
sur le Systeme primitif des voyelles dans les langues indo-europeennes
(s. Jahresber. über d. lat. Gramm. 1879—80, S. 186—7), nur dafs als
idg. Imperfektpräsens der a- Wurzeln z. B. nicht ä g^ ö, sondern ä g^ ö
angesetzt wird, wozu dann als Aoristpräsens ä g^ ö tritt. Nachdem der
erste Teil (S. 7 — 68) die schwere Vokalreihe des Sanskrit behandelt
hat, führt der zweite (S. 69 — 180) die Vokalreihen der idg. Ursprache
in den wichtigeren Wurzeln und Suffixen vor, -mit ihrer "Vertretung in
den hauptsächlichsten Töchtersprachen, auch im Latein, und zwar:
I. Die ^-Reihe:
12 3 4
idg. ö e ä —
lat. ö e a — ;
doch fehlt ein Beispiel für ö. Es schliefsen sich hieran die starren
e- Wurzeln.
n. Die ä- Reihe:
idg. ö
lafr. ö
auch hier fehlt lat. ö.
III. Die ö-Reihe:
idg. ö
lat. ö
wobei die 1. und 2. Stufe zusammenfallen.
IV. Die e-Reihe:
idg. 0 e e —
lat. 0 e e — ;
hier fallen die 2. und 3. Stufe zusammen; die 4. Stufe nimmt bei den
kurzen nasalen Sonanten einen vorschlagenden Hilfsvokal e (resp. 1)
an, bei den liquiden o (resp. u); bei den langen Liquiden nach-
schlagendes ä oder vorhergehendes ä; anderes ist unsicher (S. 134 ff.).
V. Die ffl-Reihe:
idg. ä ä ä —
lat. ä a a — ;
so dafs die 2. und 3. Stufe wieder ineinanderfliefsen ; einige unsichere
Beispiele folgen S. 163 ff.
VI. Die o-Reihe:
idg. ö 0 0 —
lat. ö 0 0 — ,
a
ä
ä
a
ö
ä
ö
a
Allgemeine vergleichende Lautlehre. 101
wieder mit Mengung von Stufe 2. und 3. In einem Scblufsworte werden
de Saussures zweisilbige Wurzeln, wie lat. gene- anerkannt.
Die Fragen, welches denn eigentlich von den vier angesetzten
Stufen die Grundstufe sei, und was als die letzte Ursache der
Vokalschwächungen oder auch -Steigerungen anzusehen sein möge, werden
nicht erörtert. Dals verschiedene unter den 6 Reihen sich unterein-
einander so berühren, dafs sie schwer auseinander zu halten sind, wird
schon in den Nachträgen anerkannt (s. unten Johansson Morphol. Stud.);
aber auch sonst bleiben Schwierigkeiten genug.
Umfassender und kritisch schärfer ist das Werk:
Fr. Bechtel, Die Hauptprobleme der indogermanischen Laut-
lehre seit Schleicher. Göttingen, Vandenhoek und Ruprecht, 1892,
X und 414 S. 8.
Kap. 1 behandelt historisch die sprachwissenschaftlichen Unter-
suchungen, durch die man seit Schleicher dahin gekommen ist. die Vo-
kale a, e, 0 der idg. Grundsprache zuzuschreiben; es werden dabei die
Nachweise des ä als unzureichend hingestellt, während o sich als eine
Art Ablaut zu e stellt. — Im 2. Kap. „über die Steigerung" wird
gezeigt, wie man zur Erkenntnis der Unhaltbarkeit der indischen Lehre
von den zwei Steigerungsstufen gekommen ist. „In Wahrheit bilden
sie Teile einer nach zwei entgegengesetzten Seiten hin sich vollziehen-
den Bewegung: einer absteigenden, die wir Schwächung nennen,
und einer aufsteigenden, die ich Dehnung heifsen will." — Das
Ergebnis des 3, Kapitels „über die Schwächung" ist, dafs e und o
bald zu d (lat. a) reduziert, bald ausgestofsen werden; dafs ei und eu
durch i und ü sich zu i und u schwächen; während für die letzt erreich-
bare schwache Form von e + Nasal oder Liquida am, 9n, ar, al (lat.
em, en, or, ol, modifiziert im, in, ur, ul) gelten müssen : ein Ergebnis,
durch welches mit den gesamten sonanten Nasalen und Liquiden der
Junggramm aiischen Schule aufgeräumt wird (vgl. J. Schmidts Plural-
bildungen S. 218). Auch mir sind die n, nn, nn u. s. w. in jüngster
Zeit sehr zweifelhaft geworden. — Die Ursache der betrachteten
Schwächung ist nicht immer in einem folgenden, sondern bisweilen
auch in einem vorhergehenden Accent zu suchen. — Das 4. Kap.
„über die Dehnung" weist e und ö als Dehnungsprodukte von e und
o nach, und sucht die Entstehung der Länge in der Vereinigung von
zwei Kürzen, deren Art und Ursprung freilich noch dunkel bleiben. —
Im 5. und 6. Kap. werden ä, e, ö als ursprachliche Längen anerkannt
und belegt, während die langen sonantischen Nasale und Liquiden, wie
oben die kurzen, abgelehnt werden: an ihre Stelle treten die Verbin-
dungen am, an, ai*, al (lat. mä, nä, rä, lä, aber auch am, an, ar, al)
1Q2 Lateinische Grammatik.
geschwächt aus ema, ena, era, ela, ebenso wie i, ü aus eia, eua (s. unten
Kretscbmer Idg. Acc- und Lautstudien!). Die so gewonnenen langen
konsonantischen Nasale und Liquiden sind freilich auch recht zweifel-
hafte Wesen. — Das 7. Kap. behandelt dann die Schwächung von
ä, e, 5 zu ä, e, ö infolge eintretender Vortonigkeit; die so verkürzten
Vokale können dann unter weiterem Anstofs ganz ausfallen. — Ein
zweites ursprachliches tonloses a (s. das erste im obigen ema, eia
u. s. w.) lautet mit betontem e in zweiter Wortsilbe hinter dem Tone
ab (s. S. 208). — Wie die Diphthonge ei, oi, eu, ou nur spezielle Er-
scheinungen in der e-E,eihe sind, erwartet man auch Diphthonge mit
langem ersten Komponenten: von diesen wird im 8. Kap. öu als der
sicherste nachgewiesen, und eine doppelte Verkürzung, zu ü und au
belegt. — Auch von diesen letzten Resultaten bleibt manches, trotz der
schai'fsinnigen, aber nicht immer gut geordneten Beweisführung des Ver-
fassers, unsicher und dunkel, und eine Fülle neuer ungelöster Fragen
drängt sich auf. Immerhin sind die Ergebnisse, wenn sie richtig sein
sollten, auch für die Auffassung des lateinischen Vokalisraus von viel-
seitiger Wichtigkeit.
Die beiden letzten Kapitel beschäftigen sich mit konsonantischen
Fragen, und zwar werden im 10. drei Guttural reihen als Ergebnis
aUer bisherigen Untersuchungen festgestellt, indem neben der Eeihe
k\ (kh^), g\ gh\ welche palatale Spiranten bezeichnet, eine doppelte
k-Reihe angenommen wird, deren verschiedene Nachkommen in den nicht-
labialisierten und in den labialisierten Gutturalen der Griechen, Italiker
(auch im Latein), der Kelten und Germanen zu erkennen sind, während
sie in den nichtlabialisierten Gutturalen der Arier und Lituslaven ver-
schmolzen. Freilich bleibt auch so eine gröfsere Zahl unerklärter Ent-
sprechungen übrig, und die verwickelte Frage ist keineswegs gelöst
(s. unten verschiedene Ergänzungen hierzu bei der Phonetik des Latei-
nischen im besonderen!). — Kap. 11 endlich eignet das 1 (neben r) der
Ursprache zu, indem Fortunatovs Regel (Bezz. Beitr. VI, 215 ff.) an-
erkannt wird, dafs, während r -f Dental im Sanskrit unverändert bleibt,
1 -j- Dental einen Lingual ergiebt ; die Ausnahmen werden auf Dialekt-
mischung geschoben. Auch hier ist doch gröfsere Vorsicht geboten, als
bisher geübt worden ist; s. die Bestätigung durch E. Windisch in
Kuhns Zeitschr. XXVII, 168; aber die Bedenken von K. Brugmann
Vgl. Gramm. I, 211. — Ein dankenswerter Wortindex schliefst das Buch.
Ein neuer Versuch einer vergleichenden Grammatik des
Griechischen und Lateinischen ist gemacht worden in:
Vict. Henry, Precis de grammaire comparee du grec et du latin.
Paris, Hachette, 1887.
Vergleichung mit Griechisch und Keltisch. 103
Der Verfasser, durch seine Esquisses raorphologiques I — IV, Douai
1882—7; V, Paris, Thorin 1889 (s. meine Anzeige der 4 ersten in der
Berl. Phil. Woch. VIII, 1095 ff.) rühmlich bekannt und im Vollbesitze
der Ergebnisse deutscher Forschungen, hat auch manche eigene Ge-
danken, die zum Teil unten näher werden besprochen werden. Im
ganzen tritt jedoch bei ihm der lateinische Teil gegen den griechischen
sehr zurück. Ähnlich ist es mit dem englischen Werk:
J. E. King and C. Cookson, Introduction to the comparative
grammar of Greek and Latin. Oxford 1890, 222 p. 8;
vgl. von denselben Verfassern The principles of sound and inflexion in
Greek and Latin, ebendort 1887, besprochen von G. Meyer in der
Berl. Phil. Wochenschi-. IX, 943 ff.
Erwähnt mag dazu auch werden:
R. T. Elliot, On the laws of analogy in Greek and Latin, in
den Transactions of the Oxford Philol. Society 1887/88, 24 ff.
Vgl. auch H. Schweizer-Sidler, Über die Beziehungen zwischen
der griechischen und lateinischen Sprache (zur Züricher Philologen-
versammluug 1887).
Freilich ist die engere Verwandtschaft des Lateins mit dem
Griechischen eine immer wieder bestrittene Hypothese, und es ist
z. B. nicht zu leugnen, dafs Whitley Stokes in seinem längeren
Aufsatz Celtic Declension, in Bezzenbergers Beiträgen z. Kunde d. idg.
Sprachen, Bd. XI (1886), S. 64 — 175 den überzeugenden Beweis ge-
liefert hat, dafs wenigstens in der Deklination der Nomina und
Zahlwörter einst zwischen Latein und Keltisch fast vollkommene
Übereinstimmung geherrscht hat. — Für die Konjugation ist dieser
Nachweis teilweise versucht worden in:
Fr. Prestel, Das Aoristsystem der lateinisch-keltischen Sprachen.
Prgr. Kaiserslautern 1892, 51 8. 8;
doch freilich, nach meiner Ansicht, mit wenig Glück und Geschick: ich
komme bei der Tempuslehre darauf zurück.
Dagegen ist die Übereinstimmung der beiden Sprachgruppen im
passivischen r in gründlichster Weise neu erörtert und bewiesen
worden in:
H. Zimmer, Keltische Studien. 8. Über das Italokeltische Passivum
und Deponens, in Kuhns Zeitschi'ift f. vergl. Sprachf. XXX (1889),
224—292.
Damit stimmt in den Thatsachen, wenn auch durchaus nicht in
der Deutung, überein:
Ernst Windisch, Über die Verbalformen mit dem Charakter r
im Arischen, Italischen und Keltischen, in den Abhandl. d. philol.
104 Lateinische Grammatik.
histor. Kl. d. königl. Sachs. Ges. d. "Wissenschaften, Bd. X, Leipzig
1887, 66 S. 8; s. das Nähere unten!
Auch ich neige mich der Ansicht zu, dafs in der That zwischen
den italischen und keltischen Dialekten eine nähere Beziehung statt-
findet, als zwischen den italischen und hellenischen.
Indem ich nun zum Lateinischen selbst übergehe, gilt es, nach
verschiedenen Seiten hin, die mir gestellte Aufgabe schärfer, als bisher,
abzugrenzen. Zunächst schliefse ich das Altlateinische d. h. das
vorlitterarische Latein, wie es in den älteren Lischriften, den Zwölf-
tafelgesetzen, den Fragmenten religiöser Lieder und einzelnen Glossen
vorliegt, aus; nicht dagegen das archaische Latein der epischeu und
dramatischen Fragmente, des Plautus, Cato, Lucilius u. s. w. Dann
aber niufs ich auch das Vulgär- und das Spätlatein fernhalten, über
die, infolge der neueren grofsen Ausdehnung der Forschung, besondere
Jahresberichte erschienen sind; doch will ich hier wenigstens drei be-
deutendere Sclmften erwähnen:
W.Meyer, Die lateinische Sprache in den romanischen Ländern,
in Gröbers Grundril's der romanischen Philologie. 2. Lieferung,
S. 351—382; Strassburg, Trübner, 1886.
ein Werk, das nicht nur die bis dahin erzielten Resultate über das
Vulgärlatein zusammengefafst und durch viele neue Forschungen vermehrt,
sondern auch auf viele Gebiete des klassischen Lateins neues Licht ge-
worfen hat; ferner die Vollendung von:
G. Gröber, Vulgärlateinische Substrate romanischer Wörter, in
Bd. I — YII des Archivs für lateinische Lexikographie 1884 — 91,
von besonderer Wichtigkeit für die Quantität der Vokale (auch im klassi-
schen Latein), für die Aussprache der Konsonanten, die Betonung u. s. w. ;
s. meinen Jahresbericht für 1883 — 84, S. 137 — 9; endlich, noch nicht
vollendet:
Gust. Körting, Lateinisch-romanisches Wörterbuch, Paderborn,
Schöningh, seit 1890, gr. 8,
eine unentbehrliche Fundgrube für die mannigfachsten Einzelheiten der
Lautverhältnisse, der Wortbedeutungen und Wortschicksale, auch im
klassischen Latein.
Ferner schliefse ich, wie bisher, mit Ausnahme der oben genannten
Schulgrammatiken neuerer Art, alle praktischen Lehrbücher aus,
alle Schriften über lateinische Unterrichtsmethode, Übersetzungskunst
n. 8. w : dann aber auch alle lexikalischen, semasiologischen und
rein statistischen Werke, soweit sie nicht etwa nebenbei von be-
Allgemeine Werke. 105
sonderer grammatischer Wichtigkeit sind. Nicht minder übergehe ich
alle prosodischen und metrischen Schriften, obwohl ein Abrifs
dieses Gebiets den lateinischen Grammatiken beigefügt zu werden pflegt.
Endlich habe ich von den Werken und Abhandlungen über den Sprach-
gebrauch einzelner Autoren oder Gruppen derselben, nur diejenigen
berücksichtigt, welche einzelne Punkte in fördernder Weise und im
Zusammenhange der Sprachentwickelung behandeln, da ich einerseits
sonst dasselbe Buch bei vielen, ja mitunter fast bei allen Gebieten der
Grammatik wieder anführen mül'ste, andererseits eine losgerissene Einzel-
untersuchung ohne historische Verbindung oft von sehr zweifelhaftem
Werte bleibt.
Ich erwähne nun zuerst ein Werk allgemeinen Inhalts:
Osk. Weise, Charakteristik der lateinischen Sprache. Ein
Versuch. Leipzig, Teubner, 1891, 141 S. 8.
Der Verfasser, einer der gründlichsten Kenner des gesamten latei-
nischen Wortschatzes und seiner Entwickelung, wie das grofse Preiswerk
über die griechischen Wörter im Latein (Jahresber. 1881 — 2, S. 341)
und verschiedene kleinere Schriften zeigen, hat hier seine so gewonnene
Anschauung über das formale und geistige Wesen der lateinischen
Sprache aus dem Vollen heraus in gedrängter Kürze darzulegen versucht,
wesentlich zu pädagogischem Zwecke, zur Vertiefung des Sprachunter-
richts. Das Buch ist scharf gegliedert in 4 Abteilungen mit 123 kleineren
Abschnitten. Die 1. Abt. behandelt die Beziehungen zwischen der latei-
nischen Sprache und dem römischen Volkscharakter, in Formen-
lehre und Satzgefüge, Wortbildung und Wortbedeutung; die 2. die Ein-
wirkungen der verschiedenen Zeit- und Kulturströmungen auf die
Entwickelung des Wortschatzes, der Ausdrucksweise, des Stils; die 3.
die hervorstechendsten Züge der dichterischen Sprachform und
deren Ausbildung; die 4. die Sprache des Volkes in ihrer Trennung
von der klassischen Litteratursprache, ihr Weiterleben neben derselben,
ihre eigentümliche stille Ausbildung, endlich ihr Empordringen in die
oberen Schichten der Bevölkerung und ihren schlieislichen Sieg. Stete
Vergleichungen mit dem Griechischen und Deutschen klären die Auf-
fassung und beleben das Interesse. Der Verfasser verkennt auch nicht
die Schattenseiten und Schwächen des römischen Wesens: die Äufser-
lichkeit der Religion, die einseitige und mangelhafte Kunstbegabung,
die geringe Gestaltungsfähigkeit und Beweglichkeit, und er zeigt, wie
sich diese Züge in der Sprache wideispiegeln. Eine schwache Seite des
Buches sind die zwar durchweg geistreichen, aber vielfach falschen oder
wenigstens sehr unsicheren Etymologieen.
IQQ Lateinische Grammatik.
Die wichtigste Grammatik der lateinischen Sprache aus dem vor-
liegenden Zeitabschnitt ist die schon oben erwähnte von:
Fr. Stolz und J. H. Schmalz, Lateinische Grammatik. Hand-
buch der klassischen Altertumswissenschaft, herausgegeben von Iwan
V.Müller. 1. Aufl. Nördlingen, Beck. Bd. n, S. 129—411, 1885;
2. Aufl. München, Beck. Bd. II, S. 237—584, 1890.
Die Laut- und Formenlehre hat Stolz, einer der tüchtigsten
Gelehrten der neueren Schule, die Syntax und Stilistik Schmalz, der
gröfste Kenner der historischen lateinischen Grammatik, bearbeitet, so
dafs das Werk schon in dei* ersten Auflage auf der Höhe der Wissen-
schaft stand; s. Jahresber. f. 1883—4, S. 123. Indessen ist die 2. Auf-
lage so bereichert, ergänzt und berichtigt worden, dafs ich mich hier
vorwiegend an diese halten werde. — Die Stolzesche Arbeit, auch jetzt
noch kurz, knapp und inhaltsreich, zeigt allerdings doch recht schlagend,
wie wenig die grofsen Schwierigkeiten der lateinischen Laut- und
Formeulehre noch gelöst sind. Es liegt dies zum Teil an der Spärlich-
keit der Reste des Altlateins, die freilich auch in der 2. Auflage noch
nicht ganz ausgenutzt sind; dann ist ohne umfangreiche Heranziehung
der noch dürftiger überlieferten und erst mangelhaft erforschten anderen
italischen Sprachen die Gestaltung des Lateinischen nicht erklärlich.
Vor allem rätselhaft ist der tiefe Rifs, der diese Sprachgruppe in der
Betonung, der Konjugation, der Namengebung, der Mythologie vom
Griechischen trennt und der, neben der oben hervorgehobenen engeren
Beziehung zum Keltischen, auf grofse unbekannte Volksschicksale, Um-
wälzungen, AVanderungen, vielleicht Mischungen schliefsen läfst: die
sicheren Anknüpfungsfäden an die älteren Zustände sind meist noch
sehr dünn und wenig haltbar. — Die historische Folge der Sprach-
erscheiuungen ist auch wohl noch schärfer festzuhalten, als Stolz dies
gethan hat, und das Vulgär- und Spätlatein vorsichtiger zu verwenden ;
zweifelhaftes Material, wie unsichere Überlieferung, fehlerhafte Inschriften,
latinisierte "Wörter anderer italischer Dialekte und fremder Sprachen
sind strenger auszuschliefsen. Für die Statistik der Formen aus der
litterarischen Zeit bieten die Werke von Neue, Georges, Wagener eine
einigermafsen sichere Grundlage; aber die Aussprache, darunter be-
sonders die Quantität der Vokale vor Position, steht, wie wir unten
sehen werden, noch wenig fest.
Die Einleitung der Stolzeschen Abteilung behandelt auf wenig
Seiten die Geschichte und Methode der lateinischen Grammatik, die Ge-
schichte der lateinischen Schriftsprache und die Stellung des Lateinischen
zu den verwandten Sprachen und den übrigen italischen Dialekten, wohl
etwas zu kurz. In der Lautlehre, die am ausführlichsten behandelt
AUgemeiae Werke. 107
ist, aber auch so dem rein klassischen Philologen meist unverständlich
bleiben wird, ist die Seelmann sehe Definition der Laute (s. Jahresber.
1883—4, S. 123—136) in der 2. Auflage weggefallen; der Abschnitt
über die Vokale in konsonantischer Funktion ist genauer gegliedert
worden; die Abschnitte über Vokalabstufung, Vokalwandel (der eigent-
lich die -abstufung einschliefst), Quantitätsminderung und -steigeriiag'
sind erheblich verbessert worden, soviel Zweifelhaftes hier auch noch
bleibt, was bei der etwas apodiktischen DarsteJUung allerdings dem
Nichteingeweihten meist verborgen bleibt. Die Liquiden und Nasale
folgen jetzt den Vokalen, uaid zwar als Konsonanten und als Sonanten,
letzteres Gebiet wieder sehr unsicher nnd dunkel. Bei den übrigen
Konsonanten (der Ausdruck „Verschlufslaute" pafst nicht auf alle) sind
der Rhotacismus und der kombinatorische Lautwandel sorgfältiger be-
handelt. Es folgt das wieder noch sehr rätselvolle Kapitel über die
Betonung. — Im ganzen habe ich doch auch aus dieser besten Dar-
stellung den Eindruck gewonnen, dafs eine systematische Behandlung
der lateinischen Lautlehre, mit hinreichender Feststellung und Begrün-
dung der Lautgesetze und genügendem Nachweis der Mittelglieder, noch
nicht möglich ist.
In der Formenlehre fehlt die "Wortbildung: nur die Nominal-
komposition ist kurz behandelt: sie bildet mit den Numeralia und der
Steigerung der Adjektiva einen „Anhang« zur Deklination, eine wenig
logische und zweckmäfsige Anordnung. Unvollständig ist auch die
Motion behandelt. Die Flexion des Verbums ist, mit Ausnahme der
Bildung der Präseusstämme , entschieden zu kurz gekommen. Die
Lieblingsidee Stolzes, das Imperfekt Konj. als alten lautgesetzlichen
Vertreter des Indikativs des s - Aorist zu betrachten, findet sich auch
hier wieder; doch führt er auch andere Deutungen an. Im ganzen
herrscht bei den Junggrammatikern, auch bei Stolz, in der Formenlehre
zu sehr die Theorie der Analogien, die in ihrer "Willkürlichkeit nur
zu leicht über alle Schwierigkeiten hinweghilft: hier wird die fort-
schreitende Forschung noch mächtig aufräumen müssen.
Die Syntax von Schmalz giebt in der neuen Auflage, nach
kurzer Einleitung, über 7 enggedruckte Seiten Litteratur, mit
aufserordentlicher Sorgfalt zusammengetragen; doch wächst naturgemäfs
diese Rubrik noch von Jahr zu Jahr. — Die Inhaltsangabe über den
einfachen Satz stimmt nicht ganz zur Ausführung; auch ist hier die
Unterteilung nicht logisch: Subjekt; Prädikat mit Kongruenz- und Zeit-
formenlehre; Attribut und Apposition; Kasuslehre. Die im Inhalt auf-
geführten Aufforderungssätze sind nachher nicht besonders behandelt;
die Ausrufungssätze fehlen ganz ; zu kurz sind die Fragesätze abgemacht
108 Lateinische Grammatik.
worden. Beim zusammengesetztenSatze geht die Beiordnung korrekter
Weise voran ; die Unterordnung ist folgendermafsen eingeteilt : a. Unter-
ordnung ohne Pronomina oder Konjunktionen, wo die Lehre vom In-
finitiv und Acc. c. Inf. angehängt ist, jedenfalls nicht der richtige Platz
dafür und auf falscher Auffassung letzterer Konstruktion beruhend;
b. Unterordnung mittels relativer Pronomina und Konjunktionen. Die
Konjunktionen sind nach den Kasus geordnet, wobei neben ut, ubi,
quoad u. s. w,, quom als Lokativ gilt, so auch donec (wegen doneque
cum), während quin als modal, indem ein eigener Kasus „Modalis" an-
genommen wird, quo als ablativisch bezeichnet wird. Bei einer jeden
Konjunktion wird deren Geschichte kurz durchgeführt; doch, wie schon
die 2. Auflage viele kleine Besserungen, Ergänzungen, Änderungen
gegenüber der ersten enthält, so sind dergleichen auch für die Zukunft
noch zahlreich zu erwarten, insofern das ganze Litteraturgebiet noch
keineswegs hinreichend durchforscht ist. Historisch ist auch die
Stilistik behandelt, doch aufserordentlich knapp, wie denn z. B. der
Satz- und Periodenbau nur 5 Seiten ausfüllt. Auch die Reinheit und
Angemessenheit der Sprache, der Reichtum und die Mannigfaltigkeit
der Darstellung, die Einfachheit und Kürze des Ausdrucks sind auf
wenigen Blättern, fast nur schematisch, dargestellt. Da in dem ganzen,
von Schmalz behandelten Abschnitte immer auch die archaische Sprache,
die vulgäre Ausdrucksweise und meist das Spätlatein berücksichtigt sind,
so ist hier überall eine solche Eülle von einzelnen Kenntnissen und
Resultaten zusammengedrängt, dafs sie die Übersicht nicht selten er-
schwert. Eine dankenswerte Zugabe der 2. Auflage ist der Sach- und
Wortindex, der auch Brugraanns Griechische Grammatik im selben Bande
in sich begreift.
Nur die erste Hälfte der Grammatik umfafst das oben schon
erwähnte Buch:
H. Schweizer - Sidler und Alf. Surber, Grammatik der
lateinischen Sprache. Erster Teil, 2. Aufl. Halle, Waisenhaus 1888.
280 S. 8.
Die erste Auflage von 1869, die sich wesentlich in den Grenzen
einer Schulgrammatik hielt, ist hier nach den Resultaten der dazwischen-
liegenden 20 Forschungsjahre wissenschaftlich umgearbeitet worden, so
dafs das Werk jetzt auf diesem Gebiete eine ehrenvolle Stellung ein-
nimmt : es ist besser geordnet, reichhaltiger, kritischer, zum Selbststudium
auch klassischer Philologen geeigneter, als die oben besprochene Grammatik
von Stolz, die dagegen den Vorzug der gründlicheren Herleitung aus
den älteren Formen, der Litteraturnachweise und Quellenangaben, sowie
der häufigen Anführung abweichender Ansichten hat. In Schweizers
Grammatik folgt nach kurzer Einleitung die Lautlehre (S. 5 — 70),
Allgemeine Werke. 109
und zwar zuerst Allgemeines über Alphabet. Aussprache (zu dürftig)
und Betonung (dergleichen); dann die Sonorlaute, unter welche die
Sonanten verteilt sind, so dafs in der Eegel von dem lateinischen Laut
oder der Lautverbindung (em, en, or u. s. w.) in ihrer verschiedenen
Bedeutung ausgegangen und jedesmal die Entstehung kurz beigefügt
wh'd. So wird ein 9 faches ä, ein 11 faches e (mit mehreren Unterarten),
ein 10 faches Ö u. s. w. angeführt, woraus man schon sieht, wie ver-
wickelt die lateinische Lautlehre ist. Zusammenfassende Übersichten
und entsprechende Ableitungen fehlen. — Ebenso sind dann die Konso-
nanten behandelt z. B. die Gutturale in 10 Rubriken, die Liquiden in
12 u. s. w. Beiden Hauptarten der Laute folgen die Affektionen. —
Die Flexion (S. 72—175) ist wesentlich innerhalb des Rahmens und
Schemas der Schulgrammatik geblieben. An die Deklination der Adjek-
tiva ist die Steigerung angeschlossen; auf die Konjugation folgen die
Partikeln ohne Erläuterungen. Eingehender und wissenschaftlicher ist
dann wieder die Wortbildung (S. 175 — 214) behandelt: abgeleitete
und zusammengesetzte Verba, und Bildung der Nomina; doch fehlt auch
hier die Begründung. Dankenswert ist der Wortindex.
Vollendet worden ist dagegen innerhalb des vorliegenden Zeitab-
schnittes das gleichfalls schon oben erwähnte Werk:
K. Reisig, Vorlesungen über lateinische Sprachwissenschaft, mit
den Anmerkungen von Fr. Haase, neu bearbeitet von H. Hagen,
F. Heerdegen, J. H. Schmalz und G. Landgraf. In Calvarys Philol.
und Archäol. BibUothek in 3 Teilen mit XV Lieferungen (Bäudchen 49 —
55; 78—8; 86—8), Berlin 1880—90, 428+768^-154^LVI S. 8.
Die früher erschienenen Abschnitte: 1. Teil (Lfg. I — IIL Laut-
und Formenlehre) und 3. Teil (Syntax), Lfg. IV— VI S. 1—288,
enthaltend die Konstruktion der Substantiva, Pronomina, Adjektiva, Ad-
verbia, Negationen, Konjunktionen (teilweise) sind von mir in den
Jahresber. f. 1879—80, S. 196 und f. 1883-4, S. 187—9 erwähnt
worden. Hinzugekommen sind: 3. Teil, Lfg. VII— XII (Schlufs),
S. 289—768, 1886—7: Rest der Konjunktionen; Fragepartikeln;
Tempus- und Moduslehre; Kasussyntax; Präpositionen; Parti-
cipium, alles im wesentlichen von Landgraf bearbeitet, mit einigen
Ergänzungen durch Schmalz; dann der 2. Teil (Lfg. XIII — XIV):
Semasiologie. Neu bearbeitet von F. Heerdegen 1888—90, 154 S.;
endlich Wort-, Sach- und Stellenregister (Lfg. XV), von Land-
graf, 1890, LVI S.
Inbetreff dieser neuen Abschnitte gilt vom Schlüsse des 3. Teiles
das, was ich schon im letzten Jahresbericht 1883 — 4, S. 188 gesagt
habe, dafs „die ganze Anlage und Methode des zu Grunde liegenden
110 Lateinische Grammatik.
Buches zu veraltet war, und dais eine Neuschöpfung (wie sie jetzt von
mehreren der Mitarbeiter angekündigt ist) praktischer gewesen wäre."
Zudem schaden die doppelten, mitunter dreifachen Anmerkungen der
Übersichtlichkeit. So enthält die Syntax wolü ein sehr reiches, be-
richtigtes, ergänztes Material, aber, trotz aller Mühe und Sorgfalt der
Überarbeiter, mangelhaft geordnet, ungenügend verarbeitet und schwer
benutzbar. Ein ganz selbständiges Werk dagegen ist Heerdegens
Semasiologie, wofür er nur unbedeutendes und dürftiges Material
vorfand, so dafs ihm eine ganz freie Ausführung möglich war. Für diese
hatte er in den 3 Heften seiner „Untersuchungen zur lateinischen
Semasiologie", Erlangen 1875 — 81, den Grund gelegt. Eingehender
werde ich seine Arbeit unten bei der ,,Bedeutungslelu'e" besprechen.
Vor dem Eingehen in die Einzelheiten der Lautlelu"e erwähne
ich noch ein allgemeines ausländisches Werk:
S. Consoli, Fonologia latina esposta secondo il metodo scientifico
agli alunni delle scuole classiche, 2. verbesserte Auflage, Mailand
(117. Bd. der manuali Hoepli), 1892. 205 S. 8.
Schon der Umfang zeigt, dafs das Buch nicht für Schüler bestimmt
ist. Es enthält in 7 Kapiteln : Das Verhältnis des Lateins zu den ver-
wandten Sprachen; die Laut- und Schriftzeichen; die Vokale; die Kon-
sonanten; den An- und Auslaut; die Prosodie und Betonung, und die
Silbe. — Die Arbeit ist fieifsig, hauptsächlich nach deutschen Quellen,
entworfen, sorgsam ausgeführt und ergänzt, doch ist immerhin manches
Veraltete stehen geblieben, ob aus Nichtkenntnis oder vorsichtiger Zu-
rückhaltung gegen die neuesten Forschungen, bleibt vielfach unentschieden.
Die Frage der Aussprache des Lateinischen ist nach dem
grofsen Werke Seelmanns (s. Jahresber. 1883—4, S. 123—136) nur
in kleineren Schriften, ohne wesentlichen Fortschritt, behandelt worden.
Ganz verfehlt ist:
K. Pötzl, Die Aussprache des Lateinischen. Leipzig, Friedrich,
1888. 130 S. 8.
Er kommt durch gewagte Schlüsse und kühne Sprünge zu der
„sicheren" Behauptung: ,,Die heutzutage in Italien übliche Aus-
sprache des Lateinischen, welche sich eng an das heimische Idiom an-
schliefst, ist auch die der alten Kömer gewesen." Die neueren tief-
gehenden Forschungen sind dabei ganz ignoriert: in anmal'sendstem Ton
vdrd gegen das jetzt freilich in mancher Hinsicht veraltete, aber seiner
Zeit doch verdienstvolle und meist noch immer grundlegende Werk
Corssens höchst ungerecht polemisiert. Vgl. meine Anzeige in der
Berl. Philol. Woch. 1889, S 315 f.
Aussprache. 111
Obile wissenschaftlichen Wert ist auch:
Aug. Faulde, Die Reformbestrebungen auf dem Gebiete der
lateinischen Orthoepie und ihr Verliältnis zur Schule. Neifse, 1888.
38 S. 8.
Nach einem summarischen Überblick über die betreffenden Be-
strebungen empfiehlt der Verfasser einen Mittelweg, nämlich quantitäts-
mäfsige Aussprache der Vokale, aber Assibilation des c und t. Jeden
anderen Änderungsversuch hält er für aussichtslos. Vgl. meine Anzeige
in der Berl. Philol. Woch. 1889, S. 1313.
Im Auslande hat inzwischen die Reform der lateinischen
Aussprache die klassischen Philologen eifrig zu beschäftigen begonnen,
namentlich im Sprachgebiet des Englischen, wo die Abweichung von
der mutmafslichen Aussprache der alten Römer am schärfsten hervortritt
und dem gewissenhaften Forscher das lebhafteste Unbehagen erregen
mufs. Eine umfassende Übersicht der Frage giebt:
M. Fish er, The three Pronunciations of Latin. New -York,
Appleton, 1885. 229 S. 8.
Eine weitere Folge der durch dieses Buch für Amerika gegebenen
Am*egung war dann die Schrift von:
H. Th. Peck, Latin Pronunciation. New- York, 1890;
vgl. die Anzeige von F. D. Allen in der Classical Review V, 60 f.
In England haben beide alten Universitäten die Sache angegriffen:
so einerseits:
H. Nettleship, On the Evideuce given by the ancient Latin
Grammarians on the Pronunciation of Latin, in den Transact. of the
Oxford Philol. See. 1887—88. S. 9 ff.,
wie alle Arbeiten des kenntnisreichen Verfassers, gründlich und tüchtig.
Andrerseits erschien:
Peille, Postgate aud Reid, Pronunciation of Latin in the
Augustan period (Statement of the Committee of the Cambridge Philol.
Soc), London, Trübner, 1887. 8 S. 8; s. Acad. 1887, p. 186 ff.
vgl. von denselben Verfassern: Scheme of the reformed pronunciation
of Latin, in der Academy 1886, S. 170 f; dazu H. Roby, Reform of
Latin Pronunciation, ebd. S. 187; Ellis and Postgate, Reform of
Latin Pronunciation, ebd. 205; J. P. Postgate, The reformed Pronun-
ciation of Latin, in der Classical Review I, 40 ff.
Alle diese Reformversuche sind vorläufig freilich noch weit davon
entfernt, auf den Brittischen Inseln durchgedrungen zu sein: vielmehr
112 Lateinische Grammatik.
ist die alte irrationelle, aus dem 17. Jahrhundert stammende Aussprache
noch immer weitaus die herrschende. So giebt die oben erwähnte, in der
Parallel Grammar Series erschienene Latin Grammar von E. A. Sonnen-
schein (M. A. Oxon.), 1889, die „nach den neuesten Forschungen wahr-
scheinlich richtige" Aussprache des Lateins nur im Anhange. — Im
ganzen übrigens schliefsen sich die englischen Forscher für die Vokale
der deutschen Aussprache an, nur dafs sie ei und eu getrennt sprechen,
06 meist als langes geschlossenes e-, bei den Konsonanten verwerfen
sie die deutsche Assibilation des c und t mit Recht; ebenso die
"Weichheit des s zwischen Vokalen, indem der weiche s-Laut für das z
der Fremdwörter verspart bleibt; im übrigen stimmt die Aussprache
auch hier zum Deutschen, selbst bei h und n vor Guttural.
Fürs Französische sind zu erwähnend
L. Havet, Sur la prononciation des syllabes initiales latines, in
den Mel. latines, Extrait aus den Mem. d. 1. Soc. de Linguistique VI,
1885. 34 S. 8. (s. unten bei der Betonung!)
M. Brealj Sur la prononciation du c en Latin, Mitteilung in der
Acad. d. Inscr. 26. Sept. 1890; s. Eev. crit. No. 41; Mem. d. 1. soc.
d. Lingu. VI, 149—156.
Die französischen Forscher halten in begrenzter Weise an der
Assibilation fest: so giebt Breal auch in seiner Grammatik ausdrück-
lich an, die alten Römer hätten das c und t in ci und ti vor Vokalen
wie ein hartes s gesprochen, während er für c vor blofsem e und i die
Aussprache kj anzunehmen geneigt ist. Im praktischen Gebrauch halten
sie die Trübung des u und die Nasalierung fest, welche letztere sie auch
den alten Römern zuzuschreiben geneigt sind; doch soll u vor m und n
im Silben- und Wortschlufs wie o lauten, in letzterem auch m und n
nicht nasaliert werden; gn wird rein gesprochen.
Dagegen nimmt Enr, Cocchiain seiner Rassegna critica (s. unten!)
Kap. V, mouillierte, aber nicht nasalierte Aussprache des gn für das
Altlateinische an.
Für Deutschland s. noch, vom praktischen Standpunkt aus, Fritsch,
Über die Aussprache des lateinischen c und t, im Gymnasium V, 337 flf.
Die schwierige Frage der Vokalquantität in geschlossenen
Silben ist weiter gefördert worden durch:
Anton Marx, Hülfsbüchlein für die Aussprache der lateinischen
Vokale in positionslangen Silben. Mit einem Vorworte von Franz
Bücheier. Wissenschaftliche Begründung der Quantitätsbezeichnungen
in den lateinischen Schulbüchern von H. Perthes. Zweite Auflage.
Berlin, Weidmann, 1889, 84 S. 8.
Wenn ich im Jahresber. f. 1883—84 die erste Auflage dieses
Vokalquantität. (Deecke). 113
Büchleins mit Freuden begrülst habe als den ersten wirklich wissen-
schaftlichen Versuch zur Lösung dieser wichtigen Aufgabe, so fügte ich
doch hinzu, dals viele Verbesserungen und Ergänzungen in Aussicht
ständen. Diese Vermutung hat die zweite Auflage über Erwarten be-
stätigt, und diejenigen sind schwer hereingefallen, die voreilig die Marxi-
schen Angaben in ihre Grammatiken und Lesebücher eingeführt hatten.
Durch Beschränkung der Lachmannschen Regel über die Dehnung des
Vokals vor ausgefallener oder assimilierter Media auf nur 11 Fälle
ist für eine sehr grofse Zahl der gebräuchlichsten Verbalformen und
ihrer Ableitungen das Längenzeichen wieder geschwunden; dasselbe
ist in as-, os-, us- für abs- u. s. w. geschehen. Dagegen ist bei aUen
inkohativen Verben die Längung neu durchgeführt. Aber auch sonst
haben eine gröfsere Zahl Substantiva und Adjektiva ihre Quantität nach
der einen oder anderen Seite hin verändert: so unsicher ist hier noch
alles! Ich freilich halte auch die Dehnung vor ns und nf nicht für
eine ganze, echte, sondern nur für eine halbe, unechte, für die gezierte
Aussprache gewisser vornehmer Kreise, die wir nicht annehmen sollten;
auch vor gn ist die Dehnung ganz unsicher ; vor gm hat man sie über-
haupt schon wieder fallen lassen. Andi-erseits ist die Verkürzung jeder
Länge im Lmern der Wörter vor nt, nd mit folgendem Vokal, wie die
romanischen Sprachen zeigen, ebensowenig gesichert (vgl, meine Er-
läuterungen zur lat. Schulgr. S. 9). Einer gründlichen Reform bedürften
die etymologischen Bemerkungen, bei denen fast jede Spalte Fuhaltbares
oder Zweifelhaftes bietet. Vgl. meine eingehende Anzeige in der Berl.
Philol. Woch. 1890, S. 255 ff.
Zusammengefafst sind die neueren Untersuchungen über die Aus-
sprache des Lateinischen in:
H. T. Karsten, De uitspraak van het Latijn. Amsterdam,
Delsmami, s. a., 166 S. 8.
Eine fieifsige sorgsame Arbeit ohne eigene Neuerungen.
Eine Hauptquelle für die Fixierung der Vokalquantitäten
ist eingehend behandelt worden in:
Jac. Christiansen de apicibus et i lougis. Kieler Inaugural-
dissert., Husum, 1889, 61 S. 8.
Der Verfasser hat mit grofsem Fleiis die bis dahin erschienenen
Bände des Corpus Inscr. Lat. und die sonstigen wichtigeren zuverlässigen
Quellen durchgearbeitet und nicht unbedeutende, ziemlich sichere Re-
sultate erzielt. — Der apex, dessen beide ältesten FäUe, von 150 u.
120 V. Chr. für nachträgliche Zusätze erklärt werden (?), da auch die
nächsten Fälle von 71 u. 59 v. Chr. vereinzelt sind und er erst seit
40 V. Chr. häufiger vorkommt, hatte anfangs verschiedene Formen, seit
Jahresbericht für Altertumswissenschaft. LXXYII. Bd. (18'J3. III.) 8
114 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
August regelmälsig diejenige des Akuts. Der Vei-fasser Mit den
M. Terentius Yarro für den Erfinder des Zeichens, was sehr gewagt ist.
Dasselbe hält sich dann in ausgedehntem Gebrauch bis 150 u. Chr. —
das Monumentum Ancyranum hat 375 apices — , dann wird es seltener
bis Diokletian, wo es verschwindet: auf das i tritt es erst im 2. Jahr-
hundert n. Chr. (doch vereinzelt schon excidere im Mon. Aucyr.): fehler-
haft steht es sogar auf i longa und Diphthongen. Am häufigsten und
exaktesten angewandt findet der apex sich in Rum selbst oder in Kopieen
römischer Inschriften, wie das Mon. Ancyranum: dann in Hispania,
Gallia Narbonensis u. s. w., unsicher in Afrika, gar nicht in Britannia:
die Steinmetzen der Provinz, je weiter von Rom, waren um so weniger
gebildet. Mitunter dient er zur Unterscheidung gleichlautender Formen
z. B. mänibus von mänibus. Xicht zu verwechseln ist er mit dem die
Konsonantenverdoppelung bezeichnenden sicilicus, sowie mit gewissen,
ihm oft ähnlichen Abkürzungszeichen. — "Während Accius das lange i
durch den Diphthong ei bezeichnete, findet sich seit Sulla und besonders
im 1. Jahrhundert nach Chr., doch nie konsequent durchgeführt, dafür
die i longa ( | ), vielleicht auch von Varro wenigstens empfohlen; da-
neben bezeichnet sie auch an- wie inlautendes j, endlich kontrahiertes ii;
bisweilen ist sie nur dekorativ, falsch angewendet.
An Resultaten ergiebt sich: 1. Längung des Vokals, doch ohne
jede Konsequenz, oft angezeigt vor ns, nur einmal (durch apex> vor nf;
2. bisweilen vor nc, ng, ugu, nx; in quinque und seinen Ableitungen;
3. vor et in victus „besiegt", doch erst spät (durch Eiuflufs von victus
»Lebensweise"?); 4. vor x = gs und in träxi (Prise, träxi); nicht vor x =
CS, ausgen. düxi; 5. vor gm (natürliche Länge?), nicht immer vor gn (sogar
cögnitus): 6. vor r impura in Märti und Marcus, quilrtus, ördo, örnare,
forma, Hercules; 7. vor sc in den Inkohativen (stets?), in viscera,
Priscus, Röscius; 8. vor st in jflstus, pästor, Pestus u. s. w., nicht z. B.
in magister, minister; 9. oft in -issimus, doch auch sonst vor ss, 11, rr
(vgl. die französische Aussprache); 10. nicht selten vor nt (gegen die
bekannte Regel); ferner Mäulius, cönjunx; 11. emptum. — pius und dies
hatten vulgäres I; Vib|us ist Vibjus zu lesen. ('? s. etr. vipiies).
Greifen diese beiden letzten Abhandlungen schon in die Lehre
von den Vokalen und Vokalaffektionen hinüber, so will ich doch,
ehe ich zu dieser übergehe, die mit der Aussprache eng zusammen-
hängende Itetojiujig'slrago besprechen. Die wichtigste Untersuchung
darüber ist enthalten in dem unten noch zu besprechenden Buche:
R. Seymour Conway Verner's law in Italy, an Essay in the
history of the indo-european sibilants, with a dialect map of Italy
by E. Heawood. London, Trübner, 1887, 120 8. 8.
Betonung. (Deecke). 115
Nach dieser Untersuchung ist die Stimmhaftwerdnug- des s zu z,
nnddes letzterenÜbergang- in r, derRhotazismns, durcli Tonverhältnisse
bedingt, und es ergiebt sich für das Lateinische daraus die Schluls-
folgerung, dafs der lateinische Accent ursprünglich weder durch
Quantität, noch durch Silbenzahl gebunden war: dafs er dann zunächst,
ehe der Rhotazismus begann, also vor 450 v. Chr., durch die Quantität
gebunden wurde, sodals er über eine lange vorletzte oder drittletzte
Silbe nicht zurückgehen konnte (erster Accentwechsel); dafs er dann,
nach der Vollendung des Rhotazismus, also nach 350 v. Chr., auch durch
die Silbenzahl gebunden d. h. auf die drittletzte Silbe beschränkt
Avard, selbst wenn diese und die vorletzte kurz waren (zweiter Accent-
wechsel). — Es bleiben allerdings bei dieser Annahme viele Schwierig-
keiten, die der Verfasser nicht immer befriedigend zu beseitigen gewufst
hat. Vgl. meine eingehende Anzeige in der Woch. f. klass. Philol.
1888, No. 24.
Allgemeiner, aber ohne Spezialforschung, ist die ungefähr gleich-
zeitig geschriebene Abhandlung:
Fr. Stolz, Giebt es wirklich keine Spuren einer älteren Betonung
des Lateinischen. Wiener Studien 1886, S. 149—158.
Auch Stolz entscheidet sich, gegen verschiedene konservative Ver-
treter der altklassischen Philologie und z. T. Corssen, für die Be-
jahung jener Frage, ohne wie Conway 2 Stufen zu unterscheiden; er
führt für die ältere Betonung folgende Fälle an: die Erhaltung des v
in nävis (= väFoc), bovis, JoAds, gravis, aevüm u. s. w., während v nach
dem Ton ausfiel (dagegen Brugmann Vgl. Grammatik); die Schwächung
des "Wurzelvokals in peperci, fefelli u. s. w. ; sowie des Vokals der zweiten
Silbe in Tärentum (noch jetzt Täranto), Hercules u. s. w.: den Ausfall
des i in bäl(i)neum, vig(i)lias (C. I. L. I, 1239) u. s. w.; die Schwächung
im 2. Teil der Komposita, wie iucTdo, conscendo u. s. w., auch inqui-
linus u. s. w.; im ersten Teil derselben, wie Opiter = *avi-pater; nun-
cupo = *nümi-cupo (auch im 2. Teil geschwächt); Tröiugena (neben
Asiagenus); Xaepori = " Xaevi-pueri ; Benventod, oinvorsei, vinde-
mia u. s. w., auch benivolus, malivolus; ferner in Fremdwörtern 'Alixen-
trom, 'Agrigentum: PöUux, cüpressus u. s. w.: dann im Vokativ Väleri(e)y
doch s. unten!; reccidi, repperi u. s. w. = rececidi u. s. w. ; mäximus =
= * mäg(i)sumus , ebenso oxime, proxime u. s. w.; jüxta = *jug(i)sta;
indigeo, indigito = *ind(u)-agito, aa.; auch ganze Silben fallen weg, wie
in se(mi)libra. Thurneysen glaubt im Voranfange des Saturniers die
Betonung bicorpores, Gigäntes nachweisen zu können (s. Jahresber. über
Altlateinisches u. s. w.); dialektisch sind die Elisionen in Herclo, Popdis,
Visni u. s. w. Stolz nimmt im 5. Jalu-hundert der Stadt noch die
ältere Betonung an; vor der litterarischen Periode war sie beseitigt.
\IQ Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Ähnlich stellt Enr. Cocchia iu seiner Rassegna critica di filo-
logia e ling-uistica (Turin, LJischer, 1887, 113 S. 8) in Kap. II, S. 31
—32, neue Beweise dafür auf, dals das Lateinische archaisch unab-
hängig von der Quantität der paenultima betonte; dagegen sucht er
festzustellen, dals der Vokativ, wie der Genitiv, Valeri lautete und der
angebliche Unterschied der Betonung eine Erfindung der Grammatiker
sei. Auch ist sehr zweifelhaft, ob das -i des Vokativs aus -ie ent-
standen ist (Brugmanu, Vgl. Gramm. II, 540).
Zwei verschiedene Accente nimmt wieder L. Havet in seinen
Melanges latines (Paris, Impr. Nat., 1885, 34 S. 8) an, indem er im
ersten Abschnitt die Behauptung aufstellt: „Die Anfangssilbe hatte im
Lateinischen stets einen exspira torischen Accent (Wortton), ver-
schieden vom musikalischen Accent auf der ~ sogenannten Tonsilbe."
Von jenem ersten energischen Accent leitet er die Vokalschwächung
der folgenden Silben her, welche der musikalische Accent nicht hindern
konnte. Erst in später Zeit, nach der klassischen Periode, verwandelte
sich der musikalische Accent in den exspiratorischen der romanischen
Sprachen. So verschiedene Anschauungen giebt es hier noch; vgl. noch
Jahresber. 1883—4 über Seelmanns „Aussprache", S. 124.
Die eben gestreifte Frage, ob der Wortton in der altlateini-
schen Poesie zur Geltung gekommen sei, von W. Meyer „Wortaccent
in der altlateinischen Poesie" (München, Franz, 1884, 4) behandelt, ist
jüngst von C. M. Zander De lege versificationis latinae summa et anti-
quissima (ans den „Gelehrten Schriften der Universität Lund", Bd. 26,
28 S. 4) entschieden verneint worden, auch für den Saturnier der
ältesten Zeit; vgl. dagegen meine „Erläuterungen zur lat. Schulgr."
S. 20-22.
Kleinere Besprechungen sind:
J. Netuschil, Zur Theorie der altlateinischen Betonung, in der
Russ. Phil. Rundschan 11, 202 (in russ. Sprache).
W. M. Lindsay, Latin Accentuation , in der Class. Review V,
373 ff. u. 402 ff. (über Enklisis).
Hickcthier, Zur Betonung des Lateinischen. Prgr. Cüstrin
1889, 12 S. 4.
Eine praktische Spezialfrage ist behandelt in:
C. Wagener, Über die Betonung der mit -que, -ve, -ne, -ce zu-
sammengesetzten Wörter, im Gymnasium IV, 737 ff.;
Vgl. dazu S. Dosson que, ne, ve apres un e bref in der Revue
de phiiol. XIV, 55 f., so wie unten in der Syntax bei -que! Entschieden
sind die Einzelheiten dieser Frage noch nicht; s. meine ,, Erläuterungen
z. lat. Schulgr." S. 21—22.
Lautlehre, (üeecke). 117
Zur Lautlelirc der Vokale i;nd Konsonanten erwähne ich
zunächst als fürs Lateinische vielfach wichtig;^)
P. Kretschmer,, Indogermanische Accent- und Lautstudien, in
Kuhns Zeitschrift für vergleich. Sprachforschung, Bd. XXXI, S. 325
—472.
Die erste Abhandlung freilich (S. 325 — 65) „über. den Accent"
bewegt sich durchaus auf vorlateiniscliem Gebiete; die zweite aber ,,Zum
indogermanischen Vokalismus" (S. 366— 411) behandelt im 2. Abschnitt
,, Yokalabstufung in unbetonten Silben" (S. 378 ff.) zunächst
die Entstehung eines lat. a aus e =^ gr. i in derartigen Silben z. B. quattuor
=-= TTiaups? (mit sekundärem Accent); pando (s. auch pateo) neben m-^riiu
(ebenso); scando neben ay.tovrjix'; palleo, pallidus neben t:iav6c; lapis neben
al'iiki'\i (kühn!); vgl. auch maneo neben \i.hio, aper neben ahd. ebur. Be-
stätigt sich diese noch keineswegs gesicherte Auffassung, so würde sie
weitergreifende wichtige Folgen haben. — Von S. 380 an werden eine Reihe
von I und ü betrachtet, die entstanden sein sollen durch Verschmelzung
von i, resp. u mit einem kurzen Vokal, der teils vorherging und auf
Schwächung einer Länge beruhte, teils folgte, und dann entweder der-
selben Entstehung war oder sich unkoutrahiert als ä, e, ö darstellt.
Solche Beispiele sind: vi-giuti, zweimal mit dualem i = i-e (s. unten bei
den Zahlen!); tri-gintä zu -pia: genitri-x, regi-na u. s. w. zu gr. li;
simus u. s. w. ^ sia-, s. siem; vi-vus =via-, s. C'']<70[ji,ai, i^tupo?, C'^-- nait
^ = g^i-; sti-pare, sti-ria mit 13 neben ind. sthjä-; vi-tis, vitor, vimen mit
19 neben viere; ira mit ia neben Cwpoc (doch s. oben!), sl. jarü „iratus"
(a aus ä); anticus, -iquus zu oq ,,Auge", also „nach vorn sehend" ('?);
ferner: ürina aus U9, s. ind. väri Wasser; dürus zu or^v = *oFäv; andrer-
seits pö-culum u, s. w. aus *poi- zu *p5i; üva aus uu-va von üu- (?);
mörus, -rio zu [j.oupaiv8i; zweifelhaft: fücus zu »cpr,;: sura zu Spr] =
'•'cFwpY); ferner wieder sicher: rümor neben rävus, raucus u. s. w.; nügae
neben naugae, nögae; zweifelhaft: cörus neben caurus zu got. sküra
„Eegenschauer" ; suo, spuo, vielleicht mit urspr. ü = iau; moveo zu ind.
mivati ; glöria neben in-clutus von Wurzel kleu . Vor folgender Doppel-
konsonanz pflegt die Kontraktion zu unterbleiben. — Eine andere Be-
hauptung (von S. 422 an) leugnet ursprüngliche lange liquida oder
nasalis sonans (s. oben B echt eis Probleme!) und nimmt statt dessen
zweisilbige Wurzeln an, mit zwei starken Formen z. B.:
I. era, europ. eiä; tonlos »ra, vor Vokalen H': trat ein zweiter
Accent vor, so schwand das ^
II. rä*, europ. rä^, tonlos rä (doch nur selten); zweifelhaft ob auch
är, tonlos ar?
^) Diese, wie die folgenden Arbeiten, enthalten auch schon viele Ety-
mologieen, die ich unten nicht wiederhole.
113 Lateinische Grammatik. (Deecke).
L a t e i n i s c li e Beispiele solcher zweisilbigen Wurzeln sind : domi-tus,
-tor; dome-s-ticus (s. ösp-a-;), domi-nus; genitor neben gnä-tus, -scor;
ana-(t)s neben v/^-jaa; simi-la neben «yiaaOoc; tene-brae neben tem-ulentus,
iüd. tami-sra-; jaui-trices -^ *j*nc>-. Es tritt dabei ablautender Wechsel
von ä, e, ö ein z. B. strätus = jTptu-o?; gnätus neben ^vv^ato;, -/viotoc:
trägula = Tpcu-j'X-^; plenus neben -Xaöo; (dialekt. = -Xri&os),
Die dritte Abhandlung „Zum indogermanischen Kon-
sonantismus" (S. 412 ff.) bespricht unter 1. Die anlautenden Ver-
bindungen von Labialen und Gutturalen mit Dentalen z. B. lat.
(p)sternuo neben -(3)-ctpv'j[jLt (von pstrnu-); zwfh. con-sterno u. s. w.
neben -tapcu; ferner silva = *ksulva neben i'JXov; sicher: (k)super
aus ec-super, E;-'j-cp-9e u. s. w., auch (k)sub (mir höchst unsicher);
zwf. scruta = ex- YpuTr^ (nach Osthoff) ; sicher sex — k-svek's; südor zu
ind. ksvidate; (ks)novacula von *novare „scheren" zu *ksneumi, iud.
ksnaüti „er wetzt" (s. Nachtrag S, 470); (p)simila zu ij^a'fxaöo;, (s. oben!)
neben (p)sabulum (ps aus bhas zerreiben, kauen); vielleicht tata =
*ptata zu pater (?) ; ferner veru = *bdveru , s. ["-ioapoi neben ^apos? =
oEvopa; tilia = -TsXsa: vesper-(p)tilio zu —i'Äov „Flügel-', von pet
fliegen (er = ro); pro-(p)tervus (vielleicht Fest. 245 altlat. erhalten;
nach Vokal, wie ior-wj-o;) neben zpo - -tzr^x so auch Lehnwörter
(S. 471), wie (p)tisana; (C)Tesifon; (c)tunica; anders, init erhaltenem
ersten Element: im-buo (b = bb = bd) neben aXt-Vyju), sonst 6uw (nach
S. Bugge); perna = -tepva (zwf.); pinso, pistor zu -ticjsto; quartus =
*ctvartos (eher = *quatrtus); heri, hes-ternus neben -/öej; immus, homo,
humilis u. s. w. neben yöcuv, y{>a|xaXo? (Grundform g^dxhöm); vielleicht
tran(s)-quillus zuy.ti'Xoc; situs „Moder" zu 'filiji;, ind.kHitis(Grdf.kH'^i-ti-).—
Es ergiebt sich hieraus eine zweite, dem s sich nähernde Dental-
reihe: t^, t-^h, d^', (d^h); so führen gr. /t, t:t, 9 ö auf t\ t-^h + Guttural
oder Labial, mit Umstellung, zurück, während lat. z. ß. spuo = tttuw
dafür s zeigt, indisch s oder s. — 2. u-Epenthese, lateinisch intaurus;
clünis neben y.ÄovPi; (S. 448 — 9). — Es folgt noch ein Exkurs über
öu im Latein (S. 451 ff.). Lateinisches ü entsteht nicht aus ou, eu,
sondern aus ou, auch eu, schwach au z. B. im Dual duu, ambö, auch
octö = -öu; ferner bös; söl = *söul, am*, söl; ös; nögae neben naugae;
Omentum zu -uo in ind-uo (anders Windisch, s. u.); tömentum s. gr.
T'j/.r,; glös = -,'aXüjF? (danach flös, rös u. s. w.); Gen. domos (Augustus
nach Suet. 87) ^= *domöus, s. avest. bäzäus (also kann das ü in diu,
noctu u. s. w. nicht -^ lokat. öu, ind. äü sein); zwf. mötum, fötum, vötum;
sicher lötum, lömentum zu Xo'jtu, lavo; nönus, s. avest. näumö „der
neunte"; tötns; rubus; röblgo; glöria ^ *clövesiä (s. oben!); öpilio, s. ind.
ävi-kam; die Komposita prörsus, aliörsus u. s. w. aus *provorsus, *prö-
ursus u. s. w.; ömen, alt ösmen, vielleicht = *övismen, s. oFtw, dviuFiaxo;.
Lautlehre. (Deecke). 119
Nicht begTüüdet ist denmacli das o, sondern irrtünilicli eingedrungen in
nöntiare^ lösna, uondiuum, Pöblicai, coraverunt u. s. w. (Vulgärformen).
— Andrerseits darf li nicht auf öu, ö zurückgeführt werden, auch
nicht auf öi, öi, die gleichfalls ö geben, wie im Dat. Sg. der 2. Dekl.,
in pö-tus u. s. w. von der "Wurzel pöi_ (schon indogermanisch?), in nön =
*üöinom u. s. w. Demnach ist hüc = *hoi-c(e) u. s. w. Unklar ist
für neben cpcop; hnmanus scheint durch Mischung von hum- und höm-
entstanden (?); lacüna steht neben lacöna, wie gr. /eXu? neben -/eÄwvr,,
es gehört zu lacus (laccus) = *Xa-/.Fo?, Xaxxo?; das Part. Fut. -türus
(resp. -sürus) gehört nicht zu -tör, sondern ist aus *-tü-ro-s ent-
standen, gehört also zum Supinum (?, s. u. beim Vei'bum !) ; vgl. sa-tü-r(os)
und die Desiderativa auf -tü-rire (resp. -sü-rire) von -tü-ro-; die Ab-
strakta auf -türa (resp. -süra) enthalten noch keinen Futurbegriff (doch
s. natura!). Die iuschriftlichen Ablative [objlatud, [nefjastud u. s. w.
sind wieder vulgäre Entartungen. — Es läfst sich nicht leugnen, dafs
hier recht beachtenswerte Gesichtspunkte mit Konsequenz durchgeführt
sind, doch ist jedenfalls eine genaue Nachprüfung sehr wünschenswert.
Eine andere gründliche und geistvolle Arbeit, die beide Gebiete
der Lautlehre berührt und sich speziell mit dem Lateinischen be-
schäftigt, ist:
F. Fröhde, Zur lateinischen Lautlehre, in Bezzenbergers Bei-
trägen z. K. d. idg. Sprachen. Bd. XIV, 80—116 u. XVI, 181—221.
Vgl. von demselben Verfasser im Jahresber. für 1881 — 82,
S. 324 — 7 „Über den lateinischen Ablaut". — Die erste der obigen
Untersuchungen betrifft die Lautgruppe vit, nebst im und labialem
/c-Laut mit ?< (quü, guü), und enthält eine eingehende Prüfung der Vor-
arbeiten, besonders von Corssen, Brambach, Bersu. Es werden
drei Fragen aufgestellt und beantwortet: I. Hat das Latein jene Laut-
gruppe aus dem Indogermanischen ererbt? Nein! Diese Untersuchung
fiQlt aufserhalb des Lateinischen. — IL Giebt es spätere Formen, welche
jene Lautgruppe im vorhistorischen Latein als selbständig entwickelt
voraussetzen? Auch darauf antwortet der Verfasser mit „Nein", und
geht die einzelnen, in Betracht kommenden Fälle in 8 Gruppen durch:
1. Der nom. und acc. der Stämme auf -f o, -2«o behielt diese Lautform ;
-quo ward nicht zu -co (gegen Bersu). — 2. Dieselben Stämme be-
hielten das 0 vor suffixalem 1 z. B. Deminutiv servolus. — 3. das ö
des gen. pl. derselben Stämme blieb z. B. divöm, später divoni; aber
duüm-virüm, dessen beide ü vielleicht auch später nicht verkürzt wurden,
— 4. In konsonantischen Stämmen der gen.pl.: bovom oder boura ;
ebenso lovom oder loum. — 5. Im nom. sg. der Neutra auf -e/os trat
Zusammenziehung ein z. B. thüs=9'joc; püs = tcuos; rüs; jus, alt
120 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Jons (ind. jo>) ; aber stercus = *sterqu-us. — 6. In der 3. pl. praes.
lud. .j. conj. blieb das urspr. 0 nach V, u, qu: -out, -ontur: aber bount
(wie boum). — 7. Es blieb vol- im Anlaut: Yolcanus, volnus, voltus i\. s. w. ;
bei Verkürzung- trat ul- ein: Ulsiuiensibus uebeii Yols-; ulcisci, bei
riautus auch noch volcisci; Ulcus ; ultro; zwf. adulter (zu velle?). —
Ein Exkurs behandelt die Lautverbindung- ol, oll, die verschiedenen
Ursprungs ist, der nicht immer leicht zu erkennen ist: ol = I, Ablaut
von el. ^0-1; oll = 11, = ol-n u. s. w. — 8. enthält Einzelheiten:
Mavortei und Maurte, indem vo vor r + Konsonant durch vu zu u
wird (s. unten!); uxor, bei Plautus auch noch voxor (zu au^w?); avon-
culus; furunculus aus *ferv- oder *forv-ou-culus zu fervere (?); uncus
aus *voncos — Fo-j-y.o;, s. lit. wanszas; ungustus zu deutsch „winkel".
Es wird nämlich 07ic, und so auch vonc, regelmäl'sig zu unc (doch s.
avonciüusl); 07ig bald zu ung, bald bleibt es. — III. Wie verhält sich
das Latein in seiner geschichtlichen Entwicklung zu der obigen
Lautgruppe? — In der archaischen und klassischen Zeit bis gegen Ende
der Republik ward sie konsequent gemieden; erst in der Augusteischen
Zeit tritt sie auf. Aulser den schon unter 11 gegebenen Beweisen
kommen hierfür noch folgende Fälle in Betracht: ferbui mitb statt v(?);
vgl. büra u. s. w. zu -jüpo?; bübo zu puFa; ; vielleicht bulla, ebuUire u. s.w.(?).
Nicht aus *divos entstand dius, nu-dius, sondern es enthält ursprüngliches
u, wie diu, diütinus, diuturuus u. s. w., so auch sub diu; aber diurnus-=
*divornus (s. oben JMaurte!); ferner steht calumnia, neben calvi, für
"calvomnia (?) ; cuturnium für *cutvornium (s. gr. y.-jT-apo; = '■'-/.'jtF-),
danach analogisch gebildet: gutturnium; faustus = *fa(v)us-tus aus
'^favostus; aber auch ürina = *v5rina, s. ind. väri (anders oben
Kret Schmer); ob-turare = *ob-tvörare, s. gr. jcüpo; =*TFu)p6c; surus =
*svöros, s. ind. sväru Pfahl; subüra zu uTiFojpeio;: vier Fälle, die
zeigen, dafs ör regelmälsig zu iir wurde (Ausnahme ignöro; Suffix
-tör- u. s. w.; doch -türa, s. oben!). Anlautendes vor wurde itr z. B.
urgeo -^ *vorgeo, Wurzel verg (doch vorto, vorsus mit Ablaut?); ur-
runcum zu o-üpa/o; = Fopa-a/o; (a = n?), Wurzel vers; urbs zu persisch
vardana-: urvus zu ind. vrgina- (doch osk. uruvu!); auch nach Guttu-
ralen: curro = qvrso, s. equirria =- ""equi-quirs-ia; vielleicht gurdus =
•grordus oder gvijdus; gurges zu ahd. quercha oder gr. ppuy- = *gvrgh-. —
Es folgt ein Exkurs über t' nach Konsonanten: dv wird anlautend b,
inlautend du; /?• anlautend t, inlautend tu (doch nicht ohne i^usnahmen!);
•sra bleibt; sva wird sa('.''); sve bleibt (suescere), ausgenommen se „sich", wo"
V vielleicht schon vorlateinisch geschwunden war, s. got, si-k; dasselbe ist
wohl für sex und serenus anzunehmen, da anlautendes sve sonst zu so wird;
aber severus = ''segverus (.'); sons zu dtsch. „sünde" (anders Brugmann,
s.u.!);sonticus zugr.ayösv-ty.o;; svi wird si z.B.sidus zu lit. s^^dus glänzend;
Lautlehre. (Deecke). 121
sifilus u. s. w. zu got. sviglon, gi". ciFt^cu; sino zu aiir. svina schwinden-,
Situs „Moder" zu mhd. svinen; sinus zu ahd. svibogo (?); sibi; arch.
sis = suis; Sic, si u. s. w.; svö wird so: arch. sös = suös; sodälis zu
iud. svadhä (?): ebenso soleo (mit 1 = dh); aber solidus zu got. ga-suljan,
dtsch.,, schwelle"; solum, soliuni, soleazu gr. uMa, got. sulja — ■■svljä u.s.w. ;
südare = *svoidäre. Parallel den betrachteten u- Verbindungen stehen
ji, ii, auch diese nicht indogermanisch. Im vorhistorischen Latein
ward ji zu i; ii zu i oder durch Dissimilation ie z. B. ebiietas (vielmehr
blieb das korrektere e erhalten!), lienis (später lieuis), variegare; ver-
einzelt mediocris. Die Ausnahmen im Perfekt, wie periimus, petiimus,
erklären sich aus Systemzwang; n blieb teils, teils ward es zu i. — Es
ergeben sich so folgende Orthographieen und Kontraktionen: l.Gäi,
Gräis; Vei, -is; plebei, -is; 2. imperi, aber egregii, wo das i hinter g
vielleicht von anderer Qualität war (s. consilii = *consilji in Versen;
3. gen. Ovis = *ovjis u. s. w,; 4. capis, -it = capjis, -jit u. s. w. ; farcis,
-itis = *farciis, -iitis; capimus ^ *capjimus u. s. w. (nach Brugmann Vgl.
Gr. II, 1055 ist ! Tiefstufe von io); aber caperis = *capjeris, mit e
wegen des folgenden r; ferner ais, ait = *aliis, -it; 5. audis, -imus, -itis
= *audijis u. s. w. ; 6. -icio in Kompositen von jacio; arch. projecitad;
7. alis, alid ^= aliis u. s. w.
Die zweite Abhandlung untersucht die Dehnung kurzer
Vokale zum Ersatz für ausgefallene Konsonanten und zerfällt in einen
negativen Teil, der die Fälle fälschlicher Annahme solcher Dehnung
widerlegt, und in einen positiven Teil, der die wirkliche gesetzliche
Ersatzdehnung nachweist. —
I. Fälschlich ist Ersatzdehnung angenommen in folgenden
Fällen: 1. divisi, viso, casus, esus, ösus, Visus u. s. w. : in divisi hat Dehnung
durch Ablaut stattgefunden, wie injoussi neben jubeo; ebenso in veixi,
vixi neben vigeo (oder Verkürzung im Präsens?); viso ist eigentlich
Futurum = *veiso, wie oeicw; casus vielleicht nach Analogie von ünxi,
sensi (?); esus, ösus, Visus nach edi, ödi, vidi; casa = *skansä, gr. axävä,
zu castra, dtsch. „schanze"; rosa sicher nicht = *rodsa, trotz pooov. —
2. vor ns war schon vorher Dehnung eingetreten (? s. die Erläuterungen
zu meiner Schulgr. S. 9): so a) im acc. pl. -ös aus *-öns für *-ons;
ebenso -Is, -üs; -es aus -*ens = *-ens = -*ns-; b) in den Adverbien auf
-ie(n)s ; c) in den Ordinalien wie vice(n)simus = *vi-cut-(s)-tumo-s, mit
sekundär entwickeltem s wie in potestas = *potent-(s)-täs; egestas u. s. w.,
vgl. Mö(n)stellaria; nst zwischen Vokalen ging in ns über, wie in ve(n)sica,
censor; d) in einzelnen "Wörtern, wie ä(ns)lum; fresus, mäsucius, piso,
scäla, prötelum, töles, tösillae u. s. w.; in -ösus, -a, -um war Natur-
länge vorhanden. — 3. Speziell sind zu erörtern folgende Lautver-
bindungen: a) cn, an nach kurzem Vokal werden zu gn, gm ohne
122 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Dehnung; Ausnahme acu(u)a zu axatva; in conqui(c)uisco fiel das e
aus Euphonie aus; -du, -dinis bei Tiernameu entspricht gr. -rjcuv, -oo'voc,
es liegt also keine Ei'weichung aus tn vor (gegen Thurneysen; s.
Jahresber. 1881 — 2, S. 328); auch die Abstrakta auf -edo, -ido, -üdo
entsprechen den griechischen auf -yjocov, -ovo; u. s. w. ; dagegen ist bei
denjenigen auf -ägo, -igo, -ügo das g wirklich aus c vor n im Genitiv
t-ntstanden, doch direkt z. B. vorcTg(i)nis aus ''"voräc-n-is ; aber pango
ist nicht aus *pacno entstanden; vielmehr ist das n schon vorlateinisch;
s. germ. fanhan (anders Bartholomft, s. u.!). — b) gn, gm bleiben un-
verändert (doch s. c!). Ausnahmen: exämen, wenn es zu exigere ge-
hört; exriminare, wenn zu a?'.o;; poumilio, pumilus, entlehnt aus -07-
jj-aio; (doch s. d!). Die Dehnung vor gn, gm ist nicht allgemein; man
vergleiche noch die Deminutiva wie sigillum von Signum; tigillum von
tignum (s. auch Cocchia ßassegua critica); zweifelhafte Fälle sind cömis,
vielleicht aus cosmis, s. das Quirinaltöpfchen ! ; deui statt *deceni:
tlamma, nicht zu flag-rare, sondern zu dtsch. ^glimmen" (!); flemina,
nicht zu (pKrj-stv, sondern zu dtsch. „blase"; frümen u. s. w. nicht zu
früg-, sondern aus *furmen zu anr. barki, gr. 9apu7?(V); llmare zu ahd.
slimen; temo zu ahd. dihsala — das meiste zweifelhaft! — c) einfaches g
fällt ohne Dehnung aus vor dem Suffix -mulo-: sti(g)- mulu-s; cu-(g)-mulus
zu lit. kügis; fa(g)mulus zu ind. bhag. — d) nach??-, vielleicht i, fallen
c und g vor m und n aus; sonst wird c nach langem Vokal zu g:
lü(c)-meu; jü(g)-mentum , fru(g)-mentum; sü(g)-nien; rü(g)-minare zu
T'-rügere; ferner: fru(g)niscor; pru(g^nus, s. gr. Trpoüixvov; spT(c)-nus, -na
zu spica; aber aug-meutum, reg-num; pro-päg-men; segnis zu gr. ^xa
(vgl. secius zu vjxiaxa). — 4. Dehnung tritt vielfach ein vor wc, ng -h
folgendem Konsonanten (n, m, v, s, t ?): qulni = *quinc-ni (aber
auch oft qulnque); s. qumtus neben QuTnctius; finis = *flng-nis zu lit.
beng-iü ; änus, -ulus = '• änc-nus, Wurzel ind. afic, wie vänus zu ind.
vaüc; hämus, mit unechtem h, gleichfalls zu ind. afic; doch s. Hesych
-/«[jLov -/.afXTTuXov ; iTmus zu lit. li-nkti, lat. linquere, wozu auch iTmes, llmus
„Gürtel", limen; contri(ng)minare; anderes bleibt zweifelhaft; die wider-
sprechenden cognatus, Tgnanis u. s. w. werden durch künstliche Deutung
beseitigt. — 5. tn und dn werden zu 7in: annus ^ 'atnus zu got. a|)n:
cunnus zu x'jt-o;; penna zu pet „tiiegen", während pesna = *petsna ist;
mercennarius aa. ; nie wird tn (gegen Thurneysen, s. ob.) zu nd: fundus
zu air. bond; uuda zu lit. wandu (ind. udnas aus *und-nas); pando s.
I)andus; tendo von ten-, wie fendo von fen- u. s. w.; -ndus des Gerundivs
aus dem part. praes. — -nt-nus (mit Erweichung; s. andere Ansichten
unten beim Verbum !). — 6. pin, hm geben nach Kürze mwt, nach Länge
mm oder nur m: summus; aber ru(p)-mentum, auch rummentum; glii(b)ma;
sqüäma zu dtsch. „schuppe"; lamentum (V); aber ämitto nicht von ab;
Lautlehre. (Deecke). 1 23
ammeutiim, ämentiim, Glosse admentum — •''ad-s-mentum (?), doch s. ad-
iiiittere; vgl. II, 1, c. — 7. rZ, gl bleiben, oder werden, mit dem Stirara-
laut des 1, zu cid, gul: er, gr bleiben ebenfalls oder werden in bestimmten
Fällen zu cer, ger; daher: cülus -^ air. cül (nicht -= /cuxXoj); mülus ^
[luyXo;; ex-ilis zu cc/rp; telum — *tex-lum, s. t6;ov; möles zu [jlwXos;
v;Trus nicht zu Wurzel ind. vaüc (s. Bezz. Beitr. VIII, 141). Schein-
bare Ausnahmen: vllla ^= *vTcla (eher = *vTnla)-, vervella neben vervex
(eher = *verves-la); paullus nicht zu pauc-us, sondern zu -^m^oz (?). —
8. üvere, üllgo, ümor s. II, 1, c u. e; mävis, -volt nach Analogie von
mälo. —
II. Bei "Wegfall der Spiranten s (0) und 7t vor Konsonanten,
mit denen sie Position bildeten, werden kurze betonte Vokale gedehnt,
d. h. an die Stelle der Positionslänge tritt Naturlänge. Falsch (?) ist
der Eintritt der Länge nach Wegfall von c, b, r, g vor Doppelkonsonanz,
^Yie in sescenti (=*secs-); süscipio (=*subs-); Fü(r)scus; fülmen (von
fnlgere); ebenso in förtis = forctis; törtus u. s. w. ; auch ürsus =^ *urcsus:
nilmentum von fulcire; dagegen gehört västus zu ahd. wuosti; misceo
(wenn richtig) zu [i-f/cuuij-t; vi(c)s-cum zu Fi^oj (mit i?); füscus nicht zu
furvus u. s. w. ; es werden dann noch eine Reihe Ausnahmen widerlegt.
Als Beispiele echter Dehnung werden angeführt. 1. s, resp. z\ auch x:
a) vor d z.B. dldere; edere = *esdere = *exdere; Idem, quidam (aber
ejus-dem u. s. w. ; weil loser verbunden), nidus, nödus, pedere ('?),
sedecini. — b) vor l: neu etwa: älea zu ind. akisa-; ilia zu i|u?; päla
zu pas-tinum, sl. pachati (?); pälari zu dtsch. „faseln"; vilis zu dtsch.
„Wechsel" (?). — c) vorw (doch auch Kürze mit mm): neu etwa: sufflämeu
zu gr. dXa'afxa (schon Pott); ümor = *uxraor zu ind. uks; remus^
*ret-s-mo-s mit euphonischem s, wie im folgenden; cacümen = *kakud-
s-men; lämina, auch lammina, zu dtsch. „latte"; rä,mus zu gr. paöa[xvoc;
mamma, mämilla zu [xaCo?. — d) vor n: pänicula zu dtsch. „faser";
prüna zu ind. pru5; sacena zu ahd. sahs; nie werden sm, sn, zu rm, rn.
— e) vor v: üvere = *üxvere s. umor; demnach Minerva nicht = *Mines-
va: larva nicht zu Lar (?). — 2. /«, vor j, 1, m, n, r: fjlum zu Wurzel
dhigh; mülus (s, oben!); velatura (vellatura), veles zu vehere; aränea;
läna zu XayvYj; flämen (ml.) = ind. brahman (von Leo Meyer); plüma
zu dtsch. „flug"; träma zu trahere; vömis zu preufs. wagnis; fömes zu
AVurzel dhagh; Ausnahme figmentum, spät nach pigmentum (aber
pimentum!) — Den Anhang bildet ein Exkurs über jubeo, wonach
joubeatis im S. C. de Bacch. 27 Schreibfehler nach jousiset sein soll (?).
So geistreich eine ßeihe der obigen Ideen ist und so schlagend
manche Etymologie, so sind doch' vielfach entgegenstehende Momente
nur ungenügend berücksichtigt worden, und die Ausnahmen sind nur
mangelhaft aufgeführt oder erklärt; auch wechselt der Verfasser selbst
124 Lateinische Grammatik. (Deecke).
seine Anscbauuugen bisweilen von einem Aufsatz zum andern (s. die
fiüheren Jahresberichte!). Es wird jetzt von den Sprachforschern gar
zu oft ein neuer Gesichtspunkt, der auf den ersten Blick etwas Be-
stechendes hat, ohne Umsicht rücksichtslos durchgeführt, mag biegen und
brechen, was da will. —
Kleineren Umfang, gemischt mit Flexionsuntersuchungen, hat die
Abhandlung:
W. Meyer, Kleine Beiträge zur lateinischen Grammatik. In Kuhns
Zeitschr. f. vergl. Sprachf. Bd. XXVin, S. 162—176.
1. Zur schwächsten Stufe der n-Stllmme: lat. pollen,
pollis aus *polu- , neben polen-ta; fuUo, fellis, puUus, alle mit 11 = In ;
andrerseits pannus aus altem *pänö(n), Gen. '-'pannos, s. pannibus,
pannunculus; amnis zu *abhö(n), *abhn6s; dom(i)nus durch Ausgleichung
von *dübenos. Gen. domnl. — 2. ös aus *ost; Gen. *ostis, dann nach
dem Nomin. *osis, daraus ossis (! s. andere Erklärungen unten !). — II— dv,
Iv: mel = *med(u), Gen. mellis= *medvis; culleus = *kulvei_os, gr y.oyXsös
= xoXF-; pallidus zu lit. palvas; mullus zu lit. mulvas; pollere zu
ToAuc, -oXX- = 7:oXF-; anguüla zu e-|7£Xu? = *enghelnä, angeleimt an
anguis; sollus = oSXo?. Scheinbare Ausnahmen: mit s: hel(s)vus zu lit.
gelsvas; Silva zu uXr, = *gul(s)vä, mit Vokalsclnvächung aus Verbindungen,
wie in silva, de' silva (!); ferner mitSj^nkope: malva zu jj-aXa/r,; pelvis
zu ind. pälavi; calvus zu Calavius, iud. kulvas = *kalivos (?): endlich
mit V aus u: solvo, volvo, milvus; gilvus zu ind. gaunis. — 3. Zur
Konsonantengeraination u. aa.: nn = Dental (auch s) + n (s. oben
Eröhde!); dahin auch transen-na zu AVurzel at,, gehen"; annona zu got.
asans (?); pinna zu piscis (s. u. Brugmann); cunnus zu xujöoj;
cachinnus zu xa^/aCw = -ijdiö u. s. w. Zur Beseitigung scheinbarer Aus-
nahmen wird angenommen: kurzer Vokal -] Dental + sn giebt Kürze -H
nn, so dafs penna auch ^ petsna sein kann (aber pesna!); kurzer Vokal -r
sn, rn, Guttural + sn giebt Länge + n z. B. lena = *leg-sna zu Xa7(j)vo;;
cäuus =*casnus; penis = *pesnis u. s. w. ; ts nämlich wird zu ss, dies mit n
zu sn (tonlos), daraus nn; Guttural mit s wird zu gs, dies mit n zu zn
(tönend), daraus Länge -i- n (dies alles ist nicht haltbar!). — 4. dh + i
wird zdh, s]), endlich st z. B. aestus zu eidh; custös zu keudh; hostus,
hasta zu ghedh, ind. gadhja- festhalten; manifestus, infestus zu bhedh;
neben ns in infensus, defensus aus -nst, wie in censor (s. ob. Fröhde);
die scheinbaren Ausnahmen divisus, lassus, fossus, gressus kommen nicht
in Betracht (V); credo ist = *crez-do, ind. grad-dhä- (mit-do statt-dho);
battere nebst fusti8(ü = ö?) zu bhedh-t-(?); västus = gäl. fad aus *vaz-
dos = *vad-dhos =^ *vadh-tos von Wurzel vedh erheben, wozu vielleicht
auch ind. üdhr „Euter" (!). — 5. -idus aus einem s-Stamm mit-do- von
Lautlehre. (Deecke.) 125
Wurzel dö z. B. frigidiis = ^-ges-do-s ==-gez-dos „Kälte gebend" (vg-1. schon
Corssen!); hlcidus = 'lüces-dos; ebenso frIgedo=*frTgesdo,Gen.-ged(l)nis=
'-gesdnos: daher steht neben diesen Bildungen gewölinlich ein Maskulinum
auf -or, -öris aus -ös, ^'^-ösis; libido statt -edo nach cupido von ^cupire,
s. cupivi, -itum; formido, ördo dunkel (die Erklärung des letzten Wortes
bleibt unklar). — 6. Etymologisches: bös statt *vös oskisch (!);
vielleicht auch bitümen; bilis zu lit. dvylas „schwarz" (?); viverra,
ein slavisches (?) Fremdwort, s. lit. vovere; dam(m)a keltisch oder ligurisch,
zu dtsch. ,,gemse, gams"; lam(ni)ina zu dtsch. „latte" (s. ob. Fröhde!);
scurra zu ahd. scern; s. rr-=rn auch in cerrus neben cornu; sarrare
neben sl. chraniti „bewahren"; 11 = hl in per-cellere, s. clädes, gr. y.Xao-;
sallere zu dtsch. „salzen"; mollis (vgl. ob.); pilleus zu dtsch. „filz", aber
7:1X0; = *pilsos?; ferner: sappinus (schon bei Kato), ligurisch oder gallisch
sap — pinus; siccus = *sitcus zu sitis; peccare = *ped-care (?) ; floccus —
*tlod-cus, s. gr. cpXa!£iv; dann: prerao =^ *per-dh-mo zu -opi)[xo?, eig.
Meerenge (!), wie dormio = *dor-dh-mio zu öocpöävcü; bestia zu lit. dvesti
atmen (s. animal von an atmen); nütis zu mei nafs sein; for(c)tis,
hor(c)tari zu dhergh fest seiü, ind. darh; cevere zu kiev, lud. cju; floces
zu lit. zlauktai ; fremere zu -/peixi^s'-v ; förmica statt -meca (s. sübtilis zu
tela u. s. w.), gr. [xupfxrjC assimiliert aus *9up[ji.r,; ; gemere zu i£[jL£tv;
imber zu dcppoc, ind. abhra-; laetus zu kelt. leit weifs (?); laus zu körn,
laud „joyful"; macer zu |xa-/p6?, dtsch. mager; larix, laridus zu
lit. laszas Tropfen; rigere zu lett. sa-rikt gerinnen; rudere zu litt, rüdau,
rüsti brüllen; rüga zu lit. rcziu schneiden; runcare (aus *roncare) zu
lit. rinkti sammeln. — Auch hier bleibt vieles, soweit es nicht schon
von früher her feststeht, unsicher!
0. H 0 f f m a n n, Zur indogermanischen Lautlehre. In Bezzenbergers
Beitr. z. Kunde d. idg. Sprachen, Bd. XVIII, S. 149—159.
1. idg. 2, «5. «3^^ iiQ<i ^v, gv, ghv im Anlaut. Lat. pTus zu
ved. cäjü- (schon S. Bugge), piare zu cäjate, gr. t(£)i'co, dial. -ö-'w, got.
fijan zu einer Wurzel kvei,, nicht qei; ör^p, dial. '.pr,p, lat. ferus, genn.
ber Bär, zu idg. zhver, nicht a^her. Der Widerspruch von quatuor zu
idg. kvetvor wird ungenügend zu beseitigen versucht. Ferner wird ge-
zogen: populus zu *kvelo-, ind. küla, gr. teXo?, dial. a--£XXa, germ. folk;
festus zu *ghvedhij3- bitten, gr. 9£aT6c, dial. 903x6;, got. bidja-; fenus =
*ghveno-s, s. gr. a-<p£vos neben £'j-i)£V£a>. — II. gehört nicht hierher. —
III. von S. 156 an (gegen K. Brugmann, Vgl. Gr. I, 54): Lateinisches
unbetontes ew, em(auch = n) in geschlossener Silbe gelitin in, im
über; durch Analogie auch in betonter Silbe z. B. Präposition und
Negation in (ingredior, incültus — der ältere Accentstand ist nicht
berücksichtigt!); andrerseits: intiraus u. s. w. (desgl.); in betonter ge-
126 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
schlossener Silbe geschieht dies nur, wenn ein Guttural folgt, doch
nicht vor Labialen aus q- Lauten, also einerseits: -mentum; -ens, -entis;
argentum, centum, commentus u. s. w.; gens, mens u. s. w. : temiis zu
ind. tanvi (wb.) ; tempus ^^ *teüqos zu got. j^eihs =- "|)inhs; andrerseits:
Suffix -inquus, quinque, cingere, clingere u. s. w. Ausnahmen: in, im
vor Doppelkonsonanten, wie viginti u. s. w.; aber templum, membrum
u. s. w. !; juvencus nach juvenis (?). Überall ist hier die ursprüngliche
13etouung nicht berücksichtigt worden: auch ist die Verwickelung nicht
gehoben.
Von auswärtigen Forschern führe ich an:
L. Havet, Melanges latines. Extrait des Meraoires d, 1. See. d.
Linguistique, T. VI, fasc. 1 ; Paris, Imprim. nation. 1885, 34 p.
Einzelne Bemerkungen über Lautlehre und Etymologie: L über
die Betonung der Anfangssilben s. S. 116 u. 112! — 2. au aus on
in avilla, avis, lavo, caveo, cavus, paveo, faveo (zu gr. i)oo?!), favilla,
Favonius, favissa, gravis (?); ferner in auris, lautus, autumo, vielleicht
in frans, favus (zu yoT]!); dagegen ovis aus dem Griechischen entlehnt;
auch Ovare zu gr. sua^stv, mit ov aus ev. — 3. patruus ^= *patr-avus (?) ?
4. vesci zu [joaxeaöai (anders G. Meyer, s. u.); 5. cavilla zu y.oßaXoc,
Wurzel kogv; ervum, opo^-Joc = *erogv- ; doch s. ahd. araweiz!; 6. pejero
von pejor, danach dejero (doch finden sich verba derivativa von
Komparativen erst im afrikanischen Latein!): 7. aestimare von '"'■aes-
tuma „Bronzezerschneider"; 8. Lehnwörter aus dem Griechischen:
bos, taurus, vitulus; ovis (s. 2); bracchium, latera = Xa-apa (?); 9. der
Quantitätswechsel in aries, -ietis u. s. w. ist alt und beruht auf Stamm-
abstufung; vgl. gr. aXc6-r,^, -exo?, und vöx mit gr. Gen. o-6c; 10. Juno
Söspita, volksetj^mologisch für Seispita (inschriftlich); 11. Faunus zu
zvi-^-fi: 12. modus, Gen. *-eris (s. moderari) Melodie = gr. ixiXoc, ver-
mengt mit modus Mafs; 13. melior zu gr. fxaXXov; s. xpsiorffwv neben
y.paTo?; 14. Vokalassimilation, progressiv in alacer, elementum, volumus
aus *volomus, sonst -iraus, -mus: 15. lucrum eig. Lösung, Bezahlung zu
Äu-rpov; 16. -aris (aus -alis) durch Dissimilation; ebenso -crum, -rum,
-brum, -rare (?); 17. vacca = *vet-ca: s. FixaXo?; 18. arfui-= '''an-fui;
Carmen — *canmen; germen — *gen-men(?): 19. suäviörem mit Umspringen
der Quantität aus *suädTosm (?); 20. imbuo =-• i|xcpua); 21. beluaaus bes (s.
liestiaj und Ina Löwin ---= *)ÄVy. (!): 22. Vor gn und gm wird e zu i z, B.
Signum zu secare, Demin. sigillum; tignum zu tec- in texere, tigillum,
aber es tritt keine Längung ein (s. Cocchia); 23. die Perfekta cävi:
fävi, lävi, -pävi.sind ^ *cav-vi n. s. w.; ablui = *ab-lavvi; 24. Bisweilen
entspricht ui dem gr. u. — Sehr vieles hiervon ist wieder unsicher oder
zweifellos irrig.
Lautlehre. Vokale. (Deecke). 127
Enr. Coccliia, Eassegna critica di filologia e liuguistica. Torino,
Loescher, 1887, 113 p. 8.
I. Vok. Valeri wie der Genitiv (s. S. 116!). —II. Über alt-
lateiuische Betonung(s. S. 115!). — III. Über die im Romanischen
sich reflektierende qualitative und quantitative Differenz des lateinischen
a. Der Verfasser nimmt mit Seelmann für das klassische Latein nur
letztere Differenz an. — IV. Ob / zwischen Vokalen die vorher-
gehende Silbe längt? Ja! Auf S. 44—45 wird eine beweisende
Zusammenstellung der ursprünglichen Kürzen und Längen gegeben. —
V. Das (jn wurde nicht nasiliert, doch mouilliert gesprochen (s. ob.).
Längung des vorhergehenden Vokals ist, wie die Zusammenstellung
S. 69—70 zeigt, nicht sicher (gegen Marx, s. S. 113!). — VI— IX gehören
nicht hierher.
Was die Vokale im besonderen betrifft, so enthalten keine
■wesentliche Förderung:
P. Eeynaud, le veritable Systeme vocalique iudo-europeen , in
der Rev. d. Lingu. 1890, Januar, März — April.
Derselbe, les grandes lignes du vocalisme et la derivation des
langues europeennes, Paris, Hachette, 1890;
vgl. die Anzeige von G. M(eye)r im Litter. Centralblatt 1890, S. 1296.
Aus dem Englischen gehört hierher:
C. A. M. Eennell, Indo - european vowel - sj^stem (reprint),
London 1889, 33 p. 8.
Bedeutend wertvoller ist :
E. E. Wharton, on the vocalic laws of the Latin language,
3 Artikel in den Transact. of the Oxford Philol. See. 1888—1890,
p. 43 — 58. s. den Nachtrag!
Über die Ablautreihen im Latein s. oben Hübsch manns
„Vokalsystem"; über die Vertretung der sogen, sonanten Nasale
und Liquiden s. B echt eis „Hauptprobleme".
Gewisse Eückschlüsse auf den Vokalismus des klassischen Lateins
gestattet:
W. Meyer, Zur Quantität und Qualität der lateinischen Vokale.
Kuhns Zeitschr. f. vergl. Sprachf. Bd. XXX, S. 335—345.
Vorwiegend freilich enthält die Abhandlung aus dem Romanischen
erschlossene Ergebnisse für das Vulgärlatein. Die Längung des
Vokals vor gm, gn wird gegen Havet und Cocchia (s. dort!) aufrecht
erhalten. — S. 342 heilst es: «Im Altlateiuischen waren die betonten
Vokale im Hiatus je nach ihrer Herkunft lang: oder kurz. Dann trat
128 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
wie vor mclirtaclier Ivonsouanz (nur metrisch?) Verkürzung ein, ohne
flal's jedoch die alte Qualität dadurch verändert wurde. Nur altes i
blieb i und fällt dadurch mit \ zusammen. Auch die alten e und <".
bleiben geschlossen; nur vor i und u entstehen (j und o durch Dissimilation,
dringen dann aber w'eiter vor". — S. 344: „Ererbt besai's das Latein
ein e und i, kurz oder lang, betont oder unbetont, aber nur von einer
Klangfarbe. Erst als die Sprache schon schriftlich fixiert war, traten
ijualitative Differenzen hinzu: e wurde zu e-, e zu e; i zu i; i zu i;
tonloses e wurde vor r zu q, sonst zu e. In gebildeten Kreisen,
wesentlich unter dem Eiuflufs der Metrik, blieb der alte Quantitäts-
unterschied, ja überwog die Qualität; nur e wird im allgemeinen durch
e; e durch i wiedergegeben; danach ward auch das tonlose e reguliert
z. B. mereto wie m^'nus" u. s. w.
Ich schliefse hier gleich an, vom selben Verfasser herrührend:
W. Meyer- Lübke, o und seine Verwandlung in u im Latein.
Zweiter Aufsatz in den Philol. Abhandlungen, H. Schweizer-Sidler zur
Feier des 50jährigen Jubiläums seiner Docententhätigkeit an der
Züricher Hoclischule gewidmet von der 1. Sektion der philos. Fak.
d. Hochsch. Zürich. 4. Abhdl. Zürich 1891, 79 S. 4.
Der Verfasser sucht die Gesetze jener Vokalwandlung auf und
erklärt die Ausnahmen, Erledigt ist die schwierige Frage nicht,
namentlich der Wechsel von or und ur; s. Schuchardt Litt. Bl. f.
germ. u. rom. Philol. XII, 412 ff.
Ich erwähne ferner, im Anschlufs an die erste Schrift Meyers:
J. Stadelmauu, de quantitate vocalium latinarum terminantium,
Dissert. von Zürich, gedruckt Luzern 1884.
Die schwankende Quantität so vieler lateinischer Endvokale hängt
mit der Eigentümlichkeit der lateinischen Betonung zusammen, dieselbe
im Gegensatz zum Griechischen für die Stellung des Accents unbe-
rücksichtigt zu lassen. Die Feststellung der Quantität in Prosa unter-
liegt daher besonderen Schwierigkeiten ; auch scheint nicht immer die
Länge das Ursprüngliche zu sein, namentlich nicht beim i und u. Die
obige Untersuchung ist daher, obwohl sie mehr in das Gebiet der
Prosodie gehört, doch auch für die Grammatik nicht unwichtig. Im
ganzen hatte Corssen zu viele Kürzungen angenommen. Nacli ab-
gefallenem Konsonanten bleibt z. B. die Länge; ebenso in einsilbigen
"Wörtern. Von den jambischen Wörtern aus hat sich die Kürzung
weiter verbreitet, z. B. auf das -a, -ia der Neutra der e/o-Stämme
(eher von den konson. Stämmen aus!). Ob die Ablative auf -e In-
strumentale sind, ist mir zweifelhaft. Vergleiche noch:
Lautlehre. Vokale. (Deecke). 19()
F. Y. Edgeworth, observatioiis relating to several quantitles.
Hermathena XIU, p. 279 ff.
Hier glaube ich auch am besten erwähnen zu können:
G. Gröber, Verstummung des h, m und positionslange Silbe im
Latein. In den Commeutationes Wölfflinianae, Leipzig, Teubner 1891,
410 S. 8; 24. Beitrag, S. 169 ff.
Bei auslautendem Vokal, m und h vor Vokal trat der Legate-
Vortrag ein, bei konsonantischem Auslaut vor Konsonanten und im
konsonantischen Silbenauslaut der Staccato- Vortrag, im letzteren FaUe
mit Dehnung; bei muta cum liquida nach Vokal mit fakultativer
Dehnung; endlich im Wortinnern bei einfachen Konsonanten zwischen
2 Silben, ausgenommen h. Daher stammen die metrischen Elisionen
und der romanische Lautstand.
Das kurze u behandelt:
E. Ernault, Etudes comparatives sur le grec, le latin et le
celtique. L la voyelle breve on. Poitiers 1885, 20 p. 8.
Die Lautverbindung vo, ve, die er schon früher besprochen
hatte (s. Jahresber. f. 1883—4, S. 141), erörtert von neuem:
L. Havet, vo, ve en Indien prehistorique et en latin. Mem. d.
la Soc. d. Lingu. V (1885), p. 42 ff.
Der von demselben Verfasser in den Melanges (s. oben!) be-
handelte Lautwechsel von av aus altem ov ist in einem besonderen
Aufsatz untersucht worden von:
R. Thurneysen, Lateinischer Lautwandel. Kuhns Zeitschr. f.
vergleich. Sprachf. XXVIII, S. 154—162.
Er erörtert folgende Fälle: 1. octävus; 2. faveo zui* Wurzel bheu;
3. caveo; 4. cavus neben co(h)us, -um; 5. lavo neben lötus, elütus (ver-
mengt mit luo); 6. favilla neben foveo; 7. avis neben oFtcovo;; 8. Favi,
alt Fovii bei P. Diak. Exe. F. 87 M. — Die Ausnahmen werden so er-
klärt: bovis u. s. w. nach bös; ovis (entlehnt?) neben regelrechtem
avillus, au-bubulcus; auch ö-pilio (üpilio) ist korrekt (s. ob. Havet);
Ovum ist = *öivnm aus *övium = (uFiov (?). — Bisw'eilen hindert
auch ein zwischenstehender Konsonant den Vokalwandel nicht : 1. valvae
neben volvere; 2. salvus neben sollus, sölus, sölari, solere, solidus;
sollemnis von *sollem(i)nus, Partie, von einem Verb *solleri, durch An-
lehnung an annus: sollennis; 3. vacare neben arch. vocare; s. vacuus. —
Exkurs I. vo nach Vokal wird zu u: Gnaeus; Gaius (aus *Gavios,
■'"Gaivos); deus (S. 155). — IL ou ward ö, nicht direckt ü: nönus,
mötus, fötus, glöria (= *clousia), tötus (S. 156). — III. au aus ö in
cautes, plaudo, ausculari, cauda, caupo, aula, claudus, fauces, Plautus,
Jahresbericht für Altertumswissenschaft. LXXVn. Bd. (189.3. III.) 9
130 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
liaurii'e: umgekehrt vulgär ö aus au in örum -r. aurum u. s. w. — Siehe
hierzu oben Havets Melanges 2 u. Kretschmers Exkurs über öu;
auch Wharton, Voc. laws, im Nachtrag.
An den Exkurs I schliefse ich an:
Fred. D. Allen, Gajus or Ga'ius. Harvard Studies in class.
philology. Vol. n, Boston 1891; p. 71—87, 8.
1. Ursprünglich Gävius, wie die italienischen Dialekte zeigen. —
2. seit 190 v. Chr. Gäius, in den Provinzen zum Teil erst später. —
3. Gaius blieb die Aussprache bis mindestens 100 n. Chr., wenigstens bei
den Gebildeten; Grund unbekannt.
Mit dem i, i und j beschäftigt sich auch:
C.Pascal, di alcuni fenomeni dell' I greco-latino, in der Riv. di
filolog. XX, 18 ff. (j blieb nur nach langem Vokal).
Über vu, Konsonanten -|- v, ji s. oben F. Fröhde, Zur lat.
Lautlehre.
Den Übergang zu den reinen Konsonanten machen die sonanten
Nasale und Liquiden, deren Berechtigung in neuster Zeit wieder ernstlich
in Frage gestellt wird. Vergleiche hierzu aufser dem oben citierten
Werke von Bechtel und Kretschmers Aufsatz II:
C. A. M. Fennell , Brugmanns theory of the nasalis sonans. Class.
Rev. V, 451 ff.
G. Dünn, the nasal sonant. Class. Rev. VI, 189 ff.
A. Meillet, n, in en latin. Mem. d. 1. S, d. Lingu. VII, p. 167 ff.
Die sonanten Nasalen hielten sich im Italischen bis ziemlich spät.
3Ian hat lat. en = en und en -- n zu unterscheiden, z. B. quinque =
*kvenkve: lingua = *dnghvä; auslautendes -en, -em ward -in, -im;
ausl. -ij, m ward -en, -em, z. B. nonien, patrem. Assimilation liegt vor
in: viginti, similis, limpidus, siniplic- (aber undecimV).
Andi-erseits hat man jetzt auch ein vokalisches z aufzufinden
geglaubt :
R. Thurneysen, Vokalisches z im Indogermanischen. Kuhns
Zeitschr. f. vergleich. Sprachf. XXX, S. 351-53; vgl. Osthoff
ebdt. XXIII, S. 87 ff.
Als Beispiele fürs Lateinische werden angeführt: frivolus,
fi'iare - "^frijare zu gr. yptu) aus *ghrzjö, weitergebildet fricare;
hordeum zu gr. -/plOr] ---= *ghrzdhä; trivi = *trlgvi, tritum = *trig-
vitum, dazu auch triticum und -trio in septemtrioues = *trlvo,
zu gr. -p/;ioj = *trzg^rv, pol-luere oder po-lluere nebst lustrum
-Pfütze" von einer Wurzelform zlü-, s. gr. iXu-;: daneben zlü oder
slü, 8. saliva; frigere zu ^bhrzgö = gr. op'j-.co (mit u statt l wegen der
Lautlehre. Konsonanten. (Deecke.) 131
Nähe des 9); zweifelhaft: gero, gestus, wenn zu gr. dc7lv£(o, «-(osroc;
nillia = [xOpioi (wieder ü statt i wegen des [x), wenn zu ixsuto;.
Vgl. auch:
F. G. Plaistowe, on sonant z. Class. ßev. V, 253 tf. (Bestätigung).
Von den Konsonanten im allgemeinen handelt:
E. R. Wharton, on Latin consonant laws. Traiisact. of the
Oxford. Philol. Soc. 1888—90; N. 3.
Die wichtigste und viel behandeltste Frage ist dabei diejenige
über die Gutturalreihen. Für das Lateinische speziell ist sie er-
örtert worden in:
Phil. Bersu, Die Gutturalen und ihre Verbindung mit v im
Latein. Berlin 1885, Weidmann. 234 S. 8.
Nach einer Einleitung über den Stand der Guttui'alfrage be-
handelt der erste Teil die Geschichte der Labialaffektion der
Velaren Gutturalen, und zwar aufsteigend zunächst im historischen
Latein, wobei die Abhängigkeit des labialen Nachklangs von folgendem
u, 0, a, e, i und Konsonanten durch möglichst alle Beispiele verfolgt
wird; dann im vorhistorischen Latein, wobei besonders der Einfluls
folgender Konsonanten oder Vokale (u, 0, a, e, i) auf die Labialisierung,
ihre Erhaltung, ihr Entstehen, iJir Verschwinden zu eingehender Be-
trachtung kommt. Der zweite Teil hat Alter und Ausdehnung des
Labialisierungsprozesses im Latein selbst zum Gegenstande, und
zwar erstens die Labialisierung, zweitens die Labiallosigkeit.
Das Ergebnis ist im wesentlichen folgendes: Aus dem Latein ist zu er-
schliefsen, dafs v hinter velaren Gutt oralen ungefähr in gleichem Um-
fange aufgetreten, wie unterblieben ist, und zwar hält bei der media,
media aspirata, und inlautend bei der tenuis, die Labiallosigkeit der
Labialisierung so ziemlich das Gleichgewicht; nur im Anlaut über-
wiegt weitaus das nicht affizierte k. Bei der allgemeinen Voraus-
setzung nun, dafs die Affektion das Reguläre sei, würde die Ausnahme
ebenso stark, eventuell stärker sein, als das Gesetz, d. h. das Gesetz
existiert nicht. Die aus der Ursprache überkommenen velaren
Gutturale sind vielmehr in Westeuropa in zwei Reihen auseinander-
gegangen: die eine entwickelt ihre tiefere Klangfarbe zu einem labialen
Nachklange, die andere blieb rein. Nach den von Bersu gesammelten
westeuropäischen Beispielen blieb die Affektion in 105 Fällen, fehlt in
150. In den Einzelsprachen dauerte der Labialisierungsprozefs weiter
fort, erlosch aber auch in ihnen: im Latein ergiebt sich das Verhältnis
von 34 zu 14 Fällen.
Die Schrift, eine gekrönte Preissclirift, ist fieifsig und sorgsam;
nur wird auch hier zu viel mit fingierten Formen und mit der Analogie
9*
-[)]2 Lateinisclie Grammatik. (Deecke.)
gearbeitet. Die Frage selbst ist nicht befriedigend gelöst, da für dit-
Labialisieruüg keine Gesetze gefunden worden sind; auch scheint die
ganze Sache, wie die zunächst zu besprechenden Schriften beweisen, viel
verwickelter, als selbst Bersu sie erfafst hat.
Ich erwähne zunächst:
A. Bezzenberger, Die indogermanischen G uttural reihen , in
desselben Beitr. z. indog. Sprachforschung XVI, S. 234 — 2G0.
Es werden hier zunächst 3 Eeihen von Gutturalen unterschieden^
deren zweite und dritte aber wieder doppelt sind, je nachdem sie palatale
Affektion erleiden oder nicht, so dais eigentlich 5 Reilien entstehen.
Im Lateinischen fallen die 1. u. 2. Hauptreihe zusammen, während
die 3. vielgestaltig erscheint: nämlich 1. q, z, zh = lat. c, g, h; 2 a
u. b: k, k; g, g; gh, gh = lat. c, g, h; 3 a u. b: q, q-, a,, r?,; aji, dji
= lat. q(c), b(v, g), f(b, gu, v). Eine Anzahl Etymologieen sollen diese
Ansätze bestätigen: fürs Latein befinden sich darunter: seques-ter, secus
zu ind. säcä „mit", ii*. sech „praeter" (anders unten Zimmermann);
baetere zu av. gaeth, lett. gaita; faraulus zu lit. gimine familie; caterva
zu ir. cethern, asl. cetä; callus = ind. kina „Schmiele"; callere, -idus
zu kyrar. call ,,astutus", ind. kaläjati er bemerkt; callis zu gr, xsXsuöoc,
kymr. celydd Genosse (?); calpar ist kein Lehnwort, sondern verwandt
mit gr. y.aX-y), --i;, ind. karpara-, kharpara-; clädes zu gr. xXaoapo;,
-p£'j£tv, kymr. claddu ich grabe, russ. kladu ich verschneide; marcere,
-idus zu lit. merkti einweichen, lett. märka Flachsröste; habere zu
v-'/aöo;, 7asio;(?); violare zu ^Tvecü, ind. ginäti er überwältigt; bitümen
zu ind. gätu-Lack; anr. kvädaHarz; carmen zu dor. y.apu;, ind. krirü-(?);
cälidus „weifsstirnig" zu cäligo, s. gr. xr^Xac (?) ; uncare = ovxaofxat,
sl. jfjcati; catinus zu gr. xotuXt], ind. catant sich versteckend (?); gerro,
ganire zu gr. osipi^v, ind. garate er rauscht; cingere zu lit. kenge Klinke,
gr. xo[i.'-io;(?); valere zu kj^mr. gwaladr (d. i. *valatros) Oberherr, dtsch.
„walten"; favilla zu gr. T£(ppa, idg. dhagh brennen; grex zu ir. graig
Pferdeheerde; gr. vap-^apa u. s. w.
Einige Ausnahmen in der Gutturalentsprechung sucht weg-
zuräumen :
Osk. Wie dem an n. Zur Gutturalfrage. Indogerm. Forsch. I,
255—57.
Er nimmt ein idg. qv an, verschieden von q mit Labialisierung:
jenes giebt lateinisch v: so in vapor von Wurzel qvep; in-vitus, in-vitare
von Wurzel qveit. Dagegen liegt in vermis (trotz ind, krmi-), vellere,
verrere ursprüngliches reines v vor. Vgl. liierzu unten .1. Schmidt,
die griech. Ortsadverbien auf -ui u. s. w.
Lautlehre. Konsonanten. (Deecke). 133
Kleinere Beiträge zur Gutturalfrage enthalten noch:
C. Blick, 9r^p, fera and the Greek and Latin representatives of
Indo - European initial palatals. American Journ. of Philol. 1890,
p. 211 ff.
Sl. zveri, balt. zveris von ghner- zu &r^p, fera. — Ital. k^^ u.
j^a = lat. qu (umbr. ekvine entlehnt); g^ = gu ; idg. gh- ^ ital. y"' aber
idg. ghu = ital. yu = f : so auch lat. formus, wie fera. Aber es bleiben
Schwierigkeiten: fundere zu gr. yu-; fulvus neben helvus; liumus aus
^hmus, aber osk. huntruis u. s. w.
Vgl. oben 0. Ho ff manu, Zur idg. Lautlehre.
E. Lenz, Zur Physiologie und Geschichte der Palatalen (Zeitschr.
f. vgl. Sprachf.), besonderer Abdruck, Gütersloh 1887, 62 S. 8.
P. Merlo, Kispondenza di §a del sanscrito a ka del greco e latino.
Milano 1886, Hoepli.
Innerhalb des Lateinischen bewegt sich:
A. Zimmermann, Kann intervokalisches et sein c im Latein
verlieren? Rhein. Mus. XLV, 493—96.
Nach Konsonanten ist dies allgemein anerkannt, z. B. quintus
neben quinque, aber auch nach Vokalen ist es vulgär gewesen, indem
et zu tt, dieses zu t mit Ersatzdehnung ward. Das Italienische hat
die Mittelstufe erhalten z. B. otto, atto, schon im decr. Dioclet. lattucae.
Die Inschriften zeigen beide Stufen z. B. Vittorius und Vitorius, Yitrix,
invito (=invicto); Vectius, Yettius, Yetins mit vielen Ableitungen; Autus
vgl. autor (auch author), autumnus in Mss. ; bei Cicero Coctia lege, aber
Cottius (wenn derselbe Name !) ; fata = facta. Die Eücksicht auf die
etj-mologische Deutlichkeit that klassisch auch hier der vulgären Laut-
neigung Einhalt, doch fiel bei Eigennamen, Adverbien u. s. w. dieser
Grund ganz weg oder trat doch zurück. So der Beiname Natta aus
*Nacta, daneben nacca; Coattenus (?), auch coatores; brattea hat schon
Lukrez; blatta gehört zu lett. blaktis A\^anze; Ambatus, -ta neben
ambactus; ferner setius neben sectius (Gell. XVin, 9, 4—6), so dafs
auch wohl der Beiname Setus nicht immer == Zethus ist, vgl. Setia,
Settidius, Setidius, Setuleia, Setonius (hier ist aber auch an Suetus,
Suetonius u. s. w., Septidius u. s. w. zu erinnern!). Sicher ist auch
xitor neben di Gnixi = nictor; es sollte wohl der Gleichklang mit nictor
„ich zwinkere" vermieden werden (?); vita steht neben victus (doch. s.
vivus!); cuturnix neben cij- und cocturnix zu dtsch. ,,wachtel", die Kürze
wohl nach cötbm-nus (!).
Auch die Dentalreihe hat man zu spalten begonnen, s. oben
Kretschraers t^, t-^h, d , d-Mi, dem s sich nähernd (in der Abhandlung III).
134 Lateinische Giaumiatik. (Deecke.)
Andere Probleme der Dentalreilie behandeln:
Jos. Zubaty, Die ursprüngliche tenuis aspirata deutalis iiu
Arischen, Griechischen und Latein. Kuhns Zeitschr. f. vergl.
Sprachf. XXXI, S. 1—9.
Das ursprüngliche th wird lateinisch zu t: so in rota, ita, iteni
(vgl. ind. ka-thäm), pon(t)-s, cento (zu ind. kautlul Flickwerk); ebenso
wird sth im Anlaut zu st: stare, (s)tegere; im Inlaut dagegen zu ss:
Gen. ossis; Superlativsuffix -issumus aus -istho -^ t(a)mo-s (?). Ausnahmen:
sisto (nach sto), ostium zu ind. östha aa.
E. Seymour Conway, on the change of d to 1 in Italic. Indo-
germau. Forsch. II, S. 157 — 167.
Xach Aufzählung der bisher nachgewiesenen oder wahrschein-
lichen Fälle dieses Übergangs stellt der Verfasser fest, dal's derselbe
dem Lateinischen nicht ursprünglich angehört haben kann, sondern
aus einem der anderen italischen Dialekte in jenes eingedrungen sein
mufs. Nach Eliminierung der übrigen, bleibt nur der sabiuische als
solcher übrig. Wir haben in ihm folgende Beispiele: Di Novensiles;
lepestae, lepista „vasa vinaria" zu oettcx?; den Bach Digentia, jetzt
Licenza; vielleicht auf der Inschrift 1. 1. M. (Zwet.) VI, 3 Zunom statt
duuom; zweifelhaft: rivus Cousuletus zu considere (?); aquae Cutiliae =^
*Quatidiae zu quatere ('?); von scheinbaren Ausnahmen widerlegt sich
idus als etruskisch; fedus -^ haedus bleibt unerklärt; Medullia hat d =
dh = f ; Hadria hatte eigentlich tr (doch s. unten!). Von S. 165 au
werden die lateinischen "Wörter geordnet vorgeführt: 1. nie echt
lateinische J"'ormen, wie praesilium, impelimentum u. s, w. ; 2a. echt»
aber an AVörter mit echtem 1 angelehnt: lingua an lingere; levir an
laevus vir (?); lacrima an lacer, lacerare (?): miles an mille, milia;
olere an olea (?); lautia an lautus; delicatus an deliciae; supercilium
(von cadere .') an -cellere; calamitas an calamus; illlgo an fuligo u. s. w, ;
solum, solea (zu sedere?) an sollus; 2b. entlehnt zugleich mit der
Sache: consul (zu sedere), solium (de?g].), silicernium (desgl. V),
lüdus (V); malus (Mastbaum; sabinische Bäume zum Schiffsbau'?);
Xovensiles (s, oben); larix, laurus; Seliquastra (?); remeligines zu
mederi; pröles zu got. frasts (!); 3, entlehnt, zur Ergänzung des
Wortschatzes: mulier zu gr. [xuSaXeo; (V); baliolus zu badius (?).
Da ein starker Bestandteil der ursprünglichen Bevölkerung Roms
sabinisch war, und auch später noch viele Sabiner zuwanderten, sind
daraus die Entlehnungen und die vulgäre Neigung unschwer zu er-
klären. — Die Beweise des sabinischen Ursprungs aber sind thatsächlich
doch zu schwach, die Etymologieen durchweg unsicher, manche viel zu
Lautlehre. Künsouanten. (Deecke.) 135
gewagt. Man kommt aucli hier mit der angeblichen Ausnahmslosigkeit
der T>autgesetze nicht zum Ziel. Vgl.
E. E. Whartoü Latin 1 for d. Academy 1885, p. 369 f.
Andererseits wird d auch zu r:
Luigi Ceci Appunti glottologici. Torino, Loescher, 1892, 26 p.
Beispiele sind: meridies (mit Dissimilation; s. darüber unten bei
den Etymologieen!); Larinum (oskischV); monerula (zweimal bei Plautus);
apor (marsisch apur); in Glossen auch pror = prod-; zwf. simitur,
igitur (Ablative oder Imperative?); ferner ar==ad, vor f, v, b (umbr.
vor f u. v); Anderes findet sich als vulgär in Glossen, bei Isidor u. s. w.
Klassisch sind nur meridies und arbiter (dessen Etymologie aber dunkel
isti). — Der übrige Teil der Arbeit enthält andere Etymologieen, s, dort!
Zum vulgären Wechsel von 1 und r s. unten Wölfflin Dissimi-
lation der littera canina!
Über den lautlichen Wert der 3 Mediä s. noch:
S. Conway the value of the mediae (b, g, d) in Old Latin and
Italic. Americ. Journ. of Philol. 1891, p. 302 ff.
B, d, g waren altitalisch stimmlos und behielten diesen Laut in
den Dialekten nach der Trennung, oskisch und umbrisch länger, als
lateinisch , wo sie in der geschichtlichen Zeit stimmhaft wurden. Aus
der Stimmlosigkeit erklärt sich die Mengung mit der Tennis: so fehlen
altumbrisch d und g, b ist selten ; oskisch mehrfach k statt g ; faliskisch
p = b, g-=c; lateinisch bis 300 v. Chr. nur noch k(c)u. g gemengt.
Den Wechsel zwischen tenuis und media im Auslaut bespricht:
A. Bezzenb erger Indogermanische Tenuis im Auslaut. Bei-
träge zur Kunde d. idg. Spr. XIV, S. 176—7.
Das im Sanskrit gültige Gesetz der Erweichung auslautender
tonloser tenuis zur tönenden media vor tönenden Anlauten scheint
wesentlich schon indogermanisch gewesen zu sein, und indem in der
einen abgeleiteten Sprache die tenuis, in der anderen die media sich
verallgemeinerte, entstand in ihnen verschiedener Auslaut. Hierher
gehört aus dem Latein: das d des neutr. sg. der pronomina, aus t,
zum Fron, to; das d der 3. sg. im altlat. Verbum, aus t, ti, zu dem-
selben Pronomen z. B. fecid, fhefhakid, osk. fefacid u. s. w.; das d
des abl. sg, in altlat. -äd, -ed, -öd, -nd = -a + ot(o) u. s. w., s. lud.
-tas, lat. -tus; ferner vereinzelt ad = lit. at; ab neben ap-erio, gr. a-o;
snb neben superus, gr. u-o; ob neben op-erio, s. gr. Itti; andrerseits
ist in der Endung von lat. long-iuqu-us neben lit. god-ing-as u. s. w.
die ursprüngliche tenuis erhalten.
Der Rhotacismus im Lateinischen hat die erste tiefer be-
gründende Bearbeitung gefunden in:
136 Lateinische Grammatik, (Deecke.)
R. Seymour Conway Veriier's law iu Italy, an essay in the
liistory of the indo - european sibilants, witli a dialect map ot Italy
by E. Heawood. Londou, Trübner and Co., 1887, 120 p. 8. s. ob. S. 1 14.
Der Verfasser behandelt in eingehender scharfsinniger Unter-
suchung: 1. die lautliche Verwandtschaft von s und r (tonloses s geht
in tönendes z, zh, oder in sh, rh, endlich in r über); 2. s zwischen
Vokalen im TTmbrischen und Oskischen; 3. den Ehotacismus in den
kleineren italischen Dialekten; 4. s zwischen Vokalen im Lateinischen,
nebst Betrachtung seines Überganges in r, und mit Untersuchung des
Accentwechsels. Der Übergang des s iu r beruht auf Zurückziehung,
Erhebung und Zuspitzung des Zungenvorderteils, aus Bequemlichkeit
}iach unbetonter Silbe oder langem Vokal, od^3r durch Einfluls von 1
oder u. Ein Anhang erörtert: die fernere Geschichte des s zwischen
Vokalen im Latein und Eomanischen ; auslautendes s im Arischen; aus-
lautendes s und r im Umbrischen; die Entwicklung des lateinischen
Perfekts (s. unten!). Den Schlufs bildet ein sorgsamer Wortindex. —
Die in der Einleitung zusammengestellten Ergebnisse sind fürs
Latein folgende: Schon im Uritalischeu wurde das stimm- oder tonlose
s zwischen Vokalen nach unbetonter Silbe zum stimmhaften oder
tönenden z (= weichem deutschen s), und so überkam es das Lateinische.
Beim ersten Accentwechsel in letzterem aber (s. oben bei der Betonung I)
wurden zum teil andere s von der Erweichung betroffen, während jene
älter entstandenen z zum teil wieder hart wurden (?); das s aber diente
zum Ausdruck beider Laute. Seit etwa 450 v. Chr. aber, vor dem
zweiten Accentwechsel, der nach 350 v. Chr. anzusetzen ist (?), ging
das z in r über. Nach betonter Silbe behauptete sich das s zwischen
Vokalen, ausgenommen allerdings nach langem Vokal (auch Diphthong),
und nach i und u, vor folgendem i und u z. B. quaeso neben quaeris u. s. w.,
quaerunt; miser, aber dir-imit; doch sind diese Ausnahmen sehr zahl-
reich, und erleiden selbst wieder eine Menge Unterausnahmen, wie quaero,
maereo, dirimere u. s. w. , die auf Analogiezwang u. s. w. zurück-
geführt werden, so dafs schliefslich nicht mehr hindurchzufinden ist.
Vor Nasalen ging s nach unbetonter Silbe ohne Ersatzdebnung ver-
loren, wie in Ca(s)mena; nach betonter Silbe trat vor und nach (V)
dem Jahrhundert der Rhotacisierung Ersatzdehnung ein, wie in ahenus ==
*ahes-nus, dimovet neben älterem dismovet; während desselben ward
s zu r, wie in Carmen, vOrua, diürnus (V); auch dies wieder mit vielen
Ausnahmen und schwer vorstellbar. Freilich sucht Conway alle Eälle,
und ihrer ist eine .sehr grolse Zahl, in denen sich später noch s zwischen
Vokalen findet, durch Analogiezwang oder als Lehnwörter, auch aus
italischen Dialekten, zu erklären; aber ohne die gröfste "Willkür geht
Lautlehre. Konsonanten. (Deecke.) 137
«s hier nicht ab. Dies s blieb, wie alle s überall, bis nach Quintilian
stimmlos, hart. Sehr häufig übrigens ist es aus ss entstanden, das nach
langem Vokal schwächer lautete und sich so vereinfachte. Dies ss aber
ist eine spezifisch lateinische Bildung, aus Dental -r i, die altitalisch tt
ergaben, so dal's die als altlateinisch angeführten BildUDgen mit tt, wie
adgrettus, futtilis, mattus u. s. w., wieder auf Analogie (V) oder Ent-
lehnung beruhen sollen. Pälignisch oisa wird als „unica" erklärt;
lat. caus(s)a auf *caudo zurückgeführt, das mit cüdo verwandt sein
soll. Die übrigen Schwierigkeiten sind zum teil in meiner Anzeige in
der Wochenschrift für klassische Philologie 1888, No. 24, hervorgehoben.
Gewisse Vermeidungen und Wandlungen des r selbst erörtert:
Edu. Wölfflin, Die Dissimilation der littera canina. Archiv
f. lat. Lexikographie IV, S. 1 — 13.
Er geht aus von der Eorm meletrix bei Turpilius und Afranius
(ital. Dial. meltrice); spät, mit anderer Dissimilation, meneris (Arch. III,
539). Die ganze Erscheinung dieses Lautwechsels ist vulgär und daher
auf die romanischen Sprachen vererbt. Aber auch klassisch finden sich
Spuren: 1. Vermeidung des gen. pl. auf -rorum, -rarum; so beim part.
fut. act. klassisch und augusteisch, ausgenommen futurus und Ovid
Met. XV, 835; plurimorum, -arum statt *plerorumque u. s. w.; vielfach
Genitive auf -um; auch Cicero hat liberum in den älteren Reden,
später ist er grammatisch strenger; hierher auch amphorum und triarium,
adversarium (vereinzelt). — 2. Vermeidung von Komparativen auf
-rior, -erior z. B. nicht *ferior, *dirior (erst Tertull.), "mirior, *deco-
rior, *sacrior, *gnarior (erst Augustin) u. s. w.; doch wird vieles ge-
duldet, sogar spätlat. pluriores (doch frz. plusieurs). — 3. Aus der
Konjugation gehören hierher vielleicht teilweise die synkopierten Formen
von fero, wie ferre, ferrem, ferrer; ferner der Abfall des -er im Inf.
Präs. Pass., wenn derselbe von den Formen auf -rier ausgegangen ist (sehr
zweifelhaft!); endlich hat kein mit r beginnendes Verb eine Eedu-
plikatiou. — 4. In der Wortbildung und Ableitung, auch bei Lehn-
wörtern: balbus = papßapoj; gurgulio = 7ap7ap£cuv; balat(h)ro =
ßapaöpov (?); ferner, mit verkürzter Verdoppelung: susurrus neben
murmur; ebenso cicirrus, Mamers neben Marmar, Pabaris neben Far-
faris; mit dissimilierter Verdoppelung: Cancer neben carcer, auch can-
celli; Perpenna = -erna; febris zu fervere (?); dann, mit vulgärem
Wechsel von 1 und r: flagro neben fragro; clustrum neben crustulum;
Suffixe -äris, -ärius neben -älis; -cluni neben -crum; -bulum neben
-brum u. s. w.; vereinzelt: Cere(r)älia; per -creb(r)ui; pistrix = zpi7-'.?. —
5. Zusammensetzung: nie re vor anlautendem r; impraesentiarum aus
in praesentia rerum (?); pe(r)jero; praest(r)igiae; vielleicht prae- statt
praeter-; porrigo aus *prörigo (V) aa.
138 Lateiaiscbe Grammatik. (Deecke.)
Kon soll au tcuverb in düngen sind zum teil schon oben ge-
legentlich besprochen worden: so bei Kretschmer, Indogerm. Accent-
nnd Lautstudien III, 1 die anlautenden Verbindungen von Labialen und
(Gutturalen mit Dentalen ; bei Fröhde Zur lateinischen Lautlehre, erste
Abhdlg., 8 r + Konsonant nach vo; Exkurs über Konsonant + v (dv,
tv, sv); zweite Abhdlg: I, 1 Dental 4- s; 2. ns, us, nt -h t, ns + t
u. s. w. ; 3. cn, cm; gn, gm; 4. nc, ng vor Konsonanten; 5. tn, dn;
6. pm, bm; dm; 7. cl, gl; er, gr; 8. xv, xl, xm u. s. w., s. II; gv;
II s, z, x, h vor Konsonanten; c, b, r, g vor Doppelkonsonanz; W. Meyer
Kleine Beiträge zur lat. Gramm. 2. U aus dv, Iv; Iv aus Isv, durch
Synkope; 3. Dental + n = nn; Dental + sn = *ssn, *sn, nn; sn,
rsn, Guttural -4- sn = *zn, n (mit Dehnung); 4. dh + t = *zdh,
*sth, st; nst = ns (s. oben!); 5. s + d — *zd,^ d; 6. rn = nn; Id = 11:
Dental + c -- cc; rdh -r- m = rm; rc H- t = rt; 0. Eloffmann zur
idg. Lautlehre: I. anlautendes p aus kv; f aus zhv, ghv; Wi e do-
rn ann Zur Gutturalfrage im Latein: anlautendes v aus qv (s. unten
Joh. Schmidt anlautendes u aus quu); Zimmermann: inlautendes
tt, t aus et; Zubaty: sth, anlautend zu st, inlautend zu ss; Conway
Verners law: s ^ Nasal; Dental 4- t. — Vgl. noch Stolz Lat. Gramm. -
iiOlff. ; Schweizer- Sidler Lat. Gramm.- 57.
Ferner gehören hierher:
E. R. Wharton the combination hl in Latin. Academy 188ß,
p. 187 f.
R. Thurneysen Italisches. Kuhns Zeitschr. f. vgl. Sprachf. XXXIL
S. 554—572.
Auf das Lateinische speziell beziehen sich : 4. Ursprüngliches dr
im Lateinischen. Dasselbe fehlt im Anlaut: unsicher ist drua nebst
andruare (Festus): onoraatopoietisch sind drindrare, drensare; (umbrisch
der Beiname Drusus) ; im Inlaut begegnet es nur in quadru-, quadrare,
quadrans u. s. w. — Whartons Vermutung (in den Etyma Latina,
s. unten!), dals dr zu tr geworden, ist richtig, bedarf aber besserer
Begründung: zunächst gehören: taetro- zu taedere; atrox zu odium (?);
nutrire zu ahd. niozan (?; Georges giebt nü-); utro-, utri- zu uSpi'a;
lutra ist ^- ind. udra-, angelehnt an lutum (V); ferner kann das tru-
in trucidare dem keltischen verstärkenden dru- entsprechen ( ? ) ; uterus
steht für *utrus (nach numerus u. s. w.) und dies, =^ gr. ^oepoj, ind.
udäram, trat für *uderus ein, infolge von Vermengung mit uter (s. ob.):
vgl. noch utriculus (zu künstlich!); auch das Lehnwort •/.io^o'; ward zu
citrus. All diesem widerspricht nun scheinbar quadr- neben quatuor:
es ist aber vermengt mit quad- „eckig", zu germ. hvat „scharf"; vgl.
quadrus „viereckig"; die regelmäfsige Verschiebung zeigt triquetrus;
vielleicht auch wurde ein ursprüngliches *quetruquadä- „das Viereck''
Lautlehre. Konsonanten. (Deecke.) 139
zu quadrä- (?): daher käme dann auch das a der ersten Silbe. —
5. dj ward jj = Dehnung mit j: jejünus ist mit falscher Reduplikation
lür "^ejunus eingetreten, = ind. ädjünas „gefräfsig", aus *edi-ünos
„speiseleer" (?); pejor entstand aus *pedjüs, s. peccare ■= *ped-care;
caja „Prügel" = *cajja aus *caid-jci; aemulus == *ad-jemo-los zu ind.
jaraä- Zwilling (verschieden von vi-gämau-, wozu gemini). Alles dies
ist sehr unsicher. — 6. cedere zu ir. cet Erlaubnis, cetlem ich willige
ein, indem cet = *kez-do, ^keddo ist, lat. cedo = *cez-do (zu dare),
analog credö. — Auch dies scheint mir unmöglich.
Ich erwähne endlich noch, wegen einiger Ergebnisse fürs Latein :
Chr. Bartholomä Studien I. Indogermanisches ss. Halle, Nie-
meyer, 1890;
s. die Anzeige von Fr. Stolz in der Berliner Philol. Wochenschrift X,
1120 if.
An die KonsouantenverbinduDgen schliefst sich die Lehre von der
Assimilation in Zusammensetzungen an, und daran wieder die
Untersuchung über den Gebrauch gewisser Doppelformen von Prä-
positionen und Konjunktionen vor bestimmten Anlauten, als ein Teil
der Satzphonetik.
Jos. Dorsch Assimilation in den Kompositis bei Plautus und
Terentius. Prag 1887, 50 S. 8^.
Die Abhandlung stammt aus den ,, Prager Philologischen Studien"
und beschränkt sich für Plautus auf die 12 von Götz, Löwe und Scholl
herausgegebenen Stücke, ohne eigene Manuskriptstudien, auf die es
bei dieser Frage zuletzt doch ankommt. Zur Vergleichung sind
besonders die Inschriften herangezogen. Innerhalb dieser Grenzen ist
die Arbeit sorgfältig. Es ergiebt sich, dafs die nicht assimilierten
Formen keineswegs durchweg die älteren sind; vielmehr war die Assi-
milation ein archaisch vulgärer Akt, gegen den die Klassicität aus
etymologischen Gründen reagierte. Es ist erklärlich, dafs Komposita
ohne gebräuchliches Simplex sich leichter assimilierten; andrerseits
mehr selbständige Vorsilben schwerer, als mehr abhängige, z. B. in
negativum später, als die Präposition in; so findet sich noch inpurus
neben impleo. Kürze der Stammsilbe scheint die Assimilation begünstigt
zu haben. S. 44 sind die Resultate für sämtliche Präpositionen, füi-
dis- und re-, zusammengestellt. Ein alphabetisches Register bildet
den Schlufs.
Einen kleineren Beitrag lieferte:
Edu. Wölffliu Zur Konsonantenassimilation. Archiv f. lat.
Lexikogr. III, 506.
Das Bewufstsein der Zusammensetzung zeigt sich vollständig
verloren schon in des älteren Plinius' adalligare. — Celsus hat nui'
140 Lateinische Grammatik. (Deecke).
noch dissimilis, da absimilis in der Aussprache schon mit adsirailis
zusammenfiel: ebenso Tacitus, Quintilian, während Scribonius Largus
und Sueton noch absimilis kennen.
Zur zweiten Frage gehören:
H. Meusel ä und ab vor Konsonanten. Jahrbücher f, klass.
Philol. 1885, S. 402—7; ergänzt durch Fr. Härder ebdt. S. 882—4.
Meusel behandelt die Litteratur von Plautus bis Tacitus. Es
ergiebt sich grofse Übereinstimmung mit dem Verfahren in der Kom-
position. So entspricht ä dem in der Komposition vorkommenden ä-,
as-, au-: es steht regelmäf^ig vor den Labialen (b, p, f, v, m); fast
immer vor g, q; weit überwiegend vor c, t: ab steht in der älteren
Zeit häufiger vor d, j, 1, n, r, s; später schwankt es mit ä; endlich
dringt letzteres durch, so allmählich auch bei Cicero. Der Verfasser
schliefst daraus für den Cäsar, dafs die bislierige "Wertschätzung der
Handsclu-iften irrig ist. — Härder hat die Fragmente der älteren
römischen Poesie untersucht und fast vollkommene Übereinstimmung mit
Meusels Resultaten gefunden: ä steht immer vor Labialen und n;
häufiger vor c und s; ab steht immer vor j und r, häutiger vor d und 1;
vor t steht ä, ausgenommen abs te ; doch zweimal ä te und einmal abs
vor anderem t.
H. J. Müller im Jahresbericht des Berliner Philol. Vereins
Bd. XIV, 1888, S. 113
bemerkt zu Livius, dafs in Dekade 1 — 8 vor f 111 mal ä, nur 4 mal ab
sich findet, und davon einmal mit Variante.
Spätere Litteratur behandelt:
Job. Haussleiter ä, ab, abs. Archiv f. lat. Lexikogr. III,
S. 148—9,
nämlich zwei Schriften des älteren afrikanischen Kirchenlateins: die
versio Palatina des pastor Hermae und das Evangelium Palatinum.
Es bestätigt sich auch hier, dafs ab vor Konsonanten immer mehr
schwindet, in der Volkssprache zuletzt ganz. Zur Vergleichung wird
Plautus herangezogen, der ab nur vor Labialen (auch Labiodentalen)
und Gutturalen gar nicht hat; mit a schwankend vor 1, n, t; häufiger
vor d; ausschliefslich vor j, s, r. Dem gegenüber findet sich ab in den
obigen Schriften nur noch vor s impurum, wo wohl schon der Hilfs-
vokal e zu tönen anfing; ferner einmal ab deo (und noch dazu nicht
ganz sicher); sonst nur Spuren; abs te kommt im evangelium noch
fünfmal gegen zweimal ä te vor, im pastor Hermae nur einmal. Ahnlich,
wie in diesen Schriften, steht es mit dem Psalmkommentar des Augustin
(nach Bergmüllerj.
Fr. Härder e und ex vor Konsonanten in den Fragmenten der
älteren lömischen Poesie. Jahrb. f. klass. Philol. 1890, S. 771—77.
Lautlehre. Orthographie. (Deecke.) 141
Auch hier stimmt die Formanwendung wesentlich zu derjenigen
in der Komposition. In der älteren Zeit und später noch im Drama
überwiegt ex z, B. noch bei Lucilius 11 ex, 9 e; aber Varro hat schon
nur 3 ex neben 11 e; Cicero (in seinen Dichtungen) 2 ex, 22 e; regel-
raäfsig haben beide letzteren ex vor s, Varro noch einmal vor r,
Cicero vor c (ex caelo, sonst e caelo). Abgesehen von ihnen, steht e
vor g, 1, m, r, v; ex vor d, n, j, meist vor p, s, t, q, c (ausgenommen
e conspectu); vor b bleibt der Gebrauch zweifelhaft. Die archaische
Form ec ist von Herausgebern gegen die Überlieferung an verschiedenen
Stellen eingesetzt: sie findet sich regelmäi'sig vor f, bisweilen vor 1, m, r,
einmal vor p (ec partibus).
P. Stamm, ac und atque vor Konsonanten. Jahrb. f. klass.
Philol. 1888, S. 171—9; ergänzt durch Max C. P. .Schmidt ebdt.
S. 711 — 12.
Stamm hat den Sprachgebrauch besonders bei Cicero, Cäsar,
Salliist und Livius verfolgt, und es ergiebt sich: 1. atque neben ac
steht bei Anfügung eines einzelnen Wortes, selten mit Zusatz, innerhalb
eines Satzes. — 2. ac steht notwendig bei Anfügung eines Satzes oder
selbständigeren Satzteiles, besonders in der Epexegese; sehr oft mit
Negation ac non, ac ne, oder mit Präpositionen, Konjunktionen, Adverbien,
wie ac post, ac si, ac primum u. s. w. So heilst es z. B. de instituto
atque (oder ac) judicio meo, aber nur ac de judicio meo. Aus euphonischen
Grründen steht im Satzanfange nie atque oder ac vor quanquam,
quoniam, quum u. s. w., sondern dafür et. — 3. Beide Formen stehen
nach Ausdrücken der Ähnlichkeit und nach simul, doch heilst es immer
nur proinde ac si u. s. w. — Schmidt liefert eine Ergänzung für
Curtius. Danach steht 1. ac nicht vor Gutturalen (bei Livius gegen
Ende seines Werkes abnehmend), doch einmal ac conjuges (auch bei
Livius ac con-). — 2. atque wie bei Stamm, mit wenigen Ausnahmen,
die wegemendiert werden, was schwerlich zu billigen ist. — Hier sollen
also dem Formenwechsel, was bedenklich ist, zum Teil logische Gründe
unterliegen.
Die letzterwähnten Untersuchungen greifen schon gewissermafsen
ins Gebiet der Orthographie über. Dahin gehören auch teil-
weise mehrere der oben erwähnten Schriften zur Lautlehre, wie
Christiansen de apicibus et i longis; Kretschmer „Idg. Accent- und
Lautstudien " : über den Wechsel von ü und ö, im Exkurs über öm;
Fröhde „Zur lateinischen Lautlehre," erste Abhandlung: über t'w, u
oder vo\ quu, m oder rp(o\ onc oder unc\ ji, ü oder i; zweite Abhandlung:
I, 2. Acc. Mehrz. auf -is (von z- Stämmen); Adverbia auf- ies;
Ordinalia auf -esimus-, Adjektiva SLut -ösus; 6. mm neben m in ämentum,
142 Lateinische Grammatik. (Deecke).
ammeutum; ebenso II, 1 c: lämina, lammina; II, 2 velatiira nebeu
vellatura; Exkurs: joubeatis falsch statt jubeatis; W. Meyer „Kleine
Beiträge" 6. damma neben däma; lammina neben lämina (s. oben!);
L. Havet Melauges 7, aestumare; 24. ui = j': Allen Gäius bis
100 n. Chr.; Bersu „Die Gutturalen": über quo, quu, cu u, s. w.
(s. oben!); Zimmermann über tt, t = et; endlich Marx Hültsbüchlein,
s. S. 112. Anderes wird unten bei der Formenlehre und Etj^mologie
erwähnt werden.
An eigenen orthographischen Schriften kann ich nur wenige
kleinere erwähnen:
J. Ob er dick, Studien zur lateinischen Ortographie II. Prgr.
Breslau 1886, 12 S. 4: JII. Prgr. Breslau 1891, 4 S.
Vgl. den Jahresb. für 1881—82 S. 321—22 über I. Im dritten
Hefte werden unter anderm besprochen und festgesetzt : cottidie; Suebi;
.Tuppiter; tentare aa.
Zwei auswärtige Aufsätze sind:
A. E. Housman adversaria orthographica. Class. Bev. V, 293 tf.
C, Fumagalli dizzionario ortografico della lingua latina con
app. sulla interpunzioue. 4. ed. Milano 34 p. 16; wesentlich nach
W. Brambachs Hülfsbüchlein für die lateinische Rechtschreibung,
Leipzig, Teubner, 3. Aufl. 1884, bearbeitet.
Die Umschreibung der griechischen Lehnwörter in späterer
Zeit ist erörtert in dem unten noch genauer zu betrachtenden Werke:
G. A. Saalfeld, de bibliorum sacrorum Vulgatae editionis
Graecitate. Quedlinburg 1891, 180 S. 8.
In den p. X — XYI vorausgeschickten quaestiuuculae etymologicae
wird als ratio translationis angegeben: I. ipsa translatorum vocabulorum
elementa respicienda sunt: y, z; ch, th, ph; ferner c = y; t = {>; p = 'f;
s, SS = C, h='; nicht entlehnt sind Wörter, wenn sich entsprechen:
g, h = y; f, d = 9; f, b = cp, ausgenommen fides, fortax, fucus.
Ich schliefse hier an:
K. Zangemeister, Entstehung der römischen Zahlzeichen.
Sitzungsber. d. K. Preuls. Akad. d. Wissensch. v. 1. Dec. 1887, 18 S. 4.
Der Verfasser geht vom Gebrauch und Namen des decussare
„kreuzen", als Zeichen der Multiplikation mit 10, aus, und läfst so aus
I = ] zunächst > (etr. auch +) = 10 entstehen, wovon das lat. V
die obere, das etr. A = 5 die untere Hälfte bildet; durch zweite
Kreuzung entstand X' ^^^'- '"^"^h )|( = 100; daneben ]^, ( X, daraus,
durch Einflufs von centum, C (?); die Halbierung ergab \J/ =- 50,
auch J,, J., endlich lat. L. Für 1000 war die ursprüngliche Form $$,
daraus (X), (X), X, CD, während M der Anlaut von mille war.
Die Hälfte jenes Zeichens <) gestaltet sich zu D um, etr. auch O Q.
Formenlehre. Allgemeines. (Deecke). 143
Dagegen hält
Th. Mommsen Hermes XXIII, S. 152—56
am Ursprung der Zahlzeichen für 10, 50, 1000 aus den überflüssigen
griechischen Buchstaben fest = X, W, <1>.
Vgl. noch unten Buche 1er (Etymologieen) über 0 = gr. 9,
O = 100 und den Ursprung von C daraus durch Halbierung, mit An-
lehnung an centum.
Ich komme zur Foriueulelire. Hier ist zunächst wieder die
dritte gänzlich neu bearbeitete Auflage der „Formenlehre der Lateinischen
Sprache" von Fr. Neue zu erwähnen, deren 2. Band, enthaltend die
Adjektiva, Numeralia, Pronomina, Adverbia, Präpositionen, Konjunktionen
und Interjektionen in 16 Lieferungen, von C. Wagener vollendet vor-
liegt, Berlin, Calvary u. Co. 1889—92, 1000 S. 8, ein Werk von
aufserordentlichem Fleifse, als Quell- und Nachschlagebuch unentbehrlich.
Bei Aufrechthaltung der Hauptabschnitte ist im einzelnen eine gröfsere
logische Anordnung durchgeführt (immer noch nicht ausreichend), der
Druck ist übersichtlicher gestaltet, die Fortschritte der kritischen
Forschung sind möglichst berücksichtigt worden, die späteren Schrift-
steller bis zum Untergang des weströmischen Kaiserreichs teils neu
durchforscht, teils neu hinzugefügt; endlich ist die neueste Litteratur
nachgetragen und ergänzt. Ganz besondere Sorgfalt soll den Registern
zugewendet werden; doch hat der 2. Band keinen eigenen Index, wohl
aber ein sehr ausführliches Inhaltsverzeichnis. Auf das Altlateinische
und die Vergleichuug der italischen Dialekte ist verzichtet. Der zunächst
erscheinende 3. Band wird das Verbum behandeln.
Ebenso ist von neuem hier anzuführen K. E. Georges „Lexikon
der lateinischen Wortformen" d. h. aller irgendwie bemerkenswerten,
seltenen, unregelmäfsigen, archaischen und archaistischen Formen aus
der ältesten litterarischen Zeit des Lateins bis gegen 500, eine höchst
verdienstliche, fleifsige und sorgsame Arbeit, die einstweilen den fehlenden
Index des Neueschen Werkes bis zu einem gewissen Grade ersetzt.
Die Arbeit, in Grofsoktav, 758 S., ist in Leipzig bei Hahn 1889—90
erschienen. Bei der noch keineswegs vollendeten, sondern meist noch
im Flusse begriifenen Feststellung der Texte wird es stets an Änderungen
und Besserungen nicht felüen: so finden sich gleich hinten 14 Spalten
Berichtigungen und Zusätze. Neue Ausgaben werden daher bald folgen ;
doch ist der Grund einmal gelegt. Ein Verzeichnis der benutzten Schrift-
stellerausgaben bildet den Schlufs. Die entstellten Vnlgärformeu der
Inschriften und Glossen sind mit Recht grofsenteils ausgeschlossen.
Einen kleinen besonderen Beitrag enthält:
K. W^otke Über alte Formen bei Vergil. Wiener Studien VIII
(1886), S. 131—148.
144 Lateinische Grammatik. (Deecke).
Es ist dies eine dankenswerte Zusammenstellung der Arcliaisraen
des Dichters, geordnet nach Substantiven, Adjektiven, Pronominen»
Numeralien, Adverbien, Partikeln, Verben, unter steter Vergleichung
der älteren verwandten Dichter, besonders des Ennius uud Lukrez.
Der Verfasser kommt zu dem auf gründliclier Prüfung beruhenden
Resultate, dafs Ribbeck dem Dichter, nach ungenügendem Material,
weit zu viel Archaismen imputiert hat, dais derselbe sie vielmehr
sparsam und vorsichtig verwendet hat, meist aus metrischem Zwang
oder in ererbten epischen Formeln. Ob Einzelnes Absicht oder Zufall
ist, läfst sich nicht immer feststellen, wie wenn potis nur in negativen Sätzen
vor Vokalen erscheint, der Infinitiv auf -ier nur im 5. Versfufs u. s. w.
Für die Entstehung der lateinischen Formen sind jetzt
die beiden oben citierten Werke allgemeineren Inhalts die Hauptquelle:
Karl Brugmanns , Vergleichende Grammatik der indogermanischen
Sprachen", und Fr. Stolz' s Lateinische Grammatik (Laut- und Formen-
lehre)^ in Jw. V. Müllers Handbuch.
Nächstdem ist zu erwähnen Schweizer-Sidlers Grammatik in
der 2. mit Unterstützung Surbers umgearbeiteten Auflage, sowie die „Er-
läuterungen" zu meiner „Lateinischen Schulgrammatik ", Berlin ,^
Calvary 1893.
Im einzelnen ist zunächst die Deklination zu betrachten. Da
ist von allgemeiner Wichtigkeit:
J. Strachan Abstufung in Kasussuffixen. Bezzenbergers Beitr.
z. Kunde d. idg. Sprachen Bd. XIV, S. 173—6.
Hier ist zusammengefafst, was einzeln schon hie und dort gemut-
mafst war, auch von mir, dafs nämlich in der indogermanischen Ur-
sprache, wie in den Stämmen vieler Wörter und den Ableitungssuffixen,
so auch in den Kasusendungen eine zwei- bis dreifache Abstufung
geherrscht hat. So lassen sich für den Genitiv Sg. die Endungen
-OS, -es, -s nachweisen; für denlnstr. Sg. -ä, -a, — (richtiger wohl -o, -e, — )
für den Dat.-Lok., als einen ursprünglichen Kasus betrachtet (s^ mein
Mülhauser Progr. 1890, S. 32) -ai, -i, -i (richtiger wohl -oi, -ei, -i);
Instr. PI. -ais (?), -is z. B. in ix6>a?, jx6-/ic (richtiger wohl -ojs, -eis, -is).
Im Nom. Sg. Ntr. steht nömiT — ind. nämä neben nomn -= lat. nömen. Es
liefse sich dies noch weiter verfolgen. Gründe für die Wahl der Formen
(Satzdubletten?) oder Gesetze ihrer Anwendung sind noch nicht gefunden;
insofern ist die Frage nach der Richtigkeit noch nicht endgültig entschieden.
Sehr* weitgehende, tiefeingreifende, aber in ihren Resultaten zum
grolsen Teil sehr anfechtbare Untersuchungen über Stamnibildung
und Flexion hat angestellt:
Formenlehre. Deklination. (Deecke.) 145
K. F. Johansson Morphologische Studien. I. Bezzenbergers
Beitr. z. K. d. idg. Spr. XIV, S. 151—173; IL ebdt. XV, S. 304—18:
in. ebdt. XVI, S. 121—170.
An allgemeinen oder speziell für das Latein gültigen Ergebnissen
stellt der Verfasser folgendes auf:
I. „Die idg. Kasusformen waren ursprünglich fliefsend und un-
bestimmt, besonders bei den Pronominen; eine Kasusform kann durch
gelegentlichen Gebrauch für die andere substituiert werden." — Schon
diese grundlegende Behauptung halte ich für unerwiesen und im
Principe falsch. — „Das ursprüngliche Material einer Serie von Formen
oder grammatischen Kategorie kann aus etymologisch ganz verschiedenen
Wörtern und Elementen bestehn: die erste Flexion war Heteroklisie." —
Auch dies kann ich im allgemeinen nicht für richtig halten: man würde
so die Ausnahme zur Regel machen. Die älteste Sprache hatte sicher
kaum zwei verschiedene vollkommen synonyme Formen. Auch mit
der Annahme verschiedener Satzformen kommt man nicht weit. —
„Mehrere nur durch mechanische Lautgesetze differenzierte Formen
können den Ursprung mehrerer Kategorieen, sowohl in der Pronaminal-,
als in der Nominalflexion, ausgemacht haben." — Diese nur als
Möglichkeit ausgesprochene These läfst sich schon eher wohl für einzelne
Fälle beweisen, schwerlich aber für eine nennenswerte Zahl derselben,
so dafs auch diese Erscheinung nicht als Regel gelten kann. — Nach
Johansson sind demnach in der Deklination von anderen Bildungen
zu unterscheiden: 1. Kasus, die als ßeflexe von ursprünglich isolierten
Satzwörtern entstanden sind; 2. einzelne derartige Kasus, die als
Stämme auch in andere Kasus, mehrere oder wenigere, eingeführt sind. —
Bei der ältesten Heteroklisie gehörten die verschiedenen Formen ursprüng-
lich verschiedenen Kasus an: vgl. ind. ahan, ahar, ahas als sich er-
gänzende Stämme eines Paradigmas; die Durchführung eines sogen.
Stammes durch das ganze Paradigma ist eine spätere Uni-
formieruug. (?) — Es knüpft sich hieran eine Untersuchung über
den Ursprung der Adjektiva: 1. Ursprünglich war die sprach-
liche Form für Substantiv und Adjektiv gleich: der Unterschied
lag nur im logischen Zusammenhang. Dann trat Attraktion eines
Substantivs durch das andere in genus, numerus und casus ein:
so entstanden i\djektiva: vgl. deutsch: feind, fromm, ernst; lat. vetus
( = gr. Fetoc Jahr). — 2. entstanden Adjektiva durch Hypostasierung
von Kasusformen, auch unter Anhäugung besonderer Endungen, wie
z. B. die Possessi va (gewöhnlich wird hier der umgekehrte Weg an-
genommen), deutsch: hiesig, dortig, ein zues Fenster; lat. aus Kasus-
formen: Labie-nus. Pompe-ius, extre-mus u. s. w.
Jahresbericht für Altertumswissenschaft. LXXYII. Bd. (l.S'J3. III.) 10
146 Lateinische Grammatik. (Deccke.)
II. „Ablaut ist jeder Wechsel der sonantischen Elemente in
einer verwandten "Wort- oder Suffixgnippe." Er ist doppelter Art:
1. Der qualitative Ablaut beruht wahrscheinlich auf musikalischeu
Touverhilltnisseu, — 2. Der quantitative d. i. Eeduktions -Ablaut be-
ruht wahrscheinlich auf exspiratorischen Ton Verhältnissen d. i. auf
der Tonstärke. Diese beiden Arten des Ablauts nun kreuzen sich und
bringen dadurch verwickelte Verhältnisse hervor, die noch keineswegs
genügend aufgeklärt sind (s. ob. HavetI). — 3. entsteht ein Ablaut auch
noch durch andere z. T. unbekannte Gesetze. — 4. wirken verschiedenartige
Analogieen auf die Lautabstufungen fördernd, hemmend oder störend ein.
— Was nun den qualitativen Ablaut betrifft, so meint Johansson, dafs,
wie e einerseits in ä, andrerseits in ö ablautet, so auch e einerseits zu ä.
andrerseits zu ö in ablautendem Verhältnis stehe z. B. lat. färi neben
fetialis (gr. «fcuvr,); com-päges neben pegi; gr. xäpoj, att. y.7]p6; neben lat.
cera. Aber es ist überhaupt zwischen beiden Reihen kein fester Unter-
schied, da erstens die kurzen Vokale e, ä, ö in quantitativem Ablauts-
verhältnis zu den langen e, ä, ö stehen, zweitens beide Gruppen sich zu
=>^ (^)' — schwächen; vgl. für ersteres: tegula: tego, toga; veni: venio;
sedi: sedeo: fregi zu got. brikan aus *brekan u. s. w. Die gesamten
Ablautsverhältuisse werden dann durch verschiedene Wurzeln, besonders
aber dui'ch 13 Prouominalstämme durchgeführt, wobei freilich vieles
unsicher bleibt.
III. Die Erörterungen über die Laut Verhältnisse der Pro-
nomina werden fortgesetzt, besonders der deutschen: dann wird über-
gegangen zu einem dort besonders häufig begegnenden Ortssuffix -r,
wie in „hier, dar" u. s. w. Dies wii-d 8. 130 im Lateinischen wieder-
gefunden im 2. Teil von ec-cere, worin cere =• germ. hii'i sein soll(?);
ferner in cor-go, dessen ersten Teil man in ind. kär-hi wiedertrifft (V) ;
in cm- vom Stamme quu; in arch. apor, apur == germ. afar; amb-r-ices,
amf-r-actus; in pe-r, po-r, doppelt in po-r-r-ö (S. 137). Solche Orts-
adverbien oder Ortskasus liegen ferner zu Grunde in einer Anzahl mit
w-Suffix weiter gebildeter Adverbien und davon abgeleiteter Adjek-
tive, wie sup-er-ne, inf-er-ne, pöne (=*porne?): prönus, hornus, super-
nus, infernus, internus, externus und extruneus, subternus, nocturnus,
dim-nus, aeternus nebst sempiternus, diuturnus, hodiernus, vernus,
hlbernus, Velitemus u. s. w. Hier ist also nirgends das r aus s ent-
standen. — Sicherlich jedoch sind diese Adjektiva verschiedenen Ur-
sprungs, und der Verfasser ist in einseitiger Verfolgung seines Einfalls
zu weit gegangen.
Weiter entwickelt und erweitert hat er dann seine Idee, mit be-
sonderer Beziehung auf die Ableitung, in:
Formenlehre. Deklination. \,Deecke.) 147
K. F. Johansson Über den Wechsel von pai-allelen Stämmen
anf -s, -n, -r u. s. w. nnd die daraus entstandenen Kombinations-
formen in den indogermanischen Sprachen. Bezzenbergers Beitr.
z. K. d. idg. Spr. Bd. XVIII, S. 1-55.
Die das Latein betreffenden Formen sind folgende: 1. aevi-ternus
enthält einen Lokativ auf -i; ebenso Veli-ternus = in valle. — 4. Lok.
auf -r, mit n kombiniert, in noctur-nus, auf -i in nocti-um (!). —
5. s-Kasus (oder s-Suffix) in aurör-a = *aurös-a, neben Lok. auf -i in
Auri-gena. — 6. Desgl. in crepus-culum, neben r-Kasus in creper-us.
— 7. n-Kasus in hemon-, homin-. Hier, wie in vielen der folgenden Fälle,
ist aus einer Kasusform ein neuer "VVortstamm entstanden. — 8. s-Kasus in
Venus. — 9. Lok. auf -i in semi-, verwandt mit deutsch „sommer", eig.
,, Halbjahr" (?). — 10. r-Kas. und n-Kasus kombiniert in hiber-n-us. — 12.
n-Kas. in nun-diu-ae; daneben r-Kas. in dier-um, beide kombiniert in
4iu-r-n-us. — 13. n-Kas. in domin-us. — 14. s- u. r-Kas. kombiniert in
tenebrae aus *tenes-r-ae. — 15. n-Kas. in pen-n-a ^ *pet-n-a; daneben
r in acci-piter, pro-pter-vos (kombiniert mit v). — 16. r-K. in snper,
mit n kombiniert in superne, -nus. — 18. n-K. in Valön-a. kontaminiert
Vallönia == *Valu-ön-ia; daneben Lok. auf -i in Veü-trae, -ternus (s. 1).
— 19. s-K. in saceua = *saces-n-a, kombiniert mit n; saxum = *sac-s-
um. — 20. s-K. in aesculus = *aeg-s-culus, *aex-culus; ilex = *ig-s-lex,
*ix-lex. — 21. r-K. in acer. — 22. s-K. in sedes (s nicht Nominativ-
zeichen). — 24. Desgl. in esca = *ed-s-ca. — 25. Desgl. in acus, -ceris;
daneben n in ag-n-a; v in äcer. — 26. n-K. in Lävin-ium zu XaF?. —
27. s-K. in onus. — 28. Desgl. in aes, ahenus = *ahes-n-us, kombiniert
mit n. — 34. Desgl. in ilia = ^ena^-s-lia, neben n in iuguen, r und n
kombiniert in nef-r-ön-es, Wurzel (e)nea,h. — .35. r-K. in lacer-tus, -ta,
neben s in locus-ta. — 37. s- u. r-K. kombiniert in as-s-er, neben n
in s-an-gvis; Grundform *es, Gen. *as-nas. — 38. n-K. in Ufen-s, neben
r in über. — 39. s-K. in femus, neben n in femiu-, r in femur; der
Nom. fernen ist Lokativform. — 40. s-K. vielleicht in jecus-culum; n
in jecin-, r in jecur, n— s oder n -r r in jecinor-; n + n in jecunanum.
— 41. s-K. in OS = *oss, aus dem Genitiv ossis abstrahiert = *osth-s-es
zum Nomin. Ntr. *usthos; s-t-u in ossu, -ua, -uum. — 42. s-K. in
näsus aus *näsos (Ntr.), Gen. nas-s-ös; neben lokativem i in uäri-um.
— 44. Lok. auf -i in auri-s neben aus-cultare. — 45. n-Kas. in cor-n-u
. (kombiniert mit u): s — n -t- u in cernuus = *cer-s-n-u-us; s — r in cere-
brum = *cer-es-r-um; cräbro = *crä-s-r-ö(n)- (kombiniert mit n); aqua
Crabra. — 51. r-Kas. in glö-r-ia (?) zu gr. -js^vöcv, Fe/iovTc;. — 58. n-Kas.
neben r-Kas. in idg. ki'eu-r, Gen. kreu-ntos, daraus lat. cruentus. —
59. n-Kas. in peUis= *pel-u-is. — 03. s-Kas. in vap-or aus *vap-os
2u dtsch. „wabern" (?), neben u-Kas. in vappo ^ *väp-ou „Lichtmotte'.
lü*
148 Lateinische Grammatik. (Deecke).
— 65. s-Kas. in ang-or, s. angus-tus. — 66. Desgl. in tep-or, s. tepidus =
*tepes-(lo-s. — 70. s- u. r-Kas. kombiniert in umbra -^- *im-s-r-fi, s. gr.
mit r: ö'vap. — 71. s-Kas. in fulgor. — 72. Desgl. in IJnxia=*üug-
s-ia, neben n in ungu-en. — 74. Desgl. in Cer-es, neben sili-cer-n-iuni ;
beide Stämme kombiniert in cena — *cer-s-n-ä. — 75. s-Kas. in il-lü(c)-
s-tris, neben t in Luc-et-ius; s 4- n in lüna, alt lösna — *löc-s-u-a ;
lucubrare = *luc-us-r-äre: r— u in luc-er-n-a. — 76. s-Kas. in maximus
^= *magli-s— mmo-s, neben n in mag-u-us. — 77. Desgl. in verb-er:
s + n in verbena -= *verb-es-n-ri. — 78. Idg. bhrou-r, Gen. bhron-n-tos.
mit r- neben n- K.: daraus altlat. *frouor, mit Dissimilation "^-'fouor, *för;
Genit. *froimtis, *fröntis; kontaminiert fons, fontis (!) zu Wurzel bher(e)
„brennen, sieden", s. lat. fervere. — 80. s-Kas. in vexare — '''vegh-s-äre
von iiegh, „fahren"^ oder ue a^h „scharf sein", s. -convexus, devexus ; dazu
auch vömis (s. oben!). — 81. s-Kas. in geu-us, neben r in gen-er „der
im Geschlecht Seiende" (lokativer r-Kasus); ind. gärä- = *gü-r-ö-. —
90. S-Kas. in op-us u. s. w. — 91. (S. 41) Das Particip auf -n-o-s
steht in unlösbarem Zusammenhange mit dem Infinitiv auf -n, s. gr.
/i'/eiv, alt Xe^ev, Lokativ auf v; daneben Inf. mit s: leg-er-e; n -r- 1 im
Part. Präs., ebenso in den Adjektiven auf -nt. — 92. s-Kas. in pubes
für *puraes: daneben mit r von der Wurzel pum ein Lokativ *pum-er „in
Mannbarkeit"; davon ein Nom. Sg. *pumr-(s) „in Mannbarkeit seiend":
dieser ging über in "pubr, puber, s. noch pubertas; dies b drang dann
in pubis ein. — 93. Ähnlich von Wurzel tum : tuber aus *tum-r neben
s in tumor = *tum-ös. Neben den Endungen -es, -en, -er kommen auch,
mit m verbunden, vor: -mes, -men, -mer. Indem zu einem Nominativ
-mes oder -mer ein Genitiv -m(e)n-tos gebildet ward, entstand daraus
das Suffix -ment-, = -mento- = -*mnto- u. s. w. , woraus wieder ein
Nomin. auf -men. — - 94. Dasselbe gilt bei den Endungen -ues, -uen.
-ner. — 101. s- oder r-Kas. sti-r-ia; s-Kas. in vires neben ind. väjas.
— 103. Komparativsuffix -er-o-, -ter-o- von Lokativen auf -er, -ter z. B.
super- superus; *exter- exterus; inter- *interus, s. iuträ, intrö- u. s. w.
— Ähnlich -io- vom Lokativ auf -i. — Das Weitere gehört nicht hier-
her. — Die von W. Scher er in seiner „Geschichte der deutschen
Sprache" hingeworfene Idee der Entstehung mancher Nomina aus Lokativen
ist hier gewissermalsen zu Tode gehetzt. Weder ist die Sprache so
eintönig, noch so armselig in ihren Mitteln. Indem ich synonyme
Lokative auf alle möglichen Endungen ansetze und mit deren Kombinie-
ruug und Koutamiuieruug weiter operiere, kommt alles zuletzt doch
wieder auf eine ganz mechanische Zerlegung hinaus. Einzelne geistvolle
Etymologieen und Gedankenverknüpfungen will ich in obigen Aufsätzen,
gerne anerkennen.
Formenlehre. Deklination. (Deecke.) 149
Einen Teil dieser Kombinationen finden wir, wenn auch in anderer
Hichtung, noch weiter verfolgt in:
Holger Pedersen r-n-Stärarae. Kuhu's Zeitschr. f. vergl. Sprach-
forschung. Bd. XXXII, S. 240-273.
Der Verfasser sucht nachzuweisen, dafs sich eine grofse Zahl
idg. Nomina finden, deren Stamm im Nominativ (nebst Vokativ) und
Accusativ Siugularis entweder kein Stammsuffix hat oder auf ä, i, u\
i\ l, s ausgeht, während der Genitiv Sg. und die andern Kasus ursprüng-
lich n als Stammbildungssuffix zeigen. Dabei sind die r- und 1-, auch
n- Stämme noch bisweilen durch einen andern Konsonanten erweitert.
So konstruiert er einen Stamm jecur(d) =■- *Ijeqvt, während er j(3cur(d)
= abgeläutetem *ljöqrt setzt, daneben jecus-culum; vielleicht jecur =
*ljeqos (vgl. S. 261); ferner sal(d) wegen sallire =^ *saldire (s. ob.);
assir(g) neben sangu-is, s. ind. lisrg, äsan; acci-piter(g) wegen gr.
-TspuE, neben penua = pet-n-a ; su-(s)cerd-a, mü-scerd-a neben gr. cxtup,
--/.axo?. Kontaminiert aus r und n ist noetum-us, neben vux-cop, vjx-
Tcpt?: pinguis geht vielleicht zurück auf *piv-n-a,-is; nebeneinander stehn
r und n in femur und feminis ; kontaminiert ist wieder itineris neben iter .
neben cruor steht crueutus; s und n wechseln in lämina, das zu anr
Ms „Schlofs" aus *laras (?) gehurt; u, resp. v, und n ersetzen sich in
cervus neben corn-ü (kontaminiert?); ebenso in nu-dius, diu neben nun,
diuae; i und n erscheinen kontaminiert im Suffix -tüd-in- (Nom. -tüdö)
neben blofsem i in -tüt-i- (Nom. -tüs); 1 und n wechseln in pugil neben
pugn-us; in umbil-icus neben umb-ö(n)-. Es kommen aber auch sonstige
Wechsel vor, wie zwischen r und i in labrum neben labium, — Als
Nachtrag zu r und n wird noch angeführt: mürus, moen-ia. — Als
Schlufsfolgeruug soll sich ergeben, dafs ui sprünglich nur zwei Kasus
anzusetzen seien: ein casus rectus auf r u. s. w. und ein casus obliquus
auf n. Johansson mit semer Lokativtheorie wird ebenso bekämpft,
wie Zimmer mit seinen Untersuchungen über das passivische r (s. unten !);
aber mit Pedersen selbst ibt nicht selten die Phantasie durch-
gegangen, und die obigen Zusammenstellungen sind meist willkürlich
und mechanisch gemacht. — Der Exkurs über einige Zahlwörter
(S. 271) gehört nicht hierher.
Ein Teil der Unregelmäfsigkeiten der Deklination, die zu
den letztbesprochenen Arbeiten Aulafs gegeben haben, ist wieder von
einem anderen Gesichtspunkte aus behandelt worden in:
M. Bloomfield On adaptation of Suffixes in Congeneric Classes
of Substantives. Beprinted from the American Journal of Philology.
Vol. XII, N. 45, p. 1—29. Baltimore, Hopkins, 1891.
1')Q Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Der Verfasser hebt die Thatsaclie hervor, dafs die Heteroklisie :
idg-. Nom. Sg. -r, Gen. -nes sich fast ausschliel'slich bei Körperteilen
findet: Leber, Euter, Blut, Schenkel, Flügel, Sehne, Kot, Eingeweide,
Galle, Mund, Hand, und sieht darin eine Anpassung begriffsverwandter
Wörter an einander zu einer geschlossenen Gruppe gleicher Flexion.
Leider ist dies doch immer nur ein geringer Bruchteil aller Körper-
teile, und gerade die wichtigsten fehlen, während die 1 1 nachgewiesenen
unter sich wieder sehr disparater Natur sind. — Das Grundwort für
.Blut" wird näher bestimmt als *esrg, Gen. *(a)snes; durch Eindringen
des g in den Genitiv entstand *süges, daraus sanguis (anders oben
Pedersen!). — Eine andere Gruppe von 16 Körperteilen ging im
Nominativ auf -s aus, doch gehört sie nicht hierher. — Es werden
noch 9 andere, auf wenige Wörter beschränkte Fälle der Adaptation
angeführt: rouc nach oöoo;; got. fötus nach tunjius; rechts und links;
Verwandtschaftsnamen; Zeitteile u. s. w., die alle das Lateinische
wenig berühren; doch s. dexter, sinister; vir, levir aa. — Im ganzen
ist die Erscheinung noch sehr unklar und wenig festgestellt.
Die Stammabstufung der idg. Neutra auf -os, mit besonderer
Berücksichtigung des Lateinischen, ist behandelt in:
W. Deecke, Beiträge zur Auffassung der lateinischen Infinitiv-,
Gerundial- und Supinum-Konstruktioneu. Prgr. JMülhausen iE. 1890.
50 S. 4.
Bei Gelegenheit der Deutung des Inf. auf -ere als Lokativ Sg.
eines Ntr, auf -os, -eris findet sich S. 6 — 23 ein Exkurs über die
Neutra auf -us, in dem 6 Formen dieses Suffixes (mit Einschlufs der
männlich -weiblichen Komposita und Abarten) nachgewiesen werden:
-es, -öS. -es, -OS, -as, -s z. B. lat. 1. Ceres, plebes, pübes; 2. arch. bonos,
colös, labös; 3. hones-tus, tempes-tas, penes: mit Übergang in -er: Ntr.
de-gener, arch. veter; Gen. -er-is u. s. w. ; Ableitungen gener-osus,
moder-ari, temper-ies; mit Übergang in -eb: funeb-ris, celeb-er, cereb-
rum; 4. arch. opos, Venös, sonst zu -us geworden; mit Übergang in -or:
aequor, spät röbor, Gen. -oris, in Komposition Ntr. bi-corpor; 5. -is in
cinis, pulvis, vomis; 6. far = *far-s, plebs, mens-is u. s. w. Vgl. Brug-
manns Vgl. Gramm. II, 386 ff.
Eine andere Spezialfrage der indogermanischen Deklination ist
behandelt worden in:
Vict. Henry, Esquisses morphologiques. IV. Le nominatif-
accusatif pluriel neutre dans les langues indo-europeennes. Douai 1887,
27 p. 8; s. auch Le Mus6on VI, 558 ff.
Zur Vermittlung des gi*. -a, lat. -a, ind. -i nimmt der Verfasser
als ursprüngliches Suffix desNom. Acc. PI. der Neutra: -ä = -a an.
Formenlehre. Deklination. (Deecke.) 151
Dies verschmilzt im Lateinischen mit dem Auslaut der o/e-Stämme zu -ä:
es bestand daher ursprünglich ein Unterschied zwischen magna und
scelerä: durch Assimilation oder Analogie wurde aber auch das kurze -a
gedehnt, z. B. scelerä; später wurden dann beide ä gleichzeitig gekürzt,
so dafs auch magna entstand. Mit i und u verschmolz das ursprüngliche ä
(d) zu i und ü, s. tri-ginta, vielleicht tri-ni (?), ind. purü, baktr. agrü,
so dais lat. tria, cornua u. s. w. Neubildungen sind.
In weit umfassenderem Sinne hat dies Problem aufgenommen:
Joh. Schmidt, Über die Pluralbildung der indogermanischen
Neutra. Weimar, Böhlau, 1889, 456 S. 8.
Schmidt hält die Neutra PI. und die Feminina Sg. im Grunde
für identisch, parallelisiert also bis zu einem gewissen Grade das -ä
beider und hält wegen des weibl. gr. -ta auch im Ntr. PI. -ia für älter
als -i, das freilich unter gewissen Betonuugs- oder Sandhiverhältnissen
auch schon in der Ursprache dafür eingetreten sein könne; ebenso ist
dann -ua älter als -ü. Osthoff und Brugmann haben sich dieser
Ansicht nicht angeschlossen : sie halten auch das i in genetri-x, regi-na
für ursprünglicher, als das gr. -la in ^iXioi'j., (j'^jaToa = *397pia u. s. w.
Für die Ursprünglichkeit des -i und -ü, ohne die Möglichkeit
eines idg. -ia, -ua gänzlich zu leugnen, ist, auf Grund der gortynischen
Form a-i = *a-Ti (s. baktr. ja ci-ca), noch eingetreten:
F. Solmsen, Zur Pluralbildung der Neutra. Bezzenbergers Bei-
träge z. K. d. idg. Sprachen. Bd. XVHI, S. 144—146.
Damit ergiebt sich zugleich die Unmöglichkeit von Schmidts
Annahme, das a der griechischen Ntr. PI. sei allein von den i- und u-
Stämmen ausgegangen. — Freilich ist die Länge des i in axt durchaus
nicht sicher.
Einzelheiten der Deklination behandeln:
J. Kozlovski, Sur l'origine du genitif singulier. Internat.
Zeitschr. f. allgemeine Sprachwissenschaft m, 286 ff.
M. Breal, Un genitif latin en -üs. Mem. d. 1. Soc. d. Lingui-
stique V, 229 (poinäs aus den XII tb. bei Fest. 371).
G. Ferrara, 11 preteso genitivo latino in -ccis. Riv. di filo-
logia XVI, p. 353 ff.
Es handelt sich um das angebliche Prosepnais ^ Proserpinae auf
einem Spiegel von Orbetello (s. unter anderni Schneider, Exempla 53),
worin das s eher Einfassungsstrich ist (s. Bezzenb. Beitr. II, 164).
Luc. Müller, De genitivo in -ü exeunte. Jahrb. d. kais. russ.
Ministeriums der Völksaufklärung 1889, Febr. 3. Abt. S. 73 ff.
Vgl. dazu Brugmann, Vgl. Gramm. II, 385.
152 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
A. Procksch, Zur lateinischen Grammatik. Jahrb. f. klass.
Phüol. 1885, S. 369—373.
Hierher gehört 2. (S. 372 f.) über den Cienitiv von neiiier. Der
Genitiv lautet bekanntlich bei den Grammatikern, mit generis verbunden,
stets neuti"i: sonst ist diese Form zweifelhaft; vielmehr hat Cicero zwei-
mal nentri als Dativ: einmal ad Attic. XII, 31,2 den Gen. neutrius, der
auch bei Varro 1. 1. IX, 1; Ascon. zur Miloniana 30; Sueton. Jul. Gas. 75
vorkommt, aber bei Nepos und Cäsar fehlt. Wie steht es mit Sallust,
Livius u. s. w.?
Einen andern Kasus behandelt:
Gust. Ziel er, Beiträge zur Geschichte des lateinischen Ablativus.
Leipziger Dissert., Bonn 1892, 88 S. 8.
Der Verfasser, ein Schüler Brugmanns, untersucht die Ent-
stehung des lateinischen Ablativs aus dem idg. Ablativ, Lokativ und
Instrumentalis, welche 3 Kasus, wie das Umbrische und Oskische zeigen,
schon in der italischen Urgemeinschaft verschmolzen; docli blieb der
Lokativ in gewissen Eormen lebendig. Auf der col. rostr. ist wohl
[obsidio]d, nicht [obsidionejd zu ergänzen; im Sen. Cons. de Bacch. steht
eigentlich magistratuo (nicht -tud), vielleicht geraengt aus -tu und -to;
doch s. oblatud; dictatored auf der col. rostr. ist vielleicht bei der
späteren Wiederherstellung geändert. In anxius anirai u. s. w. sieht
Ziel er keinen Lokativ, sondern Genitiv, wegen anxia mentis. — Vgl.
mein Mülhauser Prgr. v. 1890, bes. S. 31 ff., auch die unter der Syntax
zu besprechende Abhandlung von Andr. Bell über den Lokativ.
Über einzelne Kasus s. noch:
Mich. Breal, Le genit. pl. en latin. Melanges 1887, p. 234.
V.Henry, Essai de systematisation des desinences en *-hh daus
la langue latine. M6m. d. 1. Soc. d. Lingu. VI, 102 ff.
Dazu ein einzelner Fall:
W. Petschenig, Ruribus. Archiv f. lat. Lexikogr. VII, 408.
Er weist nach, dafs diese Form sich bei August, contra litt. Peti-
liani m, 31, 36 findet, so dafs seine Konjektur in Coripp. Joh. VI, 244
eine Bestätigung erhält.
Den Dual behandelt:
Rud. Meringer, Beiträge zur Geschichte der indogermanischen
Deklination. Kuhns Zeitschr. f. vergl. Sprachf. Bd. XXVIII,
S. 217—239.
Als älteste indische Deklinationssuffixe des Duals der o- Stämme
werden festgestellt: Nom. -öu, vor Kons, -ö; Gen. -aus; Dat. Abi. Instr.
Formenlehre. Konjugation. (Deecke.) 15o
-abbjäm; Acc.?; Yok. -ä; Lok. -au d. Ii. singularische Flexion eines
-üU-Stammes (!) ; octö, octöni verhält sich zu octävus, wie hemö, hemönis
zu hünitänus (?). — Ein zweiter Abschnitt behandelt die Flexion der
Zweizahl, wobei das duö in duö-bus, duö-decim (die richtige Form
ist aber duö-decim) aus duö(u) erklärt wird.
Von der Zweizahl handelt auch:
"W. Studemund, duos-duo. Archiv f. lat. Lexikogr. III, S. 550 — 2.
Es wird konstatiert, dais der Acc. Masc. duös bei Plautus zwei-
silbig ist, duö einsilbig -= *duö. Die widerstrebenden Stellen werden
emendiert, dort 3 sichere, .3 schwankende, hier 1 sichere, 2 schwankende,
im ganzen 9, so dafs die Regel doch wenig fest scheint. Zu obigem
Resultate sollen auch die sonstigen vereinzelten metrischen Stellen
stimmen, bei Terenz, Laberius, Accius, in Inschriften : doch sind auch
sie zum Teil sicher widersprechend oder schwankend.
Ich knüpfe hier an:
Max Ihm, Vulgärformen lateinischer Zahlwörter auf Lischriften.
Arch. f. lat. Lexikogr. VII, S. 65—72.
Die Ergebnisse sind spärlich: 2. Acc. Masc. duus; Xtr. dua. —
3. Nora, tris, trea. — 4. quatuor, quattor, auch quator u. s. w., vulgäre
Analogiebildungen, Assimilationen, erleichterte Aussprache u. s. w.
Als Dual fafst vi-ginü auf W. Schulze in Kuhns Zeitschr. f.
vgl. Sprachf. XXVHI, S. 277.
Zur Konjugation im Allgemeinen sind wieder zu vergleichen
Brugmann, Stolz und Schweizer-Sidler.
Eine Gesamtdarstellung der lateinischen Konjugation liegt
vor in:
Max Engel ha r dt. Die lateinische Konjugation nach den Er-
gebnissen der Sprachvergleichung. Berlin, Weidmann, 1887, 140 S. 8.
Das "Werk enthält keine selbständige Forschung, sondern eine
nicht ungeschickte Verarbeitung der bis zum Jahre seines Erscheinens
gewonnenen wissenschaftlichen Resultate, freilich nur eklektisch, ohne
Sj'Stem und Kritik, die nur aus eigenen eingehenden Untersuchungen
sich ergeben können. Es ist hauptsächlich zum Gebrauch für Lehrer
der oberen Gymnasialklassen bestimmt, um die Schüler tiefer in die
Sprache einzuführen und den Unterricht gründlicher und interessanter
zu gestalten. Von den 11 Kapiteln enthält das erste eine allgemeine
Einleitung; das zweite behandelt die Tempusstärame, das dritte die
Modi, das vierte die Reste der Konjugation auf -mi; 5 — 7 die
thematische Konjugation: thematischer Vokal, reiner Stamm, Präsens-
stamm; im achten werden die Perfekt- und Aoriststämme erörtert, im
154 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
nennten das Supinum und die Participia auf -tus, -turiis, -tuusu, s. \v. :
im zelinten sind die unregelmäl'sigen Formen zusammengestellt; d;is
elfte endlich enthält Tabellen. Diese sind dann noch in besonderer
Überarbeitung herausgegeben in:
Max Engelhardt, Die Stammzeiten der lateinischen Konjugation,
wissenschaftlich und pädagogisch geordnet. Handbuch für Lateinlehrer.
BerliD, Weidmann, 1892, 47 S. 8.
Phantastisch und daher weder wissenschaftlich, noch praktisch
brauchbar ist:
H. D. Müller, Zuv Entwicklungsgeschichte des indogermanischen
Verbalbaues. Göttingen, Vandenhoeck u. Ruprecht, 1890, 177 S. 8.
Noch schlimmer aber ist:
P. Aug. Weifs, Grundzüge des griechischen und lateinischen
Verbums. Regensburg 1891, 23 S. 8.
Allgemeinen Inhalts ist auch:
C. Pascal, I suffissi formatori della conjugazione latina. Rivista
di filol. XIX, S. 449 ff. s. den Nachtrag.
Die Präsensbildung ist in umfangreichster Weise, kühn und
eigenartig, behandelt in:
Otto Ho ff mann, Das Präsens der indogermanischen Grund-
sprache in seiner Plexion und Stammbildung. Ein Beitrag zur indo-
germanischen Formenlehre. Göttingen, Vandenhoeck u. Ruprecht,
1889, 145 S. 8.
Für das Lateinische sind daraus keine sicheren neuen Resultate
zu gewinnen.
Nui' einen Teil dieser Bildungen bespricht:
Holger Pedersen, Das Präsensinfix n. Indogerm. Forschungen
Bd. n, S. 285—332.
Für das Latein ergeben sich folgende Thatsachen: Die un-
thematische Flexion ist überhaupt im Latein fast ganz verschwunden.
L Die ind. 7. Klasse ging daher gleichfalls in die ö-Konjugation über:
so in frango, linquo, finde, scindo; fest wurde das n in juugo (s. junxi);
fnngor (s. functus); altlat. friiniscor ^ *frün6g-scor (nach S. 239 ist
fruor ein Aoristpräsens zu fungor, dissimiliert aus *frungor?); con-
quinisco — *-quenec-sco, aber Pf. conquexi; vgl. ind. junäg-mi- *junea3-mi.
Erweiterung durch i liegt vor in pinsio, sancio, — IL Die indische 9. Klasse
gab zu verschiedenen Bildungen Anlafs: vom Singular -nä-mi u. s, w.
aus entstanden firspernä-ri, con-sternä-re, de-clinä-re; vom Plural -ni-mäs
= *-na-mes oder *-n9-m6s aus, lat. sternimus, spernimus, temnimus,
wurden die neuen Singulare sterno, sperno, temno gebildet. Ferner ge-
Formenlehre. Konjugation. (Deecke.) 155
liören hierher: degüno = *-gusno; tolle == *tlno: pello -= *pel-no, daneben
ap-pellare (wie de-clinäre); per-cello, vielleicht zu ind. (^'rnämi; wahr-
scheinlich coquinare, farcinare, lancinare (zu lacer), cärinare, wenn das i
auf Anaptyxis beruht, wie z. B. in nömiuis u. s. w. Durch Analogie mit
Kl. 7 entstanden pando neben ziTvr)|jLt; cumbo neben cubäre, vgl. rumpo.
Nicht hierher sollen gehören danunt, soliuunt u. s. w. , die, mit Jo-
hansson (in den Festschriften auf S.Bugge s. u.) auf *dan(t) 4- unt u. s. w.,
mit doppelter Personalendung, zurückgeführt werden (?). — III. Aus der
5. ind. Klasse entsprangen minuo, steruuo (vgl. gr. TiTapv'Jixt), deren u
aus eu=^ind. ö entstanden ist; der Plural mul's ursprünglich *minumus u.s.w.
gelautet haben = ind. -uumäs; aus *cernumus, cernimus wurde der Sing,
cerno rückgebildet (vgl. unten Job!); s. Pf. crev-i ("?); ähnlich sinimus,
sino, siv-i, auch de-sinä-re (s. II); vielleicht hierher strav-i; lev-i,
s. ob-liv-iscor (?). — Zur Erklärung des n in der 7. Klasse werden
ursprünglich 2- bis 3-silbige Wurzeln angenommen, z. B. leinep^
Präs. linep-mi, PI. limp-mes ; Pf. lel(ji(m)pa, PL lelip-mä u. s. w. Hier
ist Verschiedenes nicht in Ordnung, und zumal ist die Trennung von
Klasse 9 und 5 kaum zulässig.
Die unter II. adoptierte Ansicht von Johansson ist aus-
gesprochen in:
K. F. Johansson, Einige Worte über die lateinischen Verbal-
büdungen mit n im Präsensstamm (in dänischer Sprache). Zweiter
Artikel in den Akademischen Abhandlungen zu S. Bugges Jubiläum,
Christiania 1889, S. 21 ff.
Vgl. auch L. Job Mem. d. 1. Soc. d. Lg. VI, 352 ff., der die
Verben wie tollo, pello aus der 1. pl. tollimus u, s. w. für *tol-nu-mus
u. s. w. entstehen läfst.
Eine andere Präsensbildung behandelt:
Ch. Ploix, Des verbes latins en -scö. Mem. d. 1. Soc. d. Lg. VI,
399 ff.; s. Jahresber. 1883—4, S. 175.
Das lateinische Imperfekt Indik. sucht neu zu deuten:
Chr. Bartholomä, Studien zur indogermanischen Sprach-
geschichte. II. Halle, Niemeyer, 1891, 202 S. 8.
Hierher gehört nur die 2. Abhandlung, in welcher der Verfasser
die F ick sehe Deutung von lat. eräs = ind. isis annimmt, aber die
beiden Formen auf einen Aorist auf = äi zurückführt, der freilich auf
sehr schwachen Füfsen steht; S. 187 ff.: eröm =jon. £'(=^)tiv; eräs =
l'(a)rjcj-&a. — S. 195: /"mY = *bheu-i-t oder *bhuu-ei-t, nicht wahrschein-
lich. — Für den obigen Vokalwechsel wird das Präsens der 9. ind. Klasse
herangezogen, z. B. 1. Sg. kripami, 1. PI. krinimas (s. oben Pedersenll);
vgl. noch Doppelformen, wie mugire neben umbr. mugätu, gr. jiuxaQ-
156 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
p.ai; capio neben oc-cupäre. So geht auch lat. -bäs auf *-bhuais
zurück; aus der 2. Ps. Sg. entwickelten sich dann die andern. Hier
bleiben Schwierigkeiten genug, und das Richtige ist sicher noch nicht
gefunden. — Gelegentlich wird der unthematische Ursprung auch für
die andern Verben auf -äre wahrscheinlich gefunden, ebenso für die-
jenigen auf -ere, -ire. Altlat. feced ist = {U)^t^y.z, aber auch die
Endung der 3 sg. -it, -id ist alt; als gleich alt werden ferner in der
3. pl. -erunt und -erunt bezeichnet. — S. 95 ff. werden zurückgeführt:
tendö auf *tentnö für *te-tnö, nach ten-eö; loaixgö, pmdö, Q-mungö auf
*pae3k-, pant-, mu?ak-n5 von Wurzeln auf Tennis.
Russisch gesclu'ieben ist:
A. Sobolewski, Das lateinische Futurum auf -bo und das
Imperfekt auf -bam. Zeitschr. des kais. russ. Miiiisteriums der Volks-
aufklärung, 1887, 3. Abt. S. 43 ff.
Englisch :
J. B. Bury , Latin tenses in -bo, -bam. Class. Review III, p. 165 ff.
Die Herkunft von der "Wurzel ind. bhü, lat. fu lälst sich, wegen
der Formen der altitalischen Dialekte und des Keltischen, nicht
anfechten.
Eine vielfache Behandlung haben die verschiedenen lateinischen
Perfektbildungen erfahren, die ein noch ungelöstes Problem darbieten.
Ich erwähne zuerst:
Fr. Scerbö, Saggi glottologici. Firenzo, le Monnier, 1891,
p. 60, 8.
Hierher gehört von den 4 Abhandlungen nur die dritte „del
perfetto forte Latino", die aber nicht ganz befriedigt. Der Verfasser,
der schon in den beiden ersten Abhandlungen _die Physiologie in der
Glottologie" und „der Gegenstand der Glottologie" sich gegen die
junggrammatische Schule der Indogermanisten gew'endet hat und deren
Hauptsätze, wie denjenigen von der Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze,
bekämpft, verlangt auch hier die Rückkehr zu Bopp, Schleicher, Corssen,
Curtius und deren einfacheren Ansichten. — Die 4. Abhandlung be-
antwortet die Frage, „ob eine Universalsprache möglich sei," mit Ja.
Ferner: E. Ernault, Du parfait en grec et en latin. Paris 1886.
A. Harkness, On the formation of the Tenses of Completed
Action in the Latin Finite Verb. Transact. of the Amer. Pbilol.
Assoc. V, 14 ff.: VI, 5 ff.
A. Funck, cecurrit. Archiv f. lat. Lexikogr. VI, S. 565.
Er weist darauf hin, dafs diese von Gellius VII, 9 mit Berufung auf
Probus behandelte Form, in einer Inschrift von Theveste (s. Job. Schmidt
Formenlehre. Konjugation. (Deecke.) 157
Rhein. Mus. XLIY, S. 185) zum Vorschein gekommen ist, spät, vulgär,
aber zugleich archaisch.
Der aoristische Ursprung des lateinischen Perfekts ist über
(Tebühr erweitert in:
Fr. Prestel, Das Aoristsystem der lateinisch-keltischen Sprachen.
Prgr. Kaiserslautern 1892, 51 S. 8.
Hier wird nämlich auch das reduplizierte Perfekt des
Lateinischen auf eine Aoristbildung zurückgeführt. Im ganzen werden
a aoristische Bildungen unterschieden: 1. der reduplizierte Aorist:
dazu altlat. (pisaurisch) 3. pl. deda(nt) = *de-dnt (V); vielleicht 3. sg.
dedet. — 2. Der einfache nicht thematische Aorist hat im Latein
keine sichere Spur hinterlassen. — 3. Der einfache thematische
Aorist: altlat. faet; ferner zu erschliefsen aus den Konjunktiven, wie
tagam, tulam, venam u. s. w. — 4. Der 5- Aorist: hierher 2 sg. dixti
und ähnliche Porraen = *dic-s-ti; das -ti ist nach der 1. sg. auf -i
assimiliert aus -ta =^ ind. -tha, welche Endung, nach Ausweis der
europäischen Sprachen, nicht blofs dem Perfekt zukam, sondern auch
als aoristisch gelten kann; der PI. dazu ist dixtis; ebenso gehören
liierher negä-s-ti, -tis, die nicht aus negävisti, -tis kontrahiert sind (?).
Dagegen ist eine 1. sg. Indik. *negässem = *negäv-sm anzusetzen;
wozu als Konj. -ässo, als Optativ -ässim; desgleichen prohibessis,
ambissit u. s. w. — 5. Der 5a- Aorist, und zwar erster Ordnung 1. sg.
fixem; 3. sg. faxet (?); zweiter Ordnung 3. sg. dixit; 1. pl. dixi-
mus (?). — 6. Der is-Aorist: 1. sg. fui aus *fu-ei(sm); 2. sg. inter-i-
eis-ti; 3. sg. fuit ■= *fu-ei(s)t, entsprechend den indischen Endungen
-äisam, -äis, äit. Daneben kann fu-is-ti auf die Form -is, fuit auch
auf -it zurückgehn (?), wie fuimus auf *fu-is-mus; fuistis = *fu-is-ti-s;
fuerunt auf *fu-es-unt, neben *fuere aus fuesent, so dafs die Dehnung
sekundär ist (?); auch ist die Endung -re älter als -runt. — 7. Der
s?s-Aorist. Diesem gehört dixi an = *dic-sism. ind. -sisam. —
8. Der ^-Aorist, nicht lateinisch. — Wie man sieht, ist dieser Aufbau
des lateinischen Perfekts — das auf -vi, -ui ist noch unberücksichtigt
geblieben — viel zu künstlich, um wahrscheinlich zu sein.
Dänisch geschrieben ist:
Chr. Blinkenberg, Om resterne af det sigmatiske aorist i
Latin. Kjöbenh. philol. Samfund. XXXI, S. C8 f.
Hierher gehört auch die künstliche tabellarische Konstruktion des
lateinischen reduplizierten und si-Perfekts in Conway's Verner's Law
p. 110—11, nach Thurneysen, Osthoff und Brugmann, mit eigenen
Besserungen.
158 Lateinische Grammatik. (Deecke).
Über das -rZ-Perfekt hatte noch geschrieben:
G. Curtius, Das lateinische Perfekt auf -vi und -ui. Ab-
handlungen der königl. sächs. Gesellsch. d. Wissensch. 1885, S. 421 ft.
Ferner:
F. W. Walker, The v-Perfect (Philological notes VII). Class.
Eeview ni, 243 ff.
Während diese Arbeiten sich der hergebrachten Ansicht, Ab-
leitung von der Wurzel fu, anschlössen, ist eine ganz andere, geistreiche,
aber nicht baltbare Hypothese aufgestellt worden in:
W. Schulze, Das lateinische v-Perfektum. Kuhns Zeitschr. f.
vergl. Sprachf. Bd. XXVIII, S. 266—274.
Er geht vom erstarrt gebrauchten Nom. Sg. Neutr. des Part.
Per f. Akt. aus, als dessen Suffix er -ves ansetzt z. B. von se „säen":
seves; ebenso aniä-ves, audi-ves, deleves, habeves, dömäves u. s. w.
Mit den Endungen der 1. und 2. pl. entstanden dann z. B. die Formen:
*seves-mos, ^sövezmos, daraus seviraus (vgl. frigidus = *friges-do-sh
*sevestis, sevistis. Nach Analogie bildete man weiter den Sg. sevi,
-visti, -vit; ferner (nach dem Präsens) 3. pl. *seves-ont, *sevezont, st'-
verunt. Es entstanden ebenso die Plusquaraperfekta: aus *seves-esäm
(alte Form fllr-eram): *sevesam, söveram u. s. w.; aus *seves-essem:
*sevessem, sevissem; das Fut. 0 aus *söves-esö (alte Form für -ero):
*seveso, severo; der Inf. Perf. aus *sGves-esse: *sevesse, sevisse, nach
dem im Lateinischen häufigen Wegfall der ersten von 2 gleichlautenden
oder gleichanlautenden Silben, wie fastidium = *fastitldium ; calami-
tösus r= -ität-ösus; vgl. noch die Zusammenziehung von nanctos-es(i) zu
nanctus, von nanctos-esti zu nanctust; von potis-esset zu potisset u. s. w.
Das erstarrte indeklinable Ntr. Sg. liegt auch vor in pote-sum u. s. \v.
Analogiebildung ist severim aus *-ves-im, *-vez-im. Die 3. pl. lautete,
ohne Kopula, ml, *seves-es, daraus *severes, severe, wenn dies nicht
gradezu Dual ist (s. Havet). Durch Kontamination entstanden -erunt und
-ere (V). Ähnlich sind aus den andern oben angeführten Participien
die Formen des Perfekts und der abgeleiteten Zeiten entstanden. —
Hauptbedeaken sind: 1. Das betreffende Particip hat in den italischen
Sprachen sonst keine Spur hinterlassen : weder cadäver, noch papäver, nocJi
osk. sipus (nach Joh. Schmidt Kuhns Zeitschr. XXVI, 372 zu einem
Pf. *sepi = sapui) sind als solche haltbar. — 2. Das Neutrum ist sehr
auffällig; s. daneben das Mask. PI.; pote ist nicht Neutrum, sondern
aus poti(s) entstanden, wie mage aus magis. — 3. Die Formen der
italischen Dialekte mit fn- und hu- bleiben unerklärt. — Als Beispiel,
wie durch falsche Abstraktion aus milsverstandener Zusammensetzung
ein neuer Stamm entstehen könne — wie der Perfektstamm sevi- aus
Formenlehre. Konjugation. (Deecke.) 159
sevimus u. s. w. — führt Schulze den Stamm sue- an, abstrahiert aus
suesco, das entstanden war aus *suedh-sco zu gr. (5F)-^9-oc, neben sol-
ere aus *svedh-ere zu gr. (aFyi-bo^, ind. svadh-ä(?); fälschlich wird
auch sodes herangezogen, da dies ö hat.
Die obige Notiz über -ere als Dual bezieht sich auf:
Louis Havet, Le duel en -ere. Archiv f. lat. Lexikogr. III, 558.
Es war dies nach Quintil. I, 5, 43 die Ansicht des Antonius
Rufus; Cicero orat. 157 spielt darauf au. Wichtig aber sind die
Didaskalien vor des Terenz Eun., Heaut. und Phormio, wo egere vor
2 Namen steht, neben egit vor einem; in derjenigen der Adelphi stehen
fecere und egere; s. noch Macrobius (Gramm. Lat. V, 632, 3 K.), der
die Vertreter dieser Ansicht subinepti nennt wegen Vergils „Conti-
cuere omnes."
Ich erwähne fern er:
Mich. Breal, Une trace des formes ä augment en Latin. M6m.
d. 1. Soc. d. Lingu. VII, 3.
Verg. Äneid. IX, 266 ist dat Aorist — ind. ädät (s. auch Mem.
ebdt. 326).
Beiträge zum Gebrauche der vollen und zusammengezogenen
Formen des vi-Perfekts liefern:
L. Sehe ff 1er, De perfecti in -vi exeuntis formis apud poetas
Latinos dactylicos occurrentibus. Mai'burg 1890.
Th. Birt, Verbalformen vom Perfektstamme bei Claudian.
Arch. f. lat. Lexikogr. IV, 589—94.
Claudian zeigt sich im Gebrauche dieser Formen feinfühlig:
er kontrahiert regelmäfsig vor s (ausgen. debellavisse Bapt. Proserp. 3,79),
nicht vor r (wenige Ausnahmen); im Auslaut oder vor t findet sich
sowohl ii als i, sogar Pf. redi, redit. Vergil ist weniger exakt, wenn
er auch im ganzen dieselben Regeln beobachtet: so finden sich bei ihm
z. B. vitavisse; andererseits pacarit, violarit, laudarit, sogar vocaris
(an sich zweideutig): sacrarunt u. s. w. ; regelmäfsig kontrahiert sind
die r-Formen von nosse: noram u. s. w.
Auf die vom Perfekt abgeleiteten Zeiten beziehen sich:
Fr. Gramer, Das lateinische Futurum exactum. Arch. f. lat.
Lex. IV, 594 ff. (s. die Syntax).
P. Giles, The origin of thc latin pluperfect subj. and other
etj'mologies. Transact. of the Cambridge Philo]. Soc. III, 126 ff.
Vgl. dazu Chr. Bartholomä in Bezzenb. Beitr. XVII, 112,
der z. B. vertissem zu vertimus entstehen läfst nach Analogie von
amässem zu amämus.
Die sekundäre Imperativbildung hat erörtert:
160 Lateinische Grammatik. (Deecke).
0. Rieraann, La question de Tiraperatif en -to. Revue de
phil. X (1886), S. 161 — 188.
Allerdings ist die Frage mehr syntaktisch behandelt (s. dort!).
Während H. Schmalz diesen Imperativ emphatisch-vulgUr auffafst, sucht
Riemann aus seinem Gebrauch bei Plautus und Terenz, in Ciceros
Reden und Briefen nachzuweisen, dafs er wirklich mehr ein Imper.
Futuri, ein Jussiv, ist, doch selten in Verboten, ausgen. Gesetze, Ver-
träge u. s. w.: im besonderen vi'eist er auf seinen Gebrauch in Sen-
tenzen und Rezepten hin. Die Formen es und sei werden ihrer
Kürze wegen gemieden; sonst hat auf den Gebrauch der verschiedenen
Formen die Zweideutigkeit der Form auf -to als 2. u. 3. Ps. Einflufs,
bei den Dichtern das Metrum; speziell konzessive Bedeutung (Kühner)
ist nicht nachweisbar. Im ganzen haben die Formen mit -to u. s. w.
infolge der Gesetzesspi'ache etwas Archaisches; -tor ist klassisch nur
poetisch.
Gegen die gewöhnliche Herleitung des -tö aus dem Abi. töd >,vou
da an" erklärte sich E. Wind is eh. Ber. d. sächs. Ges. d. "Wiss.
1889, S. 21 ff.
Der lateinische Konjunktiv hat eine Erörterung gefunden in:
Vi ct. Henry, Esquisses morphologiques. HI. Le Subjonctif
Latin. Douai, 1885, 20 p. 8.
Mit Berücksichtigung von Thurneysens Aufsatz in Bezz.
Beitr. VIII (s. meinen Jahresber. 1883—4, 8. 160 ff.) und anderen
neueren Arbeiten versucht der Verfasser eine vereinfachte Ableitung
der lateinischen Konjunktivzeiten. Ausgeschieden werden zunächst die
ursprünglichen Optative: sira, velim, edim, duim u. s. w. ; ferner amem,
-es u. s. w.; viderim aus * veidesiem = gr. (F)£tÖ£(j)iY)v, während videiö
aus *veidesö =^ dem Konj. F£io£(3)(o ist, nebst allen ähnlichen Bildungen.
Als altitalischer Indik. Präs. der 3. Konj. muis, nach dem Griechischen,
angenommen werden z. B. vehö, *vehes, *vehet; *vehomus, *vehetis,
*vehout, woraus die gewöhnlichen lateinischen Formen nach allgemeinen
Lautgesetzen regelmäfsig entstanden, nur dals vehimus (aus *velmmus
oder *vehemus? s. sumus, volumus, andrerseits unten!) sich im Mittel-
vokal an vehis, -it, -itis assimilierte. Da nun der altidg. Konjunktiv
durch Dehnung des Suffixvokals gebildet wurde, so ergaben jene voraus-
gesetzten Formen als Konjunktiv: *vehö, -hes, vehet, vehömus, -hetis,
-hont. Diese Formen haben sich erhalten als Fut. I Indik.: nur ward
durch Analogiezwang (?) das e durchgeführt; vgl. als 1. sg. arch.
dice, facie; 3. sg. vehet ist regelrecht verkürzt; 1. pl. vehemus; 3. pL
*vehent, regelrecht verkürzt vehent. Auf letztere Form mögen docent,
ament eingewirkt haben; auch kann dem vehemus ein älteres indi-
kativisches vehemus, als Vorstufe von vehimus, zu Grunde liegen
Formenlehre. Konjugation. (Deecke.) 161
(s. oben!). Nach Analogie anderer Zeiten erhielt dann die 1. sg.
ein m: *vehem, dessen Übergang- in vehäm, wie überhaupt das ä
des späteren Konj. Präs., unerklärt bleibt, indem auf Thurneysen ver-
wiesen wird. — Entsprechend dem griechischen Konj. Aor. I Akt. auf
-3(ü, -jetc (älter als -jtjc) aus *-aeai u. s. w., wird ein altlat. Konj. Aor.
konstruiert z. B. faxö (x ^^ es), *faxes, -et; faxomus, faxetis, faxont,
woraus, wie oben, die bekannten Formen faxö, -is, -it, -imus, -itis, -int,
als arch. Fut. 11 Indik. gebräuchlich, entstanden, wobei -int statt -unt
durch den Optativ faxint von faxim, als Konj. Perf. gebraucht, be-
einflufst sein kann; ebenso gebildet sind capso, rapsit, occisit u. s. w.;
ferner habessö, ambissö u. s. w., auch die Präs. Ind. lacessö, facessö,
petissö u. s. w.; doch wird das ss nicht erklärt (s. unten Esqu. V).
Wie nun im Griechischen durch Dehnung der neue Konjunktiv -ato
-(j7)s (aus *-ariai), -a?) (aus *-aYjTi) u. s. w. gebildet wurde, so aus faxö
u. s. w. , mit Anlehnung an *faciem (s. ob.): faxem (verkürzt faxem),
-es, -et (verkürzt faxet); faxemus, -xetis, -xent (verkürzt faxent); doch
könnten faxes, -et, -emus u. s. w. auch Konjunktive eines ursprünglichen
Fut. I faxö, wie gr. öet'Ew, sein (?). Nach faxem u. s. w. von Wurzel
fac bildete sich dann essem von Wurzel es. Dies Impf. Konj. lehnte
sich dann zufällig an den Inf. Präs. esse an, ursprünglich Dativ eines
Neutrums; doch sind die synkopierten Formen esse, ferre {= *fer-se),
veUe (=*vel-se), esse (= *ed-se) sekundär, da die ursprüngliche
Endung -esei war z. B. veh-ere aus *vehesei, wie mit abweichender
Behandlung des Auslauts (?) , gen-eri aus *gen-es-ei, Dativ von geuus
(aus *gen-os); s. darüber unten! Nach Analogie von esse: essem
bildete man dann aus vehere: veherem; aus amäre: araärem u. s. w. ;
endlich auch aus legisse (wie entstanden?): legissem; andrerseits nach
essem: esse aus faxem: faxe; dixem: dixe. Der Verfasser entdeckt
selbst die Antinomie, dafs essem älter als esse sein soll, vehere älter
als veherem; aber es liegen auch andere Widerspräche, Bedenklichkeiten,
grundlose Analogieen in dieser Entwickelung , so dafs sie , wie so vieles
andere, ein geistreiches Spiel bleibt.
Zu erwähnen sind noch:
Moulton, The suffix of the Subjunctive. Amer. Journ. of Philol.
X, 285 ff.
M. Breal, ITu mot sur les subj, latins en -am. Mem. d. la Soc. d.
Lingu. VI, 409 ff. (s. ebds. 347 L. Job).
F. Gramer, Zu den alten Optativ- und Konjunktivformen im
Lateinischen. Gymnas. Bd. Vm, S. 701 ff.
Wir kommen zum verbum infinitum, und zwar zunächst zu den
Infinitiven.. Diese sind wieder behandelt von:
Jahresbericht für Altertumswissenschaft. LXXVII. Bd. (1893. III.) H
1(52 Lateinische Grammatik. (Deecke).
Vi ct. Henry, Esquisses morphologiques V. Les infinitivs latins.
Paris, Thorin, 1889, 30 p. 8; s. auch Les inf. mediopassifs latins.
Mem. d. 1. Soc. d. Lingu. VI, 62 flf.
Zuerst werden die mit blofsem s gebildeten Infinitive betrachtet,
teils Lok. Ntr., wie dare (aus *da-s-i), stäre, ferre u. s. w. (s. ob. Esq. III),
auch fore, ire; teils Dat. Ntr., wie dari (aus *da-s-ei), fem, iri, färi,
in deponentiale und passive Bedeutung übergegangen. Hier kann nicht
überall eine Synkope angenommen werden (s. Esq. III), sondern eher
liegt eine schwächere Form des Stammsuffixes vor. Als Lok. (Femin.?)
werden auch angesetzt dixe, vixe, vexe = gr. ozl^ai, XeTtJ;at, pi'j^at, also
nicht aus dixisse u. s, w. zusammengezogen. Nach estis: esse ward
ferner gebildet fuistis: faisse (!); nach estis: esse ebenso edistis: edisse;
danach dann tulisse, dedisse, dixisse u. s. w. — Die vollere Suffixform
-es erscheint im Lokativ als -ere = *-es-i in vehere, arch. fiere, dann legere,
facere, capere u. s. w.; ferner amäre, docere, audire u. s. w., endlich capes-
sere vom ursp.Fut.I, mit doppeltem Futursuffix, capesso; impeträssere. Der
Dativ ist regelrecht nur erhalten im deponential-passiven fieri; danach gab
es auch w^ohl einst*veheri, *caederiu.s.w.; nachAnalogie entstanden aniäri,
doceri, audiri, u. s. w. (doch s. unten!). Drittens aber, und das ist Henrys
«igene Vermutung, ist auch ein suffixloser Lokativ *fier als Infinitiv anzu-
setzen — vielleicht in einer oder der anderen Stelle des Plautus er-
halten, wo man fiere oder fieri vor Vokalen liest — und danach bildete
man capier, dann legier, endlich amärier, pollicerier u. s. w. (?); *fier
ginge auf *fei-es zurück, wie aisc, penes — warum ist aber in diesen
das s geblieben? — Als Dativ Sg. eines konsonantischen oder (weib-
lichen?) i- Stammes ist der Inf. legi zu betrachten = *leg-ei oder *leg-
ej-ei, und ebenso agi, mori, oblivisci u. s. w. ; danach vielleicht amäri
u. s. w. (doch s. oben!). — Als Inf. Präs. Akt. (nicht als Particip) ist
endlich auch die 2. pl. Präs. Iraperat. Pass. u. Depon. zu betrachten, auf
-mini =gr. -jxsvai z.B.damiDi^66jxevai;legimini = Xs^eiAsvai; während die-
selbe Form al82. pl. Indik. Präs. = -jaevoi ist (Wackernagel Verhdlgen d.
39. Philol. Versammlung, S. 28 ff.) ; s. dagegen oben-e -= gr.-at in dixe u. s. w . !
Indem ferner Henry die Ansicht Havets M^m. d. 1. Soc. d. Lingu. VI, 6
adoptiert, dal's die Gerundialendung -ndus aus -|jl(£)vo; entstanden sei
z. B. legendus, älter legundus, *legondos, aus *legomnos = Xe-foixsvoc,
vgl. leguraina, führt er auch den Genitiv Gerundii auf jenen Infinitiv
mit Synkope zurück z. B. nendi ^ *nem(i)ni = vr^jAsvai; dann linendi,
endlich amandi u. s. w. (?). Durch Mengung mit dem Gerundiv ent-
stand dann die weitere Flexion Dat. nendö, Acc. nendum, Abi. nendö(d).
Auch diese AnsiQhten sind geistreich, aber schwer haltbai'. Eine weit-
reichende alte Bildung wie agier u. s. w. aus einer einzigen und noch
dazu gar nicht nachgewiesenen, sondern nur zweifelhaft fingierten Form
Formenlehre, Konjugation. (Deecke.) 163
durch Analogie entstehen zu lassen, ist der Gipfel junggraramatischer
Spekulationswillkür, zumal auch der Rhotacismus Schwierigkeit macht
und die Formen aie?, penes auch Accusative sein können. Ebenso ist
der Übergang von mn in nd im Latein unglaublich (s. amnis, sollemnis
u. s. w.), abgesehen von der unwahrscheinlichen Synkope und der un-
möglichen Annahme, dals zwei lautlich und begrifflich so verschiedene
Formen wie legimini und legendi ursprünglich identisch sein sollen und
wieder mit dem lautlich und begriiflich abweichenden Xs^eixevat gleich.
C. Pascal, La formazione degl' infinitivi latiui. Riv. d. filol. XIX,
471 ff.
Auch ich selbst habe die lateinischen Infinitive behandelt in:
W. Deecke, Beiträge zur Auffassung der lateinischen Infinitiv-,
Gerundial- und Supin-Konstruktionen. Prgr. Mülhausen i/E. 1890,
50 S. 4.
Ist die Arbeit auch wesentlich syntaktisch, so ist ihr doch ein
etymologischer Teil über den Ursprung der Infinitive vorangeschickt,
und zwar wird zuerst der Inf. Präs. Akt. auf -se resp. -re betrachtet,
(esse, esse, posse, ferre, velle, dare, nebst -dere u. s. w., nicht fore =
*fu-ese), dann derjenige auf -ere, der vollkommen zum Abi. Sg. der
Neutra auf -us, -eris stimmt, der aber ursprünglich Lokativ war, indem
das auslautende -e gesetzmäfsig aus -i entstand, während der Ablativ
ursprüglich -ed hatte, eine Endung, die beim Infinitiv nie vorkommt;
auch ist die Bedeutung des Infinitivs stets lokativisch, nie ablativisch.
Ich verwerfe also die, nach Analogie des Griechischen, beliebte Deutung
des betreffenden Infinitivs als Dativ, teils der Bedeutung wegen, teils
weil das auslautende -e, dessen ursprüngliche Länge durch einige Stellen
der Komiker keineswegs gesichert ist (s. Prgr, v. Mülh. i. E. 1890,
S. 34), zu den übrigen lateinischen Dativen nicht stimmt, und ebenso-
wenig zum gr. -ai, dessen dativischer Ursprung übrigens auch nicht
einmal feststeht. Insofern stimme ich mit Henry überein, doch deute
ich die Endungen -äre, -ere, -ire der abgeleiteten Verba nicht aus Analogie
sondern aus *-a-j-ese, -e-j-ese, -i-j-ese; an sie haben sich in der Form
die einfachen Verben wie näre, -plere, -fire angeschlossen, soweit sie
nicht einfaches -se oder -ese haben sollten, was sich nicht entscheiden
läfst: ebenso sind den Verben auf -ere gleich geworden die Komposita
^uf -dere von dare; sistere, serere, cernere, sinere u. s. w., in denen
-ere aus -a-se enstanden ist. — Den Infinitiv Pf. auf -isse halte ich für
zusammengesetzt mit esse. — Den Inf. Präs. Pass. u. Depon. der 3. Konj.
auf -i leite ich, allerdings zweifelnd, aus -ies(e) ab, während andererseits
daraus -ier entstand, und setze die passivische Bedeutung in das i, ent-
sprechend dem indischen passiven i z. B. pusjäse (nur dafs dies dativischer
11*
1(14 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Inf. ist) „zur Blüte gebracht werden, aufblühen" von peus „zur Blüte
bring:en". Dann beruhen allerdings amäri, -rier u. s. w. auf Analogie;
ebenso dari, arch. dasi, ferrier u. s. w. Auch diese Infinitive also sind
alle Lokative, nicht, wie Henry von denen auf -i meint, Dative. Die
perfoktischen Infinitive auf blofses -se, wie dixe, scripse, lassen sich von
den griechischen auf -jai schwerlich trennen, nur dal's auch hier ein
sicherer Lokativ vorliegt; doch wurden diese Infinitive später als
Kontraktionen aus dixisse (altbetont dixisse), scripsisse u. s. w, auge-
sehen, und danach auch andere Infinitive kontrahiert. Dasselbe gilt von
den Inf. auf -ässe, -esse, -isse. Die ganze Sache ist übrigens noch nicht
spruchreif. — Neubildungen nach der 3. Konj. sind die Inf. Fut. auf
-ässere. Das Resultat ist also (S. 31 ) : 1. Der Inf. Präs. hatte, mit wenigen
Ausnahmen, in denen das e vor s synkopiert ist, wie in es-se, die Endung
-ese, die im Passiv und Deponens an den durch i erweiterten Verbal-
stamm trat. Das -es- ist dasjenige der Neutra auf -us, Gen. -er-is
aus *-es-is . — 2. Der Inf. Perf. Akt. kürzerer Form hat die Endung
-se, nach Vokalen verstärkt zu -sse, die an den starken, schwachen oder
umgeformten Verbalstamm, bisweilen auch an den Präsensstamni tritt.
Das s in ihr ist dasjenige des indischen und griechischen Aorists und
des lateinischen Perfekts auf -si, das vielleicht mit der Wurzel es,
schwach s, „sein" zusammenhängt. Das s also in dicere ^^ *deic-es-e
und in dixe = *deic-s-e ist ganz verschiedenen Ursprungs, und nur dies
erklärt den temporalen Unterschied; in dixisse = *deic-si- (e)sse stecken
beide s und die Wurzel es vielleicht zweimal.
Eine andere Deutung des passiven -ier giebt:
A. Miodonski, Zur Erklärung der Infinitive auf -ier, -rier. Arch.
f. lat. Lexikogr. VII, S. 132.
Unter Verwerfung von K. Brugmanns allerdings sehr unwahr-
scheinlicher Ansicht (Vgl. Gramm. II 469), das -er sei die angehängte
Präposition ar = ad (wie im umbr. asam-ar = ad aram), stellt er die
noch viel unwahrscheinlichere Ansicht auf, nach einem vulgär abge-
kürzten Inf. Präs. Akt. auf -er z. B. biber habe man das passive -i
zu -i-er erweitert, z. B, bibi-er, vielleicht zum Unterschiede vom Perf.
Akt. bibi (!); s. auch V. Henry Mem. d. 1. Soc. d. Lingu. VI, 62 ff.
Dieselbe Frage behandeln:
E. H. Miles, tlie passive Infinitive in Latin. Class. Rev. V, 198 f.
L. Ceci, L'infinitivo presente passivo latino (truc, glottol.)
Giorn. d. filol. class. I, 257 ff.
Der Inf. Fut. Akt. ist erörtert in:
Formenlehre. Konjugation. vDeecke.) 165
J. P. Postgate, the Latia Future Infinitive in -turum. Proceed.
of the Cambr. riiUül. Soc. 1889, p. 6 ff. u. Classic, ßev. V, 301.
Schon Studemund hatte daraufhingewiesen, dafs im archaischen
Latein Spuren einer Nichtflexion dieses Infinitiv erhalten seien, und zwar
in der Form auf -urum esse (C. Gracchus: inimicos dictui'um, auch
Plautus). Conway leitet ihn vom Sup. auf -ü mit erum = esse ab;
Kretschmar (in Kuhns Ztschr. s. o.) aus demselben Supin mit Suff. -ro.
Ich habe dagegen in den „Erläuterungen zu meiner Schulgrammatik*
(S. 376) bemerkt, dafs, wenn nicht eine syntaktische Entartung vorliegt,
man an Ursprung von amätürum esse aus amätörum esse als Gen. Part.
denken kann, ja dafs vielleicht das ganze Part. Fut. Akt. erst aus dieser
Form entstanden ist; vgl. wegen des ü z. B. praetor, praetüra u. s. w. und
s. u. Schmalz.
Über den Inf. Fut.Pass. aus demSupinum und iri s. meinMülhauser
Prgr. v. 1890, S. 48 (auch 49), wo ich darauf aufmerksam gemacht
habe, dafs die passive Form, durch einen logisch-grammatischen Fehler,
am Verbum ire ausgedrückt ist, statt am Supinum: so heifst raptum
iri „zum Eauben gegangen werden", statt „zum Geraubtwerden gehen" ;
man müfste denn, in recht gezwungener Weise, den Inf. iil unpersönlich
fassen; s. meine ,, Erläuterungen zur Schulgrammatik" S. 86.
Vgl. noch in russischer Sprache:
0. Schebor, Der lateinische infin. fut. passivi. Russische Philol.
Rundschau U, 198 ff.
Auf eine durch Abwerfung des auslautenden -m des Supinums
entstandene kontrahierte Form auf -uii*i ist man erst in neuester Zeit
aufmerksamer geworden; s.:
Sam. Brandt, Infinitivi fut. pass. auf -uiri, Arch. f. lat. Lexikogr,
n, 349—54.
Zu vergleichen ist circuire neben circumire, auch coire neben comes,
comitium u. s. w. , vor allem aber der Schwund des m im Verse vor
Vokalen; vgl. noch circitor neben circuitor. Jener Infinitiv ist bei
Cato nicht sicher; häufiger in den Digesten (doch nicht hierhier metuiri
XX, 1,26 § 1), sechsmal bei Laktanz.
Andere, klassische, Stellen in:
J. H. Schmalz, Der infin. fut. pass. auf -uiri auch bei Cicero
Jahrb. f. klass. Philol. 1892, S. 79—80.
Bei Cic. ad Qu. fr. II, 5 ist statt redituro, das nach Hoppe's
und Tummelins Untersuchungen unmöglich ist, da Cicero das part.
fut. act., wie Plautus und Terenz, nur mit esse gebraucht, reddituiii
lQ[j Lateinische Grammatik. (Deecke.)
zu lesen; vgl. bell. Alexandr. 19,2 sublatuiri statt sublaturi. — Sehr
zweifelhaft!
Den Übergang von Infinitivformen in Participien behandelt:
Mich. Bröal, anciens infinitifs latins changes en participes.
Mem. d. 1. See. d. Lingu. VII, 3; s. oben!
Das Part. Präs. Akt. bespricht:
Chr. Bartholomä, Zur Flexion der nt- Participien. Bezzenb.
Beitr. z. Kunde d. idg. Sprachen. Bd. XVI, S. 261—279.
Gegen J. Schmidt macht er geltend, dafs zwei Accente zu
unterscheiden seien, die keineswegs immer zusammen fielen, der exspi-
ratorische und der musikalische. Wenn betont, hatte das Präsens
den exspiratorischen Ton auf der Stammsilbe: so auch das Particip,
aber es kann z. B. idg. der Nom. PI. bherontes geheifsen haben, der
Gen. Sg. bherentos mit verschiedenem musikalischen Accent (?). Bei
Ausgleichung der Formen drang im Griechischen in der Mittelsilbe o
durch, im Latein e, mit Ausnahme vereinzelter Formen wie eunt-.
Anders erfafst den letzteren Fall:
Jos. Weisweiler, Zur Etymologie des lateinischen partic. praes.
act. Jahrb. f. klass. Philologie 1889, S. 790—6.
Er nimmt keinen ursprünglichen Wechsel von -ent- und -ont-,
resp. -unt-, an: der Genitiv von iens: *eentis ist umgeformt nach eunt
und eundum; ebenso bei quire, wo queentes erhalten ist (?); sons (zu
dtsch. , Sünde"), mons, pons, fons, frons sind keine Participia; flexüntes
steht für *flexuentes (?); lucuns ist Lehnwort aus 7Xux6£t;, s. kretisch
(bei Athenäus) -/Xuxuv?; voluntas gehört zu *volö, -önis; s. juventas.
u. s. w.
In böhmischer Sprache ist abgefafst:
J. Zubaty, Das Suffix des Part. Perf. Akt. Listy filologicke
xn, p. 75 ft:
Vgl. die oben erwähnte Abhandlung von W. Schulze über das
lateinische v-Perfekt.
Die lateinischen Gerundia sind vielfach behandelt worden, ohne
dafs eine überwiegend anerkannte Ansicht vorgebracht worden ist: vgl.
oben die Havet-Henrysche des Ursprungs des Gerundivs aus dem
idg. Part. Präs. Medio-Passivi (-ndus = -mnos), des Gerundiums aus
dem Inf. Präs. Akt., und zwar zunächst des Genitivs (-ndi = -mnaj
oder -mnaj); s. noch Mich. Brcal Participes moyens en latin. Mem.
d. 1. Soc. d. Lingu. VI, 412 ff.
Formenlehre. Konjugation. (Deecke.) 167
Ferner :
K. Brugmaun, Der Ursprung der lateinischen Gerundia und
Gerundiva. American Journ. of Philol. VIII, N. 4. (1887—88).
S. 441—448.
Er geht auf Thurneysens Entstehung lateinischer nd aus tn
zurück, findet für den altpers. Infin. auf -tanaij und das lit. part. neces-
sitatis auf -tina-s eine gemeinsame idg. Suffixform -timo- neben -tno-,
und deutet so lat. piandus aus *piiä-tnos; vgl. das Sekundärsuffix -tijno-,
-tno- = lat.-tinus in cräs-tinus, diütinus u. s. w. 8o ist ferner
dandus = *datnos; -bundus = lit. bütinas; -cundus = *-cö-tnos, von
Nominalstämmen auf -co, s. rubicare neben rubicundus (andrerseits
aegrötus); ähnlich ist rotundus = *rotö-tnos zu rota; secundus = *secü-
tnos. Der Wechsel von ferend- mit ferund- , faciend- mit faciund- be-
ruht auf Analogie nach dem Part. Präs. Akt.; s. noch flexüntes neben
*flexentes von *flexere, wie texere ; voluntas = *volunti-tas (s. dagegen
oben "Weisweiler!). Altpersisch ist die Form substantivisch gebraucht
(als Infin.), litauisch adjektivisch, lateinisch als Gerundium substantivisch,
als Gerundiv adjektivisch. Vgl. hierzu mein Progr. v. Mülhausen i. E.
1890, S. 43 — 47, wo ich aber amandus (urspr. mit ä) zurückführe auf
*amaje-tnos; docendus auf *doceje-tnos ; audiendus auf *audije-tnos ; vgl.
aslav. prije-tinü „liebenswert" ; secundus aus *sequondus neben sequendus
u. s. w. Das Gerundium ist nichts weiter, als das unpersüulich ge-
brauchte Neutrum des Gerundivs; doch s. unten!
W eis w eiler in seiner unten in der Syntax zu besprechenden
Schrift leitet dagegen das Gerundiv vom Part. Präs. mit angehängtem
-no- ab; vgl. noch:
A. Döhring, Die Etymologie der sogenannten Gerundivformen.
Prgr. Königsberg 1888, 21 S. 4.
Er vergleicht -ndo- mit der griech. Nominalendung -v9o-, die
aber ganz andere Bedeutung hat; auch widerspricht ital. nn dem Ur-
spi'ung aus ndh.
E. S. Conway, The origin of the latin Gerund and Gerundive.
Class. Rev. V, 296 ff. u. VI, 150 ff.
G. Dünn, On Conway's theory as to the origin of the latin.
Gerund. Cl. Eev. VI, 1 ff.; VI, 264 f.
Carlsson, Gm det latinska Gerundivum och Gerundium. Pedagog.
Tidskr. 1891, p. 349 ff
In seiner Vgl. Grammatik II, 1425 denkt K. Brugmann an Ur-
sprung aus dem ital. Infin. auf -om und der Postposition -dö „zu" (s. en-do
aa.) oder -de = gr. -6s. bundus könne nicht mit dem -bö- Fut. ver-
bunden werden, sondern gehe auf das Nominalsuffix -bho, -bhä zurück
odei" Zusammensetzung mit -bhu-o von bheu.
168 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Den Nameu endlich bespricht:
Fr. Scholl, Bedeutung des Namens Gerundium. Alte Probleme I.
Arch. f. lat. Lexikogr. II, 203—5.
Nach A^erwerfung aller anderen Erklärungen des Wortes geht er
auf die Deutung des Cledonius (19,31 k.) zurück: quod nos aliquid
gerere significat, so dafs es synonym mit Activum ist, wie Supinum mit
Passivum; zur Bildung s. crepundia von crepere.
Über die Supina ist gleichfalls mein Mülhauser Prgr. 1890,
S. 48 — 50 nachzusehen, wo die Zusammengehörigkeit beider Kasus und
die aktive Bedeutung auch 'des zweiten Supinums nachgewiesen worden
ist; vgl.
J. Golling, Das zweite Supinum ein Verbalsubstantiv im Ablativ.
Gymnasium 1886, S. 665 ff.
Indem ich zu den gener a verbi übergehe, sind zunächst zwei
gleichzeitige , aber grundverschiedene Arbeiten über das rätselhafte
passivisch-deponentiale r zu nennen:
H. Zimmer, Keltische Studien. 8. Über das italo - keltische
Passi\Tini und Deponens. Kuhns Zeitschr. f. vgl. Sprachf. Bd. XXX,
S. 224—289; Nachtrag bis 292.
Zimmer geht aus von dem in der Deklination vorkommenden
Wechsel von Stämmen auf -r, -rt im Auslaut mit solchen auf -n, -nt
vor weiter antretenden flexi vischen Suffixen: so konstruiert er idg.
bhervr. Gen. bhrvnt-ös (so schreibt er) die Quelle; vadar, Gen. udn-ös
das "Wasser, gr. Goax- = *udnt-; ind. jäkrt, Gen. jaknäs die Leber, gr.
v^-aT- = *jeknt- (s. ob. Johanssen, Pedersen). Ähnliches findet sich
in der Konjugation (S. 232) z. B. idg. 3. pl. praes. ind. act. bheronti
„sie tragen" neben zusammengesetzten pro-bheror; ednti „sie essen"
neben pro-eds; snti „sie sind" neben -sr; daher 3. pl. aor. ind. act,
e-deik-sr; andrerseits 3. pl, perf, ind. act. se-sd-r neben der 3. sg. se-
sode von sed „sitzen". Fürs Italische, speziell Lateinische, wird
daraus Folgendes abgeleitet (S. 274 flf.): es gab eine 3. pl. praes. ind.
act. ^fjro-veh-or, daraus *pro-veh-ur, Kouj. *pro-vehär; ebenso *com-edur
(mit ur -r); Aor. *deixur, auch Konj.; Perf. *dedur, *(fe)facur neben
*fecur. Aus der Bedeutung „sie fahren" entstand „man fährt", dann
„es wird gefahren". So bildete sich aus Mischung von vehit und *vehur
die Form vebitur, woraus dann weiter, nach Analogie von vehit: vehunt,
abgeleitet wurde vehuntur. Aus diesen Formen abstrahierte man dann
ein passivisches Suffix -ur. Durch Ausgleichung des activen *vehur mit
dem passiven vehuntur entstand weiter als spezifisch lateinische (nicht
tialische) Bildung das Deponens z, B. sequuntur. Im Aor. (lat. Perf.
Formenlehre. Konjugation. (Deecke.) 169
auf-si) mischten sich *deixur, *dedur mit der Neubildung Cnach dem Präsens)
*deixont, *dedont (oder -unt); und so entstanden deixuront, dedront (auch
*dedrent?), daraus die verschiedenen bekannten Formen (!). Die 2. sg. praes.
vehere ist eigentlich aktiv = *vehesi; nach Analogie von vehis bildete
sich dann veheris; die medial-passivische Form war ui-sprünglich *vehero
ans *veheso, daraus, nach vehis, *vehesos; s. utarus, spatiarus. — Es ist
dies eine Häufung geistreicher Unwahrscheinlichkeiten mit stärkstem
Mifsbrauch der Analogie. — Anders:
Ernst Windisch, Über die Verbalformen mit dem Charakter r
im Arischen, Italischen und Keltischen. Abhandlung, d. Philol.-Histor.
Klasse d. Köuigl. Sachs. Gesellsch. d. Wissensch. Bd. X, Leipzig 1887,
66 S. 8.
Hierher gehört die Erklärung von agitur aus *ageto ^= gr. TJ-fexo -f-
r; von aguntur = *agonto = gr. yj-Yovto H- r; ebenso deponential sequitur,
sequuntur. Das r wurde dann auf aktive Formen übertragen: ago-r,
agimu(s)-r; die 2. sg. age-re ist eigentlich Imperativ == *age-so, *age-
ro; aus *age-ro + dem aktiven -is entstand einerseits mit Verlust des o:
ageris, andrerseits mit Verlust des i : utarus, figarus, spatiarus. Durch An-
hängung des r bildete sich ferner agere(m)-r u. s. v^. ; 2. sg. mit dem aktiven
-is: *ageres-r-is ^ agereris u. s. w. Im Infinitiv agie-r bleibt das ie
unerklärt. — Die 3. pl. perf. ind. act. auf -re gehört zum Ind. medialen
-re, -ii'e (neben akt. -ur). — Auch hier ist das meiste unhaltbar z. B.
die Mengung primärer und sekundärer, aktiver und medialer Endungen.
E,. S. Conway, The Origin of the Latin Passive, illustrated by
a recently discovered Inscription. Proceed. of the Cambr. Philol. Soc.
1890, 4. Dec; p. 16 if.
Mediale Endungen im Aktiv findet auch:
J. Speyer, Observations de grammaire latine: 1. desiuences moy-
ennes conservees dans le verbe latin. — 2. -tis. — 3. tendisti.
M6m. d. 1. Soc. d. Lingu. V, 185 ff.
1. I. sg. pf. act. -i (-ei) = ind. -e; 2. sg. imperat. pass. u. dep.
-re =^ gr. -cjo ; s. zu ersterem revertor: -ti; assentior: -si. 2. -iis Dualis
^ ind. -thas, got. -ts; nach Osthoff. Ztschr. f. d. östr. Gy. 1880,
S. 70: agitis zu agis, wie agite zu age.
Zu der Lehre von den Deponentien lieferte einen Beitrag:
J. Bodiss, de forma et natura verborum deponentium. Budapest
1891, 48 S. 8.
Vgl. die , Erläuterungen zu meiner Lat. Schulgr." S. 79.
Die Konjugation einzelner Verbalgruppen oder einzelner Verba,
besonders unregelmäfsiger, hat auch verschiedene Bearbeiter gefunden.
170 Lateinische Grammatik. (Deecke).
F. Fröhde, Zur griechischen und lateinischen Konjugation.
Bezzenb. Beitr. z. Kunde d. idg. Spr. Bd IX, S. 107—126.
Es sind hier unter anderen die Verba der 1. Konj. mit -ui, -itum
behandelt: sie sind keine Denominativa , sondern domare z. B. ist =
SafiaCetv, s. ind. damäjäti; es verhält sich zu SafivTjfit, wie spernere zu
äspernari; das i in domitus, -tor ist aus a entstanden, s. gr. aSaixato?,
7:avoa[xaT(üp; ähnlich ist es mit cubare neben cumbere ^ *cub-nere; zu
secare (Sup., mit elidiertem 1: sectum) vgl. den ind. Aor. aööhäm.
"Weniger sicher ist der nicht denominative Ursprung für sonare, tonare,
s. sonus, Tovoc, andrerseits arch. sonere, tonere. — Auf ein *olemi
neben (uXe-ja, oXe-(a)a) geht ab-oleö zurück: reminiscor ist = re-raena-
scor; s. [JH[jLVT](JXü> = *[xi|xev(i-!jx(u (!).
O. J. Fehrnborg, de verbis latinis in uo divisas desinentibus
disputatio. Stockholm 1889, 70 S. 8.
Eine Neubehandlung eines Teiles der Verba auf -uere, nach
K. Paulis älterer Arbeit (Stettin 1865). Der etwas gezierte und doch nicht
exakte Titel (die Verba auf -uo, -uare sind unbeachtet geblieben) schliefst
diejenigen Verba aus, bei denen u mit einem vorhergehenden q oder
g einen Laut bildet, oder als v zu lesen ist z. B. sequi, volvere. Die be-
trachteten Verba zerfallen wieder in 2 Gruppen: ursprüngliche und
abgeleitete, deren erstere wieder in 5 Untergruppen zerlegt werden:
1. -uo aus *-euö z. B. nuo = vsuw, pluo = ttXeFu), indem eu in ou, u, u
überging, letzteres nach der Regel vocalis a. v. corripitur. Freilich
zeigt die verschiedene griechische Formung an, dafs auch diese Gruppe
nicht einheitlichen Ursprungs zu sein scheint. — 2. -uo aus *-üa^hö, wie
in fluo, struo. Aber auch diese sind wieder verschieden gewesen, wie
die romanischen Weiterbildungen zeigen ; auch confluges, fluvius u. s. w. —
3. -uo aus -*üiö, wie suo, spuo; doch liegt eigentlich -ieuiö zugrunde, wobei
das «"Ste i vielleicht aus Dissimilationsgründen schwand. — .4 -nuo in
mi-nuo, sternuo aus -neu-mi. — 5. Reste von Aoristen (?), wie duam
und duim. —
Die abgeleiteten Verba stammen teils von m-, teils von ew-Stämraen.
— Vgl. die „Erläuterungen zu meiner lat. Schulgr." S. 215—21.
Ed. Wölfflin, accerso. arcesso; accersio, arcessio. Arch. f. lat.
Lexikogr. VIII, S. 279—287.
Die beiden ersten Formen schwanken von Plautus an, daneben
adcerso; doch ist eine neue Untersuchung der Handschriften nötig; die
älteste Form war wohl arcesso -^ arcedere facio ; bei Untergang des ar
trat die Umwamilung in accerso ein: ja schon bei Terenz regelniäfsig
ac(c)erso, aus dem Scipionenkreise. Die ältere Form dagegen bewahrten
Kato, Caec Statins, Kornificius, Cäsar, Cicero (nach den besseren Hand-
Formenlelire. Konjugation. (Deecke.) 171
Schriften); auch später die Gerichts- und Juristensprache. Petronius und
die Itala haben accerso. Die korrekte Form * accesso, den Grammatikern
unbekannt, ist in den Handschriften nicht selten. — Neben dem Perf.
-ivi begegnet auch -ii und kontrahiert -i: bei den Grammatikern sowohl
accersi, als arcessi; accersit Kurt. III, 3, 2, s. Ter. Andr. 515 accersitum.
andrerseits Inf. arcessiri Frontin. 1, 9, 3; accersiri in der Itala u. s. w. ;
spät auch Präs. accersio.
Vgl. die ,, Erläuterungen zu meiner lat. Schulgr." S. 213, wo ich
arcessere ebenso erkläre, aber accersere auf die in currere steckende
Wurzel quers zurückführe, so dafs hier zwei Verba verschiedenen
Ursprungs zusammengeflossen sind.
E. Stange, de archaismis Terentianis I. Progr. Wehlau 1890,
34 S. 8.
Diese erste Abhandlung behandelt nur die archaischen Formen von
esse und seinen Kompositis (auch posse) und die Infinitive auf -ier;
alles damals noch in allgemeinem Gebrauche, bestätigt durch die älteren
Inschriften und Ciceros Zeugnis. S. 13 enthält eine Tabelle über sim
u. s. w. und siem, sies, siet, sient (nie siemus, sietis), wonach auf 272
klassische Formen 80 archaische kommen. S. 21 hat eine ähnliche
Tabelle über die Infinitive auf -i (341) und -ier (39), letzteres fast
stets im Versausgang. — Eine zweite Abhandlung soll die dem Terenz
eigenen Nomina, Verba u. s. w. bebandeln.
Eug. Zimmermann, Quaestionum Plautinarum et Terentianarum
Über prior. De verbi posse formis dissolutis. Progr. Lörrach 1889,
24 S. 4.
Es handeln : § 1 de potis et pote apud Plautum, und zwar a. mit
esse, b. ohne esse; § 2. Dasselbe für Terenz. Der Verfasser bringt
etwa 1000 Fälle bei, aus denen sich ergiebt, dafs weder zwischen beiden
Dichtern, noch zwischen den losen und den zusammengezogenen Formen
ein Unterschied des Gebrauches oder des Sinnes stattfindet; durchweg
scheinen metrische Gründe zu entscheiden. Doch finden sich nie potis
(pote) esse, potis (pote) esset, wohl aber potisse, potisset, auch potissit
(in einem AVort); zu beachten sind auch potine, potin? neben potin es,
potin est. Die gewöhnlichen Formen sind potis es, -est, -sunt, -sim, -sis.
J. S. Speyer, Observationes et emendationes. Groningen 1891,
79 S. gr. 8.
Hierher gehört das erste Kapitel (S. 1 — 13) über die Doppel-
formen von edo. Es wird nachgewiesen, dafs noch in der klassischen
und silbernen Latinität die kurzen Formen mit es- die allein üblichen
gewesen; edim, edis u. s. w. waren damals Konjunktiv. Erst gegen Ende
172 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
des 1. Jabrb. u. Ch. entstand der neue Konj. edam, edas u. s. w. nach
Analogie (doch schon bei Ovid!); dann die Indikativformen edis, edit,
editis; Inf. edere; Imper. ede, edite; Imperf. Konj. ederem u. s. w. Das
e in den Formen mit es- soll kurz gewesen sein, gegen die Grammatiker.
Ehe ich zur Wortbildungslehre übergehe, will ich die wenigen
semasiologisehen Schriften, die inzwischen erschienen sind, einschieben.
Dabei ist zuerst anzuführen der schon oben erwähnte zuletzt erschienene
zweite Teil von Reisig-Haase, bearbeitet von Fr. Heerdegen,
Berlin, Calvary, 1888—1890, 154 S. 8.
Davon enthalten S. 1 — 38 den älteren düi'ftigen Text mit Noten
Heerdegens, die eine klarere Fassung des Begriffs einer objektiv-
wissenschaftlichen Bedeutungslehre zu geben versuchen. Es folgen
S. 39 — 154 die von dem Uberarbeiter ganz neu geschaffenen „Grund-
züge der Bedeutungslehre". Sie enthalten zunächst eine vorbereitende
Einleitung (bis S. 55). Die Grammatik zerfällt danach in 4 Teile:
Etymologie, Flexionslehre, Semasiologie (Bedeutungslehre) und Syntax.
Die Aufgabe der Semasiologie ist, „die in der Entwickelung der einzelnen
Wortbedeutungen herrschenden Analogieen festzustellen". Sie hat
2 Grundprinzipien: Translation (Metapher, Association) und Deter-
mination (Spezialisierung). Beispiel für die erstere ist z. B. fingere
kneten — erdichten; für die zw^eite: hostis Fremder — Feind. — Es
folgt der 1. Allgemeinere Teil (bis S. 116), der als drittes Prinzip
die Substitution (abhängiger oder bedingter Bedeutungswandel) hin-
zufügt z. B. dicere anzeigen für orare reden. Die 3 Prinzipien werden
dann in ihren Unterarten und Modifikationen dargelegt und die richtige
Methode ihrer Anwendung gesucht. Es ergeben sich die logischen
Vorfragen nach Bedeutungsumfang und Bedeutungswechsel, wie
fides Treue und Glauben; malum Übel, dann Schläge; ferner nach der
Verwendung, besonders in ablassendem oder abstumpfendem Sinne,
wie bei vivere = esse; magnopere = sehr. Der besondere Teil (bis
S. 154) behandelt den formalen und modalen Bedeutungswechsel und
führt die Prinzipien durch Beispiele breiter aus; s. oben und z. B. noch
magistratus „Amt", dann „Beamter". Doch ist das Material gering,
da das Lateinische gerade an semasiologischer Entwickelung arm ist.
Eine Weiterbildung der Semasiologie ist versucht in:
Oskar Hey, Semasiologische Studien. Abdruck aus dem 18. Spl.-
Bande der Jahib. für klass. Philol. S. 83 — 212. Leipzig, Teubuer
1891.
Der Verfasser fügt den 3 Grundprinzipien Heerdegens als Abart
der Determination die Bedeutungsdifferenzierung hinzu und
möchte statt der Substitution die Bedeutungserweiterung oder Ver-
Semasiologie. (Deecke.) 173
allgemeinenuig- als weiter reichend einsetzen. Es müfsten dann, nm die
Wissenschaft zu vollenden, für jeden Bedeutungswechsel, jede Bedentungs-
modiftkation die Gründe und Ursachen nachgewiesen werden, und dies
könne nur mit Hilfe der historischen Methode durch eine prag-
matische Greschichte jedes einzelnen Wortes geschehen. Dabei sind zu
unterscheiden: das objektive Element, welches den stofflichen Anstofs
zur Um- und Ausbildung des Objekts des Begriffes ermittelt, und das
subjektive Element, welches die psychologischen, allgemein gültigen
Analogieen für jene Begriffsänderungen selbst aufweist. Zu betrachten
ist dann auch noch die besondere Art des Zusammenwirkens beider
Elemente, Vernachlässigt scheint hier als drittes Element das persön-
liche, die schöpferische Thätigkeit, die Laune, das Wagnis des einzelnen
Schriftstellers oder Dichters, dessen Einfall oder Neuerung nicht selten
von der späteren Litteratur rezipiert wird. In Übereinstimmung mit
Heerdegen zeigt Hey dann, dafs die semasiologische Entfaltung der
römischen Litteratur- und Volkssprache, und besonders die Entwickelung
der Differenzierungen, eine sehr geringe und ärmliche gewesen ist, und
zwar infolge der allgemeinen geschichtlichen und kulturellen Zustände
der Römer, Die Bedeutungsdifferenzierungen sind demnach nur spärlich,
wie gnatus : natus; Juventus — juventa; noxia — noxa (?). — Freilich ist
auch die Sammlung des Materials bisher noch eine geringe, und nähere
Erforschung der Sprache, namentlich in den Gebieten, in denen das
geistige Leben der Eömer sich vor allem bewegte, wie Krieg, Staats-
und Rechtsleben (trotz alles Konservatismus), Beredsamkeit u. s. w.,
wird ohne Zweifel noch reicheren Stoff zuführen.
Abseit stehen die Untersuchungen von:
Volk mar Hölzer, Beiträge zu einer Theorie der lateinischen
Semasiologie. Berlin, Calvary u. Cie. 1889. 194 S. 8. (Aus den
Berliner Studien f. klass. Philol. n. Ai'chäol, Bd. VI, Hft. 3).
Hölzer schliefst sich an den eigentlichen Begründer der Sema-
siologie Nägelsbach, von dem als Lehrer allerdings auch Heerdegen
ausgegangen ist, an, und bestimmt, in Erweiterung und Vertiefung der
Auffassung jenes, die Semasiologie als „die Wissenschaft der Ent-
wickelung der Wortbedeutung, welche darzulegen hat, welche Vor-
steUungsreihen das römische Volk im Laufe seiner geschichtlichen Ent-
wickelung, besonders in der Blütezeit seiner Litteratur, erworben, in
seiner Sprache niedergelegt und vermöge der ihr eigenen inneren Form
in Worten ausgedrückt hat". Die Betrachtung der inneren Sprachform
wird dann, im Anschlufs an W. v. Humboldt und H. Steinthal, weiter-
geführt und an einem Kapitel des Kornelius Nepos wie an einem deut-
schen Geschichtstext gezeigt, wie man die darin vorkommenden Vor-
174 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Stellungsreihen herauslösen, ordnen und mit einander vergleichen kann,
so dals für die Übersetzung die richtige Wortwahl getroffen werden kann.
Diese Untersuchung, schwierig und etwas umständlich, ist fein durch-
geführt und giebt immerhin interessante Ergebnisse. Diese Ergebnisse
werden dann an den 10 ersten vitae des Nepos weiter erprobt und daran
Yorschläge praktischer Art für das Vokabellernen und die Lexikographie
geknüpft. Es öffnet sich so ein weites, ja fast unermefsliches neues
Arbeitsfeld, auf dem endgültige Resultate erst nach Durcharbeitung der
ganzen bedeutenderen römischen Litteratur, von dem angegebenen Ge-
sichtspunkte aus, gezogen werden können.
Eine Einzelprobe semasiologischer Bearbeitung bietet:
Ad. Müller, Curvus, uncus und Komposita. Arch. f. lat. Lexi-
kogi-. III, S. 117—130; 236—250 (auch als Progr. Flensburg 1886,
38 S.).
Der Verfasser giebt erst die für curvus versuchten Etymolo-
gieen, das am ehesten mit Cucurbita, gr. xupßetc, xupxo?, got. hvairban
„drehen" verwandt scheint, bestimmt danach die Grundbedeutung
„gekrümmt", bespricht sein spärliches Vorkommen in der klassischen
Prosa, die das abgeleitete curvatus vorzieht, ausgenommen die Fach-
schriftsteller für Baukunst u. s. w., und geht dann in geordneter Reihe
die Gegenstände durch, auf die es sich angewendet findet: landwirt-
schaftliche Geräte, Angurstab, Musikinstrumente, Waffen-, dann: Wasser,
Meeresküste, Schiff; Gewächse, Tiere, Menschen und deren Teile; ferner:
gewölbte Flächen; endlich, in übertragener Bedeutung, logische und
ethische Verkrümmtheit. Als genauere Bedeutung ergiebt sich aus dieser
mannigfaltigen Verwendung diejenige der krummen Linie oder Fläche,
und zwar wesentlich im Schönheitssinne, konvex, wie konkav. Es folgen
die spärlichen und seltenen Komposita: in-, re-, pro-, subcurvus. —
In derselben Weise wird dann das in jeder Hinsicht zurückstehende uncus
betrachtet, verwandt mit Sl'(xü\o<;, 07x0c, ahd. angul, ind. aücärai „ich
krümme". Wenn es auch dichterisch vielfach mit curvus wechselt, so
wird es doch im besonderen von spitzig gekrümmten, hakigen Dingen
gebraucht, wie: Pflugschar, Angelhaken, Nase, Krallen, Hand, Schnabel,
Hauern, Hörnern. Komposita sind ad-, red-, obuncus, ersteres auch
in der klassischen Prosa. — Zu vergleichen ist im ersten Jahrgange
des Archivs (1884), S. 329—343, Ed. Wolf f lins Untersuchung über
das begriffsverwandte pandus.
Ins semasiologische Gebiet fällt auch:
Herrn. Suchier, Der Untergang der geschlechtlosen Substantiv-
form. Arch. f. lat. Lexikogr. III, S. 161—7.
Der Verfasser sucht genauer den Verlauf des Prozesses festzu-
Semasiologie. (Deecke.) 175
stellen, der selbst schon in den dem vorigen Jahresbericht ange-
hörenden Schriften von Em. Appel De genere neutro intereunte in
lingua Latina (Erlangen 1883) und W. Meyer Die Schicksale des la-
teinischen Neutrums im Romanischen, dargelegt worden war. Genauer
handelt es sich eigentlich nicht um den Untergang des Neutrums
überhaupt, sondern vielmehr um den Übergang der neutralen Substan-
tiva zum männlichen oder weiblichen Geschlecht, denn die neutralen
Formen der Pronomina und der Adjektiva blieben im Singular erhalten,
um auch fernerhin auf nicht substantivisch ausgedrückte Begriffe be-
zogen zu werden. Nur im Plural verschwand das Neutrum gänzlich. —
Schon vorlitterarisch hatten die neutralen Adjektivformen auf c, t, d,
p, b durch Annahme des nominativischen s sich im Nom. (Vok.) Sg. den
kommunen (eig. männlichen) Formen angeschlossen. Die weitere Ent-
wickelung beruht nicht, wie Appel meinte, auf einem Werke der Phan-
tasie, wie die ursprüngliche indogermanische geschlechtliche Personifi-
kation, sondern nur in veränderten Associationen : entweder schlofs sich
das betreffende Wort in seinem Geschlecht d. h. in seiner Kongruenz
an solche an, mit denen es begrifflich associiert war, oder an solche, an
die es durch seine Lautform erinnerte. — Zuerst nun fielen, infolge Ver-
stnmmens des auslautenden s und m, die Neutra der 2. Dekl. im Sin-
gular ganz mit den Maskulinen zusammen, s. vulgär schon bei Petronius
fatus, vinus (auch unter Einflufs des Griechischen? s. ttotijlo?, oIvo?!); an
die Neutra der 2. Dekl. schlössen sich diejenigen der 4. Dekl. — Im
Plural blieben die durch häufige Anwendung dem Sprachgefühl fest ein-
geprägten Formen erhalten, wie folia, fata, cornua; die infolge seltneren
Gebrauchs verdunkelten aber schlössen sich an die Maskulina an, z. B.
PI. N. tecti, Acc. tectos, — In der 3. Dekl. waren an die Stelle der
alten Nominative Sg., wie antistes, princeps, durch Vermittelung des
Akkusativs neue getreten, wie antistite(m)-s , principe(m)-s, und dieses
s trat, wie bei den Adjektiven, auch an die Neutra, wie rete-s, mare-s,
nome(n)-s. — Die Neutra auf -us richteten sich nach den Adjektiven
auf -US, z. B. tempus bonus; von Einflufs war auch der Gebrauch des
Ablativs als Akkusativ, z. B. per multo tempore C. I. L. X, 3344.
— Endlich unterlagen in manchen Gebieten, wie die romanischen Sprachen
derselben zeigen, auch die a-Plurale, während sie in anderen sogar neue
Singulare bildeten. — In Italien dauernd, in Frankreich vorübergehend,
erhielten die neutralen a-Plurale das s der weiblichen, z. B. folias, mira-
bilias, und es wurden aus ihnen dann neue weibliche Singulare auf -a
gebildet: folia, mirabilia u. s. w.; einige blieben pluralia tantum, wie
fian^ailles. — Zu untersuchen wäre noch, bei der verschiedenen Ent-
wickelung in verschiedenen Ländern, der etwaige Einflufs der einheimi-
schen Sprachen.
176 Lateinische Grammatik. (Deecke).
Eine verwandte Untersuchung ist:
A. "Weinhold, Der Genuswechsel der Derainutiva. Arch. f. hit.
Lexik. IV, S. 169-188.
Bekanntlich sollen der Regel nach die Deminutiva im Latein,
abweichend vom Griechischen und Deutschen, das Genus der Primitiva
haben — aber es giebt Ausnahmen. Der Umfang dieser Erscheinung
läfst sich nicht genau bestimmen, da die Deminutivbildung wesentlich
vulgär ist und die vulgäre Sprache nur in beschränktem Umfange über-
liefert ist. Zu einem wirklichen Deminutiv nun gehören 3 Bedingungen:
1. dafs der primitive N'ominalstamm nachweisbar ist; 2. dafs die
Verringerung in der Bedeutung ei'kennbar ist: 3. das Deminutiv-
suffix. Es giebt ferner Deminutiva 1. und- 2. Grades. Suffixe des
1. Grades sind -la (richtiger -lo/e, wbl. -lä) und -ca (richtiger -co/e,
-cä). Vor -la wird der Stammvokal der 2. u. 1. Dekl. zu o, nach
Konsonanten zu u z. ß. fillolus, -la; hortulus, sportula; bei -ro,
-lo, -no, -na tritt Synkope und Assimilation ein z. B. coröna: coröl-la;
nicht bei -ra z. B. ära: ärula; bei -inus, -ina ist das ursprüngliche e be-
wahrt z. B. asinus: asellus; bei den Nominativen auf -er tritt das Suffix
an diese: ager: agellus; puer: puellus; bei Konsonant -f ro- wird ein
6 (vokalisierter Stiramlaut), seltener ein i, eingeschoben z. B. labrum:
labellum; transtrum: transtillum (übrigens ist auch das e in agellus -=
*agr-lo-s eigentlich Stimmlaut). Irrig trennte man dann -ulus, -a, -um
als Deminutivsuffix ab und hängte es an konsonantische Stämme : regulus,
civitatula; von der 4. Deklin. bildete man erst später Deminutiva auf
-u-lus u. s. w.; in der 3. Dekl. entstand aus -on -lus: -ullus z. B. homullus.
Die meisten Stämme der 3. aber, und regelmäfsig diejenigen der 4. u.
5. Dekl., haben das zusammengesetzte Suffix -adus, -a, -um, bei kon-
sonantischen Stämmen an den Nominativ gehängt: api-cula, vulpe-cula
(gemischt clavlcula); sucula; uxorcula, passerculus, flösculus, corpusculura;
diöcula; das -u der 4. Dekl. schwächt sich zu -i: versiculus; das o von
-on der 3. Dekl. wird u z. B. homunculus. Selten sind Deminutiva auf
blofses -cus, -a, -um, und dann nicht mehr als solche empfunden z. B.
nover-ca (?). — Übergangen sind Bildungen wie homuncio. — Auf
ältere Formen des Primitivs, wieder mit Synkope des Stammauslauts
und einem Stimmlaut i, gehen Bildungen zurück wie: axilla zu äla ^^
*axla; vexillum zu velum —- *vexlum, '^veh-slum u. s. w. — Manche
Deminutiva haben als Kosenamen das Primitiv ganz ersetzt z. B. in
pueri et pufllae. — Deminutiva 2. Grades sind z. B. agnellus ^ *agnu-
lulus; pocillum (?, s. unten!); ja noch weiter abgeleitet sind cistellula
(PI. Rud. 391), spät agnicellulus aa. — Keine Deminutiva sind die
Wörter auf -nleus, die adjektivische Gleichartigkeit ausdrücken (V, s.
Semasiologie. Wortbildung. (Deecke.) 177
acnleus); auf -asfer, das instrumental ist ('?, eher peggiorativ) ; -äceus,
(rein adjektivisch), -edula, das keine Grundform hat (doch s. oben -edö,
-üdö von Tliieren !). Auch sind die Deminutiva nicht zu verwechseln
mit den Instrumentalia auf -ulum (?), -culum, -bulum u, s.w.; spät
stehen nebeneinander indiculus (dem.) und indiculum (instr.). Auf Ver-
raengung: scheinen die isolierten Bildungen wie cunabula, naustibulum (?)
zu beruhen. Auch anguilla, ungula u. s. w. sind keine Deminutiva, wie
die verwandten Sprachen zeigen ; doch sind sie an dieselben in der Torrn
angelehnt. Wo nun das Geschlecht der Deminutiva abweicht, liegt
immer ein bestimmter Grund vor: 1. Das Deminutiv hat das ur-
sprüngliche Geschlecht bewahrt z. B. calculus, cultellum. — 2. Das
Geschlecht des Primitivs schwankt z. B. canalicula, diecula. — 3. Die
Bedeutung hat gewechselt z. B. digitellum Hauswurz; geniculus Rohr-
knie. — 4. Das Deminutiv ist persönlicher Beiname z. B. Corculus,
Ocella. — 5. Das Deminutiv hat doppeltes Geschlecht z. B. avicellus,
-IIa. — 6. Es sind Pflanzennamen, bei denen auch im Primitiv schon
oft das Geshhlecht schwankt z. B. betaculus, fabulus. — 7. Einflufs
eines begriffsverwandten Substantivs z. B. agellum (nach rus, praedium).
— 8. Analogiebildungen z. B. morsiuncula, accentiuncula. — 9. Ver-
einzelte Bildungen, wie arbusculus und -um (s. arbustum); cerebellus;
corpusculus u. s. w. — 10. Zweifelhafte Überlieferung. — Im ganzen
also ist die Zahl gering und die Abweichung durchweg erklärbar, so
dafs die Regel bestehen bleibt.
W. M. Lindsa3% diminutives in -culus. Class. Rev. VI, 87 ff.
E. Hauler, grandiusculus, -diculus. Arch. f. lat. Lexik. V, 293 f.
Indem ich zur Betrachtung einzelner Wortbildungssuffixe
übergehe, ei'wähne ich zuerst:
R. Fisch, Die lateinischen nomina persoualia auf -o, -onis. Ein
Beitrag zur Kenntnis des Vulgärlateins. Berlin, Gärtner, 1890,
198 S. 8.
Der Verfasser hatte das gleiche Thema schon teilweise und
kürzer zweimal behandelt: genetisch im Osterprogramm des Andreas-
gymnasiums zu Berlin 1888, 30 S. 4, und lexikalisch im Arch. f. lat.
LexikogT, V, S. 56 — 88. In obiger gröfserer Arbeit giebt er das ge-
sammte, von ihm gesammelte Material in 10 Abschnitten, mit er-
weiterten Resultaten. Und zwar erörtert er zuerst die Begriffskreise,
innerhalb deren die Wörter obiger Bildung begegnen; dann: das Ver-
hältnis der Litterat ur zu ihnen; die Kennzeichen ihres Wertes durch
verschiedene Accessorien: die Glossen; die archaischen Wörter; die
Eigennamen; hierauf: Ableitung und Bedeutung, sowie Ursprung des
Suffixes, mit einigen Erläuterungen aus der vergleichenden Grammatik
Jahresbericht für AJtertumswissenschaft. LXXVII. Bd. (1893. III.) 12
178 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
und Beiträgen zu seiner richtigen Würdigung; endlich das Gesamt-
resultat mit Sach- und "Wortregister. Dies Resultat, wobei ich das
zweifelhafte saliarische cusian -= curio und die daran geknüpften unhalt-
baren Folgerungen weglasse, ist erstens, dafs das Suffix in den meisten
Fällen eine Person bezeichnet, weit seltener Tiere, Geräte u. dergl.,
wobei aber die Metapher bewiifst bleibt; zweitens, dafs die nomina
personalia adjektivisch sind, von Adjektiven, Substantiven und Verben
abgeleitet werden und auch als Snbstantiva generis communis bleiben,
wenn auch das masculiuum das Gewöhnliche ist; drittens, dafs sie
vulgär waren, dem sermo plebejus, servilis, castrensis, circensis, rusticus
vorzugsweise eigen, und dafs, v/enn auch einzelne in bonam partem gewendet
wurden, wie eine Reihe älterer Götternamen zeigt, doch von Anfang
an eine Neigung in tnalam partem überwog. Im Verlaufe der Sprach-
entwickelung wurde das Geschlecht mehr und mehr durch "Weiter-
bildungen deutlich gemacht, die gute Bedeutung gewisser "Wörter durch
allerlei lautliche Umgestaltungen gewahrt oder die betreffenden "Wörter
durch andere ersetst, während mit dem ursprünglichen Suffix sich immer
mehr der Begriff' des Lächerlichen, Verächtlichen, Gemeinen, Niedrigen
verband; in gutem Sinne trat dafür klassisch -tor ein. "Während der
Volkswitz das on-Suffix zu Scherzbildungen mancherlei Art verwendete,
trat es klassisch zurück, brach aber später wieder neu hervor und ver-
lor dann auch das Unfeine. — Die schon im Altertum deutlich wahr-
nehmbare, in den romanischen Sprachen durchgedrungene augmentative
Bedeutung ist nicht genug hervorgehoben. — Die Schrift ist fleifsig,
anregend, aber etwas anspruchsvoll; Sprachvergleichung und Etymologie
sind oft zu kühn und willkürlich. — Ähnliche Untersuchungen über
andere Suffixe sind wünschenswert.
Zu dem Aufsatz im Archiv hat "W. Meyer Erläuterungen gegeben,
ebendort V, S. 223—233. Er hebt hervor, dafs das on-Suffix ursprüng-
lich substantivisch personificierende Ableitungen von Adjektiven bildete,
erst später von anderen Substantiven, kaum von Verben: combibo geht
eher auf ein *combibus, als direkt auf combibere zurück; epulo ist eher
von epulum, als von epulari abzuleiten; erro von errare ist dann z. B.
eine analogische Bildung u. s. w. Schon archaisch erstarrten jene Ab-
leitungen zu Eigennamen. Im besonderen wird bemerkt: 1. zu den von
Adjektiven abgeleiteten Bildungen: ob alle -ullus, -ulla als Deminutiva
^= -*on-lus, -""on-la hierhergehören, ist recht zweifelhaft: auch ist wohl
ein Teil der Eigennamen auf -o anderen Ursprungs; bei Gleichstellung
der nomina appellativa und propria ist Vorsicht geboten. — 2. Unter
den von Substantiven abgeleiteten Wörtern auf -ö(n) ist ein Unter-
schied zu machen: bucco und commilito z. B. sind innerlich durchaus
verschieden; letzteres ist eigentlich Rufform (Eigennamengestalt); das
Wortbildung. (Deecke.) 179
einfache milito ist erst spiit. Der Unterschied ferner von aleo und
aleator ist nicht derjenige von vulgärer und klassischer Form: jenes
bezeichnet den gerade mit der alea spielenden Menschen, dieses die
Idee des Spielers. Perner ist centurio wohl erst Abkürzung von
centurionus (nicht umgekehrt); s. curionus, decuriocus, colonus, worin das
>>uffix -onus die Zugehörigkeit bezeichnet. — 3. Über die zweifelhaften
Ableitungen von Verben s. oben. — 4. Das Suffix ist ursprünglich
nur männlich, die weibliche Form dazu war vielleicht ursprünglich
-ana (?); erst später trat der kommune Gebrauch ein, und zuletzt die
Femininbildung auf -öna. — 5. handelt von dem kombinierten Suffix
~iö(ii), das verschiedenen Ursprungs ist. — 6 — 7. beziehen sich anf
die romanischen Sprachen. — S. noch Paucker und Pott im
Jahresber. 1883-84, S. 171 u. 174 f.
Zu vergleichen sind auch meine Etruskischen Forschungen (III,
377 u VI, 16—18) und meine Falisker (S. 277 ff.), besonders für die
Verwendung des Suffixes im Eigennamen wesen.
Ein einzelnes der vulgären Wörter auf -o: fullo, hat Anlass ge-
geben zu der Schrift des erstgenannten Verfassers:
ß. Fisch, Die Walker, oder Leben und Treiben in altrömischen
Wäschereien. Berlin, Gärtner, 1891, 39 S. 8,
Hierher gehört nur der Exkurs über „lautliche Vorgänge auf
<lem Gebiete des Vulgärlateins", an die Etymologie von fullo angeknüpft,
das wunderlicher Weise aus *fulmino entstanden sein soll, ein Scherz-
name für den blankmachenden Walker; daher auch der Leuchtkäfer (!)
fullo heilst; aber der vulgäre Name des Walkers war nacca (Fest. 166, 2).
— Die an jene Vermutung angeschlossenen vulgären Lautveränderungen
sind unhaltbar.
Andere Wortbildungssuffixe sind in den folgenden Schriften
behandelt:
Fr. Skutsch, De nominibus Latinis, suffixi -no ope formatis,
observationes variae. Habilitations -Dissertation, Breslau, 1890,
34 S. 8.
Die Arbeit enthält, wie der Titel angiebt, kein systematisches
<jranze, sondern 5 einzelne Untersuchungen, die nur gewisse schwierige,
jenes Suffix betreffende Fragen behandeln: 1. venenum wird auf * venes-
iium zurückgeführt (vgl. aenus = *aesnus) als „Liebeszauberraittel", und
dementsprechend veneficus nicht auf '"venenificus , sondern auf *venes-
ficus „Liebe erweckend", wie gr. Itts j-p6Xo? ; doch ist der Ausfall des
s vor f bedenklich. — 2. Das seltene Suffix -ünus wird durch Dissi-
milation aus *-i-inus erklärt z. B. in alienus, Bellienus, Nasidienus, wie
societas neben novitas, hietare für *hi-itäre; doch ist hier wohl e das
12*
180 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
TJrsprüDgliclie, und der Wechsel zwischen den kurzen Vokalen ist
leichter erklärlich, als derjenige zwischen den langen. Dann kommt
für die Eigennamen auch das etruskische Suffix -ena, -enie(s) in Be-
tracht. Das vereinzelte terrenus soll nach aenus gebildet sein. — 3.
enthält Beiträge zu den Nominibus auf -inus, angeblich abgeleitet von
solchen auf -iön, -ien, in der Tiefstufe; vielmehr ist festinus (zuerst bei
Vergil, s. Serv. Aen. IX, 486) erst eine Rückbildung von festinare (schon
bei Plautus), wie necopinus von opinari. — 4. erörtert das Verhältnis
der Endungen -i-tüdö und -ie-tä^ zu einander, indem dort eine Stamm-
form auf -i, hier eine auf -io als Grundlage angenommen wird, ersterea
bedenklich, s. z. B. altitudo. — 5. bespricht die Adjektiva auf -gno-,
-gino-, -gneo-, -gineo-, deren Suffix nichts mit der Wurzel gen , zeugen*
zu thun hat; vielmehr liegen Analogiebildungen nach ilig-nus, larig-nus,
salig-nus vor. — Vgl. Stolz in der Berl. Philol. Woch. 1891, S. 153
ff. u. die Entgegnungen von Skutsch ebdt. 482 ff.
Ich schliefse hieran:
H. Ron seh, Die lateinischen Substantlva auf -ina. Zeitschr,
f. d. österr. Gymn. Bd. XXXVII (1886), S. 589 ff.
Zum Suffixe -aster (s. Fr. Seck im Jahresber. f. 1883—4) weist
K. Sittl (Arch. f. lat. Lexik. VI, 509) auf eine griechische Glosse
(Etymol. Gud. col. 14 Sturz) at^aaxpto?- rdl «7010? hin (vulgär?).
Eine eingehende Arbeit ist:
Olaf Schönwerth, Über die lateinischen Adjektiva auf -ösus,
ergänzt von K. Weyman. Arch. f. lat. Lexik. V, 192—222.
Es ist diese Untersuchung eine Erneuerung und Vertiefung der
Pauckerschen Arbeit (s. Jahresb. f. 1883—4, S. 168—9); doch sind
für sie von den dort gesammelten 844 Beispielen nur etwa 200 benutzt
worden. Besprochen wird zuerst die Herkunft und Form: -ösus ist^
''-vant-io-s , älter -önsus, bisweilen (seit Ennius) -ossus, vulgär
-unsus, -USUS; formonsus, das bis in die christliche Zeit vorkommt, soll
dies der konservativen Sprache der Liebenden verdanken (!). Die Her-
leitung ist übrigens irrig, wie Fr. Stolz ebdt. V, 368 nach Brugmann
bemerkt, der -ösus = *-o-vent-to-s oder -*o-unt-to-s ansetzt (ss^ns).
— Was dann die Ableitung durch das Suffix betrifft, so findet die-
selbe meist von Substantiven statt (bei Cicero fast ausschHefslich),
besonders von solchen der 1 — 3. Deklination, auch von Abstrakten auf
-täs (gegen J'aucker); von einem Plural ist abgeleitet viriosus, von
Lehnwörtern podagrosus (schon bei Plautus), machinosus (Sueton) aa.
Manche kommen von Adjektiven, den Begriff verstärkend oder sonst
nuancierend, später nur als Formverlängerung: schon Plautus hat
obnoxiosus, Varro bellicosus, alsiosus aa. ; christlich nimmt die Zahl
Wortbüdang. (Deecke.) 181
dieser Bildungen sehr zu. Das bei Pacuv. 213 R.- vorkommende
imose gehört nicht hierher, sondern ist =^ un(i)vorse. Von Verben
giebt er keine sichern Ableitungen : des Nigidius bibosus tadelt Gellius
(in, 12, 1) scharf; bei Cic. acad. II, 143 ist spinosissimi statt opin-
zvL lesen; sonst calcitrosus, mordosus, blandiosus. — Bei der Art der
Ableitung sind besonders die mannigfachen Stammverkürzungen
hervorzuheben : facti(ön)5sus ; clam(ör)ösus, spät vaporosus (afrikanisch) ;
dagegen blieb ö : nemorosus, litorosus, bei Cicero nur facinorosus (oder
-erosus?); ferner calamit(ät)ösus , aber voluptuosus (Quintil.) aa.
Andrerseits findet sich Erweiterung durch i und u: curiosus, la-
boriosus, montuosus, monstruosus (neben Formen ohne u). In Ver-
bindung mit anderen Suffixen z. B. febricosus (Veget. mulomed. I, 38);
formidulosus (-dolosus) seit Nävius; meticulosus (Plautus), somniculosus,
siticulosus; zweifelhaft mit -in-, -it-, -ig. — Die Grundbedeutung
des Suffixes ist „reichliches Vorhandensein"; daher wird es von
den Grammatikern meist mit plenus, auch multus, magnus umschrieben;
es wird sowohl lobend wie tadelnd gebraucht; Nigidius, der Ersteres
leugnete, wird von Gellius (IV, 9) \dderlegt. Medizinisch entspricht
es dem gr. -txo?, s. ob. podagrosus; selten ist es aktiven Sinnes z. B.
formidolosus (auch passivisch), invidiosus, criminosus (dergl.) aa. ; so
berührt es sich mit -fer. Ferner drückt es das Übermafs einer Eigen-
schaft aus = gr.-co6rj?, -eior^c, auch sekundär ein hervorragendes Merk-
mal, eine Ähnlichkeit: so schon Nävius citrosus, Plautus aestuosa
(mulier), prodigiosus aa., Terenz cadaverosa (facies). — Ableitungen
finden sich auf -ösitas (Cicero), -ösulus (Varro, Cicero, aber selten);
vereinzelt odiosicus (Plautus scherzhaft); verbosare, ventosare (spät).
Präpositionen gehören meist schon dem Primitiv an z. B. confragosus
(Plautus); sonst mit negativem in: inofficiosus (juristisch bei Cicero),
importuosus (Sallust), später häufiger, eigentlich einen Widerspruch
enthaltend.
Ed. Wölfflin, Die Adjektiva auf -icius. Arch, f. lat. Lexik.
V, S. 415-37.
Auch hier lag eine Vorarbeit Pauckers vor (Jahresber. f.
1883—4, S. 169), dessen Sammlung nur etwa 20 neue Beispiele zuge-
fügt sind. Zu unterscheiden sind zunächst: -icius von -ix, -icis, wie
meretricius, nutricius, obstetricius, vereinzelt apicius von apica; posti-
cius von posticus; ferner -icius von -ex, -icis, wie carnuficius, pontificius;
von -ica, wie fabricius, sublicius; vereinzelt von -icum: triticius; es
sind dies nur etwa ein Dutzend gegen mehr als 200 echte auf -icius.
Diese sind vulgär, sehr häufig in der Komödie, besonders im Plautus;
sonst selten: bei Cicero nur einige wenige, wie tribunicius, dediticius,
Ig2 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
beim Cäsar im bell. Gall. nur letzteres. Abgeleitet sind sie 1. von
part. per f. auf -icius, älter und doppelt so reich als Gruppe 2, in der
Komödie schon massenhaft, einige neue bei Kato, Varro, sonst wenige
(Sallust advecticius; Liv. multaticius) ; später häutiger bei den Juristen
und im Kirchenlatein. Verkürzt ist peticius = *petiticius; analogisch
novicius (Plautus, Terenz, Juvenal). — 2. Denominativa auf -icius
z. B. Ovid sodalicius, Pers. natalicius u. s. w. — Abgeleitet sind beide
Arten zuerst von o- und i-Stämmen, dann von a-Stämmen z. B.
lanisticius (Petronius); von r-Stämmen z. B. patricius (seit Plautus —
oder von *patrex? s. umbr. fratrecs), aa. seit Varro ; isoliert caespi-
ticius (script. bist. Aug,), cinericius (Cyprian, Itala). — Die Länge des
i in der Gruppe 1. ist noch unaufgeklärt — ob aualogisch nach mere-
tricius u. s. w.? (sicher nicht!). — Die Bedeutung der Gruppe 1. ist
diejenige rechtlicher Stellung, und zwar passivisch, mit Ver-
stärkung des Participialbegriffs z. B. dediticius; bisweilen = -Ivus, gr.
-ixoc Die passive Kraft schwächt sich allmählich, ja es entsteht ver-
einzelt sogar aktive Bedeutung, wie in adveuticius. Bisweilen wird
so eine aus einmaliger Handlung resultierende Eigenschaft dadurch
bezeichnet, oft speziell gewendet. Die Gruppe 2. hat keine passive
Bedeutung und bezeichnet die Zugehörigkeit nach verschiedener
Richtung hin.
Ich verzeichne ferner:
A. Prehn, De adjectivorum verbalium in — bundus exeuntium
usque ad alterum p. Chr. saeculum usu. In den Comment. in honorem
G. Studemundii, S. 1 ff.; s. oben bei den Gerundien!
Fr. Haussen, Die Aktivbedeutung der Adjektiva auf -bilis im
archaischen Latein. Philologus Bd. XLVII, S. 247 ff.
vgl. die im Jahresber. 1883—4, S. 167 — 8 angezeigte Arbeit von
Paucker.
W. T.Arnold, The termination -ensis. Class. Rev. III, 201 ff.
Zur Verbalableitung sind zu bemerken:
Ed. Wölfflin, Die verba frequentativa und intensiva. Arch.
f. lat. Lexik. IV, S. 197—222.
Die Behandlung dieser Verba ist bisher nur eine oberflächliche
gewesen (doch s. Paucker, Jahresber. 1883—4, S. 3.35): hier sind sie
in H Abschnitten behandelt: I. Die betreffenden Verba sind abgeleitet
vom part. per f., nicht vom Supinum, und zwar: regelmäfsig: 1. Konj.
datare, flätare, nätare (dies ist irrig, denn es heifst nätare), crepitare,
adjütare u. s. w.;- 2. Konj. z.B. habitare, desponsare, vulgär babetare;
niemals -etare(doch s. oletare); 3. Konj. fugitare. jactare, spectare, mersare
u. s. w.; 4. Konj. dormitare, ventare, saltare u. s. w.; unregelmäfsig:
Wortbildung (Dcecke.) 183
von -ätus der 1. Koiij.: -itare, sehr häufig, entweder von einer Neben-
form des Particips auf -itus, oder nach Analogie von domitare u. s. w.;
vereinzelt hietaie (dissimiliert). Auch sonst gehen Frequentativa auf
-itare auf eine Nebenform des Paiticips zurück z. B. fluitare von
''fluitus(?); bisweilen mit Kontraktion oder Synkope z. B. commetare
zu *meitare von meare; lütare (doch s. nütare); mantare (schwerlich
synkopiert!). Bisweilen wechseln t und s z. B. arch. mertare, pultare,
andrerseits taxare, rapsare; vexare neben vectare; andere Unregel-
mäfsigkeiten sind: pisare und pinsare, visitare, coquitare, tuditare (doch
s. tudes, -itis!). "Wenige dieser Yerba scheinen vom Präsensstamme
abgeleitet zu sein, wie funditare (schon Plautus), quaeritare (desgl.),
nöscitare, sciscitari (arch. -are), agitare (wohl eher von *agitus), spät
mergitare, miscitare, discitare, legitare aa. Nicht ganz selten ist die
Verdoppelung des Suffixes zu -titare, -sitare z. B. dictitare, mersi-
tare, zur Auffrischung (?), bisweilen mit Überspringung der ersten
Stufe, wie emptitare, risitare aa. ; eine Scherzbildmig ist puellitari. —
IL Statistik des Gebrauchs. Paucker hat 500 solcher Verba ge-
sammelt: davon ist etwa ^';; archaisch, ein zweites Drittel neu bei
Cicero und Cäsar, der Rest später; praeceptare schon im Carm. Saliare.
Der Scipionenkreis war gegen den überm äfsigen Gebrauch als vulgär,
weshalb Terenz mafsvoller darin ist als Plautus; Vorliebe zeigt wieder
Sallust; später Livius, der dem Sallust näher steht als dem Cicero;
im ganzen sich mindernd, nehmen sie bei Tacitus zu; archaistisch wurden
manche archaischen wiederbelebt, aber auch neue gebildet. — III. Gegeu
Kühner, der die Verba auf -tareund-sare als intensiva von den frequentativa
auf -itare trennen will, und gegen Andere, welche die Verben der
ersten Stufe intensiva, diejenigen der zweiten frequentativa nennen, ist
an der wesentlichen Gleichheit aller dieser Bildungen festzuhalten.
— IV. Die Alten kannten den Namen intensiva noch nicht; frequentativa
erklärten sie durch saepe, saepius, frequenter; synonym war iterativa,
seltener: accumulativa, adjectiva. Die erste Stufe sollte die mehr-
malige Wiederholung ausdrücken, die zweite die ständige (saepissime,
semper). — V. Die Ansichten der Neueren. Dafs die Verba auch
desiderativen Sinn hätten, ist falsch; den intensiven Sinn haben sie
nebenbei bekommen; es sind gewissermafsen „potenzierte" Verba:
so heifst captare „einen Griff thun, einen (guten) Fang machen" ; dann:
„geschickt und öfter greifen". Aus dieser Ursache hielt sich der
Grundbegriff der Wurzel im Frequentativ fester, und dieses machte die
Bedeutuugsentwickelungen des Primitivs nicht mit. Es findet im Sinne
oft eine gewisse Berührung mit der figura etymologica statt, nur dafs
das Objekt im Verbum selbst bleibt. — VI. Allmählich trat Ent-
wertung des Suffixes ein, und die verba primitiva wurden bald fiüher.
184 Lateinische Grammatik. (Deeckc.)
bald später durch die Inteusiva verdi'ängt z. B. *specere durch spectare
schon in ältester Zeit; ferner ergänzten Ableitungen dieser Verba die
Lücken der primitiva oder ersetzten Formen derselben, die anderen
iSinn erhalten hatten z. B. pollicitatio, exercitatus, occultatus, cantatus,
invisitatus (Doppelsinn von invisus). Die Dichter brauchten manche
Bildungen aus metrischen Gründen z. B. Lukrez discrepitant neben dis-
crepat. Nach 300 n. Ch. ist die Entwertung ziemlich vollendet (vgl.
Servius).
Derselbe, Verba desuperlativa. Arch. f. lat. Lexik. 11, S. 355—64.
Als erstes Verb der Art wird consummare = in summam redigere
(Liv. XXVni, 17, 3 u. s. w.) angeführt; doch kommt dies eher von
summa als Substantiv, als von sumraus. Sonst -nämlich begegnen wirk-
liche desuperlative Verba erst nach 150 n. Chr. in Afrika z. B. in der
Itala: proximare, nebst ap-, improximare, extimare; in der Vulgata:
pessimare, noch später: summare, extremare, minimare, maximare, alle
von unregelmäfsigen Superlativen, die am ehesten nicht mehr als
solche gefühlt wurden. — Nachtrag über intimai'e ebdt. Ell, 108 — 116.
— Erwünscht wäre eine Ausdehnung der Untersuchung über die verba
decomparativa gewesen z. B. meliorare bei den Juristen und Kirchen-
vätern aa.
A. Funck, Die Verba auf -iUare. Arch. f. lat. Lexik. IV,
S. 68-87; 223—246.
Es sind dieser Verba nicht viele: sie haben deminutiven Sinn
und drücken Verkleinerung, Zerstückelung, auch Wiederholung u.
dergl. aus; manche werden mit einem 1 geschrieben, wie die germa-
nischen auf -iJ-. Unterschieden werden 5 Gruppen: A. von Nomiuibus
auf -üla, wie scintillare, stillare u. Komposita, ancillari (kaum dcnomi-
uativ), bei Tertullian exancillari; ferner cavillari, incavillari; furcillare,
adfurcillai'e. — B. von Nominibus auf -^7/o- ; oscillare, murmurillare(?),
grillare (kaum hierher!), gracillare u. aa. (ouomatopoietisch!); catillare,
bacillare (Tiron. Not.), sigillare u. dissigillare. — Dazu kommen Ad-
jektiva auf -illatus und sonst Vereinzeltes. — Von Adjektiven kommen ■
imbecillari, tranquillare (schwerlich deminutiv), siogillare (alt singillatim),
satullare(?). — C. von Verben: conscribillare, occillare, sorbillare. —
D. an Verbalstämme angelehnt: focillare, auch mit re-; obstri(u)-
gillare; sug(g)illare; vacillare. — E. unsicher n Ursprungs: titillare,
auch mit at- ; facillare (spät) ; fucillare (aus der Augursprache) ; zweifel-
haft: strittilare, irquitillare, ciliare. — Die Verben sind meist vulgär.
— Der Iudex zeigt, mit den Kompositen und Ableitungen, 58 Nummern,
— Die Sonderuug der verschiedenen Arten und die Untersuchung des
Ursprungs der einzelnen Verba ist noch nicht genügend durchgeführt.
Wortbildung. (Deecke.) 185
Derselbe, Die Verba auf -issare uud -izare. Arch. f. lat.
Lexik. III, 398—442; Nachlese ebdt. IV, 317—20; V. 571-3.
Die Schrift gehört eigentlich unter die Betrachtung der Lehn-
wörter; s. unten! Es werden sämtliche Yerba dieser Art aufgeführt:
A. aus heidnischer Zeit: a. archaisch, älteste Schicht, bei den
Dramatikern voraugusteischer Zeit: intrans. 12, trans. 8, fast alle auf
-issäre, Deponens nur comissari; gargarissari neben -are. Lateinischen
Ursprungs, also voces hj'bridae, sind: vibrissare (Titin. bei Fest. 370, 2);
patrissare u, raatrissare (Komödie). — b. medizinisch: intrans. 4,
trans. 15, auf -izare (spätere Form der Entlehnung); lateinisch: sub-
amarizare,; pulverizare; s. noch latinizare, (Cael. Aurel.). — c. andere
technische Ausdrücke: 23; lateinisch: aerizare, lentulizare, potissare (?) ;
exopinissare (Petron. 62, 14), caprizare, stercorizare. — B. aus
christlicher Zeit, weit zahlreicher, durchweg auf -izare, nur einzelne
Schriftsteller bevorzugen ss oder s; spät erscheint auch -diare. — Der
Index giebt im ganzen 145 Verba, wozu die Nachlese noch etwa 30
fügt, so dafs die Zahl noch keineswegs fixiert scheint.
Die von "Wölfflin früher behandelten verba desiderativa und
diejenigen auf -ur(r)io (s. Jahresber. 1883—4, S. 176—7) sind neu
besprochen in:
J. Sto Wasser, Die Bildung der verba desiderativa. Zeitschr. f.
d. österr. Gymnas. Bd. XL, 200 ff.
Derselbe, Die verba auf -urrio.
Vgl. noch:
Mich. Breal, Verbes derives latins. Mem. d. 1. Soc. d. Ling.
VI, 342 ff.
Wir kommen zu den Partikeln:
Ed. Wölfflin, Zur Adverbialbildung im Lateinischen. Arch. f.
lat. Lexik. Vm, S. 143—5.
Die Adverbia sind von verhältnismäfsig junger Bildung (?),
doch bei Plautus schon entwickelt, wenn auch in manchen Fällen noch
durch Adjektiva vertreten: so besonders multus z. B. insto, neben mul-
tum; primus neben primum und prime (Näv., Plaut.); totus, solus,
nullus (niemals tote u. s. w.) ; tristis (nicht tristiter), laetus (nie lae-
te); miser z. B. perii, später misere. Das Neutrum ist zudem kein
eigentliches Adverb, wie multum (z. B. dissimilis), primum, solum, ferner
paulura, ceterum, quid (= cur)? Bei Cäsar kann rursus (= reversus)
proficiscitur noch Particip sein; später blieb rursus erstarrt auch bei
legio, Romani; andrerseits seditio rursum erupit, wie primum, secundum;
ebenso adversus, -sum, während primus von primum getrennt blieb. —
Zur Umschreibung wendet Plautus gern modus im Abi. PI. an, sehr
oft mit Allitteration : multis, mille, malis, miris, miseris modis, doch
236 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
anch pluribus u. s, \v. Ähnlich bei Lukrez, Vergil; daneben exemplis.
Dagegen steht bei in stets der Acc. Sg. in mirum modum. — Die
Ableitung der Adverbia auf -Her (s. unten) von iter „Weg" wird als
eine Art tigura etymologica wahrscheinlicher z. B. celer(e)- iter ire,
dann -progredi; long(um) -iter errat u. s. w.
A, Fanck, Neue Beiträge zur Kenntnis der lateinischen Ad-
verbia auf -im. Arch. f, lat. Lexik. VH, 485—506; VIII, 77—114.
Vgl. Pauckers Arbeit, Jahresber. f. 1883—84, S. 170, der 428
Beispiele giebt, während Funcks Index 308 zählt. — Der erste Auf-
satz enthält eine Zusammenstellung ergänzenden Materials in al-
phabetischer Folge, als Vorarbeit zu einem Überblick über die Bildung
und Geschichte, nach der 7. Aufl. von Georges' Handwörterbuch, bis
ins Mittelalter, und zwar 1. bei Georges fehlende; 2. wichtige neue
Belege. — Der zweite, umfangreichere Aufsatz behandelt die Bil-
dung und Geschichte. Zunächst sind 2 Gruppen zu unterscheiden:
eine lokale, wie illim, istim, und eine modale, vie tractim, minu-
tatim, cursim. Hier werden nur letztere besprochen. Der Form
nach sind es Acc. Sg. weiblicher Abstracta auf -ti-, resp. -si-: das
zeigt vor allem affatim = ad*fatim, ferner partim, der alte echte
Accusativ von *partis neben dem späteren partem vom verkürzten
Stamme part-, Nom. par(t)s. Da andi-erseits -ti- sich zu -tiön- er-
weiterte, so kann man die Adverbia auf -tim vielfach neben Abstrakta
auf -tiö stellen, z. B. contemptim = per contemptiönem ; doch hat sich
die Bedeutung auch bisweilen nach verschiedener Richtung hin ent-
wickelt, wie citatim neben citatio (doch s. concitatio!). Mitunter ist
das Verb ungebräuchlich geworden, wie bei visceratim, visceratio (doch
s. eviscerare!). Häufig fehlt auch das -tiö, z. B. bei carptim (doch s.
excerptio!), confertim, datatim. Endlich bleibt ein Rest, bei dem die
Anknüpfung an verbale Stämme gar nicht oder nur gezwungen ange-
nommen werden kann, die vielmehr direkt von Nomini bus abgeleitet
scheinen: so propritira, ubertim, viritim, tribütim (nicht zu tribuere,
con-tributio) und viele auf -ätim, wie ciu-iätim. Es liegen hier offenbar
umfangreiche Analogiebildungen vor, wie bei den Adjektiven auf -ätus,
-itus, -utus. Die Handlung vollzieht sich hier in der Alt, wie es für
das Nomen charakteristisch ist. Übrigens kommen beide Arten, die
verbale, wie die nominale, schon bei Plautus vor; sie waren also vorge-
schichtlich fertig. Bei manchen kann man über den Ursprung
schwanken, und es scheint auch im Altertum selbst eine Zeit der Un-
sicherheit geherrscht zu haben, ob man z. B. acervatim von acervare
oder von acervus ableiten solle: dies vermehrte die Analogie-
bildungen (?). Vielfach lassen sich auch Beziehungen zum part. perf.
Wortbildung. (Deecke.) 187
pass. erkennen, z. B. confertim neben confertus, und es gehen Adverbia
auf -te nebenher, z. B. contempte, die z. T. gesteigert werden können
und so die fehlende Steigerung von -tim ersetzen, das auch dadurch
seinen substantivischen Ursprung verrät. Einzelner Adverbia Herkunft
oder Form bleibt unklar: confestim (zu -fendere?), cossim (neben coxa,
con-quexi), saltim (neben saltem), vicissim (Corss. in Kuhns Ztschr.
III, 291) aa, — Die Blütezeit der Adverbia auf -im ist die ar-
chaische; klassisch wurden sie beschränkt, später wieder hervorgeholt
und neu gebildet; nur wenig mehr als 30 finden sich ununterbrochen
im Gebrauch. Cicero brauchte manche mit Vorliebe, hat auch viel-
leicht einzelne neu gebildet; ebenso Cäsar; besonders schöpferisch, wie
in so vielen anderen Dingen, war Tertullian; einzelne Bildungen finden
sich nur bei den Grammatikern oder in Glossen. Die Neubildung
wurde vielfach durch Association befördert: nach conjunctim, confertim
büdete man coacervatim, coadunatim, coUectim aa. (?); ja schon in
alter Zeit traten die Adverbia für „eilends" und „allmählich" zu
Gruppen zusammen. „Durch alle Jahrhunderte, durch die ver-
schiedensten Sprachgebiete führt die Forschung: noch die spätesten
Schriftsteller schöpfen aus jenem Borne, welcher frisch und lebendig
in der Volkssprache hervorsprudelt."
H. Osthoff, Die lateinischen Adverbia auf -iter. Ai*ch. f.
lat. Lexik. IV, 455—66.
Das lateinische Adverbialsuffix lautete ursprünglich -iter, nicht
-ter, und ist der Acc. Sg. des Neutrums iter „der Weg", vgl.
molliter=molIissimavia; deutsch: kurzweg, gradeswegs, allerwegenu. s.w. '
ind. Instr. PI. eväi§ „nach Gewohnheit", von evas „der Gang"; engl,
always, ital. tuttavia, span. todas vias u. s. w. Die Bildung ging aus
von i-Stämmen; brev(e)-iter; dann kamen die e/o-Stämme: long(um)-iter,
mit Elision, wie im Verse; sie sind besonders archaisch; die konsonantischen
Stämme hatten wohl im Acc. Sg. noch die reine Stammform, ohne das un-
organische s (?), z. B. simplic-iter , loquäc-iter, wenn dies nicht Ana-
logiebildungen sind; s. auch pär-iter. Das i wurde bisweilen elidiert,
wie in audäcter; bei ti fiel durch Dissimilation die ganze Silbe aus,
wenn nicht erst Elision des i stattfand und dann Vereinfachung des
doppelten t, z. B. iner(ti)ter, clemen(ti)ter; recen(ti)ter s. recenti via
„frischweg". Bisweilen ist statt des Adjektivs auf -ens die erweiterte
Form auf -entus üblich geworden, z. B. erneuter: cruentus, s. neben
opulenter: opulens auch opulentus (und opulente!). Isoliert stehen: fa-
culter, difficulter, simulter, wie facultas u. s. w. ; analogisch gebildet
sind aliter (doch s. arch. alis = alius), nequiter (nach dem Komparativ
nequior). — Nicht hierher gehören praeter, propter, inter u. s. w.,
138 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
iu denen das Komparativsuffix steckt. — Im Arch. V, 276 wird be-
merkt, dafs jene Vermutung- schon von Autenrieth, Eos 1866, S. 514
aufgestellt war; vgl. auch Wölfflin, Arch. VIII, 145 (s. oben!).
J. M. Sto Wasser, Zahladverbia auf -iens. Arch. f. lat. Lexik.
V, 136—7.
Analog der Bildung auf -iter leitet Stowasser diese Adverbia
vom Part. Präs. iens „gehend" ab, urspr. Nominativ. Er weist hin
auf Verg. Äneid. VI, 122:
itque reditque viam tot-iens;
ähnlich quinqu(e)-iens tibi panera attuli. Ausgegangen ist die Bildung,
aufser von diesen Formen, von quotiens, deciens, centiens, milliens;
dann breitete sie sich analogisch aus. Vorausgesetzt wird, dafs bei
ihrer Entstehung das Dreisilbigkeitsgesetz des Tones noch nicht durch-
gedrungen war, z. B. dec(em)-iens, ceut(um)-iens , mit derselben me-
trischen Elision wie bei long(um)-iter; viciens gehört nicht zu viginti,
sondern ist aus *(d)vi(di)ciens entstanden (?), danach triciens u. s. w.
Anders über viciens Stolz ebdt. 285. — Schon Breal sah in jenen
Adverbien eine Participialbildung, doch leitete er sie direkt ab, wie
von unus: uniens, hier durch Vermittlung des Verbs unire; er ver-
gleicht auch triens, quadrans, aber weder Form noch Bedeutung stimmt.
Eine andere Ansicht entwickelt:
R. Thurneysen, Arch. V, 575—6.
Er geht aus vom ind. kijant- ,,wie grofs, wie viel"; ijant- ,,so
grofs"; davon ist das Neutrum Sg. auf -jat = -jnt als Adverb ge-
bräuchlich: dem aber entspräche lateinisch lautgesetzlich *-ient-, mit
nominativischem s: -ien(t)s, wie fereu(t)s auch als Neutrum dient. Dann
verbreitete sich die Endung analogisch weiter. — Leider stimmt kein
indisches Beispiel zum Lateinischen, und die Erklärung des s ist un-
wahrscheinlich. So soll auch gr. Tojja-xi(s) = ''xo-:ii\{y)-v.\{<:) sein, vgl.
lat. totien(t)-s.
Die Bildung der lateinischen Eigennamen, besonders der
Gentilnamen, im Zusammenhang mit der Naraengebung der anderen
italischen Stämme, auch der Etrusker, habe ich besprochen in meinen
,Faliskern" (Trübner, Strafsburg 1888), Exkurs S. 275—297. Der
älteste italische Vollname des freien Mannes bestand aus einem
Individualnamen, dem ein adjektivisches, aus dem Individualnamen
des Vaters durch das Suffix -io- (resp. -ie-) abgeleitetes Patronymikum
folgte, genau wie im Homer At'ac TeX(Z|j,ojvio;, NejKup Nr|Xr,(F)to? Da
im Italischen uns' keine alten zusammengesetzten Individualnamen mehr
erhalten sind, sondern schon in ältester Zeit, wie auch griechisch iu
den obigen Beispielen, durch abgekürzte einstämmige Kosenamen er-
Wortbildung. (Deecke.) 189
setzt sind, so wurde das Patronymikum von diesen Kosenamen abge-
leitet, häufig auch von Deminutiven derselben auf -lö-, auch doppelt
-llo-, ferner -do-, -co- aa., oder auch von Augmentativen auf -ö(n-),
vielleicht auch -a. Durch einen Gesetzgebungsakt unbekannter Zeit
wurde dann das Patronymikum als Gentilname fixiert, der Individual-
name zum Vornamen; Beinamen konnten ehrenhalber oder spottweise
oder zur Unterscheidung hinzugefügt werden. Alte lateinische indi-
viduelle Kosenamen sind Numitor, Amulius (?), Romulus (Deminutiv
von *Romus (s. gr. Tü)[jlo;), Remus (auch deminutiv Remulus), Faustulus
(Deminutiv von Faustus), auch weiblich Acca. In § 83 habe ich
83 Beispiele von Gentilnamen auf -ins zusammengestellt, die auf Vor-
namen (oder Beinamen) auf -m5, -ö(w), -a u. s. w. zurückgehn; in § 84
noch 43, die auf Individualnamen auf -m zurückzuführen sind, also ur-
sprünglich wohl auf -i-ius, -ins ausgingen, bis Verküi'zung des i vor
dem u eintrat. Beispiele der ersten Art sind: Marcius von Marcus;
Caecilius von Caeculus (s. den Beinamen Caecus); Pompönius von
Pompö(n), Augmentativ von Pompus, s. den Gentilnamen Pompius und vom
Deminutiv *Pompilus: Pompilius; Annaens von *Anna, Augmentativ (?)
von *Annus, wovon Annius; Numitorius von Numitor; Arruntius von
Ar(r)un(t)s; Beispiele der zweiten Art: Numisius (später Numerius),
Manius, Gellius, Marius, Spurius aa. Die Gentilnamen auf -äww5, -enws
(auch -ienus), -mus u. s. w. waren ursprünglich Beinamen, die an Stelle
des ausgelassenen Familiennamens traten; soweit diese Namen auf
-enus (neben -ennus, -ennius), auch -inus (-inies, -innius) nicht aus etrus-
kischen auf -ena (auch -enies), -iua (-inies) latinisiert sind, z. B. Vi-
bennus, Vipinius von etr. vipena, vipina.
Einen kleineren Beitrag zu diesem Gebiete liefert:
A.Zimmermann, Zu den römischen Eigennamen. Arch. f. lat.
Lexik. VI, 269—271.
1. Der Beiname Cinna gehört zu cincinuus (s. Oincinnatus), vgl.
Mars neben Marmar.
2. Sems und Procus als Cognomina. Sie sind nicht etwa abge-
kürzt aus Secundus und Proculus; vielmehr ist letzteres deminutiv und
Secus ist r= Sequens (?); s. Arch. IV, 602.
3. Die Endung -idms bei den Gentilnamen. Diese sind teils ur-
sprünglich, von Nominibus auf -idus abgeleitet, wie Avidius, Calidius,
Fidius, Placidius aa. , teils, indem man -idius als einheitliches Suffix
auffafste, analogisch gebildet.
Vgl. noch:
K. Braasch, Lateinische Personennamen, nach ihrer Bedeutung
zusammengestellt. Progr. Zeitz 1892. 36 S. 4.
190 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
A. V. Semenoff, Etymologisches über einige römische Eigen-
namen, in den Xenien, S. 21 ff.
Wir kommen jezt zum zweiten Teile der Wortbildung, der
Zusammensetzung, und ich erwähne zuerst:
Fr. Skutsch, De nominum Latinorum compositione quaestiones
selectae. Dissert. von Bonn, gedruckt Neifse 1888. 42. S. 8.
Die Schrift, eine Preisschrift, enthält nur einige Abschnitte ans
der Frage, zunächst über die Arten der Zusammensetzung und die
Stellung der Glieder; dann im einzelnen: Komposita mit Verben
im ersten Gliede (lateinisch dürftig vertreten), composita coimlativa
(desgl.), Adjektiv mit Substantiv (auch nicht häufig), Komposita
mit Zahlwörtern im ersten Gliede. — Bei verschiedenen in der Zu-
sammensetzung vorkommenden Formen wird eine Altersbestimmung
versucht, z. B. Septem- älter als septi-, septu- (?). Mit der fort-
schreitenden Entwicklung der Sprache nimmt die Macht der Analogie
zu. Häufig ist in der Komposition die Unterdrückung einer von zwei
gleichen (auch ähnlichen !) aufeinanderfolgenden |SiIben , z. B. se(mi)-
modius, tru(ci)-cidare.
B. Deipser, Die Bildung und Bedeutung der lateinischen Ad-
jektiven auf -fer und -ger. Progr. Bromberg 1886, 30 S. 4.
Vgl. die Arbeit von Paucker, Jahresber. 1883—4, S. 168!
Der Verfasser will in dem ersten Gliede dieser Komposita nicht den
Stamm, sondern den Acc. Sg. sehn: er geht daher aus von i-
Stämmen, wie ignifer = *ignim-fer (?), und hält das i von uvifer,
aurifer, corniger aa. für daher übertragen (?). Er sucht dann den
Bedeutungsunterschied von -fer und -ger zu bestimmen, und fafst
ersteres als „hervorbringend, führend, bewirkend" z. B. auri-, ali-,
ignifer; letzteres als ,, tragend, versehen mit" z. B. armiger, pinniger.
Danach werden zahlreiche Stellen korrigiert, obwohl für die spätere
Zeit doch eine gewisse Vermischung der Endungen anerkannt werden
mnfs.
Fr. Stolz (Arch. IV, 316—7) verwirft die erstere Ansicht und
verweist auf griechische Komposita, wie fXTiXo^opoc mit reinem Stamm.
Zur Partikelzusammensetzung sind zu nennen:
G. Wulsch, De verbis cum praepositione per compositis apud
Livium. Progr. Barmen 1889. 34 S. 8.
Vgl. Desselben De praepositionis per usu Liviano, Dissert.
Halle 1880. Die obige Schrift ist ein lexikalisches Fragment, das aus-
führlicher nur die 20 Verba von peragere bis perforare behandelt,
während die andern 68 nur aufgezählt sind. Ein tieferes Eingehen
Wortbildung. Zusammensetzung. (Deecke.) 191
auf die verschiedenen Bedeutniigen des per, auf die feinere Nüan-
cierung des einfachen Verbalbegriffs durch dasselbe, sowie auf den be-
sondern Sprachgebrauch des Schriftstellers im Vergleich zu seinen
Vorgängern, Zeitgenossen, Nachfolgern, findet sich nicht. Für die
Lexika ergeben sich kleine Ergänzungen. — Zu vergleichen ist hierzu
der Aufsatz von Fr. Stolz, per und Anhang. Arch. II. S. 497—508;
ferner J. Dutilleul, Remarques sur les Superlativs formes parier.
Revue de phüol. Xin, 133 flf.
Es folgt:
Karl Hamp, Die zusammengesetzten Präpositionen im Lateini-
schen. Arch. V. Ö. 321—368.
Zusammengesetzte Präpositionen sind klassisch selten und
meist viel bestritten; ebenso auch in der silbernen Litteraturperiode.
Dagegen sind sie archaisch- vulgär, bei Plautus, Ennius, Kato aa.;
dann archaistisch und besonders kirchlich-romanisch, zum Teil unter Ein-
flufs des Griechischen; die mündliche Existenz mancher, die schrift-
lich nicht vorkommen, ergiebt sich aus ihrer Fortsetzung in den roma-
nischen Sprachen. Die lateinischen Grammatiker bekämpfen sie: nur
wenige erkennen sie an z. B. als vergiUanisch circumcirca, abusque,
adusque; sie selbst aber brauchen econtra, desuper, insimul, desub;
archaisch ist auch praeterpropter. — Gebildet sind diese Komposita
teils purch Präfixion, auch vor intus, subtus, simul, palam, retro,
foras, foris, welche, zwar eigentlich Adverbia, doch auch als Prä-
positionen gebraucht wurden; teils durch Suffixion, mit versus, us-
que, secus, tenus. — Gründe der Verbindung waren: Verstärkung,
Verdeutlichung, Unterscheidung, Kürze des Ausdruckes (z. B. detrans
Tiberim venire); ferner Einflufs griechischer Vorbilder; später mecha-
nische Analogie. — Der Bedeutung nach sind die Glieder teils syn-
onym (seltner) z. B. circumcirca, subterinfra, deab, deex, adin, teils
nicht, letzteres die grofse Mehrzahl, wobei aber als Präfixe nur ein-
silbige Präpositionen vorkommen. Schon oben ist die Meugung mit
Adverbien berührt; sie ist sehr häufig, und zusammengesetzte Ad-
verbien finden sich nach demselben Prinzip gebildet, teilweise alt und
klassisch z.B.: ab-, de-, exinde: abhinc aa.; alonge, demane; extunc;
adeo, adhuc; inmane, inperegre. — Die Zusammensetzungen mit de-
(20), ab- (12), ex- (5) bezeichnen den Ausgangspunkt, örtlich wie
zeitlich; diejenigen mit in- (16), ad- (7) die Richtung „wohin", gleich-
falls in Ort und Zeit. — Die Zusammensetzungen selbst sind teils
wieder Präpositionen, teils Adverbia. Bei verschiedener Rektion
der Glieder richtet sich der Kasus nach dem wichtigeren Element,
wobei die Bewegung die Ruhe überwiegt; doch giebt es Ausnahmen,
]92 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
uud später tritt Yevmengüng ein. S. 331—368 werden die einzelnen
Zusammensetzungen aufgezählt; der Index enthält 82.
Fr. Vogel, in privativum. Arch. f. lat. Lexik. IV, 320—22.
Der kurze Aufsatz ist veranlafst durch die verschiedene Be-
sprechung des haud impigre (s. in der Syntax!) mit seinem psycholo-
gisch leicht erklärlichen logischen Fehler. Vogel sieht in dem in- ein
künstliches Druck- und Flickwort, als die Lebenskraft der
Sprache zu versiegen begann (ganz irrig, da es schon urindogermanisch
war!). Es trat zuerst vor Substantiva, dann vor Adjektiva, und zwar
lobende (auch dies ist falsch!). Ein (spezifisch lateinischer) Mangel
war die Mengung mit der Präposition in, so dafs doppeldeutige
Wörter entstanden, wie imminutus, immutabilis, inclinis, inauratus (auch
invisus). Eine späte Bildung ist impinguis „fett" (Heges. 3, 26, 58),
nach impinguare gebildet. — Das Wort impiger, in welchem in- vor
einem tadelnden Adjektiv steht, findet sich allerdings schon bei Plautus,
aber nicht bei Cäsar, selten bei Cicero, 7mal bei Sallust; es trat an
die Stelle des unbeliebten nave oder naviter.
Ed. Wölfflin, Substantiva mit in privativum. Ein Beitrag zur
Kenntnis der Africitas. Arch. f. lat. Lex. IV, 400—412.
Das in privativum tritt nicht vor Verba, wegen des Gleichlauts
mit der Präposition in (?); wohl aber giebt es abgeleitete Verba von
damit zusammengesetzten Wörtern. Scheinbare Ausnahmen sind: igno-
scere, vielmehr „ein Einsehn thun" (?); infiteri, eine späte Bildung statt
des denominativen infitiari, vielleicht veranlafst durch infitens; impiare,
denominativ von impius. Häufig ist in- vor Adjektiven und Partizipien,
auch von Substantiven abgeleitet, wie infamis, imbellis, inänis (zu
*acnus = fundus!). Vor Substantiva tritt es ursprünglich nur bei Ab-
leitung von Verben oder Adjektiven (V) z. B. impiamentum, insania,
injustitia, inscitia, incommoditas u. s. w. Direkt tritt es vor: 1. arch.
intemperies , iusatietas , ingratiis (alle 3 bei Plautus, das letztere
4 silbig, bei Lukrez 3 silbig); inreligio (Kornif.); injussu (Cic); in-
valetudo (Cic. ad Att. 7, 2, 2); später neu nur inquics (Plin. n. h.
XIV, 142), offenbar nach dem Adjektiv gebildet. — 2. Neue frucht-
bare Ära seit Tertullian, afrikanisch. — 3. Ableitungen auf -ia,
-ium, -ies: injuria, incuria (Lucil., v. *incurus), infitias (ire), insom-
nia (Pacuv.), infortunium (später -nitas), indolentia (bei Cicero, aber
indolens erst bei Hieronymus), variiert später indoloria-, inedia (schoE
seit Plautus), infinitas, infinitio (beide bei Cicero), illuvies (Plautus);
einmal bei Lucilius: imperfundies, inbalnities.
E. Neu mann, De compositorum a dis- (di-) incipientium apud
priscos scriptores vi et usu. Dissert. Jena 1885, 36 S. 8; s. E.
Kedslob N. Phil. Edsch. 1886, S. 62.
Etymologie. (Deecke ) 193
Für die Etymologie ist zuerst zu nennen von allgemeinerem
Staudpunkte aus:
Aug. Fick, Vergleichendes Wörterbuch der ludogermanischen
Sprachen. 4. Aufl. 1. Teil: Wortschatz der Grundsprache, der Ari-
schen und dei- Westeuropäischen Spracheinheit, von Aug. Fick. Göt-
tingen, Vandenhoeck u. Ruprecht, 1890, XXXYIII u. 580 S. 8.
Wenn auch der speziell italische Teil erst später folgen wird, so
enthalten der 1. und 3. Abschnitt schon eine grolse Zahl teils altbe-
kannter, teils auch neuer lateinischer EtjTnologieen. Doch ist das Buch,
wie alle Fick'schen Arbeiten, wegen der Kühnheit der Kombinationen
U)id der nicht immer ausreichenden Detailkenntnis, mit grol'ser A'orsicht
zu benutzen. Immerhin ist der Fortschritt gegen die frühereu Auf-
lagen ein bedeutender.
Ich erwähne ferner, mehrere Sprachen umfassend:
P. Persson, Studia etymologica. Upsala 1886;
s. die Anzeigen von K. v. d. Pforten in der Wochenschr. f. klass.
Philol. IV, 1352 ff. und von Fr. Stolz in der Neuen Philol. Rund-
schau 1888, S. 10 ff.
P. D. Bernier, Notions d'etymologie grecque, latiue et frangaise.
Paris, 1885:
s. die Anzeige von P. De ttw eiler in der Berl. Philol. Wochenschr.
VI, 536.
K. Krispin, Abrifs der lateinischen und griechischen Etymologie.
Progr. Böhmisch-Leipa, 1889. 23 S. 8;
sehr dürftig; s. die Anzeige von G. Hergel in der Wochenschr. f.
klass. Philol. VII, 348.
O. A. Danielssou, Griechische und Lateinische etymologische
Studien. Upsala 1888, 57 S. 8;
s. die Anzeige von K. v. d. Pfordten in der Wochenschr. f. klass.
Philol. V, 1361.
R. Nadrowski, Neue Schlaglichter auf dunklen Gebieten der
griechischen und lateinischen Etymologie. 2. Aufl. Berlin, Isleib,
1888, 134 S. 8.
Anspruchsvoller Titel, dem die Resultate nicht entsprechen; s.
die Anzeige von Fi-. Stolz in der neuen Philol. Rundschau 1888, S. 143.
Speciell das Lateinische behandeln:
E. R. W harten, Etyma Latina. An etymological lexicon of
classical Latin. London, Rivingtons, 1890, XXXIV u. 152 S. 8.
Nach einer Reihe von Vorbemerkungen über Vorarbeiten und
Methode der eigenen Arbeit folgen alphabetisch 3055 Wörter aus
.Jahrei?lieriilir für Altertumswissenschnft LXXTII. Bd. (189.5. III.. 13
]<)4 Lateinische Graramatik. (Deecke.)
16 Hauptautoren von Plaiitus bis Juvenal, darunter 360 eigene Etymo-
logieen. Das Werk ist sehr knapp, inhaltsreich, fleifsig gearbeitet, auch
füi" den Handgebrauch praktisch; docli enthält das Neue darin kaura
einen wesentlichen Fortschritt der Forschung-. Bedenklich sind die
lautlichen Übersichten zum Schlafs, noch bedenklicher der semasiolo-
gische Teil. Vgl. die Anzeigen von G. Meyer im Litter. Centralbl.
1890, p. 1512 f., und von A. Funck in der Berl. Philol. Woch. XI,
760 ff.
Ein ähnliches Werk besitzen die Franzosen in der zuerst 1881
herausgegebenen und seitdem wiederholt neu aufgelegten und verbesser-
ten Arbeit von Mich, Br6al und Anatole Bailly, Les mots latins.
in 3 je einbändigen Kursen : Cours elementaire, intermediaire und supe-
rieur. Paris, Hachette et Cie.; s. Arch. f. lat. Lex. in, 287.
Auch die Italiener sind nicht zurückgeblieben, s. :
C. Fumagalli, Le principali etimologie della lingua latina,
Verona, 1892, 255 8.8.
Ein besonderes Gebiet behandelt:
Luigi Ceci, Le etimologie dei Giureconsulti Eomani. Turin,
Löscher. 1892, 195 S. 8.
Das Bach bildet nur den 1. Teil eines gröfseren, von dem Ver-
fasser in Aussicht genommenen Werkes: La lingua del diritto Romano,
dessen 2. Teil Studj di etimologia e semasiologia sich eng an den
ersten anschliefsen soll, während der 3 T. „Juris Romani anticiuissimi
reliquiae ad pristinam forraam revocatae" eine textkritische Edition der
ältesten römischen Rechtsquellen enthalten \\ird. Die Einleitung des
vorliegenden 1. Teils giebt eine Darstellung des Ursprungs und der
Geschichte der Etymologie bei den römischen Juristen, sowie
eine Untersuchung ihrer Quellen, von den Stoikern an. Die fleilsige
reichhaltige Zusammenstellung der Etyraologieen, die dann folgt, in
chronologischer Reihenfolge von Kato bis zur Zeit Justinians. ist höchst
lehrreich, weil dieselben vielseitige Schlüsse auf die Begrift'sautfassung
und Rechtsanschauung ihrer Urheber oder Adoptierer gestatten. Unter
dem Texte sind die Parallelstellen der sonstigen alten Schriftsteller
angegeben: auch durchweg die etymologischen Versuche der neueren
Gelehrten, und oft eine eigene Kritik derselben und neue Vorschläge
zur Deutung, vom Verfasser selbst. Freilich überschätzt er oft die
wunderlichen Ableitungen, giebt auch selbst manche bedenkliche Hypo-
these. Der Einflnfs des Gräcismns scheint nicht genug gewürdigt.
Einen beträchtlichen Teil lateinisclier Etymologie habe ich in den
„Erläuteruugen zu meiner Schulgrammatik", Berlin, Galvary u. Co.^
•,, Etymologie. (Decckc.) 195
1893, gegeben, besonders in den Abschnitten über die Verba: S. 94 — 144;
184—280, und über die Adverbiti und Präpositionen S. 281 — 304,
Die zerstieutcn Gruppen von Etymologieen und die Einzel-
untersuchungen ordne ic)i im folgenden alphabetisch nach den Namen
der Verfasser. Es sind darunter sehr AvertvoUe, tiefgehende, weit-
reichende Beiträge, und wieder viel Unbedeutendes, Gewagtes, Unhalt-
bares, was ich nicht im Einzelnen jedesmal hervorheben kann-, auch der
Urafang- der Untersuchungen ist sehr verschieden. Nicht weniges wird
mir auch entgangen sein, teils wegen der gi'Öfseren Reihe von Jahren,
teils wegen der Verzettelung in Zeitschriften, Programmen, Sammel-
werken u. s. w. Zu vergleichen sind noch die vielen oben in der Laut-
lehre und Formenlehre gegebenen Etymologieen, besonders von
Kretschmar, Fröhde, W. Meyer, J). Hoffmann, Johanssen.
Feder sen, Havet aa. Auch allerlei I;exikalisches und Semasiologisches
liefs sich nicht scharf absondern und läuft mit unter.
(il. Ascoli: retia, -are, -aculum im Archiv, glottol. TX, 102 ff. —
Th. Aufrecht, Etymologisches. Rhein. Mus. XLIII, 318—320: prohi:'i
zu gr. 9s-, ind. pradhänam „Hauptsache"; vestihuliim = Yest^-Htahnlvm.
— E. Bähreu.s, Jahrb. für klass. Piniol. 1887, S. 65—71: carmen,
Carmenta, Ca(r)m('na (sabinisch Casmenae) von car , .abmessen, schneiden
teilen"; s. lanam mrere — dividere ; cäritores: carlna weil der Kiel die
Fluten zerteilt; carhiare zerteilen, durchhecheln; carere geschieden sein
von; cardo Scheidelinie; dea Carna (von der Ausscheidung); vgl. osk.
kam Teil = lat.' caro, carnis Fleischstück ; so auch carmen = *car(i)men-
(um) das, was geteilt wird; s. metiri, dividere vom Takte. — Ad. Bezzeii-
berger: emo= got. uma;ve)no ^ gm-uiü (en ^ itin) in denBeitr. z. Kunde
d. idg. Spr. X, 72; qnerquerus, xapxatpw zu got. favirhts furchtsam; querais
zu langob. fereha Führe: heles zu lit. gendü, gesti entzweigehn, gr.
xoöio* ^Xa^Yj, ind. gandhajate er verletzt; fiirnus, fornax zu kslv. grünu
,,lebes", ebdt. XII, 77 — 80: arbüer, umbr. aitputrati ,,arbitratü" zu
an. at-kveda ,, bestimmen", atkva<1i ,.decision"; coxa, coxim zu mhd.
hahse, ksl. kosa Sense; fiirca zu -/apasjw, lit. zirkles Scheere, ebdt.
239 — 41; 'pollex^'^pölex zu palma, dtsch. fühlen, ind. piiui Hand,
ebdt. XVI, 120. — 31. Bloomfield: tisqtie ^ ved, accha in Hopkins Univ.
Circ. IV, 32. — Saiii. Brandt: saeculum ^^ %eclmn zu serere, s.
Arnob. I, :)4 sator saeculorum; Arch. f. lat. Lex. VII, 590; dagegen
Nettleship ebdt. IV, 599 saeculum == "saviculum zu su „zeugen", also
,, Generation". — .Midi. Bröal: friare, redhnio, iter, feimir, ansei, lacer-
fits in den M(''m. d. 1. Soc. d. Linguistique V, 150 ff.; igitur, aveo u.
aviilns, ohlucuviasse, lex, cedcre, anfero, lelox ebdt. 192 ff,; fas,en (Adv.),
arguhis, vitor, nasus, circa, eryn, maturus, felix, omnis, trcmquillus ebd.
13*
19(i Lateinische Grammatik. (Deccke.)
330 ff.; poenitet, pennm, jjaene, i)ost\ diu, nodu, lucu: glacies, facetus,
lucvhrtnn aa. ebdt. 429 fF. — ardelio in der Eev. d. philol. IX, 137.
— asignae, mortuus, queo, suppedito, regere in der Rev. crit. 1885
n. 36. — fäs, jus, lej , ersteres aus *fes, *fem.s, *femis ^ Oe[xi;; das
mittlere ^ind.jäus Heiligkeit, daher jiirare; das letztere zu legere = Lesung,
Schreibung, iu den Mem. d. l'Acad. d. Inscr. XXXII, 2. part. (auch
Sonderabdruck Paris 1888, HS. 4); s.J schon Rev. crit. XX, 390 (Jahres-
bericht für 1883 — 84, S. 183). — discipidus von discere, ui'spr. kollektiv,
wie mauipulus, Arch. f. lat. Lex, V,579 — 80, gegenStow assers Ableitung
von diseipere ebdt. 289 f. — umbratilis. serns in der ßev. crit, 1891, u. 9. —
sile)tta, flitentiim, cruentus, iu den Mem. d. 1. Soc. d. Lingu. VII, 3. —
B. Brown: satelles, in derAcademy 90, 113. — K.Brug^iiaiii) : Lateinische
Etymologieen, iraßhein. Mus. XLITL, 390 — 404: sinister, mit 2Kompara-
tivsuffixen -ies u. -tero- , s. gr. dpistepos, zu Wurzelsen „erreichen", s.
ind. sänijas- „mehr gewinnend" , also von der Glücksbedeutung der
linken Seite; dagegen laevus= *slai-uos ,,matt", zu ahd. sleo, s. ind.
srevajati er macht fehlschlagen ; nach sinister ist (/ex^er -=- *dec-ster ge-
l)ildet, wie mortuus nach vivus (s. ]\t. Breal, Mem. d. 1. Soc. d. Lingu.
VI,' 127); reciprocus von *re-qo-s u, *pro-qo-s rückwärts und vorwärts
(sich bewegend), s. zum Suffix anti-quus u. -cus, posti-cus; zu *pro-quo-s
auch procid, vgl. simul (Acc. 8g. Ntr.); ähnlich schon Corssen Krit.
Nachtr. 136 f.; s. 1. 1. S. 480; e(mifer, ovifer ,, wildes Pferd, - Schaf"
aus cquos-fer(os) : *equöffer(os) ! — Etymologisches, in den Idg. For-
schungen I, 171 — 177: 4. operio, aperio aus ''op-, ap-.verio (s. -bam =
fiiam) zu lit. veriü in apveriü ich öffne, uzverü ich schliefse; ind. apa-
u. api-var; urabr. verof-e ,,in portas": osk. veru „portam" (!); 5. gävi-
sus nach visus (dies ist aber selbst unregelmäfsig!). — sons Part, von
esse, Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1890, 230 ff. — pinna, nicht zu
penna, sondern zu dtsch. tinne, lat. pannus, gr. t:^vo?-== *pyno-, Vgl.
Gramm. II, 136. — nec-tö von Wurzel nedh, assimiliert an plectö (?),
Ber. d. sächs. Ges. d. Wiss. 1890, p. 236. — Fr. BUchelcr, Sprach-
formeln im italischen und griechischen Recht, im ßheiu. Mus. XL, 475
—80: ast eins vincitur (Gesetz v. Urso 3,6), verwandt mit atque, ac.
s. gl', ai xa v'-xa^T], osk. t, B. ra eizeic viucter; PI. Pseud. piahe prae-
scnti in coutione ^Abl. abs.), s. osk. t. B. comenei tovtad praesentid;
promellci-e liteni = prouiovere, s. im Gortyn. Recht dviipioXo;, [xoXiofievac
•cao oixa; u. s. w. — Altes Latein, ebdt. XLII, 582—9: XIII (s. die
frühereu Jahre.sberichte !j : harca aus -'bärica von ßaptj; vulgär blieb im
Inlaut f statt b z. B. mefHis-, ' .sifilare (frz. siffler); "'tafanus (ital. tafano);
Mona *AIfurnus (Clüver: Alfurno); vulgär soniimi statt Senium (frz. soin)
zu uivEJÖai (!), wozu auch sonticus (morbus) — oOctpiixo;; sons, s. Sivi;;
Etymologie. (Deecke.) 197
umbr. soiiitu, simitu (dagegen s. ob. Brugmann!). — Desgl. ebdt.
XLIII, 479—80: XIV: colli f ana ^= ■s:p6'i7.-'x i:pot, von collis ii. fanum,
fanare, s. pagus Agrifänus; siat -^- ou^zT, Kindevstubenwort, s. ksl. sicati,
dtsch. seichen. - Desgl. ebdt. XLV, 159—100: XV; PI. Stich. 745
terta (auch Pseud. 164; Varro Sat. 109) statt tersa; s. mertare, 'pultare
(neben -sare: Quint. I, 4, 14); sagittis confictus (bei Scaurus); raptare
wechselt mit rapsare; spartores im Cirkiis; insultum, praesultum , .ge-
salzen", auch saltura (PI. Cure. 243); nudta statt mulsu (PI. Rud. 364);
demnach PI. Trin. 820 saltipotenii et miiltipotenti -ixpiu xal '(hy/.iu —
Desgl. ebdt. XLVI, 233—243: XVI: acieres oder acieris Opferbeil, zu
acies, wie speres neben spes (s. aciarium); acisculus, vielleicht auch
-ulum, Deminutiv von ueies; aäsculari.us'^Xi.zd^i.ov, Beiname Acisculus.
— XVII: terruncms, worin terr- ^■= 'ters = -rpi?; das Zahlwort ter statt
*ter==terr, *ters, s. fär, neben fiirina; s. PI. Bacch. 1127 ter oder terr
in anno; ähnlich vielleicht Poen. 390 cord oder cor. — XVIII: C =
centura ist spät; früher 8-^gr. i>, daraus ü auf dem Caelius-Denkmal
in Xanten = centurio ; wegen des fehlenden Binnenstrichs nicht vor
dem 5. Jahrb.; aus 0 entstand erst C mit Anlehnung an centum;
s. 50 aus gr. 'I-, 1000 aus 9; doch vgl. oben Zangemeister! — XIX:
altlat. compes statt -pos (nach Prise), wohl Erfindung nach der falschen
Etymologie von competere; dagegen subst. Adj. pl. compedeis, -dium (von
pes) s. compeditus; der Sg. erst Augusteisch z. B. Abi, compede. —
Soph. Bugge, Etymologische Beiträge, in Bezzenb. Beitr. z.
Kunde d. idg. Sprachen XIV, 57 — 79: ca^w/ws -^ *kvatelos ^'k^talos
(s. got. hund-s) für kuotalös, nach kuon, kun; s. canis aus "cvanis,
*cvon-, u. quatuor, vacuus (a durch Einflufs des vorhergehenden v, ii);
mateola Deminutiv von ^mate(i)a=^ rom. maza, s. ind. matjäm „Kolben";
juhere, Präs. arch. joubeo, Kausativ von juba, s. lit. juudü ich zittere,
jüdinu ich schüttle, mahne, ind. judh auffahren, kämpfen (?); hos, boves,
mit b nach bübus, bubulus, bübulcus, mit Einwirkung des Tones: letztere
auch in 6oe»-e = *bovere , haetere, 6?fe — *bis-lis(?); imbuo = Hn-hdixo,
3. gr. (ß)6uw zu '''gdhui^eti(?), Denominativ von *guädh; amhulare
zu «Y/sXo;, ind. angiras, mit mb = ng vor ul oder wegen des
Tones (?), s. fimambtdus. — p statt q, von der Umgebung her oder
wegen des nachfolgenden Tones z. B. lupus = "nlaqös, aber Xy/o; ^ ind.
vrkas; volpes zum wb. ind. vrkis; popidus, poples, -itls „Kreis", zu ind.
cakräs, xuxXoc; urspr. poplus = *q8ql6-s; 2?w?t'i*= *qj,uis zu ind. carvati
er zerkaut; üpilio, öpllio—^om-iwxiSiioxi-, s. gr. 0107:0X0?; saepes, praesipe
u. 8. w. zu *suäi(8)qi- (s. ahd. sueiga), Femin. zum ml. *saäiaqos =
gr. (nrjxoc, der. oäxoc „Hürde", eig. der Seinige, die Seinige; lepiis, nach
dem Dat. *leposei = *lekuosei, mit dem Suff. d. Part. Pf. Akt. von lek
]()X Lateinische Grammatik. (Dcecko.)
liüpfeu, s. gr. /.'i;, lett. lekt u. s. vv. : npa --^ 'Tivica = *r/U8(iä sc. terra,
vou rivus: indpitum -^-^'^^ihi^iöm zu ~)A\\ imppes aus *püpes -- *priqT-s
zu pu in lud. pi'i-uar, gr. T^y-ji-axo; ; ^ötj//* - *l9unqid-s zu gr. XaFq^, ir.
lia, Geu. liac = *livaiic-s. — Schwund eines inlautenden m und ??,
also e — cm, en, m, ii, wenn der Tou auf die zweit- oder dritt-
folgende Silbe liel: heat-^ ^Muauajeli; Zem = *lnghuiii' (weibl.), s. gr.
tl'xyßi: ebenso brevis: met uü = m]]tmeti oder '''mant- zu ksl. meta
„turbo", ind. manth scliüttelu; frelum (alt auch -tus) aus *fremtüm zu
fremere, s. freteusis( .'); screare zu /psixs-au), ypEixKToixat, aus '•■zghrem- ;
nieder i, reraedium zu *mo«dhejcti, s. gr. ixavOavo) ; emo nach emimus •=
"nmauies; Z/^-ii^a =^= *d9nghu9lä oder *dngh-, Demin, vou liugua, woriji
iug regelrecht ^ eng; ähnlich Lihitina aus "^'Libentinä oder -tiuä; für
a s. catidus, lapis (oben!): qua(m)si (proklitisch) ; ferner apis =' l\nzi;,
etwa vom gen. pl. aus. apium --= ' apiiöm (a wegen des p): j;a<t nach
passus -^^ '■'pnthatös zu gr. -nevOo; (a wegen des p) ; leitet — *iiithejeti zu
gr. /.avOavü) (a wegen des 1); CVr^ma ~ *ka(m)i)uuä zu campus; säbulüm
-In von *sambü- -= »'[xaOo-, dtsch. sand; s. saburra; h'ihenms =^ *lii(m)brin6s
= yit[A£p£vo;; sep)tii{)n)i\.-(j'mtv\ aedäu(m)us, -tu{m)or zu '•'ai,dhetmmäjeti;
nndiustertius^^''\y\x\idi-\ cen^?<na ^^ *kmtoria von '•'kmtores ^^ *krato-nres
,,100 Männer"; ebenso Jec7(r/rt, s. osk. puniperio u. s. w. ; cenfum selbst
aber ist= -dlimtom von *dckm ^^ decem : ferner 'j[i<a/«or = 'Vietuu-nres
aus *dqöqetduö-nres ,,2 und 2 Männer"; *-ures enklitisch = *ueres. —
c=Jih: cor(d)~ idg. *khürd; dfre, cituH zu ind. (k)hitäs, gr. y.v/iio. —
r aus nr zwischen Vokalen voi' der Tonsilbe : an'us ~--= *kaur(')S zii ind.
känati er ist befriedigt; wom = ''monrä zu ij-sva», maneo; zum kurzen ö
s. morru'i; f6%~ia zu fons, Wurzel dhan laufen. — John B. Bnry; cervix,
crepo aa. in den Proceed. of the Cambr. Philol. Soc. — Miscellen:
Bezzenb. Beitr. z. Kunde d. idg. Spr. XI, 331 — o: virgo, virga aus
*cv-, AVurzel qrgh, wozu auch TtapOsvoc. --opOo;; peccare zu xa:<6;; pro-
prius zu rpo-psciv : morbus zu |xotp-(0; ; cassus zu x-/)rao[j.ai; careo zu
aTspeiü, fast alles unhaltbar. — Desgl. ebdt. XII, 242: simid --^ a[Liid-ii,
s. aliud zu aXXuo-i;; als (aber arch. ouls) zu ind. ud, gr. ua-xspo;, ebenso
unsicher. — L. C'eci, Appuiiti glottologici. Turin, Löscher 18'J2, 2() S. 8:
r=d s. oben in der Lautlehre; ferner aber Borna, sabinisch, cittä del
finme zu Wurzel sru; carmen -^ ind. räsman (s wird r nach dem Ton,
fällt aus vor dem Ton z. B. Camena); faber zu Wurzel dhe: proletarius
von pro rataC.'); calamüas zu cadere oder -cellerc (Mar. Victor cadamitas):
füHoenus tür -amenus vou amare, s. cgenus; ambulare von -ambulus
ä-cizlo; (s. ob. Bugge!); adorare von ador(.^), nur angelehnt an orarc;
/oj^j^er ^ '-'tot-per; dammim dare eine tig. etymologica; paniadiim von
einem Ntr. 'panicum: fferuntes Hexu euntes(?); osk. castrovs = capitis
Etymologie. (Ueecke.) 199
(nicht fuüdi). — Ders. Trucioli glottologici im Gioru. di filol. class. I,
25 7 ff.: cur, sine, aiitumnus. — C. Cooksoii: provincia iii der Class.
Rev. 11, 227; s. L. Heisterbergk, provincia im Philologus XLVIIIl,
629 ff. — 0. A. Daiiielssou: Liher in Paulis Altital. Studien IV, 133-
156 ff. — ingens zu "Wurzel gen „kennen" (?), ebdt. 149 f. — plvs, plüres
u. s. w. : es sind neben einander *ple-jos u. *plö-ios anzusetzen, ebdt. 164: s.
Brugmann Vgl. Gramm. II, 407. — man für mauus in manceps, raal-
hiviae, s. umbr. acc. pl. manf, ebdt. 189 f.; s. Duvau Mem. d. 1. See.
d. Ling. VI, 226 ff. — J. Darmestetter : an in dtn Mem. d. la Soc. d.
Ling. V, 295. — Alfr. Döliring: eapiis =^ et quis, bei Plautus in gleich-
artigen Fragen mit et-iam wechselnd, auch nicht selten in den Mss., s.
dtsch. etwas (!), in den Jahrb. f. klass. Philol. 1890, S. 439—40. —
E. Eg'g'er: spatiwn i. d. M6m. d. 1. Soc. d. Liiig. V, 47 ff. — A. Fiek:
Etyraologieen, Bezzenb. Beitr. z. K. d. idg. Spr. XII, 161 — 2: con-vexus
zu ahd. wahs ,, scharf", gr. cpo|o;; vömis, -mer zu ahd. waganso, gr. ocpvu,
ö'caTa. — Desgl. ebdt. XIV, 79: uxor zu ind. ucjati er findet Gefallen
au, gr. o-'j''co. — Desgl. ebdt. XVI, 170 — 1: aeruscans bettelnd, zu ahd.
eiscöu heischen; ornus -^ *osim\s, zu lit. usis. — Desgl. ebdt. XVII.
320 — 4: cupio zu got. hugja; haculum, gr. ßdfxTpov zu dtsch. Kegel,
Keil (aus *gagl6-); graciilus zu ahd. chragil „garrulus"; Iuris zu gr.
-"j(a)r,s; hüfö zu ind. gödhä ..kuhaussaugend", eine grofse Eidechse;
hämus = *liab-mus zu Hesych. yoi^or y.a[XT:u).ov, Wurzel zag. — \.
Fierliiig'er : 02^^/wms zu ö-pet- ,, anstreben" (?), Kuhns Ztschr. f. vgl. Spr.
XXVII, 478. — C. Frick: assis auch Fem., asse Xtr. ; diponclium
nebeii -ins; vitria neben -trea; Curis Abi. st. Curibus, im Arch. f.
lat. Lat. VI, 566. — A, Fritz, Zur Illustration der Etymologie einiger
lateinischen Ausdrücke. Hörn 1884, 44 S. 8. — F. Frölule: Griech.
n. Lat. Etymologieen, in Bezzenb. Beitr. z. K. d. idg. Spr. XVII, 303—19,
davon lateinisch n. 12—30: arbutus zu ahd. ert-beri (von erda?):
au-gur zu lit. ziüieti hinsehu, asl. zireti; zeru „visus"; halbiis zu
lud. galpati er redet undeutlich; Favöniiis Tauwind, zu ags. deav
Tau, aber iähere zu ahd. douwen, ags. J^ävan; foechis zu lit. geda
Schande; jnha, jubar zu gr. e8eipa; lltus, l'imus (Gürtel) zu dtsch.
leiste; manticulare zu asl. maniti täuschen, s. gr. jjLsxa-jxtuvio?;
moUis zu gr. |i.aXi)Gty.6; , vgl. mollica-lus, dtsch. milde; vgl. sallere =
'•'saldere, dtsch. salzen: oportet zu op- u. ortus, s. gr. apTio;, ind. rta-s;
proceres zu gr. -T.^z~rfi, gen. pl. procum; pro-cer wie de-gener (!);
concilium zu gr. dial. T-eXeov xo auX^rj-sjöai, verwandt mit tü.o;, dor.
a--£>.Xa; corrlgia (vielmehr corrigia) zu got. räips Riemen; nimex zu
lit. rvigti sauer werden (ugm unlateinisch); saepe zu saeplre, s. gr. 'x\\t.-
azid, dessen zweiter Teil zu sentis gehört (nach Schrader), vgl. dtsch.
200 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
dicke: suatla Winde, zu lit. sükti winden; ter{h)nics zu gr. rep/vo;;
väg'ire zu got. vöpjan, — A. Funck: satur Arch. f. lat. Lex. V, 33 fi\
(auch Progr. Kiel 1888, 37 S. 4); Nachtr. ebdt. 263. — cultor, tervinm,
satullo ebdt. VI, 7 ff . — columnafiis, indemnis, in se, malacia ebdt. 255 ff.
— prodigium, Bestätigung der Herleitung von äjo (s. adagium, indigito,
-gitaraenta, nego, Ajus) durch Cic. nat. deor. II, 3, 7 prodicunt (Konj.
statt praedicunt), in d. Idg. Forsch. II, 367—8. — Giles: augiir in den
Transact. of the Cambr. Philol. Soc. 1890, 4. Dec. (s. Acad. n. 972,
p. 596). — J. Greeiiough: Some latin etyraologies: procul, recens,
elementum, in d. Harvard Studies I, 93 ff. — Fr. Härder: olli Adverb
(An. I, 254; Lucil. ine. 152), s. Fest, ollic. — J. Hatfield: tonsa „oar",
in J. Hopkin's Univers, Circ. IX, p. 30. — E. Hauler: gladiatoricius,
incoepisse, luxuriator, praedicatrix , Arch. f. lat. Lex. IV, 323 f. —
animahüis, offocare, pulsus, Arch. f. lat. Lex. V, 142 f. — compasto-
ralis, ebdt. 564. — increhrare, ebdt. 578. — J. Hausleiter: amarefaciOy
candehrum, ebdt. 564. — utrumque Adv. Lukr. (3 ra., nicht utrimque),
sonst spät. Arch. f. lat. Lex. V, 565—6. — F. Haverfiehl: cavülor,
Glass. Rev. I, 244. — Lexicogr. notes II: carhasus, hiremus, corhes,
<orneliatim, cyma, dimersia, lasar, lien, magndbus, nescibo, rien: essendo,
cssem, im Journ. of Philol: XIII, 299 ff. — L. Havel: Mem. d. 1. Soc.
de Ling. V: 1. sinn, s, 5f p. 159; 2. ilico; Jitppiter p. 229 ff.; 3. ähie-
gnus p. 393; 4. deus, dea; socors, solvo p. 442 ff.; 5. antioper: liiems,
ver; homö, nemo, p. 446 ff. — paiiciloquus, gremia (zu gremium) Arch.
f. lat. Lex. II, 134—5. - filia (dea), ebdt. S. 482. — sollus, vix, ebdt.
266. — coliiher = yiXuopoi Arch. IV, 142; dagegen 0. Keller = axoXo-
-evopa, ebdt. 140. — expedire, ebdt. 246. — quai in d. Rev. d. Philol.
XI, 64. — pidpitare Arch. VI, 46. — pridu' Mem. d. 1. Soc. d. Lingu.
IV, 229. — \. Henry: fernen zu dtsch. bein, in d. Mem. d, 1. Soc. d.
Lingu. V, 233 f. — Y. Hintiier: menV?/es = *medi(u8) dies, gegen
J. Sto Wasser 's Ableitung aus merus dies, Prgr. Wien 1886, 10 S. 8;
s. Arch. f. lat. Lex. III, 566; H. Ziemer AVoch. f. klass. Philol. IV,
788 f.; dazu A. Stein meridies, Acad. 1887, p. 418; M. Warren on
meridie, its derivation and early use, Amer. Journal of Philol. 1886,
p. 228 ff. und meridies, ebdt. 1887, p. 82 f; dann Hintner Noch ein-
mal meridies (über merus), Prgr. Wien 1890, 11 S. 8; s. Zeitschr. f.
d. österr. Gymn. XLII, 557; Arch. f. lat. Lex. VII, 605; G. Hergel
Woch. f. klass. Pliilol. VIII, 1401. — 0. Hoffmauii: Etymologieen.
in Bezzenb. Beitr. z. Kunde d. idg. Spr. XVIII, 285—292: 6. fäns,
ßcundus, zu lit. dykti keimen, Wurzel dhejgh, lat. *feih, s. Hesych.
~t\.yt%- -ziy.ii (also foetus falsche Schreibung); 15. volnus, zu ind. vrana-
Rifs (schon bekannt); 1 Sonant. — C. Hofmaim: mediamis Arch. f.
lat. Lex. IV, 43. — F. Holthauseu: glns, -iltis u. s. w., vielleicht zu
Etymologie. (Ueecke.) 201
(Itscl). kloss, klotz (doch s. gr. 7/V016;), in Kuhns Zeitschr. f. vergl.
Sprachf. XXVIII, 282. — cae-d-o zu dtsch. heien, Paul-Br. Beiträge
XJ, 554. — 0. Iminisch: cena = *sced-nä zu Wurzel sce(n)d, gr.
7X£8avv'jij.i ; sab. scensa = "scendiä; umbr. qersna = *sce<t-snä, s. gr. sxe-
00c; aber siliceruium = se lucernis (V), in Bezzenb. Beitr. z. K. d. idg. Spr.
XIII, 139 — 142. — J. Ingram: trihunicius; defruta, in d. Hermathena
XIV, 366 ff. — K. F. Johaiinssen: Miscellen, in Bezz. Beitr. XIII.
111 — 128: Die Städtenamen auf -l, -ae sind eig. Lokat. Sg., wie die
;.:riechischen auf -01, -at, z. B. Fundi~m fundo, ind. budhne; Velitrae
-^ vallensi seil, in nrbe, vom Adj. *vel-i-^t(e)r-os, in welchem wieder ein
Lokat. *vel-i-ter steckt, mit doppelter Lokativendung. — Etymologische
Beiträge, in Kuhn 's Zeitschrift f. vergl. Sprachf. XXX, 346—51: 2.
krä- w^as emporsteigt, sich erhebt; daher: cervus aus *kara-na-s; cervix;
ijerehrum aus "''ceresro-m ; crahrö aus *cräs-ron; cornu: crinis; crista
aus 'kräN. Aber krä- selbst geht zurück auf kä-rä, Weiterbildung von
kä aus äkä, von Wurzel äk, wozu acet', cos u. s w. (wenig wahr-
scheinlich!); 3. feles, -is zu ahd. bilich, Bilch. — Fortsetzung- S. 428 —
452: 6. /irtm?a = sab. fasena, von Wurzel bhas zerreiben, gr. <j^afxp.o;
(schon früher vermutet!); 8. callis Wald (verschieden von callis Pfad)
zu dtsch. holz (11 =^ Id); 9. silex, dissimiliert aus '''scilex, ursp. *scelex
(i aus dem Genitiv durch Assimilation), oder *scolex, Stamm *scolic-
ans *sknk- zu asl, skala, Gen. scalja, verwandt mit lat. calx, calcis;
vorital. '•'(s)kalk-s, Gen, *sklakes; hierzu auch siliqua die Schote = asl.
skolika; 10. 6rem= *mrehv]- zu ahd. murgi; /w&ernMS = *himrinos,
gr. -/£i[i.(c)piv6;; iüher aus *tumr-, s. tumere, tumor. — 0. Keller: salura,
im Pliilol. XLV, 389. — qiies (Cato Orig. frg. 1), s. quescumque (ders.
nach Charis. p. 91); muscülis pro parvis muribus (nicht moscillis pro
pravis moribus) Cato bei Festus; Melo für Nilus dialektisch, im Arch.
t. lat. Lex. IV. 139 — 140. — magis ist kein Komparativ, sondern heilst
eigentlich „sehr": ebenso nimis, potis, satis; auch minus ist kein Kom-
parativ, vgl. secus, necessus (?). — Zur lateinischen und griechischen
Sprachgeschichte. Jahrb. f. klass. Philol. 1886, S. 261—271; 697—708;
843 — 854. Daraus hierher I. äpex Stachel, zu apis; siilus, Lehnwort
aus irruXo?; taeda, Lehnwort aus dem Acc. oatöa, o«Töa; siliqua, desgl.
aus ^yXiy.r]: vTcus, desgl. aus FoTxoc; tesies, ui-sp. Zeugen, dann, wie
-apaaTaxoti. Hoden, wofür durch Differenzierung testiculi; promuscis aus
apoBoaxt? durch Anklang an promulsis, wie caduceus = xctpoxeiov durch
Anklang an caducus (?); hortus, wovon co-hors u. s. w., Lehnwort aus
•/opxo?; ninctari von cuoctus, eig. sich zusammendrängen (von Heerden,
Volk), dann „stocken" (?). — II. Juppiter Solutorlus (spanische Inschr.)
aus Salntaris mit Anklang an 'EXeuSepios; musiricula, vulgär aus *mon-
202 Lateinische Grammatik. (Dccckc.)
stricula, zu monstrare; feriae denicales, von denique, „abschlielsciule''
Feiertage: verwandt donicuni, -uec; hasta für • asta -^ ind. astii Gescbofs,
von as „werfen" (s. Varro 1. 1. V, 115); res Vermögen, zu reri rechnen;
reus von res in der Bedeutung „Kechtssache" ; Julius zu iouXo;; Caesar
zu caesaries, oslvisch (V) chenso Kaeso; mous Caelius „der gewölbte
Berg", zu y.oiXoj; partes zu rapr/t;, Trapeia; interini enthält einen Ablat
im (!), wie illim, istim; vgl. inter-eä; piscis, nebst aci-pe»ser, penis
(aus *pesnis) zu einer Wurzel pis, pes, pit, pet „klein sein"; exinfulahaf
von iufula; dignus mit abl. pretii; incile, Lehnwort aus s'y/.oiäov, daraui>
erst incilare. — III. suh corona vendere als bekränztes Opfer (etwa für
den Mars); Argei an Stelle der Gveiscnopfer (sexagenarii de ponte) als
Opfer in die Kapellen eingemauerte oder ertränkte Griechen, dann
Binsenpuppen. — Mit wenigen Ausnahmen enthalten I u. il nur geist-
reiche Phantasiespiele : vgl. übrigens unten des Verfassers „Lateinische
Volksetymologie". — H. Kothe: jyassiis, eig. Klafter (pandere von den
Armen), Arch. f. lat. Lex. VI, ÖG7. — pracstare, in der Bedeutung
,, bürgen, leisten" von praes (aus prae-vas) ,, Bürge", daher dann = *praed-
stare, ebdt. VII, Ho ff. — Ig'ii. Kozlowski: uhi, unde, uti gehören
zum Pronomen u; s. avest. uiti „ainsi", ursp. demonstrativ, dann relativ,
dann interrogativ; ein *cuti, "'quoti fehlt. Kuhn's Ztschr. f. vgl.Sprachf.
XXX, 563—4. — ii. Luiidgral*: angiporium, Arch. f. lat. Lex. V,
139 f. — egens == exgens, s. Liv. II, 6, 2 extorris egens (nicht egens
von egcre), anderwärts exsulans atque egens; P. Diak. exe. Fe. 177
M. egens velnt exgens, vgl. dtsch. elend. — (jI. Laue: cllum (bei Plaut..
Ter.), in d. Harvard Stud. I, 192 f. — S. Lcfiuiniii: leo, gr. /iFov--
= ind. ravant- ,,der Brüllende", in Bezzenb. Beitr. z. Kunde d. idg.
Spr. X, 302. — J. Lotli: ossismi et oximi, in d. Mi'^m. d. 1. Soc. d.
Lingu. V, 154 f. — v»r«(5 = '''is-mus zu altir. Ts „infra", ichtar Unterteil,
Mem. d. 1. Soc. d. Lgu. V, 231. — E. Lübbcrt: Die Etymologie des
Nomens Mus in augusteischer Zeit, Arch. f. lat. Lex. IV, 531. —
J. Mälily: ömenim Philol. XLVII, 568 f. — J. K. B. Mayor: natarc,
Arch. f. lat. Lex. IV, 531. — in puris naturalibiis, Journ. of Philol. XIII,
223 f. — iL 3Ieyer: Etyraologieen, in d. Idg. Forsch. I, 319—29: 1.
asinns aus uord. ''asnas, wie gr. o(!j)voj, zu armen, es, Gen. isoj; s.
wegen des i z. B. niina. — 3. jj2??/tf5 ^- mus-lus, zu alban. mus-k, venet.
niusso. — <i. teha (Varro r. r. 111, 16) zu vergleichen mit kar. xaßa,
Stadt Ta^joti; gr. erjßaiV — Ebdt. II, 368—9: ligida zu asl. luzica Löffel,
Deminutiv von "luga, alban. Tuge; angelehnt an lingua. — higae^'-'hi-
igae von agei-e, Ztschr. f. d. österr. Gymn. XXXVI, 281. — vescor =
ve-ed-seör Lit. Ctrbl. 1890, 1513. — W. Meyer: j^recwZa - pergula, in
Kuhns Ztschr. XXX, 335 ff. — malacia Windstille, Arch. VII, 520. —
A. Miodoiiski: Icstia Dissert. Krakau, s. E. Wölfflin Arch. III, 301. —
Etymologie. (Üeeckc.) 203
ucgotnnn, filius, i. d. Zeitsch. f. d. östevr. üynni. XXXIX, 102 ff. —
H. D.Müller: Etymologieeu, Bezzeub. Bciti-. z. Kunde d. idg. Spr. XiU,
311 — 316: capcr zu Wurzel kamp ,, zittern": angiiis, imgulus zu agere,
Wurzel ag sclnvingen; haedus zu gr. /atTr;, AVurzel ghid(h) wachsen:
n)dor zu Wurzel gnidh, giudh, gbiud, gbidli .^riechen"; f andere, fundo
zu baktr. bud „riechen" (!), inhd. biuzen stol'sen; secus zu iud. sacä „mit",
gr. l'vcxa = *(3£-vs-xa; saepire zu W^urzel sip, s. lat. simjmhim, simpuvium,
gr. air.u;, airuw; lupiis zu ind. lopäka-s Schakal, von Wurzel lu(m)p zer-
brechen: vulpcs zu got. vulf-s von Wurzel val(p) ,, rauben". Durchweg
unhaltbare Willkürlichkeiten. — 3Ioiiltoii: fenestra zu *bheno- oder
bhimo-, Erweiterung von bhcä „scheinen". Proceed. of the Cambr.
Philol. .Soc. 1890, 22. Mai p. 9. — ^fax Müller: Biographies of AVords
and the horae of the Aryas. London, 1888, 278 .S. 8. Darin von S. 79
an Geschicke lateinischer AVörter: fors, forttma zu ind. har ,, glühen",
eig. Göttin der Morgenröte, denn die Morgenfrühe bringt Glück; ebenso
gr. yapu, yapitec; vgl. Acad. N. 823—28, auch A. L. Mayhew fors
Maximiliani ebdt. N. 824; ferner: esse zu ind. as „atmen"; memor zu
iud. smar „sorgen, lieben, wünschen"; gnösco zu ind. gan „stark sein,
können, zeugen": vioneo, memini zu maneo, da die Gedanken bleiben,
die Sinnesempfindungeu vergehu (V); sagax ,, spürend"; persona, kausativ
zu personare; littera nicht mit Breal zu o-.rpOspa, Herkunft noch unbekannt:
pcndere zu spand „schütteln", indem das älteste Wägen durch Schwingen in
der Hand geschah, wie noch jetzt bei Gänsen; aesthno von aes und Suff,
-tumus, das die Beschäftigung mit etwas ausdrückt, s. ueditumus; capio
zu ind. kamp ,, zittern". — Aleles zweifelhaft. — nömen Acad. 1887, p. 289.
— K. Naiick: instabilis nicht fest; inndbilis nicht flüfsig (Ov. Met. I),
Arch. f. lat. Lex. II, 134. — A. Ncliriiig: hidens, amhidens (hostia)
,,mit 2 grofsen Schneidezähnen", die beim Schaf nach 1^2 J. durch
Wechsel eintreten, beim Eind nach l'/^— 2 J. , was zu Servius' quasi
biennis stimmt. Jahrb. f. klass. Philol. 1893, S. 04—68; vgl. A. Spen-
gel bidens, Blätter f. d. bayr. Gymn. XXIV, 262 ft". — W. Neisser
Indogermauich ger I ,, schwingen", dazu lat. hrütus (s. brutum pondus)
und -(jruere. Bezzenb. Beitr. XIII, 292—299. — J. Nctusehil Zur
Etymologie von pontifex und der ursprünglichen Bedeutung des Kol-
legiums. Berl. Phil. Wochenschr. 1891, Nr. 28: po^is ist „Weg", der
pons sublkius „Brücke, Pfahlweg", im Gegensatz zu den „Landwegen".
Das, ursprünglich weltliche, Kollegium der pontiiices erhielt geistliche
Bedeutung wegen der Instandhaltung der Wege für die religiösen Um-
züge. — Ders. Zur Etymologie und Semasiologie von iste und ipse nebst
Zubehör. Arch. f. lat. Lex. VII, 579—581: is-te enthält in te eine
Form des Pron. der 2. Pers., ip-se in se der 3. P., wozu der Gebrauch
'>()4 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
stimmt: das ip ist = i-pe (oder -pi?), s. nem-pe, quip-pe, quis-p(e)-iam
u. s. w.; es steckt auch in -p-te. Geistreich, aber nicht haltbar. —
H. Nettleship: avermncus, densiis, ohnoxim, obscenus, sentio, in den
Transact. of the Oxf. Pliilol. Soc, 1885—6, p. 10 ff. — dieredus Joiirn.
of Philol. 1887, p. 186 ff.; s. A. Palmer: directus ebdt. 1886, p. 132. —
saeadum ^ ^^saviculum von Wurzel su „zeugen", Arch. f. lat. Lex. IV,
598 f.; s. ob. Sam. Brandt. — ambagio, ambigio, ebdt. V, 106. —
sportula, Class. Rev. II, 37. — biistuarium, in-overbnim, ambitio, im
.Tourn. of Philol. 1888, p. 119. — angii Stator , Arch. f. lat. Lex. V,
222. — cognomen, -mentum, Comment. Wülfflin. p. 183 ff. — H. Ost-
hüff : vehemens = ind. vahamtin(a)s, wie ind. cräjaman(a)s = clemens
^ *clei-e-men(o)s zu clinö, Arch. f. lat. Lex. IV, 463. — laciö=- 'Ikiö
zu ahd. locchön: gradior =^ ghYdMö — zu got. gridi-, Morphol. Forsch.
V, III. — voveö ebdt. 82. — anculm = *amb(i)-qolos = «lAcpiTToXo; ;
daraus ancula, ancilla, anc(u)lare, also nicht zu Ancus (?) , in Bezzen-
berg. Beitr. XV 316. — sors =*sorc-ti-s, zu ind. srgäti „er wirft
aus", s. sortes (ef-)fundere, ebdt. XVII, 158, — J. Ott: idlageris,
Arch. f. lat. Lex. IV, 388. — scopere, scobere, ebdt. 615. f.; s. Pe-
tschenig, Wiener Stud. VII, 35. — Paulus: Was heißt 2yer ßdem'^
Korresp. 1'. d. württemb. Schulen XXXIII, S. 480 ff. — Per Perssou:
Über den demonstrativen Pronominalstamm wo-, ne- und Verwandtes.
Indg. Forsch. II, 199—260. Aus dem Lateinischen kommt dabei vor:
ne „wahrlich!", daneben nae (?)==gr. var, yiempe neben nam, e-nini,
Doppelstamm nä und ne (?); zweifelhaft ist, ob nmn zu letzterem gehört,
wegen des Xebenstammes un; das m in nam (auch quis-, ubi-, uti-nam),
nem-, num ist die Partikel -(e)m, -(o)m oder Instrumentalis (?, eher
Acc). Die aftirmativc Partikel -ne in ([uandone, quin und Kom-
positen; egone u. s. w. ; hiccine; geschwächt in de-ni-que, do-ni-que
(dönec), do-ni-cum (oder dönic-nm?), vgl. zu de-, dö- gr. otq, quan-dö;
vielleicht sin —. si vero (?); ferner pö-ne (^ *pos-ne), super-ne u. s. w.;
8ine^"se-ne, zu sed, se (!); schwerlich in quo-n-dam, ta-n-dem, qvaa-
n-de, quando, worin eher quom, tarn, quam stecken; ebenso nicht in
i-n-de, u-n-de, worin auch eher im und um liegen; s. einerseits ex-im,
ill-im, inter-im, andrerseits un-quam (Fest, im — eum; um viell. = quum);
das -de wie in quam-de. Das Pronomen no- soll dann im Suffix -nus
vorkommen: ii-nus; prö-nus u. s. w.: hornus, von "ho-r „hier" (!); ver-,
hiber-, uoctu-r-nus aa. Verwandt soll sein der Stamm neu-, nu- in
novas, nüper, nüdius, (richtiger nüdius?) n. s. w. — Ders. natis^ -tes
zu gr. vorft, vwTov, in d. Nord. Tidskr. for Filol. IX, 307 ff. — Vjac.
Petr Lat. Etymologieen. Bezzenb. Beitr. XVIII, 281—5: 1. carere zu
xäoTtop „Kratzer", ind. ki'i<ämi ich reibe; nicht dazu cärinare, nach
Etymologie. (Deecke.) 205
Servius === obtrectare, zu gr. Xapivo?, einer komischen Tlieatertigur ( ?). —
2, cö-nw-ere nebst nictus, -tare zu '^cnigv-, s. got. hnei(q)van, während
nicere zu sl. po-nik-näti gehört. — 3. flägitium zu sl. blaz-nu von
Wurzel bhlag(h). aber flögitarc zu baktr. berega, Wurzel bhrag „ver^'
laugen". — 4. stringere fassen, fesseln, zu gr. axpa-y-jaXf^, dtsch. -streng:
verschieden von stringere streifen, zu gr. sxptS, dtsch. streichen; tergere
zu russ. trngat' „antasten". — Hpiiio Pfauiieiisclimidt : velum ,, Fahr-
zeug, Flofs", Arch. f. lat. Lex. IV, 413—421. — W. Prelhvitz, Die
Präposition aä, Bezzenb. Beitr. XV, 158 ff. — Ders. Die Wurzel rädh
,.zu Fall bringen", ein Beitrag zur Bedeutungsentwicklung, ebdt. XIII,
l42 — 5. Hierher lat. läbor^gr. Xrj{)o|xat; ferner labare, läbes, läbidus,
auch Mbor (?), sowie lassus (?). — J. S. Reid: stitulus, Class. Rev.
I, 78. — E. Renn, äefioculus, Arch. f. lat. Lex. V, 398. — 0. Ribbeck:
culleolum, callicula, aris, speculum, trux, Arch. f. lat. Lex, 11, 121 if. —
apinae tricaeque, in d. Leipz. Stud. IX, 337 ff. — K. Rittweger: De
equi vocabulo et cognominatis. Diss. Leipz. 1890, 56 S. 8. — H. Rönsch:
amhidare, Berl. Philol. Wochenschr. V, 1571. — liliiim, monile, siibüHlvs,
Zeitsch. f. d. österr. Gymn. XXXVI, S. 823 ft'. — promuntorium, quidem.
caraha, excetra, torvus, Berl. Philol. Wochenschr. VI, 67 f.; 98 f.: 259 f.:
290 f. — palma, curcilla, ebdt. VI, 1515 f. — abdomen, Zeitschr. f. d. österr.
Gymn. XXXVII, S. 589 ff. — W. Röscher: ca^e«a = calumniator. Jahrb. f.
class. Philol. 135, S. 408. — Georg von Sabler, Etymologieen nebst laut-
uud formgeachichlichen Bemerkungen. Kuhns Zeitschr. f. vergl. Spracht.
XXXI, S. 274—282. Hierher: 1. cfrcühs Schurke (Plaut.) = * p(e)cu-
cülus, zu trennen von cücülus Kuckuck (!). — 3. er = * eher aus *egh-er,
gr. sy-Tvoj und y•^^p = *(e)gher-s. — 4. Nero u. s. w. zu avep- = *mner
von men denken. — 6. gurdus zu sl. grüdii stolz. — 7. herha=^ *gherdhä
zu hordeum, xpiöi»^. — 9. haereo von *haerö „Stock" (!) zu yat((j)o;,
dtsch. ger. — 11. vituperare aus vi- und einer Ableitung von Wurzel
tup, stup, s. gr. TUTCxeiv, lat. stuprimi (!). — 12. percellere von *-callere,
AVurzel qals, wozu callum, calUre, gr. x^Xov = "^'qals-om, xvjXea; ursp.
sqals (oder sqaldV) von sqal, sql, s. scal-pö, scul-pö (Vj. — 13. stinguö
^^'^stengv-ö zu aTe'jx^o), got. stigqa. — 14. reor zu lit. reju schreie,
brülle, Wurzel vre neben ver, lat. ver-bum (?); auch rmm==*vracna
(Fick), nebst raccare, rancare von *vre-q. — 15. formus warm, zu
Wurzel bhver, wozu auch7en;ere und furere, Ind. bhoräti (Aor.- Präs.);
auch furnns. — Wenig förderliche Vermutungen ohne strenge Beweise. —
F. de Saussure: sttdo Mem. d. 1. Soc. d. Lingu. V. 418. — Joh.
Schmidt, Die griechischen Ortsadverbia auf -ut, -ut; und der Interrogativ-
stamra ku. Kuhns Zeitschr. f. vergl. Sprachf. XXXII, 394—415. Hier-
her: S. 404: Stamm arisch ku, südeurop. kvu, ital. quu: sonst keine
200 Latf'iuische Grammatik. (Deeckc.)
andern Beispiele für ital. riuu im historischen Latein, denn cutis von
ku ; vapor von kvap; in-vüus, invttnre zu prenl's. quäits AVille; vannus
zu ahd. hwennen, also alle 3 mit v = kv. Demnach ward ans *quubei
(nmbr. pufe, osk. puf): *vnbei, ubei, zih'r, inlautend dagegen si-citbi,
iii'-cuhi, nun-cuhi, vulgär nescio-cuhe, wie cu -^ quu in arcvlus, quincuplex:
ebenso uncle, si-cunde; uter^ ne-cuter, auch mußiam, usque, icsquam, uspiam.
ittei, ut. Das -i in ubei, utei, auch ibei. erklärt sich aus angehängtem
id (?), s. ved. küha id, ihä-id, s. med, ted u. s. w., pröd mit demselben
id (?); das e in ube-i u. s. w. ist-=ind. a; so aucli ute-i = avest.
kutha — id; ut aber ist=.ute (ohne i^id); dagegen ist r/iio^-^- *quoti.
In un-quam = *quun-quam steckt ein temporaler Instrumentalis — goi.
•hun „wann", enklitisch „irgend wann". Das üs in iisque u. s. w. — osk.
püz, umbr. püz-e ist = ind. küt(a)s woher? (vgl. osk. liürz — hortus ) :
nfrum gehurt zu ind. kütra wo? wohin?: davon uter, das also nicht zu
gr. iioTspoc gehört (!). Eine Neubildung ist unde, — Das Letztere sehr
wenig wahrscheinlich! — Ders. ebdt. 415 — 419: qmrquir arbor „jener
Baum, dessen Ort ich nicht genau kenne" (gegen Jordans Deutung
^ quisquis), also quir- mit ursp. r wie ind. kar-hi, got. her, hiri; s. auch
lat. quor, cilr. — J. Sclnnidt; impaesiator Arch. f. lat. Lex. III,
Heft 2. — Fr. Scholl: purarc Arcli. f. lat. Ijex. II, 123 f. — yerundmm
^activum, ebdt. 203 f. — lausa Grabplatte, ebdt. IV, '2öS. —
0. Sc'hrader, Etymologisches und Kulturhistorisches. Kuhns Zeitschi\
f. vgl. Sprachf. XXX, 461 — 485: 4. sentis zu gr. *a(jt-c in aijx-aoia. —
10. S071S = *svnti-s zu gr. arr,, Wurzel sven betören — sven tönen (?). —
14. ab-dömen Überfettung (s. ab-undare) zu gr. or,|jLo;. — 22. (schon
Brugmaim) cerdo zu altir. cerd Handwerk; Künstler: gr. /.spoo; zu
xotpS-'a (.'). — 41. Falernus zu gr. yaXi^-, thrak. uXoti (!). — Nur n. 4
wahrscheinlich. — W. Schulze Kuhns Zeitschr. XXVIII, 280: vaghut
zu lit. voiti den Deckel öffnen, väzas der Deckel. — Miscellen. Ebdt.
XXIX, 25.J — 271: nlt or ^= *\o\cXo\ zu gr. äcso; P'a).y.Tr;pa H 48.'),
verschieden von otÄy.T/jp Abwehrer. — sangveii zu ajj-viov -^-^ '^" aaixßviov
-; 444. — -stris, -stis zu stare z. B. campe-sti'is, caele-stis -= "caele-stti.«:.
5. super-stes, gr. ;3vo-5-:otJt;, von ''sth^-ti's, enklitisch '\sthtis, also qni
Stationen! habet in caelo; zu -stri-s s. ind. savja-.^thar. — 0. Seeck:
impensae Mörtel, Arch. f. lat. Lex. IV, 421. — K. Sittl: ralandru
-■ -/«pdfopioc, ebdt. TI, 478. — A. Sonny: mlicae BartHaum, ebdt. 1\\
<j06. — iriicmjihuä '^ " ■rpi-o\j.'^oi sc. -oixrr, (nach Stowasser), ebdt. VIIJ.
132. — J. Spimdl: ronsul, Prgr. von Gaya 1888: s. die Anzeigt-
von G. Hergel in d. Wochenschr. f. klass. Piniol. VT, 1114. —
(jr. Stephens: ver „spi-ing", im Skandinav. Archiv 1, 1Ö4 If. — Wli.
Stoke.s On the etymology oUetam, Acad. n. 908, p. ',88 f. — Vr. Stolz:
iuhle-'itm, ^impludinria, farim, siqmre aa. Wiener Stnd. IX, .S(t,'> tt. —
Etymologie. (Deecke.) 207
siremps(e), Wiener Stud. XIII, 295 ff. — sfrufertnrins von strues und
fertum, 2 Arten Opferkuchen, *strnferta ein Kompositum wie suove-
tanrilia. Idg-. Forsch. I, 332. — J. W. Stowasser Dunkle Wörter.
PrgT. Wien 1890, 32 8. 8 (auch im Sonderabdrnck bei Terapsky).
Deutung- von 80 Wörtern unbekannter oder umstrittener Herkunft.
Geistvoll und scharfsinnig, aber ohne streng wissenschaftliche Methode,
so dafs wohl nur Weniges haltbar ist. Vgl. die Anzeigen von Ziemer
Woch, f. Klass. Philol. VIII, 977; Fr. 8tolz Zeitschr. f. d. östr. Gymn.
XLII, 665 f.; Nettleship Class. Rev. V, 263 ff.; auch Acad. n. 996,
p. 541. — Eine zweite Reihe dunkler Wörter, ebdt. 1891, 34 S. 8.
Derselbe Fehler noch gesteigert, mit Hervorholung seltnerer Wörter
und Formen, die oft nur unsicher überliefert sind; s. die Anzeige von
G. Her gel Wochenschr. f. klass. Philol. IX, 467 ff. — Das Yerbum
läre. Eine dritte Reihe dunkler Wörter. Wien. 1892, 20 S. 8.
Sehr kühne Korabinationen: aus Wendungen wie venerunt gratum
latum soll gratulatum, daraus das Verb gratulare, -ari entstanden sein;
ähnlich werden itsMare, praestolari, circulari aa. abgeleitet. — Fausiu-
his = * faus-tulus --^ '^(üc-'fopo; (!). — migrare zu gr. |ji7apov, pun. magar,
und erst aus den Kompositen e-, transmigrare rückgebildet (!). —
irritare aus ira und hirrire. Intens. *hirritare, geraengt, dann erst rück-
wärts abstrahiert ritare (!). — Arch. f. lat. Lex. V, 135: medus,
mattioharhulus, motum-, Zahladverbia auf -ie^is (s. Formenlehre u, oben
Stolz viciens!). — Ebdt. 289 f. discipulus von discipere (!); s. oben
Breal! — ergo, erga, Wiener Stud. XI, 161 ff", (s. unten Zimmer-
mann!). — pö-sco „trinke" (Cic. Verr. II, 1, lo^), s. posca, ebdt. XII,
326. — Arch. f. lat. Lex. VI, 463—4: clanculum aus claraclam; dan-
(lestinus aus clam und des(i)tus „abgelegen"; gegen ersteres A. Funck
Deminutiva (s. ob.). — 464: Jn^])iteY praestes imi praestäus; antistes ge-
mieden wegen gr. dtvTi (!); zu -stitns s. antistita, auch locu-pletus (aktiv). —
562—3: coturnic nach Havct aus ■' quoct-urnix , letzteres aber -- dor.
opvi$; vgl. spinturnix, Fest, spintyrnix zu gr. a-i'voc, 3-'.vi)tov, a-ivOapi?
-hopvi^: corn/x = "cora-ornix, s. xopa-i, y.opwvr). — immo; persona,
Wiener Stud. XII, 153 ft\ — sarcire, sarcina, Zeitschr. f. d. östr. Gymn.
XLI, 598 ff.: XLII, 200; an letzter Stelle auelx da.rendir, und 392:
procerus. — pescere, Wiener Stud. XII, 326 f. — proprium, spolnm,
Zeitschr. f. d. östr. Gymn. XLI, 977 ff. — sums, Comment. Wölfflin.
23 ff. — meita (Varro 1. 1. VII, 8) „begangen" zu meare, Arch. f. lat.
Lex. VII, 444 f. — Über meridies s. Hintner! — J. Stracliaii: amhnlnre.
Classic. Rev. A\ 377 f.; s. oben Bugge, Ceci! — sibilus, -lare zu
Wurzel suejdh, altiv. sige, sidhe, sighe „a blast", in Bezzenb. ßeitr.
XVIII, 147—8. — perendic = ind. parasmin — djeui, Tndg. Forsch. I,
500—1. — J. Stürziiiffer: sursum von surgere (!), Arch. f. lat. Lex.
208 Lateiniocbo Grammatik. (Dccckc).
Vn, 597 — 8. — P. V. Thewrewk: infrunitus, Egyetemes phil. köz-
löny 1886, p. 810. — F. W. Thomas: On sonie Latia and Greek
negative forms: non, noenmn. Classic. Kev. Y, 378 f.; 434. Ders. und
H. Darbisliire: On the forms of the negative ne, ebdt. VI, 194 ff. —
W. Thoresen: acredula, Nord. Tidskr. for Filol. IX, 315 f. — R. Thurii-
eysen: Lateinisches. Kuhns Zeitschr. f. vergl. Sprachf. XXX,
485—503: 1. veüis, aus vetustus zusamnieugezogen -. vitulus ist
dialektisch. — 2. imhes, püber, aus *pübeber, -bris. — 3. infrö =^
*ins-rä, s. ins ,,unterhalb" im Keltischen; ?mMS = *ins-mo-s (doch osk.
imad-en!). — 4. impetrire, aus *impetire durch Einflufs von impetrare. —
5. Modifikation von Havets Erklärung der Geruudiva : -yido- aus *-mdo-
= *-m"do- =*-mno-; s. z«(?e =^ *im-de aus *im-ne, wie super-ne aa.;
quande aus quamde = "^quam-ne (I): zwf. qiiondam =^ *quom-uam, s. quis-
nam: vienda.x= *meranax; frendo — "^'fremno; dochs. contemuo, alumnus,
columna u. s. w. — L. Traube: bmnho, tabo, Arch. f. lat. Lex. VI,
167 f. — inssulentus, ebdt. 254. — bramita, cassidile. ebdt. 263 f. —
H. l'sener: j)recator\ Arch. f. lat. Lex. II, 228 f. — Fr. Togcl:
cunae, cunabula zu conari, eig. Stütze, ebdt. 321 f. — vestihidum, ßhein.
Mus. XLII, 319 f.; s. Aufrecht! — Wackernag'el : aus-cultö enthält
einen Dual, Kuhns Zeitschr. f. vgl. Spr. XXIX, 142. — F. AValker:
On the root reb in Latin, Athen, u. 3174, p. 260. — E. R. Wliartou:
fortassis, Acad. 1885, p. 294. — norma von nonus, Classic, Eev. VI, 11 f.;
258 f.; gegen Darbishire ebdt. V. 217 f.; VI, 147 f. (-*gnörima). —
Osk. Wiedemanii : Etymologieen, Bezzenb. Beitr. z. Kunde d. idg.
Spr. XIII, 300 — 310: läc zu mulgere: mulctus, Nebenform ''mlactus ^
'mfk-tö-s, abgestumpft *mläct(i). — promulgare von *melg, s. lett. melzn.
milzt schwellen; milze grol'ser Haufe; midtus „viel" --= 'mulctus. —
grandis zu r-ipevöo?, -i)ucjOai, Wurzel grendh schwellen; asl. gradu Bru.st. —
F. Wilbrandt: cella, Deminutiv von cera, Kuhns Zeitschr. XXIX.
192. — E. Wiiidisch: Omentum zu ind. VcTpa Netzhaut; Lit. Ctrbl.
1888, 668. — E. Wölffliii: instar v. instare, Arch. f. lat. Lex. II.
Heft 4; s. auch IV, 357. — Gatulus von catus „Kater" (?), ebdt. S. 324.
— medietas, „Mitte", später „Hälfte", seit 200 n. Chr., ebdt. III.
458 — 70. — toti = omne.s, ebdt. 470. — compotere für -tire neben coni-
petere (Sali., Tac), ebdt. 494. — adventare, wegen der Bedeutung;
nicht im Perf. u. Fut., ebdt. 558 f. — circare „suchen", ebdt. 559. —
fernere, Ntr. v. *temeris, ebdt. IV, 51. - versa vice (niclit vice versa),
ebdt. 67. — dirigere litteras, ebdt. 101 f. — ex toto, in totum, ebdt
143. — diimtaxat, älter getrennt, Objekt multam. bezeichnet da.s Straf-
maximuni; dum Acc. der Erstreckung (M. Breal, Mt'm. d. 1. Soc. d.
Lingu. V, 35 fafst taxat als Konjunktiv des s-Aorist von tangere);
opus est ,,es ist Hilfe" (also zu ops) mit etwas (?). s. Liv. .XLIII, 19, 4:
Etymologie. (Deecke.) 200
ebdt. 324 f. — vudits, miilaster, ebdt. 412. — läferatiira, ebdt. V, 41i.
— 2)er omnia, ebdt. 144. — pacare, euphemistisch, ebdt. 381. — oj;-
pidum, -do; uviduhis, ebdt. VI, 185 f. — höc = Imc, Umgangssprache,
doch nicht in Ciceros Briefen (Verg. An. VTII, 483), ebdt. VII, 332.
— fluvius, -via, flunien, ebdt. 588 ff. — K. Wotke: stima, Ärch. f.
lat. Lex. V, 507. — K. Zander: cunnio, vapio, Arch. f. lat. Lex. VI,
253. — S. Zehetiuayr: cowcw, 'Blätter f. d. bayr. Gyran. XXIV, 92 f.
— sincerus und „sanscrit", ebdt. XXV, 28 f.; 452 f. — A. Ziinmermauii :
Zu dönkum, dönec, doneque, dönique, dmic, Arch. f. lat. Lex. A\
567 — 71: Corssens Zerlegung dö-ne-quom „da nicht wo", den Grenz-
punkt bezeichnend, ist zu künstlich: das ne ist nicht negativ, sondeiii
das ne von super-ne, po(s)-ne, im Inlaut ni, s. de-ni-que und vgl. unde,
undique; quandone C. I. L. VI, 22, 276, s. rnss. kndano; zu dö- s. kelt.
do, du „zu, bis", lat. en-do (in-du), oe-do ,,lier zu!", quan-do „zu
wann?", russ. kuda ,,jusqn'oii", dokuda ,,jusqua quand". Die Form
donec schon in den XII tab. (Fest. 348), vielleicht fälschlich aus "do-
necum abstrahiert (i): aus donec dann doneque, nach nee: neque: do-
neque, donique erst bei Lukrez, "Vitruv; donec cum erst bei Hieronymus.
Bei Plaut. Most. 1, 2, 35 synkopiert doncum ('?), daraus abgekürzt
done, dune in Inschriften (G mal in der Kaiserzeit), vulgär „dann, da".
— Dagegen D. Engländer, ebdt. VI, 467 — 8: frz. donc aus doner,
denn dune hat die Bedeutung von dum; donec als korrespondierende
Partikel; s. auch A. Zingerle, donicum, donec cum, ebdt. II, Hft. 4.
— Derselbe: ergo, ergä von rogus in der Bedeutung „Ricli-
tung" (?): e rogo ,,aus der Richtung, von da", dann „wegen" (vgl.
„von wegen"); nach Analogie ergä, wie contrö: contra (?), also „Inder
Richtung, im Bereich"; Berl. Philol. Woch. 1802, X. 18; s. ob. Sto-
wasse r und meine Erläuterungen zur Schulgrammatik S. 331. —
cMspis = *cum-spid-s zu egi. spit, dtsch. spitz, von einem Verb *spindo,
wozu spisms „gespickt" (?), ebdt. — Ders. Über secüs, setiua u. s. w.,
Arch. f. lat. Lex. IV, 602—6: secm aus sequens (?). s. C. L L. IIL
387 secu(s), nicht secu(ndus), heres ; ursp. '-'secüs = *sccuns, *sequons (!) ;
s. pedi-sequus, wie maledicus — -dicens (aber -dicus: -dicens!). E*
wurde dann Präposition, wie trans (doch s. gegen dessen Deutung als
Partizip Allen, Americ. Journ. of Philol. I, 143 ff.), z.B. secus Tituni
flomen, erst lokal, dann modal: vgl. Liv. II, 33, 6 bellum extrinsecns
imrainens, aber Cic. Lael.: quod longe secus est „weit zurückstehend' ;
ans .,folgend": -der zweite, andere: schlechter; weniger, mehr": kom-
parativisch mit quam ; daher neugebildet: sequius, später sequior; ferner
sectius (Gell. XVIIl. 9, 4—6 aus Plaut.), Komparativ von *sectus,
Part. v. sequi; s. secta, -tari: daraus settius: setius (falsch seciusi:
Secus, Setus als coguomina; s. Näheres Arch. VI, 269 (oben bei der
J-ihresbevicht für Altertuniswissensohaft. T.XXVII. B«l. iisa^. TTI.i 14
•JIO Lateirii.scLc Grammatik. (Deecke.)
Namenbilduug!). — Ders. Etymologische Versuche, Arch, VII, 435 ft. :
augus-ius zu augur; Bustius, SaUustiuü von *rUs-tus, *salüs-tus (?) :
paenitet zu piinire (?); oportet von ob-oriri (?); necesse est zu cessini.
— Ders. Desgl. Woch. f. klass. Philol. Vlll, 1102 f.: sepelio; culpa.
— Ders. apud - ab-ad (!), Arch. f. lat. Lex. VIII, 132 f. ~ Ders.
sospes, Woch. f. klass. Pliilol. Vlll, 1158 f. — Jos. Ziibuty: Miscellen.
Kuhns Zeitschr. f. vgl. Sprachf. XXXI, 51 — (51. Hierher H. frango zu
ind. bhnim(;ate er entfällt, Wurzel blirak; das g ursprüuglicli nur in
nasalierten Formen; fractus ==- ind. bhrastas; zwf. ob dazu fraces, fracidus.
— Ders. Etymologie einiger lateinischen Wörter. Sitzungsbericht der
königl. böhm. Gesellsch. d. Wissensch. Trag 1892, 12 S. 8, —
Zwei besondere Gebiete der Etymologie sind, soweit sie niciit
schon gelegentlich berührt sind, noch nachzuholen: Die Volksety-
mologie uud die Lehnwörter, die vielfach in einander greifen. Für
erstere ist das Hauptwerk:
0. Keller, Lateinische Volksetymologie und Verwandtes, Leipzig,
Teubner, 1891, 387 S. 8.
Das Buch besteht aus 2 Partieen: A. Lateinische Volksety-
mologie, mit eiuera Anhang über griechische Volksetymologie. —
B, Etymologieen uud Formen von Lehnwörtern. — Es ist im ganzen
eine Sammlung und Überarbeitung einzelner früherer Abhandlungen,
ergänzt uud systematisiert. Keller bestimmt die Volksetymologie als
^die Einwirkung teils willkürlicher, teils unwillkürlicher etymologischer
Spielerei auf die Wortgestaltung'' ; oft liegt auch blofsc ITradeutung vor,
ohne Lautveränderüng; aber alle individuelle Spielerei bei Dichtern,
Rednern, Grammatikern u. s. w. ist auszuscheiden, demnach auch
gelegentliche Witze, Scherze, geistreiche Kombinationen u. s. w. Das
Gebiet bleibt trotzdem immer noch reich genug, und der Stott strömt in
unerwarteter Menge zu. So ist das fleiisig und scharfsinnig gearbeitete
Buch inhaltsreich, sehr belehrend und anregend, und man hat den Ein-
druck, dafs das TVlaterial noch lange nicht erschöpft ist. Auch bleibt,
bei die.^em r>rsten Wurf, naturgemäfs noch vieles zweifelhaft oder dunkel,
anderes ist zu kühn, namentlich oft bei der Annahme von Entlehnungen.
Vgl. die Anzeigen von H. Lewy in der Berl. Philol. Woch. IX, 623 f.;
E. Mauren brecher in den Jahrb. f. klass. Philol. 145, S. 193 ff.;
W. Meyer-Lübkc in der Zeitschr. f. d. östr. Gymn. 43, 310 ff.; s.
auch das Arch. f. lat. Lex. VU, H04.
0. Weise,. Volksetymologische Studien. U, Unregelmälsige Ver-
tretung des Spiritus asper in griechischen Lehnwörtern der lateinischen
Sprache. Bezzenb. Beitr. z. Kunde d. idg. Spr. Xll, 154—160.
Etymologie. (Deecke.) 211
8. den I. Teil der Stadien ebdt. Y, ()8 ft'. — Die hier hehan-
deiien Wörter sind: Segcsta, nach seges, Segesta (Saatgöttin), wegen des
Ankianges von "E-jssta an egestas. — samartia - -xfiap-ta, nach afrik.
samardacus (?). — sarpa — ap-r^, an sarpere angelehnt; ebenso ser-
indluin ^=^ i'pTtuXXov, an serpere. — sah/ama — 6l]toL~.rj., nach sal; salina-
cidus -^ aX|jLara -i- acidus (?). — salacaccahia - *a/.ty.axy.a[^ta, auch nach
sal. — sualiterniciim zu uaXo?.
Meist Lehnwörter oder ihnen angepalste Bildungen enthält:
E. Linse, De P. Ovidio Nasone vocabulorum inventore. Doktor-
diss. u. Prgr. v. Tremessen, Sonderabdruck Leipzig. Fock, 1891.
68 S. S.
Eine statistische, fleifsige, wenn auch keineswegs erschöpfende
Darstellung. Wenn J. Favre, meist aus den Metamorphosen, 324 solcher
Wörter gesammelt hatte, Drag er, ohne die Patronymika, die allerdings
einen grolsen Posten bilden, 392, so giebt Linse im ganzen 487 — 228
Ethuika und Patronymika ^715 Wörter, und zwar cap. I vocabula
Oraecanica (subst., adj., nom. propr.); cap. II vocab. Latiua: uomina
simplicia und composita; verba (desgl.); adverbia. Zahlreich sind die
gemischten lateinischen Patronymika mit griechischer Endung. — Wie
weit ein beträchtlicher Teil jener Wörter wirklich von Ovid zuerst e r-
fuuden d. h. in die Litteratur eingeführt ist, oder nur in der uns er-
haltenen Litteratur bei ihm zuerst vorkommt, ist eine offene Frage;
auch hat der Verfasser kaum mit Recht alle diejenigen Wörter dem
Ovid als Schöpfer zugei'echnet , die sich auch bei seinen Zeitgenossen
Livius und Vitruv finden.
P. Benno Linderbauer, De verborum mutuatorum et pere-
grinorum apud Ciceronem usu et compensatione. I. Prgr.. Metten,
1892, 67 S. 8.
Die Schrift liefert eine Ergänzung zu Weise und Saalfeld.
Die Fremdwörter sind am häufigsten in den Briefen an Attikus, dann
in den anderen Briefen, hierauf in den philosophischen und rhetorischen
Werken ; es folgen die Reden gegen Verres, darauf die anderen Reden
— alles, wie es zu erwarten war nnd natürlich ist. In den gewählteren
Schriften aber kann man deutlich bemerken, wie die FremdwJirter mit
der späteren Zeit der Abfassung abnehmen, indem Cicero für sie latei-
nischen Ersatz suchte und teilweise selbst schuf.
G. A. Saalfeld, De bibliorum sacrorum Vulgatae editionis Grae-
citate. Quedlinburg 1891, 180 S. 8.
Das Werk, ein Lexikon der griechischen Lehnwörter der
Vulgata, auch der Eigennamen, ist eine willkommene Eigäuzung zu
14*
212 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
des Verfassei*s Teiisaurus. Zugefügt sind den einzelnen Artikeln Ver-
gleichungen ans der media und infima Latinitas, und vorausgesendet sind
quaestiunculae etymologicae : /Aierst 9 nicht entlehnte Wörter in ihrem
Vorkommen: calix, cincinnus, columba, linum, lippus, pallium, pannus,
Saccus, saliva. Es folgt die ratio translationis, und zwar I. Ipsa trans-
latorum vocabulorum elementa respicienda sunt: y, z; ch, th.ph; 0 = 7;
t -= &; p = 'f ; s, SS = C; h = '. — II. Vis et significatio respiciendae
sunt. — Entlehnung ist anzunehmen : a. wenn eine lateinische Wurzel
fehlt (es giebt aber auch isolierte Wörter!); b. wenn die verwandten
Sprachen keine Erklärung bieten, z. B. bei crapula; c. wenn das Latein
kaum oder wenig Verwandte hat, wie bei classis, pulmo; d. wenn die
Bildung unlateinisch ist; e. wenn das Wort griechisch dekliniert wird,
z. B. aer. — Nicht entlehnt sind die Wörter, wenn 1. g, h^y; f,
d = i); f, b = 9 ist; doch giebt es einige Ausnahmen, wie fides, fortax,
fucns; 2. wenn sie lateinische Bedeutung haben, z. B. depo.
Aus der fremden Litteratur sind zu erwähnen:
E. R. Wharton, Loanwords in Latin and Latin vocalisra (re-
printed). London, Trübner, s. Acad. 1889, p. 59.
M. Breal, Traces du F dans les mots latins d'origine grecque.
Mem. de la Soc. de Lingu. V, 228 ff.
Im ganzen ist in der Etymologie, nachdem eine Zeitlang ein
gewisser fester Grundstock sicherer Ergebnisse erreicht schien, durch
neue geistreiche, bisweilen blendende Kombinationen, durch übertriebene
Anwendung der Ausnahmlosigkeit der Lautgesetze, der Analogie, der
Volksetymologie, durch das Hervorholen isolierter Wörter aus ent-
legenen Sprachen eine weitgreifende Unsicherheit eingerissen, so
dafs nicht selten für die gewöhnlichsten Wörter 4—5 verschiedene Ab-
leitungsversuche vorliegen, wie für consul, vestibulum, sons, ambulare aa.,
dals man die unentbehrlichsten Wörter, wie mulier, bos, ovis, migrare
für entlehnt erklärt, da/s die scheinbar sichersten Beziehungen, wie von
jubere und jus, zerrissen werden.
Nachtrag zu Seite 127.
Die Arbeit E. R. Whartou's, on the vocalic laws of the Latin
language. behandelt erst die kurzen Vokale, und zwar zunächst
den durch li bezeichneten Mittellaut zwischen u und /, von Kaiser
Claudius durch h bezeichnet. 1 . Derselbe begegnet in : übet, linter,
sii*piculus, clicns (neben cluo), lito (neben luo?), cilinm (zu xuXa), ligo
(zu X\i-(i>i<ü), suffio (zu 9uu)), miser (zu }xu5apo;V), stipula (zu sl. stüblo),
, tringo (zu sl. strügati), tingno (zn ahd. dnnchön): ferner in: nimis -
Nachtrag zur Lautlehre. (Deeckc.) 21o
"numis-(um) zu numerus; pingo ^ pungo; sirempse zu surimo (=^ sümo),
dg. Infinitiv wie instar; simus (Augustus statt sumus); culullus, intu-
bus, lacruma, manubiae, obstupesco, quadrupes, satura u. s. vv.; dann
in Suffixen, wie in optumos, maxumus u. s. w.: in averruucus neben
longinquus; endlich in dissipo neben supo. — 2. Hierauf bespricht Whar-
ton die Trübung kurzer Vokale, die auf 4 verschiedene Einflüsse zurück-
gefühlt wird: Dialekte, Accent, nebenstehende Laute und Ana-
logie. I. Dialektische Formen mit i statt e, mit n statt o (s. um-
brisch, faliskisch u. s, w.) sind: filix, pinna, spicio, via, in, indu, tri-
bus; in Inschriften: irus. siptem, six, sinatus: ferner: sinister (neben
senior), vitulus (FtraXo? ist Lehnwort), sileo = sedeo (I), s. got. ana-silan
(entlehnt); cicur (zu rlirwv), plico, cicer (zu altpreuss. keckirs), nitec
(zu sl. gneta?) s. nota; vigeo; similis (im = m); inter (in = u); dann
altlat. humo, liumus. numerus (zu ir. nös „custom"); puls, sulcus, bul-
bus (Lehnwort); tuli (ul = 1); furnus (ur = r); luxus (zu )si\fii)\ bei
den Grammatikern: rutundus, ubba; auch: lucuna (zu locus); pudet
(zu GTroSetü); cupio (zu *cep-, capio); bisweilen i aus ü z. B. cinis zu
xovis, clipeus zu sl. po-klopü; cingo, imber; imbilicus neben umbilicus
u. s. w. — 3. Später (d. h. klassisch) trat u statt o proklitisch und en-
klitisch ein, sowie in der Sclilusssilbe mehrsilbiger Wörter vor einem
Konsonanten, z. B. hunc, sunt, cum, filius, opus, tribubus, poculum, cou-
sul, genus, centum, robur (während amor, color u. s. w. ursprünglich <•
hatten); nur nach u, v blieb o bis in die augusteische Zeit. Eigen-
tümlich ist ve statt ro, erst seit Scipio Africanus, in: versus, vertex,
verro, verto, vester, veto, velim, vellus (zu ooXo;), venia (zu ov''vr,fxi),
vereor (zu opaw), vegeo (zu got. vakan), verbuni (zu lit. wardas), vespa
(ags. väsp), vermis (got. vaürms), mit er = or = i;; veicus, vis (= vois
,,du willst"). Ausnahmen teils nach Analogie, teils anderer Art z. B.
voxor, uxor (dunkel); vescor mit gv zu ßoay.u); quercus zu ags. furh
(aus r); quisquiliae zu y.ojy.'JX(ji.a-a. — 4 (II). Wenn schon hier der
Accent mitwirkt, so tritt er in einer Reihe anderer Fälle entscheidend
auf: 5, A. Vortoniges e und o werden zu a (schon 3 Jahre früher
entdeckt): so e in den Stämmen auf -\s und -«5„ wie apis, ratis (zu
-per-), vas (zu a-Fsö-Xov), gradus (got. grids), äs = *ad-tis, zu el-e-
mentum (l = d); auris neben oy;. Ausnahmen: potis, Ovis; ferner in
den Stämmen auf -nös^ -rös, -vos, wie magnus, stagnum (zu are^avo;),
sacer (zu sequor, otoc), aper (ags. efor), ai-vum (kelt. erw); auch -kos,
8. vacca^ *vet-ca; dann in den Verben auf -do, -eo, -io, wie amo (zu
emo), flagro, maneo, pateo und patior, candeo (Wurzel kvend), sapio
(ags. sefan), capio (s. cepi), facio, jacio : auch paciscor neben pecu ; ver-
einzelt: hara (zu au-'f£(j)-o;), palea (lit. pelai), aries (lit. eras), tabula
(lit. stebas). Beispiele für o: crassus (zu xpotcuvT)), amarus (zu u>ti.o;),
v>14 Lateinisdie Grammatik. (Üeecke.)
salvu!« (ZU solidiis; sollns ouXo;), ansa (umbr. onse), atrox zu odium,
lacuna: aus J, r: valvae, callis neben collis, carbo zu corbis ,,im Korbe
getrageu"; Ausn. quadru ist keltisch. — G. B. Andere Schicksale ton-
loser Vokale: / vor >• (ans s) wird e: anser =^ lit. zäsis; vomer, cucu-
juer, numerus, umerus; e lullt sich auch vor ursprünglichem r: affero,
impero; betontes ir aber bleibt. — o im zweiten Gliede der Composita
bleibt (Ausn. sedulo, s. inschriftlich dulus =- dolus; ilico nach ilicet),
ebenso am Stammschluss in somno-lentus, vino-lentus, vgl. die Neben-
formen colober, tonotru: sonst wird o zu u, eig. ü, daher oft i ge-
schrieben (s. ob.); 0 auch in der Anaptyxis z. B. sorticolis, später
populuni; so auch legimas, figulus u. s. w. : patrus u. s. w., aber sena-
tuos aus Dissimilation, — Tonloses e und a werden offen zu /7, ge-
«;chlos8en e z. B. famulus (s. umbr. famedias), neben farailia; occulo
(zu ir. celim): occupo neben capio aus "cepio u. s. w.; arbiter neben
umbr. adputrati (zu got. qijiaii, Wurzel gvet); ra, ii werden meist em,
rn, aber: luminis, vigiuti u. s. w. ; geschlossenes e in: legens, acceptus
n. s. w, — Beispiele zu ursprünglichem a: contuberniura, concutio,
tibluo u. s. w., aber aboleo (zu alo) nach oleo; surruptus nach surru-
pui; flamönium (bei Tacitus) nach matrimonium. - Die Inschriften und
die Grammatiker haben oft e statt i z. B. soledus u. s. w. — Aus-
lautendes i und 0 werden zu e: ante, mare u. s. w. ; ille (aus illo),
sequere; nisi, quando hatten ursprünglich Länge. — 7 (III). Der Ein-
fluss nebenstehender Laute offenbart sich zunächst in Dissimilation,
indem ii zu ie wird, uu zu uo, ji zu je, vu zn vo, z. B. pietas, equos,
altlat, projecitad, servos; dunkel sind: vulgus, vulpes, vultur, vultus.
— sve wird so, velares ke wird ro, z. B. sodalis, colo (falisk. quol-)
zu 7re?vw; meist blieb ce, doch mit r: corbis zu anr, hrip; corium zu
ind. crtrman; cortex zu lit. kertu; combretum enthält palat. k 4- ve, s.
lit. szwendrai. Der Übergang von ev in ov, von ov in av ist bekannt
(s. ob.). — 8. Weitere Gesetze sind: e wird vor nc, ng zu a, tonlos
zu i z. B. nanciscor, anguilla, frango (= ■■"freg-no, s. fregi), mango
(-^ exaggerator, zu h-Iyoh); attingo u. s. w. — e vor Ic, lg, It, Im wird
u: inculco ( - *incelco von calco), ulcus, mulgeo, adultero (zu alter),
insulto; auch entlehnt catapulta; ferner ulmus zu ags. elm. — o vor
mh wird ir. umbilicus, imber; combretum ist dialektisch. — o vor nc, ng^
ngv wird ii: cunctor (zu ind. (;ank). uncus, ungo, unguis; cingo (zu
/.6]xßo«), dazu cunctus; entlehnt sind broncns, onco; pränest. tongeo;
auch longus, inschr. lungus, ist dialektisch, s, Xo-f^ofCu); got. laggs aus
dem Latein entlehnt. — 9 (IVj. Einwirkung der Analogie: crepo
von "crepere; doceo von *doc6re; voco, volo, volup, volvo, vorao, voro,
voveo mit vo statt ve nach vöx u. s. w. ; ferner in der Recomposition :
so auch impotens, innocens, insoleus: adarao, Concors, congero, comburo
Nachti-ag zur Lautlehre. (Deecke.) 215
u. s. w.; dagegen celebci-, integer nach celebris, integra; segetis nacli
^^eges; vegetus nach vegeo; anatis nach anas; alacer nach äcer: comes,
judex u. s. w. luich superstes, remcx aa. ; scribundi u. s w. nach eiin-
dum, wo u dissimiliert ist. — Der zweite Teil der Arbeit behandelt
die langen Vokale und die Diphthonge: 10 ü ans oi, en, tonlosem
au, ausgedrückt durch u oder i z. B. mütilus, aber auch mitilus;
stnpa und stipa; frigo — 'f pü-^w : tru- und trigonus (zu Tfio-ftuv); gibbus
zu lit. gumbas; limpidus zu osk. Dinnipais; siparium zu osk. supparuni;
stipes zu ;inr. stüfr: ficus zu fücus; finis zu fünis; mlrus zu ixü(3)(i) ; pituita zu
yüteo ; scrininm zu scruta: spiro zu spuo; vgl. auch dieSufiixe; -ücusnnd
-icus; -ücula u. -icula; -iigo u. -igo; -iltus u -itus; -udo u. -ido; -imus u.
-inus: -Ulis u. -ilis; -liscus u. -iscus, so auch vacuus = *vacBvDS neben
vacivus aa. — Das aus oi, oe entstandene ü unterscheidet sich durch den
Wechsel von ü und i von den ursprünglichen u und i; bisweilen er-
hält sich auch der Diphthong z. B. foetns neben fui, fio; soera=^
sura ; foe(s)-dns zu fiis-cus: Suffix -oenus neben -ünus, doch
auch e z. B. fetus, amenus, auch sonst -onus neben -inus, -etus
neben -itus; -elis, -edo u. s. w. ; amecus neben amicus; vgl.
umbr. e aus i! — 11. Auch sonst e für i, ai, wie umbrisch:
dialekt. speca, vella; ferner avena zu sl. ovisü: clemens zu acclinis;
dann e ^ ei (gleichfalls wie umbrisch): levis zu XsTFo;; ceu, neu, seu
aus *que-ve, *quei-ve u. s. w.; deus =-- deivos (dea nach Analogie);
reus zu rivus, -valis; oleum ^ olivum , angelehnt an olere (s. EXatov);
ne; inschriftl. patre, tibe u. s. w. — e^=ai, ae, bekannt; falsch laevis,
vaenum u. s. w. ; nachklassisch oe statt ae z. B. coena, obscoenus, hoedus,
coelum, poenitet aa., auch proelium ('?); Aesculapius an aes „Lohn"
angelehnt. — 12. ö aus ou, au, wie neuumbrisch; auch volsk. o^ou:
Köbigo, cloaca (= *clou-aca) , löcusta (zu Ulcus), nöndinum (aus unnr-
sprünglichem ou); ferner: crdeus neben caulae; cos neben cautes ; föcale,
«dla; ömen zu auxilium; ös neben ausculum; öriga -- auriga ; östium =
austium; sodes; ad-örea zu iz-aup-tV/tu; cröcio zu lit. kraukti; ötinm zu
got. anj)-s. Nach den Grammatikern ist diese Verdichtung vulgär. —
13. Gelegentlich I aus <'; « aus o, z. ß. inschriftl. cinsum, decreivit,
leigibns u. s. w. (mit ei = i); de-linio (nach linum?); sub-tilis; ferner:
hüc, älter höc; für; ülna; datürus u. s. w. ; praestülor neben -stcdor; glau-
cüma u, s. w. — Nachklassisch auch ö statt ü: jöcundns (nach jous?);
üön aber ist = nö-ne, vgl. pö-ne. — 14. i aus ei: liveo zu äeTFoc;
unklar: ceivis, leis, leitera, seispes neben söspes. — oi ward oe, ü (oit)
z. B. müto zu jiotTo;; pümex zu ags. fäm; da dies ü (auch umbrisch
z. B. cur-, mün-) eigentlich ü war, so tritt auch i ein: Hdus neben foedus;
lira zu got. lais-ts; tibia zu lit. staibiai; bisweilen inschriftl. e: fedus,
de-lerus, pö-merium: s. noch altlat. nora. pl. Fesceninoe, später -i, -ei,
2](> Lateiuischc Grammatik, (üecckc.)
(lauebeu ploirumo; geu. sg. poploe, spater auch -i, -ei; dat. abl. pl. -oes,
dann -is, -eis (eig.- oi-s?) — nioeuia „PHicbten" und „Mauern" sind zwei
verschiedene Wörter. — Das ei und ou statt i und li sollten nur die
l^iäuge andeuten. — ai wird ac (s. ob.). — eit ist selten (in Eigennamen,
Interjektionen und sekundär, wie in ceu, neuter u. s. w.); es wurde
später zu il (oti) z. B. güsto, liigeo; lilridus zu Xeüpo»; mlto; pliima zu
zXsFw; pulmo; riicto, dilco u. s. w.; nütrio = *mldrio ; brilma; auch dies
u war eigentlich ü, daher auch = ^ (ei) z. B. Über, plisima; ferner e:
plerus neben ploirume, ploera (also nicht zu -XiQpyj;). — ti^ou: löcusta
(s. ob.), riibigo, clfinis ^ lit.. szlauuis; ciido zu lit. kauti; mücus zu lit.
niaukti: cluaca (s. ob.); aber auch =-un ursprünglichem ou; niindinuni,
nimtius; jubeo verküi-zt nach habeo. — au blieb; doch ward es vulgär
zwischen Konsonanten zu ii z. B. friistra, nügae. — 15. Der Acceut
blieb auf lange Vokale ohne Einfluis: anbelus steht für *an-elus zu
an-ima, nur assimiliert anhälare; convicium zu vicus; suspiciozuspicau.s. w.;
Eiutiufs auf Diphthonge ist selten z. B. i aus ae\ so auch ai (sei) -^
osk. svai (proklitisch) ; ü — ü aus au : iudütiae zu ötium ; ad-fdor zu
audio: ob-türo zu taurus; daneben oe: ob-oedio, und e: obedio. Aus-
nahmen bei Rekomposition und durch Analogie. — 16. Verschiedene
Änderungen von Diphthongen mit beginnender Länge: i fällt aus:
cquo(i); altlat. pleöres zu *ple(i)ös; dat. sg. -ä(i) in Pisaurum ist un-
römisch; -ae ist Lokativ ^ äi. — u vor Vokalen wird v. nävis, octävus
(statt -ÖVU6; s. ob. av =ov); bös, bovem ist unrömisch; Jovis zu Zeu;.
— Vor Konsonanten tritt Verkürzung des ersten Elements ein: -öis wii'd
-oes (dat. abl. pl.): gaudeo, naufragus. claudo u. s. w. ; övum ^ ^ (üFsov
hatte kein i. — Vgl. noch die Anzeige von K. Euling in der Neuen Philol.
Rundschau 1890, 8. 187 ff.
Die sehr eingehende und reichhaltige Arbeit ist ein kühner Versuch,
die lateinische Vokallehre wesentlich auf einheimischer Grundlage ohne
umfassendere Sprachvergleichung und vielfach ohne die verwickeiteren
Lehren der junggrammatischen Schule aufzubauen. Er cuthält viel
Beachtensw ertes, aber auch eine grol'sc Fülle zweifelhafter, j'a sicherlich
falscher Kombinationen, sowie eine Anzahl zum Teil geistreicher, aber
abenteuerlicher Etymologieen ; auch ist die Anordnung unübersichtlich
und melirfach unklar.
Eine speziellere Arbeit desselben Verfassers ist:
E. ß. Wharton Quelques a latins. Memoires de la Soc. d.
Linguist, de Paris. VII, p. 451—460.
Das Lateinische zeigt etwa 90 mal ä, wo mau e oder ö erwartet,
und zwar in 0 Gruppen : I. av statt ov: avis, caveo, cavus, lavo, pavio
(s. ob. und Havet); bovis, ovis sind nicht lateinisch. — II. a ■- liquida
Nachtrag zur Lautlehre. (Decckc.) 217
statt laugem m, n u. s. w.: aiiguis, janitrices: fallo, palma, salvus;
ardea, haruspex, largus, paro, ars, iiiarg-o, farcio; ferner statt kurzem
m u. s. w. in den anderen Sprachen: arao; manus; alces; callum, calvus,
taleo, argentuni, bardus, carpo, quartus, varus; mit Entsprechung im
Latein selbst: scalpo, marceo neben sculpo, morior. — 111. nicht ur-
sprünglich (nicht =ni oder m u. s. w.): amarus; candeo, canis, lanx,
<ilnus; palea; aries, arvum, hara, mare, paries, pario, wohl durch Einfluf's
fler Liquida (doch s. ob.); regelrecht vor nc, ng (s. ob.) z.B. nanciscor,
auguilla, frango. — IV. liquiäa \-a statt kurzem m, ii u. s. w. (s. Ost-
hoff Morph. IJnt. Y, Vorrede!): magnus; nactus; flagro, glacies (neben
gelu), labium, lacio, lapis; fragilis, gradior, gravis, rapio, ratis (zu sero),
gracilis (nach Hübschmann)-, ferner placeo (neben pulcer), cracens (neben
curculio). radius (neben rädo). Die Entstehung ist noch dunkel. —
V. a — d: capio, facio, jacio, lassus, ratus, satus, spatium, catus, datus;
ind. i statt Schwa. Den Ablaut e : a, ö : a bekämpft der Verfasser. —
VI. Vereinzelt: aper, badius, fatigo, paciscor, pateo, quadru-, sapio,
vaco, vadem, auris, assis, atrox, sacer, stagnum, vacca. — Das ä der
Gruppen in — VI ist ein speziell lateinisches Phänomen, hervorgerufen
durch den Einflufs eines folgenden ,,accent tonique", also vortonig (s. ob.).
Der Verfasser ist geneigt, im Latein 2 Dialekte nebeneinander zu sehen :
einen ,,dialecte tonal", in dem e und o vor dem Hauptton in a über-
gingen, und einen ,,dialecte exspiratoire", wo dies nicht geschah; eine
wunderliche Hypothese, Avelche die schwierige Frage nicht löst.
Jahresbericht über die lateinische Syntax
für die Jahre 1885—1892.
Von
Direktor Dr. W. Deecke
in Mülhausen i. E.
Indem ich zur Syutax übergehe, weise icli zunächst noch einmal
zurück auf die beiden im Anfange des Jahresberichts besprochenen um-
fassenden Werke: die Neuausgabe von Ileisig-Haase's Vorlesungen,
und die Stolz-Schmalz'sche Lateinische Grammatik, in Iw. v. Müllers
Handbuch. Ich knüpfe daran die Erwähnung der G. vollständig um-
gearbeiteten Auflage des Krebs-Ällgayerschen Antibarbarus von
J. H. Schmalz in II Bden., Basel, Schwabe, 1885 — 88, mit einem
kurzen Abrifs der lateinischen Sprache und Vorbemerkungen über reine
Latinität. In lexikalischer Form enthält das Werk die reichste Be-
lehrung auch über Syntax und Stilistik. Ferner erinnere ich an die oben
namhaft gemachten wissenschaftlich gearbeiteten Schulgrammatiken
und hebe besonders den Band „Erläuterungen" zu der meinigen hervor
(Berlin, Calvary, 1893), auf die ich bei den einzelnen Abschnitten noch
wiederholt zurückkommen werde. An der Grenze praktischer und wissen-
schaftlicher Leistung steht auch:
H. Menge, Repetitorium der lateinischen Syntax und Stilistik,
ein Lernbuch für Studierende und vorgeschrittene Schüler, zugleich
ein praktisches Repertorium für Lehrer. G. berichtigte und ergänzte
Auflage. 2 Hälften, 121 u. 443 S. AVolfenbüttel, Zwifsler, 1890. 8.
Wenn auch, im Vei-gleich zur 5. Auflage, in der Anlage und
Anordnung des Ganzen keine wesentlichen Änderungen vorgenommen
worden sind, so ünden sich doch viele kleine Besserungen in den Regeln
und Angaben, gemäls den Fortschritten der historischen Syntax, sowie
in der präziseren Fassung mancher Regeln
Von ausländischen Werken sind zu nennen:
Ferd. Antoine, Syntaxe de la laBgue latine. Paris, Vieweg,
1885, Vin u. 420 S. 8.
I
I
Syntax. Allgeraeines. (Deecke.) 219
Die Darstelliuig in diesem Buche ist, wie schon der Umfang zeigt,
nicht elementar, doch liegt andrerseits auch keine eigene Schöpfung
vor, sondern vielmehr nur eine durchweg geschickte Sichtung und
Ordnung des reichen, besonders von deutschen Forschern gelieferten
Materials. Die benutzte Litteratur umfal'st vor allen Cicero und Cäsar,
dann Cornelius Nepos, Livius und Sallust; Tacitus ist ausgeschlossen;
von Plautus und Terenz ist einzelnes benutzt; ebenso wird Vergil wieder-
liolt berücksichtigt. Abweichungen von der deutschen Auffassung sind
nicht gerade häufig, begegnen aber doch, namentlich in der Kasuslehre,
bei der Kongruenz, den Fragesätzen, den cum-Sätzen u. s. w. Vgl. die
Anzeigen von S. Reinach, ßev. crit. 1886, 103 ff. u. von 0. "Weifsen-
fels, Zeitschr. f. Gymn. 1886, S. 414—20.
Mehr wissenschaftlich ist gehalten:
0. Riemann, Sjiitaxe latine d'apres les principes de la gram-
maire liistorique. Paris, Kliucksieck, 1886. 12.
Der leider inzwischen verstorbene Verfasser war einer der feinsten
grammatischen Geister Frankreichs und bei eingehenden eigenen For-
schungen zugleich ein rastloser Vermittler zwischen der Wissenschaft
Deutschlands und seines Vaterlandes: davon legt auch obiges Werk ein
glänzendes Zeugnis ab. Vgl. die Anzeigen von H. Schmalz, Deutsche
Litteraturzeitung 1887, S. 860; O. Weifsenfeis, Woch. f. klass.
Philol. IV, 1137 ff.; auch Arch. f. lat. Lex. IV, 151 ff'.
Ich füge hier eine ergänzende Sammlung einzelner Bemerkungen
von Seiten desselben Schriftstellers bei:
0. Rieraann, Remarques sur diverses questions de syntaxe latine.
Revue de philol. XII, 45 ff".; 127; 130 f.; XIV, 63 ff.
Darunter z. B. emploi remarquable du subjonctif; abl. du nom de
ville; est aliquid argumento; prohibere u. s, w.
Aus dem Italienischen erwähne ich:
Enrico Cocchia, La Sintassi latina esposta seien tificamente ad
uso delle scuole di magistero. Napoli, Morano, 1890, 496 p. 8.
Das dem Professor Gandino gewidmete Werk ist ursprünglich für
die eigenen Vorlesungen des Verfassers an der Universität Neapel ge-
schrieben und gründet sich nicht nur auf eine umfassende Kenntnis der
deutschen sprachvergleichenden, historischen und philosophischen Sprach-
forschung, sondern hat auch vielfach die französischen und englischen
Leistungen benutzt, wie z. B. das eben erwähnte Werk von Antoine
und Roby's im Anfang des Jahresberichts genannte Grammatik; auch
hat Cocchia manche eigene Forschung und Auffassung hinzugethan.
Dazu gehört vor allem die enge Verbindung, ja Verschmelzung von
220 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Syntax und Stilistik, sowie die Hervorhebung- des wichtigen psj'cho-
logischeu Elements, mit scharfer Untersclieiduug des organisch Ent-
wickelten von dem Abgewicheneu. Litterarisch beschränkt sich auch
diese Syntax im wesentlichen auf die klassische Sprache Ciceros und
Cäsars, doch ist sowohl der archaische Sprachgebrauch, als derjenige
der silbernen Latinität, vielfach herangezogen, nicht selten auch der
vulgäre. Besonders eingehend sind die Fragesätze behandelt; in betreif
der Kelativsätze stimmt der Verfasser im Prinzipe meiner Ansicht vom
Ursprung des Kelativs aus dem luteiTogativ bei (S. 362); aus der jung-
grammatischen Schule ist die umfangreiche Ausnutzung der Analogie
heriibergenommeu.
An gemischten Schriften nenne ich zuerst:
Herrn. Eönsch, Collectanea philologa. Nach dem Tode des
Verfassers herausgegeben von C. Wagner. Bremen, Hcinsius, 1891,
326 S. 8.
Es sind ö4 Aufsätze und Miscellen, sehr verschiedenartigen In-
halts, denen ein bisher ungedruckter Aufsatz über „die ältesten latei-
nischen Bibelübei'setznngeu nach ihi'era AVerte für die lateinische Sprach-
wissenschaft" vom J. 1880 vorangeht. Im ganzen beziehen sich die
Forschungen auf das Spätlatein, das ich hier ausgeschlossen habe, so dafs
ein näheres Eingehen nicht nötig ist, zumal die Arbeiten durchweg vor
der hier zu berücksichtigenden Zeit liegen. Doch schien mir das An-
denken des Verfassers die Erwähnung zu fordern.
Auch diejenigen syntaktischen Schriften, die den gesamten
Sprachgebrauch eines oder mehrerer Schriftsteller behandeln, kann
ich hier nicht ausführlich besprechen, wie ich schon im Vorwort be-
gründet habe; doch will ich die wichtigeren unter den seit 1884 er-
schienenen Schriften dieser Art wenigstens anführen und hin und wieder
kurze Bemerkungen daran anknüpfen. Zu vergleichen ist die Zusammen-
stellung syntaktischer Schriften in Schmalz Lateinischer Syntax,
Iw. V. Müllers Handbuch II-, S. 390—7; Nachtrag 583. Die Anordnung
richtet sich nach der Lebenszeit der besprochenen Autoren:
Luc. Müller, Quintus Ennius. St. Petersburg 1884.
Hierher gehört lib. VII, von S. 208 an.
AI. Reichardt, De Qu. Ennii annalibus. Neue Jahrb. f. Philol.
1889, S. 81 — 122.
Die Abhandlung beschäftigt sich eigentlich mit dem Wort-
schatze, doch kommt auch das Syntaktische zur Geltung, besonders bei
den Adverbien, Präpositionen und Partikeln.
Otto Schöndorffcr, De syntaxi Catonis. Dissertat, Königsberg,
1885, 89 S. 8.
I
Syntax. Einzelne Autoren. (Deecke.) 221
Der Verfasser sucht aus nicht ganz genügendem Material den
nicht ganz ausreichenden Beweis zu führen, dafs, wie schon H. Jordan
meinte, die Schrift de re rustica das echte Original Katos sei, mit nur
einzelnen späteren Interpolationen. Es ist dazu die ganze Syntax be-
handelt, doch allerdings nicht gründlich und umfassend genug.
(x. Landgraf, Untersuchungen zu Cäsar und seinen Fortsetzern.
Erlangen 1888.
Aus innerlichen Gründen der Grammatik, besonders der Syntax
und Stilistik, wird der Beweis versucht, dafs das bellum Africanum ein
Werk des C. Asinius Pollio sei, der auch den cäsarianisch-hirtianischen
Nachlafs redigiert liabe.
Hierzu ist zu vergleichen:
J. H. Schmalz, Über den Sprachgebrauch des Asinius Pollio.
Festschi^t zur 36. Philologenversammlnng, S. 70 — 101, Karlsruhe,
Braun, 1882. 2. verbesserte Auflage. München, Beck, 1890, 60 S. 8.
Diese verbesserte und nicht unwesentlich ergänzte Auflage fügt
dem Titel, mit Rücksicht auf Landgrafs eben erwähnte Schrift, hinzu:
„in den bei Cicero ad familiäres erhaltenen Briefen". Sie liefert einen
wichtigen Beitrag zum Briefstil der ciceronianischen Zeit, ja der römischen
Litteratur überhaupt, und giebt nach verschiedenen Seiten die leb-
haftesten Anregungen.
Demselben Gebiete gehören an:
K. Schirmer, Über die Sprache des M. Brutus in den bei Clcera
überlieferten Briefen. Prgr., Metz, 1884.
Eine fleifsige, über das ganze Gebiet der Sprache sich erstreckende,
freilich, bei der geringen Zahl der Briefe, mit beschränkten Mitteln
arbeitende und daher in ihren Resultaten nicht immer ganz sichere
Untersuchung.
H. Hellmuth, Über die Sprache der Epistolographen S. Sulpicius
Galba und L. Cornelius Baibus. Würzburg 1888.
F. Burg, De M. Caelii Rufi genere dicendi. Leipzig 1888,
und über denselben:
F. Becher, Über den Sprachgebrauch des Caelius. Nordhausen
1888.
Bei dem eigentümlichen Charakter des Caelius und seiner beson-
deren Richtung in Sprache und Beredsamkeit sind hier die Ergebnisse
etwas reicher und gesicherter, als bei anderen Epistolographen.
Xoch interessanter ist:
Albr. Köhler, Über die Sprache der Briefe des P. Cornelius
Lentulns Spinther. Prgr., Nürnberg, 1890. 43 S. 8.
222 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Gemeint ist der juuge Spinther, von dem nur 2 Briefe (Cic. ep.
iid familiäres XII, 14 u. 15) erhalten sind. Die Einleitung handelt vom
Charakter und Bildungsgänge des Mannes. Die Arbeit selbst, scharf
begrenzt, sehr sorgsam und fein durchgeführt, sucht die Eigentümlich-
keiten des Autors erst in der Formenlehre, dann in der S3nitax, am
wichtigsten bei den Tempora und Modi, endlich im Wortgebrauch und
in den Eedensarten herauszufinden und festzustellen. Die Briefe sind
vollständig zergliedert und die Vergleichung mit der gleichzeitigen
Litteratur umfangreich durchgeführt. Die Sprache ergiebt sich als gut,
wesentlich ciceronianisch.
Die ganze, von Schmalz und Landgraf angeregte Reihe der
eben erwähnten Untersuchungen hat nützliche kleine Bausteine zur histo-
rischeu Syntax geliefert, die, von geschickter Hand aufgegriifen, gut
verwendbar sind: nur dürfen sie nicht für Edelsteine gehalten und auf
ihnen grölsere Konstruktionen aufgebaut werden; dazu ist das Material
zu schwach und spärlich.
Es folgen die Elegiker:
Adolf Reeck, Beiträge zur Syntax des CatuU. Bromberg 1889.
An Dräger angelehnt, in Ergänzung von Overholthaus, werden
besprochen: die koordinierenden Partikeln, das Asyndeton, die Neben-
sätze, die Partizipien, die Gerundialkoustruktiouen und das Supinum.
A. Wagner, De syntaxi Propertiana. Passau 1888.
Eine, gleichfalls an Dräger angeschlossene, gedrängte Übersicht
der ganzen Syntax des Dichters, ohne tiefere grammatische A'erwertung.
Einen begrenzten Bezirk aus demselben Gebiet behandelt:
Ad. Spandau, De sermone Propertiano, specimen primum. Disser-
tat. Leipzig 1889, 58 S. 8.
Die Schrift bespricht nur die Konjunktionen, Präpositionen und
Adverbien, und zwar wesentlich vom poetischen Standpunkte aus, so dal-
die auffälligeren Abweichungen von dem gewöhnlichen gleichzeitigen
Sprachgebrauch vor allem metrischen und euphonischen Gründen zuge-
schrieben werden.
Der silbernen Ijatinität gehören ferner an:
0. Riemann, Etudes sur la langue et la grammaire de Tite-Live.
2. Ausg., erweitert und verbessert. Paris 1884—85, 32<J S. 8.
Diese sehr umfangreiche Arbeit, auf gründlichen Studien und
feiner Beobachtung beruhend, giebt doch nur eine Probe von des Ver-
fassers reichhaltigen Sammlungen und Forschungen. Nach einer allge-
meineren Einleitung erörtert das Hauptstück (S. 35—251) den Gebrauch
der Redeteile, meist an Dräger angelehnt, der umfangreich ergänzt
wird, und unter steter Vergleichung mit dem älteren und si»äteren Gc-
Syntax. Einzelne Autoren. (Deeckc.) 223
brauch; Gräcismen werden weit weniger anerkannt als von Kühnast.
Der Anhang zählt die syntaktischen Abweichungen (in ausgewählten
Partieen) von Cicero und Cäsar auf, geschickt und umsichtig: das Er-
gebnis ist, dafs Livius den beiden eben erwähnten Autoren noch sehr
nahe steht und eigentlich selbst erst den Übergang zur silbernen La-
tinität bildet. Ein besonderes Interesse, aber auch grofsc Schwierigkeit
für die Forschung, bietet die erst allmählich konsolidierte Entdeckung
dar, dafs Livius bei der grolsen Ausdehnung seines Werkes, an dem er
viele Jahre schrieb, seinen Sprachgebrauch vielfach innerhalb des
Werkes selbst geändert hat, bald sprungweise, bald stetig, z. T.
wohl unbewulst, wobei freilich wieder Beobachtung und Schlufsfolgerung
durch den fragmentarischen Zustand des ganzen Werkes und die gi-ofsen
Lücken erschwert werden.
Ph. Eber ha r dt, De Vitruvii genere diceudi. I. Pforzheim 1887;
II. Durlach 1888.
Das etwas ältere Programm von Praun, das hauptsächlich die
Snbstautivsätze des Vitruv untersucht, wird dort besprochen werden.
Eberhard spürt besonders den Vulgarismen Vitruvs in der Ver-
wendung der Participien, Präpositionen, Tempora und Modi nach, unter
steter Vergleichung des Sprachgebrauchs der vorhergehenden und nach-
folgenden Autoren.
0. Lauge, Zum Sprachgebrauch des Velleius Paterculus. Progr.,
Stettin, 1886. 26 S. 4.
Während das von demselben Verfasser erschienene Programm von
Putbus 1 878 die syutaxis casuum behandelte, finden wir hier, materiell
wesentlich nach Dräger geordnet, die Beispiele zur syntaxis convcnien-
tiae, den Präpositionen, Tempora und Modi (auch in Nebensätzen), dem
verbum infinitura, endlich den koordinierenden Partikeln. Die Vergleichung
mit den Vorgängern, Zeitgenossen und Nachfolgern fehlt.
Gleichzeitig erschien :
Haus Felix, Quaestiones graramaticae in Velleium Paterculum.
Dissertat., Halle, 1886, 60 S. 8.
Hier ist wenigstens die Vergleichung mit Livius und den augn-
steischen Dichtern durchgeführt, leider aber nicht auch diejenige mit
den Vorgängern, besonders dem Sallust. Behandelt sind: 1. genus ora-
tionis im allgemeinen; 2. Neubildiuigen , manches L-rige enthaltend;
-3. neue AVortbedeutungen ; 4. Syntax; 5. Gräcismen; 6. Einflufs der
Vulgärsprache.
Eduard Kr ah, Beiträge zur Syntax des Curtius. I. Progr. von
Insterburg 1886. 25 S. 4: IL ebdt. 1887.
224 Lateinische Grammatik. (Deeclte.)
Eine blolse Zusammenstellung: der von Anderen gemachten Beob-
achtungen, besonders unter steter Vergleichung von Vogels älterer
Schrift, und zwar nach Zumpts Grammatik; keine Ergebnisse eigener
Stadien.
Aug. Ahlheim, De Seuecae rhetoris nsu dicendi quaestiones
selectae. Dissertat. Darmstadt 188(J, 54 S. 8.
Ergänzung der Arbeiten Sanders, aber nicht erschöpfend. Nach
Drägers Schema werden der firenitiv, Ablativ, die Präpositionen, Par-
ticipien (auch Gerundium und Gerundiv), endlich die Koordination (statt
Subordination) behandelt. Der Standpunkt ist der historische, aber nicht
scharf genug ausgeprägt.
.T. Obermeier, Der Sprachgebrauch des M. Annaeus Lucanus.
I. Progr. München 1886, 96 S. 8.
Es wird in dieser Schrift zuerst der Gebrauch der Redeteile
behandelt: zu bemerken ist die Substantivierung der Adjektiva als Ab-
strakta, ans der philosophischen Sprache herstammend; bei den Prono-
minen und unbestimmten Zahlwörtern treten is und nemo zurück; quis-
<juis und qnicumque sind gleichmäfsig im Gebrauch; iste tritt hervon
IX, 417 entsprechen sich istc und ille; utrique wird von zweien ge-
braucht; tanti findet sich -r^: tot; nur einmal Y, 249 begegnet haud ullus,.
sonst immer non ullus. Bei den Präpositionen tritt der Einflul's
Ovids hervor; neu ist in ^ contra. — Es folgt die Kasuslehre: Aus-
artende Wendungen begegnen beim doppelten Akkusativ; für den Dativ
herrscht Vorliebe: oft steht er statt einer Präposition mit dem Akk.;
ferner final, als Dativ der Richtung (nach Vergil), selten faktitlv (dafür
der Nominativ); der Genitiv ist häufig bei Adjektiven; der abl. separa-
tionis hat selten ab bei sich, fast nie ex; dagegen steht ab, wie bei
Ovid, von der sachlichen Wirkung; der Gebrauch der Präposition bei
Tageszeiten ist vulgären Ursprungs. — Die Ellipse, Kongruenz.
Attraktion, die direkten Fragesätze bieten nichts besonders Auf-
fallendes; Prädikatellipse findet fast nur bei esse statt. — Ans der Lehre
vom Verb um erwähne ich die (archaische) persönliche Konstruktion
von pudet; an Vulgarismen: das Futurum statt des Präsens; den
aoristischen Gebrauch des infin. perf. ; praestare „voranstehen"; vergere
..transitiv" — Den Schlufs bildet eine allgemeine Charakteristik :
Lukan ei weist sich als ein Nachahmer der augusteischen Dichter, dei-
sich aber den durch Sallnst und Livius angebahnten sprachlichen Nene-
rongen nicht verschliefst; sein Stil ist von eigentümlichem Tvolorit. —
Eine Fortsetznng' der Untersuchung ist wünschenswert; sie könnte auch.
manche genaueren Feststellungen und fJerichtigungen des bislier Ver-
öffentlichten bringen.
Syntax. Einzelne Autoren. (Dcecke.) 225
H. Gebbiiig-. De C, Valerii Flacci dicer.di geneie quaestiones.
Coblenz 1888.
Behandelt die Kasuslebre und den Wechsel von Adjektiv und
Adverb, in fleifsiger, nicht ung-eschickt geordneter Beispielsammlung.
Czyczkiewicz, De Taciti serraonis proprietatibus, praecipue
quae ad poetarum dicendi genus pertineant. Brody, I. 1890; II.
1891. 44 S. 8. Dazu Qnibus poeticis vocabulis Tacitus sermonem
suum ornaverit. ebdt. 1891, 16 S.
Teil I erörtert die Tropen und Figuren; die Lehre vom (xenitiv
und Akkusativ; Teil 11 die Tempus- und Moduslehre, die Participia,
die Satzbildung und Satzverbindung; die 3. Schrift giebt ein alphabe-
tisches Verzeichnis der poetischen Wörter aus den 6 letzten Bücheru
der Annalen, also nur eine Probe. — Der Verfasser hat del Material in
der von ihm gewählten Richtung gesammelt und mit feinem Verständnis
und scharfer Beobachtungsgabe verarbeitet. Zweierlei erregt Bedenken:
erstens ist die Grenze zwischen Poesie und Rhetorik, zumal in
jener rhetorisch durchtränkten Zeit, der es an echter Poesie so gut wie
ganz~ fehlte, schwer einzuhalten, und man wird daher über den poetischen
oder rhetorischen Wert eines Wortes oder einer Wendung oft ver-
schiedener Meinung sein können; zweitens ist ein beträchtlicher Teil
der poetischen Ausdrücke bei Tacitus nicht den Dichtern direkt ent-
nommen, sondern erst durch Vermittlung des Sallust, des Livius und
vielleicht anderer Geschichtschreiber (auch des Curtius?) dem Autor zu-
gekommen. Dennoch bleibt vieles übrig, was offenbare Reminiscenz des
Schriftstellers selbst ist, besonders aus Vergil und Horaz.
Aus späterer Zeit führe ich nur weniges, was in besonderer
Beziehung zum Klassischen steht, an:
Urba, Meletemata Porphyrionea. Wien 1885.
Hierher gehören cap. III observationes ad syntaxin PorphjTioneam
pertinentes, und cap. IV de quibusdam stili Porphyrionei proprietatibus
K. Lessing, Stadien zu den scriptores historiae Augustae.
Berlin 1889.
Enthält besonders eine Kasussyntax, doch werden auch andere
Gebiete gestreift; vgl. das ältere Buch von Paucker.
Fr. Lieseuberg, Die Sprache des Ammianus Marcellinus. II.
Syntax und Stil. Progr. Blankenburg 1890, 17 S.
Teil I enthielt den Gebrauch der Redeteile und die Formenlehre .
Das Ergebnis der neuen Arbeit ist die grofse Übereinstimmung
mit der silbernen Latinität, besonders des Tacitus und Plinius, aber
auch des Livius, auf bewufster Nachahmung beruhend: daneben besteht
ausgedehnter Einflufs des Griechischen.
Jahresbericht für Altertumswissenschaft. LXXVII. Bd. (139.^. III. i 15
226 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Fr. Tiujiip, Observationes ad genus dicendi Claudiani eiusque
imitationem Vergilianam spectantes. Breslau 1887.
Der erste Abschnitt enthält einen Überblick über Claudians
Kasus- und Infinitivsyntax, in steter Vergleichung mit den frühe-
ren Dichtern, namentlich dem Vergil.
Abhandlungen, die nur einzelne Teile der Syntax eines Schi'ift-
stellers oder Dichters besprechen, werden dort, weiter unten, angeführt
werden. Im ganzen ist zu dieser Art von Untersuchungen zu bemerken,
dais die blofse mechanische Zusammenstellung der Beispiele nach dem
Schema von Zumpt, das allerdings veraltet ist, oder von Driiger, was
am bequemsten und leichtesten geht, oder von Schmalz, was für die
Zukunft am geratensten ist — Hübner hat seit 1881 keine neue Auf-
lage erscheinen lassen, und Kühner ist nicht selbständig genug; ein
eigenes Schema aber würde die spätere Benutzung erschweren — nur
der erste einfachste Schritt ist, fast noch schülerhaft und höchstens
dajin von einiger Bedeutung, wenn sie den ganzen Autor umfafst, be-
sonders wenn zugleich eine neue Feststellung des Textes damit ver-
bunden ist. Der zweite, schwerere Schritt ist die Vergleichung^
des Sprachgebrauches mit dem der Vorgänger, der Zeitgenossen und
nächsten Nachfolger, eine Arbeit, die umfassendere und gründlichere
Studien und Kenntnisse verlangt und auch nur dann einen gröfseren
Wert erreicht, wenn sie, was selten der Fall, vollständig durchgefühi-t
wird. Sind so die Eigentümlichkeiten des Autors gründlich fest-
gestellt, so beginnt drittens die schwierigste Forschung, diejenige
nach den Ursachen derselben, die teils wieder objektiv sind und ia
den ihn umgebenden Verhältnissen beruhen, teils, subjektiv, aus seiner
Persönlichkeit hervorgehen. Erschwert wird diese Untersuchung beson-
ders durch den fragmentarischen Charakter der uns erhaltenen Litte-
ratnr, besonders in gewissen Gebieten und Zeitabschnitten, so dafs die
so oft leichtsinnig aufgestellte Behauptung, der Schriftsteller habe dies
und jenes erfunden, neu in die Litteratur eingefülirt, zuerst gewagt,
durchweg dahin ermäfsigt werden mufs, dafs es uns bei ihm zuerst
erhalten ist. Die objektiven Quellen ferner gliedern sich für uns
immer mehr: von der eigentlichen Vulgärsprache z. B. ist einerseits
wieder die technische Sprache zu unterscheiden, andererseits die Kon-
versation, der Briefstil; die Vulgärsprache selbst aber ist teils
wieder hauptstädtisch, teils provinziell u. s. w. — Die Würdigung
der Eigenheiten des Autors, in linguistischer und ästhetischer
Hinsicht, bildet den Schlufs dieses ganzen üntersuchungskreises.
In anderer Hinsicht gemischte Schriften sind die folgenden:
Fr. Hanssen, Philosophemata zur lateinischen Syntax. In den
Comnieutationes in honorem Studen)undi. S. 109 tf.
Syntax. Gemischte Schriften. (Deecke.) 227
H. Ziemer, Unlogische Redeweisen. Berl. Philol. Woch. IX,
491 f.,
soweit dabei das Lateinische in Betracht kommt.
J. A. Heikel, Kapitel iir latinska sinitaxen. Ilelsingfors 1887.
s. Ziemer, Weh. f. kl. Philo!. V, 1287; F. Gustavson, Neue
Philol. Rnndsch. 1888, S. 14 f.
P. Stamm, Znr lateinischen Grammatik und Stilistik. .Tahrb. f.
klass. Philol. 1888, S. 767-77.
Buntscheckige Bemerkungen: 1. Zur synt. convenientiae: bei
sachlichen Subjekten von verschiedenem, bisweilen auch gleichem Genus
kann bei Cäsar und Cicero (ausgenommen de divin. I, 128, eine Stelle,
die eraendiert wird) das Prädikat nur dann im Neutrum PI. stehen
wenn ein allgemeiner Begriff eingeschoben gedacht werden kann; be
Livius, auch Sallust aa., wird diese Bedingung nicht eingehalten
Z. B. heilst es nach Cicero: divitiae et honores incerta et caduca sunt,
labor et dolor finitima sunt, aber poetica et versus inventus est; effectum
esse caelum et terram u. s. w.; dagegen nach Livius auch Oreum et
Corintlms tuenda sunt (man kann ja aber oppida einschieben! Die ganze
Kegel ist zu subjektiv!). — 2. ipse non „auch nicht, nicht einmal";
so auch mit dem Relativ, das zwischen ne — quidem nicht stehen kann ;
ipse auch „wiederum, weiterhin", spezialisierend: ferner schon bei Cicero
abgeschwächt — is, ille (euphonisch?). Diese Bemerkung, wie die meisten
folgenden, sind gegen den Antibarbarus in der neuen Ausgabe von
Schmalz gerichtet. — 3. eti'am bisweilen betont, besonders nach dem
Relativ, = auch. — 4. ror wird übertragen gebraucht in Verbindung
mit anderen Körperteilen. — .5. alter — alter kann immer stehen;
unus — alter nur, wenn duo vorhergeht; seltener beim genit. partitivus;
das erstere steht gern mit einem Substantiv in demselben Satze. —
6. verifas steht (nicht verum) als Objekt bei cognoscere, investigare,
exquirere u. s. w., allerdings nicht bei dicere, audire, fateri u. s. w. ;
es bedeutet auch „die Wahrheit in einer bestimmten Sache". — 7. tum
prhnimi ist auch = tum demuni, tum denique. — 8. Das Adverb pri-
mum kann auch, aufs Subjekt oder Objekt bezogen, statt des Adjektivs
stehen. — 9. per steht neben ab auch von der Urheberschaft z. B. um
doppeltes ab zu vermeiden. — 10. nht steht nicht immer nach Städte-
nnd Inselnamen für in quo, in <iuibus u. s. w. (Dies gegen Kühner).
— 11. in hoc libro kann immer stehen, der blofse Ablativ ist nur in-
strumental. — 12. Die Negation tritt auch in ausgesprochenen Gegen-
sätzen nicht selten zum Prädikat, das dann bisweilen wiederholt wird.
— nulla res est, nihil est steht nicht immer mit Relativ oder Inter-
rogativ mit unmittelbar folgendem non. Nicht immer steht uon vor nf,
228 Lateinische Grammatik. (Dceckc.)
weun sed folgt (teils gegen Kühner, teils gegen den Antibarbai'us). —
13. Das pron. possessivum steht sehr oft vor dem Substantiv, ohne
betont zu sein; andrerseits sehr oft nach, wo es betont ist. — 14. Die
Umschreibung -urmn fuisse muls statt des imperf. conj. im abhängigen
Irrealis stehen, um auszudrücken, dafs das Gegenteil von dem Inhalte
faktisch stattfindet. — Gegen diese letzte Behauptung erklärt sich Aug.
Proksch, ebdt. 866 — 7: es könne auch -urum esse stehen; ja, die an-
geführten Stellen mit fuisse seien anders zu deuten. — Ebdt. 1889,
S. 600 zieht Stamm das „mufs" zurück, hält aber sonst seine Auf-
fassung fest (schwerlich mit Recht!). — 15. praeter enim quam quod
(Cic. leg. III, 45) ist richtig; vgl. ante vero quam, postea vero quam;
prius igitur quam: quam ist hier komparativisch. ,
J. Speyer, Observationes grammaticae. Lanx satura 1889,
p. 28—30.
Behandelt sind: est: pecua; cupere alicui und der norain. praedi-
cativus.
J. Schaefler, Die sogenannten syntaktischen (rräcismen bei
den augusteischen Dichtern. Doktordissert. v, München, Amberg, 1884,
95 S. 8.
Behandelt sind: die syut. casuum, Adjektiva und Adverbia, der
Infinitiv, die Relativ- und Fragesätze, so dal's also das Gebiet nicht
vollständig erschöpft ist. Berücksichtigt sind auch Lukrez und Katull,
sehr dankenswert. Der Verfasser sucht die verschiedenen Elemente, die
den sogen. Gräcismen zu Grunde liegen, vorsichtig gegeneinander ab-
zuwägen; die geschichtliche Entwickelung des Lateinischen selbst (vor-
wiegend anzunehmen); den Mirklichen Einflufs des Griechischen (mit
Vorsicht anzusetzen); den Zwang des Metrums; das psychologische Mo-
ment u. s. w.
Vgl. dazu:
A. Beltrami, II grecismo nella sintassi latiua. Dissert., Turin,
1885, 91 S. 8;
s. die Anzeige von J. Schaefler im Philol. Anzeiger XVII, 244 f.
Im ganzen Ist man jetzt von der eine Zeitlang übertriebenen
Neigung, überall im Latein Gräcismen zu sehen, so weit zurückge-
kommen, dafs man nun auf der entgegengesetzten Seite zu weit zu gehen
pflegt, indem man offenbar den Griechen nachgebildete Formen und Kon-
struktionen, wider den Geist der lateinischen Sprache, organisch aus
dieser zu entwickeln sucht. Dies ist ebenso irrig wie jenes.
Die beiden Hauptteile der Syntax sind endlich verschmolzen,
freilich auf eigentümliche Weise, in:
Syntax. Gemischtes. Gebrauch der Kasus. (Deecke.) 229
L. F. Ardy, De coiistructionibiis causaruni iu latino sermone
politioris aevi über cum tabula synoptica. Genua, Donath, 1887,
71 S. 8.
Es sind hier nämlich Kasus- und Satzsyntax gemengt, sofern
der Grund sowohl durcli einen Satzteil, als auch durch einen eigenen
Satz ausgedrückt werden kann. Dieser Unterschied aber bildet selt-
samerweise hier nicht das Einteilungsprinzip, sondern die Art des
Grundes. Und zwar handelt, nach kurzer Einleitung, pars I de causa
positiva, p. 9 — 58, nämlich Sectio I de causa interna, sectio II de causa
externa, mit 10 Unterrubriken: de causa directa generatim und speciatim,
agente, iustrumentali, limitante, fortuita ('?), tinali, exemplari, hypothetica,
endlich de eflfectu; pars II de causa negativa, p. 58 — 59 (sehr kurz).
Jede angeführte Art des Grundes — die Zergliederung geht noch viel
weiter ins Einzelne, als ich hier angegeben habe — wird durch ein
Beispiel aus Cäsar, Cicero, Livius, Sallust, Vergil oder Ovid belegt,
meist aus Dräger. Der synoptischen Tafel folgt noch ein Index.
Indem ich die Abhandlungen über die subjektlosen Sätze bis
zur Satzlelu'G aufspare, gehe ich zunächst zur Kasussyntax über.
Zuvörderst nenne ich einige allgemeine Schriften:
G. Vogrinz, Gedanken zu einer Geschichte des Kasussystems.
Leitmeritz, 1884.
Die Schrift schliefst sich an die im Jahresber. f. 1883—4, S. 189—
191 besprochenen 3 früheren Abhandlungen desselben Verfassers aus
den Jahren 1882 — 3 an und führt weiter aus, dais die ursprüngliche
Zahl von 8 indogermanischen Kasus in den versclüedenen einzelneu
Sprachen verschieden verkürzt worden ist. Die wesentlichste Ursache
davon war das Ersparnngsprinzip. So reichten im Lateinischen
5 Kasus aus: es liefs schon vorhistorisch den Instrumentalis fallen,
später den Lokativ und fast ganz den Vokativ, Auch die 5 erhaltenen
Kasus fielen später lautlich noch vielfach zusammen, besonders der Dativ
und Ablativ, der Nominativ und Akkusativ.
C. Hermann, Die Kasus und die Präpositionen. Jahrb. f. kl. Philol.
142, S. 209 ff.
Brinker, Die lateinische Kasussyntax. Ebdt. 144, S. 586 ff.
Zu vergleichen ist auch der Abschnitt über die Kasuslehre in den
„Erläuterungen" zu meiner Schulgrammatik, S. 329 — 366.
Sämtliche Kasus sind ferner, in betreff ihres Gebrauchs bei
einzelnen Schriftstellern, in folgenden Schriften behandelt:
Köhler, Der Sprachgebrauch des Cornelius Nepos in der Kasus-
syntax. Gotha, Perthes, 1888, VI u. 4G S. 8.
230 Lateinische Grammatik. (Duecke.)
Eiue reiu praktische, für den Lehrer bestimmte Statistik ^ wie
dityeuige Heyuachers für Cäsar, uud zwar in der Reiiieniblge der
Regeln bei Ellendt-Seyffert, indem augegeben wird, wie oft und an
welcher Stelle jede Regel bei Cornelius Nepos Anwendung gefunden
liat. Neben der ei"schüpfendeu Arbeit von Lupus war diese kaum nötig.
Fr. Plochmanu, Cäsars Sprachgebrauch in Bezug auf die Syntax
der Kasus. Prgr,, Schweinfurt, 1891, 45 S.
Gleichfalls aus der Schule und für die Schule entstanden, ohne
tiefere Ergründung oder neue Ergebnisse.
Ad. Hoerle, De casuüm usu Proper tiano. Dissert., Halle, 1887,
81 S. 8.
Ein sorgfältig gearbeiteter Beitrag zur historischeu Syntax, wichtig
durch die stete Vergleichung mit dem etwas älteren Tibull, interessant
wegeu der kühnen Eigenart des Dichters. Während Tibull streng
national ist, zeigt sich Properz stark gräcisiereud, wie er denn z. B. deu
g-enit. exclamationis hat; auch das Possessiv statt des genit. object., wie
amor tuus, hat Tibull noch nicht; eine strenge Feinheit ist, dafs Properz
nie zwei Genitive zu einem Nomen setzt; der abl. gerundii statt des
part. praes. act. fehlt noch. — Das Metrische ist vielleicht nicht immer
genügend berücksichtigt worden. — Vgl. übrigens oben die umfassendere
Arbeit von A. Wagner.
Aug. Preising, De L. Annaei Senecae poetae tragici casuum
usu, ratione potissimum habita Vergilii, Ovidii, Lucaui. Dissertat.,
Münster, 1891, 51 S. 8.
Gleichfalls ein fleifsiger Beitrag zur historischeu Grammatik, und
zwar nach Drägers Schema. Einige Einzelheiten sind : exigere aliquid
„etwas fordern" (spanisch); bei den mit Präpositionen zusammengesetzten
"Verben wird die Präposition selten wiederholt; die Kleidung wird mit
in bezeichnet, wie bei Ovid; trepidarc ist transitiv; vereinzelt: Thy. 306
die ^ in dies; Herc. Oet. 888 damnare morte; 898 arguere scelere.
Mehrere Kasus sind Gegenstand der Untersuchung in:
Joh. Meifsner, Quaestiones ad usum casuum obliquorum Lucre-
tianum pertinentes. Dissertat., Halle, 1891, 80 S. 8.
Eingehend sind der Ablativ und Akkusativ, auch nach Präpositionen,
behandelt, weniger genau, aus Platzmangel, der Genitiv und Dativ.
Stete Vergleichung mit Ennius und Vergil ist durchgeführt. Die Ar-
beiten von Stadler und Holtze erfahren beträchtliche Bereicherung und
Ergänzung. Auch bei dieser Arbeit scheinen die metrischen Bedin-
gungen, eine allerdings schwierige Aufgabe, nicht immer genügend be-
rücksichtigt zu sein.
Syntax. Gebrauch der Kasus. (Deecke.) 231
Joan. Benesch, De casuuni obliquorum apud M. lunianuni
lustiimm usu. Disseit., Wien, Tempsky, 1889, 79 S. 8.
Der im ganzen kritisch gesicherte Text Rühls leidet, wie Benesch
nachweist, doch zu sehr an künstlich gemachter Gleichförmigkeit; eine
weitere Schwierigkeit bietet der Umstand, dals die Sprache der epitoma
nur zur kleineren Hälfte Eigentum des Justin selbst ist, vielmehr zur
gröfseren Hälfte erst dem epitomator angehört. Endlich ist Justins
Zeitalter bisher nur ungefähr auf 215 n. Gh., in die Zeit des Caracalla,
festgesetzt, so dafs eine sichere historische Vergleichung mit den Autoren
jener Zeit nicht möglich ist. Die Arbeit ist sonst Heilsig und streng
kritisch, ohne den Blick für den freieren und vielseitigeren Gebrauch
des Autors zu verlieren. Den Spuren des sermo vulgaris wird eifrig
nachgeforscht. Die Historiker der klassischen, wie der späteren Zeit
sind umfänglich zur Gegenüberstellung herangezogen; über 40 Stellen
sind kiitisch behandelt. — Eine Anzahl Ergänzungen giebt Schmalz
in seiner Anzeige in der Berl. Piniol. Woch. 1890, N. 48.
J. Sitzler, Über den Kasusgebrauch bei Varro. I. Genitiv
und Dativ. Prgr., Tauberbischofsheim, 1889, 12 S. 4.
Berücksichtigt sind wesentlich nur die Schriften de re rustica, de
lingua Latina und die Fragmente der saturae Menippeae. Die archaische
und vulgäre Litteratur ist zur Vergleichung herangezogen, nicht die
klassische.
Anderer Art ist:
J. Golling, Zur Lehre vom Ablativ und Genitiv der Eigenschaft.
Gymnas. VI (1888) 1 flf..; 41 ff.
Ich gehe nun zu den einzelnen Kasus und zwar zunächst zum
Genitiv über:
Ed. Wölfflin, Genetiv mit Ellipse des regierenden Substantivs.
Archiv f. lat. Lex. II, S, 365—371; 616.
Zu vergleichen ist Dräger I^, § 208; hier wird nur seine erste
Gruppe, bei templum u. s. w., ausführlicher behandelt. Die Kon-
struktion ad Dianae u. s. w., wobei aedem (nicht templum) zu ergänzen
ist, hat Plautus noch nicht, wohl aber Terenz Ad. 582; dann Porapon.
fr. 133 E. (ad Venevis), beide auf die Frage „wohin?", wie später Horaz
ad Vestam ; Cicero, Sallust, Li\aus brauchen sie aber auch auf die Frage
„wo?" z. B. ad Opis, ad Juturnae, ad Castoris, ad ApoUinis, ad Monetae,
ad Martis; inschriftlich ad Murciai. Liv. III, 48, 5 auch prope Cloacinae
u. s. w. — Ferner finden sich von Cicero an: in, ante, ah, sogar ad
Ätt. XVI, 14, 1 in Telluris ad . . .; feraer ante Castoris, a Vestae, bei
Livius a Martis ; auch inschriftlich kommt manches derart vor, umfang-
reich aber erst bei Tertullian. Im Nominativ hat Vitruv die Wendung
232 Lateinische Grammatik. (Ueecke).
4 mal, vielleicht Liviiis II, 7, 12 Vicae Potae. — Jedenfalls entstammt
der dem Griechischeu nachgeahmte Gebrauch dem Scipionenkreise und
gehörte der Jvonversationssprache an. — Zu Drag er s zweiter Gruppe
(Verwandtschaftsnameu, auditor, servus) wird hinzugefügt Gallia Lepidi
(provincia) Cic. ep. X, 33, 4, w'ohl personifiziert als uxor, nupta. —
Ed. Wölfflin, Der geuetivus comparatiouis und die präpositionalen
Umschreibungen. Arch. f. lat. Lex. "VII, 114 — 131.
Auch dieser Genitiv war durchs Griechische beeinflulst. Ältere
->Stellen sind unsicher oder anders erklärlich z. B. Plaut, ('apt. 822
regum rex regalior; Enuius trag. 78 V. mater optumarum multo mulier
melior mulierum; s. auch Varro d. r. r. 11, 5, 10 meliores totius Graeciae
Vitruv V, 13 (ganz griechisch) superiora inferiorum fieri co)itractiora ;
Plin. n. h. VII, 117 omnium triumphorum laurea maior. — Eine
Formel findet sich allerdings schon am Ende der Republik im Kurial-
stil: minor und maior annorum (mit folgender Zahl); man nimmt hier
Ellipse von quam an, allein eigentlich ist es wohl genet. quaiitatis;
ebenso Tac. Ann. IV, 63 minor quadringentorum miliuni res. Gegen
200 n. Ch. dringt dann der Genitiv siegreich ein, zuerst bei den Juristen
die meist Fremde waren: so hat Gaius häufiger minor und maior annorum,
während die Digesten annis vorziehn; ebenso Ulpian, vereinzelt Andere.
Freier braucht den Genitiv Apuleius, dann das Kirchenlatein. — Von
umschreibenden Präpositionen ist zunächst ab zu nennen: so bei Apul.,
Tertull. secundus ab, wie alius ab; dann in der Itala: maior,
melior, minus ab; zuerst also bei den irregulären Komparativen.
Vgl, hierzu den Nachtrag von 8. Brandt ebdt. 595 f. über ab
bei Arnobius, Cyprian, Laktanz, so dafs der Gebrauch sich als
afrikanisch erweist; ferner in den Institutionen. Es liegt demnach
wohl semitischer Eiuflufs vor. — prae bei Fronto: dulcius prae vobis;
dann bei Apulejus aa. — ante, schon bei Verg. Aen. I, 347 scelere ante
alios immanior omnes. — super bei Tertull., Augustin. — extra, ultra
spät; ebenso inter, infolge von Verraengung mit dem genet. partitivus.
— de statt ab erst romanisch.
E, Audouiu, Le genitif de la peine en latin. Rev. d. philol.
XIV, 111 f.
Vgl. auch:
Fr. Scholl, Alte Probleme. Arch. f. lat. Lex. U, 203—18.
m. 02)tis est und usus est. Letzteres, selbst Nominativ, wie usus
venit, usor es (Donat zu Ter. Andr. 202), hat den Ablativ von uti
bei sich; danach opus est, das auch Nominativ (nicht archaischer Genitiv
— opis) ist; Stellen, mit dem Akk. sind falsch. Der Genitiv ist selten,
aber sicher: er ist nicht Gräcismus, sondern nach Analogie der ver-
ba inopiae eingetreten. — IV. rt'fert und interest. Re- ist Ablativ = ex
Syntax. Gebrauch der Kasus. (Deecke.) 233
re (tuji), ;,vom Staudpuukte (deiner) Sache aus, im Interesse von dir";
danach analogisch auch interest tuä u. s. w.; der Genitiv der Person
ist ursprünglich von quantura, multum u. s. w. ubhäDgig(?).
A. Pasdera, De interest, verbi impersonalis, structura et
origine. Sutri, 1885, 35 p. 8.
Vgl. auch meine „Erläuterungen" zur lat. 8chulgrammatik, S. 331.
Es folgt der Dativ:
H. Iber, De dativi usu TibuUiano. Dissert. , Marburg, 1888,
48 S. 8.
Der erste Teil dieser Abhandlung ist gegen die Annahme des
sogen, lokalen Dativs gerichtet (S. 1 — 8), der zweite Teil (S. 9 — 43)
handelt I. de verbo substantivo d. h. vom Dativ bei esse und seinen
Kompositen; vom doppelten Dativ bei esse; vom Dativ bei fieri, nasci
H. s. w. — II u. III de verbis intransitivis simplicibus und compositis.
— IV. de verbis transitivis. — V. Der Dativ bei Nominibus, Adverbien,
Interjektionen. — Der Schlufs (S. 43 — 8) enthält einige zusammen*
fassende Bemerkungen. — Als echte Teile der TibuUischen Sammlung
werden anerkannt lib. I, II und IV, 13; aber es zeigt sich allerdings
im Gebrauche des Dativs kein wesentlicher Unterschied vom Pseudo-
tibull; so auch nicht von dem regelmäfsig zur Vergleichung herange-
zogeneu Vergil: vgl. Dittel der Dativ bei Vergil.
E. Schenk, De dativi possessiv! usu Ciceroniauo pars I. Prgr. v.
Bergedorf, 1892; Jena, Frommann, 25 S. 4.
Die Einleitung stellt den Unterschied des possessiven Genitivs und
Dativs fest, im wesentlichen nach Haase: der Dativ drückt absoluten
(schlechthinuigen) Besitz aus, der Genitiv determinierten (qualifi-
cierten) Besitz. Von den projektierten 3 Teilen ist im vorliegenden
Programme nur der erste behandelt: A. dativus possessivus genuinus
d. h. mit esse, imd zwar 1. possessio est absoluta (s. oben!), mit mehreren
Unterabteilungen; 2. possessio est determinata, sehr selten (statt des
Genitivs, s. oben!). Die Arbeit ist zu sehr Fragment, um irgend welche
weiter gehenden Schlüsse zu gestatten.
G. Landgraf, Der dativus commodi und der dat. finalis mit ihren
Abarten. Arch. f. lat. Lex. Vm, S. 39—76.
Der Dativ, ein grammatischer, nicht „lokaler" Kasus, bezeichnet
nach dem Verfasser die Beziehung einer Handlung zunächst auf eine
Person, dann auf eine Sache (viel zu unbestimmte Definition!). Hier-
U9,ch zerfällt er in zwei Arten: I. Der Dativ des persönlichen oder
persönlich gedachten Objekts, und zwar A. mit Verben und Adjek-
tiven (dat. possessivus, Dativ mit intransitiven und Dativ mit kompo-
234 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
liierten Verben; B. in loserer Verbindung, znra Verb und zur ganzen
Aussage gehörig (dativus energeticns u. s. w. ; s. unten!). — II. Der
Dativ des sachlichen Objekts (prädikativer, finaler und final-lokativer
Dativ). — Diese Einteilung entbehrt eines einheitlichen inneren Principa
und beruht auf einer schwankenden Aufseiiichkeit ; auch ist der Dativ
bei Sachen sicher ebenso ursprünglich, wie der bei Personen! — Hier
nun werden behandelt: I B. (mit Ausnahme des dat. auctoris) und II
(ohne den prädikativen Dativ), nämlich: 1. Dativ energeticus, statt
des Genitivs, beruht anf verschobener Bedeutung des Verbs z. B. militibus
(statt militum) animos acceaidere; er ist seltener, als der Genitiv, und
dient besonders zur Vermeidung zweier Genitive; bevorzugt wird er
von den Dichtern der ciceronianischen und augusteischen Zeit beim Relativ
und Demonstrativ; ebenso im pron. personale statt des possessivum (seit
Lukrez); auch stehn beide nebeneinander, wie tuus tibi schon bei
Plautus, besonders häufig aber suus sibi, auch bei Cicero, Vitruv u. s. w.
Bekannt ist die Scheidungsformel: tibi habeas res tuas! — Hierher
auch die Phrase: Quid sibi vult? — 2. Der dat. commodi et incommodi,
der eigentlich nur die Beteiligung ausdrückt; ob zum Vorteil oder
zum Nachteil, ergiebt erst der Zusammenhang. Dieser Dativ findet
sich zu allen Zeiten, in allen Stilgattungen. Besondere Gruppen sind:
zu Ehren (auch der Götter), zu Liebe, Gefallen,. Nutzen, Gunsten, Ver-
gnügen; ferner mihi, tibi, sibi; seltener ist die ungünstige Bedeutung.
— 3. Der dat. ethicus, der nur ein geistiges, gemütliches Interesse
ausdrückt. So steht er bei at, hie, en (em, nicht bei Cicero^, ecce, vor
allem häufig der Dativ tibi; ohne Partikel in Fragen. Nur die Dichter
gehn über die 1. und 2. Person hinaus und setzen ihn sogar bei Parti-
zipien, was den Übergang zum Folgenden bildet. — 4. Der dat. judi-
cantis: er drückt nur das verstaudesmäfsige Interesse an der Aussage
aus. Schon Ennius hat mihi =^ ex meo judicio u. s. w.; besonders häufig
steht er beim Partizip = „man", teils örtlich, teils geistig, den Stand-
punkt bezeichnend: a. örtlich, Part. Präs. Akt., auch Deponentis, seit
Veigil auch Part. Perf. Dep. z. B. egressis. sowohl im Singular, als
Plural; häufiger seit Livius, besonders bei den Historio- und Geographen;
seltener bei den augusteischen Dichtern, nicht bei den späteren. Land-
graf hält diesen Dativ nicht geradezu für einen Gräcismus, doch ist
er dies wohl sicher; vgl. noch est mihi aliquid z. B. venieuti. — b.
geistig, seit Livius, z. B. vere aestimanti, besonders im Singular, viel-
leicht unter Einwirkung des Dativs in cogitanti mihi u. s. w. entstanden;
bei Vergil freier, z. B. quaerenti. Dieser Dativ blieb immer selten. —
5. Der dat. finalis. Der Dativ bezeichnet nicht ursprünglich den Zweck,
aber es wird oft das von der Satzsul)stanz ausgehende Interesse von
einer Person auf eine Sache übertragen, z.B. statt tibi cano: receptui
Syntax. Gebrauch der Kasus. (Deecke.) 235
cano (dies ist keiue Sache, sondern eine Handlung, so dals das Beispiel
unglücklich gewählt ist; auch kauu der Dativ der Person aufserdem er-
halten Vileibeu!): so setzt sich die Bedeutung zur zielbewufsten Thätig-
keit um. Es werden Belege eines einfachen Dativs derart zu Verben
der Bewegung oder Bestimmung gegeben, und dieser Dativ als der
Bauern- und Soldatensprache entsprungen (.>) hingestellt. Beim Durch-
gehen der Schriftsteller zeigt sich, dafs Cicero ihn nicht viel hat; er-
weitert wird sein Gebrauch durch einzelne augusteische Dichter (nicht
Horaz), ferner durch Livius (paratus mit Dativ hat er im Anschlufs
an die Dichter), Tacitus aa. Mit dem Gerundiv hat meist Florus den
Dativ; eine eigene Stellung nimmt Justin ein, der einerseits manche
Kühnheiten hat, andererseits Gewöhnliches nicht, wie den Dativ auxilio
— 6. Der finale Dativ bei Substantiven steht keinesw^egs blofs bei
Verbalabstrakten, sondern auch bei anderen "Wörtern z. B. Signum re-
ceptui: auch er ist bäuerlich z. B. bei Kato de re rustica, dann medi-
zinisch. Es werden die Substantiva aufgezählt, bei denen er Vorzugs
weise steht, wie locus, dies, initium, finis, causa, materia, Signum, orna-
mentum, tegimentum, remediura aa. — Die Dichter brauchen statt des
sogen, faktitiven Dativs bei esse auch den Nom. oder Akk. z. B. exitium
(statt exitio) fuit Trojae. — Gern tritt der finale Dativ zu substanti-
vischen Satzappositioueu, z. B. Verg. Aen. I, 429; andererseits treten
Sachuamen im Dativ zu persönlichen Substantiven, wie dux seditioni :
dies ist besonders in der Gesetzessprachc der Fall, ferner im amtlichen
Stil, bei Rechts- und Pflichtverhältnissen, z. B. tutor liberis: legatus
conisuli, schon archaisch, klassisch eingeschränkt (fast nur in festen
Formeln), erweitert wieder durch die angusteischen Dichter (nicht Horaz),
Livius, Tacitus aa. — 7. Der final-lokutive Dativ, durch Übergang
vom inneren zum äufseren Ziele z. B. mittere raorti, wie mittere
praesidio (das Beispiel ist wieder unglücklich gewählt, da morti ein
Vorgang oder Zustand ist, kein äufseres Ziel; auch halte ich diesen
Gebrauch des Dativs gerade für den ältesten!). Es wechselt dieser Dativ
mit ad, beides schon bei Plautus: freier findet er sich wieder bei den
augusteischen Dichtern; doch hat auch schon Ennius locis ^ in loca
vgl. gr. -£0''(p zsie. Cicero hat in der Übersetzung de div. II, 64 und
Tusc. II, 20 luci (nicht Abi. oder Lok.) -= in lucem; vgl. pro Sest. 102-
terris ultimis relegata. Eine alte Formel lautet: ollus quiris leto datus
(auch neci, morti, Orco u, s. w. datus kommen später vor). Am häufig-
sten ist der Dativ caelo, dann terrae aa. Ungewöhnliches haben z. B.
Properz: ire viro, der aut. bell. Hisp.: reprimere oppido. Im ganzen ist
dieser Dativ mehi- poetisch(?).
Vgl. über den Dativ noch Golliug im Gymn. 1886, N. 19 und
die Anmerkung von Schmalz 598 zu Reisig-Haase's Vorlesungen;
23() Lateiaiscke Granmatik, iDeecke.)
endlich die „Erläuterungen" 7,u meiner Schulgrammatik, 8. 340 — 347,
wo der Dativ als der räumliche (lokale) Kasus des Ortes bezeichnet
ist, an dem eine Bewegung zur Ruhe kommt, aus welcher Grund-
bedeutung dann alle seine Anwendungsarten abgeleitet werden, natürlich
in durchweg anderer Reihenfolge, als bei Landgraf.
Auch zum Akkusativ sind meine Erläuterungen einzusehen,
S. 347—354; er ist mir der räumliche Kasus der Richtung einer
Bewegung „wohin"?", und auch bei ihm lassen sich alle Arten des
CTclarauclis unschwer aus dieser Urbedeutung erklären.
Vgl. Imme, die Bedeutung der Kasus. I. Der Akkusativ. Prgi-.,
Essen, 1886, 30 S. 8.
An neueren Schriften sind sonst nur 2 Abhandlungen Wölfflins
zum sogen, adverbialen Akkusativ anzuführen:
Ed. Wolf fl in, Id genus und Verwandtes. Arch. f. lat. Lex. V,
387—98.
1. id genus, hoc gemis, archaisch bei Lucilius und Varro, klassisch
nur ausnahmsweise und unsicher (Cic. ad Att, XIII, 12, 3); vielleicht
Livius I, 8, 3 [et?] hoc genus; sicher bei Horaz Sat. II, <i, 44, aus
dem sermo urbanus; bei Plin. n. h. XXXV, 114 ist die Konstruktion
zweifelhaft. — Varro braucht übrigens jene Verbindung nicht nur ap-
positiv zum Nom. und Akk. eines Substantivs oder substantivierten
Wortes, was ihr Ursprung zu sein scheint, oft bei alia, cetera, omnia (s.
die nächste Abhandlung!), sondern auch schon wirklich adverbial,
zi\m Ablativ, ja zwischen Präposition und Ablativ gestellt. Das regie-
rende Substantiv fehlt oft, z. B. in hoc genus (praediis). Neues Leben
erhielt die Phrase in der afrikanischen Latinität, anfangs ohne Erfolg;
sie ist also archaistisch, nicht vulgär. — 2. qiiod genus, quid genus
(letzteres äuiserst selten), gleichfalls archaisch, bei Kato, Lucilius, Varro,
dann Kornificius, in der Jugendschrift Ciceros de inventione, bei Lukrez;
nur zu einem Nom. oder Akkusativ: es folgt ein Satz, ein Vers, eine
Sentenz dgl. als Beispiel; auch Nebensätze mit si, ut; Lukrez hat auch
quod genus . . ., sie . . . Immerhin ist die Wendung nur mäfsig ver-
breitet. Im Ausruf hat sie Lucilius, im indirekten Fragesatz Kornificius ;
später findet sie sich bei Gellius. — 3. onine genus: Kato beim Akk.:
dann Katull; Lukrez auch mit Abi., ebenso Varro : später selten, fast
iiiir mit Nom. oder Akk.; daneben oranigenus bei Varro, omnimodus
auch später bei Apulejus, sonst selten. — Der Schlufs stellt als Er-
gebnis fest, dalsdie obigen Verbindungen ursprünglich appositiv waren
und daher anfangs nur zum Nora, und Akk. traten, bis sie erst später
in adverbiale Verwendung übergingen.
Syntax. Gebrauch der Kasus. (Deecke). 237
Ed. Wölffliu, Das adverbiale cetera, alia, omnia. Arch. f. lat
Lex. II, 90—99.
Ergänzung von Haud's Tursell. II, 40—42 und Dräger's histor.
Synt. § ]74. Der Akk. ist nicht als accus. Graecus zu bezeichnen, wenn
auch das Griechische später eingewirkt hat. — 1. cetera, alia, reliqua.
In Cäsar und Ciceros Reden nie ceterum; auch cetera bei letzterem
selten : es gehörte dem Konversationston an und wurde poetisch, weil es
gut in den Hexameter pafste. Häufiger steht es bei Adjektiven, als bei
Verben ; mit einem Substantiv zuerst bei Vergil. Als Ersatz dienen ad-,
per- ; in ceteris (rebus) ; ad ceteras (res). — Dagegen ist alia zunächst
dem Sallust eigen und geht von ihm auf die anderen Historiker über.
Cicero hat in den philosophischen Schriften partim . . . alia, aber noch
nicht adverbial. Es bleibt alia überhaupt sehr selten und dient vorzugs-
weise bei der Charakteristik von Personen. — Sehr selten und in dieser
Bedeutung meist unsicher ist reliqua. — 2. omnia, cuncta. Ersteres
hat Vergil zweimal, dann Statins; in der Prosa ist es erst nach Fronte
sicher, wird aber dann im Hof- und Kurialstil bei epith. ornantibus
Sitte. — cuncta ist dichterisch, z. B. bei Silius, bleibt aber selten. —
3. midta, plura, pleraque, plurima. Das erste ist dichterisch als accus
verbalis üblich, z. B. multa gemere = multos gemitus gemere: dafür
auch crebra. — pleraque hat häufiger nur Gellius, doch begegnet es
vereinzelt in nachlässiger Abhängigkeit bei Cicero, Livius aa. — „Die
Untersuchung hat gezeigt", heifst es zum Schlufs, „dafs der Gebrauch
von alia sich teilweise an den von cetera anlehnt, und ebenso deutlich
der von omnia (cuncta) wieder au den von cetera (alia): multa steht
für sich".
Der Akkusativ ist auch hauptsächlich berücksichtigt iu:
Ed. Wölfflin, Zur Konstruktion der Ländernamen. Arch. f. lat.
Lex. VII, 581—3.
Der Grund, dafs die Inseln, besonders die kleineren, ohne Prä-
position stehen, ist darin zu suchen, dafs sie in der Regel einen einzigen
gleichnamigen Hauptort hatten. Wenn aber auch gewisse Ländernamen
fast regelmäfsig ohne Präposition stehen z. B. Aegyptum, -to, sogar
Aegjpti (Val. Max. IV, 1, 15): Epii-um, -ro (.Justin. XIV, 5), so liegt
dies wohl an der abweichenden Bildung derselben. Eine besondere
Bewandtnis hat es wieder, wenn der Akk. von einem mit trans zu-
sammengesetzten Verbum abhängt, wie Liv. X, 37, 1 Etruriam trans-
ducto exercitu; bell. Afric. 77,3 transire Africani; Liv. XXX, 24, 1
Africam transiturus: Sali. Jug. 28, 6 Siciliam transvectae. — Aufserdem
finden sich isoliert einzelne Fälle wie: Liv. Andron. Graeciam; Plaut.
238 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Cariam: zweifelhaft Cäsar bell. civ. ITI, 41 Macedoniam (Glosse?); bell.
Hispan. 35 Lusitauiam.
Der Ablativ ist in seiner Vermengiiug mit dem Lokativ und
dem Dativ von mir behandelt worden im ]\Iülhauser Programm 1890,
S. 31 — 34; desgleichen in den „Erläuterungen" zu meiner 8chulgram-
uiatik, S. 354—366, wo seine ursprüngliche Bedeutung als räumlich er
(lokaler) Kasus der Richtung „woher?" festgestellt ist und alle seine
mannigfaltigen Bedeutungen aus dieser Grundbedeutung abgeleitet werden,
mit xYusnahnie der vom Lokativ oder Dativ auf ihn übertragenen Ver-
wendungen.
An einzelnen Arbeiten sind zu erwähnen:
P. Langen, Die Konstruktion von utor, fruor, fungor, potior im
älteren Latein. Arch. f. lat. Lex. III, 329— 33G.
J . utor hat bei Plautus den Ablativ, ausgenommen im Gerundiv
und bei den ^eutris der Pronomina; ob es jemals irgendwo bei ihm
den Akk. des Nomens bei sich hatte, ist sehr zweifelhaft; auch usus est
hat den Ablativ (s ob. beim Genitiv!). — Dasselbe gilt im ganzen
auch für Kato, doch ist an drei Stellen der Akkusativ, wie es scheint,
sicher überliefert. — Auch die Tragiker haben den Ablativ. — Der
Akk. ist erst nach Terenz aufgekommen. Dagegen ist abutor im älteren
Latein nur transitiv. — 2. fwigor ist archaisch nur transitiv; der
Abi. bei Ter. Ad. 603 ist von Fleckeisen beseitigt. — 3. fruor desgl. j
doch hat Plautus Asin. 918 den Abi., der auch bei Terenz gewöhnlich
ist (au?gen. Heaut. 401); ebenso bei Accius. — 4. potio (Aktiv) ist
ursprünglich transitiv; der Genitiv dabei giebt an, in wessen Gewalt
man gerät, besonders im Passiv. Das Deponens potior ist gleichfalls,
eigentlich transitiv, findet sich aber schon bei Plautus auch mit dem
Ablativ; ebenso bei Terenz, Afranius aa. ; der Genitiv ist zweifelhaft:
compotire begegnet nur Plaut. Rud. 205 u. 911: es hat den Ablativ.
Scheinbar allgemeineren Inhalts sind dem Titel nach folgende
Schriften, in denen die Untersuchung des Ablativs überwiegt:
Ferd. Teetz, De verborum compositorum apud Horatium struc-
tura. Halle 1885. 02 S. 8.
T)ie Arbeit ist weniger statistisch, als interpretierend. Ihre Teile-
sind: 1. Konstruktion von Verben der Trennung, und zwar a. mit
a, de, eoc; b. mit blofsem Ablativ oder Dativ (lautlich oft schwer zu
unterscheiden). — 2. Konstr. von Verben des Verbundenseins, und
zwar a. mit Präpositionen; b. mit dem Dativ. — 3. Konstruktion Cum
mit Präpositionen zusammengesetzten Intransitiva, welche dadurch
transitiv geworden sind. — Der mäfsige Umfang der Werke de^.
Syntax. Gebrauch der Kasus. (Deecke.) 239
Horaz ISfst allgemeinere Schlüsse nicht zu; 6 Stellen werden neu ge-
deutet.
F. Xaumann, De verborum cum praepositionibus compositorum
üsu Ammiani Marcellini. Progr. Stendal 1891, 20 S.
Ungeschickter Titel mit doppeltem Genitiv und ungewohnter
Stellung, aufserdem zu viel versprechend, da der Verfasser nur ah, de,
ex behandelt, und zwar als Unterabteilung des ablat. sepamtivus. Die
Stellen werden einzeln aufgezählt. Die Wiederholung der Präposition
bezeichnet die Bewegning genauer oder den „discessus majore vi". Per-
sonen stehen im Dativ, ausgenommen bei detrahere und eximere, bei denen
auch Sachen im Dativ stehen. Vier Verba: decurrere, excedere, egredi,
evadere, haben auch den Akkusativ, nämlich bei modifizierter Bedeutung,
wie decurrendo absolvere, transgredi u. s. w. — Im ganzen stimmt
Ammian im Gebrauch zu Livius, seit dem der blofse Ablativ zunimmt,
dann besonders zu Tacitus, nicht zu Cicero, der die Pi'äposition yor
dem Abi. noch viel häufiger wiederholt.
Über den abl. qualitatis s. noch die oben citierte Schrift von
Oolling; ferner über den zeitlichen Ablativ:
Frobeen, Quaestionum Plinianarum speoiraen. Pars II de abl.
temporalis usu Pliniano. Königsberg 1888.
Zum kausalen Ablativ gehört:
E. Audouin, sur lemploi de l'ablatif avec ah comme complement
d'un participe en -ndus. Rev. de philol. XI, 69 ff.
Es bleibt von den Kasus noch der Lokativ, der eingehend be-
handelt ist in:
Andr. Bell, De locativi in prisca latinitate vi et usu. Dissert.
Breslau 1889, 76 S. 8.
Diese Abhandlung des aus Canada gebürtigen Verfassers ist das
weiter ausgeführte Bruchstück eines umfassenderen projektierten eng-
lischen "Werkes The nature and force of the Genitive in Early Latin
d. h. bis 75 v. Chr. — Die Arbeit selbst zerfällt in 3 Kapitel: I. de
ea conjunctione casuum, ad quam designandam apnd grammaticos nostrae
aetatis vox „syncretismus" usnrpari solet (S. 1 — 15). Es werden IG ur-
sprüngliche indogermanische Kasus angenommen (Vogrinz hat nur 8;
s. ob.!): Xom., Gen., Dat., Akk., Abl.. Instrumentalis, Koraitativ und
3 Lokative, auf die Fragen : wo? woher? wohin? — Dies ist schwerlich
haltbar; auch wäre danach der Vokativ kein ursprünglicher Kasus. —
Als Ursache der Verschmelzung wird voreilig und phantastisch mehr
die Ähnlichkeit der Bedeutung angesetzt, als diejenige der Form (?).
So flofs der Komitativ (überhaupt von zweifelhafter Existenz) teils mit
240 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
dem Instrumentalis, teils mit dem Dativ, teils mit dem Lokativ wo?
zusammen (die beiden anderen Lokative Vdeiben schattenhaft), der In-
strumentalis wieder mit dem Ablativ. Merkwürdigerweise zeigen die
altlateinischen Ablative auf -d weit mehr Lokativ-wo ?-, als Ablativbe-
deutung (?). — Wie unterscheidet sich aber der Ablativ vom Lokativ
woher? — II. de casu locativo qui vulgo dicitur in lingua Latina
(8. 16 — 43). Erörtert wird der Lokativ (das Latein hat nur den Lo-
kativ wo?) zuerst bei den Eigennamen, besonders den Städte-, Insel-,
Ländernamen; dann bei den Appellativis; endlich bei den Fürwörtern.
Die Endungen sind: -i, -ae, -is, -ibus, endlich (ablativisch) -e, auch -ei
(später als -i). — Vielmehr ist das -e in Carthagine u. s. w. aus ur-
sprünglichem -i regelrecht geschwächt, und Carthagini ist eine Neubil-
dung nach Coi'inthi. — Die Adverbien auf -im (juxtim, utrimque, extrin-
secus u. s. w., iuterim, olim, hin-c u. s. w.) sind aus dem Lokativ auf
i mit angehängter Präposition in gebildet; vgl, umbr. ocrem Fisiem -
in arce Fisia. — Doch, angenommen diese letztere Deutung wäre richtig,
so ist doch der Auslautwechsel von n mit m wolil umbrisch, aber nicht
lateinisch. — Lokative sind auch praefiscini, faenori, frugi, trapeti (eig.
Komitativ?), alternei (carm. Arvale), si, sie, qui, quin. Letzteres soll
keine Negation enthalten (vgl. alioquin, ceteroquin); aber die positive
Bedeutung geht ei-st aus der fragenden „warum nicht?" hervor. — Die
Mengung mit dem Komitativ wird aus dem komitativ-modalen Gebrauche
des Lokativs hergeleitet; aber auch mit dem Ablativ, ja Akkusativ (!)
mischte sich nach BeU der Lokativ durch gegenseitige Greuzberühruug
und Ersetzung. Endlich wurden Lokative von Appellativis schon in alter
Zeit auch für (Tenitive gehalten und als solche gebraucht, während sich
bei Eigennamen wohl auch lokativische Endungen statt der genitivischen
rinden, nie aber umgekehrt (?). — Diese, immer wieder vorgetragene,
überallhin scliillernde Bedeutung und Mengung fast aller Kasus ist nach
meiner Ansicht eine irrige Hypothese der neugrammatischen Lelire. —
III. de genetivi Latini generibus quae principio aut locativi sunt aut
per analogiam locativorum orta sunt. Der lateinische Grenitiv ist aus
dem ursprünglichen Lokativ oder „allqua parte locativi" entstanden.
Auf den Lokativ werden neu zurückgeführt: der genit. pretii; -quali-
tatis, wie alii modi, ipsi, non parvi numeri; der Genitiv bei den Verben
des Ankla®ns u. s. w., auch bei reus, damnare, absolvere u. a.: ferner
in animi pendere, bei angere (doch s. auch mente!), discruciare u. s. w.:
bei compos, incertus etc. z. B. consilii, sententiae: bei den adj. rela-
tivis: bei den verbis carendi. piivandi, levandi; ferner bei den verbis
reminiscendi. obliviscendi: bei cupio (tui, domi im Plautus); bei potiri
(s. ob. compos!), bei desinere, participare u. s. w.; bei commonere, stu-
dere (9): bei den verbis complendi u. s. w. : bei miseret. pudet, piget u. s, w.
Syatax. Präpositioaon. (Deecke.) 241
— Der Verfasser geht hier sicher viel zn weit, wenn auch die Grenze
oft schwer zu ziehen ist.
Vgl. hierzu, aiifser meinem beim Ablativ erwähnten Mülhanser
Progr., meine „Erläuterungen" z. lat. Schulgr. S. 5ä; 328, 355 ff.
An die Kasnslehre schliefst sich von selbst die Lehre von den
Präpositionen an, in die jene schon mehrfach übergriff. Hier sind
anzuführen :
E. Hertz, De praecipuarum praepositionuni usu liUcretiano.
Dissert. Helsiugfors 1891. 67 S. 8.
Eine reiche syntaktische Sammlung aus dem Lukrez zu den Prä-
positionen ab, de. ex, ad, in, sowohl vor Nominen und Pronominen, als
in der Zusammensetzung mit Verben. Bei ab (a, abs), ex (e), in (indu,
endo) werden auch das Vorkommen und die Bedingungen der verschiedeneu
Formen untersucht. Für die Bedeutungsentwickelung wird vom lokalen
Sinne ausgegangen. Bei den zusammengesetzten Verben werden 5 Fälle
unterschieden: 1. absolute posita; 2. cum nudo casu: 3. mit wieder-
holter Präposition; 4. mit verwandter Präposition; 5. mit anderer Prä-
position, z. B. a se respuit. Aufserdem wird die Verschiedenheit des
motus und Status hervorgehoben. Eigentümlich ist de ^= deorsum, ex ^
sursum. Die Arbeit ist nicht erschöpfend.
Gust. Reinhardt, De praepositionum usu apud Ammianum.
Dissert. von Halle. Köthen 1886, 62 S. 8.
Nur Fragment, daher ohne entscheidende Bedeutung Teil I be-
handelt per gründlich, in lokaler, temporaler und übertragener Verwen-
dung; auch in der Komposition, wobei etwa 12 Neubildungen nachge-
wiesen werden (s. u. Stolz!). — Teil II giebt von den übrigen Präpo-
sitionen nur gewisse Eigentümlichkeiten. So braucht Ammian stets ob,
nur einmal, aus euphonischem Grunde, propter. Nicht mit einem Kasus
verbunden hat er: circum, circiter. coram. clam. palara. simul. subter.
Henr. Fröhlich. De grammaticae Latinae locis aliquot contro-
versis. Progr. I. Hagenau 1889. 21 S. 4: IL ebdt. 1891,
36 S. 4.
Beide Abhandlungen, die sich ergänzen. Iiandeln von der Verbin-
dung zweier Substantive durch Präpositionen statt durch den Genitiv,
also von substantivischen Attributen mit einer Präposition. Der Um-
fang dieser Erscheinung ergiebt sich bei der Untersuchung weit grölser,
als die Grammatiken gew-öhnlich andeuten. Es werden im ganzen 9 Fälle
unterschieden, von denen auf die erste Abhandlung 3 kommen, zn denen
jedoch die zweite, infolge der inzwischen dem Autor bekannt gewordenen
Arbeit von Jaenicke ..Über die Verbindung der Sulistantiva durch
Jaliiv8be!>irtit für Altoi1iiw?\vis8fnscliaft. J.XX'YJT. IUI. 1 189.;. Hl.) 16
242 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
rräpositionen bei Cicero", Progr.. Wien 1886. auf S. 1— 8 Ergauzungen
und Noten liefert. — 1. dictiones attributivae quae objecti instar sub-
stantivis adiciuntur, und zwar a. quae a nominibus aff'eduum pendent.
welche Nomina von aequitas bis voluntas aufgezählt werden; b. quae
ex substantivis pendent. quae actiönem ipsam indicant vel aliquam agendi
habent significationem , von aculeus bis testis. Hier werden besonders
i)i, erga. adversus. contra angewendet. — 2. Statt des genit. parti-
tivus, bei Fürwörtern, wie aliquis u. s. w.. bei Steigerungsgraden. bei
bestimmten und unbestimmten Zahlwörtern, sehr selten bei wirklichen
Substantiven. Die verwendeten Präpositionen sind: de: ex; inter nur
nach Superlativen oder superlativischen Begriffen. — 3. attributa quae
significant separationem, discessum, exitum qualemcumque. originem cau-
samque. Es finden sich ab. de, ex in verschiedenen Variationen der
Bedeutung. — 4. dictiones attributivae. quietem sive statum in loco
designantes, verbunden durch ad. ante. apud. circa und circum. extra,
in mit Abi. (sehr häufig), intra, propter. supra. traus. — 5. locutiones,
motum ad locum aliquem directum, mensuram et modum, finem effec-
tumque designantes. Hierher gehören: ad (sehr oft. in verschiedenen
Bedeutungen): in mit Akk.: s. Dräger. — 6. attributa. quibus tem-
poris notio subicitur, mit ab, ad. ante. ex. in, per, post, alle selten. —
7. nomina per praepositiones cum et sine conjugata. — 8. locutiones,
argumentum vel materiem vel causam rei agendae indicantes. Sie werden
aufgezählt von auctor bis votum: sehr häufig ist liber (qui est) de . . .
— 9. de reliquis praepositionibus , ad substantiva inter se copulanda
adhibitis: contra, extra, inter (häufiger), ob, per. praeter, pro (häufiger),
]iropter. secundum, sub. — Die Arbeit ist fleifaig. aber weder ganz
richtig gegliedert (s. bes. 9), noch erschöpfend: auch ist die histori.sche
EntM-ickeluug nicht genug berücksichtigt. —
Nach dem regierten Kasus führe ich, für den Genitiv, an:
Ed. Wölfflin, instar, ad instar. Arch. f. lat. Lex. II, 581—597.
Das Wort galt den besseren alten Grammatikern mit Eecht als
Nomen, erst spät als Adverb: seine Grundbedeutung ist , Äquivalent".
Es findet sich zuerst bei Cicero in den Verrinen, dann bei Lukrez u. s. w. ;
Beispiele werden zusammengestellt von August bis Fronto: es fehlt,
aufser archaisch, noch bei Sallust, dem Khetor Seneka, Vitruv aa.
Die ersten Verbindungen waren: instar est, -videtnr mit dem Genitiv;
dann instar habere, obtinere, putare; ferner demere, exponere; aedificare
u. s. w. Bei den Aftikanern, Apulejus, Tertullian u. s. w. tritt dafür
ad instar ein, dessen Schicksal bis zur Grenze des alten Lateins ver-
folgt wird. Als Etymologie wird Entstehung aus dem substantivierten
Infin. instäre, vom „Einstehn" der Wage, angenommen; bestätigt ebdt.
IV. 357.
Syntax. Präpositionen. (Deecke.) 243
Es folgt der Akkusativ:
Wilckens, Beiträge zur Syntax des Sallnst. Progr. Lahr 1888.
17 S. 4.
Die Schrift enthält nur die Präpositionen mit dem Akkusativ,
nach D rage r geordnet. Es fehlen bei Sallust : circa, erga. pone-. secun-
dum bezeichnet Jug. 14, 3 die Reihenfolge. Die Arbeit ist nach ver-
schiedenen Seiten hin unvollständig.
Ed. Wölfflin, circa, circum. Arch. f. lat. Lex. V. 294 ff.
Archaisch, auch bei Lukrez, Sallust, begegnet nur circum, Akk.
von circus, und zwar ursprünglich wohl Inhaltsakkusativ zu ire und
andern Verben der Bewegung, dann auch zu Verben der Ruhe, wie
esse, gesetzt, ursprünglich nur bei pluralischem Subjekt = extendi. Die
Form circa findet sich zuerst in C'iceros Verrinen, bei Cäsar an 2 zweifel-
haften Stellen; später bei Cicero kaum. — Falsch ist der Unterschied
des Charisius: circum loci est, circa temporis; ebenso die Herleituno;
von circa aus circum eä (mit alter Länge?). Eher hat Cicero circa nach
infrä, inträ neu gebildet, da er in circum den Akkusativ fühlte, der
ihm bei esse (zweimal) und habere (einmal) nicht zu passen schien. —
Diese Vermutung ist sehr unwahrscheinlich: eher gab es neben circus
ein weibliches circa, dessen Ablativ circa ist; vgl. das Verb circare und
mit anderem Geschlechtswechsel gr. tot xuxXa neben 6 xy/Xo;! — Livius
und Nepos haben fast ausschliefslich circa, ersterer auch das Kompo-
situm circamoerium I, 44, 4.
Ed. "Wölfflin, Zur Konstruktion von clam. Arch. f. lat. Lex.
VII, 278 f.
Archaisch hatte clam den Akkusativ: der Ablativ ist zu besei-
tigen (?). Die klassische Prosa kennt es nur als Adverb.
P. Hirt. Penes. Arch. f. lat. Lex. IV, 88—97: 389—99: Er-
läuterungen von Wölfflin, ebdt. 98—100.
Penes gehört etymologisch zu peniis, penitns u. s. w. (gewöhnlich
gilt es als Lokativ: so auch Wölfflin — ?). also penes aliquem --in
inferiore parte aedium alicujus (clausum) u. s. w.: meist steht es mit
esse oder habere. Es Avird nun sein Gebrauch in 2 Abschnitten durch-
genommen: 1. Archaisch und klassisch: A. de ^:»er7»n'a aliisque rebus
corporalibus. auch quae moveri non possunt, von Plautus an. — B. de
virtutibus. — C — D. de potestak. imperio, jure, auctoritate etc. —
E, de laude, culpa, victoria, decore etc. und dem Gegenteil. — F. Varia.
— G. penes se esse (Hör. sat. 11, 3, 273 statt apud). — Der Akkusativ
bezeichnet Personen oder personifizierte Begriffe. — II. Nach-
klassisch: I. penes -= in poiestate. in possessione. uud zwar A. bei
IG*
244 Lateinische Grammatik. (Dcccke.)
dos, pecunia, res familiaris: homiiics. luancipia. pecora. — B. virfutes.
— C. impa'ia, jura etc. — II. quod depositum ftdeique commissum est,
auch bei esse, manere: cum perf. pass. et verb. tiausit.. besonders iu
den Digesten u. s. w. — III. loci siguificatio, afrikauiscli, bei Ter-
tulliau, auch bei „scriptores" u. s. w. — IV. -^ coram, ante z. B.
penes deum, auch -=-■ dei judicio u. s. w. : bei Tertulliau und später. —
V. = semndum . vereinzelt. — Nach den Erläuterungen (S. 398 — 9)
sind die Bedeutungen I, vom materiellen und geistigen Besitz (s. auch
Festus und Ulpian), und II. vom rechtlichen Besitz, auch vom vorüber-
gehenden (bei den Juristen), alt; die Bedeutungen III— V neu.
Fr. Stolz, per und Anhang. Arch. f. lat. Lex. II, 497—508.
Es werden zunächst etymologisch unterschieden, von einem idg.
Stamme per-, der etwa „Durchdringung" bedeutete: Akk. Sg. idg.
*perm oder *perm = ind. pära „v^^eiterhin"; pära „fort, hinüber"; gr.
Trepa. — Instr. Sg. idg. *prrä, *prä; gr. izapd „neben". — Dat. Sg.
idg. *prräi, *präi, gr. napat , .neben, vorbei". — Lok. Sg. idg. *peri.
ind. pari. gr. Tiepi. — Gen. Sg. idg. '''prrös, prös. ind. puräs. gr. *ra-
po;. Tapo?. — Lateinisch ist der Akk. erhalten in pere?«-die — "-pe-
rem-die ..von dem Tag an drüber hinaus* d. i. ..übermorgen" (r); osk.
perüm ,,ohne"; der Dativ {}) in arch. prai. später prae; der Loka-
tiv (?) in per- und per. — Die Grundbedeutung von per ist ..räum-
liche Durchdringung"', dann ..räumliche und zeitliche Verbreitung",
hierauf ..Überraguug" (eig aus dei- Cmfassung). Das Präfix per- hat
demnach 4 Bedeutungen: 1. ringsum, der Beihe nach; 2. hindurch, zer-;
o. darüber hinaus: 4. Vollendung, hober Grad, lange Dauer. — Es
werden nun die verbalen Hauptkomposita für jede dieser Bedeutungen
aufgezählt: pejerare wird aus Analogie nach ejerare. dejerare erklärt.
Die Snbstantiva und Adjektiva sind übergangen: doch wird perfidus aus
per fidem, perjürus aus einem analogen *per jus erklärt; pervius aus
per viam ,,um den Weg herum" (■.-'), dann ,,am Wege, zugänglich".
Umbrioch und oskisch findet sich dasselbe per-. Die Bedeutungen der
selbständigen Präposition per haben sich aus 1. und 2. entwickelt.
In per me licet liegt vieUeicht der Ablativ vor (?) = „von mir aus
ist es gestattet". Die umbrische Postposition -per -= pro gehört wohl
nicht direkt hierher. — Das lateinische -per in antioper, topper, uuper,
panimper, semper, paulisper u. s. w. stellt sich zu osk. -pert = „-mal";
auch pert-, pert „durch"; altumbr. triiupei', neuumbr. triopei' ..dreimal";
vgl. pos neben post u. s. w., auch pamphyl. rep-:-.
Vgl. die oben erwähnten Abhandlungen von Wülsch über per,
per- beim Livius; auch Obricati.s über per vor Cicero (Jahrcsber. f.
1883—4, S. 200).
Syntax. Präpositionen. (Deecke.) 245
Ph. Thielmanu, Uls, traiis und ultra. Arcli. f. lat. Lex. IV,
247—258; 358—388.
A. uls gehört zu ollus (aber arch. ouls!), beifst also „au jener
Stelle, auf jener Seite", Gegensatz eis. Es ist vorlitterarisch : bei Kato
- ultra (Festus) ; in Varro de 1. 1. in 2 alten Formeln uls Tiberini ; et
uls et eis Tiberim; ferner ouls lucum Facutaleni; uls provinciam, also
sehr spärlich. Der Auslaut -Is wurde gemieden: vgl. vis statt *vols oder
*vels. — B. Irans und ultra, und zwar: 1. Allgemeines über Irans,
Part. Präs. von *trare, vgl. ex-, in-, penetrare (nach der Sprachver-
gleichung sicher falsch; s. F. D. Allen Amer. Journ. of Phil. I, 143 ff),
dann erstarrt. Es bedeutete also „überschreitend" z. B. ATecr, Flufs,
Berg: als Präposition zunächst auf die Frage „wohin?", später ward
es dann auch Adverb, vgl. bei Vitruv trans contra. Es regiert nur
den Akkusativ, auch auf die Frage „woV Wo der Ablativ dabei zu
stehen scheint, ist es entweder nur ein durch Abfall des m verstümmelter
Akkusativ, oder trans ist adverbial gebraucht. Ursprünglich stand trans
nur bei Verben der Bewegung, erst später bei solchen der Ruhe (für uls),
vielleicht aus der Soldatensprache (?), Gegensatz eis. Verkürzt steht es
scheinbar beim Substantiv: in ara (quae est) trans viam. Im Kompositum
transmarinus hat es schon Plautus, Als dritte Bedeutung bezeichnete
es, auf die Frage woher?: „herüber, von jenseit her": so schon bei
Varro: trans mare advolant; auch mit inde wird es verbunden. Aus
Zusamraenrückungen entstanden neue Komposita z. B. Traustiberim ^
ital. Trastevere; vulgär per Transpadum (C. I. VIII, 822, 13); dekliniert
bei Plinius n. h. : Transalpibus profecti. Anastrophe kommt nicht vor,
wohl aber Tmesis z. B. bei Ovid: trans ego tellurem. Es hat feste
Stellen im Verse. — 2. Allgemeines über uUrä (sc. parte); es ist
Komparativbildung zu ouls, — ulteriorc; daher bezeichnet es „Vorwärtsbe-
wegung über einen bestimmten Grenzpunkt hinaus"; trans läfst an den
mittleren Raum denken, ultra an den jenseitigen; trans an eine
Querlinic, ultra an einen Grenzpunkt. Es steht ursprünglich auch
mit Verben der Bewegung auf die Frage wohin?: so besonders bei
Kompositen mit pro-, ex-; gern mit Negation; auch mit abl. discriminis
z. B. paulo: seltener mit Akk., z. B. multum; Gegensatz citril; seltener
eis, sofern ultra ^ uls ist; oder auch sub, sofern ultra = supra ist; oft
ist ultra Adverb (doch wird dies nicht näher ausgeführt); es hat keinen
Ablativ oder Genitiv bei sich. Auf die Frage „woV" steht es schon
bei Kato = , jenseit" ; das Kompositum ultramuudanus hat erst Apulejus.
Die dritte Bedeutung ,, woher .^" findet sich zuerst in Senekas Briefen:
ultra finem advehere; später mit inde. Anastrophe ist häufig, beim Re-
lativ, bei Substantiven u. s. w., sowohl bei den Dichtern, als in dichte-
rischer Prosa, auch bei Cicero; die Tmesis ist selten und spät. Im Vers
24(i Lateinische Grammatik. (Deecke.)
tällt der Ton ursprünglich auf die zweite Silbe. — 3. Kigeutlicber
Gebrauch von Irans, nebst Übergreifen von ultra. Es steht trans vor-
wiegend (s. ob.) mit den Begriffen Meer, FhUs, Berg, dann varia, wie
viam, parietcm, Valium etc. — 4. Lokales M?6a nebst Übergreifen von
trans: bei Städten, Ländern, A'ölkern, Körperteilen u. s. w., sich be-
rührend mit supra. — 5. ultra mit Mafs- und Zahlbestimmungen, bei
Cicero, im bellum Alexandrinum, bei Juriston u. s. w. — 6. Modales
ultra (trans), zuerst mit iines Hör. sat. I, 1, 107; später fast unum-
schränkter, als das lokale; es berührt sich mit supra und infra,
auch mit praeter (additiv). Es werden etwa 20 besondere Ausdrücke
dieser Art aufgezählt, wie ultra morem (schon Sallust), ultra vires,
(Vergil) u. s. w. Sehr oft bedeutet es „übertreffen" -- praeter,
supra, negativ und positiv: bei Verl)en ist es häufig -= magis (plus)
quam: ferner steht es bei totus, omnis, cunctus; mit Adjektiven
dient es ziu' Umschreibung des Komparativs z. B. ultra barbarum promptus,
sogar u, b. promptior; nach Entwertung des Superlativs auch bei diesem
z. B. u. b. promptissimus. — 7. Temporales w/^ra (trans), beiLivius,
Ovid: von der Zeitdauer, wie vom Zeitpunkt; überwiegend negativ;
Vellejus: ultra metum durat odium; abgeschwächt -i post z. ß. ultra
paulum = paulo post; auch rückwärts: ultra memoriam. In diesem Sinne
findet sich trans kaum. — 8. Endliche Schicksale von trans und ultra:
trans stirbt allmählich aus: so findet es sich nicht mehr bei Kurtius,
Solin aa. ; es mengt sich mit tra aus inträ; ultra breitet sich im silbernen
Latein mächtig aus, absorbiert praeter, beeinträchtigt stark supra, super
und behauptet sich ins Romanische hinein.
Ed. Wölfflin, Usque mit dem Akkusativ. Arch. f. lat. Lex. IV,
52—67.
Da Hand 's Tursellinus nur bis p geht, fehlt usque darin. Plautus
kennt es mit dem Akk. noch nicht; Terenz hat Ad. 655 Miletum usque;
hier ist der Städtename noch unabhängig zu denken, und usque ist
Adverb. Cicero hat es so oder vorangestellt mit Städtenamen in
den Reden 2 mal, in den Briefen 4 mal; Horaz, Nepos aa. vereinzelt i
häufiger begegnet es in der geographischen Litteratur, in Pliuius' n. h.,
schon als Präposition emj^funden. Es tritt dann auch zu anderen
Ortsbezeichnuugen: Völkern, Ländern, Gebirgen, Flüssen u. s. w.
(nicht Livius XXX VI, 21, 5). Besonders brauchen es so die Dichter
der silbernen Zeit: Lukan, Valerius Flaccus, Juvenal aa.; ferner in der
.J'rosa: Vellejus (nicht Tacitus und Sueton), Plinius, Solin, auch Justin;
Ammian hat es nur einmal mit einem Stadtnamen. Die bisherigen
Fesseln sprengt, wie in so vielen anderen Dingen, Tertullian, dem Andere
folgen. — Für örtliche Begriffe überhaupt ist die erste Stelle;
Syntax. Präpositionen. (Deecke.) 247
Kato de r. r. 49, 2 usqiie radices; Kurtius VIII, 9, 21 hat usque pedes,
und ähnliches findet sich auch sonst vereinzelt. Medizinisch wird es von
Körperteilen «elir häufig gebraucht: so bei Celsus, von Anderen an-
genommen; christlich erweitert sich diese Verwendungsart. Endlich von
der Zeit findet es sich 2mal in Ciceros Briefen (usque a. d.), 1 mal bei
Livius, dann bei Sueton u. sonst einzeln; auch hier ärztlich bei Celsus,
dann seit 150 n. Chr. mächtiger, doch mit Ausnahmen: es stammt in
diesem Sinne offenbar aus dem Kouversationsstil.
Nicht zu trennen hiervon sind die beiden folgenden Arbeiten,
wenn sie auch eigentlich von usque als Adverb handeln:
Ph. Thielmann, Usque als selbständiges Adverb. Arch. f. lat.
Lex. Y, 429-52.
Nach Corsseu ist lisque ^ ''ub(i)-s-que (?); s. su(b)-s-, o(b) s-;
es verhält sich zu usquam, wie quisque zu quisquam. — Eher ist es ^
*(qu)ut-s-que, s. Joh. Schmidt, über den Relativstamm quu- oben! —
Es ist ursprünglich Adverb, nicht Präposition (s. ob. Wölfflinl); Plautus
hat 2 mal dafür das weitergebildete usquiue (s. quippini neben quippe)
„wo irgend wie, auf allen Punkten, überall". Usque ist vorzugsweise
positiv und bezeichnet, dals „ein Zustand oder eine Handlung, von einem
(genannten oder gedachten) Anfangspunkte ausgehend, in ununterbrochenem
Fortrücken (in grader Linie) bis zu einem zweiten (genannten oder ge-
dachten) Endpunkte" fortgeht (eine etwas schwerfällige Definition!). Es
schliefst also den Begriff der „Kontinuität" ein. Im einzelnen wird es
gebraucht: lokal, kaum (s. ubique); zweifelhaft Plaut. Merc. 858;
temporal, selten = in perpetuum , in der Regel =-■ „ununterbrochen"
so bei Plautus, Lukrez, Horaz, auch Terenz aa. Während semper, mit
dem distributiven per zusammengesetzt, = ,, jedesmal, immer wieder" ist
und einen bleibenden Zustand ausdrückt, oder mit dem Perfekt .,von
jeher" • heifst, drückt usque ein Fortrücken aus, einen Zeitraum, und
steht meist mit dem Futurum ; später alleidiiigs, seit Augustus, werden
beide Partikeln miteinander vermengt. Die Zeitdauer wird dui-ch dum
usque, interea usque, hodie usque, usque antehac bezeichnet. Mit Verben
bedeutet usque ,,in einem fort"', eine dauernde Bewegung, eine fortge-
setzte Thätigkeit, auch einen bleibenden Zustand: so mit esse, morari,
manere, teuere u. s. w.; usque mauere ist = permanere. Dann bezeichnet
es die ,, Wiederholung. Erneuerung"' z. B. bei dare, basiare. laudare
u. s. w. Ferner steht es bei Zahlwörtern , wie bei numerare, bei omnis,
totus aa. — Endlich ist es auch modal = ,,zur genüge, gänzlich": so
bei Horaz sat. I, 2, G5 usque superque quam satis est; doch auch schon
bei Plaut. Poen. 602 replebo usque. So bei den Verben der Bedeutung
„prellen, prügeln, ermatten"; bei Adjekten, besonders im Komparativ,
24S Lateinische Grammatik. (Deecke.)
z. B. nsque vehementior: auch atlveibial usque vehemeutius. — Das Wort
als Adverb ist vulgär: daher oft bei Plautus; bei Terenz etwas seiteuer:
bei Kalo nur formelhaft: 1 mal bei Kornificius; nicht bei Cicero, Cäsar.
Sallnst; doch wieder bei Dichtern (Katull aa). Es steht auch im Nach-
satz von Kondizionalsätzen ; ferner bei licet mit dem Konjunktiv.
Ph. Thielmann, Usque mit Konjunktionen und Advei'bien. Usque
ex. -ab. -de u. s. w. Arch. f. lat. Lex. VI. 58—84: 469—507; VII.
103—113.
Das lokale usque vor Konjunktionen hat oft ein stützendes
eo. adeo: ebenso das temporale und finale, doch können diese es
auch entbehren; häufig ist usque dum ..so lange als, so lange bis":
daneben usque donec. -donicum. -quoad: ferner usque ut: mit Stütze
«sque adeo . . dum, auch adeo usque . . . dum; usque adeo . . . ut.
Seit Cicero findet sich in allen 3 Fällen usque eo statt adeo. Allmäh-
lich tritt Loslösung vom Hauptsatze ein: schon bei Plautus, Terenz,
Kato; dann bei Cicero in den obigen Formeln: zuletzt steht es un-
mittelbar vor der Konjunktion: selten ist usque eo quo. Übrigens be-
hauptet sich usque dum bis in die späteste Zeit : dann tritt usque allein
ein. — Vor oder nach Adverbien begegnet usque örtlich und zeit-
lich z. B. usque rjuaque (wo?); usque illinc (woher?); quo usque (wo-
hin?); nur zeitlich usque aäJmc: so schon bei Plautus: usque quaque
ist auch modal -=^ ,, durchaus": dafür spät und seltener: xiBqwe qua, qua
usque = quatenus; ferner ist usque quaque kausal (Plin. n. h.): s. noch
usque islinev incle usque. Das erwähnte quousque hat Cicero nur in
direkter Frage, temporal, mit Futurum: im Silberlatein erweitert sich
der Gebrauch: es steht auch indirekt, relativ, mit anderem Tempus,
später ist es = usque dum : erst Tertullian hat usque quo. Seltnere Ver-
bindungen sind noch usque illo, illuc usque ; liuc usque (spät hoc usque) ;
lato usque; usque eoäem. Zeitlich ist, wie oben erwähnt, usque adhuc
üblich, bei Plautus, auch Terenz, Cicero u. s. w. ; dafür erst spät adhuc
usque; so sind auch spät: usque nunc, -modo, -hodie Aa.: ebenso mit be-
stimmter Zahl z. B. usque septies. — Modale Verbindungen sind selten:
Plautus hat usque aflfatim = *ad fatim (Poen. 525). — Die Verbindungen
mit Präpositionen: usque ex, -ab, -de sind ursprünglich von Verben
abhängig; es finden sich ferner: usque fl^?, -i'w; endlich usque .s?f&, -super,
-postt -ante. Alle diese Verbindungen werden von dem Verfasser einzeln
erörtert, historisch verfolgt und in ihrer verschiedenen Anwendung ge-
schildert.
Von den Pi'äpositionen mit dem Ablativ handeln:
Fr. Xav. Ess, De praepositionum cum ablativo apud Plinium
Secnndum usu. IL Festschrift, Karlsruhe, 1888, 39 S. 4.
Syntax. Präpositionen (Deecke.) 249
Gemeint ist der ältere Pliuius. Teil I, Allgemeines und die
Präposition ah enthaltend, war 1883 erschienen; s. Jahresber. f. 1883—84,
S. 195. Hier, in Teil II, folgen die anderen Präpositionen, in fleifsiger
Sammlung, mit steter Berücksichtigung von Hand und Kühner; doch
fehlten dem Verfasser manche neuere Hilfsmittel zur Vergleichung. Zu
bemerken ist etwa: dam hat Plinius nur einmal, und zwar als Adverb;
coram 2 mal ; cum braucht er lokal (comitatus , societas bedeutend),
temporal und kausal (richtiger modal!); de nur lokal und kausal, nie
temporal; ex lokal, temporal, kausal, modal (.*) und übertragen; prae
nur ein- oder zweimal, und zwar lokal, in prae se ferre; pro lokal und
kausal, nie temporal; sine; tenus einmal, und zwar lokal; dagegen häufig
hactenus, auch temporal ; 2 mal quadamtenus, modal; ferner aliquatenus ;
einmal mit Genitiv: corpomm tenus.
Otto Röfsner, De praepositionum ah, de, ex usu Varroniano.
Dissert., Halle, 1888, 58 S. 8.
Varro war Forscher, nicht Stilist, wenigstens in den beiden hier
vorwiegend benutzten Werken de lingua Latina und de re rustica, die,
im Stil voneinander abweichend, doch im ganzen sich ähnlich shid,
beide altertümlich und einfach; aus ihnen sind fast alle Stellen ge-
sammelt, aus den Fragmenten nur die wichtigeren. Eine Übersicht der
Komposita fehlt. Die Anordnung ist nach Hand gemacht; verglichen
werden die 3 Präpositionen nicht nur untereinander, sondern auch mit
dem blofsen Ablativ und mit dem genit. partitivus (darüber eine eigene
Tabelle mit de und ex). — Im einzelnen ist etwa folgendes zu merken:
Die verba abeundi, removendi, distantiae, arcendi stehn meist mit ab,
selten mit de, noch seltener mit blofsem Ablativ (levare, desistere), nie
mit ex. Sonst findet ein mannigfacher Wechsel von de mit ex und ab
statt; bei Verben, die mit ad und in zusammengesetzt sind, aber stehen,
mit wenigen Ausnahmen , nur ab und ex. In Titeln wird de in freier
Weise angewendet; ferner findet sich: peritus de (neben dem Genitiv):
egredi de Troja, de Illyrico, spezifisch varronisch; ebenso e desiderio;
andrerseits filius Neptuni a Menalippa. Den Schlufs bildet eine Tabelle
über den Wechsel von a, ab, abs; e, ec, ex; s, die folgende Schrift und
oben die Formenlehre!
Löwe, Über die Präpositionen a, de, ex, bei Ovid. Prgr., Strehlen,
1889, 16 S. 4.
Der Verfasser erörtert in Kap. I die Form: 1. vor Konsonanten
steht a, nur vor j schwankt der Gebrauch; vereinzelt ist ab rege (Fast.
2, 21); nie findet sich abs. — 2. ex steht immer vor einsilbigen Wörtern;
e vor g, 1, q, s, überhaupt häufiger, aber in der Bedeutung „gemäfs"
überwiegt ex(?). — Vereinzelt ist aque, sehr oft deque, exque. —
250 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Kap. n behandelt die Stellung, die, je später, desto freier wird. —
Kap. III handelt von der Bedeutung, mit 9 Unterabteilungen: A. Ur-
sprüngliche Bedeutung „woher?" — Es stehen alle 3. wechselnd mit
dem blofseu Ablativ. — B. Anfangs- und Ausgangspunkt einer Handlung
irgend welcher Art. — Alle 3. — C. Abstammung. — Alle 3. — D. Grund,
Trsache, Motiv. — AUe 3. — E. Mittel. — Nur a und de. — F. Parti-
tives Verhältnis. — Nur de und ex. — G. Entferntsein. Freisein. —
Nui- a. — H. Keihenfolge. — Nur a. — J. Zeit ,,von wann auV" —
Alle 3. — Die Arbeit ist eine fleifsige statistische Stelleusamralung, die
jedoch vielleicht besser geordnet und etwas genauer abgegrenzt sein
könnte. Die eigentlich grammatischen Resultate sind gering und wenig
bedeutsam, da der Dichter bei seiner Wahl Jedenfalls auch vielfach
durch poetische und metrische Gründe bestimmt w'orden ist.
K. Guttmaun, Sogenanntes instrumentales ab bei Ovid. Prgr.,
Dortmund, 1890, 38 S. 4.
Der Verfasser sucht nachzuweisen, dals der Dichter dieses ab
niemals beim Aktiv brauche, und auch beim Passiv ein sehr feines
Sprachgefühl zeige. Die Verbindung sächlicher Ablative mit al) nämlich
beim Passiv oder Verben leidenden Sinnes setzt immer eine Personi-
fikation der Sache voraus, wenn nicht etwa die Beziehung eine lokale
sein soll, während umgekehrt der Wegfall von ab eine Person zur
Sache erniedrigt; doch sind wohl manche der letzteren angeblichen
blolseu Ablative vielmehr gräzisierende Dative beim Passiv.
Zu diesem ganzen Abschnitt ist noch zu vergleichen der ent-
sprechende Abschnitt in den ..Erläuterungen" zu meiner Lat. Schul-
gramrnatik 8. 171 — 181 und 292 — 304; sowie die oben besprochene
rntersuchung von Hamp über die zusammengesetzten Präpositionen.
Ferner erwähne ich:
C. Hermann, Zur Lehre von den Präpositionen. Jahrb. f. Piniol.
136, 490 ft\
J. Praun, absque. Arch. f. lat. Lex. VI, 197 ff. Lexikalischer
Artikel.
0. liiemann, Note de grammaire. Rev. de philol. XIII, 132.
Macht aufmerksam auf die Stellung: Faesulas iuter Arretiunique.
Ich gehe zu den Eigeitschaftswörteni über und erwähne zuerst :
Fr. Haussen, The latiu adjektive. Araer. Journ. of Philol.
1890. N. 37; s. Nachtrag.
Jul. Gimm-, De adjectivis Plautinis. Prgr. , Altkirch, 31 S. 4.
Eine alphabetische Stellensammlung der Adjektiva bei Plautus
von absens bis tristis. Bei den einzelnen Nummein werden Gegen-
Syntax. Adjectiva. ("Deecko.) 251
Sätze, Synonyma, Begriffsverwaudtc aufgeführt z. B. bei absens : praesens,
iuvitus, lubeus(?).
P. Hirt. Über die Substantivierung des Adjektivums bei Quin-
tilian. Progr. Sophiengymu. Berlin 1890, 28 S. 4.
Die allgemeine (yrundlagc ist Otts Programm von Kottweil 1874
..über die Substantivierung des Adjektivs durch Ellipse": für Quintilians
Bach X war dies dann speziell, wenn auch nicht erschöpfend, ausgeführt
durch Ferd. Becher. Quaestioues grammaticae, Progr.. Ilfeld 1879;
veraltet ist Törnebladh. de elocutioue Quintiliaui, Upsala 1858, Vgl.
auch Panhoff, über Tacitus im Jahresber. f. 1883—4, S. 201. Hirt,
der auch schon seine Doktordissertation über Quintilian geschrieben
hatte, schliefst sich in der Disposition seiner Arbeit an Nägelsbach
an und behandelt in Kap. I das substantivierte Adjektiv ohne Ellipse:
A. als ntr. sg. u. pl. Am häutigsten ist bouum, honestum (nicht pro-
bum) aa. , namentlich bei den Präpositionen ab, ad. de, ex, in, pro,
sine, ultra: es fehlt ex abundanti (ist partic.!): sine dubio steht stets
ohne uUo. — Das ntr. pl. ist weit seltener. — B. als masc. pl. u.
sg. Hier ist die Mehrzahl viel häutiger z. B. veteres. mortales; die
Einzahl ist selten, wie peritus. doctus (eig. participial). — C. partic.
ntr. sg. u. pl.; ferner part. perf. masc.pl.. wie damuati. und masc.
sg., wie advocatus: dann fut. act. masc, praes. act. — Die Sub-
stantivierung des part. fut. act. ntr. pl. reicht weit über Cicero hinaus.
— IL mit Ellipse. Diese ist. nach Hirt, nur dann anzunehmen,
wenn ein bestimmtes Substantiv fehlt, z. B. bei dextra: manus. Hier
überwiegen die Feminina. Es werden die vermutlichen elidierten Sub-
stantiva alphabetisch aufgeführt, von aqua bis vinum; im ganzen ist
diese Art jedoch verhältnismälsig selten gegen die erstere. Allerdings
ist die Grenzlinie nicht überall sicher zu ziehen. — Im allgemeinen
sucht Quintilian den klassischen Gebrauch möglichst zu wahren, untei'-
liegt aber im einzelnen nicht selten dem Einflüsse seiner Zeit. — Ein
Exkurs handelt von der Stellung des attributiven Adjektivs (s. unten
in der Stilistik!), wobei besonders der Einflufs des Wohlklangs hervor-
gehoben wird, auch die Form der Präpositionen aa.
E. Schulze. Die Verschmelzung lateinischer Adjektiva mit nach-
folgenden Substantiven zu einem Begriff. Progr. Homburg v. d. H.
1890, 16 S. 4.
Eine immerhin dankenswerte Statistik; nur hätte die Sammlung
auch auf die Verschmelzung mit vorhergehendem Substantiv ausge-
dehnt werden müssen, wie Mons sacer. respublica. zumal beide Stellungen
bisweilen wechseln, wie homo novus, res novae neben novus homo. no-
vae res: lapis manalis neben manalis lapis. — Der Verfasser hat das
252 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Material in 5 Abscbnitte geteilt: I. Götteruameii, wie Bona dea. —
JI. Örtlichkeiten, wie Novum Comum (aber auch Carthago nova).
— III. Politische Ausdrücke, wie consularis potestas (auch umge-
kehrt!): publice consilio. Diese Yerbindung-en sind zahlreich. — IV.
lEilitiirische Bezeichnungen, wie levis armatnra. — V. Mannig-
faltiges, wie bona aetas; equestri loco (g-ehört wohl zu den politischen
Ausdrücken!), mala res. — Das Verzeichnis entliält 136 Verbindungen,
darunter besonders oft: bonus (14mal); sacer (9 mal); novus, unus (je
7 mal); malus (6 mal). — Die Grenzen solcher Zusammenrückung zweier
ursprünglich selbständiger AVörter zu einer Begriffseinheit sind nicht
immer leicht zu ziehen; doch liefsen sie sich schärfer bestimmen, und
die Zahl solcher Verbindungen ist lange nicht erschöpft. Jedenfalls ist
das Problem nicht unwichtig und gewährt interessante Ausblicke nach
verschiedenen Richtungen hin.
Es folgen die bestimmten und unbestimmten Zaliiwörter:
H. Blase, Unus beim Superlativ. Commentat. Wölfflinianae.
Leipzig, Teubner, 1891, p. 85 ff.
Es wird bewiesen, dal's unus in dieser Verbindung mit »Superla-
tiven nie den Sinn des blolsen unbestimmten Artikels hat, sondern stets
— solus oder singularis ist, ein Sinn, der auch vulgär nie erlosch. —
Vgl. die Dissertation M. PauTs über unus, .Jahresber. f. 1883 — 4,
S. 203-4.
Fr. Knoke, Über den Gebrauch von plures bei Tacitus. Progr.
Zerbst 1890. 18 S. 4. — Desgl. bei Q. Curtius Rufus. Jahrb. f. klass.
Philol. 1891. S. 267—278.
Gegen die bisher übliche Annahme sucht der Verfasser mit Glück
nachzuweisen, dafs plures weder bei Tacitus, noch bei Kurtius jemals =
-complures ist, sondern dafs es stets seine komparativische Bedeutung
bewahrt. Es ergiebt sich daraus an vielen Stellen beider Schriftsteller
ein genaueres und richtigeres Verständnis des Textes. Bei Kurtius
kommen C4 Stellen mit plures vor, die in 11 Gruppen geordnet werden.
— Hierzu ferner:
J. H. Schmalz, Jahrbücher f. klass. Philol. 1891. S. 144.
multi -= complures, juristisch, seit Scävola; doch auch schon Cicero
(epist. II, 4, 1) braucht es einmal für tres. Ahnlich lieifst mepe bei
Tacitus bisweilen nur ,,mehr als einmal"; omnes ist einmal ^^ 2; tot -^
3; auch semper schwächt sich sehr ab.
Joan, Kozwadowöki , C^ua ratione historici Romani numerus,
qui accurate definiri non poterant, expresserint. In den dissert. class.
philol. acad. litt. Cracov Vol. XIII. Krakau 1887, 18 S. 8.
Syntax. Zahl- und Fürwörter. (Deecke.) 253
Die Forschung- reicht nur bis Livius incl. und behandelt den Stott"
in 3 Kapiteln: 1. Die Annäherung wird durch ad, paene, prope, vix
u. s. w. ausgedrückt; fere und ferme (^8uperlat. *fcrime) nähern sich 3. —
2. Die Überschreitung- durch supra, amplius u. s. w. ; auch admoduni
,,bi8 zum vollen Mafs'-. — 3. Die Unbestimmtheit durch circa, cir-
oiter, maxime (V. s. 1). Davon ist circa mehr vulgär (?; s. ob. unter
den Präpositionen!); circiter mehr klassisch (mit Ablativ): plus minus
begegnet erst bei Petronins 52.
Kohn. Anfrage wegen «xuot und quotiens. Korrespondenzblatt
für die Württembergischen Schulen XXXVI. S. 250 f.
Bei den Fürwörtern sind zu registrieren:
Guil. Kaempf, De pronominum persoualium usu et collocatione
apud poetas scaenicos Eomanorum. In den Berliner Studien f. klass.
Philol. u. Archäol. III. 2. Berlin, Calvary, 1886, 48 S. 8.
In 2 Teilen: Pars I de usu prou. personalis, quod est subjechim,
in 15 §§, je nachdem es steht: ohne Gruad; bei verbis sentieudi; -di-
cendi: -eundi; bei esse; -facere; bei der obsecratio, affirmatio, pro-
missio: bei Drohungen, bei Befelilen; in eigentlichen Fragen; in zwei-
felnden, verwunderten, unwilligen Fragen. — Diese Untersuchung ent-
hält demnach nur einen Bruchteil des Gebrauches : sie könnte tiefgehen-
der erfafst und besser geordnet sein. — Pars II de collocatione pron.
personalium. in 10 §§, nämlich: im allgemeinen; bei zwei Prouomineu;
mit Possessiven: mit Demonsti-ativeu (auch adverbialen); mit Interroga-
tiven (desgl.): mit Relativen (desgl.): mit gewissen Konjunktionen; mit
affirmativen und negativen Partikeln; mit -ne; endlich beim Verbum. —
Auch dieses Gebiet ist nicht erschöpft,
(y. Niemöller, De pronomiuibus ipse et idem apud Plautmn et
Terentium. Dissertat. 1887. 54 S. 8.
Es werden die Formen und die Stellung beider Fürwörter be-
handelt. Plautus hat ipsus bei sibi und se (ausgen. Bacch. 415), Terenz
häufiger ipse; die Form earumpse Ter. Ilec. 163 wird verworfen. —
Ritschls Regel, iak ideni vor dem pron. demonstrativum stehe, triftt
bei Plautus nicht zu; s. hie idem. — Verworfen wird Ter. Ad. 424
idem ipse (erst bei Laktanz); idem unum hat Plautus zweimal; Lukrez
unus idemque. Häufig sind idem qui, idem ut, idem atque. — Die Text-
regulieruDg ist etwas willkürlich.
Eine Reihe weiterer Schriften behandelt das reciproke Ver-
hältnis, zunächst :
Z. Dembitzer, De ratione quam Plautus potissimum et Tereutius
in reciproca actione exprimenda inierint. Krakau 1886, 23 S. 8.
254 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Aufser Plautus und Terenz sind auch die Fragmente der älteren
Historiker, Varros und Katos Büclier de re rustica herangezogen. Die
Disposition ist nach dem im Arch. f. lat. Lex. II, 495 (Frage 200) ge-
gebenen Schema gemacht. — Archaisch und klassisch ist regelmUfsig
inter uos u. s. w.; ferner alius alium, alter alterum u. s. w.; aucli
uterque utrumque; endlich die Wiederholung des Substantivs, wie vir
virum. Erst später treten ein: invicem, mutuo (doch schon neben inter
nos Cic. epist. X, 34, 3), vicissim u. a. Davon begegnet invicem erst
seit Livius in dieser Bedeutung und nur als Attribut (V). Ganz neue
Formen schaffen auch hier die Afrikaner, wie alterutrum aa., s. unten
Thielmann!
K. Goebel, Über se und inter se. Jiriirb, f. klass. Philol, 1888,
S. 271—2.
Nur inter se ist reciprok, se reflexiv; bei Verben aber von der
Bedeutung conjungere, conciliare, disjungere, disparare aa., die schon
an sich eine gegenseitige Vereinigung oder Trennung ausdrücken, ge-
nügt das einfache se ^ „sich unter sich", und es könnte nur pleonastiscU
noch ein inter se hinzutreten; doch tindet sich dies kaum, wohl aber
zweimal bei Cicero nos inter nos; sonst setzt man ein Substantiv hinzu,
wie manus, arma, rationes inter se. — Auch bei Cäsar (gegen K. Menge
ebdt. S. 67 — 8) wird das reciproke Verhältnis nicht durch se, ipsi se
ausgedrückt: in se conjungei-e liegt vielmehr die Reciprocität im con-:
se ipsi interficinnt heifst .,sie töten jeder sich selbst". — Hierdurch
veranlai'st ist die genauere Untersuchung von:
R. Menge, Die Bezeichnung des reciproken Verhältnisses bei
Cäsar. N. Jahrb. f. PhUol. 1889. S. 2G5-74.
Das reciproke Verhältnis bleibt: erstens unbeze lehnet, wo es
sich von selbst ergiebt; zweitens wird es durch verschiedene Ersatz-
mittel ausgedrückt, und zwar a. durch Verdoppelung des Pronomens:
b. durch Verdoppelung eines Substantivs; c. durch Verdoppelung eines
Substantivs mit uterque; d. durch uterque alterum, neoter alterum:
e. durch inter se, -nos, -cos, -ipsos ; f. uterque inter se, ipsi inter se ;
g. durch blolses se, wenn die Gegenseitigkeit sich aus dem Zusammen-
hange ergiebt und ipse beim Subjekt steht. — Dies ist ein halber
Rückzug; Goebel aber wird wohl ganz recht haben.
G. Landgraf, Substantivische Parataxen. Arch. f. lat. Lex. V,
101 — 191.
Ursprünglich Ersatz des Keciprokums (s. ob. Dembitzer!), er-
weitert sich dei- Begriff dieser Verbindung auf eine Kette von gleichen
Personen oder Sachen überhaupt. Auszuschliel'sen sind: 1. rhetorische
Syntax. Fürwörter. (Deecke.) 255
Doppelsetzlingen: 2. Adjektiva und Participia: 3. reflexive Parataxen
(selten); 4. mit Attributen verseliene Parataxen. Es sind ferner nur
die allgemeinen, formelhaften Verbindungen berücksichtigt. Diese
aber zerfallen in 2 Gruppen: 1. mit blofsem Kasus: Genitiv z. B.
ova ovorum; Dativ z. B. homo homini; Akk. z. B. manus manuni; Abi.
z.B. castra castris. — 2. mit Präpositionen, und zwar entweder mit
einer z. B. natura a natura, oder mit zweien z. B. in diem ex die.
Allmählich überwiegt Gruppe 2. Die Parataxen sind wirkungsvoll, ein-
dringlich; sie gehören, als sprichwörtlichen Charakters, der Umgangs-
und Volkssprache an. Sie sind daher auch uralt, finden sich stets und
überall , besonders aber dichterisch (vor allem episch), militäriscli, rhe-
torisch, juristisch. Besonders häufig haben sie Ovid, der Philosoph
Seueka, später Hieronymus. — Eine besondere Gruppe bilden die Pro -
nominalparataxen, wie alius alium, alter alterum, uterutri: sogar bei
Cäsar bell. Gall. VII, 35. 1 (unlogisch) uterque utrique exercitus.
Es folgt eine nach obigem System geordnete Sammlung.
Ph. Thielmann, Der Ersatz des Reciprokums im Latein. Arch.
f. lat. Lex. Vn, S. 343—388.
Dräger ist hier ganz ungenügend. Es gilt, eine umfassende Dar-
stellung der sprachlichen Mittel zum Ausdrucke jenes Verhältnisses
zu geben. Dies Verhältnis selbst ist zunächst in seiner strengen Form
zu fassen, wonach es „eine auf derselben Bahn vom Ziel zum Aus-
gangspunkte zurückkehrende oder gegenseitig ausgeübte Handlung" be-
zeichnet. Doch ist auch die freiere Form nicht ausgeschlo.ssen. welche
„eine sich auf eine mehr oder minder ausgedehnte Kette von gleichen
Personen oder Sachen erstreckende Handlung" ausdrückt. Die Mittel
sind bei beiden Arten meist dieselben; s. ob. Landgraf! — 1. inter se.
-nos u. s. w. — 2. alter alterum, alius alium, bald miteinander gemengt;
seltener alteruter alterum, uterque alterum, uterque utrumque (eigentlich
unlogisch), uterque alterutrum aa. — 3. invicem, mutuo, vicissim. —
4. alis alium, alis alterutrum; ersteres inscbriftlich, afrikanisch, letzteres
bei Florus , einem Afrikaner um 100 n. Ch., dann sehr oft. — ö. Das
Reflexiv als Reciprokum, schon bei Vergil, Horaz aa. Dichtern (me-
trisch bequemer), dann vereinzelt bei Apulejus. besonders ..in se". —
6. pariter, simul (vgl. hierzu ob. Menge!). — Es folgt ein histo-
rischer Rück- und Ausblick: Bis Livius herrscht inter se vor; alter
alterum u. s. w^ ist Reserve; bei Livius selbst tritt invicem ein, das seit
150 — 200 vulgär siegt: früher durch inter se erläutert, erklärt es jetzt
dieses; es herrscht im Bibel- und Kirchenlatein; Hieronymus dagegen,
als Ciceronianer, zieht wieder inter se vor; erst in zweiter Linie kommt
bei ihm invicem, dann das Reflexiv, hierauf mutuo, alterutrum, vicissim ;
25(1 Lateinische Grammatik. (Deccke.)
Augustin hat wieder iuvicem vorwiegend, dann das Reflexiv, hierauf erst
inter se, alterutruni, vicissim, niutuo. Die Juristen bevorzugen inter se;
ebenso die Grammatiker, die Historiker; endlich aber siegt das blofse
Reflexiv.
Einen Nachtrag zur Bezeichnung der Reciprocität im gallischen
Latein liefert R. Thurneysen, ebdt. VII, 523—7.
Es folgen die Deraonstrativa und ßelativa:
J. Bach, De usu pronominum demonstrativorum apud priscos
scriptores Latinos. Studien aus dem Grebiete des arch. Lateins, heraus-
geg. V. W. S tu dem und. Bd. IL Berlin, Weidmann, 1891, ft.
S. 144-415.
Der erste Teil dieser umfangreichen Arbeit war schon 1885 als
Dissertation erschienen. Jetzt bildet dieselbe 2 Bücher, deren erstes
in 5 Kapitel zerfällt. Nachdem in der Einleitung festgestellt worden
ist, dafs hie auf die persona loquens geht, iste auf die persona appellata,
ille auf eine persona tertia nescio quae, handelt: Gap, I von hie nebst
den Adverbien hie. hinc, huc, horsum, abhinc u. s. w. (S. 149—210).
— Gap. II von iste, nebst istic, istuc, istoc, isto, istim u. s. w. Ein
Anhang beseitigt die scheinbar der Deutung von hie auf die 1. Pers.,
von iste auf die 2. Pers, widerspi'echenden Stellen (S. 211—286). —
Gap. III von ille (Gegensatz zu hie), nebst illic, illi, illac u. s. w., auch
post illa(c); auch hier folgen Textverbesserungen (S. 287 — 326). —
Gap. IV de pronominibus demonstrativis inter se excipieniibus. Die nicht
seltene, scheinbar regellose Bezeichnung derselben Person in der-
selben Scene durch verschiedene Pronomina erklärt sich durchweg
aus einem anzunehmenden Wechsel der Stellung der Personen auf der
Bühne und damit einer Verschiebung ihres Verhältnisses zu einander
(S. 327 — 344). — Gap. V de is pronomine. Dieses Pronomen geht nicht
auf eine bestimmte Person wie die 3 anderen, sondern „constauter alia
quadam voce anteposita aut enuutiato adjecto nititur". Es werden zu-
gleich mit is besprochen die Adverbien ibi, ibidem, inde und seine Kom-
posita, interea, interibi, Interim u. s. \v. (S. 344 — 384). — Die folgen-
den Seiten setzen auseinander, dafs seit der silbernen Latinität ein
wesentlich anderer Gebrauch der Demoustrativa aufkommt: ille dehnt
sich aus: is schwindet, zuerst bei den Dichtern, dann auch in der Prosa:
eine Erscheinung, die bis zu den Institutionen verfolgt wird. — Das
zweite Buch (S. 387—415) behandelt die Verbindung und Ver-
schmelzung der Demonstrativa mit vorhergehendem ecce -^ vide. daher
im Akkusativ. — Die Arbeit ist sehr fleifsig und sorgsam gemacht,
auch scharfsinnig und im ganzen überzeugend. Bemerkenswert siud noch
folgende Ergebnisse; Das Pronomen iste erhielt die verächtliche Be-
Syntax. Fürwörter. (Deecke.) 257
deutung erst sekundär, ex usii forensi, von der Bezeichnung- des Ange-
klagten; nie die rühmende durch die häutige lobende Hinweisung auf
die gute alte Zeit. Letzteres entfernte sich vermöge seines v^eiten räum-
lichen wie zeitlichen Bezirks allmählich von seiner ursprünglich engeren
Bedeutung, wnrde dann fast mit is sjaionj'ra und näherte sich der
abgeschwächten Bedeutung des Artikels, in die es im Romanischen ganz
überging (vgl. Ron seh, Semasiol. Beitr., Leipzig 1888, hie, ille, ipse
als Artikel); doch geht Bach hierin, schon für Plautus, vielleicht zu
weit. Die Gegenüberstellung von hie . . . ille „der eine . . . der andere"
begegnet erst bei Accius; älter hiefs es hie ... hie oder ille . . . ille;
nicht archaisch ist hie qui. Wenn zwei Relativsätze au einen Begriff
sich anschliefsen, so wird beim zweiten das Relativ oft ausgelassen, oder
es tritt statt desselben is ein (nie ille); doch kann man diesen, auch aus
der klassischen Zeit und dem Griechischen bekannten, Gebrauch von is
schwerlich mit Bach „relativ" nennen; es liegt vielmehr ein kleines
Anakoluth vor, indem der zweite Satz sich aus der relativischen Ab-
hängigkeit löste und halb parataktisch ward. Die Erklärung dieser Er-
scheinung aber ist noch tiefer zu suchen (vgl. mein Buchsweiler Progr.
1887. über den Ursprung des Eelativs S. 37 ff.). — Die Deutung von
ecce (mit G. Curtius) als Imperativ einer Wurzel ak (richtiger ek)
„sehen'-, so dafs es für *ece stände, ist unhaltbar; das bisweilen hand-
schriftlich vorkommende ecillum u. s. w. beweist dafür nichts. Schwierig-
keit bereiten die Formen, wie eccum u. s. w., in denen nach Bach is
nicht enthalten sein kann, da es, nach obiger Auseinandersetzung, in
älterer Zeit nie demonstrativ war ('?); er sucht daher darin Formen
vom Pronominalstamme ho-, also eccum = ecce *hum; s. hunc =-
*hura-c(e). — Vgl. unten, bei den Partikeln, en und ecce! S. 323 ff.
Zum Gebrauch der betreffenden Fürwörter s. noch:
0. Eiemann, Remarques sur l'attraction du demonstratif et du
relatif en Latin. Melanges. Paris, Renier, article 28.
Vgl. dazu mein Buchsw. Progr. 1887, S. 39.
R. Menge, Über das Relativum in der Sprache Cäsars. Gram-
matisch-kritische Abhandlung. Progr. Halle 1889, 32 S. 4.
Der Artikel qui für Menge's Lexic. Caesarianuni gab den Anlafs
zu dieser Schrift, die eine Ergänzung und Verbesserung Drägers ist
(§ 111—112 nebst 482; 471 — 493); der Nachtrag ist neu. Es werden
9 Fälle unterschieden: 1. Das Relativ bezieht sich auf mehrere vorher-
gehende Substautiva. — 2. Das Relativ erscheint attributiv mit zwei
Substantiven. — 3. qui für uter. — 4. qui omnes. — 5. Anastrophe des
Relativs. — 6. is qui, id quod vor Parenthesen. — 7. qui tamen, qui
quidem. — 8. Schachtelsätze (nur zweimal). — 9. Das Relativ schliefst
Jahresbericht für Altertumswissenschaft. LXXVII. Bd. il89o. IIIi .1"
258 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
einen Satz in der Form aA an und tritt in den Kasus, den a fordert
(nur dreimal, und zwar in lib. I des bell. Gallicum). — An besonderen
Notizen ist etwa noch Folgendes zu bemerken: Nie hat Cäsar quippe
qui u. s. w. ; praesertim qui nur im Bericht des Labienus (bell. Gall. V,
47,4). Bei der strengen Analogie, die Cäsar festhielt, sind wörtliche
Citate aus den Berichten Anderer anzunehmen, wo eine Abweichung von
seinem gewöhnlichen Sprachgebrauche vorliegt; manches aber ist auch
Einschiebung, anderes falsche Lesart. So ist einmal aniraum adversa
neben sechsmal animadversa zu ändern; zweimal quibus cognitis rebus,
einmal blofs quibus cognitis.. neben elfmal quibns rebus cognitis; ferner
der isolierte Konjunktiv im relativ angeschlossenen Satze (bell. civ. III,
111, 4). — Die obige Schlufsfolgerung, daraus gezogen, dafs Cäsar ein
Büchlein de analogia geschrieben hat, ist doch wohl zu willkürlich, be-
sonders wenn man bedenkt, unter welchen Umständen er schrieb. Zu-
dem erging sich sein reicher Geist sicher in mannigfachem Spiel der
Gedanken, das einen lebendigen, vielfach augenblicklichen, ungewohnten
Ausdruck fand. So ist die Sprachform eine vielgestaltige, und es sind
mit Recht auch seltene Fälle und vereinzelte Erscheinungen gegen die
Regel anzunehmen. Warum sollten die Relativa darin eine Ausnahme
machen? — Cäsar zeigt eine Vorliebe für konzessive Relativsätze im
Konjunktiv; ferner für Wiederholung des Beziehungswortes hinter dem
Relativ, z. B. viermal bei dies (aus dem Kurialstil; s. u. Kalb, Sprache
der Juristen!), vereinzelt bei res, iter, clamor, insulae, lex u. s. w. Ebenso
liebt er die Attraktion des Modus. Angeschlossene Relativsätze, die
eigentlich Hauptsätze sind, stehen in der oratio obliqua bald im Akk.
c. Inf., bald im Konjunktiv (gegen Schmalz).
über Zander 's quod und id quod s. unten bei der Satzlehre! S. 320.
Vgl. noch:
F. Devantier, Das lateinische sogen. Relativum in der Ver-
schränkung oder Konkurrenz. Prgr. Friedeberg, 1886, 18 S. 4;
s. Zillgenz in der Woch, f. klass. Philol. IV, 401 flf.; Pätzold
in der Neuen Philol. Rundschau 1887, S. 259 f.
Den Schlufs der Fürwörter bilden die Indefinita:
Alw. Prehn. Quaestiones Plautiuae de pronominibus indefinitis.
Prgr., Strafsburg im E., 1887, 30 S. 4.
Die Arbeit, ohne etymologische oder historische Unter.suchungen,
enthält eine genaue und sorgsame Feststellung des plautinischen Sprach-
gebrauchs der Indefinita, und zwar in 10 Abschnitten, über: quisquis:
nnus nnd ullus: quispiam: qnidam; quisque: quisquam; quis; aliquis:
quicumqne : quilubet und quivis. An einzelnen Ergebnissen und Eigen-
Syntax. Fürwörter. (Deecke.) 259
heiten hebe ich hervor: Die Formel quom eo, quem quiqui ,, trotzdem
und alledem"; hinter dem Imperativ steht nur quidlubet (nie quidquid
lubet); quoiquoimodi ist nicht nachzuweisen; ebensowenig quodpiam,
cujuspiam; wohl aber quaequae, quaepiam (wb,); als gen. comm. werden
gebraucht quisquara, quisquis und quiBijue; der Plural von quisquis und
quidam fehlt; dafür stehen quisquam, aliquis, quisque (siebenmal) mit
dem Plural des Verbs; der Plural von quisque mit dem Superlativ be-
gegnet nur Most. 155 (aber angezweifelt); quicumque steht nie ohne
Verb ; qualiscumque fehlt, auch bei Terenz ; quoquo modo, quoquo pacto
sind üblich; quisquam steht fünfimddreifsigmal adjektivisch bei einem
Maskulinum, dreimal bei einem Femininum und sogar zweimal bei einem
Neutrum (?); quilubet und quivis sind dem Sinne nach nicht unterschieden,
doch ist letzteres häufiger ; von ersterem kommen nur die Formen quid-
lubet und quodlubet vor, einmal quoilubet; in „malum quod tibi di dabunt'"
ist quod nicht indefinit, sondern particula optativa = qui(?), während
Dziatzko es für relativisch hält. — Terenz ist überall zur Vergleichung
herangezogen.
E. Schunck, Bemerkungen über die pronomina indefinita: si quis,
si quisqnam (ullus), si aliquis. Prgr. Sigmaringen, 1891. 29 S. 4.
Der Verfasser giebt in der Einleitung die Ansichten verschiedener
Grammatiker wieder, begründet dann seine eigene, und formuliert die
Regeln neu so: 1. si quis steht, wenn nichts im Satze besonders betont
ist, aufser der lateinischen Betonung des Prädikats. — 2. si quisquam
steht, wenn das Pronomen selbst scharf betont ist, und zwar in beiden
Hälften gleich stark z. B. quisquAm, qnicquäm. — 3. si aliquis steht, wemi
etwas anderes im Satze betont ist (aulser dem Prädikat oder Indefinitum). —
Die Beispiele sind aus Cicero (Tusc, offic, in Verrem V, pro Milone),
Cäsar und Livius entnommen. — S. 15 ff. beschäftigen sich mit Anton" s
Studien z. lat. Gramm. III (s. unten bei den Adverbien!), dessen Unter-
suchung über die Indefinita umfangreich, aber nicht erschöpfend sei.
Die negative Bedeutung von quisquam und ullus wird bestritten. — Die
Autstellungen sind beachtenswert.
Vgl. .7. Gerstenecker si quis, si qui. Blätter f. d. bayr. Gymn.
XXin, S. 310 ff.; 479 ff.
V. Vaccaro, alii = ceteri. Palermo 1889.
Der Plural alii = ceteri ist vulgär, schon bei den Komikern und
Kato; dann bei Sallust-, selten klassisch: häufiger wieder in der silbernen
Latinität und spät.
Zum Interrogativ, jedoch schon zu einer adverbialen Form,
gehört die Bemerkung von:
17*
OßO Lateinische Graruniatik. (Deeckc.)
F. Maixuer, quipenni, quippiui. Zeitschr. f. d. östr. Gyran
XXXVI, 83 ff.
Mit den Adverbien und adverbialen Redensarten beschäfti-
gen sich dann folgende Schriften: .
Ed. Wölfflin, ex toto, in totura. Arch. f. lat. Lex. IV, 144—147.
Das Adverb totaliter ist spätlateinisch; die Glosse toto = oXtu?
zweifelhaft. Die ßedensart ex toto — gr. h, TiavToj, als Variaute für
omnino, hat Ovid dreimal mit Negation, einmal mit posse; ebenso der
Rhetoi' Seneka; herzhafter CqIsus, meist positiv — prorsus; dann spätere
Autoreu : vereinzelt ist ex omni Properz IV, 21, 6. — in totum findet
sich bei Celsus, beim Philosophen Seneka, bei Kolumella, dem älteren
Plinius, Quintilian, auch = in Universum ; oft später bei Ulpian = omnino
..unter allen Umständen", sowie ,,im allgemeinen" (^in uuivei'sura):
vgl. per orania, in omnia: s. Arch. V. 144.
Paul Gerhardt, De adverbiis ad notionem augendam a Plauto
usurpatis. Dissert., Halle. 1892, 48 S. 8.
Eine KontroUieruug der bisherigen Annahmen über diesen Gegen-
stand durch vollständige genaue Nachprüfung. Besonders zu bemerken
ist: multum beim Adjektiv, häufig bei Plautus, fehlt bei Terenz, als vulgär;
nimio steht zweimal mit dem Komparativ, zu bessern in uimis oder nimium
(?; s. die folg. Abhandlung!); vereinzelte aliitterierende Formeln sind:
valide varius; longe longissimus; apprime probus; producte prodigus;
admodum heilst ,, völlig", nicht ,, ziemlich" (s. ob. Rozwadowskü); die
Etymologie von oppido bleibt dunkel; valde und saue wurden synonym
wegen der Begriffsvcrwaudtschaft von valere und sauum esse.
Jac. "W rubel. De vocabulis nimis et nimium apud Plautum et
Terentium. Dissert. class. philol. Cracov. Vol. XIII. Krakau, 14 S. 8.
Etymologie: ni-mis aus ne (s. nihil, nimirum?) und Wurzel
uia (richtiger mc) , .messen", also ,,unmäfsig". Es folgt eine Sammlung
der Stellen, die aber auf nicht ganz ausreichender kritischer Text-
kenntiiis beruht. Resultat: Beide Formen stehen ohne Bedeutungs-
unterschied bei Adverbien, Adjektiven, Verben; sie sinken später in der
Bedeutung herab zu valde: so Cic. Brut. 26, 101 nimis; dann Augustin ;
nimium in der Vulgata. — Pers. 94 wird nihil crudae in nimis crudae
geändert, obwohl dies bei Plautus sonst nie mit dem Positiv steht.
G. Helmreicli, paulum, pnsillum, parum und Synonyma. Arch.
f. lat. Lex. II, 127— 121 1.
"Was heifst ..ein wenig.^ ■ Diese Frage wird besonders aus den
mcdicinischen und kulinarischen Schriften beantwortet. Celsus
Syntax. Adverbien, (üeecke.) 261
hat pauluni, paululum mit Genit. oder, um einen doppelten Genitiv zu
melden, mit ex; exiguum ohne Genit., sonst exigaa pars oder exiguus
modus; pusillum ist vulgär; paulo nur abl. comparat. — Scribonius
Largus hat pusillum; exiguum mit Genit. oder als Adjektiv. — Von
da an fehlt paulum; pusillum noch bei Vegetius. — Theodor. Prise,
hat modicum mit Genit, und modicus als Adjektiv; vereinzelt paucus; oft
quippiam, auch Abi. quopiam mit Genit.; daneben aliquantus und ali-
quantum mit Genit. (auch klassisch). — Cassius Felix hat modicus
und -cum, auch als Adverb; selten parvus, aliquantus. — Apicius
ebenso, auch modice (selten bei Anderen). — Marcellus de medicamentis
hat die grölstc Mannigfaltigkeit; auch parum , pauxillum, pausillum(?),
pauculum, aliquid u. s.w. Nie heifst parum ,,ein wenig", — Ob nicht
die mit ali- zusammengesetzten Formen eine etwas stärkere Bedeutung
haben? Überhaupt wären wohl die Grad-e noch näher zu bestimmen ge-
wesen.
Ed. Wölfflin, frustra, ncquiquam und Synonj'ma. Zum fünfzig-
jährigen Doktorjubiläum von Georges. Arch. f. lat. Lex. II, 1 — 24.
früstra (das a bei Plautus ist sechsmal kurz, nirgends sicher lang)
ist eine Komparativbildung(?) von *fiösus ^ frausns, und zwar, wenn
die Länge des a ursprünglicher ist, abl. sg. fem., wie contra aa. Es
geht auf die Selbsttäuschung. Phrasen sind: fiustra laborare, auch
-laborem suscipere aa.;" nur einmal dafür nequiquam laboi-are; frustra
temptare (poetisch nequiquam t.); -operam oder tempus terere aa. :
dann auch frustra esse u. s. w. — Bei dem zweiten Worte bleibt es
zweifelhaft, ob necpiiquam (Abl.) oder yieqnicquam (Akk.) die richtigere
Form ist; auch die Verwendung entscheidet nicht. Nur zweimal hat
es Cicero, davon einmal poetisch, das andere Mal mit poetischer An-
spielung: auch Cäsar hat es nur zweimal: dagegen lieben es Sallust und
Livius; juristisch ist es nicht. Ein Begriffsunterschied von frustra ist
nicht festzustellen. — Auch elliptisch kommen beide vor, und bei den
Dichtern auch bei Adjektiven; dagegen steht nequiquam nicht mit esse
oder habere, und nicht mit einer Negation . — Synonyma sind: inauiter;
irrito, in cassuni, in vanum aa.; ferner: in vacuum; sine causa, ingratis
aa., zum Teil vulgär u. spät; s. noch S, 89 des Archivs.
Eine interessante Debatte hat sich über einen iidverbialen Aus-
druck entsponnen durch:
W. Heraus, haud impigre. Jahrb. f. klass. Piniol. 1886, 8. 713 -20.
Die Redensart band impigre ..wacker* Liv. XXXII, 16, 11 ist
nicht zu ändern, sondern beruht auf einem logischen Fehler für haud
pigre oder blofses impigre; es lassen sich dafür eine Reihe ähnlicher
Beispiele anführen, auch aus neueren Sprachen. — Dies ist weiter ge-
262 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
schelieii durch Fr. Vogel ehdt. S. 867, der unter anderem haud impigre
auch aus Sali. frgm. nachweist. — W. Heraus, noch einmal haud
impigre. Ebdt. 1891, S. 501—7. — Vgl. hierzu Er. Vogel (Arch. IV,
320—2) über das in privativum, bei den Kompositen oben S. 192.
H. S. Anton, Studien zur lateinischen Grammatik und Stilistik.
Heft 3. Erfurt, 1888, 312 S. 8.
Schon die beiden ersten Hefte behandelten die adverbiale
Partikellehre, besonders die Übersetzung oder Weglassung derdeutscheu
Partikeln ,.nur, noch, schon", und zwar mit reichstem schriftstellerischen
Material und minutiösester Genauigkeit, doch wesentlich nur aus der
klassischen Litteratur, dürftig aus dem silbernen Latein, aus dem archai-
schen und späteren gar nichts, also nicht historisch. — Dies dritte
Heft behandelt in gleicher Weise die Partikel ,, sonst' • = alias, aliter,
alioqui; daran anknüpfend dann aliquis nebst quis, quisquam, uUus
(s. oben Schunck S. 259).
Ferd. Becher, Zum Gebrauch von item. Zeitschr. f. Gyranasial-
wesen XLVI (1892), S. 267-8.
Es ist eine Bemerkung gegen Schmalz' Antibarbarus : item hat
nichts mit der Gleichheit oder Verschiedenheit des Subjekts oder Objekts
zu thun. wie das bei idem und ipse quoque der Fall ist; es hat viel-
mehr, als Adverb, nur mit dem Verbuni zu thun, und zwar steht es
überall da, wo item ut am Platze wäre. Es kopuliert, während ipse
isoliert : quod idem und quod item können dagegen oft miteinander
wechseln.
P. Geyer, loco ■■= ibi. Corament. Woelfflinianae S. 91—95
(erst spätlateiuisch).
S. Ssobolewski, Zur lateinischen Grammatik: über antea. quin
u. s. w. (russisch). Russ. philol. Rundschau II, 63 f.
Die Besprechung der über die Syntax des Zeilwortes erschiene-
nen Schriften beginne ich mit den Untersuchungen über, die ronsecutio
temporum da diese zugleich einen wesentlichen Teil der Moduslehre
in sich schliefst. Ich erwähne als Hauptwerk :
Will, Gardner Haie, The sequeuce of tenses in Latin. Americ.
.Joum. of Philol. VII u. VIII; Sonderabdruck Baltimore, 1887.
52 S. 8. — Snpplementary paper. Ebdt. IX; Baltimore, 1888,
20 S. 8.
Die Frage ist hier von zwei Seiten behandelt: theoretisch und
pädagogisch, von ersterer ausführlicher, von letzterer kürzer. — Der
erste Teil (S. 1—20) ist negativ. Er giebt in 8 Gruppen in einer
Syntax. Zeitwörter. Consec. temporum. (Deecke.) 268
Auslese von Beispielen ein reiches Material zur Zeitenfolge: 1. in Folge-
sätzen nach ut: a. Präsens; b. perfect definite; c. Aorist. — 2. in
relativen Folgesätzen, mit denselben drei Unterabteilungen. — 3. in
Kausalsätzen. — 4. in Konzessivsätzen. — 5. in indirekter Rede. —
6. in Bedingungssätzen. — 7. in couclusious, softened Statements. —
8. in Finalsätzen. — Das Resultat ist: „In der grofsen Masse der Kon-
struktionen drücken das Präsens, Perfekt (definite) und der Aoiist des
Konjunktivs direkt die zeitliche Anschauung der- augeführten Hand-
lung aus, wie sie dem Geiste des Sprechenden in dem Augenblicke der
Äufserung des betreffenden Verbs erscheint". In der grofsen Mehrzahl
der Fälle also findet keine Zeitfolge statt. — Xach demselben Schema
werden dann die übrigen Zeiten des Konjunktivs (Imperf. u. Plusquam-
perf.) behandelt, und ergeben dasselbe Resultat. — Der zweite Teil
(S. 21 — 34) ist positiv: „Die Zeit des abhängigen Konjunktivs bringt
zeitliche Bedeutung mit sich, genau wie es die Zeit eines unabhängigen
Konjunktivs oder Indikativs thut". — Es wird dann die Frage aufge-
worfen, ob Erscheinungen vorgebracht werden können, welche diese
Hypothese nicht hinreichend erklären kann, und es werden 6 Einwände
aufgestellt und widerlegt: 1. Die Mehrheit der Fälle stimmt zur Zeit-
folge. — 2. Bei den antequam- und dum- Sätzen findet keine Ausnahme
statt. — 3. Das Imperfekt in den sogen. ,,clauses of result" nach Neben-
zeiten. — 4. Der Gebrauch einer Nebeuzeit des Konj., in Verbindung mit
einem Hauptverb in der Vergangenheit, um Gedanken auszudrücken, welche
Thatsachen entsprechen, die als wahi' bekannt sind im Zeitpunkte des Spre-
chens oder auch als allgemein wahr. — 5. Der Gebrauch einer ISebenzeit des
Konj. in Verbindung mit Bedingungen und Schlüssen, die der "Wirk-
lichkeit entgegengesetzt sind, um Gedanken auszudrücken u. s. w. wie
in 4. — 6. Der gewöhnliche Gebrauch von -urus fuerit u. s. w. nach
Hauptzeiten, um Schlüsse auszudrücken, die der Wirklichkeit wider-
sprechen. — Hiervon erledigen sich 1. u. 2. von selbst; 3. als streng-
logisch u. s. w. Diese Widerlegungen siud zu kurz und nicht tief genug.
— Der dritte Teil stellt als ein Ergebnis des ersten den Satz auf:
,,Jede Verbindung zeitlicher Gedanken (Haupt- und Nebengedanken)
ist im Latein des Ausdrucks fähig, und ist die Verbindung eine unge-
wöhnliche, so ist das UQtergeordnete Verb, allein und an und für sich,
fähig zum Ausdruck der zeitlichen Beziehungen, ebenso vollständig, wie
ein unabhängiges Verb es sein würde". Die Einwände hiergegen sind
schon im zweiten Teil widerlegt. Es bleibt noch ein Bedenken: „Die
lebendige Kraft der Zeit tritt in den ungewöhnlichen Konstruktionen
hervor, nicht in den gewöhnlichen'. Dies Bedenken wird durch 7 Gegen-
momente zu wiederlegen gesucht. — Der vierte Teil ist konstruktiv,
giebt aber keine bestimmten Regeln. — Der fünfte Teil behandelt die
0(^4 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Geschichte der Lehre von der Zeitenfolge, von Lieven (1872) bis
Schmalz, und ihre Aussichten für die Zukunft, — Der Nachtrag
ist gegen die Anzeige ven Gildersleeve, ebdt VIII, 8. 228—231 ge-
richtet, wonach z. B. in CRsars bell. Gall. von 1015 Fällen nur 47 den
allgemeinen Kegeln der consec. temp. widersprechen. — Es wird S. 18
eine gewisse Assimilation der Zeiten anerkannt; dann S. 19— 20 eine
Fassung der neuen Ansicht in Regeln versucht, die aber nicht ganz
glücklich ausgefaHen ist: die erste Eegel in 15 Zeilen ist äufserst
schwerfällig; die zweite hat doch wieder 2 Ausnahmefälle.
Wegen des engen Zusammenhangs mit der eben besprochenen
Arbeit führe ich hier gleich an, von demselben Verfasser:
"Will. Gardner Haie, The cum- Constru<itions, their history and
functions. Part I. Critical; IL Construction. Studies of Class. Philol,
of the Coruell University. Ithaca N, Y. 1887—9, p. 74 and 260, 8.
Auch in deutscher Übersetzung:
Will. üarduerHale, Die Cum Konstruktionen, ihre Geschichte
und ihre Funktionen. Übersetzt von A. Neitzert. Mit einem Vor-
worte von B. Delbrück. Leipzig, Teubner, 1891, 341 8. 8.
Der erste, kritische Teil dieser Arbeit enthält in 7 §§ eine
Widerlegung sämtlicher bisherigen Theorien, besonders auch der augen-
blicklich in hervorragender Gunst stehenden Hoffmaun-Lübbertschen
Lehre vom absoluten und relativen Tempusgebrauch; s. meinen Jahresber.
f. 1883—84, S. 206—214 über Hoffraauns Studien, Kluge und
Wctzel. Der Hauptpunkt ist der: Woher stammt der Konjunktiv beins
historischen und kausalen cum? Er ist nicht relativ, sondern der
cum-Satz drückt die Situation aus, zu der Zeit, da die Hanpthandlung
eintrat; er steht also auf die Fra^^e: Wie standen die Dinge zu der
Zeit, wo sie eintrat? — Im zweiten, konstruktiven Teil, der weit
un)fangreicher und auf ein reiches Beispielmaterial aufgebaut ist, ent-
hält von den 8 Kapiteln: I die Fragestellung. Die Lösung mufs sich
ergeben aus einer Vergleichung der cum- mit den qui-Konstruktioneu.
Diese werden in II — III untersucht, nach allen ihren Arten und Unter-
arten, ihren Beziehungen untereinander und ihren Entwicklungen aus-
einander. Die Kategorien und Tabellen am Schlüsse aber zeigen, dals
das Gebäude zu künstlich ist. Ferner, bei der Anwendung der Resultate
auf die cum-Sätze, ergiebt sich, dafs der Indikativ steht, wenn sie indi-
kativischen, der Konjunktiv, wenn sie konjunktivischen qui-Sätzen ent-
sprechen. Dies ist natürlich, da cum, richtiger qnom, selbst nur ein
relatives Adverb i&t, wie ich in meinem Bachsweiler Programm 1887,
S. 37 ff.: S. soff, dargelegt und das Gleiche in erweitertem Umfange
für fast sämtliche subordinierenden Konjunktionen ausgefühit habe. -
Syntax, Zeitwörter. Modi u. Tempora. (Deecke.) 265
Es folgt iü IV die individuelle Entwicklung des qualitativen cuni-
Satzes, in V diejenige der cum-Sötze überhaupt. — Kap. VI erörtert
den Einflufs der cnni-Konstiuktionen auf diejenigen mit posteaquam, ubi
und dum. — Kap. VII handelt von den verschiedenen Methoden der
syntaktischen Forschung in ihrer Anwendung auf die cum -Sätze, be-
sonders in Gröhe's Dissertation de usu Terentiano particularum tempo-
ralium, in Greenough's Analysis of the Latin Subjunctive, in Allen-
Greenough's lateinische)- Grammatik und Haases Vorlesungen 188U.
— Das Kap. VIII endlich bringt die Resultate : Am leichtesten zu er-
kennen und zu erklären sind von den verschiedenen cum-Konstruktionen,
in Parallele mit deu quiSätzen: 1. der parenthetische (aside-) Satz,
der eine Nebenbemerkuug oder Abschweifung enthält; 2, der weiter-
führende Satz, der einen Fortschritt der Handlung bringt und zum
cum inversum hinüberführt; 3. der verallgemeinernde Satz, der
eine Thatsache behauptet (im Indikativ); 4. der verallgemeinernde
Satz ideellen Inhalts (im Konjunktiv, in allen Zeiten); 5. der ver-
allgemein ei'u de Salz in der zweiten Pers. Sg. , in unbestimmtem
Sinne. — In ihrer einfachsten Form sind auch die drei folgenden Arten
leicht zu erkennen: 6. der determinierende Satz; 7. der konjunk-
tivische charakterisierende (d. i. qualitative), und 8. der indi-
kativische charakterisierende Satz. Aus diesen drei letzten Arten
aber haben sich mannigfache andere, schwieriger erkennbare Formen
entwickelt. Der determinative cum - Satz giebt deu Zeitpunkt der
Hauptliandlung an; der charakterisierende cum-Satz mit vorhergehendem
Pronominalwort drückt den Charakter der Zeit aus, in welcher die
Haupthandlung stattfand : hieraus entwickelte sich einerseits 9. der
kausale und 10. der adversative cum-Satz, andrerseits 11. der histo-
rische (narrative); doch gehen diese Arten durch unmerkliche Stufen
daraus hervor und auch ineinander über (vgl. dazu in etwas einfacherer
schärferer Fassung mein oben citiertes Progi-amm S. 51 und 52, sowie
die Erläuterungen zu meiner lat. Schulgrammatik S. 420 — 421 ; 431).
Alle diese Sätze haben den Konjunktiv (subjunctive) aus dem oben
angegebenen Grunde, dafs sie die Lage der Dinge augeben (the
Situation). Der indikativische cum-Satz dagegen bestimmt die Zeit, in
welcher die Haupthandlung stattfindet (the date). Auch diese Art der
cum-Sätze kann übrigens eine kausale oder adversative Nebenbeziehung
haben (?). Die Hauptfrage aber bleibt immer: „Welches war die Zeit,
da . . .?" Demnach steht der Indikativ im reinen Zeitsatze (clause of
date); der Konjunktiv: a) im Zeitlagesatz (clause of Situation and
date — unklar!); b) im erzählenden Lagesatz (narrative clause of
Situation), einleitend oder folgend (zu allgemein !) ; c) im kausal-adversa-
tiven Satze (der Lage). — Im charakterisierenden Satze ist der
25(3 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Unterschied des Modus der, dal's nach einer vorangehenden Selbst-
bestimmung (self-detining antecedent) der Indikativ steht (?), sonst der
Konjunktiv. — Als Gesamtresultat ergiebt sich, dafs die bemerkens-
wertesten und schwierigsten Konstruktionen der lateinischen ßelativa
(qui, cum, ut u. s. w.), nämlich die konsekutive, charakterisierende
(qualitative) und erzählende (historische), nicht isoliert und getrennt
sind, sondern Entfaltungen einer ursprünglichen Konstruktion „der un-
abhängigen konjunktivischen Behauptung ideeller Gewifsheit" (the in-
dependent subjunctive assertion of an ideal certaiuty). — Dieser letztere
Ausdruck ist nach meiner Ansicht nicht gerade glücklich gewählt, da er
keine klare Vorstellung gewährt, ja eigentlich einen Widerspruch enthält:
eine ideelle Gewifsheit ist eben keine Gewifsheit. Auch ist die ganze
Entwicklung inkorrekt: erstens weil von der Thatsache auszugehen war,
dafs das Relativ sich aus dem Interrogativ entwickelt hat (s. mein
wiederholt citiertes Buchsw. Progr.!); zweitens, weil zu berücksichtigen
war, dals der lateinische Konjunktiv aus dem echten Konjunktiv und
dem Optativ gemischt ist, so dafs eine Reihe seiner Anwendungen
optativischen Ursprungs ist. — Ein Anhang enthält Reste alter Kon-
struktionen. Dies sind: 1. der indikativische qualitative Satz
nach unbestimmten ..antecedeuts", bei Varro, Cäsar, Cicero (besonders
in den älteren Schriften). — 2. Der indikativische kausale rela-
tiv ische Satz mit quippe qui, -nbi, utpote qui, ut apud quos, bei
Lukrez, Sallust, Livius, Tacitus, vielleicht Cicero (anders zu erklären, s.
mein Progr. S. 51; Erläut. S. 426). —3. Der indikativische kausale
cum -Satz, bei Lucilius, Lnkrez, Varro, C. I. L. — 4. Der indi-
kativische erzählende cum -Satz, weit verbreitet bis Gellius. —
Von diesem älteren Sprachgebrauch wäre auszugehen gewesen, und der
psychologische Prozefs der Umwandlung der Anschauung hätte näher
begründet und klargelegt werden müssen. — Den Schlufs bildet ein
kurzer Überblick der Geschichte der cum-Sätze.
Eine teilweise Widerlegung Ilale's hat der von ihm angegriffene
Hoff manu versucht:
■ E. Hoffmann, Das Modusgesetz im lateinischen Zeitsatze. Aut-
wort auf Hale's The cum-Consti-uctions. W^ien, Gerold. 1891, 43 S. 8.
Als Grundfehler Hale's sieht Hoffraann an, dafs er zwischen der
Verwendung des Imperf. und Plusquaraperf. Konj. im syntaktischen
Verbände und der in unabhängigen Sätzen nicht zu unterscheiden
vermöge. Es liegt hier allerdings eine Schwäche Hale's, da es ihm ent-
schieden nicht gelungen ist, die Biücke z. B. zwischen dem historischen cum
mit impf. conj. und dem letzteren Tempus als Potentialis der Vergangenheit
und Irrealis zu schlagen. — Ferner bekämpft Hoffmann Hale's Behauptung:
Syntax, Zeitwörter. Modi u- Tempora. (Deecke.) 267
, Relativität ist mir in derVergangeuheit möglich; relative Gleichzeitigkeit,
relative Dauer in der Zukunft kann es ebenso wenig geben, wie ein zustand-
liebes Futur überhaupt (!) : das noch nicht Seiende kann nicht als in
einer Dualität seiend hingestellt werden (!)". Diese Behauptung ist
allerdings unbegründet und unhaltbar; s. meine Erläuterungen, S. 369.
Es hängt ferner hiermit zusammen der Streit darüber, ob gewisse
gleichlautende Formen des Verbs Perf. Konj. oder Fut. exact. Indik.
sind; jedenfalls vertritt in bestimmten Fällen das erstere Tempus auch
den fehlenden Konjunktiv der letzteren Zeit. — Auch Hale's „praktische
Relativität" bekämpft Hoffmann als verwirrend, da sie vermengt sei
mit der syntaktischen Relativität; sie sei vielmehr logische Relation. —
Ausführlich erörtert endlich ist die Konstruktion von postqnam (S. 10
— 17); dann von cum (S. 17 ff), wobei er zugiebt, dafs seine frühere
Auffassung des partitiven cum . . . tum verfehlt gewesen. — Übrigens
habe ihn Haie ^^elfach mifsverstanden.
Die unter der Jahreszahl 1885 erschieneneu „Beiträge" von
M. Wetzel zur consecutio temporum habe ich schon im Jahresber. für
1883 — 4, S. 209 — 214, eingehend besprochen. Inzwischen ist von dem-
selben Verfasser erschienen:
M. Wetzel, Das Recht in dem Streit zwischen Haie und Em. Hoff-
mann über die Tempora und Modi in lateinischen Temporalsätzen
(Sonderabdruck aus dem „Gymnasium" X, N. 1—2). Nebst einem
Anhange, enthaltend Erklärungen gegen zwei Besprechungen meiner
Schrift: „Selbständiger und bezogener Gebrauch der Tempora im
Lateinischen", Paderborn, Schöningh, 1892. 47 S. 12.
Im wesentlichen an Hoff mann festhaltend, unterscheidet Wetzel,
unter einer gewissen Beeinflussung durch Haie: 1 . rein absolutes Tempus :
2. absolutes Tempus mit praktischer Relativität (ein unglückliches Mittel-
ding in unklarem Ausdruck!); 3. streng relatives Tempus. Er will
dabei seine früher ausgesprochenen Ansichten nicht modifiziert haben,
s. Berl. Philol. Woch. 1892, N. 39. — Die beiden bekämpften Be-
sprechungen der älteren Schrift waren diejenigen von H. Blase in der
Woch. f. klass. Philol. 1891, N. 26, und von K(arl) S(ittl) im Liter.
Centralblatt 1891, N. 27. —
Die in obigem Titel erwähnte Schrift desselben Verfassers lautet
vollständig:
M Wetzel, Selbständiger und bezogener Gebrauch der Tempora
im Latein (zugleich eine Entgegnung auf die gleichnamige Schrift
von H. Lattmann). Paderborn, Schöningh, 1890, 107 S. 8.
Da sie ohne die Lattmannsche Schrift nicht verständlich ist,
so bespreche ich diese zuerst:
268 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
H. Lattmann , Selbständiger und bezogener Gebrauch der
Tempora im Lateinischen. Göttingen, Vandenhoeck u. Ruprecht
1890, IV u. 150 S. 8.
Diese Schrift, vom Sohne des älteren Lattmann verfal'st, ent-
hält eine Weiterbildung der Lattmanu - Müllerschen Verbalsyntax,
unter Einfluls von Wetzeis älterer Lehre. 8. 5 — 14 geben, wesentlich
nach Haie, eine Widerlegung Hoffmanns, dessen Lehre vom abso-
luten und relativen Terapusgebrauch zwar im Prinzip anerkannt, aber
anders bestimmt wird. Seine ,, Relativität" sei unklar, indem bei ihm
temporale und modale Auffassung durcheinander gingen: vielmehr drücke
der Konjunktiv zugleich immer temporale Beziehungen aus (?).
Es wird dann so definiert: „Selbständig (absolut) wird ein Tempus ge-
braucht, wenn durch dasselbe die Zeit der Handlung allein vom
Staudpunkte des Redenden aus, ohne Rücksicht auf die Zeit einer
anderen Handlung, bezeichnet wird". Zunächst nun haben alle Tempora
selbständige Bedeutung, auch im Konjunktiv (dies mit Wetzel gegen
Hoifmann und Lattmann - Müller). Das Perfekt aber hat von seinem
doppelten Ursprung her doppelte Bedeutung, sofern es aus dem eigent-
lichen, präsentischen Perfekt auf -i (-vi, -ui) und dem Aorist auf -si
gemischt ist: dies gegen Wetzel, der vom präsentischen Perfekt allein
ausgeht und daraus auch das historische ableitet. — Ferner fügt Latt-
mann den selbständig gebrauchten Zeiten auch diejenigen der conjugatio
periphrastica hinzu als „Tempora der bevorstehenden Handlung",
so dafs mit den Zeiten der vollendeten und der dauernden Handlung
eine Dreiteilung entsteht (vgl. meine Erläuterungen S. 81). — ,,Wird
dagegen die Handlung zugleich auch in ihrem temporalen Verhältnis zu
einer andern Handlung festgelegt, so liegt bezogener (relativer)
Terapusgebrauch vor". — S. 45 ff. wird dargelegt, wie diese Entwicklung
stattgefunden habe. Lattmann bekämpft hier Haie, der die Relativität
nur beim verbum intinitum zugebe: was nicht ganz richtig scheint,
sofern derselbe nur die Hofi'manusche Auffassung der Relativität beim
verbum finitum bestreitet. Lattmanu aber wirft ihm vor, dafs er die
Lattmann-Müllersche Auffassung zu sehr mit der Hoffmannschen ver-
menge. — Man sieht, wie verwickelt das Ganze durch die mangelhafte
Schärfe der Bestimmungen und die wiedeiholten Verbessernngsvorschläge
der ursprünglichen Lehre geworden ist. — Wenn ferner Haie die Ent-
stehung der (praktischen) Relativität so begründet: „Die Tempora be-
zeichnen zunächst selbständig die Zeitsphäre und den Entwicklungs-
zustand der Handlung: dazu tritt dann durch das Verständnis des
Hörers als dritte Vorstellung unbewufst die der Vorzeitigkeit
oder Nachzeitigkeit zu der Zeit, welche der Redende als seinen ge-
dachten Zeitpunkt im Sinne hat": so nimmt Lattmann mit Recht an
Syntax. Zeitwörter. Modi u. Tempora. (Deecke.) 269
dem ,,nnbe\vufst" Anstofs und ersetzt es durch „unwillkürlich"; auch
ist die Umschreibung mit dem „gedachten Zeitpunkt" schief. — Der
bezogene Gebrauch der Zeiten nun gliedert sich nach den Kategorieen
der Vor-, Gleich- und Nachzeitigkeit. Die Gleichzeitigkeit ferner
zerfällt in Kongruenz (strengeres Zusammenfallen der beiden Hand-
lungen) und Koincideuz (blofses Gedankenverhältnis). Diese Dar-
stellung, gegen Wetzeis verwickeitere Lehre gerichtet, enthält zugleich
eine Verbesserung zu des Verfassers eigener Ansicht in der Schrift de
coincidentia apud Ciceronem (s. S. 273). — Die temporale Beziehung
nun ist unabhängig von dem syntaktischen Verhältnis der Sätze
(so auch Wetzel), auch in der Beiordnung (gegen Hoffraann); ebenso
vom Modus. — Die temporale Beziehung ist aber nur möglich zwischen
Handlungen gleicher Zeitsphäre (?); doch tritt dieselbe, auch wo
dies der Fall ist, keineswegs immer ein; sie unterbleibt vielmehr
oft, und es ist dann dem Hörer (resp. Leser) überlassen, sie selbst zn
ergänzen. So gestattet der bezogene Gebrauch der Tempora eine ge
wisse Freiheit und ist bis zu einem gewissen Grade dem subjektiven
Belieben unterworfen. — Diese Ansicht bringt allerdings grofse Un-
sicherheit in die gesamten Ausführungen! — Der Verfasser geht dann
die einzelnen syntaktischen Verhältnisse durch, um zu untersuchen, ob
in ihnen der selbständige oder bezogene Tempusgebrauch bevorzugt
wii'd. Schon AVetzel hatte aufmerksam gemacht, dafs sich hier nur ge-
wisse vorläufige Resultate geben lassen, da es noch an der nötigen voll-
ständigen Statistik fehle; auch erschwert die historische Entwicklung
die Feststellung glatter Resultate. Am schwankendsten zeigen sieb
jedenfalls die Kausal- und Konzessivsätze; dann die Vergleichungs- und
Relativsätze; doch sind viele Beispiele unsicher. — In Hinsicht der
nominalen Verbalfornien weicht Lattraann von Wetzel ab, der im
allgemeinen die Zeiten der einem Infinitiv oder Particip untergeordneten
Verba auf das regierende verbum finitum bezogen wissen will, und
stellt dagegen Folgendes auf: a) Die schon in direkter Rede bezogenen
Tempora werden auch in abhängiger Rede auf das nun im Infin. oder
Particip stehende verbum regens bezogen: dabei wird der temporale Wert
des Infinitivs durch das regierende vb. finitum bestimmt, da das vb. infinitum
an sich nur die Entwicklungsstufe der Handlung ausdrückt z. B. bene fecit
quod mansit (ist mansit bezogen?) — dico eum benefecisse quodmanserit
-^ dixi eum bene fecisse quod mansisset. — b) Die in direkter Rede selb-
ständigen Zeiten werden, abhängig, bezogen auf das einleitende vb. finitum.
— Aus dem Unterschiede der selbständigen und bezogenen Zeiten folgen
die Regeln der cousecutio temporum (vgl. meine Erläuterungen S. 443 — 4).
Für die Schule ist diese ganze Entwicklung nicht einfach und durch-
sichtig genug: auch ist noch zu vieles unsicher.
270 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Aus Wetzeis oben angegebener Schrift ist gegen Lattmann
besonders Folgendes zu bemerken: Aus Kap. II: Nach logischem
Perfekt in iterativen Sätzen ist präteritale Zeitfolge die Regel, —
Aus Kap. IV: In einer von einem Präteritum abhängigen Rede finden
sich bei Cicero nicht selten selbständige Zeiten. — Haupttempora
drücken nur die Handlungen aus, denen diese Tempora vom Stand-
punkte der Gegenwart des Schriftstellers aus zukommen z. B. in Sen-
tenzen. — S. 31: Konjunktiv und Infiu. Perf. haben auch in Abhängig-
keit von einem Futurum präteritale Zeitfolge. — Im ganzen ist Lattmann
klarer, Wetzel schiebt bedenkliche Abstufungen und Mittelglieder ein.
So erklärt er: „Ein Tempus kann absolut und zugleich in gewissem
Sinne relativ sein" ; er nimmt Abstufungen der temporalen Beziehung,
eine „gesteigerte" Relativität an z. B. ganz absolut: creditnm est,
discessum est; zugleich relativ: credebatur, discessum est; reine Rela-
tivität: quod credebatur, discessum est; gesteigerte Relativität: cum
crederetur, discessum est (cum mit Indik. ist absolut, mit Konj. relativ). —
Hier spielen doch andere Dinge mit hinein! — So unterscheidet er auch
eine subjektive und eine objektive Relativität, z. B. quae perspexisset,
renuntiat ist objektiv (vom Standpunkte der Gegenwart aus); quae
perspexerit, renuntiat ist subjektiv (vom Standpunkte der Zeit der
Handlung des Hauptsatzes aus). Ahnlich ist es beim Futurum: da ist
das Präsens subjektiv, das Futurum objektiv. — S. 48: Die Über-
einstimmung der Tempora bei kongruenten und koincidenten Handlungen
beruht nicht auf der zeitlichen Kongruenz, sondern auf der engen Zu-
sammengehörigkeit der Sätze (?). — Der Ausdruck „korrelative"
Sätze wird vorgeschlagen für solche Sätze, ,,in denen die eine Handlung
die Voraussetzung oder Bedingung der andern ist, mit dieser in kausalem
oder konzessivem Zusammenhange steht und bei derselben als Tliatsache
vorliegt". Die Gesetze werden so formuliert: I. Gleichzeitige Hand-
lungen stehen immer in gleichem Tempus. — II. Vorzeitige Hand-
langen im Nebensatze werden ausgedrückt: a. bei übergeordnetem Präsens,.
Imperf., Futurum durch das entsprechende die Vorzeitigkeit bezeichnende
Tempus: b. bei übeigeordnetem Perfekt durch gleiches Tempus z. B.
quotiescumque me petisti, tibi obstiti (?). — Es giebt nun iiber viele
Ausnahmen: I gilt nicht für Temporalsätze (S. 58), ausgenommen mit
Konjunktionen der Gleichzeitigkeit. Bei II steht oft Imperf. oder Plus-
(iuamperf. im Hauptsatze neben Perfekt im Nebensatze, oder um-
gekehrt u. s. w.; sogar die iterativen Sätze stimmen nicht. — Die
Belege sind fleifsig gesammelt; doch liel'sen sich nicht für alle Be-
hauptungen sichere Beispiele beibringen.
Die Hauptschrift Hale's und z. T. zugleich die durch sie ver-
anlalsten Streitschriften sind besprochen: von H. Roby in der Acad.
Syntax. Zeitwörter. Modi u. Tempora. (Deecke.) 271
No. 894, p. 433; von K. Sittl Archiv f. lat. Lex. VI, 2851; von M.
Hey n acher iu der Wochenschr. f. klass. Philol. VII. 739ff. ; von H. Blase
Wochenschr. f. klass. Philol. VIII, 4G4ff.; 716ff.; C. Stegraann Jahrb.
f. klass. Philol. 142, S. 454— 474; Zeitschr. f. d. Gymn. 45, 432ff.:
C. Weyman Blätter f. d. bayr. Gymn. 28, 299ff.; J. Golling Zeitschr.
f. d. östr. Gymn. 42, 612ff.; E. Zimmermann Nene Philol. Rundsch.
1891, S. 177ff. u. s. w.
Es folgen noch eine Reihe kleinerer, hierhergehörender Arbeiten
und Aufsätze:
Jos. Kühl, Die Zeitenfolge im Lateinischen und Deutschen.
Progr. Jülich 1889, 13 S. 4.
Die consecutio temporum beruht auf dem klaren Gesetze, dafs
Aussagen, die sich auf dieselbe Zeitstufe beziehen, auch dasselbe gramma-
tische Tempus haben müssen (?). Im Deutschen liegen zwei Gründe
der AbweichuDg' vor: 1. Die Ausbreituug des Irrealis; 2. die Ver-
schiebung der Konjunktivformen in der abhängigen Rede, schon von
Ulfila an. — Eine Fortsetzung dieser Schrift soll die abhängige
Rede behandeln.
F. Devantier, Die Lehre von der consecutio temporum in der
Ellendt-Seyffertschen Grammatik §. 244—245. Neuer Philol. An-
zeiger I, 73 ff.
Meist richtige Aussetzungen.
G. Ihm, Zur Fassung der Regel über die consecutio temporum.
Zeitschr. f. d. Gymnasien 43, S. 256;
s. unten Hug über die consecutio des Präsens!
H. Lattmann, Die Tempora der lateinischen Modalitätsverba
in Nebensätzen. Philologus, Suppl. VI, S. lG3ff.
Ferner englisch:
Säle, Sonnenschein, Mayor, On the consecution of tenses
iu Latin after a principal verb in the perfect absolute. Class.
Rev. III, 6 ff.
F. A. Kirkpatrick, The latiu aorist subjunctive. Class. Rev.
IV, 342ff. ; dazu E. A. Sonnenschein ebdt. 398f. und wieder
Kirkpatrick V, 67f.
Einen besonderen Fall behandeln:
Arn. Hug, Die consecutio temporum des praesens historicum
im Lateinischen. Rhein, Mus. XL, S. 397 — 414.
Die Schrift ist die Verteidigung und Vervollkommnung einer
früheren Arbeit „Die cousec. temp. des praes. bist., zunächst bei
•_)72 Lateinische Grammatik. (Dcecke.)
Cäsar' (Jahrb. f. Philo). 81, 1866, S. 877 ff.) gegen E. Hoffraauus
Studien auf dem Gebiete der lateinischen Syntax, 1884 (s. Jabresber.
f. 1883 — 84, S. 206 — 207); doch werden einzelne Verbesserungen durch
Hoffmanns weitergreifende Studien anerkannt, auch die ßegelfassung
in den Jahrb. f. Philol. 1882, S. 281 verbessert. Hinzugenommen sind
Ciceros Verrinae und Livius IIb. I — II. Danach stellen sich jetzt die
Regeln so: I. Die indikativischen Nebensätze des praes. bist, be-
halten ihr Iniperf. und Plusqnaraperf. immer bei, mit Ausnahme der
Eelativsätze mit quam und dem Superlativ oder korrelativer Sätze mit
tantum quantum, quicunque u. s. w'. Es wird Hoffmann zugegeben,
dals quam (maxime) potest eher eine Beschränkung des Grades ent-
hält; ferner dafs bei quautus maximus nicht immer Assimilation des
Tempus stattfindet. — II. Konjunktivische Sätze: 1. Die Sätze
mit cum und Imperf. oder Plusquampf. Konj. bleiben unverändert,
ausgenommen in der oratio obliqua. — 2. Die übrigen konj. Sätze:
a. wenn der Nebensatz nachfolgt, so können beide Konstruktionen
stehen; b. wenn er vor angebt, so steht in der Regel das Imperf.,
ausgenommen wenn das vorhergehende Verb schon im Präsens steht,
oder bei kurzen indirekten Fragesätzen, deren Verb sich ganz in der
Nähe des vb. tinitum befindet. — Das Problem ist hiermit wohl gefördert,
aber weder historisch, noch auch nur klassisch oder pädagogisch voll-
kommen gelöst.
Vgl. hierzu:
G. Ihm, Die cousecutio des praesens historicum. Berl. Philol.
Woch. VIII, 35 f.: 67 f.; 100; s. vor. Seite.
Ferner :
Felix Hartmann, Über den Konjunktiv der Futura. Arch.
f. lat. Lex. III, S. 337—354.
Aus einer vollständigen, systematisch geordneten Sammlung
sämtlicher ciceronianischen Stellen mit dem Konj. der conjug. peri-
phrastica sucht der Veifasser zu beweisen, dafs die bisherigen Regeln
über den Gebrauch desselben irrig sind. Ohne die Unterscheidung
selbständiger und bezogener Tempora (s. oben!) läfst sich die Tempus-
folge nicht erklären. Die T^mschreibung steht nämlich nur in solchen
Fällen, wo der Konjunktiv des Nebensatzes vom Tempus des über-
geordneten Satzes entweder völlig unabhängig ist oder sich doch einer
weitgehenden Selbständigkeit erfreut, wie in Konsekutiv-, Kausal-,
Konzessivsätzen, in konjunktivischen Relativsätzen, Bedingungssätzen
und indirekten Fragesätzen. — Die „weitgehende" Selbständigkeit
mancher dieser Satzarten lälst sich freilich recht sehr bestreiten. —
Die conj. periphrastica dagegen findet sich überhaupt nicht in Substantiv-
sätzen nach den Verben des Aufforderns, des Geschehens, in Absichts-
Syntax. Zeitwörter. Modi u. Tempora. (Deecke.) 273
und Temporalsätzen : dies sind eben Sätze, in denen nahezu ausschliels-
lich bezogene Tempora stehen. Demnach liegt der einzige Grund im
Unterschied des bezogenen und selbständigen Tempusgebrauchs (?). —
Auch diese Untersuchung- läi'st ihrer Beschränkung wegen keine all-
gemeinen oder sichern Schlüsse zu, ist auch in ihren Ergebnissen nicht
präzise genug. Die Gründe der Erscheinung liegen zum Teil ganz wo
anders: s. noch besonders die Sätze mit quin!
Mit einzelnen Schriftstellern ferner beschäftigen sich:
Ad. Wirtzfeld. De consecutioue temporum Plautina et
Terentiana. Dissert. v. Münster. Siegburg 1889, 47 S. 8.
Im Gegensatz zu Rothe betont der Verfasser die schriftstellerische
Individualität des Plautus scharf, sowie die metrischen Rücksichten,
die aber doch wohl in Übereinstimmung mit der Umgangssprache standen
(S. 44). — Die im dramatischen Dialog häutige Beziehung der Neben-
handlung auf die Zeit des Sprechenden wird oft durch Adverbia an-
gedeutet. So ist das Perfekt mit nunc, hoc, hodie, modo als perf.
logicum präsentisch. — Streng ist schon in dieser älteren Zeit die
cousecutio in den Finalsätzen. Den Unterschied absoluter und relativer
Tempora erkennt der Verfasser nicht an oder benutzt ihn wenigstens
nicht. Von den Sätzen, die sich an einen Infinitiv anschliefsen, handelt
§ 9. — Nach dem praes. histoi-icum (s. S. 271 f.) überwiegt bei Plautus
präseutische cousecutio, bei Terenz schwankt die Zeitfolge.
Herm. Lattmann, De coincideutiae apnd Ciceronem vi atque
usu. Göttiugen, Vaud. und Rupr., 1888, IIG S. 8. S. die Anzeige
von M. Wetzel, Jahrb. f. klass. Philol. 1889, S. 831-839.
Der Verfasser verteidigt und ergänzt auch hier die Lehre seines
Vaters. Koincidenz, durch Gleichheit des Tempus ausgedrückt, ist
vollständiger zeitlicher und sachlicher Zusammenfall zweier Handlungen
(später unterscheidet er dies als „Kongruenz* von der loseren Form,
(s. S. 269). — Kap. I. Es sind drei Fälle zu unterscheiden: 1. Kon-
gruenz: 2. Antecedenz; 3. inkongruente Gleichzeitigkeit. — Kap. II — III:
Inhalt und Form der koincidenten Sätze, und zwar II verschiedene
SIpielarten der Koincidenz, III die Tempus- und Modusverbindungen im
koincidenten Satze. — Der Verfasser hat den Begriff der Koincidenz
sehr weit ausgedehnt, doch läfst sich über vieles streiten. Die Arbeit
ist fleifsig, übersichtlich, scharfsinnig. Immerhin ist sie ein Bruchstück,
da die Vorgeschichte und Nachgeschichte fehlt, auch die Zeitgenossen
des Cicero nicht verglichen sind. Im letzten Grunde wäre von der
Koincidenz in koordinierten Sätzen auszugehen gewesen (vgl. mein
Buchsw. Progr. 1887).
Jahropbericlit für Altovtlininswissi-nscltal't. LXXVJI. üil. i1k9.;. II Ti 18
274 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Ed. Lübbert, Paralipomeua zur Geschichte der lateinischen
Tempora und ilodi. Arch. f. lat. Lex. II, 219—227.
1. Die Formel qni fecit, fecerit u. s. w. , seit den Graccben iu
CTesetzen üblich, wird in ihrem Sprachgebrauche entwickelt. Danach
rechtfertigt sich die viel angefochtene Stelle Cic. pro Sestio 64, 133 quo
quis petieiit ant petiturus sit, wenn man annimmt, dafs im Gesetze
stand: quo petit, petierit, petiturus sit.
2. Die synkopierten Formen des perf. couj. auf -sim (faxim,
servassim, licessim u. s.w.) haben nie die Bedeutung der Vergangen-
heit besessen: alle derartigen Stellen sind beseitigt worden, zuletzt 2
aus Varro's Sat. Men. durch Bücheier Petronius, Anhang 8. 201 und
216: sie sind daher wohl wirkliche Aoriste (?),
Jos. Schneider, Detemporum apud priscos scriptores latinos us'u
quaestiones selectae. Glatz 1888, 24 S. 4.
Untersuchungen über einzelne Schriftsteller:
ßeinhold Braun, Beiträge zur Statistik des Sprachgebrauchs
Sallusts im Katilina und Jugurtha. Progr. Düsseldorf 1885, 68 S. 8.
Die Schrift behandelt die Tempora und Modi. — Kap. 1. Über-
sicht: praes. bist, 545 mal; part. conj. 511 mal; inf. bist. 452 mal u. s. w. :
postquam mit perf. indic. 61 mal; — mit praes. bist. 20 mal; — mit
imperf. 9 mal u. s. w. , also rein statistisch. — Die anderen Kapitel
geben die Einzelheiten, doch mehrfach mangelhaft. — "Wenn schon die
nur teilweise Erhaltung der Werke Sallusts nur unsichere Schlüsse auf
seinen gesamten Sprachgebrauch gestattet, so noch mehr die hier be-
liebte Beschränkung. Auch fehlt es an der Vergleichung und geschicht-
lichen Einreihung der Resultate.
Jos. Thüssing, Detemporum et modorum in enuntiatis penden-
tibuß apud C. Plinium Secundum usu. Fase. I. Prager Philol. Studien.
Heft 2. Prag, Dominicus, 1890, 67 S. 8.
Es ist eine Fortsetzung der Schrift von Jos. Dorsch „Die
Sprache des Natm-forschers Pliuius" ; doch ist auch dies nur der erste
Teil einer gröfseren Arbeit, und zwar behandelt derselbe die ab-
hängigen Konjunktivsätze, mit Ausschluis der Relativ- und Kon-
janktionalsätze d. h. also nur die parataktischen, die mit ne eingeleiteten
und die Fragesätze, eine wunderliche Teilung. Bei der noch ungenügenden
Festsetzung des Textes und der mangelhaften Quellenanalyse des Schrift-
stellers, dessen Werk wohl zur Hälfte aus Excerpten besteht, für dereu
Stil er selbst nur wenig verantwortlich gemacht werden kann, sind nicht
alle Resultate sicher und abschliefsend. Auch lälst dies Bruchstück keine
umfassenderen Folgerungen zu. — in indirekten Fragen scheint anne,
Syntax. Zeitwörter. Modi u. Tempora. (Deecke.) 270
disjunktiv an . . . an als plinianiscli anerkannt werden zu müssen. —
Vgl. auch:
C. Frobeen, De modoriim usu Pliniano (Quaest. Plin. I), Königs-
berg 1888, 90 S. 8.
Henr. Ehrismanu, De temporum et modoruni usu Amraianeo.
Dissert. Strafsburg 1886, 74 S. 8.
Die Arbeit ist ausführlich und gründlich. Aus den beiden Ab-
schnitten sind zu bemerken: I. Tempora: Das imperf. und plusquampi.
sind iu der Erzählung gleichbedeutend mit praes. und perf, — Die zu-
sammengesetzten Formen des Passivs treten, wegen der schon begonnenen,
im Romanischen durchgeführten Verschiebung der Zeitstufen zurück. —
In konjunktivischen Nebensätzen finden sich oft praes. und perf. statt
impf, und plusquampf. , sogenannte Repräsentation. — In affirmativen
Konsekutiv- und Finalsätzen begegnet possit statt posset. — Der nur
einmal überlieferte inf. histor. wird durch Konjektur beseitigt. Auch
sonst werden einzelne, dem gewöhnlichen Sprachgebrauch des Schrift-
stellers widersprechende Formen verdächtigt, eine im allgemeinen zu
weitgehende Praxis: meist würde die Feststellung der Ausnahme ge-
nügen. — II. Modi: Es fehlt von den unterordnenden Konjunktionen
bei Ammian douec, selten ist quoad, nur einmal findet sich priusquam. —
Oft steht quod statt des acc. c. inf., namentlich nach Infinitiven (um
den doppelten Infinitiv zu vermeiden) und nach Participien, und zwar
meistens mit dem Indikativ. — Das in der Erzählung viermal nach
cum vorkommende praes. indic. wird geändert (wohl ohne zureichenden
Gi-und). — Vereinzelt steht dum mit dem perf. indic, auch mit dem
plusquampf. indic, zweimal adversativ, gleichfalls geändert (!).
Ed. Roseubusch,De temporum usu Plautino quaestiones selectae.
Dissert. Strafsburg 1888, 76 S. 8.
Behandelt sind: 1. Das imperf. p. 8—27: es steht von vb.
dicendi statt des perf. histor., um auszudrücken den „Status durantis,
qui ex actione ipsa consequatur" — schwerlich richtig; vgl. darüber
Dräger! — 2. Das plusquampf. p. 27—57: es steht bisweilen
scheinbar im Sinne des perfectum z. B. dbceram, jusseram, -eras, -erat;
doch hält der Verfasser es dann nicht, wie andere, für aoristisch, sondern
sucht den Begriff der Vergangenheit auch an diesen Stellen nachzuweisen
(mit Recht!); ferner in unpersönlich irrealen Verbindungen statt des im-
perfectum: fuerat aequora, -aequius, -satius, -magis par, -opus, doch
Rud. 269 aequius erat. — 3. Die futura, p. 57—69, nur einzelnes:
Der conj. praes. statt des fut. I. — Das fut. II in huc concessero u. s. w.
erklärt sich aus der relativen ßedeutungssphäre des Tempus; s. die
18*
276 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
folg. Ablidlg. — Zur Vergleichung- sind besonders Terenz und die
Briefe des Cicero herangezogen.
Theoph. Meifart, De futuri exacti usu Plautino. Jena 1885, 27S.
8. S. die Anzeige von Fr. Gramer im Arch. f. lat. Lex. IV, 594 — 598.
Die Arbeit ist gegen Madvigs ältere Auffassung gerichtet, ge-
stützt auf Brugmanns Deutung dieser Formen als aoristischer Kon-
junktive z. B. viderö = F£i6£((j)(o (dies ist aber conj. perfectü). Der
bisher als der Form selbst anhaftend angenommene Begriff der schnellen
Vollendung, des Aufschubs u. s. w. liegt nur in den begleitenden Partikeln,
wie jam, mox: post, Interim, oder im Zusammenhange (?). Die Be-
deutung war ursprünglich die eines fut. simplex ; erst später bildete sich
die verwickeitere des fut. exactum heraus. Nicht selten auch steht
fecero statt faciam aus metrischem Grunde. — Cramer (s. S. 277) erkennt
gleichfalls das fragliche Tempus als conj. aor. au, meint aber mit Lübbert
(s. S. 274), der Bedeutungskern des fut. exactum sei der, dafs es das
,, vollendete Sein in die Zukunft verlege", ursprünglich ohne Kücksicht
auf eine andere Handlung; dagegen sei das fut. simplex durativ (?).
Wenn nun auch beide Zeiten mitunter wechseln, so blieb doch der Unter-
schied; nur ist eben mitunter eine doppelte Auffassung möglich, oder
der Unterschied selbst war irrelevant. Das fut. exactum war demnach
ursprünglich auch eine absolute Zeit und wurde erst relativ seit der
Mengung der Perfekt- und Aoriststämme (?).
Vgl. hierzu:
H. Neu manu. De futuri in priscorum Latinorum vulgari vel
cotidiano sermone vi et usu. Parti. Dissert. Breslau 1888, 61 S. 8,
Ungeschickter Titel. Die Beobachtungen sind im w'esentlichen
richtig.
Zu einzelnen Zeitverwendungen sind noch anzumerken:
S. Opatzki. Über das sogenannte perf. logicum (russisch). Kasan
1885, ms. 8.
Eine weitläufige Ausführung.
Busch, Das Präteritum des Verbs zur Bezeichnung der Gregen-
wart. Gj-muas. 1886, N. 15.
Besondere Behandlungen des Konjunktivs oder einzelner seiner
Zeiten liegen vor in:
W. M üller, Der unabhängige Konjunktiv im Latein. Lehrproben 1,4.
Schulpädagogisch; vgl. meine „Erläuterungen", S. 372—4.
Max Schraerl. Der Prohibitiv bei Plautus. Gratulationsschrift
des Gyran. zu Krotoschin. 1886, 10 S. 4.
Syntax. Zeitwörter. Modi u. Tempora. (Deecke.) 277
Die Formen auf -seris, -serit u, s. w,, gewöhnlich Conj. Perf. ge-
nannt, sind, wie diejenigen auf -so, -sim u. s. w., letzte x\usläufer des
sigmatischen Aorists. — ne dixeris u. s. w. sind archaisch ganz allge-
mein. Dies und ähnliches ist übersichtlich statistisch zusammengestellt.
— Die Formen auf -erim u. s. w. sind ebenso häufig, wie diejenigen
auf -sim u. s. w. ; doch sind letztere fast allein positiv. — Häufige
Formel: ne di siverint! — In cave dixeris u. s. w. ist cave eine blol'se,
allerdings ausdrucksvolle Negation. — Der Conj. Praes. ist ebenso
häufig wie derjenige Perf., aber meist final. — Gleichwertig (?) sind ne
doceas und ne doce; aber ne dicito u. s. w. fehlt. — Ohne ne steht nur
das perf. praes. noveris (Truc. 163). Niemals lautet die Negation -non.
Fr. Gramer, De perfecti conjuuctivi usn potentiali apud priscos
scriptores Latinos. Dissert. Marburg 1886, 87 S. 8.
S. oben die Anzeige von Meifart! Es fallen zunächst die Doppel-
formen, wie fecerim und faxim, auf. Jene überwiegen im aoristischen
Gebrauche: ne feceris; dixerit quispiam; die 1. plur. fehlt im arch. La-
tein; erst bei Kornificius begegnet dixerimus (Zufall?). Eine Erweite-
rung der silbernen Latinität ist ut sie dixerim. — Ist faxo Konj. Aor.,
so ist faxim der dazu gehörige Optativ, und ebenso ist viderim = gr.
£i8e(o)i7]v: so liegt der prohibitiven Bedeutung die negativ- optative zu-
grunde. Der Potentiale Gebrauch aber entwickelte sich aus der hypo-
thetischen Satzfügung, und zwar aus dem Vordersatz der optative
Gebrauch (gr. tl mit Optativ), aus dem Nachsatze der potentiale
(gr. av mit Optativ). Archaisch ist der potentiale Gebrauch, wegen der
naiven Energie der Rede, noch selten: erst zu Ciceros Zeit, unter dem
Einflufs des Griechischen, kommt er zui' vollen Entfaltung. — Den Be-
griff der Vergangenheit haben die sigmatischen Formen überhaupt nicht
besessen (s. S. 274Lübbert!). Die Formen wie dixerim sind archaisch:
1. perf. logicum; nur im hypothetischen Satze, und selten; 2. praeteritum
histor., auch selten; wesentlich verschieden von Anwendung und Umfang
in der klassischen Zeit. Dies wird durch zahlreiche Beispiele belegt.
Vgl. die Anzeigen von G. Landgraf, AVoch. f. kl, Philol. IV, 996;
Redslob, Neue Philol. Rundsch. 1887, 8. 331 f.; J. Schaf 1er, Blätter
f. d. bayr. Gymn. XXIV, 106 f.
Nils Sjöstrand, Quibus temporibus motlisque „quamvis, nesciu
an, forsitan", similes voces utantur, Lund 1891, 42 S. 8.
Die Arbeit ist eine wohlgegliederte, umfangreiche, sorgsame Sta-
tistik, freilich mechanisch, nicht organisch und historisch entwickelnd,
so dafs das Wesen der Erscheinungen unerkannt bleibt. Es werden be-
handelt: 1. quamvis: Adverb 491 mal, nur selten mit dem Superlativ;
mit praes. conj, über öOOmal; mit perf. conj, mehr als 136mal; mit
27s Lateinische Grammatik. (Deecke.)
irap. coiij. mehr als 125nial; mit plusquampt. coiij. mehr als 3!Jmal:
mit praes. indic. 81 mal (bei Lukicz, deu silbeiüen Dichtevü, Oelsus;
sonst iü Prosa sehr selten, seit Seueka); mit impf. iud. 31 mal (bei deu-
selben); mit perf. ind. 30raal (desgl.); mit plusquampf. indic. 11 mal
(zweifelhaft bei Cicero und Livius); mit fut. indic. 13 mal; im ganzen
mit conj. etwa 1300 mal, mit indic. 166 mal. — Das Fehlen von esse
(s. ob. das Wort als Adverb!) findet sich bei Statins zweimal. — Flek-
tiert hat Cicero 8 mal: quam vultis, -velit n. s. w.; 4 mal verbindet er
(luamvis licet; silbern begeg-net bisweilen quautumvis, auch als Adverb.
— 2. quamlihet ist selten und teils Adverb, teils steht es mit dem
praes,, perf. oder impf, conj.: Quiutilian hat auch quantumlibet. —
3. licet ist als Adverb selten; impf, und plusquampf. conj. hat es nur
6mal (Statins, Martial, Juvenal, vereinzelt). — 4. haiid scio an, als
Adverb 17 mal bei Cicero, 4 mal bei Pliuius; sonst mit praes. conj.
27mal, mit perf. conj. 12mal; daneben haud sciain au, als Adverb 3 mal
(bei Cicero), mit praes. oder pf. conj. 4mal (Cicero, Livius); mit impf.
u. plqf. conj. 4mal (ebdt.), mit pf. conj. der conjug. periphr. vereinzelt
bei Livius und Tacitus: ncscio an, als Adverb 46 mal, mit praes. conj.
50 mal, mit pf. conj. 32 mal. Zusammen also beg-egnen diese Phrasen
70 mal als Adverb, 127 mal mit praes. oder pf. cj.; 4 mal mit impf,
oder plqpf. conj. — 5. forsitan mit praes. conj. 104 mal, mit perf.
conj. 29 mal: mit praes. indic. 37mal, mit perf. indic. 22 mal; mit impf
oder plqpf. indic. 7mal (Ovid, Seneka, Quiutilian); mit fut. indic. 47 mal:
als Adverb 57 mal: mit imperft. oder plqpf. conj. 52 mal (29 i 23); mit
perf. conj. einmal bei Livius. — 6. forsan, viel seltener, ist Adverb
8mal, hat das praes. oder perf. conj. 15 mal (10 + 5), -indic. 18 mal
(11 - 7): das impf, oder plqpf. conj. 13 mal (Silius, Statins aa.), das
plqpf. indic. 3 mal, das fut. indic. 27 mal. — 7. fors, fors sit, -fuat, -fuat
an sind dichterisch und spät. — 8. fortassis ist nur bei Quiutilian und
Plinins dem Älteren häu6g. — 9. fortasse ist am häufigsten und ha<
den conj. praes., perf., impf, und plusqpf. bei sich; das fut. conj. (con-
jug. periphr.) nur einmal bei Quintilian; auch Adverb ist es; sehr selten
ist fortasse an mit praes. oder imperf. conj., einmal bei Accius, zweimal
in Varro de re rustica. Vgl. die Anzeige v. J. Sturm, Neue Philol.
Eundsch. 1892, 8. 125 f.
P. Mohr, Zum Konjunktiv nach Komparativ mit quam. Arch.
f. lat. Lex. VI, 418 f.
Spätlateinisch steht der Konjunktiv statt des Indikativs, wenn
quam = quam ut ist : so oft bei Sidonius, auch bei Claudianus Mamertus aa.
W. Gardner-Hale, Mode and Tense in the subjunctivc compa-
rative clause in Latin. Araeric. Journ. of Philol. 1891. p. 62 ft'.
Syntax. Zeitwörter. Modi ii. Tempora. (Deecke.) 279.
Es bleibt noch eine umfassende Arbeit übrig, über eine besondere
Eigentümlichkeit der lateinischen Sprache, die Verschiebung- der Zeiten
i«i Briefstil:
E. Zimmermann, De epistulari temporum usu Ciceroniano. Pro-
gramm von Rastenburg, 4: 1, 1886, 25 S., § 1—40; II, 1887, 31 S. § 41
—61; m, 1890, 32 S, § 62— 98; IV, 1891, 23 S., §99—114.
>>'* rv'I behandelt den Gebrauch der Präterita, d. h. des Perfekts
und Imperfekts, und giebt eine übersichtliche Gliederung desselben:
1. bei den Zeitwörtern des Schreibens; 2. des Schickens; 3. des Wollens;
4. der Bewegung; 5. des Affekts; 6. anderen. Beide Zeiten bezeichnen
„ea quae sunt scribendi tempore", und zwar mit dem Unterschied, dafs
das Perfekt das gegenwärtig Seiende einfach als solches, ohne weitere
Rücksicht auf den Empfänger, als zur Zeit des Lesens vollendet dar-
stellt; es steht nicht selten am Anfange des Briefes. Das Imperfekt
dagegen beschreibt das Gegenwärtige oder stellt es als ein solches dar,
das zugleich mit anderen Dingen stattfindet und in gewisser Beziehung
zu ihnen steht, oder mit Eucksicht auf die Zeit des Lesens, besonders
in Nebensätzen mit cum temporale. — II behandelt das Präsens, durch
das „ea quae fiunt scribendi tempore" dargestellt werden. Der Unter-
schied vom Perfekt ist fi'eilich oft nur schwer festzustellen. — III er-
<irtert den Sprachgebrauch in betreff des zur Zeit des Schreibens Ver-
gangenen. Dafür stehen auch die Präterita, so dafs eine Konkurrenz
mit I eintritt, und zwar ist bei den verbis scribendi und mittendi. die
hier allein in Betracht kommen (?), der Gebrauch der 2. und 3, Person
scripsisti, -sit; misisti, misit von dem der l.scripsi. -simus; misi, -simus
zu unterscheiden. — Erstere wie letztere stehen de tempore praeterito
et de litteris ante scriptis ; bei letzteren aber ist wieder zu unterscheiden,
ob sich der Ausdruck auf einen Brief an dieselbe Person bezieht oder
an einen anderen. Bei den verbis scribendi steht nur das Perfekt,
sowohl z. B. scripsi, -simus ad Caesarem, -ad Balbum, wie ad te. Soll
dies nun von der vergangenen Zeit gelten, so tritt oft hinzu: ante, autea,
proxime, brevi, jam pridem. alia epistula, superioribus litteris. iis litteris
quas . . . dedi; oft aber ergiebt sich die Bedeutung der Vergangenheit
auch blofs aus dem Inlialte oder sonst wie. Nicht selten ist auch um-
gekehrt die Beziehung auf die Gegenwart durch allerlei Mittel angedeutet
^s. I § 37). Jedenfalls konnte der Empfänger, der ja wufste, was in
den früheren Briefen gestanden hatte, nicht zweifelhaft sein, wie das
Perfekt gemeint war. — Immerhin liegt hier ein beträchtlicher Maugel
und eine arge Unklarheit des lateinischen Ausdrucks vor. — Bei den
verbis miitendi steht Perfekt oder Imperfekt; auch hier treten häufig
<Iie oben genannten Partikeln hinzu, um die Vergangenheit anzudeuten;
280 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
wenn ferner bei misi(mus) z. B. ad Pompejum der Übermittler als ein
anderer (per alium missae litterae) bezeichnet wird, so ist die Sache
klar; ist aber der Brief durch dieselbe Person übermittelt (per eundeiu
missae) oder heilst es misi(mus) ad te. so ist die Bedeutung an sich
zweifelhaft, doch im ganzen aus den §§ 37 — 40 und §§ 76—81 be-
sprochenen Anzeichen zu erkennen ; klarer als wir konnte auch hier der
Empfänger es jedesmal wissen, wie die Zeit gemeint war (ein mangel-
hafter Trost!). — IV, Das Plusquamperfektum hat auch, wo es
dem Briefstil gemäfs gebraucht ist, stets relative Bedeutung. An den
Stellen, wo es scheinbar einfach für die Vergangenheit steht, ist ein aus-
gelassenes Glied (membrnm omissum) hinzuzudenken, oder es ist dasselbe
angedeutet durch hie, liuc, nunc, etiam nunc, adhuc, hodie, hoc tem-
j)ore u. s. w. ; nicht selten ist auch das praeteritum epistulare zu er-
ganzen. — Die Fntura stehen meist im gewöhnlichen Sinne; ebenso die
conjug. periphrastica; bisweilen .steht lebhaft das Präsens statt des
tut. II oder des praes. der conj. periphr. ; seltener findet sich das Per-
fekt für das fut. 11. Im strengen Briefstil, wenn etwas, was für den
Schreibenden noch zukünftig war, für den Lesenden als bereits vergangen
bezeichnet werden soll, treten praeterita ein, und zwar: 1. das perf. für
das, was simpliciter nudeque praeteritum ist; 2. das imperf. conj. periphr.
statt des praes. derselben: 3. das imperf. statt des praes., welches füi
das fut. I steht; bisweilen das partic. praes. (eig. partic. imperfecti). —
Auch hier werden bei der Ausführung die verba scribendi, -mittendi,
-aflPerendi et accipiendi, bisweilen auch andere unterschieden. — Die
Arbeit ist sorgsam und scharfsinnig und erforderte bedeutende Über-
legung, da die Sache keineswegs einfach ist und feste Normen schwer
herzustellen waren. Es bleiben auch so noch viele Fälle abweichenden
'^jebrauchs übrig, die wohl zu oft durch Emendation beseitigt werden.
Es wahrte sich der Schreibende wohl immer eine gemäfsigte Freiheit,
die nicht stets die strenge Regel innehielt. Auch liefs sich eine gewisse
Unklarheit, namentlich bei übergreifenden Ereignissen, nicht stets ver-
meiden. Jedenfalls ist dieser Versuch der Ordnung des ganzen brief-
lichen Teinpusgebrauchs sehr dankenswert.
An der Grenze des Übergangs zu dem Verbalnominibns er-
wähne ich:
Sp. Vassis, Syntactica: tempora finita et infinita. Kev. de phi-
lol. XI, 42 ff-.
Der Infinitiv im allgemeinen ist behandelt worden in:
K. von Horsten, Die Lehre vom verbum infinitivum. Gandersheim
1884, 16 S. 4.
Syntax. Zeitwörter, Verbalnomina. (Deecke.) 281
vgl. die Anzeige von W. Fries in der Philol. Rundschau 1885,
8. 764 ff.
Strotkötter, Über die syntaktische Bedeutung des lateinischen
Infinitivs. Progr. Dorsten 1887, 32 S. 8.
A. Surber, Über die Verwertung der wissenschaftlichen Ergeb-
nisse für die Syntax des lateinischen Infinitivs. In den Philol. Ab-
handlungen zu Ehren Schweizer-Sidlers, Art. 3.
Vor allem aber ist meine Behandlung der Infinitivkonstruktion in
doppelter Ausführung zu erwähnen:
W. Deecke, Beiträge zur Auffassung der lateinischen Infinitiv-,
öerundial- und Supinura-Konstruktionen, Progr. Mülhausen i. E.
1890, 50 S. 4.
Derselbe, Erläuterungen zur lateinischen Schulgrammatik. Berlin,
Calvary & Cie. 1893, S. 375—389.
Ich habe nachzuweisen gesucht, dafs alle lateinischen Infinitive
als Lokative aufzufassen sind, und habe alle syntaktischen Verwen-
dungen derselben, auch im Akk. c. Inf. und Nom. c. Inf., wie in der
oratio obliqua, auf die lokative Grundbedeutung zurückgeführt (s. beson-
ders Progr. S. 35 ff.) z. ß. puto regem vincere „ich glaube den König
im Siegen" ; domus concidere videtur „das Haus scheint im Zusammen-
fallen"; dicunt te proficisci „man sagt dich im Abreisen": nuntiatur
exercitus regredi „das Heer wird im Rückzuge gemeldet": queror nos
senescere „ich beklage uns im Altern"; morbus me impedit domo exire
-die Krankheit hindert mich im Ausgehen"; Imperator jussit milites
pontem facere „der Feldherr befehligte die Soldaten beim Brückenbau" ;
sino eum quiescere „ich lasse ihn im Ruhen"; vetor legere ,.ich werde
im Lesen gehindert'; volo vos abire „ich wünsche euch im Weggehen";
'loceo fratrem latine loqui .,ich unterrichte den Bruder im Lateinsprechen";
pergo ludere „ich fahre fort im Spielen"; audeo resistere (audeo von
avidus) „ich bin kühn im Widerstehen" ; cunctor accedere „ich zaudere
im Hinantreten": meditor canere „ich übe mich im Singen": nuUa re
egere maximae sunt divitiae „im Nichtsbedürfeu liegt der gröfste Reich-
tum"; prudeutis oder prudentiae est nunquam desperare ,,im Xiemals-
verzweifeln besteht das Wesen des Klugen" oder ,,der Klugheit"; mori
necesse est, vivere non necesse est ,,im Sterben liegt Notwendigkeit, im
Leben nicht" ; rebus suis contentum esse (sc. aliquem) magna viitus est
,,im Zufriedeusein mit dem eigenen Geschick liegt eine grofse Tugend"
u. s. w. — Im letzten Beispiel steckt schon in dem zu ergänzenden
Akkusativ eine unlogische Konstruktion, wie noch entschiedener in fas
est me hoc facere statt mihi: man löste den Akk. c, Inf. als selbständige
282 Lateiuiscbe Grammatik. (Deecke.)
Koustruktion los. betrachtete ihn als Umformung- eines Satzes und ver-
band ilm mit Wendungen, wo der Akkusativ (des näheren Objekts) keinen:
Sinn mehr hatte: dasselbe geschah auch mit dem blolsen Infinitiv; vgl.
noch fugere non cadit in virum fortem. Der ursprünglich lokative In-
finitiv wurde ferner als Nominativ oder Akkusativ aufgefafsc und auf
ihn als Indeklinabile das neutrale Adjektiv als Prädikatsnomen bezogen :
während z. B. dulce et decorum est pro patria mori ursprünglich hiefs:
..es liegt etwas Süfses und Ehrenvolles im Sterben fürs Vaterland'", deu-
tete man es später als: ..suis und ehrenvoll ist das Sterben fürs Vater-
land". Über die weitere Su|)slantivierung des Infinitivs s. S. 284. Als
Lokativ erklärt sich endlich aufs leichteste der sogen, iufiu. historicus,
besser descriptivus genannt, z. B. at Romani festiuare, bellum parare etc.
„aber die Römer (waren) im Eilen, im Kriegsrüsten u. s. w".
Abhandlungen über einzelne Gebrauchsarten des Infinitivs liegen
noch vor in:
Ph. Thielmann, habere mit dem Infinitiv und die Entstehung
des romanischen Futurums. Archiv f. lat. Lex. II, 48 — 89; 157 — 202.
Eine sorgsam geordnete Stellensammluug in 2 Abteilungen : A. ha-
bere mit dem Inf. zur Bezeichnung der Fähigkeit und Möglichkeit,
z. B. habeo dicere = habeo quod dicam, zuerst bei Cicero, aber aus
der Vulgärsprache (vielmehr Gräci«mus = v/m stTrsTv). Über das Verb
dicere hinaus geht er nur in den Briefen, aber auch nur bei anderen
vb. declarandi. Livius nahm diese Wendung nicht auf: überhaupt wird
sie bemerkenswert erweitert erst in den lateinischen Übersetzungen
griechischer Originale kirchlichen Inhalts, bis TertuUiau auch hier alle
Dämme durchbrach, jedoch ohne dals die Neuerung Wurzel fafste. — •
B. habere n)it dem Inf. zur Bezeichnung der Notwendigkeit, z. B.
habeo dicere ..ich raiifs (soll) sagen". Dies findet sich noch später,
nämlich erst beim älteren Seneka (habui facere? habui perducere illum
ad patremV): ebenderselbe liat auch habere mit dem Gerundivum (habeo
diceudum). was nicht ins Romanische übergegangen ist. Umfangreicher
Ijegegnet obige Wendung erst wieder bei Tertullian, und zwar über-
wiegend mit dem iufiu. passivi (raehi- als 60 mal), z. B. amari habeo
statt amandus sum, als Passiv zu araaturns sum; der Infinitiv steht ge-
wöhnlich voran : so auch amari habebam. Der inf. activi hält sich in
ziemlich engen, scharf gezogenen Grenzen. — Das späte Vorkommen
beider Wendungen zeigt, dafs sie nicht echt lateinisch waren und dafs
das Sprachgefühl sich gegen sie sträubte. Sic sind aus dem Griechischen
entlehnt, und so ist es erkläilich. dafs hier die lokative Bedeutung nicht
mehr erkennbar ist. — Nach Tei'tuUian nahm Cyprian den Sprachge-
brauch von B auf; aus dem afrikanischen Latein kam er durch die theo-
Syntax» Zeitwik-ter. Infinitiv. (Dfeeckc.) 283
lagische Littevatiir ins Gallische, Obeiitalische, Spanische u. s. w., mit
immer weiter abgeschwächter Bedeutung, bis er ins romanische Futui-um
auslief. Afrikanisch war auch der gleiche Gebrauch des Imperfekt und
Pei-fekt (liabebam und habui), woraus sich das französische und italie-
nische Konditionen entwickelten. — Der Verlust des ursprünglichen
lateinischen Futurums ist wf)lil von der Doppeldeutigkeit des -am der
Lsg. in der 3. und 4. Konj. ausgegangen: -es, -et ferner klangen vul-
gär wie -is, -it und mischten sich so mit dem Präsens: -bit aber ward
zu -Vit, so dafs z. B. amabit mit amavit zusammenflofs; ebenso amabi-
mus mit amavimus u. s. \v. — Die weiteren Untersuchungen über die
Möglichkeiten des Ersatzes und ihr Vorkommen gehören nicht hierher.
Ph. Thiel mann, facere mit dem Infinitiv. Arch. f. lat. Lex. III,
177—206.
Auch hier ist das Endziel der Entwickelung die Konstruktion der
aus facere entstandenen romanischen Verben mit dem Infinitiv. Es
werden dazu 3 verschiedene Fälle in ihrer geschichtlichen Fortbildung
vorgeführt: A. faceve = fingere, und zwar: 1. „darstellen". Hier
steht zwar regelmäfsig das partic. praes. act. u. depon., aber im Perf.
und im Passiv mufste stets der Infinitiv eintreten, der übrigens auch im
praes. act. ein paarmal bereits bei Cicero vorkommt (Tusc. IV, 35: V,
115). Vorzugsweise nun findet sich der Infinitiv so gebraucht von vb.
dicendi: doch wendet Vergil ihn auch von Verben an, die bildende
Künste bezeichnen. — 2. „annehmen, den Fall setzen", allgemein
üblich, bei Cicero besonders im Imperativ fac! beliebt. — 3. „sich
stellen als ob", schon bei Plautus (Psend. II. 3, 8), dann bei Katull,
in Ciceros Briefen, bei Petronius. — Hier tritt die lokative Bedeutung
noch klar hervor, z. B. fecit se aegrotare ,,er verstellte sich im Krank-
sein". — Bisweilen steht facere auch — efficere , .beweisen ' z. B. Manil.
[,207: spät ist die Bedeutung „förderlich sein'-. — B. facere-^
,,machen. bewirken-, als Ersatz der seltenen Kausalia, auch zur
Vermeidung eines doppelten ut. Es ist vulgär (?). doch sind die archai-
schen Stellen meist unsicher: ebenso bleibt es zweifelhaft, ob die mit
facere zusammengesetzten Verben, wie calefacere, assue facere, den Infi-
nitiv enthalten (s. mein Facere und fieri, Progr., Strafsburg 1873, doch
jetzt von mir selbst aufgegeben, s. Progr. Mülh. 1890. S. 42). Verein-
zelte klassische Stellen beruhen auf einem Zeugma oder dem sermo coti-
dianus (?). Von Dichtern hat es Laberius einmal, häufiger Lukrez (wohl
weil es für den Hexameter bequem war!); sonst bleibt es selten: so auch
in der augusteischen Prosa ;Äitruv hat efficere mit dem Infinitiv. Dann
findet sich facere c. inf. wieder beim Tragiker Seneka, im Juristeulateiu
und sonst spät, doch immer nur schüchtern. Voller Durchbruch tritt
♦284 Lateinische Grammatik. (Üeecke.)
erst seit TertuUiau ein. Der Verfasser gleit davon eine reiche Über-
sicht. — Die ganze Entwickelung mm zeigt, dal's auch hier von Volks-
tümlichkeit nicht die Rede sein kann: es war wieder ein Gräcismus,
Nachahmung von TioteTv mit dem Inf. — So läfst sich auch hier die lo-
kative Bedeutung nicht feststellen. — C. facere — jiibere, nur unsicher
und vereinzelt bis ins 3. Jahrh. n. Chr., vollkommen durchgebildet bei
den scriptores histor. Augustae; gleichzeitig im Kirchenstil. Es wird
dieser Gebrauch dann weiter verfolgt bis ins Romanische ; auch der Ein-
tritt des anfangs seltenen inf. act. u. s. w. — Auch diese Wendung ist
nicht echt lateinisch.
Ed. Wölfflin, est videre. Archiv f. lat. Lex. II, 135 — 6.
Obige Redensart begegnet zuerst bei Mummius Com. Lat. p. 273
Hi.; dann hat sie Luki-ez, Horaz u. s. w., und bis in die Valgata läfst
sie sich verfolgen. Verwandt sind: est considerare (Vitruv p. 57, 17);
cernere erat (Verg. Äu. ATt, 596: VIII, 676), auch bei Stat. silv. III,
1, 15; ähnlich Silius VI, 10 nee cernere deerat; dann TertuUiau re-
cognosci est u. s. w. Auch dies ist Gräcismus l'attv opav.
K. E. Georges, coepi mit Inf., in der Berl. Philol. Woch. 1887,.
250 f :
vgl. die Bemerkung im Mülh. Progr. S. 39; Erläut. S. 377.
Jak.Wackernagel, Über dieGeschichte des historischen Infinitivs.
Zürcher Philol. Versammlung, S. 276—283-,
s. Berl. Philol. Woch. VII, 1552.
Ed. Wölfflin, Der substantivierte Infinitiv. Arch. f. lat. Lex.
III, 70—91.
Über die Wirklichkeit oder Scheinbarkeit der Substantivierung
des Infinitivs waren die alten Grammatiker nicht einig: jedenfalls war
dieselbe nicht echt lateinisch, sondern entwickelte sich erst unter grie-
chischem Einriuls. Der erste Teil des obigen Aufsatzes nun behan-
delt die archaische, klassische und silberne Zeit. Der Inf. bei inter
begegnet zuerst bei Cicero de fiu. II, 13 inter optime valere et gra-
vissime aegrotare nihil Interesse, Nachahmung eines pyrrhonischen Satzes;
es folgt der Philosoph Seneka de benef. V, 10, 2 multum (und gleich
darauf nihil) interest inter dare et accipere. Bei TertuUiau findet sich
dann auch der inf. passivi, z. B. inter dici et esse u. s. w. — praeter
■ hat zuerst Horaz Sat. II, 5, 69; dann Ovid, sogar mit dem Inf. Peit.
amasse meum. — Dieser Zusatz eines pronominalen adjektivischeu
Attributs begegnet schon bei Plautus (Cure. 28) tuom amare, danu,
selbst beim Deponens, in den philosophischen Schriften Ciceros. auch
totum hoc, ipsum illud n. a.: nicht bei Cäsar, SaUust, Livius; dann
Syntax. Zeitwörter. Infinitiv, (Doecke.) 285
wieder bei Persius. Den inf. perl', hat zuerst der Tragiker Seueka (Odip.
922) ipsum metuisse. Am beliebtesten sind in solchem Gebrauch die
Verba „wissen, wollen", doch bleiben die Beispiele auch hier spärlich.
— Statt des Possessivs tritt nun auch der Genitiv des persönlichen
Pronomens ein, doch erst in der silbernen Latinität. bei Valerius
Maximus (Fab Cunct. VII, 3, 7; VI. 9, 5) cuius non dimicarc und eins
. . . velle ac posse: dann beim Philos. Seneka (epist. 101, 13) eins vi-
vere. Häufig ist dies erst im patristischeu Latein seit Tertullian. An-
dere Genitive setzt erst der christliche Dichter Marios Victor hinzu,
wie scire ipsius Dei. — Sehr spät ist auch erst der Dativ, da die
Stelle Seneka dial. XII. 16, 2 ei lugere unsicher ist. — Der zweite
Abschnitt des Aufsatzes handelt vom Spätlatein: da finden sich: Ab-
hängigkeit von anderen Präpositionen, sogar mit dem Ablativ, adjekti-
vische Bekleidung verschiedener Art. Pronomina und Pronominalia als
Attribute u. s. w. Den Schlufs bildet eine Aufzählung der häufiger so
gebrauchten Infinitive.
Vgl. hierzu:
F. Birklein, Entwickelungsgeschichte des substantivierten Infi-
nitivs. Beiträge zur histor. Syntax III. Würzbui'g 1888, 109 S, 8;
s. die Anzeige von Fr. Haussen. Deutsche Litteraturzeitung 1888,
S. 1285 f.
Einzelne Arten des Infinitivs sind ferner in folgenden Schriften
behandelt:
A. Howard, On the use of the perfect Infinitive in the Latin
with the force of the present. Harvard Studies I, 111 ft'.
J. Golling, Über den aoristischen Gebrauch des infin. perfecti im
Latein. Gymn. VII, 14.
Eine gröfsere Arbeit ist:
Nils Sjö Strand, De futuri infinitivi usu Latinorum quaestiones
duae. Lund 1892, 55 S. 8.
Es handelt sich in dieser Schrift um den Gebrauch des inf. fut.
Hctivi und passivi und seine Umschreibung- durch fore ut oder futurum
esse ut. Die Aufstellungen Scheindlers sind ungenau: statt seiner
24 Beispiele für den inf. fut. pass. bei allen Prosaisten bringt Sjöstrand
allein aus Cicero über 50 sichere Beispiele bei. Umschreibungen hat
Cicero nur etwa 25 mal, Cäsar 7 mal. Der inf fut. act. wird viel häu-
figer umschrieben, als man bisher annahm: Cicero thut es 40 mal, wo er
jenen hätte bilden können; spero fore (nie futurum esse) ut hat er
12mal, den Infinitiv 123mal: Cäsar hat die Umschreibung 2mal. den
28G Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Intiuitiv 5mal. — Im ganzen sind immerhin die inf. futiiri selten : Pliniits
n. h. hat nur einen inf. tut. pass. (VII, 6): visum iri ^ Tac. Ann.
XI. 27; von den Stellen Ciceros findet sich ein Viertel in den Briefen
an Attikns; Livius hat von 9 Beispielen 6 in der ersten Dekade:
Sallust, der gern -um ire hat, braucht -um iri nur einmal. Die meisten
Autoren kennen den inf. fut. pass. gar nicht. Mit dem Nominativ hat
ihn Cicero in den ep. ad Att. XI, 13, 4; wie Schmalz vermutet, auch
Verr. II, 142 (nötig wäre übrigens Sonderung der Korrespondenten
Ciceros von ihm selbst gewesen). Die Beobachtungen über Vergil, Hora'/^;
Vell. Paterculus fehlen: über die Nebenform -uiri s. oben die Formeu-
lehre S. 165. — Drei Tabellen geben Übersichten: I (S. 2) über den inf
fut. pass. Es werden von Plautus bis Grajus IQO Fälle gezählt; for«
ut 50: futurum esse ut 23; im besonderen bei Plaut, u Ter. 10. — , — ;
Cüicero 61, 25, 3; Livius 9, 3, 1 : Cäsar 5, 5. 2: Quintil. declam. 1, — , 7.
^ II (S. 4) inf. fut. act. , von Plautus bis Suetonius: erzwungene
Umschreibung: fore ut 12: futurum esse ut 6, davon Cicero S, — , sonst
nur vereinzelt: freie Umschreibung 73, 50; davon Cicero 39, 1; Livius
6, 2; Cäsar 3, 3; Sallust und Varro haben nur fore ut; ebenso Plautus,
Terenz, Sueton; dagegen hat Plinius der Jüngere nur futurum esse ut
(4mal). — Supina auf -um iri kommen bis fladrian 63 mal vor, beson-
ders actum, datum, sublatum. absolutum, visum. — III (S. 28) de inf.
futuri ad verbum operandi relato : -urum esse 306 mal ; posse über 1 62 mal
(oft bei Seneka); fore ut 19 mal: futurum esse ut 8mal: davon Cicero
123, 50, 12, — : Livius 59. 22, — , — : Cäsar 5, 15, 2, — . Die Arbeit
zeigt aufserordentlichen, wenn auch wesentlich nur mechanischen. Fleifs.
Vgl. hierzu noch:
0. KiemauD, La periphrase „scripturum esse" peut-ellc avoir le
ßens de IMrreel? Rev. de philol. XV, 34 ff.
Es folgen die Untersuchungen über den Inlinitiv bei einzelneu
Schriftstellern oder Schriftstellergruppen: bei Prosaisten:
J. Sorn, Der Inünitiv bei Sallust, Florus, Eutrop und Persius.
Beiträge zur lat. Grammatik I. Innsbruck 1887;
8. die Anzeige von Fr. Stolz, Zeitsch. f. d. östr. Gyran, 39, S. 844 f.
Theod Eger, De infinitivo Curtiano. Dissert. (Giefsen), Darm-
ßtadt 1885, 50 S.:
s. die Anzeigen von M. C. P. Schmidt in der Woch. f. klass.
Philol. 1888, S. 329, und im Jahresber. des Philol. Vereins XIV (1888),
S. 232—3, wo 17 Ergänzungen augeführt sind.
Bei Dichtern:
Em. Eeichenhart, Der Infinitiv bei Lukretius. Acta semiu
Erlang. IV (188G), S. 457— 52ii. 8.
Syntax. Zeitwörter. Infinitiv. (Deecke.) 287
Der Verfasser hatte sclion 1881 ein Frankeutlialer Programm „ü1)er
die kausalen Konjunktionen bei Lukrez" geschrieben. Die vorliegendt^
Arbeit ist ein weiterer Beweis seiner genauen Studien jenes Dichters,
indem er sämtliche Beispiele für den Infinitiv gesammelt hat. Im
Schema lehnt er sich an Dräger an, zu dem er eine wesentliche Er-
gänzung liefert. Der erste Teil behandelt den blofsen Inf.; der zweite
den Akk., resp. Nora. c. Inf., und zwar A. als Objekt, B. als Sub-
jekt. Die Ergebnisse werden in § 11 (S. 509 — 13) tabellarisch zu-
sammengefafst. Danach steht der blofse Inf. nach possum etwa 500 mal,
nequeo 50, queo 75; debeo 70: coepi 17, pergo 13: soleo 20, consnesco
14, bei allen anderen Verben unter lOmal (valeo 8, resp. 11); unper-
sönlich difficile est 7 mal, sonst nur 1— 3mal. — Der Akk. c. Inf. allein
steht bei fateor 22 mal: puto 50, reor 17 (resp. 18); confiteor 7: finge
8; patior 5, probo 5; significo 7. ostendo 5; sonst nur 1 — 3 mal; nach
unpersönlichen Ausdrücken nur je 1 — 2 mal. — Der Inf. und Akk. c
Inf. stehen bei aveo 6-, resp. 2mal: decet 6 — 1; facile est 9 — 2; par
est 4 — 4 (resp. 5), sonst nur im ganzen 2- bis 6 mal. — Der Inf. neben
anderen Konstruktionen ist selten; der Akk. c. Inf. begegnet nebien
indirekten Fragen, nt-, quod-Sätzen u. s. w. z. B. nach credo, cerno,
dico. nosco, video, refert, und in einer grofsen Zahl vereinzelter Kon-
struktionen. Bei reichem Wortschatze hat Lukrez nicht wenige isolierte
Wagnisse. — Endlich der Inf.. Akk. c. Inf. und andere Konstruk-
tionen finden sich bei cogo, doceo, scio, volo; licet, neccsse est, convenit.
— Im ganzen überwiegen: der Infinitiv, dann der Akk. c Inf, dann der
indirekte Fragesatz; andere Konstruktionen sind selten; jene sind eben
einfacher und praktischer. — Der Akk. c. Inf. steht oft mit doppeltem
Akkusativ, die Urawerfung ins Passiv ist seltener.
J. Senger, Über den Infinitiv bei CatuU, TibuU und Properz.
Progr. Speyer 1886, 44 S. 8.
Auch diese Abhandlung ist ein Nachtrag zu Dräger: es zeigt sich
einzelnes älter, als dieser angenommen hatte. Die Zusammenfassung der
3 Elegiker kann übrigens nur eine äufsere sein: KatuU ist ai'chaischer
und vulgärer, Tibull der beste Lateiner, Properz stark gräcisierend.
Auch sind nur die wichtigeren Stellen angeführt. Durchgenommen sind :
der dativische Infinitiv nach Verben der Bewegung, archaisch, aber
auch in der silbernen Latinität; der Inf. nach kausativen Verben (er
fehlt nach den verbis monendi); nach den Zeitwörtern des Wollens,
der Begierde, der Überlegung, des Versuchens und Strebens, sowie denen
der negativen Willensrichtung; ferner nach „anfangen, pflegen, auf-
hören u. s. w." Es ist hierbei der Unterscliied, ob blofser Inf oder Akk.
c. Inf. steht ,'^und ob der Infinitiv als Subjekt oder Objekt steht, nicht
288 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
berücksichtigt (s. die vorige Abhandlung!). Es folgt der Inf. bei Ad-
jektiven und Participien: audax, facilis. nobilis, lassus, diguus, paratus,
datus, nescius, aptus, inops, cupidus, cognitus (in der Bedeutung „ertappt").
Ein Wortverzeichnis bildet den Schlufs, aber eine geordnete Übersicht
fehlt.
P. Lewicki. De natura infinitivi atque usu apud Horatium, prae-
cipue lyrico. Pars prior. Progr. Lemberg 1890, 25 S. 8.
Eine in jeder Hinsicht unvollständige Arbeit. Der Verfasser be-
kämpft die übermäfsige Annahme von Gräcisraen und sucht nachzu-
weisen, dafs Horaz das lateinische Sprachgefühl mehr achtete als andere
Dichter. Dem widerspricht aber seine Lieblingskonstruktion des Ad-
jektivs c. Inf.
A. Gramer, Der Infinitiv bei Manilius. Commentat. in honorem
Guil. Studemund. Separatabdruck. Strafsburg, Heitz, 1889, 17 S. 8.
Es fehlen bei Manilius der inf. histo)'. (leicht erklärlich!) und der-
jenige des Ausrufs. Neu ist der Gebrauch des blofseu Inf. nur nach
terrere (?), notus (aperire = gr. iopi?), uimis (nosse -^ satis); ferner der
Akk. c. Inf. nach deprendere (^^ cognoscere), deflere, difflcile est. Dann
aber ist eigentümlich der häufige Gebrauch des Infinitivs als Apposition,
sowie der nicht seltene Wechsel der Infinitivkonstruktion mit Substan-
tiven (doch s. schon Horaz !); besonders hart ist in dieser Beziehung
n, 570 inque odium generat partus et mutua velle (= et in mutua velle),
doch vgl. die frühe Substantivierung von velle, amare, vivere, Arch. f.
lat. Lex. III, 90. - Der inf. praes. act. wird bisweilen durch esse mit
dem part, praes. umschrieben; der inf. perf. ist nicht selten aoristisch;
bei den zusammengesetzten Inf. fehlt esse, wie auch sonst, häufiger.
Übermäfsigen Gräcismus bekämpft auch Gramer, doch hat Manilius
immerhin etwas Fremdartiges und war vielleicht kein echter Eömer.
H. Bill, Eine Infinitivstudie. Der Infinitiv bei Seneca tragicus.
Progr. Mähr. Weifskirchen 1887, 30 S. 8;
s. Zeitschr. f. d. östr. Gymn. 39, S. 377 f.
An die Lehre vom Akk. c. Inf. schliefst sich naturgemäfs die-
jenige der oratio ohliqua, wo nur eine Spezialschrift vorliegt:
A. Reiter, De Ammiani Marcellini nsu nrationis obliquae. l'rogr
Amberg 1887, 78 S. 8.
Die eingehende Arbeit enthält zunächst eine allgemeine Einlei-
tung (S. 1 — 10): quam lato pateat nomen oratiouis obliquae: de ora-
tionum rectarum et obliquarum usu; dann de ipsa Ammiani orationr
obliqua. Es folgen dann 3 Kapitel: I. de verbis quae orationi inducenclae
inserviunt (S. 11 — 12): darunter sind manche neue, wie librare, mussi-
Syntax. Zeitwörter. Participien. (Deocke) 289
tare, arcessere aa. ; praecipeie, jiiberc steheu auch mit blofsem Inf. und
Dativ c. Inf. ~ Nicht selten liängt die orat. obl. von einem Gerundium,
einem partic. praes., auch einem part. perf. ab. — II. de pronominum
usu in ipsa orat. obliqua (S. 13-33): Das se als Subjekt des Akk. c.
Inf. fehlt oft (wie griechisch), sese steht nur XV, 3, G; etwa 12mal
findet sich is statt des Reflexivs (für die 1. Pers,); etwa 20 mal statt
der 2. Pers.. die nur einmal durch ille, viermal durch ipse wiedergegeben
wird. Die 3. Pers. ist meist durch hie bezeichnet, seltener durch is und
ille : so bleibt auch adhuc (nie ad id oder illud tempus) ; dagegen steht
statt hie als Adverb stets ibi, illic u. s. w., ebenso tunc statt nunc. —
III. de verho in ipsa erat, obliqua (S. 34—78), d. h. über die Tempora
und Modi, und zwar A. in sententiis primariis; B. -secundariis. Die
aussagenden Hauptscätze stehen 378 mal im Akk. c. Inf.; mit quod 40 mal
mit Indikativ, etwa 20 mal (die Angaben variieren) mit Konjunktiv,
und zwar ist die consec. temp. dabei 15mal korrekt, 5— 7mal inkorrekt
(repraesentationis causa); imperativische Sätze stehen im imperf. conj.
58 mal nach einem Präteritum, 8 mal nach einem Präsens ; im praes. conj.
2 mal nach einem Präteritum. In den Fragesätzen zieht Ammian (nach
griechischem Muster) den Indikativ vor. Auch die Nebensätze stehen
mannigfach im Indikativ, wenn sie Thatsachen, auch künftige, enthalten.
Im ganzen kannte Ammian die consec. temp. wohl und beobachtete sie
auch meistens; doch weicht er gar nicht selten ab und geht weit über
die archaische Freiheit hinaus. Auch kann man nicht leugnen, dals er
mit Vorliebe Seltenes kultiviert hat.
Wir kommen zu den Participien:
E. F. Tammelin, De paiticipiis priscae latiuitatis quaestiones
syntacticae. Dissert. Helsingfors 1889, 163 S. 8.
Der Verfasser, ein Schüler Delbrücks, lehnt sich in der Aus-
führung an die Grammatiken von Dräger und Kühner an. Nach einer
kurzen Einleitung behandelt er in 3 Kajjiteln das partic. appositivum,
•praedtcativum , -absolutum bei Plautus und Terenz, mit genauer Yer-
gleichung beider, die allerdings keinen wesentlichen Unterschied ergiebt,
nur dafs Terenz etwas zurückhaltender in vulgären Ausdrücken ist, eine
auch sonst schon vielseitig konstatierte Thatsache. Demnach bleibt
Plautus die HauptquelJe, und er nun stimmt durchaus zum sermo co-
tidianus. — Im einzelnen ist Kap. I so gegliedert, dafs zuerst behan-
delt wird das praesens participii (so drückt der Verfasser sich aus), und
zwar werden, nach einer Vorbemerkung: praesens aoristiv'i positum expli-
catur, betrachtet: A. participia quae ad suhjedum spectant: 1. partici-
pium est proprie positum; 2. -videtnr esse aoristi vi positum; B. casus
qui non sunt suhjecti; C. participium in nomen abiit: 1. adjectiva;
Jabresbericlit für Altiirthumswissi-uscliatt. LXXVII. l!d. (189:^. III.i 19
290 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
2. substantiva. — Ähnlich ist die Disposition der Kapitel II und III,
enthaltend: das futurum participii, wobei das Gerundiv nicht berück-
sichtigt ist, und das perfedum participii, bei dem der passive und
aktive Gebrauch unterschieden werden. Die Ausführung ist sorgsam
und umsichtig, der lateinische Stil nicht tadellos, bisweilen schwerfällig-
upd unklar. — Kap. IV enthält einen Überblick, mit Nachträgen aus
der übrigen archaischen Litteratur, die sehr viel weniger und vielfach
unsichere Beispiele liefert. Die Vergleichung mit der klassischen Zeit
xeigtbei Plautus viel Altes und Eigentümliches erhalten: wenn das partic.
appositivum und absolutum zwar schon archaisch bekannt waren, so hat
der Gebrauch sich doch erst später vollständig entwickelt; das partic.
yraedicativum dagegen findet sich von Anfang an zahkeich und mannig-
faltig, meist dem Lateinischen eigentümlich. Überhaupt lierrscht mit
Ausnahme der appositiven Verwendung grofse Differenz vom Griechischen.
Der abl. absolutus wird, mit Delbrück, als Lokativ aufgefafst. Vgl.
Arch. VII, 296.
Zu vergleichen sind ferner die ,, Erläuterungen" zu meiner
Schulgrammatik S. 389— .S99.
Alfr. Koeberlin. De pai'ticipiorum usn Liviano capita selecta.
Acta semin. philol. Erlang. V (1891), S. 66-120.
Es sind 2 Aufsätze: 1. Die kopulative Verbindung des relativen
mit dem absoluten Particip. Als Beispiel, wie ungeschickt die latei-
nische Behandlung solcher grammatischen Fragen ist, führe ich folgende
These an, die für die Bücher von der 5. Dekade an Gültgkeit haben
soll: participium quod praecedit relativum perfecti depouentis ad enuntiati
subjeclum referendum, sequitur interposita particula copulativa ablativus
absolutus, (juo uon minus quam praecedente (?) participio relative signi-
ticatur, quid fecerit egeritve is, qui subjecto denotatur. — 2. Die Ver-
wendung des partic. fut. act , mit Vergleichung des Curtius und Plorus.
Eine feine Beobachtung ist, dafs Livius nur in der ersten Dekade dies
Particip als Apodosis eines irrealen Bedingungssatzes gebraucht. —
Das Material ist möglichst vollständig gesammelt und sorgsam gruppiert.
Es bestätigt sich auch hier die in neuerer Zeit vielfach aufgestellte
Ansicht, dafs Livius im Verlauf seines Riesenwerkes seinen Stil vielfach
verbessert und gereinigt hat, namentlich auch von Gräcismen.
Eine Bemerkung über das appositive Particip macht E. Novotny
in einem Aufsatz, der auch anderes behandelt, in der Zeitschr. f. d.
östr. Gymn. XXXIX, 357 ff.
Zum prädikativen Particip ist von besonderer Wichtigkeit:
Ph. Thielmann, habere mit dem participium perfecti passivi.
Arch. f. lat. Lex. Tl. S. 372—423: 509-549.
Syntax. Zehwörter. Participien. (Dcecke.) 291
Wie die beiden oben erwähnten Untersuchungen desselben Ver-
fassers über den Infinitiv, geht auch diese auf die romanischen Sprachen
hinaus, nämlich auf die Entstehung? ihrer zusammengesetzton Pj-äterita.
Ausgeschlossen werden bei der Abgrenzung der Erscheinung zunächst
die Fälle, in denen das Particip als Attribut zu einem mit habere ver-
bundenen Nomen gehört; erste und einzige Bedingung ist, dals das
Particip, in enger Verbindung mit habere stehend, einen Bestandtei
des Prädikats bildet. Man hat diese Konstruktion nun bisher viel zu
beschränkt betrachtet: sie reicht viel weiter, als die Grammatiker an-
geben. Von änfserster Wichtigkeit ist ferner die Wechselwirkung und
Wechselbeziehung zwischen den beiden Formeln: est mihi aliquid und
habeo aliquid z. B. cognitum; doch läl'st sich nicht in jedem einzelnen
Fall genau bestimmen, welche Formel jeweils die frühere, und welche
die durch Frafoi-mung entstandene ist; häufig ist diejenige mit habeo
spezielles Eigentum der Volkssprache. Bei der nahen Berührung ferner
der Pavticipia mit den Adjektiven gehen Verbindungen von habere mit
Adjektiven unmerklich in solche mit Participien über; vgl. carum habeo
mit gratum habeo, das schon ursprünglich Particip war, dann mit accep-
tum habeo. übrigens ist die Konstruktion schon archaisch (Plautus),
dann sehr häufig bei Cicero u. s.w. Die Bezeichnung des Zustandes,
die in dieser Konstruktion liegt, tritt besonders hervor, wenn die Zeit-
dauer noch eigens augedeutet ist, wie durch semper, tamdiu, oder be-
stimmt z. B. triduo; auch in einem Satze mit dum. — Bei der Auf-
zählung der einzelnen Fälle geht der Verfasser aus von den Verben
-plagen, quälen, ärgern, beunruhigen": es folgen „spannen, erschrecken,
verachten, vernachlässigen"; dann „hassen, beargwöhnen, hochhalten,
heilig halten"; ferner pensum , ratum und irritum habere; „pflegen,
schmücken, reiuhalten". Eine grofsere Gruppe bilden die Zeitwörter
-bereiten, verbergen, verschliel'sen, fesseln, binden', bei denen aucl«
tenere üblich ist; hierauf kommen , trennen, teilen, bändigen"; viele
Komposita von dare, ponere, statuere (die letzten beiden auch als simplicia)
und ihre Synonyma; ferner „richten, wenden; befestigen; erwerben,
erlangen, sammeln, ergreifen": andrerseits ,,rauben"; im Juristenlatein
,,ne hm en, kaufen, pachten, mieten, vermieten; schreiben" und Komposita.
— Der zweite Teil der Abhandlung enthält speziell die Verba, welche
eine geistige Thätigkeit ausdrücken und bei denen jene Konstruktion
den geistigen Besitz, das aus jener Thätigkeit resultierende Wissen be-
zeichnet. Sie werden in zwei Gnippen geteilt, je nachdem sie entweder
überwiegend mit nominalem Objekt oder mit einem abhängigen
Satze verbunden sind: als Repräsentanten gelten: cognitum habeo ., ich
kenne", und eompertum habeo „ich weifs"; eine dritte Gruppe bilden
die Ausdrücke für .,ich habe begriffen", wie coraprehensum haben .
19'
292 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Es werden auch die Verstäikungeu diu-ch Adverbia u. s. w. behandelt,
ferner die Variation mit pro z. B. pro certo habere u. s. w. — Ein
Exkurs (S. 511 ff.) bespricht einzelne aul'serhalb der Ordnung-
fitehende Fälle, wie commendatum (sp.ät auch im Superlativ), dictum
und Ähnliches, concessura, exhaustura habeo u. s. w. Den Schlufs
bildet eine kurze Nachlese, verbunden mit einem gedrängten histori-
schen Überblick von Plautus bis in die Karolingerzeit. Die bereits er-
starrte Verbindung wird im gallischen Vulgärlatein schon des 5. Jahrh.
wiedererweckt und neubelebt, ausgebildet durch Gregor von Tours.
Germanischer Einfluis bei dieser Neubildung ist nicht anzunehmen (?),
dagegen gebührt den Germanen das Verdienst, das neue Element in
ihren Gesetzbüchern und Formeln in ausgedehntester Weise verwertet
zu haben. — Die Arbeit, fleiltiig und sorgsam, ist doch, wie die Inhalts-
angabe zeigt, etwas mangelhaft geordnet und untersucht auch die Arten
der Objekte bei weitem nicht genau genug.
Mit einzelnen Parti cipien beschäftigen sich:
Fr. Kupfer, Der Gebrauch des Participiuras iuif -urus bei
■ Curtius. Progr. Cöslin, 1887, 10 S. 4.
In der Einleitung wird das Ergebnis der bisherigen Forschungen
für die klassische Zeit festgestellt: 1. Das part. fut. act. erscheint nie
als Substantiv; 2. als Adjektiv oft mit esse, videri; selten mit anderen
Adjektiven durch et verbunden; unbeschränkt im Gebrauch sind futurus
und venturus: 3. als verkürzter Adverbialsatz erscheint es nie. Hiermit
wird nun der Gebrauch bei Curtius in etwa 300 Fällen in guter
Statistik verglichen. Es ergiebt sich, dafs das Particip begegnet: I als
Substantiv 2 mal. — 11. als Adjektiv: a. futurus 5 mal; b. mit esse
187 mal; c. mit videri 9 mal. — III. als verkürzter Satz: a. für
einen Substantivsatz 1 mal; b. - Adjektivsatz 18 mal (7 mal irreal):
c. -Adverbialsatz 71 mal: 3 mal temporal, 16 mal kausal, 2 mal kon-
dicional. 3 mal koncessiv, 14 mal modal, 33 mal final. — Als part. con-
junctuni demnach häufig, findet es sich im abl. absolutus nur 3 mal;
-urus foret VIII, 13, 18 steht isoliert (auch sonst selten). — Der Ver-
. fasser, schon durch eine frühere Abhandlung über Curtius (1877) be-
kannt, hat seine Studien über diesen Schriftsteller mit Erfolg fortgesetzt
J. H. Schmalz, Ersatz des fehlenden Particips von esse. Jahrb
f. Philol. 143, S. 352.
J. Weisweiler, Das lateinische Participium futuri passivi in
seiner Bedeutung und syntaktischen Verwendung. Paderborn, 1890,
146 S. 8.
Nach einer Vorerinnerung (S. 1 — 5), in welcher der Verfasser
mit Recht betont, dafs bei den Gerundialkonstruktionen vom part. fut.
Syntax. Zeitwörter. Gerundien. (Deecke.) 293
passivi auszugehen sei, behandelt er 1. (S. G— 21) die Benennungen;
2. (8. 21 — 37) die Et3^mologie; er sielit in nd ein passives Korrelat^
zum aktiven nt, und stellt legendus zum Futur legeutur, wie legundus
/.um Präsens leguntnr(!); so wird auch -bundus zum Futurum auf -boi",
-buntur in Beziehung gesetzt (?); 3. Tempuscharakter (S. 37 — 49);
4. GenusbedeutUDg (S. 49 — 64): ursprünglich ist die passivische
Bedeutung; erst allmählich findet der Übergang zum aktivischen Ge-
brauche statt; 5. Persönliche und uupersönliehe Periphrasis (S. 64—75):
Verbindung mit dem Akkusativ: 6. Das partic. fut. pass. als G erun-
divum und Gerundium (S. 75—95;; 7. Das Gerundium mit Akk.
des Objekts (S. 95 — 112); 8. Tempusbedeutung des part. fut. pass.
(S. 1 12— 1 43) ; die Futurbedeutnng ist überall nachzuweisen ; 9. Sc hlu fs-
bemerkung: „Die Kategorie des Sollens oder der zu verwirklichenden
Thätigkeit ist die Quelle der verschiedenen Verwendungen und der
Schlüssel zu ihrem Verständnis". — Im ganzen ist dem Verfasser der
Beweis für diese These, auf Grund eines umfassenden, sorgsam ge-
sammelten und geordneten Materials, wohl gelungen. Der etymologische
und sprachvergleichende Teil dagegen sind schwach. — Vgl. noch die
Anzeigen von Fr. Stolz, Berl. Philol. Woch. XI, 312 ff.; Ihm, Woch.
f. klass. Philol. VIII, 64 f.; Gerstenecker, Blatt, f. d. bayr. Gymn.
XXVn, 563 ff.
Ein Teil der Untersuchung ist noch speziell eingehender von
demselben Verfasser behandelt in:
,1. Weisweiler, Der tinale genetivus gerundii. Ein Beitrag zur
lat. Kasuslehre. Progr. Köln, 1890, 23 S. 4.
Das allgemeine Problem ist das des ad verbi eilen Genitivs
d. h. des von einem Verb um abhängigen, da der Genitiv an sich ein
adnominaler Kasns ist. Der Verfasser erklärt dies so, dafs der
Römer den im Verbum liegenden substantiellen Begriff deutlicher
empfand als wir, und dafs der Genitiv eigentlich von diesem substantiellen
Begriffe abhängig zu denken ist z. B. memini — memoriam habeo;
obliviscor = oblivionem capio: vgl. i espondere -- responsum dare, auch
die figura etymologica. Ähnlich ist es mit dem von Adjektiven ab-
hängigen Genitiv, indem z. B, cupidns -. cupiditate incensus ist. Eine
besondere Art des adverbiellen «Tenitivs nun ist der Genitiv des Zweckes,
der Absicht, der bei esse, videri, coguoscere aa. vorkommt, und sonst
bald als qualitativ erklärt ist, bald durch Ergänzung von causa, bald
als Gräcismus. Er begegnet vereinzelt bei Cäsa)-, häufiger bei Sallust
und Livius, am häufigsten bei Tacitus, bei diesem auch ohne Anlehnung
an ein Nomen als Subjekt oder Objekt, das auch nur vorschwebend
gedacht wird, oder cetera, omnia, quae z. B. Ann. II, 59 proficisicitur
294 Lateinische Graramatik. (Deccke.)
cognosceudae aotiquitatis. — Vgl. G. Landgraf, Arcli. f. lat. Lex.
VII, 295.
Gleichzeitig mit den Schriften Weisweilers erschien von mir:
"W. Deecke, Beiträge zur Auffassung der lateinischen Lifinitiv-,
Geruudial- und Supinum-Konstruktiouen. Progr. Mülhausen i. E.,
1890, 50 S. 4.
Darin handelt der 2. Abschnitt S. 43— 47 vom Gerundium und Gt-
rundivum. Über die Etymologie s. die Formenlehre S. Iü6 f. Syntaktisch
gehe ich aucli vom pari. fiUt- pass. als pari, uecessitatis aus, das etwas
ausdrückt, „was (noch) erst gethau werden soll" oder „mufs", also
„(uoch) nicht gethau ist**, „was daher (noch) zu thun ist'', ,,(noch)
gethan werden wird"; mit der Negation „was nicht gethau werden
darf". Das Gerundium ist nur das unpersönlich gebrauchte
Neutrum des Gerundivs. Die gewöhnliche Auffassung der Schul-
grammatiken daher von der Umwandlung des Gerundiums mit nähereju
Objekt in das Gerundivum ist falsch: die Geruudivkonstruktion ist
älter, der Akk. beim Gerundium ist als näheres Objekt eigentlich spracli-
widi'ig, ausgenommen als Neutrum eines Pronomens oder Adjektivs, wo
er eigentlich Akk. der Beziehung ist, der ja auch beim Passiv stehen
kann. Von hier aus, unter Mifsverständnis der Gerundivkonstruktion,
hat sich erst jener Sprachgebrauch des Gerundiums mit Akkusativ ent-
wickelt: daher ist er auch seltener, nur unter gewissen Umständen zu-
lässig, und die Gerundivkonstruktion die regelraäfsige. Ich weise die
ursprünglich passivische Bedeutung nun für die einzelueu Kasus nach
z. B. Genitiv: spes vincendi „die Hofifnang, es müsse gesiegt werden"
(vgl. den Akk. c. Inf. Fut. bei sperare); ars scribendi „die Kunst, wie
geschrieben werden mui's" ; tempus abeundi „der Zeitpunkt, dafs (in dem)
weggegangen werden mufs": inops suadendi „hülflos, wie geraten werden
müfse"; memor tacendi ,, eingedenk dessen, dafs geschwiegen werden
mufs". So heilst denn spes hostis vincendi ,,die Hoffnung auf den Feind
als einen, der besiegt werden mufs oder wird"; ars agri colendi ,,die
Kunst, wie der Acker bebaut werden mufs" u. s. w. — Dativ: scri-
bendo adesse ..zugegen sein, damit werde g-eschiiebeu werden"; utilib
bellando , .nützlich für den Fall, dafs Krieg wird geführt werden müssen,"
also auch ^-- utilis hello gerendo; praeesse navi acdificandae ,, einem zu
bauenden Schiffe vorstehen". — Akkusativ: ad spectandum ,, damit
werde geschaut werden"; so auch ad spectandos ludos; ebenso ob ten'en-
dum oder teiTendos bestes. — Ablativ: disserere de philosophando
.,erörtern, wie philosophiert werden mufs" : - de exsequeudo fuuere ,,- wie
der Leichenzug ausgeführt werden soll". — Dafs zunächst der Begi'iff
der Notwendigkeit .sich zu dem der blofsen Zukunft abschwächte,
Syntax. Zeitwörter. Ablativus absolutus. (Deecke.) 205
ist leicht erklärlich; dieser aber ging wieder in den der Gegenwart
über z. B. disceudo „dadurch dals gelernt werden mul's" , dann ,,- ge-
lernt werden wird", endlich „-gelernt wird", frei übersetzt „durchs*
Lernen". — Dafs die Konstruktion des Gerundiums mit Äkk. die spätere
ist, geht auch daraus hervor, dals sie in den anderen italischen Sprachen
fehlt, während das Umbrische die Gerundivkonstruktion kennt, das
Oskische die prädikative des Particips. — Der Dativ der Person ist
ursprünglich von esse abhängig z. B. mihi est — cundani.
An die Lehre vom Participium schlielst sich diejenige vom
ablativus absolutus, s. schon oben Tarn meliu S. 289.
Weihenmajer, Zur Geschichte des absoluten Particips im Latei-
nischen. Progr. Reutlingen, 1891. 42 S. 4.
Die Entstehung des abl. absolutus ist prähistorisch (?); das
Particip ist in der absoluten Konstruktion prädikativ (?), nicht
appositiv. — Im Plautus findet sich ein zwischen dem qualitativen
und absoluten Ablativ stehender in folgenden Arten : 1. bei Noraiuibus,
vorübergehende Zustände bezeichnend: a. zum Subjekt z. B. homo ignota
facie; b. zu einem prädikativen Nominativ z. B. fit magister uncto
linteo ; c. zum Objekt z. B. meretricem patre et matre Atticis. — 2. beim
Prädikat z. B. egredior defaecato animo; incedit cassanti capite. —
3. zu esse z. B. bouo animo. — 4. zum Verb allein (mit 2. sich be-
rührend) z. B. iguoscere animo aequo; merito meo: jussu, arbitratu
meo u. s. w. Andrerseits geht dieser Ablativ in 5., den eigentlichen
abl. abs., über z. B. in: couceptis verbis jurare; dedita opera; reiictis
rebus; re bene gesta, und in anderen adverbialen Formeln; ferner im
Ablativ mit sciente, absente, praesente, lubente, invito, vivo u. s. w. —
Der eigentliche abl. absolutus dagegen 5. gehört zum ganzen Satze.
Hauptwort und Nebenwort im abl. abs, gehörten von Anfang an zu-
sammen und bildeten zusammen eine Erweiterung des Satzbegriffes.
Vielleicht folgte die Satzbegriffsbestimmung in dieser nominalen Form
der Analogie der Wortbegriff'sbestiramung (?). Der Ablativ geht in
dieser Bedeutung meist auf den Lokativ „gleich nach" zurück (viel-
mehr ist diese Bedeutung echt ablativisch!). Dem abl. abs. fehlt
der adverbiale Charakter nicht. Im ganzen erscheint er bei Plautus
formelhaft, teils vulgär, teils parodistisch (?). — Auch bei Terenz be-
gegnen alle 5 obigen Kategorieeu; ebenso in den Resten der Dramatiker.
Die Inschriften offizieller Art, auch die Gesetze, bieten geringe
Ausbeute. Kato de re rust. hat nichts Neues: dagegen braucht Varro
de re rust., wenn er auch nicht wesentlich abweicht, den abL abs. doch
schon freier, weniger formelhaft. — Weiter geht die Untersuchung nicht.
In meinen „Erläuterungen" zur lat, Sclmlgrammatik, S. 393 — 7
29t) Lateinische Giammatilc. (Deecke.)
fasse ich deu abl. abs, uispiünglich als cineu abl, teiapoiis aaf die
Fi'age „wober?", dann auf die Frage ..wann?", infolge von Vermengung'
' mit dem Lokativ. So heilst Gallis devictis „von der Besiegung der
Gallier her", „gleich nach der Besiegung der Galliei'' (s. ob,!); es ist
also dem Sinne nach ein ab, de, ex zu ergänzen. Auf die Frage „wann .*"
steht z. B. Romulo rcgnante ; vgl. belle Punico secuudo, prima pueritia
(ohne in). Das Particip ist appositiv, resp. attributiv z. B. ,,von den
besiegten Galliern her", ,,zu Zeiten des Romulus als Königs" oder
,,- des Königs Komulus". Die Entstehung des abs. abs. aus einem ver-
kürzten Satze ist eine irrtümliche Fiktion der Grammatiker: allerdings
kann er durchweg in einen solchen aufgebist werden.
Speziell ist:
Guil. Adams. De ablativi absoluti apud Q. Cnrtiuni Rufum usu.
I)issert. Marburg 1886. 56 S. 8.
Die Arbeit zerfällt in 3 Kapitel: 1. Formen des abl. abs. A. mit
nominalem, adjektivischem, substantivischem Prädikat; B. mit partici-
pialem Prädikat, und zwar im besonderen mit Futurum, Deponens, Semi-
deponens. — 11. Arten: A. im besonderen koncessiv und kondicional;
B. logisches Subjekt des abl. abs. im Perf. Pass. — III. Besonder-
heiten: A. 1. im Hauptsätze ausgedrücktes Subjekt; 2. abl. abs. mit
Prädikatsnomen oder attributivem Participium: 3. abl. abs. mit ausge-
lassenem Subjekt. — B. 1. Stellung des Subjekts im Hauptsatze; 2. - im
abl. abs. — C. Beispiele mehrerer abl. absoluti in einem Satze. —
Es fehlt die historische Vergleichung, sowie eine allgemein grammatische
Sntwickelung: auch ist die Disposition mangelhaft.
Vom Supinum handelt:
Nils Sjöstrand, De vi et usu supini secundi Latinorum. Lund
. 1891, 54 S. 8.
Xach einer kurzen praefatio folgen 6 Kapitel: 1. de vi et signi-
ücatioue supinorum: das supinum II ist sowohl aktiv als passiv (?, s.
unten!). — 2. Von deu 621 gesammelten Fällen sind 57 zweideutig, wo
auditu. cantu, cultu aa. nicht als Supina zu betrachten sind, sondern
als Substantiva, ein oft schwierig zu bestimmender Unterschied, da -wohl
'iirsprüngliche Identität vorliegt und in jedem einzelnen Fall für sich
entschieden werden muis. ob der Verbal- oder der Substantivbegriff über-
wiegt. — 3. quae voces cum sup. II conjungantur : es werden 80 Ad-
jektiva aufgezählt, 4 Substantiva: fas, nefas, scelus, opus, und 2 Verba:
redeo obsonatu (4 mal); surgo cubitu (Kato). — 4. supina II afferuntur:
8.5, am häutigsten auditn, dictu, aditu, factu, relatu, intellectu, memo-
ratu, cognitu, aspectu, tactu, inventu, visu. — 5. Stellung: oft ist esse
zwischengestellt, andere Wörter selten: 447 mal geht das regens voran;
Syntax. Zeitwörter. Supina. Satzlehre. (Deecke.) 297
170 mal das supiiumi. — <). quao enuutiata ad sup. II referantur: indi-
rekte Fragesätze, Infiu. und Akk. c. Inf., selten ut; bisweilen Umstände
mit de. — Es fehlen Untersuchungen über Herkunft, inneres Wesen und
Geschichte des Snpinums. Die bis Hadrian gehenden Sammlungen sind
Heifsig-.
J. A. Auren. Supinum aktivum och neutrum av pait. passivuni.
Stockholm, Norstedt, 38 S. 8.
Zu vergleichen sind auch S. 48 — 50 meines oft erwähnten Mül-
hauser Programms von 1890, wo ich die innige Zusammengehörig-
keit beider Supina als Akk. und Abi. Sg. des Verbalabstraktums auf
-tus, resp. -sus, Genit. -lis hervorgehoben, und nachgewiesen habe, dals
auch das zweite Supinum überall aktivisch ist. und zwar als abl.
limitationis, z. B. facile factu „leicht zu thun", wie gr. yaXsTtov r.oith;
(loch ist dieser scheinbare Ablativ eigentlich Lokativ, also „es ist leicht
imThuu-': vgl. damit den wirklichen Ablativ in: oves pastu redeunt
(s. oben obsonatu. cubitu).
Den letzten Hauptabschnitt der Syntax bildet die Satzlehre.
Hier erwähne ich zuerst die Frage der subjektlosen Sätze:
A. Puls, über das Wesen der subjektlosen Sätze. 2 Progr.
Flensburg 1888 u. 1889; 26 u. 22 S. 4.
Das erste Programm enthält in 2 Kapiteln Weg und Methode
der Untersuchung, mit einem ziemlich reichen, aber etwas wirren Ma-
terial aus den verschiedensten Sprachen. S 19 kommt der Verfasser
zum Lateinischen, das die Naturvurgänge subjektlos auszudrücken
priegt; Deutungen, wie Juppiter tonat, caelum advesperascit sind erst
nachträglich gemacht. Cicero hat nur fulget, lucet, in den Briefen ein-
mal luciscit; nachklassisch sind gelat, rorat; aber archaisch-vulgär finden
sich diese Impersonalien in grofser Zahl: so bei Piautns, Kato, Vai'ro,
auch deponentisch caletur neben calet, nubilabitur neben nubilat: so
auch spät bei Apulejus pluitur statt pluit. Die Ausdrücke für Reif und
Tauwetter fehlen. Immerhin ist diese Ausführung sehr skizzen- und
mangelhaft, s. die Anzeige von A. Miodonski im Arch. f. lat. Lex.
V, 301 tf. — Das zweite Programm, gleichfalls in 2 Kapiteln, behan-
delt zuerst die Frage: Welche Form der meteorologischen Sätze ist die
ursprüngliche? die subjektivische oder die subjektlose? Die Antwort
lautet, gegen Benfey, .,die subjektlose". Die subjektivisch auftretenden
meteorologischen Sätze, wie „der Himmel regnet". ,Gott regnet", kommen
per nefas zu ihrem Subjekte, da zunächst durch einen Trugsclilufs (?)
der Ort der Erscheinung für den Grund derselben angesehen wurde;
von hieraus gelangte man darauf zu den dort als herrschend angf-
üommenen göttlichen Wesen, Ursprünglich dagegen wurden die Natur-
298 Lateinische Grammatik. (Deecke).
Vorgänge als bloise Thätigkeiten aufgefafst; s. das Schema S. 37. —
Das vierte Kapitel stellt die Frage: „Gestattet die grammatische
Form der subjektlosen Sätze einen Schlufs auf den ihnen zugrundi^
liegenden Denkakt? Dies wird, gegen Siegwart, bejaht: vgl. die An-
zeige von A. Miodonski, Archiv f. lat. Lex. VI, 577.
Die eben erv/ähnte Schrift Siegwarts lautet:
Chr. Sieg wart, Die Impersonalien, eine logische Untersuchung.
Freiburg i. B. 1888, 78 S. 8.
Der bekannte Philosoph fragt zuerst vorsichtig: „Sind die Im-
personalien alle von einer und derselben Art?'" und antwortet mit
Nein! Es giebt scheinbare und echte Impersonalien, doch mit unmerk-
lichem Übergang in einander. Es werden dann 10 Gruppen von Imper-
sonalien festgestellt. — Zweitens: j.Wie verhalten sich diese gi-amma-
tisch subjektlosen Sätze zur logischen Lehre vom Urteil?" — Die Ant-
wort fällt aulserhalb der Grenzen dieser Übersicht.
Eine weitere Untersuchung giebt:
Fr. Schröder, Die subjektlosen Sätze. Progr. Gebweiler 1889,
13 S. 4.
Nach einer Zusammenstellung der bisherigen, ziemlich reichhaltigen
Litteratur werden die beiden einander gegenüberstehenden Ansichten
von der Eingliedrigkeit oder thatsächlichen Subjektlosigkeit (Bren-
tano, Miklosich, Marty) und von der Zweigliedrigkeit des Urteils,
also mit inhärierendem Subjekt (Schuppe : Siegwart, wenigstens gröfseren-
teils, s. ob.!: Paul), festgestellt, erörtert, abgewogen, und endlich das
Urteil zu Gunsten der ersteren Ansicht, als der einfacheren und kla-
reren, abgegeben. Zwischen dem faktisch-subjektlosen und dem blofsen
Existenzialurteil sei kein Unterschied zu machen, denn z B. .,e8 blitzt"
und ., blitzen' sei logisch identisch. — Nun beweist aber gerade der
grammatische Unterschied der beiden Formen, dafs sie psycholo-
gisch nicht identisch waren, also aus verschiedenen Vorstelluugsakteu
hen'orgingen. Es wird in jeuer Ansicht unsere modern abstrakte Auf-
fassung mit der sinnlich lebendigen des sprachschöpferischen Geistes altei'
Zeit verwechselt. In fulget ,, blitzt'' liegt das Subjekt im schliefsenden
t, dem Zeichen der dritten Person, so dafs darin die Thätigkeit einer
von dem Redenden und Angeredeten verschiedenen, wenn auch unbe-
stimmten. Person augeschaut wurde: tritt im Deutschen .,es'', frz. il
vor, so ist die Person sogar doppelt ausgedrückt, deutsch sächlich, frz.
männlich. Der Inf ,, blitzen" dagegen bildet keinen Satz: er ist nur zu
einem solchen zu ergänzen, wenn man hinzudenkt: ,,er ist", nämlich „im
Blitzen", nach der ursprünglich lokativen Bedeutung des Infinitivs; vgl
mein Buchsweiler Progr. v. 1887, S. 5 und meine Erläuterungen S. 314.
Syntax. Satzlehre Subjektlose Sätze. Beiordnung. (Deecke.) 299
Die beiden eben erwälmteu Schiifteu von niii- sind ancli in der
Frage der Bei- und Unterordnung- zu Rate zu ziehen, eretcre be-
sonders im 3. Kapitel, S 12 — 18, wo der allmähliche Übergang der
Beiordnung durch 5 Stufen in die Unterordnung, hauptsächlich fürs
Deutsche, nachgewiesen worden ist; die „Erläutcriiiige]i" 8. 412 tf.
Einzelne hierhergehörige Arbeiten sind:
Ed. Becker, Beiordnende und unterordnende Satzverbindung bei
den altrömischen Bühnendichtern. Erster Teil. Progr. Metz 1888,
30 S. 4.
Voran gehen einige allgemeine Betrachtungen: die Beiordnung
ist von gi'öfserer Einfachheit und kürzer, daher der Umgangssprache
eigen, die in der Konveisation, besonders der Komödie, die Bühne in
Besitz nahm. Sie ist doppelter Art: unmittelbar und mittelbar:
ersteres bei Aussage- und Fragesätzen, letzteres bei begründenden, fol-
gefnden, entgegenstellenden Sätzen. Waren auch in der letzteren Art
ursprünglich beide Glieder gleich, so wurde doch durch die Haupt-
betonnng des Hauptgedankens der erste leise Schritt zur Unter-
ordnung gemacht (vgl. mein oben erwähntes Programm S. 13 ff'., wo
., Pause" und , .Stellung" hinzugefügt sind). Es treten dann 3 Über-
gaugsformen ein: 1. enger Anschluls eines konjunktivischen oder opta-
tivischen Satzes ohne Partikel oder Fürwort an einen anderen von
logisch wichtigerem Inhalt: 2. - mit satzverbindendem Pronomen
(oder Konjunktion) , schon fester augeknüpft; 3. - mit Korrelation,
festestes Band (vgl. auch hierzu mein Progr. S. 15 ff.!). — Der erste
Abschnitt nun behandelt die beigeordneten Substantivsätze der alt-
römischen Bühnendichtung, und zwar §1 die Aussagesätze, die unter-
geordnet mit inf. . acc, c. inf., quod gegelsen werden (auch ut aa.)
1. als Subjekt; 2. als Objekt, mit mehreren Unterabteilungen. Als
Ergebnis werden S. 29 drei Ursachen der Lockerung der Verbindung
hingestellt: 1. das Korrelativum fehlt in einem oder beiden Sätzen;
2. die direkte Rede wird einem Anderen in den Mund gelegt (nach
verbis die. et sent.); 3. der Gedanke des Inhaltssatzes überwiegt. —
Weiter reicht leider die tüchtige Arbeit nicht.
J. B. Weifsenborn. Parataxis Plautina. Progr. Burghausen
1884, 22 S. 8.
Ergänzung von Dräger II-, 213—21. Bei bekannteren Sprach-
erscheinungeu sind ausgewählte, bei seltneren sämtliche Beispiele ge-
geben, im ganzen recht sorgfältig ausgeführt, doch ohne besonders neue
Resultate. Nach faxo folgt auch der conj. praes. (gegen Madvig-Lübbert).
Im Epiphonem finden sich noch nicht tarn und adeo, wohl aber ita, sie,
is, tantus.
300 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
A. Weninger, De parataxis in Tcrenti fabulis vestigiis. Dissev-
tat. Erlangen 1888, 114 8. 8.
Terenz hat die Hälfte der archaischen Formen des Plautus ab-
geworfen; auch der SatzLau ist ein anderer. Die bei Plautus noch
häutige Parataxis statt eines Substantiv-, Final-, Kondicional-. Kon-
cessivsatzes u. s. w. fehlt bei Terenz; ebenso in den Komikerfragmenteu.
Die dem Terenz noch eigenen Parataxen stammen weder aus Plautus,
noch aus dem Grriechischeu , sondern sind Eigentümlichkeiten der Um-
gangssprache, z. T. bis in die Augusteische Zeit nachweisbar. Vgl.
Weifsenborn im Arch. f. lat. Lex. II, 138.
Ich gehe zu den beiordnenden Konjunktionen über: vgl.
meine ..Erläuterungen" S. 305—9; 402—9.
H. C. Eimer, The copulative conjunctions Que, Et, Atque in the
iuscriptions of the Republic, in Terence and in Cato. Amer. Journ.
of Philol. 1887, S. 292 tf. Reprint. Baltimore 1888, 40 S. 8.
Mühsame, dankenswerte Statistik, geeignet, die bisherigen An-
nahmen zu verbessern, auch für einzelne Konjekturen von Belang. In
den Gesetzen tritt das Bestreben hervor, -que zur einzigen Kon-
junktion der Verbindung zu machen (?), während in den anderen In-
schriften et überwiegt; atque ist selten, und ac tindet sich nur 7mal
in Inschriften, stets vor Konsonanten. Auch Kato hat ac nui- 3 mal.
während Terenz es vor Konsonanten (aufser h) regelmäfsig braucht. -^
Ein Bedeutungsunterschied läfst sicli nicht erkennen. Die An-
hängung des -que an ein kurzes e begegnet in Inschriften nur 7 mal
(stets an aktiven Infinitiven), bei Terenz Imal, bei Kato 4 mal (beueque):
s. darüber S. 301. An PräJpositionen hängt sich -que in den Inschriften
ohne Unterschied, bei Terenz nur 3 mal, bei Kato 2mal. An das Re-
lativ tritt -que in den Inschriften regelmäfsig, wenn schon ein Relativ
vorhergeht, sonst überwiegt et; bei Terenz und Kato wird et in allen
Fällen vorgezogen: jener hat -que am lielativ nur 4 mal (davon Inial
ohne vorhergehendes Relativ), dieser 2 mal (beidemal nach Relativ). Im
ganzen findet sich -que in den Inschriften 340 mal, et 215 mal, atque
(ac) 20 mal; für Terenz sind die Zahlen 115, 525, 27G; für Kato 224,
529, 94. Der 2. Teil der Schrift enthält sämtliche Stellen, syste-
matisch geordnet. Zu unterscheiden wäre gewesen prosaische und poe-
tische Diktion, wegen des Einflusses des Metrums. Vgl. meine Anzeige
in der Berl. Philol. Woch. IX, 1344.
Hierher ferner:
0. Rieraann, Place de-que ä e6t6 des adjectifs, prec^des de tarn.
Revue de philol. XIII, 85.
Syntax. Satzlehre. Beiordnung. (Deecke.) 301
Derselbe, Faesulas iiiter Arretiumque. Note de grammaire.
Ebdt. XIII, 132.
J. van Vliet, Insolens conjunctionis et iu sententia locus. Mne-
mos. XIX, 394 ff.
A. Meillet, et non. Rev. d. philol. XII, 172.
Job. Seiler, De particiilis copulativis quaestioues gramniaticae
et metricae. Diesert. Halle 1891, 37 S. 8.
An welche "Wörter wird -que nicht oder nicht g-eru gehängt?
Die Beobachtungen sind gestützt auf Cäsar. Cicero (teilweise) aa.,
besonders aber Vellejus und Sueton, andrerseits auf Vergil, Horaz,
Ovid. Tibull, Properz. .Juvenal aa., immerhin aber nur auf einen will-
kürlich ausgewählteti Teil der klassischen und silbernen Litteratur. Die
auf S. 34 gegebenen Resultate für die Prosaiker lauten: 1. Keiner
der betrachteten Prosaiker hat -que hinter Guttural oder -e, ausge-
nommen sehr wenige Stellen bei Cicero de ofticiis, Cäsar bell. Afric,
Vellejus (später die Script, bist. Aug.); vgl. dazu oben Eimer und
unten Müller! — 2. Vellejus und Sueton meiden -que hinter ZAvei
kurzen Silben, die nicht leicht in eine zusammengezogen werden
können, wie -ia, -ua, -cula (^^ -ja, -va, -cla); nicht hinter einer kurzen
(aufser -ä); die brevis erhält den Ton nicht. — 8. Bei mehr als vier-
silbigen Wörtern zieht Sueton et und ac vor: Vellejus hat bei fünf-
silbigen noch meist -que, bei mehr als füufsilbigen alle 3 ohne Unter-
schied; ganz fehlt -que nach langen Wörtern weder bei Cäsar, noch
Vellejus, noch Sueton. — 4. Am Satzschlufs haben -que Livius und
Sueton bisweilen. Cäsar selten und nur nach Nominibus: Vellejus und
Cicero (?) nie: Nepos einmal. — Über die Dichter heifst es S. 29:
8elten steht -que nach -e; et trajectura begegnet bisweilen nach einem
Vokal in arsi; -que wird besonders gemieden nach einem spondeus in
einem Wort, ausgenommen bei einzelnen Dichtern, die dies im 1. und
4. Fufs des Hexameters zulassen. — Von den beiden genauer durch-
forschten Prosaikern wird eine allgemeine Statistik gegeben: Danach
hat Vellejus circa 600 ! 460 Beispiele für et und et . . . et; 660 für
-que: 190 für ac (atque); Sueton 2300 — 1500—950. — Dafs -que
nicht an sie. tunc, nunc tritt, hatte schon Madvig beobachtet, es aber
der demonstrativen Kraft des c zugeschrieben.
H. .1. Müller, -eque bei Livius. Rhein. Mus. XLIII. S. 637— 9.
Berichtigung von AI. Harant. Eniendationes et adnotationes ad
T. Livium, 13. — Es begegnet -eque im Livius nur viermal: VIII,
9, 7 morteque in formelhafter Verbindung: 11. 33. 7. wohl zu bessern:
caedeque in proxima [parte] urbis facta; XXI, 39, 2 tabeque: XLI,
25, 6 mauereque id decretum; zu tilgen ist XXXV, 32, 2 inde[que].
302 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Cäsar hat im bell. Gall. III, 97, 3 commodioreque itiuere, wobei, wie iu
einig-en der obigen Stellen, w^as zu beachten ist, ein Vokal folgt, so dals
das -e von -que in rascher Lektüre elidiert werden konnte.
U. Riemann. tamquam dans la pensee -^fjie. Rev. de philol. XV,
1891, S. 174 ff.
P. Stamm, Die Partikelverbindung et-quidem bei Cicero. Progi\
Rössel 1885, 16 S. 4.
Ergänzung der im Jahresber. f. 1881—2, S. 354 f. und 1883—4,
S. 221—2 augezeigten Ai'beiten von W. Grrofsmann über quidem und
ue-quidem. Die Verbindung et-quidem, die bei Cäsar und Sallust felilL,
kommt bei Cicero in fünf Bedeutungen vor: \. e*egetisch ^ ,,und
zwar, nämlich', am häufigsten; nach stärkerer Interpunktion unge-
trennt et quidem, aber stets getrennt ac-quideni; gleichen Sinnes sind et is,
atque is, isque; Cäsar braucht das Demonstrativ auch ohne Konjunktion.
Vgl. S. 141. — 2. gegensätzlich, resp. den Übergang bildend =
,.uun" oder durch blofse Liversion ausgedrückt. — 3. steigernd -^
,, ja sogar"; dafür auch atque etiam, selten atque adeo. — 4. wider-
legend ^ „ja auch, allerdings". — 5. versichernd — „und wirk-
lich", ,.und iu der Tliat"; subjektiv et profecto. — Cicero zeigt
sich auch hier als der gröfste Liebhaber von quidem.
A. Lud ewig. Quomodo Plinius major, Seneca philosophus, Curtius
Rufus, Quintilianus, Cornelius Tacitus, Plinius minor particula qtddem
usi sint. Prager Philolog. Stud. TIT. Heft, 1891, 76 S. 8.
Die Abhandlung^ setzt die erste Arbeit Gross manns in wert-
voller Ergänzung fort und berichtigt zugleich wesentlich H. Jordans
Untersuchung über equidem in den , .Kritischen Beiträgen". Sie zerfällt
in ;} Teile mit je 2 UriterabteUungen: 1. wie quidem sicli auf einzelne
Wörter bezieht, und zwar a. bekräftigend == ^e, „gerade, eben";
b, erklärend ^ xal . . .73, „und zwar, nämlich" (S. 3 — 17). —
2. wie es in gewisser Weise Sätze verbindet, und zwar a. mit
einem Wort, das es hervorhebt, an den Anfang des Satzes gestellt;
b. mit anderen Konjunktionen verbunden: et-quidem, auch et quidem
(vgl. Stamm!), nicht bei Tacitus und Plinius d. Jung.; ac-quidem,
atque-quidem (vor Vokalen); nam-quidem nicht bei denselben Autoreu
und bei Curtius; jam-quidem. Jamquidem nicht bei den 3 Genannten und
bei Seneka, während Cicero es oft hat; sed-quidem fehlt bei beiden
Plinius, Curtius und Seneka; at-quidem begegnet bei keinem der unter-
suchten Autoren, oft bei Cicero; venim-quidem nur bei Quiutiliau; si-
quidem beim älteren Plinius 61 mal, bei Quintilian 21 mal, bei Tacita.s
nur 2mol (Germ. 30, 3 -- „denn"; Agr. 24, 4 — „da ja"), bei Seneka
Syntax. Satzlehre. Beiordnung. (Deecke.) 30H
nur Imal (Agam. 306 — „wenn nämlich"), bei Ourtius gar nicht;
quandoquidem und quoniam qnidem; cnra qnidem, ut quidem, alle selten;
etsi-quidem, tametsi-quidem fehlen, sind über ciceronianisch (S. 17- -54).
— 3. wie es a. vorhergehend zu koncessiver Bedeutung, oder b. nach-
folgend zu adversativer Bedeutung kommt, indem es in einem von
zwei entgegengesetzten Sätzen oder Satzgliedern steht (S. 55—69). Es
folgt eine Übersicht und die Besprechung einiger loci dubii. — Die Ar-
beit ist sorgfältig gemacht; die Beispiele sind alle ausgeschrieben und
geordnet. Die Vergleichung des Sprachgebrauchs ist nur mit Cicero
genauer durchgeführt worden, von dessen Sprache der Unterschied be-
deutend ist (s. ob.); auch sein certe quidem oder quidem certe fehlt. —
Unter obigen Autoren ist der ältere Plinius besonderer Liebhaber der
Partikel, die bei ihm einfach zur Fortsetzung der Rede dient (s,
10 Punkte 8. 70); anders Tacitus (6 Punkte S. 70—71), der wesentlich
zu Curtius stimmt (vgl. die Untersuchung von F. Walter über das
Verhältnis beider zu einander). Bei Seneka sind 5 Punkte hervorge-
hoben (S. 71—72). — Zu siquidem ist noch zu bemerken, dafs es nicht
archaisch ist, auch bei Sallust fehlt; dafs es bei Varro und Cicero mit
dem Indikativ steht, allmählich kausal wurde, bei Sueton und de)i Script,
bist. Aug. häutiger wird und später unglaublich oft vorkommt. — Zu
beachten ist die nicht seltene Verwechslung von quidem und et quidem
mit equidem, auch quidam, in den Handschriften. — Der Verfasser hat
auch Sammlungen über ne-quidem angestellt, die er später veröffent-
lichen will.
Inzwischen sind über ne-quidem schon andere Untei"suchungen er-
schienen; s. oben und:
Max C. P. Schmidt, ne-quideni. Jahrb. f. klass. Philol. 1890,
S. 299—300,
Es ist dies nur eine Bemerkung zur Stellung: während es näm-
lich z. B. decipi non possunt heilst, sagte man andrerseits ne decipi
quidem possunt, 4 mal bei Cicero, 2 mal bei Kurtius, stets mit inf. praes.
pass. (Zufall?), während von posse verschiedene Formen vorkommen.
Allerdings finden sich bei Cicero 2 Ausnahmen: ne potest quidem esse
und ne potuisse quidem facere; vgl. noch Kurt. III, 5, 16 ne ausurum
quidem experiri. — Dies macht die auf mangelhafte Statistik begrün-
dete Behauptung doch sehr zweifelhaft! — So deutet denn auch Pet.
Meyer ebdt. S. 777—8 die 6 Stellen anders; Schmidt aber, ebdt.
8. 778—81, bleibt bei seiner Behauptung und bringt 2 neue Stellen aus
Cicero, sowie einige zweifelhafte, bei. Jedenfalls bedarf die Sache noch
weiterer Prüfung.
304 Lateiuische Grammatik. (Deecke )
Verwandt ist: ■
J. B. Greenough, Some uses of neque (nee) iu Latin. Harvard
Stud. in class. philol. Vol. II. Boston 1891, S. 129—141. 8.
Es handelt sich um den seltenen Gebrauch von neque, nee statt
non, ne-quidem ,,auch nicht" z. B. schon in den XII tb. si agnatus
nee escit: si custos nee escit; res nee mancipi aa.; Plaut. Cist. IV, 2, 22
quae neque illa illi quiequam usuist; Livius I, 25, 10 qui nee procul
aderat. Der Verfasser sucht eine Erklärung dieses Sprachgebrauchs
zu tinden, indem er sich bemüht nachzuweisen, dals iu dem umgebenden
Satze jedesmal dem Sinne nach ein zweites neque stecke oder in der
Phrase selbst liege, was freilich nicht immer ungezwungen sich ergiebt.
Es gehören ferner hierher: necopinus, -iuaus, vielleicht neglego; nee.
lecte dicere oder loqui; nee ita multo post aa., so dafs nach Pest.
162 M. Sinnius Kapito erklärte, die Alten hätten überhaupt nee statt
non gesetzt. Dagegen bleibt Greenough dabei „in almost all senteuces
there is a Suggestion of a something besideS the mere negative"; es
könne neque immer nur - and not sein, es drücke a shade of meaning
something like ,,neither" aus; doch seien die Fälle teils aceidental, teils
stereotype , letztere später meist ohne weiteres Bewufstsein der be-
sonderen Bedeutung gebraucht.
Ed. Wölfflin, Was heilst ,bald . . . bald'^V Arch f. lat. Lex.
11, 233-254.
Ergänzung zu Dräger II-, l'O— 94. Die Formen sind sehr reich-
haltig: archaisch: alias-alias (Plautus): niodo-modo (Terenz, Lucilius):
dum-duni (eig. Akkus,, Accius); Kato: repente-repeute; alteras-alteras. —
klassisch: alias-alias; modo-raodo; tum-tum (der junge Cicero; tuue-
tunc erst Apulejus); nnnc-nuue (Lukrez): iuterdum-interdum (Briefe
Ciceros); jam-jam (Vergil); doppeltes saepc (Ovidj, -alternis (Vitrnv),
-nonnunquam (Celsus); später: -aliquando (der Philos. Seneka), -ali-
quoties (erst Boetius): -alicubi (rler Philos. Seneka): -quando (Boetius) ;
-interim (Quintilian) ; -subinde (Briefe des jüngeren Pliuius, aus der
Konversation); ganz spät: -partim, -plerumque, -mox. — Variationen
oder Mengungen (vgl. Hands Tursell. III, 412ff.): modo-saepius (Tacitus),
-sacpissime (Petron), -frequenter, -rursns (Properz, Tac), -iterum u. b. w.
F. Strowski, sed ^ nunc vero. Kev. d. philo!. XII, 135.
H F. Karsten, De particulae t a m c n significatione antiquissima
ad Ciceronis fere tempora in latinitate couservata. Mnemos3fne XVIII,
1890, S. 307— '341 ; auch im Separatabzug: Amsterdam 1890, 35 S. 8.
Die Partikel tarnen war u)sprünglich mit tam gleichbedeutend:
erst später schied man das komparative tam vom adversativen
Syntax. Satzlehre. Beiordnung. (Dcecke.) 305
tameu, doch schimmert, bei Durchmusterung- der Autoren bis Cicero,
die Grundbedeutung noch überall durch. Der Verfasser betrachtet
sogar tarn als eine blol'se Abkürzung von tarnen; vgl. taraetsi aus
tamenetsi (?), währeud man sonst jetzt gewöhnlich tarnen aus tam-en
entstanden sein lälst, worin en die Ausrufungspartikel oder besser die
Präposition in (alt en) sein soll, postpositiv gebraucht wie im Umbrischen
(s. meine Erläuterungen S. 308), also tam-in etwa rationem „in der
Weise"; korrelativ zu quam (s. tamquam), verallgemeinert quamquam:
„mit dem gleichen Recht wie . . ., mit demselben Rechte"; „so gut . . .,
so gut"; ,,so sehr . . ., ebensosehr". Daraus entstand dann koncessiv
quamquam . . . tamen == „wenn auch noch so sehr . . ., so doch"; vgl.
dazu unten Ed. Wölfflin, Die Koncessivsätze S. 309.
Ed. Wölfflin, igitur. Arch. f. lat. Lex. ni, 560—561.
Miscelle, angeknüpft an Quintil. I, 5, 39. Die Partikel scheint
vom Scipiouenkreise geächtet worden zu sein; Terenz Lat sie in seinem
vorletzten Stück, der Hecyra, nur noch einmal, in der Frage quid
igitur V (v. 181), im letzten, den Adelphi, gar nicht mehr. Cäsar hat
sie nur im bell. civ. 1, 85: sie fehlt bei Hirtius, im bell. Afric. und
Hispaniense; ferner bei Lucilius (so weit er erhalten); beim Rhetor
Seneka, während der Philosoph sie sehr selten hat. Auch bei manchen
der Script, bist. Augustae fehlt sie. Cicero hat sie in den Reden nur
4 mal an erster Stelle, Sallust dagegen stets, ausgenommen in Frage-
sätzen; Tacitus hat sie 7 mal, nie am Anfang. — Über die Herkunft
s. Fei. Hartmann im Jahresber. f. 1883—1884, S. 222f.
D. Engländer, donec als koordinierende Partikel. Arch. f. lat.
Lex. VI, 467f.
Spät: daraus das frz. donc; s. oben unter den Etyraologieen S. 209.
Für den Ursprung der Nebensätze und ihre ursprüngliche
Form und Bedeutung verweise ich noch einmal auf mein Buchsweiler
Programm 1887 und meine , .Erläuterungen" S. 412ff, Sonst vgl.
W. Rösch, Über Wesen und Behandlung der Nebensätze.
Korrespondenzblatt f. d. württemb. Schulen, XXXVI, 271—276.
Ich ordne jetzt die einzelnen Arbeiten nach den verschiedenen
Arten der Sätze:
Job. Prauu, Bemerkungen zur Syntax des Vitruv mit ein-
gehender Darstellung der Substantivsätze. Progr. Bamberg 1885,
108 S. 8.
Die sehr ausführliche Arbeit zerfällt in 8 Abschnitte: I. Der
•Gebrauch des blofsen Infinitivs: A. bei Nominibus, wofür Vitruv
eine Vorliebe hat; B. bei Verben der Möglichkeit, der Notwendigkeit,
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXVII. Bd. (1893. III.) 20
306 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
des Wollens, der positiven Willensäufserung; als Subjekt vereinzelt,
aufser bei non aliennm est; C. Verschiedenes (wenig). — 11. Der
Akk. c. Inf.: A. Die übergeordneten Verba: sentiendi, cogitandi, der
Affekte, dicendi, des Wollens, unpersönliche — sehr mannigfaltig, im
ganzen 65; doch nur 6 häufiger als 10 mal: oportet, patior, animad-
verto, puto, schon seltener judico, jubeo; B. Verschiedenes. — III. Die
mit Partikeln eingeleiteten Substantivsätze, nach den regierenden
Verben geordnet: ut, ne; quod, sehr selten quin; quominus felilt. —
rV. Gerundium und Gerundiv: selten, ausgenommen ad mit Ger.,
das ziemlich häufig ist (vulgär). — V. Indirekte Fragesätze:
A. übergeordnete Verba: B. Modus: oft, und zwar sehr willkürlich,
der Indikativ (wohl gräcisiereod); C. Formen: Satzfragen, Worttragen.
Die einfachen Satzfragen sind selten und nur mit si eingeleitet; dis-
junktive finden sich nur 4 mal, und zwar 2 mal utrum-an, einmal si-
necne, und einmal si-seu. Wortfragen sind häufig; sehr beliebt quid
ita? — VI. Zur Komparation (S. 78-81): Nachlese zu Wölfflin.
Vitruv verbindet zuerst einen regelmäfsigen Superlativ mit einem
Positiv, z. B. e parvo brevissimoque; alle 3 Steigerungsgrade sind
verbunden 145, 26 vestibula . . . alta, atria . . . amplissima, silvae . . .
laxiores. — VII. Zum Pronomen (S. 82 — 87): vereinzelte Notizen. —
Vni. Zum Gebrauch der Kasus (S. 88 — 95): Der Dativ des Zweckes
ist häufig. — Mitunter sind 2, ja 3 Genitive voneinander abhängig;
der gen. apposit. ist erweitert; der gen. partit. fast verdrängt; der gen.
subjectivus und derjenige nach Adjektiven ist beschränkt. — Sehr oft
begegnet der Abi. der Ortsruhe ('vulgär). — Bei Mafsangaben herrscht
grofse Mannigfaltigkeit und Willkür. — Der Schlufs enthält Beiträge
zur Textgestaltung und zur Geschichte einzelner Wörter. — Im ganzen
sucht der Verfasser besonders die auf der volkstümlichen Ausdrucks-
weise bei übenden Abweichungen des Schriftstellers von der (klassischen)
Schriftsprache seiner Zeit herauszufinden und dieselben, darunter die
technischen Wörter und Phrasen der Handwerkssprache, von den
rhetorischen und gräcisierenden Eigentümlichkeiten zu sondern,
Georg Mayen, De particulis „quod, quia, quoniam, quomodo,
ut" pro accus, c. inf. post verba sent. et declarandi positis. Dissert.
Kiel 1889, 62 S. 8.
Es sind drei Kapitel: I, Der vorkommende Gebrauch: quod
mit Konj. 3 mal im bell. Hispan., dann in den script. histor. Augustae;
-mit Indikativ bei Petrouius, dann bei den Afrikanern, besonders bei
Tertullian (nicht bei Fronto), von den Dichtern bei Kommodian; quod
ist = quod attinet, vgl. adde quod, reputa quod (vielleicht eher nach
Analogie der verba affectus!). Die anderen Konjunktionen beruhen auf
Syntax. Satzlehre. Unterordnung. (Deecke.) 307
Übersetznngen des griech. gtt, w; (vg-l. auch deutsch ^wie"!); quia be-
sonders in der Itala, quoniaui in der Hermasübersetzung, seltener iu
der Itala; beide bei Kominodian; über quatenus s. Arch. f. lat. Lex.
V, 412 (vgl. S. 319). — II. Verhältnis des Partikelgebrauchs zum
Akk. c. Inf. — III. Die Modi und Tempora. — Anhang: ut statt
des acc. c. Inf. — Im ganzen zeigt sich eine allmähliche Auflösung
der Konstruktion des acc. c. inf. — Vgl. Arch. f. lat. Lex. VI, 286 tf.
M. "Wolff, De usu conjunctionum apud Juvenalem. Dissert.
Amsterdam 1888, 106 S. 8.
Die Konjunktionen werden, nach Dräger und Schmalz, in
7 Kapiteln abgehandelt: die temporales, causales, condicionales, con-
cessivae, ünales, consecutivae und comparativae. Ein gegen Lübbert
gerichteter Anhang handelt vom Modus nach quom temporale. — Der
ziemlich breiten und fleifsigen Arbeit fehlt die historische Vergleichung.
Max. Stock, De Vitruvii sermone. De formis enuntiatorum
temporalium. Dissert. Berlin 1888, 40 S. 8.
Vgl. Eberhard, De Vitruvii genere dicendi, Progr. I. Pforz-
heim 1887; II. Durlach 1888, sowie die oben besprochene Arbeit von
Praun S. 306. — Die Resultate sind im ganzen gering: ut und quoad
in temporalem Gebrauche fehlen; posteaquam steht statt postqnani; die
Vermengung des Präsens und Futurum stammt aus der Vulgärsprache. —
Die Arbeit ist statistisch nicht ohne Fleiß gemacht, aber Erklärung uni
geschichtliche Vergleichung reichen nicht aus.
Otto Waldaestel, De enuntiatorum temporalium structura apud
L. Annaeum Senecam. Dissert. Halle 1888, 68 S. 8.
Gemeint ist der Philosoph Seneka, dessen Eigenart auf diesem
Gebiete sich nicht als bedeutend erweist. Besprochen werden: cum
(das die gröfsere Hälfte der Arbeit einnimmt); simul und simul atque,
ut und ut primuni, postqnam, qnando nebst quandoque, quandocumque;
ferner dum, donec, autequam, piiusquam, quotiens, quamdiu. Gemieden
hat Seneka quoad. — Der Verfasser wagt manche Kritiken und Kon-
jekturen; die historische Vergleichung ist beschränkt. Es kann immer
manches statistisch Richtige doch nur zufällig sein.
A. Dö bring. Zu den griechischen und lateinischen Konjunktionen
der Gleichzeitigkeit und der Zeitgrenze. Festschrift. Königsberg
1892, 16 8. 4.
Enthält nur wenige Bemerkungen für das Lateinische : S. 5 über
quoad „bis wie lange .... (bis dahin . . .)"; S. 14 über 'hxs. = usque
(?) , immerfort", über donec und später quamdiu; S. 15 — 16 dum,
pronominalen Ursprungs, gehört eigentlich zum Hauptsatze (?) z. B.
20*
308 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Plaut, Amph. 1098 dura haec aguntur, interea , . . -= „ während jener
Zeit: es geschah dieses, während dessen . . ."; doch vgl. das doppelte
dum . . . dum! s. S. 314 ff.
J. Sturm, Über iterative Satzgefüge im Lateinischen. Progr.
Speyer 1891, 27 S. 8.
Die Iterativsätze haben an sich, daher auch meistens faktisch,
dien Indikativ; der jedoch nicht seltene conj. imperf. und plusquampf.
wird von Hoff mann als „iterativer Konjunktiv" auf die relative
Zeitgebuiig im abhängigen Temporalsatze zurückgeführt; andere fassen
ihn kausal oder potential; Sturm nun sucht zu beweisen, dafs bei
reiner Zeitbestimmung der Indikativ steht, der Konjunktiv aber
auf eine vom Schreibenden gewollte doppelte ~ Abhängigkeit zurück-
zuführen ist, d. h. dafs er sich auf eine doppelte Modalität gründet,
auf das Bestreben, zwei Modi durch ein Prädikatsverbum auszudrücken. —
Dies ist recht ungeschickt und unklar ausgedrückt: es soll heiisen, dafs
der Konjunktiv sekundär ist, durch irgend eine Nebenbeziehung ver-
anlafst. — Der Verfasser geht aus vom Cäsar: bei diesem haben ubi,
ubicumque, quotiens, ut quisque, qui (quisque), quicumque, quisquis,
quantus, quanfuscumque stets den Indikativ. Der Konjunktiv steht
iterativ und kausal bei cum . . . inflexissent, . . . poterant (bell. Gall.
I, 25, 3); ebenso cum . . . procederent, adoriebatur (ebdt. VII, 16, 3): so
im ganzen 5 mal; ferner noch 4 mal von Konsekutivsätzen abhängig;
dann iterativ und koncessiv 3 mal, z. B. bell. civ. III, 47, 7 cum
daretur, non . . . recusabant; bei si iterativ und kondicional (potential)
9 mal z. B. ebdt. I, 82, 5 si . . . committeretur, . . . dabat. In Iterativ-
sätzen der Vergangenheit mit cum überwiegt der Konjunktiv (nur
10 mal der Indik.), sonst ist der Indik. häufiger. — Bei Kornelius
Nepos steht quum 12 mal mit Konj., 2 mal mit Indik.; si 2 mal mit
Konj., qui einmal, und zwar liegen dieselben Ursachen zugrunde. —
Saliust hat nur einmal den Konj. nach sin (bell. lug. 58, 3). — Bei
Cicero ist der Konj. selten; häufig dagegen hat ihn Livius, auch nach
Relativen, nach ubi aa.; noch häufiger Tacitus, Vellejus, Florus, Sueton,
Justin. Bei Livius finden sich alle 3 Arten wieder; aus Tacitus werden
Proben zu 1 und 3 gegeben. Vgl. H. Ziemer Woch. f. klass. Philol.
VIII, 1376.
H. Hagelüken, Zur Richtigstellung der Regel über die Iterativ-
sätze im Lateinischen. Jahrb. f. klass. Philol. 142, S. 348f.
Vgl. ferner oben GardnerHale The cum-constructions S. 264 ff.,
und unten die Schriften über dum S. 314 ff.
Aem. Trachmann, De conjunctionura causalium apud Suetonium
usu. Dissert. Halle 1886, 44 S. 8.
Syntax. Satzlehre. Unterordnung. (Deecke.) 309
Die Arbeit füllt eine bisher vorhandene Lücke in der Forschung
aus: sie behandelt quod, quia, quoniam, quando, siquidem, quatenus,
quippe, ut qui. Leider beschränkt sie sich auf die Kiiiserbiographieen. —
Sueton steht im ganzen dem Klassicisnius näher, als Tacitus. Im Ge-
brauche der Tempora und Modi zeigt er wenig Neuerungen ; eine Lieb-
haberei von ihm ist das perf. conj. nach einem histoiischen Tempus
z. B. existimaverunt quod fuerit; ebenso in Konsekutivsätzen; doch
findet sich auch das imperf. conj.; ut qui hat, wie klassisch, nur den
Konjunktiv nach sich.
Reinh. Neubauer, De conjunctionum causalium apud Gellium
usu, Dissert. von Erlangen; gedr. Magdeburg 1890, 46 S. 8.
In 7 Paragraphen werden behandelt : § I . quod explicativum und
causale, mit Indik. und Konj.; § 2. quia mit seinen Modi, nebst non
quia (non quod), non quiu; § 3. quoniam, das den Konjunktiv nur ex
orat. obliquae ratione hat, doch selbst dann bisweilen den Indikativ;
§ 4. quando, nur 4 mal kausal; § 5. si quidem, nur 2 mal; § 6. quatenus
fehlt; quippe begegnet 17 mal, darunter nur einmal mit dem Konj.; ut
qui, nur einmal und zwar mit dem Indikativ; § 7. tan quam 12 mal,
ebenso oft quasi, ferner einige zweifelhafte Fälle. Auch hier, wip in
der Arbeit über Sueton, fehlt das quum causale. — Da es über Gellius
eine Eeihe Vorarbeiten giebt, bietet die Arbeit vveuig Neues. Die zu
Tage tretenden Eigenheiten sind archaistisch, nicht vulgär. Scharf zu
unterscheiden aber ist stets der eigene Text des Gellius selbst von den
so häufigen und oft ausgedehnten Citaten.
Vgl. oben Ardy, de constructionibus causarum S. 229.
Den Kausalsätzen stehen die koncessiven zunächst; s.
Ed. Wölfflin, Die Koncessivsätze. Arch. f. lat. Lex. VII, 420.
Die Koncessivsätze sind ihrem Ursprünge nach zum Teil Ver-
gleichungs- oder Proportionalsätze: so diejenigen mit ut . . . ita; quam-
quam oder quamvis . . . tamen (s. ob. Karsten de particula tarnen
S. 304). Wölfflin ist geneigt, das en von tamen für die mit ecce synonyme
interjektionale Partikel zu halten ^ die eine „unerwartete Über-
raschung" ausdrücke.
Herrn. Kriege, De enuntiatis concessivis apud Plautum et
Terentium. Dissert. Halle 1884, 52 S 8.
Eine sorgfältige, im ganzen gut geordnete Statistik in 3 Kapiteln:
1. Die kondicional geformten Koncessivsätze, mit si, etsi, etiamsi,
tametsi, tamenetsi; 2. Die relativischen, mit utut, quaniquam,
quamvis (nicht bei Terenz); 3. Die anders geformten, mit ut (fehlt
bei beiden Dichtern); quom; licet (eigentlich selbständiger Satz; nur
310 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Plaut. Asin. 718) n. p. w. — Hiervon gehören ut nnd quom eigentlich
unter 2, und es wäre überhaupt besser gewesen, mit den Relativsätzen
zu beginnen; sonst vgl. eben Wülfflin! Die logische und historische
Behandlung hätten tiefer eingehend sein müssen.
H. Rieger. Die koucessive Hypotaxe in den Tragödien des L.
Annaens Seneca. Progr. Tanberbischofsheim 1892, 19 S. 4.
Der Text ist nach Fr. Leo (1879) benutzt. Die Arbeit selbst
zerfällt in 3 Abschnitte: 1. das koncessive Verhältnis im einfachen
Satze; 2. das koncessive Verhältnis ganzer Sätze ohne äufsere
Andeutung; 3. unterordnende Konjunktionen: ut; licet; quamquam;
quamvis (mit und ohne verbuni finitum); si (17 mal), etsi ; cum. Es kommen
nicht vor: quamlibet, quamtumvis; auch etiamsi fehlt; dagegen: tametsi,
tamenetsi. — Da die Untersuchung ein Beitrag zur historischen Grammatik
sein soll, so enthält sie Vergleichuugen mit der gleichzeitigen Prosa,
anderen Dichtern u. s. w. ; vgl. die Arbeit von Nägler 1873 über
Seüekas philosophische Schriften. — Wenn etiamsi ebenso, wie bei
Seneka, in andern Dichtern, z. B. den augusteischen, fehlt, so liat wohl
besonders die metrische Unbequemlichkeit des Woiles dies voranlafst;
licet fehlt bei Cäsar, Sallust, Livius; licet esset im bell. Hispan. 16
deutet auf einen griechischen Verfasser (?); Cäsar hat auch quamquam
verworfen, doch steht es im bell. Alexandrinum; Sallust hat tametsi
statt etsi; das Schwanken des Modus nach quamvis scheint durch Ver-
mengung mit etsi herbeigeführt (?).
Zu den Finalsätzen s.
Ph. Weber, Entwicklungsgeschichte der Absichtssätze. Progr.
"Würzburg, 11. 1885, 124S. 8. (berührt nur gelegentlich das Lateinische);
vgl. die Anzeigen von G. Helmreich Blatt, f. d. bayr. Gymn. XXII, Iff.,
und J. Golling Zeitschr. f. d. östr. Gymn. XXXVI, 154; auch die
Erläuterungen zu meiner Schulgr. S. 427—431.
Eine reichere Litteratur liegt vor über die Bedingungssätze.
Die Hauptarbeiten sind hier diejenigen von Blase, nämlich:
Henr. Blase, De modorurt temporumque in enuntiatis condicio-
nalibus Latinis permutatione quaestiones selectae. Strafsburg, 1885,
54 S. 8.
Die Schrift enthält einen Nachweis der geschichtlichen Ent-
wickelung des condicionalen Spiachgebrauchs, speziell bei Plautus
und in den Reden Ciceros, soweit die Halmsche Ausgabe bei Weidmann
reicht, eine Beschränkung, die allerdings die Resultate vielleicht etwas
beeinträchtigt. — Kap. L Bedeutung des praes., imperf,, perf., plus-
quamperf. conj. in Bedingnngssätzen. Das praes. und perf. conj. haben
Syntax. Satzlehre. Bedingungssätze. (Deecke.) 31 1
ursprünglich auch in Bedinj^iingssätzen die temporale Bedeutung ihres
Indikativs; erst allmählich dringen dafür in irrealer Bedeutung imperf.
u. plqperf. conj. ein und erhalten den ihnen ursprünglich gar nicht
eigenen Begriff" der NichtWirklichkeit Dies beginnt schon bei Plantus,
doch noch nicht mit Futurbedeutuug; Terenz nähert sich schon dem
Cicero. — Das imperf. conj. statt des plqpf. conj. ist ferner bei Plautus
viel häufiger, als bei Cicero (3:1): es bezeichnete ursprünglich die Ver-
gangenheit schlechtweg ohne Rücksicht auf Dauer oder Wiederholung
oder eine andere vergangene Handlung. Je mehr aber die Sprache
der Klassicität sich näherte, um so mehr strebte sie nach Bestimmtheit
und Unterscheidung, nach zweifelloser Genauigkeit des Ausdrucks. —
Kap. 11 behandelt die konjunktivischen Bedingungssätze, deren Folge-
satz im Indikativ steht, darunter besonders Imperfekta wie poteram,
debebam aa. mit Präsensbedeutung, ein Vorgang, der sich erst nach
demjenigen im Kapitel I entwickelt hat. Plautns hat im Nachsatze nie
posset, einmal potuisset; häufig potest, poterit bei conj. praes. oder perf.
im Nebensatze. — Die ganze Sache bedarf weiterer Prüfung; vgl. die
Anzeigen von W. Abraham, Berl. Philol. Woch. VI, 426 und von
G. Ihm, Neue Philol. Rundsch. 1886, S. 287 f.
H. Blase, Geschichte des Irrealis im Lateinischen, zugleich ein
Beitrag zur Kenntnis des afrikanischen Lateins. Erlangen, 1888,
79. S. 8.
Eine Ergänzung und Fortführung der oben geschilderten Abhand-
lung; diese neue Schrift behandelt die Veränderungen des Sprach-
gebrauchs im Gebiete der Bedingungssätze, in 5 Kapiteln: I. Der
Irrealis im alten Latein. Bezeichnet man die protasis mit a, die
apodosis mit ß, so finden sich Sätze mit impf. conj. a und ß bei Plautus
29, bei Terenz 25, bei Kornificius 9; mit praes. conj. bei PI. 131, bei
Ter. 26, bei Kornif. 7, Zahlen, die eine deutliche Sprache reden. —
II. Der Irrealis bei Cicero, ebenso sprechend, nämlich imperf conj.
zunehmend: de invent. 10; rhetor. Schriften 41; Reden?; philos.
Schriften 209; Briefe (anfser an Brutus) 69; praes. conj. abnehmend:
9, 20, 42, 115, 18. — III. Versuch einer Erklärung dieser Tliatsache
der Tempusverschiebung: „Kurz vor Plautus hatten die Konjunktive
der einzelnen Zeiten noch die temporale Bedeutung ihrer Indikative
(s. ob.!)", so dafs es 4 Arten des Irrealis gab; „doch hängt die irreale
Bedeutung nicht von den Formen an sich ab, sondern von der Schwere
der Bedingungen". Also 1. si habeam, dem, Gegenwart, resp. Zukunft;
2. si habuerim, dederim, in Gegenwart oder Zukunft vollendete be-
dingte Handlung; 3. si haberem, darem, Potentialis der nnvollendeten
Handlung in der Vergangenheit; 4. si habuissem, dedissem Vollendung
312 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
in der Vergaugenheit. — Die 2. Form aber fehlt; ferner ist, wie be-
merkt, Gegenwart und Zukunft nicht unterschieden ; dritteDS ist 3, irreal
nicht denkbar; viertens ist die Auffassung verschiedener als Beleg an-
geführter Stellen falsch. Eher wird bei Gebrauch des Präsens das
Unmögliche als möglich gesetzt, und das Imperfekt steht statt des
Plusquamperfekt infolge lebhafter Hineinversetzung in die Vergangen-
heit (Repräsentation). Blase meint nun, die Verschiebung sei dadurch
veranlafst worden, dafs Imperfekt und Plusquamperfekt zur Formulierung
irrealer Bedingungen besonders geeignet gewesen seien, da die Zeit der
Möglichkeit durch sie als .vergangene ausgedrückt wird (das ge-
schieht ja aber auch durch das Perfekt!). — IV. Bei den Historikern
wird der potent, imperf. in vergangener Bedeutung immer seltener und
schwindet endlich ganz aus dem Bereich der hypothetischen Sätze.
Sallust hat ihn nur noch einmal von 21 Fällen; Livius in 6 Büchern
in der Erzählung unter 50 Fällen nur viermal; in den Reden unter
105 Fällen gleichfalls nur viermal. — V. Die Afrikaner. Bei ihnen
ist, unter punischem Einflufs, der Sprachgebrauch wesentlich umgestaltet:
1. plusquampf. conj. statt impf. conj. in kondicionalen und finalen Sätzen;
2. stellt umgekehrt häufig das impf. conj. statt des plqpf. conj.; 3. findet
grundlose Mischung der verschiedenen Konstruktionen statt. Die Einzel-
heiten gehören nicht mehr hierher. — Vgl. die Anzeigen von G. Ihm,
Neue Philol. Rundsch. 1888, S. 252 ff.; C. Weyman, Blatt, f. d.
bayr. Gymn. XXVI, 83; H. Schmalz, Deutsche Lit.-Ztg. 1890,
S. 879 f.; E. Seh., Lit. Centralbl. 1888, S. 1682 f.: G. Landgraf,
Arch. f. lat. Lex. V, 303 f. — Mehrfach abweichende Ansichten be-
gründet Priem, Über den Irrealis bei Cicero und Cäsar, in Philol. V,
261 ff.
H. Blase, Zur Syntax der Bedingungssätze im Lateinischen.
Comment. in honor. G. Studemund. Strafsburg, 1889, 8, S. 47—57.
Zwei Punkte: 1. Geordnete Übersicht des Gebrauches der
Phrasen : parum est . . . ni, nisi etiam (quoque, insuper) ; auch non est
satis, minus est, non sufficit, non contentus (non jam contentus, nee
contentus), nihil refert, nihil prodest u. s. w. . . . ni, nisi u. s. w.
— 2. Tabelle über die Formen der Bedingungssätze: a. si erit . . .,
. . erit; b. si est ...... . erit; c. si erit ....... est. Die Ver-
fasser von Lehrbüchern: Kato, Kornificius, Vitrnv, Quintilian, auch
Cicero, bevorzugen a; andere Autoren b; c ist überall seltener. —
Vgl. die Anzeige von G. Landgraf, Arch. f. lat. Lex. VI, 287.
Fr. Polle, Über die Bedingungssätze. Jahrb. f. klass. Philol.
143 (1891), S. 264-6.
Es werden 4 Fälle unterschieden: 1. theoretischer Fall, si
habeo, do, ohne Andeutung über Wahrheit oder Möglichkeit; 2. prak-i
Syntax. Satzlehre. Bedingungssätze. (Deecke.) 313
tischer Fall, si habebo (accepero), dabo, der Zukunft anheimgestellt;
3. potentialer Fall, si habeara, dem, willkürliche Annahme, daher
auch als exemplum fictura; 4. irrealer Fall, si haberera, darem, wenn
das Gegenteil wahr ist.
Joh. Netuschil, ebdt. S. 851 — 5 will die 4 Fälle lieber nennen:
die indikativische, potentielle, fiktive und irreale Form; auch
stellt er die beiden letzten um.
Zu vergleichen sind ferner:
P. Stamm, Zum lateinischen Irrealis praeteriti, ebdt. 139 flSS?),
S. 600.
A. Zimmermann, Zum Gebrauch der Tempora im abhängigen
Irrealis. Philol. IIL, S. 376 ff.
Ferner englisch:
E. A. Sonnenschein, Notes of conditionel sentences in Latin.
Class. Eev. I, 124 ff.; 238 f. — Dagegen:
H. I, Roby, The conditional sentence in Latin, ebdt. 197 f., dann
238 f.
M. A. Bayfield, On conditional sentences in German and Latin,
and indefinite sentences in Greek, ebdt. IV, 200 ff. ; VI, 90 ff. ; dazu :
E. Harrison, ßemarks, ebdt. IV, 297 f. und:
Sonnenschein & Seaton, On Mr. Bayfield's theory of condi-
tional sentences, ebdt. VI, 199 ff.
Vgl. noch die oben besprochene Schrift von E. Schunck, über
si qnis u. s. w. Auch, eigentlich komparativ:
Ponor Thewreck, ac veluti. Egyeteraes phil. közlöny (ungarisch)
XIV, 643.
Eine umfangreiche Spezialarbeit ist ferner:
0. Brugmann, Über den Gebrauch des condicionalen ni in
der älteren Latinität. Progr., Leipzig, 1887, 34 S. 4.
Die Einleitung hebt die ünvollkommenheit von Hands Tursell.
über ni IV, 187 ff. hervor. Die Arbeit selbst hat dann 3 Kapitel:
I. ni mit dem Indikativ: § 1. in Gesetzen, und zwar in den 12 Tafeln,
dann erst bei Cicero; § 2. in Gegensätzen, Beteurungen, Versicherungen;
§ 3. in Drohungen; § 4. in der sponsio d. i. Aufforderung (nicht Ab-
schlufs) zur Wette; § 5. in Verwünschungen; § 6. nach Ausdrücken der
Verwundeiuug; § 7. varia. — II. ni mit Konjunktiv, in potentialen und
irrealen hypothetischen Peiioden. Hier sind Poesie und Prosa getrennt:
§ 1 — 3. Dicliter, und zwar § 1. ni mit conj. piaes. oder perf. ; § 2. ni mit conj.
impf, oder pJq.pf.; § 3. nimitKonjunktiv neben einem Hauptsatz imindikativ;
314 Lateinische Grammatik. (Dcecke.)
§ 4. Prosaiker: § 5. quidni und quippini. — III. Schlnfsfolgerungen. Der
Indikativ hält sich während des ganzen behandelten Zeitraums nur in der
sponsio (von Plaatus an nur in der oratio obliqua) und in Ver-
wünschungen; in den 12 Tafeln findet sich nur ni, nicht nisi, von Cicero
de legibus nachgeahmt (s. ob.!). Bei Plautus steht ni mit dem Indikativ
auch in scharfen Gegensätzen, Beteurungen, Versicherungen, Drohungen
und nach Ausdrücken der Verwunderung, wechselnd mit nisi. Terenz
hat-ni mit Indik. nur einmal in einer Verwünschung (Ad. 700), dann
in den Formeln mirum ni. nimirum. Lukrez hat es einmal aus Vers-
zwang (I, 378); Cic. de leg.. I, 49 quod ni ita est (formelhaft). — Der
Konjunktiv, potential und irreal, begegnet in der ganzen älteren
Latiuität, ausgenommen die 12 Tafeln, ferner die Fragmente der Prosaiker
und Kato de re rust. , die ni gar nicht kennen. Auch in die anderen
Bedeutungen drang seit Terenz der Konjunktiv ein, offenbar von den
Kondicionalsätzen aus. ursprünglich übrigens war uel — dies ist die
ältere Form — positiv: so in der lex Acil. rep. „nei quem eorum det
sciens"(?), verdrängt durch ne (eher liegt Vermengung vor!); dann war
es einfache Negation und ward erst allmählich kondicional. Plautus
hat noch quidni, quippini mit ganzen Sätzen; auch sonst einzelne
Stellen, wo die parataktische Bedeutung noch hervortritt ; vgl. noch klassisch
moriar ni hoc ita est „ich will umkommen, ist es nicht so". Zuletzt
ward ni ganz aufs kondicionale Gebiet beschränkt. Schon bei Plautus
beginnt die erfolgreiche Konkurrenz von nisi: in der vorklassischen
Prosa ward ni gemieden, Cicero braucht es mit Vorsicht. — Lautlich
sind 3 Formen zu unterscheiden: ue, ne, und ni aus nei = ne + lokati-
vischem oder deiktischem i; vgl. osk. ni (ni?)=^lat. ne (in nip = neque)
und ne; nei = lat. non, nisi, und in neip ^ neque; s. auch ind. ned ==
nä + i -r d(*?). Ursprünglich waren lat. ne und ni beide probibitiv, dann
ward letzteres hypothetisch. Die Inschriften des 7. Jahrh. brauchen alle
3 Formen ne, nei, ni durcheinander prohibitiv; diejenigen des 8. Jahrh.
haben durchweg ne, vereinzelt ni, gar nicht mehr nei; später ist ni =
si non, nisi. — Die Arbeit ist gediegen, sorgfältig, auch historisch ein-
gehend; alle Stellen sind ausgeschrieben oder wenigstens veizeichnet.
Von den Autoren fehlt Varro, dessen Buch de re rust. Schmalz in
seiner Anzeige im Arch f. lat. Lex. IV, 335 zur Ergänzung heranzieht.
Einzelne Konjunktionen sind ferner behandelt in:
G. M. Richardson, De dum particulae apud priscos scriptores
latinos usu. Dissert., Leipzig, 1886, 96 S. 8.
Die Untersuchung umfafst, aufser der eigentlich archaischen Litte-
ratur, Lukrez, Varro, Sallust, KatuU. Etymoloiiisch wird dum mit der
zweiten Silbe von quando u. s. w. zusammengebraclit; doch sei es kaum
Syntax. Satzlehre. Unterordnende Konjunktionen. (Deecke ) 315
Akkusativ. Die Arbeit selbst hat 5 Kapitel: I. dum als temporales
Adverb, urspiünglich doppelt dum . . . dum = die Weile ... die
Weile, bald .. . bald; dann in etiam-, inter-. non-, neque-, band-, vix-,
primum-, qnidum, auch nedum (einmal bei Terenz und Lukrez), in der
Bedeutung „bisweilen, raeanwhile"; dann aufturdernd ,,eben, vorliin'",
auch ,, lange", in agedum (agidum?), dudnm (aus dnnidum; eher aus
diudum!). Die Stellensanimlung scheint erschöpfend; eine j,'etiauere Ver-
gleichnng mit der klassischen Zeit, besondeis Cicero, wäre ciwünscht
gewesen. — II. Entstehung des konjunktionalen Gebrauchs. Ur-
sprünglich doppelt parataktisch (s. I), korrelativ (Katull), dann hypotaktisch;
vgl. deutsch „weil" aa. — UI. dum als Konjunktion mit den» Präsens-
stamm; IV. - mit dem Perfekt stamm, letzteres von 510 Stelleu nur
sechsunddrejfsigmal, also Ausnahme und späteren Urs^prungs. Die
Komiker haben selten den Indik. Impertecti. — V. Mutmafsliche Ent-
wickelung des gesamten Spiachgebrauchs: 1. tempoial ,, wählend,
solange, bis"; 2. kondicioual „wenn nur"; 3. kausal, archaisch nur
vereiuzelt, später in Ciceros Briefen, bei Tacitus aa. ; vgl. deutsch ,,weil".
— Es werden auch kurz die den Begriff von dum ergänzenden Ad-
verbia behandelt: adeo, iuterea, interira, nunc, tantisper, usque, usque
adhuc, admodum, parumper, plerumque, (modo?). — Vgl- die Anzeigen
von G. Landgraf, Woch. f. klass. Piniol. IV, 1040 f.; von Redslob,
Neue Philol. ßundsch. 1887, 254 f.; von B. Arch. f. lat. Lex. IV, 332 ff.
Otto Boettger, De dum particulae usu apud Terentium et in
reliquiis tiagicorum et comicorura. Dispert., Halle, 1887, 26 S. 8.
Ergänzung von Eiste ,,dum bei Plautus" , mit dem die Ver-
gleichuug durchgeführt wird; die Arbeit von Richardson war dem
Verfasser noch unbekannt. Auch ist dum nur als Konjunktion be-
handelt, und zwar mechanisch-statistisch, ohne geschichtliche oder logische
Entwickelung. Nach einer Einleitung S. 1 — 5 über die verschiedenen
Bedeutungen von dum : 1. während; 2. solange als; 3. bis; 4. wenn nur,
und über die ihm vorbeigehenden Adverbien, folgen 3 Abschnitte: A. dum
mit dem Indikativ (bis S. 17); B. - mit dem Konjui.ktiv (bis S. 21);
C. dum ,,wenn nur" (bis S 25). Diese Einteilung ist unlogisch. —
Vgl. noch E. Laiin De dum, donec, quoad paiticularum usu apud
Terentium. Norikopiae, 1888, 21 S. 4.
W. H. Waiden, 7iedum. Harvard Studies in class. philol. Vol.
I[. Boston, 1891, S. 103—127, 8.
DiePartikel nedum findet sich nur in negativen Sätzen, wenn auch der
negative Sinn mannigfach vei steckt, ja sogar bi^iweilen positiv ausgedrückt
ist; doch ist letzteres selten und erst spät. Von den älteren Schrift-
stellern geht Livius am freiesten mit nedum um, doch wagt auch er
3 IC Lateinische Grammatik. (Deecke.)
sich in seinen 25 Beispielen über obige Grenze nicht hinaus. Cicero
braucht die Partikel weniger, andere noch seltener; Cäsar kennt sie gar
nicht; Terenz, Lukrez, Horaz haben sie je einmal. Sehr selten steht das
einfache ne für nedum ; folgt ein Verb, so steht dies stets im Konjunk-
tiv. Die Konstruktion von nedum ist eine logische Brachylogie,
sie enthält „a scale of possibility". Das -dum ist zu vergleichen mit
dem von vixdum, besonders nondum, nihildum, handdum, necdum, neque-
dum (= yet), und die Bedeutung von nedum ist „in order that not yef'
z. B. satrapa non potest, nedum tu possis. Dies wäre unabhängig ==
8. n. p., nondum tu potes -= you wouldu't come anywhere near doing it.
Es folgt auf nedum meist das praes. conj., selten das impf. conj. (zwei-
mal bei Cicero, dreimal bei Livius, einmal bei Sallust); nedum ut be-
gegnet sechsmal, neben einmal ne ut.
P. Scherer, De particulae quando apud vetustissimos scriptores
Latinos vi et usu. Studien aus dem Gebiet des arch. Lateins, her-
ausgeg. von W. Studemund, Bd. II, Berlin, Weidmann, 1891, 8.,
S. 85—143.
Die Arbeit, schon 1883 (48 S.) als Doktordissertation publiziert,
erscheint hier neu, erweitert durch die Heranziehung des Terenz,
Lucilius aa. und die Betrachtung von quandoquidem. Sie hat demnach jetzt
5 Paragraphen: § 1. de quando particulae verüoquio, origine, notione. Die
Partikel wird zurückgeführt auf ein idg. *k^ö-dö = ind. kadä „wann*'
nur mit quam- statt quo- ; die urspünglich temporale Bedeutung ging
in kausale, dann kondicionale über. — § 2. de qu. part. ante Plauti
aetatem vi et usu. — § 3. quid apud Plautum et ejus aequales poetas
particula quando significet, exponitur: der Sinn ist I. temporal; 11.
kondicioral; III. kausal; IV. interrogativ; V. indefinit. — § 4. de part.
qu. usu Terentiano: die Partikel ist I. kausal; II. interrogativ, nur
dreimal; III. indefinit, fünfmal; also, im Gegensatz zu Plautus, nicht
mehr temporal. Dagegen findet sich zweimal aliquando. Im Anhang
wird nachgewiesen: bei Titinius quando einmal, temporal; bei Lucilius
si quando einmal, temporal; quandoque (zweifelhaft); quando einmal,
kausal; lex agrar. 111 v. Chr. quan[do] einmal, kausal; [quandjoque
zwflh. — § 5. de quandoquidem paiticula. Diese Partikel ist stets
kausal und hat stets den Indikativ. Plautus hat zweimal das o lang,
sonst kurz; von den 10 Fällen steht es siebenmal mit dem praes. indic,
zweimal mit dem perf. indic, einmal mit dem plqpf. indic; Terenz hat
es achtmal, davon fünfmal mit dem praes. ind., einmal mit dem perf.
ind., einmal mit beiden Tempora, einmal mit est und dem Gerundivum.
Dann hat Turpilius es einmal mit dem pf ind., einmal unsicher;
Lucilius einmal mit dem pf. ind.
Syntax. Satzlehre. Unterordnende Konjunktionen. (Deecke.) 317
Herrn. Schnoor, Zum Gebrauch von ut bei Plautus. Progr.
Neumünster, 1885, 28 S. 4.
Es wird der parataktische Ursprung mancher ut-Sätze (gegen
Dahl) hervorgehoben: so bei volo, metuo u. s. w., wo ein ursprünglich
unabhängiger "Wunschsatz zu Grunde liegt. — Vgl. mein Buchsweiler
Programm 1887 und die Erläuterungen zu meiner Schulgrammatik,
S. 428—430.
E. A. Gutjahr-Probst, Altgrammatisches und Neugrammatisches
zur lateinischen Syntax. Beiträge zur latein. Grammatik III, 1 u.
2 Lief., Leipzig, 1888, 325 S. 8.
Über die Beiträge I u. II s. den Jahresbericht für 1883 — 84,
S. 150—2 und 220—1. Behandelten sie die pronominalen Partikeln und
Konjunktionen, besonders ut, so enthält dieser 3. Teil die v^'eitere Aus-
führung und nähere Begründung, insbesondere den Gebrauch von ut
bei Terenz und Verwandtes. Die Arbeit gliedert sich in 3 Abschnitte:
1. Überblick über die Geschichte und die Funktionen von ut, und Ver-
wandtes: § 1. Zur Genesis und Entwicklung von ut, und Verwandtes.
Wie ich in meinem Buchsweiler Programm 1887 , leitet der Verfasser
die pronominalen (relativischen) Konjunktionen aus der interrogativen
Funktion her, doch in abweichender Weise von mir, indem er als
Zwischenstufe ihre in der rhetorischen Frage mit Vorliebe benutzte
Verwendung als expletiver Partikeln zu Hilfe nimmt. Als solche sind
alle nur ,,B,eflexwörter des Affekts"; es herrschte einst eine einheit-
liche Verwendung aller pronominalen Bildungen (s. 11, 122), und für
den Satzinhalt waren sie völlig entbehrlich z. B. (ut) oder (qui) di
illum perduint! Erst allmählich erhielten sie differenzierte logische
Funktion, nämlich mit Ausbildung des engeren syntaktischen Zusammen-
hangs. — Diese ganze Entwicklung ist unklar, einförmig und einseitig,
und namentlich die Voraussetzung ursprünglicher Indifferenz der Formen
unrichtig. — Die Partikel ut ^^ *quotei war zuerst interrogativ-modal,
dann erst lokal (?). — § 2. Der Wert von ut. — § 3. Die Stellung
von ut und die Stellung der ut-Sätze überhaupt. — § 4. Die Funktionen
von ut. — II. Die Belege von ut bei Terenz: 1. nach der Stellung;
2. nach der Funktion. Verglichen sind die Terenzischen Betonungs-
fragen ohne Partikeln, sowie die Partikeln enim, nam, namque. —
III enthält Indices, auch zu den beiden ersten Beiträgen. Eine 3. Lieferung
soll die Belege „in einer von der Sache selbst gebotenen, noch sub-
tileren Anordnung vollständig ausgeschrieben bringen". Vgl. die An-
zeige von H. Ziemer in der Berl. Philol. Woch. IX, 1472 ff.
Einzelheiten, besonders zu ut, aber auch zu verwandten Kon-
rStruktionen, enthalten:
318 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
A. Procksch, Zur lateinischen Grammatik. Jahrb. f. klass.
Philol. 1885. S. 369—373.
1. tantum abest ut . . . ut fehlt bei Cäsar, Nepos, Sallust; da-
gpiren hat Cicero es mit Modifikationen 28 mal, Livius 7 mal. Die
Varianten sind: . . . nt etiam, 1 mal tantum abest ab eo nt etiam;
feiner . . . ut contra, 2 mal bei Livius; . . . nt vix, nur Liv. XXil, 5, 3;
anakolnthisch ohne zweites ut, nur etiam oder vix; endlich ein voraus-
gehender Hauptsatz statt des 2. ut. Persönlich steht abest im bell.
Alex. 22; sonst heifst es persönlich stets tantum absum a . . . ut u. s. w.,
und ist dies keineswegs seifen. Von 38 Beispielen sind 17 modifiziert;
4 mal von 6 Fällen gehört etiam zu einem einzelneu Begriff. — 2. ge-
hört nicht hierher.
Ed. Wölfflin, jubere ut im bell. Hispaniense (27, 4). Arch f.
lat. Lex. VI, 434.
Die Stelle ist verdächtig, zumal die älteste Handschrift jussit in-
cendere ut hat. Dagegen ist Ter, Hec. 243 meum jus esse ut te
cogam richtig, und die Verbindung jubeo (= jus habeo) ut facias u. s. w.»
die Formel velitis, jubeatis ut, der Gebrauch in populus jussit ut u. s. w.
erklären sich aus dem in dem Verbum steckenden Objekt jus. In ge-
wöhnlicher Bedeutung hat jubere erst bei Tacitus ut nach sich.
Max C. P. Schmidt, Kleine Beobachtungen zum lateinischen
Sprachgebrauch. Jahrb. f. klass. Philol. 1890, S. 4G3-6; 860—5;
1891, S. 193—7.
1. cernere mit acc. e. inf.. doch nur im Präs. u. Imprf., ist gar
nicht selten (bei Cicero 16 mal). — 2. reperire desgl. in der Bedeutung^
„durch Fragen erfahren", bes. bei Cäsar; auch im pass. mit nom. c.
inf. — 3. invenire mit acc. c. inf., auch pass. mit nom. c. inf., ist.
häufiger, als Dräger angiebt. — 4. experiri, 5. perspicere mit acc. c.
inf. — 6. praestare mit acc. c. inf., ut und ne (Vermengung ver-
schiedener Bedeutungen). — 7. praescribere ut. — 8. urgere ut. —
9. pugnare ut und ne. — 10. judicare mit ace. c. inf. — 11. vitare ne.
— 12. defendere mit acc. c. inf., ut und ne. — 13. addere, adicere,
adinngere als verba dicendi. — 14. servare, observare mit ut u. ne. —
15. Hsque eo nt bei Cicero, Cäsar ^a. — 16. inqnam mit dem Dativ.
W. Paulus. Was heifst aliter fieri non potest quam ut? Korrespzbl.
f. d. württemb. Schulen XXXIV, 262 flf.
Ferner tiber quin:
F. Scholl, quin und qui non rekapitnlierend. Blatt, f. d. bayr..
Gymn. XXI, 127 ff.
Syntax. Satzlehre. Unteroidaecde Konjunktionen. (Deecke.) 319
F. Glöckner, Über Entstebung- und Einteilung der quin-Sätze.
Jahrb. f. klass. Philol. 138, S. 417 fi'.
C Ssobolewski, Zur lateinischen Grammatik (antea, quin u. s. w.).
Russische Philol. Rundsch. II, 63 ff.
Vgl. mein Buchsw. Progr. 1887 u. die Erläuterungen zur lat.
Schulgr. S. 443.
Endlich :
Ed. Wölfflin, Quatenus. Arch. f. lat. Lex. V, 399—414.
Die Konjunktion quatenus, archaisch sehr selten, findet sich etwas
häufiger bei Lukrez und Cicero, hält sich auch in der silbernen Latinität
noch in bescheidenen Grenzen, breitet sich aber endlich mächtig ans,
nicht ohne Verwirrung. Willkürlich unterscheiden die späteren
Grammatiker beschränkendes quatenus von kausalem quatinus z. B.
Festus: quatenus qua fine; quatinus quoniam. Die Untersuchung umfafst
7 Abschnitte, geordnet nach den mannigfaltigen Verwendungen der
Partikel: 1. lokal „insoweit": Fest. 258, 32 aus Scipio Afric. qnatenos;
dann geographisch, landwirtschaftlich, medizinisch; doch auchLiv. XXVIII,
39, 21; ferner bei den Juristen, korrespondierend mit eatenus; Cicero
u. aa. haben eatenus qua, -qua usque, -qnoad; quatenus dagegen braucht
Cicero räumlich ausdehnend gedacht, in Proportionalsätzen z. B. quatenus
amor progredi debeat; ebenso Ovid, Livius aa., dann spät. — 2. tem-
poral: Cicero 4 mal; Valeiius Maximus, dann spät. — 3, kausal ,, in-
sofern" : Lukrez II, 927; III, 218; Horaz, Ovid (nicht bei Vergil und in
der klassischen Prosa); ferner Valerius Maximus, sonst selten; dann
Quintilian, Sueton (selten), Florus, endlich die Afiikaner. Juvenal und
Martial brauchen es als bequem im Hexameter -Anfang (nach Lukrez).
— 4. vergleichend = quomodo, zur Vermeidung von doppeltem ut,
eigentlich mifsbräuchlich , doch seit Tcrtulliau eindringend, indem nur
qua (etwa via) für den Sinn berücksichtigt wurde. — 5. final, gleich-
falls seit Tertullian ; dann bei den Juristen, bei Ambrosius und Augustin,
rieht bei Arnobius, Hieronymus, Cyprian, Laktanz; es ist auch hier
Doppelgänger von ut, so dafs beide parallel gehen. Verrius Flaccus
verwarf es nach Fest. 333,32. — 6. konsekutiv, erst gegen 400, bei
Ambrosius, blieb selten. — 7. statt des acc. c. inf. : erst nach 500, im
cod. Justin. — Der Schlufs stellt fest, dafs quatenus fehlt bei Varro,
Cäsar, Sallust, Vergil, dem Rhetor Seneka, Lukan, Statins aa.; manche
Schriftsteller brauchen es nur lokal.
Ed. Wölfflin, prorsus ut. Arch. f. lat. Lex. IV, 618—20.
Ui sprünglich ut prorsus; doch gehörte prorsus eigentlich in den
vorhergehenden Satz (PL Trin. 729); Cicero hat beide Stellungen;
s. auch Tacitus.
320 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Über die Relativsätze s. mein Programm von Buchsweiler
1887 und die Erläuterungen zu meiner lateinischen Schulgrammatik
S. 412—436 (s. Iudex!).
Ferner:
K. Bertelsmann, Über die verschiedenen Formen der Korrelation
in der Struktur der Relativsätze im älteren Latein, üissert., Jena,
1885, 56 S. 8.
C. M. Zander. De relatione pronominali ea quae est per quod
et id quod. Lund, 1885j 54 S. 4.
Benutzt sind Lukrez, Cicero (teilweise), Cäsar, Sallust, Nepos,
also nur ein Bruchteil der Litteratur, wodurch die Resultate nur vor-
läufige oder beschränkte Gültigkeit haben. Nach einer kurzen Ein-
leitung folgen 4 Kapiiel. Die Resultate sind S 51 ff. gezogen. Aus
einer summarischen Übersicht der Fälle, in denen quod allein steht,
derjenigen, in denen quod und id quod promiscue gebraucht sind, und
derjenigen, wo id quod allein vorkommt, ergiebt sich, dafs id (aufser
Cic. Verr. III, 162) nie steht, wenn quod mit einer Konjunktion oder
einem anderen Pronomen verbunden ist; im ganzen ist sonst kein wesent-
licher Unterschied wahrzunehmen ; Cicero braucht id quod viel häufiger,
als die anderen gleichzeitigen Schriftsteller. Erörtert ist auch der
Wechsel mit quae res, Akk. quam rem (Cicero), besonders bei Kon-
junktionen. — Vgl. die Anzeigen von 0. Schultefs, Arch. f. lat.
Lex. IV, 157 f.; von K. Venediger, Berl. Philol. Woch. V, 1269 ff.
Es folgen die Fragesätze:
E. P. Morris, On the sentence-question in Plautus and Terence.
Berlin, Calvary, 1890, 116 S. 8.
Abdruck mehrerer Artikel in Bd. IX u. X des Americ. Journ.
of Philol. „über die Satz- oder Bestätigungsfragen in der älteren
römischen Komödie", mit Fleifs, Sorgfalt und Geschick gearbeitet, gut
disponiert und durch eine (freilich mehrfach bestreitbare) Theorie und
Geschichte der Fragesätze weit mehr bietend, als der Titel verspricht
oder die Ausdehnung vermuten läfst. Durchgenommen werden nach-
einander: -ne beim Verbum (nach Modus, Tempus, Person geordnet),
beim Pronomen, Substantivum u. s. w. ; nonne und -ne mit negativem
Sinne; tmm, ecquis, en unquam\ dann die Fragen ohne Partikel; solche
mit w^ mit dem Infinitiv; mit an-, ferner die Disjunktivfragen, die
Imperativfrage. — Die älteste Form der Frage ist diejenige ohne
Partikel, in der die fragende Bedeutung nur durch die Betonung aus-
gedrückt wurde, wie es ja solche Fragen noch jetzt überall giebt. Dann
traten Pronominalforraen an den Anfang, besonders als Subjekt,
Syntax. Satzlehre. Relativsätze. FrageaStze. (Deecke.) 321
darunter auch das indefinite, ursprünglich demonstrative (?, vielmehr
interrogative) quis Aus den Kasus dieses Indcfinituras, auch anderer
Pronomina, besonders dem Akkusativ und Lokativ Sg. , bildeten sich
dann fragende Adverbia, darunter an, so stark demonstrativ, dafs es
den Gegensatz zu einer vorhergehenden Frage bezeichnen konnte (eher
^gr. av, s. die folgende Schrift!); ferner nnm, ursprünglich auffordernd (?),
vom selben Stamme wie nam (oder zu gr. vuv, vu). Trat nun noch
das Verbum vor die anderen Satzteile, so war der gröfstmögliche
Unterschied von der einfachen Aussage, die das Verbum gewöhnlich am
Schlüsse hat, erreicht (vgl. das Deutsche!). Die obengenannten Ad-
verbien wurden dann im Laufe der Zeit zu rein symbolischen Frage-
partikeln. Dazu kamen ferner die Exklamativpartikeln ec- und en,
das später dem -ne unterlag, welches, ursprünglich negativ, sich auch
mit der Voranstellung des Verbs verband. Endlich entstand nonm,
zuerst bei Plautus, selten bei Terenz, und damit war die Differenzierung
der negativen, schwankenden und positiven Fragen vollendet. — Bei
dieser ganzen Deduktion, die von den negativen Fragen als den ältesten
ausgeht, scheint mir nicht beachtet, dafs ursprünglich niemand fragt,
um eine verneinende Antwort zu erhalten; vielmehr war die älteste
Fi'age die schwankende, die ein wirkliches Nichtwissen voraussetzt,
also dem Sinne nach disjunktiv war; aus ihr entwickelte sich zunächst
die positive Frage, die eine Bestätigung erwartet; erst ganz zuletzt
bildete sich die rein rhetorische negative Frage. — Übrigens zeigen
noch zu Plautus Zeit auch andere Wörter Neigung, Fragepartikeln
zu werden, wie etiara, jam, ita, satis. — Sind alle diese Fragearten
aus Aussagesätzen entstanden, so entsprangen die konjunktivischen
Fragen, die dubitative, die unwillige u. s. w. aus Aufforderungs-
sätzen.
P. Hinze, De an particulae apud priscos scriptores latinos usu.
Dissert. von Halle, gedr. Brandenburg 1887, 20 S. 4.
Etymologisch ist an nicht etwa = aisne, aiu' (sehr veraltet!),
sondern verwandt mit ind. anja (richtiger anja-d) „aliud"; vgl. dXXa
aus akloL. — Dies ist sicher falsch, da dem n des ind. an- ja eben
griechisch -lateinisches 1 entspricht; eher ist gr. av zu vergleichen! —
Nach dem Verfasser sind die einfachen Fragen mit an älter, was
ich nach dem oben über die Ursprünglichkeit der disjunktiven Frage
Bemerkten nicht glaube. Ferner braucht das erste Glied nicht fragend
zu sein, z. B. hoc constat. An tu putas . . .? Auch an war eigentlich
nicht fragend, sondern bedeutete „oder, umgekehrt". Die Untersuchung
hat 3 Abschnitte: 1. direkte Fragen mit an; 2. indirekte Fragen
mit an, auch forsitan, fors fuat an; 3. disjunktive Fragen mit an.
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXVII. Bd. (1893, III.) 21
322 Lateinische Grammatik, (Deecke.)
W. 0. Gut sehe, De interrogationibus obliqnis apud Ciceronem
quaestioues selectae. Dissert. Halle 1885, 112 S. 8.
Statistik iu 3 Kapiteln: 1. die einfachen Fragen; 2. un-
vollkommene Fragesätze; Fragesätze als Epexegese; Prolepsis bei
Fragesätzen (etwas bunt gemischt!); 3. Doppelfragen. — Ein An-
hang handelt von denjenigen Sätzen, die den Fragesätzen verwandt
oder ähnlich sind. — Vor augeschickt sind jeder Form die Dräger sehen
Stellen.
Kleinere Bemerkungen enthalten:
E. Novotny, Über Fragesätze. Zeitschr. f. d. östr. Gymn. XXXIX,
357 f.
Kohn, Drei Paragraphen in Seyffert: 1. Konjunktiv bei indirekte«
Fragesätzen. Korrespdzbl. f. d. wüittemb. Schulen, XXXII, 24 f.
W. Guthmann, Über eine Art unwilliger Fragen im Latein.
Progr. Nürnberg 1891, 39 S. 8.
Ed. Wölfflin, ut quid? Arch. f. lat. Lex. IV, 617—618.
Die Verbindung ut quid? ^ cur? „warum, wozu?'' = gr. Tva xi
(seil. Taüxa Xr/eic oder -(evrjtai) ist selten: sie steht Cic. pro Quinct, 44
(mit praeterea), ad Attic. VII, 7, 7 (also vulgär); bei Martial III, 77, 10;
dann Ciris V, 294; endlich in Schollen zum Persius und Juvenal. In
der Itala begegnen 65 Beispiele.
An die Fragesätze schliefsen sich die Untersuchungen über die
Bejahungs- und Verneinungs-Partikeln.
Siegfr. Steinitz, De affirmandi partieulis latiuis. I. Profecto.
Dissert. Breslau 1885, 56 S. 8.
Profecto ist (mit C. F. "W. Müller) keine Versicherungspartikel,
sondern drückt nur eine subjektive Gewifsheit aus. Der Gebrauch
bei Plautus, Terenz, Sallust, Cicero ist erschöpfend behandelt, der
spätere, bis zu den ersten Afrikanern einschliefslich, nur summarisch.
Der Ursprung aus pro facto giebt die Bedeutung „so sicher wie eine
That, thatsächlich". Cicero wendet es in Hauptsätzen neben einem
Präsens, Perfekt oder Futurum an; in Bedingungssätzen nur im Folge-
satz; in B,elativsätzen nur, wenn sie parenthetisch sind. — Vgl. die
Anzeige von W. Abraham in der Wochenschr. f. klass. Philol. 1885,
S. 1483 f.
F. Vicol, Die Negation im Latein. Progr. Suczawa 1890;
s. Zeitschr. f. d. Östr. Gymn. XLII, 558 f.
P. Thomas, Sur quelques iriegularit^s dans l'emploi des negations
en latin. Rev. de l'instr. publ. XXVIII, Iff.
Syntax. Satzlehre. Bejahung und Verneiimng. (Deecke.) 323
J. de Bastin et P. Thomas, Sur l'emploi des n^gations en
latin et en frangais. Ebdt., 158ff.
H. Nettleship, On ne prohibitive witb the 2. person of the
pres. subj. in class. Latin. Journ. of Philol. 1890, 326 ff.
Vgl. oben unter „Etymologie" die Untersuchungen über den Pro-
nominalstamm na (richtiger ne/o), auch über die Fragepartikeln -ne, nura
u. 8. w. S. 204 (Per Person).
H. Planer, De haud et nequaquam negationum apud scriptores
latinos usu. Dissert. Jena 1886, 91 S. 8.
Eine fleifsige, umfassende Sammlung besonders über haud; nequa-
quam (S. 86 — 91) tritt zurück. Über haud in der archaischen Zeit s.
schon Sigismund im Jahresber. f. 1883—1884, S. 223. Im goldenen
Zeitalter wird sein Gebrauch eingeschränkt; häufiger ist es dann bei
Livius und Vergil; danach bei den folgenden Historikern und hexa-
metrischen Dichtern, doch nicht in Tacitus' dialogus und in Plinius
minor; sehr selten bei Quintilian. Der ältere Plinius hat es häufiger
nur in der ersten Hälfte seines Werks; • der Philosoph Seneka nur in
den Tragödien. In der archaistischen Zeit bleibt es selten, besonders
bei Verben; es fehlt fast bei den Juristen; zuletzt hält es sich nur in
gewissen Formeln, wie haud dubie, haud procul aa. — Im einzelnen
wird betrachtet (S. 29—86): haud mit Adjektiven, mit Pronominen,
Adverbien; mit Substantiven (auch haud sine, haud cum); mit Verben,
und Besonderes; dann in Beziehung auf den ganzen Satz, bei Gegen-
sätzen a. s. w.
Es bleiben noch die Interjektions-Partikeln:
Paul Richter, De usu particularum exclamativarum apud priscos
scriptores latinos. Studien auf dem Gebiete des archaischen Lateins,
herausgegeben von W. Studemund. I. Bd , Heft 2. Berlin, Weid-
mann, 1890, 8. S. 387-642.
Das erste Stück bis S. 420 war schon als Dissertation, Strafs-
burg 1874, erschienen; das zweite Stück (bis 8. 444.) als Hagenauer
Programm 1879; der Best ist von Osk. Seyffert herausgegeben. I.
enthält ah, aha; attat, attatae; au; II. babae u. s. w.; besonders ehern,
eheu; abgebrochen mitten in eho; III. den Rest von eho, ei, em, est (?),
eu und seine Komposita, u. s. w. bis vae, vah. Besonders sorgfältig
st die Vergleichimg von Terenz und Plautus durchgeführt; auch allerlei
feinere metrische Beobachtungen finden sich. Übersicht und Index fehlen.
Albr. Köhler, Die Partikel ecce. Arch. f. lat. Lex. V, 16—32.
Die Etymologie von ecce ist dunkel: man hat an *eu-ce,
*e-que-ce u. s. w. gedacht, oder an eine Imperativbildung = „sieh!
21*
324 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
schau!": vgl. oben Bach Demonstrativpronomina S. 256. Ecce ist ein
Wort der Umgangssprache, lebendig von Person zu Person gebraucht;
daher ist es selten bei den Historikern aa., z. B. findet es sich nie bei
Cäsar, Val. Maximus, Sneton, Tacitus; doch hielt es sich vulgär und
ist so ins Romanische übergegangen. — Plautus hat ecce etwa 30 mal,
davon zur Hälfte auf die 1. Person bezogen; stets mit Akkusativ,
wie überhaupt archaisch; dann ecce autem, sed ecce. Viel häufiger
sind dieZiisammensetzuugen : eccum, eccam, eccos u. s. w. ; eccillum u. s. w. ;
eccistam ; ja eccum steht sogar schon vereinzelt bei Plautus und Terenz
für das einfache ecce; so auch bei Varro de re rust. 3, 17; sonst später. —
Cicero braucht ecce mit dem Nominativ, und erst seit 200 n. Chr.
dringt der Akkusativ wieder ein; vereinzelt ist ecce neben en aras
Verg. Bucol. 5, 66. Eine sehr beliebte Verbindung ist ecce tibi! (mit
ethischem Dativ), doch bei den Komikern meist em tibi!; ferner bei
Kornificius, Varro, oft in Ciceros Briefen. — Zunächst steht ecce im
einfachen Hauptsatz, so auch atque eccum, et ecce, nara ecce; dann
mit temporalem Nebensatz, mit cum inversum; spät mit abl. absolutus;
ein Relativ folgt schon bei Plautus.
Derselbe, Zur Etymologie von ecce und em. Ebdt. VIII,
S. 221-234.
Inzwischen hatte Stowasse r Progr. Wien 1891, S XV — XXIII
€cce als Lehnwort aus gr. I'ys gedeutet, was Köhler mit Recht ver-
wirft. Nach Priscian wäre bei ecce vielmehr ein Imperativ zu er-
gänzen. Dagegen stimmt der Verfasser Bach zu in der Deutung von
eccum u. s. w. als ecce *hum (s. hun-c). Die Partikel em nun wird
fast ganz = ecce gebraucht: sie ist ursprünglich korrelativ, wie is, zu
dem sie vielleicht gehört; berücksichtigt man ferner, dafs auch ecce ein
korrelatives Element enthält, nur zugleich mehi* demonstrativ ist, so
gewinnt es grofse Wahrscheinlichkeit, dafs ecce aus em und dem
deiktischen -ce entstanden ist. — Oft steht auch ecce bei andern Ab-
leitungen des Pionomens is, wie exinde, ibi, Interim, interea; es weist
auf ein Beisi)iel hin, wie ita; es steht mit dem Relativ, besonders spät-
lateinisch, wie ecce qui, ecce ubi; es ist also = „da, da"; zu eccere
für * ecce- rem vgl. si-rem-pse.
Derselbe, Die Partikel en. Ebdt. VI, S. 25—45.
Ursprünglich vollständig von einander zu scheiden sind fragendes
en und demonstratives em, wenn sie auch später miteinander ver-
schmolzen; bei Plautus und Terenz lassen sie sich, mit Ausnahme
weniger Stellen, noch deutlich trennen. 1. en — Inteijektion e + ne (?),
bei Plautus meist mit unquam, auch bei Vergil und Livius; en quid-
quam bei Varro; en usquam in Glossen; ferner beim Ausruf und Im-
Syntax. Satzlehre. Interjektionen. Stilistik. (Deecke.) 325
perativ z. B. en age bei Vergil, Properz, Silius aa. , die Vermeng-ung
mit em herbeiführend (nach Ribbeck). — 2. em ist andrerseits früh
vermengt mit hem ; ursprünglich drückt es Aktion aus, dieses Reception;
em bezeichnet die Beziehung der sprechenden Person zu einer anderen
mit Rücksicht auf ein Objekt; es ist der Akkusativ des farblosen
Demonstrativs (s. obenl). Es begegnet bei den Komikern in folgenden
Fällen: allein; mit tibi; mit einem Nomen im Akk ; mit einem Satz;
mit einem Imperativ; ferner findet es sich in den Frgra. des C. Giacchus;
Cicero hat es 6 mal, neben 6 mal en; zuletzt hat es Varro 1 mal in
de re rust. Es steht bei den letzteren: in Antworten, mit dem Akk.,
dem Imperativ, einem relativen Pronominal- oder Adverbialsatz, mit
dem Konjunktiv, indignierend , ironisch. Der Nominativ dabei ist in
dieser Zeit nirgends sicher. — 3. en == em, einerseits bei Sallust,
Livius (in der Inversion), seitdem fast gar nicht mehr, bis in späte
Zeit; andrerseits bei Vergil, Horaz, Ovid; es pafste prosodisch besser,
da em vor Vokalen ganz verschwindet, und ward so ein vorzugsweise
dichterisches Wort. Der Nominativ findet sich neben dem Akkusativ
zuerst bei Vergil; in Prosa bei Tacitus, Petronius aa. Dafs der Akkusativ
bei em, en sich länger hielt, als bei ecce, hat wolil darin seinen Grund,
dafs man in em selbst den Akkusativ fühlte. Häufige Verbindungen
sind: en ego, en iterum, en etiam, en iste, -ille u. s. w. ; en omoes u. s. w. ;
en nova aa.; en quid ago? An. IV, 534; en quid agis? Pers. I, 154.
Vgl.:
F. Neubner, De en particula observatio critica. Comment. in
honor. Eibbeckii, p. 536 ff.
Zur Stilistik ist, wenn auch zunächst zu praktischen Schulzwecken
und zum Selbstunterricht bestimmt, zu erwähnen:
K. Fr. von Nägelsbach, Lateinische Stilistik für Deutsche.
8. Aufl., besorgt von Dr. Iwan Müller. Nürnberg, Geiger, 1888,
872 S. 8.
Die starke Vermehrung der Bogenzahl zeigt die umfassende
Revision und Ergänzung, der das Werk unterzogen worden ist; doch
ist die ursprüngliche Anordnung im wesentlichen geblieben Um-
gestaltet ist die Einleitung; neu zugefügt ist den einzelnen Abschnitten
eine übersichtliche Zusammenstellung der Litteratur. Die Reichhaltig-
keit und Genauigkeit sind aufserordentlich; sehr angenehm auch die
sorgfältigen Indices. Das Buch ist eine unei schöpfliche Fundgrube
sicherster Belehrung, ja sein Studium zur Erkenntnis des innersten
Wesens der lateinischen Sprache, die vielfach erst aus dem Gegensatz
zur modern deutschen Auffassung hervorspringt, unentbehrlich. — Vgl.
die Anzeige von Schmalz ßerl. Philol. Wochenschr. IX, I628ff.
326 Lateinische Grammatik. (Deeckc.)
Auf ihm beruht auch wesentlich das italienische Werk:
Ant. Cima, Teoiia dello stile latino. 3. Aufl. Turin, Paravia,
1892, 137 8. 8.
Dies weit kürzere, concisere Werk (letzte Vorrede aus Parma)
ist für italienische Schüler und Studenten bestimmt, für die der Ver-
fasser auch Nägelsbachs Stilübungen bearbeitet hat. Da das Italienische,
auch in seiner modernen Gestalt, dem Latein immer noch weit näher
steht, als das Deutsche, war die Arbeit einfacher; doch ist sie mit
Sorgfalt und Geschick gemacht. Auch diese „vergleichende Methode
des Lateinischen und Italienischen" ist sehr lehireich. Das Ganze ist,
durchaus selbständig g-eordnet, in 11 Kapiteln abgehandelt: 1. materia
e limiti dello stile latino; 2. materiale linguisticö; 3. concetti generici,
specifici e indi^iduali; 4. concetti astratti e concreti; 5. concetti soggettivi
e oggettivi, attivi e passivi; 6. concetti relativi e assoluti; 7. della cir-
coscrizione; 8. deir ordo nelle parti della proposizione; 9. - del periodo;
10 — 11. deir ornatus: a. della metafora; b. il ritmo della prosa latina.
Ein Anhang erörtert A. lingue d'ordine analitico e lingue inversive;
B. la struttura del periodo latino.
Erwähnen will ich auch:
G. Landgraf, Auszug der stilistischen Eigentümlichkeiten aus
seiner lat. Grammatik (s. S. 99).
.T. Gersten ecke r, Zum grammatisch-stilistischen Unterricht im
Lateinischen. Blatt, f. d. bayr. Gym. XXVIII, S. Iff.
Ich gehe zu den Einzelheiten über und bespreche zunächst eine
isoliert stehende Abhandlung über innere Satzformung:
Guil. Bock, Subjecta rel cum actionis verbis conjungendi usus
quo modo in prisca quae vocatur latinitate sit exortus et prolatus
usque ad tempora Cioeroniana. Dissert. Leipzig 1889, 100 S. 8.
Schon der Titel zeigt, wie schwerfällig die Behandlung derartiger
Stoffe in lateinischer Sprache ausfällt; sonst ist die Arbeit fleifsig und
enthält viel Material. Stete Vergleichung ist durchgeführt mit Ahlens
De subjectis rei apud Ciceronem cum verbis, qnae actionem significant,
coiyunctis, üpsala 1877. Es zeigt sich, dafs Abstrakta viel häufiger
Subjekt sind, als man denkt, und dafs besonders Cicero die alten
Grenzen mehrfach überschreitet. Die Disposition ist, abweichend
von Ahl6ns, der sie nach den verbis conjunctis durchgeführt hatte,
nach den subjectis rei gemacht, und zwar in 7 Arten (nicht streng
logisch): 1. abstrakte Gottheiten; 2. Natui'erscheinungen; 3. Kollektiva;
4. Technische Wörter aus dem Ackerbau, der Medizin u. s. w. ; 5, Ab-
.strakte Subjekte mit Verben, die ihre ursprüngliche Aktionsbedeutung
Syntax. Stilistik. Wortstellung. (Döecke.) 327
verloren haben: 6. Personifizierte Handlungen oder Zustände; 7. Dichte-
rische Personifikation. — Es fehlt manches.
Ich gehe zu den zahlreicheren Schriften über die Stellung über:
Jak. Wackernagel, Über ein Gesetz der indogermanischen
Wortstellung. Indogerm. Forsch. I, 333—4:36.
Das Latein wird S. 406 ff. behandelt. Die, ohne Zweifel richtige,
These des Verfassers ist die, dafs, besonders in der klassischen Prosa,
die Stelle unmittelbar hinter dem ersten Wort des Satzes mit
Tonschwäche verbunden war: die dort hingestellten Wörter sind daher
enklitisch oder werden es eben durch diese Stellung. Freilich fehlt im
Lateinischen mit der fehlenden äufseren Betonung auch das Kenn-
zeichen der Tonlosigkeit; doch wird dies vielfach durch die Tmesis
ersetzt. So hat Festus: sub vos placo; ob vos sacro; Cicero hat per
mihi mirum, -scitum, -benigne, -gratura, sogar per mihi, per, inquam,
gratum; einmal dagegen, aus besonderem Grunde, pergratum mihi
(Läl. 16); so auch pergrata perque jucunda; per enim magni. Häufig
ist bekanntlich die Tmesis von qui-cumque u. s. w., quo- modo. Ferner
gehören hierher (s. ob.!) die Bittformeln, wie per te deos oro u. s. w.
Zwischenstellung der persönlichen Pronomina findet sich auch sonst
z. B. bei Cicero: sol me ille; populus se B,omauus; nee se comiteni . . .,
sed ducem aa. Sehr auegedehnt findet sich dies bei den Komikern
(s. Kämpf und Bach!), besonders nach Interrogativen, nach Kon-
junktionen, nach Affirmativpartikeln u. s. w. ; ferner (s. Langen!) in
Beteurungs-, Wunsch-, Verwünschungsformeln nach di oder bestimmten
Göttemamen, besonders me, te, tibi, vos, istuÄ, illum aa.; auch nach
di deaeque; Hercules dique (istara perdant) und in ähnlichen Formeln;
dann nach Partikeln wie ita, itaque, ut, utinam, hercle, qni, at; so
auch at ita me di- ; si te di ament aa. ; auch bei Cicero : ita niihi deos-,
ita me di- aa.; sie tibi, sie te aa. Auch ganze Verbindungen stehen
gern an zweiter Stelle, wie me dius fidius, meherc(u)le, mecastor,
bisweilen an dritter, wie ne istuc mecastor, selten voran. — Enklitisch
steht ferner oft das Demonstrativ, z. B. quam id recte fecerim; quo
ea me cumque duxit; quäle id cumque est; so auch hie, ille aa. Be-
sonders häufig trifft dies ferner die Indefinita, wie ne quis u. s. w.,
auch nach dum, num, nach Relativen und Relafivkonjunktionen wie quo,
qtium, quamvis, uach neque (nee), nach ni, nisi, si; so auch ne quando,
-quisque, -uterque (seltener); -ullus, -unquam, -usquam; s. auch ecquis
u. s. w. An zweiter Stelle tonlos stehen femer manche Partikeln,
Konjunktionen, Adverbia, wie -ne, -ce, -ve, -que, auteilü, vero,
enim, igitur u. a.; ^nam, tandem in Fragen, auch mit Tmesis, z. B,
qualis enim cumque; quo tandem modo?; archaisch transque dato; dis-
328 Lateinische Grammatik. (Deecke).
que tulissent; absque me esset. Hierher auch quidem, quoque aa. .
dagegen ist sine nicht = sine, sondern ^= *snne, Lokativ von senü, s.
gr. av£u (?). — Endlich steht auch das Verbum esse lateinisch sehr oft
in der Enklisis: qui siut in amicitia?; quae est in me facultas?; nihil
est enim; omnis est e vita sublata jucunditas; ferner per fore accom-
modatum, per fuit familiaris; auch ubi fit quomque mentio.
Vergleiche hierzu:
M. Pet sehen ig, Über eine eigentümliche Wortstellung bei inquit.
Arch. f. lat. Lex. V, 576 ff.
Gemeint ist einerseits eine Stellung wie Cäsar bell. Gall. V,
30, 1 „vincite", inquit, „si ita vultis", Sabiaus, andrerseits wie Livius
V, 18, 5 „en vobis", inquit, ,,juvenem", filium tenens, ,,effigiem". lin
ersten Falle folgt das Subjekt, im zweiten eine Apposition zum Subjekt,
durch einen Teil der Rede getrennt; das Subjekt kann übrigens auch
vorangehen.
Ferner:
F. Back. Über den lateinischen Satzton und sein Verhältnis zum
deutschen Satzton. Progr. Birkenfeld 1885, 25 S. 4.;
vgl. die Anzeige vcn J. H. Schmalz, Deutsche Litteraturzeitung
1886, S. 1526.
Allgemeineren Lihalts sind noch:
H. Weil, The order of words in the ancient languages compared
with that of the modern languages; übersetzt von C. W. Super.
Boston 1888, 114 S. 8.;
vgl. die Anzeige von H. Ziemer. Berl. Pbilol. Woch. VIII, 1369.
K. Boldt, De liberiore linguae graecae et latinae coUocatione
verborum. Göttingen 1885, 195 S. 8.;
vgl. H. Schütz, Philol. ßundsch. 1885, S. 1619 ff.
C. Hermann, Zur Lehre von der vergleichenden Wortstellung.
Jahrb. f. klass. Phüol. 132, S. 377 ff.
J. Baron, Über die lateinische Wortstellung. Progr. Zloczow
1887, 30 S. 8.;
vgl. die Anzeige von B. Kruczkiewicz, Zeitsch. f. d. östr. Gymn.
XXXIX, 665 f.
E. Hauler, Zum sogenannten ujxepov upoxspov. Arch. f. lat. Lex.
V, 578 ff.
Speziellere Untersuchungen verschiedener Art sind:
E. Kellerhoff, De coUocatione verborum Plautina quaestiones
selectae. Studien auf dem Gebiete des arch. Lateins, herausgeg. v.
W. Studemund. Bd. H. Berlin, Weidmann, 1891, 8. S. 47—84.
Syntax. Stilistik. Wortstellung. (Deecke.) 329
Die Arbeit stammt schou aus dem Jahre 1881 und hätte wohl
erweitert werden können, da sie kein Ganzes bietet. Sie behandelt § 1.
die pronomina persowalia; §2. nominativus, selten accusativns vor einem
casus obliquus desselben Wortes, z. B. vigilans vigilautem; § 3. die
particulae attirmativae, wie hercle, ecastor u. a. ; § 4. die negationes;
§ 5. gewisse andere Partikeln und Konjunktionen (dürftig); § 6. einige
exclamatioues; § 7, formulae exsecrandi; § 8. ablativus comparativus;
§ 9. varia (dürftig). — Ein Prinzip der Auswahl oder innerer Zu-
sammenhang der Anordnung ist nicht zu erkennen.
Guil. Asmus, De appositionis apud Plautum et Terentium coUo-
catione. Dissert. Halle 1891, 50 S. 8.
In der Einleitung „de vi ac natura appositionis" wird die
Apposition definiert als ea substantivae notionis explicatio quae fit per
aliani substantivam notionem nulla intercedente copula eodem casu sub-
jectam. Man sieht, wie schwerfällig hier wieder die Behandlung in la-
teinischer Sprache ist. Nach der obigen Definition ist ein als Adjektiv
gebrauchtes Substantiv keine Apposition, wohl aber ein als Substantiv
gebrauchtes Adjektiv; aber vgl. exercitus tiro, vicinus senex, fors for-
tuna aa. — Es folgen 2 Teile: I. de attributo quod substantivo ex-
primitur: § 1. senex, anus, adulescens u. s. w.; ephebus, virgo, puer
u s. w.; mas, femina; § 2. homo, vir, mulier u. s. w.; § 3. es giebt
hier kein bestimmtes Gesetz der Stellung. — II. de appositionis collo-
catione: 1. nomina propria; dieselben stehen regelraäfsig vor der Appo-
sition; aber mit der Ausnahme (S. 30): justa appositionis collocatio
nepleu'i potest, si noraen proprium, quod ea definitur, in fine ordinis
metiici, qui saepius cum sententiae incisione convenit, ponitur. —
2. Bei anderen Wörtern gilt dieselbe Regel, nur nicht, si vox 2)rimaria
vel apposita in ordinis metrici fine vel initio, quocum saepius sententiae
incisio convenit, ponitur. Mitunter stehen auch beide an diesen „in-
signibus locis'". Übeihaupt rufen auch sonbt metrische Ursachen ver-
einzelt Umstellungen hervor, z. B. Pterela rex; ferner bildeten sich ge-
wisse Formeln, z. B plena luna, aber luna nova. Bisweilen wird die
appositio zwischen die Teile der vox primaria eingeschoben, und um-
gekehrt. Bei mehreren Appositionen werden unterschieden (S. 41):
1. enumerativa; 2. distributiva; 3. disjunctiva.
Vgl. noch:
Jac. Schrammen, Über die näheren Bestimmungen des Sub-
stantivs, besonders im Lateinischen. Progr. Oppeln 1888, 14 S. 4.
Matth. Heitzmann, De substantivi eique attributi apud poetas
satiricos coUocatione. Dissert. Bonn 1887, 50 S. 8.
330 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
Es ist nur pars I: behandelt sind Enuius, Tiucilius, Horaz, Persins,
Juvenal; die Falle sind scharf gesondert und in 2 grofse Tabellen ge-
bracht. Die kunstreiche Stellung: subst., praep^s., attrib., findet sich
schon bei Ennius undLucilius, z.B. arbusta per alta; tristitia in summa
(später bei Vergil).
A. Reckzey, Über grammatische und rhetorische Stellung des
Adjektivs in der alteren lateinischen Prosa. Berlin 1888, 31 S. 4.
Die Schritt behandelt die Stellung des Adjektivs bei den Anna-
listen, Cato (ausgen. de re rnstica) und Sallust.
Willib. Preis, Adjectivum utfum ordine apud optimos Romano-
rum scriptores conjunctnm sit cum substaptivo quaeritur. Progr.
Bayreuth 1889, 48 S. 8.;
vgl. die Anzeige von J. H. Schmalz in der Deutsch. Litteratur-
zeitung 1890, S. 985 ff.
Dietr. Rohde, Adjectivum quo ordine apud Sallustium con-
junctum sit cum substantivo. Hamburg 1887, 35 S. 4. Gratula-
tionsschrift zum Jubiläum der Universität Göttingen.
Der Verfasser, der schon früher in einem Programm 1884 die
Stellung des Adjektivs bei Cäsar und in Ciceros Reden behandelt hatte
(s. Jahresber. f. 1883—4, S. 201), stellt hier fest, dafs die regelmäfsige
Stellung des Adjektivs bei Sallust auch diejenige vor dem Substantiv
ist. Ausnahmen sind (aufser den Ethnicis u. s. w.) folgende: 1. Bei
zwei adjektivischen Attributen steht eins oder, wenn sie eng verbunden
sind, beide nach, z. B. cetera«que artis bonas; ingenio malo pravoque.
— 2. Einsilbige Substantiva stehen gerne voran, wie res, spes, pars u. a.,
z. B. res publica.
E. Albrecht, De adjectivi attributi in lingua Latina coUocatione
ßpecimen. Dissert. Marburg 1890, 104 S. 8.
Das Material ist ein ziemlich willkürlich ausgewähltes: Alte Ge-
setze; Cato de re rustica; Ciceros Briefe ad familiäres (nicht ad Atti-
cum), Kornificius, 4 Stücke des Plautus, Petronius. Die Resultate haben
daher nur beschränkte Gültigkeit. Behandelt sind statistisch: 1. Die
demonstrativen, determinativen und possessiven Pronomina; 2. die Kar-
dinal- und Ordinalzahlen; 3. die eigentlichen Adjektiva, proleptiscli ein-
geteilt in solche, welche gewöhnlich nachstehen, und solche, welche ge-
wöhnlich voranstehen. Bei Cato de r. r. stehen von 320 Adjektiven
235 immer nach, Was zum archaischen Sprachgebrauch, nicht zum Cice-
ronianischen stimmt, so dafs danach die Schrift nicht sehr überarbeitet
sein kann. Klassisch stehen in der Regel nur die mit dem Substantiv
zu einem Begriff vei-schmolzanen Adjektiva nach demselben. Doch giebt
Syntax. Stilistik. Wortstellung. Figuren. (Deecke.) 331
es nach beiden Seiten hin viele Ausnalimen. indem rhetorische, enpho-
nische (z. B. die Silbenzahl), bei den Dichtern auch metrische Gründe
Inversion hervorrufen. Es ist demnach die natürliche, ursprüngliche
Stellang von der künstlichen, sekundäieu jedesmal zu scheiden. Besonder-
heiten zeigen auch 4ie epitheta ornantia. — Ein Kegister bildet den
Sclüufs.
P. Dettweiler, Symbolae ad coUocationem verborum (aus der
Festschrift f. d. 38. Veisamml. dtsch. Philol. u. Schulmänner 1885).
1885, 8. S. 82- 105.
Der genauere Inhalt ist: apud Ciceronem qua ratione locorum a
quibus verbis praedicati locnm obtipentibus sententiae incipiant. Auch
hier zeigt sich die TJngelenkheit der lateinischen Sprache für den mo-
dernen grammatischen Ausdruck. Es werden folgende 2 Regeln fest-
gestellt: 1. verbum primum enuntiati locum obtinens habet vim con-
cessivam, und zwar teils im Indikativ, teils im Konjunktiv; die Kon-
junktion fehlt oder es steht esse quidem aa.; der Nachdruck liegt auf
^em Verb. — 2. verbum pr. en. loc. obt. habet vim quandam causalem.
— Das Ganze ist Fragment; s. auch Jahn, N. Jahrb. 45, S. 41 — 59.
Weitere, mit der Wortordnuug zusammenhängende Unter-
suchungen sind:
J. Bach, De attractione quae dicitur inversa apud scriptores
latinos. Progr. Strafsbnrg 1888, 36 S. 4.
Es sind nur die archaischen Schriftsteller behandelt. Gemeint ist
unter der attractio inversa eine Wendung wie Verg. An. I, 573 urbem
quam statuo vestra est, entstanden aus der Parataxe: urbem (aü)quara
Btatuo; (ea ui'bs) vestra est (sicher unrichtig! das Relativ war ursprüng-
lich Interrogativ, s. mein Buchsw. Progr. 1«87!). Diese Attraktion be-
gegnet am häufigsten bei Plautus, seltener bei Tereuz und Kato; das
Relativ steht stets im Nominativ oder Akkusativ, oder der Nebensatz
beginnt mit einem relativen Adverb, z. B. PI. Cistell. indidem unde
oritur, facito ut facias stultitiam sepelibilem. Irrig ist es, dafs die
Attraktion nicht eintrete, wenn der Nebensatz oder Hauptsatz einen
acc. c. inf. enthält; s. Lucil. sat. XXIX, 26 AI.; auch später Seneca
Herc. Oet. 411.
Ed. Wölfflin, Zur Epiploce. Arch. f. lat. Lex. VIU, 141 — 2.
Der lateinische Ausdruck ist catena : dieselbe ist nominal, verbal
oder gemischt. Hier soll nur die verbale behandelt werden. Die
griechische Form war mannigfaltiger als die römische, die nur dreifach
ist: 1. praes. (impf.) indic. act. — part. praes act., z. B. Ond Metam.
VI, 656 . . . quaerit. Quaerenti . . .; sonst selten. — 2. Dasselbe oder
332 Lateinische Grammatik. (Deecke.)
perf. ind. act. — part. perf. pass., z. B. ... exegit, exactam . . .; die
Grammatiker haben auch Beispiele mit mehr Gliedern. — 3. praes.
(impf.) indic. pass. — part. perf. pass. (auch mit part. perf. depon.),
z. B, . . . circumveniuntnr, circumventi .... Variiert ist z. B. Cic. pro
Rose. Amer. 32 . . . jugulastis, occisum (statt jugulatnm) . . . Selten
ist die Trennung der Verbalformen durch zwischenstehende Wörter;
verbunden sind sie bisweilen durch -que, selten et.
Auf den Periodenbau beziehen sich ferner:
Edm. Meyer, Zur Konstruktion der lateinischen Periode. Jahrb.
f. klass. Philol. 133, S. 504 ff.; Nachtrag 136, S. 196 f.
A. Eoschatt, Über den Gebrauch der Parenthese in Ciceros
Reden und rhetorischen Schriften. Acta Seminarii philol. Erlangensis.
Bd. III. 1884, 478 S. 8. S. 189—245. Vgl. die vorläufige Au-
zeige im vor. Jahresber. S. 224.
Die Arbeit enthält zwei Teile. Der allgemeine definiert zu-
nächst die Parenthese als ,,eine Einschaltung in den einfachen Satz
oder zwischen die Glieder eines zusammengesetzten Satzes, wodurch der
Hauptgedanke momentan durch einen anderen Gedanken unterbrochen
wird, der nicht notwendig zum Zusammenhang gehört, daher auch nicht
syntaktisch mit dem Satze oder Satzteile, dem er eingeschoben ist, ver-
bunden ist, wohl aber in einer gewissen logischen Zusammengehörigkeit
mit dem Hauptgedanken steht". — Diese Einschaltungen braucht Cicero
nicht als Notbehelf zur Unterbringung von Gedanken, sondern zur Er-
zielurg rhetorischer Effekte; sie sind daher in den Reden erregter,
in den rhetoiischen Schriften ruhiger, stets kunstvoll angebracht, nie
die Periode zeiTeifsend. Dagegen finden sich in den weniger sorgfältig
stilisierten philosophischen Schriften und in der freieren familiären
Sprache der Briefe sehr zahlreiche Parenthesen lockerer kunstloser
Art, auf die obige Definition nicht immer pafst. — Der spezielle Teil
behandelt zunächst die Frage, in was für Sätzen sich die Parenthesen
finden? Häufig in Aussagesätzen, selten in anderen. Zweitens vdi'd der
Umfang der Parenthesen erörtert: sie sind möglichst kurz, da sie dem
Hauptgedanken nachstehen müssen und ihn nicht zu lange unterbrechen
dürfen. Doch giebt es auch längere, je nach der Umgebung, ja sie
schwellen selbst bis zur Periode an; immer wird eine gewisse äufsere
Symmetrie bewahit. — Drittens werden die Einführungspartikeln
behandelt, viertens die Stellung, fünftens das Verhältnis des In-
halts der Parenthese zum unterbrochenen Gedanken. Der Verfasser
bringt viel klar geordnetes Material bei.
Syntax. Stilistik. Figuren. (Deecke.) 333
Ich gehe zu den eigentlich rhetorischen Formen über:
J. Vahlen, De quibusdam orationis ornatae methodis apud poetas
graecos et latinos. Index lect. hibern. 1887, 4. Berlin;
vgl. W. in der Berl. Philol. Woch. VIII, 486 f.
P. Grofs, Die Tropen und Figuren. 2. Ausg. Leipzig, Bredt,
1888;
vgl. F. Müller, Berl. Philol. Woch. X, 257.
Spezielleres behandeln :
C. H. Lehmann, Quaestiones TuUianae. Pars I. de Ciceronis
epistulis. Leipzig, 1886, 136 S. 8.
Durchweg Konjekturalkritik; S. 23 — 33 bespricht aber das zwei-
gliedrige Asyndeton. In der älteren Sprache beliebt, verschwindet
€S klassisch allmählich und erhält sich nur vulgär und archaisierend;
s. Sig. Preufs, de bimembris im Jahresber. f. 1879 — 80, S. 219.
Ferner :
G-ottl. Hatz, Beiträge zur lateinischen Stilistik. Zur Hendiadys
in Ciceros Redeu. Schweinfurt, 1886, 68 S. 8.
Auf Anregung Iw. Müllers giebt der Verfasser eine, ungeachtet
mancher Streichungen, mit einem gewissen Überflufs angelegte Sammlung
als Ergänzung zu Nägelsbach. — S. 3 — 12 giebt eine allgemeine
Einleitung mit Definition. Dann werden die gesammelten Beispiele
in zwei Rubriken behandelt: 1. synonyme S. 13 — 26 (Näg. § 73, 2a),
wie iudicio ac potestate; iniquitas et injuria; usus et fructus; usus et
consuetudo. Diese Fälle siud zum Teil durch das Fehlen geeigneter
Adjektiva veranlafst (später z. B. bei Quintilian usitata consuetudo);
im Deutschen stehen daher Adjektiva oder Komposita, z. B. gewohnte
Sitte, Nutzniefsung. Gemieden wird von Cicero die aichaische ögura
etymologica, wie otiuni otiosum. — 2. nicht synonyme S. 27 ff. (Näg.
:§ 73, 2b), wie natura pudorque, vi et armis. Auch hier tritt im
Deutschen oft ein adjektivisches Attribut oder ein Kompositum ein,
wie „natürliche Scheu, mit Waffengewalt". — Unter jeder Rubrik sind
die Stelleu in historischer Reihenfolge der Schriften geordnet, mit Zu-
füguug der Parallelstellen. Mitunter ist das Vorliegen einer rhetorischen
Figur zweifelhaft, und geht der Verfasser in Annahme einer solchen
bisweilen wohl zu weit. Vgh die Ergänzung von Ed. Wölfflin, Zur
Entwickelung des Hendiadyon. .Arch. f. lat. Lex. IV, 143.
G. Landgraf, De figuris etymologicis linguae latinae. Acta
semin. Erlang. II, S. 1—69.
Schon besprochen im Jahresbericht f. 1881 — 82, S. 359; s. jetzt
•die Anzeige von Schmalz, Piniol. Rundschau II, S. 1487 — 9 und den
Nachtrag Jahrb. f. klass. Philol. 1892, S. 653.
334 Lateinische Grammatilc. (Deeeke.)
Verschiedene nene Schriften sind über die Allitteration
erschienen :
Ed. Wölfflin, Zur Allitteration und zum Reime. Arch. f. lat.
Lex. III, 443 -457.
Vgl. desselben Allitterierende Verbindungen der lat. Spr. 1881,
im Jahresber f. 1881—82, S. 357. Zur Allitteration wird hier eine
Nachlese der Verbindung von Wörtern gleichen oder gleichscheinenden
Stammes gegeben; zuuächst Allitteration von a und au, a und ae (doch
niclit ganz sicher!); dann andere (alphabetisch geordnet). — Zum
Reime werden gleichfalls zunächst einzelne Notizen und Beispiele
nachgetragen: so besonders Heilspiüche und Zauberformeln (s. Arch. I,
355; 11, 423). Konsequent verwendet später Augustin Reime und Wort-
spiele. Es wird dann ein alphabetisch geordneter Nachtrag gegeben,,
besonders aus Paulinns Nolauas (s. I, 350 — 89; 576 — 9).
Ich knüi)fe hieran gleich von demselben Verfasser:
Ed. Wölfflin, Das Woitspiel im Lateinischen, Sitzungsber. d.
königl. bayr. Akad. d. Wiss. 1887, II> 2, S. 187 ff.; vgl. Arch. f. lat.
Lex. IV, 631.
Blümlein, Znr Allitteration und zum Wortspiel im Lateinischen.
Berichte des Deutsehen Hochstifts. N. F. VII, 2.
Zu Car. Bötticher, de allitterationis apnd Romanos vi et usu
1884, im Jahresber. f. 1883—4, S. 225—6 besprochen, vgl. jetzt noch
die Anzeigen vou W. Ebrard, Philol. Rundsch. 1884, N. 51, und von
Ph. Thielraaun, Woch. f. klass. Philol. 1885, S. 909 ff.
Italienisch ist dasselbe Thema behandelt von:
P. Basi, Osservazioni sali' uso dell' allitterazione nella lingua
latina. Atti e memorie dell" Accad. di Padova. V, 2 (1889).
Spezielleren Inhalts sind:
J. Bintz, Beiträge zum Gebrauch der Allitteration bei den
römischen Prosaikern. Philol. XLIV, 262 ff.
F. Mering, De allitteratione Luciliana. Progr., Wattenscheid,^
1891, 12 S. 4.
Geordnete Voi-fühiung sämtlicher Stellen aus den dürftigen Frag-
menten des Dichters. Es ergiebt sich, dafs er die Allitteration mit.
vollem Kunstbewuistsein, bedacht und sorgfältig anwandte.
B. Pretsch, Zur Stilistik des Cornelius Nepos. Progr., Spandau,
1890, 47 S. 4. ■
Ergänzung zu Lupus' Stilistik des Nepos. Behandelt sind: die
Allitteration nebst Sperrung oder Auseinanderstellung, sehr häufig;
Syntax. Stilistik. Allitteration. (Deecke.) 335
der Reim, nur selten, wie es scheint, beabsichtigt; das Wortspiel,
nicht häufig, wie ebenso die figura etymologica.
Ludw. Lahmeyer, Studien zur lateinischen (xrammatik I. Die
Allitteration in Ciceros Pompejana. Progr. von Rofsleben, Görlitz,
1891, 14 S. 4.
Mechanisch-schematische Zusammenstellung, ohne Kritik, Ver-
gleichung und Litteratur.
H, Habenicht, Die Allitteration bei Horaz. Prgr., Eger, 1885,
17 S. 8.
Reichhaltige Sammlung nach dem Vorbilde von Kvicalas „Neuen
Beiträgen zur Erklärung der Äueide". Bestimmte Normen sind nicht
aufgestellt, so dafs es sehr oft zweifelhaft bleibt, ob Absicht oder Zufall
vorliegt.
Verwandt mit diesen Untersuchungen ist der reichhaltige Auf?
satz von:
Herm. Kraffert, Kakophonieen im Lateinischen. Zeitschr. f.
Gymnasialwesen, Bd. XLI (1887), S. 713 — 733.
Die Frage war damals noch nicht im Zusammenhang behandelt:
auch hier sollen nur Beiträge gegeben werden, vorzugsweise aus Cicero
und Horaz. Schwierig ist die Untersuchung dadurch, dafs so viel vom
subjektiven Gefühl und Gehör abhängt, auch der Geschmack der Römer
vielfach ein anderer, ja entgegengesetzter gewesen sein kann, als der
unsrige, so dafs ihnen euphonisch erschien, was uns kako phonisch, und
umgekehrt. — Behandelt ist zuerst die Häufung gleicher Buch-
staben, und zwar zuerst von Vokalen, z. B. a: Cic. div. II, 80 at
aliquot annis antiquior Romulus et Romanorum auctor augurum (z. T.
bewofste Allitteration?); Tusc. V, 114 enden 10 Wörter hintereinander
auf a. — e: Cic. de off. I, 124 intellegere se gerere personam; Hör.
carm. II, 9,16 sorores flevere semper. Desine. — i: Cic. pro Font. 44
dedi inimicissimis atque immanissimis nationibus an reddi amicis; Hör.
carm. I, 24, 9 multis ille bonis flebilis occidit (Absicht!). — o: Cic.
pro Plane. 36 nemo non modo non nomine; s. Horaz carm. III, 6, 47.
— w. Cic. Brut. 222 Marium Drusum tuum magnum avunculum; s. Hör.
Ep. U, 1, 202 (Absicht). — ae u. s. w. — Auch können mehrere
gleiche Vokale sich oft wiederholen, z. ß. i und a: Cic. iniquissima
invidia, fastidia delicatissiraa. Oft ist dies der Fall bei absichtlicher
Anaphora z. B. Cic. pro Flacc. neunmal neque oder nee; siebenmal si.
— Ferner Konsonanten, z. B. c: Hör. carm. I, 35, 26 cadis cum
faece siccatis amici. — d: Hör. Ep. I, 7, 27 reddes u. s. w. — l:
Hör. carm. III, 13, 14 ilicem u. s. w ; Cic. Verr. I, 88. — m\ Cic,
pro Flacc. 3, wovon 11 aufeinander folgenden Wörtern 10 aufm aus-
336 Lateinische Grammatik. (Deecke).
geben; de lege agr. I, 7 gar von 41 Wörtern 22; Hör. carm. III, 24,
49 suninii materiem mali. — p meist Absicht. — qu oft in Relativen
und Interrogativen nebst den abgeleiteten Adverbien und Konjunktionen,
•wie quoties, quam, quia, quod u. s. w. — r meist absichtlich gemieden
(s. Wölfflin über die littera caniua S. 137), aber auch biswf^ilen
malend gehäuft (Ovid); Cicero braucht es vorsichtig, Horaz im Über-
mafs: auch die Verbindung von p und r, z. B. Sat. I, 6, 57. — s
wiederholt sich oft im Auslaut. — t z. B. im bekannten Verse des
Ennius 0 Tite u. s. w. — i; selten, z. B. Cic. Philipp. I, 1, 1 (Zufall?).
— Hierher gehört drittens- die "Wiederholung gleicher Silben: teils
volle Verdoppelung wie in quisquis, sese, teils gebrochene Reduplication
wie barbarus, susurrus, momordi aus memordi; , auch durch Komposition,
z. B. dedecus u. s. w. ; andrerseits sich wiederholende Auslautssilben,
wie sogar Cicero mererere, paterere hat; vgl. dann die Wiederholung
desselben Wortes oder verwandter Wörter, wie alius alinm, me meus
u. s. w. ; etymologische Allitteration, auch mit Präpositionen. — Gleiche
Endung zeigen besonders die Eigennamen, bis zu 5, ja 6 hintereinander;
dann adjektivische Attribute oder Appositionen mit ihren Substantiven,
oder Verbindungen von Nominibus, besonders auf -am, -um, -is, -us,
-arum, -orura aa., nicht selten auch mehrere solcher Endungen hinter-
einander oder regelmäfsig abwechselnd. — Bei den Verben wiederholen
sich oft die Endungen -im, -istis, -et, hypothetisch -etis, besonders -eretis,
-issetis aa. — Eine andere Art der Wiederholung ist die Gleichheit
des Aus- und Anlauts, z. B. me meus (s. aufserdem oben!), splendet
et, tu tum, nisi si, pares res, crure refert (überhaupt oft bei re), ut
utar aa. , sogar dreimal: non esse se senatorem; transcurrere regis
(Ovid), allerdings gemildert durch die verschiedene Quantität; auch mit
2 Silben: o fortunatam natam!; invisae visae sunt. Verwandt sind Reim,
Assonanz, andrerseits Anaphora, vielfach als rhetorische Kunst-
mittel verwendet; s. A. Haacke, De Ciceronis in orationibus facetiis,
Progr., Burg, 1S86. Eerner sind zu beachten die figura efymologica,
auch in Sprichwörtern, wie fortes fortuna; dann Oxymora, wie
concordia discors; inter opes inops (Horaz); pleonastische Wieder-
holung, z. B. diem quo die; so besonders bei locus, res, castra aa.; bei
Verben, ohne und mitNegation, wie decet — non decet, non possit — possit;
sonstige Wiederholungen, wie nostra nostrae, nova novis, omni omnium;
auch bei Eigennamen (Cicero). — Kakophonie findet sich beabsichtigt,
malend, auch onomatopoietisch, wie im Ovid sub aqua, sub
aqua von den Fröschen; Katull passer puellae u. s. w. Micht immer
Absicht ist der Gleichklang bei Sätzen oder Satzteilen; s. auch die
versus intercalares. — Eine andere Kakophonie ist die Häufung harter
Konsonanten, z. B. stirps splendida; andrerseits der Hiatus, doch
Syntax. Stilistik. Kakophonie. Hyperbel. (Dcecke.) 337
nach Cicero auch rhetorisch (Orat. 77): so begegnen nicht selten 3 Vokale
hintereinander ohne Elision, z. B. Hör. carm. II, 10, 13 Daedaleo ocior;
Verg. An. III, 211 iusulae Jonio in magno. — Unschön sind auch zu
lange Wörter, doch bisweilen absichtlich gehäuft, wie Cic. de orat. I*
219 ingeniosissimornm otiosissimorumque ; so besonders bei Deminutiven
(Plautus); andrerseits Häufung einsilbiger Wörter, allerdings vie
seltener als im Griechischen. Hör. Sat. II, 3, 232 hat 13 Wörter in
einem Hexameter. Eine besondere Kunstform ist der rhopalische
Charakter, wenn die Silbenzahl der Wörter regelmäfsig steigt, wie im
Horaz ut usque suppetas laboribus; auch antirh opalische Verse
kommen vor; beides wohl meist wider Willen. — Als Resultat ergiebt
sich im allgemeinen, dafs den lateinischen Autoren die Gesetze der
Euphonie wohl bekannt waren, aber oft von ihnen verletzt wurden, ja,
mehr als in anderen Sprachen, sofern ihnen andei'es wichtiger erschien.
Freilich berühren sich, wie wir gesehen haben, vielfach die Extreme,
und manche hier angenommene Kakophonie sollte wohl als euphonische
Schönheit gelten.
Zur Stilistik in weiterem Sinne gehören ferner:
J. Egli, Die Hyperbel in den Komödien des Plautus und in
Ciceros Briefen an Attikus. Progr., Zug, 1892, 38 S. 8.
Ein Beitrag zur Charakteristik der lateinischen Umgangssprache,
in 3 Kapiteln: 1. hyperbolischer Gebrauch der Zahlwörter. — 2.
Essen und Trinken. — 3. Schmerz (körperlich und geistig). — Es
sollen folgen: Kriegswesen und Spottnamen. — Nicht beachtet ist der
mehrfach erkennbare Einflufs des Griechischen.
J. Sasse, De numero plurali qui vocatur majestatis. Dissert.,
Leipzig, 1889, 70 S. 8.
Es ist hier nicht der gewöhnlich sogenannte pluralis majestatis
im Gebrauch von nos, noster u. s. w. statt ego, meus u. s. w. gemeint,
der schon der klassischen Zeit angehört, sondern der zuerst unter
Kaiser Gordian III. um .240 n. Chr. aufkommende Gebrauch, dafs der
Kaiser von sich und seinen Regierungshandlungen offiziell in der Mehr-
zahl spricht, wie judicamus, permittimus, a nostra serenitate. Der
Verfasser meint, es sei dies ursprünglich aus der Bescheidenheit (?)
des jungen Herrschers hervorgegangen, der seine Ratgeber in den
Plural mit eingeschlossen habe. Bestimmter wurde diese Ausdrucksweise
offizieller Stil unter Konstantin I. — Die ältere Stelle Plin. ep. 3 ist
(nach Mommsen) beseitigt.
Zur Erhöhung des Stils gehören auch die epitheta ornantia. be-
handelt in:
Jahresbericht für Alterthumswissenschaft. LXXVU. Bd. (189.^. III. > 2'2
^}3g Lateinische Grammatik. (Deccko.)
Fr. Seitz, De tixis poetarum Latinorum epithetis. Pars I Progi-.
Elberfeld, 1890, 30 S. 8.
Der Verfasser, der schon 1878 aus seinen reichhaltigen Samm-
lungen „über die adjectiva composita der römischen Dichter" geschrieben
hat, giebt hier eine andere Probe aus jenem Material, freilich recht
kärglich, nämlich nur die stehenden Beinamen der Götter, Länder
und Völker, und auch diese keineswegs vollständig. Von 2 Exkursen
behandelt der eine die Komposita auf ^fer und -,9er (gegen Deipser.
s. S. 190), der andere diejenigen auf -ficus.
Umgekehrter Art, wie die Hyperbel, wenigstens der Form nach,
ist die Litotes:
Carl Weyman, Studien über die Figur der Litotes. XV. Suppl.-
Bd. der Jahrl). f. klass. Philol., Leipzig, 1886, 8., S. 453—550.
Eine ausführliche Arbeit, ursprünglich Münchener Dissertation.
Der erste, allgemeine Teil behandelt die analoge orientalische und
griechische Spracherscheinung und grenzt durch Definition das Gebiet
derselben ab, als einer „um das positive Glied gekürzten Figur". Der
Ausdruck Xitott)? findet sich zuerst bei Cicero, als grammatischer Kunst-
ausdruck bei Porphyrion und Servius : minus dicimus et plus significamus,
(der) contrarium intellegentes. — Im zweiten, speziellen Teil wird
die Litotes bei den lateinischen Dichtern besprochen. Die erste
Negation ist non, nee, haud; ne; die zweite in-privativum, ne-, dis-.
ab-, ex-, de-, z. B. inscius, nescius, dissimilis, absimilis, expers, deformis:
isoliert steht bei Jul. Valerius non absque = non sine. - Das negierte
negative Wort ist meist ein Adjektiv, auch ein Particip, wie inconveniens,
incautus, dedignandus, aber aucli eine andere Verbalform. Selten
werden so nicht negative Adjektiva öder Participia gebraucht, z. B.
non alienus, non probatus. Gewisse Arten der Litotes vererbten sich
formelhaft aucli auf die späteren Dichter.
Ich schliel'se mit einem grölseren reichhaltigen Werke allgemeineren
Inhalts :
W. Kalb, Das Juristenlatein. Versuch einer Charakteristik auf
Grundlage der Digesten. Progr., Xürnberg, 1886, 48 S. 8: zweite
erweiterte Aufl. 1888, 90 S. 8.
In der allgemeinen Einleitung wird festgestellt, da/s die eigentüm-
liche Sprache der Juristen zwei Arten von Kunstausdrücken enthält:
1. aus dem Kanzlei- oder Kurialstil, d. h. ans Gesetzen, Senatsbe-
schlüssen, Edikten, Formeln u. s. w. herstammend, also ans der Praxis:
2. von den .luristoii selbst zur Mitteilung und Belehrung gebildet, also
aus der Theorie. Der erste Abschnitt behandelt die Ausdrücke erstere}-
Art, von denen sich viele auch in r;itnten bei andfren Schriftstellern
Syntax. Stilistik. Litotes. Juristenlatein. (Deecke.) 339
finden. Manche davon sind konservativ, z. B. verba simplicia statt
der composita, wie dare für tradere u. s. w. , (inter)rogare , (au)ferre
(per)cipere, (ac)ciuirere u. s. vv.; ferner (ap)paret, (con)vertere, (comb)-
nrere, (cor)rumpere. (e)ruta, (de)cernere u. s. w. Intransitive Bedeu-
tung z. B, in res moventes. Einzelnes: hostium potitus est; habere
mit part. perf. pass.; Formen auf -uudus. — Archaische Substantite
z. B. auf -ela, wie tutela, querela, corruptela; pater familias u. s. w.;
filiabus u. s. w. — Partikeln: nee = nicht (s. S. 304); duntaxat nur"
(als Maximum) ; intra = ante. Vielfach ist Streben nach gi'öfserer
Deutlichkeit erkennbar. — Aus der Syntax sind zu bemerken:
Kasus ohne Präposition, besonders ablat. separationis; ferner per statt
abl. instrum. ; Nachstellung der Präposition: condemnare mit Akk. der
Strafe aa.; dann: Zweigliedrige Asyndeta (s. S. 333); Wiederholung des
Beziehungswortes beim Demonstrativ und Relativ, z. B. actio, inquam
actionem: ea actio; Korrelation: eatenus- ({uatenus (s.S. 319); Akkus, c.
Inf. Präs. nach Verben des Versprechens, auch blolser inf. praes. , in
Sponsionsfornieln u. s. w. — Der zweite Abschnitt, aus der Rechtstheorie
oder dem Gelehrtenstil, behandelt: Stellungsänderung, z. B. bonus
vir, bona fides, oft mit dadurch erleichterter Ellipse des Hauptworts,
wie fera, pro rata, Falcidia, quarta aa., besonders oft bei actio. —
Häufung von Präpositionen: per in manum conventiouem, und viele
ähnliche Fälle seit Labeo ; auch ganze Sätze oder der Anfang derselben
werden als Hyphen eingeschoben. — Inf. oder Akk. c. Inf. bei petere,
vindicare, satisdare. — Wortbildungen und Formeln wie: proximior,
-mitas; suus heres; sui juris; pro suo possidere, -possessio aa. Ferner
besondere Bedeutung und Sprachgewohnheiten: servare „das Seine er-
halten"; rogare mit Inf. (Gräcismus); regelmäfsig is qui, selten ille qui,
nicht hie qui; desiderare ^ cupere ; orare reden (nicht bitten: s. Heer-
degen S. 172); reddere nicht = facere, zur Vermeidung der Zweideutig-
keit; promittere versprechen (nicht polliceri): Vermeidimg von cum- tum,
nequiquam, non modo- sed; causa als Substantiv vor dem Genitiv (statt
als Präposition nach demselben). — Der dritte, in der 2. Aufl. hinzu-
gefügte Abschnitt behandelt das „Nichtjuristenlatein" , das durch die
Redaktionskommission, besonders Tribonian, in das corpus juris hinein-
gekommen ist. — Vgl. die Anzeige von Schmalz in den Jahrb. f.
klass. Philol. 1891, S. 215—24; auch 352.
Der Verfasser hat das Material dann noch, anders geordnet, be-
handelt in:
W. Kalb, Roms Juristen, nach ihrer Sprache dargestellt. Leipzig,
Teubner, 1890, 154 S. 8.
Während nämlich obiges Werk die Sprache der römischen Juristen
22*
340 Lateinische Grammatik. (Deecke).
als Ganzes behandelte, in allgemeinen Zügen, wird hier jeder
einzelne Jurist für sich in kurzem Abrifs betrachtet, und ver-
sucht, ihm einzelne Züge besonderer Ausdrucksweise abzugewinnen,
wie Kalb es schon mit Gajus im 1. Bde. des Arch. f. lat. Lex.
(S. 82—92) gethan hatte. Als erster Versuch ist dies höchst
dankenswert, und der Verfasser verrät scharfe Beobachtungsgabe. So
sind auch die Sesultate nicht unbedeutend, ja hin und wieder
übeiTaschend , wie z. B. dafs aus der Sprache des Papinian sich
seine afrikanische Herkunft zu ergeben scheint. Mitunter freilich sind
die Schlüsse, bei der Dürftigkeit des Materials, wohl zu kühn. — Im
Eingang werden, beispielsweise, etwas bunt durcheinander, eine Reihe
von Wörtern und Phrasen besprochen, um zu zeigen, was sich aus ge-
nauer Beobachtung des Sprachgebrauchs gewinnen läfst. Die einzelnen
Juristen werden durchgenommen von P. Alfenus Varus bis Arcadius
Charisius.
Nachtrag zu Seite 250.
Die Arbeit Fr. Hansens on the Latin adjective geht von
Pauls Ansicht aus (Princ. d. Sprachgesch. - Halle 1886, S. 114), dafs,
wie das Objekt eine Verdoppelung des Subjekts, so das Adjektiv
gewissermafsen eine Verdoppelung des Prädikats sei; es nahm,
durch eine rein auf ser liehe Assimilation, die Endungen des Substan-
tivs an. Sonach ist, wie die Participia noch besonders zeigen, kein
wesentlicher Unterschied zwischen Vei'bum und Adjektiv; ja auch die
Bestimmungen des Genus Verbi, der Zeit und des Modus finden sich,
wenn auch weniger scliarf ausgedrückt, beim Adjektiv wieder: sie
werden z. B. im Lateinischen durch verschiedene Endungen angedeutet.
— I. Beim Genus Verbi sind 4 Arten zu unterscheiden: 1. das
eigentliche Aktiv; 2. das instrumentale Aktiv (mit abstraktem Subjekt):
3. das neutrale Passiv, wie esse, fieri u. s. w. ; 4. das eigentliche Passiv.
— Davon drückt das Suffix-/;?'/« 2—4 aus z. B. causa vincibilis; vox
durabilis; merx iuvendibilis (orator impetrabilis PI. Most. 1162 gehört
zu 2, nicht 1); -tivus (mehr instrumental) und -ticius (mehr passiv)
2. z. B. definitiva constitutio; commendaticiae litterae; 4. z. B. filius
adoptativus; vinum advecticium; selten 3. z. B. fugitivus, adventicius
(s. S. 181); vielleicht 1. in Apollo genetivus ; -torius, -soriiis: 2. z. B.
sententia absolutoria; avis proliibitoria; 3. z. B. transitorius (spät);
praetorius, raercatörius; 4. spät, vulgär z. B. vestimenta mutatoria
(Sirenes traliitoriae 1. ist gegen den Sprachgeist); -arius 1 — 4, ursprüng-
lich nur 1—2; 4. z. B. admissarius; -ax 1—3. z B. loquax, fallax
SjDtax. Nachtrag. 341
(spes), fugax (servus); zwf. 4. mendax iafamia (Her. ep, 1, 16, 39);
-ulus ebenso: aus 3. Übergang- in 4. z. B. vestis stragula; rete ja-
culum; ferner viele Zusammensetzungen, meist 1—3, wie benedicus,
redux, artifex, bisweilen 4. boves artifices. — Im ganzen überwiegt 3.
— II. Bei den Zeiten sind zu unterscheiden die präteri to- prilsen-
tische Bedeutung und die futurische. Letztere ist seltener und
meist modaler Alt, wie bei den Suffixen -ilis und -bilis z. B mor-
talis, venalis, laudabilis; erstere ist weit häufiger z. B. -eiis in aureus
u. s. w.; -nus, bald präsentisch, bald präterital z, B. araor fraternus,
aber auch hereditas paterna; Aemilianus; -ensis z. B. ager Olbiensis,
aber auch epistula Olbiensis; -uns (auch -ivus), -ax präsentisch-
dauernd, auch frequentativ, wie febris recidiva; -tivus perfektiscli,
-ticius imperfektisch (s. oben!), wie bei den Verbalsubstantiven -tus
aoristisch, -tio imperfektisch ist. — III. Beim Modus ist zu unter-
scheiden der problematische Sinn (Konjunktiv), der assertorische
(Indikativ) und der apodiktische (Imperativ). Die Adjektiva ge-
hören meist dem zweiten Sinne an; doch sind problematisch z. B.
die Suffixe -hilis, -Ulis, -lis, -ris: auch aequalis, fidelis, talis; geschwächt
zur Futurbedeutung z. B. vitalis, s. auch invictus aa.; apodiktisch
sind die Participia auf -ndus, oft auch diejenigen auf -urus z. B. mori-
turus.
Diese in hohem Grade geistreichen und interessanten Untersuchungen
verdien^i eine sorgsame Weiterführung.
Inzwischen sind einzelne im Anfange des Berichts genannte Werke
weitergeführt oder vollendet worden, andere in neuen Ausgaben er-
schienen, worüber im nächsten Jahresbericht, der spätestens in 3 Jahren
erscheinen wird!
Für das velare g ist, da der jetzt dafür übliche Buchstabe nicht
vorrätig war, anfangs (S. 125 if.) a, gesetzt worden, später blofses g,
indem das palatale g durch g bezeichnet ist.
Zu verbessern ist noch, aul'ser einigen leicht erkennbaren Kleinig-
keiten:
S. 154 Mitte: „s. den Nachtrag" ist zu tilgen.
S. 168, ^ 16 V. u. lies Johaassou; auch S. 195, 201.
S. 197, Z. 14 V. 0. lies ter statt ter.
S. 197, Z. 18 V. u. lies kutalös.
S. 197, Z. 7 V. u. lies ubqos.
S. 201, Z. 13 V. 0. lies kara-uos.
^YO
Register.
I. Verzeichnis der besprochenen Schriften.
Adams, G., de ablativo absolute apud
Curtium III 21)i;
Ahlheim, A., de Senecae usu dicendi
III 224
— Vergillektüre II 208
Albrecht, E., de adjectivi attiibuti coUo-
catione III 3;!()
Allegre, de Jone Ohio I 140
Allen. F.. Grcok versification I 280
— Gajus or Ga'ius III loO
Anthologia lyrica ed. E. Hiller I 115
Anthologia Palatina ed. E. Cougny I 27r;
Antoine, F., syataxe latine III 218
Anton, HS.. Studien zur lat. Gram-
matik III 2G2
Apelt, 0., Beiträge zur Erklärung der
Metaphysik des Aristoteles I. IM
— die Kategorienlehre des Aristoteles
I 85
— die Widersacher der Mathematik
im Altertum I 102
Arbols de Jubainvllle. L. d', los noms
gaulois chez Cesar II 174
Ardy, L. F., de constructionibus cau-
sarum III 22n
Aristoteles, de anima liber B. cd. Hugo
Rabe I '.»5
— 'At>r,v<zu»)v r.ui.Kxzw. cd. k. 'Ay^Oo-
v./.o; I 4
ed. Frid. Blass I 10
ed. C. Ferrini I ;;
— — ed. H. V. Herwerden et J. de
Leeuwen I 5
— — ed. G. Kaibel et U. de Wilamo-
witz-Moellendorf I 4. 7
übers, v. M. Erdmann I i;;
— — übers, v. H. Hagen 1 14
— — verdeutscht v. G. Kaibel u. A.
Kiessling I 1 1
— — übers, v. F. Poland I 12
— — transl. by Thom, J. Dymes I H".
Aristoteles, transl. by F. G. Kenvon
I k;
transl. by E. Poste I l(i
— — trad. par B. Ilaussoullier I 15
trad. par Theod. Reinach I 14
trad. da C. Ferrini I 17
trad. da C. 0. Zuretti I 17
russ. übers, v. N. J. Schubin I 17
— commentaria ed. Ad. Busse I S7
— — ed. Michael Hayduck I 1)4
ed. Max. Wallies I SS
— la poetique, manuscrit 1741. I 105
Asmus, G., de appositionia collocatione
III :]29
Auberivere, H. F. P. de I', aper<;u s.
Chypre III 44
Audouin, E., genitif de la peine III 232
Babrius, fahles, trad. par E. Leveque
I 204
Bach, J., de attractione inversa 111 o3L
— de usu pronominum demonstrat.
III 256
Bader, J., de Diodori rerum Romanarum
auctoribus II 104
Bährens, E , nova adversaria critica in
scriptores bist. Aug. II 111)
Baker, S. W., Cyprus III 47
Barry, F. W., census of Cyprus III lU
Barthelemy St. Hiiaire, sur la Consti-
tution d'Athcnes I 20
Bartholomä, C, nt-Participien III ltir>
— Studien III 155
Bauer, A, Aristoteles üb. die Ver-
fassung Athens I 18
— Literarische u. historische For-
schungen zu Aristoteles' 'A>)vjvcti(ijv
-'j'K'.-V.rj. I 42
Becher, Ferd.. zu Cicero pro Ligario
II 25
— item III 262
— Sprachgebrauch des Caelius III 221
344
Register.
Bechtel, F., Hauptprobleme der idg.
Lautlehre III 101
Becker, E., beiordnende Satzverbindung
III i>99
Belajew, 0., 'Ailr,vc(iojv -oXitcia I 21
Bell. A., de locativi usu III 239
Beloch, J, Alkäos u. Sappho I 210
— le fonti di Strabone III 17
— Theognis' Vaterstadt I 127
Benesch, J., de casuum obliquorum apud
lustinuni usu III 281
Bergeat, A., zur Geologie v. Cypern
III (;2
Berger, H., Geschichte der wiss; Erd-
kunde der Griechen III 2
Berndt, Th., krit. Bemerkungen zu
griech, u. röm. Schrift&tellern II 10
Bernhard, üb. Ciceros Rede von d.
Consularprovinzen II 21
Bersu, P., die Gutturalen im Latein
III i;u
Betge, die neugefundene Schrift des
Aristoteles I 19
Bethe, E., Vergilstudien II 180. 194
Bezzenberger, A., idg. Gutturalreihen
III V.Vl
— idg. Tenuis III 135
Biddulph, 6., Cyprus III .)3
Bienwald, A.. de Crippsiano etOxoniensi
codicibus 11 209
Biese. A., griech. Lyriker I 115
Birklein, F., substant. Infinitiv I 118
Birt. T., de velis ludaicis II 2.ö9
— Verbalformen vom Perfektstamme
III 1.09
— zwei politische Satiren II 2(^0
Bitsohofsky, R., kritisch- exegetische
Studien zu den Script, bist. Aug. II
119
Black, R., death no bane II 224
Blase, H., Geschichte des Irrealis III
:;il
— de permutatione in enuntiatis cou-
dicionalibus III ;')10
— zur Syntax der Bedingung.ssätze
III 312
— unus beim Superlativ III 2.')2
Blayde8,F., notae inTheophrastum I 1 14
Bloomfield, M., adaptation of suffixes
III 149
Bock, G., subjecta rei cum actionis
verbis conjuugendi usus III 32*1
Boll, F., num Cluentius de crimine iu-
dicii corrupti causam dixerit II 1 1
Boor, C. de, Ignatios t 2.">8
Bormann, E.. Bemerkungen zum schrift-
lichen Nachlasse desKaisers Augustu.s
III 7
Born, B-, Bemerkungen zu einigen Oden
des Horaz II 74
Böttger, 0., dum III 315
— Reptilien von Cypern III i;5
Boulenger, G. A., reptiles from Cyprus
III (;5
Brassey, Mrs., cruises to Cyprus III 47
Braun, Ew., coniectanea I 70
Braun, R., Sprachgebrauch Sallusts III
274
Brieger, A., die Verfassungsgeschichte
V. Athen I 19
Brown, S., 3 months in Cyprus III 48
Brugmann, K , Ursprung der Gerundia
u. Gerundiva III 1(37
Brugmann, 0., Gebrauch des condicio-
nalon ni III 313
Bruns. J., supplementum Aristotelicum
I 58
Buchan, A., climate of Cyprus III 02
Bücheier, F., coniectanea II 209
Buseskul, W., Aristoteles Abhandlung
üb. d. Verfassung d. Athener I (russ.)
I 21
— Themistokles u. die Reform des
Areopag durch Ephialtes I 51
Busolt, G., zur Gesetzgebung Drakons
I 45
Bywater, Ingram, the litterature of
ancient philosophy in England I 50
Caesar, bellum civile II 105
di E. Garizio II ](;5
— — by M. Montgomery II 105
— — di F. Ramorino II 105
— bellum gallicum par Dübner-Degove
II 103
by Harper a. Tolman II 102
Calpurnius, transl. by E. J. L. Scott
II 24!l
Gammen, E P. v. d., etude ,s. Chypre
III :;5
Campeaux, A., histoirc du texte d'Ho-
race 11 0-2
Cantarelll, L, gli annali greci di C.
Acilio e Q. Claudio Quadrigario II
IOC
Capitaine, H., Chypre III 45
Cassel, P., Cypern III 45
Cauer, F., Parteien u. Politiker I 128
— Studien zu Theognis I 130
Cavazza, S., Aristotele e la constituzione
di Atone I 21
Cazenove, R. de, Chypre III 51
Cecconi, il secretum secretorum I 5i^
Ceci, L., appunti glottologici III 135
— etimologie dei giureconsulti romani
III 194
Cesnola, L. P. dl, Cypern III .30
Verzcichuiss der besprochenen Schriften.
:345
Cesnola, L. P. di, Cyprus III cH;
— Salaminia III 87
Chaie, P., Cypre III :>1
Chicco, vino di Cipro 111 (.4
Christiansen, i., de apicibus III lia
Cicero, orationes selectae ed. H. Nohl
II -Ij
— pro Archia ed. by Alicroft and
Plaistowe II 18
ed. M. Chanselle II 18
— — ed. Cinquini II 18
— gegen Catilina v. G. Laubmann II 13
reo. di V. Turri II 13
— Cato maior, erkl. v. H. Anz II 234
ed. A. Kornitzer II 234
— — par J. B. Lechatellier II 234
— — erkl, V. C. Meissner II 233
reo. K. Noväk II 234
— — erkl. V. J. Sommerbrodt K 234
— Cato maior et Laelius, ed. T. Schiebe
II 233
— für Deiotarus erkl. v. J. Strenge
II 24
— divinatio ed. Hachtmann II 7
ed. E. Thomas 11 7
— de finibus, ed. da C. Giambelli li
220
ed. G. Nemetby II 220
— de imperio Pompei, ed. A. Kor-
nitzer II S
— — emend. J. Lange II 10
edd. Fr. Richter et A. Eberhard
II 8
erkl. V. E. Thümen II 10
ed. V. Turri 11 8
ed V. Voss II 8
— Laelius, ed. A. Kornitzer II 23ü
— — erkl, V. C. Meissner II 239
— pro Ligario commentata da Clem.
\ignali 11 24
— pro Marcello ed. R. Cornali II 23
— or. pro Milone, pro Ligario, pro
Deiotaro. Ed. R. Noväk II 21
— de natura deorum, erkl. v. A. Goethe
II 227
— pro L. Murena par Ferd. Antoinc
II 14
ed. AI. Kornitzer II 14
par M. L. Mollerio II 14
— — di A. Pasdera II \')
— — erkl. V. Jul. Strenge II 14
— de officiis, ed. A. Kornitzer II 241
— paradoxa, erkl. v. II. Anz II 241
— Philippicae ed. E. R. Gatt 11 27
— de provinciis consularibus übers.
V. E. Müller II 21
— somnium Soipionis, erkl. v. 11. Anz
II 244
Cicero, somnium Scipionis di A. Pasdera
11 245
— pro Sulla ed. A. Kornitzer 11 1^
— Tusculanae. ed. T. Schiebe 11 223
erkl. V. Tischer-Sorof II 223
— Verrina ed. A. Kornitzer II 8
Cichorius, K., de fastis consularibus
antiquissimis II Ufi
Cima, A., analecta Vcrgiliana II 209
— rassegna degli eroi II 201
— Stile latino 111 32G
Gin, C, Spazierritte durch Cypern III 45
CIppolini, A.. SafTo I 210
Clark, A. C, collations from the llar-
leian Ms. of Cicero 2082 II 3
Classical texts ed. byF.G. Kenyon I 157
Ciaudianus, rec. T. ßirt II 253
Claudius Ptolemaeus, geographia, ed.
Carolas Müller III 20
Cobham, C. D., an attempt at a biblio-
graphy of Cyprus 111 29
Cocchia, E., rassegna critica III 127
— sintassi latina 111 2Ui
Collen, E. H. H., report on Cyprus III 42
Colonna-Ceccaldi, G., monuments de
Cbypre III 75
Comparetti, 0., il libro d'Aristotele I 21
Consoli, S., fonologia latina 111 110
Constitution of Athens, chapt. 52 — I 53
Conway, R. S., change of dto 1 111 134
— value of the mediae III i;)5
— Verner's law III 114. ISG
Corpus inscriptionum semiticarura 111 69
Cortese, Jac , zu den röra. Annalisten
II 108
Cotta, C, quaestiones grammaticae et
criticae de vitis a Script, h. A. con-
scriptis II 120
Cozza Luzi, G., della geografia di Stra-
bone frammenti scoperti in menibrane
palinseste III 13
Gramer, A., Infinitiv bei Manilius 111 288
Cramer, F., de perfecti coniunctivi usu
III 277
Crinagoras, epigrammata ed. M, Ruben-
sobn 1 251
Croiset, A , Simonide I 223
Crusius, 0., Dionysios Periegetos 111 20
— Liedt-rfragment I 23('
— Stesichoros I 217
— zu Theognis 1 132
Gucuel, C, Iheognis I 127
Cuntz, 0., Agrippa und Augustus als
Quellenschriftstelier des Plinius in
den geograph. Büchern der Nat
Eist. III 9
— de Augusto, Plinii geographorum
auctore III b
346
Register.
Czyczkiewicz, de Taciti sermone III -Ji.'»
Oareste. R., Aristote 'AD /,•"'-'-'"'■' -'>"'• '"-'''^
1 -20
Deecke, W , Beiträge III 150. 163
— Erläuterungen zur lat Schulgram-
matik III '281
— Infinitiv-, Gerundial- u. Supinum-
Konstruktionen III 281. 294
Deike, W., Schillers Ansichten üb. die
tragische Kunt>t verglichen mit denen
des Aristoteles I 107
Oeipser, B., Adjektiva auf -fer u. -ger
III 190
Dembitzer, Z . de ratione in reciproca
actione exprimenda III 253
Derewizki, A., üb. die 'At^/;vc(!!wv ttoXixjw
I 21
Dessau, H.,üb.diescriptoresh. A. II 120
— über Zeit und Persönlichkeit der
scr. h. A. II 120
Detlefsen, 0., die Masse der Erdteile
nach Plinius III 6
— Untersuchungen zu den geogra-
phischen Büchern des Plinius III C. 10
Dett Weiler, P, symbolae III 331
— Untersuchungen üb. d. didaktischen
Wert ciceronianischer Schulschriften
II 4. 2G
Diels, H , Atacta I f.:'.
— zu Ciceros Ilortensius II 24(i
— über Epimenides von Kreta I 4;'.
— zwei Funde I 19
— üb. d. neugefund. Schrift des Ari-
stoteles I 19
Dittmeyer, L., kritische Beiträge zur
aristotelisclien Tiergeschichte I 100
— Textkritischos zur aristotelischen
Tiergeschichte I 101
Dixon, W. H . British Cyprus III 48
DBhring, A , Konjunktionen der Gleich-
zeitigkeit III 307
Dorsch. J., Assimilation in den Kom-
positis III 139
Drechsler, F., kritische Adversarien II
120
Drechsler, F. J., Cicero or. de lege
agraria II 11
— or. pro L. Flacco II 19. 20. Cum
senatui (populo) gratias egit. de domo
sua II 20. — or. de haruspicum re-
sponsis II 20
Drexler, W., miscellanea II 252
Droysen, H., vorläufige Bemerkungen
zur 'Aflr,v. zo/.'.T. I 19
DOmmler, Ferd., Akademika I 78
— zu den historischen Arbeiten der
ältesten Peripatetiker I 63
— Prolegomena zu Piatons Staat I 104
Eberhardt, P , de Vitruvii gcnere di
cendi III 223
EgIL J., die Hyperbel III 337
Ehrismann, H., de temporum usu Am-
mianeo III 275
Ehrlich, F., Mittclitalien II 203
Eichert. 0., Schulwörterbuch zu Caesar
II 174
Eimer, H. C, quo, et, atque III 300
Elter, A , Vaticauum II 77
Endriss, 6ust., Albertus Magnus als
Interpret der aristotelischen Meta-
physik I 60
Engel, F. J., curae criticae in Aristo-
telis Politica I 102
Engelbrecht, zu Ciceros Deiotarus II 24
Engelhardt, M., lat. Konjugation III 153
Entz, H , über den Periplus des Hanno
III 2
Epicurea ed. H. Usener II 217
Ess, F. X., de praepo&itionum c. abl.
apud Plinium usu III 249
Ettig, G , Arheruntica II 195
Fabricius. B., der Periplus des Ery-
thräisclicn Meeres III..23
Fahland, B., gereimte Übersetzungen
II 56
Farley, J. L., Egypt III 42
Farnell, G. S., greek lyric poetry I 201
Faulde, A., Reformbestrebungen III 111
Fehrnborg, 0. J., de veibis lat. in uo
in 170
Felix, H., quaestt. in Velleium Pater-
culura 111 223
Fennell, de Horatio II !)5
FerrI, L., sull' opera „Les problemes
d'Aristote" I 102
Ferrini, C, intorno alia costituzione
degli Ateniensi I 21
Fick, A., vergl. Wörterbuch der idg.
Sprachen III 193
— Sprachform der Lyrik I 119. 209
Fisch, R., nomina auf -o III 177
— die Walker III 179
Fisher. F. H., Cyprus III 42
Folliot de Crenneville, v , Cypern 46
Fontana, G , Aristide nella costituzione
degli ateniesi I 50
Forbes, A., fiasco of Cyprus III 44
Förster, R , de Aristotelis quae feruntur
secretis secretorum I 59
— Handschriften und Ausgaben dea
pseudo- aristotelischen Secretum se-
cretorum I 59
Fränkel, die Schrift des Aristoteles 1 19
Frankfurter, S, Textkiitisches zu den
Scr. h. A. II 120
Vorzeichniss der besprochenen Schriften.
H47
Franzutti, V., prospetto metrico dci
cariiü dl Orazio II 73
Friedet, 0., einige Horazstunden in
Piima II 72
Fritsch, N., zu Horatius Oden II 7.')
Fröhde, F., zur giiech. u. lat. Konju-
gation III 170
— zur lat. Lautlehre III 110
Fröhlich. F., Kriegswesen Caesars II 17l'
Fröhh'oh, H., de locis controversis III 24 1
Fröhner, W., kritische Analekten II 120
FDsslein, K., üb. Ciceros erste Rede
gegen Catilina II 14
Funck, A., adverbia auf -im III IS(i
— Verba auf -illare III 184
Gardner, E. A., excavations in Cyprus
III 85
Gebbing, H., de Valerii Flacci dicendi
gencre III 225
Gebhard, Fr, Gedankengang Horazisch er
Oden II (".7
Geffken, J., Timaios Geographie des
Westens III 2
Gemoll, A.. die scr. H. A. II 120
Gemoll, W., krit. Bemerkungen II 201
Georgii, H., antike Aeneiskritik II 206
Geroke, A.. alexandrin. Studien I 14<;
— ein angebliches Fragment des Theo-
pbrast I 72
— Ursprung der aristotelischen Kate-
gorien I 85
Gerhardt. S , de adverbiis ad notionem
augeudam III 26o
Giambelll, C, appunti II 217
— nota II 217
— studi II 217
Gilbert, W., abgerissene Bemerkung,
üb. d. Oden des Horaz II 66
Gimm, J., de adjeetivis Plautinis III 2.50
Göbel, K., se III 254
Solisch, J.. zu den Scr. h. A. II 120
Gomperz, Th., Aristoteles u. seine neu-
entdeckte Schrift I 19
— über die Charaktere Theophrasts I 6 7
— u. Ribbeck, in Sachen der Theophr.
Char. I 67
Goodell, Th. D., Aristotle on the public
arbitrators I 54
Görres, F., zur Kritik einiger Quellen-
schriftsteller der röm.Kaiserzeitll 120
Graf, M., die 15. Epode des Horaz II <»!
Greenough, J. B., neque III 304
Grober, G., Verstummung des b u. ra
III 120
— vulgärlat. Substrate III 104
Grosse, E., Naturanschauung J 118. 207
Gruenperg, H., eine griech. Übersetzg.
der 4. phiJipp. Rede II 26
Grunzel. J., Aristoteles u. die 'At^y,vo:':o)v
zr.i.:-i{a I 19
Gutjahr-Probst. E A , altgrammatisches
u. ueugrannnati.sches III 317
Gutsche, W. 0., de intcrrogationibus
obliquis 111 322
Guttmann. K, instrumentales ab bei
Ovid III 250
Habel, zu den Scr. h. A. II 120
Habenicht, H , AUitteration bei Horaz
III 3.;5
Häberlin, C, epilegomena ad figurata
carmina Graeca II 85. 233
Haberton, Lord, Aristotle's Constitution
of Athens, chapter 35 I 52
Hager, F., Entwicklung des Herakles-
Mythos I 218
Hake, G. G., Cyprus III 52
Haie, W. G., Cum-Konstruktionen III 264
— sequence of tensos 111 262
Hämp, K., zusammengesetzte Präposi-
tionen III 191
Hann, J., Klima v. Cypern III 62
Hanssen, F., quaestiuncula pseudoana-
creontica I 221
Härder, F., e u. ex vor Konsonanten
III 140
Hardie, W. R.. the owr-r-M 1 54
Harris. 0. B., Cyprus III 42
Hartlich, P., de exhortationum historia
II 246
Hartman, J. J., de Horatii poeta II 66
Hartmann, F., Konjunktiv der Futura
III 272
Hatz, G.. zur lat. Stilistik III 333
Haussleiter, J., a, ab, abs III 140
Haussoullier, B., Aristote. Constitution
d'Athenes I 20
— üb. die neugef. Schrift Aristoteles
I 20
Havet, Julien, les proverbes d' Aristote
en hexametres latins I 57
Havet, L., melanges lat. III 126
Headlam, J.W.. the Constitution of Draco
I 44
Heeger, Max, de Theophrasti libro I 71
Heidenstam,F. C, fevers of Cyprus III 63
Heitzmann, M., de substantivi coUoca-
tioue III 329
Hellwald, F. v . Cypern III 46
Helmreich, G., paulum III 260
Henry, V.. esquisses morphologiques III
150. 160. 162
— grammaire comparee III 103
Hense, R. R, Naturgefühl I 118
Heraeus, W., haud impigre III 261
Herondas ed. F. Bücheier I 158
— rec. W. G. Rutherford I 157
348
Register.
Herrmann, P.. Gräberfeld von Maiion
III SC.
Hertz, E.. de praepositionum usu Lucre-
tiano III L'41
Hertz, M., de Horatii operum exemplari
olim Guyetiano II 63
— der Name dos 1. röni. Gescliichts-
schreibers aus dem Stande der
Freigelassenen II 117
— ein paar Horazischer Kleinigkeiten
H 03
Herwerden, H. v., studia critica I 277
Herwig, Chr., das Wortspiel in Ciceros
Reden II i
Hey, 0.. semasiologische Studien III 172
Heylbut, G., zur Ethik des Theophrast
von Eresos I 72
Hllberg. J., zuHoratiusund Vellcius II 7G
Hiller, E., Beitrüge I 237
Hinze, P., an III 321
Hirschfeld, G., Cypern III 51
Hirschfeld, 0., die Annalen des C. Fan-
nius II 111
— zur Biographie desSeptimiusSeverus
II 120
— zu röm. Schriftstellern II 12U
Hirt, P., penes III 243
— Substantivierung des Adjektivums
bei Quintilian III 251
Hoffmann, E., Modusgesetz im lat. Zeit-
satz III 2(;(;
Hoffmann, M., codex Mediceus II 203
Hoffmann. 0., zur idg. Lautlehre III 125
— de mixtis gr. dialectis I 117
Hoffs, F. V., zu lloratius epod. 3 II 90
Hofstede de Groot, C Ilandschriften-
kunde des Cato maior II 237
Hogarth. D. G., Devia Cypria III 53
Höger, F. Ch., kleine Beiträge zur Er-
klärung des Floraz II OS
Holwerda, A. E J., die alten Kyprier
III 77
Hölzer, V , lat. Sema.^iologie III 173
Holzinger, C. v.. Aristoteles' athen.
Politie I 113
Hooker, J. D.. Cedar of Cyprus III (14
Hoppe, K., de Donato II 205
Horatius par A. Cartelicr II 34
— erkl. v. A. Kielsling II 43
— erklärt v. K. Küster II 29
— rcc. J. C. Orellius. Post .1, G. Bai-
terum cur. VV. Mowe.s II 38
— ed. Carolus Pozder II 35
— by E. C. W ick harn II 40
— deutsch V. C. Bardt II GO
— ■ in deutscher Übertragung v. L.
Behrendt II 52
— deutsch V. W. Binder II .54
Horatius, verdeutscht v.K. J. CreutzII 54
— 15 carmina ed. B. D. II 52
— carmina selecta hrsg. v. Joh. Huemer
II 37
— Episteln v. J. Kipper II 61
— — verdeutscht v. Bacmeister u.
Keller II (iO
— le epistole e le satire comment. da
R. Sabbadini II 50
— Lyrik übertr. v. J. Karsten II 5t>
— Oden in freier Nachbildung v. H.
Leisering II 58
— — V. D. Naguiewski II 52
— — Nachdichtung v. Wiesner II 58-
— Oden und Epoden hrsg. v. K. Küster
II 29
erkl. V. E. Rosenberg II 36
— Satiren u. Episteln erkl. v. G. T. A.
Krüger II 42
— — ed. Luc. Müller II 46
Hörle, A., de casuum usu Propertiano
III 230
Hörschelmann, W., Sappho I 211
Housman, A. E., adversaria orthogra-
phica II 90
Houtsma, E. 0., zu Aristoteles de republ.
Athen I 52
HObschmann, H., indogerra. Vokalsystem
III 100
Hug, A., consecutio temporum III 271
— zu den Testamenten der griech.
Philosoph. I 77
Hultsch, Fr., das pheidonische Mass-
system nach Ariötoteles I 46
Jan, C. V., Handschriften des Mesomedos
I 233
Iber, H , de dativi usu Tibulliano III 233
Ihm, M., Schollen im cod. Med. II 204
Immisch, 0 . zu Aristoteles de republ.
Athen c. 41 I 52
— zu griechischen Dichtern II 91
— Xenophon üb. Theognis I 132
Johansson, K. F.. morphologi.scbe Studien
III 145
— parallele Stämme III 147
Itzinger, F., Index der in Ciceros Rede
für Milo enthaltenen Metaphern II 23
Kahl, W., Demokritstudien II 217
Kaibel, G.. Aristoteles Schrift vom Staat
der Athener I 19
Kalb, W., das Juristeulatein fll 33s
— Roms Juri.sten III 339
Kämpf, G., de pronominum personaliuni
usu III 253
Kan. Cicero. MnemosyneXVinS. 365. II i
Karsten, H. F., tamen III 304
Karsten, H. T., uitspraak van het Latiju
III 113
Verzeichniss der besprochenen Schriften.
34'.)
Keller, 0., lat, Volksetymologie III 2lo
KellerhofF, E.. de collocatione verborum
Piautina III 328
Klrchhoff u. Diels, üb. die neugef. Schrift
'Ai>r,v. -oh-. I 19
Klebs, E.. die Sammlung der Scr. h. A.
11 120
— die Scr. h. A. II 120
— zu den Scr. h. A. II 120
— vita des Avidius Cassius II 120
Klohe, P., de Ciceronis de officiis fou-
tibus II 243
Knaack, G., Aitien dcsKallimachos 1 150
Knoke, F.. plures bei Tacitus III 252
Knoke, J., die athenische Staatsver-
fassung I l{)
Köberlin. Ä.. de pai ticipiorum usu Li-
viano III 290
Koch, J., Claudianea II 261
— de codicibus Cuiacianis II 258
Kohl, H , Kritik Rahewins II 206
Köhler, Sprachgebrauch desNepos 111220
Köhler, A., ecce III 323
— ecce u. em III 324
— en III 324
— Sprache des LentulusSpinther III 221
Köhler. U., Herakleides der Klazomenier
I 52
— die Zeiten der Herrschaft des Pei-
sistratos in der T^oh—Ao. 'A^>r]va!a)v 147
Kornitzer, A., Aeueas in der Unterwelt
II 195
— zum Canon der Reden Ciceros II 1 7
— zur 4. katil. Rede II 14
— ad orat. Caesarianas II 22
Körting, G., lat.-rom. Wörterbuch III 104
Kothe, H., Vergil u. Timaios II 204
Kraffert. H., Kakophonien III 335
Kräh, E., Beiträge zur Syntax desCurtius
III 223
Krausse, 0., Bemerkungen zur Aeneide
il 196
Krawutschke, A. , quibus temporibus
Horatius II (i9
Kretschmer, P., Accent- u. Lautstudien
III 117
-Kriege, H,, de enuntiatis concessivis
III 309
Kubitschek, W., Beiträge zur Cosmo-
graphia des Julius Honorius III 23
— die Erdtafel des Julius Honorius
ni 23
— der Text der Ravennatischen Erd-
beschreibung III 27
Kühl, J., Zeitenfolge III 271
iKupfer, F., Participium auf -urus bei
Curtius III 292
Kurze, die wiederaufgefundene Schrift
des Aristoteles I 19
Lahmeyer, L., Studien zur lat. Gram-
matik II 11
Lake, J. J.. ceded Cypru.s III 42
Landgraf, G., dativus commodi III 233
— substantivische Parataxen III 254
— Untersuchungen zu Cäsar III 221
Lang, R. H., Cyprus III 43
Lange, 0., Sprachgebrauch des Velleius
Paterculus III 223
Langen, P., adnotationes II 221
— Konstruktion von utor III 238
La Roche, J., Studien zu Theognis I 131
Lattmann , H., de coincidentia apud
Ciceronem III 273
— selbständiger u. bezogener Gebrauch
der Tempora III 268
Lederer, S . der Verfasser von Culex
u. Ciris II 208
V. Leeuwen. üb. die neugef. Schrift I 21
Lehmann, C. H., quaestiones TuUianae
III 333
Lehmann. K., zu Cicero II 214
— Lesarten verlorener Hdss. II 214
— verlorene Handschrift zu den Tus-
culanen II 225
Lengsteiner, J., Horaz II 85
Lenormant, F.. Kittim III 71
— Reste eines griech. geograph. Lexi-
kons III 28
Leo, F., Culex II 208
— Miscella Cicer. II 109
Lessing, K., Studien zu den Scr. h. A.
II 120. 225
Levl, ad orr. in Catil. II 14
Lewicki, P., de natura infinitivi III 288
Liesenberg, F., Sprache des Ammianus
Marceliinus III 225
Lincke, E., zur Beweisführung Ciceros
in der Rede für Sextus Roscius II 5
Linderbauer. P. B., verba mutuata apud
Ciceronem III 211
Linse, E., de Ovidio vocabulorum in-
ventore III 211
Lippert, Jul., de cpistula pseudoaristo-
telica 1111
Lipsius, J. H., über das neugefundene
Buch des Aristoteles vom Staat der
Athener I 53
Littig, Fried., Andronikos v. Rhodos I
108
Loch. E., de titulis sepulcralibus I 280
Lochmeyer, L., AUitteration III 3.85
Löher, F. v., Cypern III 39
— Cypern in der Geschichte III 40
Lohsee, Tulliana II 215
X'jW.O.Z, 'V./.0/.0|'.X7t Iz-.T/.i-'jit.z, III 66
350
Register.
Löwe, a, de, ex bei Ovid IK 24':)
Lübbert. E., Paralipoiuena III 274
Ludewig, A., quidem III 302
Luiggi, L., Cipro III öl
Maass, E., alexandrin. Fragmente I löU
Madon, P. G.. forest conservancy in
Cyprus 111 ijü
Mähly, J., Flavius Vop. II 121
— eine wiedergefundene Schrift des
Aristoteles I 19
Maiden, H. E., Caesar's expeditions to
ßritain II IGG
Mailock, W. H., an enchanted island
III 5.J
Manltius,M., zur Geschichte röm. Dichter
II 2(;o
Marabelll, G., di uu processo politico
II 12
Marchant. E. C, the deposition of Pe-
ricles 1 .')1 ..
Marks, E., die Überlieferung des Bundes-
genossenkriegs II IIG
Martha, J., supplice de Phlegyas II 20()
Martin, W. F., Cyprus III 4S
Marx. A., Hülfsbüchlein f. lat. Aus-
sprache III 112
Mascari, R.. per SafFo 1 211
Massarani, T . Cipro III .ö3
Mas-Latrie, L. de, Chypre III 4;i
Mayen, G., quod III 3UC
Meifart. Th., de futuri exacti usu Plau-
tino III 270
Meillet, A., p, m en latin III KJo
Meiser, K.,~ zu lateinischen Scluift-
>tellern II 93
Meissner, J., quaestiones III 230
Meissner. K., zu Laelius II 239
Menge, R., reciprokes Verhältnis bei
Cäsar III 2.')4
— Relativum bei Cäsar III 2.'>7
— Repetitorium III 218
Merguet, H., Lexikon zu Cicero II 21(j
Mering, F., de al litter atione Luciliana
III 334
Meringer, R., Beiträge III 152
Mertens. M., zu Ausonius II 251
Meusel, H., a u. ab vor Konsonanten
III 140
Meyer, P.. Straboniana III If,
Meyer, W , kleine Beitrüge zur lat.
Grammatik III 124
— lat Sprache in den roman. Ländern
III 104
— Quantität u. (.»ualität III 127
Meyer-Lübke. W., o u. seine Verwand-
lung III 12S
Michel, C, un nouveau traite d'Aristote
I 20
Michelangeli, L. A., frammenti d. meliea
greca I 20.5
Mimnermuj di A, Franco I 122
Miodonski, A., Intinitive auf -ier, -rier
III 1(;4
Miquel, R. ts. exposicion grammatical
de la Epistola de Iloracio Flaco 11 52
Mommsen. Th., die Akten zu dem Sae-
culargedicbt des Horaz II 89
— Ammians Geographica III 21
— commentarium ludorum saecularium
quintorum II 89
— die Scr. h. A. II 121
Morris, E. P.. on the sentence-question
III 320
Müller, A., curvus III 174
Müller, C. H., de similitudinibus apud
elegiacos I 120
Müller, G. H., Beiträge zur Erklärung
u. Kritik des Horaz II 80
Möller, H., zwei Oden des Uoraz II 7:'
Muller, H. C, epicritica I 277
Müller. H. J., -eque bei Livius III 3ui
Müller, Lucian, de Iloratii epistul. II 9.'»
MDIIner, C de imaginibus Claudiani
11 2.59
Münzer, Fr., de gente Valeria II 114
NadrowskI, R., neue Schlaglichter III
193
Nägelsbach-Müller, lat. Stilistik III 32.)
Naumann. F., verba cum praepositioni-
bus 111 239
Navarro y Calvo, F., escr. de la h. A.
II 121
Neubauer, R , Aphroditetempel zuGolsoi
III .s2
— de coniunctionum causalium apud
Gellium usu III 309
Neumann, E., composita a „dis-" inci-
pieutia III 192
Neumann, K. J., Strabons Quellen im
elften Buche III 17
— wann schrieb Coelius Antipater II
111
NIcetae Serrarum epi.scopi rythmi de
marium, fluviorum nominibus III 2^
Niemöller, G., ipse et idem III 2.53
Niese. B., de annalibus Romanis ob-
servationes II 99
Nigra, C, chioma di Berenice 1 1.5o
— inni di Callimaco I 147
Nihues, B., de Vulcacii Gallicani vita
Avidii Cassii II 121
Noack, F., die erste Aeneis II 194
Noväk, R , zu Gord., Carin., Numer. II
121
Oberhummer, E., Cypern III 5,5
— griech. Inschriften aus Cypern III »i^
Verzeichniss der besprochenen Schriften.
351
Oberhummer, E , Kypros III 29 — Zeit-
schriften über K. III 30 - Karten'IIIol
— Studien zur alten Geographie von
Kypros III 7Ü
Obermeier. J , Sprachgebrauch des Lu-
canus III 22^
Ohnefalsch- Richter, M., Altertums-
talsohor III 74
— antike Kultusstätten auf Cypern III
79
— Cypern III öl. 59
— Cypern, die Bibel u. Homer III 7 1 . 7'.)
— Cypern's Wälder III 63
— Cypcrwein III (14
— cypr. Biene III 64
— cyprische Reisestudien III 51
— Parallelen III lic.
Orcet, G. d', Chypre III 36
— Paphos III 35
Oitramare. A., l'episode d'Äristee II 183
Osthoff, M., adverbia auf -iter III 187
Otto, A., geflügelte Worte II 207
— Interpolationen im Cato maior II 23S
Pais, A., Straboniana III 13
Palsios, L., KJ-oo; III 53
Palmer, A , Horatiana II 96
Pascal, Cic. Rivista di filol XXI S. 133
11 7
— Cicero or, pro Caecina II 8
Paton, W. R., the Decelean inscription
and attic phratries I 49
Pedersen, H.. Präsensinfix n III 154
~ r-, n-Stämme III 149
II.O,SK«r/;:, 'P., K^-f.o; JH 51
Perrot, G., Chypre III 45
Peskett. bellum civile II 163
Peter, H., die scr. h. A. II 121
— scr. h. a. iterum rec. II 121
— zu den Scr. h. A. II 121
Petschenig, M., cod. monasterii Admont
II 237
— zur Kritik der scr. h. A. II 121
— Wortstellung bei inquit III 328
<l)f(Zf/.o'Jor,c, r. X., Ivj-f/t; III 57
«I^po-fJ^o-Jor,:, N., i-f/s'.r.io'.ov K'jzrjryj in 52
Planer H., haud et nequaquam III 323
Plew, J., krit. Beitr. zu den scr. h. A.
II 121
— (^uellenuntersuchungen zu Hadrian
II 122
Plochmann. F., Cäsars Sprachgebrauch
III 230
PIÜS8, Th., zu Horatius II 78
Poetes moralistes de Grece I 121
Poiret, J., Horace II 65
Polaschek, A.. a-, u. ziv I 120
Polle. cmendat. in Ciceronis orr. in
Catil. II 14
Polie, F., über Bedingunsssätze III 312
Poppelreuter, H., zur Psychologie des
Aristoteles I 98
Postgate. J. P., future Infinitive in -tu-
rum III 165
— Horatiana II SC, 97
Pötzl, K, Aussprache des Lat. III 110
Praun, J., Syntax des Vitruv III 305
Prehn, A , quaestiones Plautinae III 25s
Preising, A., de Senccae casuum usu
III 230
Prestel, F., Aoristsystem III 157
Pretsch, B, zur Stilistik des Nepos
111 :;.;4
Priokärd, A. 0., Aristotle on the art
of poetry I 106
Procksch, A., zur lat. Grammatik III
152. 318
— Vorbereitung auf Caesars gallischen
Krieg II 173
Proschberger, zu Iloraz ep. II 94
Puls, A.. subjektlose Sätze III 297
Pulvermacher, U., de Georgicis a Ver-
gilio retractafis II 182
Rabe, H., de Theophrasti libris —y.
/.E^sc); I 73
Ramorlno, F.. aicuni manoscritti II 237
Ravensteln, E. G., Cyprus HI 42
Reclus. E., Asie anterieure III 51
Reeck, Beiträge zu Catull III 222
Reichenhart. Erklärung einiger Vergil-
stellen II 199
— Infinitiv bei Lukretius III 286
Reid, J. S.. Merton codex II 228
Reinach. Th , de Archia poeta I 255
— sur Aristote I 106
— la Constitution de Dracon I 51
— Pirithous ou Sisyphe II 200
Reinhardt, G., de praepositionum usu
apud Ammianum III 241
Reinhardt, L., Quellen von „de natura
deorum" II 230
Reinsch, P. F., mineral found in Cyprus
III 62
Reisig, K., Vorlesungen üb lat. Sprach-
wissenschaft III 109
Reiter, A., de Ammiani Marcellini usu
orationis obliquae III 288
Reitzenstein, R., Archetypus der Kalli-
machus- Handschriften I 145
— die geographischen Bücher Varros
III 5^
Ribbeck, 0., Agroikos I (.:•
— Geschichte der röm. Dichtung 11
211. 248
— in Sachen der Theophrastischen
Charaktere 1 67
Riohardson. G. M , dum III 314
352
Register.
Richter, P., de usu particularum ex-
clamativarum III 323
Ridgeway, W., Caesar's iavasion of
Britain II IGT
Rieger. H., koncessive Hypotaxe III 310
Riemann, 0., etudes s. Tite-Live III 222
— imperatif en -to III 1(^0
— syntaxe latine III 219
Riemann-Boutroux, sur ■ „De finibus"
II 222
Robinson P., Cyprus III 42
Rodler, 6., la physique de Straton I 114
Rohde, D., adjectivum apud Sallustium
III 330
Röhrich, M., de Culicis codicibus II 209
Rönsch, H., collectanea III 220
Roschatt, A.. Gebrauch der Parenthese
III 332
Rosenbusch, E., de temporura usu
Plautino III 275
Rössner, 0., de praepositionum usu
Vanoniano III 249
Rothstein M., Properz u. Vergil II 20.")
Rozwadowski, J., qua ratione historici
uumeros expresserint III 253
Rubensohn, M., gegen die Wassertrinker
I 258
Ruelle, C. E.. les anglais cn Chypre
III 45
Rüge, G., quaestiones Aiteniidoreae in
den Commentationes Ribbeckianae
III 5
— quaestiones Strabonianae III 18
Rühl, F, Zeit des Vopiscus II 122
Saalifeld, G. A., de Vulgatae Graecitatc
III 142. 211
Sabbadini, R-, critica del De officiis II
242
— studi s. Eneide II 194
)Lo/.ll'Ldr/'r.^ 'A., K'J-lj'.rjy.rJ III 57
Sander, J., Schriftstellerlektürc II 203
Sandford, P., de lloratio II 9G
Sandwith, Th. B., diffcrcnt styles III 1{\
Sasse, J., de numero plurali III 337
Sassenay, L, de, Chypre III 45
)Lo\)rjz^}L.^.,\i.izo:MvÄy.\ ß riuol^zr, III 90
Scerbö, F., saggi glottologici III 15»;
Schäfer, M., de iteratis distichis I 131
Schäfler, J., syntaktische Gräcismcn
III 228
Schaub, J. de usu coniunctivi I 117
Schenk, R., de dativi possessivi usu
Ciceroniano III 233
Scherer, P., quando III 3 IC.
Schiller. H , die lyrischen Versmafse de^
Horaz II 73
Schilling. B., de schoIiisBobiensibus II 28
Schirmer, K. , Sprache des M. Brutus
III 221
Schmalz, J. H , Sprachgebrauch des
Asinius PoUio III 221
Schmidinger. F., curae criticae in Ari-
stotelis Politica I 102
Schmidt, C. P., zur Geschichte der geo-
graphischen Litteratur bei Griechen
und Römern III 1
Schmidt, J., Pluralbildung der idg.
Neutra III 151
Schmidt, M. C P., über die geogrraphi
sehen Werke des Polybios III 4
— kleine Beobachtungen III 318
— nequidem III 303
Schmidt. W., de Roman, arte biographica
II 122
Schmölder, P. A.. vins de Commanderie
III (;4
Schneider, R., Cypern III 4r>
Schneidewin, M.. die Horazische Lebens-
weisheit II GG
Schnoor. H.. ut bei Piautus III 317
Scholl, Fr., Fronti proponereolivam II 7G
Scholl, R., Aristoteles Staat der Athener
I 20
Schöndorffer, 0., de syntaxi Catonis
III 220
Schönwerth. 0., Adjcktiva auf -osus'
III ISO
Schröder, subjektlose Sätze III 298
Schröder, P., zweite Reise auf Cypern
III 10
Schröter, M., Bemerkungen zu Strabo
III 15
Schühlein, F., Stadien zu Posidonias
Rliodius III 5
Schultess, 0., der Prozess des C. Ra-
birius II 1 2
Schultz, G., 'A.O'.TC'/ti/.ou; 'A&7]vc/.i(i)v
tj:).\-vm. I 44
Schulze, E.. Verschmelzung lat. Adjek-
tiva III 251
Schulze, W., v-Perfectum III 158
Schumacher, L.. de Tacito Germaniae
geographo III 19
Schunck, E., pronominaindefinita III 259
Schvarcz, i.. Aristoteles -Papyrus d.
Britischen Museums I 20
Schweder, E., Beiträge zur- Kritik der
Chorographie des Augustus Teil III.
- III 7
— über die Weltkarte und Chrono-
graphie des Kaisers Augustus III 11
— über eine Weltkarte des 8. Jahr-
hunderts III 28
— über die Weltkarte des Kosmo-
graphen von Ravenna TU 2G
Verzeichniss der besprochenen Schriften.
353
Schweizer-Sidler u. Surber, lat. Gram-
jiiatik III 108
Schwenk, F., das Simonideische Gedicht
im Protagoras I 223
Schwenke, P., apparatus crit, ad Cice-
ronis de natura deorum II 228
— Cicerokodex Vindob. II 228
Scott-Stevenson, home in Cyprus III ü'
Seeck, 0., Studien zu Diokletian u.
Constantin II 122
Seiff, J., Reisen in der asiat. Türkei III o5
Seiler, J., departiculiscopulativis III 301
Seitz, F., de fixis epithetis II 207. 33"
Seliger, P., zu Aristoteles nik. Eth. 1 102
— die ersten C Oden des Horaz II S3
Senger. J., Infinitiv bei Catull, Tibull,
Properz III 287
Selli, G., epigraranii di Luciano l 257
— studi sulla Antologia greca I 25r.
Siebeck, H., Untersuchungen zur Phi-
losopliie der Griechen I 57
Siegwart, C, die Impersonalien III 2iiij
Sihler, E. 6., lexicon of Caesar's gallic
war II 173
Sjöstrand, U., de futuri infiuitivi usu
III 285
— quam vis III 277
— supinum secundum III 291.
Sitzler, J., Kasusgebrauch bei Varro
III 231
SIx, J. P., classement des series cy-
priotes III 69
Skutsch. F., nomina latina III 190
— de nominibus suffixi -uo III 17!i
Smith. A , througb Cyprus III 52
Smyth, H. W., on digamma I 119
— vowel System I lU)
Soltau. W., eine analistische Quelle in
Cicero do officiis II 107. 243
Sonntag, M.. Yergil als bukolischer
Dichter II 17s
Spandau. A., de .sermoue Propertiauo
III 222
Spanoghe. E.. emendationes Tullianae
II 215
Speijer, J. S., Cic, observationes et
emendationes II 7. 171. 197
Spengel, A., zu Cicero pro Sexto Roscio
Amerino II C
— Personenzeichen II 22()
Spiro, F., der kyklische Daktylod I 210
Stadelmann. J., de quantitate vocalium
III 128
Stahl, F., de Ausonianis studiis II 25"
Stamm, P.. ac u. atque vor Konsonanten
III 141
— et-quidem bei Cicero III 302
— zur lat. Grammatik III 227
Jahresbericht für Alterthiunswissenschaft.
Staupe, E., de arcbaismis Terentianis
III 171
Stapfer, Aug., kritische Studien zu Ari-
stoteles Schrift v. d. Seele I 97
Steinitz, S., de affirmandi particulis
III 322
Steinschneider, M., die parva naturalia
des Aristoteles bei den Arabern I 100
Steinthai, H., Geschichte der Sprach-
Avissenschaft bei den Griechen und
Römern I 84
Stern, E.V., die neuentdeckte athenische
Staatsverfassung I 21
Stock, M., de Vitruvii sermonc III 307
Stöcker, E , de Claudiani scientia II 257
Stöcklein, J.. de iudicio luniano II 11
Stoffel, guerre de Gesar II ir.7
Stöhr, P. E, curae criticae in Aristo-
telis Politica I 102
Stoll, H. W., Anthologie griech. Lyriker
I ik;
Stolz, F., per 111 244
— Spuren älterer Betonung III 115
Stolz-Schmalz, lat. Grammatik III 106
Stowasser, J. M., Anzeige v. Kiefsling.
Horaz -Oden II 85
— der Schiffbruch des Horaz II 77
— Zahladverbia auf -iens III 188
Strachan. J. . Abstufung in Kasus-
suffixen III 144
Straub, E, Natursiun I 118
Ströbel, E. die Tuskulanen II 224
Streng, H. A., de Horatio ep. II 96
Studemund, W., duos-duo HI 153
— d(; Theognideorum memoria I 128
Sturm, J., iterative Satzgefüge III 308
Sturm, J. B.. quae latio ihter tertiam
T. Livi decadem et L. Codi Anti-
patri historias intcrcedat II 112
Suchier, H., geschlechtlose Substantiv-
forui III 174
SQsskind, Talmud und Horaz II 69
Suster, 6., de altera quadam scriptura
II 122
— scr. della stör. Aug. II 122
Szanto. E.. die Klelsthenischen Trittyen
1 4!i
Taohe, H.. Chyprc III 50
Tammelin, E. F., de participii.s priscac
latinitatis III 289
Teetz, F., de verborum compositorum
apud Iloratium structura III 238
Terentius, Adelphoe. edition classique
par J. Geotfroy II 52
Theognis, trad. per A. Arro 1 130
Theophrastus. de prima philosophia li-
bellus ab H. Usenero I 70
LXXVII. Bd. (1893. III.j 23
354
Register.
Thielmann. P., Ersatz des Reciprokums
111 2bb
— facere III 283
— habere III 282. 290
— uls III 245
— usque III 247
Thompson, E. S., on the age of the
Z:oA-r-M I 54
Thomson, J., through Cyprus III 40
Thurneysen, R., Italisches III 138
— lat. Lautwandel III 129
— vokalisches Z III 130
Thüssing, J., de temporum apud PHnium
usu 111 274
Trachmann, A , de coniunctionum cau-
salium apud Suetonium usu III 308
Traube. L., zu den Fragmenten Ciceros
II 27
Traut, H., quaestiones Theocriteae I 237
Tribukait, P., de proverbiis apud buco-
licos I 237
Trieber, C, die Idee der 4 Weltreiche
II lor.
Trump,F.,genusdicendiClaudianiIIl22G
— observatioues ad Claudianum II 257
Unger, G. F., de Aelio Tubero et de
Scribonio Libone II 118
— Dionysios Periegetes III 19
— zu Dionysios III 19
— de C. Licinio Macro II 117
— zu Theophrastos I 69
Vanderkindere, le manuscrit d'Aristote
I 20
— le nouveau livre d'Aristote I 20
Vari, R., egyetemes philologai Közlöni
II 2fi2
Vergilius, erkl. v. Ladewig- Schap er II
186
— Auswahl V. A. Lange II 190
— Aeneis, erkl. v. Brosin-Heitkainp
II 188
ed. E. Uoffmann II 189
erl. von K. Kappes II 18b
hrsg. V. W. Kloucek II 189
— — ed. Ladewig-Deuticke II 18,^
ed. V. Lanfranchi II 191
ed. G. Nemethy II 191
V. J. Werra II 190
— bucolica, hrsg. v. F. Hermes II 177
di E. Stampini II 177
— bucolica et georgica rec. G. Furaa-
galli II 182
— georgics books III, IV, by C. S.
Jerram II 182
Verrall, Horatiana II 97
Vogel. F., in privativum III 192
Vogel. G., curae criticae in Aristotelis
Politita I 102
Vogrinz, 6., Gedanken zum Kasus-
system III 229
Volkmar, Ä., de annalibus Romanis
quaestiones II 101
Vries, S. G. de, exercitatlones paleogra-
phicae 11 237
Wachsmuth, C, zu de republica II 244
— zur Topographie von Athen I 48
Wackernagel, J., idg. Wortstellung III
327
Wagner, die Erdbeschreibung des Ti-
mostheneö von Rhodos III 4
Wagner, A.. de syntaxi Propertiana III
222
Waldaestel, 0., de enuntiatorum tempo-
ralium structura apud Senecam III 307
Waiden, W. H., nedum III 315
Wallies, M., die griechischen Ausleger
der aristotelischen Topik I 88
Walker, E. M., the 'Atlrjvr/i(,)v -o>a-si&'.
and the chronology of the years 462
-445 I 51
Weber, L., poetische Lektüre II 203
Weck. F., zu Vergilius II 198
Wegener, Ph., zur Methodik des Iloraz-
Unterrichts II 71
Weigel, F., quaestiones de elegiacorum
sermone I 120
Weihenmajer, zur Geschichte des abso-
luten Particips III 295
Weil, H., deux allusions dans les carac-
teres de Theophraste I 69
Weinhold, A., Genuswechsel der Demi-
nutiva III 176
Weise 0 , Charakteristik der lat Sprache
III 105
— volksetymologische Studien III 211
Weissenborn, J. B., parataxis Plautina
III 299
Weisshäupl, R., Grabgedichte der griech.
Anthologie I 250
Weisweiler, J., der finale genetivus ge-
rundii III 293
— Participium futuri passivi III 292
— paitic. praes. act. III 166
Wendland P., Posidonius T.ifA DsJjv II 230
Wendung, E., de peplo Aristotelico I
80. 144
Weninger. A., de parataxi apud Teren-
tiiim III 300
Werle, W., de eis, quae in Theophrasteo
characterum libello offendunt I 68
Wetzel, M., das Recht im Streit zwischen
llale u. Uoffmann III 267
— selbständiger u. bezogener Gebrauch
der Tempora III 267
WeyUnd, F., Vergils Beschrcibiuig des
libyschen Hafens II 197
Verzeichniss der besprochenen Schriften.
355
Weyman. C, Litotes III o3S
Wharton. E. R., quelques alatins III 2i(i
— etyma latina HI 193
Widemann, H , curae criticae in Aristo-
tclis Politica I 102
Wiedemann, 0., zur Gutturalfrage III 132
W'jga, Cic. or. pro Caclio II 20
Wijga, J. K., de viris illustribus 11 17
Wilckens, Syntax des Sallust III 243
Wild. A. E, forests of Cyprus III 6;'.
Wilkins, A. S., de Horatio II 9fi
Windisch, E., Verbalformen mit dem
Charakter r III 169
Wintzell, C, studia Theocritea I 247
Wirtzfeld, A., consecutio temporum III
273
Wi8sowa, G., die Überlief, der röm Pe-
naten II 110
Woitf, M., de usu coniunctionum apud
Juvenalem III 307
Wölfflin, E., accerso III 170
— Adjektiva auf -icius III 181
— zur Adverbialbilduna; III 185
— adverbiales cetera III 237
— zur Allitteration III 334
— bald . . . bald III 304
— circa III 243
- clam III 243
— Dissimilation der littera canina lü
137
— zur Epiploce III 331
— est videre III 284
— ex toto III 260
— frustra III 261
— genetivus comparationis III 232
— id genus. III 236
— igitur III 305
— in privativum III 192
— jubere ut III 318
— Koncessivsätze III 309
— Konsonantenassimilation III 139
— Konstruktion der Ländernamen III
237
Wölfflin, E., prorsus ut III 319
— quatenus III 319
— die scr. b. A. II 122
— substantivierte Infinitiv III 284
— usque III 246
— ut quid III 322
— verba frequentativa u. iutensitiva
III 182
Wotke, K., alteFormeu bei Vergil III 143
Wright, J. H., in der Nation I 21
Wröbel, J , nirais III 260
Wulsch, 6, de verbis cum ^pcr" com-
positis III 190
Wundt, Geologisches aus Cypern 111 61
Zander. C. M , quod et id quod III 320
Zangemeister, K., röm. ZahlzeichenIII143
Zarncke, E., griech. Litteratursprachen
I 116
Zeller, E., die deutsche Litteratur üb.
die sokra tische, platonische und ari-
stotelische Litte>'atur I 80
Zieler, 6., Geschichte des Ablativus lU
152
Zimmer, H., keltische Studien III 168
Zimmerer, H., engl. Generalstabskarte
V. Cypern III 34
Zimmermann, A., zu röm. Eigennamen
III 189
— intervokalisches et III 133
Zimmermann, E., de epistuiari temporum
usu III 279
— quaestt. Plaut, et Terent. III 171
Zimmermann, R., Posidonius und Strabo
III 17
— quibus auctoribus Stfabo usus sit
quaeritur III 17
Zingerle, Ant., zu Theophrast I 69
Zschan, H., über Horaz II 86
Zubaty, J., ursprüngliche tenuis aspirata
dentalis III 134
Zuretti, CO., dialetti letterari greci 1116
Zwiedinek, J. v., Wirtschaft!. Verhält-
nisse V. Cypern III 36
II. Verzeichnis der behandelten Autoren.
Annalisten, römische II 98. — Annales
inaximi 102. — Fabii pictores 103. —
L. Cincius Alimentus 106. — C. Aci-
lius 106. - A. Postumius 108. —
M. Porcii Catonis origines 109. —
L. Cassius Hemina HO. — C. Fan-
uius 111. — L. Coelius Antipater 111.
— M. Aemilius Scaurus 113. — P.
Rutilius Rufus 113. — L. Cornelius
Sulla 113. - Q. Claudius Quadri-
garius 114. — Valerius Antias 114.
— L. Cornelius Sisenna 116. — L.
Licinius Macer 116. — L. Voltacilius
117. — Aelius Tubero 118. — Scri-
bonius Libo 118.
Aristoteles, Polit. II. IstA. d. Verf.
d. neuen Schritt? 22. — Abfassungs-
zeit 31. - Tendenz 33. — Verhält-
niss zu den andern Schriften 35. —
Quellen 37. — Interpolationen und
23*
356
Register.
Widersprüche 40. — Erläutcruugs-
schriften, 1. allgemeine 42. — Spe-
zialuntersuchunsen 43. — Nachträge
55. — Bericht üb. Aristoteles 80.
Ausonius II 250
Caesar II 1G2. — bellum gallicum 1()2.
— bellum civile l<i3. — bellum
Alexandrinum IGG. — Erläuterungs-
schriften IM. — Heerwesen 172. —
Lexica 173.
Calpurnius Siculus II '2Ai>
Cicero II 1. — Pro Roscio Amcriuo 4.
— Div. in Caec. orationes Verrinac
7. — Pro Fonteio, pro Caecina, de
imp. Cn. Pompei 8. - Pro Cluentio,
de lege agraria 11. — Pro C. Ra-
birio 12. — In L. Catiliuam orat. IV
13. — Pro Murena 14. — Pro Sulla
18. — Pro Aichia poeta 18. — Pro
L. Flacco 19. — Cum senatui (po-
pulo) gratias egit 20, De domo sua
21. — Pro Caelio 20. — De provin-
• cils consularibus 21. — Pro Milonc
et orr. Caesarianae 21. — Orr. Phi-
lippicae 25. — Fragnienta 27. —
Scholia 28. — Philosophische
Schriften 213.
Claudianus II 252
Horatius 11 29. — Ausgaben 29. —
Übersetzungen 52. — Abhandlungen
62. — Metrik 7;i
Lyricl, Bucolici, Anthoiogia Palalina 1
115. — Elegiker 119 Jambo-
a;raphen 152. — Melische Dichter
204. — Bukollker 237
Nemes'anus II 249
Scriptores historiae Augustae II 11!>.
Zeit der Entstehung 122. — Ver-
hältnis zii den Quellen u. Komposi-
tion der Viteu 137. — Glaubwürdig-
keit 141. — Sprachgebrauch 144. —
Überlieferung bis zum XVI. Jahr-
hundert 148. — Kritik a. Erklärung
155
Vergiiius II 177
Btrliuer BucbJriick«r*l-Ac(lcii-GeielUcb>n, Srt<eriDii<a-Sehiil< d«! L«tW-Ver«ii
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Bd.? 5-77
Jahr'3sbericht über die Fort-
schritte der klassischen
Altertumswissenschaft
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