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Full text of "Jahresbericht über die Fortschritte der klassischen Altertumswissenschaft"

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JAHRESBERICHT 

^^j\  über 

die  Eortschritte  der  classischen 

Altertumswissenschaft 

(    begründet 


von 


Conrad    Bursian 

herausgegeben 


von 


L.   GJ^urlitt  ima  TV.   ItroU. 

Sechsundneunzigster  Band. 

Sechsundzwanzigster  Jahrgang  1898. 

Erste  Abteilung. 

GRIECHISCHE  KLASSIKER. 


J 


LEIPZIG   1899. 

0.    E.    EEISLAND. 


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Inhalts-Verzeichnis 

des  sechsundneunzigsten  Bandes. 


Seite 

Bericht  über  die  Litteratur  zu  den  nacliaristotelischen 
Philosophen  (mit  Ausschluss  der  älteren  Akademiker 
und  Peripatetiker  und  von  Luki-ez,  Cicero,  Philon  und 
Plutarch)  für  1889—1895  von  Professor  Dr.  Karl 
Praechter  in  Bern 1 — 106 

Bericht  über  die  die  griechischen  Tragiker  betreffende 
Litteratur  der  Jahre  1896  und  1897.  Von  N.  Weck- 
lein,  Gymnasiabektor  in  München 107 — 155 

Bericht  über  die  griecliischen  Philosophen  vor  Sokrates 
für  die  Jahre  1876—1897.  Von  Professor  Dr.  Franz 
Lortzing  in  Berlin 156 — 276 


Bericht  über  die  Litteratur  zu  den  nacharistotelischen 

Philosophen  (mit  Ausschluss  der  älteren  Akademiker 

und  Peripatetiker  und  von  Lukrez,  Cicero,  Philon  und 

Plutarch)  für  1889—1895 

von 

Professor  Dr.  Karl  Praechter 

in  Bern. 

1.  L.  Stein  und  P.  Wendland,  Jahresbericht  über  die  nach- 
aristotelische Philosophie  der  Griechen  und  die  römische  Philosophie 
1887—1890.  Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos.  4  (1891)  S.  495—518:  657 
—  683;  5  (1892)  S.  103—112;  225-257;  403-416.  K.  Joel,  Be- 
richt über  die  deutsche  Litteratur  zur  nacharistotelischen  Philosophie 
1891—1896.  Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos.  10  (1897)  S.  539-556;  11 
(1898)  S.  281-309. 

Von  allgemeineren  philosophiegeschichtlichen  Darstellungen  lasse 
ich  diejenigen  unberücksichtigt,  welche,  ohne  als  selbständige  wissen- 
schaftliche Leistungen  aufzutreten,  nur  der  Einführung  weiterer 
Kreise  in  die  Geschichte  der  Philosophie  dienen,  wie  solche 
von  E.  M.  Mitchell  (A  study  of  Greek  philosophy,  Chicago  1891), 
R.  Eisler  (Geschichte  der  Philosophie  im  Grundriß,  Berlin  1895), 
B.  C.  Burt  (A  brief  histoiy  of  Greek  philosophy,  Boston  1896,  nach 
dem  Datum  der  Vorrede  [1888]  Neuauflage  eines  vor  unsere  Berichts- 
periode fallenden  Werkes)  u.  a.  erschienen  sind.  Auch  unter  den  ori- 
ginelleren Leistungen  sind  diejenigen  von  dem  Referate  auszuschließen, 
welche  unter  Hintansetzung  der  Grundsätze  philologisch  -  historischer 
Methode  die  Geschichte  der  Philosophie  unter  den  Gesichtswinkel  der 
subjektiven  philosophischen  Überzeugung  des  Verfassers  rücken  und 
daher  nur  für  die  Erkenntnis  und  Beurteilung  dieser  Überzeugung, 
nicht  aber  für  die  Ergründung  des  Thatsächlichen  der  Philosophiege- 
schichte von  Wert  sind.     Es  gilt  dies  von  K.  Chr.  F.  Krause,    Abriß 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    Bd.  LXXXXVI.    (1898.1.)      1 


o     Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

der  Gesch.  d.  griech.  Philosophie.  Aus  dem  haudschriftl.  Nachlasse 
berausgeg.  von  P.  Hohlfeld  und  A.  Wünsche.  Mit  einem  Anhange:  die 
Philos.  der  Kirchenväter  u.  d,  Mittelalters.  Leipzig  1893  (nach  der 
Bemerkung  der  Herausgeber  im  wesentlichen  1829  entworfen)  und  von 
R,  Wähle,  Geschichtl.  Überblick  über  die  Entwickelung  der  Philo- 
sophie bis  zu  ihrer  letzten  Phase,  Wien  und  Leipzig  1895. 

Nach  diesen  Vorbemerkungen  hebe  ich  aus  den  in  die  oben  be- 
zeichneten Jahre  fallenden  Darstellungen  teils  der  Geschichte  der  Philo- 
sophie überhaupt,  teils  der  griechischen  insbesondere  die  folgenden  hervor. 
An  neuen  Auflagen  bez.  Bearbeitungen  sind  zu  nennen: 

1.  A.  Schwegler,  Geschichte  der  Philosophie  im  Umriß.  Ein 
Leitfaden  zur  Übersicht.  Neue  Ausgabe.  Durchgesehen  und  er- 
gänzt von  J.  Stern.  Leipzig,  Ph.  Reclam  iun.  o.  J.  (1889).  512  S. 
1  M. 

2.  Dasselbe.  15.  Aufl.  durchgesehen  und  ergänzt  von  R.  Koeber. 
Stuttgart  1891.     397  S.     4  M. 

Die  nacharistotelische  Philosophie  ist  in  beiden  Bearbeitungen 
ziemlich  kümmerlich  bedacht.  Neuere  Forschungen  sind  nur  sehr  unge- 
nügend berücksichtigt.  Die  ungünstige  Beurteilung  von  2  durch 
I\  Lortzing,  Berl.  phil.  Woch.  12  (1892)  Sp.  212—216  kann  ich  für 
den  hier  in  Betracht  kommenden  Abschnitt  vollauf  bestätigen.  Die  1894 
erschienene  achte  Auflage  des 

3.  Ueberweg-Heinzeschen  Grundrisses  ist  dem  Referenten 
nicht  zugegangen.  (Vgl.  Lortzing,  Berl.  phil.  Woch.  16  [1896] 
Sp.  321—328.) 

4.  Zellers  für  die  nacharistotelische  Philosophie  au  die  dritte 
Auflage  seines  großen  Werkes  sich  eng  anschließender  Grundriß  der 
Geschichte  der  griechischen  Philosophie  ist  1893  in  vierter, 

5.  W.  Windelband,  Geschichte  der  alten  Philosophie  (Handb. 
d.  klass.  Altertumsw.  her.  von  I.  v.  Müller  5.  Bd.  1.  Abt.)  1894  in 
zweiter  Auflage  erschienen.  Letztere  ist  in  den  Hauptpunkten  gegen 
die  erste  unverändert,  so  auch  darin,  daß  die  uacharistotelische  Periode 
etwas  zu  einseitig  als  eine  Zeit  der  Verarbeitung,  Aneignung,  An- 
passung und  Umschmelzung  aufgefaßt  und  dementsprechend  der  helle- 
nistisch-römischen Philosophie,  in  welcher  der  Verfasser  nur  eine  „Nachlese 
der  griechischen"  erkennt,  nur  eine  verhältnismäßig  knappe  Darstellung 
(S.  175—228,  davon  kommen  S.  208—217  auf  die  Patristik)  zu  teil 
wird.  Das  Wesentlichste  der  neueren  Forschungen  ist  verwertet  und 
so  das  treffliche,  durch  klare  Darstellung  der  Hauptlehren  und  ihrer 
Verknüpfung  ausgezeichnete  Werk  auf  seiner  Hohe  erhalten. 


Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischeaPhilosophen.  (Praechter.)     3 

Neu  erschienen  sind: 

6.  W.  Win  delband,  Geschichte  der  Philosophie.  Freiburg  1.  B. 
1892.  Uns  geht  an  der  II.,  die  hellenistisch-römische  Philosoithie  be- 
handelnde Teil  des  Werkes  (S.  121— 20G).  Die  Eigentümlichkeit  dieser 
Darstellung  liegt  darin,  daß  in  ihr  die  Geschichte  der  Philosophie  nicht 
nach  den  einzelnen  geschlossenen  Systemen,  sondern  nach  Problemen 
behandelt  ist.  In  der  hellenistisch-römischen  Philosophie  unterscheidet 
der  Verf.  die  ethische  und  die  religiöse  Periode.  Innerhalb  der  ersteren 
treten  hervor  die  Probleme:  das  Ideal  des  Weisen,  Mechanismus  und 
Teleologie,  Willensfreiheit  und  Weltvollkommenheit,  die  Kriterien  der 
Wahrheit;  innerhalb  der  letzteren:  Autorität  und  Offenbarung,  Geist 
und  Materie,  Gott  und  Welt,  das  Problem  der  Weltgeschichte.  In 
eine  neue  Beleuchtung  rückt  durch  die  veränderte  Betrachtungsweise 
u.  a.  die  innerhalb  der  religiösen  Periode  mit  der  griechischen  Philo- 
sophie vereinigt  behandelte  Patristik. 

7.  V.  Knauer,  Die  Hauptprobleme  der  Philosophie  in  ihrer 
Entwickelung  und  teilweisen  Lösung  von  Thaies  bis  ß.  Hamerling.  Vor- 
lesungen, geh.  an  d.  K.  K.  Wiener  Univ.,  Wien  und  Leipzig  1892, 
giebt  S.  228 — 243  einen  oberflächlichen,  z.  T.  von  bedenklicher  Sach- 
unkenntnis zeugenden  Überblick  über  die  nacharistotelische  Philosophie. 

8.  R.  Eucken,  Die  Lebensauschauungen  der  großen  Denker, 
Leipzig  1890,  bietet  in  den  Abschnitten  „Der  Ausgang  des  Altertums", 
„Die  christliche  Welt  und  die  Lebensanschauung  Jesu"  und  „Die  Aus- 
gleichung des  Christentums  mit  dem  Griechentum"  eine  Fülle  anregen- 
der Gedanken  zur  Beurteilung  der  nacharistotelischen  Philosophie.  (Auf 
die  1897  erschienene  zweite,  erweiterte  Auflage  sei  hier  bereits  hinge- 
wiesen.) 

Einzelne  größere  Gebiete  dieser  Periode  berühren: 

9.  F.  Susemihl,  Geschichte  der  griechischen  Litteratur  in  der 
Alexandrinerzeit,  1.  Bd.  Leipzig  1891,  2.  Bd.  ebenda  1892,  ein  durch 
sorgfältige  ki'itische  Durcharbeitung  eines  gewaltigen  Stoffes  und  um- 
fassende Gelehrsamkeit  ausgezeichnetes  Werk,  aus  welchem  besonders 
folgende  Kapitel  hier  in  Betracht  kommen :  2.  Die  Philosophie  bis  in  die 
zweite  Hälfte  des  zweiten  Jahrhunderts  und  die  späteren  Kj'niker  (vgl. 
vornehmlich  Abschn.  4 — 8),  28.  Die  Stoiker  Boethos  und  Panaetios, 
29.  Polybios  und  Poseidonios,  32.  Die  späteren  Philosophen  [bis  in  die 
Zeit  des  Augustus] ,  38.  Die  jüdisch-hellenistische  Litteratur ,  ferner 
Kap.  19  wegen  der  dort  behandelten  Litteratur  zur  Philosophengeschichte. 

10.  C.  Martha,  Les  moralistes  sous  l'empire  romain  philosophes 
et  poetes.  Dieses  geistreiche  Buch,  von  welchem  in  hervorragendem 
Maße    das    vom  Verfasser   einem  anderen  Werke  gespendete  Lob  gilt: 

1* 


4     Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

Ce  llvre  .  .  .  aimonce  ä  la  fois  un  erudit  et  un  6crivain,    ist  zu  Paris 
1894  in  sechster  Auflage  erschienen. 

Es  gehört  hierher  ferner  eine  Reihe  von  Arbeiten,  die  teils  un- 
mittelbar philosophische,  teils  solche  Probleme  betreifeu,  deren  historische 
Bearbeitung  sich  auch  für  die  Geschichte  der  nacharistotelischeu  Philo- 
sophie fruchtbar  erweist: 

11.  C.  Baeumker,  Das  Problem  der  Materie  in  der  griechischen 
Philosophie.  Münster  1890.  Der  vierte  Abschnitt  dieses  Buches  (S.  301 
—370)  ist  den  Epikureern  und  Stoikern,  der  fünfte  (S.  371—428)  dem 
Neuplatonismus  und  seinen  Vorläufern  gev^idmet.  Bemerkenswert  ist 
besonders  die  Auffassung  des  Verhältnisses  dieser  Schulen  zur  Ver- 
gangenheit, w^ouach  dieselben  keineswegs  nur  alte  Systeme  wieder  auf- 
frischen oder  eklektisch  kombinieren,  sondern  durch  Hervorkehrung  und 
Ausarbeitung  gewisser  unentwickelter  Seiten  an  den  Lehrgebäuden  ihrer 
Vorgänger  neue  Prinzipien  schaffen  und  dadurch  zu  tiefgreifenden  Um- 
gestaltungen gelangen  So  die  Stoa,  indem  sie  den  Materialismus  zum 
Centralpunkt  macht,  die  neuplatonische  Schule,  indem  sie  die  ethische 
Auffassung  der  Materie  als  des  Ursprungs  des  Bösen  in  den  Mittel- 
punkt rückt. 

12.  A.  Ed.  Chaignet,  Histoire  de  la  Psychologie  des  Grecs. 
n.  La  Psychologie  des  Stoiciens,  des  Epicuriens  et  des  Sceptiques. 
Paris  1889,  528  p.  5  fr.  III.  La  psych,  de  la  nouvelle  Academie  et 
des  ecoles  eclectiques.  Paris  1890,  486  p.  7  fr.  50.  IV.  La  psych, 
de  l'ecole  d'Alexandrie.  Livre  I:  Psychologie  de  Plotin,  Paris  1892. 
396  p.  7  fr.  50.  Livre  11:  Psych,  des  successeurs  de  Plotin,  et  une 
table  analytique  de  tont  l'ouvrage.  Paris  (1892V)  7  fr.  50.  Ich  ver- 
weise bezüglich  der  Methode  dieses  Werkes,  von  welchem  mir  nur  der 
vierte  Band  zugegangen  ist,  auf  die  Besprechungen  von  Stein,  Berl. 
phU.  Wocb.   10  (1890)  Sp.  1146—1150;  13  (1893)  Sp.  590—593. 

*13.     H.  V olger,  Die  Lehre  von  den  Seelenteilen  in  der  alten 
Philosophie.     I.  Ploen  1892,  II.  ebenda  1893.*) 

14.  E.  Rohde,  Psyche,  Ereiburg  i.  B  u.  Leipzig  1894,  be- 
spricht S.  601—625  die  Stellung  des  stoischen  und  des  epikureischen 
Systems  zu  den  Jenseitsvorstellungen. 

15.  G.  Reichardt,  De  Artemidoro  Daldiano  librorum  oniro- 
criticorum  auctore,  Comment.  Jen.  vol.  5  (1894),  auch  als  Jen.  Diss. 
Leipz.  1893  ersch.  (s.  auch  unter  No.  369)  behandelt  in  §  1  S.  112  — 
123  die  Ansichten  und  Schriften  der  Philosophen  über  Divination  (S.  115 
des  Oinomaos,  S.  117  ff.  der  übrigen  nacharistot.  Philosophen). 

*)  Ein  vor  den  Titel  gesetzter  Stern  bedeutet,  daß  die  betreffende 
Arbeit  dem  Berichterstatter  nicht  vorgelegen  hat. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)      5 

16.  0.  Apelt,  Beiträge  zur  Geschichte  der  griechischen  Philo- 
sophie, Leipzig  1891,  bespricht  S.  253  ff.  die  Widersacher  der  Mathe- 
matik im  Altertum. 

17.  Bergemann,  Gedächtnistheoretische  Untersuchungen  und 
mnemotechnische  Spielereien  im  Altertum,  Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos.  8 
(1895)  S.  336ff.,  484 ff.  stellt  S.  485—489  die  nacharistotelischea,  be- 
sonders die  neuplatonischen  Lehren  über  das  Gedächtnis  zusammen. 

*18.  L.  Credaro,  II  problema  della  libertä,  di  volere  nella 
filosofia  dei  greci,  Rendic.  dell'  istit.  lomb.  ser.  2  vol.  25,  fasc.  9.  10 
p.  607—660. 

19.  H.  Schlottmann,  Ars  dialogorum  componendorum  quas 
vicissitudines  apud  Graecos  et  Romanos  subierit,  Rostochii  1889  (Diss.) 
enthält  einiges  in  unser  Gebiet  Einschlagende,  so  S.  31  ff.  Bemerkungen 
über  die  stoische  Dialoglitteratur.  Wichtiger  ist  das  an  Anregungen 
ungemein  reiche  Buch  von 

20.  R.  Hirzel,  Der  Dialog.  Ein  litterarhistorischer  Versuch. 
L  II.    Leipzig  1895. 

Der  Inhalt  dieses  Werkes  entspricht  nicht  völlig  dem  Titel.  Es 
ist  in  die  Darstellung  manches  einbezogen,  was  zur  dialogischen  Schrift- 
stellerei  nur  in  sehr  mittelbarer  Beziehung  steht,  und  an  dialogischen 
Schriftwerken  selbst  sind  auch  solche  Seiten  eingehend  behandelt,  die 
mit  der  dialogischen  Darstellungsform  nichts  zu  thuu  haben.  Mau 
mag  darüber  unter  anderem  Gesichtspunkte  mit  dem  Verfasser  rechten, 
wir  haben  Grund,  uns  des  dargebotenen  Reichtums  herzlich  zu  freuen^ 
Der  von  Hirzel  gewählte  Standpunkt  der  Betrachtung  in  Verbindung 
mit  seiner  Gabe  geistreicher  Kombination  rückt  viele  Erscheinungen  in 
eine  neue,  oft  überraschende  Beleuchtung,  besonders  da  Hirzel  sich 
nicht  auf  das  Altertum  beschränkt  und  die  antiken  Erzeugnisse  der 
Dialogschriftstellerei  nicht  isoliert,  sondern  als  Glieder  einer  universal- 
geschichtlichen  Entwickelungsreihe  betrachtet.  Dazu  kommt  noch  der 
Reiz  einer  äußerst  anziehenden  Darstellung,  die  die  Lektüre  des  Baches 
auch  da,  wo  man  den  Ergebnissen  des  Verfassers  nicht  zustimmen  kann, 
zu  einer  genußreichen  macht. 

21.  P.  Hart  lieh,  De  exhortationum  a  Graecis  Romanisque 
scriptarum  historia  et  indole.  Leipziger  Stud.  11  (1889)  S.  207 — 333 
(S.  207—300  auch  als  Leipziger  Diss.  1889  erschienen),  behandelt  die 
TipoTpsütiy.oi  der  antiken  Litteratur,  unter  welchen  er  sophistische  oder 
rhetorische  und  philosophische  unterscheidet.  Von  den  letzteren  sind 
die  in  unser  Gebiet  fallenden  S.  274— 32G,  329—332  besprochen;  auch 
S.  241 — 266    berührt    uns    die    zur  Rekonstruktion    des    aristotelischen 


Q    Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

Pi'Otreptikos  unternommene  Analj^se  von  .Tamblichs  Xoyo;  Trpo-psKT.  si? 
^iXoa.  Auf  die  wichtigeren  Abschnitte  der  Arbeit  werde  ich  bei  den 
betreffenden  Philosophen  zurückkommen. 

22.  0.  Apelt,  Beitr.  z.  Gesch.  d.  gv.  Philos.  (s.  o.  No.  16) 
bringt  S.  339 — 365  einen  Vortrag  zum  Abdruck  über  die  Idee  der  all- 
gemeinen Menschenwürde  und  den  Kosmopolitismus  im  Altertum,  in 
welchem  auch  die  Wirksamkeit  der  nacharistotelischen  Philosophie  für 
diese  Idee  zur  Sprache  kommt. 

23.  E.  Norden,  Beiträge  zur  Gesch.  der  griech.  Philos.  III. 
Philosophische  Ansichten  über  die  Entstehung  des  Menschengeschlechts, 
seine  kulturelle  Entwicklung  und  das  goldne  Zeitalter.  Jahrb.  Suppl.  19 
(1893)  S.  411 — 428.  Der  Verf.  geht  aus  von  der  Berührung  zwischen 
Tzetz.  zu  Hesiod.  Erg.  p.  58  f.  Gaisf.  mit  der  epikureischen  Ausführung 
bei  Diodor  1,7  f.  Ein  Unterschied  zwischen  beiden  Darstellungen  be- 
steht darin,  daß  Diodor  den  epikureischen  Standpunkt  in  der  Beurteilung 
der  menschlichen  Kulturentwickelung  festhält,  während  Tzetzes  davon 
abbiegend  in  dem  einfachen  Leben  der  ersten  Menschen  einen  Ideal- 
zustaud  erblickt,  der  durch  das  Geschenk  des  Feuers  dem  heutigen 
Zustande  allgemeiner  Verderbtheit  Platz  gemacht  habe.  Norden  erklärt 
dies  nicht  aus  einer  Vermengung  des  Epikureischen  mit  Fremdartigem 
durch  den  Gewährsmann  des  Tzetzes,  sondern  sucht  unter  Heranziehung 
von  Lucr.  5,  944  ff.  wahrscheinlich  zu  machen,  daß  ein  solcher  Wider- 
spruch Epikur  selbst  wohl  zuzutrauen  sei.  Ich  kann  dem  nicht  zu- 
stimmen. Nordens  Ansicht  würde  die  Annahme  einer  doppelten  epi- 
kurischen Darstellung,  einer  konsequenten  (wie  bei  Diodor)  und  einer 
inkonsequenten  (wie  bei  Lukrez  und  Tzetzes)  nötig  machen,  eine  An- 
nahme, zu  der  man  sich  so  leicht  nicht  entschließen  wird.  Läßt  ferner 
die  fein  abgetönte  Darstellung  bei  Lukrez  noch  einen  Zweifel,  so  klingt 
uns  doch  aus  Tzetzes  in  voller  Schärfe  der  Ton  entgegen,  den  die 
kynisch-stoische  Diatribe  in  der  Verurteilung  der  höheren  Kultur  an- 
zuschlagen pflegte.  So  konnte  Epikur  nicht  schreiben,  wollte  er  nicht 
den  prinzipiellen  Standpunkt  (als  dessen  „konsequenten  Vertreter"  ihn 
N.  S.  414  bezeichnet)  aufgeben.  Mir  scheint  der  Widerspruch  nur  aus 
einer  Umbiegung  der  Quelle  des  Tzetzes  zum  kynisch-stoischen  Stand- 
punkte (denn  daß  auch  Stoiker  so  urteilten,  zeigt  Seneka)  erklärlich  zu 
sein.  Eine  solche  lag  in  einer  Zeit,  in  w^elcher  Epikur  in  Mißkredit, 
die  in  der  kynisch-stoischen  Diatribe  hervortretende  Richtung  aber  an 
der  Herrschaft  war,  gewiß  nahe  genug.  Was  die  beiden  Grundan- 
schaunngen  betrifft,  so  mache  ich  noch  auf  die  interessanten  Gegenüber- 
stellungen Ps.-Luc.  amor.  19  ff.,  33  ff.,  Cynic.  5  aufmerksam  (vgl.  Berl. 
phü.  Woch.  16  [1896]  Sp.  870  f.).    S.  ferner  Rh.  Mus.  47  (1892)  S.  439f. 

Weiterhin    verfolgt  Norden    die  Spuren  der  demokritisch  -  epiku- 


Bericht  üb.  d.Litteraturzu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)      7 

reiseben  Zoogonie  und  bespricht  eine  Modifikation  der  Vorstellung  vom 
goldenen  Zeitalter,  deren  erste  Spuren  sich  schon  bei  Arat  finden,  die 
dann  durch  Poseidonios  vertreten  wurde  und  bei  Varro  und  den  Römern 
überhaupt  Beifall  fand.  Poseidonios  machte  einen  Kompromiß  zwischen 
der  volkstümlichen  Anschauung-  vom  goldenen  Zeitalter  und  den  der 
epikureischen  Auffassung  näher  stehenden  Vorstellungen  der  Gebildeten, 
indem  er  auf  einen  Zustand  primitiver  Roheit  das  von  den  Philosophen 
durch  Begründung  der  Künste  herbeigeführte  goldene  Zeitalter  folgen  ließ. 

24.  A.  Giesecke,  De  philosophorum  veterum  quae  ad  exilium 
spectant  seuteutiis.     Lipsiae  1891.     (Diss.)    134  S. 

Eine  vergleichende  Behandlung  der  verschiedenen  Bearbeitungen 
des  Topos  Tispi  tpu^y)?  ist  für  die  Erkenntnis  der  Quellenbeziehungen 
zwischen  einer  Reihe  von  Schriftstellern  von  Bedeutung.  Ich  komme 
auf  die  Resultate  der  Gieseckeschen  Arbeit,  soweit  sie  ia  diesen  Bericht 
gehören,  unter  den  einzelneu  Autoren  zurück  und  gebe  hier  nur  eine 
Übersicht  über  den  Inhalt  der  Abhandlung.  Kap.  1  betrifft  das  tele- 
tische  Stück  tt.  907^?,  2  die  gemeinsamen  Quellen  des  Plutarch  und 
Musonios,  3  die  besonderen  Quellen  Plutarchs,  4  die  übrigen  in  dieses 
Gebiet  fallenden  Trostschriften,  5  ist  Ariston  von  Chios  gewidmet. 
Vgl.  unten  No.  44,  54,  90  und  die  Besprechung  von  Wendland,  Berl. 
phil.  Woch.  12  (1892)  Sp.  108—111. 

Über  einen  anderen  innerhalb  der  philosophischen  Litteratur  häufig 
begegnenden  Topos  handelt 

25.  G.  Barner,  Comparantur  inter  se  Graeci  de  regentium  homi- 
num    virtutibus  auctores.     Marpurgi  Cattorum  1889.     (Diss.)     62  S. 

Die  nacharistotelische  Philosophie  berühren  die  Abschnitte  über 
Philou  Jud.,  Dion  Chrysost.,  Plutarch,  Themistios,  Julian,  Synesios.  Es 
ist  hier  mit  anerkennenswertem  Fleiße  Material  gesammelt  und  auch 
für  die  Aufdeckung  von  Quellenzusammenhängen  manches  geschehen. 
Der  überreiche  Stoff  ist  aber  in  einer  Dissertation  gewöhnlichen  Um- 
fauges  nicht  zu  erschöpfen  und  harrt  noch  einer  abschließenden  Be- 
handlung. 

Ich  wende  mich  nun  zu  den  speciellen  Arbeiten. 

Von  der  in  unserer  Berichtsperiode  der  nacharistotelischen  Philo- 
sophie zugewandten  Thätigkeit  entfällt  der  Löwenanteil  auf  Stoicismus 
und  Kynismus.  Um  hier  nur  die  wichtigsten  Ergebnisse  zusammenzu- 
fassen, so  hat  die  Kenntnis  des  ersteren  für  alle  drei  Hauptstadien 
seiner  Entwickelung  erfreulicne  Förderung  erfahren.  Die  Forschung 
über  die  ältere  Stoa  ist  durch  die  von  Pearson  und  Troost  gebotenen 
Sammlungen    der  Fragmente    des  Zenon  und  Kleanthes  z.  T.  auf  eine 


8     Bericht  üb.  d.  Litteratar  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter .) 

gesichertere  Grundlage  gestellt,  die  Mittelstoa  hat  durch  Schmekel  eine 
treffliche  Bearbeitung  erfahren,  und  innerhalb  der  Jungstoa  ist  durch 
Bonhüffer  Epiktet  in  helles  Licht  gerückt,  von  dem  ein  Reflex  auf  die 
Altstoa  zurückfällt.  Einer  Eeihe  von  Arbeiteu  verdanken  wir  einen 
klareren  Einblick  in  die  große  Einwirkung  der  Mittelstoa,  insbesondere 
des  Poseidonios,  auf  weite  Kreise  innerhalb  wie  außerhalb  der  eigentlich 
philosophischen  Sphäre.  Die  für  das  spätere  Altertum  so  bedeutsame 
kynisch-stoische  Diatribe  ist  uns  durch  Heuses  Teles,  Wendlands  Ab- 
handlung über  Philo  und  die  kynisch-stoische  Diatribe  und  andere 
Arbeiten  näher  gebracht. 

Indem    ich    mich    zum  Einzelnen  wende,    bespreche  ich  zunächst 

Arbeiten  über 


Die  Stoa  im  allgemeinen. 

26.  0.  Weißenfels,  De  Platonicae  et  Stoicae  doctrinae  affini- 
tate,  Festschrift  des  Französ.  Gymn.,  Berlin  1890,  S.  81—120,  behandelt 
Berührungen  zwischen  Piaton  und  den  Stoikern,  von  welchen  aber  nur 
Epiktet  eingehender  berücksichtigt  ist.  Gegen  des  Verfassers  Auf- 
stellungen im  ganzen  und  im  einzelneu  sind  mancherlei  Bedenken  zu 
erheben;  vor  allem  ist  auf  wenig  besagende  Übereinstimmungen  in  all- 
gemeinen Dingen,  insbesondere  auf  die  beiden  Systemen  gemeinsame 
Verleugnung  des  natürlichen  Menschen,  die  doch  bei  Piaton  und  den 
Stoikern  nach  Begründung  und  Inhalt  sehr  verschieden  ist,  viel  zu  viel 
Gewicht  gelegt.    ' 

27.  V.  Brochard,  Sur  la  logique  des  Stoiciens,  Archiv  f.  Gesch. 
d.  Phil.  5  (1892)  S.  449—468,  behauptet  gegen  Prantl  und  Zeller  die 
Originalität  der  stoischen  Logik.  Dieselbe  ist  nach  Br.  keineswegs  eine 
Reproduktion  der  aristotelischen,  sondern  ihr  entgegengesetzt.  Sie  ist 
ein  Versuch,  den  kynisch-stoischen  Nominalismus,  der  ihre  Grundlage 
bildet,  mit  der  Annahme  der  Möglichkeit  gesicherter  Wahrheitserkennt- 
nis in  Einklang  zu  bringen.  Br.  betont  die  nahe  Verwandtschaft  der 
stoischen  Logik  mit  derjenigen  von  Stuart  Mill. 

28.  W.  Luthe,  Die  Erkenntnislehre  der  Stoiker.    Leipzig  1890. 
46  S.     80  Pf. 

Die  Arbeit  ist  nicht  ohne  Scharfsinn,  bekundet  aber  eine  bedenk- 
liche Unkenntnis  hinsichtlich  der  für  eine  ersprießliche  Behandlung 
des  Gegenstandes  nötigen  Hülfsmittel.  Als  Quellen  für  die  stoische 
Lehre  sind  im  wesentlichen  nur  Cicero,  Sextus  Emp.,  Plutarch  und 
Laertios  Diogenes  benutzt,  andere  Autoren,  wie  Seneka,  Stobaios,  Am- 
monios    nur   ganz    vereinzelt    augeführt.      Diels'    Doxographi    scheinen 


I 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistolelischenPhilosopheD.  (Praeehter.)     9 

nach  S.  1,  27,  31  dem  Verfasser  nicht  bekannt  zu  sein.  Überhaupt 
ignoriert  Luthe  die  neuere,  seinen  Gegenstand  berührende  Litteratur 
vollständig  bis  auf  die  Werke  von  Zeller  und  Prantl,  gegen  die  er 
mehrfach  polemisiert.  Daß  auf  so  dürftiger  Grundlage  keine  Wieder- 
herstellung der  stoischen  Erkenntnislehre  möglich  ist,  versteht  sich 
von  selbst. 

Die  Abhandlungen  von  F.  L.  Ganter,  Das  stoische  System  der 
ai'jÖTqai?  mit  Rücksicht  auf  die  neueren  Forschungen  und  A.  Bonhöffer, 
Zur  stoischen  Psychologie  werden  unter  No.  106  und  107  besprochen 
werden. 

29.  A.  Häbler,  Zur  Kosmogonie  der  Stoiker,  Jahrb.  147 
(1893)  S.  298—300,  verteidigt,  gestützt  auf  die  stoische  Kosmogonie, 
Cleomed.  1,  1,  6  f.  die  Lesart  der  beiden  Hss  M  L  gegen  die  Vulgata. 

30.  I.  Bruns,  Interpretationes  variae,  Festschr.  zu  Kaisers 
Geb.,  Kiel  1893,  mir  nur  durch  die  Eezeusion  von  Wendland,  Berl. 
phil.  Woch.  13  (1893)  Sp.  1577—1578  bekannt,  zeigt,  daß  Archytas' 
Beweis  für  das  Unendliche  auch  von  den  Stoikern  benutzt  wurde. 

31.  C.  Gawanka,  De  summe  bono  quae  fuerit  Stoicorum  sen- 
tentia,  Osterode  1889,  Progr,,  14  S.,  enthält  eine  kurze  Darstellung 
und  Beurteilung  der  stoischen  Lehre  vom  höchsten  Gut  und  der  an- 
grenzenden Partien  der  stoischen  Ethik  ohne  neue  Ergebnisse. 

32.  L.  Stein,  Antike  und  mittelalterliche  Vorläufer  des  Occa- 
sionalismus,  Archiv  f.  Gesch.  d.  Phil.  2  (1889)  S.  193  ff.,  setzt  S.  198— 
207  die  stoische  au^xaTczOsats  in  Parallele  mit  dem  zustimmenden  oder 
widerstrebenden  Affekte,  welcher  nach  der  Lehre  des  Occasionalismus 
unsere  (notwendigen)  Handlungen  begleitet  und  allein  die  Domäne  der 
sittlichen  Zurechnung  bildet. 

33.  J.  Stern,  Homerstudien  der  Stoiker,  Progr.  Lörrach  1893, 
52  S.,  zeigt  au  einzelnen  Beispielen  der  Exegese,  „wie  etwa  ein  stoischer 
Homerkomraeutar  ausgesehen  haben  mag".  Den  breitesten  Raum  nimmt 
natürlich  die  allegorische  und  ethische  Interpretation  ein,  für  welche 
die  Belege  zumeist  Herakleitos,  Koruutos  und  Ps.-Plutarch  de  vit.  et 
poesi  Hom.  entnommen  sind.  Andere  Autoren  wären  zur  Ergänzung 
heranzuziehen.  Vgl.  etwa  Dio  Chrys.  or.  57  und  von  Arnims  Index 
unter  Homerus,  Epict.  diss.  1,  19,  12  (vgl.  Dio  Chrys.  or.  1  p.  56  R.); 
3,  22,  108,  die  von  Giesecke,  De  phil.  vet.  quae  ad  exil.  spect.  sent. 
p.  108  f.  auf  Ariston  von  Chios  zurückgeführten  Stellen  bei  Plut.  quom. 
adol.  poet.  aud.  deb.  c.  1 1  (s.  auch  mein  Progr. :  Die  griech.  -  röm. 
Popularphil.  u.  die  Erziehung,  Bruchsal  1886,  S.  31  f.),  die  von  Hobein, 
De  Maxirao  Tyrio  quaest.  philol.  selectae  (Gott.  1895)  p.  78  f.  ge- 
sammelten Stellen  u.  a.  Ungern  vermißt  man  eine  eingehendere  Be- 
handlung der  Quellenfrage  (Diels  doxogr.  p.  88  ff.). 


10  Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotclischenPbilosophen.  (Praechter.) 


Ältere  Stoa. 

Auf  die  äußere  Geschiclite  derselben  bezieht  sich 

34.  F.  Suseniihl,  Das  Geburtsjahr  des  Zenon  von  Kition. 
Jahrb.  139  (1889)  S.  745—752.  S.  verteidigt  hier  gegen  Brinker  die 
auch  früher  schon  von  ihm  vertretene  Berechnung  von  Rohde  und  Gom- 
perz,  nach  welcher  Zenon  336/5  geboren  wurde  und  264/3  starb. 

Der  Wiederherstellung  des  littcrarischen  Nachlasses  älterer  Stoiker 
gelten  folgende  Arbeiten: 

35.  The  fraements  of  Zeno  and  Cleanthes,  with  introduction 
and  explanatory  notes  by  A.  C.  Pearson.  London  1891.  VII  u. 
344  S.     10  M. 

In  der  Einleitung  behandelt  P.  Zeuous  Leben  (S.  5  Anm.  6  war 
Epist.  diss.  2,  13,  14  zu  erwähnen),  Lehre,  Verhältnis  zu  früheren 
Philosophen,  Schriften  und  Stil  (Apul.  de  mag.  p.  400  Oudend.  scheint 
übersehen) ,  sowie  Kleanthes  und  seine  Schriften.  Die  Fragmente  sind 
ohne  Berücksichtigung  der  im  ganzen  seltenen  Angaben  über  die  Her- 
kunft aus  bestimmten  Schriften  jeweilen  in  solche  zur  Logik,  Physik 
und  Ethik  eingeteilt,  denen  die  Stellen  über  die  Gliederung  der  Philo- 
sophie vorangehen.  Die  Übersichtlichkeit  leidet  etwas  unter  dem  Mangel 
an  Unterabteilungen  und  spezielleren  Kolumnentiteln.  An  die  Frag- 
mente sind  die  Apophthegmen  angeschlossen,  dabei  ist  aber  das  von 
Sternbach  herausgegebene  Gnomolog.  Vatic.  unausgebeutet  geblieben. 
Indices  (I.  fontium,  II.  nominum,  III.  verborum)  erleichtern  den  Ge- 
brauch der  fleißig  gearbeiteten,  höchst  dankenswerten  Sammlung.  Zahl- 
reiche Nachträge  enthält  die  Rezension  von  Wendland,  Berl.  phil. 
Woch.     12.     (1892)  Sp.  268—271. 

36.  Zenonis  Citiensis  de  rebus  physicis  doctrinae  fundamentum 
ex  adiectis  fragmentis  constituit  K.  Troost.  (Berliner  Studien  f. 
klass.  Phil.  u.  Arch.  12.  Bd.  3.  H.)     Berlin  1891.     87  S.     3  M. 

Lehrdarstellung  und  Fragmentsammlung,  letztere  gleichzeitig  mit 
derjenigen  Pearsons  und  unabhängig  von  derselben  ausgearbeitet,  sind 
in  der  Weise  miteinander  verbunden,  daß  erstere  den  oberen,  letztere 
in  ihren  entsprechenden  Partien  den  unteren  Teil  jeder  Textseite  füllt; 
Bemerkungen  sind  in  Fußnoten  untergebracht.  Diese  Anordnung  ist, 
auch  abgesehen  von  der  störenden  Dreiteilung  der  Seite,  nicht  eben 
glücklich,  da  sich  eine  befriedigende  Darstellung  der  Lehre  Zenons  ans 
den  auf  ihn  zurückführbaren  Fragmenten  ohne  Herbeiziehung  der  Über- 
lieferung über  die  allgemein  stoische  Doktrin  doch  nicht  gewinnen 
läßt;    sie  hat  aber  immerhin  das  Gute,    daß  die  Fragmente  an  einem 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelisclion  Philosophen.  (Praechter.)   1 1 

leicht  zu  verfolgenden  Faden  aufgereiht  erscheinen.  Die  Frag;nient- 
sammlung  hätte  sich  durch  Berücltsichtigung  der  Quellenverhältnisse 
einfacher  und  übersichtlicher  gestaltet.  Einige  Ergänzungen  ergeben 
sich  aus  einer  Vergleichung  mit  Pearsons  Arbeit.  Vgl.  auch  die 
Rezension  von  Wendland,  ßerl.  phil.  Woch.  12.  (1892)  Sp.  271—273. 
Die  Arbeit  von  37.  H.  Poppelreuter,  Die  Erkenutnislehre 
Zenos  uud  Kleantbes',  Koblenz  1891,  Pr.,  ist  mir  nur  aus  der  Er- 
wähnung durch  Joel,  Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos.  10.  (1897)  H.  554  bekannt. 

38.  W.  L.  Newman,  Cleanthes'  hymn  to  Zeus,  Class.  rev.  6 
(1892)  p.  181  schreibt  V.  4  für  das  unverständliche  rjyou  :  a-^oü. 

Einzelne  die  ältere  Stoa  betreffende  Fragen  behandeln  folgende 
Arbeiten : 

39.  H.  von  Arnim,  Über  einen  stoischen  Pap5'rus  der  herku- 
lanensischen  Bibliothek,  Hermes  25  (1890)  S.  473 — 495  bespricht  die 
Coli.  alt.  X  112 — 117  publizierte  Rolle  auf  Grund  dieser  Ausgabe 
und  photographischer  Reproduktion  des  Oxforder  Apographon,  welches 
eine  in  der  Keapeler  Veröffentlichung  fehlende  Kolumne  enthält  und 
sich  auch  sonst  als  zuverlässiger  erwies.  Die  durch  v.  Arnim  scharf- 
sinnig ergänzten  Bruchstücke  behandeln  den  Weisen  nach  der  logisch- 
erkenntnistheoretischeu  Seite  und  gehören,  wie  v.  A.  wahrscheinlich  macht, 
einer  Abhandlung  über  das  Ideal  des  Weisen,  also  einer  unter  das 
f^&ixöv  [jLEpoc  fallenden  Schrift  an.  Der  Charakter  der  Darstellung  führt 
auf  die  chrysippische  Schule;  zahlreiche  Berührungen  mit  chrysippischen 
Fragmenten  und  mit  der  wahrscheinlich  auf  Chrysipp  zurückgehenden 
Epitome  der  stoischen  Ethik  bei  Areios  Didymos  legen  die  Vermutung 
nahe,  dali  wir  es  mit  einem  Werk  des  Chrysippos  selbst  zu  thun  haben. 

40.  Ed.  Norden,  Beiträge  zur  Gesch.  der  griech.  Phil.  (s.  No.  23) 
handelt  S.  440—452  „über  den  Streit  des  Theophrast  und  Zeno  bei 
Philo  -zp\  acpUap^tac  y.ojfxou".  X,  sucht  eine  Entscheidung  der  Frage, 
ob  die  bei  Philon  c.  23  von  Theophrast  bekämpften  (stoischen)  Argu- 
mente gegen  die  Weltewigkeit  von  Zenon  herrühren,  aus  der  gleich- 
zeitig auch  von  mir  (Berl.  phil.  Woch.  13  [1893]  Sp.  616  Anm.) 
hervorgehobenen  Thatsache  zu  gewinnen,  daß  diese  Argumente  sich 
großenteils  Lucr.  5,  235—415  wiederfinden.  Ist  diese  Partie  epikurisch 
und  nicht  etwa  von  Lukrez  aus  anderer  Quelle  eingefügt,  und  läßt  sich 
darthun,  daß  Epikur  diese  Beweisführung  einem  Stoiker  verdankt,  so 
ist  die  Urheberschaft  Zenons  gesichert,  da  Epikur  unter  den  Stoikern 
nur  ihn  berücksichtigt  haben  kann.  Daher  gilt  der  erste  Teil  der  Aus- 
führungen Nordens  dem  Nachweise,  daß  der  für  uns  durch  Lukrez  ver- 
tretene Epikur  diese  Argumentation  stoischer  Quelle  entnommen  habe, 
während  er  sich  im  zweiten  gegen  von  Arnim  wendet,  der  in  den 
Quellenstudien  zu  Philo  S.  41  ff.  aus  Diskrepanzen  zwischen  den  Stich- 


12  Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

worteu,  mit  welchen  Theophrast  die  Beweise  der  Gegner  bezeichnet, 
und  den  bei  Philen  folgenden  Beweisen  selbst  den  Schluß  zieht,  daß 
Theophrast  gar  nicht  diese  Beweise  im  Auge  gehabt  habe,  sondern  die- 
selben erst  nachträglich  unter  das  theophrastiscbe  Schema  subsumiert 
seien.     Gegen  Norden  wendet  sich 

41.  H.  von  Arnim,  Der  angebliche  Streit  des  Zenon  und 
Theophrastos,  Jahrb.  147  (1893)  S.  449—467.  Zunächst  verteidigt 
V.  A.  seine  auf  das  Verhältnis  der  Stichworte  und  Beweise  gegründete 
Ansicht  gegen  Norden,  um  dann  dessen  Schlüsse  aus  Lukrez  anzugreifen. 

Was  jene  Ansicht  betrifft,  so  scheint  sie  mir  auch  nach  den 
scharfsinnigen  Ausführungen  dieser  Replik  nicht  haltbar.  Mit  der 
Forderung  exaktester  logischer  Übereinstimmung  zwischen  Stichworten 
und  Beweisen  legt  v.  A.  an  die  in  tc.  a^ö.  y.osixou  gegebene  Darstellung 
einen  Maßstab  an,  der  für  ein  solches  Referat  auch  aus  der  Feder 
Philons  nicht  zulässig  ist,  noch  weniger  zulässig  aber  dann  sein  würde, 
wenn  wir  es,  wie  v.  A.  annimmt,  mit  einem  nur  mangelhaft  sach- 
kundigen, leichtfertig  arbeitenden  Pseudo-Philon  zu  thun  hätten.  Am 
schwersten  wiegt  noch,  daß  Theophrast  unter  dem  vierten  Punkte  nur 
von  yepsaia  ^loa  redet,  während  eine  solche  Beschränkung  auch  nur  als 
Ausgangspunkt  in  dem  entsprechenden  Beweise  nirgends  hervortritt. 
Aber  auch  dies  scheint  mir  nicht  durchschlagend,  trägt  man  nur  der 
Möglichkeit  flüchtigen  Exzerpierens  Rechnung. 

Auf  der  andern  Seite  ist  eine  Entscheidung  der  Frage  im  Sinne 
Nordens  auf  Grund  der  Lukrezstelle  gleichfalls  nicht  möglich.  Die 
Übereinstimmung  in  beiden  Darstellungen  ist  doch,  wie  auch  v.  Arnims 
Analyse  zeigt,  nicht  durchgreifend  genug,  die  einzelnen  Elemente  der 
Beweise  erscheinen  viel  zu  sehr  verschoben  und  in  anderen  Zusammen- 
hang gerückt,  als  daß  sich  die  Überzeugung  einer  so  nahen  Beziehung 
aufdrängte,  wie  sie  Norden  annimmt. 

42.  R.  Heinze,  Ariston  von  Chios  bei  Plutarch  und  Horaz, 
Rhein.  Mus.  45  (1890;  S.  497-523,  vermutet  für  Plut.  de  virt.  et  vit. 
und  einen  Teil  von  de  tranqu.  an.  die  Quelle  in  Ariston  von  Chios. 
Bion,  an  welchen  dem  Tone  nach  auch  zu  denken  wäre,  fällt  nach  H. 
deshalb  außer  Betracht,  weil  er  vorwiegend  polemisch-satirisch  auftritt, 
Plutarchs  Vorlage  aber  einer  positiven,  zur  Stoa  neigenden  Weltan- 
schauung huldigt.  Aus  demselben  Grunde  glaubt  H.  auch  die  ver- 
wandten Gedanken  bei  Iloraz  in  den  beiden  ersten  Episteln  des  ersten 
Buches  auf  Ariston  und  nicht  auf  Bion  zurückführen  zu  sollen.  Eine 
Bestätigung  erhalten  Heinzes  Ausführungen,  soweit  sie  Plutarch  betreffen, 
durch  die  von  R.  von  Scala,  Rhein.  Mus.  45  (1890)  S.  475  ^  (die 
letzte  Stelle  ist  auch  von  Heinze  S.  518  zu  Plut.  de  tranqu.  c.  3  bei- 
gebracht) bemerkte  Übereinstimmung  sowie  durch  die  Ausführungen  von 


Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischenPhilosophen.  (Praechter.)   13 

43.  0.  Hense,  Ariston  bei  Plutarcb.  Rhein.  Mus.  45  (1890) 
S.  541 — 554.  Ausgehend  von  de  curios.  516  F,  wo  Ariston  mit 
Namen  genannt  wird,  durchmustert  H.  den  kynisch-stoischen  Gehalt 
der  Schrift,  den  er  auf  den  Stoiker  Ariston  zurückführt,  auch  unter 
Hinweis  auf  das  Verwandte  in  de  tranqu.  und  de  exil.  Mit  Recht  be- 
tont H.  die  Schwierigkeit,  zu  entscheiden,  ob  das  Aristonische  Plutarch 
direkt  oder  durch  Yermittelung  zugekommen  ist.  Die  von  H.  gestreifte 
Schrift  rspl  907^;  behandelt  eingehender 

44.  Giesecke  in  der  unter  No.  24  erwähnten  Dissertation 
Kap.  III  (De  Plutarchi  fontibus  peculiaribus)  S.  56  ff.  gleichfalls  mit 
dem  Ergebnis,  daß  der  Stoiker  A.  Plutarch  vorgelegen  hat.  Derselbe 
verfolgt  in  Kap.  V  (Aristonea)  S.  104  ff.  weitere  Spuren  des  Philosophen 
in  der  späteren  Litteratur,  besonders  bei  Plutarch,  und  sucht  dieselben 
für  die  Erkenntnis  des  philosophischen  Standpunktes  Aristons  zu  ver- 
werten. 

Durch  diese  Arbeiten  erhält  eine  starke  Stütze  die  von 

45.  F.  Dümmler,  Akaderaika,  Gießen  1889,  Anhang I(S.  211  ff.): 
Ein  stoischer  Gegner  Theophrasts,  ausgesprochene,  mit  Dümmlers  Material 
nur  zu  einem  gewissen  Grade  der  Wahrscheinlichkeit  zu  erhebende 
Vermutung,  daß  Plutarch  in  -spl  Tü/r,;  Ariston  benutzt  habe,  auf  welchen 
dann  auch  die  Cic.  Tusc.  5,  24  ff.  berichtete  Polemik  gegen  Theophrast 
zurückzuführen  wäre.  Bezüglich  der  Scheidung  des  Eigentums  des 
Stoikers  und  des  Peripatetikers  Ariston  bekennt  sich  Hense  zur  An- 
sicht Zellers.  Auch  Heinze  weist  darauf  hin,  daß  jedenfalls  die 
ofjLO'.cufjLaTa  zu  dem  Stoiker  gut  passen.  Einen  abweichenden  Standpunkt 
vertritt 

46.  A.  Gercke,  Ariston,  Arch.  f.  Gesch.  d.  Phil.  5  (1892) 
S.  198—216.  Derselbe  betrachtet  als  feste  Punkte  für  die  Entscheidung 
der  Frage  das  Zeugnis  Strabons  (10,  p.  486)  über  den  Peripatetiker 
als  Nachahmer  Bions  und  Seuekas  Ausführungen  im  94.  Briefe,  wo 
Aristons  Ablehnung  spezieller  Moralvorschriften  in  Verbindung  mit  der 
starken  Betonung  der  Adiaphorie  alles  Äußeren  hervortritt.  Die  bionische 
Art  ist,  wie  G.  darzuthun  sucht,  dem  Charakter  des  Stoikers  direkt 
entgegengesetzt.  Von  jenen  festen  Punkten  ausgehend  weist  G.  dem 
Peripatetiker  zu  die  Philod.  de  vit.  10  benutzte,  Charakterbilder  ent- 
haltende Schrift,  eine  Abhandlung  über  das  Alter  (die  Vorlage  von 
Ciceros  Cato  maior)  und  die  6|xoia)(j.aTa  ganz  oder  teilweise,  dem  Stoiker 
außer  den  von  Panaitios  ihm  belassenen  Briefen  und  den  Schriften 
Trepl  Ttöv  Zr^vovo;  ooYfJ-aTcuv  und  -po?  KXsavöriv  den  von  Seneka  und 
Sextus  Emp.  benutzten  Protreptikos.     Dagegen  wendet  sich 

47.  A.  Giesecke,  Der  Stoiker  Ariston  von  Chios,  Jahrb.  145 
(1892)  S.  206—210.    Bei  Strabon    erkennt    G.    In   den  Worten  6  xo^J 


14  Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  Dacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

BopuafieviTou  ßi'wvo;  ^yjXojty^?  einen  Zusatz  Strabons  zn  Eratosthenes, 
dessen  Autorität  also  nicht  in  Frage  käme.  Diese  Scheidung-  darf  aber 
doch  nicht,  wie  G.  thut,  auf  den  bloßen  „Eindruck"  hin  vorgenommen 
werden,  ohne  daß  ein  schwerwiegender  Grund  gegen  jenes  Zeugnis 
vorliegt.  Einen  solchen  bietet  m.  E.  allerdings  die  enge  Verbindung 
in  welcher  Bionisch-Aristonisches  bei  Plutarch  und  Horaz  mit  Stoischem 
auftritt.  Vollkommen  reclit  aber  hat  Giesecke  mit  seinem  Einspruch 
gegen  die  Verwendung,  welche  Gercke  von  der  durch  Seneka  für  den 
Stoiker  Ariston  bezeugten  Verwerfung  der  Einzelvorschriften  und  Be- 
tonung der  Adiaphorie  als  Kriterium  macht.  Nach  Sen.  ep.  94,  7  be- 
rechtigt uns  nichts,  unserem  Stoiker  Ausführungen  darüber,  daß  das 
Alter  kein  Übel  sei  u.  ä.  abzusprechen.  Auch  die  Unvereinbarkeit  der 
öjxoicuiJLaTa  mit  dem  von  Seneka  gekennzeichneten  Standpunkte  läßt  sich 
durchaus  nicht  erweisen. 

Zu  Chrysippos  vergleiche  unten  No.  366. 

Über  die  protreptischen  Schriften  der  älteren  Stoiker  handelt 
48.  Hartlich  in  der  unter  No.  21  angeführten  Arbeit  S.  275—281. 
In  Betracht  kommen  besonders  Ariston  von  Chios,  zu  dessen  aus  Seneka 
u.  a.  zu  gewinnendem  Bilde,  wie  H.  ausführt,  die  Verfasserschaft  eines 
-po-psTiTixo?  wohl  paßt ;  auf  keinen  Fall  läßt  sich  eine  solche  auf  Grund 
von  Sen.  epist.  89,  13  bestreiten.  Weiter  gehören  hierher  Chrysipps 
Bücher  Trapl  tou  TrpoxpsT^eaöai  und  TrpoTpeTtxtxoi. 

Eine    zusammenfassende    Bearbeitung    der    Altstoa    liegt  vor  in 

49.  6sp£tav6s  AiaYpajxjjLa  2x(oix^c  cpiXoaocpiac.  Mepo?  :rpä)Tov  .'Ap)^aia 
cTodf,  'Ev  Tep7£a-7]  1892.  159  S.  Die  Arbeit  ist  mir  nicht  zugegangen. 
Nach  den  Rezensionen  von  Bonhöffer,  Woch.  f.  kl.  Phil.  9  (1892) 
Sp.  1279  ff.  (vgl.  auch  ebenda  10  (1893)  Sp.  197  f.)  und  Wendland, 
Berl.  pWl.  Woch.  13  (1893)  Sp.  593  ff.  ist  dieselbe  für  griechische 
Leser  nützlich,  bietet  aber  dem  Kenner  nichts  Neues. 

Ältere  Kyniker  der  nacharistotelischen  Periode. 

In  diesem  Zusammenhange  ist  auch  über  die  Biou  betreffende 
Litteratur  zu  berichten.  Obwohl  ich  in  diesem  nicht  mit  Wachsmuth  und 
Hense  einen  im  wesentlichen  konsequenten  kynischen  Philosophen,  sondern 
nur  mit  Zeller  und  Hirzel  einen  geistreichen,  philosophisch  beeinflußten 
Litteraten  erblicken  kann,  so  steht  er  doch  in  so  engen  Beziehungen 
zum  Kynismus  und  ist  namentlich  von  solcher  Bedeutung  für  die  Aus- 
bildung der  kynisch-stoischen  Diatribe,  daß  er  hier  einen  Platz  zu  be- 
anspruchen hat. 

Über  Bions  Biographie  bei  Laertios  handelt  Susemihl  in  dem 
unter  No.    183  besprochenen    Aufsatze.     Die    Bion    eingehend   berück- 


Bericht  üb  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistoteliscben Philosophen.  (Praechter.)    15 

sichtigeuden  Arbeiten  von  Hense  (Teletis  reliquiae)  und  Giesecke  sind 
sogleich  zu  berühren.  Viel  für  Biou  Wichtiges  enthalten  auch  die  unter 
No.  42  bis  47  genannten  Arbeiten  über  Ariston.  Weitere  Spuren  bei 
Späteren  verfolgen  die  drei  zunächst   zu   besprechenden  Abhandlungen. 

50.  ß.  Heinze,    De  Horatio    Bionis    imitatore ,    Bonnae  1889. 
(Diss.)  30  S. 

Nach  allgemeineren  Ausführungen  über  Horaz'  Verhältnis  zu 
Bion  und  Menippos  weist  Heinze  bei  ersterem  eine  Reihe  von  Stellen 
nach,  an  welchen  Bion  benutzt  ist,  und  zwar  in  sat.  I  1  und  2  (daß 
aber  hier  die  Abmahnung  von  Ehebruch  ihrer  Begründung  nach  nicht 
epikureisch  sein  könne,  ist  nicht  zuzugeben;  vgl.  Zeller  III  1  S.  448, 
Anm.  2),  II  2  und  3  (99  ff.,  187  ff.);  7  (46  ff.j  epist.  II  2,  146  ff., 
171  ff.  Nicht  richtig  ist,  was  S.  28  über  das  logische  Verhältnis  von 
sat.  II  2,  126  ff.  zum  Vorhergehenden  bemerkt  wird.  Aus  der  Un- 
beständigkeit des  Besitzes  ergiebt  sich  sehr  wohl  die  Forderung  mäßiger 
Lebenshaltung;  wer  sich  an  wenigem  genügen  läßt,  wird  den  Verlust 
des  Besitzes  leichter  tragen.     Damit  fällt  auch  Heinzes  Folgerung. 

Da  das  bionische  Material  zum  grpßen  Teile  aus  griechischen 
Schriftstellern  der  nachhorazischen  Zeit  geschöpft  werden  muß,  widmet 
H.  einen  längeren  Abschnitt  dem  Nachweise,  daß  Beziehungen  auf  die 
römische  Litteratur  bei  den  Griechen  dieser  Zeit  selten,  die  Überein- 
stimmungen jener  Autoren  mit  Horaz  also  nicht  aus  Benutzung  des 
Römers  durch  die  Griechen,  sondern  aus  Abhängigkeit  von  gemeinsamer 
Quelle  herzuleiten  seien.     Dagegen  sucht 

51.  A.  Gercke,  Die  Komposition  der  ersten  Satire  des  Horaz, 
Rhein.  Mus.  48  (1893)  S.  41—52  darzuthun,  daß  Maxim.  '  Tyr.  diss. 
21,  1  auf  Horat.  sat.  I  1,  1  ff.  zurückgehe,  da  der  dem  römischen  Leben 
entnommene  lurisconsnltus  bei  Horaz  in  ot  ä-o  xcGv  oixajTTjpiojv  bei 
Maximos  wiederkehre,  in  den  übrigen  Parallelstellen  aber  fehle.  Der  von 
G.  betonte  Unterschied  zwischen  diesen  beruflichen  Vertretern  der  gericht- 
lichen Sphäre  und  den  an  zwei  Parallelstellen  bei  Lukian  auftretenden 
öixa^oixevot  ist  aber  doch  recht  unerheblich  und  nicht  stark  genug, 
um  Gerckes  auch  sonst  nicht  wahrscheinliche  Vermutung  zu  stützen. 
(Vgl.  auch  Hobein,  De  Max.  Tyr.  quaest.  phil.  sei.  p.  88  f.)  Eben- 
sowenig überzeugend  ist  die  Zurückführung  des  Satzes  Gnom.  Byz.  207 
oid  ^iXap7upiav  (xs-ra  -6vu)v  -jEcDp^cü  /.tX.  auf  Hör.  sat.  I  1,  28 — 30; 
7  f.  G.  hat  sich  hier  durch  den  rein  zufälligen  Anklang  von  xai)'  Spav 
an  horae  momento  beirren  lassen.  Ersteres  bedeutet  aber  nur  „von 
Stunde  zu  Stunde",  und  die  Gnome  steht  zu  Horaz  in  keiner  näheren 
Beziehung  als  die  anderen  von  Heinze  beigebrachten  Parallelen.  Auch 
der  Grund  für  die  Zurückführung  von  Vers    62    auf  Lucilius  ist  nicht 


1 6  Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

zwingend.  Bei  V.  43  halte  ich  es  nicht  für  nötig,  an  den  Haufenschluß  zu 
denken,  um  den  Einwand  des  Geizigen  nicht  kindisch  zu  finden.  Sicher- 
lich recht  aber  hat  G.,  wenn  er  betont,  daß  Horaz  nicht  sklavisch  seine 
Quelle  ausgeschrieben,  sondern  eine  ganze  Reihe  von  Motiveu  ver- 
schiedener Herkunft  in  kunstvoller  Verschlinguug  zu  einem  Ganzen 
vereinigt  hat. 

52.  0.  Hense,  Bionbei  Philen,  Khein.  Mus.  47  (1892)  S.  219—240. 
erklärt  die  Inkonvenienzen  iu  quod.  oran.  prob.  üb.  daraus,  daß  neben 
dem  stoischen  auch  kynisches  Gut  vorliege.  Die  Anekdote  p.  463  M. 
erweist  sich  durch  Vergleichung  mit  Ps.-Plut.  apophth.  Lac.  35  p.  234  b 
und  Sen.  ep.  77,  14  als  wahrscheinlich  bionisch.  Dafür  spricht  der 
dorische  Dialekt,  die  Neigung  zur  Ohscönität  und  die  Beziehung  auf 
Autigonos.  Der  gleichen  Sphäre  gehört  die  folgende  Erzählung  von 
den  dardanischen  Weibern  au.  Die  Quelle  scheint  Bions  Schrift  uepl 
oouXcia;  (Stob.  flor.  2,  38  H.,  39  M.)  zu  sein,  der,  wie  H.  wahrschein- 
lich macht,  auch  die  aufgenommenen  Partien  des  euripideischen  Syleus 
entstammen.  Auch  das  Antisthenescitat  p.  449  g.  E.  könnte  durch 
Bion  vermittelt  sein,  ebenso  der  Vergleich  des  Weisen  mit  dem  Löwen 
p.  451,  den  möglicherweise  Bion  wie  Kleomenes  (Laert.  Diog.  6,  75) 
Metrokies  entlehnt  hat.  Auch  p.  464  f.  trägt  bionischen  Charakter. 
Diese  kynischen  Stellen  bilden  in  der  Hauptsache  eine  ununterbrochene 
Gruppe  (460  Schi. — 466  Auf.).  Ein  besonderes  Interesse  gewinnt 
dieser  Nachweis,  weil  sich  zeigt,  „wie  in  einer  Schrift  des  ersten  Jahr- 
hunderts n.  Chr.  eine  stoische  Vorlage  strenger  Observanz  mit  den 
Fetzen  eines  hedonischen  Kynikers  verbrämt  wird." 

Vgl.  für  Bion  auch  No,  356. 

Von  großer  Bedeutung  auch  für  Bion  ist  die  seinen  Nachahmer 
betreffende  Schrift 

53.  Teletis    reliquiae,    edidit    prolegomena    scripsit    0.  Hense, 
Friburgi  in  Brisgavia  1889.     CIX  u.  96  S.  5  M.  60. 

Diese  Ausgabe  der  bei  Stobaios  erhaltenen  Telesfragmente  ist 
zunächst  ein  Specimen  von  Henses  Ausgabe  des  stobaiischen  Florilegiums, 
deren  erster  Band  inzwischen  erschienen  ist.  Sie  geht  aber  namentlich 
in  ihren  inhaltreichen  Prolegomena  weit  über  diese  Grenze  hinaus 
und  bildet  durch  ihre  auf  reiches  Material  gegründeten  Ausführungen 
über  Bion  und  die  mit  ihm  zusammenhängenden  litterarischen  Er- 
scheinungen eine  Hauptschrift    für    das  Gebiet  der  kynischen  Diatribe. 

Die  Prolegomena  beginnen  mit  einem  Überblick  über  die  kritischen 
Hülfsmittel  der  Edition  (jetzt  eingehender  in  der  Florilegiumsausgabe). 
Ihre  Prüfung  bestätigt  die  schon  von  Wilamowitz  vorgenommene  Aus- 
schließung von  flor.  91,  33  und  93,  31,  Fragmenten,  die  erst  von  Gesner 


Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotclischen Philosophen.  (Praechtcr.)  17 

auf  Grund  eines  nachweislichen  Irrtums  Teles  gegeben  worden  sind. 
Was  Teles'  Person  betrifft,  so  löst  ihn  H.  dadurch,  daß  er  p.  35,  16 
die  von  den  meisten  angenommene  Konjektur  Meinekes  «jaioc  (d.  h. 
Kleanthes)  für  überliefertes  a'jto;  beseitigt  und  dafür  apto;  schreibt, 
aus  dem  Zusammenhange  mit  der  Stoa  und  schafft  für  seine  durch  den 
Inhalt  der  Fragmente  geforderte  Einreihung  unter  die  Kyniker  freie 
Bahn.  Damit  erhält  zugleich  v.  Wilamowitz'  Datierung  der  Schrift 
irepl  TCsviac  (,,in  den  letzten  sechziger  Jahren  des  dritten  Jahrhunderts") 
einen  Stoß.  Ob  dieselbe  aber  auch,  soweit  sie  sich  auf  die  Erwähnung 
des  Ptolemaios  (Philadelphos)  stützt,  dadurch  beseitigt  werden  darf, 
daß  man  mit  Ileuse  29,6  oi6  — 9  KpaTr,-:a  für  Worte  der  Quelle  des 
Teles  erklärt,  bezweifle  ich.  Nach  weiteren  Ausführungen  über  Teles' 
Herkunft  (bemerkenswert  ist,  daß,  von  einigen  Vasen  abgesehen,  unter 
den  Inschriften  nur  megarische  den  Namen  kennen),  Lehrthätigkeit, 
Wert  (er  geht  auf  gute  Autoren  zurück),  philosophische  Richtung  (er 
schließt  sich  nach  H.  völlig  Bion  an  und  vertritt  wie  dieser  einen  durch 
Annäherung  an  den  aristippisch-theodorischen  Standpunkt  gemilderten 
Kynismus)  behandelt  H.  die  wichtige  Frage  nach  den  Quellen  des  Teles. 
Hauptergebnis  ist,  daß  T.  die  von  ihm  augeführten  Schriftsteller  größten- 
teils —  Stilpon  ist  auszunehmen  —  nicht  selbst  eingesehen,  sondern 
nur  durch  Vermittelung  Bions  benutzt  hat,  dem  er  auch  die  Apophthegraen 
des  Diogenes  u.  a.  verdankt.  Dies  führt  zu  einer  eingehenden  Unter- 
suchung über  Bion  (p.  XLVIff.),  aus  welcher  ich  nur  den  Versuch 
hervorhebe,  den  schon  von  Wachsmuth  behaupteten  im  wesentlichen 
rein  kynischen  Charakter  Bions  gegen  den  Widerspruch  einer  Reihe 
von  Apophthegmen  aus  der  von  Laert.  Diog.  überlieferten  Sammlung 
aufrecht  zu  erhalten.  Die  betreffenden  Sätze  waren  nach  H.  in  den 
bionischen  Diatriben ,  aus  welchen  er  die  Apophthegmen  durch  einen 
Leser  zusammengestellt  sein  läßt,  einem  gegnerischen  Mitunterredner 
in  den  Mund  gelegt  und  sind  nur  durch  den  Unverstand  des  Exzerptors 
Bion  selbst  zugeschrieben  worden.  Gegen  diese  Annahme  entscheidet 
aber  m.  E.  neben  4,  51  xou?  <piXou?  xtX,  wo  H.  durch  eine  wenig  glückliche 
Konjektur  den  Anstoß  zu  beseitigen  sucht,  auch  die  Äußerung  über 
Sokrates'  Verhalten  gegen  Alkibiades  4,  49,  eine  Stelle,  auf  welche  auch 
H.  seinen  Satz  nur  mit  Zweifeln  anzuwenden  wagt.  Der  dilemmatisch  zu- 
gespitzte und  dadurch  ungemein  wirkungsvolle  Ausspruch  kann  nicht 
dem  Gegner  gehören.  H.  freilich  meint,  daß  auch  dieser  bei  Bion  mit 
geistreichem  Witze  ausgerüstet  gewesen  sei.  Dafür  müßten  aber  doch 
zunächst  Analogien  aus  dem  Gebiete  der  Diatribe  nachgewiesen  werden. 
Bis  dahin  wird  mau  sich  nicht  entschließen,  in  geistreichen  Pointen, 
wie  sie  für  den  kynischen  Gesprächsführer  vortrefflich  passen,  Waffen 
des  Gegners  zu  erblicken.  Die  Begründung  der  gegnerischen  Ansicht 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    LXXXXVl.  Bd.    (1898.   I.)        2 


18    Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacLaristotelischen Philosophen.  (Praechter.) 

durch  Dichtercitate  kann  man  nicht  hierher  ziehen.  Bei  der  längst 
üblichen  Verwertung  einschlägiger  Dichterstellen  in  der  Behandlung 
ethischer  Fragen  wurde  mit  solchen  Citateu  dem  Gegner  keine  neue 
"Waffe  in  die  Hand  gedrückt,  sondern  nur  eine  solche,  die  ihm  längst 
zur  Verfügung  stand,  belassen,  um  ihre  Ilnbrauchbarkeit  darzuthun. 

Mir  scheint  Henses  Versuch,  Bion  nicht  als  „philosophisch 
schillernden"  Litteraten,  sondern  als  —  von  der  Hinneigung  zu 
Theodoros  abgesehen  —  konsequenten  Kyniker  zu  erweisen,  nicht  ge- 
glückt. Damit  erhält  aber  Teles,  dessen  konsequenteren  philosophischen 
Standpunkt  die  Fragmente  und  seine  Lehrthätigkeit  bezeugen,  Bion 
gegenüber  eine  etwas  selbständigere  Stellung.  Ob  dementsprechend 
auch  für  seine  Schriften  eine  größere  Unabhängigkeit  von  Bion  und 
insbesondere  eine  umfangreichere  direkte  Benutzung  anderer  Quellen 
neben  jenem  anzunehmen  ist,    wage  ich  vorläufig  nicht  zu  entscheiden. 

In  der  Herstellung  des  Textes  war  die  Aufgabe  des  Herausgebers 
um  so  schwieriger,  als  Teles  durch  das  Medium  der  Epitome  des 
Theodoros,  diese  durch  dasjenige  des  stobaiischen  Sammelwerkes  hin- 
durchgegangen ist.  Die  Art,  wie  H.  diese  Aufgabe  erfüllt,  ist  muster- 
haft und  zeugt  von  feinstem  kritischem  Takte.  Zu  p.  20,  3  f.  vgl.  jetzt 
auch  die  von  Giesecke,  de  phil.  vet.  qu.  ad  exil.  sp.  sent.  p.  9  f.  mit- 
geteilte Konjektur  Wachsmuths,  zu  23,  10  f.  (proleg.  p.  LXXXVIII) 
Luc.  de  luct.  21.  Ausführliche  Indices  erhöhen  den  reichen  Nutzen,  der 
aus  dem  Werke  zu  ziehen  ist.  Zu  vergleichen  sind  noch  Henses  Nach- 
trag im  Rhein.  Mus.  47  (1892)  S.  236  Anm.  1,  sowie  die  Besprechungen 
von  V.  Arnim,  Gott.  gel.  Anz.  1890  S.  124—128,  Wendland,  Berl.  phil. 
Woch.  11  (1891)  Sp.  456-459. 

54.  Giesecke  sucht  in  der  unter  No.  24  genannten  Arbeit  S.  3  ff. 
in  den  Resten  von  Teles  uspl  «pu-^^c  das  Stilponische  auszusondern. 
Zur  Lösung  der  Frage,  ob  dieses  Gut  zu  Teles  direkt  oder  durch  Ver- 
mittelung  Bions  oder  auf  beiden  Wegen  gelangt  sei,  prüft  er  das  Stil- 
ponische und  Bionische  in  den  Bruchstücken  von  itepi  (5-a8eia?  und 
Trepl  Toü  ooxsiv  -/.al  toü  elvai  und  bei  Späteren,  um  so  eine  Charakteristik 
beider  in  ihrem  gegenseitigen  Verhältnis  zu  gewinnen.  Ergebnis  der 
Untersuchung  ist,  daß  Teles  Stilpon  teils  direkt,  teils  durch  das  Medium 
Bions  benutzt  hat.  Die  Aufstellungen  Gieseckes  stehen,  wie  das  bei 
der  Beschaffenheit  des  Materials  kaum  anders  sein  kann,  auf  sehr 
schwankem  Boden.  Verfehlt  scheint  mir  S.  4  ff.  die  Behandlung  von 
Trept  cpu^fi?  p.   15,   16  ff.  H. 

55.  G.  Süpfle,  Zur  Geschichte  der  kynischen  Sekte.  Erster 
TeU.  Ai-ch.  f.  Gesch.  d.  Phil.  4  (1891)  8.  414—423.  In  unser 
Gebiet  gehören  Kap.  II  ,,Ist  der  Cyniker  Teles  mit  Recht  als  der 
älteste  Vorfahr   des  geistlichen  Redners  bezeichnet  worden?"    und  III 


Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischfcn Philosophen.  (Praechter.)  19 

„Ist  Cercidas  aus  Megalopolis  ein  Cyniker?"  In  II  wendet  sich  der 
Verfasser  mit  durchaus  unzureichenden  Gründen  gegen  v.  Wilamowitz. 
Teles  habe,  führt  er  ans,  zu  einer  Propaganda  in  größerem  Umfange 
gar  nicht  die  nötigen  Eigenscliaften  besessen,  es  habe  ihm  innere  Be- 
geisterung für  das  Wohl  seiner  Mitmenschen  gefehlt.  Woher  weiß  S. 
das?  Solche  schwer  kontrollierbaren  Dinge  kommen  gar  nicht  in  Be- 
tracht gegenüber  der  feststehenden  Thatsache,  daß  sich  bei  Teles  erst- 
mals Form  und  Inhalt  der  Sitteupredigt  ausgeprägt  finden,  wie  sie  die 
neuere  Forschung  als  Eigentum  der  kynisch-stoischen  Diatribe  bis  in 
die  Kaiserzeit  hinein  nachgewiesen  hat.  Für  diese  Richtung  ist  die 
bionische  Art  viel  zu  charakteristisch,  als  daß  Krates,  den  S.  an  die 
Stelle  des  Teles  setzen  will,  als  ihr  Begründer  in  Frage  kommen  könnte. 
In  III  polemisiert  S.  gegen  Kaibel,  der  (zu  Athen.  8  p.  347  de)  in  Kerkidas 
von  Megalopolis  nach  den  Resten  seiner  Gedichte  (nicht  aber,  wie  S. 
meint,  den  Versen  bei  Athen.  347  d,  die  Eubulos  gehören)  einen  Kyniker 
erkennt.  Einen  Gegengrund  sollen  die  Verse  des  Kerkidas  bei  Laert. 
Diog.  6,  76  f.  abgeben,  wo  Süpfle  namentlich  in  der  Bezeichnung  des 
Diogenes  als  oupavioj  xucuv  Spott  und  Hohn  wittert.  So  sind  die  Verse 
aber  durchaus  nicht  gemeint,  wie  auch  [Diog.]  epist.  7,  1  p.  237  Herch. 
zeigt.  Bemerkenswert  ist  auch,  daß  die  von  Kerkidas  angenommene 
Todesart  des  Diogenes  gerade  diejenige  ist,  an  welche  nach  dem  bei 
Laertios  Folgenden  die  7vcjupi|ji,oi  des  Diogenes  glaubten. 

56.  H.  de  Mu eller,    De  Teletis  elocutione,    Friburgi  Brisig. 
1891  (Diss.)  75  8.  1  M. 

untersucht  die  Fragmente  nach  der  grammatischen,  lexikalischen  und 
stilistischen  Seite.  Die  Arbeit,  die  bei  der  Geringfügigkeit  unseres 
litterarischen  Besitzes  aus  dem  dritten  vorchristlichen  Jahrhundert  auch 
für  die  historische  griechische  Grammatik  von  Bedeutung  ist,  interessiert 
uns  besonders,  insofern  sie  die  Kenntnis  der  kynischen  Diatribe  nach 
Stil  und  Sprachgebrauch  fördert  (wichtig  ist  beispielsweise  das  S.  47  ff. 
Bemerkte).  Vgl.  auch  die  Rezension  Wendlands,  Berl.  phil.  Woch.  12 
(1892)  Sp.  460-461. 

57.  R.  Heinze,  Anacharsis,  Philol.  50  (1891)  S.  458-468, 
behandelt,  von  Lukians  „Anacharsis"  ausgehend,  die  kynische  Prägung 
der  Anacharsisfigur,  wie  sie  in  der  Opposition  gegen  die  Gymnastik 
hei  Lukian,  Dion  Chrys.  und  Laertios,  der  Geringschätzung  der  positiven 
Gesetze  (PInt.  Sol.  5)  und  in  verschiedenen  Zügen  bei  Diodor  9,  26 
hervortritt;  den  gleichen  Charakter  zeigen  die  Apophthegmen  und  die 
falschen  Briefe.  Anacharsis  erscheint  hier  als  naturgemäß  (=  kyuisch) 
lebender  Barbar  dem  überfeinerten  Griechentum  entgegengesetzt.  Heinze 
schließt  auf  eine  kynische  Anacharsisschrift,  die  schon  von  Ephoros  be- 

2^ 


20   Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

nutzt  wurde,  dem  ersten,  bei  welchem  die  Idealisierung  der  Skythen 
in  ausgeführterer  Gestalt  entgegentritt,  dem  ersten  auch,  von  dem  wir 
wissen,  daß  er  A.  zu  den  sieben  "Weisen  zählte;  er  ist  vermutlich 
Quelle  für  die  kynisch  gefärbte  Erzählung  bei  Diod.  9,  26. 

Heinzes  Hypothese  verdient  Beachtung.  Nur  darf  man  nicht  für 
die  Existenz  einer  von  Ephoros  benutzten  kynischen  Anacharsisschrift 
auf  die  Diodorstelle  zu  viel  Grewioht  legen,  da  das  Kynische  sich  hier 
weiter  erstreckt,  als  Anacharsis  in  Frage  kommt  (vgl.  c.  27),  es  aber 
nicht  sehi-  wahrscheinlich  ist,  daß  etwa  die  ausführliche  Erzählung  vom 
Verkehre  auch  der  übrigen  Weisen  mit  Kroisos  in  der  Anacharsisschrift 
gestanden  hätte,  um  so  weniger,  als  Heinze  selbst  darauf  aufmerksam 
macht,  wie  schlecht  die  Anacharsisscene  in  ihren  Einzelheiten  in  die 
Erzählung  von  der  Begegnung  der  sieben  Weisen  mit  Kroisos  hineinpaßt. 

Die  spätere  Entwickelung  des  Stoicismus 

behandelt  allgemein 

58.  Wetzstein,  die  Wandlung  der  stoischen  Lelu'e  unter  ihren 
späteren  Vertretern.  Progr.  Neustrelitz  1892  (17  S.),  1893  (20  S.), 
1894  (21  S.). 

Die  Darstellung  ist  durchaus  abhängig  von  dem  großen  Werke 
Zellers  und  zeigt  eine  bedauerliche  Unkenntnis  der  einschlägigen 
Litteratur. 

Die  mittlere  Stoa 
hat  eine  vortrefiliche  Behandlung  erfahren  in 

59.  A.  Schmekel,  Die  Philosophie  der  mittleren  Stoa  in  ihrem 
geschichtlichen  Zusammenhange  dargestellt.  Berlin  1892  VIII  und 
483  S.     14  M. 

Das  Werk  behandelt  einleitungsweise  die  äußere  Geschichte  der 
mittleren  Stoa,  als  deren  Vertreter  Panaitios,  Poseidonios,  Hekaton, 
Mnesarchos  und  Dionysios  berücksichtigt  werden.  Es  folgt  als  I.  Teil 
die  Besprechung  der  Quellen,  als  II.  die  des  Systems  der  Philosophie, 
als  m.  die  der  Stellung  der  mittleren  Stoa  zur  Vergangenheit  und  zur 
Folgezeit.  Das  Hauptverdienst  der  Arbeit  liegt  im  ersten  und  dritten 
Teil.  In  jenem  wird  die  Frage  nach  den  philosophischen  Quellen  in  den 
hierher  gehörigen  Schriften  Ciceros  in  sehr  glücklicher  Weise  gefördert. 
Die  Ergebnisse  der  eingehenden  Untersuchung  sind  in  der  Hauptsache 
folgende: 

Cic.  de  off.  I  und  II  entsprechen  Panaitios  T.tpl  x.  xaf).  11  und  III. 
Das  erste  Buch  des  letzteren  ist  am  Anfang  des  ciceronianischen 
Werkes  so  gekürzt,  daß  es  nicht  mehr  als  eigenes  Buch  gelten  konnte. 


Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  oacharistoIelischcnPhilosophen.  (Praechter.)  21 

Seinen  Inhalt  versucht  Schm.  nach  Ciceros  Andeutungen  festzustellen. 
In  sorgfältiger  Analyse  von  de  off.  I  und  II  wird  alsdann  das  Gut  des 
Panaitios  von  den  Zusätzen  und  Änderungen  Ciceros  geschieden,  welche 
teils  bezweckten,  die  Darstellung  dem  Gesichtskreise  des  römischen 
Lesers  näher  zu  bringen,  teils  der  Vervollständigung  der  Vorlage  dienten. 
I  c.  3  und  die  Ergänzungen  am  Schlüsse  der  beiden  Bücher  stammen 
ans  Poseidonios,  wie  dies  für  I  c.  3  bereits  Diels  vermutet  hatte.  — 
De  rep.  III  und  de  leg.  I  gehen  auf  eine  gemeinsame  Quelle  zurück, 
und  zwar  Panaitios  (Bonhöffer  Sp.  653  der  unten  anzuführenden  Be- 
sprechung denkt  an  Poseidonios;  aber  die  Annahme  der  Weltewigkeit 
entscheidet  für  Panaitios;  vgl.  auch  Wendland  Sp.  841  seiner  Rezension). 
Auf  die  gleiche  Quelle  sind  wegen  ihres  Verhältnisses  zu  III  auch  de 
rep.  I  und  II  zurückzuführen ,  deren  Abhängigkeit  von  Panaitios  sich 
auch  selbständig  und  ohne  Rücksicht  auf  jenes  Verhältnis  erweisen 
läßt.  —  Daß  Cic.  de  nat.  ^eor.  II  in  seinem  ersten  Teile  und  der 
parallele  Abschnitt  bei  Sextus  auf  Poseidonios  zurückgehen,  wie  schon 
Wendland  ausführte,  bestätigt  eine  eingehende  Analyse  dieser  Partien. 
Ebenfalls  auf  Poseidonios  führt  Schm.  de  nat.  deor.  I  115 — 124  zurück. 
—  Wie  Varros  Seelenlehre,  die  an  der  Hand  der  von  Schm.  S.  117 — 132 
zusammengestellten  Fragmente  von  rer.  divin.  I  wiederherzustellen  ist, 
geht  Cic.  Tusc.  I  in  seinem  ersten  Teile  auf  Poseidonios  zurück,  während 
der  zweite,  abgesehen  von  dem  eingelegten  Abschnitte  über  die  Arten 
der  Bestattung  §  102—108,  nach  Ciceros  Consolatio  gearbeitet  ist, 
die  Krantor  Trspl  ttevSou?  zur  Quelle  hat.  —  Bei  der  Bestreitung  der 
Astrologie  führen  Sextus,  Favorin  und  Augustin  die  gleichen  Argumente 
ins  Feld,  letzterer  schöpft  aus  Cic.  de  fato,  dessen  verlorenen  Anfang 
er  uns  vertritt.  Gemeinsame  Quelle  der  drei  Darstellungen  ist  Kar- 
neades  (vgl.  jetzt  auch  Wendland,  Philos  Schrift  über  die  Vors.  S,  24  ff., 
meine  Bemerkung  Berl.  phU.  Woch.  13  [1893]  Sp.  617,  Boll  in  der 
unter  No.  370  zu  besprechenden  Schrift). 

Im  zweiten  Teile  seines  Werkes  konstruiert  Schm.  aus  den  Quellen 
das  System  eines  jeden  der  genannten  Vertreter  der  Mittelstoa,  w^obei 
neben  ihrem  philosophischen  Standpunkte  auch  das  Verhältnis  zu  den 
Fachwissenschaften  berücksichtigt  wird. 

Der  dritte  Teil  ist  wie  der  erste  von  hervorragender  Bedeutung, 
insofern  hier  einerseits  der  Mittelstoa  in  sehr  überzeugender  Weise  ihre 
Stellung  im  philosophiegeschichtlichen  Kausalzusammenhange  angewiesen, 
andererseits  ihr  großer  Einfluß  auf  die  Folgezeit  auch  außerhalb  der  rein 
philosophischen  Sphäre  dargelegt  wird.  Den  Schlüssel  zum  Verständnis 
ihres  Verhältnisses  zur  Vergangenheit  bildet  die  Polemik  des  Karneades 
gegen  die  Stoa;  sie  veranlaßte  die  Preisgebung  gewisser  Lehren  der 
Altstoa  und  das  Zurückgreifen  auf  platonische  und  aristotelische  Dogmen. 


22  Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

Diese  Umgestaltung  ermöglichte  dann  die  Annäherung  der  Akademie 
an  die  Stoa,  wie  sie  sich  in  Antiochos  vollzog;  an  sie  knüpft  sich  ferner 
die  philosophische  Entwickelung  der  Folgezeit  mit  ihrer  dualistischen 
Entgegensetzung  von  Seele  und  Leib,  Gott  und  Welt,  ihrem  Offen- 
barungsglauben und  ihrer  Hochschätzung  der  Zuhlenspekulation  (doch 
hätte  nicht  diese  ganze  Bewegung,  die  ja  auch  Seneka  und  Musonios 
in  sich  begreift,  schlechtweg  unter  „Mystik"  zusammengefaßt  und 
Epiktet  nach  Bonhöffers  Untersuchungen  nicht  mehr  als  im  wesentlichen 
auf  dem  Standpunkte  des  Poseidonios  stehend  bezeichnet  werden  soUen). 
Wohl  zu  weit  läßt  sich  Schm.  durch  seinen  philosophiegeschichtlichen 
Pragmatismus  führen,  wenn  er  von  den  beiden  Richtungen  innerhalb 
des  Neupythagoreismus  die  stoische  als  „von  Posidonius  ausgegangen" 
bezeichnet  (so  S.  437  unten;  etwas  vorsichtiger  drückt  sich  Schm.  auf 
derselben  Seite  oben  aus);  vgl.  dazu  Wendland  Sp.  872  f.  der  Besprechung. 
Sehr  dankenswert  ist  das  „die  römische  Aufklärung"  überschriebene 
Kapitel,  in  welchem  der  Einfluß  der  Mittel  stoa  auf  weitere  Kreise, 
auf  die  Dichtung,  das  Recht  und  die  Fachwissenschaften  gewürdigt 
wird.  Dasselbe  enthält  einen  wertvollen  Beitrag  zur  allgemeinen  Geistes- 
geschichte und  zeigt,  wie  sehr  das  antike  Leben  in  dieser  Zeit  von  der 
Philosophie  beherrscht  wurde.  Dieses  Feld  der  Kulturgeschichte  bietet 
für  weiteren  Anbau  durch  Einzeluntersuchungen  noch  reichliche  Ge- 
legenheit. 

Im  „Schlüsse"  betont  Schm.  die  Bedeutung  der  Physik  innerhalb 
des  stoischen  Systems  und  bestreitet  Zellers  Auffassung  des  Stoicismus 
als  einer  wesentlich  praktischen  philosophischen  Richtung.  Die  Wahr- 
heit liegt  hier  in  der  Mitte.  Zeller  ist  durch  die  Rücksicht  auf  scharfe 
Periodenteilung  und  -Charakterisierung  zu  weit  geführt  worden,  wenn 
er  den  Sinn  für  rein  wissenschaftliche  Forschung  in  der  Zeit  nach 
Alexander  gebrochen  sein  läßt.  Was  Schm.  S.  474  in  der  Anm.  zu 
S.  473  dagegen  bemerkt,  ist  richtig.  Im  Einklang  mit  jener  Ansicht 
hat  Zeller  die  stoische  Physik  unterschätzt.  Andererseits  scheint  mir 
aber  doch  die  Zellersche  Charakterisierung  in  ihren  Grundzügen  un- 
antastbar und  die  praktische  Tendenz  im  Stoicismus  durchaus  vor- 
herrschend, so  daß  es  verfehlt  wäre,  denselben  mit  Schm.  (S.  473)  den 
Systemen  des  Piaton  und  Aristoteles  an  die  Seite  zu  rücken.  Vgl.  auch 
die  Besprechungen  von  Bonhöffer,  Woch.  f.  klass.  Phil.  9  (1892) 
Sp.  649—655  und  Wendland,  Berl.  phü.  Woch.  12  (1892)  Sp.  839—843; 
869—873. 

Einzelne  Vertreter  der  Mittelstoa  betreffen  folgende  Arbeiten: 

60.     F.  Susemihl,   Zu  Laertios  Diogenes  VII  54,  Rhein.  Mus. 
46  (1891)  S.  326—327. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischcn Philosophen.  (Praechter.)   23 

S.  weist  mit  Recht  den  Schluß  ab,  den  nach  anderen  Luthe  aus 
der  Stelle  gezogen  hat,  daß  Boethos  spätestens  ein  Zeitgenosse  des 
Chrysippos  gewesen  sei.  Es  sei  entweder  ota'fepoixevoc  r.pfji  aGxov  zu 
schreiben  oder  6ia9.  rpo;  auxov  zu  erklären  ,, abweichend  von  ihm". 
Mit  S.  vor  6  fisv  -^ap    eine  Lücke   anzunehmen,    ist  ra.  E.  nicht  nötig. 

Für  Panaitios  vgl.  unten  No.  355.  Poseidonios  betreffend 
behandelt 

61.  F.  Schühlein,  Zu  Posidonius  lihodius,  Freising  1891 
Progr.  S.  1  —  35,  von  den  Poseidonios-Artikeln  bei  Suidas  ausgehend, 
die  beiden  Buchtitel  iJTopta  tj  ixexa  floX-j^iov  und  uspl  tou  (Ly.savo'j  y.al 
Tüiv  xar'  auTov,  in  denen  er  die  Bezeichnungen  zweier  gesonderter  Werke 
nachweist.  Näher  gehe  ich  auf  diese  das  philosophische  Gebiet  kaum 
berührende  Arbeit  nicht  ein;  ebensowenig  auf  den  Aufsatz  von 

62.  A.  Bauer,    Poseidonios    und  Plutarch    über  die  römischen 
Eigennamen,  PhUol.  47  (1889)  S.  242—273. 

Kurz  zu  besprechen  ist 

63.  E.  Wendung,  Zu  Posidonius  und  Varro,  Hermes  28  (1893) 
S.  335 — 353.  Der  Verfasser  weist  nach,  daß  das  durch  von  Arnim 
Hermes  27  (1892)  S.  118  ff.  veröffentlichte  Ineditum  Vaticanum  und 
die  Parallelberichte  bei  Diodor  und  Athenaios  auf  Poseidonios  zurück- 
gehen; von  demselben  sind  auch  die  das  gleiche  Thema,  die  Nach- 
ahmung des  Fremden  durch  die  Römer,  behandelnden  Stellen  bei  Sallust 
und  Strabon  abhängig.  Von  Wichtigkeit  ist,  daß  die  betreffende  Dar- 
stellung auch  von  Varro  benutzt  wurde;  es  bestätigt  sich  also  hier  ein 
Abhängigkeitsverhältnis,  wie  es  auch  auf  dem  Gebiete  philosophischer 
Anschauungen  hervortritt. 

Varro  scheint  nach  W.  der  Vermittler  zwischen  Pos.  und  Sallust 
zu  sein,  während  für  das  Ineditum  Vatic.  und  Diodor  eine  andere, 
rhetorisch  gefärbte  Mittelquelle  anzunehmen  ist,  Athenaios  aber  direkt 
aus  Poseidonios  geschöpft  haben  wird. 

Mit  der  Wiederherstellung  von  Schriften  des  Poseidonios  befassen  sich  : 

64.  Hartlich  in  der  unter  No.  21  behandelten  Schrift  S.  282  ff. 
Die  Hauptgedanken  der  rTpoTps-riy-oi  des  Pos.  sind,  wie  H.  zeigt,  aus 
Senec.  ep.  90,  Cic.  Tusc.  disp.  1,  61  ff.,  68—70;  5,  5  ff.,  womit  auch  Sen. 
ep.  78,  28  verglichen  wird,  de  leg.  1,  60  und  den  Resten  des  ciceronischen 
,,Hortensius"  zu  eruieren,  abgesehen  von  den  Laertiosstellen,  an  welchen 
ausdrückliche  Citate  vorliegen.  Den  Ansichten  von  Corssen  und  Usener 
entgegen  giebt  H.  eine  Abhängigkeit  der  Tuskulanen  von  Poseid. 
Protrept.  nur  für  die  bezeichneten  kürzeren  Partien  zu,  die  nach  ihm 
sich  auch  sonst  als  eingeschoben  verraten.  Bemerkenswert  ist  die  Über- 
einstimmung   des  Pos.    mit    Aristoteles;   das    dcptsTo-TöXi^ov  bei  Strab.  2 


24  Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischenPhilosophen.  (Praechter.) 

p.  104  hätte  aber  H.  nicht  hierher  ziehen  sollen;  damit  ist  etwas  ganz 
anderes  gemeint. 

65.  E.  Martini,  Quaestiones  Posidonianae,  Leipz.  Stud.  XVII 
S.  341 — 401  (auch  als  Dissertation  [Lipsiae  1895]  erschienen),  befaßt 
sich  mit  der  Rekonstruktion  der  meteorologischen  Schriften  des  P.  Nach 
der  ausdrücklichen  Detiuition  des  auf  P.  zurückgehenden  AchiUeus  ver- 
stand P.  unter  \iz-iiopa  die  caelestia,  unter  [xsrapsia  die  sublimia.  Von 
hier  aus  sucht  M.  zu  einer  Scheidung  des  Inhaltes  der  beiden  in  dieses 
Gebiet  gehörigen  Schriften  des  P.,  der  Bücher  Trcpl  [xsTswpcov  und  der 
ji,eTeü)poXo7txT)  oror/eicuji?,  zu  gelangen.  Seine  Ausführungen  fußen  aber 
auf  dem  unhaltbaren  Satze,  die  Quelle  des  Laertios  könne  nicht  das 
ausführliche  Werk  -epl  [xs-rsuipcüv  und  dessen  Epitome  nebeneinander 
citiert  haben.  Damit  glaubt  M.  die  nächstliegende  Annahme,  daß  die 
jjLET.  oToiy.  ein  Auszug  aus  r.  p-e-.  gewesen  sei,  beseitigen  zu  können. 
Es  muß  nun  -.  [it-.  nach  der  erwähnten  Definition  von  den  caelestia 
gehandelt  haben,  wozu  zwei  Fragmente  stimmen.  Ein  Bruchstück  der 
(j-oi-/£itu3tc  führt  ins  Gebiet  der  sublimia.  Diesen  allein,  argumentiert 
M.  weiter,  kann  das  Werk  nicht  gegolten  haben,  da  es  dann  (xstapaio- 
Xo-fixTi  cToi"/.  hätte  betitelt  werden  müssen;  also  umfaßte  es  sublimia 
und  caelestia.  Dagegen  ist  aber  der  Einwand  zu  erheben,  dem  M. 
S.  359  vergeblich  zu  entgehen  sucht,  daß  er  für  -.  [xst.  die  Definition 
des  P.  zu  Grunde  legt,  die  sich  nach  seiner  Ansicht  für  die  |xet.  oroiy. 
als  nicht  maßgebend  erweist,  und  daß  die  von  ihm  getroffene  Er- 
weiterung des  Stoffes  der  "oiy.  jener  Definition  ebenso  widerspricht, 
wie  die  Beschränkung  auf  die  sublimia,  die  er  eben  wegen  dieses  Wider- 
spruches ablehnt. 

Die  Frage,  welcher  unter  den  durch  Poseidonios'  Meteorologie  be- 
einflußten Schriftstellern  für  die  Rekonstruktion  derselben  die  Basis  zu 
bilden  habe,  beantwortet  M.  dahin,  daß  dafür  in  erster  Linie  Kleomedes 
in  Betracht  komme,  der  seine  Abhängigkeit  von  Pos.  selbst  bezeugt 
in  einer  Bemerkung,  deren  Echtheit  M.  verteidigt;  erst  an  zweiter 
Stelle  sind  Achilleus,  Plinius  und  Gemiuos  heranzuziehen.  Plinius  geht 
möglicherweise  nur  durch  Vermittelung  VaiTos  auf  P.  zurück,  zudem 
wird  seine  Brauchbarkeit  durch  unklare  Ausdrucksweise  und  Mangel 
an  Sachkenntnis  beeinträchtigt;  die  beiden  anderen  geben,  wie  M.  auch 
für  Geminos  gegen  Blaß  zu  erweisen  sucht,  das  poseidonische  Gut  nicht 
nnvermischt  wieder.  Vgl.  auch  die  Besprechung  von  Susemihl,  Berl. 
philol.  Woch.  17  (1897)  Sp.  35—37  und  No.  68  und  69. 

Einzelne  Punkte  der  Lehre  des  P.  behandeln: 

66.  0.  Apelt,  Beiträge  zui-  Geschichte  der  griechischen  Philo- 
sophie, Leipzig  1891,  S.  287—337:  Die  stoischen  Definitionen  der  Affekte 
und  Poseidonios  (Wiederabdruck  aus  den  Jahrb.  1885  S.  513 — 550)  und 


Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)  25 

67.  Fr.  BoU,  der  in  der  unter  No.  370  besprochenen  Arbeit 
S.  181  ff.  den  Nachweis  führt,  daß  Poseidouios  der  auf  die  Ver- 
schiedenheit der  Völkersitten  bei  gleicher  Nativität  einzelner  Individuen 
aus  den  verschiedenen  Völkern  begründeten  Polemik  des  Karneades 
gegen  die  Astrologie  durch  die  Behauptung  zu  begegnen  suchte,  die 
einheitliche  Eigenart  eines  jeden  Volkes  erkläre  sich  aus  der  Herrschaft 
eines  gewissen  Sternbildes  über  dasselbe. 

Ganz  besonders  sind  durch  die  Forschungen  unserer  Berichts- 
periode die  Einwirkungen  des  P.  auf  Spätere  in  helleres  Licht 
getreten;  vgl.  No.  23  a.  E.  63.  65.  121.  195.  207.  359.  370  und 
Wendland,  Philos  Schrift  über  die  Vorsehung,  der  für  Philon  Trepl 
irpovoiac  Benutzung  des  Poseidonios  wahrscheinlich  macht  (und  zwar 
führt  einiges  speziell  auf  den  9U!jix6c  X070;  des  Pos.,  vgl.  Wendland 
S.  84).     Hierher  gehört  auch 

68.  Fr.  Malchin,  De  auctoribus  quibusdam,  qui  Posidonii 
libros  meteorologicos  adhibuerunt,  Rostochii  1893  (Diss.)  57  S.  Durch 
Vergleichung  des  Manilius  mit  Geniinos,  Achilleus  und  Ps.-Aristoteles 
TTspl  x6j(xou  gelangt  der  Verfasser  zu  dem  Ergebnis,  daß  Manilius  Po- 
seidonios' |jL£T£a)po>v07ixri  oToi^^eicuaij  (oder  dessen  Schrift  Ttepl  [xs-reojpüjv) 
benutzt  habe.  Das  Übereintreffen  des  Manilius  mit  Poseidonios'  Theorie 
in  Cic.  de  divin.  I  bestimmt  Malchin,  auch  Verwertung  der  Schrift 
-spl  ixavTixTjC  anzunehmen.  Doch  könnte  Manilius  die  Lehren  über  Mantik 
auch  in  seiner  meteorologischen  Vorlage  gefunden  haben  (besonders 
wenn  man  als  solche  das  ausführlichere  Werk  des  Pos.  betrachtet), 
wie  dies  ja  Malchin  selbst  für  die  mit  Tiepi  dsuiv  übereinstimmenden 
Partien  annimmt  (Exkurs  I).  Arat  ist  nach  Malchin  von  Manilius  in 
einer  kommentierten  Ausgabe  benutzt,  vielleicht  derselben,  welche  auch 
Germanikus  vorgelegen  hat.  Daneben  aber  giebt  M.  auch  Bekannt- 
schaft des  Manilius  mit  dem  Gedichte  des  Germanikus  selbst  zu 
(Exkurs  II).  Die  auf  Hipparch  zurückgehende  Kolurentheorie  bei 
Manilius  ist  nach  M.  nicht  durch  Poseidonios  vermittelt  (Exkurs  III). 
Vgl.  auch  die  Besprechung  von  Günther,  Berl.  phil.  Woch.  14 
(1894)  Sp.  778  f.  und  Boll,  Stud.  über  Claud.  Ptol.  S.  218  ff. 
(s.  unten  No.  370),  der,  Malchins  Arbeit  ergänzend,  zeigt,  daß 
Manilius  auch  in  seinen  philosophischen  Partien  und  seiner  astrolo- 
gischen Geographie  von  Poseidonios  abhängig  ist.  Mit  Geminos  befaßt 
sich  eingehender 

69.  K.  Manitius,  Des  Geminos  Isagoge  nach  Inhalt  und  Dar- 
stellung kritisch  beleuchtet.  Comraent.  Fleckeis.,  Lips.  1890, 
p.  93—119. 


26   Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

Schon  Blaß  hatte  aus  den  in  der  Isagoge  vorkommenden  groben 
Irrtümern  geschlossen,  daß  der  Verfasser  nicht  ein  Schüler  des  Posei- 
donios  gewesen  sein  könne.  Er  hält  ihn  für  einen  der  Kompendien- 
schreiber der  ersten  Jahrhunderte  nach  Chr.  Auf  diesem  Ergebnis 
fußend  kommt  Manitius  zu  der  Ansicht,  daß  die  Isagoge  das  Werk 
eines  ungenannten  Korapendienverfassers  aus  den  ersten  Jahr- 
hunderten nach  Chr.  sei,  welcher  mehr ere  Quellen,  darunter  auch  die 
fiETEiüpoXo^txa  des  Poseidonios,  die  er  aber  vielleicht  nur  in  dem  Aus- 
zuge des  Geminos  benutzte,  unter  Einfügung  eigener  Zuthaten  exzer- 
pierte. Manitius  macht  wahrscheinlich,  daß  der  Name  des  Geminos  erst 
in  unseren  Hss,  deren  älteste  dem  Ende  des  14.  Jahrh.  angehört,  mit 
der  Schrift  verknüpft  ist.  Die  schlechte  Anordnung,  in  welcher  uns 
das  Werk  überliefert  ist,  fällt  möglicherweise  den  Abschreibern  zur 
Last,  der  Verfasser  selbst  aber  hat  sich  jedenfalls  die  zahlreichen  zum 
Eufe  eines  tüchtigen  Mathematikers  und  Astronomen  nicht  passenden 
Versehen  zu  Schulden  kommen  lassen,  welche  S.  109  ff.  von  Manitius 
nachgewiesen  werden.  Abweichend  hiervon  hält  Martini  in  der  unter 
No.  65  besprochenen  Arbeit  an  dem  Astronomen  als  Verfasser  der 
Isagoge  fest.  In  derselben  legte  nach  ihm  G.  seine  eigenen  meteoro- 
logischen Anschauungen  nieder,  allerdings  mit  Berücksichtigung  des 
Poseidonios  und  seiner  eigenen  e^i^YTjjtc  tüiv  riojstöwvtou  {xe-^eujpoXo'yixüiv, 
eines  Kommentars,  wie  M.  annimmt,  zu  einer  der  meteorologischen 
Schriften  des  P.  Die  Behauptung,  daß  diese  Schrift  nur  die  [xex.  uTor/., 
nicht  das  Werk  tt.  [xet.  gewesen  sein  könne,  fällt,  soweit  sie  die  oben 
zurückgewiesene  Scheidung  zwischen  den  Stoffen  beider  Werke  zur 
Voraussetzung  hat,  mit  dieser.  Annehmbarer,  aber  natürlich  auch  nicht 
entscheidend  ist  das  andere  Argument,  daß  die  kürzere  axor/eitüuic 
eher  als  die  ausführlichere  Schrift  zur  Kommentierung  einladen  mußte. 
Von  diesem  Kommentare  fertigte  der  Verfasser  selbst  einen  von 
Alexander  von  Aphrodisias  (bei  Simplikios)  benutzten  Auszug  (vgl. 
jedoch  Kroll,  Woch.  f.  klass.  Phil.  13  [1896]  Sp.  1011).  Auch  dieser 
ist  also  mit  der  Isagoge  nicht  identisch.  Die  gleiche  Person  wie  der 
Verfasser  dieser  Werke  ist  nach  M.  der  Mathematiker  Geminos.  Zu 
diesem  letzteren  Ergebnis  gelangt  in  eingehenderer  Untersuchung  auch 

70.  C.  Tittel,  De  Gemini  Stoici  studiis  mathematicis  quaestiones 
philologae,  Lipsiae  1895  (Diss.)  84  S.,  auf  Grund  einer  Prüfung  der 
S.  7 — 31  (vgl.  auch  S.  59 — 62)  behandelten  Fragmente  aus  der  mathe- 
matischen Schrift  des  G.  Dieselbe  war  nach  Tittel  eine  systematisch 
angelegte  Encyklopädie  der  gesamten  mathematischen  Wissenschaft  und 
kennzeichnete  sich  als  das  Werk  nicht  eines  wissenschaftlich  bahn- 
brechenden Geistes,  wohl  aber  eines  getreuen  Referenten  über  frühere 
und  gleichzeitige  Theorien. 


Bericht  üb.  d.Litteraturzu  d.  nacharistotelischenPhilosophen.(Praechter.)  27 

Die  spätere  Stoa  im  allgemeinen 

betrifft  folgende  Arbeit: 

71.  Fr.  Yollmann,  Über  das  Verhältnis  der  späteren  Stoa  zur 
Sklaverei  im  römischen  Reiche.  Stadtamhof  1890.  (Progr.  d.  Gymn. 
z.  Regensburg.)  98  S.  75  Pf. 

Der  Verfasser  spricht  dem  Stoicismus  ein  wesentliches  Verdienst 
zu  um  die  im  Laufe  der  beiden  ersten  Jahrhunderte  der  Kaiserzeit 
eintretende  Besserung  im  Lose  der  Sklaven.  Zur  Begründung  seiner 
Ansicht  behandelt  er  zunächst  das  Verhältnis  der  stoischen  Lehre  zur 
Sklaverei,  untersucht  alsdann,  ob  der  Stoicismus  in  damaliger  Zeit  ein- 
flußreich genug  war,  um  zu  einer  Wandlung  im  Schicksale  der  Sklaven 
wesentlich  beizutragen  uud  beantwortet  schließlich  die  Frage,  in  welchen 
Punkten  eine  Besserung  des  Sklavenloses  eingetreten  sei.  Als  Ver- 
mittler zwischen  der  stoischen  Lehre  und  der  Praxis  betrachtet  der 
Verfasser  die  Gebildeten  überhaupt,  insbesondere  die  für  die  Gesetz- 
gebung maßgebenden  Faktoren,  die  Kaiser,  den  Senat  und  die  großen 
Eechtsgelehrten  dieser  Zeit,  und  legt  die  Beeinflussung  dieser  Faktoren 
durch  den  Stoicismus  im  einzelnen  dar.  Ein  Moment  in  der  Besserung 
der  Lage  der  Sklaven  erkennt  er  in  dem  seiner  Ansicht  nach  auf 
Hadriau  zurückzuführenden  Übergang  von  Sklaven  in  den  Stand  persön- 
lich freier,  aber  an  das  Grundstück  gebundener  Pächter  und  widmet  in 
diesem  Zusammenhange  der  Entstehung  des  römischen  Kolonats  eine 
umfangreiche  Untersuchung. 

Man  wird  sich  trotz  mancherlei  Ausstellungen  im  einzelnen  —  so  ist 
beispielsweise  S.  18  ein  Satz  (No.  38  Schenkl)  der  ps.  -  epiktetischen 
Gnomensammlung  als  epiktetisch  angesprochen  —  mit  den  Ausführungen 
des  Verfassers  im  ganzen  einverstanden  erklären  können  (den  Abschnitt 
über  den  Kolonat  lasse  ich  unberücksichtigt).  Allerdings  hätte  zuge- 
geben werden  sollen,  daß  der  Satz  von  der  Adiaphorie  alles  Äußeren 
einer  praktisch-humanitären  Wirkung  der  Stoa  zunächst  entgegenstand; 
nur  lag  es  in  der  Natur  der  Sache,  daß  besonders  Leute  des  praktischen 
Lebens,  auf  welche  der  Stoicismus  Einfluß  gewann,  weniger  mit  diesem 
Satze  als  mit  anderen  einer  solchen  Wirksamkeit  günstigeren  Ernst 
machten.  Als  charakteristisch  für  die  veränderten  Anschauungen  dem 
Sklaventum  gegenüber  hätten  noch  die  Vorgänge  im  Prozeß  gegen  die 
Sklaven  des  Pedanius  Sekundus  (Tac.  ann.  14,  42  ff.)  Erwähnung 
verdient. 

Zu  den  einzelnen  Vertretern  der  Jungstoa  übergehend  behandele 
ich  zunächst  die  Litteratur  über 


28  Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

Seneka. 
Alle  im  engeren  Sinne  philologischen,  besonders  die  textkritischen 
Arbeiten  sind  einem  anderen  Berichte  vorbehalten.  Auf  der  Grenze 
stehen  einige  Abhandlungen,  die  ich,  eben  weil  sie  auch  die  sachlich- 
philosophische  Seite  von  Senekas  Schriftstellerei  berühren,  hier  kurz 
erwähnen  muß. 

72.  H.  Hilgenfeld,  L.  Annaei  Senecae  epistulae  morales  quo 
ordine  et  quo  tempore  sint  scriptae  collectae  editae,  Jahrb.  Suppl.- 
Bd.  17  (1890)  S.  599—684,  kommt  deshalb  hier  in  Betracht,  weil  in 
den  einzelnen  Briefen  und  Büchern  gewisse  Gedanken  als  Leitmotive 
hervorgehoben  werden,  an  deren  Hand  H.  Gruppen  mit  einheitlichem 
Grandthema  scheiden  zu  können  glaubt.  Allein  die  Aufstellung  dieser 
einheitlichen  leitenden  Grundgedanken  ist  meistens  willkürlich  und  der 
Zusammenhang  zwischen  den  Briefen  bezw.  Büchern  künstlich  konstruiert. 

73.  W.  Allers,    Noch    einmal  die  Buchfolge  in  Senecas  Natu- 
rales quaestiones,  Jahrb.  145  (1892)  S.  621—632, 

zieht  zur  Lösung  der  Frage  ein  neues  Kriterium,  die  Anordnung  in  ver- 
wandten Darstellungen,  zu  Hülfe  und  vergleicht  mit  Senekas  Werk 
Aristoteles'  Meteorologie,  die  Schrift  icspl  xojjxou,  die  doxographische 
Litteratur,  Laertios  über  die  stoische  und  epikureische  Physik,  Lukrez 
und  Plinius.  Diese  Vergleichung  und  innere  Gründe  führen  den  Ver- 
fasser auf  die  Anordnung:  IIa  (=n  1—11),  VU  I  IVb  (=IV  3—13) 
V  VI  IIb  (=  H  12-Schluß)  III  IV a  (-=  IV  praef.  —  c.  2).  Diese 
Bachfolge  liegt  derjenigen  sehi'  nahe,  welche 

74.  G.  Gundermann,  Die  Buchfolge  in  Senecas  Naturales 
quaestiones,    Jahrb.  141   (1890)    S.  351—360   aufstellt  (VII  I  IVb  V 

VI  n  in  IV a). 

75.  Joh.  Fr.  Schinnerer,  Über  Senekas  Schrift  an  Marcia, 
Hof  1889  Progr.  19  S. ,  stellt  nach  einer  kurzen  Übersicht  über  die 
Trostschriftenlitteratur  der  Alten  zusammen,  was  sich  über  die  Familien- 
verhältnisse der  Marcia  in  Erfahrung  bringen  läßt  und  bestimmt  aus 
m.  E.  unzureichenden  Gründen  die  Abfassungszeit  der  Schrift  auf  das 
Ende  der  Regierung  des  Kaligula.  Seh.  weist  sodann  mehrere  von 
Seneka  benutzte  Quellen  nach  und  giebt  eine  nicht  immer  glückliche 
Kritik  des  Inhalts  und  der  Form  der  Schrift.  Erfolg,  meint  er,  scheine 
dieselbe  nicht  gehabt  zu  haben.  Doch  läßt  sich  dies  weder  aus  den 
von  Seh.  vorgebrachten  allgemeinen  Erwägungen,  noch  aus  der  von  ihm 
angeführten  Stelle  ad  Helv.  16,  2  schließen. 

Den  Übergang  zu  den  ausschließlich  in  unser  Gebiet  fallenden 
Arbeiten  möge  bilden 

76.  O.  Hense,    Seneca   und    Athenodorus.    Univ.-Progr.    Frei- 
burg i.  Br.  1893.     48  S.  1  M. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)  29 

Schon  von  anderen  ist    festgestellt  worden,    daß    de    const,    sap. 
und  de  tranqu.  an.  zwischen  41  und  62  nach  Chr.  fallen.     Hense  ver- 
sucht für  de  tranqu.  an.  eine  engere  Begrenzung.     Einen  Anhaltspunkt 
giebt  das   wärmere  Freundschaftsverhältnis  mit  Serenus,    aus   welchem 
unter  Berücksichtigung  von  ep.  63,  14  gefolgert  wird,   daß  die  Schrift 
später  fällt  als  de  const.  sap.,  wo  Serenus  der  Stoa  und  Seneka  ferner 
steht.     Ein  weiteres  Argument    liegt   in    dem  verschiedenen  Verhältnis 
der  beiden  Schriften  zu    dem  Idealbilde    des    stoischen  Weisen,    dessen 
"Wirklichkeit  in  de  const.    sap.  behauptet,    in    de  tranqu.  an.  geleugnet 
wird,  eine  Differenz,  die  sich  bei  Ansetzung  des  letzteren  Werkes  als  des 
späteren  am  leichtesten  aus  einer  Serenus  gemachten  Konzession,  sowie  aus 
einer  Dämpfung  des  stoischen  ethischen  Idealismus  erklärt,  den  die  Er- 
eignisse der  letzten  Jahre  vor  Senekas  Rücktritt  vom  politischen  Leben 
herbeigeführt  haben  mögen.     Dazu  stimmt,    daß    auch    in    dem  Urteile 
über    Notwendigkeit    oder    Entbehrlichkeit    politischer    Bethätigung    de 
tranqu.  ein  Vorbote  von  de  otio  ist.     Die  Bekämpfung  des  unbedingten 
otium  in  de  tranqu.  nötigt  aber  nach  Hense,    einen    zeitlichen  Abstand 
von  einigen  Jahren  zwischen    beiden  Schriften  anzunehmen.     Er  erhält 
so  als  Ansatz  für  de  tranqu.  das  Ende  der  fünfziger  Jahre.     Daß  seine 
Beweisführung  nicht  durchaus  zwingend    ist    (so    ist    beispielsweise  der 
Grund    für    die  Annahme    eines    längeren  Zwischenraumes  zwischen  de 
tranqu.    und  de  otio    keinesw'egs    durchschlagend),    liegt    in    der  Natur 
des  Materials.     Immerhin    wird    man    zugeben    müssen,    daß  H.  seinen 
Ansatz  zu  einem  hohen  Grade  von  Wahrscheinlichkeit  erhoben  hat. 

Ein  zweiter  Abschnitt  der  Arbeit  betrifft  die  Frage,  welcher  von 
den  den  Namen  Athenodoros  tragenden  Philosophen  der  von  Seneka 
citierte  sei.  Der  gewöhnlichen  Ansicht,  es  handle  sich  um  den  be- 
kannten philosophischen  Lehrer  des  Äugustus,  steht  dessen  in  hohem 
Alter  ausgeübte  politische  Thätigkeit  entgegen,  die  der  den  Athenodoros 
Senekas  charakterisierenden  Abneigung  gegen  das  politische  Leben 
widerspricht,  während  auf  letzteren  alles  paßt,  was  wir  in  dieser  Hin- 
sicht von  Athenodoros  Kordylion  wissen.  Gleichwohl  entscheidet  sich 
auch  Hense  für  den  Freund  des  Äugustus  und  zwar  deshalb,  weil 
Seneka  auch  den  andern  philosophischen  Freund  des  Kaisers,  Areios 
Didymos  berücksichtigt  und  sich  auch  sonst  mit  den  Verhältnissen  des 
Äugustus  und  seines  Kreises  vertraut  zeigt,  so  daß  bei  einem  von 
Seneka  ohne  nähere  Bezeichnung  citierten  A.  an  keinen  anderen  als 
diesen  zu  denken  sei.  Entschieden  ist  die  Frage  durch  dieses  Argument 
(vgl.  auch  Zeller  III  1  S.  586  in  der  Anm.  zu  S.  585)  freilich  nicht, 
wenn  auch  zuzugeben  ist,  daß  die  Wahrscheinlichkeit  für  Hense  spricht. 
Wir  wissen  indes  nicht,  ob  nicht  A.  Kordylion  als  stoischer  Schrift- 
steller so  bekannt  war,  daß  man  bei  Citaten  ohne  nähere  Bezeichnung 


30  Bericht  üb.  d  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

zunächst  an  ihn  dachte.  Recht  hat  H.  jedenfalls,  wenn  er  dem  Wider- 
spruch zwischen  den  von  Seneka  überlieferten  Sätzen  und  dem  politischen 
Eingreifen  des  Augusters  kein  Gewicht  beimißt. 

Weiter  befaßt  sich  H.  mit  der  Frage  nach  den  Quellen  von  de 
tranqn.  an.  Beachtenswert  als  Beweisgrund  dafür,  daß  Demokrit  nur 
indirekt  benutzt  ist  (gegen  Hirzel),  ist  die  übereinstimmende  Verkürzung 
von  Demoer.  fragm.  163  Nat.  bei  Senec.  de  tranqu.  an.  13,  1  und 
Flut,  de  tranqu.  an.  p.  465  c.  Allerdings  ist  Zufall  hier  keineswegs 
ausgeschlossen.  Daß  die  Quelle  Senekas  eine  stoische  war,  ist  jeden- 
falls die  nächstliegende  Annahme,  und  Hense  macht  wahrscheinlich, 
daß  insbesondere  Athenodoros  mehr  herangezogen  worden  ist,  als  es 
nach  dem  nur  zweimaligen  Citat  den  Anschein  hat.  Einer  genaueren 
Feststellung  seines  Eigentums  steht  aber,  wie  H.  zeigt,  der  Umstand 
im  Wege,  daß  Athenodoros  sich  allem  nach  mit  Panaitios,  der  gleich- 
falls als  Quelle  für  de  tranqu,  an.  in  erster  Linie  in  Betracht  kommt, 
in  seiner  philosophischen  Eichtuug  eng  berührte.  Das  Wahrscheinlichste 
ist  nach  Henses  überzeugenden  Ausführungen,  daß  Seneka  wie  ander- 
wärts so  auch  hier  aus  mehreren  Quellen  geschöpft  hat.  —  Der  Schluß 
der  Arbeit  ist  der  Behandlung  einzelner  Stellen  aus  de  tranq.  an.  ge- 
widmet. —  Die  Ansetzung  der  Schrift  in  die  neronische  Zeit  (etwa  59 
n.  Chr.)  erhält  eine  Bestätigung  durch  die  von 

77.  0.  Hense,  Zu  Seneca  de  tranquillitate  animi,  Rhein.  Mus. 
49  (1894)  S.  174 — 175  hervorgehobene  Übereinstimmung  von  de  tranq. 
an.  4,  3  mit  de  dem.   1,  26,  2. 

Weitere  Beiträge  zur  Frage  nach  Senekas  Quellen  und  seinem 
Verhältnis  zu  denselben  enthalten  folgende  Arbeiten: 

78.  E.  Thomas,  Über  Bruchstücke  griechischer  Philosophie  bei 
dem  Philosophen  L.  Annaeus  Seneca,  Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos.  4  (1891) 
S.  557 — 573.  Unser  Gebiet  berühren  Abschnitt  II  (Epikur  bei  Senec. 
epist.  mor.  114  [16J  7—9)  und  III  (Epikurische  Anklänge  bei  Seneca 
de  tranq.  an.  9,  2  und  epist.  mor.  XX  2  [119],  12;  de  brev.  vit. 
7,  3  und  20,  3;  epist.  mor.  Vn  1  [63],  7;  XVin  2  [105],  7—8; 
XIX  6  [115]  1.  2.  18).  In  dem  ersteren  Abschnitt  erklärt  Th.  gegen 
Usener  mit  Recht  die  15.  der  xupiai  So^oct  für  die  alleinige  unmittelbare 
Vorlage  der  genannten  Paragraphen,  soweit  sie  epikurisches  Eigentum 
enthalten.  Dankenswert  sind  besonders  die  zur  Begründung  dieser  An- 
sicht mitgeteilten  Beobachtungen  über  Senekas  Verfahren  in  der  Wieder- 
gabe griechischer  Quellen.  In  dem  letztgenannten  Abschnitt  werden 
weitere  Anklänge  an  Epikur  bei  Seneka  nachgewiesen. 

79.  J.  Müller,  Über  die  Originalität  der  Naturales  quae- 
stiones  Senecas,  Eestgr.  a.  Innsbruck  an  die  42.  Vers,  deutscher  Phil, 
u.  Schnlm.  in  Wien,  Innsbruck  1893  S.  1—20. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)  31 

Der  Verfasser  wendet  sich  gegen  die  1  Überschätzung  der  natur- 
wissenschaftlichen Abhandlungen  Senekas  durch  Nehring  (Wolfenbütt. 
Progr.  1873  und  1876)  und  Günther  (Gesch.  d.  Math.  u.  d.  Naturw. 
im  Altert.)  mit  dem  Hinweis  auf  Senekas  Abhängigkeit  von  gi'iechischen 
Forschern  und  die  verworrene  Art,  wie  er  Exzerpte  aus  jenen  Quellen 
verarbeitet.     Dagegen  behauptet 

80.  A.  Nehring,  Über  die  Originalität  von  Senecas  naturales 
quaestiones,  Jahrb.  147  (1893)  S.  718— 720,  die  Abhängigkeit  Senekas 
von  griechischen  Quellen  hinlänglich  betont  und  zu  einer  Überschätzung 
seiner  naturwissenschaftlichen  Schriftstellerei  keinen  Anlaß  gegeben  zu 
haben.  Für  Nehring  tritt  ein  Günther  in  der  2.  Aufl.  des  genannten 
Werkes  S.  292  Anm.  5. 

*81.  K.  "Wünsch,  Über  die  naturales  quaestiones  des  Philosophen 
Seneca,  Prag  1895.     Progr. 

82.  Hartlich  (s.  o.  No.  21)  S.  305—308  bespricht  Senekas 
Exhortationes ,  für  welche  er  dialogischen  Aufbau  und  Benutzung  von 
Ciceros  Hortensius  zu  erweisen  sucht. 

Auf  Senekas  philosophischen  Standpunkt  beziehen  sich 

*83.     F.  Becker,    Die    sittlichen  Grundanschauungen  Senekas. 
Ein  Beitrag  zur  Würdigung  der  stoischen  Ethik,  Köln  1893.    Pr. 

84.  Dorison,  Quid  de  dementia  senserit  L.  Annaeus  Seneca, 
Cadomi  1892.  D.  wendet  sich  nach  einigen  Bemerkungen  über  die  An- 
lage der  Schrift  de  dementia  in  Kap.  2  zu  der  Frage  nach  der  Ab- 
fassungszeit. Daß  dieselbe  zwischen  Dez.  55  und  Dez.  56  nach  Chr. 
fällt,  steht  nach  1,  9,  1  fest.  D.  versucht  eine  engere  Begrenzung. 
Daß  Nero  in  dem  späteren  Teile  jenes  Zeitraumes,  d.  h.  gegen  Ende 
seines  19.  Lebensjahres  nicht  mehr  als  duodevicesimum  egressus  annum 
bezeichnet  werden  konnte,  ist  richtig.  Wenn  D.  aber  in  de  dem.  1, 
3,  3  eine  Anspielung  auf  die  Tac.  ann.  13,  25  erzählten  Ereignisse 
erblickt  und  meint,  daß  eine  solche  am  passendsten  in  die  Zeit 
verlegt  werde,  in  welcher  Nero  als  Urheber  des  nächtlichen  Unfugs 
bekannt  wurde,  so  erscheint  mir  schon  eine  solche  Anspielung  nach 
der  ganzen  Fassung  der  Senekastelle  nicht  eben  wahrscheinlich  und 
auch  die  weitere  Schlußfolgerung  nicht  zwingend.  Ebensowenig  läßt 
sich  aus  1,  1,  6  gewinnen,  wo  das  von  Lipsius  vor  gustum  eingefügte 
anni  doch  eine  sehr  unsichere  Basis  für  chronologische  Folgerungen  abgiebt. 
Den  Ausführungen  über  Veranlassung  und  Zweck  der  Schrift  (S.  21  flf.) 
wird  man  beistimmen  können,  nur  vermag  ich  wieder  die  Verbindung, 
in  welche  1,  20,  2  mit  Tac.  ann.  13,  20  gebracht  ist,  nicht  zu  billigen. 
Kap.  3 — 5  befassen  sich  mit  Senekas  Lehre  über  die  dementia.  Man 
vermißt   hier    ein    tieferes  Eingehen  auf  die  Quellen  dieser  Lehre  und 


32  Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

den  Versuch,  Senekas  Schrift  in  den  Zusammenhang  der  antiken  Königs- 
spiegellitteratur  einzureihen.  Das  Bild  des  Tyrannen  stammt  gewiß 
nicht,  wie  D.  S.  81  meint,  lediglich  aus  Senekas  eigenen  geschichtlichen 
Kenntnissen,  und  ebenso  zeigen  sich  auch  sonst  Anklänge  an  verwandte 
Litteratur  (Kenntnis  Piatons  giebt  der  Verfasser  S.  81  zu  und  spricht 
S.  87  von  einer  tyranni  imago  quasi  platonicis  verbis  descripta).  Aus 
Kap.  6  (Kritik  der  Schrift  nach  der  Seite  ihres  Lehrgehaltes)  ist  die 
Vergleichung  des  Standpunktes  Senekas  mit  demjenigen  des  Mark  Aurel 
hervorzuheben.  Eigentümlich  berührt  S.  106  der  Satz:  si  vere  accessis- 
sent  ad  rempublicam,  decebat  Stoicos  quocumque  modo  favere  optima- 
libus,  quoniam  iis  homines  in  sapientes  ac  stultos  distribuere  placuerit. 
In  Kap.  7  wird  zur  richtigen  Beurteilung  des  von  Seneka  in  der  Schrift 
angeschlagenen  panegyrischen  Tones  mit  Recht  auf  die  politischen  und 
pädagogischen  Gründe,  die  für  denselben  maßgebend  sein  konnten,  sowie 
auf  die  seit  Augustus  den  Kaisern  gegenüber  zur  Gewohnheit  gewordene 
Sprache  hingewiesen.  Manche  Stellen  zeugen  nach  D.  von  entschiedenem 
Mut.  Es  scheint  mir  aber  auch  hier  wieder  sehr  fraglich,  ob  das,  was 
D.  für  Anspielung  hält,  als  solche  von  Seneka  gemeint  und  von  Nero 
empfunden  wurde.  Der  Schluß  der  Arbeit  behandelt  das  Verhältnis 
von  de  dementia  zu  de  ira,  den  Stil  der  Schrift,  das  Verhältnis  be- 
deutender römischer  Staatsmänner  zur  stoischen  Philosophie,  die  Be- 
deutung des  Werkes  de  dementia  als  Rechtfertigung  der  stoischen 
Philosophie  und  des  stoischen  kaiserlichen  Ministers  und  als  Zeugnis 
des  Geistes,  der  später  im  Zeitalter  der  Antonine  glückliche  Zeiten  über 
Rom  heraufführte. 

Senekas  Schrift  ad  Helviam  matr.  analysiert 

85.  Giesecke,  (s.  o.  No.  24)  S.  100  ff.  mit  dem  Ergebnis,  daß 
Seneka  aus  Varro  und  Brutus- (de  virtute)  schöpfte  und  das  aus  ersterem 
Entnommene  mit  dem  Stoicismus  in  Einklang  brachte. 

Nicht  vorgelegen  haben  mir  die  auf  Senekas  Verhältnis  zum 
Christentum  bezüglichen  Arbeiten: 

*86.  Tissot,  Saint  Paul  et  Seneque.  Le  chretien  evangelique 
35,  7  und 

*87.  M.  Baumgarten,  L.  Annaeus  Seneca  und  das  Christentum  in 
der  tief  gesunkenen  antiken  "Weltzeit.  Rostock  1895.  VIII  u.  368  S. 
6  M.  Vgl.  die  Besprechungen  von  Wendland,  Deutsche  Litteraturz.  1896 
Sp.  87.3—875.  Gemoll,  Woch.  f.  klass.  Phil.  12  (1895)  Sp.  1393 
—  1397. 

Kornutos. 
Einen  Verbesserungsvorschlag  macht 
88.    W.  Kroll,  Advers.  graec.  Philol.  53   (1894)  S.  422. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  Dacbaristotelischen  Philosophen.  (Praechter.)  33 

*89.     W.    Weinberger,     Ad     Corniitura,     Wiener    Stud.     14 
S.  222—226. 

Musonios. 

Eine  Analj-se  der  dem  Topos  repl  907%  gewidmeten  Erörterungen 

des  M.  unternimmt  90.  Giesecke  (s.  0.  No.  24)  S.  32  ff",  (vgl.  auch  S.  100). 

Danach  geht  M.  auf  eine  jüngere  kynische  Quelle  (Bion)  zurück,    die 

er  aber  im  stoischen  Sinne  umarbeitet  und  mit  stoischem  Gute  durchsetzt. 

Epiktet 
liegt  uns  jetzt  in  einer  guten  kritischen  Ausgabe  vor: 

91.  Epicteti  dissertationes  ab  Arriano  digestae,  ad  fidem  codicis 
Bodleiani  rec.  H.  Schenkl.  Accedunt  fragmenta,  enchiridion  ex  re- 
censione  Schweighaeuseri,  gnomologiorum  Epicteteorura  reliquiae, 
indices.    Lipsiae  1894.    CXXI  720  S.  und  eine  photogr.  Tafel.  10  M. 

Die  praefatio  behandelt  Epiktets  Leben  und  Werke  an  der  Hand 
der  abgedruckten  testimonia  sowie  die  kritischen  Hülfsmittel  der 
Rezension.  Es  folgen  die  für  das  byzantinische  Geistesleben  nicht  uninter- 
essanten, für  die  Epikteterklärung  bedeutungslosen  Scholien  des  Bodlei- 
anus.  Ein  adnotationis  supplementum  enthält  besonders  Bemerkungen 
ßeiskes  und  zahlreiche  beachtenswerte  Vorschläge  Elters.  Die  recensio 
beruht  völlig  auf  dem  Bodl.  gr.  misc.  251  saec.  XII,  nach  des  Heraus- 
gebers Nachweis  dem  Archetypus  aller  vorhandenen  Hss.  Die  besonnene 
Handhabung  der  Kritik  verdient  Beifall.  Die  Anhänge  enthalten  die 
echten  und  die  von  alters  her  E.  zugeschriebenen  unechten  Fragmente 
(A),  das  Encheiridion  nach  Schweighäuser,  aber  mit  übersichtlicherer 
Gestaltung  des  kritischen  Apparates  (B),  das  von  Stobaios  benutzte 
[Epiktet-JGnomologion  (C),  die  Gnomen  des  cod.  Vatic.  gr.  1144  nach 
Elters  Abschrift  (D),  die  Moaytcüvoc  -/vwfxai  des  cod.  Paris.  1168  (E) 
und  die  Mor/ituvoc  u-oör;7.ai  (Fj.  Den  Schluß  bilden  sorgfältige  Indices. 
Näheres  in  den  Besprechungen  von  Wendland,  Berl.  phil.  Woch.  15 
(1895)  Sp.  321—327,  und  Praechter,  Woch.  f.  klass.  Phil.  12  (1895) 
Sp.  507—513. 

Die  von  Schenkl  in  den  Anhängen  C  D  E  F  mitgeteilten  Sentenzen 
hatte  Elter  als  Bestandteile  eines  und  desselben  Florilegiums  erkannt, 
welches  er  aus  ihnen  in  scharfsinniger  Weise  rekonstruiert  in 

92.    Epicteti  et  Moschionis  quae  feruntur  sententiae  ab  A.  Elter 
editae.     Bonner    Lektionskat.  Sommer   1892.    Dazu  Corollarium  adno- 
tationis, addenda  und  indiculus  verborum,  ebenda  Winter  1892/93. 
Alles  vereinigt  in  Gnomica  II  Lipsiae  1892. 

Daß    die  Sentenzen  Epiktets  Namen    mit  Unrecht  tragen,    wird 
durch    die  von  Elter  beobachteten  Eigentümlichkeiten    ihres  Stils,    be- 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    Bd.  LXXXXVI.    (1R98.  I.)      3 


34    B ericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharislotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

sonders  die  in  ihnen  zu  Tage  tretende  Antithesensucht,  vollkommen 
bestätigt.  —  Rühmend  hervorzuheben  ist,  daß  Elter  und  Schenkl  durch 
private  Vereinbarung  ein  vorzügliches  Ineinandergreifen  ihrer  gleich- 
zeitig ausgearbeiteten  Ausgaben  herbeigeführt  und  dadurch  deren  Be- 
nutzung bedeutend  erleichtert  haben. 

Ferner  sind  noch  folgende  Epiktetausgaben  zu  erwähnen: 


*< 


'93.  Epictetus,  Manuel,  Texte  grec  accompagne  de  notes  et 
suivi  d'nn  lexique  par  Ch.  Thurot.  Nouvelle  editiou.  Paris  1891. 
XXXVI  75  p.  1  M.  (vgl.  auch  Bibl.  phil.  class.  1895  S.  180). 

*94.  Epictetus,  Manuel,  Texte  et  traduction  accompagnee  d'appre- 
ciations  philosophiques  par  H.  Joly.  2.  edition.  Paris  1890.  XXIV 
56  p.     1  M. 

Eine  deutsche  Übersetzung  des  Encheiridion  lieferte 
95.  Hilty  in  seinem  Buche  „Glück"  Frauenfeld  1891  S.  21—89. 
Beigegeben  sind  Einleitung,  Anmerkungen  unter  dem  Texte  und  einige 
Erörterungen  über  die  stoische  Philosophie.  Gegen  die  Übersetzung 
sowohl  wie  gegen  Hiltys  eigene  Ausführungen  ist  vieles  einzuwenden. 
Erfreulich  bleibt  immerhin  das  warme  Interesse  des  nichtphilologischen 
Übersetzers  für  Epiktet  und  das  Bestreben,  dessen  Philosophie  zu  einem 
Ferment  praktischer  Lebensweisheit  auch  für  unsere  Zeit  zu  machen. 
An  französischen  Übersetzungen  erschienen  folgende: 

*96.  Epictetus,  Manuel,  traduction  par  F.  Thurot,  accompagnee 
d'une  introduction  et  revue  par  Ch.  Thurot.  Paris  1889.  XXXII 
47  p.     1  M.  (vgl.  auch  Bibl.  phil.  class.  1893  S.  153). 

97.  Epictetus,  Ses  Maximes,  traduites  par  Dacier,  mises  dans 
un  nouvel  ordre  et  precedees  d'un  coup  d'oeil  sur  la  philosophie  des 
Grecs  par  H.  Tampucci.     Paris  1895.     159  p.     25  c. 

Endlich  fallen  noch  folgende  englische  Übersetzungen  in  unseren 
Bereich: 

98.  The  "Works  of  Epictetus.  Translated  from  the  greek  by 
Th.  "\V.  Higginson.  A  new  and  revised  edition.  Vol.  I  (XIV 
221  p.)  II  (288  p.)  Boston   1891.     12  M.  50. 

*99.  Epictetus,  The  teaching,  being  the  Encheiridion  of  Epictetus 
witli  selections  from  the  dissertations  and  fragments,  translated  by 
T.  W.  Rolleston.     London  1891.     260  p.     1  M.  80. 

*100.  The  discourses  of  Epictetus  with  the  Encheiridion  and 
fragments,  translated  by  G.  Long.  2  vol.  London  1891.  390  p. 
12  M.  CO. 


Bericht  üb.  d  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischenPhilosophen.(Praechter.)    35 

Einige  weitere  im  engeren  Sinne  philologische  Beiträge  zur 
Epiktetlitteratur,  die  mir  nicht  zugänglich  gewesen  sind,  seien  hier 
kurz  verzeichnet.     Es  sind  dies: 

*101.     Chlnnock,  E.  L.  (?),   Unregistered  words  in  Epictetus. 
Classic,  review  III  1.  2  p.  70—71. 

*102.    Chinaock,  E.  J.(?),  SomeEpictetean  diminutives.  Classic. 
rev.  in  9  p.  419. 

*103.    Wotke,  C,  Handschriftliche  Beiträge  zu  Nilus'  Paraphrase 
von  Epiktets  Handbüchlein.     Wiener  Studien  14,  1  p.  69 — 74. 

Für  die  Erkenntnis  des  philosophischen  Standpunktes  Epiktets 
ist  von  hervorragender  Bedeutung 

104.    A.  Bonhöffer,    Epictet   und    die  Stoa.     Untersuchungen 
zur    stoischen    Philosophie.     Stuttgart  1890.     VI  u.  316  S.     10  M. 

In  diesem  Buche,  einer  erfreulichen  Frucht  der  gediegenen  Tübinger 
philosophischen  Schulung,  wird  der  Beweis  angetreten,  daß  Epiktet  von 
dem  durch  die  einflußreichen  Schulhäupter  der  JVIittelstoa  zur  Herrschaft 
gekommenen  Eklekticismus  durchaus  unabhängig,  vielmehr  ein  treuer 
Verehrer  der  ältesten  Scholarchen  und  konsequenter  Vertreter  der  ge- 
nuin stoischen  Lehre  sei.  Ist  das  richtig,  so  gewinnt  E.  für  unsere 
Kenntnis  der  stoischen  Doktrin  eine  ganz  neue  Bedeutung.  Er  wird, 
namentlich  angesichts  unserer  dürftigen  Überreste  aus  den  ältesten 
Zeiten  der  Stoa  und  deren  absoluter  Unzulänglichkeit  zur  Lösung  ge- 
wisser Fragen,  zur  „Hauptquelle  der  stoischen  Lehre,  wenigstens  was 
die  Psychologie  und  die  Ethik  betrifft"  (Vorwort  S.  V).  So  tritt  B.s. 
Werk  aus  dem  Rahmen  eines  Beitrages  zur  Epiktetforschung  heraus 
und  beansprucht  eine  Bedeutung  für  die  Stoaforschung  überhaupt. 
Dabei  zeigt  sich  aber  doch,  daß  das  Interesse  des  Verfassers  ursprüng- 
lich wesentlich  nur  Epiktet  galt,  insofern  —  vielfach  nicht  zum  Vorteil 
der  Sache  —  für  die  Stoa  im  übrigen  nur  die  Hauptquellen  ausgenutzt 
werden. 

Seine  Grundthese  hat  B.  unzweifelhaft  insoweit  bewiesen,  als  aus 
seiner  Darstellung  hervorgeht,  daß  E.  jedenfalls  der  grob  und  unge- 
scheut  eklektischen  Richtung  der  Mittelstoa  gegenüber  auf  die  ältere 
Lehre  zurückgegriffen  hat  und  so  im  großen  und  ganzen  als  deren 
Vertreter  anzusehen  ist.  Nur  hat  B.  den  mit  Einschränkungen  richtigen 
Satz  auf  die  Spitze  getrieben  und  ist  so  zu  Übertreibungen  gelangt, 
die  z.  T.  in  der  sogleich  zu  besprechenden  Fortsetzung  seines  Werkes 
zwar  nicht  ausdrücklich  zurückgenommen,  aber  doch  durch  eine  andere 
Nuancierung   der  Darstellung    bedeutend  abgeschwächt  sind.     So  giebt 


36    Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

B.  den  religioseu  Charakter  der  epiktetischen  Philosophie  allerdings 
zu,  erkennt  aber  auch  in  dieser  Beziehung  keinen  Unterschied  an 
zwischen  E.  und  der  Altstoa,  sondern  läßt  ersteren  voll  und  ganz  den 
stoischen  Pantheismus  vertreten  und  glaubt,  alle  hierher  gehörigen  Stellen 
vom  Standpunkte  der  nüchternen  und  reflektierten  Religiosität  der  Stoa 
begreifen  zu  können.  Das  trifft  aber  entschieden  nicht  zu.  Schritt  für 
Schritt  begegnen  uns  bei  E.  Ergüsse  eines  warmen  Gefühls  gegenüber 
einem  persönlichen  transcendenten  Gott.  E.  steht  hierin  offenbar  unter 
dem  Eiuflul')  der  religiösen  Strömung  seiner  Zeit,  und  Zeller  hat  so 
unrecht  nicht,  wenn  er  in  seinem  Standpunkt  eine  Etappe  auf  dem 
zum  Xeuplatonismus  führenden  Wege  erkennt.  Der  Riß  aber,  der 
damit  die  von  B.  S.  III  gerühmte  „imponierende  Einheitlichkeit  und 
Geschlossenheit"  des  epiktetischen  Sj'stems  sprengt,  geht  noch  weiter. 
Zeller  bemerkt  III  1^  S.  746  Anm,  3,  E.s  Ansicht  über  das  Schicksal 
der  Seele  nach  dem  Tode  sei  nicht  ganz  leicht  anzugeben,  da  Stellen, 
die  auf  die  Annahme  einer  persönlichen  Fortdauer  in  einem  bessern 
Leben  deuten,  mit  solchen  wechseln,  die  diese  Fortdauer  leugnen. 
B.  S.  65  f.  will  alle  in  Frage  kommenden  Stellen  in  letzterem  Sinne 
verstanden  wissen.  Das  ist  aber  zum  mindesten  für  diss.  1,  9,  11  ff. 
unmöglich.  Die  Auflösung  des  Menschen  in  die  Elemente  kann  im 
Bilde  nimmermehr  als  ein  Abwerfen  der  uns  hier  beschwerenden 
körperlichen  Fesseln  und  Rückkehr  zu  der  uns  verwandten  Gottheit 
bezeichnet  werden.  In  der  Stelle  aber  mit  B.  nicht  die  eigene  Ansicht 
E.s,  zu  finden,  haben  wir  nicht  das  geringste  Recht.  Die  Jünglinge, 
denen  die  "Worte  in  den  Mund  gelegt  sind,  leiden  an  einem  ungestümen 
Selbstbefreiuugseifer ,  sind  aber  nicht  heterodox.  "Wäre  das  der  Fall, 
so  müßte  E.  sie  im  Folgenden  über  die  falsche  theoretische  Grundlage 
ihres  Strebens  belehren,  anstatt  sich  dem  von  ihnen  gebrauchten  Bilde 
anzubequemen  und  sie  dadurch  in  ihrem  Irrtum  noch  zu  bestärken 
(dasselbe  gilt  auch  gegen  B.  S.  35,  wo  die  an  unserer  Stelle  hervor- 
tretende Mißachtung  des  Körpers  den  Schülern,  nicht  E.  zugeschrieben 
wird).  E.  zeigt  eben,  ähnlich  wie  Seneka,  in  diesem  Punkte  ein 
Schwanken,  und  die  daraus  sich  eigebenden  Widersprüche  hinweginter- 
pretieren zu  wollen  hieße  die  Eigentümlichkeit  dieser  im  Flusse  einer 
großen  Geistesbeweguug  stehenden  Männer  verwischen. 

Auf  die  Ergebnisse  der  eindringenden  Untersuchung  B.s  für  die 
einzelnen  Punkte  der  epiktetischen  und  der  allgemein  stoischen  Lehre 
kann  ich  hier  nicht  näher  eingehen.  In  einem  Kardinalpunkte  stehen 
<lieselben  zu  den  bisherigen  Auffassungen  in  Widerspruch:  B.  bestreitet 
<len  sensuaUstischen  Charakter  des  stoischen  Sj'stems,  indem  er  auf  die 
allerdings  im  Widerstreit  mit  der  sonstigen  sensualistischen  Tendenz 
der  Stoa  von  Epiktet  stark  betonten  r.^olffyziz  Gewicht  legt,  und  stellt 


Bericht  üb.  d.  Litteratur.  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)  37 

neben  die  sinnliche  Erkenntnis  eine  zweite  auf  Eutwickelung  der  -poXTQ<j^ci? 
beruhende.  Auch  hier  rächt  sich  B.s  Streben,  E.  mit  der  Altstoa  zu 
identifizieren  und  in  seiner  Lehre  das  geschlossene  genuin  stoische 
System  zu  erweisen,  indem  er  dadurch  zu  dem  Versuche  einer  Ver- 
mittelung  zwischen  den  einander  widerstreitenden  Prinzipien  und  zur 
AufstelluDg  einer  einheitlichen  Erkenntnistheorie  veranlaßt  wird,  welche 
mit  direkten  Zeugnissen  in  Widerspruch  steht. 

Vgl.  die  Besprechungen  von  Wendland,  Berl.  phil.  Woch.  11 
(1891)  Sp.  1222—1228,  Ziegler,  Gott,  gelehrte  Anz.  1891  S.  1021 
—  1030. 

105.  A.  Bonhöffer,  Die  Ethik  des  Stoikers  Epictet.  Anhang: 
Exkurse  über  einige  wichtige  Punkte  der  stoischen  Ethik.  Stuttgart 
1894.     Vin  u.  278  S.     10  M". 

Das  Werk  bildet  die  Fortsetzung  zu  No.  104;  doch  ist  die  An- 
lage insofern  eine  vei'änderte,  als  das  Hauptgewicht  auf  die  Ethik 
Epiktets  als  solche,  nicht  auf  ihr  Verhältnis  zur  Ethik  der  übrigen 
Stoiker  gelegt  ist,  so  daß  die  zahlreichen  Ausblicke  auf  die  Lehren 
anderer  Vertreter  der  Stoa  mehr  nur  gelegentlich  und  beiläufig  ge- 
schehen. Dafür  sind  in  Exkursen  mehrere  wichtige  Punkte  einer  sehr 
eingehenden,  die  ganze  Stoa  berücksichtigenden  Behandlung  unterzogen 
(I.  die  stoischen  Telesformeln  [darin  auch  Abschnitte  über  die  stoische 
Güterlehre  und  die  -püJTa -/.axa  ^ujiv];  IL  die  stoische  Lehre  vom  Selbst- 
mord; III.  das  xa&TJxov  und  xaxopiVixa;  IV.  die  Ansichten  der  Stoiker 
über  den  Erwerb  [gegen  Hirzels  ungünstige  Beurteilung  des  Chrysippos, 
Diogenes  und  Hekaton  gerichtet];  V.  der  stoische  Pantheismus).  Bei- 
gegeben sind  ein  griechisches  Sachregister,  Namenregister  und  Ver- 
zeichnis der  citierten  Schriftsteller  zu  beiden  Werken. 

Wir  besitzen  von  Epiktet  kein  System  der  Ethik.  Auf  eine  Reihe 
von  Fragen,  auf  welche  eine  systematisch  ausgebaute  Ethik  eingehen 
muß,  giebt  E.  keine  direkte  Antwort.  Daraus  erwächst  für  den  Dar- 
steller der  epiktetischen  Ethik  die  Gefahr,  diese  Lücken  durch  Kon- 
struktion ausfüllen  zu  wollen  und  zu  diesem  Zwecke  Sätze  E.s  zu 
pressen  und  ihnen  einen  Sinn  unterzulegen,  den  sie  in  ihrem  Zusammen- 
hange nicht  haben.  Man  muß  es  B.  nachrühmen,  daß  er  im  ganzen 
dieser  Gefahr  selten  unterlegen  ist.  Das  gleiche  gesunde  Urteil,  die 
nämliche  umsichtige,  bedächtig  abwägende  Methode  wie  in  dem  früheren 
Werke  treten  auch  hier  zu  Tage  und  machen  in  Verbindung  mit  der 
warmen  inneren  Anteilnahme  des  Verfassers  an  seinem  Gegenstande 
und  der  Höhe  des  Standpunktes  seiner  Betrachtung,  die  ihn  vergleichende 
Blicke  auf  Christentum  und  neuere  Philosophie  thun  läßt,  auch  dieses 
Buch  zu    einer    sehr    erfreulichen  Erscheinung.     Gleichwohl    muß    ich 


38  Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischenPhilosophen.  (Praechter . 

gegen  die  Verwertung  einiger  Stelleu  im  oben  bezeichneten  Sinne  Ver- 
wahrung einlegen,  Z.  B.  ist  diss.  2,  14,  2  ff.  kein  genügender  Beleg 
für  den  Satz  (S.  41  unten):  „Für  die  Erzeugnisse  der  Industrie  und 
Kunst  (selbst  für  Luxusartikel)  hegt  er  Verständnis  und  Bewunderung  und 
weili  auch  dem  einfachsten  Produkt  menschlicher  Geschicklichkeit  einen 
Reiz  abzugewinnen."  Mir  scheint,  daß  B.  durch  seine  sonst  sehr  wohl- 
thuende  Vorliebe  für  E.  da  und  dort  dazu  verleitet  worden  ist,  die 
Färbung  seines  Bildes  um  eine  Nuance  derjenigen  anzunähern  ,  die  es 
nach  des  Verfassers  eigenem  Geschmacke  tragen  müßte  und  insbesondere 
E.  nach  Ki-äften  von  dem  Verdachte  kynisierender  Tendenzen  zu  be- 
freien. 

"Was  das  Verhältnis  E.s  zur  Stoa  betrifft,  finden  die  Ergebnisse 
des  früheren  Werkes  hier  im  allgemeinen  ihre  Bestätigung.  Die  durch 
die  gesamte  Kulturentwickelung  veränderte  Färbung  des  Stoicismus 
giebt  B.  zu  (vgl.  S.  III,  106,  126).  Über  die  religiöse  Seite  der 
epiktetischen  Philosophie  wird  hier  entschieden  richtiger  geurteilt  als 
in  dem  anderen  Werke;  vgl.  IIS.  81  f.  mit  I  S.  10  f.  (S.  82:  „Epictets 
Theologie  ist  also  ein  für  unsere  modernen  Begriffe  kaum  verständliches 
Gemisch  von  Theismus,  Pantheismus  und  Polytheismus");  nur  bestreitet 
B.  auch  jetzt,  daß  in  dieser  Hinsicht  ein  tiefergreifender  Unterschied 
zwischen  E.  und  der  alten  Stoa  bestehe,  da  sich  ein  Schwanken  zwischen 
pantheistischer  und  theistischer  Anschauungsweise  schon  aus  den  speku- 
lativen Grundlagen  des  stoischen  Systems  ergebe  (Anhang  S.  244  ff.). 
Es  ist  aber  doch  von  jenen  dem  Stoicismus  von  Haus  aus  eigenen 
theistischen  Elementen  bis  zu  der  Betonung  des  Theismus  bei  E. 
noch  ein  weiter  Schritt,  den  B.  in  seiner  Bedeutung  etwas  unterschätzt. 
Ausführlicher  bespricht  die  Arbeit  Wendland,  Berl.  phil.  Woch.  15  (1895) 
Sp.  260—265. 

An  Bonhöffers  „Epictet  und  die  Stoa"  knüpfen  folgende  zwei 
Ai'beiten  an: 

106.  F.  L.  Ganter,  Das  stoische  Sj'stem  der  ai3i)/)3ic  mit  Rück- 
sicht auf   die    neueren  Forschungen,  Philol.  53  (1894)  S.  465 — 504. 

107.  A.    Bon  hoff  er.    Zur    stoischen   Psychologie,    Philol.    54 
(1895)  S.  403—429. 

G.  giebt  eine  von  Stein  und  Bonhöffer  mehrfach  abweichende 
Darstellung  des  Erkenntnisprozesses,  zu  welcher  Bonhöffer  in  No.  107 
Stellung  nimmt.  Die  wichtigsten  Aufstellungen  Ganters  betreffen  das 
Verhältnis  von  Y;Y£[xoviy.ov  und  ^uyr^,  die  Seelenteile  und  die  Stadien 
des  Wahrnehmungsprozesses.  G.  unterscheidet  die  <^n•/f^  als  physische 
Seele  von  dem  f^YSfxoviy.ov  als  alleinigem  Träger  des  Bewußtseins.  Das 
f,7S|jLoviy.6v  ist,  wie  die  physische  Seele,  Trvsuixa,  aber  durch  die  avaOufjLiasi; 


Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen Philosophen. (Praechter.)   39 

des  Blutes  verfeinert  und  dadurch  zur  Ausübung  der  Funktionen  des 
Bewußtseins  befähigt.  Diese  Darstellung,  die  in  den  Quellen  keine  hin- 
reichende Stütze  findet,  wird  von  B.  widerlegt  (am  schlagendsten  ist 
der  Einwand  S.  409  Mitte).  B insichtlich  der  Lehre  von  den  Seelen- 
teilen bekämpft  G.  Steins  und  Bonhöffers  Identifikation  der  Seelenteile 
mit  den  Seelenfuuktionen.  Das  Recht  liegt  m.  E.  auch  hier  auf  selten  der 
ersteren,  deren  Staudpunkt  B.  S.  414  if.  verteidigt.  In  der  Frage  nach 
dem  Orte  des  Empündungsvorgangs,  den  G.  ausschließlich  in  das 
r)7£ixovtx6v  verlegt,  gesteht  B.  sich  jetzt  gleichfalls  entschiedener  dieser 
Ansicht  zuzuneigen,  betont  aber  auch  jetzt  noch,  daß  die  Stoiker  in  diesem 
Punkte  nicht  klar  oder  nicht  einig  gewesen  zu  sein  scheinen.  In  dem 
"Wahrnehmungsprozesse  unterscheidet  G.  vier  Stadien:  1.  die  avTiXr,'];i? 
(dieselbe  führt  zur  'favtasta),  2.  die  eigentliche  aljör)««?,  bestehend  im 
T:v£u[xa  vospov  (sie  führt  zur  «pavTajia  xaxaXifiTr-txTq),  3.  JUYy.aTciE&ejt;  und 
xaTaXrj(]>t?  (die  Wirkung  ist  die  y.ai■:'iXr^'\lli  [als  Inhalt]),  4.  Xoyo?  (derselbe 
führt  zur  szia-crjjjLrJ.  Die  der  auYxaxaösjt?  vorausgehende  Thätigkeit 
wird  also  in  zwei  Akte  zerspalten,  wozu  die  Quellen,  wie  B.  eingehend 
nachweist,  keine  Berechtigung  geben. 

108.    Th.  Zahn,  Der  Stoiker  Epiktet  und  sein  Verhältnis  zum 
Christentum.  Zweite  Aufl.  Erlangen  und  Leipzig  1895.   47  S.   75  Pf. 

enthält  den  verunglückten  Versuch,  die  Anklänge  an  Christliches  bei 
Epiktet  aus  einer  Bekanntschaft  des  Stoikers  mit  christlichen  Schriften 
herzuleiten.  Um  einen  solchen  Zusammenhang  glaublich  zu  machen, 
müßten  bei  E.  Gedanken  nachgewiesen  werden,  die  innerhalb  der  christ- 
lichen Sphäre  historisch  begreiflich  wären,  während  sie  auf  heidnischem 
Boden  keine  Anknüpfung  fänden.  Bis  zu  diesem  Nachweise  wird  es 
das  einzig  methodisch  Korrekte  sein,  solche  Anklänge  auf  dem  um- 
gekehrten Wege  d.  h.  daraus  zu  erklären,  daß  das  Christentum  Ge- 
danken und  Wendungen  des  heidnischen  Auschauungskreises  sich  aneignete. 
Die  von  Z.  S.  29  ff.  angeführten  Parallelen  enthalten  aber  durchaus 
nichts  specifisch  Christliches.  Am  meisten  könnte  noch  für  Z.  Epiktets 
Gebot  möglichster  Vermeidung  des  Eides  zu  sprechen  scheinen,  da  eine 
Stelle,  an  welcher  der  Gedanke  in  gleicher  Form,  als  Gebot,  aufträte, 
innerhalb  der  stoischen  Litteratur  nicht  nachgewiesen  ist.  Verwandtes 
hat  aber  doch  Bonhöffer,  den  auch  Z.  citiert,  beigebracht,  und  bei 
näherem  Zusehen  läßt  sich  bei  E.  dieses  Gebot  als  Glied  eines  Kom- 
plexes innerlich  zusammengehöriger  Vorschriften  erkennen.  Dem  zurück- 
haltenden und  überlegeneu  Stoiker,  der  unnützes  Reden,  vieles  und 
starkes  Lachen,  sowie  iJie  Teilnahme  an  den  gewöhnlichen  geselligen 
Freuden  meidet,  ziemen  auch  nicht  das  Pathos  und  die  starke  Be- 
mühung   um    den  Glauben    anderer,    wie    sie    die  Voraussetzung    des 


40  Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

Schwnres  bilden.     Zu  berücksichtigen  ist  auch,  wie  wenig  uns  von  der 
kyuisch-stoischen  Diatribe  aus  den  letzten  Jahrhunderten  vor  Chr.  Geb. 
erhalten  ist.     Manches   mag   mit    dieser  Litteratur   verloren  gegangen 
sein,    was  zum    historischen  Verständnis   neutestamentlicher    und    epi- 
ktetischer  Stellen  den  Schlüssel  böte.     Aber  auch  so  erklärt  sich  alles 
von  Z.  in  diesem  Zusammenhange  aus  E.  Beigebrachte  zur  Genüge  aus 
der  stoischen  Lehre,  hält  man  sich  nur   die  religiöse  "Wendung  gegen- 
wärtig,  welche    diese  Lehre  der  Zeitrichtung    entsprechend    genommen 
hatte.     Aus  dieser  Wendung  erklären  sich  z.   T.  auch  die  Widersprüche 
bei  E.,  auf  welche  übrigens  Z.  viel  zu    viel  Gewicht   legt.     Ähnliches 
wird  sich  bei  jedem  Philosophen  finden,  dem  es  weniger  um  Geschlossen- 
heit und   theoretische   Unanfechtbarkeit    seines    Lehrsystems,    alß    um 
praktisch  wirksames  Philosophieren  zu  thun  ist.     Im  einzelnen  ist  die 
Berührung  zwischen  den  von  Z.  in  Parallele  gesetzten  Stellen  Epiktets 
und  des  N.  T.  oft   eine  außerordentlich  geringfügige.     Völlig   verfehlt 
ist  es,  wenn  Z.  in  diss.  3,  22,  55  f.  eine  polemische  Beziehung  auf  das 
Act.  25,  11  von  Paulus  erzählte  Verfahren    erblickt.    Mit  einer  theo- 
logischen   Verschiebung    der    natürlichen    Perspektive    wird    hier   bei 
Epiktets  Hörern  ein  Interesse  für  die  Schicksale    des  Apostels  voraus- 
gesetzt, wie  es  thatsächlich   nach  allem,    was    wir  sonst  wissen,    nicht 
vorhanden  gewesen  sein  kann. 

Epiktets  bekanntesten  Schüler  betrifft 

109.     E.  Bella,  Arriano  di  Nicomedia.    Torino  e  Palermo  1890. 
104  S.     4  M. 

In  unsern  Bereich  fallen  besonders  Kap.  II  Arriano  discepolo 
d'Epitteto  und  X  Scritti  filosofici  di  Arriano.  Die  Zeit,  innerhalb  deren  A. 
Epiktets  Schüler  war,  begrenzt  BoUa,  auf  Stellen  in  den  SiaTpi^ai  ge- 
stützt, mit  der  definitiven  Unterwerfung  der  Dacier  auf  der  einen  und 
dem  Beginne  des  Partherkrieges  auf  der  andern  Seite,  im  ganzen  ge- 
wiß richtig,  wenn  auch  für  die  Spätgrenze  die  Abwesenheit  jeder  Er- 
wähnung des  Partherki'ieges  in  Arrians  Epiktetschriften  kein  sicheres 
Argument  bildet.  Eine  festere  Stütze  würde  die  Teilnahme  An-ians 
am  Partherfeldzuge  abgeben,  welche  B.  S.  16  ff.  wahrscheinlich  zu  machen 
sucht.  —  Die  Titel  oiaxptßai  und  oiaXe^t?  bezieht  B.  mit  Recht  auf 
die  gleiche  Schrift;  eben  diese  erkennt  er  auch  in  den  von  Mark  Aurel 
citierten  u-o}ivT,|jLaTa,  doch  läßt  er  die  Möglichkeit  offen,  daß  u-oii.vrj|jLaTa 
der  Gesamttitel  des  Werkes  gewesen  sei,  welches  die  otaxptßai  (oiaXe^si?) 
und  6}iiÄiai  als  Teile  in  sich  befaßte.  Die  ohne  Vorwissen  Arrians  ge- 
schehene Veröffentlichung  der  Diatriben  setzt  B.  in  die  Zeit  der  durch 
militärische  oder  politische  Angelegenheiten  veranlaßten  Abwesenheit  des 
Verfassers  (114—120  oder  132—137),  die  des  Encheiridion  in  die  Zeit 


^ 


Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)   4.\ 

nach  seinem  Rücktritte  aus  dem  üfifentlichen  Leben.  Etwas  gewagt 
scheint  es  mir,  den  strafferen  Befehlston  des  Encheiridion  mit  dem  durch 
die  Ereignisse  der  Zwischenzeit  in  A.  ausgebildeten  militärischen 
Charakter  ia  Verbindung  zu  bringen.  —  An  den  Stellen  der  Anabasis, 
an  welchen  B.  Spuren  stoischer  Doktrin  wahrzunehmen  glaubt  (S.  100 
Anm.  1,  102  Anm.  3),  zeigt  sich  stoischer  Einfluß  doch  nur  in  sehr  un- 
bestimmter und  kaum  greifbarer  Gestalt. 

*110.     G.  Schmidt,    Untersuchungen  über  Arrian,    Prag  1889. 

Mark  Aurel. 

Im  allgemeinen  ist  zu  erwähnen  Hirzels  Darstellung,  Der 
Dialog  n  S.  262  ff.  Die  Übersetzung  *111.  Marcus  Aur.  meditations. 
Transl.  by  J.  Collier,  ßevised  with  an  introduction  and  notes  by 
Alice  Zimmern,  London  (1891  ?j,  ist  mir  nicht  aus  eigener  Anschauung 
bekannt.  Von  Specialarbeiten  beziehen  sich  die  folgenden  auf  Über- 
lieferung und  Textesrezension: 

*1J2.  H.  Schenkl,  Zur  handschriftlichen  Überlieferung  von 
M.  Antoninus  si;  eau-6v.  Eranos  Vindobon.  p.  163—167.  Es  werden 
hier  nach  Maaß,  Deutsche  Litt.-Zeit.  1893  Sp.  1482  die  Auszüge  im 
cod.  Paris,  suppl.  gr.  319  saec.  15  (Cramer  anecd.  Paris.  I  S.  173 — 
179)  nach  ihrem  Werte  gewürdigt, 

113.  A.  Sonny,  Zur  Überlieferungsgeschichte  von  M.  Aurelius 
Et;  eauTov,  Philol.  54  (1895)  S.  181—183.  Da  die  hsl.  Überlieferung 
des  Werkes  spärlich  und  jung  und  Citate  bei  Späteren  selten  sind,  so 
verdienen  zwei  von  Sonny  beigebrachte  Stellen  des  Arethas  (Schol.  zu 
Die  Chrys.  20,  8,  jetzt  auch  abgedruckt  in  Sonnys  Ad  Dionem  Chiysosto- 
mum  analecta  p.  113,  und  eine  Stelle  eines  unedierten  Briefes,  cod. 
Mosqu.  315  [=  302  Matth.]  fol.  115  a)  Beachtung,  deren  erste  Lektüre 
der  Schrift  Mark  Aureis  verrät,  während  die  zweite  zeigt,  daß  Arethas 
die  „Selbstbetrachtungen"  hat  abschreiben  lassen.  Sonny  vermutet, 
daß  unsere  gesamte  Überlieferung  auf  diese  Kopie  zurückgeht  und 
Arethas  die  Erhaltung  des  Werkes  zu  verdanken  ist. 

114.  W.  Wyse,  Marc  Ant.  4,  33,  Class.  rev.  7  (1893)  p.  21 
nimmt  Anstoß  an  dem  Namen  Aeowaxoc  in  einer  Liste  römischer 
Männer  und  denkt  dafür  an  Aeviäxo;. 

Die  Verbesserungsvorschläge  von 

*115.  H.  J.  Polak,  SyU.  comm.  quam  v.  cl.  Const.  Conto  obt. 
philol.  Bat.  (Leiden  1893)  sind  mir  nur  aus  der  Erwähnung  Berl.  phil. 
Woch.  14  (1894;  Sp.  956  bekannt. 

116.  G.  H.  Rendall,  On  the  text  of  M.  Aur.  Antoninus  Ta 
eis  iauTöv,  Journ.  of  phil.  23  (1895)  p.  116—160  behandelt  textkritisch 
einzelne  Stellen. 


4  2     Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  ( Praechter.) 

Von  Übersetzuiigeu  fällt  in  unsere  Berichtsperiode: 

117.  The  ihoughts  of  the  emperor  Marcus  Aurelius  Antoninus. 
Trauslated  by  G.  Long.  Boston  1894.  296  S.  7  M.  50  (nach  der 
Vorrede  eine  neue  Auflage).  Der  englischen  Übersetzung  gehen  eine 
biograpliische  Skizze  (S.  1  —  32)  und  ein  Abriß  der  Philosophie  des 
Mark  Aurel  (S.  33  —  79)  voraus. 

Einen  Punkt  der  Sprache  Mark  Aureis  behandelt: 

118.  F.  Spohr,  die  Präpositionen  bei  M.  Aurelius  Autonin  (so!). 
Erlanger  Diss.,  Kassel  1890.     58  S. 

Zu  bedauern  ist,  daß  der  Verfasser  —  von  seltenen  Ausnahmen 
abgesehen  —  sich  auf  Mitteilung  des  Thatbestandes  bei  Mark  Aurel 
beschränkt,  ohne  unter  Benutzung  entsprechender  Arbeiten  für  andere 
Autoren  das  für  jenen  Charakteristische  nach  Möglichkeit  festzustellen 
und  Mark  Aui'el  hinsichtlich  des  Präpositionengebrauches  seinen  Platz 
inneihalb  der  historischen  Entwickelung  anzuweisen.  Tj'cho  Mommsens 
Forschungen  sind  nicht  einmal  erwähnt. 

Den  Übergang  zum  späteren  Kj'nismus  mögen  einige  auf  der 
Grenze  zwischen  Stoicismus  und  Kynisraus  liegenden  litteraiischen  Er- 
scheinungen bilden.  Ich  rechne  dahin  die  spätere  kynisch- stoische 
Diatribe  und  von  besonders  namhaft  zu  machenden  Autoren  Dion  Chry- 
sostomos  und  Ps.-Kebes.     Für  die  Diatribe  ist  wichtig 

119.  P.  Wendland,  Philo  und  die  kynisch-stoische  Diatribe 
(P.  Wendland  und  0.  Kern,  Beiträge  zur  Geschichte  der  griechischen 
Philosophie  und  Eeligion,  Berlin  1895).  Philon  wird  hier  als  Zeuge 
für  das  Fortleben  der  Diatribe  in  den  letzten  Jahrhunderten  vor  Chr. 
Geb.  erwiesen  und  damit  die  zwischen  Teles  und  den  Vertretern  der 
Diatribe  in  der  ersten  Kaiserzeit  klaffende  Lücke  zu  einem  Teile  aus- 
gefüllt. Wertvoll  ist  auch  das  aus  Philon  und  parallelen  Darstellungen 
anderer  Schriftsteller  gesammelte  reiche  Material  zur  Kenntnis  der 
Diatribe.  Näheres  in  meiner  Besprechung,  Berl.  phil.  Wocb.  16  (1896) 
Sp.  867—873,  901—904. 

Aus  der 

Dion  Chrysostomos 

betreffenden  Litteratur,  zu  welcher  auch  die  Zusammenstellung  bei 
A.  Sonny,  Ad  Dionem  Chrysostomum  analecta  p.  142—145  zu  ver- 
gleichen ist,  habe  ich  nur  die  auf  Dions  philosophischen  Standpunkt  und 
Quellen  bezüglichen  Arbeiten  zu  berücksichtigen. 

Dions  Verhältnis  zu  den  verschiedenen  Philosophenschulen,  seine 
Welt-  und  Lebensanschauung  im  allgemeinen  bespricht  in  trefflicher 
Weise  Hirzel,  Der  Dialog  11  S.  84  ff.,  wo  auch  auf  die  Quellenfrage 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen,  f  Praechter.)  43 

für  die  einzelnen  Reden  mehrfach  eingegangen  wird.  (Vgl.  auch 
ebenda  S.  75  ff.). 

Gehen  wir  zu  den  Arbeiten  über  speziellere  Fragen  über,  so  ist 
zunächst  der  Verhandlungen  über  die  13.  Rede  zu  gedenken. 

Gegen  Dümmlers  und  Useners  Zurückführung  der  sokratischeu 
Rede  bei  Dio  or.  13  p.  245,  3  ff.  Dind.  auf  Antisthenes'  Archelaos  hatte 
sich  Susemihl,  Jahrb.  1887  S.  207  ff",  mit  der  Behauptung  gewendet, 
der  Archelaos,  der  allerdings  Dion  vorgelegen  habe,  sei  Antisthenes 
mit  Unrecht  zugeschrieben  worden,  die  Zurückführung  der  in  der  so- 
ki'atischen  Rede  bei  Dion  enthaltenen  Gedanken  auf  Antisthenes  also 
unstatthaft.  120.  Dümmler  nimmt  daher  Akadem.  S.  1  ff.  (vgl.  auch 
die  Bemerkung  Philol.  50  [1891]  S.  295  Anm.  1)  die  Behandlung  der 
Frage  noch  einmal  auf  und  zeigt,  daß  für  das  auch  in  Dions  iicuy.paTtxö; 
X070;  angewandte  Gleichnis  von  der  Bühne  die  ältesten  Spuren  auf 
Antisthenes  führen.  In  der  einen  Fassung  dieses  Gleichnisses  (der  Schau- 
spieler soll  alle  Rollen  gleich  gut  spielen  =  der  Mensch  soll  sich  jedem 
Schicksale  gleich  gewachsen  zeigen)  leiten  die  bei  Lukian  vorkommenden 
Namen  des  Polos  und  Satyros  in  die  Zeit  des  Demosthenes;  Stob.  97, 
28  ist  ein  Zeugnis  dafür,  daß  derselbe  Gedanke  (wieder  mit  Nennung 
des  Polos)  in  einem  jedenfalls  als  antisthenisch  geltenden  Archelaos 
vorkam.  Auch  die  Athen.  5  p.  220  d  für  den  antisthenischen  Archelaos 
bezeugte  Polemik  gegen  Gorgias  glaubt  Dümmler  bei  Dion  wiederzu- 
finden. Diese  Polemik  ist  aber  nur  unter  dem  frischen  Eindruck  des 
gorgianischen  Auftretens  denkbar.  Der  Fälscher  des  Archelaos  könnte 
also  nur  Zeitgenosse  des  Antisthenes  gewesen  sein.  Eine  solche  An- 
nahme müßte  aber  durch  sehr  starke  Verdachtsgründe  gegen  den  Dialog 
gestützt  sein,  wie  es  die  von  Susemihl  vorgebrachten  nach  Dümmlers 
überzeugender  Darlegung  nicht  sind.  Wenn  sich  auch  die  Beziehung 
auf  Gorgias  nicht  zur  vollen  Evidenz  erheben  läßt,  so  ist  doch  jeden- 
falls der  Zusammenhang  der  Partie  bei  Dion  mit  dem  Archelaos  nach 
Dümmlers  neuen  Argumenten  im  höchsten  Grade  wahrscheinlich  und 
der  Beweis  für  die  Unechtheit  dieses  Archelaos  bis  jetzt  nicht  erbracht. 

Die  z.  T.  schon  von  Früheren  beachtete  Übereinstimmung  zwischen 
Dio  p.  244,  22;  245,  3  ff.  und  dem  ps.- platonischen  Kleitophon 
p.  407  a  f.  hebt  Hartlich,  De  exhortat.  p.  314  hervor,  um  daraus 
den  übereilten  Schluß  zu  ziehen,  daß  Dümmlers  Ableitung  der  Rede 
aus  Antisthenes'  Archelaos  falsch  und  Dions  Quelle  eben  der  im  Klei- 
tophon Sokrates  beigelegte  Protreptikos  gewesen  sei  (doppelt  übereilt 
nach  dem  von  Hartlich  selbst  S.  2ol  Mitte  Bemerkten).  Auch  Hirzel, 
Der  Dialog  I  S.  124  Anm.  1  glaubt,  daß  sich  jedenfalls  das  Citat 
p.  244,  22  auf  den  Kleitophon  beziehe,  dessen  Erörterungen  auch  im 
Folgenden  in  breiterer  Ausführung   vorgetragen   sein    könnten.    Über- 


44     Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

sehen  ist  dabei,  daß  der  Passus  über  die  athenische  Geschichte 
p.  247,  24  &.,  der  im  Kleitophon  keine  Parallele  hat,  durchaus  den  Ein- 
druck der  Zusammengehörigkeit  mit  dem  Vorhergehenden  erweckt  und 
es  ohnehin  nicht  eben  wahrscheinlich  ist,  daß  sich  Dion,  nur  um  die 
Maske  des  Sokrates  zu  wahren,  selbständig  in  solcher  Weise  auf  die 
altathenische  Geschichte  eingelassen  haben  sollte.  Die  Berührungen 
mit  dem  Kleitophon  bespricht  unabhängig  von  Hartlich  auch  P.  Hagen, 
Piniol.  50  (1891)  S.  381—384,  der  richtig  schließt,  daß  auch  im 
Kleitophon  Antisthenes  benutzt  wurde. 

Noch  an  anderen  Stellen  Dions  glaubt  Düramler  antistheuisches 
Gut  nachweisen  zu  können.  Spuren  des  „Herakles*  erkennt  er  bei 
Dion  er.  8  p.  150  f.  (Akadem.  S.  192)  und  in  or.  58  (Philol.  50  [1891] 
S.  294);  allgemein  auf  Antisthenes  führt  er  zurück  or.  30  p.  333,  4  ff. 
(Akad.  S.  90  ff.),  den  Vergleich  in  or.  65  p.  217,  22  ff.  (Akad.  S.  88) 
und  (mittelbar,  wie  wohl  auch  die  letztgenannte  Stelle)  Anfang  und 
Schluß  von  or,  77/78  (Akad.  S.  201  Anm.  1).  Beachtung  verdient  im 
Hinblick  auf  die  auf  Antisthenes  abzielende  Stelle  Plat.  soph.  251  b, 
daß  Dio  or.  30  p.  337,  18  f.  der  Urheber  des  im  Vorhergehenden  wieder- 
gegebenen X670C  als  o(};e  iratSeia?  «XtjÖou?  TJsdTjpLevo?  bezeichnet  wird; 
freilich  kann  dabei,  wie  auch  Dümmler  zugiebt,  Zufall  im  Spiele  sein. 
Im  übrigen  lassen  sich  die  Beziehungen  auf  Antisthenes,  namentlich  bei 
der  Vorliebe  der  kynischen  Diatribe  für  gewisse  Stoffe  (wie  beispiels- 
weise das  Heraklesthema)  und  bei  dem  immerhin  hypothetischen 
Charakter  dessen,  was  Dümmler  aus  Piaton  für  Antisthenes  zu  ge- 
gewinnen sucht,  über  einen  gewissen  Grad  der  Wahrscheinlichkeit  nicht 
erheben.  Von  weiteren  kynischen  Erörterungen  berührt  Dümmler  noch 
Dio  or.  26  (Akad.  S.  194  Anm.  1).  Kynisch  nennt  er  auch,  m.  E.  mit 
Unrecht,  den  Traktat  über  die  Allmacht  der  z()-/ri,  or.  63  (Akad.  S.  215). 
Wegen  der  Berührung  mit  Archelaos  (Dio  or.  12  p.  222,  6  ff.)  glaubt 
Dümmler  (Akad.  S.  232  ff.)  ferner  für  die  12.  Rede  Benutzung  eines  der 
ältesten  Kyniker  annehmen  zu  sollen,  der  sich  seinerseits  eng  an  die 
ionischen  Physiologen  angeschlossen  habe.  Ich  sehe  an  der  betreffenden 
Stelle  keinen  Grund,  eine  stoische  Quelle,  welche  vorauszusetzen  nach 
dem  sonstigen  Inhalte  der  Rede  weit  näher  liegt,  auszuschließen.  Auch 
der  „un verhüllte  Materialismus,  welcher  gleichwohl  mit  einer  fast 
schwärmerischen  religiösen  Innigkeit  verbunden  ist,"  deutet  nicht  mit 
Notwendigkeit  auf  „eine  Quelle  einer  jugendfrischen  Zeit",  sondern 
paßt  sehr  wohl  für  einen  Stoiker  der  späteren  religiös  gerichteten 
Periode.  Endlich  macht  D.  (Akad.  S.  254  f.)  noch  auf  die  Überein- 
stimmung von  Dio  or.  75  p.  267,  1  ff.,  20  ff.  mit  Xen.  mem.  4,  4,  17 
aufmerksam,  die  er  daraus  erklärt,  daß  an  beiden  Stellen  Hippias  vor- 
liege.    An  eine  direkte  Benutzung    durch  Dion    ist   aber  aus  dem  von 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)  45 

Hirzel,  Der  Dialog  II  S.  91  Anm.  1  angeführten  Grunde  jedenfalls 
nicht  zu  denken. 

Was  Dions  Verhältnis  zum  Stoicismus  betrifft,  so  weist 

121.  I.  Bruns,  De  Dione  Chrysostomo  et  Aristotele  critica  et 
exegetica,  Kiliae  1892  S.  3  ff .  den  stoischen  Charakter  des  Mythus 
or.  36,  43  ff.  nach.  In  meiner  Besprechung  dieser  Schrift,  Berl.  philol. 
Woch.  14  (1894)  Sp.  709  ff.  wies  ich  darauf  hin,  daß  einiges  speciell 
auf  Poseidonios  führt,  dessen  Benutzung  für  die  12.  Rede  schon  Wend- 
land, Arch.  f.  Gesch.  d.  Phil.  1  (1888)  S.  208  f.  wahrscheinlich  ge- 
macht hatte.  Aus  anderen  Gründen  denkt  für  beide  Reden  an  Posei- 
donios Hirzel,  Der  Dialog  II  S.  92  Anm.  2.  Die  12.  Rede  be- 
handelt auch 

122.  C.  Ehemann,    Die   XII.  Rede    des   Dion   Chrysostoraos. 
Kaiserslautern  1895.     Progr.  35  S. 

mit  vergleichender  Berücksichtigung  der  ästhetischen  Theorien  des 
Philostratos  und  Lessings  im  Laokoou.  Die  Ästhetik  Dions  oder  seiner 
Quelle  wird  wohl  ven  dem  Verfasser  etwas  überschätzt,  wenn  er  be- 
züglich wichtiger  Punkte,  welche  Dion  im  Unterschiede  von  Lessing 
übergangen  hat,  darzuthun  sucht,  dal!  dieselben  nur  aus  Rücksicht  auf 
den  Gedankengang  der  Dionischen  x\usführungen,  nicht  aus  Unkenntnis 
der  Sache,  beiseite  gelassen  seien. 

Kebes 
liegt  in  einer  neuen  Ausgabe  vor: 

123.  Cebetis  Tabula  rec.  C.  Praechter.     Lipsiae  1893,   XI  u. 
40  S.  60  Pf. 

Für  die  recensio  sind  benutzt  die  zwölf  von  K.  K.  Müller  in 
seiner  Dissertation  De  arte  critica  Cebetis  Tabulae  adhibenda  be- 
sprochenen Hss,  die  arabische  Paraphrase  (in  latein.  Übersetzung)  und 
die  lateinische  Übersetzung  des  Odaxius.  Die  griechischen  Hss  sind 
neu  verglichen,  die  italienischen  von  Tschiedel,  die  übrigen  vom  Heraus- 
geber. Das  Verhältnis  der  Hss  ist  in  der  praefatio  besprochen.  Von 
K.  K.  Müller  abweichend  erkennt  der  Herausgeber  nicht  in  V  den 
Archetypus  aller  übrigen  Hss  außer  V  und  damit  die  einzige  Grund- 
lage des  Textes  für  die  in  A  fehlende  Partie,  wohl  aber  doch  die  beste 
Hs  für  diesen  Teil.     Kritische  Beiträge  lieferte 

124.  H.  van  H(erwerden),  Ad  Cebetis  Tabulam,  Mnemos.  22 
(1894)  S.  263.  Derselbe  schreibt  c.  21,3  eXeuOspttDj  für  iXsufteptuc 
(wohl  richtig)  und  tilgt  c.  22,  2  die  Worte  y.al  y.sxpaTrjXEv  iiu-oZ.  Daß 
die  Worte  stören   ist   richtig,    ob    dies    aber    bei  der  Qualität  unseres 


46    Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischenPhilosophen.  (Praechter.) 

Schriftcbens    ein    hinreichender  Grund  zur    Athetese   ist,    scheint   mir 
fraglich.     Die  Übersetzung 

125.     Das  Gemälde  im  Kronostempel  von  Kebes.   Aus  d.  Griech. 
übers,  von  Friedr.  S.  Krauß.  Zweite  Aufl.  Wien  1890.   33  S.  80  Pf. 

ist  ein  unveränderter  Abdruck  der  ersten  1882  erschienenen  Auflage. 
Auf  den  philosophischen  Gehalt  des  Schriftchens  sind  Suse  mihi 
und  Hirzel  näher  eingegangen.  Ersterer  (Gesch.  d.  griech.  Litt,  in 
d.  Alex.  I  S.  23  ff.  11  S.  657  f.)  ist  geneigt,  in  dem  Verfasser  einen  philo- 
sophisch angehauchten  Rhetor  des  3.  Jahrh.  v.  Chr.  zu  sehen  und  be- 
streitet, daß  der  Pinax,  wie  ich  in  meiner  Dissertation  Geb.  Tab. 
quanam  aetate  conscr.  esse  vid.  Marb.  1885  zu  zeigen  gesucht  hatte, 
das  Gepräge  des  späteren  eklektischen  Stoicismus  an  sich  trage.  Ich 
kann  dem  gegenüber  an  meinen  früheren  Ausführungen  nur  festhalten. 
Die  populäre  Verwischung  des  strengen  Schulcharakters  der  Philo - 
sopheme  bei  Bion  und  Teles,  an  welche  Susemihl  erinnert,  ist  doch 
himmelweit  verschieden  von  einem  Eklekticismus ,  der  bei  kynisch- 
stoischer  Grundfärbung  neben  Piaton  auch  Pythagoras  und  Parmenides 
als  Autoritäten,  wenigstens  für  die  Lebensführung,  anerkennt,  wie  dies 
c.  2,  2  geschieht.  Auf  letztere  Stelle  legt  Hirzel  (Der  Dialog  II 
S.  255  ff.)  großes  Gewicht,  indem  er,  von  ihr  ausgehend,  diejenigen 
Elemente  des  Schriftchens,  die  pythagoreisch  (auch  Parmenides  gilt 
hier  als  Pythagoreer)  sein  können,  auch  für  den  Pythagoreismus  in 
Anspruch  nimmt,  während  ich  alles,  was  Gemeingut  ist,  vielmehr  mit 
der  die  Grundlage  bildenden  stoischen,  bez.  kynisch-stoischeu  An- 
schauung in  Verbindung  gebracht  hatte.  Eine  sichere  Entscheidung 
zwischen  beiden  A'^erfahrungsweisen  wird  sich  kaum  treffen  lassen. 
Keinesfalls  möchte  ich  soweit  gehen  wie  Hirzel,  der  (S.  255)  sich  dahin 
ausspricht,  es  sei  dem  Verfasser  hauptsächlich  darum  zu  thun,  zwei 
Strömungen  sichtbar  zu  machen,  eine  parmenideisch-pythagoreische  und 
eine  kynisch-sokratische.  Meine  Annahme  einer  stoischen  Grundrichtung 
bestreitet  Hirzel  (S.  255  Anm.  2),  da  c.  13  die  otaXsxxixoi  zu  den  An- 
hängern der  ^'suooTraioeia  gerechnet  werden,  ein  Stoicismus  ohne  Dialektik 
aber  nicht  der  rechte  alte  sei,  sondern  der  spätere  kynisierende ,  wenn 
nicht  geradezu  Kj-nismus.  Dagegen  ist  zu  bemerken:  erstens,  daß  die 
Stelle  sich  gegen  die  Dialektik  nicht  als  Teil  des  philosophischen  Systems, 
sondern  als  Glied  der  Siebenzahl  enkyklischer  Fächer  richtet,  was 
der  Polemik  eine  andere  Färbung  giebt;  zweitens,  daß  die  Dialektik 
durchaus  nicht  verworfen,  sondern  ihr  wie  den  anderen  Wissen- 
schaften eine  relative  Nützlichkeit  zugestanden  (c.  33,  6)  und  eine 
Beschäftigung  mit  enkyklischem  Wissen  empfohlen  wird  (c.  32,  4); 
drittens,    daß    auch    ich    dem    Verfasser    nicht    den    .,rechten    alten", 


Bericht  üb.  d  Litt eratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)    4l 

sondern  eben  den  späteren  Stoicisnius  zug-esclirieben  hatte.  Richtiger 
hätte  ich  freilich  gesagt,  daß  er  weder  Stoiker  noch  Kyniker  war, 
sondern  auf  der  Grenze  beider  Richtungen  stand. 

Spätere  Kyniker. 

12G.     H.  Schafstaedt,    Di  Diogenis    epistulis,    Gotting.  1892. 
(Diss.)  63  S., 

behandelt  nnter  I  S.  5—32  das  Hss- Verhältnis  (großenteils  aufgrund 
von  Mitteilungen  von  H.  v.  Arnim  [über  die  ital.  Hss|  und  II.  Pernot 
[über  die  Pariser  Hss])  und  gelangt  zu  folgenden  Ergebnissen:  Die  Masse 
der  Hss  für  ep.  1 — 29  außer  Ambro?.  B  4  sup.  und  Palat.  398  geht 
auf  einen  Archetypus  zurück.  Der  Ambros.,  der  nur  ep.  18-29  ent- 
hält, steht  diesem  Archetypus  nahe  und  ist  für  die  recensio  von  besonderer 
"Wichtigkeit;  mit  ihm  stimmt  der  Palat.  bisweilen  in  besseren  Lesarten 
überein.  Unter  den  den  Rest  der  Briefe  enthaltenden  Hss  ragt  wieder 
Palat.  398  an  Wichtigkeit  hervor.  Aus  ihm  ist  nach  Seh.  dieser  Teil 
der  Sammlung  im  Vat.  1353  ergänzt,  aus  welchem  wieder  Matritensis 
und  Lugdunensis  zu  stammen  scheinen.  Unter  II  S.  33—39  behandelt 
Seh.  textkritisch  eine  Reihe  von  Stellen,  unter  III  S.  40 — 63  giebt  er 
die  Varianten  von  11  teils  von  ihm  selbst,  teils  von  H.  v.  Arnim,  teils 
von  P.  Viereck  kollationierten  Hss.  Vgl.  die  Rezension  von  Wendland, 
Berl.  phil.  Woch.  13  (1893)  Sp.  582  f. 

127.  A.  Nauck,  Analecta  critica,  Hermes  24  (1889)  S.  447  ff. 
bespricht  S.  461  f.  Stellen  aus  [Grat.]  epist.  12  und  27,1;  [Diog,] 
epist.  35,  3  und  epist.  46. 

128.  E.  Norden,  Zu  den  Briefen  des  Heraklit  und  der  Kyniker 
(Beiträge  zur  Gesch.  der  griech.  Philos.,  s.  o.  No.  23)  handelt  zunächst 
über  den  vierten  heraklitischen  Brief  und  zeigt  aufgrund  einer  Unter- 
suchung über  die  Beziehungen  der  Juden  und  Christen  zur  heidnischen 
Mythologie  und  Litteratur,  daß  man  nicht  mit  Bernays  aus  der  Ver- 
wertung heidnischer  Mythologie  in  [Heracl.]  ep.  4  den  Schluß  ziehen 
darf,  nicht  der  ganze  Brief  stamme  aus  jüdischer  oder  christlicher  Feder, 
sondern  ein  Bibelgläubiger  habe  einen  ihm  vorliegenden  Brief  eines 
heidnischen  Schriftstellers  nur  interpoliert.  Stellt  man  sich  überluiupt 
auf  Bernays  Standpunkt,  so  wird  man  diesen  in  der  That  nach  Nordens 
Ausführungen  modifizieren  müssen.  Mir  scheint  aber  die  jüdische  oder 
christliche  Verfasserschaft  durchaus  nicht  gesichert.  Zur  Polemik  gegen 
die  Xiöivoi  dsoi  vgl.  Oenom.  p.  379  Mull.  Der  ganze  Brief  scheint  mir 
aus  dem  kynisch-stoischen  Standpunkte  durchaus  erklärlich  (zur  Welt 
als  Tempel  vgl  etwa  Dio  Chrys.  or.  12  p.  223,  14  ff.  Dind.,  wo 
freilich  die  Pointe  eine  andere  ist). 


48    Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

In  einem  zweiten  „Der  28.  Brief  des  Diogenes"  betitelten  Ab- 
schnitte (S.  392  ff.)  betont  Norden  den  Wert  der  Kynikerbriefe  für  die 
Entwickelungsgeschichte  des  Kynismus  nnd  weist  darauf  hin,  dass  der 
in  den  Briefen  zu  Worte  kommende  spätere  Kynismus  das  Odysseus- 
ideal  fallen  ließ,  welches  Antisthenes  jedenfalls  gegen  die  auf  Homer 
gegründeten  Einwürfe  durch  künstliche  Interpretation  verteidigt  hatte. 
Die  Polemik  der  Gegner  gegen  diese  Deutungen  siegte  und  hatte  das 
Aufgeben  jenes  Ideals  zur  Folge.  Ferner  erscheinen  statt  Antisthenes 
Diogenes  und  Krates  als  Schultypen,  worin  sich  die  Wendung  nach  der 
rein  praktischen  Seite  zu  erkennen  giebt. 

Was  den  28.  Brief  selbst  betrifft,  so  widerlegt  N.  sehr  über- 
zeugend die  Bernayssche  Ansicht  von  dem  christlichen  Ursprünge  des- 
selben nach  ihren  einzelnen  Argumenten.  Hervorzuheben  sind  besonders 
S.  398  ff.  die  Bemerkungen  über  das  Zusammentreffen  zwischen  Ky- 
nismus und  Stoicismus  einer-  und  dem  Christentum  andererseits  in  der 
düsteren  Schilderung  des  menschlichen  Treibens  (vgl.  jetzt  auch  Wend- 
land S.  38  ff.  der  unter  No.  119  genannten  Schrift).  In  diesem  Zusammen- 
hange bespricht  N.  auch  die  vielbehaudelte  Stelle  Aristid.  Girsp  -tüv 
T£~apcüv  p.  397  ff'.  Dind.,  die  er  mit  Recht  auf  die  Kyniker,  nicht  auf 
die  Christen  bezieht.     In  dieses  Gebiet  gehört  auch  die  Abhandlung  von 

129.  E.  Zeller,  Über  eine  Berührung  des  jüngeren  Kynismus 
mit  dem  Christentum,  Sitzungsber.  der  K.  preuß.  Ak.  d.  Wiss.  1893 
S.  129—132,  der  auf  den  Vorwurf  der  Einmischung  in  fremde  Ange- 
legenheiten hinweist,  welchen  sich  Kyniker  wie  Christen  durch  ihre 
seelsorgerliche  Thätigkeit  zuziehen  mußten  und  daraus  gewiß  richtig 
das  Wort  dXXoTpios-iay.o-oc  1.  Petri  4,  15  erklärt  unter  Heranziehung 
von  Epict.  diss.  3,  22,  97. 

Drei  hier  zu  erwähnende  Arbeiten  betreffen 

0  i  n  0  m  a  0  s. 

130.  H.  Usener,  Var.  lect.  spec.  prim.,  Jahrb.  139  (1889) 
S.  369  ff.  emendiert  unter  Xo.  XXIV  S.  383  die  Stelle  Euseb.  praep. 
evang.    V  27,  3  p.  221  d,  indem  er  für  zl  oi  -{z  oi  schreibt  si  olxzr^. 

131.  T.  Saar  mann,  Adnotationes  in  Oenomai  fragmenta  (Euseb. 
praep.  evang.  V  19—36  et  \1  7),  Dortmund  1889,  Progr.  S.  25—36, 
enthält  textkritische  und  exegetische  Bemerkungen  zu  Oinomaos.  In 
einem  additamentum  S.  35  f.  sind  ungünstige  Urteile  von  Stoikern  und 
Kynikern  über  die  Mantik  zusammengestellt  und  der  Abstand,  der  in 
dieser  Hinsicht  Peregrinus  Proteus  von  Oinomaos  trennt,  hervorgehoben. 

132.  0.  Cr  US  ins,  Die  Kuvo?  au-rcfcavia  des  Oinomaos,  Rhein. 
Mus.  44  ri889)  S.  309—312,    erinnert  an  die  Ausdrücke  7pr,7[xol  au- 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)  49 

TO(ptuvoi  (Luc.  Alex.  26),  Atuocuv?)  auro^tüvoc  ^ixavTsujaro  (Luc.  gall.  2) 
und  das  Suid.  s,  v.  Jioixvivo?  Berichtete.  Danach  umschreibt  C.  den 
Titel  der  Schrift  des  Oinomaos  durch  «des  Kyon  leibhaftige  Stimme" 
und  vermutet,  daß  0.  entweder  ein  mythisches  Vorbild  der  Kyuiker, 
etwa  Herakles,  oder  geradezu  den  vorbildlichen  „Hund"  die  wahre 
Philosophie  verkünden  ließ.  Die  Deutung  des  Ausdrucks  aoTocpcüvta  ist 
ohne  Zweifel  richtig,  doch  hat  man  kaum  nötig,  an  eine  solche  in  der 
Schrift  durchgeführte  Fiktion  zu  denken.  Enthielt  sie  das  kynische 
Glaubensbekenntnis  in  besonders  scharf  ausgeprägter  Form,  so  konnte 
sie  wohl  auch  ohne  weiteres  mit  leichter  Nuancierung  der  von  C.  er- 
härteten Bedeutung  als  „des  Kyon  ureigenste  Stimme"  bezeichnet  werden. 


£pikureismas. 

Über  Epikurs  persönliche  Verhältnisse  ergiebt  einiges  sein  in  der 
Inschrift  von  Oinoanda  enthaltener  Brief  an  seine  Mutter  (s.  unter  No.  1 72). 
Seinen  litter  arischen  Nachlass  betreffen  folgende  Arbeiten: 

133.  A.  Cosattini,  Epicuri  „de  natura"  liber  XXVIII,  Hermes 
29  (1894)  S.  1—15. 

Der  Verf.  versucht  eine  Ergänzung  der  Reste,  von  welchen  in 
der  Neapeler  Coli.  alt.  und  der  Oxforder  Sammlung  Apographa  vor- 
banden sind  (die  übrigen  Stücke  geben  nur  einzelne  Buchstaben). 
Vieles  ist  von  H.  v.  Arnim  beigesteuert. 

134.  A.  Cosattini,    Frammento    ercolanese    sulla  generazione, 
ßiv.  di  filol.  20  (1892)  p.  510—515. 

Der  Verf.  giebt  den  Text  von  pap.  908,  der  mit  dem  unteren 
Teile  von  1390  identisch  ist.  Er  hält  das  Stück  für  ein  Fragment  aus 
Epikur  irepl  'fuastu?.  Die  Schrift  ähnelt  der  von  pap.  1010,  dessen 
Zugehörigkeit  zu  irspl  ^udsw;  Gomperz  bewiesen  hat;  die  Theorie  über 
die  Bildung  des  Samens  ist  diejenige  Epikurs.  Sicheres  ist  bei  der 
Geringfügigkeit  dessen,  was  sich  an  zusammenhängender  Lehre  eruieren 
läßt,  nicht  auszumachen. 

135.  Lewy  teüt  Jahrb.  145  (1892)  S.  765  eine  Konjektur  mit 
zu  Epic.  ep.  ad  Menoec.  Laert.  Diog.  10,  133  f. 

136.  S.  Sudhaus,  Exkurse  zu  Philodem:  Eine  Scene  aus  Epikurs 
Gastmahl,  Philol.  54  (1895)  (S.  85—88)  bespricht  den  bei  Phüodemi 
erhaltenen  Auszug  aus  einem  Buche  des  epikurischen  2u[i.-o3iov. 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    Bd.  LXXXXVI.    (1898.  I.)      4 


50   Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

t"oer  einen  inscbriftlich  erhalteneu  Brief  Epikurs  an  seine  Mutter 
s.  unten  No.  172. 

Das  Material  zur  epikurischen  Spruchsammlung  hat  sich  um  einige 
nicht  uninteressante  Stücke  vermehrt.  Zu  der  von  Wotke  entdeckten, 
von  Tsener,  Wiener  Stud.  10  (1888)  S.  175  fi.  u.  a.  besprochenen 
Sammlung  des  cod  Vatic.  gr.  1950  sind  in  unserer  Berichtsperiode 
hinzugetreten: 

1.  6  Sprüche  des  cod.  Palat.  gr.  129  saec.  XIV,  entdeckt  von 
M.  Treu,  bearbeitet  von 

137.  Usener,  Epikurische  Spruchsammlung.  II.  Wiener  Stud. 
12  (1890)  S.  1  ff.  2  dieser  Sprüche  sind  neu;  beide  gehören,  der  eine 
sicher,  der  andere  aller  Wahrscheinlichkeit  nach,  Metrodor  und  be- 
stätigen Useners  Annahme  einer  Sammlung,  welche  neben  Epikur  auch 
die  anderen  Schulbegründer  berücksichtigte,  im  Laufe  der  Zeit  aber 
einfach  auf  Epikurs  Namen  geschrieben  wurde.  Eine  Anlehnung  an 
einen  dieser  Sprüche  glaubt  Thomas,  Arch.  f.  Gesch.  d.  Phil.  4  (1891) 
S.  569  f.  bei  Seneka  zu  erkennen. 

2.  1  Spruch  in  cod.  Vatic.  gr.  952  saec.  XIV  ex.,  entdeckt  von 
G.  Heylbut,  besprochen  von  Usener  a.  a.  0.  S.  3  f.  (Vgl.  dazu 
Philol.  56  [1897]  S.  551  f.) 

Die  Wotkesche  Sammlung  berühren  noch  138.  Usener,  Wiener 
Stud.  11  (1889)  S.  170  mit  dem  Nachweise,  daß  Gnome  75  sich  gegen 
die  peripatetische  Schule  richtet,  139.  v.  Wilamowitz-Moellendorff, 
Commeutar.  gramm.  III,  Götting.  Progr.  1889,  S.  13  f.,  (mir  nur  durch 
Usener,  Wiener  Stud.  12  [1890]  S.  1  bekannt),  140.  E.  Thomas, 
Eine  Studie  zu  den  epikurischen  Sprüchen,  Hermes  27  (1892)  S.  22 — 35, 
der  nach  Vorbemerkungen  über  den  Titel  der  vatikanischen  Sammlung 
und  ihr  Verhältnis  zu  den  Heidelberger  Exzerpten  einzelne  Sentenzen 
der  ersteren  bespricht. 

Auch  auf  Epikurs  L  e  h r  e  ist  mehrfach  neues  Licht  gefallen.  Die 
von  Hirzel,  Unters,  zu  Cic.  phil.  Sehr.  1  S.  1 10  ff.  verfochtene  Ansicht, 
da£  Epikur  auch  in  seiner  Kanonik  und  Ethik  von  Demokrit  abhängig 
sei,  hat  sich  bestätigt;  für  die  Kanonik  dadurch,  daß,  wie  Sudhaus  im 
ßhein.  Mus.  48  (1893)  S.  341  an  der  Hand  Philodems  zeigt,  der 
zwischen  Demokrit  und  Epikur  stehende  Nausiphanes  mit  beiden  in  den 
erkenntnistheoretischen  Grundsätzen  übereinstimmt,  für  die  Ethik  durch 
den  Gebrauch  des  Terminus  euÖü[xta  in  Epikurs  durch  die  Inschiüft  von 
Oinoanda  erhaltenem  Briefe  an  seine  Mutter  (unten  No.  172). 

An  Arbeiten  über  das  Ganze  oder  einzelne  Teile  des  epikurischen 
Lehrsystems  sind  zu  nennen: 

141.  P.  Cassel,  Epikuros  der  Philosoi>h,  verteidigt  und  erklärt, 
Baliu  1892.  64  S.     1  M. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nachaiistotelischen Philosophen. (Praechter.)  51 

Die  Schrift    enthält    allgemeine  Betrachtungen    über  Epikur  und 
den  Epikureismus  vom  christlichen  Standpunkte  aus. 

142.      P.-F.    Thomas,     De    Epicuri    canonica,     Parisiis    1889, 
81  S.,  eine  Apologie  der  epikurischen  Kanonik,  die  aber  m.  E.  miCglückt 
ist.     Die   Vorwürfe,    welche  E.    wegen    der  Mängel    seiner  Erkenntnis- 
theorie gemacht  werden,  sollen  nicht  ihn,  sondern  seine  Schüler  treffen, 
was  bei  dem  zähen  Festhalten  der  epikureischen  Schule  an  der  Lehre 
ihres  Stifters  von  vornherein  nicht  wahrscheinlich  ist;  am  allerwenigsten 
würde    aber    dafür    ein    persönliches    Freundschaftsverhältnis    zwischen 
Epikur    und  Karneades  (Th.  liest  Cic.  de  fin.  5,  31,  94  Carneades;    de 
lato  11,  23  fif.    ist   von    einem  persönlichen  Verhältnis    überhaupt  nicht 
die    Rede)    beweisen.     Über    die    Bedenken,    welche    der    epikurischen 
Kanonik  entgegenstehen,  wird  teils  sehr  leichten  Fußes  hinweggeschritten, 
teils   wird    in    die  epikurischen  Sätze   ein  ihrem  Urheber  fremder  Sinn 
hineingedeutet.     Wenn  Th.  betont,   daß  E.  in  den  Sinnen,  die  die  von 
den  Dingen    ausgehenden  Bilder   getreu    übermitteln,    ein    untrügliches 
Kriterium  aufzeige,    so   ist   dagegen   zu  erinnern,    daß    damit    die  er- 
kenntnistheoretische Schwierigkeit  nur  um  eine  Etappe  zurückgeschoben 
wird,    da    wir   für    die  Beurteilung   des    Verhältnisses    der  Bilder  zu 
den  Dingen  selbst  kein  Kriterium  erhalten.    Die  epikurische    tc^oXt^^h 
bringt  Th.    mit  dem  induktiven  Verfahren  in  Verbindung  und  versteht 
darunter  die  Definition.     Die  Überlieferung   bietet    dafür  keine  Stütze. 
Von    einem    durch  oftmalige  Wahrnehmung  |entstehenden  Erinnerungs- 
bilde bis  zu  einem  methodisch  gewonnenen  Begriffe  ist  noch  ein  weiter 
Schritt.     (Für    die  S.  41    angeführte  Stelle    aus   Ciceros  Topik    müßte 
erst  bewiesen  werden,    daß    das  Wort  jipoXr^ij^ic   im  Sinne  Epikurs  ver- 
wendet wird.) 

Sehr  zum  Nachteil  der  Arbeit  sind  Useners  Epicurea  und  Zellers 
Phil,  d.  Gr.  nur  wenig  berücksichtigt.  Der  Verf.  hätte  bei  Usener 
nicht  nur  einen  besseren  Laertiostext,  sondern  auch  eine  Ergänzung 
seines  QneUenmaterials  gefunden.  Z.  B.  S.  13  vermißt  man  die  beiden 
ersten  der  von  Usener  unter  fragm.  259  gesammelten  Stellen.  Manches 
ist  schon  bei  Zeller  viel  feiner  und  umsichtiger  ausgearbeitet;  so  hätte 
S.  20  zur  Beurteilung  der  Stelle  Aet.  4,  23  auf  ZeUer  in  1»  S.  419 
Anm.  2  (Diels  doxogr.  414,  28  ff.,  Usener  zu  fragm.  317  S.  220,  11  f.) 
verwiesen  werden  müssen.  Zu  bemerken  ist  noch,  daß  der  Verf.  S.  35 
nach  Besprechung  einer  methodologischen  Forderung  Epikurs  fortfährt: 
Hanc  doctrinam  dilucide  explanat  Aul.  Gellius:  Visa  enim  etc.  Es  folgt 
die  Epiktetstelle  Gell.  19,  1,  15  ff.,  ohne  daß  der  Herkunft  derselben 
mit  einem  Worte  gedacht  würde. 

143.  C.  Giambelli,  La  rp&Xrjtj^ic  epicurea  e  la  gnoseologia  con- 
forme  ad  essa  (presso  Cicerone  De  nat.  deor.  I  16  —  17,  43—44;  19,  49). 

4* 


52  Bericht  üb.  d. Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen Philosophen. (Praechter.) 

Riv.    di    filol.    e    d'istr.    class.  22  (1894)  p.  348—385.     Es  sollte  sich 
doch  endlich  die  Erkenntnis  allgemein  Bahn  brechen,  daß  solche  Unter- 
suchungen,   vie  die  der  vorliegenden  Arbeit,  in  welcher  der  Verfasser 
auf  Schritt  und  Tritt  mit  Laertios  Diogenes    zu    rechnen    genötigt  ist. 
sich  ohne  genügende  philologische  Unterlage  nicht  führen  lassen.     Der 
Verf.  bemerkt  zwar  S.  375,    daß  Laertios    nelle    edizioni    attuali    ci  e 
tramandato,    secondo    l'opinione    del  Comparetti    e   degli    altri  migliori 
critici,  assai  malcoucio.     Das  macht  ihm  aber  weiter    keine  Schmerzen 
und  bestimmt  ihn  nicht  im  mindesten,    sich   um  neuere  Leistungen  für 
den  Laertiostext  zu  bekümmern    und    so    vielleicht    die  Entdeckung  zu 
machen,    daß    schon  1887    von   Usener    in    seinen  Epicurea  für  diesen 
Text,    soweit  Epikur  in  Frage  kommt,    in    der  Hauptsache  gethan  ist, 
was  philologische  Kunst  unter  den  obwaltenden  Umständen  thun  kann. 
Useners  Werk  scheint  dem  Verf.  absolut  unbekannt  zu  sein!   Er  nimmt 
sich  ohne  viel  Kopfzerbrechens    über    das  Schwankende  seiner  Grund- 
lage eine  Laertiosausgabe,    die    ihm    gerade    in  die  Hand  kommt,    und 
zwei  alte  italienische  Übersetzungen  und  interpretiert  und  philosophiert 
munter  drauflos.     Auf  seine  Ergebnisse    kann    ich    hier    im  einzelnen 
nicht  eingehen.    Im  ganzen  habe  ich  den  Eindruck,  daß  mit  dem  langen 
und  komplizierten  Erkenntnisprozesse,  dessen  letztes  Stadium  die  npolri^n 
sein  soll,    Epikur   mancherlei    untergeschoben  und  Schwierigkeiten  be- 
rücksichtigt werden,    deren  Epikur  selbst    sich    wohl  kaum  bewußt  ge- 
wesen ist. 

144.     A.  Brieger,  Epikurs  Lehre  von  der  Seele.    Grundlinien. 
Halle  a.  S.  1893.     Progr.  21  S. 

Die  der  Behandlung  des  Themas  voraufgehende  Polemik  gegen 
die  Textesherstellung  in  Useners  Epicurea,  die  ein  utiouXov  xaXXo?  zuwege 
gebracht  haben  und  sachliche  Vertiefung  vermissen  lassen  soll,  ist  ver- 
fehlt. Mit  wenigen  Ausnahmen  (so  verteidigt  Br.  p.  12,  14  Usener 
mit  Recht  das  hsl.  oiovel  gegen  Usener,  der  oiov  t)  schreibt;  14,  6  ist 
gut  £y.i»a<|;iv  (Usener  e'YxXtJiv)  konjiziert;  im  zweiten  Teile  der  Arbeit 
S.  12  scheint  mir  die  Festhaltuug  von  e-eptp  m'('{t'(z\-i]\iivta  p.  20,  14.  15 
richtig)  verdient  Useners  Text  vor  dem  mehrfach  gewaltsam  herge- 
richteten Briegers  bei  weitem  den  Vorzug.  Auf  alle  Stellen  näher  ein- 
zugehen, ist  hier  unmöglich.  P.  6,  8  scheint  Br.  die  Stütze,  welche 
Useners  totto;  6e  durch  das  hsl.  xo  zpojOsv  und  das  Fehlen  von  os 
hinter  ei  erhält,  völlig  übersehen  zu  haben.  P.  9,  14  sind  aTioiTajstc 
"Wohl  nicht  die  „Bilder,  die  sich  von  selbst  in  der  Luft  bilden",  sondern 
•die  in  den  Körpern  entstehenden  „Abstände"  zwischen  den  Atomen, 
•welche  die  Bildung  der  dt7:6ppoiat  ermöglichen;  sind  aber  doch  die  Bilder 
gemeint,  so  können  diese  mit  Beziehung  auf  ihre  Abtrennung  von  dem 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)  53 

körperlichen  Gegenstande  und  ihr  Ausgehen  von  demselben  sehr  wohl 
mit  oKOTcajst;  bezeichnet  werden. 

Epikurs  Seelenlehre  besprechend  behandelt  Br.  die  Seele  nach 
ihrem  Wesen  und  ihrer  Zusammensetzung  aus  vier  Stoffen,  ihrem  Ver- 
hältnis zum  Körper,  ihren  Funktionen  (-ai)r)  und  aiabiQjii;).  Die  für 
den  Prozeß  der  aiaörjait  wichtige  Scheidung  von  Geist  und  Seele 
identifiziert  Br.  gewiß  richtig  mit  derjenigen  zwischen  dem  vierten  und 
den  drei  übrigen  Seelenelementen.  Der  Vorgang  der  at'uSriai;  nach 
epikurischer  Lehre  wird  S.  16  f.  klar  und  überzeugend  dargelegt.  Nur 
verstehe  ich  die  Schwierigkeit  nicht,  die  sich  erheben  soll,  wenn  man 
sich  die  Gesichtswahrnehmuug  in  ganz  analoger  Weise  wie  die  sonstige 
sinnliche  Wahrnehmung  stattfindend  denkt.  Der  Unterschied  zwischen 
Gesichtsbildern  und  VorsteUuugsbildern  ist  doch  auch  abgesehen  von 
der  größeren  Feinheit  der  letzteren  dadurch  gewahrt,  daß  die  Vor- 
stellungsbilder ganz  allgemein  corporis  per  rara,  nicht  specifisch  nur 
durch  die  Augen  eindringen  und  ihre  Wahrnehmung  damit  eben  keine 
Sinneswahrnehmung  ist.  Der  Schluß  der  Arbeit  ist  der  Behandlung 
der  Vorstellungsbilder,  der  -pCXr^^n  und  der  Entstehung  der  Willens- 
akte gewidmet. 

Vgl.  auch  die  Besprechung  von  Wendland,  Berl.  philol.  Woch. 
13  (189.3)  Sp.  1322—1323. 

145.  S.  Sudhaus,  Aristoteles  in  der  Beurteilung  des  Epikur 
und  Philodem,  Rhein.  Mus.  48  (1893)  S.  552—564. 

Der  Verf.  behandelt  die  Polemik  gegen  Aristoteles  in  pap.  1015, 
832  der  herkul.  Rollen,  die  vor  allem  für  Aristoteles'  Entwickelungs- 
geschichte  von  Wichtigkeit  ist,  zugleich  aber  auch  wegen  des  von 
Epikur  begonnenen  und  innerhalb  seiner  Schule  fortgepflanzten  Streites 
gegen  Ar.  Interesse  hat.  Mit  der  Polemik  gegen  Ar.  geht  Hand  in 
Hand  die  Erhebung  des  „Philosophen"  Isokrates.  Epikurs  grob  zu- 
schlagender Weise  gegenüber  zeigt  sich  bei  Philodem  eine  gewisse 
Verfeinerung  der  Polemik.  Ursache  des  Hasses  ist  Aristoteles'  spätere 
Hinneigung  zur  politischen  Thätigkeit  und  seine  Richtung  auf  die 
Naturwissenschaften,  denen  Epikur  nur  sekundäre  Bedeutung  beimaß. 
Über  den  Wert  der  Angaben  über  Aristoteles  und  die  Verwendung 
derselben  durch  Nissen  und  Sudhaus  vgl.  übrigens  auch  Susemihl  in 
diesen  Jahresb.  Bd.  79  S.  258  ff. 

146.  Metrodori  Epicurei  fragment  acoUegit,  scriptoris  incerti 
Epicurei  commentarium  moralem  subiecit  A.  Koerte,  Jahrb.  Suppl. 
17  (1890)  S.  529-597  (der  erste  Teil  [bis  S.  556]  ist  1890  auch 
als  Bonner  Diss.  erschienen). 


54   Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

Die  Fragmente  Metrodors  sind  gegenüber  der  Düningscheu 
Sammlung  besonders  durch  Ausbeutung  der  berkulan.  PapjTi  ansehnlich 
vermehrt.  Aufgenommen  sind  auch  aus  dem  Gnomol.  Vatic.  und 
Plutarchs  antiepikureischen  Schriften  eine  Anzahl  von  Stücken,  die  der 
Herausgeber,  ohne  daß  sie  IFetrodors  Namen  tragen,  doch  diesem  glaubt 
zuweisen  zu  dürfen.  Der  Grad  der  Sicherheit,  mit  welcher  diese  Zu- 
weisung erfolgen  kann,  ist  verschieden,  im  ganzen  scheint  mir  für  die 
plutarchischeu  Stücke  verhältnismäßig  sichererer  Boden  vorhanden 
zu  sein  als  für  diejenigen  des  Gnomol.  Vat. 

Metrodors  wissenschaftlichen  Charakter  nimmt  K.  S.  535  ff.  in 
Schutz.  Eichtig  ist  jedenfalls,  daß  mau  wegen  der  bekannten  das 
Thema  -spl  -'as-spa  tö  dyaÖGv  variierenden  Briefstelleu  über  M.  nicht 
den  Stab  brechen  darf,  schon  deshalb  nicht,  weil  es  sich  eben  um  Brief- 
steilen  handelt  und  wir  nicht  kontrollieren  können,  wie  weit  nicht 
Gründe  des  Augenblicks  und  der  Person  den  Schreiber  zu  schroffer 
Formulierung  und  Überspannung  eines  Satzes  bestimmten,  den  er  in 
dieser  Form  keineswegs  als  Dogma  aufgefaßt  wissen  wollte.  (Vgl- 
auch  die  von  K.  S.  536  f.  beigebrachten  Gegeniudicien).  Die  von 
Körte  wieder  aufgenommene  Düningsche  Deutung,  nach  welcher  M. 
mit  jenen  Äußerungen  sich  nur  gegen  die  Annahme  äußerer  Ursachen 
der  Glückseligkeit  wendete,  muß  ich  aber  mit  Hirzel  als  unstatthaft 
bezeichnen.  Auch  der  von  K.  S.  535  f.  gegen  Hirzel  versuchte  Nach- 
weis, daß  es  sich  bei  Tiraokrates'  Abfall  wesentlich  um  persönliche 
Differenzen  handelte,  scheint  mir  nicht  geglückt. 

Der  zweite  Teil  der  Arbeit  (S.  571  ff.)  giebt  nach  dem  von 
Pernice  verglichenen  Oxforder  und  dem  Neapeler  Apographon  Papj^r. 
831  (YW-  X  f.  71—80),  für  dessen  Inhalt  K.  die  Verfasserschaft 
Metrodors  wahrscheinlich  zu  machen  sucht. 

Weitere  Fragmente  Metrodors  weist  nach  Sudhaus  in  der  eingehen- 
den Besprechung  der  Körteschen  Schrift,  Berl.  phil.  Woch.  11  (1891) 
Sp.  1254—1259. 

147.  E.  Thomas,  Das  Brieffragment  des  Metrodor  von  Lam- 
psakos  bei  Seneca  Epist.  mor.  XVI  4  (99)  25,  Arch.  für  Gesch.  d. 
Phil.  4  (1891)  S.  570—573,  stellt  fragm.  34  Körte  so  her:  I'jw 
7ap  t:<evO>o?  tjoov^  (7U77<e>'V<e>i;  9U<Xa>TTeiv  xa-a  toütov  tov 
y.aipov. 

Die  Litteratur  über  Philodem  ist  z.  T.  (bis  Ende  1893)  von 
Hammer  in  dem  Berichte  über  die  auf  die  griechischen  Rhetoren  be- 
züglichen Arbeiten  (Bd.  83  S.  123—128)  behandelt  worden,  auf  den 
ich  im  einzelnen  Falle  verweisen  werde.  Auch  die  seitdem  erschienene 
die  rhetorischen  Schriften  betreffende  Litteratur  bleibt  zu  eingehenderer 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistoteliscben  Philosophen.  (Praechter.)    55 

Besprechung  der  Fortsetzung  jenes  Berichtes  vorbehalten  und  wird  hier 
nur  kurz  registriert  werden. 

148.  H.  Usener,  Variae  lectionis  specimen  primum.  Jahrb.  139 
(1889)  S.  369  ff.  erkennt  (No.  XII  S.  377)  bei  Philod.  VH^  VIII 
f.  134  (II  p.  176  Sudh.)  die  Stelle  Plat.  Gorg.  486  a. 

149.  Th.  Gomperz,  Beiträge  zur  Kritik  und  Erklärung 
griechischer  Schriftsteller.  Sitzungsber.  der  philos.-hist.  Kl.  der  K. 
Akad.  d.  Wiss.  Bd.  122.     Wien  1890.     IV  S.  17  f. 

Der  Verf.  erkennt  in  der  Philod.  Tspl  (j/fop.  B  (VH^  IV 
44— IV  107.  Bd.  I  p.  97,  25  f.  Sudh.)  in  der  Oxforder  Abschrift  richtig 
erhaltenen  Wendung  o'joz  xsXsuoixsv  auTov  »{^^'povev  TrsXaYe-,  ^rjrstv 
eine  sprichwörtliche  Redensart  und  denkt  an  den  Anfang  eines  Komiker- 
verses (<\>7^rfo^  y.sXsustc  £v  -eXa-jSi  Ctjtsiv  ejas).  Ferner  stellt  der  Ver- 
fasser eine  Kolumne  der  Rhetorik  (VH^  IV  80=Ox.  II  88)  her. 

150.  Philodemi  voluraina  rhetorica  ed.  S.  Sudhaus  (vol.  I). 
Lipsiae    1892.      S.    Hammer  S.  123  ff".     Ergänzungen    dazu   bieten: 

151.  H.  von  Arnim,  Ein  Bruchstück  des  Alexinos,  Hermes  28 
(1893)  S.  65-72. 

Der  Verf.  stellt  PhUod.  rhet.  col.  44,  23  und  45,  25  (S.  79,  23 
und  80,  25  Sudhaus)  den  Namen  des  Alexinos  her  (Sudhaus  beide  Male 
'AXilioQi),  gestützt  auf  das  an  der  zweiten  Stelle  auf  dem  Papyrus  er- 
haltene V  und  die  (nach  von  Arnims  Abgrenzung  des  Hermarchcitates) 
col.  49,  13  hervortretende  Gegnerschaft  des  Genannten  gegen  (den 
Megariker)  Eubulides. 

152.  H.  von  Arnim,  Coniectauea  in  Philodemi  rhetorica, 
Hermes  28  (1893)  S.  150—154.     S.  Hammer  S.  125  f. 

153.  S.  Sudhaus,  Alexinos,  Rhein.  Mus.  48  (1893)  S.  152—154. 
S.  Hammer  S.  126  f. 

154.  S.  Sudhaus,  Nausiphanes,  Rhein.  Mus.  48  (1893)  S.  321 
—341.     S.  Hammer  S.  127  und  oben  S.  50. 

155.  S.  Sudhaus,  Aristoteles  in  der  Beurteilung  des  Epikur 
und  Philodem.  Rhein.  Mus.  48  (1893)  S.  552—564.  S.  Hammer 
S.  127  f.  und  oben  No.  145. 

156.  J.  ab  Arnim,  De  restituendo  Philodemi  de  rhetorica  lib.  II. 
Index  sehol.  Rostoch.  1893/4.  Der  Verf.  versucht  die  Herstellung 
des  Stückes  p.  89  (col.  52,  11)- 119  (col.  20,  27).     . 


/ 


56   B  ericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

157.  S.  Sudhaus,  Neue  Lesungen  zu  Philodem  (de  rhet.  1. 1,  II), 
PhUol.  53  (1894)  S.  1—12. 

157a.  Philodemi  volumina  rhetorica  ed.  S.  Sudhaus.  Supple- 
mentum.  Lipsiae  1895.  (Festschr.  des  klass.-philol.  Ver.  zu  Bonn  z. 
Begrüßung  d.  43.  Philologenvers.)  (Vgl.  auch  die  Neuherstellung  von 
vol.  I  p.  289—325  in  dem  1896  erschienenen  vol.  II  der  Sudhausschen 
Ausgabe  und  ebenda  dieLesarten  p.  XIX — XXIII.) 

Endlich  gehört  hierher  noch  wiegen  der  Textesrezension  der  be- 
treffenden Partien  der  Rhetorik: 

158.  S.  Sudhans,  Exkurse  zu  Philodem,  Philol.  54  (1895) 
S.  80—92.     S.  unten  No.  169. 

159.  Philodemi  itepl  Tionrjfia-cuv  libri  secundi  quae  videntur  frag- 
menta  conlegit  restituit  inlustravit  A.  Hausrath.  Jahrb.  Suppl.  17 
(1889)  S.  213—276.  (Bis  S.  233  auch  als  Bonner  Diss.  erschienen.) 
S.-A.  2  M. 

Die  Vorrede  S.  213—236  stellt  die  hierher  gehörigen  Fragmente 
nach  äußeren  und  inneren  Kriterien  fest.  S.  237 — 276  enthalten  den 
Text.  Die  Stücke,  welche  der  Herausgeber  nur  mit  Wahrscheinlich- 
keit glaubt  hierher  ziehen  zu  können,  sind  gesondert  am  Schlüsse  zu- 
sammengestellt. 

Vgl.  die  Besprechung  von  Sudhaus,  Berl.  philol.  Woch.  10  (1890) 
Sp.  815—818. 

Hausrath  a.  a.  0.  218  ff.  versucht  im  Anschlüsse  an  Gomperz 
den  Nachweis,  daß  VH^  VI  127—187  polemische  Ausführungen  — 
wahrscheinlich  eines  Stoikers  —  gegen  IV  enthalte.  Hiergegen  wendet 
sich  jetzt 

160.  Th.  Gomperz,  Philodem  und  die  ästhetischen  Schriften 
der  herkulanischen  Bibliothek,  Sitzungsber.  der  K.  Akad.  d.  Wiss. 
in  Wien,  phüos.-hist.  Kl.     Bd.  123.    Wien  1891,  88  S.     1  M.  80. 

An  der  Hand  einer  genauen  Durchmusterung  des  Papyrus  994 
(VH^  Vif.  127—187),  die  auch  für  die  Herstellung  des  Textes  reichen 
Ertrag  liefert,  thut  G.  überzeugend  dar,  daß  in  demselben  nichts  gegen, 
einiges  aber  ganz  zwingend  für  die  Autorschaft  Philodems  spricht. 
Entscheidend  ist,  daß  für  eine  nach  Hausrath  gegen  Philodem  gerichtete 
Ausführung  später  der  Gegner  in  der  Person  des  Pausimachos  erscheint, 
dessen  Name  auch  an  anderen  Stellen  von  VI  vorkommt. 

Einer  gleich  ft'uchtreichen  Durcharbeitung  unterwirft  G.  S.  51  ff. 
auch  Papyrus  1676  (VH^  147—166). 

Anhang  I  enthält  Bemerkungen  und  Vorschläge  zu  den  von  Haus- 
rath behandelten  Stücken,  Anhang  II  betrifft  die  aus  Pap.  1021  zu 
gewinnenden  Fragmente  der  Chronik  Apollodors. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)  57 

Vgl.  die  Rezension  von  Sudhaus,  Berl.  phil.  Woch.  12  (1892) 
Sp.  1515—1517. 

161.  F.  B(ücheler),    Zu  Philodemos    zepl    TtoirjixaTwv,    Rhein. 
Mus.  44  (1889)  S.  633 

giebt,  ein  Versehen  Hausraths  berichtigend,  eine  sichere  Ergänzung  in 
Stück  46,  15  Hausr.  (VH^  VII  114)  und  teilt  eine  Beobachtung  von 
E.  Preuner  mit,  nach  welcher  Stück  75  (VH^  IV  192)  sich  an  50 
(VH2  VII  94)  unmittelbar  anschließt. 

162.  H.    Usener,    De    Philodemi    loco,    Jahrb.    139     (1889) 
S.  776.     S.  Hammer  S.  126. 

163.  R.  Ellis,  Adversaria  IV,  Journ.  of  philol.  19  (1891) 
p.  173  ff.  behandelt  p.  178  Philod.  z.  :rotT]ix.    II  p.  242  1.  12  ff.  Hausr. 

164.  H.   Perron,    Textkritische    Bemerkungen   zo  Philodems 
Oeconomicus.    Zürich  1895.     (Diss.)  85  S. 

teilt  Beobachtungen  mit  über  Hiatus,  Assimilation,  Iota  adscr.,  Itacismus, 
Silbenabteilung,  Korrekturen,  Interpunktion  und  Schrift  (S.  6 — 10).  Es 
folgt  die  Besprechung  von  Stellen,  an  welchen  Frühere  gegen  die  Über- 
lieferung geändert  haben  (S.  11  —  13).  Endlich  werden  solche  Stellen 
behandelt,  an  welchen  aus  dem  von  den  Herausgebern  nicht  benutzten 
Oxforder  Apographou  (S.  14 — 33)  oder  aus  der  Neapeler  Abschrift 
durch  genauere  Berücksichtigung  der  Buchstaben,  Raumverhältnisse  und 
des  Gedankenzusammenhanges  (S.  34 — 81)  das  Richtige  zu  gewinnen  ist, 

165.  E.  Zeller,  Miscellanea,  Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos.  5 
(1892)  S.  441  ff.  schreibt  Philodem  ind.  Stoic.  35  aufgrund  der  dem 
Verfasser  vorschwebenden  Homerstelle:  auveTcvei  jxeTa  tcüv  Xo-^cdv  ixevo?  ti 
xal  dup-ov. 

Die  bisherige  Zusammenstellung  enthält  die  für  die  Textesher- 
stellung wichtigen  Arbeiten.    Nach  anderen  Seiten  hin  berühren  Philodera 

166.  G.  Strathmann,    De  hiatus    fuga    quam  invenimus  apud 
Philodemum  Epicureum,  Viersen  1892,  Progr.  28  S. 

Der  Verf.  gelangt  zu  dem  Ergebnis,  daß  Philodem  in  der  Ver- 
meidung des  Hiatus  mit  fast  isokratischer  Strenge  verfährt. 

167.  H.  Diels,  Über  das  physik.  System  des  Straten ,  Sitzungs- 
ber.  d.  K.  preuß.  Ak.  d.  Wiss.  1893  S.  116  stützt  durch  ein  weiteres 
Argument  seine  Doxogr.  p.  126  vorgetragene  Ansicht,  daß  Phaidros 
die  gemeinsame  Quelle  der  parallelen  Darstellungen  bei  Philodem  tc, 
suueßeia;  und  Cic.  de  nat.  deor.  I  sei. 

168.  A.  Körte,  Augusteer  bei  Philodem,  Rhein.  Mus.  45  (1890) 
S.  172—177. 


58  Bericht  üb.  d.  Littcratur  zu  d.  nacbaristotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

Philod.  TTspl  xoXax.  VH^  I  f.  92  col.  1 1  und  r.  cpiXapY.  VH- 
VII  f.  196  fr.  12  werden  ein  Varius  und  ein  Quintilius  angeredet. 
Einen  Epikureer  L.  Varius  (so  und  nicht  Varus  nennen  ihn  die  besten 
Hss)  kennt  Quint.  inst.  or.  6,  3,  78.  Er  ist  allem  nach  mit  dem 
Epiker  und  Tragiker  L.  Varius  Eufus  identisch.  Quintilius  muß 
Vergils  Freund  Quintilius  Varus  Cremonensis  sein,  der  Varus,  von 
welchem  Donat  und  Servius  bezeugen,  daß  er  mit  Vergil  bei  Siro 
epikureische  Philosophie  hörte.  Die  Philodemstellen  zeigen  also  her- 
vorragende Männer  des  Augusteerkreises  in  persönlichem  Verhältnis  zu 
Philodem;  daß  bei  diesem  Verhältnis  auch  Philodems  dichterische 
Thätigkeit  in  Betracht  kam,  vermutet  Körte  mit  Recht. 

169.  S.  Sudhaus,  Exkurse    zu  Philodem,    Philol.    54    (1895) 
S.  80—92. 

1.  Ein  litterarischer  Streit  in  der  epikureischen 
Schule.  Es  handelt  sich  um  die  vielerörterte  Frage,  ob  die  Rhetorik 
eine  Kunst  sei.  Ein  nicht  genannter  Rhodier  hatte  nach  Philodem 
über  diesen  Punkt  eine  Streitschrift  gegen  (den  Epikureer)  Zenon  ge- 
richtet, obwohl  dieser  nichts  über  die  Frage  geschrieben  hatte.  Da 
nun  Philodem  gleichwohl  über  Zeuons  Ansicht  zu  berichten  weiß,  so 
stammt  seine  Kenntnis  aus  dessen  Lehrvorträgen,  in  die  wir  damit 
einen  Einblick  erhalten.  Ein  zweiter  interessanter  Punkt  ist,  daß, 
wie  sich  aus  Philodems  Äußerungen  bei  Gelegenheit  dieser  Polemik 
ergiebt,  an  den  Eikaden  Belehrung  über  die  epikureische  Doktrin  er- 
teilt wurde.  Eine  von  Philodem  erwähnte  hypomnematische  Schrift,  durch 
welche  der  Ehodier  sich  angegriffen  fühlte,  und  die  er  wohl  als 
Zenons  Werk  ansah,  identifiziert  Sudhaus  aus  sehr  einleuchtenden 
Gründen  mit  dem  erhaltenen  Oi/.ootjIxou  Trspl  pr^xopixYJj  ui:o[jLvr)[xaTix6v. 

2.  Eine  Scene  aus  Epikurs  Gastmahl.     S.  o.  No.  136. 

3.  Noch  einmal  Nausiphanes  und  Aristoteles  bei 
Philodem  (behandelt  den  Text  der  betr.  Partien  und  knüpft  an  No.  154 
und  155  an). 

Endlich  ist  auch  hier  No.  145  (=  155)  zu  vergleichen. 
Über  Lukrez  erscheint  ein  besonderer  Bericht. 
Mit  epikureischen  Dokumenten  des  2. — 3.  Jahrhunderts  nach  Chr. 
machen  uns  bekannt: 

170.  H.  Diels,  Zwei  Funde,  Arch  f.  Gesch.  d.  Philos.  4  (1891). 
S.  478—491. 

Uns  berührt  der  zweite  der  hier  besprochenen  Funde  (S.  486 
—  491).  Kumanudes  veröffentlichte  in  der  i^r^ix.  ap/.  1S90  S.  143  eine 
Inschrift,    welche    enthält:    die    Bitte    der  Kaiserin  Plotina    an    ihren 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)  59 

Sohu  Hadrian,  es  möchte  den  Diadochen  der  epikureischen  Schule  (zu- 
nächst Popillios  Theotimos)  gestattet  sein,  ihren  Nachfolger  nach 
griechischer  Testamentsorduung  zu  bestimmen,  und  zwar  auch  aus  den 
Peregrinen,  die  zusagende  Antwort  des  Kaisers  und  die  Mitteilung, 
welche  die  Kaiserin  der  Schule  von  diesem  Ergebnis  macht.  Diels  be- 
leuchtet den  interessanten  Fund  von  verschiedenen  Seiten.  Was 
derselbe  lehrt,  ist  in  der  Hauptsache  Folgendes: 

1.  Es  war  Vorschrift,  die  Diadochen  der  athenischen  Schulen 
aus  den  römischen  Bürgern  zu  wählen.  2.  Während  in  der  epi- 
kureischen Schule  die  Wahl  des  Diadochen  dem  Schulvorstande  zukam, 
bestand  doch  die  Einschränkung,  daß  eine  unpassende  Wahl  durch  ge- 
meinsamen Beschluß  der  Studierenden  abgeändert  werden  konnte, 
3.  Plotina  rechnet  sich  zur  epikureisclien  Schule. 

171.  Gr.  Cousin,  Inscriptions  d'Oenoanda,  Bull,  de  corresp. 
hell.  16  (1892)  p.  1—70,  enthält  Abdruck,  Transkription  und  Erläute- 
rung einer  von  Mitgliedern  der  französischen  Schule  zu  Athen  ent- 
deckten Epikureerinschrift  aus  Oenoanda  in  Lykien.  [Vgl.  jetzt  bull, 
corr.  hell.  21,  346  ff.]    Dieselbe  ist  in  meisterhafter  Weise  behandelt  von 

172.  H.    TJsener,    Epikureische   Schriften    auf   Stein.      Rhein, 
ilus.  47  (1892)  S.  414—456. 

Die  Inschrift  hat  einen  Epikureer  Diogenes  zum  Verfasser,  der 
sie  im  Vorgefühl  seines  nahenden  Todes  auf  die  Wand  einer  Stpa  ein- 
graben ließ.  ü.  verweist  sie  in  die  letzten  Jahrzehnte  des  zweiten 
oder  in  die  ersten  des  dritten  Jahrhunderts.  Nach  Useners  einleuch- 
tender Anordnung  der  Bruchstücke  enthält  die  Inschrift,  die  man  als 
„gesammelte  Werke  eines  Epikureers"  bezeichnen  könnte,  folgende 
Stücke:  I.  eine  Ansprache  des  Diogenes  an  die  Bürger  von  Oinoanda, 
II.  einen  Brief,  zweifellos  Epikurs  selbst  an  seine  Mutter  (derselbe  ist 
wegen  des  Gebrauches  des  Wortes  suOuixt'a  der  fiüheren  Periode  des 
Schulgründers  zuzuweisen,  s.  o.  S.  50),  III.  Briefe  des  Diogenes  an 
einen  Freund,  Antipatros,  mit  An-  und  Einlagen,  darunter  (IV.)  einem 
Dialoge  des  Diogenes  mit  Theodoridas  über  die  Unendlichkeit  der 
Welten  und  einem  Auszuge  aus  einem  Schreiben  an  die  Verwandten 
und  Freunde  in  der  Heimat,  in  welchem  Diogenes  sein  Vorhaben  moti- 
viert. Es  folgt  (V.)  ein  Abriß  der  epikurischen  Physik  und  (VI.)  ein 
Lehrbuch  der  epikurischen  Lebenskunst.  Unter  dem  Ganzen  stehen 
in  einer  Zeile  die  y.-jp'.ai  o6;ai. 

Der  Fund,  dessen  voller  Ertrag  erst  durch  Useners  Bearbeitung 
gewonnen  ist  (dankenswert  sind  auch  die  Nachweise  epikureischer  Par- 
allelen), ist  in  mehrfacher  Hinsicht  hochinteressant.  Schon  als  Doku- 
ment   der  Nachblüte  des  Epikureismus  in  Lukians  Zeit  ist  er  von  Be- 


00  Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

deutUDg.  Die  Krone  bildet  vielleicht  der  epikurische  Brief  wegen  des 
Einblickes,  den  er  in  das  Innen-  und  Außenleben  des  Schulhauptes  ge- 
währt. Wichtig  für  die  Frage  des  herakleitischen  Skepticismus  ist 
Fragm.  434,  Auf  die  „e-jöuixta"  ist  schon  hingewiesen.  Fragm.  24  be- 
kämpft die  Herleitung  der  Künste  und  der  Sprache  von  den  Göttern 
und  die  Theorie,  daß  die  Sprache  biazi  entstanden  sei  (vgl.  auch  25). 
Auch  sonst  bietet  die  Behandlung  der  bekannten  physikalischen  und 
ethischen  Sätze  manches  Wichtige  und  einiges  Neue.  (Epikureischer 
Kosmopolitisraus  fragm.  28  b  1  If.;  Mantik  im  Zusammenhange  mit  dem 
Fatalismus  fragm.  40;  Scheidung  der  verschiedenen  Arten  von  Furcht 
fragm.  36.) 

*173.  H.  van  Herwerdens  Verbesserungsvorschläge  in  der 
Sylloge  commentat.  quam  v.  cl.  Const.  Conto  obt.  philol.  Bat.  (Leiden 
1893)  sind  mir  nur  durch  die  Erwähnung  Berl.  phil.  Woch.  14  (1894) 
Sp.  956  bekannt. 

Ich  ziehe  hierher  als  einen  Freund  des  Epikureismus  auch 

Laertios  Diogenes 

und  verzeichne  zunächst  die  Beiträge  zur  Texteskritik  seiner 
Schrift: 

174.  H.  Usener,  Var.  lect.  spec.  prim.,  Jahrb.  139  (1889) 
S.  369  ff.  emendiert  unter  No.  XXV  S.  383—887  eine  Anzahl  Stellen 
des  7.  Buches. 

175.  H.  Diels,  Reiskii  animadversiones  in  Laertinm  Diogenem. 
Hermes  24  (1889)  S.  302—325.  Textkritische  Bemerkungen  zu  Laert. 
Diog.  I — IX  mit  Zusätzen  von  Diels. 

176.  A.  Nauck,  Analecta  critica,  Hermes  24  (1889),  S.  447  ff. 
behandelt  S.  458  Laert.  Diog.  2,  22,  wo  er  für  ArjXiou  lesen  will  Seivou. 

177.  Th.  Gomperz,  Beiträge  zur  Kritik  und  Erklärung  grie- 
chischer Schriftsteller,  S.-Ber.  Wien.  Ak.  phil.-hist.  Kl.  Bd.  122  Wien 
1890,  schlägt  S.  8  vor,  Laert.  Diog.  10,  31  (p.  371,  10  Usener)  statt 
|xvr)|xr)c  ZU  schreiben  Xuixtjc 

178.  W.  Volkmann,  Quaestionum  de  Diogene  Laertio  cap.  I: 
De  Diogene  Laertio  et  Suida.  Breslau  1890.  Pr.  13  S.  W.  Volk- 
mann, Quaestionum  de  Diogene  Laertio  cap.  II:  Miscellanea.  Bres- 
lau 1895.    Pr.     14  S. 

In  beiden  Programmen  werden  einzelne  Stellen  eingehend  be- 
sprochen, größtenteils  in  der  Weise,  daß  der  Verf.,  der  von  Usener 
Epicurea  XXIII  gegebenen  Anregung  folgend,  durch  Annahme  in  den 
Text    eingedrungener   Kandnotizen    des  Laertios    die  Schwierigkeit    zu 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischea Philosophen.  (Praechter.)  61 

lösen  sucht.  Der  Gedanke  ist  fruchtbar,  die  Anwendung  im  einzelnen 
freilich  nicht  durchweg  überzeugend.  Jedenfalls  verdienen  die  Arbeiten 
Beachtung. 

179.  W.  Headlam,  Various  coniectures  III,  Journ.  of  philol.  23 
(1895)  p.  200  ff.  giebt  S.  270  f.  drei  Konjekturen  zu  Laert.  Diog. 

180.  F.  Suseraihl,   Zu  Laertios  Diogenes  VII  54,  Rhein.  Mus. 
46  (1891)  S.  326—327.     S.  oben  No.  60. 

Quellen  fragen  behandeln: 

181.  W.  Volkmann,    Quaest.    de  Diogene  Laertio  cap.  I:    De 
Diogene  Laertio  et  Suida.    Breslau  1890.    Pr.    13  S.   S.  oben  No.  178. 

Der  Verf.  ist  mit  Nietzsche  der  Ansicht,  daß  Hesychios,  von 
welchem  der  Platonscholiast  und  Suidas  abhängen,  eine  mit  Laertios  ge- 
meinsame Quelle  benutzte.  Zum  Beweise  der  Unabhängigkeit  des  Hesych 
von  Laertios  führt  er  die  Thaiesvita  an,  in  welcher  der  Platonscholiast 
und  Suidas  sich  seiner  Meinung  nach  in  größerer  Übereinstimmung  mit 
Herodot  befinden  als  Laertios.  Das  ist  jedoch  (abgesehen  von  der 
gleichen  Wortfolge  MiXt^hoc — OoTvi^,  die  sich  aber  sehr  einfach  daraus  er- 
klären ließe,  daß  Hesychios  die  von  der  Majorität  behauptete  Herkunft 
zuerst  erwähnte)  entschieden  nicht  der  Fall.  Suidas  hat  nach  V.  neben 
Hesychios  auch  Laertios  direkt  benutzt.  Der  Beweis,  der  sich  auf 
das  unter  No.  178  besprochene  textkritische  Verfahren  stützt,  indem 
V.  zu  zeigen  sucht,  daß  Suidas  mehrfach  in  den  Laertiostext  einge- 
drungene Randglossen  des  Laertios  übernommen  habe,  scheint  mir  ge- 
glückt, wenn  auch  nicht  alle  angeführten  Stellen  gleich  beweiskräftig 
sind.  Zur  Rekonstruktion  des  Hesychios  aus  Suidas  und  zur  Ausschei- 
dung der  von  letzterem  direkt  aus  Laertios  entnommenen  Partien  ist 
es  nun  von  Wichtigkeit,  diejenigen  Autoren  festzustellen,  die  Laertios, 
nicht  aber  die  gemeinsame  Quelle  des  Laertios  und  Hesychios,  ausge- 
beutet hat.  Als  solche  erkennt  V.  Favorinus  und  Lobon.  Was  also 
aus  diesen  bei  Laertios  und  Suidas  sich  findet,  wäre  von  letzterem  dem 
ersteren  entlehnt. 

*182.     W.  Volkmann,    Untersuchungen  zu  Diogenes  Laertius. 
Festschrift  d.  Gymn.  zu  Jauer.     Jauer  1890.     S.  103—120. 

Die  Schrift  ist  mir  nicht  zugegangen.  Nach  der  Besprechung 
von  L.  Cohn,  Berl.  phil.  Woch.  11  (1891)  Sp.  1465  f.  zerfällt  V.s 
Arbeit  in  zwei  Abschnitte.  In  dem  ersten  versucht  der  Verf.,  Sosi- 
krates,  den  er  um  40  vor  Chr.  ansetzt,  als  eine  Hauptquelle  des  Laer- 
tios für  dessen  erstes  Buch  zu  erweisen;  in  dem  zweiten  sucht  er  dar- 
zuthun,    daß  Laertios    das  Schriftenverzeichnis    des  Timon  von  Phlius 


02  Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  iiacharistotelischen Philosophen.  (Praechter.) 

nicht  der  sonst  in  der  Vita  des  Timon  ausgeschriebenen  Quelle,  sondern 
einer  anderen,  vermutlich  Lobon,  verdanke. 

183.  F.    Susemihl,    Zu    den   Biographien    des  Bion    und    des 
Pittakos   bei  Laertios  Diogenes.     Jahrb.  141  (1890).     S.  187—191. 

S.  führt  die  Aufnahme  Bions  in  den  Abschnitt  über  die  Akade- 
miker auf  die  Tendenz  eines  Geschichtsschreibers  der  Akademie  zurück, 
mit  dem  berühmten  Manne  seine  Schule  zu  schmücken.  Ist  dies  richtig, 
so  kann  nicht,  wie  Hense  will,  der  Satz  über  Bions  Lehrer  Laert.  4,  51 
outoc  T^v  (ipxV  ^'^^•'  ^6'*  jener  Quelle  angehören  müßte,  zum  zweiten 
eine  gehässige  Stimmung  gegen  Bion  verratenden  Teile  der  Bionvita 
geschlagen  werden.  Daher  läßt  S.  die  zweite  Quelle  erst  mit  §  52  ^v 
6e  xal  öeaxpixoc  beginnen  und  im  Vorhergehenden  nur  die  Stücke  xai 
Ti  .  .  .  araöetav  und  xaxa  uav  ,  .  aocpuTsuovTo?  aus  ihr  eingeschoben  sein. 
Allein  Susemihls  Ausgangspunkt,  das  Motiv  für  die  Aufnahme  Bions  in 
den  Abschnitt  über  die  Akademiker,  scheint  mir  viel  zu  unsicher,  um 
von  ihm  aus  die  sonst  näher  liegende  und  natürlichere  Gliederung 
Henses  zu  verwerfen. 

Im  zweiten  Teile  des  Aufsatzes  nimmt  S.  aufgrund  einer  Aus- 
einandersetzung Tüpfifers  eine  früher  von  ihm  ausgesprochene  Ansicht 
bezüglich  der  Chronologie  des  Pittakos  zurück. 

184.  H.  Usener,  Die  Unterlage  des  Laertius  Diogenes.  S.-Ber. 
d.  Berl.  Ak.     1892.     S.  1023—1034. 

Aus  Laert.  Diog.  9,  109  'ATtoXXwviSirjc  6  Nixaeuc  6  izap  rjjjLcov 
schließt  U.,  daß  die  von  Laertios  mit  eigenen  Zusätzen  reproduzierte 
Schrift  über  die  philosophischen  Staooxai  die  des  Nikias  von  Nikaia  ge- 
wesen sei,  die  ihm  in  verkürzter  Bearbeitung  vorgelegen  habe,  und 
sucht  dies  durch  Vergleichung  mit  diadochengeschichtliches  Material  ent- 
haltenden Stellen  bei  Athenaios  zu  erhärten.  Ergänzungen  aus  anderen 
Sotion    kompilierenden  Autoren   glaubt   auch  IT.  annehmen  zu  müssen. 

185.  Fr.  Susemihl,  Über  Thrasyllos.  Zu  Laert.  Diog.  III  56 
-62,  Philol.  54  (1895.)    S.  567—574. 

Die  Arbeit  gehört  insofern  hierher,  als  der  Verf.  die  Ansicht 
vertritt,  daß  Laert.  Diog.  (=  Nikias)  3,  47  ff.  und  die  parallele  Dar- 
stellung bei  Albinos  zwar,  wie  Freudenthal  nachgewiesen  hat,  auf  die 
gleiche  Quelle,  aber  auf  verschiedene  Redaktionen  derselben  zurückgehen. 
S.  u.  No.  200. 

Neuere  Akademie. 

186.  L.  Credaro,  Lo  scetticismo  degli  accademici.  Parte 
prima:  Le  fonti,  la  storia  esterna,  la  dottrina  fondamentale.  Roma 
1889.     262  S.     5  M.     *  (Ein  zweiter  [Schluß-]Band  erschien   1893.) 


1 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)   6  3 

Die  Gelegenheit  zur  Lektüre  des  ersten  Bandes  verdanke  ich  der 
K.  Universitäts-  und  Landesbibliothek  in  Straßbnrg.  —  Der  Abschnitt 
über  die  Quellen,  iu  welchem  Cicero,  Sextus  Emp.,  Laertios  Diog.  (zu 
dessen  Würdigung  auch  die  praefatio  zu  Useners  Epicurea  zu  vergleichen 
war)  und  Numenios  behandelt  werden,  enthält  eine  kritische  Übersicht 
über  die  bisherigen  Forschungen,  besonders  diejenigen  Hirzels  über 
Ciceros  philosophische  Schriften.  Die  Bedenken  des  Verfassers  gegen 
Hirzels  Ergebnisse  gründen  sich  teilweise  auf  beachtenswerte  Meinungs- 
verschiedenheiten prinzipiellerer  Natur.  So  verlangt  er  für  die  Ana- 
lyse der  Academica  größere  Berücksichtigung  der  von  Cicero  gehörten 
mündlichen  Vorträge  des  Philon  und  Antiochos.  Er  betont  dabei  das 
stärkere  Gedächtnis  der  Alten  und  die  Schwierigkeiten,  mit  welchen 
für  einen  Römer  der  Genuß  eines  solchen  mündlichen  Unterrichtes  in 
der  Regel  verbunden  war,  Schwierigkeiten,  die  das  Interesse  an  diesen 
Vorträgen  erhöhen  mußten.  Daneben  sind  freilich  auch  nach  Cr.  schrift- 
liche Quellen  zur  Verwendung  gekommen,  und  zwar  wahrscheinlich  der 
,Sosos"  des  Antiochos  und  für  die  gegnerische  Beweisführung  in  erster 
Linie,  wie  C.  gegen  Hirzel  darzuthun  sucht,  Kleitomachos  und  eine 
Schrift  Philons;  außerdem,  denkt  C.  an  Metrodoros  von  Stratonike. 

Auf  die  Quellenübersicbt  folgt  als  zweites  Kapitel  in  sehr  weit 
ausholender  Darstellung  die  äußere  Geschichte  der  Schule  (S.  95—174) 
und  als  drittes  die  Besprechung  der  Lehre  nach  ihren  von  Arkesilaos 
und  Karneades  festgelegten  Grundzügen;  doch  sind  in  diesem  ersten 
Bande  nur  Logik  und  Physik  behandelt,  die  Ethik  hingegen  ist  für 
den  zweiten  Band  verspart.  Zwischen  dem  Eigentum  des  Arkesilaos 
und  demjenigen  des  Karneades  in  der  Bekämpfung  der  Sinneserkennt- 
nis glaubt  C.  bei  Cic.  acad.  II  §  87  eine  Grenze  zu  erkennen.  Doch 
kann  ich  die  Beziehung  von  §  88  auf  eine  erkenntnistheoretische  Neuerung 
Chrj'sipps  nicht  billigen.    Mit  dieser  Beziehung  fällt  aber  Credaros  These. 

Betreffs  einzelner  Vertreter  der  neueren  Akademie  ist  nur  die 
Mitteilung  187.  Elters,  Rhein.  Mus.  47(1892)8.630  zu  verzeichnen, 
nach  welcher  cod.  Voss.  Gr.  in  Qu.  18  den  von  Elter  ebenda  S.  131 
unter  5  mitgeteilten  Spruch  unter  dem  Lemma  'ApxeatXaou  giebt. 

Skepticismus. 

*P.  Natorp,  Neue  Schriften  zur  Skepsis  des  Altertums.  Philos. 
Monatshefte  26  S.  61—75.) 

188.  S.  Sepp,  Pyrrhoneische  Studien  (OuppcuvEiot  Xo7ot).  I.  Teil: 
Die  philosophische  Richtung  des  Cornelius  Celsus.  IL  Teil:  Unter- 
suchungen auf  dem  Gebiete  der  Skepsis.  Erlanger  Diss.  Freising 
1893.     149  S. 


64  Bericht  üb.  d.Litteratur  zud.  nacharistotelischenPhilosophea.(Praechter.) 

Der  Arbeit  liegt  der  glückliche  Gedanke  zugrunde,  neben  der 
philosophisch-skeptischen  zunächst  die  verwandte  medizinische,  dann 
aber  überhaupt  weitere  Gebiete  der  antiken  Litteratur  der  Forschung 
über  die  Skepsis  dienstbar  zu  machen.  Der  Verfasser  hat  auf  mancherlei 
Beziehungen  hingewiesen,  die  weiter  verfolgt  zu  werden  verdienen. 
Leider  läßt  er  sich  aber,  namentlich  durch  die  Sucht,  überall  Skep- 
tisches zu  wittern,  zu  den  verwegensten  Kombinationen  verleiten.  Wenn 
Celsus  dem  Arzte  empfiehlt,  unrettbare  Kranke  nicht  in  Behandlung 
zu  nehmen  und  in  schwierigen  Fällen  von  den  geringen  Aussichten  der 
Behandlung  Kenntnis  zu  geben,  so  erkennt  S.  darin  die  skeptische 
ero/Tj;  wenn  dem  Chirurgen  ans  Herz  gelegt  wird,  bei  der  Operation 
auch  gegenüber  den  Wehlauten  des  Patienten  die  Ruhe  zu  bewahren, 
so  bedeutet  ihm  das  die  Forderung  der  Ataraxie  (8.  19).  Ein  wahres 
Muster  verwegener  Kombination  ist  die  an  Laert.  Diog.  9,  116  Saxopvivo? 
0  Ku9r,v5;  anknüpfende  Argumentation  S.  82  f.;  o  Kuörivac  kann  nur  (?) 
die  Übersetzung  des  Namens  SiaTopvTvo;  sein  (Kvjbr^-^zi'  oi  Y.ixaybrj^w.  ösoi 
Suidas;  Saturn  war  bei  den  Römern  chthonischer  Gott;  2;  ist  eine  in 
Alexandreia  gebräuchliche  Endung  f\ir  Hypokoristika).  Solche  Xamens- 
übersetzungen  waren  nach  Porphyr  bei  den  Neuplatonikern  sehr  üblich. 
Also  stammt  die  Successionsliste  bei  Laertios  von  einem  solchen  —  — 
Saturn  in  aber  hatte  seine  Heimat  auf  römischem  Gebiet,  vermutlich  bei 
Karthago,  wo  der  Saturnkult  blühte,  und  ist  allem  Anschein  nach  iden- 
tisch mit  Apuleius.  dem  Verfasser  der  Metamorphosen;  ist  doch  der 
Hauptinhalt  der  Psychenovelle  (die  Seele  ist  glücklich,  wenn  sie  ohne 
Leidenschaften  ist)  eine  Verherrlichung  der  ixirj^lh.  u.  s.  f.  (es  folgen 
weitere  Argumente  für  den  Skepticismus  des  Apuleius).  In  ähnlichen 
Bahnen  bewegt  sich  ein  nicht  geringer  Teil  dieser  Untersuchungen. 
Es  wäre  schade,  wenn  das  mit  großem  Fleiße  und  entschiedenem  Spür- 
sinn von  S.  beigebrachte  reiche  Material  ohne  Frucht  für  die  Geschichte 
des  Skepticismus  bliebe.  SoU  es  aber  Frucht  tragen,  so  bedarf  es  be- 
hutsamster Sichtung  und  eines  Neuaufbaues  für  den  größten  Teil  der 
Untersuchungen. 

Ausführlicher  referiert  über  den  Inhalt  der  Arbeit  Dümmler,  Berl. 
phU.  Woch.  14  (1894)  Sp.  490—492. 

Indem  ich  mich  zu  den  Forschungen  über  einzelne  Skeptiker 
wende,  habe  ich  zunächst  zu  berichten  über: 

189.     E.  Pappeuheim,  Der  angebliche  Heraklitismus  des  Skep- 
tikers Ainesidemos.     Berlin  1889.     67  S.     2  M. 

Im  Gegensatze  zu  den  früheren  Lösungen  des  Problems  sucht  P. 
darzuthun,  daß  Sextus  Emp.  in  Wirklichkeit  gar  nicht  dem  Ainesidem 
heraklitisiereude  Lehren   zuschreibe,    sondern    daß    es  sich  au  den  be- 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  Praechter.)  65 

treffenden  Stellen  vielmehr  nm  Herakliteer  ans  der  Zeit  des  Sextos 
handele,  die  Ainesidem  in  heraklitischem  Sinne  ansdenteten.  Gregen 
Zeitgenossen  (die  akademische  Richtung  innerhalb  der  skeptischen  Schule) 
richtet  eich  nach  P.  die  Polemik  hyp.  Pyrr.  1,  213—235:  ebenso  hat 
er  in  den  damit  zusammenhängenden  §§  210 — 212  Zeitgenossen  im 
Auge.  Diese  sollen  aber  .erklärte  Herakliteer"  sein.  P.  schließt  das 
aus  dem  Ausdruck  Hprxj.thf.o:  a.  a.  0.  210,  211,  212,  mit  welchem  er 
eben  jene  Skepticismus  und  Heraklitismus  verbindenden  (jesner  be- 
zeichnet glaubt.  Die  bei  Sextns  mehrfach  nebeneinander  st^ehenden  Worte 
AivT^TioT,-!.©;  xib"  'Hp2x>xtTov  faßt  P.  zusammeu  tmd  sieht  darin  den  Titel 
einer  Schrift  („Ainesidem  in  Übereinstimmting  mit  Heraklit*).  in  welcher 
jene  Herakliteer  ihre  Skepticismus  und  Heraklitismus  verquickende  An- 
schauung begründeten.  Eine  Stütze  seiner  Hypothese  findet  P.  u.  a. 
noch  darin,  daß  alle  Lehren,  für  welche  von  Sextns  6  AivTjr'oTj-j.o;  als 
Urheber  angeführt  wird,  gut  skeptisch  seien,  während  oi  repl  tov  Aivr,- 
r'oT.uov   sich  als  Vertreter  jener  dogmatisierenden  Abweichung  zeigten. 

Papy«enheims  Theorie  scheint  mir  trotz  ihrer  scharfsinnigen  Be- 
gründung nicht  haltbar.  Seine  Auffassung  der  JUoixf.v.-tio:"^  hyp.  Pyrr. 
1.  210  ff.  ist  höchst  gezvrungen.  In  der  That  hindert  nichts,  hier 
schlechtweg  an  Anhänger  Heraklits  zu  denken,  deren  Lehre  eben  von 
Ainesidemos  und  Genossen  in  der  §  210  bezeichneten  Weise  mit  dem 
Skepticismus  in  eine  Verbindung  gebracht  wurde,  die  Sextus  ablehnt. 
Ai>T^3toT,u.?«  xiö"  'Hpax>.£'.Tov  als  Buchtitel  wäre  m.  W.  ohne  jede  Ana- 
logie und  scheint  mir  unmöglich.  Auch  hätte  P.  schon  das  ebenfalls 
vorkoHBmde  ol  rs&i  -ny  Aivr^r'or/rto»  xib'  'Hpax>.£'.Tov  stutzig  machen 
müssen,  das  er  auf  andere  Weise  zu  erklären  gerwungen  ist.  Die 
Stütze  endlich-  welche  der  von  P.  angeführte  TTaterschied  im  Gebrauche 
von  ö  AivT,r'oT/a.oj  und  ol  -tzk  TÖv  A'.vTjT-'oT/jiov  zu  bieten  scheint,  ist 
sehr  schwach,  da  bei  der  geringen  Anzahl  der  für  ol  -.  t.  Aiv.  in  Frage 
kommenden  Stellen  Zufall  keineswegs  ausgeschlossen  ist.  Auf  ein 
wäteres  Moment  hat  Wendland  in  der  Besprechung  von  PappoiheiiBS 
Schrift,  BerL  philoL  Woch.  10  (1890)  Sp.  622  f.,  hingewiesen.  Nach 
von  Arnims  Tutersuchungen  hat  nämlich  bereits  Phüon  eine  Skepticismus 
imd  Heraklitismus  verbindeade  Quelle  vor  sich  gehabt.  Die  Entstehiiiig 
dieser  Richtung  wird  also  dadurch  zeitlich  nahe  an  Ainesidem  herange- 
rückt und  PappenheiBis  Atifiassung  ebendamit  um  einen  Grad  unwahr- 
scheinüeher. 

Zur  Frage  des  heraklitisiei-- :.-  Skepticismus  sind  femer  zu  ver- 
glddiea:  Usener,  Rh.  Mus.  47  (1892)  S.  4-54  (frgm.  17  b  4>.  Sepp, 
Pyrr.  Stud.  5.  lOS  Anm.  2  (David  p.  12  f.)  u.  ö. 

Für  Sextus  £mp.  sind  anzuführen: 

Ji'im-ihfTifto  fiir  ^icrramäiösjraadiait    EL  LXXXXTL   {1998l   L-      5 


(30   Bericht  üb.  d.  Lilteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter 

190.  H.  Usener,  Var.  lect.  spec.  prim. ,  Jahrb.  139  (1889) 
S.  369  if.     Hier  sind  unter  No.  XXIII  S.  383  einige  Stellen  emendiert. 

191.  C.  Baeumker,  Eine  bisher  unbekannte  mittelalterliche 
lateinische  Übersetzung  der  Ilupptuveiot  u-axu-cujst?  des  Sextus  Empi- 
ricus.     Arch.  f.  Gesch.  d.  PhU.  4  (1891)  S.  574—577. 

Die  aus  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  stammende 
ITljersetzung,  aus  welcher  B.  einige  Proben  giebt,  steht  im  cod.  Paris. 
14700  anonym.    Das  Inhaltsverzeichnis  giebt  die  Schrift  dem  Aristoteles. 

Eklekticismns. 

Die  Arbeiten  über  die  Eklektiker  entschiedenerer  Grrundfarbe 
sind,  soweit  thunlich,  unter  den  betreffenden  Schulen  besprochen.  Über 
Cicero  erscheinen  besondere  Berichte.  Hier  zu  berühren  bleiben  einige 
Abhandlungen  über  Antiochos  und  Varro. 

*192.  C.  Giambelli,  Gli  studi  Aristotelici  e  la  dottrina 
d'Antioco  nel  de  finibus.     Turin  1892.     109  S. 

Diese  Schrift  enthält  nach  der  Besprechung  von  Wendland,  Berl. 
phil.  Woch.  13  (1893)  Sp.  1383 — 1384  in  ihrem  uns  angehenden  zweiten 
Teile  (S.  86 — 109)  den  Versuch,  an  Stelle  anerkannter  stoischer  Ein- 
wirkungen auf  Antiochos  oder  neben  solchen  vielfach  direkte  Anknüpfung 
an  Piaton  und  Aristoteles  zu  erweisen. 

Für  die  Beziehungen  Varros  zur  Philosophie  kommt  in  Betracht: 

193.  E.  Norden,  In  Varronis  saturas  Menippeas  observationes 
selectae,  Jahrb.  Suppl.  18  (1892)  S.  265  —  352.  Vgl.  u.  a.  den  Ab- 
schnitt  über  die  kj^nisch-stoische  Opposition  gegen  die  Athletik  S.  298  ff. 
Über  Varros  Abhängigkeit  von  Poseidonios  handeln 

194.  E.  Wendling  in  dem  unter  No.  63  besprocheneu  Auf- 
satz und 

195.  E.  Norden,  Varroniana  II,  Rhein.  Mus.  48  (1893)  S.  529  ff., 
der  S,  541  ff.  nachweist,  daß  Varros  Marius  de  fortuna  ebenso  wie 
entsprechende  Stücke  bei  Livius  (Valerius  Maximus),  Diodor  und 
Plntarch,  die  alle  den  Glückswechsel  im  Leben  des  Marius  betonen,  von 
Poseidonios  abhängen. 

196.  E.  Norden,  Beitr.  z.  Gesch.  d.  griech.  Philosophie. 
IV.  Die  varronische  Satura  Prometheus,  ein  Kapitel  aus  der  Lehre 
von  der  -povota.     Jahrb.  Suppl.  19  (1893)  S.  428—439. 

Die  Satire  wird  hier  in  ihrem  Verhältnis  zur  teleologischen 
Naturbetrachtung  und  zu  den  philosophischen  Anschauungen  von  der 
Kalturentwickelung  besprochen. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  iiacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)  G7 

197.  A.  Gercke,  Varros  Satire  Andabatae.    Hermes  28  (1893) 
S.   135—138. 

Frgm.  26  Buech.  enthält,  wie  G.  zeigt,  ein  typisches  logisches 
Schulbeispiel,  frgm.  25  die  Erklärung  einer  physikalischen  Erscheinung 
(des  Donners)  durch  einen  analogen  Vorgang  der  täglichen  Erfahrung 
(Zerplatzen  einer  mit  Luft  gefüllten  Blase  unter  Knall),  der  sich  zu 
dem  gleichen  Zwecke  auch  sonst  in  der  philosophisch-naturwissenschaft- 
lichen Litteratiu*  erwähnt  findet.  G.  vermutet  als  Inhalt  der  dialogisch 
angelegten  Satire  Folgendes:  Von  dem  pessimistisch-skeptischen  Dialog- 
führer wurde  ein  seine  Gelehrsamkeit  auskramender  Gegner  als  Blinder 
(Andabatae  sind  die  mit  geschlossenen  Visieren  kämpfenden  Gladia- 
toren) gekennzeichnet  und  Schritt  für  Schritt  ad  absurdum  gefiihrt. 

198.  F.  Leo,  Varro  und  die  Satire.  Hermes  24  (1889j  S.  G7 
— 84.  Die  Arbeit  geht  uns  an  wegen  der  Ausführungen  des  Verfassers 
über  die  Verwandtschaftsbeziehungen  zwischen  der  satirischen  Litteratur, 
insbesondere  Varro,  und  der  Philosophie.  Nach  ihm  geht  eine  Linie 
von  Horaz  über  Lucilius  zu  Bion  und  Krates,  von  Seneka  über  die 
Stoa  zum  xuvixoc  Tpo::o;,  eine  andere  von  Lucilius  zu  Menippos,  von 
Lukian  zu  Menippos,  von  Senekas  ludus  de  morte  Claudii  über  Varro 
zu  Menippos. 

Spätere  Platoniker. 

199.  H.  Usener,  Unser  Piatontext.  Göttinger  Nachr.  1892 
S.  25—50;  181—215,  Dieser  hochbedeutende  und  eine  weite  Perspek- 
tive eröffnende  Aufsatz  gehört  insofern  hierher,  als  Usener  S.  209  ff. 
den  Beweis  antritt,  daß  Thrasyllos  weder  der  Urheber  der  tetra- 
logischen Anordnung  der  platonischen  Dialoge  noch  Veranstalter  einer 
unserer  Überlieferung  zugrunde  liegenden  Ausgabe  nach  dieser  Anord- 
nung sei.  Hauptargument  für  ersteres  ist,  daß  nach  Albinos  c.  4,  wo 
eine  vollständigere  Fassung  der  auch  von  Laertios  benutzten  Quelle 
erhalten  ist,  AepxuXXior)?  xat  GpaauXXoc  die  tetralogische  Anordnung  ver- 
ti-aten,  danach  also  offenbar  Derkyllides  Vorgänger  des  Thr.  war.  Was 
das  Verhältnis  des  Thr.  zu  unserer  Überlieferung  betrifft,  legt  Usener  darauf 
Gewicht,  daß  die  unechten  Schriften  Piatons  bei  Laertios,  der  hier  sicher 
auf  Thrasyllos  zurückgeht,  vollständiger  und  in  anderer  Ordnung  verzeich- 
net werden,  als  sie  in  unseren  Hss  stehen.  Thrasyllos  hat  also,  schließt 
U.,  den  hsl.  Bestand  an  vo9cu6ix£va  aus  dem  alexandrinischen  Kataloge 
oder  einer  daher  stammenden  Ausgabe  ergänzt.  Die  tetralogische  An- 
ordnung läßt  sich  bis  in  die  Zeit  Varros  hinauf  verfolgen,  der  nach- 
weislich den  „Phaidon"  bereits  an  gleicher  Stelle  las  wie  wir.  U.  sieht 
den  Urheber  dieser  Anordnung  und  der  unserer  Überlieferung  zugrunde 

5* 


68   Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

lieg-enden  Ausgabe  iu  Tyrannion,  an  dessen  Zerlegung  der  philologischen 
Thätigkeit  iu  vier  Teile  er  erinnert.  Die  von  den  Nachkommen  des 
Neleus  von  Skepsis  an  Apellikon  verkaufte  Bibliothek  des  Aristoteles 
und  Theophrast  enthielt  nach  U.  auch  Piatons  "Werke,  die  neben  anderen 
der  gleichen  Herkunft  von  Tyrannion  im  Verlage  des  Attikus  heraus- 
gegeben wurden. 

Die  Ausführungen  Useners,    soweit  sie  Thrasyllos  betreffen,    be- 
kämpft 

200.    Fr.    Susemihl,    Über   Thrasyllos.     Zu   Laert.   Diog.  III 
56-62,  Phil.  54  (1895)  S.  567—574. 

S   stützt  sich  zunächst  darauf,  daß  der  Bericht  des  Laertios  den 
Eindruck  erwecke,    er,    bez.  seine  Unterlage  (Nikias  von  Nikaia)  habe 
Thr.  als  den  Urheber,  nicht  als  den  Kolporteur  der  tetralogischen  An- 
ordnung betrachtet.     Er  wußte  also,    meint  S.,    nichts  von  Derkyllides 
oder  einer  der  Thätigkeit  des  Thr.  vorangehenden  tetralogischen  Aus- 
gabe.    Aus  dem  Wortlaute  bei  Laertios  folgt  aber  m.  E.  weiter  nichts, 
als  daß  das  Wissen  seines  Berichterstatters  über  die  tetralogische  Ord- 
nung auf  Thrasyllos  zurückging,    nicht  zum  mindesten  aber,    daß  nicht 
schon    bei  Thrasyllos  Derkyllides    genannt  war  und  in  dem  xive;  §  61 
wieder  zum  Vorschein  kommt.     Auch  die  Albinosstelle  erkennt  S.  nicht 
als  beweisend  an.    Wegen  der  Differenzen  zwischen  Nikias-Laertios  und 
Albinos    nimmt  er  an,    daß  beide  zwar,    wie  Freudenthal  gesehen  hat, 
den  gleichen  Bericht,  aber  in  verschiedenen  Redaktionen  vor  sich  gehabt 
haben  und  schließt  weiter  aus  dem  Schweigen  des  Laertios,  daß  in  der 
von  Nikias    ausgebeuteten  Redaktion   von  Derkyllides  keine  Rede  war. 
Ob  die  Annahme  verschiedener  Redaktionen  nötig  ist,  lasse  ich  ununter- 
sucbt.     Giebt  man  sie  auch  zu,  so  spricht  doch  alle  Wahrscheinlichkeit 
dafür,    daß    in    dem  Punkte    der  Erwähnung  und  Nichterwähnung  des 
Derkj'llides    beide  Redaktionen    sich    zu    einander    verhielten   wie  voll- 
ständigere  und  unvollständigere  Reproduktion  eines  und  desselben  Ur- 
berichtes.     Aber    selbst    wenn  Derkyllides    in    die  Albinos   vorliegende 
Redaktion  anderswoher  eingefügt  sein  sollte,    so  bleibt  doch  damit  für 
Derkyllides  ein  positives  Zeugnis  bestehen,  das  zu  entkräften  zwingendere 
Argumente  nötig  wären,   als  sie  Susemihl  vorführt.     Sein  Widerspruch 
gründet  sich  in  letzter  Instanz  darauf,    daß  Thrasj'llos  bei  Nikias  und 
«päter  bei  Theon  von  Smyrna  einer  Autorität  genoß,   die  zu  der  Rolle 
■eines    bloßen  Nachbeters    des  Derkyllides  schlecht  zu  stimmen  scheint. 
Thatsache    ist  doch  nur,    meint  Susemihl,    daß  er  die  erste  Tetralogie 
•des  Derkyllides  und  der  früheren  Ausgabe  beibehielt.    An  allen  übrigen 
kann    er    geändert  haben,    und  unter  den  gegebenen  Umständen  ist  es 
wahrscheinlich,    daß    er    geändert  hat.     Allein  der  nächstliegende  und 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)  69 

bis  zum  Beweise  des  Gegenteils  gültige  Schluß  aus  der  Übereinstiraniung 
in  der  ersten  Tetralogie  ist  doch  immer,  daß  die  tetralogische  Einteilung 
überhaupt  die  gleiche  war.  Ein  solcher  Beweis  des  Gegenteils  liegt 
aber  in  der  Autorität  des  Thrasyllos  gewiß  nicht.  Selbst  wenn  Thr. 
in  seiner  ganzen  Einleitungsschrift  nichts  als  Nachtreter  des  Derk.  ge- 
wesen ist,  was  wir  nicht  wissen  können,  so  bleibt  doch  die  Möglichkeit, 
daß  die  Umstände  seiner  Schrift  eine  Verbreitung  und  ein  Ansehen 
verschafften,  wodurch  die  Leistung  des  D.  in  Schatten  gestellt  wurde. 
Schwerer  wiegt  der  Einspruch,  den  Susemihl  gegen  die  Verwendung  er- 
hebt, welche  üsener  von  der  Differenz  zwischen  Thrasyllos  und  unserer 
Überlieferung  in  Bestand  und  Eeihenfolge  der  vo9£u6[j.eva  gemacht  hat. 
Es  ist  allerdings  wohl  möglich,  daß  in  einer  der  Autorität  des  Thra- 
syllos sich  fügenden  Ausgabe  verschiedene  Stücke  einfach  deshalb  fort- 
blieben, weil  sie  nicht  mehr  aufzutreiben  waren.  Allein  auch  hier 
spricht  die  Abweichung  in  der  Reihenfolge  zugunsten  Useners,  weil 
sie  von  seinem  Standpunkte  sich  eher  erklären  läßt  als  von  demjenigen 
Snsemihls.  Ergänzte  Thr.  die  voi>cu6[j.eva  aus  dem  Kataloge  oder  einer 
verwandten  Quelle,  so  lag  es  für  ihn  nahe,  nun  auch  die  ganze  Reihe 
ebendaher  zu  entnehmen,  da  er  in  Verlegenheit  war,  wo  die  neuen  Stücke 
zwischen  den  alten  einzufügen  seien.  Im  umgekehrten  Falle  sieht 
man  nicht  ein,  weshalb  nicht  nur  die  fehlenden  Stücke  weggelassen, 
sondern  auch  die  Ordnung  des  Thr.  geändert  sein  sollte.  Jedenfalls 
bleibt  für  die  tetralogische  Ausgabe  das  Zeugnis  Varros  in  Kraft,  aus 
dem  eine  Übereinstimmung  in  der  gesamten  tetralogischen  Anlage, 
nicht  nui*  in  der  ersten  Tetralogie,  so  lange  zu  schließen  ist,  bis  das 
Gegenteil  mit  schwerwiegenden  Gründen  erwiesen  wird. 

*201.  Oeuvres  de  Theon  de  Smyrne,  traduites  pour  la  premiöre 
fois  du  grec  en  fran^ais  avec  le  texte  en  regard  par  J.  Dupuis. 
Paris  (1893?). 

202.  P.  Tannery,  Sur  Theon  de  Smyrne.  Rev.  de  phil.  18 
(1894)  p.  145—152. 

Die  Arbeit  enthält  den  Nachweis,  daß  Theons  Schrift  xa  xaxa  xö 
}i.a6ir)fx.  ypT^sijxa  ei?  x.  x.  ÜXdz.  dvotYvujjiv  nach  ihrer  Zerteilung  in  zwei 
Hälften  (I  a  tt.  aptSfj,.  b  -.  ixo'jx  II  -.  d^xpov.)  überarbeitet  worden 
ist,  wobei  wahrscheinlich  mehr  hinzugefügt  als  weggelassen  wurde.  T. 
bemerkt,  daß  angesichts  dieser  Zusätze  von  anderer  Hand  und  der 
Thatsache,  daß  Theon  selbst  Kompilator  war,  die  Kritik  darauf  ver- 
zichten müsse,  eine  Stelle  nach  einer  anderen  zu  korrigieren  und  hält 
von  diesem  Standpunkte  aus  die  meisten  Konjekturen  von  Dupuis  für 
verfehlt. 


70  Beriebt  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacbaristotelischenPhilosophen.  (Praechter  . 

203.  P.  Taunerj-.  Sur  un  passage  de  Theon  de  Smyrne.    Rev. 
de  phil.  19  (1895)  p.  67—69  betrifft  S.  99,  13—18  Hiller. 

204.  H.    Hobeiu,    De    Maxime    Tyrio    quaestioues    philologae 
selectae.     Gottiiigae  1895.     (Diss.)     99  S.     2  M. 

Mit  dieser  Arbeit  ist  eine  Lücke  in  den  Forschungen  über  die 
nacharistotelische  Philosophie  und  die  Quellenbeziehungen  innerhalb  der- 
selben in  glücklicher  Weise  ausgefüllt.  Nach  Behandlung  allgemeinerer 
Maximos  betreffender  Fragen  (besonders  nach  seiner  Thätigkeit  als 
Ehetor  und  Lehrer)  wendet  sich  der  Verfasser  zur  Quellenuntersuchung. 
Was  das  Verhältnis  des  M.  zu  Piaton  betrifft,  so  ergiebt  sich,  daß  das 
Platonische  —  von  dem  Formalen  abgesehen  —  bei  ihm  nur  zum  ge- 
ringsten Teile  aus  Piaton  selbst  geschöpft  ist.  Weitaus  das  meiste 
verdankt  er  der  namentlich  durch  Aufnahme  stoischer  Elemente  stark 
eklektisierenden  Schultradition,  deren  Reflexe  auch  bei  Albinos,  Apu- 
leius,  Laertios  u.  a.  vorliegen.  Eingehend  befaßt  sich  H.  sodann  mit 
der  Behandlung  popularphilosophischer  -o-oi  durch  Maximos  und  ihrem 
Verhältnis  zur  stoischen  und  kynischen  Überlieferung.  Was  Maximos 
in  dieser  Richtung  bringt,  geht  in  der  Hauptsache  auf  die  Tradition, 
nicht  auf  bestimmte  litterarische  Quellen  zurück.  Für  einiges  weist  H. 
aber  doch  den  Ursprung  aus  bestimmten  Autoren  nach,  die  Max.  Jedoch 
nicht  etwa  für  den  Entwurf  der  betreffenden  Rede  einsah,  sondern 
deren  Ausführungen  er  aufgrund  früherer  Lektüre  nach  dem  Gedächtnis 
wiedergab,  so  Ps.-Aristot.  de  mundo  (dessen  Benutzung  schon  Zeller 
bemerkte),  eine  mit  Seneca  de  const.  sap.  verwandte  Quelle  und  Dion 
Chrysostomos. 

Die  Stelleusammlungen  Hobeins  sind  auch  für  die  Forschung  über 
die  kyuisch-stoische  Diatribe  von  Wert.  Beachtung  verdient  besonders 
auch  der  Exkurs  S.  70  ff.  über  Chrysippos'  Erörterung  über  die  ge- 
ringere Vollkommenheit  der  Tiere  und  die  Entgegnung  des  Karneades. 

Ausführlicher  bespricht  die  Arbeit  unter  Mitteilung  von  Ergän- 
zungen Wendlaud,  Berl.  phil.  Woch.  16  (1896)  Sp.  1511—1513. 

Die  Litteratur  zu  Plutarch  ist  Gegenstand  eines  besonderen  Be- 
richtes, die  zu  Apuleius  in  dem  Berichte  über  die  römischen  Redner 
berücksichtigt. 

Spätere  Peripatetiker. 

Vorauszuschicken  ist,  daß  die  Ausgaben  der  Aristoteles-Kommen- 
tatoren und  die  Litteratur  über  dieselben  von  Susemihl  in  dem  Berichte 
über  Aristoteles  besprochen  sind. 

205.  G.  F.  Unger,  Die  Blütezeit  des  Alexander  Polyhistor, 
Philol.  47(1889)  S.  177-183,  hält  (S.  182  f.)  den  Alexander,  welcher 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)    7 1 

Krassus  in  der  aristotelischen  Philosophie  unterrichtete  (Plut.  Crass.  3), 
nicht  für  identisch  mit  dem  Polj'histor,  dessen  Blütezeit  er  mehr  als 
ein  volles  Menschenalter  nach  Sullas  Herrschaft  ansetzt. 

Die  Ändronikos  von  Rhodos  betreffende  Litteratur  ist,  soweit 
sie  dessen  Beschäftigung  mit  den  aristotelischen  Schriften  und  die  damit 
zusammenhäugende  Frage  seiner  Chronologie  zum  Gegenstande  hat, 
bereits  von  Susemihl  (Bd.  75  S.  108  ff.,  Bd.  88  S.  41  ff)  behandelt 
worden. 

*2öG.     F.  Littig,  Ändronikos  von  Rhodos.    IL  Teil.     Erlangen 

1894.  Progr,   (von  Susemihl  nur  zum  Teil  besprochen,    vgl.  Bd.  88 
S.  44,  Schluß  von  No.  34). 

207.  F.  Littig,  Ändronikos  von  Rhodos.     III.  Teil.     Erlangen 

1895.  Progi-.     35  S. 

Dieser  abschließende  Teil  der  Arbeiten  Littigs  zu  Ändronikos 
befaßt  sich  mit  den  philosophischen  Anschauungen  des  Rhodiers  und 
seiner  Stellung  innerhalb  der  Geschichte  der  Philosophie.  Der  Verfasser 
führt  den  Nachweis,  daß  A.,  dessen  Hinneigung  zur  Stoa  schon  Prantl 
erkannte,  in  hervorragendem  Maße  von  Poseidonios  beeinflußt  worden 
ist,  dessen  persönlicher  Schüler  er  möglicherweise  war. 

Der  Anhang  enthält  den  Schluß  der  im  zweiten  Teil  begonnenen 
Fragmentsammluug:  dort  sind  diejenigen  Bruchstücke  zusammengestellt, 
welche  sich  mit  Bestimmtheit  diesem  oder  jenem  "Werke  des  A.  zuteilen 
lassen;  hier  folgen  diejenigen,  bei  welchen  das  nicht  der  Fall  ist.  Zu 
den  Simplikiosstellen  wurden  Littig  von  Diels  und  Kalbfleisch  Varianten 
aus  vier  Hss  überlassen.  Den  Schluß  bilden  drei  Exkurse.  Im  ersten 
und  zweiten  nimmt  der  Verfasser  Stellung  zur  neueren  Litteratur  über 
einige  Ändronikos  betreffenden  Fragen,  der  di-itte  befaßt  sich  mit  einem 
Punkte  der  Aristoteleskritik  des  Ändronikos. 

208.  B.  Roesener,  Bemerkungen  über  die  dem  Ändronikos 
von  Rhodos  m.it  Unrecht/ugewieseuen  Schriften.  I,  II,  III,  IV,  Schweid- 
nitz  1890,  1891,  1892,  1893.     Progr.     26,  26,  26  u.  31  S. 

Die  leider  sehr  unübersichtlich  angelegte  Abhandlung  (die  109  S. 
geben  einen  fortlaufenden  durch  keinerlei  Überschriften  oder  sonstige 
für  das  Auge  bemerkbare  Gliederung  abgeteilten  Text)  gilt  in  der 
Hauptsache  der  Schrift  -spl  raOüiv.  Der  Verfasser  giebt  zunächst  eine 
Geschichte  der  Frage,  welche  sich  an  diese  und  andere  fälschlich  dem 
Peripatetiker  Ändronikos  von  Rhodos  zugeschriebene  Schriften  knüpft. 
Er  ist  zu  diesem  Zwecke  in  sehr  sorgfältiger  Weise  dem  für  Ändronikos 
in  Betracht  kommenden  Material  nachgegangen.  Die  Prüfung  der  Hss 
•—    es   werden    deren    II  S.  12  f.    23    aufgezählt,    die    nur  z.  T.    von 


72  Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

Kreuttner-Schuchhardt  verwertet  sind,  vgl.  auch  IV  S.  4  ff.  —  hat 
auch  die  für  die  Beurteilung  der  Sachlage  wichtige  Thatsache  ergeben, 
daß  die  Worte  6t'  6T:6X7)t]>iv  xaxoü  t)  d7aftoü  der  ersten  Definition  in 
mehreren  sehr  guten  Exemplaren  fehlen.  R.  vermutet,  daß  die  Inter- 
polierung dieser  "Worte,  durch  welche  die  erste  Definition  die  für  An- 
dronikos  charakteristische  Wendung  (vgl.  Aspasios  in  eth.  Nicom.  p.  44, 
19  ff.  edit.  acad.)  erhalten  hat,  mit  der  Betitelung  'Avöpovixou  xxX.  in 
Zusammenhang  stehe  (vgl.  II  S.  20,  IV  S.  10  Anm.  1).  In  IV  ist 
die  Abschrift  bezw.  Kollation  des  Traktates  aus  einer  Reihe  bisher 
nicht  berücksichtigter  Hss  gegeben.  Mit  textkritischer  Besprechung 
einzelner  Stellen  befaßt  sich  III  S.  11—21. 

209.  E.  Reimann,  Quo  ex  fönte  fluxerit  Nicolai  Damasceni  uapa- 
e6S(üv  eÖwv  aova-füj-T^,  Philol.  54  (1895)  S.  654—709  berührt  die  philo- 
sophische Thätigkeit  des  Nikolaos  nicht  und  bleibt  deshalb  hier  außer 
Betracht. 

210.  Gr.  V(itelli),  Frammenti  di  Alessandro  di  Afrodisia  nel 
cod.  Riccard.  63,  Studi  ital.  di  filol.  class.  3  (1895)  p.  379—381  weist 
in  der  genannten  Hs  Exzerpte  aus  Alexander  von  Aphrodisias  nach, 
unter  welchen  zwei  sonst  nicht  bekannte  Stücke  enthalten. 

211.  C.-E.  Ruelle,  Alexandi'e  d'Aphrodisias  et  le  pretendu 
Alexandre  d'Alexandrie,  Rev.  des  etudes  grecqnes  5  (1892)  p.  103 — 107, 
bemerkt,  daß  cod.  Paris,  gr.  2505  saec.  15  unter  dem  Titel  'AXe$avopou 
'AXe^avopeüj;  -epi  epusecuv  14  Probleme  enthält,  von  welchen  1  — 13  sich 
bei  Alexander  von  Aphrodisias  in  anderer  Reihenfolge  wiederfinden, 
14  aus  Arist.  probl.  11,  32  stammt.  Die  bemerkenswerten  Varianten 
sind  vom  Verfasser  notiert. 

212.  I.  Bruns,  Studien  zu  Alexander  von  Aphrodisias.  I.  Der 
Begriff  des  Möglichen  und  die  Stoa,  Rhein.  Mus.  44  (1889)  S.  613— 
630.  Textkritische  Besprechung  einschlägiger  Stellen  aus  de  fato  und 
den  quaestiones.  II.  Quaestiones  II  3,  Rhein.  Mus.  45  (1890)  S.  138 
— 145.  Textkritische  Behandlung  der  Stelle.  III.  Lehre  von  der  Vor- 
sehung, Rhein.  Mus.  45  (1890j  S.  223—235.  Textkritische  Behandlung 
und  Analyse  der  einschlägigen  Kapitel  der  Quaestiones. 

213.  0.  Apelt,  Die  kleinen  Schriften  des  Alexander  von  Aphro- 
disias, Rhein.  Mus.  49  (1894)  S.  59—71,  behandelt  textkritisch  eine 
Anzahl  Stellen  im  zweiten  Bande  der  Brunsschen  Ausgabe. 

214.  I.  Bruns,  De  Dione  Chrysostomo  et  Ai-istotele  critica  et 
exegetica,  Kiliae  1892  behandelt  S.  19  ff.  Alex,  quaest.  2,  22.  Näheres 
ifi  meiner  Besprechung,  Berl.  phil.  Woch.  14  (1894)  Sp.  714  f.  Vgl. 
auch  Susemihl  in  diesen  Jahresber.  Bd.  79  S.  98  f. 

215.  Cf.  Rödler,  Corrections  an  texte  du  ::.  }i.i$£ü>c  d' Alexandre 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen. (Praechter.)   73 

d'Aphrodisias,  Rev.  de  phil.  17  (1893)  p.  10—13  bespricht  einzelne 
Stellen  des  Textes. 

216.  J.  Zahlfleisch,  Die  Polemik  Alexanders  von  Aphrodisia 
(sie)  gegen  die  verschiedenen  Theorien  des  Sehens,  Arch.  f.  Gesch.  d. 
Phil.  8  (1895)  S.  373—386,  498—509,  beleuchtet  die  Polemik  Alexan- 
ders  gegen  die  Vorgänger  des  Aristoteles. 

*217.  I.  Bruns,  Interpretationes  variae,  Kiliae  1893.  Nach 
der  Besprechung  von  Wendland,  Berl.  philol.  Woch.  13  (1893)  Sp.  1577  f. 
sind  hier  auch  Alexanders  Polemik  gegen  die  Annahme  eines  Unend- 
lichen und  seine  Ansicht  über  die  Mantik  behandelt. 

Ich  ziehe  hierher  wegen  seiner  peripatetisehen  Ginindrichtung 
auch  Galen,  berücksichtige  jedoch  aus  der  ihn  betreffenden  Litteratur 
nur  diejenigen  Ei'scheinungen ,  die  auf  seine  philosophische  Thätigkeit 
Bezug  haben. 

In  Betracht  kommt  iu  erster  Linie  die  auch  philosophische  Schriften 
und  solche,  die  für  die  Beurteilung  von  Galens  philosophischer  Schrift- 
stellerei  wichtig  sind,  umfassende  Ausgabe: 

218.  Claudii  Galeni  Pergameni  scripta  minora.  Recens. 
J.  Marquardt,  J.  Mueiler,  G.  Helmreich.  Vol.  IL  °Oti  6 
aptsTOC  laTpo;  xal  (piXosocpo;.  Ylzpl  kbütw.  °Oti  xai;  tou  CTu»[ji.aTOj  xpajsaiv 
at  TTfi  'j'U/Tj?  ouvafxsic  ETrovxat.  flspi  tt^c  Ta;c(u?  xcuv  lOi'cüv  ßißXituv  iipoc 
Euvevtavov.  üspl  tcüv  löiwv  ßtßXtcuv.  Ex  recognitione  Iwani  Mueller. 
Lipsiae  1891,  XCIII  u.  124  S.  2  M.  40.  Vol.  IIL  Oepi  atpedecuv 
Toi?  ei3a70|j.evotj.  GpaaußouXo?.  Ilepi  ^ustxuiv  öuvaixstuv.  Ex  recognitione 
Georgii  Helmreich.  Lipsiae  1893,  IX  und  257  S.  3  M.  (Der  erste  1884 
erschienene  Band  fällt  vor  unsere  Berichtsperiode). 

Die  Vorreden  bieten  das  Nötige  über  die  hsl.  Grundlage  der  recensio 
für  die  einzelnen  Schriften  und  über  bisherige  Ausgaben.  Der  kritische 
Apparat  ist  unter  dem  Texte  beigegeben,  im  2.  Bande  ist  eine  Reihe 
von  Stellen  in  der  praefatio  eingehend  besprochen,  im  3.  sind  die  Les- 
arten des  Mailänder  cod.  Trivultianus  für  -.  cpusixüiv  Sovaixsojv  am 
Schlüsse  der  praefatio  zusammengestellt.  Beide  Bände  bieten  einen  mit 
"Umsicht  und  Besonnenheit  konstituierten  Text.  Etwas  mehr  Planmäßig- 
keit in  Auswahl  und  Anordnung  der  Schriften  wäre  zu  wünschen  gewesen. 

Vgl.  die  Rezensionen  von  Uberg,  Berl.  phil.  Woch.  12  (1892) 
Sp.  8—11;  13  (1893)  Sp.  1101—1103. 

219.     Claudii  Galeni  protreptici  quae   supersunt  ed.  G.  Kaibel. 
Berolini  1894.     IX  u.  62  S.     2  M. 

Kaibel  identifiziert  die  Schrift,  soweit  wir  sie  besitzen,  mit  dem 
Anfang  des  von  Galen  de  libris  suis  c.  9  erwähnten  npoxpeTi-cixoc  Itz 
laxpixTjv,  gewiß  mit  Recht  (an  die  Identität  dachten  auch  Goulston  und 


74  Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotclischcn  Philosophen.  (Praechter.) 

Willet,  vgl.  Hartlich,  De  exh.  a.  Gr.  ß.  Script,  bist.  p.  316,  als 
Prooemiura  des  -po-rps-r.  e-'  larp.  faßt  das  Erhaltene  auch  Hartlich 
a.  a.  0.  S.  317),  und  überschreibt  sie  demgemäß  auch  so.  Grundlage 
des  Textes  ist,  da  alle  Hss  verschollen  sind,  die  Aldina,  neben  welcher 
nur  die  Mitteilung-en  Goulstons  aus  zwei  Hss  in  Betracht  kommen. 
Die  Beiträge  Neuerer  sind  berücksichtigt  und  hierbei  auch  insbesondere 
die  bisher  verkannten  Verdienste  des  Frederic  Jamot,  die  er  sich  durch 
seine  der  Pariser  Ausgabe  von  1583  angefügten  Bemerkungen  erworben 
hat,  ins  rechte  Licht  gesetzt.  Der  kritische  Apparat  begleitet  den 
Text.  Angehängt  ist  eine  mantissa  (S.  23—58)  mit  textkritischen  und 
anderen,  der  Interpretation  dienenden  Erörterungen.  Das  reiche  hier 
verwertete  Material  ist  auch  für  die  Erkenntnis  der  philosophischen 
Beeinflussung  Galens  von  Bedeutung.  Vgl.  auch  die  Besprechung  von 
J.  Hberg,  Berl.  phil.  Woch.  15  (1895)  Sp.  291  —  294. 

220.  G.  Helm  reich,  Galeni  -spl  töjv  eauTw  ooxouvxwv  fragmenta 
inedita,  Philol.  52  (1894)  S.  431  —  434,  veröffentlicht  aus  cod.  Paris. 
2332  unedierte  Fragmente  medizinischen  Inhaltes,  die  unser  Gebiet  nur 
entfernt  berühren. 

Auch  der  Aufsatz  von 

221.  J.  Ilberg,  Galeniana,  Philol.  48  (1889)  S.  57-66,  der 
den  jedenfalls  z.  T.  auf  hsl.  Überlieferung  zurückgehenden  Randbe- 
merkungen einer  Aldina  der  Dresdener  Kgl.  Bibliothek  zu  in  Hippocr. 
aphor.  gilt,  mag  hier  nur  genannt  werden.  An  textkiitischeu  Beiträgen 
sind  die  folgenden  zu  verzeichnen: 

222.  C.  Kalbfleisch,  In  Galeni  de  placitis  Hippocratis  et 
Piatonis  libros  observationes  criticae.  Berolini  1892  (Diss.)  48  S.  2  M. 
Auf  eine  Nachlese  zu  Petersens  Vergleichung  des  cod.  Hamiltonianus 
folgt  hier  die  textkritische  Besprechung  einer  Reihe  von  Stellen,  zu 
deren  einer  auch  Ilberg  in  der  Rezension  dieser  Schrift,  Berl.  philol. 
Woch.  13  (1893)  Sp.  426  ff.  zu  vergleichen  ist. 

223.  G.  Helmreich,  Zu  Galenos,  Jahrb.  147  (1893)  S.  467 
-468. 

224.  J.  Vahlen,  Varia,  Hermes  30  (1895)  S.  361  ff.  (S.  361 
zu  Gal.  protrept.  c.  1  p.  1,  8). 

225.  H.  van  Herwerden,  Ad  varios,  Mnem.  23  (1895) 
p.  158  ff.  (p.  158—162  zum  Protr.). 

*226.  F.  Paetzolt,  De  nonnullis  glossematis  maxirae  Galenianis 
commentatio,  Festschr.  z.  Feier  d.  25 jähr.  Best.  d.  Gj'mn.  z.  Jauer, 
Jauer  1890,  S.  93—101,  mir  nur  aus  der  Rezension  von  L.  Cohn, 
Berl.  phil.  Woch.  11  (1891)  Sp.  1465  bekannt.  Danach  handelt  es 
sich  um  den  Nachweis  von  Glossemen  in  den  von  Marquardt  heraus- 
gegebenen Schriften. 


Bericht  üb.  d.  Litterat  ur2u  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)   75 

227.  H.  Schoene,  Galeniana,  schedae  philol.  Herrn.  Usener  a  sod. 
Sern.  reg.  Bonn.  obl.  p.  88 — 93,  berührt  die  philosophischen  Schriften  nicht. 

Von  weiteren  Arbeiten  kommen  in  Betracht: 

228.  J.  Ilberg,  Über  die  Schriftstellerei  des  Klaudios  Galenos  I. 
Rhein.  Mus.  44  (1889)  S.  207—239.  I.  unternimmt  den  Versuch 
der  Aufstellung-  eines  vollständigen  chronologisch  geordneten  Inventars 
der  galenischen  Schriften  aufgrund  der  beiden  Übersichtsschriften  Galen s 
(it.  t.  Tcx^ecoj  T.  {6i(uv  ßtßXicov  und  TT.  T.  loi'ojv  ßtj^Xtojv)  sowlc  sclncr  zahl- 
reichen Selbstcitate.  Von  den  zur  Philosophie  in  Beziehung  stehenden 
Werken  fällt  -.  x.  'In-.oxp.  xal  IlXa-r.  oo'',\i.  in  den  Bereich  dieses  ersten 
Aufsatzes.  Der  zweite  a.  a.  0.  47  (1892)  S.  489—514  erschienene 
betrifft  anatomische  und  physiologische  Schriften. 

229.  P.  Hartlich,  De  exh.  a  Gr.  Rom.  Script,  bist.  (s.  oben 
No.  21)  widmet  S.  316  —  326  dem  Protreptikos  Galens  eine  Erörterung; 
dankenswert  sind  besonders  die  mit  Fleiß  gesammelten  Parallelen,  die 
auf  Galens  Verhältnis  zur  protreptischen  und  zur  philosophischen  Litte- 
ratur  überhaupt  Licht  werfen. 

230.  I.  von  Müller,  Über  Galens  Werk  vom  wissenschaftlichen 
Beweis,  Abb.  d.  bayr.  Ak.  phil.  Gl.  Bd.  20  Abt.  2  (1895)  S.  403—478. 

Nach  einem  Überblick  über  die  bis  ans  Ende  des  9.  Jahrhunderts 
führenden  direkten  Spuren,  welche  Galens  großes  Werk  x:.  arooct^swc 
in  der  späteren  griechischen  und  der  syrischen,  arabischen  und  jüdischen 
Litteratur  des  Mittelalters  hinterlassen  hat,  über  die  spätere  indirekte 
Beschäftigung  mit  demselben  und  die  mit  der  Renaissance  beginnenden 
Wiederauffindungs-  und  Wiederherstelluugsversuche  unternimmt  es  der 
Verf.,  Entstehungszeit  und  Zweck  der  Schrift  festzustellen.  Erstere 
verlegt  er  in  das  Ende  von  Galens  Aufenthalt  in  Pergamon  (vor  163); 
was  den  letzteren  betrifft,  so  erkennt  er  in  dem  Werke  den  Versuch, 
gegenüber  der  von  Galen  oft  getadelten  Methodelosigkeit  seiner  Zeit 
die  Methode  der  Mathematik,  insbesondere  der  euklidischen  Geometrie 
auch  auf  die  übrigen  Wissenschaften  zu  übertragen.  Den  Inhalt  des 
uns  verlorenen  Werkes  rekonstruiert  von  M.  an  der  Hand  der  eigenen 
Hiuweisungen  und  Anspielungen  Galens,  der  Citate  bei  Späteren  und 
des  galenischen  Verzeichnisses  seiner  das  Gebiet  der  Methodenlehre 
berührenden  Monographien,  die  sich  als  (indirekte)  Ergänzungsschriften 
zur  Apodeiktik  ansehen  lassen.  Natürlich  bleibt  bei  der  Dürftigkeit 
dieser  Hülfsmittel  in  der  Abgrenzung  des  Stoffes  und  der  Verteilung 
desselben  auf  die  einzelnen  Bücher  vieles  problematisch.  Immerhin 
wird  das  von  I.  von  Müller  entworfene  Bild  im  ganzen  dem  Werke 
entsprechen  und  auch  da,  wo  es  auf  diese  bestimmte  Schrift  nicht  zu- 
trifft, jedenfalls  doch  Galens  Anschauungen  zur  Sache  wiedergeben.   Auch 


76    Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

insofern  und  als  Darstellung    der  galenischen  Methodenlehre  ist  I.  von 
Müllers  Abhandlung  verdienstlich. 

Endlich  läßt  sich  hier  noch  am  richtigsten  die  Litteratur  über 
Themistios  einfügen,  den  unter  dem  Neuplatonismus  zu  behandeln 
man  m.  E.  kein  Recht  hat. 

231.  G.  M.  Sakorraphus,  Spicilegium  observationum  criticarum 
ad  scriptores  graecos,  Mnemos.  20  (1892)  p.  301  ff.  bringt  p.  306—310 
textkritische  Bemerkungen  zu  Themistios. 

232.  A.  Baumstark,  Lucubrationes  Syro  -  Graecae ,  Jahrb. 
Suppl.  21  (1894)  S.  464  ff.  verwertet  für  die  Textkritik  von  Them. 
Ttspi  ^iXi'a;  die  syrische  Übersetzung  des  Sergius. 

233.  P.  Hartlich,  De  exh.  a  Gr.  Rom.  Script,  bist.  (s.  oben 
No.  21)  S.  326—332,  faßt  Themistios'  protreptische  Reden  (9  und  24) 
sowie  die  gleichfalls  Protreptisches  enthaltenden  Stücke  or.  26  p.  320  d, 
or.  34  c.  2.  4  und  die  von  Bücheier  und  Gildemeister,  Rh.  Mus.  27 
S.  438  ff.,  herausgegebene  iriöet^i?  ins  Auge.  Auch  hier  erweist  sich 
die  Vergleichung  mit  Parallelen  aus  der  verwandten  Litteratur  als 
fruchtbar. 

Neupythagoreer. 

*234.  J.  R.  W.  Anton,  De  origine  libelli  Tiepl  '^uyä<:  xoa|jLu> 
xat  (pujto?  inscripti,  qui  vulgo  Timaeo  Locro  tribuitur.  Naumburg  1891, 
VI  n.  659  S.     20  M. 

Ich  habe  dieses  Buch  wiederholt  erfolglos  verlangt  und  kann 
daher  nur  auf  die  Rezensionen  von  Heinze,  Woch.  f.  klass.  Phil.  9  (1891) 
Sp.  73  ff.  und  Susemihl,  Berl.  phil.  Woch.  13  (1893)  Sp.  201—204 
verweisen.  Die  Zugehörigkeit  des  Verfassers  der  Schrift  zur  neupytha- 
goreischen Schule  wird  von  Anton  bestritten. 

235.  H.  Jülg,  Neupythagoreische  Studien.  Wien  1892,  30  S.  1  M. 

Die  Ausführungen  bilden  einen  Teil  der  vom  Verfasser  vor- 
bereiteten Ausgabe  von  Ps.-Okellos,  in  welcher  auch  die  von  Mullach 
nicht  herangezogenen  italienischen  Hss  Verwertung  finden  sollen.  Im 
ersten  Teile  seiner  Untersuchungen  befaßt  sich  J.  zunächst  mit  dem 
Titel  der  Schrift  und  entscheidet  sich  aufgrund  des  ps.-archyt.  Briefes 
an  Piaton  gegen  die  Hss  für  Tiepl  t^;  toü  -avToc  -/sveastu?.  Als  Quelle 
für  die  Erkenntnis  der  neupythagoreischen  Philosophie  ist  die  Schrift 
nach  J.  als  Kompilation  aus  echter  und  unechter  Tradition  der  ver- 
schiedensten Schulen  von  sehr  zweifelhaftem  Werte.  Er  neigt  zu  der 
Annahme,  daß  das  Werk,  das  für  altpythagoreisch  gelten  und  dessen 
Kenntnis  für  Piaton  durch  den  ps.-archyt.  Brief  glaubhaft  gemacht 
werden    soll,    den  Bestrebungen  diene,    die  Anfangslosigkeit  der  Welt 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.(Praechter.)      7  7 

als  ein  platonisches  Dogma  hinzustellen.  In  der  Kapiteleinteilung  der 
Schrift  möchte  J.  insofern  eine  Änderung  vornehmen,  als  er  c.  3  mit 
§  22  beginnen  lassen  will.  Der  zweite  Teil  der  Abhandlung  enthält 
eine  Quellenaualyse  des  "Werkes,  deren  Resultat  ist,  daß  für  das  erste 
Kapitel  vornebmlich  die  Eleaten,  besonders  Melissos,  für  das  zweite 
Aristoteles  de  gen.  et  int.,  für  das  dritte  und  vierte  Aristoxenos' 
IlubaYopixal  «Tzo'faastc  ausgebeutet  worden  sind. 

*236,  H.  Jülg,  Studien  zur  neupythagoreischen  Philosophie, 
Baden  i.  Österr.  1892.     Progr.     14  S. 

237.  P.  Nigidii  Figuli  operum  reliquiae,  coUegit  emendavit 
euarravit  quaestiones  Nigidianas  praemisit  A.  Swoboda.  Pragae, 
Vindobonae,  Lipsiae  1889.     143  S.     6  M. 

Da  die  Fragmente  des  N.  durchweg  seinen  gelehrten  Schriften 
angehören  und  für  die  Erkenntnis  seiner  philosophischen  Anschauungen 
kaum  etwas  ergeben,  so  mag  die  Ausgabe  hier  nur  genannt  und  im 
übrigen  auf  die  Rezension  von  Breysig,  Berl.  philol.  Woch.  10  (1890) 
Sp.  242 — 249  verwiesen  w'erden.     Desselben  Verfassers 

*238.  Quaestiones  Nigidianae,  Dissertat.  Vindob.  2  S.  1 — 65 
sind  mir  nicht  zugegangen. 

Zu  Nigidius  vgl.  auch  No.  365. 

239.  D.  M.  Tredwell,    A  sketch  of  the    life    of  ApoUonius  of 
Tyana,  New- York  1889. 

Das  Buch  trägt  in  einem  mir  vorliegenden  Exemplare  der  K.  Univ.- 
und  Landesbibl.  Straßburg  die  Jahreszahl  1886,  fällt  in  dieser  Ausgabe 
also  vor  unsere  Berichtsperiode.  Die  neue  Auflage,  die  nach  obigem, 
der  Bibl.  phil.  class.  *iß  (1889)  S.  140  entnommenen  Titel  erschienen 
sein  müßte,  habe  ich  nicht  zu  Gesicht  bekommen. 

240.  J.  Göttsching,  ApoUonius  von  Tyana.    Leipzig-Reudnitz 
1889  (Leipz.  Diss.).  126  S.     2  M. 

Nach  einer  Übersicht  über  die  Apollonioslitteratur  giebt  der  Verf. 
in  Kap.  1  eine  „Lebensskizze  des  A.  nach  Philostratus",  Kap.  2  be- 
handelt ,Das  in  A.  verwirklichte  Ideal",  Kap.  3  „Die  Schwächen  und 
Fehler  in  der  Darstellung  des  Philostratus" ,  Kap.  4  „Die  historische 
Glaubwürdigkeit".  G.  gelangt  hier  zu  dem  Ergebnis,  daß  die  philo- 
stratische  Biographie  keine  historische  Darstellung,  sondern  ein  Roman 
sei,  was  man  ihm  gern  zugeben  wird,  obwohl  von  dem  fleißig  ge- 
sammelten Beweismaterial  nicht  alles  wirklich  beweisend  ist.  Eine  Be- 
stätigung bietet  der  in  Kap.  5  „Philostratus"  dargelegte  Sophistencharakter 
des  Autors.     Kap.  6  handelt  von  den  „Quellen  des  Philostratus".     An 


78  Bericht  üb  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

der  Existenz  einer  Damis'  Namen  tragenden  Schrift  über  A.  hält  G.  mit 
Recht  fest,  nicht  durchschlagend  hingegen  scheinen  mir  die  Bemerkungen 
axii  S.  72  gegen  Zellers  Vermutung,  daß  sich  unter  diesem  Namen  ein 
Späterer,  wohl  derselbe,  der  die  Schrift  der  Kaiserin  übergab,  verborgen 
habe.   Zellers  Argument,  daß  ein  A.  gleichzeitiger  Damis  bei  aller  Be- 
schränktheit unmöglich    soviel    fabelhafte  Dinge    für    wirklich  gehalten 
haben    könne,    ließen    sich    allerdings    mancherlei    psychologisch   inter- 
essante Proben  aus  der  gerade  jetzt  durch  Neuausgaben  in  den  Vorder- 
grund gerückten  hagiographischen  Litteratur  entgegenhalten.   Verdächtig 
ist  aber  die  Zurückführung  auf  einen  Zeitgenossen  des  A.  schon  durch 
die  Länge  der  Zeit,  welche  die  Schrift  unbenutzt  gelegen  haben  müßte ; 
dazu  kommt  noch,  daß  die  Fälschung  solcher  Erzählungen  auf  den  Namen 
eines  Zeitgenossen  eine  naheliegende  Fiktion  ist  (man  denke  beispielsweise 
an  Diktys).  In  Kap.  7  „Zeitgeschichte  und  Tendenz"  weist  G.  Eevilles  An- 
nahme einer  großen  religiösen  Reform,  in  deren  Dienst  das  Werk  des  Philo- 
stratos  stehe,  mit  Recht  zurück.    Statt  dessen  erkennt  er  in  dem  Roman 
folgende  Tendenzen:    ,a)  einen  Panegyrikus  auf  den  Hellenismus,  wie 
er   in    der  Zeit   seiner  Blüte  war,    zu  liefern;    b)  einen  Protest  gegen 
eindringenden  Barbarismus  unter  zahlreichen  zeitgeschichtlichen  Bezug- 
nahmen  auszusprechen;    c)    eine    Art   Regentenspiegel   zu   geben    mit 
starken  Anspielungen  auf  die  schlechten  Herrscher  seiner  Zeit;  d)  eine 
Reform  des  Kultus  im  Sinne  des  religiösen  Konservativismus  anzustreben." 
Dabei    sind  aber  m.  E.  absichtslos   und   ohne   polemische  Beziehungen 
auf  die  Gegenwart   hervortretende  Anschauungen   zu  Tendenzen  über- 
spannt.  In  Kap.  8  „Der  Vergleich  mit  Christus  und  die  Nachbildungs- 
theorie" weist  G.  die  Baursche  Annahme  zurück,  mit  Recht,  wenngleich 
auch  hier  die  Beweisführung    im   einzelnen  nicht  durchaus  einwandfrei 
ist.     Ebenso    erklärt    sich  G.  gegen  Nielsens  Ansicht,    daß   die  Pytha- 
gorasviten   des  Porphyrios    und  lamblichos    und   die  ApoUoniosvita    des 
Philostratos  von  einer  Pythagorastradition  abhängig  seien.   Nach  seinem 
Dafürhalten    müssen    Porphyrios    und    lamblichos    Philostratos'    Schrift 
gekannt  haben.     Übrigens  findet  er  es  naturgemäß,  daß  in  dem  Leben 
eines  so  hervorragenden  Pythagoreers  wie  x\pollonios  Anklänge  an  das 
Pythagorasideal  anzutreffen  sind.     In  Kap.  9  „Der  wahre  Apollonius", 
stellt  G.  fest,    daß  A.  in  der  Meinung   der  Nachwelt  für  einen  Magier 
galt,  ein  Urteil,    welches  Phil,    durch  seine  Schrift    zu  entkräften  sich 
bemühe.     In  Wahrheit  war  A.  nach  G.  pythagoreischer  Philosoph  und 
stand    als   solcher   vielleicht    im  Dienste  des  Asklepios.    Durch  diesen 
Dienst    würde    sich    auch    der  Charakter   des  geheimnisvollen  Wunder- 
thäters,  mit  dem  ihn  die  Nachkommen  bekleideten,  leichter  erklären. 

Vgl.    auch    die  Rezension    von    J.  Miller,    Berl.    phil.  Woch.  10 
1890)  Sp.  1422—1426. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacliaristotelischen  Philosophen. (Praechter.)    79 

241.  J.    Miller,     Die    Beziehungen     der     vita    ApoUonii    des 
Philostratus  zur  Pythagorassage.     Philol.  51   (1892)  S.  137  —  145. 

Die  von  Nielsen  zugunsten  seiner  Ansicht,  daß  die  ApoUonios- 
erzählung  bewußte  Nachbildung  der  Pythagorassage  sei,  beigebrachten 
Stellen  bedürfen  nach  Miller  der  Sichtung.  Die  meisten  hält  er  für 
nichtbeweisend.  Auch  Rohdes  Annahme,  daß  Apollonios  in  seine  (von 
Jamblich  benutzte)  Biographie  des  Pythagoras  Züge  aus  seinem  eigenen 
Leben  hineingetragen  habe,  lehnt  M.  ab.  Die  Übereinstimmungen 
zwischen  der  vita  Apoll,  und  den  aus  Apollonios'  Pythagorasbiographie 
stammenden  Stücken  des  Jamblich  führt  er  teils  auf  Zufall,  teils  auf 
Benutzung  jener  Pythagorasvita  des  Ap.  durch  Philostratos  zurück. 
Auch  die  meisten  Berührungen  zwischen  der  von  Ap.  unabhängigen 
Pythagorastradition  und  der  vita  Apoll,  hält  M.  für  zufällig.  Übrigens 
betont  er,  daß  Ap.  sich  wirklich  Pythagoras  zum  Muster  genommen 
habe.  Zum  Schlüsse  bekämpft  M.  Zellers  Ansicht,  daß  in  dem  Roman 
eine  Tendenz  gegen  Kyniker  und  Stoiker  wahrzunehmen  sei. 

242.  J.  Miller,  Zur  Frage  nach  der  Persönlichkeit  des  Apollonius 
von  Tyana.     Philol.  51  (1892)  S.  581—584. 

Der  Verf.  bespricht  solche,  größtenteils  bei  byzant.  Autoren  sich 
findenden  Berichte,  in  welchen  Ap.  als  \id'(oi  erscheint,  und  ist  geneigt, 
als  ihre  gemeinschaftliche  mittelbare  Quelle  eine  Biographie  des  Ap. 
anzusehen,  wie  uns  deren  von  Soterichos  und  Moiragenes  bekannt  sind. 
Was  die  Glaubwürdigkeit  dieser  Angaben  betrifft,  nimmt  M.  an,  daß 
Ap.  in  der  That  ein  Meister  der  Magie  gewesen  sei,  giebt  aber  auch 
der  Volkssäge  Anteil  an  der  Überlieferung. 

Über  den  Verfasser  unserer  Apolloniosvita  handelt: 

243.  J.    Fertig,     De    Philostratis     sophistis,     Bamberg    1894 
(Würzb.  Diss.)  S.  51.     Von  demselben  (a.  a.  0.  S.  54)  und  von 

244.  L.  Rad erm acher,  observ.  et  lect.  var.  spec,  Jahrb.  151 
(1895)  S.  253  ff.  sind  textkritische  Beiträge  zu  verzeichnen. 

245.  K.  Praechter,  Metopos,  Theages  und  Archytas  bei  Stob, 
flor.  I  64,  G7ff.,  Philol.  50  (1891)  S.  49—57. 

Es  werden  hier  in  den  Neupythagoreerfragmenten  bei  Stobaios 
peripatetische,  platonische  und  stoische  Elemente  nachgewiesen.  In  die 
Sphäre  des  Antiochos  von  Askalon  führt  die  auffallende  Übereinstimmung 
mit  der  Form  der  peripatetischen  Lehre,  wie  sie  in  dem  Abrisse  des 
Areios  Didymos  vorliegt. 

246.  C.  Hölk,  De  acusmatis  sive  symbolis  Pythagoricis,  Kiliae 
1894  (Diss.)  gehört  hierher  wegen  der  Ausführungen  über  Androkydes 


80    Bericht  üb.  d.  Littcratur  zu  d.  nacharistotelischcnPhilosophea.  (Praechter.) 

rspl  riuÖaifopixwv  (ju(i.;=.6Xü)v  (S.  40  fif.).  Nach  H.  ist  die  Schrift,  derea 
Fragmente  S.  46  ff.  zusammengestellt  sind,  etwa  im  ersten  Jahrb.  vor 
Chr.  dem  zur  Zeit  Alexanders  d.  Gr.  lebenden  Arzte  Androkydes,  der 
vielleicht  aus  Irrtum,  vielleicht  absichtlich  zum  Pythagoreer  gestempelt 
wurde,  untergeschoben  worden.  Ist  das  richtig,  dann  wäre  der  Fälscher 
wohl  ebenso  wie  die  Verfasser  anderer  pseudopythagoreischer  Schriften 
dieser  Zeit  in  dem  Kreise  der  Neupythagoreer  zu  suchen. 

247.     P.  Tannery,  Miscellanees,  Rev.  de  phil  13.  (1889)  p.  66  ff. 

Hier  schlägt  T.  p.  69  "^or,  Nicom.  introd.  arithm.  1,1  (ed.  Hoche 
p.  2  1.  15  -19)  für  aioiou  zu  lesen  dveiosou. 

*248.  Anonymi  prolegomena  in  introductionem  arithmeticam 
Nicomachi  sind  nach  Bibl.  phil.  class.  22  (1895)  S.  185  in  Tanneiys 
Diophantosausgabe  II,  73  —  77  enthalten.     S.  auch  Xo.  275. 

249.  Sexti  Pythagorici,  Clitarchi,  Euagrii  Pontici  sententiae  ab 
Antonio  Elter  editae.  Bonner  Lektionsk.  f.  1891/2:  Bonner  Einlad. 
z.  Feier  V.  Kais.  Geb.  1892:  Bonner  Lektionsk.  f.  1892/3.  Vereinigt 
in  Gnomica  1.  Lipsiae  1892,  54  S.     2  M.  40. 

Die  Sprüche  dieser  untereinander  eng  zusammenhängenden  Samm- 
lungen —  die  des  Kleitarch  ist  ein  Auszug  aus  dem  Gnomologion 
des  Sextos  und  auch  die  des  Euagrios  steht  zu  demselben  in  naher 
Beziehung'  —  haben  nichts  specifisch  Pythagoreisches,  da  sie  aber  von 
einer  alten  Überlieferung  einem  Pythagoreer  zugeschrieben  werden  und 
eine  gleiche  Farblosigkeit  sich  auch  bei  anderen  neupythagoreischen 
Erscheinungen  findet,  so  sind  sie  doch  wohl  in  der  Sphäre  des  Neu- 
pythagoreismus  entstanden,  auf  welche  auch  andere  Gründe,  wie  die 
Benutzung  dieser  Sentenzen  durch  Porphyrios,  hinweisen.  Ob  sie  mit 
dem  (oder  einem  der)  bei  Jamblich,  Hieronynius  und  Synkellos  ange- 
führten Philosophen  des  Namens  Sextos  (Zeller  IV  2^  S.  103)  in  Ver- 
bindung zu  bringen  sind,  steht  dahin.  Auf  die  treffliche  Bearbeitung 
dieser  Sammlungen  durch  Elter  muß  ich  mir,  da  dieselben  im  ganzen 
doch  mehr  für  die  Florilegienforschuug  als  für  die  Geschichte  der 
Philosophie  von  Interesse  sind,  ein  näheres  Eingehen  versagen  und  ver- 
weise nur  auf  die  Besprechung  von  Wendland,  Berl.  phil.  Woch.  13 
(1893)  Sp.  229  ff.  Ebenso  sind  die  Ergänzung  zu  Elters  Arbeit  im 
Rh.  Mus.  47  (1892)  S.  630  ff.  (auch  Gnom.  I  beigeheftet)  und  Ryssels 
Aufsatz  über  die  syr.  Übers,  der  Sextussent.,  Zeitschr.  f.  wiss.  Theol. 
38  (1895)  S.  617  ff.  hier  nur  zu  nennen. 

Vgl.  zum  Neupythagoreismus  noch  No.  360. 

Ich  wende  mich,    ehe   ich  die  Litteratur  über  die  Neaplatoniker 
bespreche,    zu  den  Arbeiten  über  einige  dem  Xeuplatonismus  innerlich 


Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacliaristotelischenPhilosophen.(Praechter.)  81 

verwandte  Erscheinuiigen,  denen  jedoch  die  specifischeu  ]\Ierkmale  jener 
Schule  noch  fehlen. 

Zu  den  hermetischen  Schriften  hat 

250.  W.  Kroll,  Hermetica,  Philol.  51  (1892)  S.  230  und 

251.  Advers.  graec.  Pliilol.  53  (1894)  S.  422  f.  textkritische 
Vorschläge  beigesteuert. 

252.  H.  Haupt,  Zu  den  Kyraniden  des  Hermes  Trismegistos, 
Philol.  48  (1889)  S.  371—374  berührt  das  philosophische  Gebiet  nicht. 
Eine  andere  hierher  gehörige  Erscheinung  behandelt 

253.  W.  Kroll,    die  chaldäischen  Orakel,  Eh.  Mus.  50  (1895) 
S.  636-639. 

Anknüpfend  an  seine  Schrift  De  oraculis  Chaldaicis  (Bresl. 
philol.  Abh.  VII  1),  bezüglich  deren  ich  auf  die  Besprechung  von 
Wendland,  Berl.  phil.  Woch.  15  (1895)  Sp.  1038—1041  verweise, 
legt  Kr.  den  philosophischen  Gehalt  des  in  den  späteren  neuplatouischen 
Kommentaren  als  „chaldäische  Orakel"  oder  „Orakel"  schlechthin  be- 
zeichneten Gedichtes  dar.  Kr.  hält  dasselbe  nicht  mit  Zeller  für  ein 
neuplatouisches  Produkt,  da  es  nichts  von  plotinischer  Ekstase  enthält, 
auch  die  Bezeichnung  des  höchsten  Wesens  als  sv  ihm  fremd  ist.  „Die 
Verbindung  platonischer,  neupythagoreischer  und  stoischer  Ideen  findet 
ihre  Analogie  in  den  Systemen  der  Pythagoreer  des  Alexander  Polyhistor, 
des  Philon  und  des  Numenios,  sowie  in  den  ebenfalls  mit  der  Praxis 
eng  zusammenhängenden  hermetischen  Schriften,  das  ganze  Gedicht  mit 
seiner  Verschmelzung  von  Philosophie,  Religion  und  Aberglauben  in 
der  christlichen  Gnosis."  Die  Abfassung  ist  nach  Kr,  um  das  Jahr 
200  nach  Chr.  anzusetzen. 

Vgl.  zu  den  chaldäischen  Orakeln  auch  No.  315. 

Über  die  jüdisch-griechische  Philosophie  (Philon)  erscheint  als 
Anhang  ein  besonderer  Bericht  von  P.  Wendland. 

Neuplatoniker. 

Auch  hier  ist  vorauszuschicken,  daß  die  Ausgaben  der  Aristoteles- 
Kommentatoren  und  die  daran  anschließende  Litteratur  von  Suseraihl 
im  Jahresberichte  über  Aristoteles  besprochen  werden. 

Die  Frage  nach  dem  Begründer  desNeuplatonismus  behandelt 

254.  E.  Zeller,  Ammonius  Sakkas  und  Plotinus,  Arch.  f.  Gesch. 
d.  Phil.  7  (1894)  S.  293—312.  Z.  unterzieht  die  Frage,  ob  Ammonios 
Sakkas  aufgrund  zulänglicher  Berichte  als  Begründer  der  neuplatonischen 
Schule  angesehen  wurde,  einer  nochmaligen  Erörterung  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  in  Betracht  kommenden  Stellen  des  Nemesios 
und  Priskian  und  des  Aufsatzes  von  H.  von  Arnim  „Quelle  der  Über- 

Jahrasbericht  für  Altertums-wissenschaft.   Bd.  LXXXXVI.   (1898.  I.)        6 


82  Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischeQPhilosophen.(Praechter.) 

liefenmg  über  Ammonius  Sakkas,"  Rhein.  Mus.  42  S.  276 — 285.  Ans 
den  beiden  genannten  alten  Autoren  läßt  sich  nach  Z.  für  die  Existenz 
eines  von  einem  persönlichen  Schüler  des  Amm.  Sakk.  verfaßten  Be- 
richtes über  dessen  Lehre  nichts  abnehmen.  Beide  haben,  Nemesios 
durch  Vermittelnng  des  Hierokles,  Priskian  durch  diejenige  von  Theodotos, 
dem  Schüler  des  Ammonios  Hermeiu,  aus  Porphyi"ios'  ou|xixixTa  C^-nQixaxa 
geschöpft.  Auch  sonst  findet  sich  in  der  Litteratur  keine  Spur  eines 
solchen  Berichtes  über  Amm.  Sakkas.  Plotins  Mitschülern  Origenes  und 
Longinos  sind  Lehren,  die  nach  Nemesios  schon  Ammonios  gehören 
müßten,  noch  fremd. 

Auf  Plotin  beziehen  sich  folgende  Arbeiten: 

255.  R.  Marcellino,  Zu  Plotin,  Philol.  51  (1892)  S.  45  giebt 
eine  Konjektur  zu  Enn,  5,  6,  6. 

*256.  Plotinus  on  the  beautiful,  translated  by  Th.  Davidsohn  , 
Biblioth.  Plat.  I  4  p.  309—321  ist  mir  nur  aus  Bibl.  phil.  class.  18 
(1891)  S.  40  bekannt. 

*257.  I.  Bruns,  Interpr.  var.  (s.  o.  Xo.  217)  behandelt  S.  11  —  14 
Plotin  III  Kap.  1—7  S.  34  K  ff.  (nach  der  Besprechung  von  Wendland, 
Berl.  phüol.  Woch.  13  [1893]  Sp.  1577—1578). 

258.  A.  Covotti,  La  cosmogonia  plotiniana  e  l'interpretazione 
panteisto-dinamica  dello  Zeller,  Rendiconti  della  R.  Accad.  dei  Lincei, 
classe  di  scienze  morali,  storiche  e  filol.  Serie  V  vol.  IV,  Roma  1895 
p.  371-393;  469—488. 

An  der  Hand  einer  eingehenden  Darstellung  der  plotinischen 
Kosmogonie  sucht  der  Verfasser  zu  zeigen,  daß  Plotins  System  nicht 
mit  Zeller  als  dynamischer  Pantheismus,  sondern  als  Emanatismus, 
allerdings  nicht  im  gewöhnlichen  Sinne  des  Wortes  zu  bezeichnen  sei, 
insofern  nicht  die  Welt  in  ihrer  Aktualität,  sondern  nur  ihre  Elemente 
emanieren.  Die  Differenz  zwischen  Zeller  und  Covotti  liegt  im  letzten 
Grunde  darin,  daß  von  beiden  Gelehrten  der  eine  diese,  der  andere 
jene  unter  den  einander  widersprechenden  und  z.  T.  durch  die  bildliche 
Ausdrucksweise  doppelt  schwer  ihrem  Gewichte  nach  zu  beurteilenden 
Bestimmungen  des  plotinischen  Systemes  in  den  Vordergrund  rückt. 
Eine  nähere  Beleuchtung  der  Streitfrage  ist  in  der  hier  gebotenen 
Kürze  nicht  möglich.  Es  sei  daher  hier  nur  gesagt,  daß  mir  Zellers 
Auffassung  schon  deshalb  den  Vorzug  zu  verdienen  scheint,  weil  bei 
ihr  die  von  Plotin  so  scharf  betonte  Transcendenz  des  Einen  besser 
gewahrt  bleibt. 

259.  J.  Baumann,  Piatons  Phädon  philosophisch  erklärt  und 
durch  die  späteren  Beweise  für  die  Unsterblichkeit  ergänzt,  Gotha  1889, 
enthält  S.  73—80  eine  nähere  Darlegung  der  ünsterblichkeitslehre  Plotins. 


Bericht  üb,  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)  83 

*260.     J.    A.    Lyly,    Plootinos    sielnn    substantsia    alisundesta, 
Helsingfors  1889  (Diss.). 

*261.     Struve,    Die    neuplatonische  Ethik    des  Plotin   und    ihr 
Verhältnis  zur  platonischen.     Kirchl.  llonatsschr.  XI  7. 

Die  sprachliche  Seite  des  plotinischen  Werkes  betrifft 

262.  E.  Nordenstam,   Studia  syntactica  I.     Syntaxis  infinitivi 
Plotiniana.     Upsaliae  1893.     81  S.     (Diss.)     1  M.  75. 

Eine   Fälschung    auf   den   Namen    eines   Mitschülers   des   Plotin 
behandelt 

263.  E.    Heitz,  Die    angebliche  Metaphysik  des  Herennios, 
Sitzungsber.  d.  K.  preuß.  Ak.  d.  Wiss.  1889     S.  1167—1190. 

Der  Verf.  analysiert    des    angeblichen    Herennios    Urfirim  etc  xa 
liETot  Tot  «puaixa    und  zeigt,    daß  die  Schrift  aus  verschiedenen  größten- 
teils   bekannten   und   zwar   zumeist   neuplatonischen  Quellen   in    unge- 
schicktester Weise  fast  wörtlich  abgeschrieben  ist,    sodaß   auch  außer- 
halb   des  Zusammenhanges   unverständliche  Stellen    und    Verweisungen 
in  die  Exzerpte   mitaufgenommen    wurden.     Die  beiden  ersten  Kapitel 
sind  Georgios  Pachymeres'  Abriß   der  aristotelischen  Philosophie    ent- 
nommen.   Damit   ist   die  Mitte    des  14.  Jahrhunderts   als   Frühgrenze 
für  die  Entstehung  der  Fälschung  gegeben.    Von  besonderem  Interesse 
ist  das  dritte  Kapitel,    weil    hier   mit  Exzerpten    aus  Philo  de  ebriet. 
eine    anderweitige    skeptische  Polemik    gegen  die  Möglichkeit   der  Er- 
kenntnis   und    eine  Widerlegung    der    skeptischen    Ausführungen    ver- 
bunden ist,  deren  Herkunft  zu  entdecken  Heitz  nicht  gelungen  ist,  die 
er    aber    wohl   mit  Recht   glaubt  aus  einem  stoischen  Werke  herleiten 
zu  sollen.    Heitz'  sehr  wahrscheinliche  Vermutung  ist,  daß  der  Fälscher 
mit  Rücksicht  auf  Porphyr,    vit.  Plot.  c.  3    den  Namen  des  Herennios 
■wählte,    und    daß    er   kein   anderer   ist,    als    der  berüchtigte  Andreas 
Darmarios,  auf  den  eine  Reihe  von  Indicien  hinführt.  —  Ein  Anhang 
ist  der  in  Samosc  um  das  Jahr  1604  gedruckten  Ausgabe  des  Herennios 
gewidmet. 

Ich  wende  mich  zu  Porphyrie s. 

264.  E.  Bethe,  Handschriftliches  zu  Porphyrius  de  antro 
Nympharum,  Philol.  47  (1889)  S.  554  f.  berichtigt  einen  Irrtum  Herchers, 
dessen  Angaben  (in  der  Didotschen  Ausgabe  Ailians  und  einiger 
Porphyriosschriften)  über  „cod.  Marc.  211"  sich  auf  cod.  Marc.  cl.  IX  4 
beziehen.     [Vgl.  auch  KroU,  Rh.  Mus.  52,  286.] 

265.  G.  Schepss,  Zum  lateinischen  Aristoteles  und  Porphyrius, 
Bl.  f.  d.  Gymn.  her.  v.  bayr.  Gymn.  29  (1893),  bemerkt,  daß  die  Er- 
klärungen des  Anonymus  in  cod.  Monac.  14779  fol.  31  ff.  sich  auffallend 


6 


'■f- 


S4  Bericht  üb.  d.Litteratur  za  d.  nacliaristotelischciiPhilosophen.(Praecliter.) 

mit  Abälards    glossae    in  Porphyrium ,    die  Cousin    herausgegebeu   liat, 
berülireu. 

266.  K.  Kalbfleiscli,  Die  neuplatouische,  fälsclilicli  dem  Galeu 
zugcscbriebeue  Schrift  lipo;  Faüpov  Tispl  -ou  zaic  £[x<|iuyoÜTat  1%  e'ix^pua 
aus  der  Paiüser  Handschrift  zum  ersten  Male  herausgegeben.  Anhang 
zu  d.  Abh.  der  Berl.  Akad.,  phil.-hist.  Kl.  1895.  80  S.  und 
2  Tafeln.     6  M.  50. 

Der  sorgfältigen  Ausgabe  dieser  in  cod  Paris,  suppl.  gr.  635 
saec.  13  enthaltenen  Schrift  ist  eine  Einleitung  vorausgeschickt,  in 
welcher  überzeugend  dargethan  wird,  daß  die  hsl.  Zuteilung  des  Werkes 
an  Galeu  (raAr,voü  -po?  Paüpov  y-k.),  von  dem  sie  in  den  Verzeichnissen 
seiner  Schriften  nicht  erwähnt,  noch  auch  sonst  citiert  wird,  ebenso 
wie  sie  auch  selbst  keinerlei  Citat  galenischer  Schriften  enthält,  unbe- 
rechtigt ist.  Die  in  dem  Werke  vertretene  Ansicht  widerspricht  der- 
jenigen Galens  direkt,  sie  beruht  —  ganz  im  Widerspruche  mit  Galens 
empirisch -naturwissenschaftlicher  Uutersuchungsmethode  —  durchaus 
auf  dem  neuplatonisch  verstandenen  Dogma  Piatons.  Ein  weiteres 
Argument  liegt  in  der  Gleichgültigkeit  des  Verfassers  gegen  den  von 
Galen  gemiedenen  Hiatus.  Innerhalb  des  Neuplatonismus  führen  viele 
Spuren  auf  Porphyrios,  mit  dem  die  Schrift  mehrfach  die  auffallendsten 
wörtlichen  Berührungen  aufweist,  und  der,  wie  sich  aus  Jamblich  und 
Psellos  ergiebt,  die  nämliche  Ansicht  vertrat,  wie  sie  hier  vorgetragen 
wird,  und  zwar,  wie  Psellos  zeigt,  in  einer  besonderen  dem  Gegenstande 
gewidmeten  Schrift.  Man  wird  mit  dem  Herausgeber  jenes  sonst  ver- 
schollene Werk  in  dem  vorliegenden  Traktate  zu  erkennen  haben. 

*267.  Porphyrius,  Life  of  Plotinos,  translatcd  (by  Th.  Johnson), 
Biblioth.  Piaton.  I  1  p.  42 — 76,  kenne  ich  nur  aus  der  Bibl.  phil,  class. 
16  (1889)  S.  238. 

268.     A.  Georgiades,    llspl    tcüv  -/.ata  XpiJ-tavwv  a-03-a3[xaT(ov 
Tou  riop'fupio'j.    'Ev  AstJ/ia  1891  (Erlanger  Diss.).     72  S. 

Zunächst  ist  festzustellen,  daß  ein  Teil  der  Arbeit  sich  als  Plagiat 
frechster  Art  erweist.  Die  Einleitung  S.  5—8  ist  zum  grüßten  Teile 
ohne  Quellenangabe  Zellers  großem  Werke  entnommen  (vgl.  beispiels- 
weise Zeller  III  1  S.  8,  10,21,24;  III  2  S.  424,443,444).  Auch 
das  zunächst  Folgende  beruht  wesentlich  auf  Zeller,  der  nur  an  zwei 
Stellen  für  Einzelheiten  citiert  wird.  Der  ganze  zu  dem  Thema  in 
keiner  näheren  Beziehung  stehende  Abriß  der  Ethik  des  Porphyrios 
(S.  60—70)  ist  wortgetreue  Übersetzung  aus  Zeller.  Dieser  Sachver- 
halt erweckt  auch  für  den  Rest  der  Arbeit  starke  Zweifel  hinsichtlich 
seiner  Selbständigkeit,  doch  kann  ich  eine  Prüfung  nicht  vornehmen. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)  85 

Das  Charakteristische  des  Porphji-ios  im  Unterschiede  von  anderen 
Bestreitern  des  Christentums  sieht  G.  in  einer  eklektischen  Tendenz, 
die  ihn,  namentlich  in  der  Schrift  -.  a-oy.  i\L^.  und  in  derjenigen  an 
Marcella,  nicht  eine  dem  Christentum  durchaus  feindliche  Stellung  ein- 
nehmen, sondern  aus  Christlichem  und  Heidnischem  das  auswählen  lasse, 
was  ihm  zusage.  Eine  solche  Tendenz  wird  aber  weder  durch  das 
hier  (S.  12—13)  Vorgebrachte,  noch  durch  die  S.  53 — 58  abgedruckte 
Zusammenstelluug  von  Sätzen  des  N.  T.  und  solchen  des  Porphj'rios 
bewiesen.  Es  handelt  sich  hier  durchweg  um  Gedanken,  die  innerhalb 
der  griechischen  Philosophie  gäug  und  gäbe  sind  (ad  Marc.  12  ist  die 
Abhängigkeit  von  Plat.  rep.  10  p.  6l7e  nicht  bemerkt),  und  auch 
nicht  in  der  Form  ihres  Ausdruckes  den  mit  ihnen  in  Parallele  ge- 
setzten christlichen  besonders  nahe  stehen.  Auffallend  ist  höchstens 
der  Anklang  ad  Marc.  24  an  1  Kor.  13, 13.  G.  versucht  nun ,  aus 
den  bisher  bekannten  Fragmenten  Plan  und  Anlage  der  Schrift  gegen 
die  Christen  zu  erkennen.  Da  überall  nur  ganz  vereinzelte,  allerdings 
mit  Angabe  der  Buchzahl  versehene  Bruchstücke  vorliegen ,  so  läßt 
sich  über  einen  gewissen  Grad  der  Wahrscheinlichkeit  nicht  hinaus- 
kommen. Zu  diesem  bisherigen  Bestände  glaubt  G.  aber  weitere ,  noch 
unbeachtete  Überreste  aus  der  Schrift  des  Porphyrios  hinzufügen  zu 
können.  Die  1867  wieder  aufgefundene  von  Blondel  (Paris  1S76) 
herausgegebene  apologetische  Schrift  des  Makarios  Magnes  enthält  ein 
Religionsgespräch  zwischen  einem  heidnischen  Philosophen  und  einem 
Christen.  Aus  der  Stilverschiedenheit  in  den  Äußerungen  der  beiden  Gegner 
hatte  schon  Duchesne  geschlossen,  daß  Makarios  die  Angriffe  des  Heiden 
einer  gegen  das  Christentum  gerichteten  Schrift  entnommen  habe.  G. 
nimmt  die  von  dem  Göttinger  Theologen  Crusius  ausgesprochene  Ver- 
mutung wieder  auf,  daß  Mak.  Porphyrios  benutzt  habe  (direkt  oder 
durch  Vermittelung  des  Hierokles).  In  der  That  stimmen  Porphyrios 
und  der  von  Mak.  bekämpfte  Gegner  in  einigen  Angriffen  überein. 
Sicher  ist  darauf  freilich  bei  dem  fragmentarischen  Charakter  unseres 
Besitzes  aus  der  antichristlichen  Litteratur  nicht  zu  bauen.  Jedenfalls 
kann  das  aus  Duchesnes  Ausführungen  von  G.  S.  35  über  den  Unter- 
schied in  der  Polemik  des  Celsus  und  des  Porphyrios  Beigebrachte 
m.  E.  in  unserer  Frage  nicht  entscheiden. 

Weitere  Teile  der  Arbeit  befassen  sich  mit  der  Schrift  -.  t.  Iy, 
Ao-ficDv  (piAOj.  und  den  von  Porphyr,  in  derselben  vorgetragenen  An- 
schauungen über  Christus  und  die  Christen,  mit  Porphyrios'  Stellung 
zum  Orakelwesen  und  zur  Religion  und  mit  den  von  G.  angenommenen 
verschiedenen  Phasen  seiner  Entwickelung. 

269.  E.  Norden,  Vergilstudien,  Hermes  28  (1893)  S.  360  ff., 
macht  S,  406    auf   die  Unterweltsbeschreibung    des  Porphyrios  in  der 


86   Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischenPbilosophen.(Praechter.) 

Schrift  -.  Sxu-idc   und   ihre  Anklänge    an    die  vergilische  Nekjia  auf- 
merksam. 

270.  Der  Aufsatz  von  Chr.Harder,  Johannes  Tzetzes' Kommentar 
zu  Porphyrius  repl  Tievre  9üiV(uv,  Byz.  Zeitscbr.  4  (1895)  S.  314—318, 
der  für  Porplij-rios  nichts  ergiebt,  sei  hier  nur  genannt.  Die  Ausgabe 
der  die  Odyssee  betreffenden  'Ojxrjpixa  >^-rj[jLaTa, 

271.  Porphyrii  quaest.  Homer,  ad  Od^'sseam  pertin.  rel.  coli, 
disp.  ed.  H.  Sehr  ad  er,  Lipsiae  1890  (hat  mir  nicht  vorgelegen),  ge- 
hört ins  Gebiet  der  Berichterstattung  über  Homer. 

Für  Jamblich  ist  zunächst  eine  Reihe  aus  der  Schule  Vitellis 
hervorgegangener  Arbeiten  zu  nennen.  An  Pistellis  1888  erschienene 
Ausgabe  des  Protreptikos  scliließt  sich 

272.  H.  Piste Ui,  lamblichea,  Studi  Ital.  di  fil.  class.  1  (1893) 
p.  25—39. 

P.  macht  hier  (unter  I)  nähere  Mitteilungen  über  die  in  cod. 
Angelic.  Q.  2, 18  erhaltenen  Bemerkungen  von  Lucas  Holstenius  zum 
Protreptikos  (z.  T.  hsl.  Lesarten ,  z.  T.  eigene  Konjekturen  von  H. 
und  einem  mit  Poll.  oder  Pol.  bezeichneten  Gelehrten,  über  welchen 
G.  V[itelli]s  Vermutung  in  der  Anmerkung  zu  PisteUis  Aufsatz  zu 
vergleichen  ist),  bespricht  (unter  II)  einige  erst  nach  der  Herausgabe 
des  Protreptikos  untersuchte  Hss,  die  wie  alle  anderen  gleichfalls  aus 
dem  Florent.  (Laur.  plut.  86,3)  geflossen  sind,  macht  (unter  III) 
nähere  Angaben  über  einige  Jamblich-Hss  der  Leydener  Univ.-Bibl. 
und  berichtet  (unter  IV)  nach  Mitteilungen  Piccolominis  über  Vat.  lat. 
4530,  4531,  5953,  3068,  welche  nach  schlechteren  griech.  Hss  gefertigte 
latein.  Übersetzungen  jamblichischer  Schriften  enthalten.  Weitere  Hss 
des  Protreptikos  macht  G.  V[itelli]  in  einer  Anmerkung  zu  Pistellis 
Artikel  namhaft. 

273.  lamblichi  de  communi  mathematica  scientia  über.  Ad 
fidem  codicis  Florentini  edidit  N.  Festa.  Lipsiae  1891,  IX  u. 
152  S.     1  M.  80. 

Zugrunde  liegt  cod.  Laur.  86, 3 ;  ferner  sind  Venet.  243  und 
Laur.  86,  29  von  Festa  selbst  verglichen,  cod.  Cizensis  nach  Kießlings 
Kollation  benutzt.  Testimonia  und  kritischer  Apparat  sind  unter  dem 
Texte,  die  Scholien  des  Laur.  86,3  (in  Auswahl),  index  nominum  u. 
ind.  verb.  am  Schlüsse  beigegeben. 

Auf  zwei  die  Schrift  betreffende  interessante  Punkte  macht  auf- 
merksam der  Rezensent   in   d.  Berl.  phil.  Woch.  13  (1893)  Sp.  398  f. 

274.  E.  Pistelli,  Per  una  nuova  edizione  del  IV.  libro  di 
Giamblico,  Studi  Ital.  di  filol.  class.  1  (1893)  p.  233—238. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zud.  nacharistotelischen  Philosophen. (Praechter.)   S7 

P.  zeigt  die  Unzulänglichkeit  der  Tennuliusschen  Ausgabe  des 
Kommentars  zu  Nikomachos'  Arithmetik,  die  er  durch  eine  neue  zu 
ersetzen  beabsichtigt.  Beste  Textesqnelle  ist  der  cod.  Flor. ,  der  aber 
der  Konjekturalkritik  noch  ein  weites  Feld  ofifen  läßt.  Einige  Besse- 
rungsvorschläge macht  P.  S.  236 — 238.  Die  hier  versprochene  Aus- 
gabe liegt  jetzt  vor: 

275.  lamblichi  in  Nicomachi  arithmeticam  introductionem  über. 
Ad  fidem  cod.  Florentini  ed.  II.  Pistelli.  Lipsiae  1894.  IX  u. 
195  S.  2  M.  40.  Ich  verweise  auf  die  Rezension  von  Hultsch,  Berl. 
phil.  Woch.  15  (1895)  Sp.  774—776. 

Textkritisches  zu  Jamblich  steuerten  bei 

276.  W.  R.  Paten,  Ad  lamblichi  de  vita  Pythagorica  librum, 
Philol.  51  (1892)  S.  182-184  und 

277.  W.  Kroll,  Advers.  graeca,  Philol.  53  (1894)  S.  423. 
Als  Übersetzung    finde    ich  Bibl.    phil.    class.   22  (1895)  S.  132 

angeführt: 

*278.  T.  Taylor,  Jamblichus  on  the  mysteries  of  the  Egyptians, 
Chaldeans  and  Assyi-ians.  Translated  from  the  Greek.  2.  edition. 
London  1895.     356  p.  7  sh.  6  d. 

Xach  der  Seite  seiner  Lehre  und  deren  Quellen  berühren 
Jamblich: 

279.  P.  Hartlich,  De  exh.  a  Gr.  Rom.  Script,  hist.  (s.o.  No.  21). 
H.    analysiert  S.  241 — 266    den  Protreptikos    des  Jamblich   mit 

besonderer  Berücksichtigung    der   in    demselben    erhaltenen    Überreste 
des  aristotelischen  Protreptikos. 

280.  F.  Blaß,  Commentatio  de  Antiphonte  sophista  lamblichi 
auctore.     Kiliae  1889  (akad.  Festschr.  zu  Kais.  Geb.).    17  S.    1  M. 

Mit  wenig  zwingenden,  größtenteils  sprachlichen  Argumenten 
sucht  Bl.  zu  erweisen,  daß  der  Sophist  Antiphon  —  und  zwar  jedenfalls 
für  die  ersten  drei  in  Betracht  kommenden  Stücke  das  erste  Buch 
seiner  Schrift  -epl  d>.r,i>eia;  —  Quelle  des  20.  Kap.  von  Jamblichs 
Protreptikos  sei. 

281.  Hölk,  De  acusmatis  sive  symbolis Pythagoricis(s.  o.  No.  246). 
Hier  ist  S.  66  ff.  die  Behandlung  der  pythagoreischen  Symbole  durch 
Jamblich  besprochen. 

Aus  der  Julian  betreffenden  Litteratur  überlasse  ich  alles,  was 
sich  auf  die  äußeren  Lebensereignisse  des  Kaisers  bezieht,  dem  Bericht- 
erstatter über  römische  Kaisergeschichte  und  beschränke  mich  auf  die- 
jenigen Arbeiten ,  welche  Julians  Schriften  und  seine  philosophische 
Stellung  zum  Gegenstande  haben. 


S8   Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.) 

282.  D.  Lai'gajolli  e  P.  Parisio,  Nuovi  studi  intorno  a 
Giuliauo  imperatore,  Riv.  di  filol.  17  (1889)  p.  289—375,  geben 
den  Text  der  von  Papadopulos-Kerameus  neu  entdeckten,  im  Syllogos 
1885  zum  ersten  Male  abgedruckten  sechs  Briefe  Juliaus  mit  italienischer 
"Übersetzung  und  historischen  Bemerkungen  über  ihren  Inhalt.  Angefügt  ist 
eine  Übersicht  über  die  letzten  (i.  d.  J.  1886—1887)  auf  die  Geschichte 
Juliaus  gerichteten  Forschungen  und  ihre  hauptsächlichsten  Resultate. 

283.  F.  Cumout,  Fragments  inödits  de  Julien,  ßev.  de  phil. 
16  (1892)  p.  161 — 166,  erteilt  in  I  aus  unzureichenden  Gründen  ein 
im  Barocc.  56  zwischen  Briefen  des  Julian  und  des  Libanios  stehendes 
Stück  dem  ersteren  zu  (s,  u.  No,  284)  und  bespricht  in  II  zwei  im 
Barocc.  133  Julian  zugeschriebene  Epigramme,  von  welchen  das  zweite 
auch  in  Pariser  Hss  der  Anthologie  Julian  gegeben  wird.  Cumont 
(durch  Michel  darauf  aufmerksam  gemacht)  bemerkt,  daß  dasselbe  sich 
bereits  Plat.  II  Alcib.  143  a  findet,  aus  dem  es  Julian  offenbar  citiert 
hatte.  Bei  dem  ersten  Epigramm  ist  die  Überlieferung  bezüglich  der 
Autorschaft  Julians  nicht  einig,  Cumont  entscheidet  sich  für  dieselbe. 
m  betrifft  einige  im  Harl.  5610  hinter  einem  Briefe  Julians  stehende 
Hexameter  mit  infolge  von  Verstümmelung  schwer  erkennbarem  Zu- 
sammenhang, die  Cumont  einem  Bewunderer  des  Kaisers  zuschreibt,  IV  das 
im  cod.  Paris,  suppl.  gr.  690  saec.  12  der  julianischen  Orgelbeschreibung 
(p.  611  Hertl.)  vorgesetzte  Lemma  (mit  der  Angabe  o-oxav  e^T^p/eTo 
ä-io  Tüiv  a-ficüv  drosxoXcov  Iv  tq  iiposXeuffci).  Von  dem  in  I  besprochenen 
Stücke  bemerkt 

284.  R.  Förster,  Zu  Julian,  Rhein.  Mus.  49  (1894)  S.  168, 
daß  es  nichts  anderes  ist,  als  die  Ethopoiie  des  Libanios  xtvas  äv  sotoi 
X070UC  ropvT)  (jü)9povrj3a!3a  t.  IV  p.   1044  R. 

285.  F.  Cumont,  Sur  l'authenticite  de  quelques  lettres  de  Julien. 
Gand  1889.  31  S. 

Die  Unechtheit  der  an  Jamblich  gerichteten  Briefe  34,  40,  41, 
53,  60,  61  und  des  an  Sopatros  adressierten  67ten  wird  von  C.  über- 
zeugend nachgewiesen.  Mit  diesen  berührt  sich  in  zahlreichen  Aus- 
drücken der  auch  aus  Gründen  des  Inhalts  zu  verwerfende  24.  Brief 
an  Sarapion,  mit  diesem  wieder  eine  Anzahl  weiterer  Briefe:  8,  15,  16, 
18,  19,  28,  32,  54,  57,  73.  Diese  sämtlichen  Stücke  heben  sich  auch 
durch  den  Mangel  an  positivem  Inhalt  von  den  echten  Briefen  lulians 
ab.  C.  giebt  sie  einem  Verfasser  und  zwar  dem  Sophisten  lulianos 
von  Kaisareia,  mit  dessen  Lebenszeit  die  Anspielungen  auf  Zeitereignisse 
in  den  genannten  Briefen  in  Einklang  stehen.  Die  Verwechselung  von 
'louAiavoü  Kot'.3ap£tu;  mit  'louXtavoü  KaiGctpoc  hätte  dann  die  Aufnahme 
in  das  julianische  Korpus  veranlaßt. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  naeharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)   89 

286.  F.  C(umout),  Les  lettres  de  Julien  au  philosophe  Eustathios, 
Rev.  deFinstr.  publ.  en  Belg.   35  (1892)  p.  1—3. 

Aus  cod.  Paris.  963  ergiebt  sich,  wie  C.  zei^t,  daß  ep.  39  uud 
72  au  Eustathios  gerichtet  sind. 

Textkritische  Beiträge  zu  Julians  Schriften  lieferten  r 

287.  P.  Thomas,  Ad  lulianum,  Mnem.  18  (1890)  p.  403  (der- 
selbe schreibt  lul.  cpist.  16  p.  495,  10  Hertl.  für  {Ä<\>o'j  exei  unter 
Hinweis  auf  Luc.  quom.  bist,  conscr.  sit  12  (Ä^o^^  l-\  y.s^aXy^v). 

288.  F.  Cumont,  Sur  l'authent.  de  qu.  I.  de  J.  (s.  o.  No.  285) 
S.  30  f.  (zu  einigen  Stellen  der  Briefe). 

289.  F.  Cumont,  Deux  corrections  au  texte  du  „Misopogon" 
de  Julien,  Rev.  de  l'instr.  publ.  en  Belg.  32  (1889)  p.  82—84  (zu 
p.  444,  8  ff.  und  436,13  Hertl.). 

290.  P.  Thomas,  Notes  et  coniectures  sur  les  lettres  de 
Tempereur  Julien,  Rev.  de  l'instruct.  publ.  en  Belg.  32  (1889) 
p.  149—152. 

Mit  Julians  Schriftstellerei  im  ganzen  und  mit  einzelnen  dieselbe 
betreffenden  Fragen  befassen  sich: 

291.  L.  Bartenstein,  Zur  Beurteilung  des  Kaisers  Julianus. 
Bayreuth  1891.  Pr.  53  S. 

Das  hierher  gehörende  „Julian  als  Schriftsteller"  betitelte  Kapitel 
giebt  nur  eine  Übersicht  über  den  Inhalt  der  juliauischeu  Schriften 
mit  einer  kurzen  in  manchen  Punkten  unzutreffenden  Beurteilung. 

292.  W.  Schwarz,  Julianstudien,  Philol.  51  (1892)  S.  623—653. 
Der    erste    Teil    dieses   Aufsatzes    gilt    der    Echtheitsfrage    der 

julianischen  Schriften.  Der  Verf.  hat  sich  dabei  besonders  mit  Cumont 
auseinanderzusetzen.  Von  den  84  Briefen  betrachtet  er  17  als  unecht; 
bei  6 — 7  weiteren  glaubt  er  an  der  Echtheit  bis  zur  Beibringung  neuer 
Belege  für  das  Gegenteil  festhalten  zu  sollen.  Der  zweite  Teil  der 
Arbeit  ist  Julians  Studien  in  der  früheren  und  gleichzeitigen  Litteratur 
gewidmet.  Es  werden  die  Stellen,  welche  J.  citiert,  stillschweigend 
benutzt  und  auf  welche  er  anspielt,  soweit  es  dem  Verf.  möglich  ist, 
nachgewiesen.  Vollständigkeit  auch  in  dem  beschränkten  Sinne,  in 
welchem  hier  von  einer  solchen  überhaupt  die  Rede  sein  kann,  war 
natürlich  auf  den  ersten  Wurf  nicht  zu  erreichen.  Einige  Nachträge 
gedenke  ich  selbst  bei  anderer  Gelegenheit  zu  geben.  Am  stärksten 
vertreten  sind  im  ganzen  Homer  und  Piaton ;  unter  den  Tragikern 
entfallen  die  meisten  Stellen  auf  Euripides,  unter  den  Komikern  auf 
Aristophanes ,   unter  den  Rednern  auf  Demosthenes.     Schlüsse  aus  dem 


90  Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen Philosophen.  (Praechter.) 

mehr  oder  minder  häufigen  Vorkommen  einzelner  Autoren  bei  Julian 
auf  ihre  größere  oder  geringere  Beliebtheit  in  damaliger  Zeit  dürfen 
nur  mit  größerer  Behutsamkeit  gezogen  werden,  als  es  vom  Verf. 
(S.  632  und  651)  geschieht.  Zur  Entscheidung  darüber,  welche  der 
genannten  Autoren  damals  noch  direkt,  welche  nur  indirekt  durch 
Florilegien  erhalten  waren  (S.  651),  reicht  das  bei  Julian  vorliegende 
Material  bei  weitem  nicht  aus. 

293.  K.  Praechter,  Dion  Chrysostomos  als  Quelle  Julians, 
Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos.  5  (1892)  S.  42 — 51,  weist  in  Julians  zweiter 
Eede  Benutzung  des  Dion  Chrysostomos  nach.  Eine  solche  Abhängig- 
keit glaubt 

294.  J.  R.  Asm  US,  Julian  und  Dion  Chrysostomos,  Tauber- 
bischofsheim 1895.  Pr.  41  S.  in  viel  weiterem  Umfange  feststellen  zu 
können.  Er  stützt  sich  dabei  aber  großenteils  auf  Übereinstimmungen 
viel  zu  allgemeiner  und  wenig  frappanter  Art,  als  daß  sie  in  der  an- 
gegebenen Richtung  zu  verwenden  wären.  Welche  Vorsicht  bei  solchen 
Quellenuntersuchungen  zu  Julian  geboten  ist,  kann  beispielsweise  der 
Umstand  zeigen,  daß  der  Vergleich  des  Herrschers  mit  dem  Hirten, 
dessen  Vorkommen  nach  Asmus  einen  Kitt  zwischen  der  zweiten  und  der 
siebenten  jul.  Rede  bildet  und  beide  wieder  mit  Dion,  der  sich  dieses 
Vergleiches  ebenfalls  bedient,  verbindet,  in  der  zweiten  Eede  jeden- 
falls nur  zum  Teil,  in  der  siebenten  aber  gar  nicht  dionischen, 
sondern  platonischen  Ursprungs  ist;  vgl.  mit  Jul.  p.  111,  15  ff.  Plat. 
rep.  3  p.  416  a,  403  e,  mit  Jul.  p.  .301,  10  hbUi  .  .  .  ri7:paay.£i 
Plat.  rep.  1  p.  345  c  ia-iaassöai  .  .  .  d-oöosöai  (bei  Dio  p. 
3,26  Dind.  fehlt  das  letzte  Glied).  Ich  trete  hier  auf  eine  Bezeichnung 
dessen,  was  mir  in  Asmus'  Ausführungen  stichhaltig  erscheint,  nicht 
ein,  zumal  ich  beabsichtige,  in  anderem  Zusammenhange  auf  die  ganze 
Frage  zurückzukommen.  Vorläufig  verweise  ich  auf  die  Besprechung  von 
Wendland,  Berl.  philol.  Woch.  16  (1896)  Sp.  746—748. 

Ich  wende  mich  zu  den  Arbeiten  über  Sallust. 

295.  F.  Cumont,  Salluste  le  philosophe,  Rev.  de  phil.  16 
(1892)  p.  49—56,  findet  durch  genauere  Untersuchung  bestätigt,  daß  der 
Sallnsts  Namen  tragende  neuplatonische  Katechismus  in  der  That  von 
dem  Freunde  Julians  Flavius  Sallustius  herrührt.  Die  Abfassung  fällt 
nach  C.  am  wahrscheinlichsten  in  die  Zeit  kurz  nach  Julians  Tode  und 
stand  mit  der  Reaktion  des  Kaisers  insofern  in  Verbindung,  als  die 
Schrift  dazu  dienen  sollte,  aus  dem  Chaos  der  philosophischen  Ansichten 
die  von  der  großen  Masse  der  Heiden  angenommenen  Hauptlehren  her- 
auszuheben. 

Schließlich  teilt  der  Verf.  eine  Kollation  der  Schrift  nach  cod. 
Barber.  I  84  mit. 


Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d,  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)  91 

296.  G.  Muccio,  8tudi  per  una  edizione  critica  di  Sallustio 
tilosofo,  Stadi  ital.  di  filol.  class.  3  (1895)  p.  1—31,  behandelt  die  in 
Frage  kommenden  Hss,  sowie  die  bisherigen  Ausgaben.  Als  Grundlage 
einer  kritischen  Ausgabe  hat  nach  ihm  ein  cod.  Ambros.  saec.  13  zu 
dienen,  während  sich  als  Basis  der  editio  princeps  und  der  auf  ihr 
fußenden  Vulgata  ein  cod.  Barber.  ergiebt. 

297.  E.  Passamonti,  La  dottrina  dei  miti  di  Sallustio  filosofo 
neoplatonico,  Rendic.  della  E.  accad.  dei  Lincei,  class.  d.  sc.  mor.  stör, 
e  filol.  ser.  5  vol.  1  (1892)  p.  643—664.  Fortgesetzt  unter  d.  Titel 
Le  dottriue  morali  e  religiöse  di  Sallustio  filosofo  neoplatonico,  ebenda 
p,  712 — 727.  In  dieser  Darstellung  der  in  der  Schrift  Trspl  Oetuv  xal 
xo  j[xou  vorgetragenen  Lehren  ist  Sallusts  Bedeutung  für  die  Entwickelung 
des  Neuplatonisraus  überschätzt,  wenn  er,  allerdings  unter  Anerkennung 
seiner  Abhängigkeit  von  anderen  Neuplatonikern ,  als  Schöpfer  des 
rajlhisch -religiösen  Systems  dieser  Schule  hingestellt  wird  (S.  727). 
Auch  die  ganze  zwischen  Religion  und  Philosophie  vermittelnde  Richtung 
des  Neuplatonismus  erscheint  dadurch  in  falschem  Lichte,  daß  sie  als 
eine  prinzipielle  Neuerung  dieser  Schule  dargestellt  und  die  vorarbeitende 
Thätigkeit  namentlich  der  Stoa  auf  diesem  Gebiete  nicht  berücksichtigt 
wird. 

Synesios  betreff'end  sind  zunächst  einige  textkiütische  Beiträge 
zu  verzeichnen: 

298.  A.  Nauck,  Analecta  critica,  Hermes  24  (1889)  S.  462 
(zu  epist.  154  p.  291  d). 

299.  P.  Klimek,  Kritische  Bemerkungen  zum  Texte  der  pro- 
saischen Schriften  des  Sj'nesius,  Breslau  1891.     Pr.  13  S. 

300.  S.  A.  Naber,  Ad  Synesii  epistulas,  Mnemos.  22  (1894) 
p.  93—124  (enthält  auch  Konjekturen  zu  den  übrigen  Schriften  des 
Synesios). 

In  das  Gebiet  der  politischen  Geschichte  fallen  die  Aufsätze  von 

301.  N.  Festa,  La  strategia  di  Giovanni  (Syn.  epist.  104), 
Studi  Ital.  di.  filol.  class.  1  (1893)  p.  127—128  und  der  erste  Teil 
der  Abhandlung  von 

302.  0.  Seeck,  Studien  zu  Synesios,  Philol.  52  (1893) 
S.  442—483,  welcher  dem  historischen  Gehalt  des  Osirismythos  gewidmet 
ist.  Näher  berührt  uns  der  zweite  „Die  Briefsammlung "  überschriebene 
Teil,  weil  der  hier  unternommene  Versuch  einer  chronologischen  Fixie- 
rung der  Briefe  des  S.  auch  für  die  Biographie  unseres  Philosophen 
von  Bedeutung  ist.  Scharfsinnig  geführt  und  fruchtbar  ist  der  Nach- 
weis  zweier  Bestandteile  der  Sammlung,   von  welchen  der  eine  Briefe 


92  Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischenPhilosophen.(Praechter.) 

umfaßt,  die  dem  Sammler  von  den  Adressaten  zugegangen  waren,  der 
andere  Stücke  aus  dem  Journal  des  Briefschreibers,  in  welchem  sich 
die  Konzepte  oder  Kopien  teils  der  vollständigen  Briefe,  teils  einzelner 
Stellen  derselben  vorgefunden  hatten.  Synesios'  philosophischen  Stand- 
punkt behandelt 

303.  C.  Schmidt,  Synesii  philosophuraena  eclectica,  Halls  Saxon. 
1889  (Diss.)     40  S. 

Der  Verf.  sondert  die  Schriften  de  regno,  de  dono  astroL,  calv. 
enc,  de  provid.,  de  insomniis,  Dio,  die  Hymnen  I — IV  und  eine  Anzahl 
Briefe  als  die  für  Synesios'  philosophischen  Standpunkt  charakteristischen 
aus,  während  er  in  den  späteren  christliche  Impulse  als  vorwaltend 
erkennt.  Von  dieser  Grundlage  aus  gelangt  er  zu  dem  Ergebnis,  daß 
Synesios'  Philosophie  aus  rein  philosophischen  Einflüssen  —  unter 
Ausschluß  der  christlich -religiösen  —  zu  erklären  und  daß  sein 
philosophischer  Standpunkt  ein  eklektischer  sei.  "Was  den  ersten  Teil 
dieser  These  anbelangt,  so  scheinen  mir  die  Gründe  des  Verf.  (S.  17  f.) 
gegen  die  christliche  Herleitung  der  Trias  -a-r^p,  uio?  und  a-^.'a  ttvoioc 
nicht  ausreichend.  Die  Erklärung  derselben  aus  christlichem  Einflüsse 
bleibt  so  lange  die  wahrscheinlichere,  bis  die  gleiche  Bezeichnung  der 
drei  Hj^ostasen  aus  unzweifelhaft  rein  heidnischer  Sphäre  nachgewiesen 
ist  (für  Porphyrios  ergiebt  sich  der  Ausdruck  a-^^i  -vota  aus  Aug.  d. 
civ.  dei  10,  29  nicht).  Einen  philosophischen  Eklekticismus  des  S.  kann 
man  insofern  zugeben,  als  derselbe,  wie  Schmidt  nachweist,  Plotinisches 
und  Jamblichisches  vermengt  und  vielleicht  dazu  noch  Züge  aus  früheren 
Stadien  des  Platouismus  hinzufügt.  Im  übrigen  bezeugt  wenigstens  das 
von  Schm.  vorgelegte  Material  keinerlei  eklektische  Vermischung  ver- 
schiedener Systeme,  abgesehen  etwa  von  der  S.  35  erwähnten 
stoischen  Formulierung  des  obersten  ethischen  Prinzips.  Interessant 
ist  einiges  Eigentümliche  des  S.  in  Psychologie  und  Ethik  (s.  bes. 
Schm.  S.  33  f.),  dessen  Genesis  noch  der  Erklärung  bedarf. 

Ich  schließe  hier  Nemesios  an. 

In     unsere    Berichtsperiode    fallen     die    Veröffentlichungen    von 

304.  K.  I.  Burkhard,  Die  handschriftliche  Überlieferung  von 
Xemesius  -spl  o-Jsscu?  ■ivflpajTro'j ,  Wiener  Stud.  11  (1889)  S.  143 — 152, 
243—267,  die  als  Fortsetzung  des  in  den  Wiener  Stud.  10  (1888) 
S.  93 — 13o  erschienenen  Artikels  in  diesen  Jahresber.  Bd.  79 
S.  40  von  Haas  bereits  besprochen  sind.  Den  am  Schlüsse  (S,  262—267) 
gegebenen  Textesherstellqngen  hat 

305.  K.  I.  Burkhard,  Zu  Xemesius,  Wiener  Stud.  15  (1893) 
S.  192 — 199  noch  weitere  folgen  lassen. 


ßorichtüb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)   03 

306.  Scholia  verbis  Nemesii  adiecta  e  codice  Dresdensi  edidit 
C.  Burkhard,  Serta  Harteliana,  Wien  1896  S.  84—88.  Diese 
Scliolien  sind  in  einer  dem  12.  Jahrb.  angehörenden  Dresdener  Xemesios- 
Hs  enthalten  und  von  einer  zvveiteü  Hand  des  gleichen  Jahrhunderts 
geschrieben. 

307.  Gregorii  N3'sseni  (Xemesii  Emcseni)  -£f>l  ouasw;  ävOpdj-ou 
über  a  Bnrgundione  in  Latinum  translatus.  Nunc  primum  ex  libris 
manu  scriptis  edidit  et  apparatu  critico  instruxit  C.  I.  Burkhard, 
Capit.  I.,  cui  epistula  Burgundionis  ad  Fredericum  I.  imperatorem  et 
indices  oranium  capitulorum  praemittuntur.     Vindob.  1891.    Pr.    26  p. 

—  Altera  pars  capp.  II. — IV.  continens,  Vindob.  1892.  Pr.  36  p. 
(Der  dritte  Kap.  5 — 25  enthaltende  Teil  ist  1896  erschienen  und  wird 
im  nächsten  Berichte  besprochen  werden.) 

Diese  lateinische  Übersetzung  des  N.  ist,  wie  B.  bemerkt,  für 
die  recensio  des  griechischen  Textes  von  Wichtigkeit,  da  ihre  griechische 
Vorlage  an  "Wert  unseren  besten  Hss  gleichstand.  Für  die  Ausgabe 
konnte  B.  außer  den  von  ihm  in  den  Wiener  Stud.  besprocheneu  beiden 
Marciani  des  14.  und  15.  Jahrh.  einen  Bruxellensis  des  13.  Jahrh. 
verwerten,  der  die  Grundlage  der  Rezension  bildet,  doch  so,  daß  die 
von  ihm  unabhängige  ältere  und  die  aus  dieser  abgeschriebene  jüngere 
Venezianer  Hs  gleichfalls  zu  Rate  gezogen  wurden. 

Weitere  Übersetzungen  w'erden  behandelt  in  den  beiden  Auf- 
sätzen von 

*308.  E.  Teza,  La  natura  delF  uomo  di  Nemesio  e  le  vecchie 
traduzioni  in  italiano  e  in  armeno,  Atti  del  R.  istituto  veneto  di  scienze, 
lettere  ed  arti.     Tom.  3  ser.  7  (1892)  p.  1239—1279. 

*309.  E.  Teza,  Nemesiana.  Sopra  alcuni  luoghi  della  „Natura 
deir  uomo"  in  armeno,  Rendic.  della  R.  accad.  dei  Lincei,  cl.  di 
scienze  mor.,  stör,  e  filol.    vol.  2  fasc.  1  (1893). 

Beide  Arbeiten  sind  mir  nur  aus  den  Rezensionen  von  K.  I. 
Burkhard,  Zeitschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  1894  S.  623—628  und  1896 
S.  298—303  bekannt.  Die  von  Teza  in  der  Marciana  aufgefundene  um 
1509  in  Neapel  gedruckte  italienische  Übersetzung  des  Pizzimenti  ent- 
hält, wie  Burkhard  a.  a.  0.  625  nachweist,  den  in  beträchtlich  älteren 
griechischen  Hss  vorliegenden  Auszug  des  Athanasios  aus  Nemesios  und 
ist  für  die  recensio  wertlos.  Hingegen  verspricht  die  im  8.  Jahr- 
hunderte abgefaßte  armenische  Übersetzung  reiche  Ausbeute  für  die  Her- 
stellung des  griechischen  Textes.  Die  zu  Salzburg  1819  erschienene 
deutsche  Übersetzung  von  Osterhammer  wird  von  Burkhard  a.  a.  0. 
S.  298—300  besprochen. 

In  die  Anfangsperiode  der  Schule  von  Athen  führt  uns 


94  Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistoteliscben Philosophen.  (Praechter.) 

310.  W.  Kroll,  Ein  neuplatonischer  Parmenideskommentar  in 
einem  Turiner  Palimpsest,  Rh.  Mus.  47  (1892)  S.  599—627. 

Kroll  bietet  hier  den  Text  des  zuerst  von  Peyron,  Riv.  di  filol.  1 
(1873)  S.  53  ff.  herausgegebenen,  dann  von  Studemund  wieder  gelesenen 
Turiner  Palimpsests  P  VI  1  aufgrund  der  Aufzeichnungen  Studemunds. 
Zur  eraendatio  lieferten  auch  H.  Usener  und  C.  Baeumker  Beiträge. 
Die  Abfassung  der  Schrift,  die  sich  durch  den  Inhalt  als  Parmenides- 
kommentar kennzeichnet,  verlegt  Kr.  in  die  Zeit  vor  Proklos  und 
Syrianos,  aber  nach  Jamblichos,  in  der  Art  der  Interpretation  erkennt 
er  eher  die  Schule  von  Athen,  als  die  des  Jamblich. 

FürHierokles  hat  sich  die  interessante  Thatsache  ergeben,  daß 
sein  Kommentar  zum  goldenen  Gedicht,  jedenfalls  aus  ähnlichem  Grunde 
wie  Epiktets  Encheiridion ,  eine  christliche  Bearbeitung  erfahren  hat. 
Dies  ist  nachgewiesen  von 

311.  J.  Nicole,  Un  traite  de  morale  payenne  christianise. 
Etüde  sur  un  abrege  du  commentaire  dHierocles,  manuscrit  grec  de 
la  bibliotheque  de  Geneve.     Geneve  1892,  38  p.     1  M. 

Das  Schriftstück  steht  in  cod.  Genev.  41  saec.  15  unter  dem 
Titel  £x  Tcüv  'Iepox>iouc  £^7)771x1x0)7  wc  e-i'-ojxa.  Die  christliche  Um- 
arbeitung giebt  sich  in  Änderungen,  Auslassungen  und  Zusätzen  (dar- 
unter Citaten  aus  dem  NT)  kund.  Der  Fund  ist  auch  insofern  nicht  ohne 
Interesse,  als  er  sich  durch  deutliche  Spuren  als  Prosaparaphrase  einer 
in  iambischen  Trimetern  abgefaßten  Hieroklesbearbeitung  zu  erkennen 
giebt.  Doppelredaktionen  einzelner  Hieroklesstellen  weisen  darauf  hin, 
daß  zwei  Hieroklesausgaben  benutzt  sind. 

Wir  kommen  zu  Proklos. 

312.  Supplementa  ad  Prodi  commentarios  in  Piatonis  de  repu- 
blica  libros  nuper  vulgatos  edidit  R.  Reitzenstein.  Breslauer 
philol.  Abh.  IV  3.    Breslau  1889.     31  S.     1  M. 

R.  giebt  einen  Teil  der  Plat.  rep.  10  p.  634b— e  behandelnden 
Partie  des  Kommentars  auf  der  Grundlage  des  Maischen  Apographon 
unter  Berücksichtigung  der  Ausgabe  von  Pitra.  Über  den  "Wert  des 
Kommentars  vgl.  die  Bemerkungen  des  Rezensenten  0.  Apelt,  Berl. 
phil.  Woch.  10  (1890)  Sp.  595. 

313.  H.  Usener,  Var.  lect.  spec.  prim.,  Jahrb.  139  (1889) 
S.  369  ff',  hebt  S.  387  unter  No.  XXVI  aus  den  von  M.  Treu  de  codic. 
nonnuUis  Paris.  Plut.  Moral,  narratio,  Jauer  1871  veröffentlichten 
Scholien  zu  Plutarch  ein  Citat  aus  Proklos'  Kommentar  zur  platonischen 
Republik  hervor. 


Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischenPhilosophen.  (Praechter.)  95 

314.  Prodi  Lycii  carmiimm  reliquiae  ab  A.  Lud  wich  editae. 
Eegira.  1895  (Lektionskat.  f.  1895/6). 

Die  Ausgabe  euthält  die  von  Proklos  erhaltenen  Hymnen  und 
Epigramme.  Benutzt  sind  27  Hss.  Proben  von  Schollen,  kritischer 
Apparat  und  Wörterindex  sind  beigegeben.  Zu  vergleichen  ist  die  Be- 
sprechung von  Peppmüller,  Berl.  phil.  Woch.  16  (1896)  Sp.  453 — 455. 

315.  IlpoxXou  Ix  T^c  XaXoatx^;  cpiXoaocpi'a;.  Eclogae  e  Proclo  de 
philosophia  Chaldaica  sive  de  doctrina  oraculoruni  Chaldaicorum. 
Nunc  primum  edidit  et  commentatus  est  A.  Jahnius.  Accedit  hymnus 
in  deum  Platonicus  vulgo  S.  Gregorio  Nazianzeno  adscriptus,  nunc 
Proclo  Platonico  vindicatus.  Halis  Saxonum  1891,  XII  u.  77  S. 
6  M. 

Den  Eklogen,  die  nach  Abschrift  von  Mau  aus  cod.  Vatic.  1026 
und  einem  nach  dem  Vat.  gefertigten  Apographon  der  Barberinischen 
Bibliothek  (ms.  graec.  I  65)  mitgeteilt  werden,  ist  ein  ausführlicher 
kritischer  und  exegetischer  Kommentar  beigegeben,  in  welchem  auch 
Psellos'  Schollen  zu  den  chaldäischen  Orakeln  (nach  Abschrift  von 
Ruelle)  verwertet  sind.  (Daß  es  sich  bei  der  Publikation  um  ein 
nur  vermeintliches  Anekdoton  handelt,  zeigt  Kroll,  Neue  phil.  Rundschau 
1892  S.  100.)  Der  Anhang  betrifft  den  Gregor.  Naz.  II  p.  286  der 
Pariser  Ausg.  von  1840  unter  No.  29  abgedruckten  u|xvo;  eic  Osov,  dessen 
neuplatonischen  Ursprung  J.  wohl  mit  Recht  behauptet,  wenn  auch  seine 
Zurückführung  auf  Proklos  sich  auf  sehr  schwache  Gründe  stützt. 

316.  P.  Tannery,  Miscellanees,  Rev.  de  phil.  13  (1889)  p.  66  ff. 
behandelt  p.  73  textkritisch  Stellen  in  Procl.  diad.  in  prim.  Euclid. 
elem.  libr.  comm. 

317.  A.  Lud  wich,  Zu  den  Hymnen  des  Proklos,  Berl.  phil. 
Woch.  10  (1890)  Sp.  812  schreibt  Procl.  hymn.  7,  51  -oXuUijtov. 

318.  W.  Kroll,  Advers.  graec.  Philol.  53  (1894)  S.  416  flf. 
giebt  textkritische  Beiträge  zu  Procl.  theol.  Piaton.,  in  Parmenid.,  in 
Tim.  und  in  rempubl. 

Wenden  wir  uns  zu  der  Frage  nach  der  Abhängigkeit  des  Proklos 
von  anderen  Autoren,  so  sind  zunächst  die  Verhandlungen  darüber 
ins  Auge  zu  fassen,  ob  Proklos  den  angeblichen  Dionysios  Areiopagites 
benutzt  hat,  oder  das  Verhältnis  das  umgekehrte  ist.  Zur  Litteratur 
über  diese  Frage  gehört  die  Schrift  von 

319.  A.  Jahn,  Dionysiaca.  Sprachliche  und  sachliche  Blüten- 
lese aus  Dionysius,  dem  sog.  Areopagiten,  zur  Anbahnung  der  philo- 
logischen Behandlung  dieses  Autors.  Altona  und  Leipzig  1889, 
X  und  84  S.     2  'M.  25 


96   Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacbaristotelisclien  Philosophen.  (Praechter.) 

insofern,  als  iu  derselben  aus  zahlreichen  sprachlichen  und  sachlichen 
Berührungen  des  Dionysios  mit  Piaton  auf  ein  eingehendes  direktes 
Studium  Piatons  seitens  des  erstereu  geschlossen  wird.  Wenn  auch 
deshalb  noch  nicht  bestritten  werden  darf  und  auch  von  Jahn  keines- 
wegs bestritten  wird,  dal.)  Dionysios  daneben  auch  aus  neuplatouischeu 
Quellen  geschöpft  haben  könnte,  so  wäre  doch  der  Nachweis  einer  so 
weitgehenden  direkten  Abhängigkeit  von  Platou  zur  Beurteilung  der 
Sachlage  von  Belang.  Daß  eine  solche  aber  aus  dem  von  Jahn  mit 
großem  Fleiße  gesammelten  Material  sich  nicht  ergiebt,  zeigt  K.  Troost 
in  der  Besprechung  der  Jahnschen  Schrift,  Berl.  phil.  Woch.  11  (1891) 
Sp.  204  f.  Inzwischen  ist  die  Frage  nach  dem  Verhältnis  zwischen 
Proklos  und  Dionysios  entschieden  durch  die  beiden  folgenden  Aufsätze: 

320.  H.  Koch,  Proklus  als  Quelle  des  Pseudo-Dionysius  Areopa- 
gita  in  der  Lehre  vom  Bösen,  Philol.  54  (1895)  S.  438—454. 

Auf  diese  Abhandlung  kann  auch  bezüglich  aller  weiteren  hier 
nicht  angeführten  Litteratur  zu  der  Streitfrage  verwiesen  werden.  Auf- 
grund einer  genauen  Yergleichung  der  parallelen  Abschnitte  Procl.  de 
mal.  subsist.  ed.  Cousin  I  p.  197  f.  und  Diou.  d.  n.  4,  18  f.  ist  hier 
die  Priorität  des  ersteren  jedem  Zweifel  entrückt.  Gleichzeitig  kam 
zu  dem  nämlichen  Ergebnis 

321.  J.  Stiglmayr,  Der  Neuplatoniker  Proklus  als  Vorlage 
des  sogen.  Dionysius  Areopagita  in  der  Lehre  vom  Übel,  Histor. 
Jahrb.  16  (1895)  S.  253—273;  721-748. 

Eine  Abhängigkeit  formaler  Art  behandelt 

322.  M.  Schneider,  Die  Hymnen  des  Proklos  in  ihrem  Ver- 
hältnis zu  Nonnos,  Philol.  51  (1892)  S.  593—601,  der  zeigt,  daß 
Proklos  in  seinen  Hymnen  in  Metrik  und  Wortschatz  von  Nonnos  be- 
einflußt ist,  sich  aber  doch  eine  gewisse  Selbständigkeit  wahrt. 

Bezüglich  der  Einwirkung  des  Proklos  auf  die  spätere  Zeit  seien 
hier  die  Aufsätze  von 

323.  H.  Siebeck,  Tber  die  Entstehung  der  Termini  natura 
naturans  und  natura  naturata.  Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos.  3  (1890) 
S.  370 — 378  (der  Verf.  erkennt  den  in  diesen  Termini  ausgedrückten 
Begriffsgegensatz  in  der  Antithese  des  Trapa-^ov  und  i:apa76[xevov  bei 
Proklos)  und 

324.  J.  Dräseke,  Zwei  Bestreiter  des  Proklos,  Arch.  f.  Gesch. 
d.  Philos.  4  (1891)  S.  243—250,  wenigstens  genannt. 

Proklos'  Mitschüler  Hermeias  betreffen  zwei  Artikel  von 

325.  C.-E.  Euelle,  Note  sur  trois  manuscrits  Parisiens 
d'Hermias  scholies  pour  le  Phedre  de  Piaton,  Eev.  des  et.  gr.  3  (1890) 
p.  312—317  und 


Bericht  üb,  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischenPhilosophen.  (Praechter.)    97 

326.  —  Note  sur  un  passage  du  neoplatonicien  Hermias  relatif 
k  la  musique  (Scholies  sur  le  Phedre  de  Piaton  p.  107  Ast),  Rev.  de 
pLilol.  14  (1890)  p.  123—126.  R.  weist  auf  drei  unter  den  sechs  den 
Phaidroskonimentar  enthaltenden  Pariser  Hss  hin,  die  einen  vorzüglich 
korrekten  Text  bieten. 

Aus  der  Proklosbiographie  des  Marines  sind  von 

327.  A.  Nauck,  Analecta  critica,  Hermes  24  (1889)  S.  464  f, 
einige  Stellen  behandelt  worden. 

Damaskios  betreffend  ist  zunächst  zu  nennen  die  Ausgabe: 

328.  Daniascii  successoris  dubitationes  et  solutiones  de  primis 
principiis  in  Piatonis  Parmenidem.  Partim  secundis  curis  recensuit, 
partim  nunc  primum  edidit  C.  Aem.  Ruelle.  Part.  I.  IL  Parisiis  1889, 
XXI,  390  u.  344  S. 

Der  Herausgeber  bietet  den  Text  der  aroptai  xai  Xujsi?  und  des 
Parmenideskomnientars,  welche  beiden  Stücke  er  auch  Heitz'  Argumen- 
tation gegenüber  für  Teile  eines  und  desselben  Werkes  hält  (praef. 
c.  IIIj  nach  Marc.  246  (A),  der  Quelle  aller  unserer  übrigen  Hss,  unter 
Beifügung  abweichender  Lesarten  anderer  Exemplare,  deren  er  im 
ganzen  30  mehr  oder  weniger  genau  geprüft  hat.  A.  ist  vollständig 
kollationiert  (vgl.  jedoch  die  unten  anzuführende  Rezension  KroUs), 
ebenso  die  Pariser  Hss  1987/8  und  1989  für  die  bisher  unedierten 
Stücke.     Index  verb.  und  iud.  capitum  sind  beigegeben. 

Li  der  Zugrundelegung  des  von  Kopp  nicht  benutzten  cod.  A, 
dessen  Wert  auch  Heitz  erkannte,  sowie  in  der  Veröffentlichung  des 
bisher  nicht  Edierten  liegt  der  durch  die  neue  Ausgabe  bezeichnete  Fort- 
schritt. Die  Akribie  derselben  läßt  zu  wünschen  übrig.  Vgl.  die 
Rezensionen  von  Apelt,  Berl.  phil.  W^och.  12  (1892)  Sp.  138—141  und 
Kroll,  Götting.  gel.  Auz.  1892  S.   111—113. 

Die  englische  Übersetzung  von 

*329.  Th.  Johnson,  Damaskios  on  first  priuciples  transl.  with 
a  preliminary.  Bibl.  Platou.  I  2  p.  82 — 98,  habe  ich  nicht  vor 
Augen  gehabt. 

Die  für  die  Ausgabe  Ruelles  herangezogeneu  Hss  sind  auch  be- 
sprochen in  dem  Aufsatze  von 

330.     C.-E.  Ruelle,    Notice    des  iTianuscrits    de  Damascius  Trspl 
dpywv,  Rev.  de  phil.  14  (1890)  p.  135—145. 

Die  oben  berührte  Ansicht  von  der  Zusammengehörigkeit  der 
a-opiai  -/.ai  Xusst?  und  des  Parmenideskommentars  ist  auch  verteidigt 
in  dem  Artikel 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    Bd.  LXXXXYl.  (1898.  I.)        7 


98  Bericht  üb.  d.Litteratur  zu  d.  nacharistotelischeQPhilosophen.(Pracchter.) 

331.  Ch.  Em.  Ruelle,  Damascins.  —  Son  traitö  des  premiers 
principes,  Arcb.  f.  Gesch.  d.  Phil.  3  (1890)  S.  379—388.  (Der  dem 
gleichen  Gegenstände  gewidmete  Aufsatz  des  Verfassers  in  den  Coraptes 
rendus  de  TAcaderaie  des  iuscriptions  1889  p.  13 — 20  hat  mir  nicht 
vorgelegen;  ebensowenig  die  praefatio  in  Damascium,  Biblioth.  Piaton.  I  1 
p.  38 — 41).  Endlich  sind  in  der  Fortsetzung  dieser  Arbeit,  ebenda 
S.  559 — 567,  die  Bedeutung  des  Werkes,  besonders  im  Hinblick  auf 
die  darin  enthaltene  reiche  Belehrung  über  die  Meinungen  anderer 
Philosophen,  sein  Inhalt  und  seine  Beziehungen  zu  anderen  verwandten 
Werken  besprochen. 

Beiträge  zu  einzehien  Stellen  lieferten 

332.  A.  Nauck.    Analecta    critlca,    Hermes  24  (1889)  S.  465 
(zu  zwei  Damaskiosstellen  bei  Suidas)  und 

333.  W.    Kroll,    Advers.    gracc,    Philol.    53    (1894)  S.    424 
—428. 

Für  Chalcidius  hat 

334.  Brandt  im  Exkurs  zu  seiner  Arbeit  über  Lactantius  und 
Lucretius,  Jahrb.  143  (1891)  S.  252—257,  den  Nachweis  geführt,  daß 
er  in  Tim.  271,  13  Wrob.  eine  ihm  mit  Lact,  de  op.  dei  8,  10, 
Gellius  5,  16,  3  gemeinsame  lateinische  doxographische  Quelle,  vielleicht 
Varro,  benutzte.     Eine  Verbesserung  im  Texte  des  Ch.  giebt 

335.  H.  Diels,  Pseudonaevianum,  Rhein.  Mus.  49  (1894)  S.  478, 
indem  er  in  Tim.  76  p.  143,  17  "Wrob.  herstellt:  ut  est  in  vetere  versu 
nex  ubivis,  rabies  etc.  (für  ut  est  in  vetere  versu  Naevii:  Exuviae, 
rabies  etc. 

Wir  wenden  uns  zu  Boethius. 

336.  G.    Schepss,   Zu   Boethius,  Comment.  Woelfflin.,  Lipsiae 
1891,  p.  275—280 

berichtet  über  den  Stand  der  Arbeitea  für  den  Text  seiner  Boethius- 
ansgabe  und  teilt  Beobachtungen  mit  über  Parallelen  zu  Boethius  bei 
anderen  Sckriftstellern. 

337.  E.  Klußmann,  Zu  Boethius  de  philosophiae  consolatione, 
Phüol.  50  (1891)  S.  573—576  und 

338.  Th.  Stangl,  Zu  Boethius,  Philol.  51  (1892)  S.  483 
behandeln    einzelne    Stellen.     Zu    den    hier    und    bei    Buresch,    Leipz. 
Stnd.  9,  135  if.  besprochenen  Textstellen  teilt 

339.  G.  Schepss,    Zu    Boethius    de    consolatione,    Philol.    52 
(1893)  S.  380—381  hsl.  Lesarten  mit. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen Philosophen. (Praechter.)  99 

340.  G.  Schepss,  Zu  den  opuscula  Porphyriana  des  Boetbius, 
Philo!.  52  (1893)  S.  560—563,  teilt  Proben  aus  den  von  ihm  für  die 
dialogi  in  Porph.  a  Vict.  transl.  verglichenen  acht  Hss  mit,  aus  welchen 
sich  ergiebt,  daß  die  Vulgata  stark  von  den  guten  alten  IIss  abweicht. 

Den  Aufsatz  von 

*341.  De  Vries  über  ein  in  tironischen  Xoten  abgefaßtes 
Bruchstück  des  ßoethius  in  cod.  Paris,  lat.  7925  (Syll.  comm.  quam 
V.  cl.  Const.  Conto  obt.  philol.  Batavi,  Leiden  1893)  kenne  ich  nur 
aus  dem  Referate  Berl.  phil.  Woch.   14  (1894)  Sp.  956. 

Zur  Überlieferungsgeschichte  des  Boethius  ist  auch 

342.  Manitius,  Philol.  aus  alten  Bibliothekskatal.,  Rh.  Mus. 
47  (1892)  Ergänzungsh.  S.  130—135,  zu  vergleichen. 

*343.  G.  Schepss,  Zu  den  mathematisch-musikalischen  Werken 
des  Boethius,  Abh.  für  W.  v.  Christ  S.  107—113. 

*344.  E.  Ruelle,  Le  musicographe  Alj^pius  corrige  par  Boöce, 
Extr.  d.  Coraptes  reudus  des  seances  de  l'Acad.  des  inscr.  et  belles- 
lettr.     (7  dec.  1894). 

Die  Übersetzung 

*345.  Boethius,  La  cousolation  philosophique.  Traduction 
par  0.  Cottreau  d'apres  l'edition  de  Ren6  Valiin  (Lugd.  Bat.  1656) 
et  Celle  de  R.  Peiper  (Leipsick  1871)  combinees,  avec  une  preface 
de  T.  Cerfberr,  Paris  (1889)  ist  mir  nur  aus  der  Bibl.  phil.  class.  16 
(1889)  S.  113  bekannt. 

*346.     H.  F.  Stewart,  Boethius,  an  essay,  London  (1891). 

*347.  G.  Boi ssier.  De  l'origine  des  traditions  relatives  au 
christianisme  de  Boece.  Excurs.  histor.  et  philol.  ä  travers  le  moyen 
iige  par  M.  Jourdain  (1889). ' 

*348.  G.  Boissier,  Sur  le  christianisme  de  Boece,  Acad.  des 
inscr.     5  juill.  1889. 

Die  Darlegung  von 

349.  N.  Scheid,  Die  Weltanschauung  des  Boethius  und  sein 
„Trostbuch",  Stimmen  aus  Maria-Laach  1890  S.  374—392,  krankt  vor 
allem  an  dem  Maugel  einer  scharfen  Fassung  des  Problems.  In  der 
Schrift  des  B.  kann  nur  dann  eine  christliche  Weltanschauung  gefunden 
werden,  wenn  sie  Gedanken  enthält,  die  specifisch  christlich  sind  und 
nur  von  einem  Christen  als  seine  Meinung  niedergeschrieben  werden 
konnten.  Eine  andere  Frage  ist,  ob  das  Werk  Anschauungen  in  sich 
schließt,    die    auch    (aber    nicht  nur)  ein  Christ,    „wenn  er  bloß  philo- 

7* 


100  Bericht  üb.  d.Litteraturzud.Dacbaristotelischen  Philosophen. (Praechter.) 

sophieren  will",  äußern  kann.  \Vas  der  Verf.  beibringt,  führt  nur  zu 
einer  Bejahnuio;  der  letzteren  Frage.  Er  zieht  aber  daraus  Schlüsse, 
die  nur  beim  Vorhandensein  specifisch  christlicher  Gedanken  erlaubt 
wären.  Es  fehlt  ferner,  wovon  jede  wissenschaftliche  Behandlung  der 
Frage  auszugehen  hätte,  eine  Vergleichung  der  Ausführungen  des 
Werkes  mit  den  entsprechenden  der  griechischen  Philosophen,  die  ein 
Urteil  darüber  ermöglichte,  ob  nicht  Boethius'  Anschauungen  sich  aus 
rein  griechischen  Einflüssen  genügend  erklären  lassen. 

Einfluss  der  Philosophie  auf  weitere  Kreise. 

Eine  vollständige  ttbersicht  über  die  Forschungen  auf  diesem 
Gebiete  ist  kaum  zn  erreichen,  da  das  hierher  Gehöiige  in  einer  sehr 
weitschichtigen  Litteratur  zerstreut  und  z.  T.  in  einer  Umgebung  zu 
finden  ist,  in  der  es  so  leicht  niemand  sucht.  Immerhin  wii-d  die  nach- 
stehende Zusammenstellung  von  Arbeiten  auf  diesem  Felde,  die  mir  be- 
kannt geworden  sind,  zur  Orientierung  und  als  Hülfe  für  weitere 
Forschungen  vielleicht  willkommen  sein. 

Zunächst  ist  für  eineji  weiten  Teil  dieses  Gebietes  auf  das  oben 
No.  59  besprochene  Werk  von  Scbmekel,  Die  Phil.  d.  mittl.  Stoa 
S.  439  ff.  zu  verweisen. 

Einige  Bemerkungen  über  die  philosophische  Beeinflussung 
griechischer  und  römischer  Historiker  (neben  Theoporap  auch  Onesi- 
kiitos,  Kleitarchos,  Anaximenes,  Polj-bios,  Sallust,  Livius,  Diodor. 
Plinius,  Tacitus)  finden  sich  in  dem  Aufsatze  von 

350.  R.  Hirzel,  Zur  Charakteristik  Theopomps,  Rh.  Mus.  47 
(1892)  S.  359—389  (besonders  S.  386  ff.),  dessen  Ausführungen  über 
Theopomp  selbst  nur  zum  Teil,  überzeugend  sind.  Was  das  Verhältnis 
einzelner  Schriftsteller  zur  Philosophie  betrifft,  so  ist  dasjenige  des 
Aratos  zum  Stoicismus  Gegenstand  einer  Polemik,  zu  weicher 

351.  E.  Schwartz,  Deutsche  Litteraturz.  1893  S.  745  f. 

352.  Fr.  Susemihl,  Jahrb.   147  (1893)  S.  42  f. 

353.  E.  Maaß,  Gott.  gel.  Anz.  1893  S.  642  und 

354.  Fr.  Susemihl,  Jahrb.  149  (1894)  S.  93  —  100  zu  ver- 
gleichen sind.  Sehr  beachtenswert  ist  auch  für  unser  Gebiet  das 
Buch  von 

355.  R.  von  Scala,  Die  Studien  des  Polybios  I.  Stuttgart  1890, 
in  welchem  S.  86—255  die  philosophischen  Studien  des  P.  besprochen 
werden  und  S.  201—255  von  seinem  Verhältnis  zur  stoischen  Schule 
und  innerhalb  dieser  Panaitios  die  Rede  ist.  Daß  die  Staatstheorie  im 
6.  Buche  des  Polybios  aus  stoischer  Quelle  stammt,  ist  mir  sehr  wahr- 


Berichtüb.  d.Litteratur  zu  d.nacharistotelischen Philosophen.  (Praechter.)  101 

scheinlich;  doch  scheint  mir  die  Verwendung,  die  v.  Sc.  in  diesem  Zu- 
sammenhange von  Ps.-Hippodamos  macht,  nicht  glücklich  und  die 
Verwandtschaft,  welche  zwischen  diesem  und  Polybios  besteht,  eine  viel 
entferntere,  als  v.  Sc.  annimmt,  wenn  er  von  Polybios  und  Ps.-Hippo- 
damos die  gleiche  Abhandlung  über  den  Staat  verarbeitet  sein  läßt,  die 
durch  Heranziehung  des  Hippodamos  wiederhergestellt  werden  könnte. 
Unter  den  Anlagen  berühren  un^  die  siebente  („Stoische  Einlagen  in 
den  ersten  5  Büchern  des  Polybios")  und  die  achte  („Ein  kynisch- 
kyrenaiischer  Vergleich  bei  P.").  Vgl.  auch  die  Rezension  von  Wend- 
land, Berl.  philol.  Woch.  10  (1890)  Sp.  431—434.  Eine  Ergänzung 
zu  dem  in  Rede  stehenden  Abschnitte  dieses  Buches  bietet 

356.  ß.  von  Scala,  Theodoros  aOeo?  bei  Polybius,  Rhein.  Mus. 
45  (1890)  S.  474—476. 

357.  J.  Pajk,  Sallust  als  Ethiker.  Drei  Progr.  des  K.  K. 
Franz-Jos.-Gymn.  Wien  1892,  1894,  1895  (das  von  1892  hat  mir  nicht 
vorgelegen).  Der  Verf.  sieht  in  dem  Historiker  Sallust  einen  Stoiker.  Was 
er  aber  S.  III  if.  des  dritten  Programms  als  Beleg  dafür  anführt,  ist  so 
allgemeiner  Natur,  daß  sich  daraus  höchstens  eine  ganz  oberflächliche 
Beeinflussung  Sallusts  durch  stoische  Lehren  ergiebt.  Jedenfalls  ist 
Pajks  Versuch  abzulehnen,  aus  den  das  ethische  Gebiet  berührenden 
Sätzen  ein  geschlossenes  philosophisches  System  abzuleiten.  Die  beiden 
Schriften  ad  Caesarem  senem,  deren  Echtheit  P.  S.  V  des  2.  Progr. 
mit  unzureichenden  Gründen  verteidigt,  sind  bei  diesem  Versuche  mit 
zugrunde  gelegt. 

358.  G.  Busolt,  Diodors  Verhältnis  zum  Stoicismus,  Jahrb.  139 
(1889)  S.  297 — 315,  weist  bei  D.  zahlreiche  Berührungen  mit  stoischen 
Gedanken  nach,  die  sich  auch  in  solchen  Partien  seines  Werkes  finden, 
in  welchen  D.  sicher  nicht  einer  stoischen  Quelle  folgt.  Einiges  führt 
auf  Poseidonios.  Systematischer  Stoiker  ist  Diodor  nicht,  wie  schon 
daraus  hervorgeht,  daß  er  die  epikureische  Lehre  von  der  Weltbildung 
vorträgt.     Das  kulturgeschichtliche  Gebiet  berührt  die  von 

359.  E.  Wendung,  Zu  Posidonius  und  Varro,  Hermes  28 
(1893)  (s.  0.  No.  63)  S.  351  f.  behandelte  Abhängigkeit  des  Dionysios 
aus  Halikarnaß  von  Poseidonios.  Nur  mittelbare  Einwirkung  philo- 
sophischer Lehrmeinungen  zeigt  nach 

360.  E.  Norden,  Vergilstudien,  Hermes  28  (1893)  S.  360 
— 406,  die  vergilische  Nekyia.  N.  hält  sie  ihrem  Inhalte  nach  für  „im 
wesentlichen  entnommen  einer  pythagoreisch- orphischen  Unterweltsbe- 
schreibuug,  welche  aber  im  letzten  Teile  mit  stoischen  Lehren  ver- 
qiiickt  ist,  d.  h.  aus  der  Zeit  stammt,  in  welcher  die  Neupythagoreer  eine 
Anlehnung  an  die  Stoiker  suchten    und    fanden."     Die  Hauptzüge    der 


102  Bericht  iib.d.Litteratur  zud.  nacharistotelisclien Philosophen. (Praechter.) 

ganzen  Uuterweltsbeschreibung  scheint  V.  bei  einem  gelehrten  alexan- 
drinischen  Dichter  vorgefunden  zu  haben.  Über  das  Verhältnis  des 
Horaz  zur  griechischen  Philosophie  sind  die  No.  50,  51  besprochenen 
Abhandlungen  einzusehen.     Für  Ovid  vermutet 

361.  F.  Polle,  Ovidius  und  Anaxagoras,  Jahrb.  145  (1892) 
S.  53 — 59,  Benutzung  des  Anaxagoras. 

Über  Mauilius  s.  0.  No.  39.  Lukans  philosophische  Anschauungen 
berührt 

362.  J.  Englandus  Miliard,  Lucani  senteutia  de  deis  et  fato, 
Trai.  ad.  Ehen.  1891,  der  in  den  Ansichten  des  Dichters  über  Götter, 
Fatum,  Fortuna,  Weissagung,  Wunderzeicheu  und  Orakel  stoischen  Ein- 
fluß nachweist.  Daß  unter  den  Stoikern  besonders  Seneka  maßgebend 
gewesen  ist,  bemerkt  Hosius  in  der  Rezension  dieser  Schrift,  Berl. 
phU.  Woch.  12  (1892)  Sp.  209,  der  in  dem  Aufsatze 

363.  Lucanus  und  Seneca,  Jahrb.  145  (1892)  S.  337—356  die 
Stellen  nachweist,  an  welchen  mit  Sicherheit  oder  Wahrscheinlichkeit 
Einfluß  Seuekas  anzunehmen  ist.  Stellen,  für  welche  Manilius  der 
Vermitteler  philosophischer  Gedanken  gewesen  ist,  hebt  hervor 

364.  C.  Hosius,  Lucan  und  seine  Quellen,  Rhein.  Mus.  48 
(1893^  S.  393.    Bekanntschaft  Lucaus  mit  Nigidius'  Meteorologie  sucht 

365.  R.  Fritzsche,  Quaestiones  Lucaneae,  Gothae  1892  (Jen. 
Diss.)  S.  25  ff.  zu  erweisen. 

Daß  Tacitus  im  Dialogus  Chrj'sippos'  Schrift  -spl  ratowv  «yu)-/^? 
benutzt  hat,  ist  nach  der  Notiz 

366.  Chrj'sippos  and  Varro  as  sources  of  the  Dialogus  of  Tacitus. 
Bj  A.  Gudeman.  John  Hopkins  University  circulars  vol.  12, 
No.  102  Jan.  1893  p.  25  das  Ergebnis  einer  Untersuchung  von  Gude- 
man, Da  der  versprochene  Abdruck  derselben  im  American  Journal 
of  Philology  unterbliebeii  ist,  vermag  ich  die  Ausführungen  nicht  zu 
prüfen.  Die  Abhängigkeit  des  Tacitus  von  Seneka  ist  Gegenstand  der 
Dissertation  von 

367.  M.  Zimmermann,  De  Tacito  Senecae  philosophi  imitatore, 
Vratisl.  1889,  44  S.  Der  Verf.  sucht  die  Beeinflussung  des  Tacitus 
durch  Seneka  zunächst  auf  dem  Gebiete  des  philosophischen  Gedanken- 
gehaltes zu  erweisen.  Die  Fortsetzung  der  Arbeit,  die  den  gleichen 
Nachweis  auch  auf  dem  sprachlich -stilistischen  Gebiete  führen  soll 
(Breslauerphilol.Abh.  VI),  hat  mir  nicht  vorgelegen.  Von  den  in  der  Disser- 
tation gesammelten  Stellen  scheinen  mir  weitaus  die  meisten,  jede 
für  sich  genommen,  für  die  These  nicht  beweisend.  Die  Überein- 
stimmungen sind  meistens  viel  zu  geringfügig  und  beschränken  sich 
auf  ein  möglicherweise  zufälliges  Zusammentreffen  in  einem  Ausdrucke 
oder  einem  allgemeinen  Gedanken,  dessen  Prägung  bei  beiden  Autoren 


Bericht  üb.  d.Litteratur  zud.  nacharistoteliscliCQ Philosophen. (Praechter.)  103 

oft  recht  verschieden  ist.  Einige  Stellen,  wie  beispielsweise  die  8.  11, 
24  (S.  de  ira  3,  39,  T.  hist.  1,  45)  beigebrachten,  führen  aber  doch 
weiter,  und  aus  solchen  erg-iebt  sich  auch  für  die  anderen  Parallelen 
eine  gewisse  Wahrscheinlichkeit,  daß  wenigstens  bei  einem  Teile  der- 
selben Berücksichtigung  des  S.  durch  T.  vorliegt.  Die  Bewunderung 
des  Historikers  für  den  Philosophen  wird  von  Z.  zum  mindesten  sehr 
übertrieben;  von  den  beigebrachten  Stellen  spricht  doch  Ann.  13,  11 
keineswegs  für  eine  rückhaltslose  Verehrung.  Vollends  die  Bezeichnung 
des  T.  als  philosophus  Annaeauus  (S.  19j  schießt  weit  über  das  Ziel 
hinaus.  Bezüglich  der  sprachlichen  Berührungen  vgl.  die  Rezension 
von  F.  Walter,  Berl.  philol.  Woch.  10  (1890)  Sp.  1051.  In  der 
ziemlich  reichen  Litteratnr  zu  Lukian  ist  die  uns  interessierende  Frage 
nach  seinem  Verhältnis  zur  Philosophie  mit  den  allgemeinen  Fragen 
nach  der  Gruppierung,  zeitlichen  Abfolge  und  Echtheit  seiner  Schriften 
meist  so  eng  verknüpft,  daß  ich  mich  darauf  beschränken  muß,  auf  den 
Abschnitt  über  Lukian  in  dem  Berichte  über  die  griechischen  Rhetoren 
zu  verweisen.    Über  Gellius  handelt 

368.  L.  Dewaule,  Aulus  Gellius  quatenus  philosophiae  studuerit, 
Tolosae  1891  (Pariser  These)  130  S.,  der  nach  Prüfung  dessen,  was 
sich  über  Gellius'  Lehrer,  Lektüre  und  philosophische  Ansichten  fest- 
stellen läßt  (wobei  übrigens  nicht  immer  scharf  genug  geschieden  ist 
zwischen  dem,  was  G.  als  seine  eigene,  und  dem,  was  er  als  fremde 
Ansicht  giebt),  zu  dem  einleuchtenden  Resultate  gelangt,  daß  G.  nicht 
Philosoph,  sondern  Polyhistor  ist,  der  neben  anderem  auch  für  philo- 
sophische Fragen  sich  interessiert,  aber  keiner  bestimmten  Schule  zu- 
gehört; am  nächsten  steht  er  noch  der  Akademie  infolge  seiner  Freund- 
schaft mit  Favorin.  Daß  der  Traumdeuter  Artemidoros  von  der  Stoa 
abhängig  ist,  zeigt 

369.  G.  Reichardt,  De  Artemidoro  Daldiano  librorum  oniro- 
criticorum  auctore  (s.  o.  No.  15).  Über  Kleomedes  vgl.  die  unter 
No.  65  und  29  genannten  Arbeiten.  Dem  Philosophischen  bei  P to le- 
rn aios  hat  eine  eingehende  Untersuchung  gewidmet 

370.  F.  Bell,  Studien  über  Claudius  Ptolemäus.  Ein  Beitrag 
zur  Geschichte  der  griechischen  Philosophie  und  Astrologie.  Jahrb. 
Suppl.  21  (1894)  S.  49—244.  (S.  51—111  auch  als  Münchener 
Diss.  unter  dem  Titel  „Claudius  Ptolemäus  als  Philosoph"  Leipzig 
1894  erschienen.) 

Der  Verfasser  dieser  gediegenen,  an  gesicherten  Resultaten  reichen 
Arbeit,  aus  welcher  ich  nur  das  hierher  Gehörige  berücksichtige,  sucht 
zunächst  Ptolemaios'    philosophischen  Standpunkt    aus  den  unbezweifelt 


104  Bericht  üb.  d.Litteratur  zud.  nachanstotelischenPhilosophen.(Praechter.) 

echten  Werken,  der  }j.a<)r,[xaTix-?)  ouvTa^i?,  der  Schrift  Trspl  xpiTY]piou  xai 
:^7£!xovtxou  und  der  Harmonik  festzustellen.  P.  zeigt  sich  hier  als 
Eklektiker  peripatetischer  Grundfärbung,  beeinflußt  durch  stoische  und 
platonische  Theoreme  und  pythagoreische  Zahlenspekulation.  Nur  in 
der  [xaO.  auvT.  herrscht  das  Peripatetische  ausschließlich.  Den  Höhe- 
punkt der  philosophischen  Eutwickelung  des  P.  bezeichnet  u.  xpt-:.  xal 
rf(t}i.,  wo  der  Versuch  einer  Verknüpfung  der  Lehren  verschiedener 
Schulen  gemacht  wird,  während  die  Harmonik  über  ein  äußerliches 
Nebeneinanderstellen  nicht  hinauskommt.  Bemerkenswert  ist  noch,  daß 
das  Peripatetische  der  auvTa^is  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  aus  einem 
späteren  peripatetischen  Kompendium,  nicht  aus  Aristoteles  selbst 
stammt.  Der  zweite  Abschnitt  der  Bolischen  Schrift  ist  in  seinem 
weitaus  größten  Teile  der  Frage  nach  der  Echtheit  der  Tetrabiblos 
gewidmet,  zu  deren  Prüfung  der  Verfasser  u,  a.  den  philosophischen 
Inhalt  des  Werkes  durchmustert.  Als  Hauptquelle  tritt  Poseidonios 
hervor:  von  ihm  biegt  aber  der  Autor  besonders  in  der  Lehre  von  der 
ei|jLap[j,evTr]  zur  peripatetischen  Doktrin  ab.  Diese  Selbständigkeit  gegen- 
über der  stoischen  Hauptquelle,  die  Übereinstimmung  der  physikalischen 
Anschauungen  mit  denen  der  [xadi^ix.  auvt.  und  eine  in  ganz  gleicher 
Weise  wie  in  tt.  xp.  xal  tj-.'eix.  hervortretende  Abweichung  (in  der  Lehre 
von  den  Grundeigenschaften)  von  der  aristotelischen  zur  stoischen 
Theorie  beweisen  im  Vereine  mit  anderen  Thatsachen  die  Echtheit  der 
Tetrabiblos.  Der  dritte  Teil  der  Arbeit  erbringt  den  scharfsinnigen 
Nachweis,  daß  die  astrologische  Ethnographie  in  der  Tetrabiblos  auf 
Poseidonios  zurückgeht.  Vgl.  auch  No.  67,  68. 
Ailian  betreffend  seien  die  Artikel  von 

371.  E.  Bruhn,  Suidea,  Ehein.  Mus.  45  (1890)  S.  273  ff.   und 

372.  C.  de  Boor,  Zu  den  Fragmenten  des  Aelian,  Pthein. 
Mus.  45  (1890)  S.  477  ff,,  da  sie  die  Schriften  irepl  Ttpovoiaj  und  repi 
9ei(Dv  £vap7ciüjv  berühren,  wenigstens  kurz  erwähnt.  Eine  Beeinflussung 
Novaiians  durch  Seneka  behandelt 

373.  C.  Weyman,  Novatian  und   Seneca  über  den  Frühtrunk, 
Philol.  52  (1893)  S.  728—730, 

Von  Kornelius  Labeo  glaubt 

374.  W.  Kahl,  Cornelius  Labeo.  Ein  Beitrag  zur  spätrömischen 
Litteraturgeschichte,  Philol.  5.  Suppl.  (1889)  S.  717—806,  der  Labeo 
in  die  zweite  Hälfte  des  dritten  Jahrhunderts  nach  Chr.  setzt,  darthun 
zu  können,  daß  er  vom  Neuplatonismus  beherrscht  gewesen  sei.  Der 
Beweis  ist  aber  nicht  erbracht,  da  specifisch  neuplatonische  Lehren 
nicht  nachgewiesen  sind.     Unbestimmter  Zeit  und  Herkunft  ist  die  von 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  d.  nacharistotelischen  Philosophen.  (Praechter.)105 

375.  C.  Hosius,  Inschriftliches  zu  Sencca  und  Lucan,  Rhein. 
Mus.  47  (1892)  S.  462 — 465  nachgewiesene  Benutzung  Senecas  in 
der  Grabschrift  CIL  VI  11252. 

Endlich  ist  in  diesem  Zusammenhange  ein  Blick  auf  die  Arbeiten 
zu  den  Florilegien  zu  werfen,  die  z.  T.  wertvolle  Dokumente  enthalten 
für  die  Verbreitung  philosophischer  Gedanken  in  der  antiken  und  der 
christlichen  Welt.  Ein  näheres  Eingehen  auf  diese  mehr  und  mehr  an- 
wachsende Litteratur,  deren  Gegenstand  mit  der  nacharistotelischea 
Philosophie  doch  größtenteils  in  sehr  losem  Zusammenhange  steht,  ist 
nicht  dieses  Ortes.  Ich  begnüge  mich,  die  Haupterscheinungen  dieser 
Berichtsperiode  kurz  zu  verzeichnen,  die  als  Ausgangs-  und  Richt- 
punkte für  weitere  Forschungen  dienen  können.  Zunächst  ist  für  die 
Epikur-,  Epiktet-  und  Sextosflorilegien  auf  No.  137—140;  91;  92; 
249  zurückzuverweisen.    Die  von 

376.  L.  Sternbach,  Wiener  Stud.  9  (1887),  10  (1888)  be- 
gonnene Veröfifentlichung  des  Gnomol.  Vatic.  ist  ebenda  11  (1889) 
fortgesetzt  und  beschlossen.  Bezüglich  anderer  Publikationen  Stern- 
bachs, die  mir  nicht  vorgelegen  haben,  verweise  ich  auf  die  Zusammen- 
stellung bei  Krumbacher,  Gesch.  d.  byz.  Litt.  ^  S.  601.  Ein  in 
mehreren  Hss  erhaltenes,  mit  den  Worten  apurov  xal  TrpüiTov  ixa^jict 
ejTiv  beginnendes  Florilegium  hat 

377.  H.  Schenkl,  Wiener  Stud.  11  (1889)  S.  1—42  besprochen 
und  ediert.  Von  Stobaios'  Florilegium  liegt  uns  (für  cap.  1  —  42)  jetzt 
endlich  in  der  vorzüglichen  Ausgabe  von  Hense  ein  zuverlässiger  Text  vor : 

378.  Joannis  Stobaei  anthologii  libri  duo  posteriores.  Reo. 
0.  Hense.     Vol.  I.     Berolini  1894. 

Über  Ursprung   und  Geschichte  der  griechischen  Florilegien  hat 

379.  A.  Elter  in  einer  Reihe  von  Bonner  Univ. -Programmen 
(s.  die  Zusammenstellung  im  Progr.  z.  Kais.  Geb.  1897  z.  Anf.)  grund- 
legende Untersuchungen  angestellt  (vgl.  über  das  Abhängigkeitsver- 
hältnis späterer  Florilegien  auch  Elter,  Gnomica  I  [Bonner  Lektions- 
katal.  f.  1892/3]  p.  XLVni  Sp.  2,  Wendland,  Byz.  Zeitschr.  7  [1898] 
S.  166).  Ein  ungemein  wichtiges  und  gerade  unter  dem  uns  hier 
leitenden  Gesichtspunkte  interessantes  Resultat  derselben  ist,  daß 
Stobaios'  Florilegium  auf  Chrj'sippos  und  zwar  wahrscheinlich  ein 
Florilegium  desselben  zurückgeht,  das  seiner  sonstigen  Schriftstellerei 
als  Materialsammlung  dienen  sollte  (nach  Wendlauds  Besprechung, 
Byz.  Zeitschr.  2  [1893]  S.  325  ff.;  die  betreffende  Arbeit  Elters  selbst 
war  mir  unzugänglich.  Vgl.  auch  H.  Schenkls  Beobachtungen  über 
Citate  bei  Epiktet  in  der  Epiktetausgabe  praef.  p.  LIX  ff.). 


106  Bericht  üb  d.  Litteratur  zu  d.nacharistoteJischen Philosophen.  (Praechter.) 


Nachtrag. 

Als  No.  25a  ist  einzufügen:  J.  Walter,  Geschichte  der  Ästhetik 
im  Altertum,  ihrer  begriff].  Entwickl.  nach  dargest.  Leipzig  1893. 
XVIII  u.  891  S.  17  M.  Von  nacharistotelischeu  Philosophen  ist  hier 
eingehender  nur  Plotin  (S.  736  ff.)  behandelt. 


101 


Bericht  über  die  die  griechischen  Tragiker  betreffende 
Litteratur  der  Jahre  1896  und  1897 

von 

N.  Wecklein, 

Gymnasialrektor  in  München. 

I.     Die  griechischen  Tragiker  im  allgemeinen. 

A.  Biese,  Das  Problem  des  Tragischen.  N.  Jahrb.  f.  Pliilol.  154 
(1896)  S.  103—111. 

Emil  Mauerhof,  Das  Wesen  des  Tragischen  in  alter  und  neuer 
Zeit.     Zürich  und  Leipzig.     52  8. 

Henri  Weil,  Etudes  sur  le  drame  antique.    Paris  1897.    328  S. 

K.  Wernicke,  Bockschöre  und  Satyrdrama.  Hermes  32  (1897) 
S.  290—310. 

T.  Halbertsmae  Adversaria  Critica.  Edidit  H.  van  Herwerden. 
Leiden  1896.     p.   15 — 52  Ad  tragicos. 

Walter  Headlam  (ohne  Titel  mir  zugekommen).  Cambridge 
1896.     12  S.     Vgl.  Class.  Rev.  XI  (1897)  p.  56-59. 

J.  Oeri,  Die  Symmetrie  der  Verszahlen  im  griechischen  Drama. 
Vortrag  in  der  Versammlung  des  Schv^^eiz.  Gymnasiallehrervereins 
in  Genf  1896.     17  S. 

Paul  Masqueray,  theorie  des  formes  lyriques  de  la  tragedie 
Grecque.  These  prcsentee  ä  la  facultc  des  lettres  de  Paris.  Paris 
1895  XVI  und  920  S. 

C.  Conradt,  Über  die  anapästischen  Einzugslieder  des  Chors  der 
griechischen  Tragödie  und  den  Aufbau  des  Aias,  des  Philoktetes.  der 
Eumeniden  und  des  Agamemnon.  Jahrb.  f.  Philol.  153  (1896) 
S.  173—207. 

C.  Linde,  De  proverbiorum  apud  tragicos  Graecos  usu.  Gymn.- 
Progr.  von  Helmstedt  1896.     31  S. 


108     Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreft'.  Litteratur.  (Wecklein.) 

Lautensacb,  Grammatische  Studien  zu  den  griechischen  Tragikern 
und  Komikern.  I.  Personaleudungen.  Programm  des  Gymn.  Ernesti- 
mim  zu  Gotha  1896.     32  S. 

T.  G.  Tucker,  On  a  point  of  metre  in  Greek  Tragedy.  Class. 
Rev.  XI  (1897)  S.  341—344. 

Georg  Iwanowitsch,  OpinionesHomeri  et  tragicorum Graecorum 
de  inferis  per  comparationera  excussae.  Berliner  Studien  für  kl.  Philol. 
und  Archäol.  Bd.  16.     Heft  1.     Berlin.     105  S. 

C.  Huemer,  Die  Sage  von  Orest  in  der  tragischen  Dichtung. 
Progr.  von  Linz  1896.     34  S. 

H.  R.  Fairclough,  The  attitude  of  the  Greek  Tragedians  toward 
Nature.     Diss.     Toronto  1897.     VI  und  82  S. 

Ernst  Rieß,  Superstitions  and  Populär  Beliefs  in  Greek  Tragedy. 
Transactions  of  the  American  Philol.  Assoc.  Vol.  XXVII  (1896) 
S.  5—34. 

E.  Holzner,  Zu  den  Fragmenten  der  griechischen  Tragiker. 
Philol.  55  (1896)  S.  566—568. 

H.  Stadtmüller,  Zu  den  Tragikerfragmenten.  Bl.  f.  d.  Gym- 
nasial-Schulw.  33  S.  231-237. 

Die  Schrift  von  H.  La  ehr,  Die  Wirkung  der  Tragödie  nach 
Aristoteles.  Berlin  1896,  überlassen  wir  dem  Bericht  über  Aristoteles. 
Vgl.  die  gründliche  Besprechung  von  P.  Gau  er  in  der  Wochenschr.  f. 
kl.  Philol.  1897  S.  321  ff.  Die  Abkehr  von  der  medizinischen  Auf- 
fassung des  Begriffs  y.aOapat?  und  die  Rückkehr  zur  Lessingschen  Theorie 
erscheint  als  Rückschritt.  —  Ebenso  die  Abhandlung  von  W.  Pesch, 
einige  Bemerkungen  über  das  Wesen  und  die  Arten  der  dramatischen 
Poesie  (angeknüpft  an  die  Poetik  des  Aristoteles).  Progr.  von  Trier 
1896.  —  Nicht  zugekommen  sind  mir  die  Schriften  von  *E.  Haigh, 
The  tragic  drama  of  the  Greeks.  Oxford  1896.  VIH  und  499  S. 
(vgl.  Lit.  Centralbl.  1897  Sp.  167  f.)  und  *Cla6S  Lindskog,  Studien 
zum  antiken  Drama.     Lund  1897. 

Biese  spricht  sich  über  das  Wesen  des  Tragischen  also  aus: 
„Das  Tragische  ruht  auf  dem  Widerstände  zwischen  Menschengröße  und 
Menschenmacht,  zwischen  der  Allgewalt  des  Schicksals  und  der  End- 
lichkeit und  Nichtigkeit  auch  der  hehrsten  Heldengestalt;  und  die 
Wirkung  des  Tragischen  besteht  in  dem  Kontraste  zwischen  der  Er- 
schütterung, die  uns  das  Mitleiden,  das  Mitempfinden  mit  einem  über 
das  alltägliche  Maß  von  Wollen  und  Können  sich  erhebenden  und  tapfer 
ringenden  und  doch  unterliegenden  Menschenleben  während  des  Verlaufs 
des  Dramas  bereitete,  und  die  Erhebung,  die  in  uns  doch  der  Fall  der 


Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreif.  Litteratur.  (Wecklein.)     109 

Meuschengröße  verursacht,  sei  es  nun,  weil  diese  im  Tode  die  wahre 
Erlösung  —  die  Lösung  der  Konflikte  —  erreicht  oder  ihr  inneres  Bild 
in  den  Flammen  des  Todes,  in  der  Selbstläuterung  und  Selbstentäuüe- 
rung  reinigt,  sei  es  nun.  weil  die  Erkenntnis  der  Ewigkeitsgedanken,  die 
zu  allen  Zeiten  gewaltet  haben,  also  auch  die  des  Guten  in  seiner 
hehrsten  Gestalt,  unsere  Seele  weitet."  Ich  glaube  nicht,  daß  hiermit 
das  Wesen  des  Tragischen  klar  und  genau  bezeiclmet  ist.  Wenn  es 
weiter  heißt  ^der  Kampf  ist  das  wichtigste  Jloment  im  Tragischen", 
so  dürfte  es  für  Kampf  richtiger  heißen  „das  Streben".  Auch  wenn 
von  Antigene  und  Ödipus  (Öd.  Tyi-.)  sittliche  Schuld  abgewehrt  wird, 
so  ist  der  Gedanke  wohl  im  allgemeinen  richtig,  die  Auffassung  aber 
teilweise  schief.     Vgl.  meine  Einleitung  zur  Antigone. 

Aus  der  geistreichen  Schrift  von  Mauerhof  erwähne  ich  nur  den 
Versuch,  die  bekannte  Aristotelische  Definition  zu  deuten:  „Die  Tragödie 
ist  die  Nachbildung  einer  ernsten,  in  sich  geschlossenen  Handlung, 
welche  durch  die  Erregung  von  Mitleid  und  Furcht  die  Befreiung  von 
den  Leidenschaften  überhaupt  verursacht."  Später  heißt  es:  „Der 
Held  einer  Tragödie  muß,  gleichviel  wie  er  fällt,  in  dem  Ende  seines 
Lebens  das  Ziel  seines  innigsten  Wunsches  erblicken,  oder  er  ist  kein 
tragischer  Held.  Schaut  man  von  hier  aus  auf  die  Werke  der  tragischen 
Kunst,  so  wird  man  eingestehen  müssen,  daß  beinahe  einzig  die  Shakes- 
peareschen  Tragödien  ihr  hohes  Ziel,  die  menschliche  Brust  von  Leiden- 
schaft und  Leid  zu  befreien,  vollends  erreichen.  Selbst  die  Antigone 
des  Sophokles  endet  in  einer  jammervollen  Art.  und  auch  Schillers 
Wallenstein,  obschou  in  diesem  Werke  zuerst  eine  höchst  kunstvolle 
Verkettung  des  Geschickes  eine  sehr  schöne  tragische  Stimmung  erzeugt, 
liudet  zuletzt  nur  ein  trauriges  Ende."  Hiernach  scheint  über  die 
Katharsis  noch  nicht  das  letzte  Wort  gesprochen  zu  sein. 

Das  Buch  von  Weil  enthält  zehn  früher  in  Zeitschriften  ver- 
öffentlichte Rezensionen  oder  Abhandlungen,  welche  er  mit  verschiedenen, 
auf  neue  Gesichtspunkte  hinweisenden  Fußnoten  bereichert  hat. 

Von  der  trefflichen  Abhandlung  von  Wer  nicke,  welche  ver- 
schiedene Hypothesen  beseitigt,  führe  ich  hier  nur  das  Ergebnis  an: 
„Den  attischen  Vasenmalern  waren  im  5.  Jahrhundert  Bgckstänze  be- 
kannt, die  in  Verbindung  mit  Hermes  standen;  die  Böcke  beruhen  auf 
keiner  altattischen  Vorstellung:  woher  sonst  also  sollte  die  Kunde  von 
solchen  Bockstänzen  stammen,  wenn  nicht  aus  der  Peloponnes,  wo  uns 
Jahrluinderte  früher  Bockstänze  bezeugt  sind,  und  wo  Hermes  eine  der 
vornehmsten  Gottheiten  war?  Es  ist  wohl  kaum  möglich,  diese  ßocks- 
dämoneu  anders  denn  als  Schützer  der  Viehzucht  aufzufassen;  ihr  Gott 
ist  der  Hermes  Nomios.  Im  Frühling,  wenn  Hermes  die  Persephone 
aus  der  Unterwelt  heraufholt,  wenn  die  Weiden  sich  mit  frischem  Grün 


110     Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.) 

bedecken,  tanzen  die  Böcke  ihm  zu  Ehren.  In  diesem  Zusammenhang 
darf  jetzt  wohl  auch  die  Vermutung  gewagt  werden,  daß  'Aopaaxos, 
der  'Unentrinnbare',  dessen  Tiocöea  in  Sekyon  nacli  Herodot  mit  Bocks- 
tänzen geehrt  wurden,  und  die  ebenfalls  in  Sekyon  heimische  Adrasteia 
auch  mit  Dionj'sos  keine  innere  Verwandtschaft  haben,  sondern  ein  Paar 
von  chthonischeu,  von  Unterweltsgottheiten  sind.  Diese  Bocksdäraonen 
heißen  Ti-upoi,  attisch  Saxupot.  Die  Tänze  der  Tityroi  oder  Satyroi 
können  nichts  anderes  gewesen  sein  als  die  Tpa7txol  '/opot,  aus  denen 
sich  nach  Aristoteles  die  Tragödie  entwickelt  hat,  das  Satyrdrama. 
Ein  äußerer  Anlaß  muß  es  gewesen  sein,  der  die  bei  den  Nachbarn 
schon  lange  üblichen  Bockstänze  mit  einem  Schlage  auch  in  Athen 
populär  machte;  das  war  die  Neuordnung  der  Dionysien  durch  Peisistratos. 
Beweise  dafür,  daß  im  5.  Jhrh.  der  Chor  des  Satyrdramas  im  Kostüm 
von  Böcken  auftrat,  liefert  einerseits  der  Prometheus  Tiupxaeu?  des 
Äschylos,  wo  der  Chor  als  xpaYoc  angeredet  wird,  andererseits  die 
Pandoravase.  Da  diese  in  die  Mitte  des  Jahrhunderts  gehört,  so  haben 
wir  darin  eine  Bestimmung  der  Zeit,  bis  zu  welcher  sich  die  Sitte  der 
Bockstänze  im  Satyrdrama  erhalten  hat.  Den  Übergang  zu  der  Weise 
des  jüngeren  Satyrdramas,  wo  der  Chor  aus  Silenen  bestand,  die  nur 
durch  den  Bocksschurz  daran  erinnerten,  daß  sie  eigentlich  Böcke  vor- 
stellten, bezeichnet  der  Kyklops  des  Euripides,  wo  nach  V.  79  die 
Silene  noch  als  verkleidete  Böcke  auftraten,  indem  sie  sich  ein  Bocks- 
fell um  die  Schultern  warfen." 

Die  Konjekturen  von  Halbertsma,  die  zwar  sinnig  und  ge- 
schmackvoll sind,  aber  größtenteils  sich  als  unnötig  erweisen,  werden 
bei  den  einzelnen  Dichtern  berührt  werden.  Ebenso  die  vonHeadlam, 
die  teilweise  sehr  beachtensw'ert  sind. 

Linde  stellt  zunächst  die  Verse  der  Tragiker  zusammen,  welche 
zu  geflügelten  Worten  geworden  sind;  dann  sammelt  er  die  Stellen  der 
Tragiker,  an  denen  Sprichwörter  benutzt  sind.  Der  von  den  Komikern 
verspottete  Vers  des  Euripides  ex  xufxaxcuv  yj-p  au8t?  au  -/aX-n^v'  opui  konnte 
wohl  nur  in  scherzhafter  Weise  km.  xtüv  ota^ü-yovxüjv  xa  XuTz-qpd  gebraucht 
werden.  Wenig  glaubhaft  scheint  es,  daß  Sprüche  wie  iyOpüiv  aowpa 
ocupa  xo'jx  i^vrjatjxa  —  '[üwxi,  7'jvat^l  7.oj|j.ov  tj  cqfj  cpspst  —  YXwauT)  [xaxata  ^y][t.i(t 
Trpojxpißsxai  schon  ursprünglich  diese  Form  gehabt  haben.  Bei  Stellen 
wie  Sieb.  g.  Th.  1002  xeOvrjxsv  o-jirep  xoT?  veot;  Ovrpxetv  xaXov  kann  wohl 
nicht  von  der  Benutzung  eines  Sprichwortes  die  Rede  sein,  wenn  der  Schol. 
auch  auf  den  bekannten  Homerischen  Vers  zl<;  ottuvo?  xx£.  verweist. 

Von  den  eingehenden  grammatischen,  zunächst  die  Personal- 
endungen betreffenden  Untersuchungen  Lautensachs  will  ich  kurz 
einige  wichtige  Ergebnisse  anführen:  Gewiß  mit  Recht  haben  Porson, 
Elmsley   und  Dindorf  den  beiden  älteren  Tragikern  nur  das  altattische 


Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.)     Hl 

^  (==  ich  war)  zugewiesen  (daß  diese  Regel  aucli  für  Euripides  gilt  und 
^v  als  Wahrzeichen  der  Interpolation  anzusehen  ist,  habe  ich  in  den 
unten  zu  besprechenden  Beiträgen  zur  Kritik  des  Euripides  dargethan). 
Die  Form  oToac  steht  durch  Alk.  780  und  die  analoge  Form  y.axoioaTe 
Hik.  1044  fest.  Nur  an  je  einer  Stelle  gebrauchen  Sophokles  (fr.  303) 
und  Euripides  (Jon  1187)  die  dritte  Person  t^oeiv  vor  vokalischem  Anlaut. 
Die  anf  Ersatzdehnung  beruhenden  jonischen  Formen  wie  tiöeTji  kommen 
wobl  nur  im  Chor  und  in  den  Anapästen  der  Tragiker  vor,  Asch. 
Ag.  472,  Eur.  El.  1323.  —  Trach.  520,  Jon  114G  soll  fjv  für  Y)C7av  stehen. 
Als  eine  willkürliche  Behandlung  der  alten  Texte  wird  es  bezeichnet, 
wenn  man  mit  Elmsley  (zu  Med.  1041  und  Acharn.  733)  annehme, 
daß  die  zweite  Person  Dual  sek.  auf  -TjV  ausgehe.  Aber  die  Überliefe- 
rung Agam.  1206  yjXOs-ov  vofxw  für  T]}Mzr^\  oixoü  ist  ein  deutlicher 
Fingerzeig.  Die  Regel  über  den  Gebrauch  von  }x£jila  bei  den  Tragikern 
kann  dahin  präcisiert  werden,  daß  diese  Endung  nur  dem  Versmaße 
dient.  Die  Dualendung  fxsöov  (Sopli.  El.  950  und  Phil.  1079)  wird  in 
Schutz  genommen  „als  Gebilde  einer  älteren  Sprachperiode".  Aber  diese 
Form  muß  an  den  beiden  Stellen  wohl  ebenso  wie  Hom.  W  485  weichen. 

Nach  Oeri  „zeigt  sich  in  den  Dialogpartien  eines  großen  Teiles 
der  gi'iechischen  Tragödie  und  Komödie,  wenn  man  die  gesungenen 
Teile  (Kommoi,  Duette,  Monodien,  Anapäste  u.  s.  w.)  ausscheidet,  das 
deutliche  Streben  der  Dichter,  die  dialogischen  Massen  nach  bestimmten 
Verszahlen  zu  gliedern  und  das  in  der  Weise,  daß  überall  Hauptteile 
der  Stücke,  die  als  Akte  oder  Aktkomplexe  ein  Ganzes  ausmachen,  der 
Verszahl  nach  mit  anderen  Hauptteilen  in  Respousion  stehen,  daß 
ebenso  zwischen  den  einzelnen  Scenen  der  Akte  die  Symmetrie  der 
Verszahl  herrscht  und  innerhalb  der  Scenen  wieder  gemäß  der  Dis- 
position des  Dialogs  zwischen  den  einzelnen  kürzeren  Abschnitten." 
Im  übrigen  werden  die  Ekklesiazusen  behandelt.  Vgl.  unter  Euripides 
Hippolytos. 

Masqueray  handelt  in  sehr  eingehender  Weise  über  die  äußeren 
Formen  der  melischen  Partien,  um  ihren  sj^mmetrischen  Aufbau  nach- 
zuweisen. Nach  allgemeinen  Bemerkungen  über  Parodos,  Epiparodos, 
Stasimon,  Kommos,  Monodien  u.  s.  w.  geht  er  mit  Ausnahme  des 
Kyklops  die  lyrischen  Partien  aller  Tragödien  der  drei  Tragiker 
durch  und  sucht  die  Gesetze  festzustellen.  Mit  Recht  wird  Heraklid. 
73  ff.  die  Strophe  bei  75,  die  Antistrophe  bei  95  begonnen,  indem, 
wie  schon  Lachmann  gethan  hat,  75  f.  dem  Chor  (Koryphaios)  gegeben 
werden.  Die  Lücke  nach  110  aber  hat  nicht  nur  ein  Chorikon 
=  90 — 92,  sondern  auch  2  Trimeter  des  Kopreus  verschlungen.  Da 
die  Trimeterpartien  durchweg  aus  2  Versen  bestehen,  kann  nicht  die 
frühere    Annahme    von    Kirchhoff,    welcher    97  f.    auf   einen    Trimeter 


112     Beriebt  über  die  die  griecb.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.) 

reduziert,  sondern  die  Annabme  von  Seidler,  welcher  nach  77  einen 
Trimeter  ausgefallen  sein  läßt,  Geltung-  haben.  Auch  Androm.  1197 — 
1225  scheint  1197—1212  =  1213—1225  richtig  angesetzt  zu  sein. 
Damit  erledigen  sich  alle  Schwierigkeiten,  wenn  man  sich  darüber 
hinwegsetzt,  daß  die  gleiche  Interjektion  1197  und  1200  auf  Strophe 
und  Antistrophe  hinzuweisen  scheint.  Man  hat  eine  ähnliche  Er- 
scheinung wie  im  Gesaug  der  Schwestern  in  Sieben  g.  Theben,  1197 — 
1199  und  1200—1202  sind  unter  sich  und  zugleich  1214  f.  und  1216  f. 
gleich.  —  Gegen  die  Abteilung  des  großen  Kommos  Cho.  305  fif,: 
Orest,  Chor,  Elektra.  Korj'ph.  Orest,  Chor,  Elektra.  Koryph.  Elektra, 
Chor,  Orest.  Koryph.  Elektra,  Chor,  Orest.  Elektra  (422—432). 
Orest,  Chor.  Elektra  (443 — 453)  erhebt  der  Inhalt  entschieden  Ein- 
spruch. —  Hipp.  569 — 596  wird  nach  Weil  in  folgende  symmetrische 
Ordnung  gebracht:  A  Phädra.  B  Chor,  a  Phädra.  T  Chor,  ß  Phädra 
(Mesodos).  r'  Chor,  a  Phädra.  B'  Chor.  A'  Phädra.  Im  allge- 
meinen weist  Masqueray  nach,  daß  sich  bei  den  Kommoi  und  den 
Gesängen  d-6  axrjvrjc  Euripides,  dem  Sophokles  in  manchen  Punkten 
nachfolgt,  von  den  Gesetzen  der  Symmetrie  immer  mehr  frei 
macht.  Kommoi  ohne  jede  Eesponsion  kommen  nur  bei  Euripides  vor. 
solche,  bei  denen  sich  die  Responsion  nur  auf  einen  Teil  erstreckt, 
auch  bei  Sophokles,  nicht  bei  Aschylos.  —  Vgl.  die  Bemerkungen  von 
H.  Gleditsch  in  der  Wochenschr.  f.  kl.  Piniol.  1896  Sp.  785-788 
und  H.  Weil  im  Journal  des  Savants  1896  S.  249—258,  welcher 
ausführt,  daß  Aschylos  in  den  Einzugs-  und  Abzugsliedern  des  Chors 
nach  reicher  Gliederung  und  Abwechselung  strebte,  was  Sophokles  und 
Euripides  nur  in  den  älteren  Stücken  (Aias,  Antigene,  Alkestis)  teil- 
weise nachahmten. 

Nach  Conradts  Ausführungen  ist  der  Aias  „auf  der  üblichsten 
der  tragischen  Grundzahlen,  auf  13  aufgel>aut."  V.  327  wird  nach 
275  umgestellt,  nach  1312  soll  eine  Ijücke  sein.  —  Das  Gleiche  gilt 
vom  Philoktet.  Keben  1252  wird  auch  1248  getilgt.  —  Auch  bei  der 
Auszählung  der  Eumeniden  kommt  Conradt  bald  auf  die  üblichste 
Grundzahl  13.  Getilgt  werden  unter  anderem  die  V.  455,  492,  855 — . 
859  mit  860-871;  840  wird  xao"  i\x£,  cp£Ü,  iraOstv  vermutet  u.  a 
Das  Stück  zerfällt  in  zwei  Teile  mit  je  36  X  13  Versen;  es  ist  genau 
so  gi'oß  wie  die  Perser,  die  ebenfalls  9  X  104  oder  72  X  13  Verse 
haben,  nur  anders  geordnet:  A  8  X  13,  B  32  X  13,  C  32  X  13.  — 
Das  längere  Stück  Agamemnon  hat  die  Grundzahl  19.  Das  ganze 
Drama  soll  aus  16  X  19,  32  X  19,  32  X  19  =  80  X  19  Versen  be- 
stehen. Diese  Zahlen  können  verblüffen.  Aber  Conradt  mag  noch  so 
viele  Dreizehner  und  Neunzehner  häufen ,  es  kann  sich  unser  schon 
früher    ausgesprochenes    Urteil    über    dieses    Verfahren,    welches    eine 


Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.)     1 1  :j 

Hauptstütze  der  Textkritik  abgeben  soll,  nicht  ändern.     Man  sehe  nur 
■in,  wie  die  Zahlen  zustande  gebracht  werden.    Nach  Conradts  Zählung 
hat  der  Agamemnon  80  X  19  -=  1520  Verse,  nach  anderer  1673  Verse. 
AVenn    für  das  Tilgen  von  Versen  ,    das  Zusammenlegen  anderer  ein  so 
weiter  Spielraum  gewährt  wird  wie  hier,    getraue    ich  mir  auch   z.  B. 
Goethes  Iphigenie  auf  die  Grundzahl  13  oder  19  einzurichten.    Welche 
Willkür    sich    in    dieser  Beziehung   Conradt    erlaubt,    zeigt    z.  B.    die 
Tilgung  von  Ag.  67—71  und  noch  mehr  die  von  624.    Zu  dieser  .Stelle 
ei  voTctfJLOc  -e  xat  aejcüjAevo;  JiaXiv  |  ^$£i  a-jv  G[xTv ,    TT)ai5e  -/tj;  ^iXov  xpato» 
wird  bemerkt:  „daß  der  Vers  sonst  armselig  und  überflüssig  ist,   liegt 
auf  der  Hand;    verwunderlich  ist  nur,    daß  überhaupt  jemand  auf  den 
Einfall    gekommen    ist.    das  zl  .  .  3£5(D|X£voc  raXiv  zu  ergänzen."     Nun 
möchte  ich  wissen,  was  3£aü)|i£vo;  7:aXiv  ohne  t^^ei  bedeuten  soll.     Bei  dem 
Koramos  Ag.  1449  ff.  wird  von  angeblichen  Ephymnien  gesprochen  und 
werden   diese  keiner  weiteren  Beachtung  gewürdigt!     Conradt  hat  uns 
überhaupt  mit  der  vorliegenden  Behandlung    der  Eumeniden   eine  Ent- 
täuschung oder  vielleicht  besser  gesagt,  eine  Beruhigung  bereitet.    Wenn 
mir  wenigstens  noch  etwas  ein  kleines  Bedenken  verursachte,    ob  doch 
nicht  an  der  Theorie  Conradts  etwas  Wahres  sein  könne,    so    war    es 
die  viermalige  Wiederkehr  der  Zahl  13  in  dem  Kommos  Eum.  781  ff. ; 
dieses  Bedenken  nimmt  mir  Conradt ,    indem  er  855 — 871  tilgt  und  so 
an  die  Stelle  der  13  Verse,    welche    nach  Ausscheidung    der    den  Zu- 
sammenhang unterbrechenden  V.  860—868  übric;  bleiben,  5  Verse  setzt, 
damit    aber    auch    die    antistrophische  Symmetrie    zerstört.     Nach   der 
Theorie  Conradts    braucht    nämlich   die  Ginandzahl  nicht  in  den  Teilen 
hervorzutreten;    es    genügt,    wenn    sie    in    der   Summe    zum  Vorschein 
kommt,  und  so  können  Verse,   welche  hier  überschüssig  sind,  dort  zu- 
gelegt werden  ,  wo  sie  eben  zum  Dreizehner  fehlen.     Das  einzige  also, 
was  der  Zählmethode    noch    eine  Stütze    bieten    kann,    die  Symmetrie, 
das  wird    hier    zerstört,     tjbrigens    soll    nicht   geleugnet    werden,    daß 
Conradt    über    die  Echtheit    oder  Unechtheit  von  Versen   manche  gute 
Bemerkung  macht  (im  Ag.  tilgt  er  89  f.,  320,  1603  mit  1602). 

Tücke r  weist  der  gewöhnlichen  Regel  gegenüber,  daß  rauta  vor 
liquida  bald  Position  mache,  bald  nicht,  abgesehen  von  ß  ■(  o  vor  X  \t.  v, 
nach,  dalJ  die  Verlängerung  der  Silbe  verhältnismäßig  selten  ist,  ge- 
bräuchlicher nur  bei  gewissen  Wörtern  wie  -exvov  und  rarpoc  und 
Wörtern  altertümlichen  und  epischen  Charakters  oder  Eigennamen  wie 
fiEXaöpov,  7ev£9Xov,  roTvta,  oaxpua,  u^^ipi;,  o'-Xa,  v£xpo;,  'HpaxXEr,;,  Kurptj, 
'ArpEuc.  Daß  im  übrigen  die  Verlängerung  als  ebenso  abnorm  anzu- 
sehen sei  wie  die  Verlängerung  der  ersten  Silbe  in  {j-oGvoc,  ocpi?,  [iEuso;, 
seheint  zu  viel  behauptet  zu  sein.  Dagegen  dürfte  schon  der  Umstand 
Jahresbericht  für  Altertumswissfinschaft.    Bd.  LXXXXVI.    (1898.1.)        8 


114     Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.) 

sprechen,  daß  z.  B.  vsxpo;  in  einem  und  demselben  Verse  mit  doppelter 
Quantität  vorkommt. 

Iwano witsch  legt,  an  die  Ansichten  Homers  über  Leben  und 
Tod,  Wert  des  Lebens,  Dasein,  Lohn  und  Strafe  nach  dem  Tode  an- 
knüpfend, den  Wechsel  der  Anschauungen  bei  den  Tragikern  dar. 
Vgl.  die  Bemerkungen  von  H.  Morsch,  Woch.  f.  kl.  Phil.  1896  Sp. 
1161—66. 

Hümer  handelt  über  die  verschiedene  Auffassung  der  Orestes- 
sage bei  den  Tragikeru.  Er  bemerkt  über  die  Lösung  des  Konflikts 
in  den  Eumeuiden,  daß  sie  dadurch  möglich  wurde,  daß  die  Gestalt 
des  Orestes  bei  Aschj'los  des  Schuldbewußtseins  völlig  entbehrt  und  der 
Doppelcharakter  seiner  That  bloß  in  dem  Streite  zweier  außer  ihm 
stehenden  Gewalten,  des  Apollou  und  der  Erinyea,  zum  Ausdruck 
kommt.  „In  der  Tragödie  des  Euripides  erfuhr  der  Sagenstoff  eine  im 
wesentlichen  neue  Behandlung.  Neu  ist  die  Verlegung  des  Konflikts 
in  die  Seele  Orests,  der  eben  hier  sich  selbst  verurteilt,  neu  ist  es, 
wenn  in  Elektra  die  persönliche  Demütigung  die  Haupttriebfeder  ihrer 
Rachepläue  ist,  neu  ist  es  endlich,  wenn  dieselbe  den  wankenden  Bruder 
im  entscheidenden  Augenblick  zur  That  fortreißt."  „Den  Nerv  der 
Tragödie  des  Sophokles  bildet  die  sittliche  Entrüstung  über  die  Er- 
mordung Agamemnons  bis  zu  dem  Grade,  daß  jede  Sühnung  desselben, 
also  auch  der  Muttermord,  als  schlechthin  berechtigt  hingestellt  wird 
und  das  Frevelhafte,  welches  dieser  Sühne  an  sich  wieder  anhaftet, 
keine  Erwähnung  findet."  „Darauf  w'eisen  die  Hauptgestalten  aller 
uns  erhalteneu  Dichtungen  des  Sophokles  hin,  daß  ein  zweifelnder,  mit 
sich  uneiniger  Orest  keine  Sophokleische  Figur  ist.  Nur  einmal  hat 
er  eine  Nebenfigm*  gezeichnet,  die  zwischen  Ehrgeiz  und  Redlichkeit 
schwankt,  den  Neoptolemos  im  Philoktet,  und  diese  ist  ihm  nach  unseren 
Begriffen  (vgl.  Genesis  des  Entschlusses  etc.  S.  49  ff.)  mißlungen." 
Dem  Urteü  inbetreff  des  Neoptolemos  möchten  wir  in  keiner  Weise 
beipflichten:  es  ist  wohl  zu  beachten,  daß  Neoptolemos  dem  Philoktet 
gegenübersteht. 

Fairclough  (s.  unter  Euripides)  bezieht  die  Parodie,  welche 
Euripides  in  den  Fröschen  des  Aristophanes  erfährt,  auch  auf  die  Be- 
tonung der  äußeren  Natur,  des  Landschaftlichen,  auf  die  Anrufung  und 
die  Epitheta  der  Nacht,  auf  die  mannigfachen  Bezeichnungen  für 
Finsternis  und  Dunkelheit ,  auf  das  Interesse  für  Farbe,  und  während 
er  allen  drei  Tragikern  lebhaftes  Naturgefühl  zuspricht,  weist  er  nach, 
daß  dieses  bei  Äschylos  und  teilweise  auch  noch  bei  Sophokles  weniger 
hervortrete,  dagegen  bei  Euripides  sich  stark  äußere  und  eine  besondere 
Eigentümlichkeit  seiner  Poesie  bilde.  Vgl.  die  Besprechung  von 
A.  Müller,  Berl.  Phil.  Wochenschrift  1898  Sp.  291  f. 


Bericht  über  die  die  £;riech.  Tragiker  betrete.  Litteratur.  (VVecklein.)     Hf) 

Die    Abhaudluuff    von  ßieß    soll    der    erste    Versuch    zu    einem 
Thesaurus    Superstitionum    sein.      Zunächst    vergleicht    der    Verf.    das 
Gebet    an    Agamemnon    Cho.  477 — 507   mit    Zauberformeln,    die    etwa 
GOO  Jahre  jünger    sind,    z.  B.    der    ota;":loXr)    ei;  SeXr^vrjv    (C.    Wessely, 
Wiener  Denkschriften  XXXVI  p.  31).     Er  findet  die  gleichen  Bestand- 
teile,   Bitte  um  Hülfe,    Versprechungen    von  Ehren  oder  Opfern.  Vor- 
würfe gegen  diejenigen  .  gegen  welche  die  Hülfe  an^'erufen  wird.     Den 
Zaubersprüchen    fehlt    nur    die  Anrufung    der    chthonischen   Gottheiten 
(Cho.  487  ff.),  weil  der  Zauberer  keine  andere  Gottheit  als  Selene-Hekate 
hat.     Deshalb    betrachtet  ßieß    dieses  Gebet    der  Choephoreu    als  eine 
förmliche  Beschwörung,    die    irgend    einem  magischen  Spruche  nachge- 
bildet sei  und  von  E.  Rohde  (Psyche  S.  523)   mit  Recht  als  Wecklied 
bezeichnet  werde.  Er  vergleicht  damit  das  Gebet  der  Elektra  Cho.  123  ff., 
die  Beschwörung    des  Darius  Pers.    636  u.  a.  m.     Daran    werden   Be- 
merkungen geknüpft  über  den  gleichen  Ursprung  von  Gebet  und  Zauber- 
spruch.   Wie  der  Opfernde  in  einen  Blutsvertrag  mit  der  Gottheit  trete, 
so    liege    dem  Gebet    des    griechischen    und  römischen  Kultus  die  Idee 
eines  Vertrags   zugrunde.  —  Cho.  964  ff.    wird   als   bester  Beweis   für 
den  Satz  von  Rhode  betrachtet,   daE  die  Reinigung  nicht  ethische  Be- 
deutung habe,    sondern  nur  böse  Geister  vertreiben  solle.  —  In  Asch. 
Hik.  218  f.  findet  Rieß  eine  dunkle  Ahnung  des  Glaubens,  welcher  die 
Sonne    als  Vogel    ansieht.  —  Soph.    Ai.  657    will    Aias   sein  Schwert, 
welches  vom  Feinde  kommt,    begraben,    weil  die  Erde  die  Zauberkraft 
bindet.  —   Nach  Soph.  frg.  181  muß  Kalchas   sterben,    wenn    ihm    ein 
gi-üßerer  Prophet   begegnet.     Der   stärkere   göttliche  Geist    bricht  den 
schwächeren.  —  Zu    dt|x(pcuJioXa  =  ai    oia    a-Xa-f/vcov    {jiavxetat    ebd.    910 
wird  auf  antike  Vasengemälde  verwiesen,  auf  denen  Männer  oder  Trauen 
Bratspieße    über  Feuer    halten.  —  Nach    Eur.  Alk.  428  f.  nehmen    die 
Haustiere    als  Teil    der  Familie    an    der  Totentrauer  von  Familienmit- 
gliedern   teil.  —     Ebd.  756    wird    das  Material    des    Bechers    (Ko-rjpa 
xiuoivov)  erwähnt,  weil  man  glaubte,  daß  Wasser  durch  Epheuholz  hindurch- 
dringe, Wein  aber  nicht,  und  dieses  Holz  deshalb  zur  Prüfung  des  un- 
gemischten Weines  dienen  konnte.     Dem  Trunkenbold  Herakles  mußte 
vingemischter  Wein  vorgesetzt  werden.  —  In  Hei.  1065  f.    findet  Rieß 
den  noch  jetzt    an    der  Nordsee    vorkommenden  Glauben,    daß    es    ein 
böses  Omen  sei,    Ertrunkene    aufzufischen.  —  Für  Eur.   frg.  664  wird 
auf  den  Gebrauch  hingewiesen,    nichts  von  dem,  was  vom  Tische  fällt, 
aufzuheben,    weil    solche    Abfälle    den    abgeschiedenen    Seelen    gehören 
(Rohde  Psyche  S.  224).  —    Ion    frg.  54    p.  743  N.    erinnert    an    den 
Gebrauch,    sich   bei    der  Totentrauer  des  Tageslichts  zu  berauben,    in 
Höhlen    zu   vergraben,    und    dieser  Gebrauch   erinnert  an  den  Brauch 
der  ältesten  Zeit,  sich  mit  den  Gestorbenen  begraben  zu  lassen. 

S* 


1  Ki     Bericlit  über  die  die  griecli.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.) 

Holzner  teilt  eine  Anzahl  von  Vermutungen  zu  Fragmenten  des 
Sophokles  und  jüngerer  Tragiker  mit  (z.  B.  asixvo;  tö  ooSif)  Mosch,  frg.  9 
p.  816  N). 

Stadtmüller  gicbt  y.w  den  Tragikerfragmeuten  im  Anschluß  an 
Blaydes  Adversaria  eine  schöne  Zahl  bemerkenswerter  Verbesserungen 
nameutMch  zu  Euripides.  Dem  Tragiker  Chaeremon  wird  das  Epigramm 
Anthol.  VII  245  zugewiesen. 

R  EUis,  Blaydes's  Adversaria  in  tragicorum  Graecorum  frag- 
menta.  Hermathena  9  (1896)  S.  144—154.  vermutet  unter  anderem 
Eur.  frg.  578,6  uajxotTwv  (xetpov  ■ypatlavxa  a  slizth,  773,  34  xuxvo?  aoet, 
776,4  -u^Xac  r/ou3t  xac  cppevaj  xoivy]  tu/tq. 

Aus  Hesych.  k<sY.X-t\y.6xa  entnimmt  F.  Bücheier,  Rhein.  Mus.  51 
(1896)  S.  153,  den  Vers  eines  Tragikers  (etwa  Äsch.  Kallisto):  ot  3'  dix^ivK]- 
oovxat  Nloav   ejy.XrjXOxa. 

A.  Mancini  will  Achae.  frg.  26  p.  752  N.  so  schreiben:  ptir- 
xouvTsc,  ixßa^.XovTsc,  aYvuvxe?  Xaxa^  |  xi  |xoi  8e  xaXXiaxov  XeYOvxe?, 'HpdfxXet?; 

W.  Headlam  (s.  oben  S.  107)  vermutet  Sosiphan.  frg.  2  p.  820  N. 
^pfriv  r]Xix'  fjötxoG,  Adesp.  507  p.   938  N.     w  i^eaTtox',  dXX'  l$£5xi. 

Aschylos. 

L'Eschilo  Laurenziano.  Facsimile  pubblicato  sotto  gli  auspici  del 
ministero  dell'  istruzione  pubblica  (con  prefazione  del  Enrico  Ro- 
stagno).     Firenze  1896.     9  p.,  71  plates. 

AiT/uXou  opajiaxa  aw^ofxeva  xat  aTioXaXoxiuv  !i:roa7iaj|i,axa  fiexa  I^y)- 
YYjxtxüiv  xat  xpixtxiöv  arjjj-etcuaewv  xt^  auvsp^aaia  Eu^sviou  Zu>|xapi8ou 
ex8i6o|x£va  uro  N.  Weck  lein.  Tojao?  oeuxepoc  xat  xo{iou  xptxou  xeu^ro? 
A'.  'AOi^vrisiv  1896.     798  S. 

Theatre  d'Eschyle.  Extraits  et  analyses  d'une  introduction  et 
suivis  d'appendices  par  Camille  Sourdille.     Paris  s.  a.     292  S. 

F.  H.  M.  Blaydes,  Adversaria  in  Aeschylum.  Halle  1896. 
356  S. 

H.  van  Her  wer  den,  in  Aeschylum  observationes  veteres  atque 
novae.     Mnemosyne  N.  S.  24  (1896)  p.  31—54. 

J.  Denissow,  Bemerkungen  zu  Aschylus  in  den  Xapiaxr^pta  zu 
Ehren  von  Korsch.  Moskau  1896.  S.  371—380  u.  Filologiceskoje 
obozrenije  X  S.  12—19,  192—99,  XI  S.  126,  157—71,  XII  S.  99  f. 

Paul  Girard,  Deux  passages  d'Eschvle.  Rev.  de  phil.  20  (1896) 
S.   1-11. 

U.  de  Wilamowitz-Müllendorff,  Comraentariolum  metricum 
II.    Ind.  lect.  hib.  von  Göttingen  1895.     34  S. 


Beriebt  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.)     117 

P.  Schwarz,  De  ephyninioruni  apud  Aeschylum  usu.     Diss.  von 
Halle  a.  S.   1897.     55  S. 

Die  Abhaiullung  von  H.  W.  Smyth,  Notes  on  tlie  anapaests  of 
Aischylüs.  Harvard  Studies  VII  (1897)  p.  139  —  165,  fällt  dem  Berichte 
über  Metrik  zu;  ebenso  die  auf  alle  Formen  des  jambischen  Versmaßes 
eingehende  Untersuchung  von  A.  Preuß,  De  versnum  iumbicorum  in 
melicis  partibus  usu  Aeschyleo.     Diss.  von  Leipzig  189G. 

Ein  sehr  wertvolles  Hülfsmittel  für  die  Textkritik  wird  künftig 
das  vortrefflich  gelungene  Faksimile  der  maßgebenden  Handschrift,  des 
cod.  Mediceus,  bilden.  Näheres  s.  in  meiner  Besprechung  ßerl.  Philol. 
Wochenschr.  1896  Sp.   1094  f. 

Inbetreff  des  zweiten  Bandes  meiner  griechischen  Bearbeitung 
des  Aschylos  verweise  ich  auf  die  Rezensionen  von  H.  Stadtmüller, 
Lit.  Centralbl.  1897  S.  1262-  4  und  Berl.  Phil.  Woch.  1897  S.  1411 
—  1414,  von  Fehr  in  der  Woch.  f.  klass.  Phil.  1897  S.  1137—40. 
Der  zweite  Band  enthält  den  Prometheus  und  die  Hiketides,  außerdem 
mit  dem  ersten  Hefte  des  dritten  Bandes  die  Fragmente  (die  sonder- 
bare Trennung  möge  man  den  für  die  Zographische  Bibliothek  aufge- 
stellten Vorschriften  zugute  halten,  die  Seitenzahlen  laufen  fort). 
Hier  will  ich  nur  einige  Konjekturen  erwähnen:  Prom.  186  sTepsai;  .  . 
öi-etXaij,  499  e$a|j.uvoüvTai,  Hik.  116  aXuxrov,  Schol.  140  xots  aavi'oas  für 
xaj  vaüj,  154  öiu)7[Ji.ou?  aXxaUoüj' ,  218  aAey.xop'  opviv,  452—60  nach 
486  gestellt,  790  a[i.-e-:rjs  ai'oXoj,  Fragm.  78,  2  xuxot?  für  pu&|xoT?. 

Von  einem  Drama  können  am  wenigsten  ausgewählte  Partien 
eine  richtige  Vorstellung  geben.  Doch  der  didaktische  Wert  der  für 
die  Schule  geraachten  Zusammenstellung  von  Sourdille  braucht  uns 
hier  nicht  zu  beschäftigen.  Der  Kommentar  bringt  manchen  neuen 
Gesichtspunkt,  und  auch  in  der  Textkritik  bietet  der  Verf.  eigene  Gedanken, 
z.  B.  Ag.  1214  ösivoi;,  1267  Ttpocpfj-civ  aXXiQv,  Che.  223  'Opeixrjv  o-^t\ 
237  l'/su. 

Das  Buch  von  Blaydes  bietet  gewissermaßen  einen  kritischen, 
teilweise  exegetischen  Kommentar  zu  Aschylos,  indem  es  zu  den  einzelnen 
Stellen  eigene  und  fremde  Konjekturen,  alte  und  neue  Parallelstellen 
zusammenstellt.  Ich  erwähne  iiier  nur  einige  Konjekturen,  die  größere 
Wahrscheinlichkeit  haben:  Prom.  955  ßpovTTjV,  960  Aii,  Sieb.  264  dv- 
ftrjixata.  719  /.a-cpyiixsvotsiv  xaxr/eiv,  Hik.  905  rf/jpaa'  ev  xpocpT),  1082  otxav, 
Cho.  593  ti;  cppdiei,  Eum,   10  vauXoyou;,  375  ßapuTrsr?),  808  ev  [xu/ot?. 

Halbertsma(s.  oben  S.  107)  bietet  Konjekturen  zu  Ag.Pers.Prom. 

Headlam  (s.  oben  S.  107)  versucht  zahlreiche  Stellen  aus  allen 
sieben  Dramen  zu  emendieren. 

Her  wer  den  teilt  ebenfalls  eine  große  Zahl  von  Vermutungen  mit. 


liy     Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betrefi.  Litteratur.  (Wecklein.) 

Von  den  rnssisch  geschriebenen  Bemerkungen  Denisse ws  werden 
Auszüge  mitgeteilt  in  der  Berl.  Phil.  Wochenschrift  S.  1617  und  in 
der  Wochenschrift  f.  klass.  Philol.  1897  S.  240  f.,  696  f.,  960  f.,  1072. 
Von  diesen  Bemerkungen  können  etwa  folgende  Konjekturen  erwähnt 
werden:  Prom.  593  tav  (is/iav  (für  xav  [xeXaivav),  717  oujösata  xal,  721 
eiffiooücra  -p5;tv  xopac,  Hik.  752  £-i-cc/£ic,  Ag.  1175  "coEpa  irspiTraörj.  Die 
Chorika  zwischen  den  Berichten  des  Boten  und  den  Reden  des  Eteokles 
Sieb.  439  ff.  werden  mit  Recht  als  episodische  Chorika  bezeichnet,  und 
von  Prom.  88 — 129  wird  die  Bezeichnung  Monodie  abgelehnt. 

Girard  ist  zwar  mit  Nikitin  einverstanden,  daß  Pers.  530 — 4 
ihren  richtigen  Platz  nach  853  haben,  betrachtet  sie  aber  auch  dort 
als  Interpolation  (wie  schon  Conradt  530 — 3  als  unecht  erklärt  hat). 
Den  Schluß  der  Sieben  g.  Th.  (996  ff.)  nimmt  er  in  Schutz.  Er  meint, 
gerade  nachdem  die  Antigone  von  Sophokles  geschaffen  war,  sei  es  nicht, 
statthaft  gewesen,  den  Stoff  dieses  Meisterwerkes  nur  so  im  allgemeinen 
zu  berühren.  Nach  meiner  Meinung  könnte  für  die  Echtheit  am  meisten 
die  echt  Aschyleische  Färbung  des  Ausdruckes  xa  toüos  oia-£Tt[j.r)Tai 
ösoic  1038  geltend  gemacht  werden.  Vgl.  frgm.  267  otaicscppoüpYj-ai  ßi'oc 

Die  Abhandlung  von  Wilamowitz  beschäftigt  sich  mit  der  me- 
trischen Analyse  und  der  Textkritik  mehrerer  Chorpartien  des  Aschylos. 
Die  Metrik  lassen  wir  hier  beiseite.  Von  den  Konjekturen  hat  die 
Tilgung  von  flspsW  ala  oujßa-o?  Pers.  1070  etwas  Ansprechendes. 
Dagegen  ist  es  unnötig,  'jIoixvjoi  ebd.  1076,  welches  'loZa^z  begründet, 
in  'j\o[i.iwoL  zu  ändern.  Die  Konjektur  zu  Hik.  814  tiva  9U75C  -/ap  l-i 
-opov  T£ix(ü  halte  ich  für  ganz  verwerflich,  da  ich  bei  Aschylos  zu 
denen  gehöre,  quos  occaecat  superstitio,  ut  syllabatim  strophas  exae- 
quandas  esse  credant,  und  kann  mich  auch  mit  den  übrigen  vorge- 
schlagenen Änderungen  nicht  einverstanden  erklären. 

Schwarz  macht  den  kühnen  Versuch,  die  Annahme  der  nicht 
überlieferten  Ephymnien  in  der  Parodos  der  Hiketiden,  im  ersten 
Stasimon  der  Eumeniden,  im  zweiten  und  dritten  Stasimon  der  Choe- 
phoren,  im  großen  Kommos  des  Agamemnon  zu  bestreiten.  Wieder 
^^^rd  die  mesodische  Komposition,  die  glücklich  beseitigt  schien,  einge- 
führt. Für  diese  beruft  sich  der  Verf.  auf  den  Kommos  in  den  Choe- 
phoren,  als  ob  der  Nachweis  nicht  geführt  wäre,  daß  dort  von  keiner 
mesodischen  Komposition  die  Rede  sein  kann,  weil  die  Vortragenden 
verschiedene  Personen  sind.  Gegen  die  Annahme  von  Ephymnien  im 
Kommos  des  Agamemnon  habe  ich  seiner  Zeit  die  gleichen  Gründe  vor- 
gebracht wie  der  Verfasser,  aber  meinen  Irrtum  eingesehen.  Die  An- 
nahme der  Möglichkeit,  daß  Hik.  168 — 73  nach  181  als  Epodos  zu 
versetzen    sei,    ist    unmethodisch.     In   -/.aXoyfxsvoc  181    kann  man  sogar 


Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreft.  Litteratur.  (Weckleiu.)     119 

einen  Hinweis  auf  das  Ephymnion  sehen.  Die  Vorschläge  Euni.  359 
o[xcu;  «[xaupoüv,  377  jcpaXepa  '(ap  xavuopojioi?,  Ag.  1462  Tpio|xaToc  (mit 
Blaß)  zu  lesen,  können  hiernach  auf  sich  beruhen.  Der  Gedanke,  daß 
die  Ephymnien  Eiim.  1036—1048  dem  be^:leitenden  Volke  zu  geben 
seien,  ist  wegen  der  Einführung  weiterer  Sänper  bedenklich.  Der 
Chorege  hätte  wahrscheinlich  dagegen  Einspruch  erhoben. 

Prometheus. 

370  Ooüpov  -ajiv  avTEcy-T)  F.  Haverfield,  Class.  Rev.  XI  (1897) 
S.  98. 

890  tilgt  C.  Conradt,  Jahrb.  f.  Philol.  155  (1897)  S.  700, 
ebenso  913  f.,  die  Worte  viv  und  irpöiToc  ev. 

J.  Dietze,  Jahrb.  f.  Philol.  153  (1896)  S.  225  f.,  vermutet  in- 
betreff  des  Ganges  der  Handlung  im  OpoiJLrjOs'j;  Xuo|x£vo;,  daß  Zeus,  um 
das  Geheimnis  zu  erfahren,  dem  Prometheus  die  Freiheit  bewilligt,  da- 
gegen die  göttliche  Würde  und  Unsterblichkeit  bis  zur  endgültigen  Er- 
füllung der  einst  gestellten  Bedingungen  versagt  habe. 

C.  Robert,    Die  Scenerie  des  Aias,  der  Eirene  und  des  Prome- 
theus.    Hermes  31  (1896)  S.  530-77. 

Von  diesem  Aufsatz  berücksichtigen  wir  hier  nur  dasjenige,  was 
die  Erklärung  einzelner  Stellen  anbelangt.  Robert  weist  der  Charo- 
nischen  Stiege  eine  größere  Rolle  zu,  als  man  gewöhnlich  annimmt.  In- 
dem er  im  Aias  dem  Protagonisten  in  der  herkömmlichen  Weise  die 
Rollen  des  Aias  und  Teukros  giebt  und  glaubt,  wie  man  auch  bisher 
angenommen  hat,  daß  915  die  Überbreitung  des  Mantels  den  Zweck 
habe,  den  Schauspieler  mit  einer  Figur  zu  vertauschen,  verlegt  er  diesen 
Vorgang  auf  die  Mündung  der  Charouischen  Stiege,  damit  der  Schau- 
spieler durch  den  unterirdischen  Gang  in  den  Aukleideraum  kommen 
kann.  Unter  vairo?  892  versteht  er  deshalb  eine  durch  Erdaufschüttung 
abgegrenzte  Stelle,  wo  der  unterirdische  Gang  mündet.  In  Mitte  der 
Orchestra  könnte  die  Prozedur  trotz  des  Mantels  den  Augen  der  Zu- 
schauer kaum  unvermerkt  bleiben.  Ebenso  wird  der  Felsen  des  Prome- 
theus in  der  Mitte  der  Orchestra  über  der  Charonischen  Treppe  ange- 
setzt. Der  Schauspieler,  welcher  im  Anfang  den  Hephästos  giebt,  soll 
dann  durch  den  unterirdischen  Gang  zur  Treppe  und  hinauf  in  den 
Felsen  hinter  die  Figur  des  Prometheus  gelangen.  Der  Chor  soll  auf 
den  Felsen  niedersteigen  und  auf  dem  Gipfel  der  Klippe  das  ganze 
Stück  über  bleiben.  Daher  soll  sich  die  Eigentümlichkeit  und  Kürze 
der  Chorgesänge  erklären  und  kein  Grund  zur  Annahme  einer  Überar- 
beitung vorliegen.  Den  Tanz  besorge  in  diesem  wesentlich  in  der  Luft 
spielenden    Stück    der    Schauspieler  (Jo).     Schade,    daß    in  Athen    die 


f 


120     Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betretf.  Litteratur.   (Weckleio.) 

Charonische  Stieg:e  überhaupt  und  anderswo  eine  so  große  Öffnung, 
welclie  den  Felsen  mit  so  vielen  Personen  fassen  kann,  noch  gefunden 
werden  muß!  Auch  mit  dem  grollen  Erahnen,  welcher  den  Flügelwagen 
mit  dem  Chore  befördert,  kann  man  sich  schwer  befreunden. 

Karl  Bapp,   Prometheus.     Gymnasialprogramm  von  Oldenburg. 
1896. 
behandelt  nur  das  Mythologische. 

Ilepaat. 

Wilamowitz,    Die  Perser    des   Aischylos.     Hermes    32    (1897) 
S.  382—398. 

Mit  den  Trümmern  niedei'gerissener  alter  Hypothesen  werden 
hier  neue  gebaut.  Das  axe-p;  ap/aTov,  welches  im  ersten  Akt  das  Rat- 
haus, im  zweiten,  dessen  Schauplatz  man  sich  geändert  denken  muß, 
das  Grabmal  des  Darius  bedeutet,  im  dritten  Akt  aber,  welcher  vor 
der  Stadt  auf  der  Landstraße  spielt,  außer  acht  bleibt,  wird  nicht  mehr 
in  der  Mitte  der  Orchestra  angenommen,  weil  sonst  der  Schauspieler, 
welcher  den  Schatten  des  Darius  zu  geben  hat,  nicht  unvermerkt  hin- 
einschleichen  kann,  sondern  an  der  Seite  derselben.  Das  Stück  ist  zu- 
erst in  Sicilieu  aufgeführt  worden  als  Einzeltragödie.  Aber  die  trilo- 
gische  Form  war  dem  Dichter  so  geläufig,  daß  die  Gliederung  dieser 
Einzeltragödie  eigentlich  drei  X6701  zeigt.  „Gewohnt,  seinen  Stoff  auf 
drei  Aktionen  zu  verteilen,  weil  er  drei  Chöre  hatte,  that  er  hier  das- 
selbe mit  einem  Chore,  und  wer  weiß,  ob  eine  Trilogie  der  neunziger 
Jahre  an  Umfang  die  trilogisch  komponierte  Persertragödie  so  sehr 
übertraf."  „So  hilft  die  durch  besondere  Umstände  hervorgerufene 
Form  der  Perser  dazu,  die  Entwickelung  der  sogenannten  trilogischen 
Komposition  zu  begreifen."  V.  852  wird  uTravTta^siv  TiaiSt  Tz<a<:  rrsipcfjofxai 
vermutet,  nach  539  wird  unnötigerweise  eine  Lücke  angenommen 
(„denn  die  am  schwersten  getroffene  der  Mütter  ist  eben  von  uns  in 
tiefem  Schmerze  geschieden").  Zu  der  bereits  in  meiner  Ausgabe  der 
Fragmente  S.  561  angenommenen  Trilogie  UV/aYtoYoi  nriveXoTry)  'OjtoXoyoi 
wird  in  glaubhafter  Weise  Ktp/r^  als  Satyrdrama  hinzugefügt. 

V.  9  verlangt  S.  Zdanow,    Filol.  obozr.  IX  p.  143  ff.  iroXucptoTo? 
oder  zoXucpcuTou  für  -oXuypujoy. 

848  TcaXat  (oder  fjÖT))  für  aX^r)  C.  Haeberlin,  Piniol.  52  S.  615. 

C.  Conradt,    Über    den  Aufbau    der  Sieben  gegen  Theben  des 
Aischylos.     Jahrb.  f.  Philol.  155  (1897)  S.  681-92 
führt  in  der  uns  bekannten  Weise  aus,  daß  die  Grundzahl  dieses  Dramas 
13  ist.     Das  Stück    besteht   jetzt   aus  24  X  13  +  24  X  13  +  27  X  13 


Bericht  über  die  die  griech.  Tragilier  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.)     121 

Versen  und  würde  aus  24  X  13  +  24  X  13  -f  24  X  13  Versen  bestehen, 
wenn  nicht  an  die  Stelle  des  urspründichen  Schlusses  ein  unechter  ge- 
treten wäre,  welcher  zwar  die  gleiche  Grnndzalil  zeigt,  aber  auffälliger 
Weise  3  X  13  Verse  zuviel  erhalten  hat. 

C.  Conrad t.  Über  den  Aufbau  der  Schutzflehenden  des  Aischylos. 
Jahrb.  f.  Philol.  155  (1897)  S.  692—701. 

Auch  für  dieses  Drama  wird  die  Grundzahl  13  gefunden.  Es 
werden  zunächst  zwei  Hauptteile  mit  je  24  X  13  Versen  festgestellt; 
es  ergiebt  sich  dann  sozusagen  von  selbst,  daß  auch  der  dritte  Haupt- 
teil 24  X  13  Verse  enthält.  Die  V.  945—8  werden  ausgeschieden; 
ebenso  208  f.,  422. 

V.  683  vermutet  aXet?  für  aXXou?  Bar  nett,    Academy  No.  1233 
p.  551.     Aber  schon  die  Quantität  ist  bedenklich. 

'OpEÜTcta. 

L.    A.    J.    Bnrgersdijk,    coniectanea    ad    Aeschyli    Oresteam. 
Mnemos.  N.  S.  vol.  24  (1896)  S.  134  —  158. 

Diese  recht  zahlreichen  Konjekturen  sind  wenig  wahrscheinlich 
und  teilweise  sehr  willkürlich:  Ag.  192  oai|j.ov(uv  xpaxsT  yctpi?,  195  xrpejßu? 
oiTf(z  xapTspuiv,  425  £'j[x6pcp(üv  Ö£  xopijxiüv,  460  f.  xXTjpou?  'iXtaöoc  7ac 
vJ[Lo>.poi  u.  s.  w. 

Agamemnon. 
Zu  neun  Stellen  schlägt  Verbesserungen  vor 

G.  Tucker,  Class.  Rev.  XI  (1897)  S.  403-5. 

Zu  69— 71  giebtL.E.  Farneil,  Class.  Rev.  XI  (1897)  S.  293-8, 
die  Erklärung,  daß  aVupa  kpd  nur  unblutige  Opfer  bezeichnen  könne  (vgl. 
Eur.  frg.  912,  4),  daß  aTrupwv  lepwv  von  i-iXsiSiuv  abhängig  zu  machen 
und  o'j-:£  oaxputov  deshalb  entweder  zu  tilgen  oder  an  den  Anfang  des 
Gedankens  zu  rücken  sei. 

Zu  123  verweist  A.  Platt,  Class.  Rev.  11  (1897)  S.  94—98, 
auf  Xenoph.  Kyneg.  14  oi  5s  rfir^  Itsio'.  -raytsTa  bio'jzi  tov  -ptürov  opop.ov, 
Tou?  o'aXXou;  oüxsti  :  caught  in  the  last  spurt  (stopped  from  the  remaining 
spurts),  146  vermutet  er  xdcxaXa,  wozu  xsprva  149  Glossem  sein  soll, 
880  7Xa[xa?,  1181  i'XXeiv  für  xXusiv,  1311  azot^  IV  otoeiv  ev  ^ooi?  öp^vov, 
1536  ö'e-eqet,  nach  1595  soll  ein  Vers  wie  xapa  t  expyjie,  iTzkij/ya 
6s  E'jv  svTEpoi?  ausgefallen  sein. 


122     Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.) 

389  tilgte.  Conradt,  Jahrb.  f.  Philol.  155  (1897)  S.  700,  uTrlp 
t6  ßeXTitT-ov  als  Erklärung  zu  uTrspcpsu,  indem  er  in  der  Gegenstrophe 
406  f.  Xit5v  61  iHeöiv  o'jx  STztj-pocpoc  tu  liest. 

437  ff.  schreibt  F.  Blaß,  Hermes  29  (1894)  S.  633  f.,  suvopfievwv 
direvöeta  TXyjJixapoio?  6o|i,o'.;  ixajiou  ^ipsrst  mit  der  Erklärung  „für 
das  Haus  eines  jeden  der  Ausgezogenen  geziemt  sich  starkmutige 
Fassung",  worin  die  Auffassung  von  rpe7:et  ebensowenig  stilgerecht  ist 
wie  die  Änderung  von  o'saot?  475  in  osaoiz  .  .  xepctovoTc  (oder  xepauvo?). 
Dem  Zusammenhang  entspricht  nur  «ÜTTEvfteia  xXrjjtxapoios  in  dem  Sinne 
erzwungener  Freudigkeit.  Der  Änderung  des  entsprechenden  Verses 
der  Strophe  422  olot^y-ou;  („nicht  zum  Zorne  gereizt")  a^eiixsvüjv  scheint 
Blaß  selbst  keinen  besonderen  "Wert  beizumessen. 

737  vermutet  J.  B.  Bury,  Class.  ßev.  11  (1897)  S.  448  f., 
-poseTpiipÖT). 

Th.  Plüß,  Die  Tragödie  Agamemnon  und  das  Tragische.    Progr. 
des  Gj^mn.  zu  Basel  1896.     39  S.     4. 

Diese  Abhandlung  ist  ein  merkwürdiger  Versuch,  das  Offenbare 
zu  bestreiten  und  nachzuweisen,  daß  Agamemnon  ohne  sittliche  Schuld 
leide.  Der  Nachweis  für  den  Satz,  daß  Agamemnon  zur  Opferung 
Iphigeniens  durch  göttlichen  Zwang  und  ohne  Schuld  eigener  Leiden- 
schaft komme,  beginnt  gleich  mit  einer  schiefen  Auffassung:  „Wird 
Iphigenie  nicht  geopfert,  dann  wird  das  Heer  vernichtet."  Das  Heer 
kann  ja  entlassen  werden.  Der  Hinweis  auf  die  Worte  9psvo?  -vstov 
6u3jeß^  tpoTTaiav  ava'cvov  dviepov  229  kann  genügen,  den  Inhalt  dieser 
Abhandlung,  welche  sich  von  Anfang  bis  Ende  in  Mißverständissen  be- 
wegt, als  veifehlt  darzuthun. 

L.  Dyer,  the  plot  of  the  Agamemnon,  in  Harvard  Studies  VII 
(1896)  S.  95—121, 

handelt  über  die  von  Äschylos  außer  acht  gelassene  Zeitdifferenz 
zwischen  dem  Falle  Troias  und  der  Ankunft  Agamemnons  in  Argos 
und  bringt  zu  dem  Stücke  ähnliche  Gedanken  aus  dem  90.  Psalm  und 
aus  Shakespeare  bei. 

Th.  Plüß,    Zu  Aischylos  Agamemnon    und  Homeros.     Jahrb.  f. 
Phil.  153  (1896)  S.  433—445, 

wehrt  sich  gegen  verschiedene  Angriffe,  welche  seine  Ausgabe  des 
Agamemnon  von  Wilamowitz  erfahren  hat,  und  weist  nach,  daß  dieser 
„in  neun  Fällen  neunmal  unrecht  habe".  Behauptungen  wie  die,  in 
der  ganzen  griechischen  Litteratur  vor  Simokattes  bedeute  psiOpov  nie 
das  Fließende,  das,  was  Hießt,  sind  leicht  zu  widerlegen.  Die  Frage, 
ob  o£    au    dritter  SteMe    stehen    kann,    ist    längst  entschieden  in  einer 


II 


Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.)     123 

Weise,  von  der  weder  "Wilamowitz  noch  Plüß  Kenntnis  zu  haben  scheint. 
Nach  der  Erklärung  von  Plüß  soll  Aschylos  unter  aziepo;  'potTt;  288 
eine  Nachricht  ohne  höhere  Gewähr  oder  ein  Wort  ohne  Schickaals- 
bedeutung verstanden  haben. 

t^ber  eine  Aufführung  des  Agamemnon  in  Berlin  (mit  Jlusik  von 
Ferdinand  Schultz)  findet  man  einen  Bericht  in  der  Deutschen  Rund- 
schau Bd.  93  (1897)  S.   142—4. 

Xor)96poi. 

Aischylos  Orestie  griechisch  und  deutsch  von  Ulrich  von  Wila- 
mowitz-Möllendor  ff.  Zweites  Stück:  Das  Opfer  am  Grabe. 
Berlin  1896.     268  S. 

Der  Verf.  rühmt  sich,  den  Grund  zum  Verständnis  der  Choephoren 
gelegt  zuhaben.  Wie  es  sich  mit  diesem  Verständnis  verhält,  soll  ein 
Beispiel  darthun,  welches  für  viele  gilt  und  die  ganze  Weise  der  Auf- 
fassung kennzeichnet.  V.  417  wird,  wie  ti  o'  av  9avTe?  Tu/oifi-sv  zeigt, 
eine  richtige  Bezeichnung  gesucht;  es  soll  genau  unterschieden  werden 
zwischen  den  aav-a  und  den  acjavxa  (aOsXxTa)  TraBrj:  was  die  Kinder  von 
der  Mutter  erlitten  haben,  ist  sühnbar,  das  andere  (der  Mord  und 
die  Mißhandlung  des  Vaters)  ist  unsühnbar;  „und  so  kann  (und  darf)  unser 
Grimm  so  wenig  wie  ein  wilder  Löwe  von  der  Mutter  besänftigt 
werden."  In  dieser  Ausgabe  erhalten  wir  folgende  merkwürdige  Auffassung: 
„Womit  versuch'  ich's?  Ja.  wir  erzählen  ihm  alle  die  Kränkungen,  die 
uns  die  Mutter  that.  Dulden  und  ducken?  Sie  werden's  nicht  leiden. 
Rasenden  Wolfs  unerbittlicher  Grimm  ist  mein  Muttererbe. "  Wer  sich 
ein  Verständnis  des  Aschylos  zutraut,  möge  die  beiden  Erklärungen 
mit  dem  griechischen  Texte  vergleichen,  und  wenn  er  die  letztere  für 
richtig  hält,  dann  möge  er  glauben,  daß  mit  dieser  Bearbeitung  der 
Grund  zum  Verständnis  des  Stückes  gewonnen  sei;  andernfalls  wird  er 
sich  überzeugen,  daß  hier  kein  Fortschritt  vorliegt,  sondern  ein  ge- 
waltiger Rückschritt  zur  Unklarheit  und  zu  abstrusen  Gedanken.  Denn 
was  hinsichtlich  der  einen  Stelle  gilt,  das  gilt  von  der  ganzen  Auf- 
fassung, besonders  der  Chorgesänge  und  des  großen  Kommos  314  flf. 
Auch  für  die  sprachliche  und  grammatische  Erklärung,  welche  uns  hier 
geboten  wird,  fehlt  uns  das  Verständnis.  So  wird  882  Trepaj  für  -eXot? 
gesetzt  und  zu  dem  Texte:  eoi/ö  vüv  auxr,;  s-t  $upoü  rspac  a'jy?jV  -saswdat 
bemerkt:  „Verständlich  ist  der  Satz  dem,  der  die  Sprache  kennt." 
Uns  ist  leider  der  Satz  unverständlich.  Unbegreiflich  ist  uns  gleich 
die  Erklärung  des  ersten  Verses  „meines  Vaters  Macht  ist  deines  Reiches" 
oder  „der  du  die  Majestät  meines  Vaters  unter  deiner  Obhut  hast". 
Zum  Glück    können    wir    uns    hier    für    unsere  Auffassung  auf  Aristo- 


124     Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.) 

pbanes  und  Aristarcb  berufen.  Der  Hauptgewinn  der  Ausgabe  dürfte  sich 
auf  einige  beachtenswerte  Konjekturen  beschränken:  -iuto?  t  242, 
ftav(5vTi  Sucj9povoüv-i  515  (andere,  die  auch  bemerkenswert  sein  würden, 
zu  424.  494,  952,  1057,  1067,  1071  rüliren  von  anderen  her,  wie  meine 
Ausgabe  zeigt).  Die  meisten  neuen  Konjekturen,  welche  im  Texte 
stehen,  sind  unbrauchbar.  Die  Einleitung  über  „Blutrache  und  Mutter- 
mord"  enthält  manche  schöne  Gedanken,  aber  auch  manche  unbegründete 
Hypothesen,  z.  B.  über  ein  delphisches  Epos,  welches  ebenso  Quelle  des 
Aschylos  wie  des  Stesichoros  sein  soll.  Der  Anhang,  welcher  den  Nach- 
weis für  diese  delphische  Orestie  liefern  soll,  zeigt  erst  recht,  wie  un- 
sicher die  Hypothese  ist. 

Daß  die  Auffassung  des  Dramas  im  allgemeinen  verkehrt  ist, 
hat  Jurenka,  Zeitschr.  f.  d.  öst.  Gymn.  49  (1898)  S.  303  ff.,  dargethan. 

Blaß,  Herrn.  32  (1897)  S.  155—9,  will  681  »aiTTeiv  jx'  schreiben, 
was  unnötig  ist,  692  ff.  höchstens  die  Änderung  von  'OpsaTY]?  in  'OpsuTriv 
gestatten  (, Orestes  ist  vermutlich  arcuv,  aber  die  hier  angeredete  "Apa 
läßt  ihn  als  r.apwv  eintragen,  e77pa<p£Tat,  da  sie  auch  an  ihm  das  Todes- 
urteil vollstreckt  hat,"  —  wenn  das  Todesurteil  bereits  vollstreckt  ist, 
kann  vom  Eintragen  in  die  Liste  keine  Rede  mehr  sein),  verlangt  756 
T  ou  TaüTov  eoye-Yjv,  wobei  die  Konstruktion  ganz  unmöglich  wird, 
verteidigt  841  oetixaTOJTa^ec  u.  a.,  auch  die  Umstellung  von  995 — 1002 
nach  1011. 

Die  Bemerkung   von    K.  Frey,    Jahrb.    f.    Philol.    155    (1897) 
S.  286  f.,  zu  916: 

„Der  Vers  erweist  sich  als  eine  Unfläterei  der  schlimmsten  Art, 
als  eine  Beschimpfung,  der  etwa  ein  Barrere  fähig  war,  aber  die  im 
Munde  des  Sohnes  Grauen  erregt,"  scheint  sehr  wenig  angebracht 
zu  sein. 

Eufievio  £?. 
V.  599  o£  -o[xa  (schon  Kock),  525  f.  iix'f  av^  xapoi'ac  a-cav  Tpscptuv, 
635  eji-'f  po  jtv ,   636  Xourpa  xd-tTspixia  Bar  nett,    Academy  1233  p.  551. 

Fragmente. 

A.    Baumstark,    Die    zweite    Achilleustrilogie    des    Aischj'los. 
Philol.  55  (1896)  S.  277-306. 

Aus  dem  III.  Buch  des  Quintus  Smyrnaeus  konstruiert  der  Verf. 
eine  zweite  Achilleustrilogie,  welche  aus  den  Tragödien  Psychostasia. 
Memnon,  Ar/tTtoe;  (Chor  der  kriegsgefangenen  Frauen)  bestanden  haben 
soll.  Diese  Konstruktion  beruht  auf  zweifelhaften  Voraussetzungen,  wie 
der  Versuch,  den  Inhalt  der  einzelnen  Stücke  des  näheren  festzustellen 


Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff'.  Litteratur.  (Wecklein.)     125 

uud  iiaclizuweisen,  daH  die  Trilogie  Prometheus  dem  J.  471,  die  erste 
AchilleustriloiJ!ie  dem  J.  469  oder  470,  die  /weite  dem  J.  468  ang;ehört, 
nnr  zn  unsicheren  Ergebnissen  führt. 

M.  Niedermann,  Kevue  de  Philol.  1897  S.  lb'6,  will  in  dem 
Ka-raXo^o;  T(T»v  Ait/uAou  «5pau,aTu>v  tür  SeixsXy]  y]  Oopoipopo;  lesen:  i!e|i£XT) 
7)  /jTpocpopoc.  läßt  aber  dabei  außer  acht,  dal!  uns  der  Titel  ^£[x£Xr)  t] 
'yopo'fopfji  auch  anderswo  überliefert  ist. 

Sophokles. 

H.  Otte,  Jahresbericht  über  Sophokles.  In  den  Jahresber.  des 
Philol.  Vereins  zu  Berlin.     XXIII  (1897)  S.  290—328. 

Sophocles  the  text  of  the  seven  plays.  Edited  with  au  introduc- 
tioii  by  C.  Jebb.     Cambridge  1897.     XLV  und  364  S. 

E.  Poste,  Notes  on  Jebb's  Edition  of  Sophocles.  Class.  Rev.  XI 
(1897)  S.  192-199. 

Sophoclis  tragoediae.  Edited  by  Robert  Yelverton  Tyrrell. 
London  1897.     XXV  und  272  S. 

Y.  Tyrrell,  Sophociea.     Hermathena  9  (1896)  S.  362-68. 

li.  Wright ,    Critical    notes    on  Sophocles.    Proceedings   of   the 

American  philol.  assoc.  25  (1894)  S.  XXXII— XXXIV. 

J.  Schwickert,  Ein  Triptychon  klassischer  kritisch-exegetischer 
Philologie.    Leipzig  1896.    S.  78—86  Emeudationen  zu  Sophokles. 

A.  Frede rking.  Zu  Sophokles.  Jahrb.  f.  Philol.  155  (1897) 
S.  670-678. 

Franz  Pichler,  Beiträge  zur  Überlieferung  der  Sophoklesscholien. 
Festschrift  des  Deutschen  akademischen  Philologen-Vereins  in  Graz. 
1896.     S.  31-42. 

F.  Vogl,  Beiträge  zur  Verständigung  über  Zahlensymmetrie  und 
Responsion  im  Sophokleischen  Drama.  Progr.  des  Obergymn.  zu 
TJngarisch-Hradisch.     1896.     26  S. 

H.  "Wittekind,  Sermo  Sophocleus  quatenus  cum  scriptoribus  Jo- 
nicis  congruat  differat  ab  Atticis.    Diss.  von  Gießen  1895.    57  S. 

Heinrich  Otte,  Wortwiederholungeu  bei  Sophokles.  Progr. 
des  Luisenstädtischen  Gymn.  zu  Berlin.     1896.     25  S.     4. 

J.  E.  Azelius,  De  assimilatione  syntactica  apud  Sophoclem. 
Diss.  von  Upsala.     1897.     99  S. 

0.  Haberlandt,  De  figurae  quae  vocatur  etymologicae  usu  So- 
phocleo.     GjTnn.-Progr.  von  Freienwalde  a.  0.  1897,     33  S.     4. 


126     Bericht  über  die  die  griecli.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Weckleia.) 

August  Scheindler,  Metrische  Studien  zu  Sophokles.  Die 
Synizese  uad  Aphärese.     Serta  Harteliana.    Wien  1896.     S.  14—27. 

Saloraone  Piazza,  La  politica  in  Sofocle.  Padova  1896. 
225  S. 

Lionel  Horton-Smith,  Ars  tragica  Sophoclea  cum  Shaksperiana 
comparata.     Cambridge  1896.     146  S. 

Die  Chorlieder  und  Wechselgesänge  aus  den  Tragödien  des  So- 
phokles in  deutscher  ttbersetzung  von  W.  Hoff  mann.  Erster  Teil: 
König  Oedipus,  Oedipus  auf  Kolonos,  Antigone.  Zweiter  Teil:  Aias, 
Elektra,  Philoktetes,  Trachinieriunen,  Tereus.  Berlin,  Programme 
des  Sophiengymnasiums  1896  und  1897.     30  und  28  S.     4. 

Die  Tragödien  des  Sophokles.  In  neuer  Übersetzung  von  0.  Hu- 
batsch.    Bielefeld  und  Leipzig  1896.     X  und  456  S. 

Sechs  Tragödien  von  Sophokles  in  deutscher  Nachbildung  von 
F.  Bader.     Leipzig,  S.  Hirzel.     IX  und  479  S. 

Aus  den  die  Entwickelung  der  Orestessage  eingehend  erörternden 
Abhandlungen  von  AI.  Olivieri,  La  morte  di  Agamemnone  secondo 
rOdissea.  Eivista  di  filol.  24  (1896)  S.  145—207  und  II  mito  di  Oreste 
nel  poema  di  Agia  di  Trezene.  La  due  Elettre.  La  Clytemestra  e 
l'Aegisthus  di  Accio.  Ebd.  25  (1897)  S.  570—599,  führen  wir  das  Er- 
gebnis des  vorletzten  Abschnittes  über  die  beiden  Elektren  an,  daß  die 
Elektra  des  Euripides  mit  Kenntnis  der  Sophokleischen  verfaßt  ist. 

Die  Dissertation  von  P.  Gensei,  De  Sophocle  a  Roraanis  liberae 
reipublicae  temporum  tragicis  poetis  adhibito.  Halle  a,  S.  1895,  betrifft 
nur  die  römischen  Tragiker.  Den  Beweis,  daß  die  Alcestis  des  Accius 
nach  einer  aus  frg.  767  zu  entnehmenden  Alkestis  des  Sophokles  gear- 
beitet sei,  betrachtet  der  Verf.  selbst  als  ungenügend. 

Im  vorigen  Jahresbericht  Bd.  88  S.  54  ist  aus  einer  Abhandlung 
von  Mekler  vom  J.  1895  die  Ansicht  angeführt  worden,  daß  der  Aus- 
spruch, welchen  Sophokles  nach  der  Angabe  des  Satyros  (im  Bio;)  im 
Prozesse  gegen  Jophon  gethan  haben  soll,  auf  eine  Komödie  zurückgehe 
und  noch  die  Form  der  Trimeter  zur  Schau  trage.  Durch  die  Güte 
des  Hen'n  H.  Bocock  bin  ich  aufmerksam  gemacht  worden,  daß  diese 
Ansicht  schon  in  der  Ausgabe  der  Antigone  von  W.  Humphreys  1891 
p.  XII  sq.  vorgetragen  ist,  wo  bereits  die  Verse  der  Komödie  in  fol- 
gender Form  hergestellt  sind: 

<dXX'>    £1  fxev  ei|xt  SocpoxXsrj;,  ou  Trapacppovu), 

ei  TTapacppovüi  ö',  oyx  eijAt  SocpoxXer)?    <iYu»>   oder   <eTi>. 

Zum  Leben  des  Sophokles  bemerkt  P.  El.  f.  d.  Gymn.- 
Schulw.  33  S.  255,   daß  nach  der  Abhandlung  von  A.  Körte,  Athen, 


Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.)      127 

Mitt.  1896  S.  287  ff.,  vgl.  Bourguet,  Bull,  de  corresp.  hell.  18,  491  f., 
in  dem  Bio;  ilocpoxXeouc  §  11  TfjV  xoü  'Ajauvou  tepwjuvrjv  zu  schreiben  ist: 
„Sophokles  war  Priester  des  Heilheros  Amynos  und  hat  als  solcher  im 
J.  420  den  neuen  Ankömmling  Asklepios  in  dem  Hause  seines  Gottes 
aufgenommen.  Aus  dem  Heiligtum  des  Amj^nos  ward  das  des  Amynos 
und  Asklepios.  Als  Heros  ..Aufnehmer"  (As^t'uiv)  wurde  Sophokles  des- 
halb nach  seinem  Tode  verehrt  und  blieb  in  Kultverbindung  mit  den 
Göttern,  deren  Priester  er  bei  Lebzeiten  gewesen  war."  Vgl.  auch 
Zielinski,  Philol.  1896,  S.  597  Anm.  3. 

Halber tsma  (s.  oben  S.  107)  giebt  eine  große  Anzahl  von  Ver- 
mutungen zu  allen  Stücken ,  die  vielfach  von  Herwerden  modifiziert 
werden. 

Die  Textausgabe  von  Jebb  giebt  im  allgemeinen  den  Text  der 
großen  Ausgabe  Jebbs  wieder  unter  kurzer  Angabe  der  aufgenommenen 
Emendationen.  Die  Einleitung  handelt  über  Handschriften ,  Schollen 
und  Ausgaben.  Wiewohl  die  Auswahl  aus  den  vorliegenden  Konjek- 
turen nicht  überall  eine  glückliche  zu  nennen  ist  und  manchmal  die  volle 
Beherrschung  des  Stoffes  vermissen  läßt,  steht  doch  die  Ausgabe  im 
ganzen  auf  der  Höhe  der  Wissenschaft,  wenn  sie  auch  keinen  Fort- 
schritt bezeichnet. 

Die  erklärenden  Bemerkungen  von  Poste  zu  der  Ausgabe  von 
Jebb  sind  ohne  Belang.  Zu  ujrs^sXeiv  0.  T.  227  wird  auf  Aristot. 
Ath.  Pol.  35  §  4  67ieiaipou[x£voi  xov  96ßov  hingewiesen. 

Die  Textausgabe  von  Tyrrell,  in  welcher  eine  kurze  Einleitung 
die  aufgenommenen  neuen  Textänderungen  aufzählt,  bietet  eine  Reihe 
von  Konjekturen,  von  denen  jedoch  wenige  Anspruch  auf  Beachtung 
haben.  Der  Aufsatz  in  der  Hermathena  unterzieht  einige  derselben 
einer  näheren  Erörterung.  Ich  erwähne  Ai.  869  xoudzU  eiriaxaTai  jj-expa 
[jLcxxav  toTTo?  (nach  frg.  730,  welches  schon  G.  Wolff  vor  870  einfügen 
wollte),  0.  K.  702  -^rjpac,  1452  i-icbv  [xev  l'xepa,  1474  oup-^oXw  Xapojv, 
Ant.  321  xoüa'  8,  452  ou  to6cso,  Phil.  1092  ai  »yjpai  o  avio,  1149  cpu^oa 
jxTjxex'  dn:'  auXiiuv  rr^oax',  El,  1075  'HXexxpa  axovov  ou  iraxpoj,  Ai.  869  aup,- 
•KaösTv,  885  Tzo~oi[LS)\  evuöpoc  und  930  ^asöovxo;   <apar>. 

Vgl.  die  Besprechung  in  der  Berl.  Philol.  Wochenschr.  1898 
S.  609 — 11,   wo  ich  0.  K.  541  iTiuxpeXr^aa;  ocpeXov  eEeXeaöai  vermutet  habe. 

Von  den  13  Konjekturen  von  Wright  verdienen  etwa  folgende 
Erwähnung:  Ai.  1266  xa/eta  xoi,  0.  K.  1702  ouÖ£  -(ap  ouv  d^tXrjxo;, 
Phil.  1227  TTotov  oüv  ou  joi  Trplxrov.  Mit  xt;  av,  opuiv  6-epJia3io(,  xaxar/ot 
Ant.  604  scheint  der  Anstoß  des  fehlenden  av  am  einfachsten  gehoben 
zu  sein,  aber  6p(öv  ist  zwecklos. 

Die  „Emendationen"  von  Seh  Wickert  sind  sinnlos. 

Frederking  vermutet  Ai.  651  ^acpet;  siörjpoc  wj,  indem  er  gleich- 


128     liericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.) 

falls  die  Worte  mit  iy.apxepouv  verbindet,  schreibt  Oed.  Tyr.  256  rnjLac 
für  ujxa;,  342  richtig  xai  sz,  erklärt  381  irap'  ujaiv  «puXaaaexai  „wird  in 
eurer  Umgebung  gehegt",  will  685  7a?  Ti£iiovY]|X£vac,  1140  toutiuv  oux 
e-jco  -£7rpa7ii.£vov,  1286  £v  xivi,  1405  tauTou  schreiben,  ist  geneigt,  244  f. 
als  Interpolation  auszuscheiden ;  Phil.  52  soll  wv  objektiver  Gen.  sein. 
Er  vermutet  ebd.  534  aoixov  e$oiy.rjaiv,  1033  ueXafjavxoc  (dafür  würde 
der  Dichter  wohl  eher  irapovxo;  geschrieben  haben).  1066  ouSe  aou,  1161 
|XTix£Ti  [xr^oEv  7£.  V.  1311  f.  wcrdeu  beide  Genetive  als  Apposition  des 
Relativs  angesehen.  Richtiger  wohl  sagt  man,  daß  bei  beiden  ßXaaxwv 
EÖei^ac  vorschwebe. 

Aus  der  Abhandlung  von  P ichler  erfahren  wir,  daß  der  cod. 
Vindob.  253,  welcher  Schollen  zu  Soph.  Aias  enthält,  als  indirekt  aus 
dem  Laur.  stammend  keinen  Wert  für  den  Text  der  Schollen  hat.  Außer- 
dem werden  einige  handschriftliche  Berichtigungen  zu  der  Ausgabe  der 
Schollen  von  Pappageorg  "gegeben. 

Vogl  sucht  eine  äußere  Zahlensymmetiie  in  den  größeren  Kom- 
plexen des  Oed.  Tyr.  und  Gedankensyrametrie  in  Verbindung  mit  Zahlen- 
sj'mmetrie  in  einigen  Scenen  des  Aias  nachzuweisen.  Dabei  werden 
Oed.  T.  401—3.  821  f.  und  828  f.,  1230  f.  und  1232  f.,  1288,  1406—8, 
,die  ganze  Rührscene*  1446  ff.  der  Interpolation  verdächtigt.  Wie 
weit  die  Übereinstimmung  der  Gedanken-  mit  der  Zahlensymmetrie 
reicht,  wird  man  bald  erkennen,  wenn  man  z.  B.  die  Rede  der  Tek- 
messa  Ai.  284 — 330  nachprüft,  welche  in  5  X  4.  6.  5  X  4  Verse  zer- 
fallen soll ,  wobei  die  2  Verse  298  f.  auf  den  einen  xal  tou?  \ih  riuyi- 
vt^e,  xo'jc  ^E  o£cj[iiou;  zurückgebracht  werden,  oder  die  Rede  des  Aias 
438 — 80,  welche  nach  Beseitigung  der  V.  475—8  folgende  Abteilung 
erhält:  7  +  4-^4--  5  —  7—5  +  4  -f-  4  -^  7.  Der  Zahlensymmetrie  zn- 
liebe  wird  das  Unmögliche  möglich  gemacht;  es  werden  z.  B.  die  Y. 
527  f.  noch  dem  Chor  gegeben,  damit  die  Responsion  mit  481 — 84  her- 
gestellt wird.  Auch  die  V.  674  —  6,  786  werden  auf  dem  Altare  der 
Symmetrie  geschlachtet. 

In  der  verdienstlichen  Abhandlung  von  Wittekind  werden  die 
jonischen  Formen,  Ausdrücke  und  Konstruktionen,  welche  sich  bei  So- 
phokles, Aschj'los  und  Euripides  finden,  zusammengestellt  /.um  Beweise, 
welch  großen  Einfluß  der  jonische  Dialekt,  in  welchem  der  jambische 
Trimeter  geschaffen  wurde,  auf  die  Sprache  der  Tragiker  geübt  hat. 
Einen  wesentlichen  Unterschied  unter  den  Tragikern  läßt  die  Zusammen- 
stellung nicht  erkennen,  so  daß  mit  „Sophocles  est  Jonicissimus  poetarum" 
zu  viel  behauptet  werden  dürfte.  Es  ist  auch  z.  B.  unrichtig,  daß  das  pron. 
possess.  o;  sich  außer  an  5  Stellen  des  Sophokles  nur  Asch.  Sieb.  628 
finde.  Es  kommt  auch  Eum.  368  und  einigemal  bei  Euripides  vor. 
Vgl.  meine  Anmerkung  zu  Med.  955. 


Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betrefl".  Litteratur.  (Wecklein.)     129 

Otte  vertritt  den  Grundsatz,  daß  die  Wiederholung:  eines  Wortes, 
wenn  sie  nicht  eine  besondere  Beziehung  habe  und  eine  Absicht  des 
Dichters  erkennen  lasse,  die  Vermutung  einer  Textverderbnis  nahe  lege. 
In  Anwendung:  dieses  Grundsatzes  werden  mehrere  Stellen  behandelt, 
so  Ant.  339  und  350,  wo  axaixaxav  und  d^zcii'^iza.  ausgeschieden  werden, 
0.  K.  866  o[i[i.aiTOi  xTi'aa;,  1260  raxpt  o"  d\t.\ia-zo(s-zBps.i  u.  a.  Wie  frühere 
Behandlungen  dieser  Frage  z.  B.  von  L.  Schmidt  zeigen,  muß  der 
Grundsatz  eine  Einschränkung  erleiden.  Vor  allem  scheinen  solche 
Stellen  unbedenklich,  wo  sich  die  Bedeutung  des  Wortes  ändert,  wie 
0.  T.  237 — 40  Opovouc  ve(xa)  —  yepvtßac  vefietv,  383 — 85  r^joe  ■{  (Jp/rj? 
.  .  oG;  apyrji  «piXoc  Ebd.  291  ist  vielleicht  Travta  o'  ijropüi  zu 
schreiben.  Nebenbei  untersucht  Otte  den  Gebrauch  des  dat.  loci  bei  So- 
phokles und  will  nachweisen,  daß  derselbe  wie  in  der  Prosa  auf  Eigen- 
namen beschränkt  sei. 

Azelius  unterscheidet  nach  H.  Ziemer,  Junggramm.  Streifz. 
Colb.  1883-,  drei  Arten  der  Assimilation,  die  äußere  oder  formale 
(Attraktion,  Anticipation),  die  innere  oder  reale  (Konsti-uktion  xatd 
cuveaiv)  und  die  assimilatio  compromissalis ,  womit  er  das  Ziemersche 
„Kombinationsausgleichung"  wiedergiebt  (Analogie).  Es  ist  richtig,  daß 
die  alten  Dichter  mehr  einer  natürlichen  als  einer  Schulgrammatik 
folgten ,  und  Zusammenstellungen  wie  die  vorliegende  können  manche 
Stelle,  die  einen  minder  gewöhnlichen  Ausdruck  bietet,  gegen  Konjek- 
turen schützen.  Aber  derartige  Untersuchungen  erfordern  ein  feines 
und  geübtes  Sprachgefühl,  welches  freiere  Wendungen  von  unnatürlichen 
und  unmöglichen  Ausdrücken  zu  unterscheiden  versteht,  andererseits 
richtige  Beurteilung  der  handschriftlichen  Überlieferung,  damit  nicht 
die  Fehler  derselben  dem  Dichter  angerechnet  werden.  So  wird  gleich 
im  ersten  Kapitel  das  unlogische  aXXr)?  El.  100  und  885  belegt  mit  Eur. 
Alk.  17  ouy  eups  rXrjv  luvaixo;  t^ti?  vjftsXs  ftavsiv.  Aber  für  denjenigen, 
welcher  die  handschriftliche  Überlieferung  richtig  beurteilt,  steht  es 
absolut  fest,  daß  Euripides  dem  Gedanken  entsprechend  ot:i?  tjösXs 
davüjv  .  .  jjirjxE-'  ci76pav  (fdo;  geschrieben  hat.  Bei  der  ersten  Art 
werden  Wendungen  wie  w  Oav,  aXt-Xa-'xxs  ?pavYi&t  oder  -i  TrpojxasTet? 
Ttoiöiv;  oöo'j  xa-otpysiv  t^?  ixet,  -©[x-ov  ö'  £|X£  ytopsiv  richtig  behandelt, 
aber  Ausdrücke  wie  a^YsXXs  o'  opxw  r.poj-dhk  El.  47,  ttqvo'  r^v  si'XTjyev 
v'y/r^'j  {)av6vT£c  Ai.  1058,  xov  del  Tratpoc  E~'.cTt£vayouja  El.  1075  müssen 
als  unnatürlich  bezeichnet  werden.  Ebenso  bei  der  zweiten  eine  Wendung 
wie  dvspsc,  oü?  TirdvTo  xaöaipcov  xxe.  Trach.  1011,  wo  die  Menschen  für 
das  Land  eintreten  sollen.  Bei  der  dritten  Art  wird  auch  die  Erweite- 
rung der  figura  etymologica  behandelt.  Diese  hat  einen  großen  Um- 
fang, läßt  aber  doch  -ov  Tta-piüov  rjvixtz  a-coXov  .  .  £3TO|xr,v  Trach.  563 
nicht  als  möglich  erscheinen.  Der  Acc.  in  r.Tfii^-no.  r.zd'.'x  ist  anders 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.  Bd.  LXXXXVI.    (1898. 1.)        '•) 


]30     Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Weckleiu.) 

aufzufassen  und  bei  y(upac  (pu-pvxs;  xTJaoE  ist  es  unnötig,  an  die  Analogie 
von  d-aXXaaaECTÖai  zu  denken.  Auch  die  ErkUirung  von  oij&'  w;  7:oiT)aov 
verrät  eine  äußerliche  Auffassung  der  grammatischen  Erscheinungen. 
Ant.  1272  hängt  [xe^a  ßapo;  von  e/tuv  ab,  0.  K.  1212  xoG  fisTpiou  Ton 
dem  zu  ergänzenden  ypTJ^siv.  Undenkbar  ist  die  Verbindung  von  tivoc 
ypeict?  mit  dvujai  ebd.  1754  oder  cpeps  [idÖTj?  Phil.  300.  Wenn  ^Xd' 
ev  .  .  7:d7oic  frg.  300  gereclitfertigt  wird,  dann  giebt  es  keine  Korruptel 
mehr.  Wer  weiß,  wie  außerordentlich  häufig  in  den  Handschriften  die 
Verwechselung  von  rou  und  7:01,  von  Trsi&eiv  und  tieiseiv  ist,  wird  nicht 
7:01  aicuva  2;u)  0.  K.  1735  oder  gar  Treiaetv  ouvTij6p.£jöa  Phil.  1394  in 
Schutz  nehmen  wollen.  Was  S.  73  über  ixsXXw  gesagt  wird,  ist  ganz 
mangelhaft.  Bei  den  Wendungen  wie  xov  H  'Äiöa  Xi}Jt.vas  Traxep'  dvaxd- 
(jEic  hätten  auch  solche  wie  euse^eiv  xa  Trpo?  Oeouc  behandelt  werden 
sollen. 

Haberlandt  giebt  eine  ausführliche  Darlegung  der  grammatische» 
Erscheinungen,  welche  mit  der  figura  etj'^mologica  in  Verbindung  ge- 
bracht werden  können,  z.  B.  auch  xaxcüv  xdxtaxE,  ttovxou  stvaXtav  cpujtv, 
t:6vo'.  ouanovoi,  ~dvoa|jLO?  -oX'.c,  Traiooupiia  öujxexvo?  U.  a. 

Scheindier  versucht  die  Fälle  der  Synizese  und  Aphärese  ge- 
nauer zu  ordnen.  „Synizese  wird  möglich,  wenn  der  erste  Vokal  so  schnell 
sprechbar  ist,  daß  er  zum  Vorschlage  herabsinken  kann."  Bei  Sophokles 
finden  sich  62  Fälle,  wo  e  vor  einem  langen  Vokale,  28  Fälle,  wo  tq 
oder  El  vor  ou  steht.  Die  Schreibung  s-fw  ouxe  ist  fehlerhaft  für  e^wuxe 
(e7u)uö£,  EYtpjx':  warum  nicht  auch  0.  T.  1002  e'/wu/i,  sondern  £7(1)7'  ou?). 
Für  fjLT)  dTtoXsiTTEJöai  ist  [itj  '-oX.  ZU  schreiben  (Aphärese),  Phil.  933 
vielleicht  xov  |iiov  [xt]  }j.'  eEeXtj.  Elmsleys  Regel,  daß  nur  e  Aphärese 
erleide,  ist  nicht  richtig.  Vgl.  Eur.  Hik.  639.  Bei  t)  vor  e  (tj  l-^u)) 
ist  nicht  Aphärese,  sondern  Synizese  anzunehmen,  bei  TjTiivoia,  Tj$ap.apxia, 
^-t'xxrjc;  Krasis.  Die  Aphärese  beschränkt  sich  auf  einzelne  Wörter : 
ETTi  (23 mal),  £70»  (14 mal),  saxi  (8 mal),  ev  (2 mal),  ifiaüxw  (2 mal),  ä-6 
(3mal)  u.  a.  Statt  der  Aphärese  des  Augments  e  will  Scheindier  lieber 
augmentlose  Formen  annehmen.  Aber  da,  abgesehen  von  den  augment- 
loseu  Formen,  welche  sich  in  d77EXixal  pj^sst?  und  zwar  gewöhnlich  am 
Anfang  des  Trimeters  finden,  die  ziemlich  zahlreichen  Formen  immer 
einen  langen  Vokal  vor  sich  haben,  muß  die  Aphärese  feststehen. 

Piazza  führt  aus,  daß  Sophokles  die  Zeit,  in  welcher  er  die 
einzelnen  Tragödien  verfaßte,  widerspiegelt  mit  patriotischen  Erinne- 
rungen, mit  rühmender  Erwähnung  von  Örtlichkeiten,  welche  Athen 
teuer  waren,  mit  der  Auswahl  zeitgemäßer  Stoffe,  mit  weisen  Regierungs- 
grundsätzen, welche  mit  der  Handlung  in  enge  Beziehung  gebracht 
sind.  Persönliche  und  parteipolitische  Anspielungen  werden  abgelehnt. 
Es  wird  der  Unterschied  hervorgehoben,  welcher  zwischen  Aschylos  und 


Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.)     ]3i 

Sophokles  einer-  und  Euripides  andererseits  in  dieser  Hinsicht  besteht' 
daß  z.  B.  Aschylos  und  Sophokles  boshafte  Anspielungen  und  Be- 
merkungen gegen  Feinde  Athens  vermeiden.  Nur  dem  Öd.  auf  Kol. 
sei  politische  Tendenz  und  einige  Feindseligkeit  gegen  Theben  nicht 
abzusprechen.  Vgl.  die  Besprechung  von  Zuretti,  Riv.  di  Filol.  1896 
S.  566—568. 

Horton-Smith  legt  dar,  wie  Sophokles  und  Shakespeare  jeder 
in  seiner  Weise  ihre  Kunst  zur  Vollkommenheit  gebracht  haben,  wie 
die  Kunst  des  Sophokles  sich  durch  Einfachheit,  die  von  Shakespeare 
durch  Mannigfaltigkeit  auszeichnet.  ,Aequabilitate,  levitate,  tempe- 
rantia  eminet  Sophocles,  Shaksperius  autem  copia,  ubertate.  abun- 
dantia." 

Die  gereimten  Übersetzungen  der  Sophokleischen  Chorika  von 
Ho  ff  mann  sind  bereits  1869  und  1870  als  Programme  des  Sophien- 
gymnasiums in  Berlin  erschienen  und  vom  Verfasser  einer  Revision 
unterzogen  worden.  Wer  sich  überhaupt  mit  solchen  Bearbeitungen 
griechischer  Chorlieder  befreunden  kann,  wird  die  wohlklingenden 
Reime  mit  Vergnügen  lesen.  Doch  muß  bemerkt  werden,  daß  der  Sinn 
des  Originals  nicht  immer  treu  festgehalten  ist. 

Hubatsch  strebt  in  seiner  Übersetzung  Wahrheit,  Klarheit  und 
Schönheit  an  und  hat  wohl  in  bezug  auf  die  beiden  letzten  Gesichts- 
punkte ziemlich  hohen  Anforderungen  entsprochen,  weniger  aber  in  be- 
zug auf  Treue  und  Wahrheit.  Die  schwächste  Seite  bilden  die  bühnen- 
technischen Bemerkungen. 

Noch  mehr  ist  der  Klarheit  die  Wahrheit  d.  h.  die  Treue  zum 
Opfer  gebracht  in  der  Übersetzung  oder  vielmehr  „Nachbildung"  von 
Bader.     Das  fehlende  Stück  sind  die  Trachinierinnen. 


Aias. 

Sophocles  the  plays  and  fragments  with  critical  notes,  commen- 
tary,  and  translation  in  english  prose  by  R.  C.  Jebb.  Part  VII. 
The  Aiax.     Cambridge  1896.     LXXni  und  258  S. 

Mit  diesem  7.  Teile  ist  die  große  Ausgabe  des  Sophokles,  über 
welche  schon  öfters  berichtet  worden  ist,  abgesehen  von  den  Fragmenten, 
zum  Abschluß  gebracht.  Ich  erwähne  hier  nur  die  Konjekturen  zu  770 
sixa  S'  ävTiov  und  869  xouSsU  eitioxaTai  acpe  auvvaieiv  tottoc  sowie  die  Er- 
klärung zu  651,  wo  ßacpT]  atäTjpoc  zum  Vorhergehenden  gezogen  wird,  wo- 
durch aber  die  Vergleichung  ihre  Bedeutung  verliert. 
Über  die  Scenerie  des  Aias  s.  oben  S.  119. 
Von  den  Bemerkungen,  welche  C.  Conradt,  Jahrb.  f.  Philol.  155 
(1897)  S.  33—48,    zu  Sophokles'  Aias  macht,    scheint  mir  nur  die  zu 

y* 


132     Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.) 

1133  besondere  Beachtung  zu  verdienen.  Er  fordert  auch  hier  für 
rrpoüjtr,  die  Bedeutung  „trat  schützend  vor  dich,  trat  für  dich  ein"*. 
Aber  izpoaT^vai  würde  in  diesem  Sinn  den  Gen.  regieren,  man  würde 
also  (jou  erwarten.  Vielleicht  stand  ursprünglich  aipaTou  für  -sio-i:  „ja 
war  Aias  dein  Feind,  als  er  der  Schutz  des  Heeres  war?" 

F.  Polle,  Jahrb.  f.  Philol.  155  (1897)  S.  256—260,  vermutet  51 
ouj'fpova;  [ein  metrischer  Fehler!],  133  cTUYOud'  uTrepxoirou; ,  269  yjjiiW 
ap'  ou  vojouvxe?  .  .  vuv;  358  sXi'Ecuv,  869  ImaTatai  ti  arjixaiveiv  toitoc, 
923  ouTcDc  tx^ii  u.  a.     Außerdem  tilgt  er  109,  321  f.,  332,  539  f. 

477  ouS'  £vic  Xozou  (oder  XoßoG)  V.  Thoresen,  Nord.  Tidsskrift 
V  (1896)  S.  56  f. 

510  f.  schlägt  E.  Holzner,  Jahrb.  f.  Philol.  153  (1896)  S.  122, 
ei  veos  Tpo^etüc  arepifjÖEi?  xxe  .  vor.  Die  Notwendigkeit  der  Änderung 
vorausgesetzt  ist  diese  ansprechend. 

706  schreibt  0.  Puschmanu,  Jahrb.  f.  Philol.  153  (1896)  S.  16 
eAü5    epe(i.vov  äyj3<;,  nicht  sehr  wahrscheinlich. 

1096  Totauta  {xcapatvouaiv  E.  Holzner,  Wochenschr.  f.  kl.  Philol. 
14  (1897)  S.  364.     Trefflich! 


Elektra. 

Die  Tragödien  des  Sophokles  zum  Schulgebrauche  mit  erklärenden 
Anmerkungen  versehen  von  N.  Wecklein.  Drittes  Bändchen: 
Elektra.     Dritte  Auflage.     München   1896.     100  S. 

Aus  der  neuen,  mehrfach  verbesserten  Auflage  erwähne  ich 
folgende  Textänderuugen:  21  f.  die  Worte  evTauö'  .  .  aXX'  sind  inter- 
poliert, 256  xoGt  für  xaGi  und  258  too'  für  xaö',  339  und  814  yp^i  für 
Sei,  538  xoGSe  für  xiovSe,  557  aviapa  für  Xur^pa  (wegen  Xut:t)p6v  in  553), 
584 — 586  sind  unecht,  709  oöi.  acpiv,  713  eaeiov,  775  xrjaoe  vt)8uos  75716?, 
1128  ücp-  für  oü-/,  1287  oio    5v  Evepöev. 

Sophokles  Elektra,  erklärt  von  Georg  Kaibel.  Leipzig, 
Teubner  1896.     VIII  und  310  S.  8. 

Diese  Ausgabe  giebt  einen  ausführlichen,  nur  allzu  ausführlichen 
Kommentar,  welcher  eine  grammatische,  sachliche,  psychologische  und 
ästhetische  Erklärung  des  Textes  bieten  will.  Über  die  vielfachen 
Mängel  und  Fehler  des  Buches  vgl.  meine  Besprechung  in  der  Berl. 
Philol.  Woch.  17  (1897)  S.  1313—1319.  Ich  erwähne  hier  die  Er- 
klärung von  ä'sxptüv  Eu'fpovr,  „dunkle  Sternenheiterkeit",  von  k^  ur.oaxpo- 
9%  725  „infolge  einer  Seitenvvendung",  von  exxov  eßoo|i,6v  xe  726  „den 
sechsten  oder  gar  siebenten  Lauf",   von  xov  ev  Ttevöet,  ,^den  Toten,  um 


Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.)     133 

den  getrauert  wurde",  70vai  jwjxaTtov  1233  ^^  au}\xaza  7e7evvT)|xeva ,  die 
Vermutungen  zu  91  jAO-fsp'  o'.xeuov,  162  euKaxpioav  yevoc,  720  etryatoc 
(schon  wegen  734  unwahrscheinlich),  723  5t<pp(p,  836  ereixiiäaa,  1394 
veoxoixia-cov  aifjLa  und  die  Annahme  einer  Lücke  zwischen  ytopouvro;  und 
si'jtTE  1323  und  nach  1458.     Alles  sehr  zweifelhaft! 

A.  0.  habe  ich  169  uiv  t'  e'fAaö'  tov  t  eoar^v,  900  ex/ap7,  Eur. 
Med.  1269  auToev-rais  vermutet. 

Theodor  Plüß,    Die  Dramaturgie    des  Sophokles    und  Kaibels 
Elektra.     Jahrb.  f.  Philol.   155  (1879)  S.  721-729. 

Nach  Urteilen,  welche  Kaibel  über  einzelne  Teile  des  Stückes  ab- 
giebt,  müßte  nach  Plüß  das  Gesamturteil  lauten:  „im  Verhältnis  der 
einzelnen  Teile  zum  Ganzen  der  Handlung  statt  Einheitlichkeit  und 
Geschlossenheit  in  bindender  Klammer  vielmehr  Diffusion  und  Kon- 
fusion ohne  Rand  und  Band,"  und  müßte  die  Elektra  als  „ein  Erzeugnis 
dramaturgischer  Velleität  und  Impotenz"  angesehen  werden.  Zum  Schluß 
bemerkt  Plüß,  daß  er  in  seiner  Elektra  (Leipzig  1891)  mit  anderer 
Methode  zu  entgegengesetzten  dramaturgischen  Ergebnissen  gelangt  sei. 

P.  Masqueray,   sur  un  passage  d'Electre  de  Sophocle.    Revue 
de  philol.   21  (1897)  S.  91—98 

will  inbetreff  des  Personenwechsels  in  den  Kommoi  für  Sophokles 
folgende  Regel  feststellen:  „Die  Person,  welche  die  Trimeter  in  der 
strophischen  Partie  vorträgt,  kann  in  der  Antistrophe  schweigen  und 
die  Erwiderung  einer  anderen  Person  überlassen.  Aber  diese  zweite 
Person  muß  in  der  Antistrophe  eine  Rolle  spielen,  welche  der  von  der 
ersten  Person  in  der  ganzen  Strophe  gespielten  Rolle  genau  entspricht. 
Es  wird  nicht  bloß  ein  Teil,  sondern  die  ganze  Rolle  abgetreten." 
Hiernach  müßte  in  dem  Kommos  El.  1398—1441,  wenn  1398—1421 
=  1422—1441,  in  der  Antistrophe  Orest  immer  Klytämestra  ersetzen, 
wenn  der  Koryphaios  an  die  Stelle  der  Elektra,  Elektra  an  die  Stelle 
des  Koryphaios  tritt.  Da  dies  nicht  der  Fall  ist,  soll  die  antistrophische 
Responsion  erst  mit  1407  beginnen.  Aber  die  von  Seidler  angesetzte 
Responsion  ist  augenscheinlich.  Aus  derselben  fallen  nur  die  Verse 
1404 f.,  1406  und  1409  heraus;  1409  fällt  auch  aus  der  von  Masqueray 
angenommenen  Responsion  heraus  und  der  Gi'und  ist  für  diese  vier 
Verse  der  gleiche.  Die  Rufe  aus  dem  Innern  und  die  Erwiderung  der- 
selben von  Seite  der  Elektra  nehmen  ebenso  an  der  Responsion  nicht 
teil  wie  die  Rufe  des  Lykos  Eur.  Herc.  749  und  754  oder  wie  die  aus 
dem  Zusammenhang  des  Klagegesangs  heraustretenden  Worte  der  El. 
Eur.  El.  125  f.  Vgl.  meine  Beiträge  zur  Krit.  des  Eur.  III  (s.  unten). 
An  die  im  vorigen  Jahresbericht  S.  78  f.  excerpierte  Abhandlung 
von  J.  Vahlen  knüpft  Th.  Plüß,  Jahrb.  f.  Philol.  153  (1896)  S.  53—62, 


134     Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.) 

verschiedene  Bemerkungen.  Zunächst  wird  die  Richtigkeit  von  TtoXXüiv 
Sv  T]xoi»,  (L  $ev',  a^iof  «piXeiv  797  bestritten  und  der  Unterschied  der  von 
Vahlen  angeführten  Belegstellen  nachgewiesen.  Zu  1005  f.  erhalten  wir 
die  Erklärung:  „Der  Gedanke,  für  ein  ehrendes  Gerede  der  Leute 
schmachvoll  sterben  zu  müssen,  ist  für  uns  noch  kein  befreiender  und 
kein  helfender  mehr:  giebt  es  doch  noch  etwas  Verhaßteres  als  Sterben, 
nämlich  wider  Willen  leben  müssen." 

J.  Oeri,  ebd.  S.  380—382,  betrachtet  die  letzte  Stelle  als 
lückenhaft  und  ergänzt:  ou  7ap  Oaveiv  e^öiatov,  aXX'  oxav  <xX£oc  sp^ou 
xaxajyeiv  suaeßoüc  irpo  toI)>    Oaveiv  ypirji^ojv   xxe. 

1370  f.    vermutet  J.  von   Leeuwen,    Mnenios.  N.  S.  24  (1896) 
S.  226  TOUTOts  TS  TOii  xaivstv  aocpoT?  vÄKkoiai. 


Ödipus  Tyrannos. 

Die  Tragödien  des  Sophokles  zum  Schulgebrauch  mit  er^ 
klärenden  Anmerkungen  versehen  von  N.  Weck  lein.  II.  Ödipus 
Tyrannos.     4.  Auflage.     München  1897.     103  S. 

Aus  der  vierten  Auflage  erwähne  ich  die  neuen  Textänderungeu 
24  901V10U  Ca^T]?,  287  e'jrpa^a  0£,  317  toüto  für  xaüxa,  344  -yqvou  (ysvou) 
61'  opyr,;,  470  7£vva?,  669  Travoixcu?  für  TravxsXöj;,  688  xaxa|xßXuvY),  1246 
|xaxa''cov  für  iraXaiüIv,   1291   [xsvcuv  apaiJiv  svoyoc  at?  rjpaaaxo. 

Sophokles  erklärt  von  Schneidewin  und  A.  Nanck.  II 
König  Ödipus.  10.  Auflage.  Neue  Bearbeitung  von  E.  Bruhn. 
Berlin  1897.     232  S. 

Der  Kommentar  hat  durch  den  neuen  Herausgeber  vielfache  Um- 
gestaltung erfahren.  Der  kritische  Anhang  ist  auf  eine  bloße  Angabe 
der  vorgenommenen  Textänderungeu  beschränkt  worden.  Sehr  zweifel- 
hafter Art  sind  fast  alle  Zusätze,  welche  Wilamowitz  zu  dem  Kommen- 
tar gemacht  hat.  V.  335  schreibt  Bruhn  opfT^veiac,  709  xexixap  für 
xeyvT]?,  1213  Wilamowitz  axwv,  1350  vofjLaooc  eul  TiXaxos.  Vgl.  meine 
Besprechung  in  der  Berl.  Philol.  Wochenschr.  1898.     No.  16. 

A.  Rademann,  Adnotationum  ad  Sophoclis  Oedipi  tyranni  v. 
863  —  910  specimen.     Gymn.  Progr.  von  Kottbus  1897.     14  S.   4. 

Die  kritische  und  exegetische  Behandlung  des  zweiten  Stasimon 
bringt  nichts  wesentlich  Neues,  das  Beachtung  verdiente. 

15  liest  S.  A.  Naber  im  Faksimile  des  cod.  Laur.  rpoffxt'ixeOa 
und  schreibt  deshalb  Trpo^/st'iJLeOa. 

Zu  246—251  bemerkt  U.  Nottola,  Bollett.  di  Filol.  class.  II 
(1896J    212 f.,    daß    die    Umstellung    der   Verse    nach    272    die  Kraft 


Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Weckiein.)     135 

der  Rede  abschwäche,  den  richtigen  Gedankeug'ang  störe  und  eine  un- 
richtig-e  Beziehung  von  -oiaoe  251   auf  270—272  nahe  lege. 

450  ft.  xavaxr,pua(Jtüv,  i^ovsa  xov  Aatstov,  outo^  aativ  evOaos  ;uvu)v, 
705  f.  t6  -f  zU  eauTov  oux  eXeuöep03T0[jier  (und  Phil.  108  xo  t|>£uor,7operv), 
715  $evT)c  Im,  815  xi's  xoGSe  7'  aXXo;  vuv  ex'  diöXtüixspo?  M.  L.  Earle 
Class.  Rev.  X.     (1896)  S.  If. 

11 35 f.  veixofXEv  öiT.lohi  -otfJLvi'otc ,  £70)  6'  svi  iTtXirjaiasOv  Pistner, 
Bl.  f.  d.  Gymnasialschulw.  33  (1867)  S.  417 f.  Dem  Sinne  nicht  sehr 
entsprechend  I 

Zu  800  weist  H.  W.  Greene,  Class.  Rev.  XI  (1897)  S.  199, 
auf  Verg.  Aen.  IV  20  Anna,  fatebor  enim,  niiseri  post  fata  Sychaei  hin. 

II.  Wetzel.  antiker  und  moderner  Staudpunkt  bei  der  Be- 
urteilung des  Sophokleischen  Dramas  , König  Ödipus".  Gymnasium 
14  (1896).     S.  444— 454  und  485—494. 

„Ödipus  ist  frei  von  jeder  sittlichen  Schuld:  er  ist  von  Apollo  zu 
seinen   Greuelthaten    verleitet    worden,    damit  sein    bereits  dem   Laios 
prophezeites    Schicksal   sich    erfülle.     Der  König  Ödipus   ist   also  eine 
Schicksalstragödie  und  zwar  in  krassester  Form:    Göttermacht  verführt 
den  Helden  zu  Frevelthaten,  die  er  bei  klarer  Erkenntnis  und  völliger 
Willensfreiheit  nimmer  begangen  haben  v^ürde."    So  richtig  uns  der  erste 
Satz  erscheint  und  so  wahr  es  ist,  daß  Ödipus  nimmer  seine  TJuthaten  be- 
gangen haben  würde,  wenn  das  Orakel  anders  gelautet  hätte,  so  glauben 
wir  doch  nicht,  daß  Sophokles    eine    absichtliche  Verführung  durch 
die  Gottheit  angenommen  hat.     Die  Stelle,  welche  der  Verf.  dafür  an- 
führt,   1329  f.    wird    richtiger    auf  das    dem  Kreon  erteilte  Orakel  be- 
zogen.    Von  einer  Buße  des  Sohnes  für  die  Schuld  des  Vaters  ist  im 
Stück  keine  Rede.    Im  übrigen  vgl.  die  Einleitung  zu  meiner  Ausgabe 
(München  1897).  —  Die  Auffassung    von    Gcpeip-c    roX-J,  „fand  im  Ge- 
heimen   weitere  Verbreitung*,    können  wir    nicht   billigen.     Mit  Recht 
aber  wird  bemerkt,    daß  {iiyOyjvat  791    zwar    im  Sinne  des  Gottes  eine 
Heirat  bedeute,    aber    auch    nur    von    geschlechtlichem  Verkehr    ver- 
standen werden  könne  und  von  Ödipus  verstanden  und  deshalb  als  Ur- 
sache   des  Vatermords    aufgefaßt    werde,    ferner    daß  Ödipus    niemals 
daran  gezweifelt  habe,  daß  Merope  seine  Mutter  sei. 

Ödipus  in  Kolonos. 

J.  Hooykaas,  De  Sophoclis  Oedipo  Coloneo.     Diss.  von  Leiden 
1896.     104  S. 

Der  Held  des  Stückes  erscheint  dem  Verf.  nicht  als  heilig,  sondern 
als  sündhaft.   Im  Leben  des  Ödipus  offenbare  sich  nicht  die  Macht  der 


136     Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.) 

Erinyen,  sondern  nur  die  Gnade  der  oberen  Götter.  Das  Drama  ver- 
dient nach  der  Ansicht  des  Verf.  nicht  die  große  Bewunderung ,  da 
ihm  die  letzte  Feile  fehle.  Die  Ansicht,  daß  ein  großer  Teil  desselben 
in  einer  früheren  Zeit  gedichtet  und  daß  der  Dichter  über  der  voll- 
ständigen Ausarbeitung  weggestorben  sei,  ist  nicht  neu.  —  Eur.  Phoen. 
61  vermutet  der  Verf.  öeivov  EfjLpaXXsi  axoxov. 


Antigone. 

Die  Tragödien  des  Sophokles  zum  Schulgebrauch  mit  erklärenden 
Anmerkungen  versehen  von  N.  "W ecklein.  I.  Antigone.  5.  Auf- 
lage.    München  1897.     105  8. 

Aus  der  an  mehreren  Stellen  berichtigten  neuen  Auflage  erwähne 
ich  die  Änderung  von  ouaaeß^  in  öoafXEv^  514  und  von  Sv  XeYei?  in  S 
^v{tii  1057. 

J.  L.  Margrand  er,  Proceedings  of  the  American  Philological 
Association  XXVIII  (1897)  S.  57 f.,  will  V.  3  zu  onoiov  ou^i  ergänzen 
Ixiltaz  aus  teXsT,  was  unmöglich  ist;  1097  soll  ev  osivw  konzessive  Be- 
deutung haben  (,bei  allem  Argen"),  was  avtioravTa  als  Gegensatz  zu 
eixadeiv  ausschließen  würde. 

F.  Blaß,  zu  Sophokles'  Antigone  und  Piatons  Protagoras.   Jahrb. 
f.  Phüol.  155  (1897)  S.  477-480, 

führt  aus,  daß  die  Ähnlichkeit  der  Gedanken  im  ersten  Stasimon  der 
Antigone  und  in  dem  kulturhistorischen  Mythus,  welchen  Piaton  dem 
Protagoras  in  den  Mund  legt,  anf  ein  Orphisches  Gedicht  hinzuweisen 
scheine,  wie  ein  solches  bei  Sext.  Empir.  adv.  math.  II  31  angeführt  wird : 

^v  ypovo?,  fjvtxa  ^tuxes  a;:'  dXXif^Xtüv  ßiov  eiyov 
aapxooax^,  xpetaatuv  oe  xov  ^jffova  (ftoxa.  oatZev. 

Unter  Hinweis  auf  die  Gedanken  jenes  Mythus  glaubt  er  zapeipuiv 
368  mit  Seyffert  „einfügend  in,  verbindend  mit",  nämlich  etc  rrjv  xexvrjv 
erklären  zu  können.  Außerdem  schreibt  er,  damit  te^^vt)  Subjekt  zu 
E^ioa^axo  356  werden  kann,  351  mTiov  e^^et  ^r/va  djicpiXocpov  ^u^ov  und 
ergänzt  357  Tia-^wv  <Tt6p'>  ai'&pia.  Es  ist  schwer,  aus  xe-/va  das  Subjekt 
zu  eStoaEaxo  zu  entnehmen.  Diese  stilistische  Härte  ist  dem  Dichter 
kaum  beizumessen. 

904  xai'xoi  IE  xipLTjCjasa  Th.  Korse h,  Filol.  obozr.  IX  p.  162. 
Fehlerhaft! 

Die  bekannte  Stelle  904  ff.  will  J.  Waßmer,  Jahrb.  f.  Philol. 
155  (1897)  S.  701  — 704,  als  Nachwirkung  aus  den  alten  Zuständen,  wo 
das  Mutterrecht  in  Kraft  war,  rechtfertigen :  der  Bruder  steht  nach  der 


Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.)     137 

AnscbauuDg  jener  Zeit  der  Schwester  und  deren  Kindern  näher  als  der 
Gatte  und  Vater,  als  selbst  die  Kinder. 

Über  die  gleiche  Stelle  handelt  H.  Macnaghten  Journal  of 
Philol.  48  S.  171—177,  bringt  aber  für  deren  Unechtheit  nichts 
bei,  was  nicht  schon  längst  gesagt  wäre.  Durch  Mißverständnis  der 
Worte  Toiao'  ä'pvujxai  soll  Jophon  zur  Interpolation  veranlaßt  worden 
sein.    Neu  ist,  was 

Ge.  Kai  bei,  de  Sophoclis  Autigona.  Universitätsschrift  von 
Göttingen.  27  S. 
für  die  Echtheit  der  Stelle  vorbringt.  Hiernach  hat  der  Beifall,  welchen 
die  bekannte  Bemerkung  Goethes  gefunden  hat,  darin  seinen  Grund, 
daß  man  allgemein  die  Beweggründe  der  Antigone  falsch  aufgefaßt 
hat.  Diese  handelt  nicht,  um  der  religiösen  Pflicht  zu  genügen,  sondern 
tritt  nur  ein  für  die  Rechte  ihres  Geschlechts  und  ihres  Bruders  dem 
Usurpator  gegenüber.  Das  heißt  doch  geradezu  die  Sache  auf  den 
Kopf  stellen  und  alles  ignorieren,  was  Antigone  sagt.  Aber  die  Sprache 
des  Dramas  hat  nicht  die  Aufgabe,  die  Gedanken  zu  verbergen.  Auch  im 
einzelnen  treten  uns  horrende  Dinge  entgegen.  Bei  6-'  eXTitouiv  avopa? 
To  xspoo;  -oXXotxt?  oicuXsjev  221  soll  Kreon  schon  an  Antigone  denken, 
gerade  das  Gegenteil  von  dem,  was  der  Dichter  beabsichtigt.  Bei  der 
Konjektur  aol-aüx  ötpsaxeiv,  rat  Mevoixeojj,  ypeiuv211  möchte  man  meinen, 
die  Kritik  habe  seit  den  Tagen  Reiskes  keine  Fortschritte  gemacht. 
Statt  die  Erkenntnis,  daß  Kpscov  unnütze  Ergänzung  zu  -ai  Msvoixecüc 
ist,  für  die  Möglichkeit,  den  Acc.  xov  öujvouv  verständlich  zu  machen, 
zu  verwerten,  wird  das  unbrauchbare  ypstov  hereingebracht.  Aber 
Kaibel  kann  auch  den  Acc.  toXiv  erklären  in  seinem  neuen  Texte  -rrpoßäs' 
i-'    eV/atov  öpaarou?  u^pYjX6v  ec  Ai'xac  [^aöpov     ^ipoaETreas?,  cu  texvov,   toXiv. 

H.  Guhrauer,  Antigone  und  Ismene.  Gymu.-Progr.  von  Witten- 
berg 1896.  13  S., 
betrachtet  die  Schroflfheit,  mit  welcher  Antigone  ihre  Schwester  6311f. 
behandelt,  nicht  als  natürlichen  Ausfluß  des  Charakters,  wie  er  uns  im 
Vorhergehenden  gezeichnet  ist,  sondern  als  Berechnung,  um  Kreon  und 
den  Chor  sicher  von  der  Unschuld  der  Ismene  zu  überzeugen.  Nicht 
ganz  in  Einklang  mit  dieser  Annahme  steht  die  weitere  Ausführung, 
daß  die  Schroffheit  durch  den  Vortrag  und  das  Spiel  des  Schauspielers 
gemildert  werden  müsse. 

J.  Überegger,    Zur  Schuldfrage  der  Antigone    des    Sophokles. 
Progr.  des  deutschen  Staats-Gymn.  in  Olmütz  1896.     18  S. 

„Leidenschaftliche  Unbesonnenheit-bei  der  Verfolgung  der  edelsten 
Ziele  hat  für  Antigone  den  Tod  zur  Folge,  führt  aber  Kreon  zu  einer 
Vereinsamung,  die  noch  furchtbarer  ist  als  der  Tod." 


138     Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratui-.  (Wecklein.) 

Ernst  Reinhard  Gast,  Die  Schuld  der  Sophokleischen  Antigene. 
Jahrb.  f.  Philol.   155  (1897)  S.  261—269. 

Die  Gedanken,  welche  hier  ausgeführt  werden,  finden  sich  bereits 
in  der  Einleitung  zu  meiner  Ausgabe,  welche  dem  Verf.  unbekannt  zu 
sein  scheint.  „Wenn  in  dem  freiwilligen  Tode  Antigenes  Trotz  sozu- 
sagen den  Gipfelpunkt  erreicht,  ihre  Schuld  voll  macht,  so  liegt  darin 
zugleich  ihre  Strafe  —  Antigones  Tod  ist  beides  in  einem,  Schuld 
und  Strafe." 

Antigene,  eine  Tragödie  des  Sophokles,    übersetzt  und  heraus- 
gegeben von  Yeit  Valentin.     Dresden  1895.     68  S. 

Durch  dieses  oberflächliche  Machwerk  soll  den  Schülern  des 
Realgymnasiums  das  richtige  Verständnis  für  die  Sophokleische  Dichtung 
beigebracht  werden.  Es  ist  bezeichnend,  daß  z£iJO[xai  96  als  Fat.  von 
iT£t9o[jLa'  betrachtet  wird. 

Philektetes. 

Die  Tragödien  des  Sophokles  zum  Schulgebrauch  mit  erklärenden 
Anmerkungen  versehen  von  N.  Wecklein.  VI.  Philektetes.  3.  Auf- 
lage.   München  1896.     91  S. 

Aus  der  dritten  Auflage  erwähne  ich  die  neuen  Textänderungen 
338  eXe^^ü),  481  f.  ottoi  für  otttj  und  ojtyj  für  ottoi,  619  tsixsTv,  650  8uy)v 
für  TTGtvü,  825  atixojraYTj;,  1196  oi  für  w,',  1367  ?j  für  a,  1391  s  a$oua 
für  joi^ous',  1398  0  .  .  TouTo  für  S  .  .  xaG-a. 


Trachinierinnen. 

Th.  Zielin  ski,    Exkurse    zu    den    Trachinierinnen.     Philol.   55 
(1896)  S.  491-540  und  577—633. 

Der  erste  Exkurs  behandelt  die  Entwickeluug  des  Herakles- 
mythus, wobei  von  dem  verklärten  Herakles  des  Dodekathlos,  welcher 
der  peloponnesischen  Sage  angehöre,  der  Herakles  der  Zeusreligien, 
der  Herakles  der  pyläischen  Sage,  welcher  in  die  Unterwelt  komme, 
unterschieden  wird.  Schon  diese  Ausführung  beweist,  daß  der  Verf. 
vielfach  mit  unbewiesenen  Hypothesen  und  Phantasien  operiert.  Den 
gleichen  Eindruck  hinterlassen  auch  die  folgenden  Exkurse.  Zu  228 
wird  ein  .Seelenkampf  des  Lichas  konstruiert:  „Lichas,  der  bis 
dahin  auf  die  Gefangenen  acht  gegeben  hatte,  wendet  sich  bei  der 
Anrede  der  Deianira  überrascht  zu  dieser;  bei  ihrem  Anblick  zuckt  er 
zusammen  und  senkt  betreffen  die  Augen:  seine  Bewegungen  lassen  auf 


Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  {Wecklein. )     139 

einen  furchtbaren  Seelenkampf  schließen.  Deiauira,  durch  sein  selt- 
sames Betragen  stutzig  gemacht,  fügt  mit  verändertem  Tone  halblaut 
hinzu:  yapTov  si'  -'.  xal  (pepetc.  Lichas  mühsam  nach  Fassung  ringend 
u.  s.  w."  Auf  grund  dieser  Entdeckung  werden  „Sprechstücke"  und 
„Spielstücke"  unterschieden.  Weil  die  Trachinierinnen  ein  Spielstück 
sind,  giebt  es  darin  so  vieles,  was  die  Interpreten  falsch  auffassen, 
weil  sie  sich  das  Spiel  nicht  lebhaft  genug  vergegenwärtigen;  z.  B. 
hat  erst  Zielinski  entdeckt,  daß  mit  xi'va  402  der  Bote  sich  selber  meint. 
Wie  ist  das  denkbar,  wenn  Lichas  vorher  noch  kein  Wort  mit  dem 
Boten  gesprochen  hat?  „Daß  nach  airoaxT^TU)  434  der  Bote  abgeführt 
wird,  ist  für  jeden,  der  sich  das  Stück  gespielt  denkt,  selbstverständlich." 
Wie  kann  man  eine  Stelle  so  mißverstehen!  ,, Herakles'  Liebe  zu  Jole 
ist  sein  erster  und  einziger  Treubruch."  Was  Deiauira  459  f.  sagt,  soll 
nur  geschwindelt  sein,  um  dem  Lichas  alle  Bedenken  auszureden.  Da 
V.  544  das  Gegenteil  mit  aller  Bestimmtheit  sagt,  wird  dieser  als  un- 
echt erklärt.  Reine  Willkür!  Wenn  dagegen  der  folgende  Exkurs 
darlegt,  daß  Deiauira  bei  dem  Prologe  am  Webstuhl  beschäftigt  sei, 
um  das  Gewand  für  Herakles  zu  fertigen,  daß  sie  während  der  Parodos 
fortwebe  und  schließlich  das  Gewand  irgendwo  auf  der  Bühne  hinhänge, 
wo  ihr  Blick  es  425  leicht  treffen  könne  (Wendepunkt  des  Dramas), 
so  nenne  ich  das  nicht  bodenlose  Willkür,  wie  Verf.  fürchtet,  sondern 
Phantasie.  Übrigens  haben  wir  doch  nicht  die  Vorstellung,  daß  die 
Königinnen  und  Königstöchter  sich  für  gewöhnlich  den  Webstuhl 
vor  den  Palast  tragen  lassen.  Das  Lied  von  Herakles'  Liebe  (das 
erste  Stasimon)  soll  den  Zauber,  welchen  eben  Deianira  im  Hause  ins 
Werk  setzt,  wirksam  machen.  Die  Mädchen  haben  allerdings  von 
diesem  Zauber  noch  nichts  gehört  und  wissen  wohl  nichts  davon,  aber 
kraft  ihres  weiblichen  Ahnungsvermögens  haben  sie  doch  Kenntnis. 
Haben  auch  die  Griechen  wie  die  Germanen  Jungfrauen  prophetische 
Gabe  zuerkannt?  V.  584  heißt  'ftXxpotc  ty^vSs  'j7:£p|^aXXejOai  nicht 
,, durch  Liebeszauber  über  dieses  Mädchen  die  Oberband  gewinnen"  wie 
etwa  Eur.  Or.  691  fia-/Trj  uirepßaXXe^öai  "Ap^o?,  sondern  „einen  stärkeren 
Liebeszauber  als  diese  anwenden",  also  wirft  Deianira  auf  Jole  den 
Verdacht,  ihren  Gatten  durch  Zauberkünste  an  sich  gefesselt  zu  haben. 
Wenn  491  voaov  sTCaxTÖv  die  durch  fremden  Zauber  verursachte  Liebes- 
krankheit (des  Herakles)  bezeichnen  soll,  so  möchten  wir  den  Sinn  des 
Mediums  erfahren.  Diese  Verdächtigung  der  Jole  soll  dem  Epos 
Oi/aXia;  aXtuai?  entnommen  sein.  —  Die  Handlung  der  Trachinierinnen 
spielt,  am  Tage  vor  der  letzten  Nacht  des  Skirophorion  und  des 
griechischen  Mondjahres.  Die  12  Monate  648  beziehen  sich  nur  auf  den 
Aufenthalt  des  Herakles  über  der  See  (zsXa^tov)  d.  i.  bei  der  Omphale, 
und  824  f.  ist  teXeoixYjvov  ey.cpepot  ocuosxaxov  apoxo?  zu  lesen  in  dem  Sinne 


140     Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.) 

..sobald  das  laufende  Jahr  seinen  zwölften  Monat  voll  zu  Ende  trägt, 
wie  das  Weib  die  Leibesfrucht".  —  Bei  V.  204  tritt  Deianira  mit  dem 
Boten  ab,  um  diesen  zu  bewirten ,  welcher  deshalb  nachher  (noch  vor 
248)  angeheitert  auftritt.  Der  ganze  Bericht  des  Lichas  wird  von 
dem  Gebärdenspiel  des  betrunkenen  Boten  begleitet.  —  V.  741  wird 
der  Chorführerin  gegeben.  —  „Sophokles  hatte  nach  870  einen  Kommos 
folgen  lassen,  von  dem  nur  das  Ende,  mit  dem  unverständlichen  -/uvat 
Huv-peyei  880  beginnend  und  vielfach  verderbt,  erhalten  ist.  Das  machte 
für  die  Rolle  des  Tritagonisten  einen  Sänger  nötig;  da  man  das  un- 
bequem fand,  wurde  der  Kommos  in  Trimeter  umgedichtet,  und  diese 
Umdichtung  liögt  uns  als  871— 879-1-8914-898  f.  vor."  Am  inter- 
essantesten ist  mir  die  Äußerung,  875  sei  der  fatalste  Vers  im  ganzen 
Sophokles.  Was  soll  man  hierzu  sagen?!  Der  Botenbericht  900 flf.  er- 
innert, wie  schon  von  anderen  bemerkt  worden  ist,  in  mehreren  Stellen 
an  die  Erzählung  der  Magd  Eur.  Alk.  152  ff.  Euripides  soll  der  Nach- 
ahmer sein.  Dem  entsprechend  wird  die  Aufführungszeit  der  Trach. 
der  der  Antigone  ganz  nahe  gerückt.  Aber  vgl.  meine  Bearbeitung  der 
Wunderschen  Ausgabe  p.  6.  —  Bemerkenswerte  Beobachtungen  bringt 
der  neunte  Exkurs  über  Sophokles  als  Arzt  und  zwar  als  Chirurgen. 
Jedenfalls  ergiebt  sich  daraus,  daß  z.  B.  die  Beschreibung  der  Wirkung 
des  Giftes  in  den  Trachinierinnen  weit  mehr  realen  Hintergrund  hat 
als  ähnliche  Beschreibungen  bei  Euripides  (Medea).  Die  Erklärungen 
zu  766:  „das  Feuer  entzündet  sich  langsam,  da  es  mit  dem  Blute  der 
Opfertiere  nnd  mit  der  Feuchtigkeit  des  frischen  Holzes  zu  ringen  hatte," 
zu  1002  öaüjia  Tiopptüftev:  „ein  Wundermärchen  aus  uralter  Zeit"  sind 
mit  Entschiedenheit  abzuweisen.  —  „In  Trachis  bringen  die  Waffen- 
gefährten, da  Hyllos  mit  der  Sänfte  zu  lange  ausbleibt,  den  Kranken 
auf  ihren  eigenen  Armen  in  die  Stadt."  Warum  nicht  auf  der  nächsten 
besten  Tragbahre'?  Auf  ein  Lager  weist  ja  -oT  xXiveis  1008  ent- 
schieden hin.  —  Wenig  oder  keine  Wahrscheinlichkeit  haben  die  Kon- 
jekturen zu  363  TTovwv  (für  dpoviov  neben  spYaTYjv),  517  ^v  ö'ap'  onXoJv 
zaTa-fo?,  526  e^w  81  OaTYjp  [xev  oia  cppaCoJ,  Lücke  nach  628,  560  'Tropeoe 
■/Epaov,  573  9ap£oiv  (für  /epaiv),  835  -<ü;  ?8'  av  sTEpov  oeXtov  ,  .  cpddfxaTi  (von 
'f£v-  s.  V.  a.  vergossenes  Blut,  ebenso  soll  rpocpasic  662  ^^  :tpopp£ov  at}ia 
sein),  839  ooXioixuftou,  1040  w  ^ioq  au9at|X(uv  ist  interpoliert,  ebenso  1127  f., 
Oed.  Tyr.  464  sToe  nach  dem  Schol.,  Ant.  782  ev  3ai}xoai.  Ansprechend 
dagegen  ist  die  Ändeniag  von  xive?  504  in  tivwv,  so  daß  die  Antistrophe 
die  Antwort  auf   Ttve;  xaxe^jav,    die  Epode  auf  xi'vujv  .  .  dt'/tovojv    giebt. 

Th.   Zielinski,  Über   die  Aufführungszeit    der  Trachinierinnen 
des  Sophokles.     Filolog.  obozrenije  X  (1897)  S.  211—232. 

Nach  dem  Referat    in    der  Wochenschr.    f.  klass.    Philol.    1897 


Bericht  über  die  die  griecli.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.)     141 

S.  698  versucht  Z.  den  Nachweis  für  die  schon  in  der  vorher  excer- 
pierteu  Abhandlung  ausgesprochene  Ansicht,  daß  die  Trachinierinnen 
bald  nach  dem  J.  445,  jedenfalls  vor  dem  J.  438  aufgeführt  worden  seien. 

.31  xdt9uoa|jLev  Se  M.  L.  Earle,  Transactions  of  the  Americ.  Philol. 
Assoc.  XXVI  p.  III  sq. 

660  will  Tyrrell,  Class.  Rev.  X  (1896)  S.  158.  iravr^ixepoc  von 
T]Ix£po;  ableiten  (all-peacefui).     Nicht  neu. 

781  f.  schreibt  F.  D.  Allen,  Class.  Rev.  XI  (1897)  S.  259  f., 
mit  Hense  y.oTzfi  6e  und  nach  einer  von  Hayley  und  ihm  selbst  gefundenen 
Verbesserung  SiaoTCapevxo;  aTixaxo;  doXou. 

A.  W.  Verrall,    The  Calendar  in  the  Trachiniae  of  Sophocles. 
Class.  Rev.  X  (1896)  -S.  85—92. 

Die  Zeitbestimmungen  in  den  Trachinierinnen  benutzt  Verrall 
zu  einer  ansprechenden  Hypothese.  Die  zwölf  Jahre  in  dem  Orakel 
des  Herakles  bilden  ein  „großes  Jahr"  ({J-e-^ac  eviautoc),  dessen  Abschluß» 
mit  12  vollkommenen  Rindern  (öwSsx'  Ey.-csXerc  pouc  760)  und  nach  alter 
Weise  mit  einer  Hekatombe  gefeiert  wird  (V.  761).  Ursprünglich 
rechnete  man  nämlich  nach  Monaten  von  30  Tagen,  und  10  Monate 
bildeten  ein  Jahr,  10X10  Monate  ein  großes  Jahr,  dessen  Abschluß 
mit  einem  Festopfer  von  100  Rindern  gefeiert  wurde.  Das  Bedürfnis 
des  Ackerbaus  führte  zum  Sonnenjahr  mit  12  Monaten  von  gleichfalls 
30  Tagen,  und  das  Fest  des  großen  Jahres  von  12  Jahren  wurde  mit 
12  Rindern  unter  Beibehaltung  der  herkömmlichen  Hekatombe  begangen. 
Der  Ausdruck  t£XcO[jlyjvo^  excpspot  ocoöexato?  apoxo;  erinnert  an  die  Aus- 
gleichung des  Sonnenjahres  mit  dem  natürlichen  (äpoxoc).  Dem  letzten 
Jahre  der  Dodekaeteris  wurden  die  zu  wenig  gerechneten  60  Tage  bei- 
gezählt und  zwar  dem  letzten  Monat,  so  daß  dieser  90  Tage,  also 
3  Monate  (/povo;  xpi|XT)vo?  164)  enthielt.  So  entstand  die  Vorstellung 
von  den  15  Monaten  (V.  44)  für  die  letzte  Arbeit  des  Herakles. 

Euripides. 
U.  de  Wilamowitz-Moellendorff,   Commentariolum  metricum 
I.  Ind.  lect.  aestiv.  von  Göttingen  1895.     32  S. 

A.  Mancini,  Euripidea.    Rassegna  di  Antichita  Classica  I  (1896) 
p.  173—183. 

Otto  Schnitze,  disquisitiones  Euripideae  ad  recensionem  poste- 
rioris  ordinis  fabularum  pertinentes.     Diss.  von  Berlin  1896.     32  S. 

H.  W.  Hayley,    Varia    critica   in   Harvard   Studies    in    class. 
philol.  VII  (1896),  S.  219—222  zu  Euripides. 


142     Bericht  über  die  die  griech,  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.) 

N.  Wecklein,  Beiträge  zur  Kritik  des  Euripides.  II.  Sitzungsb. 
der  Ak.  zu  Miincben  1896  S.  449— 536.    III.  Ebd.    1897.    S.  445— 496. 

E.  Schwartz,    Zu  Euripides.     Hermes  32  (1897)  S.  493—496. 

F.  Hofinger,  Euripides  und  seine  Sentenzen.  I.  Teil.  Gymn.- 
Progr.  von  Schweiufurt.     1896.     39  S. 

0.  Zuretti,  la  raisoginia  in  Euripide.  Riv.  di  filol.  25  (1897) 
S.  53—84. 

R.  Fairclough,  an  important  side  of  Aristophanes'  criticism  of 
Euripides.  Transactions  of  the  American  Philol.  Assoc.  27  (1896) 
p.  XIX  sq. 

Halbertsma  (s.  oben  S.  107)  schlägt  zahlreiche  Änderungen  zu 
fast  allen  Stücken  vor. 

W.  Headlam  (s.  oben  S.  107)  vermutet  Bacch.  1152  xaXos  i-^utv, 
aiixoorafTJ  ytipa.  jreptßaXeiv  -cexvio,  Iph.  Aul.  1383  xdjxov  xXe'os,  1395  ei 
ßeßouXTjtai  (oder  ßeßouXeuxai)  6e  (j(ü}jLa,  frg.  299  taXXa  7'  doOev^,  334  %if- 

boVOlC   TjÖTj    ßpoTuiv,    433    i-fü)    Ö£   <fy\\Li. 

In  der  Abhandlung  von  Wilamowitz  werden  mehrere  Chor- 
partien der  Hiketides  und  Troades  metrisch  und  kritisch  behandelt. 
Von  den  Konjekturen  verdienen  vielleicht  folgende  erwähnt  zu  werden: 
Hik.  599  yXiüpov  oeo?,  604  aTepvcov  t'  dv  'Aawirov  (nach  Reiske,  aber 
metrisch  fehlerhaft),  921  oujtu-/^;  q\  1135  :r6voc  Ifio;  xexvwv,  Tro.  513 
d'piov  ouv  oaxpuois,  556  xateaye  (überflüssig,  wie  das  Folgende  zeigt), 
1069  £tu  für  dXi'ü),  1113  XaXxoTTuXov  xe  »^eac,  1236  oiooüja  x^'P'i  1325 
7Tep7dp.ü)v  6  xTUTTo;.  Anderes  ist  nicht  neu.  Mit  TrafjL^arjc  oeXdva  7:up6s 
[jieXaivav  ai-j'Ka^  eowxev  uttvoj  (und  529  aSovai?  xe/ap|xevoi)  wird  Sinn  und 
Versmaß  verdorben.  Überhaupt  muß  man  über  manche  Interpretation 
staunen,  z.  B.  über  das  Mißverständnis  von  cpoßwv  -laxtc  a6e  TrpwTa 
Hik.  627  „quamquam  timoris  hoc  maximum  siguum  est,  deos  precamur." 

Mancini  vermutet  unter  anderem  Hei.  864  xd  x'  eixd  xaxd  jjieXa- 
dpa,  915  -axT,p  für  öavwv  und  tilgt  785—787,  1218—1221  und  andere 
Verse. 

0.  Schnitze  weist  nach,  daß  die  doppelten  Lesarten,  welche 
die  Handschriften  L  P  von  zweiter  Hand  bieten,  fast  sämtlich  auf  Kon- 
jektur beruhen,  nicht  aus  einer  älteren  Handschrift  stammen. 

Bei  meiner  Besprechung  der  Abhandlung  in  der  Berl.  Philol. 
Woch.  XVn  ((1897)  S.  1348  habe  ich  die  Konjektur  für  alle  in  Anspruch 
genommen  und  Iph.  A.  109  xax'  sucppovY);  axoxov,  Ion  456  u)  fidxap''07xa 
vermutet.  Asch.  Sieb.  1030  f.  will  Schnitze  xoXtto) 'fepouoa  und  xai  77) 
(so  Dobree  für  xauxri)  umstellen.  Diese  Umstellung  ist  bereits  im  Anhange 
meiner  Ausgabe  von  1891  vorgeschlagen. 


Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.   (Weckleia.)     143 

Hayley    vermutet    Hipp.   1189    eo   xaaiv   für  dvxaTaiv,    Alk.  321 
vTjXi»  für  jjLrjvoc  (schon  früher  0.  Höfer),  888  t%  urep  dX^eiv. 

Im  zweiten  Teile  meiner  Beiträge  zur  Kritik  des  Euripides 
(vgl.  Band  88  S.  100  f.)  behandle  ich  die  freieren  Methoden  der  Kritik, 
zunächst  diejenige,  welche  ich  als  die  psychologische  bezeichne,  welche 
wohl  da  und  dort  beachtet  wird,  aber  noch  nicht  zu  voller  Erkenntnis 
gebracht  ist.  Ihr  unterliegen  diejenigen  Fehler,  welche  durch  falsche 
Beziehung,  durch  unrichtige  Auffassung  der  Konstruktion,  durch  Miß- 
verständnis des  Sinnes  entstanden  sind.  Eine  wichtige  Regel  bei  diesem 
Verfahren  ist,  daß  bei  Änderung  der  Kasusendung  ohne  Rücksicht  auf 
die  Buchstaben  der  Numerus  beibehalten  wird.  Oft  wurde  eine  Prä- 
position falsch  bezogen;  so  wurde  z.  B.  Phoen.  1749  ou  S'  (i[jL<pißco[jLiot? 
XiTai;  zu  aü  o  (i|x<pi  ß(ü|xiou;  Xirac  Sehr  häufig  wurde  der  Kasus  eines 
Wortes  durch  die  Umgebung  beeinflußt,  wie  Hik.  787  ypovoi  TraXaio; 
irarfjp  (ucps)'  a|j.epa  xxi'aat  aus  ypovoc  iraXaia;  iraxTjp  ui<psX'  otfAepi;  xTi'aat 
entstand.  Wie  Hei.  433  Ix  6e  }xt)  e/ovtiuv  ßi'ov  für  oi  6e  |x-?j  e/ovre;  ßi'ov 
überliefert  ist  wegen  des  parallel  stehenden  s'x  7e  rXouaiwv  66[j.u)v,  so 
sind  oft  die  Endungen  der  Verba  und  die  Personen  verändert  worden. 
Wegen  der  Anrede  w  Catav  hat  man  z.  B.  euai'cuv  eiriv  Ion  127  in  eui« 
verwandelt.  Auch  naheliegende  Worte  hat  man  infolge  Mißverständnisses 
an  die  Stelle  der  überlieferten  gesetzt,  sogar  davaxov  an  Stelle  von 
ßt'oTov  (eYxotptspT^au)  ßiotov)  Herc.  1351.  So  konnte  überhaupt  der  Zu- 
sammenhang der  Gedanken  ein  Mißverständnis  der  Art  herbeiführen  und 
die  Erwartung  der  gewohnten  Wendung  eine  Änderung  des  Textes  ver- 
anlassen. So  ist  TcavxayjQ  ydp  ajTsco;  lon  1107  aus  -avxa  yüipov  aaxscüc 
entstanden.  —  Das  zweite  über  die  Buchstaben  der  Überlieferung  sich 
hinwegsetzende  Verfahren  ist  die  besonders  durch  Heimsoeth  zur  An- 
erkennung gebrachte  Methode,  welche  vor  allem  die  Einsetzung  synonymer 
Wörter  ins  Auge  faßt.  Der  Nachweis  wie  die  Einsetzung  von  Synonyma 
den  Text  des  Euripides  in  ausgedehnter  Weise  alteriert  hat  und  zwar 
zu  einer  Zeit,  wo  die  Sprache  des  Dramas  noch  auf  der  Bühne  lebte,  führt 
nebenbei  zu  der  Beobachtung,  daß  die  Handschrift  B  in  diesem  Punkte  sehr 
unzuverlässig  ist  und  daß  z.  B.  in  den  Troades  bei  synonymen  Ausdrücken 
die  Lesart  von  P  größere  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat.  Wie  aiöepo? 
und  oupavoü  (Hei.  33,  613,  Phoen.  84),  T^fxaxi  und  Tjfispa  (Hek.  44,  Hei. 
879),  oyöaiijtv  und  dxxa'aiv  (Hei.  611)  vertauscht  wurden,  so  sind  oft 
auch  Ausdrücke,  welche  der  Sache,  dem  Wortlaut  oder  Wortbild  nahe- 
liegen, eingesetzt  worden,  z.  B.  eu^evi^s  für  suxXet^?  Heraklid.  324  oder 
für  £'j7:p£-rj;  Ion  242  oder  e-ixu/e;  für  euaxojjLov  ebd.  753.  Das  Eindringen 
erklärender  Wörter  hat  häufig,  besonders  in  Chorgesängen,  das  Metrum 
in    Unordnung    gebracht.     Andrem.   476    z.  B.  ist    xexxovotv    H'    3|jivotv 


144     Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur,  (Wecklein.) 

spfaraiv  ouoiv  für  ivo;  »^"  ujxvoio  TsxTovotv  öuotv  überliefert.  Die  beiden 
Abschnitte  ergeben  den  Grundsatz,  daß  die  Änderung?  der  Kasnsendnngen 
unbedenklich  dann  ist,  wenn  sich  ein  psychologisches  Moment  für  den  fehler- 
haften Kasus  finden  läßt.  —  Im  Nachtrage  zum  ersten  Teil  wird  der  Mangel 
der  Verbindung  als  Wahrzeichen  der  Interpolation  an  Or.  1137 — 1139 
dargethan;  ebenso  ^v  als  erste  Person  Singular.  Diejenigen,  welche 
sich  schwer  zur  Annahme  einer  Interpolation  entschließen,  mögen  über- 
legen, ob  es  nicht  El.  304  ei  7dp  jrpoXei<]^sic  (ohne  \iz,  „wenn  dir  die 
Kräfte  ausgehen«,  vgl.  Hek.  438)  heißen  muß  und  die  V.  307—310 
auszuscheiden  sind. 

Der  dritte  Teil  handelt  über  die  Chortechnik  des  Euripides.  Wie 
bei  Aschylos,  so  ist  auch  bei  Sophokles  von  Prooden,  Mesoden  und  künst- 
licher Verflechtung  der  Strophen  keine  Rede.  Das  gleiche  Gesetz  gilt 
auch  für  Euripides.  Auch  von  ihm  ist  die  künstliche  Verflechtung  von 
Strophen  und  Antistrophen  abzulehnen.  Über  Andr.  1197 — 1225,  welche 
Partie  allein  eine  Ausnahme  zu  machen  schien,  vgl.  oben  S.  112  unter 
llasqueray.  In  der  Monodie  der  Elektra  1 12 — 166  wird  die  Regelmäßigkeit 
der  Anordnung  durch  Annahme  eines  Ephymnion  gewonnen.  Ebenso 
füllen  sich  die  Lücken  durch  die  gleiche  Annahme  ebd.  1154  und  1181. 
Für  die  ebd.  125  f.  dazwischenstehenden  und  aus  dem  lyrischen  Inhalt 
herausfallenden  Verse  wird  die  rapaxaxaXo^iQ  als  Vortragsweise  ange- 
nommen, welche  dann  für  eine  Reihe  nicht  antistrophischer  lyrischer 
Partien  sich  als  wahrscheinlich  ergiebt.  Nebenbei  wird  für  die  Elektra 
die  Abhängigkeit  der  Handschrift  Gr  — -  P  von  L  erwiesen.  An  zweiter 
Stelle  wird  der  Chorgesaug  Hei.  1301 — 1368  behandelt,  der  Zusammen- 
hang der  Gedanken  und  die  Beziehung  auf  die  Handlung  dargelegt  und 
damit  dargethan,  daß  eigentliche  l\x'^6h]x'x  in  den  erhaltenen  Tragödien 
des  Euripides  sich  nicht  finden.  —  Im  Nachtrage  wird  die  handschriftliche 
Überlieferung  des  Rhesos  besprochen,  für  welches  Stück  gleichfalls  die 
Überlieferung  L  P  oft  gegenüber  der  von  B  C  recht  behält.  Weiter 
wird  festgestellt,  daß  die  Tragiker  nur  um  des  Versmaßes  willen  bei 
fjLsXXoi  in  der  Bedeutung  „ich  mache  Miene,  ich  bin  im  Begriff"  nicht 
den  Infin.  Futur,  setzen.  Ferner  wird  ausgeführt,  daß  öfter  ein  Wort- 
bild, welches  noch  in  der  Erinnerung  des  Abschreibers  haftete,  auf  ein 
folgendes  Wort  Einfluß  geübt  hat.  So  muß  es  Plat.  Phaed.  61 B 
TO'jxou?  £V£-£tva  für  TouTouc  SKOiVjja  heißen.  —  Die  bei  den  einzelnen 
Gesichtspunkten  vorgebrachten  Verbesserungsversuche  erwähne  ich  hier 
nicht,  weil  sie  in  der  eben  im  Erscheinen  begriffenen  kritischen  Ausgabe 
der  Euripides  ihren  Platz  finden. 

Schwartz  will  Med.  1181  avsXxwv  intransitiv  wie  auo37:av  fassen. 
Aber  die  Verbindung  /.öjXov  opo|xou  ist  schon   deshalb  unmöglich,    weil 


Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.)     145 

nicht  vom  SiauXoi  die  Rede  ist.  Alk.  31  soll  Euripides  mit  Tifia;  dcp- 
opiC6|j.£vo;  das  Homerische  7epac  dTroupa';  in  das  Attische  umzusetzen  ver- 
sucht haben. 

Hofinger  behandelt  in  dem  vorliegenden  ersten  Teile  die  Sentenzen, 
welche  eine  längere  pyjjt;  einleiten  oder  abschließen,  welche  er  als  Pro- 
mythien  und  Epimythien  bezeichnet,  dann  diejenigen,  welche  in  den 
Stichoraythien  oder  in  den  zwischen  Streitreden  eingefügten  zwei-  oder 
dreizeiligen  Chorika  vorkommen. 

Zuretti  befreit  mit  Recht  Euripides  von  dem  Vorwurf  des  "Weiber- 
hasses. Die  Stellen,  welche  auf  eine  solche  Stimmung  schließen  lassen, 
sind  auf  die  künstlerischen  Intentionen  des  Dichters  zurückzuführen 
oder  haben  ihren  Grund  in  der  Vorliebe  desselben  für  das  Sententiöse 
und  die  Verallgemeinerung  einzelner  Wahrnehmungen.  Diese  Stelleu 
haben  den  Komikern  Anlaß  zu  ihrer  Karrikatur  gegeben  und  so  sind 
die  Vorstellungen  und  Anekdoten  über  Euripides  als  Weiberfeind  ent- 
standen. 

Über  Fairclough  s.  oben  S.  114. 


Alkestis. 

The   Alcestis    of   Euripides.     Edited  with  introduction  and 
notes  by  S.  Hadley.     Cambridge  1896.    XXIII  u.  159  S. 

Aus  dieser  kleinen,  nicht  sehr  belangreichen  Ausgabe  erwähne  ich 
die  Vorschläge  zu  219  £u;o|jL£ff9a,  zu  220—225,  welche  als  Gebet  mit 
der  antistrophischen  Partie  dem  Gesamtchor  gegeben  werden,  zu  223 
tout'  i9T,üp£;  -üjo£  xai  vuv  =  235  yöcuv,  loüsav  xav  (Jpijrav,  332  oux 
£jT[v  ouTco;  ouja  -axpo?  £U7£vou?  x6  t  tioo^  aXXuj;  £y.~p£7:£JTanr)  (auch  hier 
würde  der  Sinn  £x-p£z-ri?  outw  erfordern),  449  xuxXov  .  .  tupa,  734  $uvoi- 
xo?    ouja,    877    as    Tiavxa    Xuirpov,     1045  jiyjSe  fxe  |xvr]37)c  oder  {xr,0£  jx' 

287  oux  TjÖEXTjda  Zioa,  292  xeuxXeeT;,  362  h  'füi?  a'  V(Y.a-z(t<sxr^aai 
TraXiv,  1131  Cüiaav  ti>;  iTr)TU|xo)C,  1134  oöxex  o^z^doii,  1143  wS'  für 
^o'  M.  L.  Earle,  Class.  Rev.  10  (1896)  S.  374—376.  Zugleich 
weist  Earle  auf  die  Wichtigkeit  der  Handschrift  a  für  den  Text  der 
Alkestis  hin  (vgl.  37,  546,  1055,  1154)  und  sucht  deren  Lesarten  434 
(Xtav),  811  (öupaio;),  1140  (oatfxoxuv  xtp  xupi'to),  45  (ypo^^o;  xa'xo)),  1049 
(7UV7)  vea),  1117  (xoXfxa  •  rpoxetvE  .  .  Öi^e  EevTjc)  zur  Geltung  zu  bringen. 
Aber  die  Lesarten  y&ovoc  xaxw  und  7UVY1  v£a  zeigen  gerade  die  Un- 
zuverlässigkeit  der  Handschrift  („inverterunt  Byzantini  propter  ac- 
centum"). 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.  Bd.  LXXXXVl.    (1898.  I.)         10 


146     Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratar.  (Wecklein.) 

Andromache. 

169  behaudelt  J.  C.  Vollgraff,  Muemos.  N.  S.  25  S.  412—416, 
unter  dem  Titel  Dens  conversus  in  pretium,  indem  er  /puso?  in  Oot^oc 
ändert.  Da  in  älteren  Handschriften  tjXioc,  'At;6XXü)v  und  -/pujo;  mit 
dem  gleichen  Kompendium  bezeichnet  werden,  ist  die  Änderung  an  und 
für  sich  unbedenklich.  Aber  Ootßo;  ist  an  der  Stelle  durchaus  un- 
brauchbar. 

553  pcujx7]v  [JL£  xal  vuv,  602  yp-f],  1145  Iv  euSta  6'  Snuii  (schon 
Eeiske),  1231  yapiv  goi  ä.  Platt,  Class.  Rev.  X  (1896)  S.  382. 

Bdx/ai. 

995  und  1015  will  Th.  Korsch,  Filologicesk.  obozr.  X  p.  19  f., 

ii  'Eyi'ovo;  schreiben. 

Hekabe. 

Euripide  Hecube.  Texte  grec  conforme  k  l'edition  des  sept  tra- 
gedies  d'Euripide  publiee  par  H.  Weil.     Paris  1896.     91  S. 

In  745  schreibt  jetzt  Weil  ex^oYiCop-at  '70),  1046   wird  getilgt. 

Helene. 

A.  Mancini,  Per  la  critica  dell'  Elena  di  Euripide.  Riv.  di 
Filol.  1896  p.  393—411.  Appunti  critici  suU'  Elena  di  Euripide.  Ebd. 
p.  485—504. 

In  der  ersteren  Abhandlung  giebt  der  Verfasser  die  Ergebnisse 
einer  Nachkollation  der  beiden  Handschriften  L  u.  G  als  Ergänzung 
zu  der  in  der  Ausgabe  Herwerdens  vorliegende  Kollation  von  Vitelli. 
In  der  zweiten  Abhandlung  wird  zunächst  gesprochen  über  die  Ab- 
hängigkeit des  cod.  G  von  L,  indem  Gr  als  Kopie  von  einer  Kopie  des 
L  betrachtet  wird.  Darauf  folgen  bemerkenswerte  Verbesserungsvor- 
schläge zu  dem  Stück,  so  56  ösüiv,  229—231  fsü  fto  xi'c  rjv  Opu^wv 
8;  Tiiv  Saxpuoeasav  iTSjjLSv  'IXiio  Tteuxav;  (die  Worte  rj  .  .  yöovo?  werden 
getilgt),  366  werden  die  Worte  oaxpua  Saxpoatv  ausgeschieden, 
778  soll  zur  Ausfüllung  einer  Lücke  interpoliert  sein,  1043  douvaxov  eka 
(warum  nicht  sl-ov?).  Sehr  bereit  ist  der  Verf.  zur  Annahme  von  Inter- 
polationen :  78—82,  304 f.,  530,  536—540,  720  f.,  753  -  756,  1024—1027, 
doch  sind  einige  dieser  Annahmen  wohlberechtigt.  Die  V.  1005—1007 
werden  nach  1012  umgestellt. 

Bei  Besprechung  der  Ausgabe  von  Herwerden  (1895)  u.  Jerram 
(1892)    im  American  Journal  of  Philol.  vol.  XVI  4  S.  498—506  ver- 


Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.)     147 

mutet  Hob.  Ellis  122  sioov  r^v  xal  vüv  a  6ptü,  379  f.  atup-axo?  a[ipoü 
o^TJ|xa  fiiatveti;  .  .   ai'ayea  Xuirr)?,   1038  xoivov  te,  1590  dXX'  (oder  tV)  ava^. 

1158  vermutet  C.  Haeb erlin  Philol.  55  S.  72  S  Opiajxtoa;  f'  aje 
ifiXoirToXe'ixouc. 

Gegen  E.  Bruhn,  welcher  in  1171  f.  eine  Beziehung  auf  Soph. 
El.  1505  f.  findet,  bemerkt  ü.  Hartlich  Jahrb.  für  lil.  Philol.  1896 
S.  446,  daß  sich  die  Stelle  aus  dem  Stücke  selbst  heraus  erkläre.  Nach 
den  Worten  Oavcixai  xti.  1176  müsse  man  sich  den  Menelaos,  ungesehen 
von  Theoklymenos,  gesehen  von  dem  lachenden  Publikum,  sich  hinter 
das  Grab  duckend  (vgl.  1203)  denken. 

K.  Busche,  Philol.  56  (1897)  S.  714—721,  vermutet  366  -a8ec;iv 
IjxoXe  TTotÖEa  nach  Ausscheidung  der  Worte  öaxpua  öotxpuaiv,  713  sxsije 
Taxet  |X£Ta(f£pu)v,  818  ou  '(\u}ifzai  -rt'c  ei|x'  e^u),  871  vojiov  6s  Tovoe,  1051 
xepSavüji  Xeyr)  (oder  Xr/o;),  1074  xal  Xetoc  öpojxoj,  1089  ejxßaXsiv  ypsuiv, 
1535  £^£Ö£t  für  £ic  £v  ^v,   1597  Xorjöoj,  1654  iv  xoT;  TiaXaioTc. 

A.  von  Prem  er  stein,    Über  den  Mythus  in  Euripides'  Helene. 
Philol.  55  S.  634—653. 

Zunächst  wird  der  Nachweis  versucht,  daß  aus  einem  dorischen 
volkstümlichen  Mythus,  von  welchem  die  aus  mündlicher  Überlieferung 
geflossene  Erzählung  bei  Herodot  II  112  ff.  ein  Ableger  sei,  durch 
Hesiods  Vermittelung  Stesichoros  geschöpft  habe  und  daß  die  auch  von 
Euripides  benutzte  Version  desselben  am  vollständigsten  in  den  neuge- 
fundenen Excerpten  aus  Apollodor  vorliege,  während  Lykophron  eine 
Zusammenschweißung  der  stesichoreischen  Fassung  mit  dem  Berichte 
bei  Herodot  biete.  Dann  wird  der  Inhalt  der  Palinodie  des  Stesichoros 
festgestellt:  „Paris  hat  nicht  die  wirkliche  Helena,  sondern  ein 
täuschendes  Trugbild  derselben  von  Lakedämon  nach  Troia  entführt. 
Die  wirkliche  Helena  wird  von  Hermes  auf  Zeus'  Ratschluß  heimlich 
entrückt  und  nach  Ägypten  zum  König  Proteus  gebracht,  welcher  den 
Auftrag  erhält,  sie  für  Menelaos  in  seine  Hut  zu  nehmen.  Unterdessen 
ist  um  das  stowXov  in  Hion  der  Kampf  entbrannt.  Nach  der  Eroberung 
der  Feste  tritt  Menelaos  mit  dem  etotuXov  die  Heimfahrt  an.  Noch  auf 
der  Fahrt  zerfließt  das  Trugbild  in  die  Lüfte.  Menelaos  durchirrt  nun 
Länder  und  Meere,  um  die  verschwundene  vermeintliche  Helena  wieder- 
zufinden. Auf  seinen  Fahrten  kommt  er  nach  Ägypten  zu  Proteus,  der 
ihm  die  wirkliche  Helena  ohne  Weigern  ausliefert".  Einen  dramatischen 
Konflikt  schuf  Euripides  durch  die  Einführung  des  Theoklymenos  und 
der  Theonoe.  Das  Liebesmotiv  mit  allem,  was  sich  daraus  ei'giebt,  be- 
ruht ganz  und  gar  auf  freier  Erfindung  des  Euripides.  Ebenso  ist  die 
Teukros-Episode,  welche  lediglich  einen  dramatisch-technischen  Zweck 
erfüllt,   freie  Kombination  des  Dichters.     Im  wesentlichen  also  ist  die 

10* 


148     Bericht  über  die  die  gi-iech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.) 

Handlung  Eigentum  des  Euripides  und  nur  die  Prämissen  derselben 
sind  von  Stesichoros  entlehnt.  Eine  Analogie  bot  dem  Dichter  seine 
Taurische  Iphigenie,  in  deren  Anlage  und  Durchführung  schon  Firnhaber 
die  größte  Ähnlichkeit  mit  der  Helena  erkannt  hat. 

Elektra. 

AI.  Oli Vieri,  de  Electrae  Euripideae  libris  Florentinis.   Riv.  di 
Filol.  1896  S.  462—484. 

Die  sehr  verdienstliche,  nach  genauer  Kollation  der  Handschriften 
gefertigte  Zusammenstellung  der  Lesarten  des  cod.  Laur.  32,  2  und  172 
und  des  Riccardianus  77  sowie  der  ed.  princ.  von  Victorius  erbringt 
den  Nachweis,  daß  der  cod.  Laur.  172  vor,  der  cod.  Rice,  nach  den 
Korrekturen  einer  jüngeren  Hand  aus  dem  cod.  Laur.  32,  2  abgeschrieben 
ist  und  daß  Victorius  seine  Ausgabe  nach  dem  Laur.  32,  2  gemacht, 
daneben  aber  auch  den  Laur.  172  oder  eine  ähnliche  Handschrift  be- 
nutzt hat. 

Eine  Reihe  von  Konjekturen  zu  diesem  Stücke  veröffentlicht  G. 
Tucker  Classical  Review  X  (1896)  S.  100  f.  Vgl.  jetzt  meine  Aus- 
gabe (1898). 

H.  Steiger,  Warum  schrieb  Euripides    seine  Elektra?    Philol. 
56  S.  561—600. 

Durch  die  Abhandlungen  über  die  beiden  Elektren  überzeugt, 
daß  Sophokles  seine  Elektra  vor  der  Euripideischen  gedichtet  hat,  v^^ill 
Steiger  die  Frage  beantworten,  woher  Euripides  den  Mut  nahm,  mit 
dem  Drama  des  Sophokles  zu  konkurrieren.  Die  Antwort  lautet:  „Der 
Philosoph  Euripides  hat  das  Drama  gedichtet,  und  zwar  hat  er  es  in  sitt- 
licher Entrüstung  über  die  Elektra  des  Sophokles  gedichtet".  Die 
weitere  Ausführung  sucht  zu  erweisen,  wie  die  Charaktere  bei  Euripides 
zielbewußt  gezeichnet  sind  und  dem  polemischen  Zwecke  des  Dichters 
dienen.  Die  Abhandlung  schließt  mit  folgenden  Worten:  „Des 
Euripides  Leitstern  war  die  Kritik,  und  so  hat  er  denn  ein  Tendenz- 
stück geschaffen,  das  in  vielem  eine  Negation  der  Poesie  ist,  weil  es 
den  Mythos,  den  es  zur  Darstellung  bringt,  verneint,  verfolgt,  tot- 
schlägt. Nicht  nur  Sophokles  wird  angegriffen,  sondern  Apollon,  die 
ganze  Heroenzeit  und  der  Glaube  an  die  Grestalten,  die  doch  die  Bühne 
betreten.  An  diesem  Widerspruch  kranken  die  meisten  Stücke  des 
Euripides,  Orestes  aber  und  Elektra  am  schwersten.  Als  Kunst- 
werk also  steht  die  Elektra  des  Sophokles  höher ;  frivol  aber  sollte  man 
im  Hinblick  auf  seine  Tendenz  das  Werk  des  jüngeren  Dichters  nicht 
nennen :  war  es  doch  hier  sittlich  besser,  mit  Euripides  zu  zweifeln  und 
zu  spotten  als  mit  Sophokles  zu  glauben". 


Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.)     149 

'HpaxXeroat. 
594  vermutet  E.  Holzner  Woch.  f.  kl.  Philol.  1896  Sp.  334  01 

davouixevoi  ßi'ou. 

Herakles. 

J.  Vahleu,    de  tribns  locis  Herculis  Euripideae.  Ind.  lect.    hib. 
Berlin  1897.     15  S. 

Der  Verfasser  verteidigt  7:0X6  ixe  So^rjc  iSe-ataav  eXuiSec  460,  ohne 
für  die  Ausdrucksweise  eXtcioo;  eXTiiöec  e^e-atcjav  eine  befriedigende 
Rechtfertigung  zu  bieten,  verweist  für  seine  Herstellung  von  495  a'Xi? 
7dp'  eXötuv  ixavo;  av  -/svoio  aii  auf  Sen.  Tro.  683  vel  umbra  satis  es  und 
sucht  ~tpa  701  mit  140  ff.  und  anderen  Stellen  zu  schützen.  Die 
Anknüpfung  des  folgenden  Satzes  mit  -(dp  scheint  mir  doch  Trepöi;  un- 
bedingt zu  fordern. 

Hiketides. 
454  Saxpua  6e  T:oi}j.aivoui3i  Giles  Academy  1228  S.  464. 

Hippolytos. 

V.  42  nimmt  F.  K.  Ball  Transactions  of  the  American  Philol. 
Assoc.  XXVII  (1899)  S.  XXVII— XXIX  in  Schutz,  da  auch  z.  B. 
im  Ion  der  Prolog  der  Handlung  gegenüber  eine  gewisse  Ungenauig- 
keit  zeige. 

Ebd.  S.  LXI— LXIV  handelt  J.  E.  Harry  über  den  Charakter 
der  Phädra,  um  deren  Tugend  zu  retten.  Aber  vgl.  die  Einleitung 
meiner  Ausgabe  S.  15  f.  —  Die  Stellen  58  und  575  werden  gegen  die 
erhöhte  Bühne  geltend  gemacht,  besonders  die  letztere  mit  Recht.  — 
Die  Bemerkungen  über  einzelne  Stellen  sind  ohne  Belang,  1069  ver- 
mutet Harry  $uvotxoupouc  v/ui^. 

J.  Oeri  giebt  am  Schlüsse  seiner  Abhandlung  über  die  Responsion 
im  Hippolytos  Jahrb.  f.  klass.  Philol.  155  (1897)  S.  369—387  eine 
Tafel,  nach  welcher  nach  den  105  Versen  des  Prologs  der  erste  Haupt- 
teil 434,  der  zweite  434  Verse  enthält,  wobei  die  lyrischen  Partien 
nicht  in  Rechnung  gestellt  werden.  Als  unecht  erklärt  Oeri  mit  anderen 
die  V.  625  f.,  640  f.,  691,  871—873,  875,  1419,  1439,  außerdem  setzt  er 
nach  477  eine  Lücke  an.  Man  sieht  nicht  recht  ein,  warum  der  zweite 
Hauptteii  mit  dem  Dialog  zwischen  Theseus  und  Hippolytos,  nicht  viel- 
mehr mit  dem  Auftreten  des  Theseus  beginnt.  In  dem  zweiten  Haupt- 
teile zeigt  die  Tafel  zwei  gleiche  Teile  von  je  117  Versen;  aber  so- 
bald man  die  Unechtheit  des  V.  1439  nicht  anerkennt,  ist  die  Symmetrie 
zerstört.  Daß  das  Wegbleiben  von  ovxa  in  keiner  "Weise  beanstandet 
werden  dai'f,  zeigt  die  vollständig  entsprechende  Stelle  Soph.  Ant.  581. 


150     Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.) 

Iphigenie. 

F.  Thümen,  Die  Iphigeniensage  ia  antikem  und  modernem  Ge- 
wände.    2.  Aufl.  Berlin  1895.  47  S. 

Diese  Schrift,  Abdruck  des  Programms  des  Stralsunder  Real- 
gymnasiums, handelt  von  der  Iphigeniensage  und  den  damit  in  Ver- 
bindung stehenden  Mythen,  dann  von  den  Bearbeituns^en  der  Iphigenien- 
sage  bei  griechischen,  römischen,  französischen  und  deutschen  Dichtern. 
Die  Auffassung  ist  eine  ziemlich  einseitige. 

Iphigenie  in  Aulis. 

Euripides'  Iphigenie  in  Aulis.  Proben  einer  erklärenden  Aus- 
gabe von  Karl  Busche.     Progr.  von  Leer  1896.     16  S. 

Diese  Proben  lassen  eine  brauchbare  Schulausgabe  erwarten.  Ob 
die  V.  1495 — 1497  auszuscheiden  oder  vielmehr  zu  verbessern  sind, 
muß  fraglich  bleiben.  Die  Verbesserung  [j-axpav  aTrapeic  664  ist  von 
mir  bereits  in  der  Berl.  Phil.  Woch.  1892  Sp.  812   veröffentlicht  worden. 

84  will  C.  Hu  de  Nord.  Tidsskrift  f.  Filol.  IV  S.  61  xal  xaxa  für 
xa-a,  410  ooxüi  für  Soxsi  schreiben.  Die  Meinung,  daß  der  folgende 
Yers  oox(o  fordere,  beruht  auf  einem  Mißverständnis  des  Zusammenhangs. 

1011  vermutet  G.  Vitelli  Stud.  Ital.  di  Filol.  class.  IV  (1896) 
S.  364  zeiOü)  }jL£v  au9t?  .  .  (ppovsiv; 

Iphigenie  im  Taurierland. 

802  will  E.  Holzner  Wochenschr.  f.  kl.  Philol.  1896  Sp.  334 
l'/ouff   äeXTiTO)?  (Gomperz  zieht  aeX-xov  vor)  schreiben, 

1009  Oavetv  Xaywv  i'jov  Miß  L.  Dünn. 

1238  vermutet  E.  Galli  Bollett.  di  Filol.  class.  II  (1896)  S.  284  f. 
o;  t'  £-1  To'Scuv  wohl  nur  deshalb,  weil  ihm  die  einfache  Emendation 
o  T   unbekannt  ist. 

Georg  Tauber,  Über  die  grundverschiedene  dramatische  Ver- 
wertung des  Iphigenienstoffes  durch  Euripides  und  Goethe.  Progr.  des 
Neustädter  deutschen  Staats-Ober-Gymn.  in  Prag.  1896.  26  S.  Fort- 
setzung 1897.     22  S. 

Der  erste  Teil  entkräftet  verschiedene  Vorwürfe,  die  gegen  das 
Stück  des  Euripides  erhoben  werden,  und  bemerkt  unter  anderem: 
Euripides  behandelt  gar  nicht  das  Problem  von  der  Blutrache  und  der 
EntsühnuDg  eines  fluchbeladenen  Geschlechts,  sondern  stellt  vielmehr  in 
dem  Verhalten  der  beiden  Geschwister  zu  einander  und  in  ihrer  endlichen 
WiedererkennuDg  einen  dramatisch  bewegten  Vorgang  dar  und  verflicht 
damit    unzertrennlich  eine  Handlung,    die  sich    zur  Verherrlichung  des 


Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.)     151 

eigenen  Landes  und  zur  dichterischen  Verklärung  einer  die  Athener 
mit  Stolz  auf  ihre  überlegene  Kultur  und  ihre  reineren  religiösen  An- 
schauungen erfüllenden  attischen  Lokalsage  eignet".  —  Der  zweite  Teil 
beschäftigt  sich  mit  der  Dichtung  von  Goethe. 

F.  ßrandscheid,    Iphigenia    in   Taurien,    Tragödie    von    Euri- 
pides,  nach  ihrer  Idee  entwickelt  und  dargestellt.  Wiesbaden  1897.  64  S. 

betrachtet  als  Idee  dieses  Stückes  die  Darstellung,  daß  die  Humanität 
der  Gottheit  angenehm  sei  und  von  ihr  unterstützt  werde;  dal.!  dagegen 
die  Gottheit,  unbeschadet  ihrer  Strafgerechtigkeit,  Menschenmcrd  und 
Gewaltthat,  ebenso  aber  auch  Treubruch,  Lüge  und  Täuschung  verab- 
scheue. 

Kyklops. 

W.  Schmid,  Kritisches  und  Exegetisches  zu  Euripides'  Kyklops. 
Philol.  55  S.  46—61, 

erklärt  [xeXea  80  in  dem  Sinne  „was  haben  wir  von  unserer  Satyrn- 
und  Bocksnatur,  wenn  Du,  Bakchos,  fern  von  uns  bist?"  und  will  164 
xav  xuXixa  |xatvo[j.ai  schreiben  (unmöglich!),  202  zapo?  c;y3j(U!J0|xev  (so 
schon  R.  Schenk),  219  Sv  avöa-r)  ou  (Sv  soll  ■=  o  av  sein!),  252  avxpa 
lirtz  Q  (soll  =  uo'.  sein!)  dtpi'xovxo.  In  226  soll  3U|j.!xt7rj  „untereinander- 
geworfen" bedeuten  und  TXr;{'n^  227  sich  auf  eine  Prügelei  beziehen, 
die  sich  seitab  von  dem  Auftritt  zwischen  Polyphem  und  den  Satyrn, 
aber  den  Zuschauern  sichtbar  abgespielt  habe  (!).  Eher  kann  man  die 
Ansicht  billigen,  daß  V.  314  auf  den  Volksglauben  anspiele,  daß  man 
durch  Verzehren  von  Herz  oder  Leber  von  Schlangen  die  Tiersprache 
erlerne.  Schließlich  werden  noch  Bemerkungen  über  die  Komposition 
des  Stückes  gemacht.  Die  Absicht  des  Kyklopen,  einen  xöijxoc  mit 
seinen  Brüdern  zu  veranstalten,  soll  natürlich  die  Folge  des  Wein- 
trinkens kennzeichnen,  welches  auch  den  Ungeselligen  gesellig  macht, 
steht  also  nicht  in  Widerspruch  mit  dem  Charakter  des  Kyklopen. 
Ohne  die  Blendung  hätte  dem  Stücke  überhaupt  die  Pointe  gefehlt.  Da 
sie  für  die  Rettung  nicht  nötig  war  bei  nicht  verschlossener  Thüre  der 
Höhle,  hat  der  Dichter  geschickt  an  die  Stelle  des  homerischen  Motivs 
das  der  Rache  gesetzt  für  die  Schlachtung  der  Gefährten. 
152  vermutet  P.  Knapp  ebd.    S.  575  f.  IxXaxaSov. 

Medea. 

Medee  texte  grec  accompagne  de  notes  d'apres  la  grande  edition 
de  H.  Weil  par  G.  Dalraeyda.     Paris  1896.     10  und  98  S. 

In    798    schreibt    jetzt  Weil    ti  viv    C^jv    xspoo;.     Zu    529    giebt 
Dalmeyda  die  Erklärung:    jol    depend  de   SteXi^stv:     „Vis-ä-vis    de    toi 


152     Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.) 

c"est  une  pensee  fine,  k  la  verit^,  mais  un  discours  odieux  ä,  exposer". 
r>iese  Erklärung  dürfte  mit  der  eigentlichen  Bedeutung  von  voüc  Xskto; 
unvereinbar  sein. 

Eine  Anzahl  von  Verbesserungsvorschlägen  machen  L.  Earle 
Class.  rev.  X  (1896)  S.  2  f.  und  A.  Joffe  ebd.  S.  104. 

H.    F.  Müller,    Euripides  Medea    und  das    goldene    Vließ    von 
rillparzer.  2.  Teil.  Gymn.  Progr.  von  Blankenburg  a.  H.    1896.  31  S. 

Der  zweite  Teil  (vgl.  Jahresb.  Bd.  88  S.  119)  betrifft  die  Dichtung 
von  Grillparzer. 

Leon    Mallinger,     Med6e.      ^tude    de    litterature    compar^e. 
Louvain  1897.    X  und  418  S. 

In  eingehender  und  umfassender  Weise  wird  die  Behandlung, 
welche  der  Medeasage  in  der  poetischen  wie  prosaischen  Litteratur  der 
Griechen  und  Römer,  des  Mittelalters  und  der  Neuzeit  zu  teil  geworden 
ist,  dargelegt.  Auch  dem  inneren  Zusammenhange  der  Dichtungen 
und  der  ästhetischen  Wertschätzung  derselben  ist  Aufmerksamkeit  zu- 
gewendet. Über  einzelne  Ungenauigkeiten  vgl.  meine  Besprechung  in 
der  Berl.  Philol.  Wochenschrift  1898  S.  737  flf.  Unter  anderem  wird  aus- 
geführt, daß  die  gute  Seite  im  Charakter  der  Medea  („die  Liebe  ist 
der  Mittelpunkt  ihres  Charakters")  schon  im  ursprünglichen  Mythus 
gegeben  sei. 

Orestes. 

Bei  Besprechung  der  Ausgabe  von  Wedd  (1895)  in  Class.  Rev.  X 
S.  344—346  vermutet  B.  England  1036  ^tcpei  dr^Ysiv  x^pot  (möglich, 
wenn  ötqyeiv    s.  v.  a.    onXi'^etv  wäre!);   1196  will  er  nach  1198    stellen. 

Troades. 

256  verbessert  J.  Stanley  Class.  Rev.  X  (1897)  S.  34  xXa8ac 
(als  Heterokliton  zu  y.Xaoof). 

1109  verlangt  A.  Levi  Bollett.  di  Filol.  class.  II  (1895)  mit 
Recht  TU7yavoi  für  Tu-f/avei. 

Ooi'viaaat. 

J.  Paulson,  Nord.  Tidsski*.  V  (1896)  S.  1—18,  tilgt  V.  98, 
weil  er  die  falsche  Vorstellung  erwecke,  daß  auch  dem  Eteokles  urrovoai 
gewährt  worden  seien.  Aber  der  Alte  will  sagen,  daß  er  auf  dem 
Hin-  und  Rückweg  genügende  Gelegenheit  gehabt  habe,  alles  genau  zu 
beobachten.  V.  1583  will  Paulson  eo)  o'  eutu-/^;  teXoc  ßtou  schreiben. 
Für  die  Annahme,  daß  der  Schluß  des  Dramas  von  1584  an  ein  späterer 


Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Weckleia.)     153 

Zusatz  sei,  weist  er  auf  den  ungewöhnlichen  Umfang  des  Stückes  hin. 
Ferner  führt  er  aus,  daß  die  Vertreibung  des  Üdipus  mit  dem  Charakter 
des  Kreon,  wie  der  vorausgehende  Teil  des  Stückes  ihn  zeige,  unver- 
einbar sei.  Die  V.  1590  tf.  enthielten  ein  Mißverständnis  von  886  f. 
Die  V.  1693—1702  läßt  Paulson  echt  sein. 

Zu  1126  f.  giebt  P.  Girard,  Le  cratere  d'Orvieto,  Monuments 
grecs  No.  23 — 25  (1895—1897)  die  Erklärung:  les  cavales  sont  repr6- 
sentees  se  mouvant  en  cercle  (xuxXou|X£vat)  du  dedaus  vers  le  dehors, 
c'est  -  A  -  dire  öcartant  le  plus  possible  du  timon  leur  train  de 
derriere,  comme  pour  se  derober,  et  se  cabraut.  Ich  halte  diese  Er- 
klärung nicht  für  richtig.  Vgl.  die  Note  in  meiner  Ausgabe.  Die  Be- 
ziehung der  Darstellung  des  Euripides  zum  Gemälde  des  Mikon  im 
Anakeion  von  Athen  (Paus.  I  18,  1)  scheint  mir  nicht  klar. 

Zu  J 255— 1258  führt  P.  Stengel  Hermes  31  (1896)  S.  479  aus, 
daß  kein  Grund  sei,  dem  Scholiasten,  welcher  vom  Bersten  der  Galle 
spricht,  den  Glauben  zu  versagen.  Über  die  grammatische  Konstruktion 
des  Satzes  scheint  Stengel  nicht  nachgedacht  zu  haben. 

P.  Voigt,  Die  Phoinissai  des  Euripides.   Jahrb.  f.  klass.  Philol. 
153  (1896)  S.  817-843. 

Eine  ausführliche  Analyse  des  Stückes  sucht  nachzuweisen,    daß 
es  ein  politisch-ethisches  Zeitdrama  im  edelsten  Sinne  des  Wortes  sei: 
„  Der  Hader  der  Brüder,  ihre  Selbstsucht  und  Leidenschaft  stürzt  nicht 
nur  sie  selbst  und  ihr  Haus  in  den  Abgrund,  sondern  bringt  auch  die 
Stadt  an  den  Eand  des  Verderbens,  auf  welcher  überdies  der  Zorn  des 
Ares  lastet  (1.  Stasimon).    Den  Doppelmord  der  Entzweiten  kann  auch 
die  Liebe    der  Mutter  nicht  abwenden,    weil  beide  von  Selbstsucht    er- 
füllt sind.     Aber    auch  die  Stadt  vermögen    ihre  berufensten  Vertreter 
nicht  zu  erhalten,  weder  der  kühne  Mut  des  Eteokles,    den    die  Hitze 
und    Leidenschaft  blind    und  unfähig    macht,    noch  die    ruhige    staats- 
männische   Überlegung  Kreons:    des    erstereu  Kühnheit    muß    an    der 
überwältigenden    Macht    der  Feinde,    denen    göttliche  Hülfe    zur  Seite 
steht,  zerschellen,    und  des  letzteren  Besonnenheit  schreckt  vor    einem 
großen,  persönlichen  Opfer  zurück.    Nur  die  völlig  selbstlose  Hingebung 
kann  den  Staat  aus  höchster  Not  und  aus  alter  Schuld  erretten".    Die 
Trilogie  Oenomaos,  Chrysippos,  Phönisseu  wird  als  sicher  angenommen. 
,In  allen  drei  Tragödien  zeigt  Euripides,  daß  die  Leidenschaften    und 
die  selbstsüchtigen  Triebe    im  Menschen    mächtiger    sind    als  Vernunft 
und    Pflichtgefühl:      Beweis    Hippodamia    im    Oenomaos,     Laios     im 
Chrysippos,  in  den  Phönissen  die  feindlichen  Brüder  und  Kreon.    Aber 
der  Dichter,  der  ein  Lehrer  seines  Volkes  sein  will,  begnügt  sich  nicht, 
die  Menschen    darzustellen    wie  sie  sind;    er  zeigt  auch,    wie  sie    sein 


154     Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wecklein.) 

soUeu,  ludern  er  Ideale  schaffe  als  Vorbilder  des  sittlichen  Handelns. 
So  stellt  er  jenen  Personen  den  Chrysippos,  so  den  Menoikeus  gegen- 
über und  —  so  dem  über  den  Tod  hinaus  hassenden  Bruder  die  über 
den  Tod  hinaus  liebende  Schwester,  dem  um  jeden  Preis  aus  Herrsch- 
sucht und  um  seines  Rechtes  willen  die  Heimkehr  erzwing-enden  Polyneikes 
die  aus  Selbstlosigkeit  das  Vaterland  verlassende  Jungfrau ,  den  ihren 
Vater  schlecht  behandelnden  Söhnen  die  zärtliche  Tochter,  endlich  der 
Braut,  welche  um  ihres  Bräutigams  willen  den  durch  diesen  unglücklich 
gemachten  Vater  und  die  Heimat  verläßt,  nämlich  der  Hippodamia  im 
Oenoraaos,  die  andere  Braut,  die  um  ihres  durch  den  Erzeuger  ihres 
Bräutigams  vertriebenen  Vaters  willen  Bräutigam  und  Heimat  aufgiebt, 
die  Antigone  in  den  Phönissen".  Dieser  Gedanke  soll  den  Schluß  des 
Stückes  rechtfertigen;  aber  die  Schwierigkeit,  daß  Antigone  sowohl  ihren 
Vater  in  die  Fremde  begleiten  als  auch  ihren  Bruder  bestatten  und 
dabei  sterben  will,  wird  wieder  mit  der  wenig  befriedigenden  Annahme 
gelöst,  daß  Antigone  V.  1667  es  bereits  endgültig  aufgegeben  habe, 
Polvneikes  zu  bestatten. 


Fragmeute. 

36,  2  oujTTjvo?  ECTTai  (für  apa,  Verwechselung  der  ähnlichen  Ab- 
kürzungen) G.  Vitelli  Stud.  Ital.  V  (1897)  S.  394. 

Zu  48,  2 — 4  vgl.  Comparettis  Abhandlung  über  drei  antike 
Marmorherraeu  in  Rendic.  della  Accad.  dei  Lincei  5.  6  S.  205 — 211. 
Auf  einer  dei'selben  ist  eine  sehr  zerstörte  Inschrift,  in  welcher  Comparetti 
diese  drei  Verse  erkannt  hat.  Aus  derselben  ergiebt  sich  die  Variante 
9povoüvToc  ixei^ov  t)  '/pewv  9pov£rv,  welche  man  für  richtig  halten  könnte, 
wenn  nicht  }ji.ei^ov  wieder  im  folgenden  Vers  stünde. 

773,3  vermutete.  0.  Zuretti  Bollett.  di  Filol.  class,  III  (1896) 
S.   140  f.     Tu-f/avT);  sXcjv  xooe. 

R.  Wünsch,  Der  pseudoeuripideische  Anfang  der  Danae.    Rhein. 
Mus.  51  (1896)  S.  138—152, 

macht  es  sehr  wahrscheinlich,  daß  Markos  Musuros  der  Verfasser 
des  Danaefragments  ist.  Dieses  wird  gleichzeitig  nach  neuer  Kollation 
der  Handschrift  mitgeteilt. 

In  den  zwei  ersten  Zeilen  des  Papyrusfragments  eines  Tragikers 
bei  Mahaflfy  the  Flinders  Petrie  Papyri  2,  XLIX  (d),  Cunningham 
Memoirs  9,  1893  p.  161  hat  C.  Haeberlin  Wochenschr.  f.  kl.  Philol. 
1896  S.  988  f.  Eur.  frg.  403,  1  und  2  erkannt.  Mit  den  Versen  3—7 
des    bei  Stob,  überlieferten  Fragments  stimmen  die  Reste  des  Papyrus 


Bericht  über  die  die  griech.  Tragiker  betreff.  Litteratur.  (Wccklein.)      155 

e[xcpavYJ  ~atooj  [xopov 

eü>  auvaopov 

6s  xai  «prjiiv  y.xavsiv 

(poJc  iroivac  öiTüJC 

Ifiol 
Yjxai 

nicht  überein.  „Demnach  gehören  die  auf  dem  Papyrus  stehenden  Verse 
zunächst  einem  älteren  Florilegium  (vor  250  v.  Chr.)  an.  Ist  nun  der 
Rest  der  Verse  auf  dem  Papyrus  verlesen  oder  herrscht  bereits  dort 
Konfusion?"  Sicher  stehen  die  von  Stobaeus  erhaltenen  Verse  in 
richtigem  Zusammenhang  mit  den  beiden  ersten,  wenn  auch  dazwischen 
ein  Teil  der  Reflexion  ausgefallen  sein  kann.  la  V.  5  muß  si'ö'  Tjafiev 
u)«  ^v  feststehen.  Den  letzten  Vers  will  Haeberlin  wegen  der  Ähnlich- 
keit mit  Med.  471  beseitigen.  Allerdings  kann  er  fehlen;  allein  da  er 
für  den  Sinn  ausgezeichnet  paßt,  beweist  jene  Ähnlichkeit  nichts  für 
die  Unechtheit. 

Die  Hypothese,  welche  ebd.  1245  f.  E.  Holzner  inbetreff  des 
Papyrusfragments  vorträgt,  kann  unerwähnt  bleiben. 

Zar  Andromeda  vgl.  die  Besprechung  des  Berliner  Andromeda- 
kraters  im  Jahrb.  des  Deutschen  Archäol.  Instituts  XI  (1896)  S.  292 
von  Bethe. 


Bericht  über   die  griechischen  Philosophen  vor 
Sokrates  fiir  die  Jahre  1876—1897. 

Von 

Prof.  Dr.  Franz  Lortzing 

in  Berlin. 

Vorbemerkung. 

Seit  Susemihls  „Bericht  über  die  in  den  Jahren  1874  und  1875 
erschienenen  Arbeiten  über  griechische  Philosophie  und  griechische 
Philosophen  bis  auf  Theophrastos"  (Jahresbericht  11.  III  1  S.  261—400) 
ist  die  vorsokratische  Philosophie  in  diesen  Jahresberichten  nicht  be- 
sprochen worden.  Die  vor  einer  Reihe  von  Jahren  mir  übertragene 
Berichterstattung  über  die  seit  1876  auf  diesem  Gebiete  erschienenen 
Arbeiten  hat  durch  Hindernisse  verschiedener  Art  eine  längere  Ver- 
zögerung erfahren  und  erstreckt  sich  nunmehr  über  einen  Zeitraum 
von  22  Jahren,  während  dessen  die  wissenschaftliche  Forschung  sich 
in  höherem  Maße  als  vorher  und  mit  nicht  geringem  Erfolge  der 
Frühzeit  des  philosophischen  Denkens  der  Griechen  zugewandt  hat  und 
besonders  die  Kj'itik  der  Quellen  auf  eine  neue  und  festere  Grundlage 
gestellt  worden  ist.  Von  diesen  Fortschritten  läßt  sich  in  dem  er- 
weiterten Eahmen  eine  klarere  und  zusammenhängendere  Darstellung 
geben,  als  es  in  einer  Eeihe  von  Teilberichten  möglich  gewesen  wäre. 
Aber  es  liegt  auch  die  Gefahr  nahe,  daß  manche  inzwischen  veralteten 
Erscheinungen,  die  vielleicht  kaum  noch  der  Erwähnung  wert  sind,  zu 
ausführlich  behandelt  werden  und  so  der  Bericht  über  Gebühr  an- 
schwillt. Ich  will  daher  über  die  bis  zum  Jahre  1890  erschienenen 
Arbeiten,  die  ja  auch  zum  weitaus  größten  Teile  in  der  neuesten  Auf- 
lage des  ersten  Bandes  der  Philosophie  der  Griechen  von  Zeller  Be- 
rücksichtigung gefunden  haben,  möglichst  gedrängt  berichten  und  nur 
bei  hervorragenderen  Erscheinungen  dieser  Zeit  etwas  länger  verweilen. 
Auf  unbedingte  Vollständigkeit   kann    dieser  Bericht    ohnedies   keinen 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     157 

Anspruch  erheben,  da  es  mir  in  manchen  Fällen  nicht  gelungen  ist, 
ältere  oder  ausländische  Schriften  zu  erhalten,  einzelne  entlegenere 
Arbeiten  mir  auch  entgangen  sein  mögen. 

"Was  den  Umfang  des  zu  besprechenden  Gebietes  betrifift,  so  habe 
ich  mich  von  vornherein  auf  die  Philosophen  im  engeren  Sinne  des 
Wortes  beschränkt  und  einerseits  die  kosmogonischen  und  gnomischen 
Vorläufer  wie  Epimenides,  Pherekj'des,  die  Orphiker,  die  sieben  Weisen, 
und  andererseits  die  späteren  Umbildungen  älterer  Systeme  wie  den  Neu- 
pythagoreismus  außer  betracht  gelassen,  soweit  nicht  die  betreffenden 
Untersuchungen  für  die  Erkenntnis  der  vorsokratischen  Philosophie  von 
Wichtigkeit  sind.  Ebenso  habe  ich  die  rein  naturwissenschaftlichen 
und  mathematischen  Forschungen  der  Yorsokratiker  nur  insoweit  be- 
rücksichtigt, als  sie  mit  den  philosophischen  Theorieen  ihrer  Urheber  in 
erkennbarem  Zusammenhange  stehen:  eine  Trennung,  die  freilich  für  eine 
Zeit,  wo  die  Unterschiede  zwischen  der  Philosophie  und  den  Spezial- 
wissenschaften  noch  beständig  ineinanderfließen,  nicht  immer  leicht 
durchzuführen  war.  —  Die  wichtigeren  Änderungen  des  Textes  der 
Fragmente  habe  ich  jedesmal  am  Schlüsse  der  Berichte  über  die 
einzelnen  Philosophen  zusammengestellt  unter  Ausschließung  der  überaus 
zahlreichen  Stellen,  die  nur  die  Gedanken  jener  Männer  wiedergeben, 
aber  keine  Spuren  des  Wortlauts  ihrer  Äußerungen  enthalten. 

Der  Übersichtlichkeit  wegen  erschien  es  zweckmäßig,  den  ge- 
samten Stoff  zunächst  in  einen  allgemeinen  und  einen  besonderen  Teil 
und  ersteren  wieder  in  folgende  Abschnitte  zu  zerlegen:  A.  Schriften 
zur  Quellenkritik;  B.  Schriften  zur  Chronologie  der  Vorsokratiker; 
C.  Schriften,  die  die  gesamte  vorsokratische  Philosophie  behandeln  oder 
mehrere  Gruppen  zusammenfassen. 

I.    Allgemeiner  Teil. 

A.    Quellenkritik. 

In  der  1  Überlieferung,  auf  der  unsere  Kenntnis  der  giüechischen 
Philosophen  und  ihrer  Lehren  beruht,  lassen  sich,  wenn  wir  von  den 
-auf  uns  gekommenen  Originalwerken  und  den  diesen  entnommenen 
Fragmenten  absehen,  zwei  Hauptrichtungen  unterscheiden,  in  denen  sich 
seit  der  alexandrinischen  Zeit  die  Tradition  bewegt  hat:  die  biographische 
und  die  doxographische.  Beiden  Arten  der  Überlieferung  hat  sich  die 
Wissenschaft  unserer  Tage  zugewandt,  und  es  ist  ihr  gelungen,  Pro- 
bleme, die  man  früher  kaum  zu  stellen  gewagt  hatte,  zu  lösen  oder 
doch  den  rechten  Weg  zu  ihrer  Lösung  zu  weisen.  Um  mit  der  doxo- 
graphischen  Quellenforschung  zu  beginnen,  so  ist  sie  in  ihrer  Be- 
deutung und  ihrem  Umfange  zuerst  erkannt  und  ihr  eine  feste  Grund- 


158     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

läge  gegeben  worden  in  dem  monumentalen  und  epochemachenden  Werke 
von  Diels,  dem  sie  auch  ihren  Namen  verdankt: 

1.  Doxographi  Graeci  collegit  recensuit  prolegomenis  indici- 
busque  iustruxit  Hermannus  Diels.  Berolini.  G.  Reimer,  1879. 
VI,  854  S.     gr.  8. 

Die  außerordentliche  Bedeutung  dieses  Werkes  wird  es  recht- 
fertigen, wenn  ich  bei  seiner  Besprechung  über  die  Grenze  hinausgehe, 
die  ich  mir  sonst  in  bezug  auf  die  ältere  Litteratur  gesteckt  habe,  und 
wenigstens  die  Hauptergebnisse  der  mit  staunenswerter  Gelehrsamkeit 
und  Geistesschärfe  in  den  Prolegomena  p.  1 — 263  geführten  Unter- 
suchung vorführe.  Vgl.  die  kurze  Zusammenfassung  in  Zellers  Be- 
sprechung des  Buches  (Deutsche  Litt.-Z.  1880  Sp.  225—228)  und  die 
eingehendere  bei  Tannery,  Science  hellene  S.  18 — 28  sowie  bei  Su Se- 
rn ihl,  Jahresber,  über  Aristoteles  und  Theophrast  für  1878/79  (VII  1) 
S.  289  ff.  —  Pseudoplutarch,  dessen  Epitome  vielfach  von  späteren 
Sammlern,  besonders  von  Justin  coh.  ad  gent,  Achilles  im  Aratkommentar, 
von  Eusebios,  Kyrillos  und  Pseudogalen  benutzt  worden  ist,  und 
Stobäos  haben  ihre  Placita  philosophorum  aus  einer  Sammlung 
geschupft,  die  auch  Theodoret  gr.  äff.  cur.  IV,  stellenweise  vollständiger 
als  jene,  und  vereinzelt  Nemesios  de  nat.  hom.  exzerpiert  haben,  und 
als  deren  Verfasser  zweimal  von  Theodoret  Aetios,  ein  etwa  um 
100  n.  Chr.  lebender  Eklektiker,  genannt  wird.  Das  von  Plut.  und  Stob, 
benutzte  Exemplar  seiner  Sammlung  war  bereits  durch  zahlreiche  Text- 
verderbnisse entstellt,  die  zum  Teil  aus  voraetianischer  Zeit  stammen.  Von 
einigen  Zusätzen  Plutarchs  abgesehen,  geht  alles,  was  wir  bei  diesem  und 
bei  Stob,  finden,  auf  Aetios  zurück.  Plut.  ist  im  Exzerpieren  viel  kürzer, 
nachlässiger  und  willkürlicher  als  Stob.,  wogegen  dieser  die  Ordnung  der 
Kapitel  und  selbst  der  einzelnen  Sö^ai  vielfach  geändert  hat.  Der  Autor 
der  pseudoplutarchischen  Sammlung  gehört  zu  der  Klasse  von  Fälschern, 
die  im  2.  Jahrhundert  nach  Plutarchs  Tode  diesem  Schriftsteller  Werke  wie 
die  Stromateis,  de  musica,  de  vita  Homeri  aufbürdeten.  — Eine  zweite, 
bereits  von  Meineke  nachgewiesene  Quelle  des  Stobäos  ist  Areios 
Didymos,  der  nicht  nur  die  Ethik,  sondern  auch  die  Physik  und 
wahrscheinlich  auch  die  Logik  des  Piaton,  des  Aristoteles  und  der 
Stoiker,  möglicherweise  auch  der  Epikureer,  zum  Teil  nach  Antiochos, 
zum  Teil  nach  anderen  Schriftstellern  verschiedener  Zeiten  dargestellt 
hatte.  Die  Auszüge  aus  Areios  bei  Stob,  lassen  sich  von  denen  aus 
Aetios  an  untrüglichen  Kennzeichen  unterscheiden ,  durch  deren  Un- 
kenntnis Meineke  oft  verleitet  worden  ist,  das  Eigentum  des  Aetios 
dem  Areios  zuzuweisen.  Der  letztere  ist  auch  von  Eusebios  in  der 
praep.  ev.  zu  wiederholten  Malen  exzerpiert  worden.     Er  stammte  aus 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.)     159 

Alexandria,  war  wie  der  von  ihm  benutzte  Endoros  Eklektiker  und  ist 
nicht,  wie  Heine  annahm,  zu  unterscheiden  von  dem  Freunde  des 
Augustus:  der  Doppelname  ist  ebenso  wie  der  des  Laertios  Diogenes 
daraus  zu  erklären,  daß  es  im  1.  Jahrhundert  v.  Chr.  bei  den  Griechen 
Sitte  wurde,  dem  eigenen  Namen  den  des  Vaters,  oft  auch  im  Nominativ, 
hinzuzufügen  und  zwar  so,  daß  der  erstere  an  die  zweite  Stelle  trat.  — 
Eine  dritte  Quelle  des  Stob,  geht  auf  ein  altes  Allegorieenbuch 
zurück,  das  einen  vor  Vitruv  lebenden  Stoiker  zum  Verfasser  hatte. 
Aus  diesem  Sammelwerke,  das  seinen  zahlreichen  Exzerptoren  den 
Stoft'  zu  einer  Vergleichung  der  Philosophen,  besonders  des  Erapedokles, 
mit  Homer  lieferte,  ist  vermutlich  unter  Plutarchs  Namen  im  2.  Jahr- 
hundert ein  Homerisches  Handbuch  entstanden,  das  Stob,  benutzte,  und 
aus  dem  auch  die  mit  Unrecht  von  R.  Schmidt  dem  Porphyrios  zu- 
geschriebene pseudoplutarchische  Vita  Homeri  stammt.  Aus  derselben 
Quelle  schöpfte  auch  der  Grammatiker  Herakleon,  von  dem  wiederum 
Probus  ad  Vergil.  und  Sextus  Emp.  abhängig  sind,  sowie  Herakleitos 
in  seinen  Allegorien.  Auch  Aetios  hat  zu  dieser  Quelle  Beziehungen. 
Wenn  Stob.  I  10,  11  und  mit  ihm  Herakl.  alleg.  24  und  Plut.  vit. 
Hom.  c.  99  umgekehrt  wie  Aet.  I  3,  20  'Hpr,  bei  Empedokles  v.  33  ff. 
St.  als  r^  und  'AtowvEuc  als  'Ar^p  deuten,  so  hat  Aetios  hier  ohne 
Zweifel  die  richtige  ältere  Überlieferung  der  Allegorieenquelle  bewahrt, 
während  die  verkehrte  Übertragung  der  entgegengesetzten  Deutung  von 
Homer  0  189  ff.  auf  Empedokles  dem  allegorisierenden  Homerbuche 
entnommen  ist,  dem  außer  den  genannten  drei  Autoreu  auch  andere 
wie  Athenagoras  und  Probus  folgen.  Durch  die  Vergleichung  dieses 
Exzerptes  wie  mehrerer  anderer  bei  Stob,  mit  den  entsprechenden 
Stellen  in  der  Vita  Hom.  gelingt  es  dem  Verf.,  ihre  gemeinsame  Quelle 
wiederherzustellen.  —  Die  Untersuchung  wendet  sich  nun  der  Urquelle 
aller  doxographischen  Sammlungen,  dem  großen  Werke  Theophrasts 
über  die  Lehren  der  Physiker,  zu,  das  nach  dem  Verzeichnis  des  Laert. 
Diog.  18  Bücher  (pusixüiv  6o$uiv  (oder  rspl  ^uatxöSv  nach  Laert.  V  46) 
enthielt  (nach  eicer  anderen  Stelle  des  Verzeichnisses  muß  es  eine  zweite 
Ausgabe  in  16  Büchern  gegeben  haben).  Von  diesem  Werke  wurde 
schon  zur  Zeit  der  Alexandriner  ein  Auszug  in  2  Büchern,  Ilspl  cpus'.xtüv 
£-tTO}j.r,j  otß',  angefertigt,  den  Laert.  IX  21  f.  benutzt  zu  haben  scheint, 
während  die  Berichte  der  aristotelischen  Kommentatoren  dem  voll- 
ständigen Werke  entnommen  sein  dürften.  Doch  hat  Simplicius,  bei 
dem  die  zahlreichsten  und  wichtigsten  Fragmente,  viele  ohne  ausdrück- 
liche Nennung  des  Autors,  erhalten  sind,  den  Theophrast  nicht  selbst 
eingesehen,  sondern  die  ihm  bei  Alexander  Aphrodis.  vorliegenden 
Exzerpte  ausgeschrieben,  wie  D.  durch  eine  Analyse  einzelner  Fragmente 
nachweist.     Aus    den    bei  Simpl.   überlieferten  Bruchstücken  läßt  sich 


160     Berichte  über  die  griechisehen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.; 

noch  deutlicU  erkennen,  daß  Theophr.  im  ersten  Buche,  das  von  den 
Prinzipien  bandelte,  im  wesentlichen  eine  chronolcgische  Reibenfolge 
beobachtete,  wogegen  in  den  folgenden  Büchern  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  die  verschiedenen  Lehren  inhaltlich  gruppiert  waren,  wie  dies  in 
dem  uns  erhaltenen  langen  Fragment  de  sensu,  das  nach  Usener  zur 
Zeit  der  Alexandriner  aus  den  Ao^at  des  Theophr.  gesondert  heraus- 
gegeben worden  ist,  noch  jetzt  vor  Augen  liegt.  Die  Einteilung  des 
Stoffes  in  diesem  Fragment  erinnert  an  die  der  Prinzipien  bei  Aristoteles, 
an  den  sich  Theophr.  auch  sonst  eng  anschloß,  und  dessen  Urteile  über 
seine  Vorgänger  er  sicherlich  gesammelt  hatte,  bevor  er  seine  (pojtxuiv 
«o^ai  in  Angriff  nahm.  Eine  andere  unerläßliche  Vorarbeit  für  dieses 
Werk  war,  wenn  anders  es  neben  der  Darstellung  des  Meisters  einen 
eigenen  Wert  haben  sollte,  eine  Durchforschung  der  Originalschriften 
selbst,  deren  Ergebnisse  Theophr.  in  Spezialabhandlungen  über  die 
einzelnen  Philosophen  (am  ausführlichsten  war  die  über  Demokrit) 
niedergelegt  hatte.  Zu  diesen  Spezialschriften  gehört  aber  keinesfalls 
die  pseudoaristotelische  Schrift  flspl  MsXt'jaou  u.  s.  w. ,  deren  theo- 
phrastischen  Ursprung  D.  im  Anschluß  an  Zeller  mit  Recht  bestreitet. 
Theophr.  Phys.  Opin.  fr.  5  bei  Simpl.  in  phys.  I  22,  27  ff.  D.  ist 
nicht  durchweg,  wie  F.  Kern  annimmt,  aus  Theophr.,  sondern  zu  einem 
großen  Teile  aus  der  Schrift  flspl  MsXis^oo  u.  s.  w.  selbst  ausgezogen. 
Auch  die  von  Vermehren  nachgewiesenen  sprachlichen  Kriterien  sprechen 
gegen  Theophrasts  Urheberschaft  dieser  Schrift.  —  D.  geht  hierauf  den 
Spuren  der  theophrastischen  A6?at  bei  Cicero  nach.  Die  nicht  über 
Piaton  hinausgehende  doxographische  Zusammenstellung  Luculi.  118  ist 
offenbar  aus  Theophr.  geschöpft,  aber  nicht  direkt,  sondern  durch  Ver- 
mittelung  des  Kleitomachos,  der  Theophrasts  Sammlung  benutzt  hat. 
Wichtiger  ist  das  lange  Exzerpt  bei  Cic.  de  nat.  deor.  I  25—41,  das 
nach  der  herrschenden,  von  Hirzel,  Untersuchungen  zu  Ciceros  philosoph. 
Sehr.  IS.  5  ff.,  geschickt  begründeten  Meinung  aus  Philodem  t:.  eussßst'ac 
ausgeschrieben  ist.  D.  bezweifelt  die  Richtigkeit  dieser  Annahme  und 
stellt  ihr  gegenüber  die  Vermutung  auf,  daß  Cic.  den  Phaidros  ir.  Oswv 
benutzt  habe.  Die  Übereinstimmungen  zwischen  Cic.  und  Philodem 
würden  sich  hierbei  daraus  erklären,  daß  Philodem  solche  Stellen 
gleichfalls  dem  Phaidros  entnommen  hat.  Die  oo$ai  bei  Cic.  und 
Philodem  können  aus  chronologischen  Gründen  nicht  auf  Aetios  zurück- 
geführt werden,  ihre  Quelle  ist  wahrscheinlich  eine  ältere,  aus  dem 
1.  Jahrhundert  v.  Chr.  stammende  Bearbeitung  des  theophrastischen 
Werkes.  —  Die  Znsammeustellung  von  Philosophenmeinungen  bei 
Clemens  Protrept.  V  64  und  66,  in  der  zwei  Reihen  verschiedenen 
Ursprungs,  die  eine  über  die  Prinzipien,  die  andere  über  die  Götter 
handelnd,   miteinander  vermengt  sind,  geht  ihrem  zweiten  Bestandteile 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.)     161 

nach  sicher  auf  Cicero  zurück.    Aber  Clemens  hat,  wie  Krische  erkannt 
hat,    nicht  Cicero  selbst  eingesehen,   sondern  ein  ins  Griechische  über- 
setztes,   ursprünglich    lateinisch    geschriebenes  Buch   eines   christlichen 
Schriftstellers,    der  Cicero    vor  Augen    gehabt    hatte.  —  Bevor   D.    in 
seiner    Untersuchung    des    Einflusses    der    Ao^cti    Theophrasts    auf    die 
Späteren  fortschreitet,  giebt  er  S.  132— 144  eine  tabellarische  Über- 
sicht   des   theophrastischen  Gutes  bei  den  Exzerptoren,    indem  er   die 
doxographischeii   Mitteilungen    bei  Hippolytos.    Pseudoplutarch    in    den 
Stromateis,    Laertios    Diogenes    und   Aetios    sowie    die    entsprechenden 
Bruchstücke  aus  Theophrast,  soweit  sie  die  vorsokratischen  Philosophen 
betreffen,  nebeneinanderstellt.    —    Er  geht  darauf  zu  einer  Analyse  der 
doxographischen  Abschnitte    in    den  Philosophumena    des  Hippolytos 
über.    Dieser  hat  in  seinem  ersten  Buche  zwei  Kompendien  exzerpiert: 
1.  eine  dem  Werke  des  Laertios  Diog.  in  der  Form  ähnliche,  aber  weit 
kürzere  und  wertlosere  Vitarum  epitome;    2.  die  Epitome   einer  Doxo- 
graphie,  die  er  für  c.  6—9  und  c.  11  — 16  benutzte,  doch  unter  Hinzu- 
fügung    einzelner    Abschnitte    der    ersten    Epitome.     Die    unmittelbare 
Quelle  dieses  ersten  Kompendiums  ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  bestimmen 
(Sotions  Aiaooyiüv  ßtßXt'a  q,    auf  die  eine  Bemerkung  in  c.  14,  1   über 
Xenophanes   hinweist,    sind  nicht  direkt  von  Hippolyt  benutzt  worden, 
ebensowenig  Herakleides  Lembos,  der  nach  Heckers  von  D.  gebilligter 
Vermutung  den  Sotion  und  Satyros  ineinander  verarbeitet  hat);    soviel 
aber  steht  fest,    daß  sie  Auszüge  aus  Aristoxenos,  Sotion,  Herakleides 
und  Apollodors  Chronika  enthielt.    In  dem  doxographischen  Kompendium 
waren  Theophrasts  Ao'cai  in  der  Weise  ausgezogen,  daß  die  bei  letzterem 
sachlich  geordneten  Lehren  auf  die  einzelneu  Philosophen  verteilt  waren. 
Beide  Quellen  lassen    sich    streng    voneinander   scheiden.    —    Von   den 
unter    Plutarchs    Namen    gefälschten    Stromateis    sind    §   1  —  7    und 
§  10 — 12  offenbar  aus  einer  Epitome  Theophrasts,  wenn  auch  teilweise 
flüchtig  und  ohne  verständige  Auswahl,    ausgeschieden.     Die  wertlosen 
§§  8  und  9  stammen  aus  einer  anderen  Quelle.  —  Laertios  Diogenes 
stellt  gewöhnlich  die  Lehren  der  Philosophen  zuerst  y.scpaXatwoai;,  dann 
xa-ra  {jiepo;  dar.     Die  kürzere  Darstellung  ist  aus  einer  biographischen, 
die  längere  aus   einer  doxographischen  Quelle    geflossen.     Die    längere 
geht    auf    ein    Kompendium    aus    Theophrast    zurück,    das    dem    von 
Hippolytos  und  Plutarch  in  den  Stromateis  benutzten  ähnlich  war.    Auch 
die    kürzere   stammt  vielleicht  ursprünglich   aus  Theophrast,    ist    aber 
sorgloser    angefertigt  und  enthält  fremde  Bestandteile.     Ein  ähnliches, 
aber  kürzeres  Handbuch  wie  Laertios  haben  Eusebios  in   der  praepar. 
evang.  und  andere  Kirchcnschriftsteller  wie  Theodoret,  Ii-enäus,  Arnobius 
und  Augustinus  benutzt.    Dem  Epiphanios  standen  zwei  doxographische 
Auszüge  zu  Gebote:    ein  kürzerer,    voll  der  gröbsten  Fehler,    und   ein 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    Bd.  LXXXXVI.    (1898.  I.)       1 1 


162     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

längerer,  für  das  3.  Buch  der  Schrift  adv.  haeres.  benutzter,  auch  dieser 
nicht    frei   von   schlimmen  Verkehrtheiten.  —  Die  Untersuchung-    lenkt 
nun  wieder  zu  der  Zusammensetzung  und  Entstehung  des  Aetianischen 
Werkes    zurück.     Das  Kapitel    über    die  Prinzipien  (I  3),    das  in  der 
Weise  der  Biographen  die  Lehren  nicht  in  sachlicher  Ordnung,  sondern 
nach  der  Snccession  der  Pliilosophen  bringt,  hat  mit  Epiphanios  eine  auf 
Theophrast    zurückgehende  Quelle  gemein,    aus   der  auch  die  kürzeren 
Exzerpte    des  Laertios    und    das  Kompendium    des  Eusebios  schöpfen; 
es  ist  dies  eine   biographische  Schrift,    die    von    der  Art  der  Placita, 
namentlich    in    der    Bekämpfung    der    Lehren    der    Philosophen,    ab- 
weicht.    Sicherlich    gehört    e-^    zum  Bestände    der    Vetusta    placita. 
Die    von    Aetios    mehrfach    ab^'eänderte    Kapitelordnung    dieser    läßt 
sich  aus  dessen  Werke  mit    ziemlicher  Sicherheit    herstellen    und  wird 
S.  181  ff.  tabellarisch   vorgeführt.     Die  Entstehungszeit    der  Vet.   plac. 
ergiebt  sich  aus  einer  Vergleichung  von  Censorinus  d.  die  nat.  c.  4 — 15 
mit  den  entsprechenden  Abschuitten    des  Aetios,    die    auf    eine  beiden 
gemeinsame  Quelle  schließen  läßt.     Da  Censorinus  diese  Kapitel  sorg- 
fältig aus  Varros  logistorici,  besonders  aus  Tubero  de  origine  humana, 
exzerpiert  hat,    so  muß  auch  letzterer    dieselbe  Sammlung    wie  Aetios 
benutzt  haben.     Zieht  man  nun  in  betracht,    daß  als   jüngste  Autoren 
bei  Aetios  stets  die  ein  Menschenalter  vor  Varro  lebenden  Poseidonios 
und  Asklepiades  angeführt  werden,  so  gewinnt  man  als  wahrscheinliche 
Eutstehungszeit  der  älteren  Sammlung  das  Ende  des  T.Jahrhunderts  a.  u.  c. 
Diese  reichhaltige  Quelle  ist  nicht  nur  von  Varro  und  Cicero,  Areios  und 
Aetios  benutzt  worden,  sondern  auch  von  Änesidem  und  dem  unter  Trajan 
lebenden  Soranos,  der  die  Lehren  der  Mediziner  und  zugleich  der  Philo- 
sophen zusammengestellt  hat  und  seinerseits   wiederum    dem  Tertulliau 
de  anima    als   Vorlage    gedient    hat.      Die    theophrastische  Grundlage 
dieser  Sammlung,    die  sich    schon    aus  der    ganzen    bisherigen  Beweis- 
führung ergiebt,   wird  durch  Vergleichung  einzelner  Stellen  bei  Aetios 
mit  andern  Exzerptoren  (vgl.  besonders  den  Bericht  über  Anaximander 
bei  Aet.  III  10,  2  mit  Hippolyt.  6,  3)  aufs  klarste  erwiesen.    Unzweifel- 
üaft  sind  Theophrasts  Ao^ai  die  Hauptquelle  der  Placita  für  die  ionischen 
Philosophen  und  Xenophanes,  wahrscheinlich  auch  für  die  Eleaten  und 
die  Atomiker  gewesen,    obwohl    in  betreff    der    letzteren    die    häufigen 
Irrtümer  in   der  Darstellung    ihrei-  Lehren  Bedenken    erregen    können. 
Allem  Anscheine  nach  hat  dem  Verfasser  der  älteren  Placita  das  Buch 
Theophrasts  i-clbst  voigelfgen;  aber  thcophrastisches  Gut  ist  ihm  auch 
aus  andern  Quellen  zugeflossen,    so   manches  Heraklitische  in  stoischer 
Färbung.     Für    die  Art,    wie    auf   theophrastischer  Grundlage    fremde 
Strukturen  aufgebaut  worden  sind,  ist  die  Vergleichung  zwischen  Aetios 
cnd  Theophrast  de  sensu  besonders  lehrreich.     Der  Umstand,    daß  die 


Berichte  über  die  griecbischen  Philosopben  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     103 

oo'^ai    in    den  Vetusta    placita    vielfach    der    stoischen    Anffassung^    an- 
gepaßt sind,    weist  auf  die  Schule  des  Poseidonios.     Auffällig-  isr,    daß 
auch  bei  Cicero  de  divin.  I  5lf.,    obwohl  er  nur  in  einzelnen  Punkten 
mit  den  Placita  übereinstimmt,    als  letzter  Philosoph,    wie  gewöhnlich 
in  den  Placita,   Poseidonios  angeführt  wird.    Auf  die  Meteorologica  des 
Poseidonios  geht  auch  durch  Vermitteluug  des  Asklepiodotos  Seneca  in 
seinen  natur.  quaest.  zurück,  die  ebenfalls  mannigfache  Übereinstimmung 
mit  den  Placita  zeigen.     Besondere  Beachtung  verdienen   aucli  die  Zu- 
sammenstellungen   von  rjo;at  Über  die  Anschwellung    des  Nils,    die 
sich    außer    bei  8eueca    auch    bei  Diodor,    dem  Anonymus  Florentinus 
(hinter   dem  2.  Buche    des  Athenäos),    den  Scholiasten    des  Apollonios 
sowie  bei  Aetios  und   dem  Aristoteles    latinus  finden.     Alle    diese  Be- 
arbeitungen gehen,    wenn    auch   nicht  unmittelbar,    auf   eine  vielleicht 
dem   Aristoteles,    wahrscheinlicher    aber    dem    Theophrast    oder    einem 
andern  Peiipatetiker    zuzuschreibende  Behandlung    dieses  Gegenstandes 
zurück.  —  Den  Schluß  der  Prolegomena  bilden    zwei  Untersuchungen. 
Die  eiste  handelt    über   Pseudogalens  Historia    philosopha,    die 
ungefähr  um  500  entstanden  zu  sein  scheint  und  außer  dem  aus  einem 
trefflichen  Kompendium  stammenden  Verzeichnis    der  Sekten   zwei  ver- 
schiedene Bestandteile  enthält:    eine  mit  den   gleichartigen  Partien  bei 
Sextus  Emp.  aus  gemeinsamer  Quelle  geschöpfte  Zusammenstellung  von 
Definitionen    und    von  c.  25   an  eine  den    pseudoplutarchischen  Placita 
entnommene  Doxographie,   die,  mit  Vorsicht  gebraucht,   der  Textkritik 
gute    Dienste    leisten    kann.      Die    zweite    Untersuchung    betrifft    des 
Hermeias  gentil.  phil.  irrisio,  die  wahrscheinlich  im  5.  oder  6.  Jahr- 
hundert verfaßt  wurde  und  neben  vielen  wertlosen  einzelne  gute  Nach- 
richten enthält,   welche  aus  einem  doxographischen  V^T^erke  entlehnt  zu 
sein    scheinen.   —  Die    wesentlichen  Resultate    dieser    weitverzweigten 
Untersuchung,  durch  die  über  ein  bis  dahin  größtenteils  in  Dunkel  ge- 
hülltes   Gebiet    der    philologischen    Forschung    helles    Licht   verbreitet 
worden  ist,  fanden  alsbald  nach  dem  Erscheinen  des  Werkes  die  volle 
Zustimmung    kompetenter  Mitforscher    (s.   außer    der    angefahrten  Be- 
sprechung von  Zeller  die  Rezensionen  im  Litt.  Centralbl.  1880  S.  754 — 
756  von  B.  und  in  der  Rivista  di  filologia  VIII  S.  539  f.  von  G.  V[itelli]); 
jetzt  vollends,  nachdem  sie  fast  zwei  Jahrzehnte  lang  unbeanstandet  ge- 
blieben und  von  allen  Sachkundigen  angenommen  worden  sind,    dürfen 
sie    als    ein    völlig    gesichertes    und    unantastbares    Besitztum    unserer 
wissenschaftlichen  Litteratur    bezeichnet   werden.     Einzelne  Annahmen 
lassen  sich  natürlich  bestreiten  und    sind,    wie  wir    gelegentlich    sehen 
werden,  bestritten  worden;  es  sind  dies  aber  fast  durchweg  solche,  die 
D.  selbst  vorsichtigerweise  nur  als    mehr  oder    minder  wahrscheinliche 

Vermutungen  hingestellt  hat.    Zu  ihnen  scheint  mir  z.  B.  die  Hypothese 

11* 


1(54     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

zu  gehören,  daß  Cicero  in  dem  doxographischen  Abschnitt  de  nat.  deor.  I 
nicht  aus  Philodemos,   sondern  ebenso  wie  dieser  aus  Phaidros  -.  OsöJv 
geschöpft   habe.      Hier    erheben    sich    chronologische    Schwierigkeiten. 
"Wenn,    wie  S.  126  f.  nachgewiesen  wird,   die  öo;at  bei  Cicero  wie  bei 
Philodera  auf  die  Vetusta  placita    zurückgehen    und    diese    erst    gegen 
Ende  des  7.  Jahrhunderts  a.  u.  c. ,    d.  h.   nicht    lange    vor  50  a.  Chr. 
(s.  S.  201  und  dazu  185^    wo   der  Tod  des  als   jüngster  Philosoph  in 
den    Placita    genannten    Poseidonios    in    das  Jahr  46   oder  45    gesetzt 
wird),   so  kann  Phaidros,  der,  als  Cicero  mit  ihm  zu  Athen  verkehrte, 
also  78/79,  bereits  in  höherem  Alter  stand  und  wahrscheinlich  i.  J.  70 
gestorben  ist  (s.  Zeller  Gr.  Ph.  III  V  S.  374,  1),    unmöglich   die  be- 
zeichnete Sammlung  der  Placita  benutzt  haben.    Es  ist  daher  entweder 
Phaidros    als    Quelle    für  Cicero    und    Philodem    wieder    auszuscheiden 
(s.  jedoch  P.  Schwencke,    Jahrb.  f.  kl.  Philologie  119  [1879]  S.  50  f., 
der  es    ebenso    wie  Diels  für    unwahrscheinlich    hält,    daß  Cicero    den 
Philodem    benutzt    habe)    oder    die  Entstehung    der  Vetusta  plac.    um 
tinige  Jahrzehnte  früher  anzusetzen.    Im  zweiten  Falle  müßte  man  an- 
nehmen,   daß  die  wichtigsten  Schriften    des  Poseidonios    schon    in  den 
ersten  Jahrzehnten  des  1.  Jahrhunderts    erschienen  waren,    was    nicht 
undenkbar  ist,  zumal  wenn  man  seine  Geburt  mit  Zeller  a.  a.  0.  S.  572,  3 
spätestens  dem  J.  135  zuweist.     Eine    neue  Schwierigkeit  würde    sich 
ergeben,    wenn  man    mit  Schwencke  a.  a.  0.  für  den    ganzen  Vortrag 
des  Velleius    in  de  nat.  deor  I,    auch    für  den    historischen  Teil,    nur 
eine  Quelle    und    zwar  Zenon    gelten    lassen  wollte-,    denn  dieser,    der 
kaum  später  als  150  geboren    sein    kann,    müßte    dann    den   jüngeren 
Phaidros,  dem  er  überdies  wahrscheinlich  als  Schulhaupt  vorangegangen 
war  (s.  Zeller  III  P  S.  373,  2  und  374,  1),  ausgeschrieben  haben.    Aber 
Schwenckes  Annahme  steht  keineswegs    fest  (s.  Schiebe,    Jahresber.  d. 
philolog.  Vereins  zu  Berlin  VI  [1880]  S.  373).  —  Auf  die  reiche  Fülle 
von  Einzelfragen,    die  zur  Begründung  der  Hauptpunkte    oder  im  Zu- 
sammenhang mit  ihnen  in  den  Prolegomena  erörtert  werden,   einzugehen, 
müssen  wir  uns  hier  versagen.     Beispielsweise  sei  hingewiesen   auf  den 
gleich  im  Beginn  (S.  1  ff.)  geführten  Xacliweis,  daß  die  doxographische 
Übersicht  über  die  Prinzipien,  die  sich  in  der  armenischen  Übersetzung 
von    Philo    de   provid.  I   22  findet,    nichts    als    ein    aus    den    pseudo- 
plutarchischeu  Placita    zusammengeflicktes  Einschiebsel    ist,    sowie    auf 
die  Bemerkungen    über    das    aus  Pseudophilon  r.  «(pöapjia;  xo'jixou  ge- 
schöpfte 12.  Fragment   der  theophrastischen  J^o'^ai  (vgl.    jedoch  Zeller, 
Über  Theophrast,  Hermes  XV  S.  137  ff. j.    Besonders  wichtig  für  unsere 
Zwecke  sind  die  zahlreichen  Stellen,  an  denen  die  1 'berlieferung  einzelner 
Lehren    älterer  Philosophen    berichtigt    wird.     So    wird  z.   B.  S.  25  f. 
nachgewiesen,  daß  unter  dem  bislang  mißdeuteten  auXo;  -pr,a-^po;,  mit 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     165 

dem  nach  Plac.  II  20,  1  (vgl.  Stob.  Plac.  II  25,  1)  Anaximander  die 
Öffnungen  in  den  Gestirnringen  verglichen  hat,  die  Röhre  eines  Blase- 
balgs zu  verstehen  sei,  und  dementsprechend  S.  156  bei  Hippolyt  6,  4 
das  sinnlose  to'ttouc  -rivac  aupaiöst;  in  iropouc  xivotc  ouXcuSeic  verbessert. 
Damit  ist  die  von  Susemihl  Jahresber.  IL  III  S.  274,  13  gebilligte 
Erklärung  Schusters  zugleich  mit  seiner  Änderung  des  Textes:  Tip-rjax^pa 
auXoü  statt  -pr]3Tfjpoc  auXo'v  beseitigt.  Die  neue  Auffassung  der  Aus- 
drücke r^  und  'Aiöüjveu;  bei  Empedokles  (S.  88  ff.)  ist  schon  oben  er- 
wähnt worden.  S.  109  ff.  wird  bei  Erörterung  der  Frage,  welche  Quellen 
Simplicius  in  Theophr.  fr.  5  benutzt  hat  (s.  o.)  die  metaphysische  Grund- 
anschauung des  Xenophanes  behandelt,  teilweise  im  Anschluß  an  Zeller, 
doch  mit  einer  bedeutsamen  Abweichung,  auf  die  einzugehen  sich  später 
Gelegenheit  finden  wird.  S.  164  f.  wird  die  Mitteilung  bei  Theophr. 
fr.  1  und  Laert.  Diog.  IX  8,  Heraklit  habe  alles  aus  dem  Feuer  durch 
Verdichtung  und  Verdünnung  entstehen  lassen,  auf  eine  irrtümliche  Ver- 
mutung Theophrasts  zurückgeführt  (vgl.  Zeller  I  2^  S.  652,  2). 

Auf  die  Prolegomena  folgt  der  Hauptbestandteil  des  Dielsschen 
Werkes,  die  Sammlung  der  doxographischen  Überreste  und  zwar:  1.  Die 
aus  Pseudoplutarch  und  Stobäus,  deren  Texte  in  zwei  Kolumnen  ein- 
ander gegenübergestellt  werden,  rekonstruierte  'Aexiou  :iepi  xöiv  tJpeaxovTwv 
auva7ü)7TQ,  der  unter  dem  Strich  links  die  testimonia  Plutarchi  aus  Justin, 
Achilles,  Kyrillos  u.  a.  sowie  rechts  aliorum  ex  Aetio  excerpta,  be- 
sonders des  Theodoret  und  des  Nemesios,  beigefügt  sind.  2.  Die  physi- 
kalischen Fragmente  der  Epitome  des  Areios  Didymos.  3.  Die  Frag- 
mente der  «puaixüiv  66$ai  des  Theophrast.  4.  Das  zusammenhängende 
Bruchstück  aus  diesem  Werke  Tispl  aujftiQjeiov.  5.  Eine  Gegenüber- 
stellung des  Textes  von  Cicero  de  nat.  deor.  I  25 — 41  und  der  ent- 
sprechenden Überreste  aus  Philodem  de  pietate  I.  6.  Die  sogen. 
Philosophumena  aus  Hippolytos  xaxa  Traaöiv  atpejsüiv  l'Xe-f/oc  I  1 — 26. 
7.  Das  doxographische  Fragment  aus  Plutarchs  STpfufxaTeTi  bei  Eusebios 
praep.  ev.  I  7,  16  ff.  8.  Epiphanii  varia  de  Graecorum  sectis  excerpta. 
9.  Pseudogalen  zspi  «piXojo'cpou  b-ropia;.  IG.  Hermeias  6iaaup}j.6c  xüiv 
eSo>  9'.Xoa6cpcüv.  Den  Texten  liegen  überall  die  besten  Handschriften  zu 
gründe,  darunter  nicht  wenige  bisher  unbekannte  oder  unbenutzte.  Dieses 
neue  Mateiial  haben  dem  Herausgeber  teils  ältere,  ihm  überlassene 
Kollationen  wie  der  cod.  F  des  Stobäus  nach  der  Kollation  Wachs- 
muths,  der  in  Useners  Besitz  befindliche  Apparat  von  Brandis  zu 
Theophrast  de  sens.,  der  Apparat  Torstricks  zu  Simplicius  in  phys., 
teils  die  von  ihm  selbst  oder  für  ihn  von  befreundeten  Gelehrten 
wie  Ilsener,  Kießling,  Kaibel,  J.  Bruus  verglichenen  Handschriften 
geliefert.  Ein  besonders  wertvoller  Fund  waren  die  aus  dem  11.  Jahr- 
hundert   stammenden    Exzerpte    des    Cedrenus    aus    einem     an    Alter 


166     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

und  Wichtigkeit  die  uns  sonst  bekannten  Handschriften  weit  überragenden 
Kodex  des  Hippolyt.  Diesen  umfangreichen  und  trefflichen  Apparat  hat 
D.  mit  vollendeter  kritischer  Meisterschaft  gehandhabt  und  so  durchweg 
einen  gereinigten  und  die  früheren  Ausgaben  an  Brauchbarkeit  und  Zu- 
verlässigkeit weit  hinter  sich  lassenden  Text  hergestellt.  Den  Schluß 
des  Werkes  bildet  ein  mit  größter  Sorgfalt  angefertigter  ausführlicher 
Index  Verborum  (S.  707 — 842),  durch  den  die  griechische  Lexikographie 
und  insbesondere  die  philosophische  Terminologie  mannigfache  Be- 
reicherung erfahren  hat.  —  So  hat  D.  der  Forschung  nicht  nur  neue 
Wege  gewiesen,  sondern  auch  auf  lange  Zeit  hinaus  ein  unentbehrliches 
Hülfsmittel  geboten,  das  voraussichtlich  zum  Ausgangspunkte  neuer, 
folgenreicher  Untersuchungen  dienen  wird.  Wenn  dies  bisher  nicht  in 
dem  Maße  geschehen  ist,  wie  man  bei  der  hohen  Bedeutung  des  Werkes 
hätte  erwarten  sollen,  ja  wenn  manche  das  Gebiet  der  griechischen 
Philosophie  berührende  Arbeiten  fremdländischer  wie  deutscher  Autoren 
bis  in  die  neueste  Zeit  hinein  völlige  Unkenntnis  der  Dielsschen  Unter- 
suchungen zeigen,  so  beweist  dies  nur,  wie  langsam  sich  selbst  in  unserer 
verkehrsreichen  Zeit  neue  wissenschaftliche  Erscheinungen  auch  in  den 
engeren  Kreisen  der  Gelehrten  verbreiten. 

Schon  geraume  Zeit  vor  dem  Erscheinen  der  Doxographi  hatte 
C.  Wachsmuth  über  das  Sammelwerk  des  Stobäus  in  mehreren  Göttinger 
Universitätsschriften  (s.  die  Berichte  von  Diels,  Jahrb.  f.  kl.  Philol. 
1872  S.  189  ff.  und  von  Lortzing,  Philolog.  Anz.  VI  S.  133  ff.)  sowie 
in  der  Abhandlung:  „Versprengte  Trümmer  der  Eklogen  des  Stobäus 
in  seinem  Floiilegium"  (Rhein.  Mus.  XXVII  S.  73—80)  wichtige  Auf- 
schlüsse gegeben.  Diese  Arbeiten  sind  dann  mit  einigen  Nachträgen 
wieder  abgedruckt  und  zwei  neue  Abhandlungen  „Über  das  byzantinische 
Florilegium  Parallela  und  seine  Quellen"  uud  „Guomologiura  Byzantinum 
£•/.  Tüiv  Arjfxoy.piTou  'Ijoxpa-ouc  'EtuxttjTO'j  6  varüs  codicum  exemplis 
restitutum"  hinzugefügt  worden  in: 

2.    Studien  zu   den  griechischen  Florilegien    von  Gurt  Wachs- 
muth.    Berlin,  Weidmann,  1882.     218  S. 

Über  den  Inhalt  dieser  Sammlung  sowie  über  eine  mit  dem  letzten 
Stücke  im  engsten  Zusammenhange  stehende  Abhandlung  desselben  Ver- 
fassers „De  gnomologio  Palatino  inedito"  (in  der  H.  Sauppe  gewidmeten 
Satura  philologa,  Berlin  1879,  S.  7  ff.)  habe  ich  im  Philol.  Anz.  Xni 
Snppl.  1  S.  683 — 705  ausführlichen  Bericht  erstattet,  aus  dem  ich  hier 
das  Wichtigste  kurz  zusammenfasse.  Die  sogen.  Eklogen  und  das  sogen. 
Florilegium  des  Stobäus  bildeten  ursprünglich  ein  Gesamtwerk  in 
4  Büchern,  das  dem  Photius  noch  in  einer  ganz  (V)  unverstümmelten 
Gestalt  vorlag,  während  sich  in  der  gemeinsamen  Urhandschrift  unserer 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     167 

sämtlichen  Codices  vor  dem  11.  Jahrhundert  ein  Blatt  aus  dem  1.  Kapitel 
des  2.  Buches  gelöst  hat.  Eine  nach  diesem  Verluste  genommene  Ab- 
schrift hat  dem  Verfasser  des  fälschlich  dem  Jo.  Damascenus  zu- 
geschriebenen Florilegium  Laurentianum  vorgelegen.  Im  Archetypus 
griff  dann  die  Verderbnis  weiter  um  sich,  so  daß  die  ganze  Handschrift 
in  zwei  Hälften  zeifiel,  die  von  nun  au  gesondert  abgeschrieben  und 
als  zwei  selbständige  Werke  überliefert  wurden.  Bei  dieser  Trennung 
gerieten  drei  der  gelösten  Blätter  aus  dem  Anfang  des  2.  Buches  in 
das  „Florilegium" ,  wo  sie  zwischen  Kap.  79  und  83  der  Ausgabe  von 
Meineke  eingeheftet  wurden.  Aus  der  so  verstümmelten  ersten  Hälfte 
ist  eine  größtenteils  stark  verkürzte  Abschrift  geflossen,  die  dem  Arche- 
typus unserer  Eklogenhandschriftcn  zu  gründe  liegt.  Dieser  Arche- 
typus erlitt  noch  weitere  beträchtliche  Einbußen.  Zunächst  giug  der 
größte  Teil  der  einleitenden  Kapitel  sowie  des  zweiten  Buches  ver- 
loren, und  in  dieser  Verstümmelung  erscheint  der  Text  in  den  zur 
ersten,  besseren  Klasse  gehörenden  Handschriften,  die  sämtlich  aus  dem 
Farnesinus  (F)  stammen,  während  die  zweite  Klasse,  in  der  gleichfalls 
nur  ein  Kodex,  ein  Parisinus  (P)  maßgebend  ist,  aus  demselben,  aber 
inzwischen  noch  um  mehrere  Blätter  verkürzten  Archetypus  hervor- 
gegangen ist.  Daraus  ergiebt  sich,  daß  sich  die  Kritik  der  Eklogen 
in  erster  Linie  auf  F  und  daneben  nur  noch  auf  P  zu  stützen  hat, 
während  Gaisford  und  auch  noch  Meineke  hauptsächlich  den  fast  ganz 
bedeutungslosen  Augustanus  benutzt  hatten.  Außer  diesen  beiden  Hand- 
schriften kommt  noch  für  einzelne  Abschnitte  das  bereits  erwähnte  Flor. 
Laurentianum  (L)  in  betracht.  —  In  einigen  der  von  L  allein  aufbe- 
wahrten Kapitel  sind  ebenso  wie  in  einer  Anzahl  dem  „Florilegium" 
des  Stob,  entnommenen  Kapitel  die  Sentenzen  aus  Stob,  mit  fremd- 
artigen Abschnitten  verbunden,  die  aus  einer  auch  von  anderen  Exzerp- 
toren  wie  Antonius,  Maximus  und  dem  Verfasser  der  bisher  unedierten 
Melissa  Augustana  ausgeschriebenen  Parallelensammlung  stammen.  Diese 
nnter  allen  nachstobäanischen  Florilegien  wichtigste  Sentenzensammlung, 
die  spätestens  gegen  Mitte  des  10.  Jahrhunderts  entstanden  sein  muß, 
läßt  sich  in  ihrem  profanen  Teile  aus  ihren  vier  Exzerptoren  mit  ziem- 
licher Sicherheit  herstellen.  Sie  selbst  ist  aus  sehr  verschiedenartigen 
Quellen  zusammengeflossen.  Nicht  nur  die  Hauptmasse  der  Dichter- 
citate,  sondern  auch  die  Mehrzahl  der  Prosastellen  sind  aus  Stobäus' 
Floril.,  wenn  auch  nicht  direkt,  geschöpft.  Eins  der  Kriterien  stobäanischen 
Ursprungs,  das  namentlich  für  die  Entscheidung  über  die  Echtheit  Demo- 
kritischer Sentenzen  von  Bedeutung  ist,  beruht,  wie  ich  in  meiner  Ab- 
handlung „über  die  ethischen  Fragmente  Demokrits"  S.  14  gezeigt  habe, 
auf  dem  Vorkommen  ionischer  Formen.  Untei*  den  übrigen  Quellen  des 
Parallelenbuches  verdient  besondere  Beachtung  eine  dem  Stob,  unbekannte 


168     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

Sammlung  von  Sentenzen  des  Demokrit,  Tsokrates  und  Epiktet,  ein 
bj'zantiuisches  Gnomologium,  das  Wachsmuth  aus  verschiedenen  Rezen- 
sionen rekonstruiert  hat.  —  Für  die  Vervollständigung  der  Philosophen- 
fragmeute  sind  diese  und  ähnliche  Sammlungen,  wie  sie  seitdem  in 
größerer  Zahl,  besonders  durch  H.  Schenkl  (vgl.  z.  B.  „Pythagoreer- 
sprüche  in  einer  Wiener  Handschrift",  Wiener  Studien  VIIIS.  262ff.) 
und  Elter  (vgl.  „Gnomica  11",  Leipzig  1892  und  „De  gnomologiorum 
graecorum  historia  atque  origine,  Bonn  1893)  veröffentlicht  und  be- 
sprochen worden  sind,  fast  völlig  unbrauchbar,  da  die  einzelnen  Sentenzen 
in  ihnen  ohne  Nennung  der  Autoren  überliefert  sind.  Dies  gilt  ebenso 
für  Demokrit  (s.  meine  soeben  angef.  Abh.  S.  13)  wie  für  Epiktet 
(s.  Asmus  Quaest.  Epicteteae,  Freiburg  1888  und  H.  Schenkl,  Die 
epiktet ischen  Fragmente  S.  86  und  in  seiner  Ausgabe  des  Epiktet 
S.  462**).  Aber  auch  in  den  Fällen,  wo  die  in  ihnen  enthaltenen  Aus- 
sprüche anderweitig  einem  bestimmten  Autor  beigelegt  werden,  sind  sie 
nur  mit  größter  Vorsicht  für  die  Textkritik  zu  benutzen.  —  Eine  ebenso 
geringe,  ja  vielleicht  eine  noch  geringere  Bereicherung  unserer  Kenntnis 
der  älteren  Philosophen  bieten  die  Apophthegmensammlungen,  da  in  den 
seltensten  Fällen,  zumal  bei  der  großen  Verwirrung  der  Lemmata  in 
allen  derartigen  Zusammenstellungen,  die  in  ihnen  überlieferten  Aus- 
sprüche mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  den  Personen,  denen  sie  in  den 
Mund  gelegt  werden,  wirklich  zugeschrieben  werden  können.  Es  genüge 
hier,  darauf  hinzuweisen,  daß  ein  Bruchstück  jenes  großen  Apophthegmen- 
korpus,  das  dem  Verf.  des  erwähnten  Parallelenbuches  als  Quelle  ge- 
dient hat,  und  aus  dem  das  Floril.  Monacense  (im  Anhang  zu  Meinekes 
Stob.  Flor.  IV  8.  278  ff.)  und  das  Floril.  Leidense  einen  Auszug  dar- 
stellen, von  Wachsmuth  unter  dem  Titel  „Die  Wiener  Apophthegmen- 
sammlung*  in  der  Festschrift  zur  Begrüßung  der  36.  Philologenver- 
sammlung, Freiburg  1882,  S.  1—36  herausgegeben  und  erläutert  worden 
ist;  vgl.  meine  Rezension  im  Philol.  Anz.  XIV  S.  105  ff.  und  meine 
„Znsätze  und  Bemerkungen"  zu  der  Ausgabe  im  Philologus  XLIII 
S.  233 — 248.^)  Ein  vollständigeres  und  reichhaltigeres  Exemplar  der- 
selben Sammlung  bietet  L.  Sternbach,  De  gnomologio  Vaticano  inedito, 
Wiener  Studien  IX  (1887)  S.  175—206  und  X  (1888)  S.  1-49. 

Eine  willkommene  Ergänzung  zu  den  „Studien*  Wachsmuths  bildet: 


')  Der  erste  Teil  der  Abhandlung  (S.  219—233)  behandelt  die  Quellen 
der  den  sogen,  oo-^oi  beigelegten  Aussprüche;  eine  Frage,  die  in  neuerer 
Zeit  mehlfach,  zum  Teil  auf  grund  der  VeröfiFentlichung  neuen  handschrift- 
lichen Materials  erörtert  worden  ist,  und  auf  die  wir  hier  näher  eingehen 
müßten,  wenn  wir  nicht  von  vornherein  die  sieben  Weisen  von  unserm 
Berichte  ausgeschlossen  hätten. 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.)     I69 

8.  De  Joannis  Stobaei  codice  Photiano  scripsit  Antonius  Elter. 
BoDnae  1880.     75  S. 

Der  Verf.  weist  in  scharfsinniger  und  überzeugender  Weise  nach, 
daß  die  von  Photius  im  cod.  167  seiner  Bibliothek  dem  Verzeichnis  der 
Kapitelüberschriften  des  Stobäus  beigefügten  Indices  der  Schriftsteller- 
uamen,  die  man  bis  dahin  für  ziemlich  wertlos  gehalten  hatte,  einen 
nicht  unwichtigen  Beitrag  zur  besseren  Kenntnis  der  ursprünglichen 
Grestalt  des  Stob,  zu  liefern  geeignet  sind.  Das  in  fünf  Gruppen,  deren 
erste  die  Philosophen  umfaßt,  zerfallende  Namenverzeichnis,  ist  nicht 
etwa,  abgesehen  von  der  Einteilung  nach  dem  Anfangsbuchstaben  der 
Namen,  völlig  regellos  zusammengestellt,  sondern  nach  einem  ganz  be- 
stimmten Prinzip  geordnet  worden.  Der  Verfasser  des  Index  hat  jeden 
Namen  nur  einmal  und  zwar  dann,  wenn  er  ihn  bei  fortlaufender  Lektüre 
des  Stob,  zuerst  erwähnt  fand,  in  der  betreffenden  alphabetischen  Kolumne 
notiert.  So  leistet  uns  das  Verzeichnis  eine  wesentliche  Beihülfe,  um 
die  Beschaffenheit  des  von  dem  Pinakographen  benutzten  Kodex  (den 
Elter  kurzweg  codex  Photianus  nennt,  obwohl  er  möglicherweise  älter 
ist  als  die  Handschrift  des  Photius)  genauer  zu  erkennen.  Es  ergiebt 
sich,  daß  die  Handschrift  mit  Ausnahme  der  Lücke  im  Anfange  des 
2.  Buches  den  ganzen,  unverstümraelten  Stob,  enthielt,  und  ferner  durch 
Vergleichung  der  ersten  29  Kapitel  des  1.  Buches  des  Stob,  mit  den 
pseudoplutarchischen  Placita,  daß  Stob,  in  bezug  auf  die  Zahl  der 
Autoren  und  Eklogen  weit  reichhaltiger  ist  als  Plutarch  und  kaum  eine 
Sentenz,  die  er  bei  Aetios  vorfand,  ausgelassen  hat.  Wenn  vom 
30.  Kapitel  bis  zum  Schlüsse  des  1.  Buches  unser  Text,  selbst  gegen 
Plutarch  gehalten,  höchst  dürftig  und  trümmerhaft  erscheint,  so  trägt 
die  Schuld  daran  nicht  Stob.,  sondern  das  kompilatorische  Verfahren 
eines  bequemen  Abschreibers,  der  von  dem  bezeichneten  Kapitel  an 
hauptsächlich  nur  Sentenzen  des  Aristoteles  und  Piaton  aus  Stob, 
exzerpiert  hat.  Auch  mit  den  stobäanischen  Exzerpten  des  Laurentianus 
steht  der  Index  des  Photius  im  vollen  Einklänge.  Schließlich  bildet 
er  auch  eine  sichere  Grundlage  für  die  Vergleichung  des  Stob. 
mit  den  übrigen  Florilegien,  insonderheit  mit  Maximus  und  den  anderen 
Sammlern,  die  aus  dem  Parallelenbuche  geschöpft  haben.  ^)  Für  das 
Nähere  verweise  ich  auf  meine  Rezension  in  der  Philol.  Rundschau  11 
S.  163 — 170,  wo  ich  auch  gegen  einzelne  Behauptungen  Elters  Be- 
denken ausgesprochen  habe. 

')  Daß  übrigens  der  Verfasser  des  Parallelenbuches  auch  den  Stob, 
selbst  benutzt  hat  und  nicht,  wie  Wachsmuth,  Studien  S.  22,  mit  Bernhardt 
annimmt,  die  ursprüngliche  Quelle  des  Stob.,  ist  von  Freudenthal,  Zu 
Phavorinus  und  der  mittelalterlichen  Florilegienlitteratur,  Rhein.  Mus.  XXXV 
S.  408  ff.,  wahrscheinlich  gemacht  worden. 


1 70     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

Au  Elters  Abhandlung  knüpft  an: 

4.  H.  Diels,  Stobaios  und  Aetios.  Rhein.  Mus.  XXXVI  (1881) 
S.  343-350. 

D.  stimmt  den  Ausführungen  Elters  über  die  Thätigkeit  des 
Pinakographeu  im  allgemeinen  zu,  glaubt  aber,  daß  dieser  nicht  ängst- 
lich die  ursprüngliche  Reihenfolge  bewahrt  habe,  sondern  bei  der  Ein- 
reibung der  Namen  in  die  fünf  Listen  manche  Verwirrung  in  der 
Reihenfolge  und  auch  Ausfall  von  Namen  vorgekommen  sei;  doch  sei 
in  Partieen ,  die  augenscheinlich  noch  die  ursprüngliche  Serie  ungestört 
erhalten  hätten,  ein  Rückschluß  auf  den  Text  des  Stob,  wohl  berechtigt. 
So  wird  aus  dem  Verzeichnis  die  schon  von  Heeren  ausgesprochene 
Vermutung  bestätigt,  daß  Aetios  I  7,  27.  28  (Doxogr.  303^  19  ff.)  das 
Lemma  Empedokles  ausgefallen  sei.  Die  Lücke  ist  nach  D.  so  zu  er- 
gänzen :  MeXiJso?  —  «Tre'pov  xo  sv  <'E(jl-cÖoxX-^;  j'pa'.posio-^  (sc.  &£6v 
civat)  /al  aio'.ov  xotl  (xxivTjTOv  -o  £v>  ,  ^)  y.at  to  ijlsv  Iv  --Jjv  avo(-,-/.rjv  U.  S.  W.  — 
D.  verteidigt  dann  die  von  ihm  Doxogr.  S.  57  ff.  ausgesprochene  An- 
sicht, daß  die  Eingangskapitel  in  den  plutarchischen  Placita  und  ebenso 
I  7,  1 — 10  bereits  von  Aetios  eingeschmuggelt  worden  seien,  gegen 
Elter,  der  das  Proömium  sowie  cap.  1  und  7  dem  Interpolator  des 
Plntarch  zuschreibt  und  die  Sammlung  des  Aetios  mit  cap.  3  (=  Stob.  1 10) 
besinnen  läßt.  Schließlich  weist  D.  nach,  daß  der  Verfasser  des  Floril. 
Laurent,  nicht  nur  die  Kapitelüberschriften,  sondern  auch  den  Text  des 
Stob,  aus  Pseudoplutarch  an  einigen  Stellen  interpoliert  hat. 

Die  Ergebnisse  der  in  den  „Studien"  niedergelegten  Untersuchungen 
bildeten  eine  unerläßliche  Vorarbeit  und  zugleich  eine  sichere  Grundlage 
für  die  von  Wachsrauth  unternommene  Neubearbeitung  des  T^^^^s  der 
Eklogen,  die  einige  .Tahre  später  unter  dem  Titel: 

5.  Joanuis  Stobaei  Anthologium  rec.  C.  Wachsmuth  et 
0.  Hense  vol.  I  et  IL  Berlin  1884.  Vol.  I:  XXX,  502  S.  vol.  II: 
332  S. 

erschienen  ist.  Mit  dieser  Ausgabe  ist  zum  ersten  Male  ein  auf  fester 
diplomatischer  Grundlage  ruhender  Text  der  Eklogen  hergestellt.  Schon 
äußerlich  betrachtet,  stellt  sie  sich  ganz  anders  dar  als  ihre  Vorläufer. 
Die  Rapitelzahlen  sind  nach  dem  Verzeichnis  des  Photius  berichtigt 
worden.  Den  in  die  Handschriften  des  „Floiilegiums*  versprengten 
Trümmern  von  II  1,  2  und  4  ist  ihre  rechtmäßige  Stelle  und  Reihen- 


^j  Wachsmuth  in  der  Ausgabe  der  Eklogen  ergänzt  einfacher  die 
Lücke  so:  Mi"At3-3'.;  —  üziipo^y  <c'E{iZcOO/'/,-^;  töv  a-icdpov  >:c(t>  xh  iv,  •/.«'.  xo 
jicv  iv  u.  s.  w. 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     17] 

folge  augewiesen  worden.  Einen  noch  erheblicheren  Zuwachs  bat  der 
Text  erhalten  ans  den  auf  Stob,  zurückgehenden  Partieen  des  zu- 
erst hinter  dem  „Florilegium"  von  Gaist'ord,  aber  vielfach  ungenau 
und  unvollständig  abgedruckten  Flor.  Laur.  (L),  und  zwar  ist 
das  2.  Buch  um  4  Kapitel  vermehrt  und  somit  die  große  Lücke 
daselbst  wenigstens  zu  einem  Teile  ausgefüllt  worden,  während 
7  Kapitel  des  1.  Buches  bedeutend  bereichert  worden  sind.  Die  Titel 
der  noch  fehlenden  Kapitel  hat  \V.  unter  Mitbenutzung  des  freilich 
unvollständigen  Index  in  L  hinzugefügt  und  gelegentlich  auf  grund  des 
Autorenverzeichnisses  bei  Photius  (s.  zu  No.  3)  die  mutmalilich  in  den 
verlorenen  Abschnitten  exzerpierten  Autoreu  bezeichnet.  Eine  große 
Zahl  Lemmata  sind  neu  hinzugekommen,  andere  teils  berichtigt,  teils 
an  ihre  rechte  Stelle  gesetzt  worden.  In  den  zahlreichen  Fälleu,  wo 
die  Lemmata  verloren  gegangen  sind,  hat  sie  W. ,  soweit  er  sie  er- 
mitteln konnte,  in  Klammern  beigefügt.  Auch  hat  er  die  Fundorte 
der  Eklogen,  die  aus  noch  vorhandenen  Werken  stammen,  genau  an- 
gegeben. Die  Lesarten  der  besten  Handschriften,  F,  P  und  L,  sind 
gewissenhaft  verzeichnet,  die  der  übrigen  nur  da,  wo  sie  beachtenswerte 
Konjekturen  enthalten.  Die  Vermutungen  Neuerer  hat  W.  mit  einer 
fast  unbedingten  Vollständigkeit  angegeben.  Eine  sehr  dankenswerte 
Beigabe  zu  dem  Kommentar  bilden  die  hier  und  da  angeführten  Parallel- 
stellen. Was  die  Gestaltung  des  Textes  anbetrifft,  so  lehrt  eine  genaue 
Vergleichung  der  neuen  Ausgabe  mit  der  von  Meineke,  was  W.  auf 
diesem  Gebiete  geleistet  hat.  In  der  dem  Aetios  entnommenen  Ab- 
schnitten hat  sich  W.  vielfach  an  die  ihm  vorliegende  Dielssche  Rezen- 
sion angeschlossen,  ist  jedoch  öfter  auch  von  ihr  abgewiesen,  manchmal 
unzweifelhaft  zu  gunsten  einer  besseren  Gestaltung  des  Textes.  In 
bezng  auf  Einzelheiten  verweise  ich  auf  meine  Besprechung  im  Philol. 
Änz.  XV  S.  231 — 240  und  auf  die  von  E.  Hiller  Deutsche  Litteraturz. 
1884  8.  1199  ff. 

Xur  der  Vollständigkeit  halber  erwähnen  wir  hier: 

6.     C.    Thiaucourt,    De    Johannis    Stobaei    Eclogis    earumque 
foutibus.     Paris  1885.     90  S. 

Diese  Abhandlung  enthalt  nämlich  unter  dem  Schein  eigener  Forschung 
und  profunder  Gelehrsamkeit  im  wesentlichen  nichts  als  einen  Auszug 
aus  Wachsmuths  „Studien"  und  Prolegomena  zum  Stob,  sowie  aus 
Meinekes  Abhandlung  über  Areios  Didymos  und  Hirzels  Untersuchungen 
zu  Ciceros  philosophischen  Schriften;  s.  meinen  Bericht  in  der  Berl. 
phil.  Wochenschr.  1885  Sp.  1383  ff.  i) 

*)  Ergänzungen  zu  dem  so  lückenhaft  überlieferten  2.  Buche  des  Stob, 
giebt  A.  Elter,  Neue  Bruchstücke  des  Jo.  Stobäus,  Rhein.  Mus.  47  (1892) 


172     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

Die  den  Stobäischen  Exzerpten  aus  Aetios  parallel  laufenden 
pseudoplutarchischen  Placita  sind  neuerdings  wiederum  herausgegeben 
worden  in: 

7.  Plutarcbi  Chaeronensis  Moralia  recognovit  Bernar- 
dakis.  Vol.  V.  Leipzig.  S.  264 — 372  s.  t.:  nXourap/ou  91X0- 
aotpou  TCSpi  Tuiv  äpecxovTwv  (piXoa6(pot?  (pujixuiv  ooYixatcuv 
ßißXta  TtevTS. 

Da  B.  nur  einen  der  drei  von  Diels  benutzten  Codices  der  Placita 
verglichen  hat  und  zwar  den  Paris.  E,  der  ein  Vertreter  der  schlechteren 
Handschriftenklasse  ist,  so  war  er  von  vornherein  darauf  angewiesen, 
in  bezug  auf  die  Textesgestaltung  sich  im  großen  und  ganzen  an  Diels 
anzuschließen.  Doch  hat  er  bei  einer  Anzahl  verderbter  Stellen  unter 
dem  Texte  Verbesserungen  vorgeschlagen,  bisweilen  auch  in  den  Text 
aufgenommen,  von  denen  manche  annehmbar  oder  doch  beachtenswert 
erscheinen. 

Auf  ein  Kapitel  des  Aetios  bezieht  sich  eine  hier  nur  nebenbei 
zu  nennende  Abhandlung  von  P.  Wendland:  Posidonius'  Werk  Ttspl 
»eÄv,  Archiv  f.  Gesch.  d.  Philos.  I  (1888)  S.  200—210,  in  der  nach- 
gewiesen wird,  daß  das  stoisierende  Kapitel  über  den  Ursprung  des 
Gütterglaubens  bei  Pseudoplut.  =  Aetius  I  6  ein  flüchtiger  und  ver- 
worrener Auszug  aus  der  Schrift  des  Posidonius  ^rspl  Oecüv  ist,  die  wir 
als  Quelle  für  das  gesamte  2.  Buch  von  Cicero  d.  nat.  deor.  anzusehen 
haben  (vgl.  Schwencke  in  Jahrb.  f.  kl.  Phil.  1879  S.  65),  und  daß  aus 
derselben  Quelle  Clemens  AI.  Protrept.  §  26,  Sextus  Emp.  Math.  IX 
85  ff.,  der  Verfasser  der  Schrift  tt.  x63[jlou  und  Areios  Didymos  in 
einem  Kapitel  geschöpft  haben.  Wichtiger  für  unsere  Zwecke  Ist  eine 
zweite  Abhandlung  desselben  Verfassers: 

8.  Eine  doxographische  Quelle  Philos.  S.-Ber.  Berl.  Ak.  XLIX 
(1897)  S.  1074—1079. 

W.  vergleicht  zwei  doxographische  Exkurse  bei  Philo  de  somniis 
mit  den  entsprechenden  Abschnitten  bei  Aetios  und  in  verwandten 
Quellen.  Der  erste  Exkurs  cap.  4  mit  seiner  Fortsetzung  cap.  10  ent- 
hält eine  Übersicht  der  verschiedenen  Philosophenmeinungen  über  die 
Beschaffenheit  des  Himmels  und  der  Gestirne,  die  nicht  frei  von  Irr- 
tümern und  Flüchtigkeiten,  aber  reichhaltiger  als  Aetios  ist,  so  daß 
dessen  Berichte  in  einigen  wichtigen  Paukten  aus  Philon  ergänzt  werden 
können.  Noch  deutlicher  tritt  dieses  Verhältnis  in  dem  zweiten  Exkurse 


S.  130—137.  E.  veröffentlicht  .30  Eklogen  aus  einem  Vatikanischen  Gno- 
mologiom  und  weist  nach ,  dalJ  sie  zum  grollten  Teile  aus  verloren  ge- 
gtkngenen  Abschnitten  von  Stob.  11  stammen. 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.)     173 

(cap.  6)  hervor,  in  dem  die  o6;ac  über  das  Wesen  des  vou;  (oder  der 
'}u-/T^,  die  hier  mit  dem  voü;  vermengt  wird),  sein  Entstehen  und  Ver- 
gehen sowie  seinen  Sitz  im  menschlichen  Körper  zusammengestellt  sind. 
Hier  stehen  uns  nämlich  außer  Aetios  auch  noch  die  Berichte  bei 
Cicero  Tose.  I  9,  Tertullian  de  an.,  Macrob.  Somn.  Scip.  u.  a.  zur 
Verfügung.  Das  unanfechtbare  Ergebnis  der  Vergleichung  dieser  ver- 
schiedenen Quellen  ist,  daß  Philon  dieselbe  Quelle,  die  Diels  für  Aetios 
und  verwandte  doxographische  Berichte  nachgewiesen  hat  (s.  c),  die 
Vetusta  Placita,  benutzt  und  namentlich  aus  Poseidonios,  der  solche 
doxographische  Zusammenstellungen  liebte,  ergänzt  und  bereichert  hat. 
S.  1078,  2  wird  bemerkt,  Philon  habe  den  Vergleich  des  Hauptes  mit 
der  dtxporoXtc  wahrscheinlich  direkt  aus  Piatons  Tim.  p.  70  A  entlehnt. 
Ich  möchte  hierbei  hinw^eisen  auf  eine  vielleicht  noch  ältere  Stelle  aus 
dem  nach  ten  Brink  ein  echtes  Bruchstück  Demokrits  enthaltenden 
Briefe  ~.  9UJto;  avOpwTzou  bei  Hippokrates  III  p.  824  K. :  6  |xev  iYxs'faXor 

Die  Fortsetzung  von  No.  5"  bildet: 

9.      Joannis     Stobaei     Anthologium     rec.    C.    "Wachsmuth    et 
0.  Hense.     Vol.  III.     Berlin  1894.     8.     LXXX,  769  S. 

Während  Wachsmuth  die  Schicksale  der  Textüberlieferung  von 
der  Spaltung  des  Gesamtwerkes  an  nur  für  die  „Eklogen"  näher  ver- 
folgt hat,  ist  es  0.  Hense  vorbehalten  geblieben,  das  umfangreiche 
Material  für  das  „Florilegium"  durchzuarbeiten  und  die  verwickelten 
Verwandtschafts-  und  Wertverhältnisse  der  verschiedenen  Handschriften 
zu  entwirren.  In  langer,  mühevoller  Arbeit,  über  deren  Ertrag  er  zum 
guten  Teile  schon  vorher  in  einer  Reihe  von  zumeist  im  Rhein.  Mus. 
erschienenen  Abhandlungen  und  dann  abschließend  in  den  Prolegomena 
zu  der  Ausgabe  Rechenschaft  abgelegt  hat,  ist  es  ihm  gelungen,  diese 
Aufgabe,  soweit  es  mit  den  ihm  zugänglichen  Hülfsmitteln  möglich  war, 
zu  lösen.  Es  muß  hiernach  als  feststehend  gelten,  daß  alle  unsere 
Handschriften  von  einer  der  Photianischen  sehr  ähnlichen  Urhandschrift 
des  Gesamtw-erkes  abstammen.  Neben  den  Handschriften  der  1.  Klasse, 
unter  denen  der  leider  im  Anfange  stark  verstümmelte  Vindob.  S  den 
vordersten  Platz  einnimmt  und  in  zweiter  Linie  die  der  editio  princeps 
des  Trincavellus  zu  gründe  liegenden  Handschriften  (Tr)  in  betracht 
kommen,  haben  auch  die  Handschriften  der  2.  Klasse  einen  hohen  Wert. 
Sie  zerfallen  wiederum  in  zwei  Gruppen,  deren  eine  hauptsächlich  durch 
den  Paris.  A  und  den  von  Hense  verglichenen  und  zum  ersten  Male 
für  die  Konstituierung  des  Textes  verwendeten  Escurialensis  des  Men- 
doza  (M),  die  andere  durch  das,  wie  wir  gesehen  haben,  auch  für  die 
Eklogen  wichtige  Flor.  Laurent.  (L)    uud    den    zuerst  von  P.  Thomas 


174     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

verglichenen  Bnixellensis  fBr)  vertreten  wird.  In  der  neuen  Ausgabe 
ist  vor  allem  der  heillosen  Verwirrung,  die  bei  Gaisford  und  Meineke 
in  bezug  auf  die  Reihenfolge  der  Exzerpte,  besonders  in  den  ersten 
Kapiteln,  sowie  auf  den  Wortlaut  der  Lemmata  und  ihre  Zugehörigkeit 
zu  den  einzelnen  Exzerpten  herrscht,  ein  Ende  gemacht.  Aber  auch 
der  Text  erscheint  jetzt  auf  grund  des  neuen  oder  neugesichteten  hand- 
schriftlichen Materials  und  durch  eine  stattliche  Zahl  von  Verbesserungen 
des  Herausgebers,  zu  denen  noch  viele  von  Bücheier,  Wachsmuth, 
Nauck  u.  a.  beigesteuerte  hinzukommen,  in  wesentlich  verbesserter  Form. 
Diese  Umgestaltungen  sind  natürlich  auch  den  Überresten  vorsokratischer 
Philosophen,  vor  allem  den  zahlreichen  ethischen  Fragmenten  Deniokrits, 
die  das  „Florilegium"  autbewahrt  hat,  zu  gute  gekommen.  Ich  werde 
die  wichtigsten  Änderungen  des  Textes  dieser  Fragmente  an  späterer 
Stelle  anführen  und  bemerke  hier  nur,  daß  Hense  cap.  4,  79  eine  seit 
Gesner  von  den  Herausgebern  aus  dem  Text  ausgeschlossenen  und  daher 
auch  weder  von  Mullach  noch  von  Natorp  in  die  Sammlung  der  Frag- 
mente Demokrits  aufgenommene  Sentenz:  dvoyjpLove;  Cw^c  op£7ovTat  YiQpaoc 
Oavaxov  (H.  vermutet  xaixa-rov)  osöor/oxs;  wieder  in  ihr  Recht  eingesetzt 
hat.  Zu  beachten  ist  auch,  daß  infolge  des  mit  Recht  von  Hense  inne- 
gehaltenen Verfahrens,  stets  nur  den  Text  des  Stob,  selbst  wiederzu- 
geben, auch  da,  wo  dieser  Sammler  seine  Vorlage  offenbar  falsch  aus- 
geschrieben hat,  der  Wortlaut  bei  Hense  nicht  immer  die  echte  Gestalt 
der  Exzerpte  bietet.  Dies  gilt  z.  B.  von  den  Demokritfragmenten 
18  Nat.  =  ],  27  bei  Stob,  und  113  Nat.  -=  10,  42  bei  Stob.  —  Vgl. 
die  Besprechungen  der  Ausgabe  von  Frachter  Deutsche  Litt.-Z.  1895 
Sp.  324  ff.  und  Lortzing,  Berl.  Phil.  Wschr.  1895  Sp.  577—585. 

Unter  den  Kommentaren  zum  Aristoteles  kommt  für  uns  haupt- 
sächlich nur  der  des  Simplicius  zur  Physik  in  betracht,  der  jetzt  in 
mustergültiger  Textrevision  vorliegt: 

10.  Commentaria  in  Aristotelem  graeca.  Vol.  IX:  Simplicii 
in  Aristotelis  Physicorum  libros  quattuor  priores  commentaria 
ed.  H.  Di  eis.  Berlin,  G.  Reimer,  1882.  gr.  8.  XXXI,  S.  1-800. 
Vol.  X,  die  vier  letzten  Bücher  enthaltend,  von  demselben  ebenda  1895. 
XIV,  S.  801—1464. 

.  Da  Simpl.  in  den  späteren  Büchern  Abschnitte  aus  vorsokratischen 
Philosophen  nicht  mehr  citiert,  so  haben  wir  den  zweiten  Band  hier 
nur  wegen  der  ihm  beigefügten  trefflichen  Indices  zu  erwähnen  und 
sonst  allenfalls  noch  wegen  der  Bereicherung  der  doxographischen  Theo- 
phrastfragmente  um  ein  neues  S.  1121,  5  ff.,  das  nach  Diels  (s.  Index 
S.  1447  a  fin.)  vor  Fr.  11  Doxogr.  S.  485  zu  setzen  ist.  Nicht  hoch 
genug  dagegen  können  wir  die  Bedeutung  des  1.  Bandes  für  die  ältere 


Berichte  über  die  griechischen  Pbilosophea  vor  Sokrates.   (Lortzing.)     175 

Philosophie  anschlag-eii,  da  durch  diese  Ausgabe  erst  die  Fülle  der  von 
Simpl.  meist  ans  den  ursprünglichen  Quellen  geschöpften  Citate  den 
weiteren  Kreisen  der  Gelehrten,  denen  die  Aldina  nicht  erreichbar  war 
und  die  sich  daher  auf  die  sehr  lückenhaften  Auszüge  von  Brandis  im 
4.  Buche  der  akademischen  Aristotelesausgabe  angewiesen  sahen,  aufs 
bequemste  zugänglich  gemacht  woi'den  ist.  Um  zu  erkennen,  was  das 
für  die  kritische  Behandlung  der  Fragmente  zu  satjen  hat,  braucht  man 
nur  zu  bedenken,  daß  dieser  Teil  des  Simpl.  sämtliche  Brucl^stücke  des 
Anaxagoras,  fast  alle  des  Melissos  und  des  Diogenes  aus  ApoUouia, 
den  größten  Teil  der  Lehrdichtuugen  des  Parmenides  und  Empedokles 
sowie  einige  Fragmente  des  Xenophaues  und  Heraklit  enthält.  Den 
reichen  Gewinn,  den  eine  künftige  Rezension  der  vorsokratischen  Frag- 
mente, wie  sie  Diels  selbst  in  Aussicht  gestellt  hat  (die  Neubearbeitung 
des  Parmenides  liegt  bereits  vor),  aus  der  neuen  Ausgabe  zu  ziehen 
vermag,  hier  vor  Augen  zu  führen,  müssen  wir  uns  versagen:  über 
einzelne  Lesarten  später  an  den  geeigneten  Stellen.  Übrigens  ist  D. 
so  wenig  wie  Hense  in  Stob.  (s.  o.)  bei  der  Konstituierung  des  Textes 
der  Fragmente  über  Simpl.  hinaus  auf  die  ursprüngliche  Fassung  zurück- 
gegangen. —  Vgl.  die  Besprechung  des  1.  Bandes  von  Susemihl  Berl. 
Philol.  Wschr.  1882  Sp.   1313  ff. 

Von  den  sonstigen  neuen  Ausgaben  der  Aristoteleskommentare  in 
der  Berliner  Sammlung  sei  nur  noch  kurz  hingewiesen  auf: 

11.  Conimentaria  in  Aristotelem  graeca  vol.  VII:  Simplicii 
in  Aristotelem  de  caelo  conimentaria  ed.  J.  L.  Heiberg.  Berlin  1894, 

da  dieser  Kommentar  einige  der  im  Kommentar  zur  Physik  überlieferten 
Fragmente  wiederholt  und  vereinzelt  auch  Bruchstücke  bringt,  die  sich 
aus  andern  Quellen  nicht  belegen  lassen.  Ein  kleiner  t'^berrest  aus 
Empedokles  scheint  S.  587,  18  f.  in  den  Worten:  ev  TauTr)  ouv  tt; 
xaras-ajei  „|xou  vofi.eXf,"  l'tt  ra  -{ulcc  ärJj  ty;»  toü  Neixsoc  oiaxpissto? 
ovta  EjrXaväxo  t^c  ~pöj  aXXrjXa  ixi;euj?  e'fieixsva  vorzuliegen,  WO  nicht  nur 
fxouvofj-sX^ ,  sondern  auch  -/uTa  und  iTrXavaxo  (vgl.  Emped.  v.  246  St.) 
empedokleisches  Gut  zu  sein  scheinen. 

Ein  Seitenstück  zu  dem  philosophischen  Sammelwerke  des  Aetios 
bildet  eine  von  Kenyon  auf  einem  ägyptischen  Papyros  entdeckte  und 
von  Diels  herausgegebene  medizinische  Doxographie: 

12.  Anonymi  Loudiuensis  ex  Aristotelis  latricis  Menoniis  et 
aliis  medicis  eclogae  ed.  H.  Diels.  (Suppleraentum  Aristotelicum 
vol.  ni  p,  I.)     Berlin  1893.     XVIII,  116  S.     gr.  8. 

Wir  dürfen  an  diesem  für  die  Geschichte  der  Medizin  äußerst 
wertvollen  Funde  (s.  J.  Ilberg  in  Berl.  Phil.  Wschr.  1895  Sp.  805  ff.; 


1 76     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.  (Lortzing.) 

vgl.  auch  Diels:  Medizin  in  der  Schule  des  Aristoteles,  Preuß.  Jahrb. 
74  S.  412  ff.),  von  dem  auch  bereits  eine  deutsche  Ausgabe  von  H. 
Beckh  und  Fr.  Spät  (Berlin,  G.  Reimer,  1896)  erschienen  ist,  hier  nicht 
vorbeigehen,  weil  er  auch  für  die  älteren  Philosophen  ein  paar  wichtige 
Beiträge  liefert,  und  verbinden  damit  zugleich  die  Besprechung  der 
folgenden  Abhandlung: 

13.    H.  Diels,    Über  die  Exzerpte  von  Menons  latrika    in  dem 
Londoner  Papyrus  137.    Hermes  28  (1893)  S.  407-434. 

Der  Verfasser  dieser  Exzerpte,  der  uns  unbekannt  ist,  da  mit  dem 
Anfange  zugleich  der  Titel  verloren  gegangen  ist,  hat  wahrscheinlich 
im  1 .  Jahrhundert  n.  Chr.  geschrieben  und  neben  Alexander  Philalethes, 
der  als  Hauptquelle  des  zweiten  physiologischen  Teiles  gelten  darf,  für 
die  den  ersten  Teil  füllende  historische  Übersicht  über  die  Theorieen  von 
der  Entstehung  der  Krankheiten  die  unter  Aristoteles'  Namen  gehenden 
'latpixa  benutzt,  die  nach  Galen  von  einem  Schüler  des  Aristoteles, 
Menon,  herrühren  und  ähnlich  angelegt  waren  wie  die  Ooaixüiv  86iai  des 
Theophrast.  In  diesem  doxographischeu  Abschnitte  erscheinen  außer  einer 
größeren  Zahl  von  Ärzten,  darunter  10  bisher  völlig  unbekannten,  einige 
namhafte  Philosophen,  und  zwar  außer  Piaton,  dessen  Ansichten  nach  dem 
Timaios  dargestellt  werden,  Philolaos  und  Hippon.  Von  dem  ersteren 
wird  uns  col.  18,  12  ff.  ein  ausführliches  System  über  die  Ursachen  der 
Krankheiten  vorgetragen.  An  die  Spitze  stellt  Phil,  den  Satz,  daß  der 
menschliche  Körper  aus  Wärmestoff  bestehe  (juvss-cavai  ix  öspixoü)  und 
von  Natur  keinen  Anteil  am  Kalten  habe;  er  beweist  dies  erstens  unter 
Berufung  auf  den  Satz,  daß  das  Geschöpf  dem  ähnlich  sein  müsse,  aus 
dem  es  hervorgehe,  aus  der  gleichen  Beschaffenheit  des  Samens  und  der 
Gebärmutter  und  zweitens  aus  dem  sich  gleich  nach  der  Geburt  zeigen- 
den Bedürfnisse  nach  Einatmung  der  äußeren  Luft  zum  Zwecke  der  Ab- 
kühlung. Phil,  wendet  sich  darauf  zu  den  Krankheiten,  die  er  durch 
die  Galle,  das  Blut  und  den  Schleim  entstehen  läßt.  Über  die  Galle 
stellt  er  die  paradoxe  Ansicht  auf,  sie  existiere  gar  nicht  als  ein  be- 
sonderes Organ,  sondern  sei  nichts  als  eine  Art  Lymphe  (tyüipa)  des 
Fleisches  [hierin  folgte  ihm  nach  col.  20,  21  der  Arzt  Petron],  und 
nicht  minder  wunderlich  äußert  er  sich  über  den  Schleim,  den  er  im 
Gegensatz  zu  der  gewöhnlichen  Annahme  als  von  Natur  warm  bezeichnet, 
da  ja  cpXeY|i.a  von  'f^iyatv  herkomme  und  die  Entzündungen  im  ursäch- 
lichen Zusammenhange  mit  dem  (^'Ki'dia  ständen  (xa  9X£-c[i.aivovTa  fASTo^fT) 
Toü  cp)i-;[xa-:o;  ^\v(\Lctv/v.).  Nach  den  Ausführungen  von  Diels  in  No.  13 
ergiebt  sich  aus  diesem  Bruchstücke,  daß  man  die  Originalität  des  Phil, 
bisher  überschätzt  hat:  er  erscheint  hier  nicht  nur  in  seiner  Theorie 
Von  der  eingeborenen  Wärme,  die  auf  einen  von  dem  Pythagoreer  Hip- 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.)     177 

pasos  einseitig  durchgeführten  Gedanken  Heraklits  zurückgeht,  von 
andern  abhängig,  wie  er  sich  denn  auch  sonst  offenbar  von  Alkmaion 
und  Empedokles  (in  der  Erklärung  des  Sonnenlichtes  Act.  II  20,  12 
=  13)  beeinflussen  läßt;  sondern  er  erweist  sich  auch  auf  dem  speziell 
medizinischen  Gebiet  als  vollständiger  Eklektiker.  Aus  dem  vulgären 
hippokratischen  Systeme  scheint  er  die  Humoralpathologie  und  die  sonder- 
bare Ansicht  vom  ^Xe^p-a  aus  Prodikos  entlehnt  zu  haben,  der  nach  Galen 
de  nat.  pot.  II  11  in  der  Schrift  -epl  cpusio?  av{)pa)rotj  das  Wort  'fXevfxa 
nicht  vom  kalten  Schleim,  sondern  der  ursprünglichen  Wortbedeutung 
§emäß  von  entzündeten  Stoffen  gebraucht  wissen  wollte.  Phil,  geht  noch 
über  diese  Schulmeisterei  hinaus  mit  seiner  Behauptung  über  die  Natur 
des  Schleimes,  indem  er  in  philologischer  Begeisterung  der  Etymologie 
zuliebe  aus  kalt  warm  macht.  Wenn  es  hiernach  ziemlich  sicher 
scheint,  daß  er  seine  Weisheit  aus  Prodikos  geholt  hat,  so  ist  er  der 
Zeit  nach  wohl  etwas  später  anzusetzen,  als  dies  gewöhnlich  geschieht, 
und  mindestens  nicht  älter  als  Prodikos  zu  machen,  der  wahrscheinlich 
jünger  als  Sokrates  ist.  Jedenfalls  mul.l  man  sein  Buch  ganz  spät 
setzen,  vielleicht  an  den  Abend  seines  Lebens,  wo  er  in  seine  italische 
Heimat  wieder  zurückgekehrt  sein  soll.  —  Der  zweite  hier  zu  erwähnende 
Bericht  des  Papyros  (col.  11,  22  ff.)  beginnt  mit  den  Worten:  'lTr7r[. .  .  8]k 
<j  Kp[o]TtuviaTT]j.  Daß  hier  ursprünglich  Hippon  (vielleicht  auch,  wie 
Diels  im  Index  der  Ausgabe  bemerkt,  Hipponax  d.  i.  der  volle  Name 
tür  das  Hypokoristikon,  der  sich  auch  bei  Aet.  V  7,  3  und  7  findet) 
gestanden  hat,  und  daß  wir  es  hier  mit  dem  verspäteten  Nachfolger 
des  Thaies,  der  auch  der  pythagoreischen  Schule  zugerechnet  wird,  zu 
thun  haben,  kann  trotz  der  Verschiedenheit  des  Ethnikons  (Hippon  wird 
sonst  Rheginer  oder  Jletapontiner  genannt)  nach  dem  Inhalt  des  Be- 
i'ichtes  nicht  bezweifelt  werden.  Hiernach  lehrte  er,  daß  das  rechte 
Maß  der  Feuchtigkeit,  die  die  Ursache  unseres  Empfindens  und  Lebens 
ist,  die  Gesundheit,  ihr  Vertrocknen  dagegen  Empfindungslosigkeit  und 
Tod  zur  Folge  habe;  daher  seien  auch  wegen  Mangels  an  Feuchtigkeit 
die  Greise  hager  und  unempfindlich  (?rjpol  -/.al  dvaisÖTj-ot)  und  ebenso  die 
Fußsohlen  unempfindlich  (-a  -eXiiaxa  dvaitj&r,Ta  nach  der  Lesung  von 
Diels).  Hieran  schließt  sich  die  einem  zweiten  Buche  des  Hippon  ent- 
nommene Darlegung,  daß  die  aus  einem  Übermaß  von  Wärme  oder 
Kälte  entspringenden  Veränderungen  des  Feuchtigkeitszustandes  die 
Krankheiten  verursachen.  Diels  weist  in  No.  13  auf  die  Betonung  des 
Psychologischen  in  diesem  Berichte  hin,  die  sich  aus  der  Zugehörigkeit 
zur  krotoniatischen  Schule  erkläre:  H.  scheine  die  Entdeckung  des  Alk- 
maion, der  auf  anatomischem  Wege  die  vom  Auge  zum  Gehör  führeu- 
■den  Gänge  gezeigt  und  das  Wasser  in  der  Linse  zum  Prinzip  des  Seh- 
Jahresbericht  für  Altertumswissfinschaft.    Bd.  LXXXXVI.    (1898.  L)      1- 


178     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

Vermögens  gemacht  hatte,  ungeschickt  verallgemeinert  zn  haben.  —  Die 
weitereu  Ausführungen  von  Diels  über  die  Naturheillehre  des  Hero- 
dikos  von  Selymbria,  die  an  den  Kynismus  des  Antisthenes  erinnert, 
und  besonders  über  das  auf  Hippokiates  bezügliche  Exzerpt  des  Papyros 
betreffen  mehr  die  Geschichte  der  Medizin.  Das  Hauptergebnis  ist  der 
Nachweis,  daß  Aristoteles  und  ebenso  Menon  sich  in  dem  echten  Hippo- 
krates  geirrt  haben,  indem  sie  ihn  in  den  pneumatischen  Schriften  des 
hippokratischen  Korpus  (de  flatibus,  de  nat.  pueri  und  de  morbis  IV) 
suchten.  Dabei  fallen  aber  auch  interessante  Streiflichter  auf  die  Be- 
ziehungen der  latrosophistik  am  Ende  des  5.  Jahrhunderts  zu  der  Luft- 
theorie des  Diogenes  und  zu  der  Bluttheorie  des  Empedokles.  Aus  dem 
Luftprinzip  des  Diogenes  ist  auch  das  wundersame  Gleichnis  in  dem 
menonischen  Berichte  zu  erklären,  das  die  Menschen  wie  die  Wasser- 
linse auf  dem  Luftocean  schwimmen  läßt,  zugleich  ein  charakteristisches 
Beispiel  von  der  Art,  wie  im  6.  und  5.  Jahrhundert  die  Menschenwelt 
mit  den  übrigen  Organismen  in  spielende  Vergleichung  gesetzt  wurde. 
Ein  wortgetreues  Fragment  Hippons,  das  erste  und  einzige,  was 
wir  von  ihm  besitzen,  ist  neuerdings  zugleich  mit  einem  neuen  Bruch- 
stück des  Xenophanes  in  den  von  J.  Nicole,  Genf  1891  veröffentlichten 
Scholien  des  Genfer  Iliaskodex  gefunden  worden.    Hierüber  handelt 

14.  H.  Diels,  Über  die  Genfer  Fragmente  des  Xenophanes 
und  Hippon.     S.-Ber.  d.  Berl.  Ak.  1897  S.  575-583. 

Vgl.  die  kürzere  Mitteilung  von  Diels,  Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos. 
IV  (1891)  S.  652  f.  und  den  Bericht  in  Berl.  Ph.  Wschr.  1891  Sp.  1320  ff. 
Während  die  Scholiensammlung  in  den  übrigen  Büchern  wenig  Wert- 
volles bringt,  sprudelt  zu  Buch  O  eine  mit  erlesenster  alexandrinischer 
Gelehrsamkeit  gefüllte  Quelle,  aus  der  auch  die  beiden  erwähnten 
Citate  (zu  <!>  195  ff.)  geschöpft  sind.  Das  erste  Citat  lautet  nach  dem 
Vorschlage  von  Diels,  der  im  2.  Vers  eine  Lücke  annimmt:  Esvo'favrjc 
ev  Toi  -öpt  o'josco;' 

~rf{r^  0    eaxt  aaAass    uoaxo?,  tttjytj  o    ave|ji,oio 
ouTö  7ap  £v  vs'^äjiv   <~voiai   x'  dvsjxoio  cpuoivTO 
£x-veiovToc>   l'jwöcv  aveo  izovtou   [xs^aXoto 

O'JTS    pQcd    T.O~'X\S.üi^/    oZz      ai&SpO?    Ojxßp'.OV    iloüjp, 

aXXa    jxe-,'ac    ~6vtoc  '^z'^ixio^  •n'itiio'*  dvejjLcuv   xs 
■/.'A  -oxa[j.(Iiv  (—  fr.  IIa  Hiller). 

Die  hier  gelehrte  Entstehung  der  Winde  aus  den  Ausdünstungen 
des  Meeres  stimmt  trefflich  zu  der  auf  Theophrast  zurückgehenden  Dar- 
stellung bei  Aetios  III  4,  4.  Als  Beleg  hatte  Theophr.  sicherlich  die 
Verse  der  Genfer  Handschrift  vollständig  angeführt,  während  sich  in 
der  doxographischen  Überlieferung  nur  die  Anfangsworte:  k/j^t)  —  uöaxo; 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.)     17y 

(=  fr.  11  Kerstan)  erhalten  haben.    Mit  der  Vorstellung  des  Xenophanes, 
daß  das  Wasser  des  Ozeans  die  ganze  Erde  durchdringe  und  alle  Flüsse 
und  Quellen  aus  ihm  stammen,  steht  das  Fragment  des  Hippon  in  engster 
Verbindung,    das  die  Schollen    zn  derselben  Stelle    und    aus    derselben 
Quelle  erhalten  haben.     Hier  wird  ausdrücklich  Krates  von  Mallos  als 
Gewährsmann  genannt,    der   den  Scholien   vielleicht,    wie  D.   vermutet, 
durch  Herakleon  (vgl.  Doxogr.  88  ff.)  vermittelt  worden  war.     Krates, 
so  heißt  es,  habe  in  seinen  'ü|xy)ptxa  als  Beweis  dafür,    daß  die  nach- 
homerischen   Physiker    in    Übereinstimmung    mit    Homer    angenommen 
hätten,  das  die  Eide  umgebende  Wasser  sei  der  Okeanos,  und  aus  ihm 
stamme  auch  das  trinkbare  Wasser,    eine  Stelle  aus  Hippon  angeführt. 
Sie  lautet  nach  Diels,  der  den  überlieferten  Text  nur  unbedeutend  ändert, 
während  ihn  Nicole  sehr  gewaltsam  umgestaltet:   xa  -'«p  uoa-a  Tztvoixev« 
iravta  ex  ttj;  daXaaoTjs  Saxi  •  ou  7ap  or^zou ,    <ei>   xa  9pEaxa  ßaö'jxepa  ^v, 
daXajaa  esxiv  e^  ^;  Tiivoaev  "   ouxiu    -[otp    ouy.   <av>   ex    xrjc    ilaXajjTjc    xo 
uSiup  eiV),    dXX'  aXXoösv  iioöev.  vöv  6s  -^  OaXauja  ßaöuxepa  £3x1  xüiv  uoaxojv. 
oaa  ouv  xaOuzepBcv  xyjc  8aXajjT)c  eaxt,  TidvTa    dir'  aux^?  £3xiv.     D.  hält  im 
Gegensatz    zu   dem  Herausgeber    das  Fragment  für  unzweifelhaft  echt. 
Dagegen  spricht  keinesfalls  der  Umstand,  daß  das  Citat  keine  ionischen 
Formen  enthält,   während  doch  Hippon  sicherlich  im  ionischen  Dialekt 
gesehrieben    hat;    denn  von  Aristoteles    an  bis  auf  Simplicius    hat  die 
Überlieferung  der  ionischen  Philosophen  nur  ausnahmsweise  die  originale 
Form  bewahrt.     Die  Altertümlichkeit  des  Stils    und   das  Ungeschickte, 
ja  Alberne  der  Beweisführung  bestätigen  durchaus  das  Urteil  des  Ari- 
stoteles, der  Hippon  zu  den  cpopxixwxepot  rechnet  (de  an.  405b  2).    Hippon 
zeigt  sich  als  ein  Geistesverwandter  des  Diogenes  von  Apollonia  (beide 
worden  auch  in  der  Komödie  verspottet,    D.    in   den  Wolken  des  Ari- 
stoph.,  H.  in  den  Panopten  des  Kratinos).     Sie  teilten  die  Vorstellung, 
daß   alles  Fluß-    und  Qnellwasser    seinen    unterirdischen   Ursprung   im 
Meere  habe,  eine  Theorie,  die  näher  in  Piatons  Phaidon  111  D  ff.  aus- 
geführt ist,  und  deren  Vater  vielleicht  Anaxogoras  war. 

Neben  der  von  Theophrast  ausgehenden  doxographischen  Über- 
lieferung hat  eine  biographische  Behandlung  der  Philosophen  Platz 
gegriffen,  die  in  ihren  Ursprüngen  sich  bis  auf  ältere  Peripatetiker  wie 
Herakleides  Pont.,  Aristoxeuos,  Dikäarch  zurück  verfolgen  läßt  und  seit 
der  Alexandrinerzeit  zu  einem  selbständigen  Zweige  der  griechischen 
Litteratur  ausgebildet  worden  ist.  Von  dieser  ziemlich  umfangreichen 
Schriftstellerei,  die  sich  später  übrigens  mehr  und  mehr  aus  doxogra- 
phischen Quellen  bereichert  hat,  ist  außer  einzelnen  Viten  des  Piaton, 
Aristoteles  und  Pythagoras  nur  ihr  letzter  Ausläufer,  das  wahrscheinlich 
in  den  Anfang  des  3.  Jahrhunderts  n.  Chr.  zu  setzende  Werk  des 
Laertios  Diogenes  auf  uns  gekommen,    neben    dem    nur    noch  die  aus 

12* 


1 80     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

Hesychios  geschöpften  Abschnitte  des  Snidas  einen  subsidiären  Wert  als 
Quelle  beanspruchen  dürfen.  Auch  die  Entstehung  und  Zusammensetzung 
dieser  Kompilation  ist  in  den  letzten  Jahrzehnten  der  Gegenstand  ein- 
gehender und  fruchtbarer  Untersuchungen  gewesen,  deren  Ergebnisse 
hier  kurz  zusammengefaßt  werden  sollen. 

Bereits  1868  hatte  Fr.  Bahnsch,  quaestionum  de  Biogenis Laertii 
fontibus  initia,  dargelegt,  daß  Laert.  weder  die  Originalwerke  der  Phi- 
losophen,   noch  die  in  seinen  Büchern  so  häufig  citierten  späteren  Ge- 
währsmänner   mit    Ausnahme  des    Favorinus    und    vielleicht    auch    des 
Diokles  selbst  eingesehen  hat,   und   war  durch  eine  sorgfältige  Quellen- 
analyse zu  der  Ansicht  gelangt,    L.   habe  den  größten  und  wichtigsten 
Teil  seines  Werkes    aus    mehreren    biographischen  Kompendien    sowie 
Sammlungen  von  Lehren    und  Aussprüchen   der  Philosophen    in  leicht- 
fertiger Weise  zusammengestellt.    Dann  hatte  Fr.  Nietzsche  in  einigen 
im  Bhein.  Mus.  veröffentlichten  Abhandlungen  und  besonders  in  seinen 
„Beiträgen  zur  Quellenkunde  und  Kritik  des  Diogenes  Laertius",  Basel 
1870,  mit  einem  großen  Aufwände  von  Scharfsinn  nachzuweisen  gesucht, 
daß    das  ganze  Werk    im    wesentlichen    nichts    als    eine  Epitome  aus 
Diokles  sei,  in  die  L.  nur  noch  eine  Anzahl  Notizen  aus  Favorinus  ein- 
geschoben habe.     Diese  mit  großer  Sicherheit   vorgetragene  Hypothese 
blendete  eine  Zeitlang  die  gelehrte  Welt,  bis  im  Jahre  1879  gleichzeitig 
J.  Freudenthal,  Albinos  und  der  falsche  Alkinoos  (Hellenist.  Studien 
Heft  3,  Exkurs  4),  und  H.  Di  eis,  Doxogr.  gr.  p.  161  ff.,  ihre  Haltlosig- 
keit darthaten.     Bald  darauf  trat  Maaß  mit  einer  neuen  Vermutung  auf 
den  Plan,  die  aber  sofort  von  Wilamowitz  mit  siegreichen  Gründen  be- 
kämpft  und   abgethan  wurde.     Beides,    Behauptung   und  Widerlegung, 
sind  gemeinschaftlich  veröffentlicht  worden  unter  dem  Titel: 

15.  E.  Maaß,  De  biographis  Graecis  quaestiones  selectae  und 
U.  de  Wilamowitz-Möllendorff  ad  Ernestum  Maassium  epistula.  Phi- 
lolog.  Unters.  3.  Heft,  Berlin  1880.     169  S.     8. 

An  die  Stelle  von  Nietzsches  Diokles  setzt  Maaß  Favorinus,  den 
bereits  V.  Rose,  de  Aristotelis  librorum  ordine  et  auctoritate,  1854  als 
Hauptquelle  des  Laert.  bezeichnet  hatte.  M.  sucht  darzuthun,  daß  nicht 
nur  die  Homonymen-  und  Schriftenverzeichnisse  sowie  das  gesamte  bio- 
graphische Material  aus  Favorinus'  Trav-ooa-y]  bropi'a  stammen,  in  die 
nur  wenige  Exzerpte  aus  den  aiioiJ.vrj[j,ov£'Jixa-a  desselben  Autors  und 
einigen  anderen  Quellen  von  L.  eingestreut  sind,  sondern  auch  die  Dar- 
stellungen der  philosophischen  Lehren  mit  Ausnahme  der  ausführlicheren 
Behandlung  des  stoischen  Systems,  die  er  mit  Nietzsche  dem  Diokles 
zuweist,  aus  der  gleichen  Quelle  geflossen  seien,  kurz,  daß  das  ganze 
Werk  des  L.  fast  nichts  als  eine  Epitome  aus  Favorinus  sei.    Denselben 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     181 

Favorinus  entdeckt  M.  auch  in  den  Philosophenviten  anderer  Autoren, 
so  in  den  Vitae  Piatonis  des  Appuleius,  Olympiodor,  Porphyrius,  Albi- 
nus,  in  den  verschiedenen  Viten  des  Aristoteles,  in  der  vita  Pythagorae 
des  Porphyrius,  ferner  bei  Gellius,  Clemens  Alexaudr.,  Numenios,  Hippo- 
lytos,  endlich  auch  bei  Hesychios. 

U.  von  AVilamovvitz  weist  die  Unzulänglichkeit  der  Maaßschen 
Argumentation  schlagend  nach.  Hätte  Laert.  dem  Favorinus  alles  ent- 
nommen, so  würde  er  nicht  seinen  Namen  so  und  so  oft  hinzugefügt, 
sondern  verheimlicht  haben.  In  Wahrheit  sind  die  Entlehnungen 
aus  Favorinus'  ^z'x•^xoBoL^:^  bxopia ,  einem  aus  24  Büchern  be- 
stehenden Werke  voll  wirrer  Gelehrsamkeit,  nicht  sehr  zahlreich  und 
sicher  nicht  von  besonderer  Wichtigkeit.  Ebensowenig  ist  Fav.  Quelle 
für  die  anderen  Schriftsteller  gewesen,  die  M.  von  ihm  abhängig  sein 
läßt,  wie  dies  W.  u.  a.  in  bezug  auf  Hesjxhios  an  einzelnen  Beispielen 
zeigt.  Fällt  so  auch  die  Favorinushypothese  zusammen,  so  hat  M.  doch 
das  Verdienst,  erkannt  zu  haben,  daß  es  Vitae  des  Piaton,  Aristoteles, 
Pythagoras  u.  a.  gab,  aus  denen  schon  die  Schriftsteller  des  sinkenden 
2.  Jahrhunderts  n.  Chr.  fast  ihre  ganze  Weisheit  schöpften.  Besonders 
die  Vitae  des  Hesychios  gehen  fast  vollständig  und  die  des  Laert.  der 
Hauptsache  nach  auf  ein  großes  Vitarum  corpus  zurück.  Freilich 
finden  sich  auch  auffallende  Abweichungen  zwischen  Laert.  und  Hesych., 
und  wenn  schon  dem  letzteren  nicht  überall  dieselbe  Quelle  zu  gründe 
liegt,  so  ist  noch  viel  weniger  Porphyrius  oder  Albinus  oder  Appuleius 
aus  dieser  einen  herzuleiten.  Statt  derselben  Person  und  desselben 
Werkes  muß  man  denselben  Schatz  von  Gelehrsamkeit  setzen,  der  in 
den  biographischen  Sammelwerken  wie  in  den  Vorreden  zu  den  Kom- 
mentaren philosophischer  Schriften  steckt.  Nicht  auf  die  Namen  der 
Autoren  kommt  es  dabei  au,  sondern  auf  die  Art  ihres  Verfahrens. 
Die  Zwischenglieder  können  wir  nicht  mehr  ermitteln,  wohl  aber  bis 
zu  den  ersten  Quellen,  Satyros  und  Hermippos,  aufsteigen.  —  Unter  den 
Schriftstellern,  deren  Notizen  Laert.  seiner  Hauptquelle  eingefügt  hat, 
nimmt  Favorinus  den  ersten,  Diükles  mit  seiner  s-iopoptr)  töjv  ^iXo36<fu)v 
den  zweiten  Platz  ein.  Ihm  gehören  einige  Abschnitte  aus  den  Viten 
Epikurs,  der  Kyniker  und  der  Stoiker  und  vor  allem,  wie  auch  Maaß 
annimmt,  die  spezielle  Darstellung  der  stoischen  Lehre.  Ob  auch  die 
ausführlichere  Darstellung  der  Lehren  Leukipps  und  Ileraklits  auf  ihn 
zurückgeht,  bleibt  ungewiß.  Außer  den  genannten  beiden  hat  L.  noch 
eine  Anzahl  anderer  Autoren  eingesehen.  Die  Annahme  solcher  direkten 
Entlehnung  ist  auch  dann  zulässig,  wenn  L,  an  anderen  Stellen  den- 
selben Al^tor  aus  seiner  Hauptvorlage  citiert.  —  Übereinstimmend  mit 
Maaß  hält  W.  den  Laert.  für  einen  Epikureer.  Daher  erklärt  sich  auch 
seine  Vorliebe   für  Diokles,    seine  Berücksichtigung    der  gleichzeitigen 


1 82     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

Skeptiker,  seine  Verteidigung  Epikurs  von  X  9  an  gegen  die  Anklage 
des  Sotion.    Auch  hat  er  die  4  Briefe  Epikurs  selbst  gelesen. 
Nur  im  Vorbeigehen  sei  hier  erwähnt: 

IG.  Victor  Egger,  Disputationis  de  fontibus  Diogenis  Laertii 
particulam  de  successionibus  philosophorum  facultati  litterarum  Pari- 
siensi  propouebat.     Burdigalae  1881.     77  S.     gr.  8., 

der  zwar  mit  Recht  auf  Sotions  Aiaoo^T]  als  eine  der  (freilich 
nicht  direkten)  Hauptquellen  hinweist,  aber  mit  unzulänglichem  Material 
operiert  und  in  einseitiger  Weise  Laert.,  soweit  es  sich  um  Benutzung 
der  Diadochenlitteratur  handelt,  fast  ausschließlich  von  Sotion  abhängig 
macht,  auch  im  einzelneu  viele  zweifelhafte  und  verfehlte  Behauptungen 
aufstellt.  S.  Lortzing  in  Berl.  Phil.  Wschr.  1884  Sp.  809  fif.  —  Von 
ungleich  größerem  Wert  für  die  Kritik  der  Quellea  des  Laert.  ist: 

17.  IT.  von  Wilamowitz-Möllendorff,  Antigonos  von  Ka- 
rystos.     Phüolog.  Unters.    Heft  4.     Berlin  1881.     8.     VIH.    356  S. 

Wir  können  jedoch  auch  auf  diese  Arbeit  hier  nicht  näher  ein- 
gehen, weil  Antigonos,  den  W.  als  eine  wichtige  Quelle  des  Laert.  für 
einzelne  charakteristische  Eigenschaften  und  Äußerungen  der  Philosophen 
erwiesen  hat,  für  die  Abschnitte  über  vorsokratische  Philosophen  nicht 
in  betracht  kommt,  und  machen  nur  auf  den  Exkurs  IV  (S.  320 — 336) 
aufmerksam,  wo  aus  der  vorhergehenden  Untersuchung  die  Folgerungen 
für  die  von  Laert.  benutzten  Quellen  gezogen  werden.  Hiernach  hat  L. 
für  Buch  5 — 10  eine  etwa  dem  Jahre  100  n.  Chr.  angehörende  Vorlage 
gehabt,  während  dem  4.  Buche,  in  dem  ganz  andere  Autoreu  citiert 
werden,  eine  andere  Vorlage  zu  gründe  liegt.  Die  Vita  des  Meuederaos 
gehört  ganz  dem  Herakleides,  die  des  Xenophon  ihrem  Hauptteile  nach 
dem  Demetrius  Magnes. 

In  den  beiden  besprochenen  Untersuchungen  von  Wilamowitz'  ist 
das  Bestreben,  die  Hauptmasse  der  Sammlung  des  Laert.  unmittelbar 
auf  eins  der  darin  mehr  oder  minder  häufig  citierten  Quellenwerke 
zurückzuführen,  als  verfehlt  erwiesen  und  der  Quellenkritik  ein  rich- 
tigerer und  besser  zum  Ziele  führender  Weg  vorgezeiebnet  worden. 
Aber  im  Dunkel  blieb  hierbei  noch  immer  das  Verfahren,  das  Laert. 
in  der  Zusammenstellung  seines  Stoffes  beobachtet  hat.  Dieses  Dunkel 
ist  gelichtet  worden  in: 

18.  Epicm-ea  ed.  H.  Usener.    Leipzig  1887.    LXXIX,  445  S.  8. 

Von  dieser  die  gesamten  epikureischen  Fragmente  und  Zeugnisse 
umfassenden,  in  ihrer  Art  mustergültigen  Sammlung  (vgl.  Lortzing, 
Berl.  Phil.  Wschr.  1888  Sp.  389  ff.  421  ff.)  geht  uns  hier  nur  der 
erste  Teil  der  Vorrede  (S.  VI — XXXVI)  an,   in  dem  U.  zunächst  von 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     183 

den  Handschriften  des  Laert.  handelt  und  dann  die  Art,  wie  dieser  sein 
Werk  zusammengeschrieben  hat,  einer  gründlichen  Erörterung  unterzieht, 
deren  Hauptergebnisse  folgende  sind.  Man  thut  dem  Laert.  noch  zu  viel 
Ehre  an,  wenn  man  ihn  einen  elenden  Kompilator  nennt;  er  hat  über- 
haupt nichts  selbst  geschrieben,  sondern  nur  vorgefundenes  Material 
seinen  Kopisten  zum  Abschreiben  übergeben  und  ihnen  hierbei  über- 
lassen, die  seinem  Exemplare  beigeschiiebenen  Randbemerkungen  in 
der  ihnen  gut  scheinenden  Ordnung  dem  Texte  einzufügen.  Der  Nach- 
weis für  die  Richtigkeit  dieser  Auffassung  wird  zunächst  au  einem  lehr- 
reichen Beispiele  aus  der  Vita  Piatonis  (III  5  f.),  wo  dem  ursprüng- 
lichen Bestände  von  verschiedenen  Abschreibern  vier  Zusätze,  meist  an 
verkehrter  Stelle,  beigefügt  sind,  sodann  an  einigen  ähnlichen  Zusätzen 
im  10.  Buche  geliefert.  Auch  die  in  dieses  Buch  aufgenommenen 
Schriften  Epikurs  enthalten  eine  Anzahl  Einschiebsel,  die  sich  deutlich 
als  Randscholien  eines  ziemlich  gelehrten  Mannes  kennzeichnen,  aber 
bei  L.  oft  an  ganz  unrechter  Stelle  erscheinen  und  vielfache  Aus- 
lassungen und  Verwirrungen  im  Texte  veranlaßt  haben.  Die  auffälligsten 
Zusätze  dieser  Art  aber  finden  sich  in  den  den  3.  Brief  Epikurs  um- 
schließenden Abschnitten.  Zu  gründe  liegt  dem  Werke  des  L.  ein  aus 
der  Zeit  des  Nero  oder  der  Flavier  stammendes,  einer  gelehrten  Dame 
gewidmetes  Buch  über  Leben,  Schriften  und  Lehren  der  Philosophen, 
das  der  Herausgeber,  als  den  man  L.  betrachten  darf,  durch  die 
Schriften  Epikurs  und  eine  auf  guter  Quelle  beruhende,  aber  bereits 
stark  interpolierte  Skizze  uspl  xoo  ao'f  oü  vermehrte.  —  Die  Handschriften 
des  Laert.  zerfallen  nach  U.  in  zwei  Klassen,  die  aus  gemeinsamer 
Quelle  stammen  und  sich  erst  im  Mittelalter  geschieden  haben.  Die 
erste  Klasse  bilden  der  von  C.  Wachsmuth  verglichene  und  von  P.  Corssen 
an  vielen  Stellen  von  neuem  durchgesehene  Borbouicus  (B),  über  den 
E.  Rohde  in  Nietzsches  Beiträgen  u.  s.  w.  (s.  oben)  S.  17  f.  genau  be- 
richtet hat,  und  der  von  einer  späteren  Hand  nach  einem  Exemplare 
der  zweiten  Klasse  durchkorrigierte  Parisiensis  1759  (P)  in  seiner  ur- 
sprünglichen Gestalt  (P^),  die  sich  mit  Hülfe  des,  wie  Bonnet  erkannt 
hat,  aus  dem  unverbesserten  P  abgeschriebenen  Paris.  1758  (Q)  mit 
ziemlicher  Sicherheit  herstellen  läßt.  Von  der  zweiten  Klasse  kommen 
außer  der  zweiten  Hand  von  P  (P^)  hauptsächlich  nur  ein  Laurent.  (F), 
der  die  Grundlage  der  Cobetschen  Ausgabe  bildet,  und  die  Baseler  Aus- 
gabe von  Frohen  (f)  in  betracht,  während  zwei  andere  Laurentiani 
(H  und  G)  mehr  subsidiären  Wert  haben.  Vgl.  dazu  das  von  Wachs- 
muth in  seiner  Ausgabe  der  griechischen  Sillographen  (corpusc.  poes. 
ep.  gr.  ludib.  II)  S.  54  aufgestellte  Stemma,  von  dem  U.  in  mehreren 
Punkten  abweicht.  Auf  grund  dieses  handschriftlichen  Materials  hat  U. 
nicht  nur  die  vier  Schriften  Epikurs  (S.  1  ff.),  sondern  auch  die  Lebens- 


184     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

beschreibuug  (S.  359  flf.)  und  die  durch  den  3.  Brief  unterbrochene 
Skizze  über  den  Weisen  (S.  XXVII  ff.))  somit  also  das  ganze  10.  Buch 
neu  herausgegeben.  Diese  Ausgabe,  die  alle  früheren  weit  in  den 
Schatten  stellt,  ist  neben  der  in  Bywaters  Heracliti  reliquiae  S.  55  ff. 
enthaltenen  Vita  Heraklits  und  der  von  demselben  Oxford  1879  veran- 
stalteten Sonderausgabe  der  Vita  des  Aristot.  eine  treffliche  Vorarbeit 
für  eine  vollständige  Neubearbeitung  des  Laert.,  die  dringend  not  thut 
und  hoffentlich  nicht  mehr  lange  auf  sich  warten  läßt.  —  Einen  wei- 
teren, bedeutenden  Schritt  vorwärts  in  der  Erforschung  der  Quelle  des 
Laert.  thut: 

19.     H.  Usener,  Die  Unterlage  des  Laertius  Diogenes.    Sitz.-B. 
d.  preuss.  Akad.  d.  W.  1892  S.  1023—1034. 

Nachdem  Sotion  zuerst  die  biographische  Geschichtschreibung  der 
Philosophie  in  die  feste  Form  von  zwei  Successionsreihen  gebracht  hatte» 
wurde  sein  Werk  in  einem  bald  darauf  von  Herakleides  Lembos  ange- 
fertigten Auszuge  von  den  späteren  Diadochenschreibern  zur  Unterlage 
genommen.  Aber  mit  Sotion  war  diese  biographische  Darstellung  nicht 
abgeschlossen.  Erst  Antisthenes  (nicht  vor  50  v.  Chr.)  scheint  Philo- 
sophen wie  Heraklit  und  Diogenes  aus  Apoll,  dem  Diadochensystem 
angepaßt  zu  haben.  Seit  der  augusteischen  Zeit  nahmen  die  vorher 
wesentlich  rein  biographischen  Darstellungen  einen  wachsenden  Bestand- 
teil doxographischer  Überlieferung  in  sich  auf.  In  dem  Werke  des 
Laert.  ist  außer  der  auf  Sotion  zurückgehenden  biographischen  Quelle 
für  die  doxographischen  Übersichten  noch  eine  zweite  speziellere  Quelle 
und  für  die  Dogmatik  der  großen  Schulen  Diokles,  außerdem  für  das 
Biographische  Favorinus  benutzt  worden.  Zur  Beantwortung  der  Frage, 
welches  die  Unterlage  des  Laert.  gewesen  sei,  ist  davon  auszugehen, 
daß  sie  nicht  von  jemand  herrühren  kann,  der  bei  Laert.  genannt  ist. 
Da  nun  alle  Diadochenschriftsteller,  die  wir  kennen,  bei  Laert.  citiert 
werden,  mit  Ausnahme  der  von  Athenaios  benutzten  Z\iaöo-/ai  des  Nikias 
aus  Nikaia  (6  Nixaeuc),  liegt  die  Annahme  nahe,  daß  eben  dieser  der 
Verfasser  der  Unterlage  des  L.  ist.  Diese  Annahme  wird  auch  em- 
pfohlen durch  die  Erwähnung  des  Apollonides  aus  Nikaia  bei  L.  9,  109 
mit  dem  Zusätze  6  Tiap'  rjixröv,  der  nach  U.  nur  heißen  kann:  ,.,unser 
Landsmann*,  nicht,  wie  von  Wilamowitz  (ep.  ad  Maass.)  wollte,  einen 
Anhänger  derselben  Sekte  bezeichnet  (vgl.  Diels,  Herrn.  24  S.  324, 
wo  zu  dieser  Stelle  bereits  die  Vermutung  ausgesprochen  ist,  daß  Nikias 
der  Gewährsmann  des  Laert.  sei);  zur  Gewißheit  wird  sie  erhoben  durch 
die  Übereinstimmung  dessen,  was  uns  bei  Athenäus  aus  Nikias  bezeugt 
ist,  mit  den  entsprechenden  Angaben  bei  Laert.  Die  durchweg  ver- 
kürzte Fassung,  in  der  diese  Abschnitte  bei  Laert.  erscheinen,  läßt  ver- 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.)     185 

muten,  dall  dieser  einen  Auszug  aus  Nikias  vor  sich  gehabt  hat.  Dies 
wird  auch  dadurch  wahrscheinlich,  daß  beide  durch  einen  Zeitraum  von 
IV2  Jahrhunderten  voneinander  getrennt  zu  sein  scheinen;  denn  aus 
der  Erwähnung  des  unter  Tiberius  lebenden  Thrasyllos  (3,  47)  und  aus 
der  Bemerkung  1,21,  die  eklektische  Sekte  des  Potaraon,  eines  Zeit- 
genossen des  Augustus,  sei  r.pb  dXqou  entstanden,  ergiebt  sich,  wenn 
beide  Notizen  auf  Nikias  zurückgehen,  daß  dieser  unter  Nero,  etwa 
70  n.  Chr.,  geschrieben  hat.  Für  sein  Handbuch,  das  bis  in  die  spätere 
Aiitoninenzeit  das  verbreitetste  seiner  Art  war,  hat  Sotions  Werk  den 
Rahiien  abgegeben  und  die  Grenzpunkte  der  einzelnen  Reihen  bestimmt: 
nur  die  Stoa,  der  er  nahe  gestanden  haben  mul.!,  hat  er  bis  auf  seine 
Zeit  fortgeführt,  während  er  die  Akademiker  Karneades  und  Kleito- 
machos  in  seiner  Vorlage  schon  vorfand.  Wenn  bei  Laert.  öfters  Sotion 
und  Herakleides  Lembos  ebenso  wie  die  Kompilatoren  Sotions  bis  auf 
Hippobotos  angeführt  werden,  so  kommt  dies  daher,  daß  unter  der  Hand 
der  späteren  Bearbeiter  des  Sotion  der  Auszug  des  Herakleides,  an  den 
sie  sich  hielten,  dünner  und  dünner  wurde:  man  verglich  daher  später 
zur  Vervollständigung  und  Ergänzung  dieser  Unterlage  die  verwandten 
Bücher,  darunter  auch  die  Epitome  des  Herakl.  und  gelegentlich  sogar 
das  Originalwerk  des  Sotion  selbst. 

20.  Walther  Volkmann,  Untersuchungen  zu  Diogenes  Laertius. 
Festschr.  des  Gymnasiums  zu  Jauer.     Jauer  1890.     S.  103 — 120. 

21.  Derselbe,  Quaestionum  de  Diogene  Laertio  cap.  I:  de 
Diogene  Laertio  et  Suida.  Jahresb.  d.  Magdalenengymn.  zu  Breslau 
1890.     4.     13  S. 

22.  Derselbe,  Quaestionum  de  Diogene  Laertio  cap.  II:  Mis- 
cellanea.     Jahresb.  ders.  Anstalt  1895.    '4.     14  S. 

In  No.  20  sucht  der  Verf.  nachzuweisen,  daß  für  das  1.  Buch 
des  Laertius  und  ebenso  für  Hesychios  in  den  Viten  der  sieben  Weisen 
Sosikrates  die  Hauptquelle  gewesen  sei.  Auf  diese  glaubt  er  auch  die 
Einleitung  zurückführen  zu  dürfen  und  schließt  aus  der  zu  No.  19  an- 
geführten Stelle  121,  daß  Sos.  etwas  später  als  Potamon,  etwa  50 
V.  Chr.  (?),  anzusetzen  sei.  —  In  No.  21  wird  zunächst  nach  Useners 
Vorgang  (s.  zu  No.  18)  eine  Reihe  von  Stellen  des  Laert.  nachge- 
wiesen, wo  er  die  von  ihm.  zu  gründe  gelegte  Quelle  mit  Randbemer- 
kungen versah.  So  findet  sich  in  der  Vita  von  Thaies  I  25  ein  auf 
Pythagoras,  in  der  des  Protag.  IX  50  ein  auf  Demokrit,  in  der  des 
Diogenes  Apoll.  IX  57  und  ebenso  in  der  des  Archelaos  II  16  ein  auf 
Anaxagoras  bezügliches  Einschiebsel.  II  1  (Anaxiraenes)  bilden  die 
Worte:  Evioi  61  xal  nap|xevi6if)v  cpaai'v  axoüsat  a'jxoü  (so  V.  statt  IlapjAe- 


186     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

vt'oou  —  aü-ov)  eine  Randnotiz,  die  auf  den  unmittelbar  vorher  ge- 
nannten Anaximander,  nicht  auf  Anaximenes  ginj;.  Ich  bemeike  hierzu, 
da  1.1  diese  Lesung  und  Auffassung  der  Stelle  ihre  Bestätigung  durch 
Laert.  IX  21:  toütov  Beocppa^toc  sv  ttj  'E:tiT0[j,7]  'Ava^ijxavöpou  cpTQ^lv 
axoüaoti  zu  erhalten  und  sich  damit  zugleich  die  Beziehung  des  toütov 
an  letzterer  Stelle  (vgl.  Diels  dox.  103  und  Zeller  I^  554  f.  Anra ) 
sowie  die  in  den  Ausgaben  des  Laert.  übliche  Umstellung  von  Ilapixs- 
vi'oTj?  und  Esvo^avouc  in  dem  voraufgehenden  Satze  zu  erübrigen  scheinen. 
Auffällig  ist  dabei  freilich,  daß  in  der  zweiten  Stelle  die  wenig  glaub- 
v^ürdige  Notiz  auf  Theophrast  zurückgeführt  wird;  aber  dies  kann  auf 
einem  Mißverständnis  der  von  Laert.  eingesehenen  Quelle,  etwa  des 
Sotion,  beruhen.  An  die  Besprechung  dieser  Stellen  schließt  sich  eine 
Erörterung  über  das  Verhältnis  des  Hesj'chios  und  Suidas  zu  Laert. 
V.  stimmt  Nietzsche  darin  bei,  daß  Hes.  nicht  den  Laert.  ausgeschrieben 
hat  (so  Val.  Rose),  sondern  beide  dieselbe  Qnelle  benutzt  haben,  nimmt 
aber  abweichend  von  jenem  für  Suidas  außer  Hesych.  auch  noch  Laert. 
als  Quelle  an  und  beweist  dies  durch  die  Vergleichung  einzelner  Stelleu 
bei  Laert.  mit  den  entsprechenden  bei  Suid.  Der  Text  des  Hesych. 
läßt  sich  also  zum  großen  Teile  dadurch  wiederherstellen,  daß  alles  bei 
Suid.  weggelassen  wird,  was  nicht  auf  die  gemeinsame  Quelle  des  Hes. 
und  Laert. ,  •  sondern  auf  die  von  letzterem  außerdem  noch  benutzten 
Schriftsteller  zurückgeht.  Zu  diesen  gehört  vornehmlich  Favorinus,  den 
Laert.  auch  an  mehreren  Stellen,  wo  sein  Name  nicht  genannt  ist,  und 
besonders  in  der  vita  Aeschinis,  die  er  im  Anschlüsse  an  Idomeneus 
von  Lampsakos  verfaßt  hatte,  benutzt  zu  haben  scheint.  —  In  No.  23 
werden  neue  Beispiele  für  das  Verfahren  des  Laert.  und  seiner  Ab- 
schreiber beigebracht,  von  denen  sich  folgende  auf  vorsokra tische  Phi- 
losophen beziehen.  VIII  51 — 53  (Empedokl.)  bilden  die  Worte  XeYst  8k 
7.7.1  'EpaT03i>evr,c  —  'ApuToteXsi  und  die  unmittelbar  an  sie  anzuschließenden 
l-:zi  T£  xrj;  aoxrfi  'OXu[ji,7itaooc  —  op6|x(|)  die  erste,  die  Worte  l-^tb  6e  eupov 
—  dXcpi-cuv  eine  zweite,  direkt  aus  Favorin  stammende  Randglosse,  wäh- 
rend die  auf  letztere  folgenden  doöX'fov  hyt  KaXXtxpa-rtorjv  nicht  dem- 
selben Favor.,  sondern  der  dem  Laert.  und  Hesych.  gemeinsamen  Quelle 
entnommen  sind.  —  VIII  46  (Pythag.j  beziehen  sich  die  Worte  xouxov 
cTvat  Tov  -pü>Tov  evTE-/vö)j  z'jy.TcUjavTa  Siii  r^;  07067]?  zal  xexTapaxoJT^« 
'OXufjLwaoo;  y.xX.  nicht,  wie  zuerst  Bentley,  dann  Nietzsche  und  Maaß 
annahmen,  auf  den  Philosophen  Pyth.,  sondern  auf  den  samischeu 
Bildhauer,  den  Sohn  des  Krates:  ihn  hatte  Favorinus,  aus  dem  die 
ganze  Stelle  stammt,  als  Erfinder  des  kunstmässigen  Faustkampfes  un- 
mittelbar an  den  Rheginer  Pyth.,  den  Erfinder  des  Rhythmus  und  der 
Harmonie,  angeschlossen  (die  dazwischen  stehenden  Worte  xal  sxepov 
&r,xopa  —  üj;  :\tovuaioi  bxopsi  sind  als  Randbemerkung  anzusehen).    Ver- 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     187 

fehlt  ist  daher  der  Versuch,  den  Bentley  und  später  Benihardy  Era- 
tosth.  S.  255  gemacht  haben,  jene  Notiz  zur  Feststellung  von  Pytha- 
goras'  Geburtsjahr  zu  benutzen.  —  VIII  2  f.  (Pythag.)  sind  die  Worte 
l^evex'  ouv  Iv  Ai^utttw  —  TrptüTsujav-riuv  eine  an  eine  falsche  Stelle  ge- 
ratene Randbemerkung,  die  hinter  £v  dTropprjTouj  £|j,a8sv  einzuschieben 
war.  I  25  (Thaies)  ist  für  au-oj  oi  '-pr,jiv  nicht  mit  Menagius  und  Gebet 
KXüTo;  8e  9.,  sondern  nach  Plutarch  vit.  Selon,  c.  6  Ilaxaiy.o;  oi  9. 
zu  schreiben.  Die  Worte  sind  zusammen  mit  der  Notiz  I  39  in.  (cf. 
schol.  ad  Plat.  rerap.  600A)  dem  Hermippos  oder  seinem  Gewährsmann 
Pataikos  entnommen.  Die  darauf  folgenden  (I  26)  l'vioi  oh  —  ulov  Oijöa'. 
sind  an  den  Rand  zu  verweisen.  —  Zu  einer  wichtigen  Quellenunter- 
suchung giebt  dem  Verf.  der  Eingang  der  vita  des  Heraklit  IX  1  Ver- 
anlassung. Dieser  Eingang  stammt  aus  einer  dem  Laert.  mit  dem 
Scholiasteu  zu  Piatons  Staat  498  A  gemeinsamen  Quelle,  die  Laert. 
auch  VII  185,  IX  15.  36.  28  benutzt  zu  haben  scheint,  und  deren  Ver- 
fasser, wie  die  letzte  der  genannten  Stelleu  beweist,  darauf  ausging, 
Notizen  über  die  Städte  und  ihre  Namen  zu  sammeln.  Man  darf  da 
wohl,  meint  V.,  an  Philon  aus  Byblos  denken,  der  nach  Suidas  am 
Ende  des  1.  Jahrhunderts  n.  Chr.  ein  Werk  -spl  -oXswv  y.ai  ouc  hAizr^ 
a'jTtüv  evöo^ou?  T)ve7X£v  schrieb,  aus  welchem  Aelius  Serenus  einen  Auszug 
angefertigt  hat.  Die  Schätze  Philons  hat  nach  Niese  de  Stephani  By- 
zantii  auctoribus  I  S.  26  f.  Stephanus  in  seinen  'E&vr/.a  ausgebeutet. 
Eine  Vergleichung  des  Steph.  und  Laert.  an  mehreren  Stelleu  ergiebt 
nun,  daß  der  von  Laert.  ausgeschriebene  Autor  zu  öfteren  ilalen  Philons 
Buch  benutzt  hat.  Damit  fällt  ebenso  wie  die  von  V.  selbst  früher 
(s.  zu  No.  20)  ausgesprochene  Vermutung  über  Sosikrates  auch  Useners 
Nikiashypothese,  da  Nikias  zu  Neros  Zeiten  lebte  und  daher  das  Werk 
Philons  nicht  gekannt  haben  kann.  Auf  denselben  Philon  gehen  auch 
noch  eine  Anzahl  anderer  in  gleichem  Stile  wie  IX  1  und  28  ge- 
schriebener Stellen,  die  alle  eine  kurze  Charakterschilderung  enthalten 
und  diese  fast  durchw-eg  durch  Citate  aus  den  Schriften  der  betreffenden 
Philosophen  oder  auch  aus  Timons  Gedichten  (vgl.  besonders  Volkmanns 
Bemerkungen  zu  III  7)  zu  stützen  suchen,  sowie  die  Verzeichnisse  der 
Schriften  des  Xenophon,  Antistbenes,  Aristoteles  und  Theophrast  zurück. 
Der  Hauptwert  der  Abhandlungen  Volkmanns  liegt  in  den  für 
die  Ausführungen  Useners  über  die  Arbeitsweise  des  Laertios  und 
seiner  Abschreiber  beigebrachten  zahlreichen  Eiozelnachweisen;  die 
Widerlegung  der  Nikiashypothese  dagegen  scheint  mir  der  zwingenden 
Beweiskraft  zu  entbehren.  Wenn  Niese  wirklich  den  vollgültigen  Be- 
weis für  die  Benutzung  Philons  durch  Steph anos  Byzant.  erbracht  hat, 
was  ich  nicht  zu  beurteilen  vermag,  da  mir  seine  Abhandlung  nicht 
vorliegt,  so  folgt  doch  aus  der  Übereinstimmung  einiger  Stellen  seiner 


188     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

Ethnika  mit  Laert.  nicht  notwendig,  daß  diese  geographischen  Notizen 
bei  Laert.  genau  aus  derselben  Quelle  wie  bei  Steph.  stammen :  ersterer 
oder  vielmehr  seine  Unterlage,  nach  Usener  Nikias,  könnte  sie  auch 
aus  der  gleichen  Quelle  wie  Philon  geschöpft  haben.  Denkbar  wäre 
auch,  daß  der  Verf.  des  Auszuges  aus  Nikias,  der  dem  Laert.  nach 
Usener  vorgelegen  hat,  hier  und  dort  einzelne  Bemerkungen  aus  Philon 
hinzugefügt  hätte. 

Einen  Beitrag  zur  Kritik  des  Laertius  liefert: 

23.  H.  Diels,  Reiskii  animadversiones  in  Laertium  Diogenem. 
Herm.  XXIV  (1889)  S.  302—325. 

Die  Bemerkungen,  die  D.  hier  aus  dem  in  der  Kgl.  Bibliothek 
zu  Kopenhagen  befindlichen  Nachlasse  Eeiskes  veröffentlicht,  sind  durch- 
weg beachtenswert  und  bieten  in  vielen  Fällen  die  richtige  oder  doch 
wahrscheinliche  Lesart.  Sie  legen  ein  neues  Zeugnis  ab  von  der  heute 
allgemein  anerkannten  Trefflichkeit  ihres  Verfassers  als  Altertums- 
forscher und  Kritiker  und  sind  von  um  so  größerer  Bedeutung,  als  ß. 
bereits  von  der  sonst  den  Gelehrten  bis  auf  die  jüngste  Zeit  verborgen 
gebliebeneu  Flickarbeit  des  Laert.  eine  klare  Vorstellung  hatte  (s.  S.  304 
die  Bemerkung  zu  VII  5).  Nicht  minder  wertvoll  sind  die  von  dem 
Herausgeber  reichlich  eingestreuten  Zusätze. 

Über  eine  der  ältesten  Quellen   für  Litteratur-  und  Philosophie- 
geschichte handelt: 

24.  E.  Hiller,  Die  Fragmente  des  Glaukos  von  Rhegion.  Rh.  M.  41 
S.  398—436. 

Aus  Laert.  IX  38  folgt  nicht,  daß  Glaukos  dem  Demokrit  gleich- 
altrig, sondern  nur,  daß  Dem.  noch  am  Leben  war,  als  G.  im  Mannes- 
alter stand.  Seine  Schrift  nepl  xcuv  dp/aiü>v  -oirj-rcJüv  xe  xat  ixouatxtSv  hat 
er  sicher  nicht  vor  dem  Ende  des  5.  Jahrhunderts  abgefaßt,  da  sie 
von  einigen  dem  Antiphon  beigelegt  wurde,  also  im  attischen  Dialekte 
geschrieben  gewesen  sein  muß,  dessen  sich  ein  Rheginer  gewiß  nicht 
früher  bedient  hat.  Nächst  der  Schrift  des  Damastes  Ttepl  -otrjTtuv  xat 
co(pi3xüiv  ist  die  des  G.  die  älteste  uns  bekannte,  die  wir,  wenigstens 
zu  einem  erheblichen  Teile,  dem  Gebiete  der  Litteraturgeschichte  zu- 
zuweisen haben.  Pseudoplut.  d.  mus.  citiert  sie  viermal,  vielleicht  auch 
noch  an  einer  5.  Stelle  (1132  E).  Ein  Hauptbestreben  des  G.  war  es, 
die  Reihenfolge  der  alten  Meister  zu  bestimmen,  wobei  er  von  den 
Begründern  der  Aulodik  ausging.  Laert.  führt  ihn  zweimal  als  Zeugen 
an:  VIII  52  dafür,  daß  Emped.  Thurii  gleich  nach  seiner  Gründung 
besucht  habe,  und  IX  38  dafür,  daß  Demokrit  Zuhörer  eines  Pythagoreers 
gewesen  sei.    Da  es  nicht  wahrscheinlich  ist,  daß  sich  Emped.  unter  den 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     189 

in  der  genannten  Schrift  behandelten  Dichtern  befand,  da  sonst  G.  eine 
überaus  große  Anzahl  von  Dichtern  in  dieser  Schrift  behandelt  haben 
müßte  {?),  nnd  da  die  Bemerkung  über  Dem.  in  einem  die  Dichter  und 
Musiker  behandelnden  Werke  nur  beiläufig?  vorgekommen  sein  könnte, 
so  darf  man  vielleicht  vermuten,  daß  die  beiden  Citate  bei  Laert.,  die 
übrigens  nahen  Bezug  auf  das  Heimatland  des  G.  gehabt  haben,  einer 
anderen  Schrift  desselben  Autors  entnommen  sind. 

So  wichtig  auch  die  Zeugnisse  der  Doxographen  und  Biographen 
sein  mögen,  zumal  wenn  sie  sich  mit  einiger  Sicherheit  auf  Theophrast 
zurückführen  lassen,  so  bleibt  doch  immer  die  Hauptquelle  für  unsere 
Kenntnis  der  älteren  Philosophie  Aristoteles  trotz  der  jetzt  fast  zur 
Mode  gewordenen  Herabsetzung  seiner  Glaubwürdigkeit.  Neben  ihm 
kommt  Piaton  doch  nur  in  sehr  beschränktem  Maße  in  betracht  und 
ist  bei  dem  eigentümlichen  Charakter  seiner  Schriftstellerei  mit  weit 
größerer  Vorsicht  zu  benutzen.     Auf  Piaton  beziehen  sich: 

*25.  A.  J.  af  Sillen,  Piatonis  antiquissimae  philosophiae  testimouia, 
üpsala,  Berling,  1880.     61  S. 

26.    E.  Zeller,    Piatos  Mitteilungen    über    frühere    und  gleich- 
zeitige Philosophen.     Ärch.  f.  G.  d.  Philos.  V  S.  165—184. 

Die  nur  in  wenigen  Exemplaren  gedruckte  Abhandlung  von 
Sillen  habe  ich  nicht  erhalten  können  und  verweise  daher  auf  die 
Besprechung  von  Teichmüller,  Phil.  Rundsch.  1882  S.  1413 ff.  Eine 
treffliche  Übersicht  bietet  Zeller,  der  sich  selbstverständlich  nicht  mit 
einer  Besprechung  der  Stellen  begnügt,  wo  Piaton  ausdrücklich  andere 
Philosophen  nennt  oder  unverkennbar  bezeichnet,  sondern  auch  den 
versteckteren  Spuren  fremder  Lehren  nachgeht  und  mit  der  ihm  eigenen 
Besonnenheit  die  streitigen  Punkte  erörtert.  Im  allgemeinen  sind  Piatons 
Mitteilungen  über  die  älteren  Philosophen  spärlich;  nur  über  die 
Eleaten,  besonders  Parmenides,  und  über  Heraklit  und  spätere  Herakliteer 
berichtet  er  ausführlich.  Die  Atomiker,  die  auf  seine  eigene  Lehre 
von  der  Materie  und  der  Entstehung  der  Elementarkörper  einen  nicht 
zu  unterschätzenden  Einfluß  geübt  haben,  nennt  er  nirgends,  berück- 
sichtigt aber  ihre  Theorie  von  den  unzähligen  Welten  Tim.  55  C  und 
31  A.  Als  geschichtliche  Berichte  sind  aber  nicht  bloß  direkte  Hin- 
weisungen zu  betrachten,  sondern  auch  alle  die  Stellen,  an  denen  PI. 
einen  der  mit  Sokrates  disputierenden  Männer  einen  Grundsatz  oder 
eine  Ansicht  nicht  erst  im  Laufe  der  Unterredung  selbst  aussprechen 
läßt,  sondern  auf  sie  als  auf  etwas  allgemein  Bekanntes  verweist  und 
sich  vielleicht  sogar  ausdrücklich  auf  eine  Schrift  beruft.  Die  Aus- 
sagen dagegen,  welche  die  das  Gespräch  führenden  Personen  im  Ge- 
spräche selbst  thun,  sind  so,  wie  sie  vorliegen,  eine  Erfindung  Piatons, 


190     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

und    hier  ist  daher    immer  erst  zu  untersuchen,    ob  und    inwieweit  sie 
wirkliche  Ansichten  der  betreft'endeu  Philosophen  wiedergeben.    So  hat 
sich  Piaton  als    historischer  Berichterstatter    über  Parmenides,    Zenon 
und  besonders  über  die  Sophisten  geäußert.    Häufig  werden  Protagoras' 
Lehrthätigkeit  und  Lehrsätze  erwähnt,    vor  allem  der  Satz  vom  Maße 
aller    Dinge    (Theaet.    und    Krat.),    dieser    unter    Berufung    auf    die 
Schrift,  in  der  er  stand;    während   die   entwickeltere  Erkenntnistheorie 
Theaet.  152  C  ff .   in   dieser  Fassung    nicht  Protagoras    selbst,    sondern 
einem  seiner  Nachfolger  angehörte  (Z.  schließt  sich  hier  eng  an  Natorps 
„Forschungen"    an,    auf  die  wir  später    eingehen  w^erden).     Auch  was 
PI.  den  Gorgias  von  der  Allmacht  seiner  Redekunst  (Gorg,  455  D  flf.) 
sagen  läßt,   mag  sich  seinem  wesentlichen  Inhalte  nach  in  einer  seiner 
Reden  gefunden  haben,  wie  auch  die  Entlehnungen  aus  der  Physik  des 
Empedokles  (llenon  76  C)    und    die  Äußerungen    über    die  Tugenden 
der    verschiedenen   Menschenklassen  (Menon  71   E  f.)    vermutlich    einer 
Gorgianischen  Schrift  angehört  haben.     Dagegen    geben    über  Hippias 
die  beiden  unter  seinem  Namen  gehenden  Dialoge,    von    denen  Z.  nur 
den  kleineren    für  echt    hält,    keine    direkten  Zeugnisse,    sondern    nur 
Anhaltspunkte  für  Vermutungen,    und    was  er  Prot.  337  C  f .  über  die 
Gewaltherrschaft  des  voijlo?  sagt,    darf  nur    deshalb  ihm    zugeschrieben 
werden,   weil  es  durch  unsere  sonstige  Kenntnis  seiner  Lehre  bestätigt 
wird.     Was  die  längeren  Reden  betrifft,  die  PI.  seinen  Gegnern  in  den 
Mund  legt,  so  bedarf  hier  jeder  einzebie  Fall  einer  besonderen  Unter- 
suchung.    Dies    gilt  namentlich    von    den  Reden    der  Sophisten.     Man 
darf  vermuten,    daß  sich  PI.  an  ihren  eigenen  Vortrag,  vielleicht  auch 
an  ihre  schriftlichen  Darstellungen    gehalten   hat;    aber    wahrscheinlich 
macheu  läßt  sich  dies  nur,  wo  noch  weiteres  Material  vorliegt.     In  der 
wichtigen  Frage ,    ob  der  Mythos  im  Prot.  320  C  ff.  einer  Schrift    des 
Sophisten  entnommen  oder  frei  erfunden  ist,  entscheidet  sich  Z.  für  die 
Entlehnung:   nicht  nur  die  Sprache  zeige  durchaus  die  Fülle,    Klarheit 
und    Anmut,    die    behagliche   Würde,    durch    die    PI.    den    Protagoras 
charakterisiert;    auch  der  Inhalt  weise  auf  echten  Ursprung  hin.     Der 
Mythos  könne  nur  von  jemand  herrühren,  der  die  im  Theaet.  gezogenen 
Konsequenzen  noch  nicht  selbst  gezogen    hatte.     Daß  aber   diese  Rede 
des  Prot,  nicht  bloß  in  Piatons  Darstellung  vorlag,    ergiebt    sich  nach 
Z.  aus  zwei    bisher   für    diese  Frage    noch    nicht    verwerteten  Stellen. 
Aristoteles  part.  an.  IV  10,  687  a  23  kann    nicht  bloß   die  Darstellung 
Prot.  321  C  vor  Augen  gehabt  haben,    da   er  in    diesem  Falle  den  in 
seiner  kürzeren  Fassung  für  eine  parenthetische  Bemerkung  geeigneteren 
Ausdruck  ao-Xov  nicht  durch  die  rhetorische  Amplifikation:    otiXov  oux 
eyovTa  -poj  ttjv  (iXxT)v  ersetzt  haben    würde.     Er  muß  daher    diese  Er- 
weiterung   in  einer   von  PI.  selbst   schon    berücksichtigten  Schrift  ge- 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     191 

funden    haben.     Auf   diese    Schrift    weist    aber    auch    der    platonische 
Protag-oras  selbst  mit  den  Worten  (327  E)  hin:   man  lerne  die  Tugend 
wie  seine  Muttersprache  (eXAr^vt^etv)  von  Eltei'U  und  Aug'ehürigen;  denn 
da  sich  dieselbe  Vergleichung-  auch  in  den  Aia)i$£ii  rfiiYM  c.  5,  551a  Mull, 
findet,  so  wird  man  annehmen  dürfen,  daß  ihr  Verfasser  diesen  treffenden 
Gedanken  ebenso    wie  alles    von   einem  andern  geborgt  hat,    und    daß 
dieser  andere  eher  Protagoras,  die  größte  Autorität  der  Partei,  zu  der 
er  selbst  gehörte,  als  ihr  sokratischer  Gegner  gewesen  sein  wird.    Beiden 
würde  demnach  die  gleiche  Auseinandersetzung  des  Protagoras  zum  Vor- 
bilde gedient  haben.  —  Diese  Beweisführung  Zellers  scheint    mir    der 
zwingenden  Kraft  zu    entbehren.     Zugegeben,    daß    der  Verfasser    der 
AtaXe^ei?  ein  armseliger  Kompilator  war,    dem    kein  selbständiger  Ge- 
danke zuzutrauen  ist,    so  lagen  doch  damals  solche  Gedanken  wie  der 
von  Z.  angeführte  gleichsam  in  der  Luft  und  konnten  auch  von  unter- 
geordneten Geistern  ausgesprochen  oder  nachgesprochen  werden.    Hatte 
PI.  wirklich  im  IMj'thos  des  Prot,  eine  Schrift  vor  Augen,   der  er  solche 
Stellen    wie    die    beiden    von   Z.  beigebrachten    entnahm,    so    brauchte 
dies  nicht   notwendig  eine  Schrift  des  Prot,  selbst  zu  sein,  sondern  sie 
konnte  auch  von  einem  späteren  Sophisten  herrühren,  der  sich  bei  Piator. 
unter  der  Maske  des  Prot,  verbarg,  und  zu  der  großen  Masse  der  damals 
umlaufenden  Publikationen  gehören,  die  für  uns  bis  auf  die  letzte  Spur 
verloren    gegangen    sind.      Dieselbe    Schrift    mochte    denn    auch    dem 
Aristoteles  und  dem  Verfasser    der  iX'.aXe^si?    vorliegen,    vorausgesetzt, 
daß  die  letzteren  nicht  früher  als  in  den  ersten  Jahrzehnten  des  4.  Jahr- 
hunderts entstanden  sind,  wie  Z.  mit  Bergk  annimmt;  fallen  sie  dagegen, 
wie  andere  glauben,  in  die  Zeit  des  peloponnesischen  Krieges,  so  könnte 
der  Verfasser    der  Vorlage  Piatons   jene  Vergleichung    aus    ihnen    ge- 
schöpft haben.     Wir  werden  iu  dem  Abschnitt    über  die  Sophistik  auf 
den  Mythos    des  Prot,    und    die   ^iiUizi;   zurückkommen.  —  Auf  eine 
Schrift  des  Prot,  ist  Z.  auch    die  bei  PI.  Prot.  334  A  f.  vorgetragenen 
Erörterungen    über  den  Begriff   des  Guten  zurückzuführen  geneigt.  — 
Zum  Schluß  werden  die  bei  PL  vorkommenden  Hiuweisungen  auf  seine 
Zeitgenossen,  besonders  auf  seine  sokratischen  Mitschüler  Euklid,  Anti- 
sthenes  und  Aristipp   besprochen.     Auf  Antisthenes  werden    mit  Recht 
zwei  Stellen  im  Soph.  und  Phileb.  bezogen,    in  denen  Hirzel  eine  An- 
spielung auf  Demokrit  gewittert  hat. 

Über  Aristoteles  als  Quelle  der  Vorsokratiker  handeln: 
27.  Fr.  Steffens,  Welcher  Gewinn  für  die  Kenntnis  der  Ge- 
schichte der  griechischen  Philosophie  von  Thaies  bis  Piaton  läßt  sich 
aus  den  Schriften  des  Aristoteles  schöpfen?  Zeitschr.  f.  Philos.  67 
(1875)  S.  165—194;  68  (1876)  S.  1-29  und  193-212;  69  (1876) 
S.  1—18. 


192     Berichte  über  die  griechischen  Pliilosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

28.  Alphous  Emminger,  Die  vorsokratischen  Philosophen 
nach  den  Berichten  des  Aristoteles.  Aus  einer  gekrönten  Preisschrift. 
Würzburg  1878.     192  S.     8. 

Die    vier  Artikel  von  Steifens,    die    die    älteren  Philosophen  bis 
auf  die  Sophisten  und  Sokrates  umfassen,  Piaton  dagegen  ausschließen, 
enthalten  nirgends  etwas  Neues,  wie  schon  in  betreflE"  des  ersten  Artikels 
SusemihI,  Jahresb.  II III  1,  3921,  bemerkt  hat,  und  sind  im  wesent- 
lichen nichts  als  eine,  überdies  nicht  vollständige  Zusammenstellung  der 
aristotelischen  Äußerungen,  die  um  so  zweckloser  ist,  als  man  sich  aus 
Bonitz'  Ind.  Aristot.    viel    besser    über    diesen   Gegenstand    orientieren 
kann.     Nicht  ganz  so  wertlos  ist    die  Arbeit  von  Emminger,    in  der 
wenigstens   der  Versuch    einer  kritischen  Erörterung    der  Berichte    des 
Aristot.  gemacht  wird.    Von  einer  gründlichen  und  erschöpfenden  Unter- 
suchung des  Gegenstandes  kann  freilich  auf  den  etwa  100  Seiten  Text 
(den  Schluß  bilden  Noten,  in  denen  die  im  Texte  berücksichtigten  Stellen 
näher  bezeichnet  und  oft  auch  besprochen  w^erden)  keine  Rede  sein.    Im 
großen  und  ganzen  hat  sich  der  Verf.  eng  an  Zeller  angeschlossen,  und 
wo  er  von  ihm  abweicht,  da  ist  seine  Auffassung  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle  verfehlt  oder  so  unklar  entwickelt  und  so  mangelhaft  begründet, 
daß  man  nichts  Rechtes  damit  anzufangen  weiß.    Zeller  hat  ihn  daher 
in  der  Gr.  Ph.  I\  wenn  ich  nicht  irre,  nur  dreimal  erwähnt,  und  zwar 
verhält  er  sich  zweimal  (S.  392  Anm.  und  599  f.  Anm.)  gegen  seine  Be- 
handlung schwieriger  Stellen  des  Aristot.  ablehnend,  während  er  S.  587 
Anm.  sich  seine  Meinung  aneignet,  daß  Arist.  soph.  elench.  10,  170b  22 
wahrscheinlich  gar  nicht  an  eine  Schrift  Zenons  zu  denken  sei.    Hätte 
Z.  ihn  öfter  berücksichtigt,    so  würde  er    ihm  gewiß  nur    selten  zuge- 
stimmt  haben.     Auf  Einzelheiten    kann  ich  mich  hier    nicht    einlassen 
und  bemerke  nur,    daß  wiederholt    bei  E.  eine    große  Willkür    in  der 
Interpretation  des  Textes  hervortritt.    Doch  geht  der  Rezensent  in  der 
Jenaer  Littz.  1878  S.  9  f.  wohl  zu  weit,    wenn  er  in  der  Abhandlung 
lediglich  eine  kompilatorische  Zusammenstellung  ohne  selbständiges  Ur- 
teil erblickt  und  der  Meinung  ist,  sie  wäre  besser  ungedruckt  geblieben. 
In  einigen  Punkten  wenigstens  dürfte  E.  das  Richtige  getroffen  haben. 
Es  sind  dies  außer    der  von  Zeller  gebilligten  Bemerkung    über  Zenon 
namentlich  die  beiden  folgenden;   S.  118  bekämpft  er  meines  Erachtens 
mit  Recht  die  von  Zeller  auch  noch  1°  187,  2  festgehaltene  Meinung,  daß 
bei  Aristot.  Metaph.  I  3,  983b  22  das  i}£p[xov  nur  auf  die  Lebenswärme 
der  Tiere  zu  beziehen  sei,  und  stellt  sich  auf  Brandis'  Seite,  der  darunter 
das  Warme  überhaupt  mit  Einschluß  der  Gestirne  versteht.    S.  55  ver- 
teidigt er  mit  guten  Gründen  den  Aristot.  gegen  das  ihm  von  Karsten, 
Mullach    und  Bonitz    zugetraute    grobe   Mißverständnis    des  Ausdrucks 
'^'jsi;  bei  Empedokles.     Überhaupt    ist  das  über   den  letzteren  Gesagte 


Berichte  über  die  griechischeo  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     193 

beachtenswert  nnd  wenigstens  einig-ermassen   erschöpfend,    während  die 
Bemerkungen  über  die  Atomiker  recht  dürftig  erscheinen. 

Die  Bedeutung  der  Schrift  de  Melisso  etc.  als  Quelle  wird  in 
dem  Abschnitt  über  die  Eleaten  besprochen  werden.  Auch  auf  gewisse 
pseudohippokratische  Schriften,  die  für  einzelne  Philosophen  von 
Wichtigkeit  sind,  wie  das  Buch  ucpt  oiatTY);,  können  wir  erst  im 
speziellen  Teile  eingehen.  Vollends  zu  weit  führen  würde  es  uns  an 
dieser  Stelle,  wenn  wir  uns  über  Schriftsteller  wie  Sext.  Emp.,  Galen, 
Plutarch,  Clemens  AI..  Lucrez,  Cicero,  Seneca,  deren  Schriften  teilweise 
als  Quellen  für  die  vorsokratlsche  Philosophie  anzusehen  sind,  ver- 
breiten wollten.  Auch  hier  wird  das  Notwendigste  an  seiner  Stelle  er- 
wähnt werden. 

B.    Chronologie. 

Auch  hier  ist  nach  ihrer  Entstehungszeit  wie  nach  ihrer  sach- 
lichen Bedeutung  eine  Abhandlung  von  Diels  an  die  Spitze  zu  stellen, 
der  wie  die  doxographische  so  auch  die  chronologische  Überlieferung  zum 
ersten  Male  einer  streng  wissenschaftlichen  Prüfung  unterzogen  hat. 
An  diese  Abhandlung  knüpfen  teils  ergänzend,  teils  polemisierend  die 
übrigen  seitdem  erschienenen  Arbeiten  an,  deren  Ergebnisse,  soweit 
möglich,  gleich  im  Anschluß  an  die  Besprechung  der  Dielsschen  Unter- 
suchung erwähnt  werden  sollen. 

29.  H.  Diels,  Chronologische  Untersuchungen  über  ApoUodors 
Chronika.     Rh.  Mus.  31  (1876)  S.  1—54. 

30.  E.  Roh  de,  Ti-^o^z  in  den  Biographica  des  Suidas.  Rh. 
Mus.  33  (1878)  S.  161—220.  Dazu  die  Nachträge  ebenda  33  S.  638  f. 
und  34  (1879)  S.  620—623. 

31.  A.  Daub,  Die  Chronologie  des  Anaximenes  und  Anakreon. 
Jahrb.  f.  Philol.  121  (1880)  S.  24-26. 

32.  G.  F.  Unger.  Die  Chronik  des  Apollodoros.  Philol.  41 
(1882)  S.  602-651. 

33.  Derselbe,  Zur  Geschichte  der  Pythagoreier.  Sitzungsbei*. 
d.  K.  Bayer.  Akad.  1883  II.     S.  140—192. 

34.  Derselbe,  Die  Zeitverhältnisse  des  Anaxagoras  und  Empe- 
dokles.    Philol.  Suppl.-B.  IV  (1883)  S.  511—550. 

35.  Derselbe,  Apollodor  über  Xenophanes.  Philol.  43  (1884) 
S.  210—218. 

Während  man  von  Dodwell  und  Bentley  an  bis  auf  Clinton  und  K.  F. 
Hermann  die  Notizen  aller  Zeiten  und  Schriftsteller  ohne  jede  Methode  zu 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.   Bd.  LXXXXVI.    (1898.  L)        13 


194     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

einer  Tabelle  vereinigt  hatte,  hat  es  sich  Di  eis  zur  Aufgabe  gemacht, 
die  alexaudrinische  Überlieferung  aus  der  späteren  Verderbnis,    der  sie 
besonders    bei  Eusebios  und  seinen  Nachtretern  verfallen  ist,    herauszn- 
schälen  und  für  die  Chronologie  der  griechischen  Philosophen  die  Wieder- 
herstellung   der    Ansätze    Apollodors    zu    versuchen.      Dieser    hat    die 
Untersuchungen     des     Gründers     der      chronologischen     Wissenschaft, 
Eratosthenes ,    in  den  vier  Büchern    seiner  Chronika,    die  die  Zeit  von 
Trojas  Fall  bis  144  v.  Chr.  umfaßten  und  eine  zweite,  mit  zeitgenössischen 
Nachträgen  versehene,  erst  nach  129  erschienene  Auflage  erlebten  (vgl. 
Gomperz,    Jenaer  Littz.  1875    No.  34)    zum    Abschluß    gebracht    und 
weiteren    Kreisen    zugänglich    gemacht.     Eine    wertvolle    Inhaltsangabe 
dieser  Chronik    ist   uns  in  der  Einleitung    der  nach  Apollodors  Muster 
gleichfalls    in  Trimetern  abgefaßten  Perieg-ese  des  sogen.  Skymnos    von 
Chics    (ura  90    v.  Chr.)    erhalten.     (Hiervon    abweichend    bemüht    sich 
XJnger  No.  32  darzuthun,    daß    die  Angaben    des  Skymnos  teils  nicht 
ausschließlich,    teils    gar    nicht    auf  Apollodor  passen,    und   daß  dessen 
Chronik  zwischen  110  und  60  abgefaßt  worden  sei:  ein  Fragment  lasse 
noch  bestimmter  auf  Abschluß  des  Werkes  um  das  Jahr  70  schließen.) 
Das  Ansehen,    dessen    sich  Ap.    im  Altertum    erfreute,    hat  er  vollauf 
verdient  durch  seine  gründliche  Belesenheit  und  sein  verständiges  Urteil 
selbst  dem  sonst  durchgängig  benutzten  Eratosthenes  gegenüber,  dessen 
Anteil    an    den    chronologischen  Ergebnissen    übrigens    zu   sondern  uns 
nur  in  seltenen  Fällen  möglich  ist.    —    Während   die  älteren  Epochen 
der   griechischen  Geschichte  nach  -[sveai  von  30,    genauer  33 V2  Jahren 
berechnet    wurden,    benutzten    die    Alexandriner   für    die    Bestimmung 
historischer  Persönlichkeiten   die  dx(X7^,    das  40.  Lebensjahr.     Vielleicht 
hat  Aristoxenos    dieses  Hülfsmittel    der  Kombination  zuerst  veiwendet, 
das  er  jedoch  nicht  dem  Aristoteles,    wohl  aber  den  Pythogoreern  (vgl. 
Laert.  8,  10)    entlehnen    konnte.     Jedenfalls    versteht  Ap.    unter  ay.[jLTn 
ausnahmslos    das    40.  Lebensjahr.      Ein     zweites    von    Ap.    und     den 
Alexandrinern  überhaupt  angewandtes  Mittel  chronologischer  Bestimmung 
bestand  in  der  Ausnutzung  synchronistischer  Beziehungen  zwischen  Per- 
sonen   untereinander    wie    zwischen    chronologisch    unbestimmten    Per- 
sonen mit    ungefähr   gleichzeitigen  wichtigen  Ereignissen   (Sardes'  Fall, 
Gründung    von  Thurii,    Anfang    des  peloponnes.  Krieges  u.  a.).     Doch 
haben    die  Alexandriner    niemals    die  Überlieferung  subjektiven  Kombi- 
nationen zuliebe  vernachlässigt,  und  es  wäre  unmethodisch,  ihre  Kombi- 
nationen von  vornherein  für  Fiktionen  zu  erklären.     Es  ist  daher  auch 
für  uns  geratener,    im  allgemeinen  der  bewährten  Führung  Apollodors 
zu  folgen,    als  mit  unserem  lückenhaften  Material  neue  Hypothesen  zu 
versuchen.  —  Hiermit  hat  D.  unzweifelhaft  der  chronologischen  Forschung 
den    richtigen  Standpunkt   angewiesen,    wie  denn  in  der  That  die  Ver- 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     195 

suche,    die   auch  nach  dem  Erscheinen  von  Diels'  Abhandlung:  gemacht 
worden    sind,    durch    eigene  Vermutungen  Ap.    zu  korrigieren,    als  ge- 
scheitert zu  bezeichnen  sind.     Dessen  müssen  wir  uns  allerdings  hierbei 
stets  bewußt  bleiben,  daß  auch  die  Zeitbestimmungen  eines  Eratosthenes 
und  Apollodor,    soweit    sie  die  Vorsokratiker  betreffen,    nur  selten  auf 
einer    völlig    sicheren  geschichtlichen  Überlieferung  beruhen  und  daher 
auf  objektive  Wahrheit  keinen  Anspruch  machen  können.     Das  einzige 
Mittel,    das  uns  gelegentlich  zu  Gebote  steht,    sie  zu  kontrollieren  und 
etwa    zu    verbessern,    eine  inhaltliche  Vergleichung  nämlich  der  philo- 
sophischen Lehren,    darf   der  Natur    der  Sache    nach    nur    mit  großer 
Vorsicht    angewendet    werden.     Daß    dieser  Weg    in   einzelnen  Fällen, 
aamentlich  auch  von  Diels  selbst,    nicht    ohne  Erfolg    betreten  worden 
ist,  werden  wir  im  speziellen  Teile  sehen. 

Die  Untersuchungen,  die  D.  im  weiteren  über  die  Chronologie 
der  einzelnen  Philosophen  anstellt,  und  die  in  ihrer  Vereinigung  von 
kombinatorischem  Scharfsinn  mit  Besonnenheit  des  Urteils  als  ein 
Muster  methodischer  Kritik  gelten  dürfen,  können  wir  hier  nicht  ge- 
nauer verfolgen  und  müssen  uns  darauf  beschränken,  an  einigen  Bei- 
spielen die  Art  der  Beweisführung  zu  erläutern,  im  übrigen  aber 
die  Ergebnisse  zahlenmäßig  zusammenzufassen,  wobei  wir  gleich  die 
wenigen  abweichenden  Ansätze  Zellers,  der  sich  schon  in  der  4.  Auf- 
lage des  1.  Bandes  der  Ph.  d.  Gr.  im  großen  und  ganzen  an  D.  an- 
geschlossen hat,  und  die  häufigeren  Abweichungen  bei  Tannery  pour 
l'hist.  de  la  science  hellene  Kap.  11  (vgl.  meine  Anzeige  Berl,  Ph. 
Wschr.  1890  S.  750  f.)  und  bei  Unger  verzeichnen  wollen. 

Der  Bericht  bei  Laert.  I  37  über  Thaies  enthält,  wie  D.  ver- 
mutet, in  der  Angabe  des  Geburtsjahres  einen  aus  alter  Zeit  stammenden 
Fehler:  Olj'mp.  A0  statt  AE.  Berichtigt  man  hiernach  den  Text  des 
Laert.,  so  erhält  man  für  Thaies  folgende  Daten  Apollodors:  Geburt 
Ol.  39,  1  =  624.  ax|jL7i  584,  Tod  Ol.  58,  3  =  546  im  Alter  von  78  Jahren. 
Gegeben  war  nur  das  Jahr  der  von  Th.  vorhergesagten  Sonnenfinsternis, 
584  (nach  genauer  Berechnung  eigentlich  28.  Mai  585),  das  mit  dem 
Todesjahr  Perianders  zusammenfiel  und  allgemein  als  Epoche  der  sieben 
Weisen  galt.  In  dieses  Jahr  setzte  Ap.  die  a/fj-rj  des  Th.  und  gewann 
dann  durch  Subtraktion  das  Geburtsjahr,  während  er  den  Tod  auf  grund 
des  herodotischen  Berichtes  über  Thaies'  Verkehr  mit  Kroisos  in  die 
Epoche  von  Sardes"  Fall  (546)  legte  und  demgemäß  das  Lebensalter  auf 
78  Jahre  berechnete.  Sosikrates,  der  in  seinen  .iXiaöoyai  die  Chronologie 
besonders  betonte  und  hierbei  auch  Ap.  benutzte,  setzte  statt  der 
78  Jahre  90,  wir  wissen  nicht  aus  welchem  Grunde,  wenn  er  diese 
Zahl    nicht    etwa  bloß  als  eine  Überlieferung  neben  Apollodors  Ansatz 

13* 


196     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

erwähnte.     Bei  Eusebios  ist  das  unsinnige  e^vwptCexo  aus  Ys^ev^m^at  miß- 
verstanden: Ap.  hat  nämlich  statt  des  unmetrischen   e^ewr^ftir)  synonyme 
Wendungen    wie  7e7evT)Tai.    Ye-yove,    -/ivExai    und  I'yeveto   zur  Bezeichnung 
der  G-ebiirt  gebraucht,    von  denen  Ye^evriTai    und  Tfe^ove  auch  für  rjxfxaCe 
und   Yjvl>Y]xe    verwandt   wurden.     (Rohde  No.  30    weist    des    genaueren 
nach,    daß    ye^ove    bei  Suidas   in    der    weitaus  größten  Zahl  der  Fälle, 
aber  auch  sonst  in  chronologischen  Datierungen  überwiegend  in  der  Be- 
deutung von  TJxixaCs,  selten  mißbräuchlich    von   der  Geburt  ==  i-yEvvYjdn; 
steht,    während    I^eveto    und    7£v6|j.£vo?    meistens  synonym  für  I'yewtq&tj, 
seltener  für  Y)x|xaC£  gesetzt  werden).    —    Tannery  weicht  von  D.  darin 
ab,    daß  er  annimmt,    die  Eroberung    von  Sardes  durch  Kyros  sei  nui' 
von  Sosikrates  546,  von  Ap.  dagegen,  und  zwar  mit  Recht  (?),  12  Jahre 
früher    angesetzt    worden;    ebenso    habe    jener  die  Sonnenfinsternis  des 
Thaies,  die  in  Wahrheit  nach  dem  Berichte  Herodots  die  vom  30.  Sep- 
tember 610  gewesen  sein  müsse  (s.  dagegen  Zeller  F,  181,  1)  und  mit  ihi* 
die  Blüte  in  585,    dieser    in  597    verlegt,    während  beide  seine  Geburt 
in  dasselbe  Jahr  (637)  gesetzt  hätten,  das  auch  bei  Laert.  a.  a.  0.  leicht 
herzustellen  sei,  wenn  man  Ol.  35,  1  statt  35,  4  verbessere.     Demnach 
habe  Ap.  den  Th.  559,    Sosikr.  547    sterben   lassen,    beide  1  Jahr  vor 
der    von    ihnen    angenommenen   Epoche    von    Sardes.      Diese    Ansätze 
Tannerys  beruhen  auf  den  ebenso  unerwiesenen  wie  unwahrscheinlichen 
Voraussetzungen,    dass  Ap.    die  Sonnenfinsternis    des  Th.    zuwider  der, 
von    Heroflot    abgesehen,    übereinstimmenden  Tradition    des  Altertums 
nicht  in  585,    sondern  in  597  gesetzt  und  daß  Sosikr.    abweichend  von 
Ap.  und  dem  herrschenden  Gebrauche  für  die  <ix|XY^  des  Th.  nicht  das  40., 
sondern  das  52.  Lebensjahr  anfreuommen  habe.  —  Unger  (No.32),mit  dem 
Tannery,    ohne    seine  Aibeiten    zu    kennen,    in    mehreren  Punkten  zu- 
sammentrifi't,  verwirft  ebenfalls  Diels'  Änderung  von  Ol.  35,  1  in  39,  1 
und  will  statt  dessen,  wie  Tannery,  Ol.  35,  4  in  den  Text  gesetzt  wissen, 
stellt   jedoch    über    das   Verhältnis   zwischen  Ap.    und  Sosikrates    eine 
gleichermaßen    von  D.    wie    von  Tannery   abweichende  Hypothese  auf: 
Ap.    habe    das    von    ihm   einem  Anonymes    entlehnte   Lebensalter   von 
78  Jahren    verworfen    und    das    von   ihm  bei  Sosikr.  vorgefundene  von 
90  Jahren    angenommen;    es    hätten  ferner  beide  nicht  die  Epoche  von 
Sardes  (Ol.  58,  3),  sondern  die  des  Halysüberganges  (Ol.  58,  2  =  447/6) 
im  Auge,    in    die   sie  das  Ende  des  Th.  gesetzt  hätten;    nach    beiden 
falle    also    das  Leben    des  Th.  von  637/6 — 547/6.     Diese  Kombination 
erscheint  noch  unglaubwürdiger  als  die  Tannerys:    sie  beruht  auf  einer 
kaum    zulässigen    Interpretation    der    Laertiusstelle    (r^    wc    2(oi3iY.paTt\z 
■^r^iiw  =  oder  vielmehr,    wie  S.  sagt)  und  hat  zur  Voraussetzung  die 
oben  erwähnte,  höchst  bedenkliche  Annahme  (s.  Diels  S.  21),  Ap.  habe 
nach  Sosikr.  geschrieben.  —  Es  wird  daher  mit  Zeller  an  den  Ansätzen 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     197 

von  Diels  festzuhalten  sein,  die  sich  nicht  auf  so  unsichere  Hypothesen 
stützen  wie  die  von  Unger  undTannery,  zumal  da  Diels'  Textesänderung 
sich  paläographisch  ebenso  leicht  rechtfertigen  läßt  wie  die  der  beiden 
anderen.  Auch  Roh  de  hält  Diels'  Ausführungen  für  völlig  gesichert 
and  bemerkt  noch  dazu,  den  von  jenem  angenommenen  Schreibfehler  bei 
Laert.  habe  vermutlich  schon  Sosikr.  im  Texte  des  Ap.  gefunden  und 
aus  dem  angeblichen  Geburtsjahre  und  dem  Todesjahre  Ol.  58,  3  die 
abweichende  Zahl  der  Lebensjahre  berechnet. 

In  betreff  des  Xenophanes  nimmt  D.  mit  Recht  die  unzweifel- 
haft auf  Ap.  zurückgehende  Notiz  bei  Laert.  IX  20,  daß  er  Ol.  60  ^  540 
geblüht  habe,  als  feststehend  an  und  setzt  daher  seine  Geburt  in  Ol.  50 
(580).  "Wenn  bei  Clemens  AI.  Strom.  I  353  P.  die  40.  Olympiade  als 
Ansatz  Apollodors  bezeichnet  wird,  so  kann  das  nur  mit  Ritter  aus  einem 
Schreibfehler  (N  statt  M)  erklärt  werden,  der  ziemlich  alt  sein  muß,  da 
sich  dieselbe  irrtümliche  Angabe  bei  Sext.  Emp.  findet.  Die  gleichfalls 
aus  Ap.  stammende  Bemerkung,  daß  X.  bis  zu  den  Zeiten  des  Dareios 
und  Kyros  gelebt  habe,  ist  nicht  zu  beanstanden  oder  etwa  durch  Ein- 
setzung des  Xerxes  für  Kyros  zu  verbessern,  da  sich  eu)?  Kupou  auch 
bei  Hippolyt  114  findet,  der  hier  wie  in  seinen  sonstigen  chronologischen 
Notizen  über  die  älteren  Philosophen  Ap,  folgt.  Die  verkehrte  Reihen- 
folge hat  wohl  ihren  Grund  in  dem  metrischen  Zwange,  da  die  Genitive 
nicht  anders  im  Trimeter  unterzubringen  sind.  Über  das  Alter  des  X. 
hat  Ap.  nichts  Sicheres  gewußt.  Nimmt  man  die  Bemerkung  bei 
Censorin,  er  sei  über  100  Jahre  alt  geworden,  als  richtig  an,  so  läßt 
sich  Apollodors  Rechnung  mit  der  des  Timaios  bei  Clem.  a.  a.  O.  ver- 
einigen, wonach  X.  noch  zur  Zeit  des  Hieron  und  Epicharm  gelebt 
hätte.  Diese  Bemerkung  des  Timaios  hätte  D.  besser  auf  sich  beruhen 
lassen:  ihre  Glaubwürdigkeit  wird  nicht  ohne  Grund  von  Bergk,  Gr. 
Littg.  n  421  f.,  30  und  von  Tannery  S.  43  bezweifelt.  Im  übrigen 
aber  müssen  wir  Diels'  Argumentation  auch  hier  beistimmen,  und  es  ist 
schwer  begreiflich,  wie  Tannery  an  der  40.  Olympiade  als  Gebnrt^zeit 
festhalten  konnte-,  denn  bei  dieser  Rechnung  würde  die  axixr^  des  X.  in 
das  80.  Jahr  fallen  und  die  in  seinen  Fragmenten  vorkommende  Er- 
wähnung des  Pythagoras  als  eines  Verstorbenen  unmöglich  werden. 
Seinen  eigenen  Weg  geht  wiederum  Unger  (No.  35),  der  die  wahre  Lebens- 
zeit etwas  später  als  D.  ansetzt  (Geburt  570/69,  Ende  frühstens  479 
vielleicht  erst  nach  Hierons  Tod  468),  in  bezug  auf  Apollodor  dage-ien 
unter  Festhaltung  der  Lesart  M  bei  Clemens  annimmt,  er  habe  infolge 
einer  irrtümlichen  Datierung  den  X.  620/16  geboren  werden  und  529/8 
sterben  lassen.  Diese  Annahme  beruht  auf  der  von  U.  in  der  Schrift: 
Kyaxares  und  Astyages,  München  1882  behaupteten  Identität  des  Dareios 
mit  Astyages,    die    indessen    von   sachkundiger    Seite    stark    bezweifelt 


198     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

worden  ist  (vgl.  darüber  u.  a.  Evers:  Das  Emporkommen  der  persischen 
Macht  unter  Kyros,  Berl.  1884,  S.  5). 

Anaximander  wurde  nach  ApoUodor  610  (oder  611)  geboren 
und  veröffentlichte  seine  Schrift  547  im  64.  Lebensjahre;  die  Zeit  seines 
Todes  war  unbekannt,  annäherungsweise  mochte  sie  Ap.  in  546  setzen. 
Hier  schließt  sich  Tann  er  y  an  D.  an,  nur  daß  er,  wohl  mit  Recht, 
glaubt,  Ap.  habe  das  Lebensende  überhaupt  nicht  näher  bestimmt.  — 
Die  axjJLT]  des  Pythagoras  hat  Ap.,  wie  D.  mit  E.  Rhode  Rh.  Mus. 
26,  585  ff.  annimmt,  abweichend  von  Eratosthenes  in  Ol.  62  =  532  ver- 
legt und  sie  mit  der  Tyrannis  des  Polykrates  und  der  durch  diese  ver- 
anlaßten  Übersiedelung  des  samischen  Weisen  nach  Italien  in  syn- 
chronistische Beziehung  gesetzt.  Hiernach  fällt  die  Geburt  Ol.  52  =-■  572, 
d.  i.  in  die  ax|XT^  Anaximanders.  Die  Bemerkung  bei  Laert.  H  2, 
Anaximander  habe  zur  Zeit  des  Polykrates  geblüht,  ist,  wie  D.  schlagend 
nachweist,  irrtümlicherweise  an  jene  Stelle  verschlagen:  sie  bezog  sich 
ursprünglich  auf  Pythag.  Unger  (No.  33)  kommt  auch  hier  zu  etwas 
abweichenden  Bestimmungen  und  sucht  aus  der  sehr  bunten  Überlieferung 
auch  noch  andere  feste  Lebensdaten  zu  gewinnen.  Danach  wurde  Pyth. 
um  568  geboren,  trat  532  zuerst  in  Samos  als  Lehrer  auf,  siedelte  528 
nach  Kroton  über  und  begab  sich  509  nach  Metapont,  wo  er  bald  nach 
einer  mit  Austreibung  der  Pythagoreer  in  Kroton  verbundenen  Umwälzung, 
wahrscheinlich  493,  starb.  U.  knüpft  daran  eine  hauptsächlich  nach  dem 
Berichte  des  ApoUonios  bei  Jamblichos  entworfene,  überraschend  genaue 
Geschichte  des  Pythogoreischen  Bundes.  Das  große  Blutbad  zu  Ki'oton, 
das  Zeller  wegen  der  Zeitverhältnisse  des  Lysis  und  Epaminondas  um 
440  ansetzt,  fand  nach  IT.,  der  die  Geburt  dieser  beiden  bedeutend 
früher  ansetzt,  als  man  sonst  annimmt,  wahrscheinlich  470  und  dem- 
entsprechend die  durch  die  Archäer  bewirkte  Aussöhnung  zwischen  und 
in  den  unteritalischen  Städten  453  (nach  Zeller  nicht  vor  419/14)  statt. 
Wenn  nun  auch  alle  diese  chronologischen  Bestimmungen  keineswegs 
als  gesichert  und  ein  wandsfrei  gelten  können,  ja  manche,  so  besonders 
die  zuletzt  erwähnten,  höchst  bedenklich  erscheinen  müssen  (vgl.  die 
Ausführungen  Zellers  I^  297  ff.  und  332  ff.  über  die  Chronologie  des 
Pythagoras  und  seiner  Schule),  so  ist  doch  nicht  zu  leugnen,  daß  diese 
Darstellung  des  äußeren  Verlaufes  der  pythagoreischen  Bewegung  von 
ihren  Anfängen  bis  zu  ihrem  Ausgange  vielfach  den  Eindruck  urkund- 
licher Zuverlässigkeit  macht  und  sich  dadurch  vorteilhaft  von  den 
übrigen  chronologischen  Untersuchungen  Ungers  über  die  Vorsokratiker 
auszeichnet. 

Anaximenes  ist,  wie  D.  durch  Vergleichung  von  Laert.  IE  3 
mit  Snidas  und  Hippolyt  I  7  ermittelt,  nach  Ap.  Ol.  63  =  528/24  ge- 
storben; seine  ä.■/.\i.r^  wird  mit  dem  Tode  Anaximanders  und  der  Epoche 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     199 

von  Sardes  (546)  verbunden,  und  seine  Geburt  fällt  demgemäß  in  die 
Epoche  der  sieben  Weisen  (586).  Roh  de  hat  gegen  Diels'  Datierungen 
nichts  einzuwenden,  hält  es  jedoch  für  unthunlich,  die  Worte  ev  ttq  vt; 
'9Xu|xt:i(xoi  mit  D.  als  Interpolation  aus  Eusebius  zu  streichen  und  nimmt 
vielmehr  an,  Hesychius  habe  zwei  ganz  verschiedene  Ansätze  der  (äxixi^ 
des  Anaximenes  gedankenlos  miteinander  verbunden :  die  58.  Olympiade 
(Einnahme  von  Sardes)  sei  Ap.  entlehnt,  die  55.  einem  anderen, 
auch  von  Euseb.  benutzten  Autor,  vielleicht  der  'ftXoao'poj  btopta  des 
Porphyrios.  Da  üb  (No.  31)  pflichtet  Rhode  bei,  will  aber  dem  Said, 
oder  Hesych.  selbst  nicht  diese  Verwirrung  aufbürden,  sondern  die  Ab- 
schreiber verantwortlich  machen  und  vor  den  Worten  ev  t:^  Sapöecuv 
aXtüaci  bei  Suid.  ot  ö'  einfügen;  so  werde  die  Blüte  des  Anaximenes  an 
zwei  bemerkenswerte  Daten  geheftet:  den  Anfang  der  Regierung  des 
Kroisos  und  Kyros  und  den  Sturz  des  ersteren.  Mit  Diels'  Umstellung 
der  Angaben  über  die  Blüte  und  den  Tod  bei  Laert.  II  3  erklärt  er  sich 
einverstanden.  Tannery  dagegen  wendet  sich  gegen  diese  Vermutung, 
die  er  „aussi  ingenieuse  que  hardie"  nennt;  was  er  aber  selbst  an  die 
Stelle  der  Dielschen  Zeitbestimmungen  setzt:  Sosikrates  (?)  habe  die  äxjiT] 
in  546  gelegt,  während  Ap.  den  Anaximenes  erst  528  habe  geboren  werden 
lassen  und  ihn  damit  zeitlich  von  Anaximander  getrennt  und  Anaxagoras 
genährt  habe,  klingt  noch  unwahrscheinlicher,  da  eine  solche  Kombination 
dem  schon  im  Altertum  allgemein  anerkannten  und  durch  die  Vergleichung 
der  philosophischen  Systeme  bestätigten  engen  Zusammenhange  zwischen 
Anaximander  und  Anaximenes  zu  sehr  widerspricht,  als  daß  sie  dem 
Ap,  zuzutrauen  wäre.  Noch  verfehlter  ist  aus  demselben  Grunde  die 
Annahme  Chiappellis  (Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos.  1593  f.),  Anaximenes 
sei  546  geboren  worden  (s.  Zeller  1'^  239).  Ähnlich  Unger  (No.  34), 
der  die  Blüte  bis  525,  den  Tod  bis  498  vorschiebt. 

Die  von  Diels  ermittelten  Bestimmungen  Apollodors  über  Anaxa- 
goras: Geburt  500,  Beginn  der  philosophischen  Studien  480,  Blüte 
und  Übersiedelung  nach  Athen  460,  Verbannung  aus  Athen  430,  Tod 
zu  Larapsakos  428,  sind  von  Zeller  I^  968  ff.  anerkannt  (nur  die  Ver- 
bannung setzt  er  432  an)  und  den  abweichenden  Ansätzen  von  K.  F.  Her- 
mann, Seh  wegler  und  Unger  (s.  u.)  gegenüber  ausführlich  verteidigt 
worden.  Auch  hier  freilich  sieht  sich  D.  genötigt  mehrere  Verwechse- 
lungen in  den  überlieferten  Texten  anzunehmen;  so  bei  Laert.  II  7, 
wo  die  Worte  r-pEa-ro  o£  9 iXoaocpeTv  'Aöy^vyijiv  etcI  KaXXiou  nach  seiner  Ver- 
mutung ursprünglich  gelautet  haben:  /■]  6.  9.  apyovxo?  'Aöi^vrjatv 
KaXXiou  (Kallias  nach  D.  Hypokoristikon  für  Kalliades,  wie  sonst 
der  Archon  von  Olymp.  75,  1  =  480  genannt  wird).  Aber  ohne  solche 
Korrekturen  des  Textes  kommen  wir  bei  der  Beschaffenheit  unserer 
Überlieferung  überhaupt  nirgends  zu  festen,  widerspruchslosen  Ansätzen, 


200     Berichte  über  die  griechißchen  Philosophen  -vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

und  die  von  D.  vorgeschlagenen  Änderungen  haben  vor  den  Vermutungen 
anderer  in  der  Regel  den  Vorzog  größerer  Wahrscheinlichkeit.  Wenn 
Tannery  in  der  eben  angeführten  Laertiusstelle  den  Ausfall  eines  Satzes 
annimmt,  inj  dem  Laert.  den  Ap.  habe  sagen  lassen,  Anaxagoras  Bei 
unter  dem  Archontat  eines  anderen  Kallias  (456)  nach  Athen  gekommen, 
so  wäi-e  dies  an  sich  wohl  denkbar,  und  der  sich  daraus  ergebende 
Widerspruch  gegen  die  bei  Laert.  folgende  Bemerkung,  An.  sei  30  Jahre 
in  Athen  gewesen,  ließe  sich  ertragen,  da  mau  bei  dieser  Zeitbestimmung 
eine  wenn  auch  starke  Abrundung  nach  oben  hin  annehmen  könnte;  aber 
auffällig  wäre  doch,  daß  von  einer  solchen  Notiz  Apollodors  über  die 
Ankunft  des  An.  in  Athen  jede  Spur  in  der  späteren  tJberlieferung 
verloren  gegangen  sein  sollte.  Unger  sagt  sich  auch  hier  von  der 
Autorität  Apollodors  völlig  los  und  rückt  im  Anschluß  an  K.  F.  Hermann 
die  Geburt  des  An.  in  533,  den  Tod  in  462,  den  Aufenthalt  zu  Athen 
in  495—465  hinauf  und  läßt  ihn  seine  Schrift  466,  unmittelbar  nach 
dem  Meteorfalle  von  Aigospotamoi,  abfassen,  worauf  dann  465  die 
Anklage  erfolgt  sei.  Die  völlige  Haltlosigkeit  dieser  Ansätze  ist  von 
Zeller  a.  a.  0.  klar  nachgewiesen  worden.  —  Die  Apollodorischen 
Festsetzungen  über  Demokrit  beruhen  auf  dem  Selbstzeugnis  des 
Philosophen  über  sein  Altersverhältnis  zu  Anaxagoras  (Laert.  IX  41). 
Danach  hat  Ap.  seine  Geburt  in  460,  seine  Blüte  und  zugleich  die 
Abfassung  des  |j.ixpo?  6iaxoa|xoc  in  420  gesetzt.  Wenn  Zell  er  S.  840 
geneigt  ist,  den  Ansatz  des  Thrasyllos  für  die  Geburt:  Ol.  77,  3  (470/69, 
nicht  469/68,  wie  Z.  schreibt),  nach  dem  Dem.  mit  Sokrates  gleich- 
altrig gewesen  wäre,  für  richtiger  zu  halten,  so  ist  zuzugeben,  daß  sich 
auch  dieser  Ansatz  allenfalls  mit  Demokrits  Zeugnis  vertragen  würde; 
aber  zu  einer  Entscheidung  über  die  Zuverlässigkeit  der  Angabe  Thra- 
sylls  fehlt  uns  jedes  Kriterium:  die  von  Z.  angeführte  Bemerkung 
des  Aristot.  part.  an.  I  1,  642  a26  beweist  nur,  daß  Dem.  als  Philosoph 
dem  Sokrates  vorausgegangen  war,  nicht  aber,  daß  er  auch  an  Jahren 
älter  war.  Ungers  Fixierung  der  Lebenszeit  (493 — 404),  die  sich  auf 
Diodor  stützt,  hat  Zeller  969  f.  zurückgewiesen.  —  Über  Heraklit, 
Parmenides  und  Zenon  liegen  nur  dürftige  Notizen  vor,  aus  denen 
sich  ergiebt,  daß  Ap.  die  dx[j,rj  der  beiden  ersten  in  Ol.  69  (504/1) 
und  die  des  letzten  40  Jahre  später  setzte;  hinsichtlich  der  beiden 
Eleaten  folgte  er  sicher  nicht  der  Datierung  Piatons.  Daß  in  Wirklich- 
keit Parm.  später  als  Her.  anzusetzen  ist,  wird  sich  uns  später  zeigen. 
—  Für  Empedokles  gewinnen  wir  aus  Laert.  VIII  52  ,  wo  der 
Umfang  des  Apollodorischen  Fragments,  wie  D.  nachweist,  größer  ist, 
als  die  Herausgeber  angenommen  haben,  und  aus  Laert.  VIII  74  die 
Daten  Apollodors:  Geburt  484,  Blüte  444  (Epoche  von  Thurii),  Tod 
424.     In  Wirklichkeit  ist,  wie  Zell  er    schon   in    der  4.  Auflage  (vgl. 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.)     201 

I^  751)  dargelegt  hatte  (D.  ist  ihm  später  in  der  Abhandlung  über 
öorgias  und  Empedokles  344,  2  beigetreten),  der  Anfangs-  und  End- 
punkt um  8 — 10  Jahre  (etwa  492—432)  hinaufzurücken.  Viel  weiter 
zurück  geht  hier  wie  bei  Anaxagoras  Unger  (No.  34),  der  sich  namentlich 
auf  Timaios  stützt  und  so  zu  folgenden  Ansätzen  kommt:  Emped., 
geb.  521/20,  widmete  sich  nach  Abfassung  seiner  philosophischen  Schriften 
von  472  an  ganz  dem  öffentlichen  Leben  seiner  Vaterstadt,  bis  er 
467/6  verbannt  wurde.  Seit  461  war  er  verschollen  und  galt  als  tot, 
wurde  aber  nach  dem  Zeugnis  des  Glaukos  von  Rhegion  (s.  z.  No.  24) 
444/3  in  Thurii  gesehen  und  ist  daher  frühestens  in  diesem  Jahre  ge- 
storben. Die  Unmöglichkeit  dieser  Datieiung  hat  Di  eis  Gorg.  und 
Emp.  a.  a.  0.  nachsewiesen;  vgl.  Zeller  751  f.  —  Gorgias  hat  Ap. 
nach  D.  wahrscheinlich  484—375  angesetzt,  eine  Berechnung,  die  mit 
der  von  Frei  (4«3 — 376)  fast  genau  übereinstimmt,  während  Unger 
seine  Lebenszeit  ebenso  wie  die  des  Anaxagoras  und  Empedokles  be- 
deutend hinaufrückt  (507 — 400).  —  Wie  für  Gorgias,  so  gilt  auch  für 
Melissos  und  Protagoras  die  Epoche  von  Thurii.  Den  letzteren 
setzte  Ap.  in  482/1—411,  wahrscheinlich  mit  Kecht.  Bei  Melissos 
vollends  beruhte  sein  Ansatz  auf  sicherer  historischer  Grundlage.  Unger 
(No.  34)  freilich  will  das  Zeugnis  des  Aristoteles,  daß  der  Philosoph 
Melissos  der  Sieger  über  die  athenische  Flotte  sei,  dadurch  beseitigen, 
daß  er  annimmt,  Plutarch  habe  den  Aristot.  mißverstanden,  und  hält 
sich  für  berechtigt,  auf  das  Zeugnis  des  Stesimbrotos  hin,  der  nach 
Plotarch  den  Themistokles  zum  Schüler  des  Anaxagoras  und  des  Melissos 
machte,  die  Blüte  des  letzteren  ebenso  wie  die  des  ersteren  bis  vor 
490  hinaufzurücken.  —  Außerdem  bespricht  D.  noch  die  Apollodorischen 
Bestimmungen  über  Sokrates,  Piaton,  Aristoteles,  Epikur,  Arkesilaos 
und  zum  Schluß  die  über  Thukydides,  Herodot  und  Hellanikos. 

Die  Datierungen  Unger s  mußten  im  Vorstehenden  mit  Ausnahme 
der  Chronologie  des  pythagoreischen  Bundes  durchweg  als  verfehlt  be- 
zeichnet werden.  Vgl.  meinen  zusammenfassenden  Bericht  über  seine  drei 
Abhandlungen  Berl.  Philol.  Wschr.  1885,  175  ff.,  an  dessen  Schlüsse  ich 
darauf  hingewiesen  habe,  daß  wir  aus  den  Ansätzen  Untrers  in  ihrer 
Gesamtheit  ein  Bild  von  dem  Entwickelungsgange  der  vorsokratischen 
Philosophie  erhalten,  welches  nicht  nur  der  heirscheuden  Auffassung, 
sondern  auch  aller  historischen  Wahrscheinlichkeit  widerspricht. 

Selbstverständlich  finden  sich  chronologische  Angaben  über  die 
Vorsokratiker  auch  in  den  Darstelliingeu  der  Geschichte  der  Philosophie, 
gelegentlich  auch  in  denen  der  allgemeinen  Geschichte  und  der  Litteratur- 
geschichte  der  Griechen.  Da  sich  jedoch  die  Verfasser  dieser  Werke 
im  großen  und  ganzen  an  Diels  und  Zeller  anzuschließen  und,  wo  sie 
abweichen,    ihre  Meinung  nicht  näher  zu  begründen  pflegen,  so  scheint 


202     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

es  überflüssig,  solche  Abweichungen  hier  anzuführen.  Nur  Burnet,  der 
in    seiner  Eariy  Greek    philosophy    1892    auch  sonst,    wie    wir    später 
sehen  werden,  vielfach  seine  eigenen  Wege  geht,  entfernt  sich,  wie  ich 
nachträglich  bemerke,  mehrfach  von  Diels'  Ansätzen  und  zwar  meistens 
unter  näherer  Angabe  der  Gründe.  Hierbei  stellt  er  sich,  im  entschiedenen 
Gegensatze  zu  Diels,    dem,  nebenbei    bemerkt,    auch  Gomperz  Griech. 
Denker  I,  442  beipflichtet,  auf  den  Staudpunkt,  daß  die  AppoUodorischen 
Bestimmungen  für  uns  unverbindlich    seien    und    wir    daher    berechtigt 
seien,    an    ihre  Stelle  unsere  eigenen  Kombinationen   zu  setzen.     Zwar 
in  bezug    auf  Thaies  (für  die  Ansetzung    der  Sonnenfinsternis  auf   das 
Jahr  585  werden  neue  Argumente  beigebracht),  Anaximauder,  Pythagoras, 
Heraklit,  Empelokles  und  Anaxagoras  schließt  er  sich  im  wesentlichen 
an  Apollodor  bezw.  Zeller  und  Diels  an;  bei  Anaximenes,   Xenophanes 
und  Parmenides  dagegen  weicht  er   von  jenen    ab.     Die  Bestimmungen 
ApoUodors  über  den  ei'stgeuannten  hält  er  für  unzuverlässig:  das  Lebens- 
alter habe  der  Chronograph    seinem  Schema    zuliebe,    wonach  zwischen 
der  Geburt  des  Thaies  und  dem  Tode    des  Anaximenes  25  Olympiaden 
=  100  Jahre  liegen  sollten,  auf  60  Jahre  angesetzt.    Als  sicher  könnten 
wir  daher  nur  annehmen,  daß  er  jünger  war  als  Anaximander  und  vor 
494  (Zerstörung  Milets)  blühte.   Aber  daß  bei  ApoUodors  Berechnungen 
ein  Zeitraum  von  100  Jahren  irgend  eine  Rolle  gespielt  habe,  ist  völlig 
unerweislich.    Xenophanes'  Blüte  hat  Ap.  nach  Burnets  Meinung  fälschlich 
in  540  gesetzt:  der  Kolophonier  könne  damals  noch  nicht  40  Jahre  alt 
gewesen  sein,    da  er  ja,    wie  er  selbst  Fr.  24  K.  sagt,    im  Alter  von 
25  Jahren  aus  seinei-  Heimat  gezogen  sei  und  dies  nach  der  Frage  in 
Fr  17:    TTTjXixoc  ^30'  o&'  6  Mrj5oc  a'fixeTo;  nicht  vor  546  geschehen  sein 
könne;  seine  Geburt  falle  also  nicht  vor  571.    Aber  aus  Fr.  24  würde, 
selbst  wenn  es  zweifellos  feststände,    daß  Xen.    dort    von    einem  Ver- 
lassen seines  Geburtsortes  redet  (Bergk  Gr.  Littg.  II  418,  23  bezieht  die 
Worte  ßXT)7TptCovT6;  ifx^v  <ppovTt6'  dv  'EXXaoa  7^v  auf  das  Bekanntwerden 
seiner  phil()M)pliischea  Schrift),    noch    nicht  notwendig    folgen,    daß  er 
damals  bereits  auch  Kleinasieu  verlassen  habe  und  somit  den  Einfall  der 
Perser  dort  nicht  selbst  erleben  konnte.     Auch  wäre,  wenn  sich  wirklich 
ans  Xen.    selbst  die    von   B.  angenomme   Datierung  klar    ergab,   dies 
einem  so  aufmerksamen  Beobachter    chronologischer  Hinweisungen  wie 
Apollodor  sicherlich  nicht  entgangen.  —   Was  Parmenides    betrifft,    so 
kann  B.  nicht  glauben,    daß  Piaton  die  Begegnung  mit  Sokrates,    die 
er  dreimal  erwähnt,    erdichtet    habe;    da    nun    dieses  Zusammentreffen 
etwa  451/49  stattgefunden  haben  muß  und   Parm.  damals  im  65.  Jahre 
stand,  80  sei  seine  Geburt  in  515/13  zu  setzen,  und  ApoUodors  Verlegung 
der  ätx|jLrj    in  504/1  müsse    auf   einem  freilich,    wie  B.    selbst  zugiebt, 
schwer    erklärbaren    Mißverständnisse    beruhen.     Ein    solches    Mißver- 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.)     205 

stündnis  halte  ich  indes  für  völlig  undenkbar:  wenn  Äp.  von  den  doch 
sicher  auch  ihm  bekannten  Platonischen  Daten  abwich,  so  muß  er  dafür 
seinen  guten  Grund  gehabt  haben.  Die  Geburt  Zenons  bestimmt  B. 
natürlich  ebenfalls  nach  Piaton  und  setzt  sie  um  489  (Ap.  504/ i). 


C.     Schriften,    die   das  ganze  Gebiet  oder  einzelne  Gruppen 
oder  Teile  der  vorsokratischen  Philosophie  behandeln. 

Nicht  nur  in  Deutschland,  sondern  auch  im  Auslande  sind  während 
der  Berichtszeit  so  zahlreiche  Publikationen  erschienen,  die  eine  Dar- 
stellung der  vorsokratischen  Philosophie  enthalten,  daß  eine  Aufzählung 
oder  gar  Besprechung  aller  sich  schon  durch  die  Rücksicht  auf  det 
Raum  verbietet.  Sie  würde  auch  überflüssig  sein,  da  ein  großer  Teil 
dieser  Werke  keine  wissenschaftliche  Bedeutung  hat.  Wir  schließen 
von  vornherein  alle  rein  populären  oder  lediglich  Schulzwecken  dienenden 
Arbeiten  aus,  soweit  nicht,  was  äußerst  selten  der  Fall  ist,  in  ihnen 
eine  eigentümliche  Art  der  Auffassung  zum  Ausdruck  kommt  oder  es 
gelegentlich  angebracht  erschien,  auf  die  Mangelhaftigkeit  oder  Wert- 
losigkeit einer  von  anderer  Seite  gepriesenen  Publikation  aufmerksam 
zu  machen. 

1.    Werke  über   die  gesamte  Geschichte  der  Philosophie,  in  denen  die 
Torsokratische  Philosophie  nur  kurz  behandelt  wird. 

Was  zunächst  die  neu  erschienenen  Auflagen  älterer  Werke  be- 
trifft, so  würde  es  eine  Raumverschwendung  sein,  wenn  wir  sie  alle 
besprechen  oder  auch  nur  mit  genauer  Titelangabe  anführen  wollten, 
da  die  meisten  von  den  Fortschritten  der  wissenschaftlichen  Forschung 
so  gut  wie  gar  keine  Notiz  nehmen  und  im  wesentlichen  den  früheren 
Text  unverändert  wiedergeben.  Zu  diesen  gehören  u.  a.  die  15.  Auf- 
lage der  Geschichte  der  Philosophie  im  Umriß  von  A.  Schwegler, 
durchgesehen  und  ergänzt  von  K.  Köber,  deren  völlige  TJubrauchbarkeit 
ich  Berl.  Ph.  Wschr.  1892,  212  ff.  nachgewiesen  habe  (die  Parallelaus- 
gabe desselben  Werkes  von  J.  Stern ,  Leipzig,  Reclam  1889,  ist  mir  nicht 
zugegangen);  die  von  Barthelemj^  de  Saint-Hilaire  besorgte  12.  Aus- 
gabe der  Histoire  generale  de  la  philosophie  von  Victor  Cousin, 
Paris  1884,  die  nach  der  Vorrede,  abgesehen  von  einem  neuhinzugefägten 
Kapitel  über  die  Philosophie  der  Kirchenväter,  nur  stilistische  Ver- 
besserungen erfahren  hat;  die  5.  Aufl.  der  Histoire  de  la  philosophie 
Europeenne  von  Alfred  Weber,  Paris  1895  (ins  Englische  übersetzt 
von  Frank  Thilly,    London  1896),    die   mir  nicht  bekannt  geworden 


204     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

ist,  und  der  mir  ebenfalls  unbekannt  gebliebene  Neudruck  der  Biographical 
history  of  Philosophy  von  G.  H.  Lewes,  London  1897.  Der  der 
Auffassung  Grotes  ähnliche  Standpunkt  des  letztgenannten  und  seine 
unkritische  Oberflächlichkeit  dürfen  übrigens  als  allgemein  bekannt  an- 
gesehen werden  und  sind  bereits  von  Susemihl  Jahresb.  I  5,  511  ff.  bei 
Besprechung  der  1873  in  2.  Aufl.  erschienenen  Übersetzung  des  Parallel- 
werkes von  Lewes:  „Geschichte  der  alten  Philosophie"  hinreichend  ge- 
kennzeichnet worden.  Von  etwas  größerer  Bedeutung  sind  die  neuen 
Auflagen  von: 

36.  J.  E.  Erdraann,  Grundriß  der  Geschichte  der  Philosophie. 
B.  I:  Philosophie  des  Altertums  und  des  Mittelalters.  3.  Aufl.  Berlin 
1878.  gr.  8.*  Dasselbe,  4.  Aufl.  bearbeitet  von  Benno  Erdmann, 
Halle  1896. 

37.  E.  Dühring,  Ki-itische  Geschichte  der  Philosophie  von 
ihren  Anfängen  bis  zur  Gegenwart.  4.  Aufl.  Leipzig  1894.  XVI, 
597  S.  8. 

Von  Erdmanns  Grundriß  ist  mir  die  neueste  Bearbeitung  nicht 
zugegangen.  Hoffentlich  hat  sie  eine  weit  gründlichere  Umgestaltung 
erfahren  als  die  3.  Aufl.,  in  der  hinsichtlich  der  alten  Philosophie  kaum 
etwas  geändert  oder  hinzugefügt  zu  sein  scheint.  Der  Verf.  steht  in 
dieser  Aufl.  noch  immer  auf  dem  längstüberwundenen  Standpunkte' 
Hegelscher  Geschichtskonstruktion  und  giebt  fast  durchweg  ein  verzerrtes 
Bild  der  vorsokratischen  Lehren.  —  Auch  in  der  neuesten  Aufl.  von 
Dührings  "Werk  ist  an  der  in  den  früheren  Auflagen  herrschenden, 
von  vorgefaßten  Meinungen  ausgehenden  und  meistenteils  einseitigen 
und  uDhistorischen  Auffassung  des  Wesens  und  der  Bedeutung  der  vor- 
sokratischen Systeme  festgehalten  worden  (über  die  2.  Aufl.  von 
1873  8.  Susemihl  Jahresber.  I  5,  511  ff.),  wie  sich  bei  der  selbstbe- 
wußten Art  des  auf  anderen  Gebieten  unstreitig  verdienstvollen  Ver- 
fassers von  vornherein  erwarten  ließ.  Der  Abschnitt  über  die  von 
D.  besonders  hochgeschätzten  älteren  griechischen  Philosophen  ist  viel- 
leicht noch  der  erquicklichste  des  ganzen  Buches.  Aber  von  Grund  aus 
vei  fehlt  ist  auch  dieser  ältesten  Philosophie  gegenüber  der  Standpunkt 
des  Verfassers.  Nach  ihm  ist  die  höchste  Originalität  der  theoretischen 
"Weltauffassung  nur  im  Kreise  dieser  wahrhaft  unsprünglichen  Denker 
zu  fiuden;  nachher  sind  originelle  Gedanken  nur  noch  auf  dem  Gebiete 
der  Moral  aufgetreten,  selbst  Piatons  Ideenkonzeption  steht  an  Bedeut- 
samkeit jenen  ersten  Fundamentalvorstellungen  nach;  der  Verfall  des 
griechischen  Lebens  in  der  Sophistenzeit  ist  zugleich  auch  der  Verfall 
der  gi'iechischen  Philosophie,  den  auch  die  gewaltige  sittliche  Erscheinung 
des  Sokrates  nicht  aufzuhalten  vermochte.    Das  heißt  die  geschichtliche 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.)     205 

Entwickelun^    geradezu    auf    den    Kopf    stellen.     So    hoch    auch    die 
schöpferische  Ui^sprUnglichkeit  jener  früheren  Denker   anzuschlagen  ist, 
so  gehört  doch  die  ganze  Einseitigkeit  und  Befangenheit  eines  Dühring 
dazu,  um  den  gewaltigen  Fortschritt  zu  leugnen,  den  die  philosophische  nnd 
wissenschaftliche  Erkenntnis  nicht  nur  der  Griechen,  sondern  des  ganzen 
Abendlandes  bis  in  unsere  Zeit  hinein  der  sokratisch-  platonisch-  aristo- 
telischen Begriffsphilosophie  zu  verdanken  hat,  die  das  im  wesentlichen 
auf  reiner  Anschauung  beruhende  und  daher    noch  ungeschulte  Denken 
der  älteren  Zeit  auf  die  weit  höhere  Stufe  klaren  begrifflichen  Denkeng 
erhoben  hat.     Durch  sie    sind    mit    den  Worten  zugleich  auch  alle  die 
Begriffe  geprägt  worden,  die  seitdem  zum  Gemeingute  aller  Forschung 
geworden  sind  und,    wenn    auch  nicht  ohne  Wandlungen    in   ihrer  Be- 
deutung, auch  heute  noch  unser  wissenschaftliches  wie   unser  populäres 
Denken  beherrschen.    Auch  die  Darstellung  der  einzelnen  vorsokratischen 
Systeme  (S.  16—83)  enthält  neben  manchen  treffenden  Bemerkungen  so 
viel  des  Falschen  und  Schiefen,  daß  denen,  die  sich  aus  diesem  Buche 
belehren  wollen,   nur  geraten  werden  kann,   es  mit  äußerster  Vorsicht 
zu  benutzen  und  sich  nicht  durch    den  Schein    der  Unfehlbarkeit,    mit 
dem  sich  D.  umgiebt,    blenden  zu  lassen.     So  überträgt    er   gleich  auf 
die  ältesten  lonier  ganz  moderne  Begriffe,  wenn  er  sie  bei  Aufstellung 
ihrer    stofflichen  Prinzipien    deren  Aggregatzustand    betonen    läßt    und 
dem  Anaximenes  die  Vorstellung  beilegt,  daß  die  ursprüngliche  Existenz 
des   Weltalls  ein  großes  Gasvolumen  (!)  gewesen  sein.     Die  Lehre  des 
Parmenides     wird    als    starrer    Idealismus    bezeichnet    und    die    sehr 
reale    Grundanschauung    des    Eleaten    von    der    raumerfüllenden  Kugel 
ignoriert.    Falsch  ist  auch  die  Ansicht,  die  Eleaten  hätten  die  gemeine 
Wirklichkeit  nicht  gänzlich  geleugnet,  sondern  ihr  nur  einen  geringeren 
Grad  der  Wirklichkeit  zuerkannt.    Am  besten  gelungen  ist  die  scharf- 
sinnige   Darstellung    der   Argumente   Zenons,    deren    zwingende  Kraft 
nach  D.  in  der  logischen  Notwendigkeit  ruht,    die  nicht  gestattet,   das 
Unendliche  als  vollendet,  die  Unzahl  als  abgezählt  und  abgeschlossen  zu 
denken.     Doch    macht    sich    auch    hier    der    Verf.    einer    Einseitigkeit 
schuldig,    wenn    er    hauptsächlich    nur  auf  die  Beweise  gegen  die  Be- 
wegung eingeht,  die  gegen  die  Vielheit  dagegen  als  zu  unbestimmt  nicht 
näher  betrachtet,  während  Tannery,   dessen  Ausführungen  er  nicht  ge- 
kannt zu  haben  scheint,  ungefähr  den  umgekehrten  Standpunkt  einnimmt. 
Sehr   unzulänglich    und    vielfach  falsch  werden    die  Lehren  des  Empe- 
dokles    und    Auaxagoras    und    ihr    gegenseitiges  Verhältnis    behandelt. 
Empedokles  soll  sich  gegen  die  Annahme  einer  Intelligenz  in  den  Dingen 
gewendet  haben,    wovon    sich  in    unserer  Überlieferung  auch  nicht  die 
leiseste  Spur    findet;    auch    hätte    sich    ein  solcher  Angriff   nur    gegen 
Auaxagoras  richten  können,  der  doch  nach  der  gewöhnlichen,  auch  von 


206     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.  (Lortzing.) 

D.  für  wahrscheinlich  gehaltenen  Meinung  später  als  Emp.  geschrieben 
hat.  Der  Elementenlehre  bei  Emp.  und  der  der  Homöomerieenlehre 
bei  Anaxag.,  von  denen  D.  die  letztere  schief  darstellt,  wird  nur  eine 
untergeordnete  Bedeutung  beigelegt,  die  sie  für  ihre  Urheber  sicher 
nicht  gehabt  haben.  Es  hängt  dies  damit  zusammen,  daß  D.  bei  diesen 
beiden  Philosophen  die  Frage  nach  der  Entstehung  der  Dinge  und  der 
Rolle,  die  die  bewegenden  Kräfte  dabei  gespielt  haben,  ganz  unberührt 
^läßt,  während  er  auf  die  doch  ohne  die  Elementenlehre  gar  nicht  ver- 
ständliche Lehre  von  der  Entstehung  der  Organismen  bei  Emp.  aus- 
führlich eingeht.  Wenn  Demokrits  Atomenlehre  im  Gegensatz  zu  dem 
synthetischen  Charakter  der  übrigen  Sj'steme  wesentlich  analytisch  ge- 
nannt und  behauptet  wird,  sie  mache  den  mechanischen  Teilungszustand 
und  die  mathematische  Form  des  Stofflichen  selbst  zum  Gegenstande 
der  Spekulation,  so  kann  ein  so  grundsätzlicher  Gegensatz  des  Abderiten 
zu  den  früheren  Philosophen  nicht  anerkannt  werden.  In  der  Zeichnung, 
die  D.  von  den  Sophisten  entwirft,  hält  er  sich  verständigerweise  von 
der  in  den  letzten  Jahrzehnten  Mode  gewordenen  Überschätzung  dieser 
Männer  durchaus  fern,  geht  aber  nach  der  anderen  Seite  zu  weit,  wenn 
er  ihre  Thätigkeit  als  völlig  unfruchtbar  darstellt  und  sich  zu  der  Be- 
hauptung versteigt,  sie  hätten  keinen  einzigen  Gedanken  hervorgebracht, 
der  im  Guten  oder  Schlimmen  irgend  etwas  zu  bedeuten  hätte.  Wie 
stimmt  dazu  die  bald  darauf  folgende,  übrigens  zutreffende  Bemerkung, 
die  älteren  Sophisten  seien  nicht  so  unfein  wie  die  jüngeren  und  nicht 
ohne  eine  gewisse  Originalität  gewesen? 

Von  neuen  Erscheinungen  sind  zu  nennen: 

*38.  0.  Flügel,  Die  Probleme  der  Philosophie  und  ihre  Lösung 
historisch-kritisch  dargestellt.  Cöthen  1876,  XII,  266  S.  2.  Aufl. 
Ebenda  1888. 

*39.  Baumann,  Geschichte  der  Philosophie  nach  Ideengehalt 
und  Beweisen.     Gotha  1890.     IV,  383  S.  8. 

40.  W.  Windelband,  Geschichte  der  Philosophie.  Freiburg  i/B., 
Mohr,  1892.     516  S.  gr.  8. 

41.  J.  Bergmann,  Geschichte  der  Philosophie.  1.  B.:  Die 
Philosophie  vor  Kant.     Berlin  1892.    YII,  486  S.  8. 

42.  V.  Knauer,  Die  Hauptprobleme  der  Philosophie  in  ihrer 
Entwicklung  und  teilweisen  Lösung  von  Thaies  bis  Robert  Haraer- 
ling.  Vorlesungen  gehalten  an  der  Wiener  Universität.  Wien  und 
Leipzig  1892.    XVIII,  408  S.  gr.  8. 

43.  P.  Janet  et  G.  S6ailles,  Histoire  de  la  Philosophie.  Les 
problemes  et  les  ecoles.     1.  fasc.   Paris  1887.  391  S.  8. 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     207 

44.  Rev.    Asa  Mahan,  A  critical    history    of   philosophy.     In 
two  voluraes.     New- York   1883.  gr.  8.  vol.  I:     XXII,  431  S. 

45.  L.  Noack,  Philosophie-geschichtliches  Lexikon.  Leipzig  1879. 

Zu  Flügels  Buch  verweise  ich  auf  Schaarschmidts  Be- 
sprechung der  1.  Aufl.  Jen.  Littz.  1877,  40  ff.  Nach  Seh.  kommt  in 
der  Beurteilung  vorwiegend  der  Herbartsche  Standpunkt  zur  Geltung. 
Der  vorsokratischen  Philosophie  scheint  nur  ein  sehr  knapper  Raum 
zugemessen  zu  sein.  Über  Bau  mann  wird  im  Litt.  C.-Bl.  1891,  195 
gesagt,  der  Leser  erhalte  von  den  einzelnen  Philosophen  und  ihren 
Systemen  ein  aufs  äußerste  zusammengedrängtes,  aber  nicht  unrichtiges 
Bild;  die  ältesten  und  älteren  Philosophen  würden  vor  den  neueren 
ungebührlich  bevorzugt.  —  Windelbands  Gesch.  der  Philol.  schließt 
sich  würdig  an  die  nachher  zu  besprechende  Geschichte  der  alten 
Philosophie  desselben  Verfassers  an,  neben  der  sie  eine  selbständige 
Stellung  einnimmt.  W.  hat  hier  nicht,  wie  dort,  die  Geschichte  der 
Lehren  an  die  Reihenfolge  der  einzelnen  Philosophen  angeknüpft, 
sondern  hauptsächlich  eine  Geschichte  der  Probleme  und  Begriffe  zu 
geben  versucht.  Das  erste  Kapitel  des  ,,die  Philosophie  der  Griechen" 
umfassenden  ersten  Teils  behandelt  die  kosmologische  Periode  und  be- 
spricht nacheinander  die  Begriffe  des  Seins,  des  Geschehens  und  des 
Erkennens.  Im  2.  Kapitel  wird  die  anthropologische  Richtung  (Sophistik 
und  Sokrates)  dargestellt.  Darauf  folgt  im  3.  Kapitel  die  systematische 
Periode,  die  in  4  Abschnitte  zerfällt:  1.  Das  System  des  Materia- 
lismus (Demokrit);  2.  das  System  des  Idealismus  (Piaton);  3.  die 
aristotelische  Logik;  4.  das  System  der  Entwickelung  (Aristoteles/ 
Der  zweite  Teil,  in  dem  die  hellenistisch- römische  Periode  dargestellt 
wird,  gliedert  sich  in  2  Kap.:  1.  die  ethische  Periode;  2.  die  religiöse 
Periode.  Diese  Art  den  Stoff  einzuteilen  hat  vor  der  sonst  üblichen 
den  unleugbaren  Vorzug,  daß  die  Entstehung  und  das  Wachstum  der 
philosophischen  Grundgedanken  uns  übersichtlicher  und  deutlicher  vor 
Augen  tritt.  Anf  der  anderen  Seite  wird  dadurch  der  Einblick  in  den 
inneren  Zusammenhang  der  Lehrgebäude  und  in  die  Eigenart  einzelner 
hervorragender  Persönlichkeiten  erschwert,  soweit  nicht,  wie  dies  in 
dem  vorliegendem  Werke  bei  den  geschlossenen  Systemen  des  Demokrit, 
Piaton  und  Aristoteles  geschehen  ist.  Sachliches  und  Persönliches  in 
der  Betrachtung  vereinigt  werden  kann.  Bei  der  älteren  Philosophie 
kommt  hinzu,  daß  es  außerordentlich  schwer  ist,  die  einzelnen  Kate- 
gorieen,  wie  die  des  Seins  und  Geschehens,  die  in  ihren  Lehren  teil- 
weise noch  keineswegs  bestimmt  voneinander  geschieden  sind,  in  der 
Darstellung  zu  sondern.  Es  ist  aber  anzuerkennen,  daß  es  dem  Verf. 
gelungen   ist,    soweit  möglich,    dieser  Schwierigkeiten  Herr  zu  werden 


208     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

und  dem  mit  gewissen  Vorkenntnissen  an  die  Lektüre  des  Buches  her- 
antretenden Leser  ,,die  prag-matische  Notwendigkeit  des  geistigen  Ge- 
schehens" in  klarer  und  fesselnder  Darstellung  vor  Augen  zu  führen. 
Beraerkuncen  zu  einzelnen  Punkten  werden  zweckmäßiger  mit  der  Be- 
sprechung des  anderen  Werkes  von  W.  verbunden.  Vgl.  übrigens 
Lortzing  Berl.  Ph.  Wschr.  1890,  1463  ff.  sowie  K.  Lasswitz 
Deutsche  Littz.   1892,  555  ff. 

Die  KJarheit  und  Bestimmtheit  der  Auffassung  und  Darstellung, 
die  Windelbands  Arbeit  auszeichnen,  lassen  sich  der  Bergmanns 
nicht  nachrühmen.  Den  vorsokratischen  Philosophen,  die  nur  sehr  kurz 
(S.  12 — 49),  einige  wie  Anaximander,  Anaximenes  und  Demokrit  un- 
verhältnismäßig kuiz  beliandelt  werden,  legt  der  Verf.  vielfach  fremde 
Anschauungen  unter  und  konstruiert  sich  einen  Entwickelungsgang  der 
ältesten  Philosophie,  der  in  den  Thatsachen  nicht  begründet  ist:  von 
dem  Hylozoismus  der  älteren  lonier  aus  habe  sich  die  Geschichte  der 
Philosophie  zunächst  in  zwei  Entwickelungsreihen  fortgesetzt,  von  denen 
die  eine,  die  Lehre  der  Pythagoreer  und  der  Eleaten,  von  Anaximander, 
die  andere,  die  Lehre  des  Heraklit,  Empedokles  und  Anaxagoras,  von 
Anaximenes  ausgehe;  auf  diese  folge  dann  als  dritte  Richtung  der 
Materialismus  der  Atomiker.  Hierbei  wird  ohne  Spur  eines  Beweises 
angenommen,  daß  Anaximander  die  Keime  zu  einer  vom  Hylozoismus 
zum  Spiritualismus  (!)  führenden Entwickelung  gelegt  habe  und  daß  sich  bei 
Anaximenes  ein  Fortgang  vom  Hylozoismus  zum  Dualismus  ankündige. 

Über  Knauers  Vorlesungen  können  wir  kurz  hinweggehen;  sie 
sind,  soweit  sie  die  Vorsokratiker  (25 — 67)  betreffen,  ohne  jeden 
wissenschaftlichen  Wert. 

Der  erste,  bisher  allein  erschienene  Band  des  Buches  von  Janet 
und  Seailles,  das  ebenso  wie  die  Arbeiten  No.  38  und  40  den  Stoff 
nicht  nach  den  Schulen,  sondern  nach  sachlichen  Gesichtspunkten 
gruppiert,  beschränkt  sich  auf  die  Darstellung  psychologischer  Probleme. 
Bei  jedem  einzelnen  Problem  werden  die  wichtigsten  Lehren  von  der 
ältesten  Zeit  bis  auf  die  Gegenwart  in  aller  Kürze  dargelegt  und  zu- 
letzt das  Resultat  gezogen.  Was  über  die  Vorsokratiker,  natürlich  in 
knappster  Fassang,  gesagt  wird,  ist  im  wesentlichen  richtig  und  stellt 
den  Beitrag,  den  die  ältesten  Philosophen  zur  Lösung  der  einzelnen 
Probleme  geliefert  haben,  in  klares  Licht.  Wenn  im  11.  Abschnitt, 
der  „le  probleme  de  la  Libertö"  behandelt,  bei  Demokrit  nur  die  aus 
seinem  metaphysischen  Systeme  abgeleitete  necessit^  universelle  be- 
tont wird,  so  sind  die  ethischen  Fragmente  dieses  Philosophen  unbe- 
rücksichtigt geblieben,  in  denen  das  Problem  der  Willensfreiheit 
wenigstens  gestreift  wird.  Auch  für  den  Schlußabschnitt  ,,rHabitnde" 
waren  diese  Fragmente  zu  verwenden. 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)      209 

Das  Werk  von  Maban,  in  dessen  erstem  Bande  die  Vor^okratiker 
S.  175  —  211  besprochen  werden,  führen  wir  nur  deshalb  an,  iim  vor 
einem  durch  den  Titel  nalie{?elegten  Mißverständnisse  zu  warnen.  Es 
handelt  sich  in  dem  ganzen  Buche  nicht  um  philosophisch-j^eschichtliche 
Kritik,  zu  der  der  Verf.  nach  seinen  Vorstudien  (er  citiert  in  der 
Darstelhing  der  alten  Philosophen  außer  Lewes  und  Ritter  fast  nur 
einen  mir  unbekannten  Dr.  Cocker)  auch  gar  nicht  befähigt  wäre, 
sondern  es  werden  über  die  philosophischen  Lehren  vom  rein  philosophisch- 
kritischen Standpunkte  m.  E.  ziemlich  unfruchtbare  Erörterungen  an- 
gestellt, in  denen  die  Thatsachen  eine  sehr  geringe  Rolle,  eine  desto 
größere  dagegen  die  modernen  philosophischen  Termini  spielen.  Hierbei 
überwiegt  der  religionsphilosophische  Gesichtspunkt:  Thaies  (!),  Anaxi- 
menes  (!),  Xenophanes  und  Anaxagoras  werden  zu  Theisten  gestempelt; 
Anaximander  hat  eine  unbestimmte  Art  von  Pantheismus  eingeführt, 
Parmenides  ist  spiritualistischer  oder  idealistischer  Pantheist,  Heraklit 
materialistischer  (!)  Pantheist  u.  s.  w. 

Auch  das  Lexikon  von  Noack  erwähnen  wir  nur,  um  festzu- 
stellen, daß  die  Vorsokratiker  darin  äußerst  dürftig  behandelt  sind; 
viel  Anekdotenkram,  hinter  dem  z.  B.  bei  Pythagoras  und  seiner  Schule 
der  Inhalt  der  Lehre  fast  völlig  zurücktritt. 

Wir  schließen  hier  einige  Werke  an ,  in  denen  die  Entwicklung 
einzelner  Gebiete  der  Philosophie  oder  bestimmter  philosophischer 
Richtungen  vom  Altertum  bis  zur  Neuzeit  dargestellt  wird: 

46.  W.  Dilthey,  Einleitung  in  die  Geisteswissenschaften.  Ver- 
such einer  Grundlegung  für  das  Studium  der  Gesellschaft  und  der  Ge- 
schichte.    1.  B.  Leipzig  1883.     XX,  519  S.  8. 

47.  F.  A.  Lange,  Geschichte  des  Materialismus  und  Kritik 
seiner  Bedeutung  in  der  Gegenwart.  Wohlfeile  Ausgabe.  Zweites 
Tausend.  Besorgt  von  Hermann  Cohen.  Iserlohn  und  Leipzig  1887. 
*  Fünfte  Auflage  bearbeitet  von  H.  Cohen.     2  Bände.    Leipzig  1896. 

48.  L.  Mabilleau,  Histoire  de  la  Philosophie  Atomistiqne. 
Paris  1895.     VII,  560  S.  gr.  8. 

49.  F.  Harms,  Die  Philosophie  in  ihrer  Geschichte.  I.  T.:  Psycho- 
logie. Berlin  1878.  Vin,  398  S.  8.  IL  T.:  Geschichte  der  Logik. 
Berlin  1881.     VIII,  240  S.  8. 

50.  Rud.  Eucken,  Geschichte  der  philosophischen  Terminologie 
im  Umriß.     Leipzig  1879.     226  S.  gr.  8. 

Dilthey,  der  sich  die  Aufgabe  gestellt  hat,    die  Metaphysik    als 
Grundlage  der  Geisteswissenschaften  zu  erweisen,  verfolgt  in  dem  ersten, 
m.  W.  bisher  einzigen  Band   (vgl.    J.  Freudenthal  D.  Littz.    1883, 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.  Bd.  LXXXXVI.    (1898.  I.)  U 


210     Berichte  über  die  griechißchen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

1645  ff.,  E.  Eucken  Philosoph.  Monatsh.  XX  120  ff.)    die    Herrschaft 
und  den  Verfall  der  Metaphysik  iu  der  Eiitwickelung  der  Wissenschaft 
vom  Altertum    bis  in  die  Neuzeit  und    stellt    hierbei    über    die    philo- 
sophischen Lehren  der  Griechen  Erörterungen  an,  die,    wenn  man  der 
Auffassung  des  Verfassers  auch  nicht  überall    beistimmen    kann,    doch 
die  Bedeutnng  und   den  Zusammenhang  der  einzelnen  Systeme  vielfach 
in  eine  neue  und    interessante  Beleuclitung    rücken.     Dies    gilt    insbe- 
sondere auch  von  den  Abschnitten,  die  in  unser  Gebiet  fallen  (S.  182— 
224  und    271 — 296).     Die    Kosmologie    der    ältesten    Zeit,    auch    die 
pythagoreische,    betrachtet  D.  mit  ßeclit  als  eine  Vorstufe  zu  der  mit 
Heraklit  und  Parmenides  beginnenden  Metaphysik  im  engeren  Verstände. 
Wenn  er  aber  behauptet,  jene  Kosraologen  hätten  bereits  den  ,, Begriff 
des  Prinzipes"  ausgebildet,  so  ist  dagegen  zu  bemerken,  daß  apyr]   bei 
den  älteren  Philosophen  von  Anaximander  an  nichts   als    den    „Anfang 
der  Dinge"  bezeichnet,    im    strengen  Sinne    des    , .Prinzips"    aber    erst 
von  Piaton  und  Aristoteles  gefaßt  wird.     Auf  der  anderen  Seite  heißt 
es  die  wissenschaftliche  Bedeutung  jener  ältesten  Denker    doch    unter- 
schätzen, wenn  D.  meint,    ihre  Erklärungen  des  Weltganzen  seien  mit 
einem  sehr  erheblichen  Bestandteil  von  mythischem  Glauben  vermischt. 
Für  Thaies  und  Pythagoras  mag   dies    vielleicht    zutreffen,    schwerlich 
aber  für  Anaximander  und  Anaximenes;    wenigstens  kann  ich  das    von 
D.  angeführte  Fragment  des  ersteren  vom  Unrecht  und   der  Buße    als 
Beweis  dafür    nicht    gelten    lassen.  —  Treffend  wird    von   Parmenides 
bemerkt,    seine  Sätze    enthielten    das  Denkgesetz  des  Widerspruchs  in 
metaphysischer  Fassung  im  Keime  und  außerdem  die  physische  Wahr- 
heit:   es    giebt    kein    Entstehen    und    keinen  Untergang;    durch  Über- 
spannung   dieser  Wahrheiten    aber    hätten    die  Eleaten    die  von    ihren 
Vorgängern  geschaffene  Welterklärung  aus  den  Angeln  gehoben.    Ebenso 
treffend  wird  als  gemeinsames  Prinzip  der  von  Parmenides  ausgehenden 
Theorieen  des  Leukipp,    Enipedokles,    Demokrit  und  Anaxagoras    der 
Gedanke    hingestellt:    „es    giebt    nur    Verbindung    und   Trennung    der 
Massenteilchen    vermittelst  der  Bewegung  im  Welträume."     Besonders 
eingehend    und    ansprechend    sind    die  Erörterungen   über  Anaxagoras, 
dessen  Lehre  vom  voü;  jedoch  mit  Unrecht  als  Monotheismus  bezeichnet 
wird.     Über    den  Ausgangspunkt    der    Trepi/wpYj'jt;    bei  An.    spricht  D. 
eine  sinnreiche  Vermutung  aus,  wonach  der  voü?  die  Drehungsbewegung 
in    der    Materie   vom  Nordpol    aus    begonnen    hat.     S.    jedoch    Zeller 
1001,  1.  ^)  —  Über    Protagoras    wird    scharfsinnig   bemerkt,    daß    er 


')  Ich  bemerke  hier,  dall  ich,  wenn  ich  Zeller  ohne  weiteren  Zu- 
satz anführe,  die  5.  Ausgabe  des  1.  Bandes  der  Philosophie  der  Griechen 
meine. 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     211 

zwar  von  den  Qualitäten  der  Dinge  behauptet  habe,  sie  beständen  nur 
in  der  Relation,  nicht  aber  von  der  Dinglichkeit  selber;  auch  Gorgias 
habe  nicht  die  Phänomenalität  der  Außenwelt  behauptet,  wie  dies  über- 
haupt kein  Grieche  gethan  habe;  er  gehe  vieiraehr  in  seiner  Beweis- 
führung von  der  Voraussetzung  der  Räumlichkeit  des  Seienden  aus. 
An  späterer  Stelle  kommt  D.  noch  einmal  kurz  auf  die  Vorsokratiker  zu 
sprechen.  Er  findet  bei  Heraklit  eine  metaphysische  Begründung  der 
gesellscbaftliclieu  Ordnung  und  die  Hindeutung  auf  eine  solche  auch 
bei  Pythagoras.  Zwischen  der  ersten  und  zweiten  Generation  der 
Sophisten  stehe  Hippias;  durch  ihn  und  Archelaos  sei  der  Gegensatz 
der  göttlichen  ungeschriebenen  Gesetze  und  der  menschlichen  Satzung 
wissenschaftlich  (?)  formuliert  worden. 

Über    eine  frühere  Auflage  des  zuerst  1866  erschienenen  Buches 
von  Lange  hat  Suse  mihi    Jahresb.  15,    511  ff.  gesprochen.     Da    er 
indes  die  vorsokratische  Philosophie  nur  nebenbei  berührt  hat,  so  glauben 
wir  einige  Bemerkungen  zu  der  Art,    wie  Lange  diese  dargestellt  hat, 
macheu    zu    müssen.     Hierbei    können   wir  nur  die  Aufl.  von  1887    zu 
Grunde  legen ,  da  wir  die  neueste  Aufl.  nicht  gesehen  haben.    Daß  sie 
in  bezug    auf  die  Philosophie    des  Altertums  irgend  welche  wesentliche 
Änderungen  enthält,  ist  kaum  anzunehmen;  die  uns  soeben  zugegangene, 
besonders    herausgegebene    „Einleitung    mit    kritischem    Nachtrag    zu 
F.  A.  Langes  Geschichte  des  Materialismus   in  5  Aufl."  von  H.Cohen 
bringt  derartige  Beiträge  nicht,   sondern  spricht  nur  von  den  heutigen 
Aufgaben  der  philosophischen  Forschung.  —  Lange  schwankt  beständig- 
zwischen  einer  rein  geschichtlichen  Auffassung  der  Systeme  des  Alter- 
tums   und    einer   von    modernen    Voraussetzungen    ausgehenden.      Der 
historische  Wert    seiner  Darstellung  ist  daher  ziemlich  gering.     Wenn: 
er    z.  B,    behauptet,    Demokrit    habe   den  Zweckmäßigkeitsbegriff  ent- 
schieden zurückgewiesen  und  Empedokles  ihn  durch  ein  dem  Darwinschen 
ähnliches  Naturprinzip  ersetzt,  so  trägt  er  damit  Gesichtspunkte  in  die 
älteste  Philosophie  hinein,  die  dieser  fremd  gewesen  sind:  eine  Zweck- 
ursache kannten  die  Vorsokratiker  überhaupt  noch  nicht  (höchstens  bei 
Anaxagoras    kann    man    einen    Ansatz    dazu  finden),    konnten  sie  alsa 
auch    nicht    bestreiten.     Falsch    ist    auch,    daß    der  Sensualismus    des 
Pi'otagoras  eine  natürliche  Fortbildung  des  Materialismus  gewesen   sei. 
Protag.    ist    nicht    von    den    Atomikern,    sondern    wahrscheinlich    von 
Heraklit    ausgegangen.      In     der     übertriebenen     Wertschätzung     der 
Sophistik  schließt  sich  L.  an  Grote   und  Lewes  an.     Der  Relativismus 
der  Sophisten    wird    als    ein  durchaus  gesunder  Fortschritt  in  der  Er- 
kenntnistheorie betrachtet,  der  aber  durch  die  einseitige  Betonung  der 
ethischen    und  logischen  Fragen    in  der  Sokratik  unterbrochen  worden 
sei.     Dabei    stellt  Verf.   recht  müßige  Betrachtungen  darüber  an,    wie 

14* 


212     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

ein  Schüler  des  Demokrit  und  Protagoras,  der  sich  in  der  von  jenen 
vorgezeichneten  Richtung  weiter  bewegt  hätte,  statt  den  sokratischen 
Umschwung  mitzumachen,  ganz  wohl  den  Schritt  vom  Einzelnen  zum 
Allgemeinen,  von  der  Wahrnehmung  zum  Begriff  hätte  machen  können: 
der  Begriff  fehlte  eben  den  Sophisten,  und  so  konnten  sie  aus  sich 
selbst  heraus  nicht  zum  Allgemeinen  gelangen.  Diesen  Schritt  gethan 
zu  haben  ist  das  unsterbliche  Verdienst  des  Sokrates. 

Dem  Stoffe    nach    hat    eine    gewisse  Verwandtschaft  mit  Langes 
Buch    das  von  Mabilleau,  über  das  ich  etwas  ausführlicher  berichten 
will,  da  es  m.  W.  bisher  in  deutschen  Zeitschriften,  abgesehen  von  der 
sehr  kurz  und  allgemein  gehaltenen  Anzeige    von  Willy  Vierteljzschr. 
f.  Philos.  XX  514  ff.,  nirgends  besprochen  worden  ist.     Der  Verf.  hat 
sich  der  umfassenden  und  schwierigen  Aufgabe  unterzogen,  die  gesamte 
Atomistik,    die  hier  im  allerweitesten  Sinne  gefaßt  wird,  in  ihrer  ge- 
schichtlichen Entwicklung  von  ihren  Anfängen  in  Indien  an  bis  in  die 
neueste  Zeit  darzustellen.     Mit  welchem  Erfolge  er    diese  Aufgabe    in 
bezug  auf  die  indische  Atomistik  einerseits  und  die  mittelalterliche  und 
moderne  andererseits  gelöst  hat,  mögen  die  dazu  Berufenen  beurteilen. 
Doch  können  wir  an  den  Ausführungen  über  die  atomistischen  Systeme 
der  Inder  nicht  ganz  vorübergehen  wegen  der  Beziehungen,    in  die  er 
sie   zur    grieschichen    Philosophie    setzt.     M.    giebt    im    Anschluß     an 
Barthelemy     de    Saint — Hilaire,     Eegnault    und     andere     französische 
Forscher    sowie  auf  grund    der    neuerdings    erschienenen    Kommentare 
und  Textaasgaben    indischer  Gelehrter  eine  Darstellung    der  Lehre  des 
Kanada,  des  ältesten  der    in  Frage  kommenden  Systeme,   von  denen  er 
außerdem    nur    noch    kurz    das    der  Djinas    erwähnt,    in   welchem    die 
wichtigste  Verbesserung  jener  Lehre  enthalten  ist.    Er  beschäftigt  sich 
dann  mit  der  nicht  nur  bei  uns ,    sondern  auch  in  Frankreich  seit  den 
ersten  Jahrzehnten   dieses  Jahrhunderts   immer  wieder  von  neuem  auf- 
geworfenen Frage,    ob    und  inwieweit  die  ältesten  grieschichen  Systeme 
von  der  indischen  Philosophie  beeinflußt  worden  sind,  und  beantwortet 
sie  mit  Barthelemy  u.  a.  folgendermaßen:    Wie  die  griechische  Sprache 
aus  dem  Sanskrit  hervorgegangen  ist  (?),  der  griechische  Polytheismus 
eine    Reproduktion     (?)    der    indischen    Mythologie    darstellt,    wie    die 
indische  Seelenwanderungslehre    unzweifelhaft  (?)    indischen  Ursprungs 
ist,    so  sind  auch  die  ältesten  Versuche  der  Griechen,    das  Universum 
aus    materiellen    Ursachen    zu    erklären,    gleicher    Herkunft.     In    dem 
System  des  Kanada  finden  sich  die  pythagoreischen  Monaden,  Dyaden, 
Triaden  u.  s.  w.,  ebenso  die  Elemente  des  Empedokles,  die  Homöomerieen 
des   Anaxagoras    und    die  Atome  Demokrits    wieder.     Namentlich    des 
letzteren  Lehre  ist  als  die  folgerechte  Entwickelung    der    des  Kanada 
anzusehen  und  kann  nicht  von  dieser  unabhängig  entstanden  sein,   die 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.)     213 

vielmehr  dem  D.  mittelbar  oder  vielleicht  auch  nnmittelbar  auf  einer 
Reise  nach  Indien  (?)  zugeflossen  sein  muß.  Es  verlohnt  sich  um  so 
weniger  der  llühe,  diese  auf  lauter  unwahrscheinlichen  Voraussetzungen 
aufgebaute  Vermutung  zu  widerlegen,  als  der  Verf.  die  Beweiskraft 
seiner  so  zuversichtlich  vorgetragenen  Gründe  bald  darauf  selbst  wieder 
in  Frage  stellt  und  bei  der  näheren  Besprechung  der  Demokritischen 
Atomcnlehre  vollends  in  Widerspruch  mit  sich  gerät,  indem  er  S.  150  f, 
zugiebt,  Demokrits  angebliche  Heise  nach  Indien  sei  sehr  zweifelhaft.  — 
Was  nun  die  Darstellung  der  griechischen  Atomistik  und  der  sie  vor- 
bereitenden älteren  Systeme  betrifft  (denn  auch  diese  zieht  M.  in  den 
Kreis  seiner  Betrachtung),  so  ist  zunächst  zu  bemerken,  daß  der  Verf. 
auf  eine  selbständige  Benutzung  und  Prüfung  der  Quellen,  wie  schon 
die  oft  ganz  ungenauen  und  verkehrten  Citate  beweisen,  von  vornherein 
verzichtet  hat.  Dazu  würde  er  auch  bei  seiner  geringen  Kenntnis  der 
griechischen  Sprache  kaum  befähigt  gewesen  sein.  Nicht  nur  daß  die 
griechischen  Citate  von  Fehlern  wimmeln,  ein  Mangel,  der  sich  über- 
haupt in  französischen  Druckwerken  häufig  findet,  sondern  es  kommen 
auch  die  schlimmsten  Mißverständnisse  griechischer  Texte  vor;  so, 
wenn  S.  81  die  mit  Bt^zug  auf  Anaximanders  a-eipov  von  Aristot. 
Phys.  III  4.  203  b  11.  gesagten  Worte:  lisptr/stv  airavta  xai  Travxa 
xußepväv  Übersetzt  werden:  „il  se  meut  lui-meme  et  anime  toutes  les 
choses  dans  son  sein  (!!),  oder  wenn  aus  Demokrit  fr.  mor.  18  N.  die 
für  sich  ganz  unverständlichen  Worte  ^o-/}^  TsXetoTanr)  ay.iQvso;  herausge- 
griffen und  so  gedeutet  werden,  als  ob  nach  Demokrit  die  Seele  der 
vollkommenste  Körper  (!!)  wäre.  Dieser  Mangel  würde  indes  zu  er- 
tragen sein,  wenn  M.  mit  den  neuesten  Untersuchungen  über  die  von 
ilim  behandelten  Fragen  einigermaßen  vertraut  wäre.  Aber  die  Be- 
weise des  Gegenteils  begegnen  uns  in  seinem  Buche  auf  Schritt  und  Tritt. 
Um  so  kläglicher  machen  sich  die  gelegentlichen  Versuche  des  Verfassers, 
sich  den  Schein  gründlicher  Quellenkenntnis  zu  geben.  So  bespricht  er  die 
einzelnen  Titel  des  Thrasyllschen  Verzeichnisses  der  Schriften  Demokrits, 
ohne  zu  ahnen,  daß  ein  großer  leil  dieser  Schriften  unecht  ist;  hält  er 
doch  selbst  solche  offenbaren  Fälschungen  späterer  Jahrhunderte  wie  das 
Kräuterbuch  und  das  Sternbuch  und  ebenso  die  astronomischen  und 
geoponischeu  Fragmente  bei  Mullach  für  echt.  Auch  über  Inhalt  und 
Bedeutung  der  verschiedenen  Systeme  entwickelt  er  zum  Teil  ganz 
falsche  Ansichten.  Die  Lehre  des  Parmenides  z.  B.  zerstört  er  in  ihrem 
innersten  Kerne,  indem  er  den  Gegensatz  zwischen  der  'AXr)i>£ia  und 
der  AoEa  aufhebt.  —  Diesen  und  manchen  anderen  Irrtümern  stehen  auf 
der  anderen  Seite  einzelne  wertvolle  Ausführungen  gegenüber ,  wie  es 
denn  überhaupt  dem  Verf.  an  einem  gewissen  philosophischen  Blicke 
nicht   fehlt.     So  wii-d  die  Verwandtschaft  der  Zenonischen  Ai'gumente 


214     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

mit  der  Atomistik  treffend  hervorgehoben.  Auch  über  die  Deklination 
der  Atome  bei  Epikur  und  ihre  Bedeutung  für  die  Willensfreiheit  äußert 
IT.  eine  Ansicht,  die  auf  den  richtigen  Weg  zur  Lösung  dieses  schwierigen 
Problems  zu  führen  scheint,  übrigens  sich  mit  der  sicherlich  doch  wohl 
ihm  unbekannt  gebliebenen  Abhandlung  von  Brieger  de  atomorum 
Epicureorum  motu  principali  1888  nahe  berührt.  Im  großen  und  ganzen 
jedoch  ist  den  Aufstellungen  des  Verfassers  gegenüber  die  größte  Vor- 
sicht geboten,  um  so  mehr,  als  sie  sich  nach  französischer  Art  im  Ge- 
wände einer  glatten  und  eleganten  Schreibweise  darbieten  und  mit  dem 
Nimbus  tieferer  wissenschaftlicher  Forschung  umgeben. 

Die  kurze  Besprechung  der  vorsokratischen  Systeme  in  dea 
beiden  Teilen  des  Werkes  von  Harms  (I  110 — 148  und  II  5  —  14) 
legt  zu  sehr  den  Maßstab  moderner  Anschauungen  an  die  alten  Philo- 
sophen an.  Auch  bewegt  sich  der  Verf.  in  bezug  auf  die  Einteilung 
und  Reihenfolge  wie  die  Beurteilung  der  Systeme  noch  ganz  im  Gleise 
Schleiermachers  und  Ritters.  So  wird  die  veraltete  Unterscheidung 
zwischen  Mechanikern  und  Dynamikern  festgehalten  und  ihr  zuliebe 
Anaximander  von  seiner  Schule  getrennt.  Der  Atomismus  und  die 
Sophistik  werden  in  äußerst  abfälliger  Weise  beurteilt. 

Eucken,  der  fremde  und  eigene  Beobachtungen  über  den  Ge- 
brauch philosophischer  Kunstausdrücke  in  geschickter  Auswahl  zu- 
sammenstellt, konnte  im  Rahmen  seiner  das  ganze  Gebiet  der  antiken 
und  deutschen  Philosophie  umfassenden  Darstellung  die  doch  nicht  ganz 
geringe  Zahl  der  bereits  von  den  vorsokratischen  Philosophen  ge- 
brauchten, wenn  auch  meistens  noch  nicht  klar  und  bestimmt  ausge- 
prägten Termini  nur  zu  einem  geringen  Teile  verwerten.  Hervor- 
zuheben sind  von  seinen  hierher  gehörenden  Bemerkungen  die  über 
yp-^ixa,  dva^xTf]  und  Ttpocpactc  (=  aixia),  apyy^,  xotTfxo?,  xa  aTO|xa  (Demokrit) 
und  Tj  aTop-oc  (Epikur),  dvTi-u-ia,  auvEiorjaic,  losa.  Wenn  über  xo^iioc 
in  der  Bedeutung  „Weltall"  gesagt  wird,  es  scheine  auf  die  Pythagoreer 
zurückzugehen  und  finde  sich  jedenfalls  bei  Empedokles,  so  ist  jetzt 
auf  Diels  Parmen.  S.  66  zu  verweisen,  wo  gezeigt  wird,  daß  das  Wort 
bei  den  Philosophen  des  fünften  Jahrhunderts  von  Heraklit  an  „Getüge 
(Bau,  Struktur)",  nicht  „Welt"  bedeutet  und  im  letzteren  Sinne,  dem 
sich  bereits  Empedokles  351  nähert,  zuerst  im  Anfange  des  Philolaischen 
Buches  vorkommt.  Doch  scheint  mir  das  Wort  gerade  bei  Heraklit, 
wenn  auch  vielleicht  nicht  in  Fr.  20  (xoj|jlov  aTxavTojv),  so  doch  in 
Fr.  56,  wo  xoajjiov  ohne  Zusatz  steht,  in  der  Bedeutung  „Welt Ordnung" 
gebraucht  zu  sein.  'AvtiTUTiia  wird  nach  E.  vom  Stofife  zuerst  bei  den 
Stoikern  angewendet;  indessen  weist  der  Ausdruck  axXrjpoo?  —  xal  dvri- 
TUTtouc  dvOpcuTzoo;  bei  Piaton  Thcaet.  155  E  darauf  hin,  daß  schon  zu 
Piatons  Zeiten   wenigstens  das  Adjektiv    eine  gewisse  Rolle    in    einem 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.)     215 

philosopliischen  System  gespielt  hat.  —  Auf  die  Bedeutungswandlungeu 
von  Ausdrücken  wie  «puai?,  X070C,  voixo;  hätte  E.  wohl  etwas  näher  ein- 
gehen können,  und  auch  -ro  ov  (etvat)  und  oo^a  bei  Parmenides  (vgl. 
66xoi  bei  Xenophanes)  wären  der  Erwähnung  wert  gewesen. 

2.    Werke  über  die  gesamte  Philosophie  des  Altertnms  oder  über 
nmfa.»*sendere  Abschnitte  derselben. 

Neue  Auflagen  älterer  Werke  sind  erschienen  von: 

51.  A.  Seh  wegler,  Geschichte  der  griechischen  Philosophie, 
herausgegeben  von  K.  Köstliu.    Freiburg  i/B.  1882.    VIII,  462  S.  8. 

*52.  Chr.  A.  Thilo,  Kurze  pragmatische  Geschichte  der  Philo- 
sophie. T.  L:  Geschichte  der  griechischen  Philosophie.  2.  Aufl. 
Cöthen  1880.     XII,  403  S.     gr.  8. 

53.  Historia  philosophiae  graecae.  Testimonia  auctorum  con- 
legerunt  notisqne  instruxernnt  H.  Ritter  et  L.  Preller.  Ed.  VIT., 
quam  curaverunt  Fr.  Schul  tess  et  Ed.  Well  mann.  Gotha  1888. 
VI,  598  S.     8. 

54.  Fr.  Überwegs  Grundriß  der  Geschichte  des  Altertums. 
8.  Aufl.,  bearb.  und  herausg.  von  M.  Heinze.  Berlin  1894.  IX, 
390  S.     gr.  8. 

55.  Paulys  Realencyclopädie  der  klassischen  Altertumswissen- 
schaft. Neue  Bearbeitung,  herausg.  von  Wissowa.  Stuttgart,  Metzler. 
1.— 4.  Halbband   1893/97. 

Schwegler-Köstlins  neue  Aufl.  zeichnet  sich  durch  übersicht- 
liche Darstellung  und  Besonnenheit  des  Urteils  aus,  hat  aber  die  neueren 
Quellenforscliungen  zu  wenig  verwertet  und  ordnet  die  Voisokratiker 
noch  immer  mehr  nach  der  äußeren  Reihenfolge  der  Schulen  im  An- 
schluß an  Schleiermacher,  Ritter  und  Brandis  als  nach  den  inneren 
Beziehungen  der  Lehre.  Vgl.  die  Besprechuugen  von  Freudenthal 
D.  Littz.  1882,  1277  f.  und  F.  Kern  Philol.  Anz.  1882,  532  ff. 

Über  Thilos  Buch  muß  ich  auf  die  Besprechung  der  1.  Aufl. 
von  Susemihl  Jahresb.  II  III  1,  262  ff.  verweisen,  der  die  lichtvolle 
und  lebendige  Darstellung  rühmt,  die  einseitig  vom  Herbartschen  Stand- 
punkt ausgehende  und  daher  ungeschichtliche  Behandlung  des  Stoffes 
dagegen  tadelt. 

Das  verdienstliche  Buch  von  Ritter  und  Prell  er,  das  darauf 
berechnet  ist,  durch  eine  Auswahl  von  Stellen  aus  den  Werken  und 
Bruchstücken  der  alten  Philosophen  die  Lernbeflissenen  in  die  quellen- 
mäßige Beschäftigung  mit  der  alten  Philosophie  eiuzutühren,  entspricht 
auch  heute  noch  den  Bedürfnissen  zahlreicher  Jünger  der  Wissenschaft, 


216     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates,    (Lortzing.) 

was  zur  Genüge  durch  den  Umstand  bewiesen  wird,  daß  es  seit  seinem 
ersten  Erscheinen  i.  J.  1838  bis  z.  J.  1888  sieben  Auflagen  erlebt  hat 
und  soeben,  wie  uns  mitgeteilt  wird,  die  achte  Aufl.  erschienen  ist.  Der 
Wert  des  Buches  ist  durch  die  7.  Aufl.  bedeutend  erhöht  worden. 
Wähi-end  in  allen  vorhergehenden  Auflagen,  auch  in  der  6.  und  7., 
die  Teichmüller  besorgt  hatte,  keine  wesentlichen  Änderungen  an  den 
Texten  der  1.  Aufl.  vorgenommen  worden  waren,  hat  Schultess,  der 
zunächst  die  Lehren  der  vorsokratischen  Physiker  in  einem  1886  er- 
schienenen ersten  Teile  neu  bearbeitet  hat  (dieser  ist  dann  unverändert 
in  die  Ausgabe  von  1888  aufgenommen  worden),  eine  sehr  sorgfältige 
tmd  durchgreifende  Eevision  der  Texte  wie  der  erläuternden  An- 
merkungen veranstaltet.  Über  den  reichen  Ertrag  dieser  mühevollen 
Thätigkeit  habe  ich  Berl.  Ph.  Wschr.  1887,  1173  ff.  genaueren  Bericht 
erstattet,  dem  ich  einige  eigene  Vermutungen  hinzugefügt  habe.  Eine 
weit  geringere  Umgestaltung  hat  der  Rest  des  Buches  durch  Wellmann 
erfahren.  In  dem  kurzen  Abschnitt  über  die  Sophisten  (S.  181 — 191) 
hat  sich  der  neue  Herausgeber  auf  unwesentliche  Änderungen  und  Zu- 
sätze beschränkt.  Vgl.  über  die  Gesamtausgabe  H.  v.  Arnim  Deutsche 
Littz.  1889,  195  ff.  und  P.  Wendland  Berl.  Ph.  Wschr.  1889,  1308  ff. 
Eine  Besprechung  der  achten  Aufl.  muf]  dem  nächsten  Jahresbericht 
vorbehalten  bleiben. 

Überwegs  Grundriß  bewährt  sich  bis  auf  die  neueste  Zeit  als 
ein  für  die  Forschung  sehr  brauchbares  Hülfsmittel.  M.  Heinz e  hat 
in  den  beiden  neuesten  Auflagen  die  nicht  leichte  Aufgabe,  die  in- 
zwischen veröffentlichten  zahlreichen  Arbeiten  zu  verwerten  und  das 
Neue  dem  Alten  möglichst  anzupassen,  im  großen  und  ganzen  glücklich 
gelöst.  Die  Bemerkungen,  die  ich  zu  der  siebenten,  1886  erschienenen 
Auflage,  in  der  Berl.  Ph.  Wschr.  1886,  1589  ff.  gemacht  hatte,  sind 
znm  guten  Teile  in  der  achten  berücksichtigt  worden,  die  überhaupt 
zahlreiche  Verbesserungen  und  Ergänzungen,  weniger  im  Haupttext  als 
in  den  die  nähere  Ausführung  enthaltenden  Abschnitten  aufweist.  Vgl. 
meine  Besprechung  der  8.  Aufl.   ßerl.  Ph.  Wschr.  1896,  321  ff. 

Die  bisher  erschienenen  4  Halbbände  von  Pauly-Wissowa  ent- 
halten Artikel  über  die  Vorsokratiker  Alkmaion,  Anaxagoras,  Auaxi- 
mander,  Anaximenes,  Antiphon  soph.,  Archelaos,  Archytas,  sämtlich 
von  E.  "Wellmann  verfaßt  (nur  an  dem  über  Archytas  hat  v.  Jan 
mitgearbeitet),  die  ihren  Gegenstand  in  kurzer,  aber  sachgemäßer  Weise 
und  mit  geschickter  Verwendung  der  wichtigsten  Forschungsergebnisse 
behandeln.  Die  Gestalt  der  Erde  bei  Anaximander  hätte  nicht  „teller- 
förmig* genannt  werden  sollen:  sie  hat  die  Form  einer  Walze,  deren 
eine  Oberfläche,  die  von  uns  bewohnte,  wahrscheinlich  als  gewölbt  an- 
zusehen ist  (vgl.  Hippolyt.  I  6,  8  und  dazu  Doxogr.  218  f.  u.  Zeller  226,  4). 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     217 

"Wenn  Hultsch  in  dem  gleichfalls  die  Ansichten  einzelner  Vorsokratiker 
berührenden  Artikel ,  Astronomie"  II 1832.  wie  es  scheint,  sich  den  Mantel 
dieser  Walze  als  den  bewohnten  Teil  vorstellt,  so  ist  dies  ein  durch  die 
angeführte  Hippolytosstelle  leicht  zu  widerlegender  Irrtum. 

A'on  neu  erschienenen,  die  gesamte  griechische  Philosophie  in 
einem  Bande  umfassenden  Werken,  nennen  wir  die  zu  unserer  Kenntnis 
gekommenen;  die  außerdem  noch,  besonders  in  Italien  und  England,  er- 
schienenen lassen  wir,  da  sie  vermutlich  keinen  besonderen  wissenschaft- 
lichen Wert  haben,  unerwähnt: 

56.  Eduard  Zell  er,  Grundriß  der  Geschichte  der  griechischen 
Philosophie.   Leipzig  1883.  *  Vierte  Aufl.   Leipzig  1893.  X,  317  S.   8. 

57.  W.  Windelband,  Geschichte  der  alten  Philosophie  (J.Müllers 
Handbuch  der  klassischen  Altertumswissenschaft,  5.  Band,  1.  Abt.  = 
11.  Halbband  S.  115—337)  Nördlingen  1888.  gr.  8.  —  Dasselbe: 
Zweite  sorgfältig  durchgesehene  Aufl.  Müuchen  1894.  VIII,  228  S. 
gr.  8.  Dazu  als  Anhang:  S.  Günther,  Abriß  der  Geschichte  der 
Mathematik  und  der  Naturwissenschaften  im  Altertum. 

58.  K.  Chr.  Fr.  Krause,  Abriß  der  Geschichte  der  griechischen 
Philosophie.  Aus  dem  handschriftlichen  Nachlaß  herausg,  von  P.  Hohl- 
feld und  A.  W^linsche.  Anhang:  Die  Philosophie  der  Kirchenväter 
und  des  Mittelalters.     Leipzig  1893.     VIII,  100  S.     8. 

59.  A.  W.  Beun,  The  Greek  philosophers.  In  two  volumes. 
London  1882.     gr.  8.     Vol.  I:  XXXII,  402  S. 

60.  Ch.  B6nard,  La  philosophie  ancienne.  Histoire  generale 
de  ses  systemes.  I.  partie:  La  philosophie  et  la  sagesse  orientales. 
La  philosophie  grecque  avant  Socrate.  Socrate  et  les  Socratiques. 
Etudes  sur  les  sophistes  grecs.     Paris  1885.     CXXVIII,  398  S.     8. 

61.  C.  F.  Savio,  Storia  della  filosofia.  La  filosofia  occidentale 
prima  deir  eva  cristiana.     Torino  1888.     280  S.     8. 

62.  Ellen  M.  Mitchell,  A  study  of  Greek  philosophy.  With 
an  introduction  by  W.  B.  Alger.    Chicago  1891.    XXVIII,  282  S.    8. 

Zeller  hat  in  seinem  Grundriß,  unterstützt  durch  seine  lang- 
jährige Erfahrung  als  akademischer  Lehrer,  mit  vielem  Geschick  den 
überreichen  Stoff  des  größeren  Werkes  in  einen  engen  Rahmen  gefaßt, 
ohne  an  der  Einteilung  und  Anordnung  etwas  zu  ändern:  hinzugefügt 
ist  nur  eine  für  Anfänuer  wertvolle  kurze  Übersicht  der  Quellenschriften 
und  anderer  Hülfsmittel.  Da  mir  die  späteren  Autlagen  nicht  zuge- 
gangen sind,  so  kann  ich  nicht  angeben,  welche  Änderungen  Z.  in  ihnen 
vorgenommen  hat.  Die  erste  Aufl.  habe  ich  Berl.  Ph.  Wsch.  1884,  396  ff. 
besprochen.    Dort  habe  ich  u.  a.  darauf  hingewiesen,  daß  die  überlieferte 


218     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

systematische  Behandlung  der  vorsokratischcii  Philosophen,  die  auch  bei 
Zeller,  wiewohl  in  freringerem  Grade  als  bei  Schwegler-Köstlin,  Erd- 
mann u.  a.  vorwaltet,  den  neuesten  Forschungen  gegenüber  sich  kaum 
mehr  werde  aufrecht  erhalten  lassen  und  einer  mehr  entwickelnden, 
genetischen  Darstellung  werde  Platz  machen  müssen.  In  dieser  Richtung 
ist  dann  zuerst  Windelband  entschlossen  vorgegangen  und  hat  die 
herrschende  Tradition  offen  durchbrochen.  Nachdem  er  in  der  Ein- 
leitung unter  den  „Vorbedingungen  der  Philosophie  im  Geistesleben 
des  7.  und  6.  Jahrhunderts"  auch  der  „sittlich-religiösen  Reformation 
des  Pythagoras"  einen  Platz  angewiesen  hat,  behandelt  er  nach- 
einander: 1.  die  milesische  Naturphilosophie;  2.  den  metaphysischen 
Grundgegensatz.  Heraklit  und  die  Eleaten-,  3.  „die  Vermittelungsver- 
suche"  einerseits  der  pluralistischen  und  mechanistischen  Theorieen  des 
Empedokles,  Anaxagoras  und  Leukipp,  andererseits  der  Pythagoreer 
mit  ihrer  Zahlenlehre,  4.  die  griechische  Aufklärung.  Die  Sophistik 
und  Sokrates;  5.  Materialismus  und  Idealismus.  Demokrit  und  Piaton; 
6.  Aristoteles.  Diese  dem  wahren  oder  doch  wahrscheinlichen  Ent- 
wickelungsgange  des  griechischen  Denkers  in  höherem  Maße  als  die 
bisher  übliche  entsprechende  Einteilung  hat  es  dem  Verf.  ermöglicht, 
die  inneren  Beziehungen  und  die  folgerechte  Entwickelung  der  philo- 
sophischen Theorieen  schärfer  und  anschaulicher  als  seine  Vorgänger 
darzulegen.  Als  ein  besonderer  Vorzug  der  neuen  Anordnung  ist  die 
dem  Heraklit  zwischen  den  beiden  ersten  sogen.  Eleaten  zugewiesene 
Stellung  und  die  Ansetzung  Demokrits  hinter  den  übrigen  Vor- 
sokratikern  zu  betrachten.  Nicht  so  unbedingt  kann  man  der  völligen 
Ausscheidung  des  Pythagoras  aus  der  Reihe  der  Philosophen  zustimmen, 
da  bei  aller  Unsicherheit  der  Überlieferung  über  seine  philosophischen 
Lehren  doch  die  "Wahrscheinlichkeit  dafür  spricht,  daß  die  erste  An- 
regung zu  den  astronomisch-physikalischen  Spekulationen  und  zu  der 
Zahlenlehre  seiner  Schule  auf  ihn  zurückzuführen  ist.  Was  die  Be- 
handlung der  Atomistik  betrifft,  so  hätte  nach  Aristot.  d.  an.  I  1  404  a5 
dem  Leukipp  nicht  bloß  die  metaphysische  Grundlegung  der  physi- 
kalischen Lehren,  sondern  auch  die  atomistische  Begründung  der 
Seelenlehre,  die  W.  dem  Demokrit  vorbehalten  hat,  beigelegt  werden 
sollen.  Auch  mußte  Leukipp  an  die  Spitze  der  vermittelnden  Philo- 
sophen gestellt  werden,  da,  wie  Diels  gezeigt  hat,  Empedokles  in 
einzelnen  Punkten  von  ihm  abhängig  ist.  Bedenklich  erscheint  auch, 
daß  W.  sich  nicht  damit  begnügt  hat,  Demokrit  auf  die  Sophisten  folgen 
zu  lassen,  sondern  ihn  ganz  ans  dem  Zusammenhange  mit  den  Vor- 
sokratikern  gelöst  und  neben  Piaton  gestellt  hat.  Es  muß  vielmehr 
Demokrit,  der  von  der  sokratisch-platonischen  Begriffsphilosophie,  soweit 
wir  urteilen  können,  noch  unberührt  geblieben  ist,  dem  Sokrates  voran- 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     219 

gehen.  Wenn  damit  zugleich  Sokrates  wieder  von  den  Sophisten  ge- 
trennt und  in  seiner  Bedeutung  als  Urheber  einer  neuen  Phase  des 
griechischen  Denkens  hervorträte,  so  könnten  wir  dies  nur  als  einen 
Gewinn  ansehen.  Was  die  Darstellung  des  Inhalts  der  einzelnen 
Systeme  betrifft,  so  hat  W.  den  reichhaltigen  Stolf  durchweg  in  eigen- 
artiger und  fesselnder  Weise  behandelt  und  mit  echt  philosophischem 
Blick  für  das  Wesentliche  eiuer  jeden  Theorie  zu  einem  wohlgefUgten 
Ganzen  gestaltet.  Nur  hin  und  wieder  hat  er  einem  gewissen  Neuerungs- 
triebe  zu  sehr  nachgegeben,  z.  B.  in  der  Charakterisierung  des  Anaxa- 
goreischen  vou;  als  „Denkstoff",  und  sich  durch  die  zuversichtlich  vor- 
getragenen Veimutungen  anderer  wie  die  Hirzels  und  Natorps  über 
Demokritspuren  bei  Piaton  zu  sehr  bestimmen  lassen.  Das  Nähere 
8.  in  meinen  Besprechungen  der  ersten  Aufl.  Berl.  Ph.  Wschr.  1889, 
507  ff.  und  der  zweiten  ebenda  1894,  428  ff.  Vgl.  auch  Diels  Arch. 
f.  Gesch.  d.  Philos.  II  653  ff.,  Natorp  Philos.  Mon.-H.  XXVI  356  ff. 
und  die  sehr  eingehende  Besprechung  der  2.  Aufl.  von  Joel  Zschr.  f. 
Philos.  CVI  (1895),  141-186. 

Im  entschiedensten  Gegensatze  zu  Windelbands  Handbuch  ist  der 
Grundriß  des  bekannten  Schellingiauers  Krause  für  die  Geschichte  der 
Philosophie  inhaltlich  völlig  bedeutungslos,  und  was  die  Form  betrifft, 
so  macht  ihn  die  bekannte  wunderliche  Terminologie  seines  Verfassers 
geradezu  ungenießbar.  Sehr  geringen  Wert  haben  auch  die  vier  an 
letzter  Stelle  augeführten  Werke.  Benn  hat,  wie  er  selbst  in  der 
Vorrede  erklärt,  für  den  Abschnitt  über  die  Vorsokratiker  (S.  1  — 107) 
keinerlei  selbständige  Quellenstudien  gemacht  und  sich  fast  ausschließ- 
lich Zellers  Führung  anvertraut.  —  Benards  Buch  ist  so  gut  wie 
völlig  wertlos.  Der  Verf.  ist  mit  der  Litteratur  sehr  mangelhaft  ver- 
traut und  versteht  offenbar  wenig  Griechisch:  die  Citate  wimmeln  von 
den  schnödesten  Fehlern.  —  In  Savios  Arbeit  ist  der  Abschnitt  über 
die  Vorsokratiker  (S.  16 — 86)  im  Grunde  nichts  als  eine  ziemlich 
dürftige  Zusammeureihung  einzelner  Lehrsätze,  die  oft  recht  willkürlich 
ausgewählt  sind  und  vom  modernen  Standpunkt  aus  kritisiert  werden. 
Neuere  Forschungen  scheinen  kaum  berücksichtigt  zu  sein.  Die  Verfasserin 
von  No.  62  befleißigt  sich  einer  klaren  und  verständlichen  Darstellung, 
hat  aber  keinerlei  selbständige  Studien  gemacht. 

An  dieser  Stelle  scheint  es  mir  angebracht,  einen  neuerdings 
veröffentlichten,  für  Schulzw^ecke  bestimmten  Abriß  kurz  zu  erwähnen. 
Er  bildet  einen  Teil  der 

63.  Klassikerausgaben  der  griechischen  Philosophie.  I.  Sokrates 
von  K.  Lincke.     Halle  a/S.  1896.     XIV,  159  S.     8. 

Den  pädagogischen  Wert  der  Ausgabe  selbst  haben  wir  hier  nicht 
zu  beurteilen  und  bemerken  nur,  daß  uns  ihre  Zweckmäßigkeit  keines- 


220     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

wegs  so  zweifellos  ist,  wie  sie  mehreren  Beurteilern  des  Büchleins  er- 
scheint. Die  Einleitung  enthält  auf  S.  4 — 29  eine  Übersicht  über  die 
Vorsokratiker,  der  sich  S.  29 — 39  eine  Darstellung  der  Lehre  des 
Sokrates,  dann  S.  39 — 43  in  regelloser  Weise  einige  ganz  kurze  Be- 
merkuugen  über  Piaton,  Aristoteles,  Xenophon  und  die  andern  Sokratiker, 
Epikur,  die  Stoiker,  S.  43 — 58  über  Xenophons  Apologie  und  Memo- 
rabilien  sowie  über  Piatons  Apologie  und  Kriton ,  endlich  S.  59  eine 
Zeittafel  (von  Thaies  bis  auf  den  Stoiker  Zenon)  anschließen.  Die 
Vorsokratiker  werden  sehr  ungleichmäßig  behandelt,  einige  ziemlich 
ansführlich,  andere  von  gleicher  oder  größerer  Bedeutung  ganz  kurz. 
So  wird  z  B.  Xenuphanes  auf  2,  Parmenides  nur  auf  1,  Empedokles 
gar  nur  auf  2/3  Seiten  besprochen;  die  pythagoreische  Zahlenlehre 
wird  viel  zu  kurz  abgethan,  von  dem  Thrasyllschen  Verzeichnis  der 
Schriften  Demokrits  dagegen  ganz  überflüssigerweise  ein  Auszug  ge- 
geben. Manche  Angaben  sind  richtig  und  beruhen  auf  den  Ergebnissen 
der  neuesten  Forschung,  viele  hingegen  sind  auch  unzutreffend  oder  schief. 
Ein  Widerspruch  ist  es,  wenn  von  Zenon  gesaut  wird,  er  sei  ganz  er- 
füllt gewesen  von  dem  (parmenideischen)  Gedanken  des  dauernden  Seins, 
das  doch  nicht  anders  als  kontinuierlich  gefaßt  werden  kann,  und  gleich 
darauf:  er  habe  Raum  und  Zeit  als  diskontinuierliche  Größen  dar- 
gestellt (?). 

Wir  gehen  nun  zu  den  Werken  über,    in  denen  einzelne  Lehren 
oder  Eichtungen  der  griechischen  Philosophie  behandelt  werden: 

64.  0.  Willmann,  Geschichte  des  Idealismus.  In  3  Bänden, 
Erster  Bd.:  Vorgeschichte  und  Geschichte  des  antiken  Idealismus. 
Braunschweig  1894.     XIV,  696  S.     8. 

65.  D.  Peipers,  Ontologia  Platonica  ad  notionum  terminorumque 
historiam  symbola.     Leipzig  1883.     XIV,  606  S.     8. 

66.  E.  Hardy,  Der  Begriff  der  Physis  in  der  griechischen 
Philosophie.     I.  T.     Berlin  18»4.     230  S.     gr.  8. 

67.  Gl.  Bäumker,  Das  Problem  der  Materie  in  der  griechischen 
Philosophie.     Münster  1890.     XV,  436  S.     gr.  8. 

68.  C.  Deich  mann.  Das  Problem  des  Raumes  in  der  griechischen 
Philosophie  bis  Aristoteles.  Leipzig  1893.  (Doktordissertation.) 
103  S.     8. 

*69.  F.  H.  Weber,  Die  genetische  Entwickelung  der  Zahl-  und 
Raum  begriffe  in  der  griechischen  Philosophie  bis  Avistoteies  und  der 
Begriff  der  Unendlichkeit.     (Dissertation.)     Straßburg  1895.    131  S. 

70.  P.  Natorp,  Forschungen  zur  Geschichte  des  Erkenntnis- 
problems im  Alterium.  Protagoras,  Demokrit,  Epikur  und  die  Skepsis. 
Berlin  1884.     VUI,  315  S.     8. 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.)     221 

71.  'laropia  xfjC  -[vaijeiuc  u~o  Map7aptT00  Eua^-^eXtoou.  'Ev 
"Aftir^vau  £x  -60  Ti)T:o7pa<petou  II.    i'axeX>.apiou.    Berlin  1885.    159  S.  8. 

72.  G.  Cecca,  La  teoria  della  conoscenza  nella  filn«!ofia  greca. 
Verona  e  Padova  1887.     68  S. 

73.  L.  Stein,  Die  Psychologie  der  Stoa.  B  I:  Metaph5'sisch- 
anthropologischer  Teil.  Berlin.  216  S.  8.  (Berl.  Stnd.  f.  kl.  Ph. 
u.  Arch.  III  1.)  B.  II:  Die  Erkenntnistheorie  der  Stoa.  Vorangeht: 
Umriß  der  Geschiebte  der  griechischen  Eikeuutnistheorie  bis  auf 
Aristoteles.     Ebenda  1888.     389  S.     8.     (Berl.  Stud.  VIII  1.) 

74.  H.  Sieb  eck,  Geschichte  der  Psychologie.  I.  T.  1.  Abt.: 
Die  Psychologie  vor  Aristoteles.     Gotha  1880.     XIV,  264  S. 

75.  A.  E.  Chaignet,  Histoire  de  la  Psychologie  des  Grecs. 
T.  I:  Histoire  de  la  Psychologie  des  Grecs  avant  et  apies  Aristote. 
Paris  1887.     XXII,  426  S.     8. 

76.  Erwin  Rohde,  Psyche.  Seelenkult  und  Unsterblichkeits- 
glaube der  Griechen.  Freibnrg  i/ß.  und  Leipzig  1894.  VII,  711  S. 
gr.  8.     *2.  Anfl.     1897. 

77.  H.  Volger,  Die  Lehre  von  den  Seelenteilen  in  der  alten 
Philosophie.  I.  T.  "Wissenschaftliche  Beilage  zum  Jahresber.  des 
Kgl.  Gymn.  zu  Ploeu.     1892.     28  S.     4. 

78.  L.  Schmidt,  Die  Ethik  der  alten  Griechen.  In  2  Bänden. 
Berlin  1882.     B.  I  400  S.     B.  II  494  S.     gr.  8. 

79.  Th.  Ziegler,  Die  Ethik  der  Griechen  und  Römer.  Bonn 
1881  (Neue  Ausgabe  1886).     IX,  342  S.     gr.  8. 

80.  Ch.  E.  Luthardt,  Die  antike  Ethik  in  ihrer  geschicht- 
lichen Entwickelnng  als  Einleitung  in  die  Geschichte  der  christlichen 
Moral.     Leipzig  1887.     VKI,  187  S.     8. 

81.  Karl  Köstlin,  Die  Ethik  des  klassischen  Alterturas.  1.  Abt.: 
Die  griechische  Ethik  bis  Plato.     Tübingen  1887.     XII,  494  S.     8. 

82.  Max  Hein ze.  Der  Eudämonismus  in  der  griechischen  Philo- 
sophie. I.  Vorsokratikei ,  Demokrit,  Sokrates.  Abh.  d.  Kgl.  Sachs. 
Ges.  d.  Wiss.,  phil.-hist.  Kl.  No.  VI,  S.  643—758.  Leipzig  1884. 
116  S.     gi.  8. 

83.  J.  Schwarcz,  Kritik  der  Staatsformen  des  Aristoteles.  Mit 
einem  Anhange,  enthaltend  die  Anfänge  einer  politischen  Litterator 
bei  den  Griechen.    Verm.  Ausg.    Eisenach  1890.     V,  138  S.     gr.  8. 

84.  H.  Gilow,  Über  das  Verhältnis  der  griechischen  Philo- 
sophen im  allgemeinen  und  der  Vorsokratiker  im  besondern  zur 
griechischen  Volksreligion.  Berliner  Inauguraldissertation.  Oldenburg 
1896.     117  S.     8. 


222     Berichte  über  die  griecbischea  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

85.  J.  Urwalek,  Delphi  imd  sein  Verhältnis  zur  griechischen 
Philosophie.  Progr.  des  niederösterreich.  Landesrealgymn.  zu  Stockeraa 
1878.     38  S. 

Über  Will  mann s  Buch  müssen  wir  leider  das  Urteil  aussprechen, 
daß  der  um  die  Philosophie,  insbesondere  die  Pädagogik,  so  hochver- 
diente Verf.  hier  sich  auf  einem  Irrwege  befindet.  Seine  ganze  Be- 
trachtungsweise ist  ein  schlimmer  Rückfall  in  die  längst  überwundenen 
Anschauungen  eines  Creuzer  und  Roth,  deren  letzter  namhafter  Aus- 
läufer Gladisch  gewesen  ist.  Die  bedeutendsten  philosophischen  Systeme 
der  Griechen  gehen  nach  W.  auf  eine  altüberlieferte  Urweisheit  zurück, 
aus  der  auch  die  Ägj'pter,  Babylonier,  Magier,  Inder  und  Juden  ge- 
schöpft haben.  Als  Bindeglieder  zwischen  den  vorgeschichtlichen  An- 
fängen religiös-philosophischer  Spekulation  und  der  eigentlichen  Philo- 
sophie der  Griechen  gelten  ihm  der  apollinische  Glaubenskreis  und  die 
Mysterienlehre.  Zum  Beweise  dessen  werden  ohne  jede  kritische 
Prüfung  und  Unterscheidung  Zeugnisse  griechischer  Schriftsteller  von 
den  ältesten  Zeiten  bis  auf  die  Neuplatoniker  herab  beigebracht,  die 
allesamt  nur  die  subjektive  Auffassung  ihrer  Urheber  zum  Ausdruck 
bringen,  aber  nicht  die  geringste  historische  Beweiskraft  haben.  Fast 
in  allen  philosophischen  Systemen  der  Griechen  entdeckt  der  Verf. 
Spuren  orientalischer  Weisheit:  bei  Thaies,  der  bereits  die  Seelen- 
wanderung gelehrt  haben  soll  (!);  bei  Pythagoras,  Empedokles,  Heraklit, 
dessen  Beeinflussung  durch  eranische  Vorstellungen  „von  unbefangenen  (!) 
Forschern  (welchen?)  nicht  mehr  (?)  in  Frage  gestellt  wird"  und  u.  a. 
daraus  folgen  soll,  daß  er  sein  Buch  im  Archiv  der  ephesischen  Artemis 
(war  das  etwa  eine  eranische  Gottheit?)  niederlegte;  ebenso  bei  Demo- 
krit  und  Piaton,  der  sich  wie  Pythagoras  jüdische  (!)  Lehren  angeeignet 
habe,  wenn  es  auch  zweifelhaft  bleibe,  ob  er  das  Alte  Testament  ge- 
kannt habe  (!).  Dabei  werden  Pythagoras  und  seine  Schüler,  Alt- 
pythagoreer  und  Neupythagoreer  kraus  durcheinander  geworfen,  als  ob 
W.  nie  die  lichtvollen  Ausführungen  Zellers  hierüber  gelesen  hätte,  ja 
die  neupythagoreischen  Fälschungen  werden  alles  Ernstes  als  echte 
Schöpfungen  der  auf  ihren  Titeln  genannten  Verfasser  bezeichnet.  Selbst 
Demokrit  hat  nach  W.  nicht  nur  die  Atomenlehre  des  Kanada  benutzt 
(s.  das  zu  No.  48  Bemerkte),  sondern  auch  seiner  Atomistik  zum  Trotz 
sich  dem  Einflüsse  alter  morgenländischer  Theologeme  nicht  verschließen 
können.  Auch  Protagoras  war  nach  dem  Zeugnis  des  Clemens  Alex  (I) 
im  Besitze  zoroastoischer  Geheimlehre,  aus  der  er  freilich  keine  Weis- 
heit geschöpft  hat  (!). 

Peipers'  vortreffliche  Schrift  über  Piatons  Ontologie  führen 
wir  deshalb  hier  an,  weil  sie  an  mehreren  Stellen  beachtenswerte  Bei- 
träge   zur    vorplatonischen    Metaphysik    liefert.     S.    31  ff.    werden    die 


Berichte  über  die  griechisclien  Philosophen  vor  Sokratec.    (Lortzing.)     223 

Merkmale  des  Parmenideischen  ov  scharf  uragrenzt.  S.  133  ff,  wird  in 
der  Stelle  Theaet.  152  Bf.  die  Argumentation  des  Protagoras  von  dem 
auf  die  Thesis  des  Theaetet:  aiVÖTj-i;  £7it5Tr^[jLT)  bezüglichen  Platonischen 
Zusätze  geschieden  und  der  Gedankengang  der  Stelle  erläutert.  S.  244  ff. 
werden  die  ontologischen  Lehren  der  älteren  Philosophen,  soweit  sie 
für  Piaton  in  betracht  kommen,  besprochen  und  besonders  über  He- 
raklit  und  Demokrit  scharfsinnige  Bemerkungen  gemacht.  Der  letztere, 
auf  den  P.  mit  Hirzel  Untersuchungen  zu  Cic.  I  146  ff.  die  Stellen 
Sopb.  246  A  und  E  ff.  und  Theaet.  155  D  f.  bezieht,  hat  nach  ihm 
den  Begriff  der  Substanz  zwar  nicht  ersonnen,  aber  so  weit  vorbereitet, 
daß  ihn  Aristoteles  leicht  finden  konnte.  Er  muß  bereits  die  Substanz, 
zu  der  er  außer  den  Atomen  auch  die  an  ihnen  haftenden  Bewegungen 
rechnete,  von  der  Existenz  unterschieden  haben:  nur  so  erklärt  sich, 
daß  er  dem  \j.t^  cIv  oder  |X7)0£v  ebenso  wie  dem  &v  oder  ösv  die  Existenz 
zusprach.  Dem  Werden,  den  Handlungen  und  überhaupt  allem  nicht 
sinnlich  Wahrnehmbaren  dagegen  hat  er  nach  Piaton  a.  a.  0.  die 
Existenz  abgesprochen.  Gegen  diese  Beweisführung  des  Verfassers  läßt 
sich  indes  manches  einwenden.  Um  dem  Dem.  so  feine  logische  Distink- 
tionen,  die  übrigens  auch  sachlich  anfechtbar  sind  (ist  denn  die  Bewe- 
gung wirklich  etwas  sinnlich  Wahrnehmbares?)  zuzutrauen,  müßten  wir 
noch  andere  bestimmte  Zeugnisse  haben  als  jene  Platonstellen,  deren 
Beziehung  auf  Dem.  überdies  von  anderen  bestritten  wird.  Auffallend 
ist  doch,  daß  Piaton  die  in  Demokrits  S^'stem  so  wichtige  Bewegung 
übergeht,  dagegen  von  -^dztn  und  ^evsseu  redet,  die  in  den  sonstigen 
zahlreichen  Berichten,  vor  allem  des  Aristoteles,  über  seine  Lehre 
nirgends  erwähnt  werden.  —  S.  544  bringt  P.  noch  einen  Nachtrag 
über  die  ssto»  bei  Philolaos. 

Durch  Ha r dys  Arbeit  wird  die  Kenntnis  des  Ursprungs  und 
der  Entwickelung  des  Physisbegriffes  in  der  ältesten  Philosophie 
wenig  gefördert.  Nach  einigen  kurzen  Vorbemerkungen  über  die  in 
den  orphischen  Gedichten  und  bei  Epicharm  herrschenden  Vorstellungen 
von  der  9UJ1;  betrachtet  H.  die  Entfaltung  dieses  Begriffs  zunächst  bei 
den  drei  Milesiern  und  bei  Empedokles,  den  er  wunderlicherweise  unmittel- 
bar an  jene  anschließt.  Diese  Erörterungen  laufen  darauf  hinaus,  daß 
Thaies  den  Namen  961-.;  zuerst  von  der  Welt  der  äußeren  Erscheinungen 
auf  die  Wesensbeschaffenheit  der  Dinge  übertragen  habe;  von  dieser 
Höhe  sinke  der  Begriff  bei  Anaximander  und  mehr  noch  bei  Anaximenes 
zu  einer  nebensächlichen  Bedeutung  herab,  bis  ihm  schließlich  von 
Empedokles  jede  Bedeutung  abgesprochen  werde.  In  Wahrheit  melden 
uns  die  glaubwürdigen  Quellen  über  den  Gebrauch  des  Wortes  bei  den 
drei  ionischen  Physiologen  gar  nichts,  und  es  ist  auch  wenig  wahr- 
scheinlich, daß  jene  frühesten  Denker  schon  einen  so  abstrakten  Begriff 


224     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortring,) 

wie  die  Wesensbeschaflfenbeit  der  Diuge  gebildet  liaben.  Was  Emped. 
betrifft,  so  bat  H.  die  Verse  36  ff.  St.  mißverstanden.  Emped.  hat  hier 
nicht  eine  neue  Bedeutung  von  9U!Ttc  formuliert,  sondern  verwirft  nur 
die  von  der  Mehrzahl  angenommene,  nach  dem  herrschenden  Sprachge- 
brauch als  cpuCTi?  bezeichnete  Entstehung  der  Dinge,  ohne  irgendwie  da- 
mit die  Existenz  wesenhafter  Bestandteile  des  Seins  zu  leugnen;  dadurch 
würde  er  sich  ja  auch  mit  seiner  Elementenlehre  in  Widerspruch  ge- 
setzt haben.  Das  Wort  (pujtc  freilich  findet  sich  bei  ihm  noch  so  wenig 
wie  bei  den  früheren  für  die  Urstoffe  gebraucht.  Was  über  Anaxagoras 
gesagt  wird,  ist  vollends  unklar  und  um  so  überflüssiger,  als  bei  ihm 
in  den  erhaltenen  Bruchstücken  das  Wort  überhaupt  nicht  vorkommt. 
Dasselbe  gilt  für  Diogenes  Ap,,  der  eine  (föan  im  allgemeinen  Sinne 
ebenfalls  nicht  kennt  und  nur  von  einer  eigentümlichen ,  individuellen 
Beschaffenheit  redet,  eine  Bedeutung,  in  der  schon  Emped.  das  Wort 
ein  paarmal  gebraucht.  Ebenso  wertlos  sind  die  Ausführungen  über 
die  Pythagoreer,  die  den  Begriff  der  cptiat;  im  Sinne  des  Alls  oder  des 
Kosmos  ausgeprägt  haben  sollen,  was  völlig  unerweislich  ist.  Am 
schlimmsten  springt  H.  mit  Parmenides  um,  der  96«?  außer  in  der  Be- 
deutung „Entstehung"  V.  66  Mull.  =  8,  10  Diels,  wo  dieser  Ausdruck 
aber  erst  durch  Mullach  willkürlich  in  den  Text  gesetzt  worden  ist, 
nirgends  gebrauchen  soll.  Und  doch  kommt  das  Wort  dreimal  (10,  1.  5 
und  16,  3  D.)  im  Sinne  von  „Wesen"  oder  „Beschaffenheit"  eines 
Dinges  vor,  im  allgemeinen  metaphysischen  Sinne  freilich  nirgends; 
man  müßte  denn  auf  den  angeblichen  Titel  seines  Werkes:  irspi  tpudemc 
Wert  legen,  der,  so  meint  H.,  selbst  bei  ihm,  ,dem  Leugner  des  All 
(so!)  und  der  9611?  (?)"  hinlänglich  motiviert  sei,  weil  auch  er  sich  zum 
Vergänglichen  und  Wahrscheinlichen  herabgelassen  habe.  Auch  die 
nun  folgenden  Erörterungen  über  Heraklit  (die  wichtigen  Frr.  2  und 
10,  wo  uns  9uaic,  wie  es  scheint,  zum  ersten  Male  im  Sinne  der  9u(nc 
Tüiv  ovTojv  begegnet,  werden  mit  Stillschweigen  übergangen,  das  ^{>oc 
dvdpiortü  SatfjLov  ganz  verkehrt  gedeutet),  über  das  Buch  Ttepl  otatTTjc.  wo 
die  9U3i;  dvdpturoo  eine  wichtige  Rolle  spielt,  über  Demokrit  (daß  dieser 
nach  Simplic.  die  Atome  9U3tv  und  nach  Stob.  9ujetc  nannte,  hat  H.  über- 
sehen), endlich  über  die  Sophisten  (bei  Protagoras  werden  die  wichtigen 
Dialoge  Kratylos  und  Theaetet  beiseite  gelassen)  sind  ziemlich  uner- 
giebig und  erschöpfen  das  Thema  durchaus  nicht.  Vgl.  die  Berichte 
von  Zeller,  Deutsche  Littz.  1884,  1452  ff.  und  von  Natorp,  Philo». 
Mon.-H.  XXI  572  ff.  Der  letztere  setzt  eine  schärfere  Scheidung  der 
verschiedenen  Bedeutungen  von  9U5tc  an  die  Stelle  der  mangelhaften 
Hardys,  berücksichtigt  aber  gleichfalls  nicht  genügend  den  Sprachge- 
branch der  einzelnen  Philosophen.  So  ist  es  z.  B.  nicht  richtig,  wenn 
er   bereits  Demokrit  9'ji7Gi  und  vofioj  im  erkenntnistheoretischen  Sinne 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     225 

einander   gegenüberstellen    läßt:    Dem.    bezeichnet  das  erste  Glied  des 
Gegensatzes  mit  Itzt^. 

Im  graden  Gegensatze  zn  Hardys  Arbeit  steht  die  von  Bänmker. 
der,  wie  wobl  allgemein  anerkannt  worden  ist  (vgl.  von  den  zahlreichen 
Rezensionen  besonders  Dum  ml  er,  Berl.  Ph.  Wschr.  1891,  339  S.  and 
370  ff.,  Natorp,  Philos.  Mon.-H.  XXVII,  458  ff..  Siebeck,  Zschr.  f. 
Philos.  XCIX  271  ff,),  an  seine  Aufgabe  mit  großer  Sachkunde  heran- 
getreten ist  nnd  die  tiefere  Erkenntnis  des  verwickelten  Problems  der 
Materie  in  der  griechischen  Philosophie  bedeutend  gefördert  hat.  Für 
die  vorsokratische  Philosophie  (S.  8—109)  erwuchsen  ihm  hierbei  ans 
der  Beschaffenheit  der  Quellen  wie  aus  dem  Mangel  an  begrifflicher 
Klarheit  und  fester  Terminologie  bei  jenen  alten  Denkern  besondere 
Schwierigkeiten.  Gleich  bei  dem  Vater  der  Philosophie  können  wir 
mit  Sicherheit  nur  den  einen  Satz  als  gesichert  annehmen,  daß  alles 
aus  dem  "Wasser  entstanden  sei ;  alle  sonstigen  Mitteilungen,  selbst  des 
Aristoteles,  beruhen  nur  auf  Vermutungen.  Treffend  bezeichnet  B.  jenen 
Satz  als  eine  mißglückte  naturwissenschaftliche  Hypothese  und  sieht  die 
philosophische  Bedeutung  des  Thaies  wesentlich  nur  in  der  metaphysischen 
Erkenntnis,  daß  der  Weltbildung  ein  gemeinschaftlicher  Urstoff  zu  gründe 
liege.  Durch  Anaximander  ist  dann  der  Grundgedanke  von  der  Be- 
lebtheit der  Materie,  den  Thaies  noch  nicht  ausgesprochen  hatte,  wenn 
er  ihn  auch  der  Sache  nach  gehabt  haben  mag,  prinzipiell  ausgestaltet 
worden.  Bei  Beantwortung  der  schwierigen  Frage  nach  der  Beschaffen- 
heit des  Anaximandreischen  aireipov  geht  B.  sehr  vorsichtig  zu  "Werke, 
übertreibt  aber  diese  Vorsicht,  wenn  er  bezweifelt,  ob  Anax.  seinen 
Urstoff  nicht  deutlich  und  ausdrücklich  als  räumlich  unbegrenzt  be- 
zeichnet habe  (s.  Zeller  198).  —  Anaximenes  nähert  sich  mit  seinem 
Luftprinzip  wieder  dem  Thaies,  führt  aber  den  neuen  Gedanken  von 
der  Proportion  zwischen  Mensch  und  "Welt  (Makrokosmos  und  Mikro- 
kosmos) in  die  Philosophie  ein.  —  In  bezug  auf  Diogenes  Ap.  hätte 
es  Verf.  nicht  als  zweifelhaft  hinstellen  sollen,  ob  er  ein  Vorläufer  oder 
ein  Gegner  des  Empedokles  und  Anaxagoras  sei,  der  sich  das  Gute, 
das  er  bei  ihnen  zu  finden  glaubte,  angeeignet  hat,  da  die  zweite  An- 
nahme, wie  Diels  und  Zeller  nachgewiesen  haben,  in  bezug  auf  Emped. 
zweifellos  und  in  bezug  auf  Anaxag.  höchst  wahrscheinlich  ist.  Als 
verunglückt  müssen  wir  den  Versuch  (S.  18,  2)  bezeichnen,  einen  nur 
bei  dem  unglaubwürdigen  Epiphanios  adv.  haer.  (s.  Doxogr.  177)  vor- 
kommenden Atomiker  Diogenes,  angeblich  aus  Kyrene  oder  Smyrna, 
anstatt  des  ApoUoniaten  einzuschmuggeln.  —  Besonders  lichtvoll  und 
beachtenswert  erscheint  uns  die  Besprechung  der  Hauptpunkte  der  Lehre 
Heraklits.  In  dieser  ist  nach  B.  von  weit  größerer  Bedeutung  als  die 
Bestimmung  des  ürstoffes  als  Feuer  die  Flußlehre,  die  man  indes  weder 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.     Bd.  LXXXXVI.  (1898.  L)  15 


226     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

mit  Schuster  verflüchtigen  noch  mit  den  späteren  Herakliteern  über- 
treiben darf.  Her.  selbst  wollte  wahrscheinlich  nur  den  Gredanken  aus- 
sprechen, daß,  wie  die  ganze  Welt,  so  auch  alles  in  ihr,  in  oft  lang- 
samem und  allmählichem,  aber  immer  unaufhaltsamem  Gange  vergehe, 
um  für  anderes  Platz  zu  machen,  das  in  gleicher  Weise  vergehen  wird. 
In  der  Auffassung  der  Lehre  vom  Gegensatz  macht  Zeller  nach  Bäumkers 
Meinung  dem  Standpunkte  Hegels  und  Lassalles  ohne  zwingenden 
Grund  gewisse  Konzessionen  (vgl.  dagegen  Zeller  682,  1).  B.  selbst 
glaubt  in  den  Bruchstücken  Heraklits  eine  Einheit  der  Gegensätze  nur 
in  dem  Sinne  zu  erkennen,  daß  1.  zwei  entgegengesetzte  Dinge  (Vor- 
gänge) sich  zu  gegenseitiger  Ergänzung  und  gemeinschaftlicher  Wirkung 
verbinden,  2.  daß  ein  Ding  (Vorgang)  insofern  entgegengesetzte  Be- 
stimmungen vereint,  als  es  entweder  a)  in  Relation  zu  verschiedenen 
Dingen  oder  b)  in  verschiedeneu  Eutwickelungsstufen  betrachtet  wird. 
So  ist  dem  Her.  aller  Gegensatz  nur  ein  relativer.  —  Bei  den  Pytha- 
goreern  schließt  sich  B.  in  der  Auffassung  der  Zahlen  und  ihrer  Ele- 
mente an  Zeller  au.  Wenn  die  Pythagoreer  ein  Leeres  annahmen,  das 
aus  dem  unendlichen  Hauche  in  die  Welt  eintrete,  die  es  einatme,  und 
zugleich  behaupteten,  dieses  Leere  sei  in  den  Zahlen  und  trenne  ihre 
Natur,  so  sucht  der  Verf.  nicht  wie  andere  diesen  Widerspruch  hinweg- 
zudeuten  (s.  die  Besprechung  S.  41,  3  der  schwierigen  Stelle  Aristot. 
phys.  213  b24),  sondern  sieht  darin  nur  die  Unklarheit  des  altpytha- 
goreischen Standpunktes,  die  erst  von  Philolaos  überwunden  worden 
ist;  diesem  war,  wie  wir  annehmen  dürfen,  das  Unbegrenzte  die  reine 
Ausdehnung  sowohl  im  Sinne  der  Ausdehnbarkeit  ins  Unendliche  wie 
auch  in  dem  der  Teilbarkeit  ins  Unendliche.  Die  Ableitung  der  Linie 
aus  der  einfachsten  Bestimmtheit,  dem  Punkte,  der  Fläche  aus  der 
Linie  und  des  Körpers  aus  der  Fläche  durch  fortgesetzte  Begrenzung 
des  Unbegi'enzten  und  die  daraus  sich  ergebende  Auffassung  alles  Körper- 
lichen als  einer  Summe  von  Einheiten  war  für  die  Erklärung  der  phy- 
sischen Körper  mit  ihren  sinnenfälligen  Eigenschaften  unzureichend  und 
bot  der  Kritik  Zenons  ein  willkommenes  Angriifsfeld  (vgl.  l'annery 
seience  hellene).  —  Aus  der  Darstellung  der  Lehre  des  Parmenides  ist 
folgendes  hervorzuheben.  Der  moderne,  subjektive  Idealismus  ist  dem 
P.  fremd  (er  hat  nicht  etwa  behauptet,  daß  das  Sein  ein  Denken  sei, 
sondern  umgekehrt,  daß  auch  das  Denken  ein  Sein  sei);  seine  Lehre 
ist  vielmehr  ausgeprägter  Noumenalismus  oder  Begriffsrealismus  (V). 
Freilich  hat  er  zunächst  nur  das  Seiende  im  Auge,  wenn  er  jede  Ver- 
änderung, jedes  Entstehen  und  Vergehen  leugnet;  aber  da  er  nirgends 
dem  Inbegriff  des  Seienden  gegenüber  von  verschiedenem  Verhalten  der 
einzelnen  Seienden  redet,  so  dürfte  es  der  inneren  Tendenz  seines  Ge- 
dankens entsprechen,  das  Werden  und  Vergehen,  die  örtliche  und  qua- 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     227 

litative  Veränderung  überhaupt  für  Sinnenschein  zu  erklären.    In  seinen 
grundlegenden  Erörterungen    will  Parra.    nur    das    als    wirklich   gelten 
lassen,    was  sich  aus  dem  Veruunftbegriff  des  Seins  ableiten  läßt,    alle 
sinnentälligen  Eigenschaften  dagegen  zum  bloßen  Schein  herabdrückeu; 
aber    es  gelingt  ihm  nicht,    diesen  Standpunkt  unverrückt  festzuhalten, 
indem    sich    ihm    mit    jenen    begrifflichen  Elementen  in  inniger  Durch- 
dringung   andere    verbinden,    die  das  ov  doch  wieder  als  körperlich  er- 
scheinen  lassen.     In   dieser  Darstellung  wird  meines  Erachtens  das  be- 
griffliche Element    in    der  Lehre    des  Eleaten   zu  sehr  isoliert  und  das 
materielle  als  ein  gewissermaßen  zu  dem  fertigen  abstrakten  Seinsbegriff 
nur  Hinzukommendes    und    so  im  Widerspruch  mit  ihm  Stehendes  auf- 
gefaßt.    In    Wahrheit    war    für    Parra.    wie    für    alle    vorsokratischen 
Denker    das  Stofflich-Räumliche    von    dem  Geistigen    noch  völlig  unge- 
trennt,   und  er  vermochte  sich  das  Seiende  von  vornherein  nur  als  ein 
Volles,  Raumerfüllendes  vorzustellen  (s.  Zeller  564  f.)  —  Bei  Melissos 
findet  B.    in    mancher  Hinsicht    eine  Wiederannäherung  der  eleatischen 
Lehre  au  die  physikalischen  Vorstellungen  der  früheren.    Wenn  er  aber 
hierbei    aus  Er.  5    folgert,    daß  Mel.  die  Unbeweglichkeit  auf  das  All 
in    seiner  Totalität    beschränkt,    dagegen  eine  Bewegung  innerhalb  des 
Vollen  angenommen  habe,  so  hat  er  nicht  beachtet,  daß  dieses  Er.,  wie 
Pabst  (s.  u.)  erwiesen  hat,  nicht  zu  den  echten  gehört.    Bedenklich  er- 
scheint auch  die  Behauptung,  daß  in  Fr.  16  keine  Leugnung  der  Körper- 
lichkeit des  Seienden  vorliege,  da  als  Subjekt  hier  nicht  das  ov,  sondern 
ein  anderer  nicht  mehr  zu  ermittelnder  Gegenstand  (?)  anzusehen  sei.  — 
Li  den  Argumenten  Zenons  stellt  B.  mit  Tanneiy,  ohne  ihn  zu  nennen, 
die  Polemik    gegen    die  Vielheit  in  den  Vordergrund,  geht  aber  nicht» 
wie  der  französische  Gelehrte,    so  weit,    zu  leugnen,    daß  Zenon  über- 
haupt die  Realität  der  Bewegung  bestritten  habe.  —  Von  den  jüngeren 
Naturphilosophen  behauptet  B.,  daß  sie  nicht,  wie  die  meisten  Forscher, 
z.  B.    auch  Windelband,    mit  Zeller    annehmen,    das  Bestreben    gehabt 
hätten,  den  Gegensatz  zwischen  Parmenides  und  Heraklit  zu  überwinden  •- 
den  Begriff   des  Werdens    hätten    sie   nicht  erst  dem  Heraklit  zu  ent- 
nehmen brauchen,  knüpften  auch  thatsächlich  nicht  an  die  eigentümliche 
Auffassung    dieses  Begriffes    bei  Her.,    sondern    an    die  gemeinen  Vor- 
stellungen   der  Hellenen    an;    die  Synthese    zwischen  Parm.    und  Her. 
habe    erst  Piaton    vollzogen.     Aber    es    widerspricht  doch  aller  Wahr- 
scheinlichkeit,   daß    eine    so  bedeutende  Erscheinung  wie  die  Heraklits 
auf   die    ihm    zunächst    folgenden  Philosophengenerationen    ohne  jeden 
Einfluß  geblieben  sein  sollte,  und  wenn  es  auch  richtig  ist,  daß  die  An- 
knüpfungspunkte   an  Parm.    bei    den  .Jüngeren    deutlicher  hervortreten 
als  die  an  Her.,  und  daß  Aristoteles  da,  wo  er  über  den  Ursprung  der 

15^ 


228     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

Atomistik  redet,  nur  deren  Zusammenhang  mit  den  Eleateu,  nicht  aber 
den  mit  Her.  erwähnt,    so  ist  doch  andererseits  unbestreitbar,  daß  die 
Späteren  aus  dem  Begriffe  des  Parmenideischeu  ov  neben  dem  Merkmale 
der  Einheit  vor  allem  das  der  Unbeweglichkeit  wegließen  und  die,  wie 
ihnen  doch  bekannt  sein  mußte,  thatsächlich  zuerst  von  Her.  nachdrück- 
lich betonte  Bewegung  als  ein  selbstverständliches  Postulat  ansahen.  — 
In  Empedokles  sieht  B.  einen  Vorläufer  der  Atomistik,  der  namentlich 
durch    die   mit  seiner  Leuguung  des  Leeren  allerdings  im  Widerspruch 
stehende  Poren-    und  Ausflußtheorie    den  Atomikern  die  Grundlage  für 
ihre    diskontinuierliche,    durch    leere  Zwischenräume  getrennte  Materie 
geboten  habe.     Demgegenüber  ist  auf  Diels'  Abhandlung  über  Leukipp 
und   Demokrit    zu    verweisen,    wonach    sich  Emp.    vielmehr    in    seiner 
eklektischen  Weise  die  Porentheorie  von  Leukipp  angeeignet  hat,    die 
Begründung    der  Atomistik  durch  den  letzteren  also  vor  ihn  zu  setzen 
ist.     Daß  auch  Anaxagoras  den  Leukipp  voraussetzt,  hat  Zeller  S.  1016 
wahrscheinlich  gemacht,    dessen  Begründung  mir  durch  Bäumkers  Ein- 
wendungen nicht  entkräftet  zu  sein  scheint.     Den  voüc  des  Anaxagoras 
faßt  Verf.    mit   vollem  Rechte    im  Gegensatze  zu  Natorp  und  Windel- 
band, die  ihn  zum  feinsten  aller  Stoffe  machen,  als  etwas  seinem  Wesen 
nach  Unstoffliches    auf.     Von  den  Atomikern  bemerkt  er,    sie  seien  zu 
der  Zurückführung  des  Qualitativen  auf  das  Quautitave  nicht  durch  eine 
Analyse    der    objektiven  Naturprozesse    gekommen,    sondern    durch  er- 
kenntnistheoretische und  psj'^chologische  Erwägungen.     In  dem  Abschnitt 
über  die  Sophisten  geht  er  näher  auf  die  im  Theaetet  entwickelte  Sen- 
sationstheorie   (s.    besonders    die   Erörterung    über    die  Bedeutung    des 
Imperfektums  in  zb  Tiäv  xivrisi«  ^v)  und  spricht  sich  dabei  gegen  die  An- 
nahme   einer   völlig  substratlosen  Bewegung  bei  den  Protagoreern  aus. 
Deichmanns  Dissertation,  die  sich  ihrem  Thema  nach  mit  dem 
Bäumkerschen  Werke    nahe  berührt  und  häufig  auch  auf  dieses  Bezug 
nimmt,  ist  eine  fleißige  Arbeit,  die  auch  für  Piaton  und  Aristoteles  zu 
bestimmten  und,  wenn  auch  bestreitbaren,  so  doch  beachtenswerten  Er- 
gebnissen   gelangt.     Nicht    das  Gleiche    gilt    von    dem  Abschnitt  über 
die  Vorsokratiker  (S.  7—34).     D.  bewegt  sich  hier  zu  sehr  in  zweifel- 
haften Vermutungen  und  beachtet  zu  wenig,  daß  jene  dialektisch  noch 
ungeschulten  Philosophen  insgesamt  und  nicht  etwa  bloß  die  Hylozoisten 
noch   kein  selbständiges  Raumproblem  kannten;  ein  solches  tritt  zuerst 
bei  Piaton    auf.     Um  so  zweckloser  erscheint  es,    daß  Verf.  die  Frage 
erörtert,    ob  die  Vorsokratiker  eine  übersinnliche  Realität  des  Eanmes 
angenommen    und    welche  Eigenschaften    sie    ihm  beigelegt  haben.     In 
der  That  ist  denn  auch  der  Ertrag  seiner  Untersuchung  dieses  Punktes 
gleich  Null;  denn  die  Entdeckung,  daßZenon  die  „transcendente  RealitXt" 
des  Raumes    bekämpft   habe,    ist    doch   wohl   kaum    ernst  zu  nehmen. 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vorSokrates.    (Lortzing.)     229 

Einzelne  Bemerkungen  sind  nicht  ohne  Wert;  so,  was  im  Anschluß  an 
Berger  und  Diels  über  die  Bedeutung  der  Worte  xa  xaxü)  8'  k  oTretpov 
xavet  bei  Xenophanes  Fr.  12  gesagt  wird.  Den  Widerspruch  in  der 
pythagoreischen  Auffassung  von  aTretpov  und  xevov  will  D.  mit  Bäumker 
,s.  zu  No.  67)  durch  die  Annahme  erklären,  daß  die  Pythagoreer  das 
ünbegi-enzte  nicht  bloß  als  unendlich  ausgedehnt,  sondern  auch  als  un- 
endlich teilbar  faßten  und  es  in  diesem  letzteren  Sinne  als  ein  (lexa^ti 
die  einzelnen  Teile  des  Begrenzten  voneinander  trennen  ließen  und  be- 
merkt dazu  nicht  unzutreffend,  daß  eine  solche  Auffassung  durch  die 
Ableitung  des  i'-eipov  vom  Graden,  das  xaxa  xtjv  of/oxoixt'av  unbegrenzt 
sei,  gestützt  werde.  Ob  die  Schwierigkeiten  der  Stelle  Äristot.  213  b24 
damit  freilich  beseitigt  sind,  ist  fraglich.  Wenn  aber  D.  auch  den 
Atoniikern  einen  ins  Unendliche  teilbaren  Raum  zuschreibt,  weil  sie  die 
Atome  zwar  wegen  ihrer  Stetigkeit  unteilbar  nannten,  ihnen  aber  doch 
eine,  wenn  auch  mit  den  Sinnen  nicht  wahrnehmbare  Gfröße  zuschrieben, 
so  widerspricht  eine  reale  Teilbarkeit  ins  Unendliche  (denn  um  eine 
solche,  nicht  um  eine  mathematische  handelt  es  sich  hier)  offenbar  der 
Unteilbarkeit  der  Atome.  Die  Zahl  der  Atome  ist  dem  Demokrit  nicht, 
wie  D.  zu  glauben  scheint,  deshalb  unendlich,  weil  die  Atome  selbst  un- 
endlich klein  sind,  sondern  weil  sie  den  unendlichen  Raum  erfüllen.  Vgl. 
die  Berichte  von  Döring,  Litt.  C.-Bl.  1894,  267  f.  und  von  Dümmler, 
Berl.  Ph.  Wschr.  1894,  746  ff. 

Natorps  wertvolle  „Forschungen",  über  die  ich  Berl.  Ph.  Wschr. 
1884,  1518  ff.  berichtet  habe  (vgl.  H.  Siebeck,  Philol.  Anz.  XIV  548  ff".) 
enthalten  unter  ihi'en  sechs  Abhandlungen  zwei  in  unser  Gebiet  fallende, 
von  denen  die  eine  (S.  9 — 62)  die  Ansicht  von  Grote,  Laas  und  Halb- 
fass,  Piaton  habe  im  Theaetet  den  Satz  des  Protagoras  entstellt  und 
fast  in  sein  Gegenteil  verkehrt,  siegreich  bestreitet  und  die  wahre 
Meinung  Piatons  in  überzeugender  Weise  klarlegt.  In  der  anderen 
Abhandlung  (S.  164 — 208)  sucht  N.  die  Erkenntnistheorie  Demokrits 
von  scheinbaren  Widersprüchen  zu  befreien.  Die  lehrreiche,  im  einzelnen 
viel  Treff"endes  enthaltende  Beweisführung  schießt  doch  in  ihrem  End- 
ergebnis über  das  Ziel  hinaus  und  legt  dem  Dem.  fremde  Gedanken 
unter.  In  einer  dritten  Abhandlung:  „Die  Erfahrungslehre  der  Skep- 
tiker und  ihr  Ursprung"  beschäftigt  sich  N.  S.  149  ff.  wiederum  mit 
Protagoras.  Er  zieht  aus  verschiedenen  Stellen  des  Theaetet,  des  Pro- 
tagoras und  der  Republik  Piatons  den  Schluß,  daß  der  wahrscheinliche 
Urheber  der  Lehre  von  der  empirischen  crri|jLeiti> jt? ,  d.  i.  Zukunftsbe- 
rechnung, die  Piaton  bekämpft  habe,  Prot.  sei.  Auf  die  Einzelheiten 
dieser  Untersuchungen  können  wii*  erst  später  eingehen. 

Die  Arbeit  von  Evangelides  bespricht,  größtenteils  im  engen 
Anschluß  an  Zeller,   die  Entwickelung  der  Erkenntnislehre  in  der  vor- 


230     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokratcs.   (Lortzing.) 

sokratischeu  Philosophie.   Wo  der  Verf.  von  Zeller  abweicht,  sind  seine 
Behauptungeu  meist  unzutreffend  und  willkürlich. 

Cescas  Buch  bezeichnet  Natorp  Philos.  Mon.-H.  XXV  (1889), 
488  ff.  als  wenig  wertvoll;  die  vorsokratische  Periode  sei  darin  un- 
genügend behandelt. 

Von    dem    für  die  Kenntnis    der    stoischen  Psychologie    und  Er- 
kenntnistheorie    als    bedeutungsvoll    anerkannten    Werke    Steins    be- 
schäftigt sich  der  dem  zweiten  Bande  vorausgehende  Umriß  auf  S.  1  — 
52  mit  der  vorsokratischen  Erkenntnislehre.     Was   Verf.    über  Parme- 
nides,    Heraklit  und  Empedokles  beibringt,    ist    im  ganzen  zu  billigen. 
Treffend  wird  der  Grundgedanke  Schusters,  daß  Her.  ein  Sensualist  sei, 
zurückgewiesen  und  der  Rückschritt  in  der  Erkeuntnisfrage  bei  Emped. 
hervorgehoben.     Weniger  können  wir  uns  mit  den  Ausführungen  über 
Demokrit  und  die  Sophisten  einverstanden  erklären.     Schon  das  ist  falsch, 
daß  die  eigentliche  Erkenntnistheorie  nicht  mit  Dem.,  sondern  erst  nach 
diesem  mit  Protagoras  beginnen  soll.    Dies  ist  schon  deshalb  einfach  un- 
möglich, weil  Dem.  die  Lehre  des  Prot,  bekämpft  hat.  Zugeben  kann  man, 
daß  Dem.  die  Erkenntnislehre  noch  nicht  systematisch  behandelt  hat, 
und  daß  seine  hohe  Schätzung  des    menschlichen  Geistes    im  Vergleich 
zu  dem  Körper  mehr  im  ethischen  als  im  metaphysischen  und  erkenntnis- 
theoretischen Sinne  zu  verstehen    ist.     Indes    von    einer  systematischen 
Behandlung  kann  auch   bei  Prot,    keine  Rede    sein.     Vollends    verfehlt 
ist   die  Art,    wie  St.  sich  die  eiocoXa  Demokrits    und  ihre  Wirksamkeit 
vorstellt.     Diese  sind  keineswegs,    wie    er  glaubt,    von    den  Ausflüssen 
verschieden,  sondern  mit  ihnen  identisch;  ein  Zusammenprallen  der  Aus- 
flüsse, die  ja  keine  Atome,    sondern  nur  feine  Abdrücke    von  Atomen- 
komplexen sind,  ist  undenkbar;  die  geringere  Deutlichkeit  der  Gesichts- 
eindrücke   bei    größerer    Entfernung    wird    nicht    durch  die    geringere 
Energie    des  Zusammenstoßes,    sondern    durch    das    Medium    der  Luft 
bewirkt,    in   der  sich  die  sioioXa  abdrücken  (s.  Zeller  913  f.).      Wenn 
St.  dann   den  Unterschied  der    -^vr^cjirj    und    a/.oTtVj  YvwfjLr)  bei  Dem.  nur 
in  ihrem  Deutlichkeitsgrade,  nicht  in  ihrem  Ursprünge  begründet  glaubt, 
und  trotz  der  von  Sextus  Emp.  überlieferten  authentischen  Aussprüche 
des  Abderiten  unter  Berufung  auf  gewisse  Äußerungen  des  Aristoteles, 
in  denen  dieser  von  seinem  Standpunkte  aus  Konsequenzen  aus  Demokrits 
Lehre  zieht,  eine  scharfe  Entgegensetzung  beider  Erkenntnisarten  nicht 
zugeben  will,  so  können  wir  hierin  nur  einen  entschiedenen  Rückschritt 
gegen  Natorps  feinsinnige  Untersuchung    erkennen.     Wie    oberflächlich 
St.  diese  ganze  Frage  behandelt,  geht  schon  daraus  hervor,  daß  er  den 
fundamentalen  Unterschied  der  primären  und  sekundären  Eigenschaften 
bei  Dem.    und    die    damit    zusammenhängende  Frage    der  Subjektivität 
der  Sinneswahrnehmungen  kaum  berührt.  —  Von  Protag.  wird  behauptet. 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.)     231 

bei  ihm  trete  znm  ersten  Male  die  bei  Dem.  nur  keimarti^  angedeutete 
Unterscheidung  des  Dinges  an  sich  und  seiner  Erscheinung,  der  sub- 
jektiven und  objektiven  Beschaffenheit  in  voller  Klarheit  auf.  Nach 
dem  eben  Gesagten  wird  hier  das  Verhältnis  zwischen  beiden  Philo- 
sophen geradezu  umgekehrt.  Protag.  redet,  wie  Dilthey  (s.  zu  No.  46) 
dargelegt  hat,  überhaupt  nur  von  den  Qualitäten  der  Dinge,  nicht  von 
ihrer  Substanz,  und  er  hat  so  wenig  Sein  und  Schein  voneinander  ge- 
trennt, daß  man  vielmehr  sagen  kann:  er  hat  den  Schein  mit  dem  Sein 
verwechselt.  Ebensowenig  ist  eine  solche  Unterscheidung  bei  Gorgias 
zu  finden,  der  nach  St.  nicht  bloß  das  Sein  der  Erscheinung,  sondern 
auch  die  Existenz  des  Diuges  an  sich  geleugnet  haben  soll.  Es  wird 
doch  wohl  bei  Zellers  Auffassung  (S.  1104.  1)  sein  Bewenden  haben, 
daß  der  Gegensatz  von  Erscheinung  und  Ansichsein  uns  erst  bei  Piaton 
und  vor  ihm  nur  in  gewissem  Sinne  bei  Demokrit  entgegentritt.  In 
der  Auffassung  des  Protagoreischeu  Hauptsatzes  erklärt  sich  Verf.  mit 
Recht  für  Natorp  gegen  Halbfaß.  Nur  hätte  er  letzterem  nicht  zu- 
gestehen sollen,  daß  Protag.  außer  an  Heraklit  auch  an  Anaxagoras 
angeknüpft  habe;  die  dafür  angeführten  Argumente  sind  bündig  von 
Natorp  S.  51  widerlegt  worden.  —  Im  ersten  Bande  finden  sich  ge- 
legentlich beachtenswerte  Bemerkungen  über  Heraklits  Philosophie,  wie 
S.  21  f.  Anm.  27  über  die  Bedeutung  des  mit  Bezug  auf  die  ^'U'/^  ^^^ 
Heraklit  von  Aristot.  d.  an.  405  a  27  gebrauchten  Ausdrucks  aswfxaxcu- 
-axov,  S.  72  Anm.  108  über  den  Uuterscliied  von  TtpTjs-n^p  und  oi^>^(r^  und 
S.  72  mit  Anm.   109  über  die  zaXivrpoTro;  apfi-ovir). 

Siebeck  leitet  seine  Arbeit  ein  mit  einer  Betrachtung  über  die 
anfängliche  Auffassung  der  Menschen  von  dem  Verhältnis  zwischen 
Leib  und  Seele,  bespricht  kurz  die  verschiedenen  indischen  Sj^steme 
und  etwas  genauer  die  ältesten  giiechischen  Vorstellungen  über  die 
Seele  (Homer,  Orphiker,  Pherekydes)  und  geht  dann  zu  einer  ein- 
gehenden Darstellung  der  vorsophistischen  Psychologie  über.  Die  Ein- 
teilung dieses  Abschnittes  in:  „1.  Die  prinzipielle  Auffassung  des  "Wesens 
der  Seele  bei  den  Philosophen;  2.  Die  Anfänge  der  medizinischen 
Psychologie;  3.  Die  Lehre  vom  Erkennen:  A)  Sinnesphysiologie,  B)  das 
Wesen  der  Erkenntnis;  4.  Vereinzelte  Beobachtungen  empirisch-psycho- 
logischer Vorgänge.  Behandlung  der  psychophysischen  Fragen"  leidet 
an  dem  Mangel  eines  festen  Einteilungsprinzipes  und  ist  in  Anbetracht 
der  doch  im  ganzen  recht  dürftigen  Überlieferung  viel  zu  speziell,  so 
daß  mannigfache  Wiederholungen  fast  unvermeidlich  geworden  sind.  Auch 
die  Ordnung,  in  der  die  einzelnen  Philosophen  vorgeführt  werden,  muß 
Bedenken  erregen.  Im  1.  Kap.  schließt  sich  an  die  drei  Milesier  sofort 
Heraklit  an,  den  S.  gleich  jenen  als  Monisten  bezeichnet.    Darauf  folgt  als 


232     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

Übergang  zwischen  dem  monistischen  und  dualistischen  Gredauken  Em- 
pedokles  (?),  dann  die  Eleaten,  Pythagoras,  Anaxagoras  und  Diogenes, 
während  Demokrit  überhaupt  erst  im  3.  Kap.  auftritt,  als  ob  die  Vor- 
hergehenden etwa  das  Wesen  der  Seele  selbständiger  erfaßt  und  genauer 
bestimmt  hätten  als  er.  Diese  die  geschichtlichen  Zusammenhänge 
zerreißende  Reihenfolge  hat  dazu  geführt,  daß  S.  an  einigen  Stellen 
den  falschen  Schein  erregt,  als  ob  er  nicht  wisse,  daß  Empedokles  und 
Demokrit  später  als  die  Pythagorer  und  Parmenides  aufgetreten  sind. 
Nicht  loben  können  wir  es  endlich,  daß  Verf.  das  Psychologische  nicht 
schärfer  von  dem  Erkeuntnistheoretischen  und  Physiologischen  gesondert 
hat.  Aber  trotz  dieser  Mängel  ist  die  Ai'beit  doch  als  eine  verdienst- 
liche zu  bezeichnen,  wenn  wir  sie  auch  der  von  Bäumker  (No.  67)  an 
Bedeutung  nicht  gleichsetzen  möchten.  In  Heraklits  Lehre  wird  der 
Parallelismus  des  Universums  mit  dem  menschlichen  Organismus  schön 
dargelegt,  während  die  schwierige  Frage,  ob  der  Ephesier  die  Unsterb- 
lichkeit der  Seele  gelehrt  hat,  in  etwas  unklarer  Weise  beantwortet 
wird.  Bei  Empedokles  sucht  S.  den  Widerspruch  zwischen  seiner 
wissenschaftlichen  und  religiösen  Auffassung  des  Seelischen  durch  Ver- 
mutungen zu  beseitigen,  die  schwerlich  das  Richtige  treffen.  Was  von 
den  Eleaten  gesagt  wird,  ist  zu  kurz  und  nicht  einmal  durchweg  zu- 
treffend. Vergeblich  bemüht  sich  Verf.,  die  angeblich  altpythagoreische 
Ansicht,  die  Seele  sei  eine  sich  selbst  bewegende  Zahl,  gegen  Zeller  als 
echt  zu  erweisen.  Im  3.  Kap.  wird  Demokrits  Erklärung  der  Sinnes- 
Wahrnehmungen  sowie  seine  Unterscheidung  zweier  Arten  der  Erkenntnis 
sachgemäßer  erörtert  als  bei  Stein.  Daß  S.  den  Abderiten  zu  sensua- 
listisch  auffaßt,  kann  uns  bei  ihm  weniger  in  Verwunderung  setzen  als 
bei  Stein,  da  damals  die  Natorpschen  „Forschungen"  noch  nicht  er- 
schienen waren.  Im  1.  Kap.  des  2.  Abschnitts  werden  die  Sophistik 
und  Sokratik  behandelt.  Den  Satz  des  Prot,  faßt  S.  wie  später  Natorp 
im  individualistischen  Sinne  auf  und  erörtert  hierbei  schwierige  Stelleu, 
wie  Theaet.  156  D  und  157  B  genauer.  Vgl.  die  Besprechungen  von 
H.  V.  Kleist  Phil.  Anz.  1881,  543  ff.  und  von  P.  Natorp  Philos. 
Mon.-H.  1885,  384  ff.,  der  meines  Erachtens  die  Vorzüge  des  Buches 
zu  wenig  anerkennt. 

Völlig  wertlos  ist  die  Darstellung  der  Vorsokratiker  im  ersten 
Bande  des  Werkes  von  Chaignet,  die,  jeder  wissenschaftlichen  Quellen- 
kritik bar,  von  den  Lehren  der  Philosophen  ein  unzulängliches,  vielfach 
verzeichnetes  Bild  giebt  und  die  unglaublichsten  Irrtümer  enthält. 

Rohde  hat  in  seinem  berühmten  Buche  auch  die  psychologischen 
Lehren  der  Vorsokratiker  näher  besprochen  und  durch  treffliche  Be- 
merkungen unsere  Kenntnis  dieser  Lehren  bereichert  und  berichtigt. 
Da  uns  indes  die  neueste  Auflage,  die  der  Verf.  noch  selbst  kurz  vor 


ßerichle  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     233 

Beinern  füi*  die  Wissenschaft  zu  frühen  Tode  vollendet  hat,  und  die  nach 
einer  Besprechung  in  der  B.  Ph.  Wschr.  auch  in  diesem  Punkte  wich- 
tige Abänderungen  enthält,  bisher  noch  nicht  zugegangen  ist,  so  ver- 
schieben wir  die  Besprechung  des  Buches  auf  den  nächsten  Bericht. 
Für  die  erste  Auflage  sei  vorläufig  auf  E.  Wellmann  Arch.  f.  G.  d. 
Philos.  VIII  (1895),  290  ff.  und  H.  Weil  Journ.  d.  Savants  1895, 
303  ff.  und  552  ff.  verwiesen. 

Volger    bespricht    die    psychologischen    Ansichten    der    älteren 
Philosophen  sehr  kurz  (S.  2 — 7)  und  ohne  etwas  Neues  zu  bringen. 

Von  den  Autoren,  die  die  Ethik  der  Griechen  beschrieben  haben, 
beschränkt  sich  L.  Schmidt,  über  dessen  Buch  E.  Ziegler  Ph. 
Rundsch.  1882,  1153  ff.  genau  berichtet  hat,  nicht  auf  die  philosophischen 
Ansichten  über  das  Sittliche,  sondern  zieht  die  gesamte  Litteratur,  ins- 
besondere die  Tragiker  und  Geschichtschreiber,  in  den  Kreis  seiner 
Betrachtung.  Das  Werk  zerfällt  in  zwei  Hauptteile,  von  denen  der 
erste  die  allgemeinen  ethischen  Begriffe,  der  zweite  die  einzelnen  Pflichten- 
kreise behandelt.  Über  die  vorsokratischen  Philosophen  findet  sich  eine 
Anzahl  zerstreuter  Bemerkungen,  die  von  gründlicher  Kenntnis  der 
Quellen  zeugen  und  größtenteils  Beachtung  verdienen.  Über  die  mono- 
theistische Tendenz  der  griechischen  Philosophie  spricht  Verf.  S.  134  ff. 
Wenn  er,  wie  es  sich  vor  den  Untersuchungen  Freudenthals  nicht 
anders  erwarten  ließ,  an  der  rezipierten  Auffassung  festhält,  daß  Xeno- 
phanes  zu  den  Monotheisten  gehöre,  so  kommt  er  der  Ansicht  Freuden- 
thals doch  darin  nahe,  daß  er  Xenophanes  die  Waffen  seiner  Polemik 
in  erster  Linie  gegen  die  anthropomorphistische,  nicht  gegen  die  poly- 
theistische Vorstellung  von  den  Göttern  richten  läßt.  Die  Bedeutung 
der  Demokritischen  Ethik  weiß  Verf.  voll  zu  würdigen  (s.  z.  B.  I  163 
und  II  136  f.J.  Auffällig  ist,  daß  er  bei  den  Erörterungen  über  den 
Ursprung  des  Bösen  und  die  Natur  der  Sünde  I  275  ff'.  Aussprüche 
üemokrits,  die  teilweise  an  Sokrates  und  Piaton  erinnere,  nicht  erwähnt. 
Auch  einzelnes  Heraklitische  war  hier  zu  berücksichtigen.  Über  den 
Begriff  der  iXiti;  bei  den  Griechen  wird  IX  69  ff.  bemerkt,  daß  häufiger 
das  Verderbliche  und  Trügerische  der  Hoffnung  als  das  Beseligende  be- 
tont wird  (beide  Bedeutungen  erkennt  Verf.  bei  Demoki'it  fr.  102  N. 
vgl.  fr.  103).  Wenn  S.  hinzufügt,  daß  die  Bedeutung  einer  zweifellos 
berechtigten  Zuversicht  bei  Pindar  vereinzelt  vorkomme  und  im  übrigen 
erst  der  Zeit  nach  den  Perserkriegen  angehöre,  so  hat  er  übersehen, 
daß  Heraklit  fr.  71  eXTcrjat  in  dem  bezeichneten  Sinne  gebraucht  wird; 
vgl.  auch  fr.  122:  ojaa  oux  eXüovtai.  Die  Vermutung  I  379,  11,  zu 
Demokrit  fr.  30  (über  -cu/y)  und  cppovridtj)  stehe  Herodot  VII  10  8  in 
einem  vielleicht  beabsichtigten  Gegensatze,  beruht  auf  der  wenig  wahr- 
scheinlichen Voraussetzung,    daß  Demokrit    seine  ethischen  Aussprüche 


234     Berichte  über  die  sriechiechen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

schon    vor    der    Beendigung    des  Herodofischen   Geschichtswerkes    ver- 
öffentlicht habe. 

Von    den    drei  Werken    über    die  griechische  Ethik  No.  79—81 
möchten  vfir  dem  von  Köstlin  (s.  meine  Besprechung  Berl.  Ph.  Wschr. 
1889,  276  ff.),  was  Objektivität,  Giüudlichkeit  und  Klarheit  in  der  Auf- 
fassung   und    Darstelhing    des    Stoffes  betrifft,    den    Preis    zuerkennen. 
Ziegler  hat  seinem  Gegenstande  gleichfalls  ein  eingehendes  und  gründ- 
liches Studium    zugewandt    und  von  der  Entwickelung  der  Sittenlehre 
eine  lebensvolle  und  in  vielen  Punkten  zutreffende  Darstellung  gegeben, 
geht  aber  in  der  Beurteilung  und  Wertschätzung  der  einzelnen  Systeme 
weit  häufiger  als  Köstlin  von  subjektiven,  vorgefaßten  Meinungen  aus. 
Luthardt  endlich,    der  eine  gedrängte,  im  ganzen  sachlich  gehaltene, 
aber  etwas  nüchterne  und  zu  wenig  in  die  Tiefe  gehende  Übersicht  der 
wichtigsten  Systeme  bietet,    legt    von  vornherein  in  seiner  Beurteilung 
an  die  gesamte    heidnische  Ethik    den  einseitigen  Maßstab    des  christ- 
lichen Sittlichkeitsideals    (vgl.    meinen  Bericht  Berl.  Ph.  Wschr.  1888, 
1600  ff.).     Für  die  vorsokratische  Ethik  kommt  Luthardt  kaum  in  be- 
tracht,    da  er  sie  auf  5  Seiten  abmacht,    wobei    die  Sophisten,    die  er 
vorher    nur    wegen    ihrer  Einwirkung    auf   die    griechische  Volksmoral 
berührt  hat,  vermißt  werden.     Die  Behandlung  der  älteren  Lehren  bei 
Ziegler  (S.  21—52)    und    die    bei    Köstlin   (S.   159—248)    haben    trotz 
mannigfacher  Verschiedenheit  doch    soviel  Gemeinsames,    daß    wir    am 
besten  thun,    sie    zusammen  zu  besprechen.     Hierbei    soll    zugleich  be- 
rücksichtigt   werden    die    Beurteilung    des    Köstlinschen    Werkes,    die 
Ziegler  in  den  Philos.  Mon.-H.  1888,  440-461  unter  der  Überschrift: 
„Zur  Geschichte  der  griechischen  Ethik"  veröffentlicht   und    in  der  er 
sich  über    einige  streitige  Punkte  mit  K.    auseinandergesetzt    hat.     In 
dieser  Besprechung  freut  sich  Z.  der  Übereinstimmung    mit  K.  in    der 
von  Zeller  abweichenden  Auffassung    (vgl.  auch  Zieglers  Programm- 
abhandlung :  „Die  Anfänge  einer  wissenschaftlichen  Ethik  bei  den  Griechen, 
Tübingen  1879,  31  S.  4),  daß  sich  schon  bei  den  Pythagoreern,  bei  Heraklit 
und  Demokrit  die  Anfänge  einer  wissenschaftlichen  Ethik  finden.   In 
der  That  stehen  hierin  beide  auf  einem  wesentlich  gleichen  Standpunkt, 
der  indessen  als  irrig  bezeichnet    weiden    muß    und  uns  bei  K.  um  so 
mehr  befremdet,  als  er  in  seiner  Oberflächlichkeit  von  der  sachgemäßen 
und  fast  durchweg  zutreffenden  Beurteilung  der  Sophisten,  des  Sokrates 
und  Piaton  auffallend  absticht.   Bei  den  genannten  Vorsokratikern  treten 
uns  allerdings  eine  Anzahl  ethischer  Vorschriften  entgegen,  deren  Zu- 
sammenhang untereinander    und  mit  den  Grundlehren    eines  jeden  sich 
mehr  oder  minder  deutlich  erkennen    und   erweisen    lassen    mag;    aber 
keiner  von  ihnen  hat  es  unternommen,    diese  Vorschriften  systematisch 
zu  ordnen  oder  gar  aus  allgemeinen  Grundsätzen  abzuleiten  und  wissen- 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.)     235 

schaftlich  zu  begründen.     Am  wenigsten  kann   von  einem  wissenschaft- 
lichen Charakter  der  Ethik  bei  den  älteren  Pythagoreern  die  Rede  sein. 
Das  Ethische ,    was  uns  von  ihnen  glaubhaft  überliefert    wird,    hat  ein 
rein  populäres  oder  religiöses,  kein  eigentlich  philosophisches  Gepräge. 
Wenn  Z.  in  den  auch  auf  ethische  Begriffe  sich  erstreckenden  Zahlen- 
speknlationen  der  Pythagoreer  und  namentlich  in  der  Definition  der  Ge- 
rechtigkeit als  Quadratzahl  eine  ganz  klare  Vorstellung  vom  Wesen  des 
Sittlichen  oder  gar  in  der  Tafel  der  Gegensätze  eine  vorwiegend  ethische 
Tendenz  ei blickt,    so    ist    dagegen  zu  bemerken,    dal.)    durch    die  Auf- 
spürung solcher  einzelnen  ethischen  Beziehungen,    selbst    wo  sie  durch 
die  Überlieferung  verbürgt  erscheinen  (in  der  Tafel  der  Gegensätze  hat 
in  Wahrheit  nur  ein  Paar  eine  ethische  Bedeutung),  höchstens  gewisse 
ethische  Ansätze,  nimmermehr  aber  ein  ethisches  Sj'stem  erweisen  läßt. 
K.  hält  sich  von  dem  gefährlichen  Beginnen,  die  Sittenlehre  der  Pytha- 
goreer aus  ihrer  Metaphysik  abzuleiten,    fern    und  begnügt  sich  damit, 
die  überlieferten  Aussprüche    sittlicher  Art    (ob   und    inwieweit    solche 
altpythagoreisch  sind,  wird  nicht  erörtert)  zusammenzustellen,  um  dann 
freilich  hinzuzufügen,  die  pythagoreische  Ethik  sei  „eine  eigentümliche 
und  wirklich  ans  philosophischen  Spekulationen  hervorgegangene  Lehre 
von  den  Pflichten  des  Menschen".    Aber  alles  von  K.  Angeführte  geht 
über  den  Kreis  populärer  und  theologischer  Reflexion,  wie  wir  sie  auch 
bei  den  sieben  Weisen  und  in  der  orphischen  Überlieferung  finden,  nicht 
hinaus.     Mit  Recht  hat  K.    das    ,, goldene  Gedicht''    ganz    beiseite  ge- 
lassen, da  es  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  späteren  Ursprungs  ist,  und 
Z.  hätte  ihm  daraus  keinen  Vorwurf   machen    sollen.     Wenn   er   selbst 
S.  256  Aum.  51  die  Einwendungen    gegen    die    ältere  Entstehung   des 
Gedichts  dui-ch  die  Änderung  airoXsi^ias  in  dT:afiei(];ac  (?  !)  beseitigen  zu 
können  glaubt,  so  scheint  er  die  betreffenden  Untersuchungen  von  Cobet 
und  Nauck  nicht  gelesen  zu  haben.     Aber  angenommen,   die  ypu^ä  stct) 
wären  altpythagoreisch.,  so  würde  gerade  ihr  trivialer  Inhalt  den  besten 
Beweis  für  die    unwissenschaftliche  Behandlung    des  Ethischen   bei  den 
älteren  Pythagoreern  liefern.  —  Während  so  bei  den  Pythagoreern  nicht 
einmal  ein  innerer  Zusammenhang  ihrer  moralisierenden  Reflexionen  mit 
ihrem  philosophischen  Lehrgebäude  zu  erweisen  ist,  tritt  ein  solcher  bei 
Heraklit  deutlich  hervor.     Es  ist  nichts  dagegen    einzuwenden,    daß  Z. 
mit  Lassalle  den  sittlichen  Grundgedanken  Heraklits    als   ,, Hingabe  an 
das  Allgemeine"  bezeichnet;  aber  der  Begriff  des  Allgemeinen,  mag  er 
es  nun  ^uv6v,  Xo-ios;  oder  ösio?  vo(j.o;  nennen,  ist  bei  ihm  kein  spezifisch 
ethischer:    Physisches  und  Ethisches  liegen  darin  noch  ungetrennt  und 
ungeschieden.     Wir  haben  hier  nur    den    fruchtbaren  Keim    einer  sitt- 
lichen Weltanschauung,    den    zu    entfalten  späteren  Zeiten  vorbehalten 
blieb.     Wir  können  ja  mit  K.  (S.  186)  aus  seinen  Aussprüchen  solche 


236     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

Lehren  herauslesen  wie:  „Denke  und  handle  objektiv,  natnrgemäß, 
wahr"  und:  „sei  groß,  sei  idealisch  gesinnt  und  bereit,  diesem  Höheren 
alles,  auch  das  irdische  Ich  aufzuopfern";  wir  mögen  auch  mit  dem- 
selben (S.  188)  „etwas  im  besten  Sinne  Faustisches"  in  Heraklits  Be- 
tonung des  den  Menschen  innewohnenden  Strebens  nach  Abwechselung 
und  Thätigkeit  sehen;  aber  eine  wissenschaftliche  Formulierung  und 
systematische  Gestaltung  solcher  Gedanken  sucht  man  bei  dem  alten 
Denker  vergebens.  —  Auch  bei  Demokrit  sind  die  Fäden,  die  seine 
ethischen  Anschauungen  mit  seinen  metaphysischen  und  physikalischen  ver- 
binden, deutlich  sichtbar,  und  ich  mache  mich  anheischig,  den  Zusammen- 
hang zwischen  ihnen  noch  klarer  und  schärfer  nachzuweisen,  als  dies 
Z.  und  K.  thun;  aber  er  selbst  hat,  soweit  wir  aus  seinen  Fragmenten 
schließen  können,  seine  ethischen  Gedanken  mehr  aphoristisch  aneinander 
gereiht  als  innerlich  miteinander  verbunden  oder  gar  aus  seinen  Prinzipien 
abgeleitet.  In  betreff  der  Echtheit  der  ethischen  Fragmente  Deraokrits 
stellt  sich  übrigens  Z.  im  Gegensalz  zu  Rhodes  Skepsis  (darüber  später) 
ganz  auf  den  von  mir  in  der  Abhandlung  über  die  eth.  Fr.  Demokrits 
eingenommeneu  Standpunkt,  während  K.  S.  197,  1  zwischen  den  ver- 
schiedenen Quellen  unserer  Überlieferung  eine  meines  Erachtens  unzu- 
lässige Unterscheidung  machen  will  und  die  aus  Pseudodemokrates 
stammenden  Bruchstücke  ohne  hinreichenden  Grund  beiseite  läßt  (s.  meine 
Rezension  a.  a.  O.  279).  Nicht  übel  definiert  K.  Demokrits  Ethik  als 
„individualistischen  Eudämonismus"  und  hebt  bei  aller  Anerkennung 
der  hohen  Bedeutung  seiner  Sittenlehre  doch  die  Beschränktheit  und 
Mangelhaftigkeit  seines  Standpunktes  gebührend  hervor,  die  Z.  bei 
seiner  kritiklosen  Vorliebe  für  Demoki'it  entgangen  ist.  —  In  der  Dar- 
stellung der  Sophistik  spricht  sich  Z.  scharf  gegen  Grotes  Verherrlichung 
ans,  schießt  aber  nach  der  andern  Seite  über  das  Ziel  hinaus,  wenn  er 
Piatons  Berichte  über  die  Sophisten  vollkommen  zutreffend  nennt  und 
sich  zu  dem  Satze  versteigt:  „Ihr  Prinzip  ist,  wenn  ich  mich  so  aus- 
drücken darf,  Prinziplosigkeit,  ihr  Charakter  Charakterlosigkeit"  (nach 
einer  Bemerkung  in  seiner  Besprechung  des  Köstlinschen  Buches  scheinen 
Z.  allerdings  inzwischen  die  Untersuchungen  von  Laas  u.  a.  zu  einer 
anderen  Auffassung  bekehi't  zu  haben).  Viel  maßvoller  und  gerechter 
ist  auch  hier  die  Auffassung  Köstlins,  der  auch  den  Gegensatz  zwischen 
den  älteren  und  jüngeren  Sophisten  weit  schärfer  betont.  Beide  Dar- 
stellungen leiden  indessen  an  dem  Mangel,  daß  sie  die  Sophistik  zu 
sehr  als  eine  feste  und  einheitliche  Richtung  des  Philosophierens  er- 
scheinen lassen.  Bei  beiden  vermisse  ich  auch  eine  Erörterung  über 
die  (wirklichen  oder  scheinbaren?)  Widersprüche  in  der  Auffassung  des 
Protagoras  vom  Staatlichen,  wie  sie  uns  bei  einer  Vergleichuiig  gewisser 
Stellen  in  Piatons  Theaetet  und  Protagoras  entgegentreten. 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     237 

Heinze  legt  nach  einer  sprachlichen  Erörterung  über  5ai|i.a>v, 
suSaifituv,  oXßto;  und  [iaxap  zunäclist  die  Auffassung  der  Eudämonie  bei 
den  älteren  Dichtern  dar  und  wendet  sich  dann  zu  den  ethischen  Aus- 
sprüchen der  vorsokratischen  Philosophen.  Er  bemerkt  richtig,  daß 
nach  den  vereinzelten  Nachrichten  über  die  sittlichen  Vorstellungen  der 
ältesten  Philosophen  sich  diese  kaum  über  den  Standpunkt  der  gleich- 
zeitigen Dichter  erheben.  Als  der  einzige,  bei  dem  sich  Ansätze  zu 
einer  wissenschaftlichen  Ethik  finden,  wird  Heraklit  bezeichnet  (die 
Pythagoreer  läßt  H.  im  Gegensatze  zu  Ziegler  und  Köstliu  ganz  bei- 
seite). Länger  verweilt  Verf.  bei  Demokrit  und  den  Sophisten,  über 
die  er  im  allgemeinen  zutreifend  urteilt.  Näheres  hierüber,  sowie  über 
die  meines  Erachtens  falsche  Behandlung  der  Lehre  des  Sokrates,  die 
als  reine  Nützlichkeitsphilosophie,  ja  gradezu  als  Hedonismus  betrachtet 
wii-d,  s.  in  meinem  Bericht  B.  Ph.  Wschr.  1884,   1634  ff. 

Über  die  politische  Schriftstellerei  der  Griechen  vor  Aristoteles 
spricht  Schwär cz  im  Anhange  des  angeführten  Werkes  S.  111  — 138. 
Er  ist  überzeugt,  daß  es  vor  Aristoteles  außer  den  von  diesem  mit 
Namen  bezeichneten  noch  eine  große  Zahl  politischer  Schriftsteller  gab, 
deren  Spuren  er  nachgeht.  Hierbei  verfährt  er  aber  so  kritiklos  und 
begründet  seine  oft  sehr  gewagten  Behauptungen  so  mangelhaft,  daß 
•wir  ihnen  nicht  die  geringste  Bedeutung  beimessen  können. 

Von  den  beiden  auf  das  Verhältnis  der  griechischen  Philosophie 
zur  Religion  bezüglichen  Abhandlungen  bietet  die  von  Gilow,  wenn 
sie  auch  zu  keinem  neuen  wissenschaftlichen  Ergebnisse  führt,  eine 
dankensweite,  nach  bestimmten  Gesichtspunkten  geordnete  Zusammen- 
stellung dessen,  was  wir  über  das  Verhältnis  der  Vorsokratiker 
zur  Volksreligion  der  Überlieferung  entnehmen  können.  Im  einzelnen 
greift  Verf.  oft  fehl  oder  stellt  sehr  bestreitbare  Hypothesen  auf,  vor 
denen  ihn  eine  umfassendere  und  kritischere  Benutzung  der  Quellen 
wohl  bewahrt  haben  würde.  Namentlich  hätte  er  nicht  die  Versuche 
einer  wissenschaftlichen  Naturerklärung,  wie  sie  sich  bei  fast  allen 
Vorsokratikern  finden,  als  eine  Art  von  Irreligiosität  ansehen  sollen: 
dies  waren  sie  nach  der  naiven  griechischen  Anschauung  in  der  älteren 
Zeit  nicht,  solange  sie  sich  innerhalb  der  ihnen  zukommenden  Grenzen 
hielten;  erst  in  der  Zeit  der  Aufklärung  kam  man  auf  den  Gedanken, 
in  der  physikalischen  Erklärung  der  Weltkörper,  wie  sie  Anaxagoras 
betrieb,  einen  Angriff  auf  den  Götterglauben  zu  sehen.  —  Urwaleks 
Arbeit  ist  nach  Inhalt  und  Form  ein  so  trauriges  Machwerk,  daß  wir 
sie  am  besten  mit  Stillschweigen  übergehen. 

Auf  spezielle  Fragen  der  griechischen  Philosophie  be- 
zieben sich: 


238     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

86.  Ed.  Norden,  Beiträge  zur  Geschichte  der  griechischen 
Philosophie.  Jahrb.  f.  Philol.  Suppl.-B.  XIX  (1892),  S.  368  ff. 
m.  Philosophische  Ansichten  über  die  Entstehung  des  Menschen- 
geschlechts, seine  kulturelle  Eutwickelung  und  das  goldene  Zeitalter. 
S.  411-428. 

87.  Ed.  Zell  er,  Über  die  griechischen  Vorgänger  Darwins. 
(Aus  Abh.  der  Kgl.  preuss.  Akad.  d.  Wiss.  Juli  1878)  Berlin 
1878.  16  S.  gr.  8.  Wiederabgedruckt  in  den  „Vorträgen  und  Ab- 
handlungen", 3.  Sammlung.     Leipzig  1884.  S.  37 — 51. 

88.  J.  Seh  wert  Schlager,  Die  erste  Entstehung  der  Orga- 
nismen nach  den  Philosophen  des  Altertums  und  des  Mittelalters  mit 
besonderer  Rücksichtnahme  auf  Urzeugung.  Progr.  d.  Lyceums  zu 
Eichstätt  1885.     VI,  109  S.     gr.  8. 

89.  0.  Apelt,  Beiträge  zur  Geschichte  der  griechischen  Philo- 
sophie. Leipzig  1891.  V.  Die  Widersacher  der  Mathematik  im 
Altertum.     S.  253—286. 

Norden  geht  in  seiner  Untersuchung  von  der  Thatsache  aus,  daß 
es  im  Altertum  zwei  entgegengesetzte  Ansichten  über  die  Entwickelung 
des  Menschengeschlechtes  gab,   von  denen   die  eine  an  den  Anfang  das 
goldene  Zeitalter  setzt,  aus  dem  durch  successive   Verschlechterung  die 
heutige  Welt  geworden  ist,  während  nach  der  anderen  sich  die  Menschen 
von    einem    tierischen    Zustande    allmählich    zur    höchsten    Kulturstufe 
emporgehoben  haben.     Ein  konsequenter  Vertreter  der  zweiten  Ansicht 
ist  Epikur  (N.  konnte  hinzufügen,    daß  bereits  Demokrit  eine  ähnliche 
Anschauung    hatte;    s.  Zeller  924),    und    gelegentlich  hatten  sich  auch 
schon  Peripatetiker    wie  Theophrast    in   diesem  Sinne  geäußert.     Aber 
die  Vorstellung  ist  viel  älter,    wie  Aschyl.  Prom.  212  ff.  let)rt.     Auch 
Protaporas  hat  derartige  Ansichten,  wahrscheinlich  in  dem  Buche  „über 
den  Urzustand"    (repl  xaTaaTcxaeiüc^  ausgesprochen,    wie  denn  überhaupt 
die  Sophisten    mit  dem  Märchen  vom  goldenen  Zeitalter  gründlich  ge- 
brochen haben.     Wenn  sich  bei  Lucrez  V  999  if.  beide  Ansichten  kon- 
taminiert   finden,    so   ist  dies  daraus  zu  erklären,   daß  dies  auch  schon 
bei    Epikur    der    Fall    war,    der    eine    Demoralisation    der  Menschheit 
durch  Einführung  der  Künste    annahm  (aber  durfte  ihn  dann  N.  einen 
„konsequenten"    Vertreter  der    zweiten   Ansicht    nennen?).     Auch    die 
epikureische  Lehre    von    der  Entstehung    des  Menschengeschlechts    aus 
dem  Erdschlamm  ist  älteren  Ursprungs.    Sie  geht  nach  Censorin.  d.  die 
nat.  4, 9    (^  Epikur  fr.  333  U.)    auf   Demokrit    zurück ,    der    seiner- 
seits dem  Archelaos  gefolgt  sein  wird  (Laert.  II  17).   Die  Argumente 
bei  Lucr.  V  818  ff.    sind    vielleicht  Demokrit  entnommen.     Die  Hülle, 


Berichte  über  die  griechischeo  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzlng.)     239 

aus  der  die  eisten  Lebewesen  hervorgehen,  hat  Epikur,  vielleicht  in 
Anlehnung  an  Deniokrit,  nach  Analogie  des  menschlichen  Uterus  mit 
dem  Ausdruck  „uteri"  (Lucr.  V  808)  benannt. 

Zellers  gediegene  Abb.  weist  nach,  daß  in  Wahrheit  kein  an- 
tiker Philosoph  den  Versuch  gemacht  hat,  die  vollkommeneren  Orga- 
nismen sich  aus  den  einfacheren  entwickeln  zu  lassen.  Weder  bei 
Anaximander  noch  bei  Empedokles,  von  dem  dies  Lange,  Gesch.  des 
Materialism.,  mit  großer  Bestimmtheit  behauptet  hatte,  rechtfertigt  die 
Überlieferung  eine  solche  Annahme.  Der  erstere  läßt  zwar  die  Menschen 
ursprünglich  in  einer  Fischrinde  stecken  und  im  Wasser  leben-,  aber 
an  eine  Anpassung  und  natürliche  Zuchtwahl  im  Darwinschen  Sinne  ist 
bei  ihm  nicht  zu  denken.  Aber  auch  Empedokles  darf  bei  genauer 
und  richtiger  Erklärung  der  betreffenden  Fragmente  und  doxographischen 
Nachrichten  nicht  als  Vorläufer  Darwins  bezeichnet  werden.  Zwar  hat 
er  vier  Stadien  in  der  Entstehung  der  lebenden  Wesen  angenommen; 
aber  die  so  geschaffenen  Gebilde  haben  mit  Ausnahme  der  letzteren 
keinen  Bestand,  sondern  gehen  wieder  unter,  um  Neuschöpfungen  Platz 
zu  machen.  Eine  Entwickelung  der  einen  aus  den  anderen  findet  nur 
beim  Übergang  der  ersten  zur  zweiten  Stufe,  nicht  aber  bei  den 
weiteren  Neubildungen  statt.  Den  Gedanken,  die  zweckmäßige  Be- 
schaffenheit der  Naturerzeugnisse  könnte  ohne  Mitwirkung  einer  Zweck- 
thätigkeit  lediglich  davon  herrühren,  daß  unter  den  mannigfaltigen 
Wesen,  die  durch  das  zufällige  Zusammentreffen  der  naturnotwendigen 
Wirkungen  entstanden,  nur  die  lebensfähigen  sich  erhielten,  hat  zuerst 
Aristot.  phys.  II  8  ausgesprochen,  aber  nur  hypothetisch  und  um  ihn 
zurückzuweisen.  Wenn  er  dabei  auch  gewisse  phantastische  Schöpfungs- 
gebilde des  Empedokles  erwähnt,  so  giebt  uns  das  kein  Recht,  die  be- 
zeichnete Theorie  jenem  beizulegen.  Auch  bei  den  übrigen  vorsokratischen 
Philosophen,  wie  bei  Anaxagoras  und  Demokrit,  findet  sich  keine  Spur 
einer  solchen,  und  selbst  nach  Aristoteles  haben  Epikur  und  Lucrez, 
der  dessen  Lehre  wiedergiebt  und  dabei  auch  empedokleische  Gedanken 
seiner  Darstellung  einfügt,  sich  durch  die  Anregung  des  Stagiriten 
bestimmen  lassen,  die  lebenden  Wesen  als  das  Produkt  einer  natürlichen 
Entwickelung  von  unbestimmter  Dauer  zu  betrachten.  —  Diese  über- 
zeugenden Ausführungen  Zellers  sind  meines  Erachtens  durch  die  neuerlichen 
Versuche  Dümmlers  und  Gomperz'  (s.  u.),  die  Darwinsche  Lehre  bei 
Empedokles  nachzuweisen,  nicht  widerlegt  worden. 

Im  nahen  Zusammenhange  mit  der  eben  besprochenen  Frage 
steht  die  von  Seh  wert  Schlager  behandelte.  Verf.  zeigt,  daß  die 
Annahme  einer  Urzeugung  (genei'atio  aequivoca  oder  sensu  aequivoco 
oder  originaria)  von  den  vorsokratischen  Philosophen,  soweit  sie  sich 
überhaupt    über    die  Entstehung    der  lebenden  Wesen  äußern,    nämlich 


240      Berichte  über  die  griechischen  Philoeophen  vor  Sokrates.   (Lortsing.) 

von  Anaximander,  Parmenides.  Empedokles,  Anaxagoras  und  Demokrit 
ausdrücklich  gelehrt  oder  vorausgesetzt  wird.  Von  Empedokles  sagt 
er  treflfend  und  im  wesentlichen  mit  Zeller  übereinstimmend:  die  Idee 
der  Ärtenbildung  durch  allmähliche  Umzüchtimg  trete  bei  ihm  nicht 
undeutlich  hervor,  freilich  nicht  als  Ableitung  der  einen  mehr  lebens- 
fähigen Art  von  einer  anderen  minder  lebensfähigen,  sondern  das  Haupt- 
gewicht liege  im  Sinne  einer  hylozoistischen  Urzeugung  auf  einer 
mysteriösen,  sich  selbst  erzeugenden  Schöpfungskraft  der  Erde.  "Wunder- 
lich und  verfehlt  ist  dagegen  die  Erklärung  des  Ausdrucks  ouXocpueT;  totcoi 
bei  Emped.  265:  ouXofpur^c  soll  nicht  von  ouXoc  ,,ganz",  sondern  von 
ooXoc  „Bündel"  herkommen  und  der  Ausdruck  demgemäß  bedeuten:  „ein- 
gewickelte Gestalten,  unentwickelte  Modelle,  Embryonen,  Knospen"  (!). 
S.  spricht  weiterhin  noch  über  Epikur,  Lucrez,  Piaton,  Aristoteles  und 
die  späteren  griechischen  Philosophen  sowie  über  die  Philosophie  des 
Mittelalters  und  in  einem  zweiten  Programm  (Eichstätt  1883)  über  die 
Entwickelung  des  Urzeugungsproblems  bei  den  neueren  Philosophen. 

Apelt  teilt  die  Widersacher  der  Mathematik  in  zwei  Klassen. 
Zu  der  ersten  rechnet  er  die  eigentlichen  Gegner:  Die  Kyniker, 
Kyrenaiker,  Epikureer  und  Skeptiker.  Den  Kern  der  skeptischen  Ein- 
würfe hält  er  für  sehr  alt.  Bei  dem  l^pajav  Aristot.  anal.  post.  76b  39 
hat  man  nach  seiner  Meinung  an  sophistische  Kreise  zu  denken,  und 
zwar  führen  die  Indizien  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  auf  Protagoras 
und  dessen  Buch  Trepl  ixa&Yj|jLaTU)v.  Aus  Arist.  Metaph.  998  a  3  geht  her- 
vor, daß  Protag.  die  Geometer  widerlegte,  indem  er  das  Zeugnis  der 
Sinne  wider  ihre  Definitionen  und  Behauptungen  aufrief.  Er  scheint 
demnach  auch  in  der  Polt  mik  gegen  die  Mathematik  der  Vorläufer  der 
Skeptiker  und  zwar  du  von  ihnen  wohl  gekannter  und  benutzter  ge- 
wesen zu  sein  (vgl.  Sext.  raath.  III  27).  —  Die  zweite  Klasse  bilden 
die  unfreiwilligen  Gegner.  Es  sind  dies  die  Vorläufer  der  Lehre  von 
den  atofiot  -/pajjLixai,  namentlich  Xenokrates  und  die  ihm  folgenden  Pla- 
toniker.  Falsch  wäre  es,  als  Urheber  dieser  Lehre  Demokrit  anzu- 
sehen, etwa  wegen  des  Titels  Trepi  iXo^cüv  -j-paiJLjxüjv  xal  vaj-cöiv,  der  dazn 
wenig  stimmen  würde.  Das  einzige  rein  mathematische  Bruchstück 
Demokrits  (fr.  var.  arg.  1  Mull.)  hebt  nur  sehr  verständig  die  Schwierig- 
keiten hervor,  die  uns  die  Auffassung  des  Stetigen  in  einem  bestimmten 
Falle  verursacht.  Wenn  Dem.  eine  Entscheidung  gegeben  hat,  so  kann 
sie  nicht  im  Sinne  seiner  Atomenlehre  ausgefallen  sein,  mit  der  er 
überhaupt  nicht  in  die  Rechte  der  Mathematik  eingegriffen  zu  haben 
scheint.  Die  geometrischen  Größen  waren  ihm  nichts  als  Grenzen  des 
Leeren  und  des  Raumes,  d.  i.  des  [iTjoev  nach  seiner  Auffassung,  und 
unterliegen  anderen  Gesetzen  als  das  Füllende,  die  Atome. 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     241 

Da  die  einzelnen  Wissenschaften,  insbesondere  die  naturwissen- 
schaftlichen Disciplinen  in  der  ältesten  Forschung  noch  fast  völlig  von 
der  Philosophie  mitunifaßt  wurden  und  selbst  am  Ende  der  vor- 
sokratischen  Periode  sich  noch  kaum  von  ihr  zu  trennen  anfingen,  so 
werden  auch  in  den  sich  auf  die  Geschichte  dieser  Einzeldisciplinen  be- 
ziehenden Werken  philosophische  Lehren  vielfach  berührt,  bisweilen 
auch  eingehender  besprochen.  Wir  können  daher  solche  Veröffent- 
lichungen auch  hier  nicht  völlig  übergehen,  müssen  uns  aber  des 
Eaumes  halber  auf  solche  beschränken,  die  für  die  Philosophiegeschichte 
von  Belang  sind.     Wir  nennen: 

90.  H.  Steinthal,  Geschichte  der  Sprachwissenschaft  bei  den 
Römern  und  Griechen  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Logik. 
Zweite  Aufl.     1.  T.     Berlin  1890.     XVI,  374  S.     gr.  8. 

91.  Hans  Kirchner,  Die  verschiedenen  Auffassungen  des  pla- 
tonischen Kratylus.    Progr.  d.  Kgl.  Gymn.  zu  Brieg  1892.   21  S.    4. 

92.  Fr.  Blaß,  Die  attische  Beredsamkeit.  1.  Abt.:  Von 
Gorgias  bis  zu  L3'sias.     2.  Aufl.     Leipzig  1887.   VII,  648  S.     8. 

93.  Hugo  Berger.  Geschichte  der  wissenschaftlichen  Urkunde 
der  Griechen.  1.  Abt.:  Die  Geographie  der  lonier.  Leipzig  1887. 
XII,  145  S.  2.  Abt.:  Die  Vorbereitungen  für  die  Geographie  der 
Erdkugel.     Ebd.  1889.     XII,  150  S.     gr.  8. 

94.  P.  Tanner y,  La  geometrie  grecque,  comment  son  histoire 
nous  est  parvenue  et  ce  que  nous  en  savons.  Essai  critique.  I.  partie : 
Histoire  generale  de  la  geometrie  elementaire.  Paris  1887.  VI, 
188  S.     gr.  8. 

95.  M.  Cautor.  Vorlesungen  über  Geschichte  der  Mathematik. 
1.  B.     2.  Aufl.     Leipzig  1894. 

*96.  P.  Tannery,  Recherches  sur  Thistoire  de  lastronomie 
ancienne.     Paris  1893. 

*97.  Schiapa relli,  I  precursori  di  Copernico  neir  antichitä. 
Memorie  del  R.  Istituto  Lombardo  XII. 

98.  M.  Sartorius,  Die  Entwicklung  der  Astronomie  bei  den 
Griechen  bis  Anaxagoras  und  Empedokles,  in  besonderem  Anschlul.l 
an  Theophrast.  Dissertat.  Halle  1883.  Wörtlich  abgedruckt  in  Zeitschr. 
f.  Philos.  LXXXIl  (1883)  S.  197—231  und  fortgesetzt  ebd.  B.  LXXXIII 
(1883)  S.  1-28. 

99.  E.  Cbauvet,  La  philosophie  des  medecins  grecs.  Paris 
1886.     LXXXIX,  604  S.     8. 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    Bd.  LXXXXVI.    (1898.  I.)       16 


2i2     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates,    (Lortzing.) 

Stein thal  hat  in  der  neneu  Aufl.  seines  zuerst  1863  erschieneneu 
Werkes  nach  dem,  was  er  selbst  in  der  Vorrede  sagt,  den  ersten  Teil, 
iu    dem    die   vorsokratiscben  Philosophen    unter  dem  Titel:    Plato  und 
seine  Vorgänger,  S.  41  —  182  behandelt  werden,  nur  sehr  wenig  geändert 
und,    wie   es  scheint,    neuere  Untersuchungen    nicht  in  größerem  Um- 
fange   benutzt.     So    werden    z.  B.   Natorps  „Forschungen"    weder    bei 
Demokrit    noch    bei  Protagoras    genannt    oder  berücksichtigt,    ebenso- 
wenig Teichmüllers,  Plleiderers  oder  Patins  Untersuchungen  über  Hera- 
klit;   nur  Schuster  wird  gelegentlich  erwähnt.     Aber  die  gelehrten  und 
scharfsinnigen  Erörterungen  Stcinthals    behalten  auch  heute  noch  ihren 
Wert.   Es  sei  hier  nur  erinnert  au  die  Ausführungen  über  den  Gegen- 
satz von  v6|j.to  und  cpujsi ,  und  über  die  verschiedenen  Wandlungen ,  die 
diese  Begriffe  von  Heraklit  bis  auf  die  Sophisten  und  den  Platonischen 
Kratylos    durchgemacht    haben;    über    das    in    mehrfachen  Variationen 
überlieferte,  dem  Pythagoras  zugeschriebenen  Akusma  über  die  Sprache, 
dessen   ursprüngliche  Form  St.   aus  zwei  Stellen  des  Epinomis  und  des 
Kratj'los  erschließen  zu  können  glaubt;    über  die  vom  wirklichen  Ety- 
mologisieren noch  weit  entfernten  Wortspiele  Heraklits;  endlich  au  die 
Vermutung,    daß    eine    Bemerkung    im   Kommentar    des  Proklos    zum 
Kratvlos    wirklich    Demokritisches    enthalte,    wenn    auch    von    Fremd- 
artigem,    Späterem    überwuchert,    und    daß   man  insbesondere  die  drei 
Kunstwörter  iroX63Yi[j.ov,  boppoirov  und  vcuvujxov  auf  den  Abderiten  zurück- 
führen dürfe.     S.  182  wird  auch  ein  bisher  wenig  beachtetes  Fragment 
Demokrits  aus  Olympiodor  ad  Phileb.  p.  243  Stallb.:  a7aÄ[j.axa  cpü)VY]£vxa 
■All    -aZzd    (sc.    ovo[jLaTa)    £3ti    öeiüv    d)c  i^rjixoxptxoc    besprochen    und  im 
Gegensatze    zu  Lorsch,    der  da  meint,    Dem.  habe  die  Namen  tönende 
Bilder  genannt,    wohl  richtig  bemerkt,   daß  hier  nur  von  Götternamen 
die  Rede    sei,    die  Dem.    geistreich  mit  Kultusbildern  verglichen  habe. 
Manche  Irrtümer   freilich  laufen  dabei  mit  unter,    die  wir  gern  in  der 
neuen  Aufl.    berichtigt    gesehen    hätten.     Wenn    z.  B.   von    dem  Sinne 
die  Rede    ist,    den  Parmenides    mit    dem  Worte  v6|j.o?  verbunden  habe, 
so    fragt    man   erstaunt,    wo    denn  Parm.    überhaupt    dieses  Wort  ge- 
braucht hat.     Wenig  wahrscheinlich  ist  es  auch,  daß  Empodokles  v6|xiu 
in  der  Bedeutung  „nach  irrtümlichem  Gebrauche"  zum  , /Terminus"  ge- 
prägt habe,  da  nach  dem  Index  von  Karsten  das  Wort  nur  einmal  bei 
Emp.    vorkommt.     In    der    von  Piaton    im  Theaetet   überlieferten  Sen- 
sationslehre ,,des  Protagoras"  soll  die  tiefste  physiologische  und  psycho- 
logische Erkenntnis  liegen,  die  das  Altertum  aufzuweisen  hat,  von  dieser 
höchsten  Stufe  der  Erkenntnis  aber  Protag.  später  wieder  herabgesunken 
und    durch    seinen  Satz    vom  Maße  aus  einem  Philosophen  ein  Sophist 
geworden    sein.     Diese    kühne  Konstruktion    fällt    dadurch   in  sich  zu- 
sammen,   daß    die  Sensationslehre    des  Theaetet    von  Piaton  gar  nicht 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     243 

dem  Protag.    selbst,    sondern  seinen  Jüngern    beigelegt  wird,    was  St. 
ans  Natorp  hätte  ersehen  können. 

An  Steinthals  Buch  knüpft  das  Programm  von  Kirchner  an, 
dem  derselbe  Verf.  noch  zwei  andere  Programme  über  den  Kratylos 
(1893  und  1897)  hat  folgen  lassen  (vgl.  Nitsche,  Wschr.  f.  kl.  Ph.  1897, 
1056  fif.).  In  dem  ersten  uns  hier  allein  angehenden  Programm  hat 
er  das,  was  uns  über  die  griechische  Sprachforschung  von  Piaton  über- 
liefert ist,  zusammengestellt,  wobei  er  sich  in  seiner  Auffassung  teils 
an  Steinthal  anschlieüt,  teils  von  ihm  abweicht.  Im  Gegensatze  zu  ihm 
nimmt  er  z.  B.  an,  daU  das  eben  besprochene  Akusma  wohl  auf  Pytha- 
goras  selbst  zurückgeführt  werden  dürfe  und  in  seiner  ursprünglichen 
Form  gelautet  habe:  Nach  der  Zahl  sei  der  weiseste  der,  der  die 
Dinge  benannt  habe  (o  toTc  TrpaYfxasi  xa  ^v6(j,a-a  6e[jL£vo;),  während  St. 
das  u.  a.  auch  in  der  Kratylosstelle  überlieferte  Neutrum  to  xa  (5v. 
Beixevov  als  die  ältere  Gestalt  ansieht.  In  bezug  auf  bhzi  und  v6[xip 
nimmt  er  mit  Steinthal  (und  Teichmüller)  an,  daß  diese  Begriffe  erst 
nach  Pythagoras  ausgebildet  worden  sind  und  erst  bei  den  Sophisten 
im  schroffen  Gegensatze  erscheinen,  hat  aber  dabei  unbeachtet  ge- 
lassen, daß  St.  für  die  ältere  Zeit  nur  den  Gegensatz  vo[xco  und 
9U5£t  anerkennt,  da  9s j st  als  technischer  Ausdruck  aus  späterer  Zeit 
stammt  und  auch  im  Kratylos  noch  nicht  vorkommt  (s.  Nitsche 
a.  a.  0.  1057). 

Blaß  hat  in  der  neuen  Aufl.  seiner  ,, attischen  Beredsamkeit" 
manches  geändert  und  zugesetzt.  In  den  Fragmenten  des  Empedokles 
S.  17  f.  kann  er  nicht  mit  Diels  die  Anfänge  für  Gorgias'  Prosastil 
finden  und  will  nur  zugeben,  daß  Emp.  als  kühner  Neuerer  auch  mit 
einer  ungewohnten  Sprache  und  mit  scharf  zugespitzten  Gedanken  ge- 
glänzt haben  möge.  Auch  bei  Protagoras,  Prodikos  und  Hippias 
findet  sich,  wie  B.  S.  23  ff.  nachweist,  noch  keine  Spur  der  Gor- 
gianischen  Figuren.  Prot,  verfaßte  noch  keine  Reden,  sondern  nur 
Gemeinplätze,  und  diese  waren  dialektische,  nicht  rhetorischer  Art. 
Sein  Stil  ist  aus  dem  ionischen  Fr.  bei  Plut.  cons.  ad  ApoU.  und  aus 
dem  Mythos  im  Protagoras,  in  dem  Piaton  den  Stil  des  Sophisten  ge- 
treu kopieren  wollte,  noch  deutlich  zu  erkennen.  Prodikos  und  Hippias 
werden  nie  als  Beförderer  der  Rhetorik  genannt.  Die  Paraphrase  der 
Herkuleserzählnng  hat  Xenophon  nicht  entlehnt  oder  kopiert,  sondern 
eine  auf  seine  "Weise  geschmückte  Erzählung  mit  Anklängen  an  die 
Gorgianische  Beredsamkeit  der  des  Prodikos  entgegengesetzt.  Aus- 
führlich spricht  B.  S.  47—91  über  Gorgias.  Dieser  stellte  zwar  die 
Kunst  der  Beredsamkeit  an  die  Spitze  seiner  Thätigkeit,  war  aber 
darin  den  anderen  Sophisten  gleich  und  sehr-  verschieden  von  den  Rhe- 

16* 


244     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

toren  und  Sachwaltern,  daß  er  vor  allem  Bildung  geben  wollte  und, 
ähnlich  den  damaligen  Eristikern,  nicht  etwa  ein  System  vortrug,  son- 
dern seinen  Schülern  ausgearbeitete  Stücke  zum  Auswendiglernen, 
Gemeinplätze  zum  Einlegen  in  wirkliche  Reden  gab.  Sein  Unterricht 
war  mehr  sophistisch  als  praktisch.  Er  ist  der  erste  attische  Redner; 
nur  seine  älteren  philosophischen  Schriften  waren  vielleicht  im  ionischen 
Dialekte  verfaßt.  Die  Helena  und  den  Palamedes  hält  B.  für  echt. 
Vgl.  außerdem  noch  die  Bemerkungen  über  Antiphon  soph.  S.  108  und 
über  Kritias  S.  269  ff. 

Das  treffliche  "Werk  von  Berger  (vgl.  Detlefseu,  Berl.  Ph.  Wschr. 
1892,  16  ff.)  entwirft  von  der  Entwickelung  des  Welt-  und  Erdbildes 
bei  den  ältesten  Philosophen  eine  von  der  herrschenden  Auffassung 
wesentlich  verschiedene  Zeichnung  und  enthält  im  einzelnen  eine  Fülle 
neuer  und,  wenn  auch  oft  keineswegs  gesicherter,  so  doch  stets  be- 
achtenswerter Vermutungen,  die  zum  Teil  auch  für  die  Erkenntnis  der 
philosophischen  Systeme  von  Bedeutung  sind.  Wir  müssen  hier  auf  eine 
Wiedergabe  auch  nur  des  Wichtigsten  verzichten  (einiges  davon  wird 
im  speziellen  Teile  zur  Sprache  kommen)  und  geben  nur  ganz  kurz 
die  Hauptpunkte  an,  um  die  es  sich  dabei  handelt.  Die  ionischen  Philo- 
sophen, im  weiteren  Sinne  gefaßt,  unter  denen  Anaximander  als  Be- 
gründer der  wissenschaftlichen  Erdkunde  hervorragt,  kannten  die  Sonnen- 
bahn am  Himmel  und  ihre  Hauptkreise  sowie  die  Neigung  des  Horizontes 
zur  Weltachse,  aber  von  der  Erdzonenlehre  und  der  Kugelgestalt  der 
Erde  wußten  sie  nichts,  obwohl  gewisse  Lehren  Anaximanders  und 
Heraklits  die  Grundlage  für  den  späteren  Erweis  der  Notwendigkeit 
dieser  Kugelgestalt  boten.  Diese  Anschauung  hängt  zusammen  mit  der 
von  ihnen  angenommenen  Teilung  der  Erdobertiäche  in  zwei  Teile, 
einen  südlichen,  wärmeren,  Asien,  und  einen  nördlichen,  kälteren, 
Europa.  Auch  die  ersten  Spuren  der  physischen  Geographie  zeigen 
sich  bei  den  loniern.  Ein  bedeutender  Fortschritt  hatte  sich  inzwischen 
längst  in  den  Kreisen  der  Pythagoreer  angebahnt,  die  zuerst  die  Kugel- 
gestalt der  Erde  erkannten.  Hierzu  fügte  Philolaos  die  Annahme  einer 
täglichen  Bew'egung  der  Erde  um  das  Centralfeuer,  womit  die  tägliche 
Umdrehung  des  Fixsternhimmels  fortfiel.  Diese  neue  astronomische  An- 
sicht war  bereits  dem  Xenophanes  bekannt,  den  B.  von  den  ihm  seit 
alter  Zeit  aufgebürdeten  kindlichen  astronomischen  und  geographischen 
Anschauungen  zu  befreien  sucht:  er  glaubt  u.  a.  bei  ihm  bereits  die 
Annahme  veränderlicher  Horizonte  und  des  Eintritts  einer  monatelangen 
Nacht  in  den  nördlichen  Teilen  der  Erde  zu  finden.  Weiter  ausge- 
bildet wurde  dann  diese  Lehre  durch  Parmenides.  Bergers  Ansicht 
über  die  eigentümlichen  aT£9avat  dieses  Philosophen  und  ihr  Verhältnis 
zu    seiner    Erdzonentheorie    werden    später    näher    ins    Auge    gefaßt 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     245 

werden.     Die  3.  Abt.   des  Werkes  (1891)   und  die  4.  (1893)  enthalten 
nichts  auf  die  ältere  Philosophie  Bezügliches. 

Tannery  (No.  94)  stellt  in  chap.  VI  (S.  81—94)  und  chap.  IX 
(S.  121 — 129)  scharfsinnige  Untersuchungen  über  Pythagoras  und  seine 
Schnle  sowie  über  Deraokrit  an,  die  nicht  bloß  für  die  Geschichte  der 
Mathematik  von  Wichtigkeit  sind,  sondern  auch  das  philosophische  Ge- 
biet nahe  berühren.  Die  erste  Untersuchung  kann  hier  beiseite  bleiben, 
da  sie  sich  im  wesentlichen  in  einer  später  zu  besprechenden  Abu. 
Tannerys  im  1.  Bande  des  Archivs  f.  Gesch.  d.  Philos.  wieder- 
findet. In  der  zweiten  Abb.  zieht  T.  zunächst  aus  einem  Bruchstücke 
Demokrits  (fr.  var.  arg.  6)  den  Schluß,  daß  damals  die  Griechen  von 
den  Agj'ptern  nichts  mehr  lernen  konnten,  und  versucht  dann  die  bei 
Laert.  Diog.  nach  Thrasyll  überlieferten  Titel  der  mathematischen 
Werke  Demokrits,  deren  Text  sehr  unsicher  ist,  herzustellen.  Die 
erste  dieser  Schriften:  rspl  oiaoop?];  7vtu[i.ir);  (?)  v^  Trspt  ^aosf.o^  xuxXou  xal 
joatpTj;  scheint  sich,  wie  T.  annimmt,  auf  eine  Polemik  Demokrits  gegen 
Protagoras ,  von  dem  fr.  v.  a.  1  die  ßede  ist  (s.  das  zu  No.  89  über 
Apelts  Abb.  Bemerkte),  zu  beziehen.  Auf  solche  Fragen  wurde  Dem, 
durch  seine  Atomenlehre  geführt,  die  nach  T.  ihren  Ursprung  in  der 
pythagoreischen  Lehre  hat.  Die  Pythagoreer  nahmen  an,  daß  die  Sub- 
stanz der  Körper  durch  materielle  Punkte  gebildet  werde.  Diese  Punkte, 
die  sie  nicht  von  den  geometrischen  unterschieden,  galten  ihnen  als 
unteilbar  (aroixoi),  während  sie  andererseits  die  unbegrenzte  Teilbarkeit 
der  Größen  ohne  Einschränkung  zuließen.  Diese  unhaltbare  Vor- 
stellung wurde  von  Parmenides  (?)  und  Zenon  bekämpft.  Hiergegen 
konnten  sich  die  Pythagoreer  um  so  weniger  verteidigen,  als  die  Ent- 
deckung der  inkommensurablen  Größe,  die  zu  Zenons  Zeit  übrigens  noch 
nicht  öffentlich  bekannt  war  (  ?),  ihnen  ihren  Irrtum  deutlich  vor  Augen 
führte;  sie  mußten  daher  ihre  physische  Doktrin  umgestalten  und  ihr 
entweder  wie  Philolaos  einen  idealistischen  Sinn  oder  den  Atomen  sehr 
kleine,  aber  begrenzte  Ausdehnung  geben.  Diese  letztere,  besonders 
außerhalb  der  Schule  durch  Leukipp  und  Demokrit  entwickelte  Lehre 
wurde  später  im  Schöße  der  Schule  selbst,  z.  B.  durch  Ekphantos. 
wieder  aufgenommen.  • —  Ob  diese  höchst  interessante  Ableitung  der 
Atomenlehre  auch  der  Wahrheit  oder  Wahrscheinlichkeit  entspricht, 
ist  eine  Präge,  die  wir  hier  nicht  beantworten  wollen.  Auf  zweierlei 
Schwierigkeiten,  die  sich  daraus  ergeben,  sei  nur  aufmerksam  gemacht: 

1.  Wenn  die  Atome  Demokrits  geometrische  Körper  sind,  wie  konnte 
ihnen  dann  als  Hauptmerkmal  das  der  Unteilbarkeit  beigelegt  werden? 

2.  Wenn  die  Atomenlehre  von  den  Pythagoreern  stammt,  wie  konnte 
dies  dem  Arist.  verborgen  bleiben ,  und  wie  durfte  er  sie  dann  mit 
solcher  Bestimmtheit  an  das  eleatische  System  anknüpfen?    Oder  wollen 


246     Berichte  über  die  griechischen  Philosophea  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

wir  heutzutage  uns  anmal.ien,  in  die  geheimen  Zusammenhänge  der  alten 
Philosophie  tiefer  eingedrungen  zu  sein  als  der  Stagirit?  —  Vgl. 
Günther,  Berl.  Ph.  Wschr.  1887,  332  ff.  und  Cantor,  Zschr.  f.  Math. 
XXXin,  27  ff. 

Cantors  Vorlesungen  enthalten  in  der  neuen  Aufl.,  was  die 
vorsokratische  Zeit  betrifft,  keine  für  uns  erheblichen  Änderungen;  nur 
in  der  Beurteilung  der  Beweise  Zenons,  in  dem  C  keinen  Mathematiker, 
sondern  eher  das  Gegenteil  eines  solchen  sieht,  schließt  er  sich  jetzt  an 
Tannerjf  an.  Bereits  in  den  älteren  Aufl.  (1880)  hatte  er  bei  Be- 
sprechung der  Schriften  Demokrits  den  Inhalt  der  im  Thrasyllschen 
Verzeichnis  zuerst  genannten  Tispl  oiacpopyj;  7V(u[i.ovoc  (so  liest  C.  mit 
Nietzsche,  nicht  vvcufiTjc  wie  Tannery)  xtX.  (s.  o.)  dahin  gedeutet,  daß 
Dem.  durch  die  Bewegung  des  Gnomon  auf  die  Anfänge  der  Infinitesimal- 
methode gekommen  sei  (?),  und  den  im  Titel  iispl  dXoYcuv  -/paixjxüiv  xal 
vacjTüJv  liegenden  Widerspruch  durch  Verbesserung  von  vaatwv  in  xXas- 
Tüiv  zu  heilen  gesucht,  so  daß  also  Demokrits  Werk  ;,über  irrationale 
gebrochene  Linien"  gehandelt  haben  würde. 

Wie  No.  96  und  97  habe  ich  auch  Sir  G.  C.  Lewis,  An 
historical  survey  of  the  astronomy  of  aucients  nur  citiert  gefunden, 
aber  nicht  zu  Gesicht  bekommen.  —  Auf  Sartorius'  Arbeit  hier  ein- 
zugehen halte  ich  für  überflüssig,  da  in  ihr  weder  von  einer  kritischen 
Abwägung  des  Wertes  der  einzelnen  Zeugnisse  die  Rede  ist,  noch  der 
Versuch  gemacht  wird,  die  Einzelheiten  der  Systeme  aus  dem  Ganzen 
eines  jeden  zu  erklären,  auch  die  Hypothesen  des  Verfassers  durch  Bergers 
oben  (No.  93)  angeführtes  Buch  überholt  worden  sind.  Nur  eine  von  den  der 
Dissertation  beigefügten  Thesen  ist  zu  erwähnen,  sie  lautet:  „Das  uji-ixpov, 
bei  dem  Anaxagoras'  voü;  durch  umdrehende  Bewegung  die  Welt  zu 
bilden  begann,  ist  der  Himmelsnordpol "  und  deckt  sich  mit  einer  von 
Dilthey  (s.  zu  No.  46)  in  demselben  Jahre  ausgespi'ochenen  Vermutung. 

Was  sich  in  Chauvets  Werk  an  Bemerkungen  über  ältere 
Philosophen  und  das  Verhältnis  der  Arzneiwissenschaft  zu  ihnen  findet, 
zeugt  nicht  gerade  von  gründlicher  Beschäftigung  mit  den  philosophischen 
Lehren  jener  Männer.  Richtig  wird  die  enge  Verbindung  des  Medizini- 
schen mit  dem  Philosophischen  bei  Diogenes  Ap.,  in  der  pythagoreischen 
Schule,  bei  Empedokles,  der  aber  nicht  hätte  zur  eleatischen  Schule 
gerechnet  werden  dürfen,  und  bei  Demokrit  hervorgehoben.  Die  von 
dem  Verf.  behauptete  Möglichkeit,  daß  Emped.  die  Lehre  von  den 
Ausflüssen  und  Poren  dem  Dem.  entnommen  habe,  ist  chronologisch 
unzulässig;  wohl  aber  konnte  er  sie  von  Leukipp  haben  (s.  weiter 
unten).  Verfehlt  ist  die  Art,  wie  Ch.  die  philosophischen  Elemente 
in  der  Lehre  des  Hippokrates  oder  vielmehr  seiner  Familie  und  Schule 
darstellt.   Er  unterscheidet  bei  Hipp,  eine  ärztliche  Logik,  Sittenlehre  (?) 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     247 

und  Physik  und  suclit  nnn  auf  jedem  dieser  Gebiete  die  Anknüpfungs- 
pnnkte  an  ältere  Philosophen  auf.  Indem  er  aber  hierbei  die  Schriften 
des  hippokratischen  Korpus  in  Bausch  und  Bogen  als  Werke  der  hippo- 
kratischen  Schule  betrachtet  und  ohne  jede  Unterscheidung  benutzt,  be- 
weist er,  dal.)  er  von  den  neuesten  Forschungen  über  den  verschiedenen 
Ursprung  dieser  Schriften  keine  Ahnung  hat.  Ein  arges  Verseben  ist 
es,  wenn  er  behauptet,  die  Lehre  vom  Gehirn  als  Sitz  der  Seele  sei 
ausschließlich  hippokratisch:  bekanntlich  hat  sie  lange  vor  Hippokrates 
Alkmaion  zuerst  aufgestellt. 

Zur  Geschichte  der  Mathematik  und  der  Naturwissenschaften  ver- 
weise ich  außerdem  auf  den  von  S.  Günther  bearbeiteten  Anhang  zu 
Wiudelbands  Geschichte  der  alten  Philosophie  (vgl.  den  Titel  No.  57) 
und  auf  die  von  ebendemselben  und  von  anderen  in  diesen  Jahres- 
berichten veröffentlichten  Mitteilungen. 

In  den  ausführlichen  AVerken  über  griechische  Litteratur  werden 
in  der  Regel  auch  die  griechischen  Philosophen  etwas  genauer  be- 
handelt. So  findet  man  z.  B.  eine  recht  sachgemäße  und  mit  reich- 
lichen Quellennachweisen  versehene  Besprechung  der  Vorsokratiker  in 
Otfried  Müllers  Geschichte  der  griechischen  Litteratur,  neu  bearbeitet 
und  fortgesetzt  von  E.  Heitz.  Aber  fast  alle  diese  Darstellungen 
bieten,  wie  dies  ja  auch  nicht  anders  zu  erwarten  ist,  nichts,  wodurch 
die  Forschung  irgendwie  gefördert  würde.    Eine  Ausnahme  bildet  nur: 

100.  Th.  Bergk,  Griechische  Litteraturgeschichte.  B.  II— IV. 
Aus  dem  Nachlaß  herausg.  Berlin  (B.  II  und  III  von  G.  Hinrichs 
1883  und  1884,  B.  IV  von  R.  Peppmüller  1887). 

Hier  finden  sich  nicht  nur  über  chronologische  Verhältnisse, 
sondern  auch  über  die  Werke  und  Lehren  der  Philosophen  zahlreiche 
scharf-  und  feinsinnige  Bemerkungen,  die  freilich  bei  dem  bekannten 
kühnen  Kombinationstriebe  des  Verfassers  vorsichtig  geprüft  werden 
müssen.  Im  2.  Bande  werden  unter  der  Überschrift:  „Die  ersten  philo- 
sophischen Versuche"  S.  409—443  nach  einer  Besprechung  der  sieben 
Weisen  und  ihrer  Sprüche  Thaies,  Xenophanes,  Pherekydes,  Anaximan- 
der,  Anaximeues  und  Pythagoras  zusammengefaßt.  Diese  auffällige 
Zusammenstellung  und  Reihenfolge  hängt  mit  der  von  uns  bereits  er- 
wähnten und  zurückgewiesenen  Annahme  zusammen,  daß  Xenophanes 
zeitlich  nahe  an  Thaies  zu  rücken  sei.  Da  nun  B.  überdies  auf  grund 
einer  höchst  zweifelhaften  Deutung  des  Wortes  opovn'c  bei  Xenoph. 
fr.  24  K.  als  ,, litterarisches  Produkt"  (S.  418,  23)  das  philosophische 
Werk  dieses  Philosophen  bereits  in  sein  25.  Jahr  und  damit  zugleich 
in  die  Blütezeit  des  Thaies  setzt,  so  ergiebt  sich  aus  diesen  Voraus- 
setzungen   die    notwendige  Folgerung,    Xenophanes    habe    dieses  Werk 


248    Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

unmittelbar,  nachdem  Thaies  mit  seinen  Ansichten  hervorgetreten  sei, 
geschrieben.  Daß  diese  Hypothese  aller  antiken  Überlieferung,  auch 
der  theophrastischen,  widerspricht,  braucht  nicht  erst  gesagt  zu  werden. 
Wunderlich  genug  wird  nun  auch  Pherekydes  zwischen  Xenophanes  und 
Anaximander  eingereiht.  Ein  willkürlicher  Einfall  ist  es  auch,  wenn  B. 
behauptet,  die  philosophischen  Ansichten  des  Thaies  seien  nicht  zu  lange 
Zeit  nach  seinem  Tode  von  einem  Anfänger  schriftlich  aufgezeichnet 
worden.  Auf  die  eigentümliche  Ansicht  über  den  Verfasser  des  nach 
der  gewöhnlichen  Annahme  die  Lehre  des  Xenophanes  darstellenden 
Abschnittes  der  pseudoaristotelischen  Schrift  de  Melisso  u.  s.  w.  werden 
wir  später  zu  sprechen  kommen.  Sehr  berechtigt  dagegen  erscheint 
uns  der  S.  418,  25  ausgesprochene  Zweifei  an  dem  strengen  Monotheis- 
mus des  Xenophanes,  worin  sich  B,  mit  Freudenthal  begegnet  (s.  u.).  — 
Schön  und  genußreich  ist  die  Darstellung  der  Persönlichkeit  und  Lehre 
des  Pythagoras.  Nur  hat  B.  hier  allzusehr  einem  gewissen  Harmoni- 
sierungstriebe gehuldigt,  wenn  ihm  das  System  des  Pyth.  wie  aus  einem 
Gusse  zu  sein  und  die  praktische  Bethätigung  des  Mannes  mit  seinem 
theoretischen  Wissen  im  vollsten  Einklänge  zu  stehen  scheint.  Auch 
\Yas  er  über  die  Akusmen  des  Pyth.  und  über  die  Entstehung  der  ■/puaa 
£-7)  bemerkt,  verdient  alle  Beachtung;  ebenso  das  S.  433,  67  über  die 
Diät  der  Pythagoreer  und  das  Bohnenverbot  Gesagte.  Haltlos  dagegen 
ist  die  Vermutung  (S.  437,  77),  daß  Heraklit  fr.  17  unter  den  au77pa(pai, 
wegen  deren  Benutzung  Pyth.  getadelt  wird,  orphische  Aufzeichnungen 
und  vielleicht  auch  die  Schrift  des  Pherekydes  verstanden  habe.  —  In 
einem  späteren  Abschnitt  über  „Das  didaktische  Epos"  S.  489 — 496 
werden  Parmenides  und  Empedokles,  letzterer  leider  nur  sehr  kurz, 
besprochen.  Über  die  Absicht,  die  Parmenides  bei  der  Abfassung  seiner 
iiioEa  verfolgte,  wird  die  Meinung,  daß  er  die  wahre  und  die  falsche 
Ansicht  zu  beliebiger  Auswahl  oder  als  Prüfstein  für  das  allein  Wahre 
(Vgl.  Diels  Parm.)  einander  gegenüberstellen  wollte,  zurückgewiesen. 
Parm.  trage  nicht  fremde  Theorieen  vor,  sondern  entwerfe  ein  Bild  der 
Welt,  wie  sie  ihm  erscheine;  werde  ihm  doch  auch  die  Lehre  des  zweiten 
Teils  von  der  Göttin  gerade  so  offenbart  wie  die  des  ersten.  —  Im 
3.  Bande  werden  die  Philosophen  nur  gestreift  in  einer  Erörterung 
über  die  philosophischen  Studien  des  Euripides  S.  469—477,  die 
manche  interessante  Bemerkung  enthält.  —  Im  4.  Bande  ist  zunächst 
eine  längere  Ausführung  über  Epicharm  (S.  23 — 35)  zu  nennen :  dieser 
sei  kein  Pythagoreer  und  habe  sich  überhaupt  keinem  philosophischen 
Systeme  unbedingt  angeschlossen;  er  sei  nicht  bloß  rezeptiv  gewesen, 
sondern  habe  auch  eigene  Ansichten  ausgesprochen  und  sei  durch  seine 
Dialektik  ein  Vorläufer  der  jüngeren  Eleaten  und  der  Sophisten  ge- 
worden,   ja  er  scheine    sogar  ein    eigenes  Lehrgedicht    geschrieben  zu 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     249 

haben  (?).  S.  329-  343  folgt  eine  treffende,  aber  kaum  Neues  ent- 
haltende Zeichnung  der  Sophisten  (jo^tiTr,;  =  Meister).  B.  glaubt 
einen  dreitnaligeD  Aufenthalt  des  Protagoras  in  Athen  nachweisen  zu 
können.  Auch  über  die  stilistische  Kunst  des  Prot,  und  über  seine 
Schriften  äußert  er  sich,  ebenso  über  die  des  Gorgias  (Helena  und 
Palaniedes  unecht,  erstere  wahrscheinlich  von  Thrasymachos  verfaßt  [?]). 
i'ber  Demokrit  und  Heraklit  wird  S.  413—415,  leider  nur  äußerst  kurz, 
und  schließlich  (S.  415 — 419)  über  die  späteren  P3'thagoreer  gesprochen. 
Die  schriftstellerische  Thätigkeit  der  Sekte  ruhte  nach  B.  auch  im  3. 
und  2.  Jahrhundert  v.  Chr.  nicht:  zuerst  schrieb  man  unter  eigenem 
Namen  wie  Diodoros,  bald  aber  unter  dem  Namen  älterer  Vertreter 
der  Schule  wie  des  Timaios  und  Okellos. 

Auch  in  den  über  die  allgemeine  Geschichte  Griechen- 
lands veröffentlichten  Werken  werden  die  Lehren  der  griechischen 
Philosophen  bald  nur  kurz  berührt,  bald  ausführlicher  dargestellt.  Eine 
kurze  Skizze  giebt  z.  B.  Bei  och,  Griech.  Gesch.  I,  Straßburg  1893, 
S.  607  ff.,  in  der  stellenweise  unbegründete  Behauptungen  und  Urteile 
vorkommen.  Gleichfalls  kurz,  aber  im  wesentlichen  zutreffend  und 
überall  mit  genauen  Quellenangaben  versehen,  ist  die  Darstellung  von 
G.  Busolt,  Griech.  Gesch.  bis  zur  Schlacht  bei  Chaeronea  II  2.  Aufl. 
S.  496  ff.,  519  ff.,  761  ff.     Von  größerer  Bedeutung  sind: 

101.  Max  Duncker,  Griechische  Geschichte.  Im  Preise  er- 
mäßigte neue  Ausg.  von  Band  V — IX  der  Geschichte  des  Altertums. 
Leipzig  1889. 

102.  Eduard  Meyer,  Geschichte  des  Alterturas.  2.  B.:  Ge- 
schichte des  Abendlandes  bis  auf  die  Perserkriege.     Stuttgart  1893. 

Duncker s  Besprechung  der  Philosophen  bietet  zwar  nichts  Neues 
zur  Erkenntnis  der  philosophischen  Lehren,  beruht  aber  auf  sorgfältiger 
Benutzung  der  Quellen  und  der  neueren  Forschungen  (in  der  Chrono- 
logie folgt  D.  durchweg  den  Ansätzen  von  Diels)  und  giebt  von  dem 
Inhalte  und  Geiste  der  Svsteme  eine  das  Wesentliche  zusammenfassende 
lebendige  Schilderung,  gegen  die  sich  im  einzelnen  freilich  manches 
einwenden  läßt  (besonders  wird  VIII  417  f.  die  physikalische  Grundlehre 
des  Empedokles  unklar  und  unzutreffend  wiedergegeben).  Ein  Haupt- 
vorzug der  Dunckerschen  Darstellungsart  besteht  darin,  daß  die  Fort- 
schritte der  philosophischen  und  wissenschaftlichen  Erkenntnis  nicht  ab- 
getrennt von  der  politischen  Geschichte,  sondern  im  engen  Zusammenhange 
mit  den  politischen  Ereignissen  und  der  allgemeinen  Kulturentwickelung 
vorgeführt  werden;  eine  Betrachtungsweise,  die  wohl  geeignet  ist,  die 
Einseitigkeit  der  ausschließlich  vom  wissenschaftlichen  Standpunkte 
ausgehenden   zu  ergänze i,    bisher    aber    in    den    meisten    philosophie- 


250     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

geschichtlichen  Werken,  so  auch  in  dem  Zellerschen,  zu  wenig  zur 
Geltung  gekommen  ist.  In  einem  besonderen  Kapitel  werden  nur 
Thaies  und  seine  unmittelbaren  Nachfolger  (VI  321  ff.)  besprochen; 
sonst  ist  die  Schilderung  der  Wirksamkeit  und  der  Lehren  der  Philo- 
sophen überall  mit  der  Erzählung  der  Ereignisse  verflochten.  So  wird 
Pythagoras  an  zwei  Stellen  VI  629  ff.  und  668  ff.  behandelt  und  an 
der  letzteren  ihm  Xenophanes  angeschlossen.  VIII  414  ff.  findet  sich 
Parmenides  mit  Empedokles,  464  ff.  Heraklit,  der  hier  etwas  spät  auf- 
tritt, mit  Anaxagoras  vereinigt.  Von  dem  letzteren  ist  dann  wiederum 
VIII  21  ff.  in  bezug  auf  sein  Verhältnis  zu  Perikles  die  Rede,  und  der 
Bericht  über  die  gegen  ihn  erhobene  Anklage  schließt  sich  an  eine 
Darstellung  der  sophistischen  Neuerungen  (VIII  337  ff.)  an. 

Ganz  auf  dem  Boden  der  neuesten  Forschung  steht  auch  in  den 
uns  angehenden  Abschnitten  W.  Meyer.  Zunächst  gehört  hierher  der 
Abschnitt  über  die  geistige  Entwickelung  des  6.  Jahrhunderts  (S.  715 — 
762),  in  dem  nacheinander  behandelt  werden:  1.  das  Zeitalter  der  sieben 
Weisen;  2.  Stesichoros  und  die  Anfänge  des  Rationalismus;  3.  die  neue 
religiöse  Strömung  und  die  oriihischen  Mysterien ;  4.  die  orphische  Theo- 
logie; 5.  die  ionische  Philosophie:  Thaies,  Anaximander,  Hekataios, 
Anaximcnes  und  Xenophanes.  Die  Bedeutung  der  Orphik  für  die 
griechische  Entwickelung  des  6.  und  5.  Jahrhunderts,  namentlich  für 
die  der  Philosophie,  wird  von  M.  scharf  betont  und  mit  0.  Kern  eine 
weitgehende  Einwirkung  der  orphischen  Lehre  auf  Xenophanes,  Pytha- 
goras und  Heraklit  angenommen.  Beide  Richtungen,  die  der  Orphik 
und  der  ionischen  Naturphilosophie,  sind,  wie  Verf.  lichtvoll  ausführt, 
auf  demselben  Boden  erwachsen  und  beschäftigen  sich  zum  Teil  mit 
denselben  Problemen ;  aber  dem  streng  religiösen  Charakter  der  einen 
tritt  die  andere  schroff  gegenüber  und  wirft  sie  in  langem  Ringen  zu 
Boden.  —  S.  812 — 821  werden  dann  Pythagoras  und  Xenophanes  ein- 
ander gegenübergestellt.  Treffend  bemerkt  M.  im  vollen  Einklänge, 
wie  wir  sehen  werden,  mit  v.  Wilamowitz,  daß  P3'thagoras  seit  Boeckh 
als  Vertreter  der  gar  nicht  existierenden  dorischen  Weltanschauung 
gilt,  während  er  ein  lonier  war,  der  in  achäischen  Städten  wirkte. 


3.    Schriften  über  die  vorsokratische  Philosophie  im  ganzen  oder  über 
einzelne  ihrer  Gebiete  oder  Gruppen. 

Vorbemerkt  sei,  daß  wir  solche  größeren  Werke,  die  weitere 
Zeiträume  der  griechischen  Philosophie  umfassen,  aber  die  Vorsokratiker 
in  einem  selbständigen  Bande  ausführlicher  behandeln,  für  diesen  Ab- 
schnitt aufgespart  haben.  Wir  beginnen  mit  dem  nunmehr  in  5.  Aufl. 
vorliegenden  1.  Bande  des  großen  Zellerschen  Werkes: 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     251 

103.  Eduard  Zeller,  Die  Philosophie  der  Griechen  in  ihrer 
geschichtlichen  Entwickelung.  1.  T.:  Allgemeine  Einleitung.  Vor- 
sokratisclie  Philosophie.  4.  Aufl.  Leipzig  1876.  XIV,  1041  S.  gr.  8.  — 
Dasselbe  5.  Aufl.  in  2  Hälften.     Leipzig  1892.     XV,  1164  S. 

Daß  in  beiden  Auflagen  aufs  sorgfältigste  die  Ergebnisse  der 
neuesten  Forschung  notiert  und  je  nach  der  Stellung,  die  der  Verf.  zu 
ihnen  einnimmt,  entweder  zurückgewiesen  und  widerlegt  oder  für  die 
Ergänzung  oder  Berichtigung  des  Textes  verwertet  worden  sind,  ver- 
steht sich  bei  einem  Mann  wie  Zeller  von  selbst.  Nachdem  so  die 
vierte  Auflage  einen  Zuwachs  von  238  Seiten  und  die  fünfte  wiederum 
einen  von  123  Seiten  erhalten  hatte,  hielt  es  der  Verf.  für  geboten, 
die  letztere  in  zwei  Hälften  zu  zerlegen,  wie  das  früher  schon  mit  dem 
2.  und  3.  Bande  geschehen  war.  Die  1 .  Abteilung  schließt  mit  den 
Eleaten  und  die  2.  beginnt  mit  Heraklit.  Auch  in  der  neuesten  Ge- 
stalt behauptet  dieser  Band  den  hervorragenden  Platz  in  der  Ge- 
schichte der  Philosophie,  den  er  seit  seinem  ersten  Erscheinen  i.  J.  1855 
einnimmt,  und  legt  ein  rühmliches  Zeugnis  von  der  unverminderten 
Geistes-  und  Schaffenskraft  des  greisen  Gelehrten  ab.  Daß  Zeller  sich 
nicht  entschließen  konnte,  in  der  Aufeinanderfolge  der  Systeme  Ände- 
rungen eintreten  zu  lassen,  wie  sie  durch  den  jetzigen  Stand  der 
Forschung  geboten  erscheinen  könnten,  daß  er  z.  B.  Diogenes  nicht 
seinen  Platz  hinter  Anaxagoras  statt  hinter  Anaximenes  angewiesen 
oder  Demokrit  hinter  Anaxagoras  gestellt  hat,  wird  man  erklärlich 
finden,  wenn  man  bedenkt,  daß  sich  auf  diese  Weise  zwar  die  chrono- 
logische Folge  und  mit  ihr  die  genetische  Entwickelung  der  Lehren 
besser  ins  Licht  hätten  stellen  lassen,  dafür  aber  andere  Unzuträglich- 
keiteu  eingetreten  wären:  Diogenes  wäre  dann  aus  seiner  engen  Ver- 
bindung mit  der  Lehre  des  Anaximenes,  in  der  er  doch  nun  einmal 
steht,  herausgerissen  worden,  und  Demokrit  hätte  zugleich  von  Leukipp, 
mit  dem  er  die  Hauptbestandteile  seiner  Lehre  gemein  hat,  getrennt 
werden  müssen.  Wie  schwierig  eine  solche  Trennung  ist,  hat  der 
Versuch  einer  Scheidung  der  beiden  Atomiker  bei  Windelband  be- 
wiesen. Weit  unbedenklicher  hätte  Heraklit  zwischen  Xenophanes  und 
Parmenides  gesetzt  werden  können;  aber  diese  Umstellung  kam  für  Z. 
nicht  in  Frage,  da  er  an  seiner  früheren  Ansicht  über  das  zeitliche 
Verhältnis  zwischen  Parm.  und  Herakl.  festhält  (s.  S.  175,  1).  —  Es 
mögen  nun  die  wichtigsten  Ergänzungen  und  Abweichungen  der  5.  Aufl. 
von  der  4.  (die  Unterschiede  dieser  von  der  ihr  voraufgegangenen  jetzt 
noch  anzugeben,  können  wir  uns  ersparen)  bezeichnet  und  nur  hin  und 
wieder  daran  eine  kurze  Bemerkung  geknüpft  werden.  Ein  näheres 
Eingehen  auf  Einzelfragen  verschieben  wir  auf  den  speziellen  Teil.  — 
S.  52  ff",  hält  Z.  gegenüber    dem    neuerdings    von  0.  Kern    u.   a.    ge- 


252     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

machten  Versuchen,  umfangreichere  Entlehnung-en  aus  der  Mysterien- 
lehre bei  den  älteren  Philosophen  nachzuweisen,  an  der  Ansicht  fest, 
daß  eine  solche  Einwirkung  sehr  zweifelhaft  sei  und  eher  umgekehrt 
ein  Einfluß  der  Philosophen  auf  die  mystische  Theologie  angenommen 
werden  könne.  Im  einzelnen  jedoch  giebt  er  eine  Abhängigkeit  als 
möglich  zu,  so  S.  60,  2  in  bezug  auf  Empedokles.  —  61  ff.  und  480  ff. 
weist  er  die  ünwahrscheinlichkeit  der  Annahme  eines  ägyptischen  Ur- 
sprungs der  Seelen  Wanderungslehre  nach  und  erklärt  sich  auch 
gegen  die  Ableitung  der  pythagoreischen  Philosophie  aus  Indien 
(v.  Schröder).  —  98  ff.  mehrere  neue  wertvolle  Bemerkungen  über  die 
verschiedeneu  orphischen  Theogonieen  und  ihre  Entstehung.  —  184 
werden  Tanuerys  Vermutungen  über  die  Voranssagung  einer  Sonnen- 
finsternis durch  Thaies  für  möglicherweise  zutreffend,  dagegen  195,  3 
die  entwickeltere  Kosmologie,  die  dieser  Gelehrte  dem  Thaies  zuschreibt, 
für  unerweisbar  erklärt.  —  199,3:  die  Einwendungen  Tanne rys  gegen 
die  räumliche  Unbegrenztheit  des  ocTisipov  bei  Anaximander  sind  halt- 
los. —  217,  2:  die  früher  von  Z.  als  zweifelhaft  hingestellte  Nachricht 
über  die  Bezeichnung  des  a'iisipov  als  dpyv]  bei  Anaximander  muß  jetzt 
als  durch  Theophrast  bezeugt  und  daher  als  glaubwürdig  gelten.  — 
221,  2:  Teichmüliers  und  Tannerys  Annahme,  daß  das  austpov  eine 
Kugel  und  seine  Bewegung  eine  Achsendrehung  sei,  wird  zurückgewiesen. 
—  248,  2  und  253,  2:  Chiappellis  Vermutung,  daß  Anaximenes 
vieles  den  Pythagoreern  entlehnt  habe,  entbehrt  jeder  geschichtlichen 
Begründung;  eher  ließe  sich  das  umgekehrte  Verhältnis  denken.  — 
275  ff.  wird  jetzt  nach  Diels'  Vorgang  die  Abhängigkeit  des  Diogenes 
nicht  nur  von  Anaxagoras,  sondern  auch  von  Leukipp  als  wahrschein- 
lich bezeichnet.  —  303  ff.  hält  Z.  an  der  Ünwahrscheinlichkeit  einer 
ägj^ptischen  Reise  des  Pythagoras  fest.  —  526  ff.  ist  ein  neuer  Ab- 
schnitt über  Xenophanes'  Monotheismus  eingefügt,  für  den  sich  Z. 
nach  wie  vor  trotz  Freudenthal  ausspricht.  —  537  ff.  wird  die 
schwierige  Ei'age,  wie  sich  Xenophanes  die  Welt  gedacht,  namentlich, 
ob  er  sie  für  unbegrenzt  oder  begrenzt  gehalten  habe,  ausführlicher 
erörtert  und  ein  früher  für  möglich  erklärter  Widerspruch  in  seiner 
Auffassung  beseitigt.  —  594  ff.  wendet  sich  Z.  gegen  Tannerys  An- 
sicht von  der  Bedeutung  der  Zenonischen  Beweise;  doch  vermissen 
wir  eine  nähere  Beleuchtung  der  Behauptung  des  Gegners,  fast  alle 
jene  Beweise  seien  gegen  die  Vielheit  gerichtet.  —  606,  1  wird  Pabsts 
Nachweis,  daß  ein  Teil  der  von  Simplicius  überlieferten  Fragmente  des 
Meli s SOS  nicht  echt  sei,  als  überzeugend  bezeichnet.  —  610,  3:  Gegen 
Kerns,  Natorps  und  Tannerys  Überschätzung  und  Mißdeutung  der 
Lehre  des  Melissos.  —  646  f.:  In  Heraklits  System  muß  die  Lehre 
vom  Fluß  aller  Dinge  der  vom  Feuer  als  Urstoff  vorausgegangen  sein, 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     253 

nicht  umgekehrt,  wie  Soulier  will.  —  662  f.:  Man  dai f  Heraklit  nicht 
mit  Gomperz  zum  Urheber  der  Lehre  von  der  Relativität  der  Eigen- 
schaften machen.  —  Bei  der  Besprechung  mehrerer  heraklitischer  Frag- 
mente, z.  B.  S.  672,  1;  708,  5;  711,  2,  fällt  es  auf,  daß  Z.  Putins 
Ansichten,  die  dieser  damals  wenigstens  teilweise  schon  veröffentlicht 
hatte,  nicht  berührt,  wie  er  denn  auch  der  fleißigen  und  bedeutsamen 
Forschungen  dieses  Mannes  und  seiner  eigentümlichen  Auffassung  der 
Philosophie  Heraklits  nirgends  Erwähnung  thut.  —  713,  4:  Gegen 
Teichmüller  und  Schläger,  die  die  Annahme  einer  Fortdauer  der 
Seelen  nach  dem  Tode  Heraklit  absprechen.  —  741  ff',  wird  Pfleiderers 
Herleitung  der  Heraklitischen  Lehre  aus  der  „Mysterienidee"  sehr  ent- 
schieden bekämpft  und  die  Vermutung,  dal!  Her.  ägyptische  Einflüsse 
(Teichmüller  und  Tannery)  oder  zoroastrische  (Chiappelli)  erfahren  habe, 
für  unerweislich  erklärt.  —  793  ff.  bietet  die  Erörterung  über  die  Ent- 
stehung der  lebenden  Wesen  nach  der  Lehre  des  Empedokles  vieles 
Neue.  —  837  ff",  stellt  sich  Z.  in  dem  Streite  zwischen  Diels  und 
Rohde  über  die  Geschichtlichkeit  der  Person  Leukipps  auf  des 
ersteren  Seite.  —  872  ff",  verteidigt  er  ausführlich,  aber  meines  Erachtens 
nicht  glücklich  seine  Auffassung,  daß  den  Atomikern  die  Fallbewegung 
die  ursprüngliche  gewiesen  sei,  gegen  Briegers  Annahme  eines  un- 
geordneten Durcheinanderfliegens  der  Atome  (vgl.  888  f.).  —  933  wird 
die  Möglichkeit  zugestanden,  daß  Demokrit  durch  die  Sophisten,  viel- 
leicht auch  durch  Sokrates  (?)  zu  seinen  ethischen  Betrachtungen  an- 
geregt worden  sei,  die  oben  (zu  No.  79 — 81)  besprochene  Annahme 
einer  systematischen  Bearbeitung  der  Sittenlehre  durch  den  Abderiten 
dagegen  widerlegt.  —  958  f. :  Während  Z.  früher  meinte,  Empedokles' 
Lehre  und  die  Atomistik  hätten  sich  aus  den  gleichen  Voraussetzungen 
entwickelt,  neigt  er  sich  jetzt  mehr  der  von  Diels  vertretenen  Ansicht 
zu,  daß  Emped,  den  Leuk.  zum  Vorgänger  habe.  —  960  spricht  er  sich 
dagegen  aus,  daß  Demokrit  tiefer  von  Protagoras  beeinflußt  worden 
sei  (Windelband).  Die  Anm.  1  hinzugefügte  Begründung  ist  jedoch, 
wie  wir  später  sehen  werden,  unzulänglich.  —  1037  ff.:  Verteidigung  der 
Ansicht  Zellers,  daß  Archelaos  nichts  Erhebliches  für  die  Ethik  ge- 
than  habe.  —  1073,  4  ist  eine  Besprechung  über  die  ^laXsEaic  q^i- 
xat  hinzugefügt  worden.  —  1088,  1:  Gegen  Gomperz'  Hypothese,  daß 
der  Verfasser  der  Schrift  -epl  xiy^r[z  Protagoras  sei.  —  1095  ff. 
wendet  sich  Z,  gegen  die  generalisierende  Auffassung  des  Protagoreischeu 
Hauptsatzes,  tritt  mit  neuen  Gründen  für  die  Zuverlässigkeit  der  Dar- 
stellung Piatons  im  Theaetet  ein  und  sucht  es  endlich  wahrscheinlich 
zu  machen,  daß  Protag.  in  seiner  Erkenntnistheorie  von  Heraklits 
Bewegungs-  und  Gegensatzlehre  ausgegangen  sei.  —  1121,  1:  Gegen 
Harpfs  Annahme  einer  doppelten  Begründung  der  Moral  durch  Protag. 


2ü4     Berichte  über  die  griecbiscben  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

—  1126  f.:  Ausführlicheres  über  den  Standpunkt  des  Protag.  dem  Rechte 
und  Gesetze  gegenüber.  —  1157  if.  wird  die  Möglichkeit  bestritten,  daß 
die  Skpepsis  des  Protag.  auf  Demokrit  zurückgehe;  umgekehrt  kann 
Dem.  die  Bemerkungen  des  Prot,  über  die  Subjektivität  unserer  Vor- 
stellungen benutzt  haben.   — 

Neu  erschienen  sind  folgende  Gesamtdarstellungen  der  vorsokrati- 
schen  Philosophie: 

104.  S.  A.  Byk,  Die  vorsokratische  Philosophie  der  Griechen 
in  ihrer  organischen  Gliederung.  Leipzig.  8.  I.  T. :  Die  Dualisten. 
1876.     VI,  270  S.     IL  T.:  Die  Monisten.     1877.     VI,  239  S. 

105.  Paul  Tannery,  Pour  Thistoire  de  la  science  hellene.  De 
Thaies  h  Empedocle.     Paris  1887.     VII,  396  S.     8. 

106.  John  Burnet,  Early  Greek  Philosophy.  London  and 
Edinburgh  1892.     VI,  378  S.     gr.  8. 

107.  Das  Vorstadium  und  die  Anfänge  der  Philosophie.  Aus 
dem  Nachlaß  von  Gustav  Glogau,  herausg.  von  H.  Siebeck.  Kiel 
und  Leipzig  1895.     X,  79  S.     gr.  8. 

108.  Theodor  Gomperz,  Griechische  Denker.  Eine  Geschichte 
der  antiken  Philosophie.    1.  Band.    Leipzig  1896.    VI,  478  S.    gr.  8» 

Das  Urteil,  das  Susemihl,  Jahresb.  II  III,  1,  268,  über  den 
ersten  Teil  des  Bykschen  Werkes  gefällt  hat,  daß  es  ein  völlig  kritik- 
loses und  unbrauchbares  Buch  sei,  trifft  auch  den  zweiten  Teil,  der 
Heraklit,  die  Eleaten,  die  Atomiker  und  die  Sophisten  behandelt.  B. 
operiert  beständig  mit  modernen  Kunstausdrücken,  die  er  in  wirrer 
Weise  auf  die  alten  Philosophen  anwendet.  Seine  Darstellung  wimmelt 
von  sachlichen  wie  sprachlichen  Unklarheiten  und  Widersprüchen,  zeigt 
von  philologischer  Kritik  keine  Spur  und  ist  obendrein  noch  in  einem 
mangelhaften  Deutsch  geschrieben. 

Tannery  hat  in  seiner  Arbeit,  deren  Anfangskapitel  über  die 
doxographische  Überlieferung  und  die  Chronologie  wir  bereits  erwähnt 
haben,  eine  Fülle  von  Problemen  teils  zum  ersten  Male  aufgeworfen, 
teils  schärfer,  als  dies  bisher  meist  geschehen  war,  ins  Auge  gefaßt 
und  zu  lösen  gesucht.  Da  ich  über  die  Schrift  in  der  Berl.  Ph.  Wschr. 
1890,  749  ff.  und  781  ff.  ausführlich  berichtet  habe  (vgl.  Gomperz 
D.  L.-Z.  1888,  1572  f.,  ferner  die  Selbstrezension  Tannerys  Arch.  f. 
G.  d.  Philos.  II  492  ff.  und  besonders  die  genaue  Besprechung  von 
Natorp  Philos.  Mon.-H.  XXV  [1889],  204  —  223,  dem  ich  jedoch  nicht 
überall  beistimmen  kann)  und  auf  manche  Einzelheit  später  einzugehen 
sein  wird,  so  beschränke  ich  mich  hier  auf  eine  kurze  Hervorhebung 
der  Hauptergebnisse.    T.  stellt  die  naturwissenschaftlichen,  insbesondere 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortziag.)     255 

die    kosmischen    Anschauungen    der    ältesten   Philosophen,    die    in    der 
Regel  als  ein  bloßes  Anhänf.'sel    ihrer   philosophischen  Lehren    und  als 
ein  loses  Konglomerat  betrachtet  werden,  in  den  Vordergrund  und  ver- 
folgt sie  in   ihrer    geschichtlichen  Entwickelung    und    zugleich    in    den 
yrechselseitigen    Beziehungen,    zu    denen    sie    mit    den    metaphysischen 
Spekulationen    ihrer  Urheber    stehen ,    um    so    die  disiecta    membra  zu 
einem  möglichst   einheitlichen  Ganzen    zusammenzufassen.     Er    schließt 
sich  hierbei  in  vielen  Punkten  an  Teichmüller    an,    dessen    geistvollen 
und  blendenden  Hj'pothesen    gegenüber  er  sich    indes    etwas  kritischer 
hätte  verhalten  sollen.     Von   diesen  Gesichtspunkten    aus    behandelt  er 
nach  einander  Thaies,  Anaximander,  Xenophanes,  Anaximenes,  Heraklit, 
Hippasos,    Alkmaion,    Parmenides,    Zenon,    Melissos,   Anaxagoras  und 
Empedokles.     Pythagoras,    über  den  wir  ja  nur  sehr    unsichere  Nach- 
richten haben,  fehlt  in  dieser  Eeihe;  doch  fügt  Verf.  seine  Vermutungen 
über   dessen  Lehre    an  passender   Stelle    ein    und    berührt    gelegentlich 
auch  das  System  des  Philolaos.     Eine  empfindliche  Lücke    ist  dadurch 
entstanden,    daß  die  Atomiker  völlig    übergangen    sind.     Das  Gesamt- 
ergebnis   läßt    sich    etwa    so    zusammenfassen:     Der    Fortschritt    der 
wissenschaftlichen  Entwickelung    vollzieht  sich   namentlich  in   zwei  ent- 
gegengesetzten Richtungen ,    von    denen  die    eine    in    der    monistischen 
Weltansicht  der  lonier,  die  andere  in  der  dualistischen  der  Pythagoreer 
zum  Ausdruck  kommt.     Diese  beiden  Richtungen  führen,  teils  sich  be- 
kämpfend, teils  sich  berührend  und  ergänzend,  mit  der  Zeit  zu  tieferer 
und  klarerer  Auffassung  des  Kosmos  und  erzeugen  zugleich  eine  Reihe 
allgemeiner  Grundvorstellungen,  wie  die  des  Unbegrenzten,  des  Einen, 
des  räumlichen  Kontinuums,    des  Leeren,    der  Materie,    die,    zunächst 
noch  konki-et    angeschaut,    allgemach    einen    abstrakten  Charakter    er- 
halten.    In    der    genaueren    Verfolgung    dieser    Gedanken    verschieben 
sich   dem  Verf.    die    von    der    bisherigen  Forschung    gezogenen  Grenz- 
linien zwischen  den  einzelnen  Systemen,  ja  zum  Teil  wird  die  Tradition 
geradezu  auf  den  Kopf  gestellt.    Als  eigentlicher  Begründer  der  wissen- 
schaftlichen und  philosophischen  Erkenntnis  ist  nach  T.  nicht,  wie  seit 
Aristoteles  allgemein  angenommen  wird,   Thaies,  sondern   Anaximander 
anzusehen.    Das  Band  zwischen  Xenophanes  und  Parmenides  wird  völlig 
zerrissen  und  dieser  dem  Heraklit  genähert,  zugleich  aber  auch  als  ab- 
hängig von  Pj'thagoras  dargestellt,  dessen  pluralistische  Theorie  ebenso 
auch  auf  Empedokles  und  Anaxagoras  ihren  Einfluß  ausübt.    Der  letztere 
sucht  diese  Lehre  in  seiner  neuen  Auffassung  von  der  Materie  mit  dem 
altionischen    Monismus    zu    versöhnen.      Auch    die    Entwickelung    der 
eleatischen  Philosophie  erscheint    in  einem    neuen  Lichte.     Parmenides 
ist    im    Grunde    reiner    Realist;    Zenon    leugnet    nicht    die  Bewegung, 
sondern  nur  die  Vielheit  der  Dinge;  der  Urheber  des  Idealismus  aber, 


256     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

als  der  sonst  Auaxagoras  gilt,   ist  Melissos.     Diese  Thesen,   die,   ihre 
Richtigkeit  vorausgesetzt,    zu   einer    vollständigen  Umwälzung    unserer 
geschichtlichen  Auffassung  führen    müsste.    entwickelt  T.  mit    solchem 
Geschick  und  solcher  Wärme    der  Überzeugung,    daß   es  schwer  wird, 
sich  ihm  bei    der  Lektüre    nicht   gefangen  zu  geben.     Eine    besonnene 
und  nüchterne  Prüfung   läßt  jedoch    die  Schwäche    der  Beweisführung 
und  die  Unsicherheit  und  Haltlosigkeit  vieler  Annahmen  erkennen,  auf 
die  gelegentlich  auch  schon   von  Zeller    hingewiesen  worden    ist.     Vor 
allem  ist  dagegen  Einspruch  zu  erheben,    dal.i    die  Vorsokratiker ,    mit 
Ausnahme  Heraklits,    in    erster  Linie  Naturforscher    und    nicht  Philo- 
sophen gewesen  sein  sollen.     Mag  die  Naturbetrachtung    eine    noch  so 
große  Rolle  bei  ihnen  spielen,    so  ist  das,    w'orauf  es  ihnen  vor  allem 
ankommt,  nicht  die  Beschreibung  und  Erklärung  des  Kosmos,  sondern 
die  Auffindung  des  gemeinsamen  Grundes  und  Wesens  der  Dinge,    aus 
dem  sich  die  konkreten  Erscheinungen    herleiten    lassen.     Insbesondere 
bei  den  Eleaten  überwiegt  das  metaphysische  Interesse  weit  das  physi- 
kalische,   und  Zenon  und  Melissos  waren  überhaupt    nur  Metaphysiker 
und  Dialektiker.     Die  einseitige  Hervorhebung    des    naturwissenschaft- 
lichen Elementes  hat  T.  zu  bedenklichen  Folgerungen  geführt.     Thaies 
seiner  philosophischen  Bedeutung  völlig  zu  entkleiden,  geht  denn  doch 
nicht  an.     Ebensowenig    darf  man    mit  T.  in  Xenophanes    vornehmlich 
einen  humoristischen  Dichter  und  einen  wenn  auch  nicht  systematischen 
Zweifler  und  Spötter  sehen  und  den  denkenden  Philosophen  in  ihm  ganz 
zurücktreten  lassen.     Das  ov  des  Parmenides    ferner    stellt    sich  T.  zu 
realistisch  vor  und  würdigt  zu  wenig  in    dieser  Vorstellung    die  kühne 
Abstraktion  des  Denkens    von  dem ,    was   die   sinnliche  Wahrnehmung 
uns  darbietet.    Umgekehrt  erscheint  Melissos  in  einem  zu  idealistischen 
Lichte;  eine  Auffassung,  in  der  sich  T.  übrigens  mit  F.  Kern  begegnet 
(s.  n.).    Auch  die  geistvolle  und  kühne  Hypothese  über  den  Begriff  der 
Materie  bei  Auaxagoras,  dem  die  Bestandteile  der  Dinge  nicht  materielle 
Urstoffe,    sondern    reine  Qualitäten   seiu   sollen,    dürfte    vor    einer  be- 
sonnenen Kritik    nicht    standhalten.     Auf  der   andern  Seite  finden  sich 
in  dem  Buche  auch  viele  treffliche  Ausführungen,    denen  mau  gern  zu- 
stimmt.    Zu  diesen  rechne  ich  besonders  die    nachdrückliche  Betonung 
der    bahnbrechenden    Bedeutung    Anaximanders,    die    Würdigung    des 
Anaximenes  als  Naturforscher  und  die  höchst  scharfsinnige  Auseinander- 
setzung über  Zenons  Polemik  gegen  die  pythagoreische  Auffassung  von 
der  Materie.    Doch  stellt  sich  T.  in  der  Behandlung  des  letztgenannten, 
schwierigen  Problems    auf    einen    etwas  zu  einseitigen  Standpunkt  (ist 
es  so  ausgemacht,  daß  Zenon  nur  die  Pythagoreer  und  nicht  etwa  auch 
Leukipp  vor  Äugen  gehabt  hat?)  und  geht  zu  weit,    wenn  er  den  Be- 
weisen des  Eleaten  jede    gegen    die  Bewegung    gerichtete  Absicht    ab- 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     257 

spricht.  Zu  diesen  und  andern  falschen  Deutungen  konnte  Verf.  nur 
auf  dem  meines  Erachteus  verfehlten  "Wege  gelangen,  daß  er  die  Glaub- 
würdigkeit des  Aristoteles  herabsetzt  und  ihn  der  sclilimmsten  Miß- 
verständnisse beschuldigt.  —  Den  Beschluß  des  Buches  machen  zwei 
Anhänge,  von  denen  der  erste  eine  Übersetzung  von  Theophrasts  Frag- 
ment de  sensu  nach  dem  Texte  von  Diels  enthält,  der  zweite  „sur  l'arith- 
metique  pj^thagorienne"  handelt.  Vgl.  zu  der  letzteren  Cantor,  Zschr. 
f.  iMath.  1888  No.  3. 

Burnets    Werk,    das    wir    in    dem  Abschnitt  über  Chronologie 
bereits    erwähnt    haben,    ist    eine    der  ausgezeichnetsten  Arbeiten  über 
griechische  Philosophie,  die  in  den  letzten  Jahrzehnten  erscliienen  sind, 
und    kann    als    eine  treffliche  Ergänzung  zu  der  neuesten  Auflage  von 
Zellers    erstem  Bande    gelten,    mit    dem    es    gleichzeitig    veröffentlicht 
worden    ist.     Der  Verf.    behandelt  die  vorsokratischen  Philosophen  mit 
Ausnahme  Demokiits  und  der  Sophisten,  die  er  einer  späteren  Periode 
zurechnet,   eingehend  und  erschöpfend.     Wir  erhalten  sowohl  über  ihre 
äußeren  Verhältnisse  (Chronologie,  Leben  und  Schriften)  wie  über  ihre 
Lehren    genauen    Aufschluß.     B.    steht    durchweg    auf   der  Höhe    der 
modernen    Forschung;    er    kennt    die    neueste    Litteratur,    naraeotlich 
auch    die  deutsche,    mit  ganz  geringen  Ausnahmen,    begnügt  sich  aber 
keineswegs    mit    einer  Wiedergabe  ihrer  Ergebnisse,    sondern  hat  sich 
auf  grund  umfassender  Quellenstudien  sein  eigenes  Urteil  gebildet,    das 
er  stets  scharfsinnig  zu  begründen  weiß.    Der  Überlieferung  gegenüber 
übt  er  eine  durchaus  selbständige,    scharfe,  bisweilen  zu  scharfe  Kritik 
und    kommt    so    oft    genug  zu  Annahmen,    die  von  denen  der  übrigen 
Gelehrten  abweichen  und  schwierige  Fragen  auf  eine  neue,  eigentümliche 
Weise    beantworten.     Daß    er    hierbei    öfter    fehlgreift,    kann    bei   der 
Mangelhaftigkeit    und  Unklarheit    unserer  Überlieferung   nicht    wunder 
nehmen.     Ein   besonderer  Vorzug  des  Buches  ist  es,    daß  dfe  doxogra- 
phischen  Angaben  und  ebenso  die  Fragmente  bei  jedem  Philosophen  in 
englischer   Übersetzung    dem  Texte    eingefügt    sind.     Die  Noten    unter 
dem  Texte  enthalten  nicht  selten  wertvolle  Beiträge  zur  Erklärung,  ge- 
legentlich   auch    zur   Kritik    schwieriger  Stelleu.     Wir    bedauern,    nur 
kurz    auf  die  bemerkenswertesten  Punkte  in  der  Darstellung  des  Ver- 
fassers hinweisen  zu  können,  um  so  mehr,  als  auffallenderweise  bisher, 
soviel  wir  wissen,    keine  Besprechung  des  Werkes  erschienen  ist.     Die 
Einteilung    und  Anordnung    der  Sj-steme,    die    sich  streng  an  die  vom 
Verf.  angenommene  zeitliche  Abfolge  hält  und  größtenteils  mit  der  von 
Windelband     übereinstimmt,    ist    folgende:     I.    The    Milesian    school. 
IL  Science  and  Religion  (Pythagoras  und  Xenophanes).   III.  Herakleitos. 
IV.  Parmenides.     V.  Empedokles.    VL  Anaxagoras.     VII.  The  Pytha- 
goreans.     VIII.    The  younger  Eleatics  (Zenon  und  Melissos).     IX.   The 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    Bd.  LXXXXVI.  (1898. 1.)  IT 


258     BericLte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates     (Lortzing.) 

revival  of  Philosophy  in  lonia  (Hippou,  Idaios,  Leukippos,  Diogenes, 
Archelaos).  —  lu  der  Einleitung,  die  den  philosophischen  „Hylozoisnius" 
scharf  von  den  abergläubischen  Vorstellungen  der  ältereu  Dichter  scheidet 
und  die  Entlehnung  philosophischer  Gedanken  vom  Orient  bestreitet, 
wird  S.  10  ff.  hervorgehoben,  daß  die  älteren  Philosophen  sich  nicht  in 
Begriffen,  sondern  in  Vorstellungen  bewegten  und  die  vielen  Termini, 
die  ihnen  traditionell  beigelegt  werden,  erst  späteren  Ursprungs  sind. 
Wenn  hierbei  behauptet  wird,  9631;  bedeute  den  Alteren  „die  Grund- 
substanz",  so.  nicht  apyr,  (?),  habe  Anaxiniauder  sein  ocTistpov  genannt, 
und  -spl  cp'j3£toc  sei  daher  die  Überschrift  gewesen,  die  sie  ihren  Büchern 
gegeben  hätten,  so  sind  dies  Vermutungen,  die  schon  dadurch  hinfällig 
werden,  daß  es  sehr  zweifelhaft  ist,  ob  Titel  wie  Trepl  tputjetoc  von  den 
Älteren  selbst  herrühren.  —  Über  Thaies  urteilt  B.  sehr  besonnen, 
geht  aber  wohl  zu  weit,  wenn  er  nicht  ihn,  sondern  seinen  Nachfolger 
als  den  ersten  Hylozoisten  bezeichnet  (vgl.  0.  die  ähnliche  Auffassung 
Tanneiys).  Die  verschiedenen  Anffassungen  über  Anaxim anders 
ötTietpov  werden  klar  geschieden  und  scharf  beurteilt;  das  Schlußergebnis 
jedoch,  nach  dem  alle  diese  Erklärungen  unrichtig  sind,  aber  alle  eine 
gewisse  W'ahiheit  enthalten,  möchte  ich  nicht  unterschreiben.  —  64  ff. 
bekämpft  B.  mit  großer  Entschiedenheit  die  herrschende  Meinung,  daß 
die  „unzähligen  Welten"  Auaximanders  successiv  seien;  er  hält  sie  viel- 
mehr für  koexistent.  —  Gegen  die  Zeugnisse  des  Altertums,  auch  die 
des  Aristoxenos  und  Dikäarch  über  Pythagoras,  verhält  sich  Verf. 
sehi-  skeptisch  und  geht  hierin  noch  weiter  als  Zeller;  aber  das  giebt 
er  zu,  daß  Pyth.  kein  „bloßer  Medizinmann"  war,  sondern  eine  kos- 
mologische  Theorie  gehabt  hat,  wogegen  er  die  Zahlenlehre  nicht  auf 
ihn  zuiückführt,  sondern  erst  bei  den  Pythagoreern  des  5.  Jahrhunderts 
entstehen  läßt  (?).  Hier  hat  wohl  die  künstliche  Loslösung  des  Pyth. 
von  seiner  Schule  unwillkürlich  auf  die  Auffassung  und  Darstellung  ein- 
gewirkt. —  Xenophanes  beurteilt  B.  ähnlich  wie  Tauneiy  (s.  0);  er 
sieht  in  ihm  nur  einen  Satiriker,  der  eine  Zeitlang  zu  den  Füßen  Anaxi- 
manders  gesessen  halte,  und  unterschätzt  allzusehr  seine  philosophische 
Bedeutung.  Die  Erörterung  über  seine  Lehre  enthält  manche  treffende 
Bemerkung;  aber  der  Widerspruch,  der  nach  unseren  Quellen  in  Xe- 
nophanes' Beantwortung  der  Frage  nach  der  Begrenztheit  des  Alls 
lag,  scheint  mir  nicht  beseitigt  zu  sein.  —  Treffend  und  schön  ent- 
wickelt B.  den  Grundgedanken  Heraklits,  den  er  mit  Patin  in  der 
Lehre  von  der  Einheit  der  Gegensätze  erblickt,  und  die  weitere  Ent- 
faltung dieses  Gedankens  in  der  Lehre  vom  Feuer  vom  Feuer  und  vom 
Fluß.  Die  £x-üp(üai;  will  er  nicht  als  Heraklitisch  gelten  lassen  und 
stellt  die  dagegen  sprechenden  Gründe  geschickt  zusammen.  Mit  vollem 
Jlechte    weist  er  Teichmüllers  Auffassung  Heraklits  als  Theologen  und 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     259 

mit  Zeller    den   von  Pfleiderer  vermuteten  Zusammenhang-  seiner  Lehre 
mit  der  Mysterienidee  zurück,  indem  er  zeigt,  daß  Her.  im  Gegensatze 
zu  Pythagoras  der  religiösen  Bewegung  seiner  Zeit  vielmehr  feindselig 
gegenüberstand.     Über  Heraklits  Auffassung  vom  Tode  dagegen  spricht 
er    eine    etwas  phantastische,    durch  allzu  künstliche  Deutung  gewisser 
Fragmente  gewonnene  Ansicht  aus:   Her.  soll  einen  feurigen  und  einen 
wässerigen  Tod  unterschieden  haben ;    die  den  ersteren  sterben,  werden 
unsterblich  (!).  —  In  der  Lehre  des  Parmenides  läßt  B.  zu  sehr  den 
Einfluß  des  Pythagoras  überwiegen,  dem  jener  doch  nur  in  seiner  Ao;a 
gefolgt  sein  kann,  und  drängt  den  des  Xenophanes  zu  sehr  in  den  Hinter- 
grund.   Auch  betont  er  wie  Tannery  einseitig  das  Realistische  bei  Parm.; 
dieser  sei  nicht  der  Vater  des  Idealismus,    sondern  gerade  jeder  Mate- 
rialismus beruhe   auf  seiner  Anffassunix  des  Wirklichen.     Die  Dt^utung 
der  axEtpavat  des  Parm..  (sie  sollen  keine  Kugeln,  sondern  konzentrische 
Ringe,    auch    die  Erde  nicht  kucelförmig,  sondern  rinaförmig  [?]  sein), 
ist  jetzt  durch  Berser  und  Diels  überholt  worden.  —  Zu  weit  geht  die 
Behauptung,  Empedokles  stehe  zu  Heraklit  in  gar  keiner  Beziehung, 
man    vergleiche    nur  das  Netxo?,    das  B.  auf  Anaximander  (?)  zurück- 
führen möchte,  mit  dem  rioXefxo;  oder  der  "Ept?  Heraklits.     Annehmbar 
dagegen  ist,  was  über  die  Bedeutung  der  Empedokleischen  Bezeichnunsen 
für  die  Elemente,  über  den  Zusammenhang  der  <:pt).oTr)c  mit  dem  mensch- 
lichen Gefühl  der  Liebe  nnd  über  die  Stofflichkeit  der  beiden  bewegenden 
Kräfte    gesagt    wird.     Auch    den   Widerspruch  zwischen   der  Theologie 
und  Religion  hat  B.  gut  beleuchtet,  nicht  scharf  genug  freilich  betont, 
daß    auch    diese  Theologie    wieder    mit    seinem  physikalischen  Systeme 
nicht  im  Einklang  steht.  —  Die  Auffassung,  die  B.  mit  Tannery  (s.  o.) 
teilt,  daß  die  Urstoffe  des  Anaxagoras  keine  Gestaltungen  der  Materie, 
sondern  nur  die  entgegengesetzten  Qualitäten  der  Dinge  seien,    ist  be- 
reits  von  Zeller  widerlegt  worden.     Auch  die  Unterscheidung  zwischen 
ypr^fiara  und  a-£p[xaTa  bei  Anaxag.  muß  als  verfehlt  bezeichnet  werden. 
Der  voüc  desselben  Philosophen  wird  zu  stofflich  aufgefaßt  (vgl.  Windel- 
band)   und    damit    seine  im  Altertum   anerkannte  Bedeutung  zu  wenig 
gewürdigt.  —  In    der  Frage    der  Echtheit    der  Philolaischen  Frag- 
mente stellt  sich  B.  auf  die  Seite  derer,  die  sie  radikal  verwerfen.    In 
der  Darstellung  der  Zahlenlehre  der  Pythagoreer  folgt  er  den  gründ- 
lichen Untersuchungen  Bäumkers  (s.  o.)  und  führt  gegen  Zeller  für  die 
Annahme,    daß    diese  Lehre    ursprünglich    nicht    einen  arithmetischen, 
sondern   einen    geometrischen  Charakter  hatte,    beacl)tenswerte  Gründe 
an.     Die    Ansicht,    daß    die  Zahlen    , durch  Nachahmung"    existierten, 
verwirft    er  als    nicht   altp5i;hagoreisch  und  führt  «ie  auf  einen  Irrtum 
zurück.  —  In  bezug  auf  die  Zenonischen  Beweise  tritt  er  im  wesent- 
lichen der  Auffassung  Tannerys  (s.  o.)  bei.  —  In  der  Verwerfung  eines 

17* 


260     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

Teiles  der  bei  Simplicius  überlieferten  Fragmente  des  Melissos  trifft 
er  mit  Pabst  (s.  u.)  zusammen,  wobei  er  bemerkt,  daß  er  vor  Kenntnis 
der  Abhandlung  dieses  zu  dem  gleichen  Erji;ebnis  gelangt  sei.  —  Den 
Auteil,  den  Leu  kipp  an  der  atomistischen  Lehre  gehabt  hat,  beschränkt 
B.  mit  Windelband  (s.  o.)  auf  ein  zu  geringes  Maß. 

Die  Skizze  von  Glogau,  über  die  ich  Berl.  Ph.  Wschr.  1897, 
579  ff.  berichtet  habe,  stellt  die  Anfänge  der  Philosophie  in  so  eigen- 
artiger und  fesselnder  Weise  dar,  daß  die  Arbeit  trotz  ihrer  Kürze 
und  trotz  mancher  Fehlgriffe  im  einzelnen  Beachtung  verdient.  Nach 
einer  kurzen  Einleitung  über  das  Verhältnis  der  Philosophie  zur  Eeligion 
wird  zunächst  die  „Weisheit  des  Orients"  (Babylonier,  Ägypter,  Chinesen 
und  Indo-Iranier)  geistvoll  skizziert.  Dem  Hauptabschnitt  über  die 
griechische  Philosophie  (S.  48 — 79)  geht  eine  Übersicht  über  den 
Götterglauben  Homers  und  Hesiods  sowie  über  die  dionysische  und 
orphische  Lehre  voraus.  Von  den  milesischeu  Philosophen  wird  Thaies 
ziemlich  eingehend,  die  beiden  anderen  dagegen  unverhältnismäßig  kurz 
behandelt,  ebenso  Diogenes.  Von  der  Lehre  des  Pythagoras  entwirft 
G.  ein  anschauliches  und  im  wesentlichen  richtiges  Bild;  doch  durften 
jnugpythagoreische  Vorstellungen  wie  die  von  der  Tzputzt]  (xova?  und  der 
Weltseele  nicht  auf  die  ältere  Schule  übertiagen  werden.  Nicht  ein- 
verstanden sind  wir  mit  der  Behandlung  der  Eleaten.  Die  Lehren  des 
Xenophaues  und  Pai'meuides  werden  unklar  und  teilweise  irrtümlich 
dargestellt  und  Melissos  ganz  übergangen.  Die  Darstellung  Heraklits 
verknüpft  sinnreich  die  wichtigsten  Aussprüche  und  Lehren  des  „Dankein" 
zu  einem  lebensvollen  Ganzen,  läßt  aber  in  der  Auswahl  der  Bruch- 
stücke die  erforderliche  Kritik  vermissen.  Bei  Empedokles  wird  ver- 
geblich versucht,  die  Lehre  vom  Abfall  der  Seeleu  mit  dem  Ausein- 
anderfallen des  Sphairos  in  Beziehung  zu  setzen.  Gegen  die  Aus- 
führungen über  Demokrit  ist  manches  einzuwenden.  So  soll  er  den 
„Zweck"  für  eine  psychologische  Täuschung  erklärt  haben  (!).  Für 
die  von  ihm  behauptete  Subjektivität  und  Dunkelheit  der  Sinneserkennt- 
nis wird  eine  unhaltbare  Erklärung  gegeben.  —  Der  zweiten  Periode, 
die  als  „attische  Philosophie"  bezeichnet  wird,  weist  G.  auch  die  So- 
phisten zu,  deren  Lehren  im  ganzen  zutreffend  skizziert  werden.  —  Den 
Schluß  bildet  Sokrates. 

Unter  den  neu  erschienenen  Darstellungen  der  vorsokratischen 
Philosophie  ist  keine,  die  sich  an  Originalität  und  wissenschaftlicher 
Bedeutung  mit  der  von  Gomperz  messen  könnte,  wenn  ihr  auch  die 
von  ßurnet  nahekommt.  Der  Verf.  wandelt  nirgends  ausgetretene 
Wege,  sondern  überall  merkt  man  die  Spuren  eigener  Geistesarbeit. 
Der  selbständige  Wert,  der  so  den  Darlegungen  Gomperz'  zukommt, 
wird  noch  erhöht  durch  die  Weite  des  Gesichtskreises,  die  ihn  die  Be- 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.     (Lortzin?.)    261 

Ziehungen  des  Denkens  der  Griechen  ebenso  zu  der  ältesten  Kultur  des 
Orients  wie  zu  der  neueren  Entwickelnntr  der  Wissenschaft  erkennen 
läßt.  Treffend  und  fruchtbar  sind  die  reichlichen  Parallelen,  die  er 
zwischen  der  Gedankenwelt  der  alten  Philosophen  und  der  modernen 
Forschung  zieht  und  die  nur  auf  grund  einer  für  einen  Philoloifen  unge- 
wöhnlichen Vertrautheit  mit  den  Ergebnissen  dieser  Forschung,  naraeut- 
lich  auch  auf  dem  Gebiete  der  exakten  Wissenschaften,  gewonnen  werden 
konnten.  Auch  nach  der  Richtung  hin  erweitert  G.  das  Gebiet  seiner 
Darstellung  über  die  üblichen  Grenzen  hinaus,  dal.l  er  die  Anfänge 
wissenschaftlicher  Kritik  und  philosophischer  Spekulation  auch  in  den 
Einzelwissenschaften,  besonders  der  Medizin,  und  in  den  geschichtlichen 
und  ethisch-politischen  Studien  in  den  Kreis  seiner  Betrachtung  zieht. 
Zu  diesen  Vorzügen  des  Inhalts  gesellt  sich  eine  durch  klare  Durch- 
sichtigkeit und  Bestimmtheit  wie  durch  anmutige  Fülle  und  Feinheit 
ausgezeichnete  Sprache,  die  allein  schon  die  Lektüre  des  Buches  zu 
einem  wahren  Genüsse  macht.  Das  Werk  wird  dadurch  ein  im  edelsten 
Sinne  populäres,  das  wohl  geeignet  ist,  weit  hinaus  über  die  Zunft  der 
Fachgelehrten  zu  wirken,  zumal  da  der  Text  selbst  mit  keinerlei  ge- 
lehrtem Beiwerk  beschwert  ist  und  erst  am  Schluß  (S.  415 — 478)  zur 
näheren  Orientierung  der  wissenschaftlichen  Forscher  eine  Anzahl  knapp- 
gehaltene Anmerkungen  hinzugefügt  sind,  die  außer  der  Angabe  der 
wichtigsten  Quellen  und  Vorarbeiten  der  Erläuterung  und  Begründung 
solcher  Punkte  dienen,  in  denen  die  Auffassung  des  Verfassers  von  der 
herrschenden  abweicht.  —  Bei  der  großen  Fülle  und  dem  hohen  Werte 
der  Schätze,  die  uns  dieses  Werk  spendet,  muß  ich  mir  hier  eine  noch 
größere  Beschränkung  auferlegen  als  in  den  Berichten,  die  ich  über  die 
erste  Lieferung  Berl.  Ph.  Wschr.  1894,  517  ff.  und  553  ff.  und  über 
den  ganzen  Band  ebd.  1896,  545  ff.  erstattet  habe.  Vgl.  Wellmann, 
Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos.  VIII  (1895).  284  ff.:  Weil,  Journ.  d.  Savants 
1896,  65  ff.  In  der  Einleitung  zu  dem  ersten,  „die  Anfänge"  behan- 
delnden Buche  werden  zunächst  die  geographische  Beschaffenheit  Griechen- 
lands und  die  politische  und  geistige  Entwickelung  der  Griechen  bis 
zum  Beginn  der  philosophischen  Forschung  kurz,  aber  treffend  geschil- 
dert. Länger  verweilt  G.  bei  dem  Götterglauben  der  Griechen,  be- 
sonders Homers,  den  er  unter  glücklicher  Verwertung  der  Forschungen 
Rohdes  licht-  und  geistvoll  darstellt.  Höchst  lehrreich  sind  auch  die 
Erörterungen  über  Hesiods  Theogonie.  —  Darauf  werden  im  1.  Kapitel 
die  altionischen  Naturphilosophen  behandelt,  zu  denen  auch  Heraklit 
gerechnet  wird.  Ich  habe  in  meinem  Bericht  über  die  erste  Lieferung 
a.  a.  0.  519  f.  meine  Bedenken  gegen  diese  in  früheren  Zeiten  übliche, 
jetzt  aber  seit  Zellers  Vorgang  verlassene  Anordnung  geäußert,  die 
auch    durch    die    nachträglich    in    den  Anmerkungen  S.  429    versuchte 


262     Berichte  über  die  griecliischea  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

Kechtfertigung  nicht  gehoben  wordeu  sind.  Die  halb  wissenschaftliche, 
halb  praktische  Thätigkeit  des  Thaies  wird  kurz  und  ohne  alle  über- 
flüssigen Kombinationen  über  die  Begründung  der  Wasserlehre  besprochen 
und  daraut  eingehend  und  sehr  schön  die  Lehre  Anaximanders  dar- 
gestellt, wobei  die  teils  haltlosen,  teils  allzu  spitzfindigen  Versuche 
Teichmüllers,  Neuhäusers  u.  a.,  das  Wesen  des  otTietpov  und  die  „Aus- 
sonderung" der  Einzelstoffe  aus  ihm  näher  zu  bestimmen,  stillschweigend 
zurückgewiesen  werden.  Bei  Anaximenes  wird  der  Zusammenhang 
seiner  Verdichtungs-  und  Verdünnungslehie  mit  modernen  Theorieen 
dargelegt.  —  Die  aus  dem  reichen  Born  gründlicher  eigener  Studien 
geschöpfte  Charakteristik  Heraklits  bietet  ein  Gesamtbild  von  der 
Lehre  des  Ephesiers,  wie  es  auf  so  knappem  Räume  vollständiger  und 
gehaltvoller  nicht  gegeben  werden  konnte.  Her.  hat  fundamentale 
Wahrheiten  von  unermeßlicher  Tragweite  ausgesprochen  wie  die  von 
der  Relativität  der  Eigenschaften  und  der  Koexistenz  der  Gegensätze, 
den  Satz  vom  Kriege  als  dem  Vater  und  Könige  aller  Dinge  (vgl.  die 
moderne  Lehre  vom  Kampf  ums  Dasein)  und  vor  allem  die  Erkenntnis 
eines  alles  beherrschenden,  unverrückbaren  Weltgesetzes.  Als  Meister 
zeigt  sich  G.  auch  hier  wieder  im  weisen  Verschweigen  der  sonderbaren 
Vorstellungen  Teichmüllers  und  Pfleiderers  über  den  Ursprung  des 
Heraklitischen  S3fstems.  In  Kapitel  2  beschäftigt  sich  Verf.  nach  Dar- 
legung der  Weltentstehungslehre  des  Pherekydes  mit  der  orphischen 
Weltbildungslehre.  Er  weist  mit  0.  Kern  der  rhapsodischen  Theo- 
gouie  ein  hohes  Alter  zu  und  vermutet  in  ihr  einen  Zusammenhang 
mit  fremdländischen  Vorstellungen,  deren  Ursprung  wahrscheinlich  in 
der  Urheimat  menschlicher  Gesittung,  in  ßabylonien,  zu  suchen  ist.  — 
Kap.  3  handelt  von  Pythagoras  und  seinen  Jüngern.  Die  glückliche 
Entdeckung  der  an  feste  und  klare  Zahlenverhällnisse  gebundenen  Töne 
ist  nach  Gomperz'  Auffassung  der  Ausgangspunkt  für  die  Zahlenlehre 
und  Zahlenmystik  der  Pythagoreer  geworden.  An  die  Stelle  des  mate- 
rialen  Grundprinzips  der  älteren  lonier  trat  jetzt  für  eine  Weile  das 
formale  der  Zahl.  Für  die  Zurückführung  auch  der  Welt  des  Geistes 
auf  Zahlen  war  die  religiöse  Bedeutung  der  Zahl  mitbestimmend.  So 
sind  die  ersten  „exakten"  Forscher  zugleich  die  ersten  und  einfluß- 
reichsten Mystiker  gewesen.  —  In  Kap.  4  wird  uns  das  Weltsystem 
des  Philo laos  vorgeführt.  G.  zeigt,  daß  die  Hypothese  von  der  täg- 
lichen Drehung  der  Erde  um  einen  unsichtbaren  Mittelpunkt  eine  not- 
wendige Stufe  zu  der  Lehre  von  der  Achsendrehung  war.  Daran  schließt 
sich  eine  Betrachtung  über  die  Lehre  vom  Centralieuer  und  der  Sphären- 
hamonie.  —  In  Kap.  5  wird  der  ,  orphisch-pythagoreische 
Seelenglaube-,  der  in  Hellas  nicht  heimisch  gewesen  sei  und  viel- 
leicht durch  pei-sische  Vermittelung  aus  Indien  stamme  (?),  als  ein  Teil 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.)     2G3 

der  Lehre  vom  Sündeufall  betrachtet;  von  dieser  religiös-mystischen 
Lebensansicht  sei  wohl  zu  unterscheiden  die  durch  ein  Pra'j;ment  des 
Eudemos  als  altpythagoreisch  verbürgte  Lehre  von  der  einstigen  Wieder- 
kehr aller  "Wesen  und  Vorgänge.  —  Das  2.  Buch:  „Von  der  Metaphysik 
zur  positiven  Wissenschaft"  beginnt  in  Kap.  1  mit  Xenophanes,  dem 
G.  mit  Froudenthal  den  strengen  Monotheismus  abspricht.  Das  2.  Kap. 
(über  Parmenides)  geht  aus  von  der  eleatisclien  Bestreitung  der 
Realität  der  Sinnendinge,  wie  sie  am  klarsten  bei  Melissos  fr.  17  for- 
muliert ist.  Die  hier  an  den  Sinnendingen  vermißten  Eigenschaften 
der  Ewigkeit  und  ümv^-andelbarkeit  bilden  auch  die  Grundvoraus- 
setzungen des  positiven  Seinsbegiiffes  des  Parm.  Zu  dem  nach  Aristo- 
teles allen  Physiologen  gemeinsamen  Postulate  der  quantitativen 
Konstanz  gesellte  sich  das  der  qualitativen  Konstanz,  Parm.  irrte, 
wenn  er  aus  seinem  Weltbilde  alles,  was  der  sinnlichen  Wahrnehmung 
entstammt,  ausgeschieden  zu  haben  glaubte,  da  er  den  Raum  und 
seinen  Körperinhalt  nicht  antastete,  während  er  die  auf  denselben 
Sinneszeuguisson  beruhende  räumliche  Bewegung  leugnete.  Man  darf 
ihn  durchaus  nicht  als  folgerichtigen  Materialisten  betrachten:  sein 
Stoffvvesen  war  zugleich  ein  Geisteswesen.  —  In  Kap.  3  („die  Jünger 
des  Parmenides")  wird  zunächst  die  Lehre  des  Melissos  dargestellt 
und  mit  F.  Kern  die  „ungetrübte  Seligkeit"  als  ein  charakteristisches 
Zeichen  des  Melissischen  ov  bezeichnet.  Der  Versuch,  den  G.  macht, 
den  Widerspruch  zwischen  der  Auffassung  des  Seienden  als  eines  räum- 
lich Ausgedehnten  und  der  in  einem  Fr.  des  Mel.  enthaltenen  Annahme 
eines  körperlichen  Seins  (s.  o.)  zu  lösen,  scheint  mir  nicht  gelungen. 
Es  werden  dann  Zenons  Argumente,  teilweise  im  Anschluß  an  Tanneiy, 
scharfsinnig  erläutert  und  ihre  wissenschaftliche  Bedeutung  ebenso  wie 
ihre  Mängel  aufgezeigt.  —  Kap,  4  und  5  behandeln  Anaxagoras  und 
Empedokles.  Die  auffällige  Umkehrung  der  Reihenfolge,  in  der  diese 
beiden  sonst  vorgeführt  zu  werden  pflegen,  scheint  durch  die  kurze 
Anmerkung  S.  447  über  die  bekannte  Stelle  des  Aristoteles  nicht  ge- 
nügend gerechtfertigt,  —  Von  der  Stoff  lehre  des  Anaxagoras  heißt  es, 
sie  stehe  zu  den  Ergebnissen  der  heutigen  Wissenschaft  im  vollen  Gegen- 
satze, während  seine  Methode  mit  der  modernen  auffallend  übereinstimme. 
Den  Nus  will  G.  nicht  als  ein  rein  geistiges  Wesen  angesehen  wissen 
und  glaubt  seine  Stoffähnlichkeit  aus  den  Bruchstücken  zweifellas  nach- 
weisen zu  können.  Gegen  die  Bündigkeit  seiner  Begründung  läßt  sich 
indes  manches  einwenden.  Den  Ausdruck  ^Homöomerie"  sucht  er,  wie 
ich  glaube,  ohne  ausreichende  Giünde,  auf  Anaxag.  selbst  zurückzu- 
führen. —  Sehr  wertvoll,  aber  mit  kurzen  Worten  kaum  wiederzugeben 
sind  die  Ausführungen  über  Empedokles,  in  dem  G.  in  gewissem 
Sinne    einen  Vorläufer   der  modernen  Chemie  sieht.     In  der  Frage  der 


264     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

Entstehung    organischer    Wesen    erklärt    er    sich     gegen    Zeller    und 
nimmt    mit  Dümmler    eine  an  den  Darwinschen  Gedanken  vom  „Über- 
leben des  Tauglichsten"    erinnernde  fortschreitende  Umbildung  der  Or- 
ganismen an  (s.  zu  No.  87).     Das  Bedenkliche'  an  dieser  Hypothese  ist, 
daß  sie  sich  auf  eine  sehr  unsichere  Vermutung  über  die  Textverderbnis 
eines   doxographischen  Exzerptes    stützt.      Den  Widerspruch    zwischen 
der  „Seelenphysik"    und  der  „Seelentheologie"  des  Emp.  will  G.  nicht 
ableugnen  oder  verdecken:  aber  er  erklärt  ihn  geistvoll  und  überzeugend 
durch    eine    schon    bei  Homer    nachweisbare  Zweiseelentheorie  (Rauch- 
seele =  öujj-o;,    Hauchseele  =  <J>u7r,).  —  Kap.  6    bespricht    die  Anfänge 
der  historischen  Kritik  bei  Hekataios  und  Herodot.  —  Im  1 .  Kap.  des 
3.  Buches    („das  Zeitalter    der  Aufklärung")    legt  Verf.   in  lehrreicher 
und    anziehender  Weise    die    bisher    allzusehr    vernachlässigten  innigen 
Beziehungen    der    arzneiwissenschaftlicheu  Schulen    der    zweiten  Hälfte 
des  5.  Jahrhunderts  zu  den  naturphilosophischen  Systemen  des  Heraklit, 
Empedokles  u.  a.  dar  und  gewährt  uns  einen  tiefen  Einblick  in  die  Ge- 
dankenwelt   der    dem    Namen    nach    meist    unbekannten  Arzte,    deren 
Schriften  im  hippokratischeu  Korpus  vereinigt  sind.  —  In  Kap.  2  („die 
atomistischeu   Physiker")    wird    die    atomistische  Hypothese    klar 
und    scharf   formuliert.     In    der  Annahme  einer  zweifachen  Bewegung 
der    Atome    folgt    G.,    abweichend    von  Zeller,    mit  Recht    den  Unter- 
suchungen   von  Brieger    und  Liepmann.     Dagegen    kann  ich  ihm  nicht 
beistimmen,  wenn  er  jede  nennenswerte  Abhängigkeit  der  Atomiker  von 
den  Eleaten  leugnet  (s.  Berl.  Ph.  Wschr.   1896,  552  f.).  —  Die  Sitten- 
lehre Demokrits  hätte  wohl  eine  eingehendere  Besprechung  verdient. 
—  In  Kap.  3  werden  die  „Ausläufer  der  Naturphilosophen",  besonders 
Diogenes,    behandelt.     Daran  schließen  sich  in  Kap.  4  die  „Anfänge 
der  Geisteswissenschaft".    Hier  wird  namentlich  der  Gegensatz  zwischen 
(puais    und    deai;    in  den  Spekulationen  über  den  Ursprung  der  Sprache 
(Demokrit)  sowie  auf  ethisch-politischem  Gebiet  (Archelaos,  Kallikles) 
betont.  —  In  Kap.  5  werden  die  Sophisten  in  vielen  Punkten  treffend, 
aber    zu    einseitig    (nach  Grote)    charakterisiert    und    dann  näher  Pro- 
dikos,   Hippias    und  Antiphon    besprochen,    von  denen  der  erstere  auf 
grund    der  Mitteilungen    des  Axiochos,    die  ich  indes  nicht  mit  G.  für 
glaubwürdig    halten    kann,    als  der  „älteste  Pessimist"  bezeichnet,    die 
beiden    anderen,    insbesondere   Antiphon,    nach    seinen    von  Blaß    ent- 
deckten Fragmenten    aus    der  Zahl    der  Aufklärer   gestrichen    und   als 
„regelrechte    Lehrer    der    griechischen  Moral"    hingestellt    werden.  — 
Zu    der    im  6.  Kap.    enthaltenen    geistvollen    und    scharfsinnigen  Dar- 
legung der  auf  vielen  Gebieten  fruchtbar  sich  bethätigenden  Forschung 
des    Protagoras    sei    hier    nur    bemerkt,    daß    durch    den    aus    eirfer 
früheren  Arbeit   des  Verfassers  hier  wiederholten  Beweis  für  die  gene- 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.)     265 

relle  Auffassung  des  Maßsatzes  die  wohlbeffründete  gegenteilige  Ansicht 
Natorps  nicht  widerlegt  scheint.  Die  hiermit  im  Zusammenhange 
stehende  Vermutung,  daß  Prot,  der  Verfasser  der  Schrift  -spl  tr/vr]? 
sei,  wird  gleichfalls  hier  wiederholt,  wenn  auch  weniger  zuversichtlich 
als  früher  und  demgemäß  der  abderitische  Sophist  zum  Empiriker,  ja, 
fast  zum  moderneu  Positivisten  gemacht.  —  Im  Kap.  7  beschäftigt  sich 
G.  mit  Gorgias  und  will  dessen  anscheinend  nihilistische  Thesen, 
wiederum  im  Einklang  mit  Grote,  nur  auf  die  Welt  des  reinen,  elea- 
tischeu  Seins,  nicht  auf  die  der  Erscheinungen  bezogen  wissen,  ohne 
jedoch  für  diese  Deutung  einen  thatsächlichen  Beweis  zu  erbringen.  — 
Das  Schlußkapitel  bespricht  den  „Aufschwung  der  Geisteswissenschaft" 
und  behandelt  besonders  die  Schrift  vom  Staate  der  Athener  und  den 
historischeu  Staudpunkt  des  Thukydides. 

Nicht  die  gesamten  Vorsokratiker,  sondern  nur  einzelne  von  ihnen 
bespricht 

109.  A.  Gladisch,    Die    vorsokratischen    Philosophen.     Jahrb. 
f.  kl.  Phil.  CXIX  (1879),  S.  721—733 

von  seinem  früher  in  zahlreichen  Schriften  durchgeführten  Standpunkte 
aus,  nach  dem  sich  in  den  bedeutendsten  vorsokratischen  Systemen  die 
Weltausicht  der  fünf  orientalischen  Hauptvölker  widerspiegelt.  Nach 
einer  zutreffenden,  aber  überflüssigen  Kritik  der  willkürlichen  Geschichts- 
konstruktion Hegels  stellt  G.  die  Behauptung  auf,  diese  Hegeische  Art 
habe  ihr  Vorbild  in  der  Aristotelischen  Anwenduug  der  vier  metaphysischen 
Grundprinzipien  auf  die  älteren  Philosophen,  die  dadurch  in  ein  falsches 
Licht  gestellt  worden  seien.  Thaies  gehöre  überhaupt  nicht  in  die 
Aristotelische  Skala,  da  er  seineu  Ausspruch  über  das  Wasser  nicht 
begründet  habe('?).  Weder  Anaximenes  noch  Diogenes  noch  Heraklit 
hätten  mit  der  Luft  und  dem  Feuer  die  sogen.  Elemente  geraeint;  sie 
hätten  überhaupt  nicht  den  Urstoff,  sondern  Gott  gesucht  (!)  und  das 
Urwesen  als  geistig  gedacht(!),  wenn  auch  noch  nicht  wie  Anaxagoras 
als  den  unkörperlichen  Geist.  Auf  eine  Widerlegung  dieser  wunder- 
lichen Ansichten  brauchen  wir  uns  nicht  einzulassen;  Zeller  hat  sie  in 
der  neuesten  Aufl.  nicht  einmal  der  Erwähnung  für  wert  gehalten. 
Eine  bestimmte  Gruppe  von  Philosophen  behandelt: 

110.  G.  Breton,    Essai    sur  la  poesie  philosophique  en  Grece: 
Xenophone,  Parmenide,  Empedocle.     Paris  1882.     267  S.     8. 

Nicht  die  dichterische  Bedeutung  der  drei  Philosophen  wird, 
wie  man  nach  dem  Titel  vermuten  sollte,  in  diesem  Buche  behandelt, 
sondern  eine  Darstellung  ihrer  Lehren  gegeben,  die  sich  sehr  schön 
liest,  aber  in  ganz  unhistorischer  Weise  aus  jenen  alten  Denkern 
moderne  Philosophen  macht  und  für  die  Wissenschaft  keinen  Wert  hat. 


266     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

Wer  die  in  eleganter  Sprache  vorgetragenen,  aber  grundverkehrten 
Ansichten  des  Verfassers  näher  kenneu  lernen  will,  den  verweise  ich 
auf  meinen  Bericht  Berl.  Ph.  Wschr.  1884,   1053  ff. 

Eine  bestiujuite  Zeitrichtung  in  der  Philosophie  hat  zum  Gegen- 
stand der  Betrachtung  gemaclit: 

111.  G.  Espinas,  La  philosophie  de  l'action  au  V^  siöcle  av. 
J.  Chr.  Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos.  VI  (1893).  S.  491-508  und  VII 
(1894),  S.   193—223  (Rapports  de  Tart  avec  la  nature). 

In  der  ersten  Abh.  führt  Verf.  zunächst  aus,  daß  nach  Heraklit 
die  beiden  Gegensätze,  die  in  der  Welt  herrschen,  Natur  und  Regel, 
cpuan  und  v6|jloc,  in  der  göttlichen  Vernunft  begründet  sind  und  der 
Wille  des  Menschen  daher  nur  als  eine  Fortsetzuno;  des  göttlichen  er- 
scheint; Notwendigkeit  und  Vorsehung  sind  hier  noch  miteinander  ver- 
knüpft. Anaxagoras  setzt  sie  einander  entgegen:  die  Kausalität  wird 
bei  ihm  eine  rein  mechanische,  die  göttliche  Intelligenz  nur  mangels 
einer  wissenschaftlichen  Erklärung  herangezogen.  Diese  durch  Diogenes 
Ap.  (?),  Archelaos  und  Protagoras  auf  die  moralische  Welt  übertragene 
Auffassung  wird  durch  Demokrit(?)  vollendet:  die  tü-/t)  und  das  auto- 
jjiaTov  bringen  für  sich  allein  die  Stufenfolge  der  Dinge  hervor,  ein- 
schließlich der  menschlichen  Gesellschaft.  Zu  dieser  Theorie  kam  nun 
die  Fülle  der  durch  die  Sophisten  mündlich  oder  schriftlich  überlieferten 
praktischen  Kenntnisse.  Gestützt  auf  die  Kenntnis  der  Naturgesetze, 
entdeckten  die  Philosoplien,  daß  überall,  wo  solche  Gesetze  erkannt 
worden  sind,  das  menschliche  Handeln  seines  Erfolges  sicher  ist.  „Celui 
qui  sait  peut"  sagt  Hippokrates  [wo?].  Alle  Phänomene  erschienen 
der  Wissenschaft  zugänglich;  man  glaubte  nicht  mehr  an  die  Ein- 
mischung der  Götter  in  die  menschlichen  Angelegenheiten.  Indem  der 
-£-/vr,  das  Übergewicht  zuerkannt  wird,  wird  die  Macht  des  menschlichen 
Willens  über  die  Natur  proklamiert.  —  In  der  zweiten  Abh.  sucht  Verf. 
zu  zeigen,  daß  die  drei  überhaupt  möglichen  Lösungen  der  Frage  nach 
dem  Verhältnis  zwischen  Natur  und  Kunst:  1)  ,L'art  se  passe  de  la 
nature;  2)  il  s'efface  et  s'annihile  devant  eile;  3)  il  la  prend  pour 
alliee"  im  5.  Jahrhundert  versucht  worden  sind.  1)  Die  Souveränität 
der  Kunst  ist  die  Losung  der  älteren  Sophisten.  Protagoras  bean- 
sprucht nicht  wegen  seiner  subjektivistischen  Lehre,  sondern  auf  grund 
seines  Vertrauens  in  die  Wissenschaft  im  allgemeinen  (?)  und  seiner 
persönlichen  Wissenschaft  in  erster  Linie  den  Namen  eines  Sophisten. 
Die  Sophistik  im  engeren  Sinne  ist  nur  ein  Zweig  der  naturalistischen 
Philosophie.  Protag.  handelte  vom  Ursprung  der  Gesellschaft  und  der 
Tugend  als  Naturalist.  Das  Paradoxon  des  Gorgias  ging  nur  darauf 
hinaus,  die  Betrachtung  der  Wahrscheinlichkeit  an  die  Stelle  des  Suchens 


Berichte  über  die  griechischen  Philosopheu  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     267 

nach  absoluter  "Wahrheit  zu  setzen  und  zu  zeigen,  daß  die  Wisscuschaft 
ihren  Zweck  nicht  in  sich  selbst  hat,  sondern  nur  dazu  dient,  die  Praxis  zu 
leiten  ('?):  Wissenschaft  und  Praxis  sind  eins;  ihr  Maß  liefet  im  Ejfolge. 
—  Protag.  hat  den  Subjektivismus  noch  nicht  auf  das  praktische  Ge- 
biet ausgedehnt:  das  Wissen  ist  subjektiv,  das  Handeln  «niclit.  Die 
Kunst  hängt  also  hier  noch  von  der  Natur  ab.  2)  Im  Gegensatz  zu 
den  vorigen  haben  ein  Thrasyraachos  und  ein  Kallikles  die  Souveränität 
der  Natur  verkündet.  Alle  menschlichen  Institutionen  sind  willkürliche 
Einrichtungen,  die  keine  Begründung  in  der  Natur  haben.  Die  revolu- 
tlonäien  Grundsätze  eines  absoluten  Individualismus  entwickeln  auf  den 
verschiedensten  Gebieten  Kritias,  Hermogenes  im  Kratylos,  Hippias, 
Kallikles.  Aus  der  Mitte  der  Sophisten  selbst  trat  Protag.  gegen 
solche  Ansichten  als  Gegner  auf.  Damit  begann  die  dritte  Stufe: 
Versöhnung  der  Kunst  mit  der  Natur.  Angebahnt  wmrde  diese 
Eichtung  im  Mythos  des  Protag.,  in  dem  Gerechtigkeit  und  Sittlichkeit 
den  ersten  Rang  unter  den  Bedingungen  der  sozialen  Existenz  ein- 
nehmen. Es  giebt  nach  E.  keine  objektivere  Lehre  (?);  in  ihr  sind 
Natur  und  Kunst  vereint.  Diese  von  Protag.  in  ein  mythisches  Gewand 
gehüllte  Lehre  tritt  uns  in  wissenschaftlicher  Form  bei  Demokrit(?) 
entgegen.  Die  Physik  hat  bei  ihm  einen  neuen  Sinn  erhalten:  sie 
arbeitet  im  Schöße  der  Organismen,  um  sie  mit  den  für  das  Leben 
notwendigen  Werkzeugen  zu  versehen;  sie  bildet  menschliche  Gesell- 
schaften und  giebt  den  Menschen  ihre  wohlthätigen  Instinkte.  Daher 
sind  Wollen  und  Denken  der  Menschen,  Kultur  und  Kunst  im  Ein- 
klang mit  der  Natur,  wenn  sie  mit  ihr  in  Verkehr  treten.  —  Damit 
überschreitet  Demokrit  den  Horizont  seines  Jahrhunderts;  er  kündet 
eine  neue,  praktische  Philosophie  an,  eine  neue  Art  der  Erziehung,  durch 
die  Liebe,  nicht  durch  die  Furcht  (?).  Die  „couspiration  des  volontes" 
ist  die  wahre  Grundlage  der  Gesellschaft  und  des  öffentlichen  Glückes, 
mit  dem  das  individuelle  eng  verknüpft  ist.  In  dieser  Formel,  w^enn 
sie  auch  nicht  von  Demokrit  ausgesprochen  worden  ist,  drückt  sich 
doch  der  Geist  seiner  Fragmente  aus  (?).  —  Daran  schließt  sich  ein 
Abschnitt,  der  „Classification  des  arts"  überschrieben  ist,  und  in  dem 
viel  von  dem  Gegensatz  des  Willens  und  der  Begabung  einerseits  und 
der  Einsicht  und  Erkenntnis  andererseits  bei  den  Sophisten  und  be- 
sonders bei  Demokrit  die  Rede  ist ;  ich  vermag  aber  beim  besten  Willen 
nicht  zu  ergründen,  was  Verf.  eigentlich  mit  alledem  beweisen  will.  — 
Die  Ausführungen  von  E.  enthalten  eine  unklare  Mischung  von  Wahrem 
und  Falschem.  Was  Verf.  über  die  verschiedenen  Richtungen  der 
Sophistik  sagt,  hat  viel  für  sich,  ist  übrigens  in  anderer  Form  auch 
schon  von  anderen  ausgesprochen  worden;  aber  hier  ist  alles  viel  zu 
sehr  auf  die  Spitze  getrieben.     Gegensätze,  die  in  gewissem  Sinne  den 


268     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.) 

verschiedenen  Strömungen  der  damaligen  Zeit  zu  gründe  gelegen  haben 
mögen,  werden  künstlich  empoigeschraubt  und  in  abstrakte  Formeln 
gebracht,  die  jenen  frühen  Zeiten  fremd  waren.  E.  liest  aus  dem  that- 
sächlich  Überlieferten  zu  viel  heraus  und  deutet  es  oft  ganz  willkürlich. 
Er  besitzt  ^en  nicht  die  philologische  Schulung,  die  für  solche  Unter- 
suchungen, wenn  sie  ersprießlich  sein  sollen,  unentbehrlich  ist. 

Einzelne  Zweige  der  vorsokratischen  Philosophie  behandeln: 

112.  B.  Münz,  Die  Keime  der  Eikenntnistheorie  in  der  vor- 
sophistischen Periode  der  griechischen  Philosophie.  Wien  1880. 
52  S.    8. 

113.  Derselbe,  Die  vorsokratischc  Ethik.  Zeitschr.  f.  Philos. 
LXXXI  (1882),     S.  245—268. 

*114.  J.  Burnet,  Law  and  nature  in  Greek  ethics.  Inter- 
national Journal  of  Ethics  1897. 

*115.  Galasso,  Le  idee  nelle  scuole  filosofiche  prima  di  Piatone. 
Studio  storico  critico.     Napoli  1886.     63  S.     8. 

116.  G.  Dandoto,  L'anima  nelle  tre  prime  scuole  filosofiche 
della  Grecia.    Riv.  di  filos.  scientifica.    Vol.  X  (1891),  S.  257-282. 

117.  K.  Joel,  Zur  Geschichte  der  Zahlenprinzipien  in  der 
griechischen  Philosophie.  Monismus  und  Antithetik  bei  den  älteren 
loniern  und  Pythagoreern.  Zeitschr.  f.  Philos.  LXXXVII  (1890), 
S.  161—228. 

*I18.  A.  Hromada,  Die  vorsokratische  Philosophie  der 
Griechen  und  die  moderne  Naturwissenschaft.  Progr.  der  Oberreal- 
schule, Prag  1878.     48  S. 

Die  beiden  Abhandlungen  von  Münz  enthalten  nichts  als  leeres 
und  unklares  Gerede,  noch  dazu  in  einem  mangelhaften  Stil  vorgetragen, 
—  TTber  Galassos  Arbeit  s.  die  Besprechung  von  F.  Tocco  Arch,  f. 
G.  d.  Philos.  I  (1888),  465  ff.,  wonach  die  Methode  des  Verfassers  die 
einer  spekulativen  Rekonstruktion  der  antiken  Systeme  ist,  in  denen  er 
mehr  findet,  als  sie  enthalten.  —  Dandolo  bietet  kaum  etwas  Neues. 
Die  Milesier  und  die  Eleaten  werden  sehr  kurz  behandelt,  ausführlicher 
die  Pythagoreer,  über  deren  Seelenlehre  Verf.  eigene  Vermutungen 
aufstellt.  Dem  Ergebnisse  jedoch,  daß  die  Pythagoreer  die  Seele  als 
eine  Zahl  oder,  „was  dasselbe  ist  (?)",  als  Harmonie  betrachtet  haben, 
die  da  bewegt,  ohne  von  etwas  anderem  bewegt  zu  werden,  können 
wir  nicht  beistimmen. 

Joel  will  die  Prinzipien  oder  richtiger  die  „Tendenzformen"  des 
„Monismus"  und  der  ,, Antithetik"  in  der  vorplatonischen  Philosophie 
nachweisen.     Seiner  Meinung  nach  treten  in  jedem  vollendeten  System 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.)      269 

gewisse  konstituierende  Grundzahlen  auf,  die  es  durchziehen,  und  die 
zu  verfolg'en  keine  leere  Spielerei  und  kein  bloß  äußerlicher  Schematis- 
mus sei,  da  es  sich  nicht  um  die  Zahlen,  die  Eins,  Zwei  und  Drei,  handle, 
sondern  um  die  in  diesen  Zahlen  sich  aussprechenden  entgeg-engesetzten 
Triebe,  den  Einheit  und  Vereinigung  suchenden  monistischen  und  den 
parallelistischen  oder  antithetischen  Trieb  der  Sonderung,  den  J.  auch 
als  pluralistisch  bezeichnet,  und  diesen  beiden  gegenüber  um  den  Trieb 
der  Vermittelung,  den  Sinn  für  Relation  und  Relativität.  In  der 
griechischen  Philosophie  herrscht  bei  den  älteren  loniern,  den  Pytha- 
goreern,  Eleaten  und  bei  Heraklit  der  Monismus,  bei  Empedokles,  Anaxa- 
goras,  den  Atomikern,  Sophisten  und  bei  Antisthenes  ( !)  der  Pluralismus 
vor,  während  die  Vermittelung  beider  Richtungen  sich  in  Piaton  dar- 
stellt. Wie  nun  Verf.  diese  Zahlprinzipien  im  einzelneu  bei  Thaies, 
Anaximander,  Anaxiraenes,  Diogenes,  Hippen,  Idaios  und  bei  den 
Pythagoreern  (diese  werden  besonders  ausführlich  behandelt)  nachzu- 
weisen sucht,  kann  hier  nicht  angegeben  werden.  Treffend  sagt 
E.  Wellraann,  Arch.  f.  G.  d.  Philos.  V,  91  if.:  „So  erscheinen  in 
dieser  Darstellung  alle  Denker  jener  Periode  als  Marionetten,  deren 
Gedanken ,  wohin  sie  auch  schweifen  mögen ,  überall  von  zwei  unsicht- 
baren Fäden  gelenkt  werden."  So  groß  auch  die  Rolle  ist,  die  die 
Zahl  bei  den  Pythagoreern  und  in  gewissem  Sinne  überhaupt  bei  den 
alten  Philosophen  spielt,  so  muß  doch  die  Art,  wie  J.  in  den  sachlichen 
Prinzipien  und  Gegensätzen  innerhalb  der  antiken  Systeme  überall  die 
Herrschaft  bestimmter  Zahlen  aufzuspüren  bemüht  ist,  in  der  That  als 
unnütze  Spielerei  und  unfruchtbarer  Formalismus  bezeichnet  werden. 
Eine  besondere  Frage  ist  behandelt  w'orden  von: 

119.  H.  Diels,  Über  die  ältesten  Philosophenschulen  der 
Griechen.  Philosoph.  Aufs.  Ed.  Zeller  gewidmet.  Leipzig  1887, 
S.  239—260. 

Verf.,  der  hier  auf  engem  Räume  eine  Fülle  neuer  Gedanken 
bietet,  macht  es  wahrscheinlich,  daß  sich  dieEntwickelung  der  griechischen 
Philosophenschulen  von  Anfang  an  in  ebenso  festgeschlossenen  Innungen 
vollzog  wie  in  der  Blütezeit  (vgl.  v.  Wilamowitz-Möllendorff,  Autigonos 
v.  Kar.  263  ff.  und  Usener,  Organisation  der  wissen schaftl.  Arbeit. 
Preuss.  Jahrb.  Bd.  53,  1  ff).  Thaies  muß  mitten  in  einem  Kreise 
bedeutender  Schüler  gestanden  haben,  die  von  der  mathematisch- natur- 
wissenschaftlichen Schulung  teils  praktischen,  teils  wissenschafilichen 
Gebrauch  machen  wollten.  Diese  Schulgemeinschaft  ist,  nach  der 
politischen  Bedeutung  des  Thaies  zu  schießen,  zugleich  eine  politische 
Vereinigung  gewesen  und  hat  sicherlich  nicht  eines  religiösen  Elements 
entbehrt  (?).   So  ist  er  im  eigentlichen  Sinne  der  ip■/r^■;i::r^i  der  milesischen 


270     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  So'crates.    (Lortzing.) 

Schule      Nor  durch  die  Tradition  in  einer  festen  Schule   konnten  auch 
seine  Lehrsätze  überliefert  werden,  da  er  wahrscheinlich  nichts  Schrift- 
liches hinterlassen  hat.    Diese  Schule  reichte  von  Thaies  bis  Anaximenes 
in  direkter  Abfolge,  muß  aber  auch  noch  während  des  5.  Jahrhunderts 
bestanden  haben  (Hippou,  Idaios,  Diogenes).    Von  dem  pythagoreischen 
Philosophenverein  kann,  aucli  wenn  man  der  hier  reichlicher  fließenden 
Überlieferung  wenig  traut,  doch  als  feststehend  angesehen  werden,  daß 
er  ein  religiös-politischer  Rund  war   mit  besonderer  Pflege  der  Mathe- 
matik und  Musik  und  einer  geregelten  <jufj.^ia)7i;.    Mit  dem  Pythagoreer- 
tum    hängen    fast    alle  bedeutenden  Schulen  dieser  Zeit  zusammen;    so 
auch    die  Eleaten,    die    ihrerseits  in  der  späteren  Überlieferung  so  ge- 
schlossen   auftraten,    daß  man  an  eine  besonders  enge  Verbindung  der 
Mitglieder  denken  darf.     D.  geht   hier  auf  das  Verhältnis  der  'AXrjöeia 
und  Ao^a  bei  Parmenides  ein  und  beantwortet  die  seit  lange  umstrittene 
und  noch  heute  nicht  gelöste  Frage,    weshalb    der  Eleat   die  Welt  des 
Truges  überhaupt  dargestellt  hat,  nach  v.  123  f.  St.  =  8,  60  f.  D.  dahin: 
Parm.    wollte    seine    Schüler    gegen    mögliche    Angriffe    der    anderen 
Schulen    feien;    sein  Gedicht   ist  ein  Katechismus  der  wahren  und  der 
falschen  Lehre,    die  'AXr^asia  der  Kanon,    die  Ao^a  der  Ledersack,    an 
dem    die   jungen  Athleten    sich   für  den  wirklichen  dYwv  üben  sollten. 
Die    letztere    ist    eine  schematische  Wiedergabe  der  eleatischen  Schul- 
polemik und  Dialektik,  wie  sie  ohne  Zweifel  schon  seit  Parm.  auch  im 
mündlichen  Verkehr  der  Schulgenossen  getrieben  wurde.    Parm.  mochte 
seinen  Schülern    an    dem  System    des  Anaximander,    Anaximenes   u.  a. 
(keineswegs  bloß  der  Pythagoreer,  deren  Physik  allein  er  nach  Tannery 
wiedergeben    soll)    die    falsche  dualistische  Durchführung  des  Einheits- 
gedankens   zeigen.     Er    faßte    alle  die  verschiedenen  Benennungen  der 
elementaren  Gegensätze    zusammen,    um    dann  nachzuweisen,    daß  jene 
dualistische  Physik  Schein  und  Schwindel  und  der  Monismus  das  einzig 
Denkbare    sei.     Aber    da    er   kein  Eristiker    ist,    so  greift  er  aus  der 
dualistischen  Physik  das  eine  Element  des  Feuers   heraus  und  stellt  es 
Seinem  wahren  Sein  gleich.     Die  Bestimmungen,  die  er  ihm  leiht,  sind 
realistische    Überbleibsel    des    alten    lonismus ,    die    noch    stärker    bei 
Xenophanes  und  Melissos  hervortreten.     Die    wahre    eleatische  und  die 
falsche  ionische  Methode  werden  v.  45  ff.  --  4,  1  ff.  D.  einander  gegen- 
übergestellt,   eine    dritte,    noch    verwerflichere,    die    den  Wechsel  und      | 
Widerspnich  zum  Prinzip  erhebt,  die  Heraklits  nämlich,  v.  54  ff.  =  6,  4  ff. 
bekämpft      Weitere  Spuren  der  Schnlpolemik  sieht  D.  in  den  Titeln  der 
Werke    Zenos  C?).       Die    erhaltenen    Fragmente    dieses    haben     keine 
polemische  Spitze,  zeigen  aber  die  dichotomische  Beweisführung  bis  zur 
Virtuosität    ausgebildet.     Die  Grundlagen    für    seice  Dialektik    und   in 
noch  höheiem  Grade  für  die  des  Melissos  ^'ehören  der  Schule  des  Parm. 


II 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lorfzing.)     271 

an.  —  Die  Tradition  der  atoraistischen  Schule  ist  dadurch  verdunkelt, 
daß  Leukipps  Schriften  mit  denen  Demokrits  verschmolzen  sind,  was 
auf  eine  Ähnlichkeit  der  Gedanken  und  der  Darstellung  hindeutet,  die 
nur  bei  sehr  engem  Zusammenhalten  der  Schule  möglich  ist.  Bei  den 
Atomikern  muß  eine  meisterliche  Schnlorganisation  vorhanden  gewesen 
sein.  Demokrits  Name  ist  mit  jener  .Encyklopädie  eng  verknüpft,  die 
Aristoteles  das  Vorbild  zu  seinem  allumfassenden  Bau  geliefert  hat. 
Von  den  Namen  und  den  Leistungen  dieser  abderitischen  Encyklopädisten 
ist  uns  nur  weniges  bekannt.  —  Einen  engen  schulmäßigen  Zusammen- 
schluß der  ältesten  philosophischen  Sekten  wird  man  nach  dieser  Dar 
legung  kaum  noch  in  Abrede  stellen;  ob  aber  diese  Vereinigungen,  ab- 
gesehen von  den  Pythagoreern.  auch  einen  politischen  und  religiösen 
Charakter  gehabt  haben,  scheint  doch  sehr  zweifelhaft.  Auch  für  die 
polemisch-didaktische  Absicht  der  A6;a  des  Pai'm.  scheint  mir  D. 
keinen  genügenden  Beweis  geliefert  zu  habeu.  (Näheres  darüber 
später.)   — 

Über    das  Verhältnis   der  Philosophen  zu  dem  Altmeister  Homer 
handelt: 

120.  0.  Friede],  De  philosophorum  Graecorum  studiis  Homericis. 
P.  I:  Progr.  des  Domgymnas.  zu  Merseburg  1879.  28  S.  4.  P.  II: 
Programm  des  Gymnas.  zu  Stendal  1886.     20  S.     4. 

Verf.  untersucht  mit  großer  Sorgfalt  und  Besonnenheit  im  1.  Teile 
die  Beziehungen  des  Thaies,  Pythagoras  und  Xenophanes,  im  2.  Teile 
die  Heraklits  zu  Homer  und  gelaugt  hierbei  zu  durchweg  beachtens- 
werten, zum  Teil  sicheren  Ergebnissen.  Auf  die  Einzelheiten  der  Be- 
weisführung können  wir  an  dieser  Stelle  noch  nicht  eingehen,  weil  sie 
mit  der  Erklärung  einzelner  Fragmente,  besonders  Heraklits,  im  engsten 
Zusammenhange  stehen.  Die  Hauptergebnisse  sind  folgende.  Daß 
Thaies  seine  Lehre  auf  Homer  zurückgeführt  hat,  ist  nicht  zu  erweisen, 
aber  möglich.  Pythagoras,  von  den  Samischen  Kreophyliern  unterwiesen, 
schrieb  den  homerischen  Gesängen  große  Kraft  zur  Beruhigung  des' 
leidenschaftlich  erregten  Gemütes  zu  und  hat  wahrscheinlich  öfter  aus- 
erlesene Verse  Homers  zur  Leier  gesungen  (?).  Xenophanes  hat  den 
Homer  oft  getadelt,  besonders  wegen  seiner  Darstellung  der  Götter,  aus 
dem  gleichen  Grunde  auch  den  Hesiod.  Ihm  erschienen  deshalb  die  Ge- 
sänge Homers  für  die  Jngend  scliädlich.  Er  schmähte  Homer  in  Ge- 
dichten, die  den  Sillen  Timons  ähnlich  waren,  und  in  denen  er  Worte  aus 
Homer  entlehnte.  Die  Fragmeute  haben  eine  epische  oder  homerische 
Färbung  (s.  jedoch  Diels  Parmen.  10);  einzelne  Beispiele  direkter 
Nachahmung  lassen  sich  jedoch  nicht  beibringen.  Er  hielt  den  Homer 
für  älter  als  den  Hesiod  und  für  einen  Kolophonier;  seine  Geburt  setzte 


272     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

er  in  d.  J.  908.  —  Ileraklit  hat  behauptet:  1.  Homer,  obwohl  er  als 
der  Weiseste  der  Griechen  gilt,  täuschte  sich  doch  in  ganz  offenkundigen 
Dingen;  er  merkte  nicht,  daß  die  Natur  selbst,  wenn  man  sie  richtig 
sieht  und  begreift,  die  beste  Erklärerin  aller  Diuge  und  Fragen  ist 
(F.  erschließt  dies  aus  dem  bekannten  Läuserätsel,  auf  das  sich  jedoch 
nach  B^-water  zu  fr.  47  und  Patin  Heraklits  Einheitslehre  22  Heraklit 
gar  nicht  bezogen  hat).  2.  Homer  hat  verkehiterweise  den  Streit  ver- 
wünscht. 3.  Homer  und  Archiloches  sind  zu  tadeln  wegen  ihrer  Unter- 
scheidung glücklicher  und  unglücklicher  Tage,  weil  sie  das  menschliche 
Denken  vou  der  Willkür  der  Götter  abhängig  dachten.  (Treffend  weist 
F.  die  Meinung  zurück,  daß  Her.  den  Homer  als  Astrologen  gebrand- 
markt habe.)  4.  Aus  demselben  Grunde  sind  beide  aus  dem  Wettkampfe 
hinauszuwerfen. 

Eine  Anzahl  Abhandlungen,  die  sich  auf  den  Ursprung  der 
griechischen  Philosophie  und  ihre  Ableitung  aus  dem  Orient  sowie  auf 
das  Verhältnis  der  älteren  Philosophen  zur  Orphik  und  zu  Pherekj^des 
beziehen,  wollen  wir  erst  im  spezieilen  Teile  besprechen. 


4.    Schriften,  die  sich  auf  ein  anderes  Gebiet  als  das  zur  Besprechung 

stehende  beziehen,  aber  eine  Anzahl  wertvoller  Beiträge  zur  vor- 

sokratischen  Philosophie  enthalten. 

Auf   Vollständigkeit    machen    wir    hier    keinen    Anspruch.     Den 
Inhalt  der  einzelnen  Beiträge  werden  wir  nur  kurz  angeben. 

121.  J.  Bernays,  Phokiou  und  seine  neueren  Beurteiler.  Ein 
Beitrag  zur  Geschichte  der  griechischen  Piiilosophie  und  Politik. 
Berlin  1881. 

122.  F.  Dum  ml  er,  Antisthenica.  Doktordissert.  von  Halle. 
Berlin   1882. 

123.  Derselbe,  Akademika.  Beiträge  zur Litteraturgeschichte 
der  sokratischcn  Schulen.     Gießen  1889. 

124.  V.  Joel,  Der  echte  und  der  Xeuophontische  Sokrates. 
B.  I.     Berlin  1893. 

125.  Euripides'  Herakles  erklärt  von  U.  v.  Wilamowitz- 
Möllendorff.  ß.  I:  Einleitung  in  die  attische  Tragödie.  B.  II: 
Text  und  Kommentar.     Berlin  1889.     Zweite  Auflage  1895. 

126.  A.  Chiappelli,  Nuove  ricerche  sul  naturalismo  di  Socrate. 
Arch.  f.  G.  d.  Philos.  IV  (1891),  S.  369—413. 

Bernays    schildert    S.  20  ff.    die    revolutionären    Angriffe    der 
Philosophen  gegen  die  Grundlagen  des  griechischen  Lebens,  denAnthropo- 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokratcs.    (Lortzing.)     273 

morphismus  und  die  Stadtgemeinde  (tioXic).  An  den  ersten  dieser  Grund- 
lagen rüttelte  besonders  Xenophanes,  gegen  die  zweite  trat  bereits 
Thaies  (Herodot  I  170)  feindselig  auf.  Seine  Ehelosigkeit  blieb  für  die 
meisten  Philosophen  vorbildlich.  Noch  schärfer  tritt  der  Gegensatz 
gegen  die  nächste  Umgebung  bei  Heraklit  und  bei  Demokrit  hervor. 
Interessante  Erörterungen  finden  sich  noch  Aura.  8  S.  107  ff.  über  die 
Metökie  der  Philosophen  und  über  die  wahrscheinlich  mit  der  Ypa^^ 
äaeßeiac  verbundene  Anklage  auf  [XTr]ötj[j,6c  gegen  Anaxagoras. 

Dümmler  hat  in  seinen  Antisthenica  S.  51  ff.  gegenüber  der 
bis  dahin  allgemein  angenommenen,  zuletzt  noch  von  Hirzel  vertretenen 
Meinung,  daß  Piaton  Soph.  248  ff.  auf  Demokrit  zu  beziehen  sei,  zu 
widerlegen  und  nachzuweisen  gesucht,  daß  Piaton  dort  den  Antisthenes 
im  Auge  habe.  Daran  schließt  sich  S.  56  ff.  eine  Verteidigung  der 
Schleiermacherschen  Ansicht,  daß  die  Sensationslehre  in  Theaetet  nicht 
auf  Protagoras,  sondern  auf  Aristipp  zurückgehe  (vgl.  auch  Akademika 
173  ff.);  eine  Ansicht,  die  jetzt  wohl  allgemein  als  richtig  gilt,  nachdem 
auch  ihr  früherer  Gegner  Zeller  ihr  beigetreten  ist  (Arch.  f.  G.  d, 
Philos.  I  472  ff.  und  Ph.  d.  Gr.  I^  1099,  2).  —  In  den  Akademika 
stellt  D.  eine  Keihe  von  Hypothesen  über  die  Beziehungen  Xenophons 
und  Piatons  zu  den  Lehren  gleichzeitiger  und  älterer  Philosophen  auf, 
die  durch  ihre  Kühnheit  und  Neuheit  überraschen  und  mit  einem  großen 
Aufwände  von  Gelehrsamkeit  und  Scharfsinn  begründet  werden,  vor 
einer  besonnenen  und  nüchternen  Kritik  dagegen  größtenteils  nicht  be- 
stehen können.  Die  wichtigsten  dieser  Hypothesen,  soweit  sie  Vor- 
sokratisches  berühren,  sind  folgende.  In  Piatons  Gorgias  weisen  manche 
Spuren  auf  den  Sophisten  Antiphon  als  Urheber  der  Lehre  des 
Kallikles.  —  Platons  Auseinandersetzungen  mit  dem  Materialismus 
Legg.  X  889  B  ff.  beziehen  sich  nicht  auf  Demokrit  (Krische),  sondern 
auf  eine  aus  dem  Kreise  der  Sophisten  hervorgegangene  Lehre,  etwa 
die  des  Kritias  oder  Thrasyraachos.  —  Bei  Anaxagoras  finden  sich 
die  Anfänge  einer  teleologischen  Weltbetrachtung  (vou?,  IyxXuh;),  die 
Diogenes  Ap.  im  einzelnen  durchführte  (?).  Der  teleologische  Beweis, 
den  Xenophon  Mem.  I  4  und  IV  3  von  der  Existenz  und  Fürsorge  der 
Götter  giebt,  ist  aus  einer  kynischen  Vorlage  geschöpft,  die  durch 
Vermittelung  des  Prodikos  (?)  auf  Anaxagoras  und  Diogenes  zurück- 
geht ('?).  —  Die  den  Etymologieen  des  Kratylos  bei  Piaton  zu  gründe 
liegende  Weltanschauung  hat  mit  der  Teleologie  der  Memorabilien  die 
Hauptpunkte  gemein:  sie  ist  aus  den  verschiedensten  ostionischen 
Systemen,  besonders  denen  des  Heraklit  und  des  Diogenes  (?)  eklektisch 
zusammengesetzt.  Wir  erhalten  so  das  Spiegelbild  einer  dritten  Über- 
lieferung des  Sokrates,  den  kynischen  Sokrates  (!).  Möglich  wäre,  daß 
Xenophon  wie  bei  der  Bekämpfung  Aristipps  so  auch  in  jenen  teleo- 
Jabresbericht  f Ol- Altertumswissenschaft.    Bd.  LXXXXVI.    (1898.1.)      18 


274     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

logischen  Kapiteln  auf  Prodikos,  in  dem  D.  einen  Vorläufer  des 
Autisthenes  sieht,  zurückginge  (?).  Den  Titel  der  betreffenden  Schrift 
glaubt  D.  mit  Welcker  aus  Galen  entnehmen  7a\  können;  er  lautete: 
Tcspi  ^lisioc  dv&pcuiiou.  —  Der  Herakles  des  Prodikos  war  vielleicht 
gegen  Antiphon  soph.  (Mem.  I  6,  2),  einen  Vorgänger  des  Aristipp,  ge- 
richtet (?).  —  Im  2.  Anhange  des  Buches  bemüht  sich  D.  nachzuweisen, 
daß  Empedokles  eine  doppelte  Entstehung  der  Welt  und  des  organischen 
Lebens  auf  ihr,  die  eine  unter  der  Einwirkung  der  Liebe,  die  andere 
unter  der  des  Streites  geschildert  habe,  worin  ihm  Gomperz  beipflichtet 
(s.  zu  No.  158),  und  auf  diese  Weise  einen  Zusammenhang  zwischen 
der  Physik  des  Emp.  und  seinen  religiösen  Lehren,  namentlich  der  vom 
goldenen  Zeitalter,  herzustellen.  Von  hier  aus  glaubt  er  auch  den  Platz 
zu  erkennen,  der  in  seinen  Sj^stemen  die  Seelenwanderungslehre  hatte. 
Mit  dieser  Anschauung  des  Emp.  steht,  wie  D.  meint,  auch  der  Prota- 
gorasmythos  im  Einklänge,  an  den  sich  Kritias  im  Sisyphos  anschließt, 
zugleich  aber  weit  über  ihn  hinausgeht.  —  In  einem  Nachtrage  wird 
aas  einer  angeblich  wörtlichen  Wiedergabe  eines  Protagoreischen  Aus- 
spruches bei  Piaton  Euthyd.  305  E  geschlossen,  Protagoras  könnte  wohl 
der  Erfinder  des  Wortes  cpiXodocpo?  sein  (?). 

Gegen  Dümmlers  Hypothesen  von  den  Quellen  der  Teleologie 
Xenophons  wendet  sich  Joel  S.  147  ff.  und  zeigt,  wie  verkehrt  es  ist, 
den  Prodikös  und  gar  den  Diogenes  und  Anaxagoras  zu  Vorläufern 
der  von  Xenophon  entwickelten  Weltanschauung  zu  machen.  Nur  hätte 
er  sich  hierbei  nicht  auf  den  doch  lediglich  durch  den  Dialog  Axiochos 
gestützten  „Pessimismus"  des  Prodikos  berufen  sollen.  —  S.  367  ff.  legt 
J.  dar,  daß  die  Methode  der  Sophisten  nicht  Elenktik  und  dialogische 
Eristik  (Siebeck)  war,  und  daß  sie  zur  sokratischen  Dialogik  im  scharfen 
Gegensatze  steht;  dies  gelte  nicht  bloß  von  den  vier  großen  Sophisten, 
sondern  auch  von  den  jüngeren;  Euthydem  und  Dionysodor  seien  nur 
eine  Maske  des  Antisthenes. 

V.  Wilamowitz  macht  in  den  ersten  Abschnitten  des  1.  Bandes, 
die  nur  in  der  1.  Aufl.  vorliegen,  einige  wertvolle  "Bemerkungen  über 
vorsokratische  Philosophen.  S.  25  ff.  geht  er  den  Beziehungen  des 
Euripides  zu  Anaxagoras,  Protagoras,  Heraklit  und  Xenophanes  nach, 
an  deren  Lehren  sich  Anklänge  bei  ihm  finden.  Von  dem  Letztgenannten 
hat  er  aber  nur  die  theologische  Polemik  benutzt,  seine  philosophische 
Lehre  dagegen  wie  die  der  Eleaten  überhaupt  nicht  berührt.  Auch 
die  Lehre  des  Empedokles  und  der  Atomiker  kennt  er  nicht;  Diogenes 
wird  nur  einmal  berücksichtigt.  Von  Pythagoras'  Zahl,  Harmonie  und 
Seelenwanderung  weiß  er  nichts;  aber  er  hat  auf  einen  ethischen  Aus- 
spruch des  samischen  Weisen  Fr.  392  so  bestimmt  verwiesen,  daß  er 
die  Existenz  einer  Schrift  unter  Pythagoras'  Namen  zu  bezeugen  scheint. 


Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.    (Lortzing.)     275 

Im  einzelnen  bespricht  v.  W.  mehrere  Stellen,  die  deutliche  Hindeutnn^en 
auf  Heraklit,  einmal  sogar  (Herakl.  101  if.)  ein  förmliches  Citat  des 
Heraklitischen  Fr.  69  enthalten.  Übrigens  berührt  er  sich  in  diesen 
Ausführungen  mehrfach  mit  Bergk  Littg.  III  469  ff.  —  In  betreff 
der  unter  Epicharms  Namen  gehenden  Sprüche,  die  Euripides  gleichfalls 
benutzt  hat,  ist  v.  W.  der  Meinung,  daß  sie  eine  nicht  lange  vor  430 
entstandene  Fälschung  seien;  der  Verfasser,  vielleicht  Chrysogonos 
(nach  Aristoxenos),  habe  von  Pythagoras,  Anaxagoras  und  Diogenes 
(vgl.  IP  294)  gelernt.  —  I  91  und  111  v^erden  ein  paar  Demokrit- 
fragmente  besprochen.  1 124  handelt  Verf.  von  den  Titeln  der  alten  Philo- 
sophen :  Diese  hätten  wie  Herodot  und  Thukydides  keinen  anderen  Titel 
als  die  Eingangsworte  „der  und  der  sagt  folgendes*  oder  ähnliche  gehabt; 
auch  der  Anfang  des  Heraklitischen  Werkes  fordere  ein:  'HpaxXetxoc 
wot  Xe^et.  Die  Titel,  die  wirklich  als  die  ältesten  gelten  können,  seien 
rop7iou  'EXevY),  'AXs^avöpo;,  IlpoSixou  ^ßpat  u.  s.  w.  —  I  334  f.  wird 
vermutet,  daß  Prodikos  in  seinem  Herakles  das  alte  Motiv  des  am 
Scheidew'ege  zwischen  'Apexv]  und  'Höovt^  stehenden  Jünglings  von 
Paris  auf  Herakles  übertragen  habe.  II-  8  werden  Demokritfragmente 
besprochen  und  231  eine  Fülle  von  Parallelen  zu  der  eigentümlichen 
Disjunktion  Eurip.  Herakl.  1106:  ti'c  I77U?  t]  Trpoau)  e|jlü)v  (piXwv,  darunter 
auch  Heraklit  fr.  20  und  Xenophan.  fr.   1,  angeführt. 

Chiappelli  sucht  zu  beweisen,  daß  Sokrates  in  seiner  frühereu 
Periode  ein  Anhänger  der  alten  Naturphilosophie  gewesen  und  als  solcher 
von  Aristophanes  in  den  "Wolken  verspottet  worden  sei.  Zur  Begründung 
führt  er  eine  große  Zahl  von  Stellen  aus  Xenophons  Memorabilien  an,  die 
auf  Sokrates'  Bekanntschaft  mit  den  Lehren  früherer  und  gleichzeitiger 
Philosophen,  besonders  Heraklits  und  Demokrits  hinweisen.  Namentlich 
in  dem  letzteren  erblickt  er  einen  Vorläufer  des  Sokrates,  der  einzelne 
seiner  Schriften  w^ohl  gekannt  haben  könne  (?);  in  der  Aufstellung  von 
Definitionen  sei  er  ihm  vorangegangen,  und  die  Grundlinien  der 
sokratischen  Ethik  seien  bereits  in  der  Demokrits  deutlich  zu  er- 
kennen. —  Das  sind  alles  leere  Vermutungen,  die  im  besten  Falle  nur 
beweisen,  daß  Sokrates  die  Lehren  der  Naturphilosopheu  gekannt,  was 
niemand  bestreitet,  nicht,  daß  er  ihnen  eine  Zeitlang  angehangen  hat. 
An  eine  Bekanntschaft  mit  Demokrits  Lehre  aber  ist  bei  Sokrates  nicht 
zu  denken:  sie  widerspricht  aller  chronologischen  Wahrscheinlichkeit. 
Das  einzige  Zeugnis,  das  Ch.  für  eine  Beziehung  zwischen  beiden  an- 
führt, Cicero  d.  fin.  V  87,  enthält  nicht  die  geringste  Andeutung  einer 
solchen  Beziehung. 

Den  Schluß  dieses  allgemeinen  Teiles  mögen  folgende  kritisch- 
exegetische Abhandlungen  bilden,  in  denen  u.  a.  Fragmente  ver- 
schiedener Vorsokratiker  besprochen  werden: 

18* 


276     Berichte  über  die  griechischen  Philosophen  vor  Sokrates.   (Lortzing.) 

127.  Th.  Gomperz,  Beiträge  zur  Kritik  und  Erklärung 
griechischer  Schriftsteller.  IIT,  IV  und  V.  Sitzungsberichte  der 
Wiener  Ak.  d.  Wiss.  B.  83  (1876),  B.  102  (1890),  B.  134  (1895). 
Auch  in  Sonderausgaben  bei  Gerold  in  Wien  erschienen. 

128.  H.  Diels,  Atacta.  Herrn.  XIII  (1878),  S.  1—9  und  XXIII 
(1888)  S.  279—188. 

129.  E.  Zeller,  Miscellauea.  Arch.  f.  G.  d.  Philos.  V  (1892), 
S.  441—448. 

In  den  3  Abhandlungen  von  Gomperz  werden  Fragmente  des 
Xeuophanes,  Demokrit,  Hippias,  Melissos,  Zenon,  Anaxagoras  und 
Antiphon  soph.  behandelt,  in  der  zweiten  außerdem  zu  den  sogen. 
AtaXe^eic,  deren  Verfasser  nach  G.  außerordentlichen  Scharfsinn  bekundet, 
einige  Verbesserungen  gegeben. 

In  Diels'  Atacta  werden  Stellen  des  Prodikos,  Heraklit,  Anaxa- 
goras, Demokrit,  Epicharm  und  Gorgias  erläutert  und  zum  Teil 
emendiert. 

Zell  er  endlich  verbessert  ein  Fr.  des  Anaxagoras  (8)  und  ein 
sich  auf  die  Sophisten  beziehendes  aus  der  Physik  des  Eudemos  (fr.  7); 
er  sucht  ferner  die  Angaben  Aet.  IV  9,  wonach  der  atomistische  Satz 
von  der  Phänoraenalität  der  sinnlichen  Qualitäten  bereits  von  Leukipp 
aufgestellt  worden  war,  als  glaubwürdig  zu  erweisen.  Außerdem  fügt 
er  zu  den  in  einer  frühereu  Abhandlung  (s.  oben  zu  No.  26)  angegebenen 
Stellen,  au  denen  Demokrit  von  Piaton  berücksichtigt  wird,  Tim.  62  C.  ff, 
hinzu  und  bringt  zu  Ph.  d.  Gr.  849,  3  ein  neues  Zeugnis  für  Deomkrits 
Aev  bei. 

(Der  zweite  Teil  [SchluBJ  folgt  demnächst). 


KINia     Wff>*0«U«Kl4fl-A«TlC«l-*CULltCMArTf    8KT2MlMNEH-t|KULC     DU     UTTC'VMElHI 


JAHRESBERICHT 

über 

die  Eortschritte  der  classischen 

Altertumswissenschaft 

begründet 


von 


Conrad    Bursian 

herausgegeben 


von 


L.   G^iTi-litt   iiiia   \y.   Kroll, 


Siebenundneunzigster  Band. 

Sechsundzwanzigster  Jahrgang  1898. 


Zweite  Abteilung 

LATEINISCHE  KLAS 


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JAHRESBERICHT 

Übel' 

die  Fortschritte  der  classischen 

Altertumswissenschaft 

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Conrad    Bursian 

herausgegeben 


von 


1  ^.     Grlll-litt    iiiidL    ^W.    Kl*oll. 


Siebenundneunzigster  Band. 

Sechsundzwanzigster  Jahrgang  1898. 

Zweite  Abteilung. 

LATEINISCHE  KLASSIKER. 


LEIPZIG  1899. 

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Iiihaits-Verzeiclinis 

des  siebenuncineunzigsten  Bandes. 


Seite 

Bericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen  aus  den 
Jahren  1885  (1895)— 1897.  Von  Dr.  L.  Gurlitt  in 
Steglitz 1-60 

Bericht  über  die  Liviuslitteratur  der  Jahre  1889 — 1896, 
Von  Dr.  Franz  Fügner  in  Hannover 61-80 

Bericht  über  die  Litteratur  zu  späteren  römischen  Ge- 
schichtsschreibern von  1891  bis  einschließlich  1896.  Von 
Dr.  Theodor  Opitz.  Professor  am  Kgl.  Gymnasium 
zu  Dresden -Neustadt 81 — 125 

Bericht  über  die  Litteratur,  betr  Valerius  Maximus 
und  seine  Epitomatoren  18'.!l  — 1897  (inkl.).  Von 
Wilhelm  Heraeus,  Gymnasiallehrer  in  Offenbach 
a/M 126--147 

Bericht  über  Vergil  1892  — 189(;.  Von  Rud.  Helm, 
Wilmersdorf 148—189 

Bericht  über  die  Litteratur  zu  Catull  für  die  Jahre  1887 
— 1896.  Von  Prof.  Dr.  Hugo  Magnus  in  Pankow 
bei  Berlin 190—219 

Bericht  über  C.  Julius  Cäsar  und  seine  Fortsetzer  1895 
-  1897.     Von  Prof.  H.  J.  Heller  in  Berlin    .     .     220—226 


h 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen 
aus  den  Jahren  1885  (1895)-1897. 

Von 
Dr.  L.  Gurlitt, 

in  Steglitz. 

Den  letzten,  die  Jahre  1881 — 1884  umfassenden  Jahresbericht 
über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen  hatte  J.  H.  Schmalz  ge- 
liefert (Jahresbericht  XXXIX.  1884.  II  S.  34—73).  Diese  Arbeit 
erfuhr  eine  nur  teilweise  Fortsetzung  durch  meinen  Bericht  aus  dem 
Jahre  1895  Abt.  II,  S.  99  ff.,  welcher  sich  nur  mit  der  Entstehungs- 
geschichte und  der  Überlieferung  der  Briefe  mit  Ausschluß  der 
epp.  aH  Brutum  beschäftigte.  Was  nachzuholen  bleibt,  umfaßt  also  einen 
Zeitraum  von  14,  beziehungsweise  3  Jahren.  Die  Menge  der  inzwischen 
erschienenen  Arbeiten  ist  auf  diesem  Gebiete  so  bedeutend,  daß  ich  mir 
schon  in  Rücksicht  auf  den  verfügbaren  Raum  Beschränkung  auferlegen 
muß ;  zudem  sind  eine  Anzahl  der  in  Frage  kommenden  Arbeiten  teils 
schon  so  sehr  überholt,  teils  so  in  ihren  Ergebnissen  anerkannt,  daß 
es  unnütz  wäre,  über  sie  noch  eingehend  zu  berichten.  Aus  diesem 
Grunde  soll  hier  nicht  Vollständigkeit  angestrebt  werden,  sondern,  dem 
Zwecke  dieses  Berichtes  entsprechend,  nur  dasjenige  angeführt  werden, 
was  einen  Anspruch  auf  unser  heutiges  Interesse  hat. 

I.    Über  die  Entstehung  der  Ciceronisehen  Briefsamminngen. 

Leo,    F.,   Die   Publikation   von  Ciceros  Briefen   an  Atticus. 
Gott.  gel.  Nachr.     Phil.-hist.  KI.  1895,  H.  4.  p.  441-450 

beschäftigt  sich  mit  der  Frage  nach  Zeit  und  Art  der  Publikation  von 
Ciceros  Briefen  an  Atticus  im  Anschluß  an  frühere  Erörterungen  des- 
selben Verf.  im  Göttinger  index  lectionum  (s.  Jahresbericht  1895, 
S.  88  f.)  und  an  meinen  Widerspruch  (in  Fleckeisens  Jahresb.  1894, 
S.  209—224  und  der  Berliner  philol.  Wochenschrift  1894,.  S.  1638 
bis  1641).  Leo  hält  sich  streng  an  Nepos  (Att.  16,  3),  der  „XI" 
Volumina  epistularmn  ab  consulatu  eins  (Ciceronis)  usque  ad  extretnum 
tempus  ad  Atficum  missarum  erwähnt.  Da  diese  Angabe  sich  mit 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    Bd.  LXXXXVII.  (1898.  II.)     1 


2         Jahresbericht  über  die  Littcratur  zu  Ciceros  Bricfea.  (Gurlitt.) 

unseren  epp.  ad  Att.  nach  Zahl  und  Umfang;  der  Bücher  nicht  decke, 
so  folgert  er,  daß  diese  unsere  Sammlung  weder  vom  Atticus  selbst 
noch  aus  seinem  Nachlasse  unter  Augustus  oder  Tiberins  herausgegeben 
worden  sei.  Teindselige  Wendungen  gegen  Cäsar  (XV  4,  3;  XIV  14, 
4  u.  a.)  hätten  eine  Veröffentlichung  der  Briefe  unter  Augustus  oder 
seinem  Nachfolger  überhaupt  unmöglich  gemacht.  Auch  die  chronologische 
Anordnung  soll  gegen  des  Atticus  Herausgabe  sprechen,  da  die  ersten 
11  Briefe  nach  Sternkopf  (Ciceros  Corresp.  aus  den  Jahren  68—60 
V.  Chr.  Progr.  Elberfeld  1889  p.  3  sq.)  folgende  Anordnung  haben: 
1—2  von  Mitte  689;  3—4  von  Ende  687  und  Anfang  688;  5  —  11  von 
Enden  686  bis  Mitte  687.  Atticus  habe  die  Brieforiginale  in  XI  Kou- 
voluten  aufbewahrt,  ohne  sie  für  eine  Publikation  zu  bestimmen  oder 
zu  diesem  Zwecke  zu  redigieren.  Die  ersten  11  Briefe,  die  vor  Ciceros 
Konsulatsjahre  fallen,  habe  Nepos  nicht  gesehen,  da  sie  wohl  erst  in 
späterer  Zeit  hiuzugefunden  wären,  als  man  die  Herausgabe  fertig 
machte,  in  dem  Jahrzehnte  zwischen  dem  Tode  des  Claudius  und  der 
Abfassung  der  Briefe  Senecas,  welche  die  epp.  ad  Att.  zuerst  erwähnen, 
also  zwischen  55 — 65  p.  Chr. 

Leo  weiß  seine  Ansicht  sehr  plausibel  zu  machen  und  niemand 
wird  die  Möglichkeit  bestreiten,  daß  es  sich  so  verhalten  haben  könne; 
für    zwingend    vermag    ich    aber  seine  Beweisführung  nicht  zu  halten. 

Hinsichtlich  der  epp.  ad  familiäres  stimmt  Leo  den  Ausführungen 
li.  Mendelssohns  bei  (Jahrb.  f.  d.  Phil.  1894  S.  569  f.),  wonach 
diese  vor  und  während  des  Augustus  Zeit  veröffentlicht  wurden  mit 
Ausnahme  der  Bücher,  welche  schmähende  Äußerungen  über  Cäsar 
enthalten.  (XII.)  Diese  wären  erst  nach  des  Tiberius  Tod  veröffentlicht 
worden.     (Vgl.  vorigen  Bericht  S.  89.) 

Schließlich  behandelt  L.  die  Frage  nach  der  Echtheit  des  so- 
genannten: 

Commentariolum  petitionis  des  Q.  Cicero. 

Diese  Schrift  wurde  zuerst  für  unecht  erklärt  von 

Eussner,  Commentariolum  petitionis  examinatum  atque  emen- 
datum,  Würzburg  1872*)  und  auch  von  Th.  Mommsen  als  unecht  be- 
handelt R.  St.  ß.  III  p.  484  u.  497.     Darauf  hat 

E.  Y.  Tyrrell  (The  correspondence  of  Cicero.  I  p.  110—121) 
sich  für  die  Echtheit  ausgesprochen.  Nach  seiner  Meinung  ist  dieses 
Schriftchen  Anfang  690/64  von  Q,  Cicero  geschrieben,  zunächst  zum 
praktischen  Gebrauch  des  Bruders  Marcus  bei  seiner  Kandidatur.    Der 


*)   Eingehend    besprochen   von   R,    Wirz,   Phil.  Anzeiger   V.   (1873 
S.  49S  ffj. 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.)  3 

Quint.  hoffte,  daß  es  nach  einer  Revision  seines  Bruders  als  Handbuch 
für  die  Taktik  der  Bewerbung  von  allgemeinem  Nutzen  sein  werde. 
Ob  Marcus  diesem  Wunsch  entsprach,  bleibe  unentschieden.  In  die 
erste  Ausgabe  der  Ciceronischen  Briefe  habe  der  Brief  keine  Aufnahme 
gefunden,  selbst  Asconius  scheine  ihn  noch  nicht  gekannt  zu  haben. 

Achilles  Beltrami,    De    commentariolo  petitionis  Q.  Tullio 
Ciceroni  vindicando.    Pisa  1892,  T.  Nistii  e.  C.  75  S.  gr.  8. 

B.  versucht  in  Kap.  6  eine  Widerlegung  der  Ansichten,  die  sich 
gegen  die  Autorschaft  des  Quintus  ausgesprochen  haben.  Es  wird  ihm 
nicht  schwer,  einige  Übertreibungen  Eussners  aufzudecken,  als  da  sind 
unverdächtige  Anklänge  an  des  Marcus  Reden  (in  toga  Candida,  pro 
Murena,  pro  Plancio  und  ep.  ad  Quint.  I,  1).  Wesentlich  Neues  bringt 
die  Arbeit  sonst  nicht  bei.  Vgl.  Ref.,  Berl.  philol.  Wochenschrift  1893, 
N.  22  Sp.  689 — 692,  wo  die  Frage  kurz  im  entgegengesetzten  Sinne 
behandelt  wird.     Gleichzeitig  erschien  der  Aufsatz  von 

George  L.  Hendrickson,  On  the  authenticity  of  the  commen- 
tariolum  petitionis  of  Quiutus  Cicero  (American  Journal  of  philology 
Xin  [1892]  N.  2  p.  200—212.)  II.  kommt  auf  grund  nochmaliger 
sachlicher  und  sprachlicher  Analyse  zu  dem  Schlüsse  (S.  211  f.):  that 
the  Com.  is  the  work  of  some  first- Century  rhetorician  or  rhetorical 
Student  who,  perhaps  in  Imitation  of  sirailar  works  (cf.  Bücheier  p.  G.- 
Aul. Gellius  XIV  7,  2)  wrote  the  Com.  in  the  name  of  Qu.,  and  modelling 
the  general  form  of  this  coniposition  on  the  first  letter  ad  Q.  fr.  raade 
use  especially  of  the  orations  of  the  period  of  Ciceros  consulship  bearing 
upon    the    subject,    viz.    the    orations    in  tog.  cand.  and  pro  Mur.  and 

incidentally  also  of  other  works  of  Cicero,  as  her  becn  pointed  ont. 

That  he  should  have  betrayed  familiarity  with  a  well-known  passage 
of  Horace*)  —  or  a  saying  of  Publilius  Syrus**)  is  by  no  means 
surprising.    Auf  den  letzten  Punkt  legt  H.  den  grülJten  Wert,  da  nach 


*)  cf.  Com.  .54:  video  esse  magni  consilii  atque  artis  in  tot  hominum 
cuiitsque  modi  vitiis  tantisque  versautem  vitare  ofensionem,  vitare  fabulam,  vitare 
insidias  und:  Hör.  Sat.  I  3,  5S  ff.  [Bene  sanus  nc  non  incautus  (69^]  hie  fugit 
omnes  imidias  nullique  malo  latus  obdit  apertum,  cum  genus  fioc  inter  vitae  ver- 
setur,  übt  acris  invidia  atque  vigent  ubi  crimina) 

**)  Sententiae  357  (Ribbeck):  ,pars  beneßci  est  quod  petitur  si  belle 
neges'  verglichen  mit  Com,  45:  illud  difficilius  {est)  .  .  .  quod  facere  non  possis, 
ut  id  iucunde  neges  .  .  .  Cum  id  petitur  quod  .  .  .  promittere  non  possumus  .  .  . 
belle  negandum  est  .  .  .  Äudivi  hoc  dicere  quendam  de  quibusdam  oratoribus 
ad  quos  causam  suam  detulisset,  gratiorem  sibi  orationem  eins  fuisse  gui  negas- 
set,  quam  illius  qui  recepisset. 


4  Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

Senecas  Angabe  (Rhet.  controv.  VII  18,  8)  die  sententiae  des  Publilias 
bei  der  römischen  Jugend  seiner  Zeit  sehr  beliebt  waren  und  sich  in 
deren  Vorträge  einschlichen.  Diese  Beobachtung  ist  in  der  That  sehr 
beachtenswert  und  verdient  weiter  verfolgt  zu  werden.  Als  Abfassungs- 
zeit scheinen  ihm  die  ersten  Jahre  unserer  Zeitrechnung  am  wahr- 
scheinlichsten. 

F.  Leo  (s.  oben:  S.  1)  sieht  in  der  pedantisch  durchgeführten  dis- 
tribntio  kein  Zeichen  fremden  Ursprungs.  Der  Stoiker  (de  divin.  I) 
Quintns  habe  mit  absichtlicher  dialektischer  Künstelei  den  Stoff  (als 
erster)  systematisch  geordnet;  die  Schrift  sei  kein  'commentariolus', 
sondern  ein  Brief,  der  erste  Entwurf  einer  Abhandlung,  daher  bald 
skizzenhaft,  bald  ausgeführter,  aber  in  dieser  Gestalt  nicht  für  die 
Öffentlichkeit  bestimmt  (cf.  d.  Schluß  des  Com.).  Marcus  habe  einige 
Wendungen  des  Briefes  in  der  Rede  in  toga  Candida  bald  nach  Empfang 
des  Briefes,  auch  später  in  der  Rede  pro  Murena  (nicht  pro  Plancio) 
aus  Artigkeit  gegen  den  Bruder  eingeflochten.  Erschienen  sei  der  Brief 
erst  nach  dem  Buche  des  Asconius. 

Die  Frage  ist  mithin  noch  ungelöst.  Ich  bemerke,  daß  ich  trotz 
Tyrrell  und  Leo  von  meiner  Ansicht  (s.  oben  S.  3)  nicht  abgekommen 
bin.  Wir  haben  ausführliche  Nachrichten  über  die  Schulthätigkeit  der 
Rhetoreu  der  u achaugusteischen  Zeit,  und  wissen,  daß  sie  Themata,  wie 
das  vorliegende,  gern  behandelten.  Nur  mit  Widerstreben  kann  ich  diese 
Arbeit  zu  Quintus  Cicero  in  Beziehung  setzen,  während  sich  mir  alles 
von  selbst  zu  erklären  scheint,  wenn  man  einen  Rhetoren  als  Verfasser 
annimmt.  Niemand  wird  behaupten,  daß  sie  die  Leistungsfähigkeit 
eines  Ehetoren  augusteischer  Zeit  überträfe.  Ob  es  aber  jemals  ge- 
lingen wird,  zu  einem  objektiveren,  zwingenden  Ergebnisse  zu  gelangen, 
dürfte  fraglich  sein. 

C.  Bardt,  'Zur  Provenienz  von  Ciceros  Briefen  ad  familiäres'. 
Hermes  XXII  (1897)  S.  264—272. 

Hier  soll  die  Frage  beantwortet  werden,  wie  die  Sammlung  der 
Ciceronischen  Briefe  zustande  kam.  Die  Briefe  ad  Att.  sammelte  und 
ordnete  dieser  selbst;  die  Briefe  ad  fam.  lib.  XVI  habe  Tiro  seinen 
Papieren  entnommen,  lib.  XIV  aus  dem  Nachlasse  der  Terentia,  X— XII 
sei  während  der  Korrespondenz  selbst  in  Ciceros  Hause  für  die  Aus- 
gabe vorbereitet,  lib.  VIII,  die  Briefe  von  der  Hand  des  Caelius,  eben- 
falls in  Ciceros  Hause  gesammelt  worden!  Wo  aber  kommen  die  anderen 
Briefe  her?  Sind  sie  von  den  Empfängern  zurückerbeten,  oder  sind 
es  Konzepte  und  zurückerhaltene  Abschriften?  Zwei  Betrachtungen 
aollen  darauf  Antwort  geben: 


Jabresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.)         5 

1.  Im  lib.  I  ad  Lentulum  folgt  ein  Brief  ad  L.  Valerium.  Dieser 
Mann  war  dem  P.  Lentulus,  als  er  Statthalter  von  Kilikien  war,  empfohlen 
worden.  Der  Brief  an  Valerius  ging  gleichzeitig  mit  demselben  Boten 
ab.  Das  Konzept  wird  mithin  bei  den  Konzepten  der  sorgfältig  ge- 
arbeiteten, hochpolitischen  Briefe  an  P.  Lentulus  gelegen  haben.  Diese 
Annahme  hat  in  der  That  große  Wahrscheinlichkeit,  wie  überhaupt  der 
Gedanke,  daß  sich  Cic.  von  wichtigen  Briefen  das  Konzept  oder  Ab- 
schriften aufbewahrte,  um  sich  nötigenfalls  auf  den  genauen  "Wortlaut 
berufen  zu  können.    Dieser  Gedanke  ist  neu  und  gut. 

2.  wird  nachgewiesen,  daß  der  Brief  F.  V.  8  an  P.  Crassus, 
der  durch  seine  Wiederholungen  einen  dürftigen  Eindruck  macht,  eine 
Verschmelzung  zweier  Konzepte  sei,  die  wohl  erst  nach  Ciceros  Tode 
von  einem  ungeschickten  Redaktor  vorgeuommeu  wurde.  Auch  dieser 
Nachweis  scheint  mir  überzeugend  geführt  zu  sein.  „Er  eröffnet  uns 
einen  Einblick  in  die  Werkstatt  des  großen  Stilmeisters,  der  die  Mühe 
nicht  scheut,  das  schon  fertiggestellte  Bild  Linie  für  Linie  und  Farben- 
ton für  Farbenton  mit  subtilster  Sorgfalt  nachzuprüfen  und  umzuge- 
stalten." Ist  somit  der  „urkundliche  Beweis"  erbracht,  daß  F.  V.  8 
ans  Ciceros  Konzepten  stammt,  so  dürfte  dasselbe  auch  von  anderen 
Briefen  gelten. 

In  einem  Exkurse  wird  die  bekannte  Stelle  A.  XVI  5,  5  (vom  Juli 
709)  behandelt:  mearum  epistularum  nulla  est  007070)77^,  sed  habet  Tiro 
instar  (M:  inistar)  septuaginta.  Et  qtädem  (M:  equidem)  sunt  a  te 
quaedam  swnendae  (M.:~da).  Eas  ego  oportet  persjnciam,  corrigam: 
tum  deniqne  edenfur.  B.  sagt,  hiermit  würden  „sicher  nicht"  die 
79  Empfehlungsbriefe  des  lib.  XIII  gemeint,  wie  ich  in  meiner  Disser- 
tation (Göttingen,  1879)  vermutet  hatte  und  noch  jetzt  annehme*) 
und  zwar  aus  dem  Grunde  nicht,  weil  sonst  Cic,  der  doch  eine  viel 
größere  Briefmasse  haben  müßte,  aus  der  er  die  79  Empfehlungsbriefe 
hätte  auslesen  können,  in  den  unberechtigten  Verdacht  käme,  seinem 
Freunde  die  Unwahrheit  gesagt  zu  haben.  Dieser  Grund  ist  nicht 
stichhaltig,  wenn  wir  annehmen,  daß  Tiro  vorher  an  Atticns  geschrieben 
hatte  —  und  wie  sollte  sonst  Atticus  auf  diese  Frage  gekommen  sein? 
—  Cic.  plane  eine  Ausgabe  seiner  Empfehlungsbriefe.  Dann  würden 
in  der  Antwort  unter  'episfidanün  eben  nur  die  epistulae  commendaticiae 
zu  verstehen  sein.  Es  scheint  sehr  fraglich,  ob  Cic.  bei  Lebzeiten 
daran  gegangen  sei,  Briefe  ,,hochpolitischen''  Inhaltes  zu  veröffentlichen, 
die  ihm  große  Verlegenheiten  hätten  bereiten  können,  während  gerade  die 
Veröffentlichung  des  harmlosen,  liebenswürdigen  Genres,  der  Empfehlungs- 
briefe   mit    ihren  hyperbolischen    Anpreisungen   und   Ehrenerzeugungen 


*)  Auch  F.  Leo  hat  sich  jüngst  damit  einverstanden  erklärt  (s.  u.). 


6  Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.   (Gurlitt.) 

bei  Empfohleuen  nud  dereu  Patronen  freundliche  Aufnahme  gefunden 
haben  werden.  Ihr  Wert  lag  in  der  Stilistik.  Sodann  beanstandet  B. 
von  der  sprachlichen  Seite  den  Ausdruck  instar  septnaginta.  Dieser 
ist  bei  Cicero  allerdings  befremdlich;  es  finden  sich  aber  bei  anderen 
Schriftstellern  so  analoge  Fälle  (vgl.  J.  C.  C.  Boot  zu  dieser  Stelle), 
daß  man  sich  damit  vpird  zufrieden  geben  müssen.  Um  einen  Hinweis 
auf  die  erhalteneu  Bücher  1— VII,  IX,  XIII,  XV  mit  ihren  259  Briefeu 
herzustellen,  liest  B.: 

sed  habet  Tiro  instar  'er.xa- 

[t£u/ou;*)  hae  sunt  diligeuter  au-] 

gendae,  et  quidem  a  te  sunt  quaedum  sumendae. 

Dieser  Lösungsversuch  ist  gewiß  geistreich,  und  man  würde  zu- 
frieden sein,  wenn  so  überliefert  wäre.  Wir  sind  aber  nicht  genügend 
mit  der  behandelten  Frage  vertraut,  um  so  gewaltsame  Eingriffe  in  die 
Überlieferung  wagen  zu  dürfen.  Unter  den  Briefen,  welche  Cic.  von 
Atticns  erbittet,  sollen  nach  B.  die  gelegentlichen  Beilagen  hochpolitischer 
Briefe  an  Pompeius,  Cäsar,  Antonius  etc.  gemeint  sein.  Aber  von  diesen 
schickte  Cic.  stets  nur  eine  Abschrift  (alterum  exemplum)  —  nie  das 
Original  selbst,  das  sich  also  unter  seinen  eigenen  Papieren  mußte 
finden  lassen,  weshalb  gerade  diese  Briefe  nicht  gemeint  sein  können. 
Auch  bleibt  zu  bedenken,  daß  unsere  epp.  'ad  fam.'  nur  ein  Teil  der 
alten  Sammlung  sind,  der  erst  spät  in  diese  Gruppierung  gebracht 
wurde,  weshalb  ein  Schluß  von  der  Buchzahl  auf  die  citierte  Briefstelle 
und  umgekehrt,  wertlos  erscheint.  Auch  bliebe  noch  zu  untersuchen, 
ob  die  gemeinten  Bücher  sich  wegen  ihres  Inhaltes  schon  im  Jahre  710 
sämtlich  zu  einer  Veröffentlichung  würden  geeignet  haben. 

Somit  liegt  wohl  das  Hauptverdienst  dieser  Abhandlung  in  dem 
Nachweise,  daß  Ciceros  Briefkonzepte  bei  der  Veröffentlichung  mit  heran- 
gezogen wurden.  — 

II.    Die  handschriftliche  Überlieferung. 

a)    Epp.  'ad  fam.' 

Auf  diesem  Gebiete  bleibt  zum  letzten  Jahresberichte  (1893)  wenig 
nachzutragen. 

Hinsichtlich  der  sog.  'epp.  ad  fam.'  hat  sich  das  von  L.  Mendels- 
sohn geschaffene  handschriftliche  Fundament  als  zuverlässig  erwiesen.  Sein 
Werk:  M.  Tulli  Ciceronis  epistularum  libri  sedecim,  Leipzig  1893, 
B.  G.  Teubner,  ist  grundlegend  und  besteht  jede  Prüfung.  Drei  Jahre 
später  erschien  ebenfalls  im  Teubnerschen  Verlag  eine  neue  Ausgabe  von 


")  Oder  'Septem  libroram'. 


Jaliresbeiiclit  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Guiiitt.)  7 

C.  F.  "W.  Müller,  M.  Tulli  Ciceronis  scripta  quac  manserunt 
omnia,  partisIIIvol.Icontinens  epistnlanini  ad  familiäres,  quae  dicuntur, 
libros  sedecim,  epistularnm  ad  Q,  Fratrein  libros  tres,  Q.  Ciceionis  de 
petitione  ad  M.  fratrem  epistulani,  eiusdem  versus  quosdani  de  signisXII. 
1896.     578  S.     Kl.  8. 

Für  die  epp.  ad.  fam.  hat  sich  M.  die  textkritische  Grundlage 
Mendelssohns  zu  eigen  gemacht  und  sich  mit  ihm  entschieden,  'dubia 
nbi  res  esset  et  incerta,  M.  veterem  ducem,  ut  sequi  mallet',  quam  ceteros 
Codices,  bemerkt  aber  dazu,  daß  er  'cum  de  omnium  codicum  fide  et 
auctoritate  tum  de  Medicei  paulo  secus'  urteile.  Leider  konnte  er  die 
englische  Ausgabe  von  Tyrrell-Purser  nicht  mehr  benutzen.  Erfreu- 
licherweise sind  die  Daten  den  Briefen  beigegeben,  und  zwar  mit  ver- 
schwindenden Abweichungen  nach  den  'tabulae  chionologicae'  derMendels- 
sohnschen  Ausgabe.  M.  verzichtet  darauf,  alle  Lesarten  anzuführen. 
Die  Ausgabe  ist  keineswegs  ein  Abdruck  der  Mendelssohnschen;  das 
beweisen  vielfache  Abweichungen  und  die  sorgfältigen  sprachlichen  und 
paläographischen  Studien,  welche  in  der  'adnotatio  critica'  niedergelegt 
sind,  die  jedem  empfohlen  seien,  der  textkritisch  auf  diesem  Gebiete 
arbeiten  will  Man  findet  darin  auch  die  Litteratur  der  drei  auf 
Mendelssohns  Ausgabe  folgenden  Jahre  verarbeitet. 

Für  die  Briefe  ad  Qu.  fr.  bildet  diese  Ausgabe  gegenwärtig  das 
beste  Bild  des  Standes  unserer  Kenntnis  und  einen  erfreulichen  Fort- 
schritt gegenüber  den  Ausgaben  von  Baiter  (18GC),  von  Wesenberg 
(1872)  und  für  den  Brief  I  1  von  Ferd.  Antoine,  (Paris  1888),  ob- 
schon  neues  handschriftliches  Material  nicht  herangezogen  ist. 

Für  Q.  Ciceronis  epistula  de  petitione  bedeutet  die  Ausgabe 
insofern  einen  Fortschritt  gegenüber  derjenigen  vonFr.Bücheler  (1869), 
als  M.  außer  dem  cod.  Berolinensis  olim  Erfurtensis  auch  den  Har- 
leianus  2682,  (H)  herangezogen  hat  auf  grund  der  von  E.  Baehrens 
(Miscell.  crit.  1879  p.  23 — 32)  mitgeteilten  Varianten.  Die  Abweichungen 
von  Baiter,  Wesenberg,  Bücheier  werden  mitgeteilt.  Vgl.  Eef,  Berl. 
phil.  Wochenschrift  1896,  Sp.  474—478. 

Robert  Yelverton  Tyrrell  and  Louis  ClaudePurser,  The 
correspondence  of  M,  Tullius  Cicero.  Dublin,  Hodges,  Figgis  &  Co., 
London,  Longmans.     Vol.  IV.  1894.     Vol.  V  1897. 

Der  bedeutendste  Fortschritt  dieser  schönen  Ausgabe  besteht  in 
der  Ausbeutung  des  cod.  Harleianus  2682  für  die  epp.  ad  fam.  lib.  IX 
— XVI,  welchen  Purser  für  Tyrrell  kollationiert  und  in  vol.  II  pg.  LXVI 
— XC  genau  beschrieben  hat.  Außerdem  hat  diesen  Kodex,  der  bekanntlich 
noch  viele  andere  Schriften  Ciceros  enthält,  eine  vortreffliche  Behandlung 
erfahren  von  Albert  C.  Clark  (Anecdota  Oxoniensia  texts,  documents 


}«1         Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

and  extracts  chiefly  from  manuscripts  in  the  Bodleian.  Classical  series 
p.  VII.  Oxford.  1892  mit  einem  Faksimile  für  Cic.  pro  Mil.  72—77.) 
Dort  erhalten  wir  eine  erschöpfende  Behandlung  derGeschichte  (p.4 — 14) 
und  der  Verwandtschaftsverhältnisse  (p.  14 — 15)  der  IIs.  Auf  die  Briefe 
wieder  einzugehen  hatte  Clark  keinen  Anlaß,  da  das  Nötige  darüber 
von  Parser  schon  mitgeteilt  war. 

Ludwig  Gurlitt:  Zur  Überlief eruugsgeschichte  von  Ciceros 
Epistularum  libriXVI  (21.  Supplementbd.  von  Fleckeisens  Jahrbüchern 
für  klassische  Philologie  1896.     S.  509—554).*) 

Für  die  eine  Gruppe  der  Hss  zu  ad  fam.,  nämlich  B.  IX— XVI 
wird  ein  x  aus  dem  Mendelssohnschen  Stemraa  der  tJberlieferimg  be- 
seitigt. Mendelssohn  hatte  in  der  praefatio  seiner  kritischen  Ausgabe 
richtig  nachgewiesen,  daß  eine  enge  Verwandtschaft  besteht  zwischen 
den  Hss  D:  Palatinus  598,  H:  Harleianus  2682  F:  Erfurt,  nunc 
Berolinensis  lat.  fol.  252  und  Cratanders  Randnoten  (C)  und  teil- 
weise auch  dessen  Texte  (c)  in  der  Baseler  Ausgabe  von  1528.  Auf 
Ermittelung  der  gemeinsamen  Quelle  dieser  Handschriftengruppe  und 
der  verwandten  contaminati  hatte  er  verzichtet.  Zweck  dieser  neuen 
Untersuchung  ist,  nachzuweisen,  daß  eine  heute  verschollene  Hs,  welche 
im  X.  Jahrh.  im  Kloster  St.  Nazarii  in  Lorsch  lag,  den  Ausgangs- 
punkt dieses  Handschriftenzweiges  bildete.  Das  Ergebnis  der  Unter- 
suchung lautet  (S.  553):  „Der  cod.  Ls.  II  (Ep.  IX— XVI)  ist  der  Stamm- 
vater der  gesamten  deutschen  Überlieferung,  von  ihm  wurde  eine 
Abschrift  genommen,  welche  im  XII.  Jahrhundert  den  Schreibern  von 
H.  und  F.  vorlag,  auf  ihn  gehen  auch  die  contaminati  zurück,  ihn 
schrieb  gegen  1500  in  Lorsch  für  einen  Humanisten  der  Schreiber  des 
Kodex  D  ab  (dieses  wird  in  der  folgenden  Abhandlung  noch  specialisiert). 
Im  Jahre  1527  fand  ihn  Sichardt  zugleich  mit  dem  alten  Bücherver- 
zeichnis, in  W'elchem  die  Handschriften  aufgeführt  waren,  an  seiner  alten 
Stelle,  brachte  ihn  nach  Basel,  wo  ihn  Cratander  von  ep.  IX  (?)  an 
bis  zu  Ende  ausschließlich  zur  Kontrolle  der  vulgata  (ascensiana  I  und 
II)  benutzte  und  seine  Lesarten  ohne  strenge  Methode,  teils  still- 
schweigend in  den  Text  aufnahm,  teils  an  'kritischen'  Stellen  an  den 
Rand  anfügte.  Sichardt  gab  darauf  den  Kodex,  der  eine  Lücke  in 
lib.  X.  von  fast  3  Briefen  hatte,  an  das  Lorscher  Kloster  zurück. 
Seitdem  fehlt  jede  Spur  von  ihm." 

*)  Rez.  von  J.  Ziehen,  Wochenschrift  für  klass.  Philol  1S9G.  N.  17. 
Sp.  454f.;  E.  T(Lomas),  Revue  critique  1S9G.  N.  22  p.  425  f.;  0.  Plass- 
berg,  Deutsche  Litteraturzeitung  1896.  N.  24.  Sp.  743 f.;  L.  Holzapfel, 
Neue  philol.  Rundschau  1897.  N.  7.  S.  100.;  K.  Lehmann,  Berlin,  philol. 
Wochenschrift  1897.  N.  30  Sp.  941  ff.;  Boll.  di  filol.  class.  III  2.  p.  46. 
P.  Monet,  Revue  de  phil.  XXI,  p.  132  f. 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.)         9 

Die  Kritik  hat  sich  im  wesentlichen  dazu  zustimmend  geäußert. 
Ergänzend  ist: 

Ludwig  Gurlitt,  „Zur  Geschichte  des  cod.  Pal.  598  (D.  bei 
Mendelssohn)  der  Briefe  Ciceros  ad  fam."  Berl.  philol.  Wochenschrift 
1897.  N.  31/32  Sp.  1003  ff. 

Der  Kodex  D  ist,  wie  der  Besitzervermerk  angiebt,  ans  dem  Nachlasse 
des  Heidelberger  Magister  artium  etmedicinaeErhard  Knab  de  Zwivalt 
(f  1481)  in  den  Besitz  der  Heidelberger  Universitäts-Bibliothek  über- 
gegangen und  mit  dieser  durch  Tilly  nach  Rom  gekommen.  Schreiber 
der  Handschrift  scheint  der  Humanist  Matthias  Widmann  aus  Kemnat 
in  der  Oberpfalz  zu  sein  (geb.  er.  1430),  der  erste  Humanist,  von 
dem  es  feststeht,  daß  er  die  Lorscher  Klosterbibliothek  um  die  Mitte 
des  XVI.  Jahrh.  benutzte.  Daraus  erklärt  sich  der  hohe  Wert  dieser 
Handschrift  und  ihre  nahe  Verwandtschaft  mit  Oratanders  Lesarten, 
die  auf  die  gleiche  Vorlage  zurückgehen.  0.  Piasberg  (ebenda  1897 
N.  41  Sp.  1276),  der  sich  gegen  diese  Untersuchungen  ziemlich  skeptisch 
verhält,  sieht  die  Hauptsache,  daß  nämlich  D  vom  Ls.  abgeschrieben  sei, 
auch  als  wahrscheinlich  an.  Ich  hatte  die  Eigenart  des  Kodex  D  in  seiner 
Anordnung  der  Bücher  auf  seine  Vorlage  L.  II  zurückzuführen  gesucht, 
und  Autopsie  der  Hs  bestätigte  mich  in  meiner  Annahme.  Piasberg 
wendet  sich  in  dieser  mehr  nebensächlichen  Frage  gegen  meine  Aus- 
führung. Sein  Erklärungsversuch  aber,  daß  nämlich  der  cod.  D  all- 
mählich durch  verschiedenzeitige  Abschriften  entstanden  wäre,  ist 
angesichts  des  Kodex  selbst  unhaltbar.  Dieser  ist  mit  Hast,  in  einem 
Zuge,  auf  demselben  Papiere,  von  derselben  Hand  geschrieben  (vgl. 
Berl.  phil.  Wochenschrift  1898  N.  8  Sp.  254  f.). 

b.     Epp.  ad  Atticum. 

Meinem  letzten  Jahresberichte  ist  hier  noch  weniger  nachzutragen. 

Das  Axiom  von  der  alleinigen  Autorität  des  Mediceus  hat  sich 
als  unhaltbar  erwiesen,  CA.  Lehmanns  grundlegendes  Buch:  de 
Ciceronis  ad  Atticum  epistulis,  Berlin  1892,  gewinnt  mit  jedem  Jahre 
an  Ansehen  und  wird  dem  leider  jüngst  verstorbenen  Gelehrten  ein 
ehrendes  Andenken  bis  in  ferne  Zeiten  sichern.  Es  ist  sehr  zu  be- 
klagen, daß  Lehmann  seine  Lebensaufgabe,  eine  textkritische  Ausgabe 
der  epp.  ad  Att.,  nicht  zu  Ende  führen  durfte,  und  um  so  mehr,  als  er 
die  unbegreifliche  Weisung  an  seine  Erben  gegeben  hat,  daß  sein  ge- 
samter litterarischer  Nachlaß  unbesehen  vernichtet  werden  solle.  Sollte 
wirklich  der  Schatz,  der  in  seinen  Kollationen  liegt,  den  Flammen  über- 
geben werden!?    Er  liegt  zum  Glück  in  Händen    von  Philologen,    die 


jQ        Jahrosbcriclit  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

das  Vorbild  des  Augusfiis  kennen,  der  dem  Vergil  zum  Trotze  die 
Aeneis  erhalten  und  dadurch  den  Dank  von  Millionen  geerntet  hat- 
Und  doch  ist  dies  eine  schwere  Gewisseusfrage.  Anfaugs  fand  Lehmann 
Widerspruch,    und  ich  habe  eine  Arbeit  dieser  Richtung  nachgetragen: 

Friedrich  Schmidt,  Zur  Kritik  und  Erklärung  der  Briefe 
Ciceros  au  Atticus.  Prog.  des  alten  Gymnasium  zn  Würzburg  1892. 
8.     33  S. 

Die  Arbeit  lehnt  sich  an  frühere  desselben  Verfassers  au,  über 
welche  J.  H.  Schmalz  im  Jahresberichte  von  1884  S.  43  f.  berichtet 
hat.  Durch  0.  E.  Schmidts  Abhandlung  über  „die  handschriftliche 
Überlieferung  der  Briefe  Ciceros  an  Atticus,  Q.  Cicero,  M.  Brutus  in 
Italien"  (s.  Jahresbericht  von  1894  S,  99  ff.)  in  seiner  Ansicht  bestärkt, 
daß  der  cod.  M^.  die  sicherste  Grundlage  für  unsere  Textesgestaltung 
bilde,  bekämpft  er  C.  Lehmanns  Ansicht,  daß  C  und  Z  und  eine  Reihe 
italienischer  Hss  von  M  unabhängig  und  diesem  mindestens  gleichwertig 
wären, .  mit  Gründen,  die  ernster  Prüfung  nicht  Stich  halten.  Z  soll 
sogar  möglicherweise  jünger  als  M  sein.  Darüber  hat  man  inzwischen 
richtiger  urteilen  gelernt,*)  und  0.  E.  Schmidt  scheint  selbst  nicht 
mehr  daran  festzuhalten.  Auch  das  ist  nicht  mehr  zutreffend,  dal!  wir 
über  das  Alter  von  C  nichts  Bestimmtes  wüßten.  Auf  grund  älterer 
und  auch  meiner  Untersuchung  „zurrberlieferungsgeschichte"  etc.  (N.  8.) 
kann  an  dem  hohen  Alter  und  hohen  Werte  von  C.  kein  Zweifel  mehr 
bestehen.  Seh.  legt  den  Hauptwert  auf  eine  genaue  Kollation  des  cod. 
Mediceus  49.  18,  der  übrigens  nicht  von  „einem"  wenig  intelligenten 
und  leichtfertigen  Schreiber  geschrieben  ist,  sondern  von  mehreren,  wie 
bekannt,  und  hofft,  daß  es  gelingen  müsse,  durch  Scheidung  der  ver- 
schiedenen Hände  von  1 — 4  die  Überlieferung  seiner  Vorlage  annähernd 
wiederzugewinnen.  Er  spricht  von  Lehmanns  „kühnen  Bahnen",  wobei 
wir  genötigt  würden,  bei  Feststellung  des  Textes  „nicht  mehr  zu  wiegen, 
sondern  nur  zu  zählen",  —  aber  das  kann  uns  nicht  darin  irre  machen, 
daß Lehmannstrengmethodisch  nichts anderesgethan  hat,  alsauf  gruud  ge- 
nauer Hs-Vergleichung  Thatsächliche  festzulegen.  Das  Ergebnis  mag 
unbequem  sein;    aber  es  ist  eben  durch  die  Thatsachen  selbst  gegeben. 

Bei  Kritik  und  Erklärung  der  einzelnen  Stellen,  die  unten  zu  be- 
handeln sind,  werden  übrigens  C  und  Z  gebührend  von  Schmidt  mit 
heraneezogen,  weshalb  auch  seine  irrige  Ansicht  über  die  Hsfrage  ohne 
schädlichen  Einfluß  auf  seine  Textkritik    bleibt.     Ich    nehme    an,    daß 


*)  Vgl.  meinen  Jahresbericht  (1S94  S.  107  f.  und  besonders  M.  Roth- 
stein, Wochenschr.  f.  kl.  Philol.  XI  (1894)  N.  10  11  :  L.  Gurlitt,  Berl. 
philol.  Wochenschrift  1804  N.  20  Sp.  925. 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.)        H 

Scb.  beute  selbst  seinen  Widerspruch    gegen  Lehmaim  nicht  mehr  auf- 
recht erhält. 

Lehmanns  Ergebnisse  für  die  Handschriftenfrage  findet  man  kurz 
dargelegt: 

in  der  6.  Auflage  der  'Ausgewählten  Briefe'  von 
Friedrich  Hofmann,  welche  Lebmann  besorgt  hat  (Berlin,  Weid- 
mann, 1892),  Einleitung  S.  16  ff.  und  S.  233,  worauf  eine  Zusammen- 
stellung der  handschriftlichen  Abweichungen  zu  den  dort  behandelten 
Briefen  ad  Att.  folgt.  Die  Arbeit  wurde  mit  Lehmanns  Material  und 
nach  seinen  Grundsätzen  fortgesetzt  in  der  3.  Auflage  des  zweiten 
Bändchens,  welche  Georg  Andresen  besorgt  hat  (1895). 

Die  in  diesen  beiden  Bündchen  behandelten  Briefe  ad  Att.  sind  die 
einzigen,  für  die  wir  dadurch  den  vollständigen  kritischen  Apparat  be- 
sitzen, und  da  Lehmann  gestorben  ist  und  seine  Kollationen  nicht  er- 
halten sehen  wollte,  so  werden  sie  es  auch  zunächst  auf  längere  Zeit 
bleiben:  um  so  wertvoller  ist  daher  die  Schulausgabe  auch  für  wissen- 
schaftliche Zwecke.  Es  wäre  eine  lohnende  Aufgabe,  an  den  dort  be- 
handelten Briefen  festzustellen,  wie  hoch  der  Gewinn  aus  Lehmanns 
neu  herangezogenen  Hss  anzuschlagen  sei;  mit  anderen  Worten,  ob  es 
ein  unerläßliches  Gebot  ist,  das  gesamte  Material  wieder  zu  beschaffen 
und  in  den  kritischen  Apparat  aufzunehmen,  oder  ob  man  mit  be- 
schränkteren Mitteln  auskommen  könnte. 

Ich  habe  für  die  epp.  ad  Brutum  die  von  Lehmann  als  die 
besten  bezeichneten  Hss  verglichen,  nämlich  vor  allem  E  (Ambrosianus 
E  14  inf.),  N  (cod.  ex  abbatia  florentia,  qui  nunc  est  in  bibliotheca 
Laurentiana,  n.  49),  0  (Taurinensis  I.  V.  34),  s  (Ursinas,  qui  est  in 
bibliotheca  Vaticana,  n.  322)  und  den  völlig  wertlosen  Rav.  (bibl. 
Classens.  n.  137,  4,  •).  Der  Ertrag  war  minimal  und  reichte  nicht 
aus,  auch  nur  ein  schwereres  Verderbnis  zu  heilen.  Das  läßt  uns 
hoffen,  daß  wir  in  den  von  Lehmann  in  seiner  Schrift  'de  Ciceronis  ad 
Atticum  epistulis'  mitgeteilten  Varianten  das  Wesentliche  schon  besitzen, 
was  aus  seinen  Hss  zu  holen  war.  Es  ist  zutreffend,  was  Lehmann  an 
verschiedenen  Orten  ausgesprochen  hat:  'in  den  Atticusbriefen  haben 
wir  die  Lesarten  einer  Majuskelhs,  wenn  C  W  Z  mit  ii  oder  einem 
Teil  von  ii  übereinstimmt;  wenn  aber  C  W  Z  fehlen,  so  haben  wir  in 
günstigem  Falle  die  Überlieferung  einer  Minuskelhaudschrift ,  oft  aber 
läßt  sich  aus  den  verschiedenen  Lesarten  von  ß  diese  nicht  mit  Sicher- 
heit bestimmen.  Ohne  Lehmanns  Widerspruch  zu  erfahren,  habe  ich 
aber  dazu  in  meinem  Aufsatz: 

Ludwig  Gurlitt,  Handschriftliches  und  Textkritisches  zu  Ciceros 
epistulae   ad   M.  Brutum   (Philologus  N.  F.  IX,    1896  S.  318-340. 


12       Jabresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

behauptet,  daß  wir  uns  zur  Rekonstruktion  von  Q  auf  die  Lesarten  von 
M  und  einen  der  besseren  Lehmannschen  Hs  wobl  beschränken  dürfen,  daß 
aus  E  und  M  oder  0  und  M  die  italienische  Tradition  genügend  ermittelt 
werden  könne.  Lebmanns  Vorarbeiten  waren  nötig,  um  die  Überlieferung 
aufzuklären,  es  würde  sich  aber  nicht  empfehlen,  alle  Varianten  der  Gruppe 
-  in  den  Ausgaben  mitzuschleppen.  Die  Last  dieses  Ballastes  stände 
in  keinem  Verhältnisse  zu  dem  Ertrage.  Insofern  halte  ich  0.  E.  Schmidts 
Polemik  gegen  Lehmann  für  berechtigt.  Ich  habe  mich  über  diese  Frage 
noch  einmal  ausgesprochen  in  einem  kleinen  Aufsatze: 

Ludwig  Gurlitt,  Wie  gewinnen  wir  eine  sichere  hand- 
schriftliche Grundlage  für  Ciceros  Briefe?  (Berl.  philol.  Wochenschrift 
1895  N.  48  Sp.  1532—1536), 

worin  ich  zu  dem  Ergebnisse  komme:  „Die  cod.  Lauristeimenses  sind 
aus  Cratander  durch  Abzug  von  (A^  und)  A-  wiederherzustellen  und 
mit  ihrer  Hilfe,  mit  Z  und  den  italienischen  Hss,  aus  denen  eine 
passende  Auswahl  zu  treffen  wäre,  und  unter  denen  M  gewiß  nicht  den 
letzten  Platz  einnimmt,  die  letzte  handschriftliche  Grundlage  zu  kon- 
struieren." Wie  weit  fieilich  im  einzelnen  Cratauders  Zuverlässigkeit 
reicht,  bleibt  noch  zu  untersuchen.  —  Eine  Bestätigung  seiner  Ergebnisse 
und  Bereichung  erfuhr  Lehmann  durch  denjenigen  englischen  Gelehrten, 
der  sich  besonders  um  die  handschriftliche  Überlieferung  der  Briefe 
Verdienste  erworben  hat: 

A.  C.  Clark,  'The  fictitious  MSS.  of  Bosius'.  The  classical 
Review  Vol.  IX,  1895  (N.  5)  p.  241—247. 

Diese  sorgfältige  Arbeit  beschäftigt  sich  mit  dem  Manuskripte 
des  Bosius  zu  dessen  Kommentar  in  seiner  IBSOj.  erschienenen  Ausgabe 
der  Briefe  ad  Att.,  und  nimmt  die  Untersuchung  über  die  Glaubwürdig- 
keit des  Bosius  noch  einmal  auf.  Der  Verdacht,  den  Th.  Mo m rasen 
zuerst  aussprach  und  Haupt  ausführlich  begründete,  (Opuscula  II  84), 
daß  des  Bosius  'decurtatus'  =  scidae  und  Crusellinus  nie  existiert  habe, 
lindet  an  der  Hand  des  Manuskriptes  der  Bibliotheque  nationale  zu 
Paris  (Mss.  Lat.  8538,  A)  noch  einmal  eine  gründliche  Prüfung. 

Clark  erkennt  zunächst  C.  Lehmanns  Ergebnisse  in  vollem  Umfange 
und  mit  vollem  Rechte  an,  daß  an  der  Existenz  und  dem  Werte  des  Tornae- 
sianus  (Z),  den  außer  Bosius  besonders  Lambin  benutzte,  nicht  zu  zweifeln 
sei,  daß  selbst  des  Bosius  Angaben  aus  dieser  Hs  nicht  von  der  Hand  zu 
weisen  seien.  Detlefsens  (Fleckeisens  Jahrb.  Suppl.  Bd.  III,  1857— 18G0 
p.  113  ff.)  und  L.  Mendelssohns  (=  ed.  p.  VIII  v.  1)  Zweifel  an  des 
Bosius  Betrug  fand  Beifall  bei  Purser  (Class.  Review  1894,  Märzheft). 
Deshalb  war  es  eine  lohnende  Aufgabe,  noch  einmal  die  Untersuchung 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.)       13 

aufzunehmen.  Clark  hegte  dieselbe  Ilofifnnng,  der  auch  ich  nicht  un- 
bedeutende Mühe  geopfert  habe,  Bosius  zu  retten.  Der  Versuch  erwies 
sich  auch  ihm  als  verfehlt.  Die  fleißige  Zusammenstellung  an  Stellen, 
in  denen  Bosius  falsche  Angaben  macht  und  sich  selbst  widerspricht, 
ist  eine  nützliche  Ergänzung  zu  Haupts  und  Lehmanns  (p.  85  sqq.) 
Untersuchungen  und  muß  zur  Folge  haben,  daß  man  in  Zukunft  von 
den  Angaben,  die  Bosius  aus  dem  decurtatus  und  Crusellinus  macht, 
völlig  absieht.  Sie  haben  die  Textkritiker  lange  genug  zum  besten 
gehabt. 

Zum  Schluß  macht  C.  betreff  des  Tornaesianus  und  dessen  Herkunft 
dieselbe  Kombination,  die  ich  im  Anschluß  an  C.  Lehmann  schon  1894 
(Berliner  philol.  Wochenschrift  N.  29  Sp.  925)  gemacht  hatte:  daß 
die  Hs  nämlich  aus  dem  Kloster  Cluny  stammte  und  nach  dem  Lyoner 
Buchhändler  Jean  de  Tournes  (Johannes  Tornaesius)  benannt  wurde. 
Clark  macht  treffend  darauf  aufmerksam,  daß  Lambin,  in  dessen  Hand 
der  Kodex  zuerst  fiel ,  seine  erste  Ausgabe  des  Horaz  bei  diesem  de 
Tournes  verlegte  und  in  dem  Vorworte  erwähnt,  er  habe  von  diesem 
eine  sehr  alte  Hs  erhalten.  — 

Einen  weiteren  Schritt  auf  der  von  Lehmann  gewiesenen  Bahn 
bedeutet  desselben  Verfassers  Nachweis  von  einer  bisher  nicht  genügend 
beachteten,  ebenfalls  von  M  unabhängigen  Handschrift: 

Albert  C.  Clark,    'a  Paris  MS  of  the  letters  to  Atticus'. 
The  classical  Review  Vol.  X.  October  1896,  N.  7.  p.  321  —  323. 

Die  Hs  Paris,  Lat.  Nouv.  Fonds  16,  248,  welche  Clark  u  benennt, 
ist  bisher  noch  nicht  untersucht  gewesen.  Sie  ist  in  Italien  geschrieben 
Anf.  XV.  Jahrb.,  scheint  älter  als  P  8536  bei  C.  Lehmann,  Ein  Be- 
sitzervermerk am  Ende  der  ersten  Seite  lautet:  AN.  BER.  Es  ist  eine 
Prachtbs,  aber  unvollendet:  Von  fol,  106  b  an  fehlen  die  griechischen 
Worte,  für  die  Platz  gelassen  ist.  Sie  enthält:  epistulae  ad  D  (?) 
Brutum :  ad  Q.  fr.;  ad  Octav,;  ad  Att.  I — XVI.  Sie  teilt  mit  M  die 
Lücke  in  A.  I  18,  1 — 19,  11),  trägt  sie  aber  am  Ende  nach,  dafür  fehlen 
die  letzten  4  Briefe  des  lib.  XVI,  Man  unterscheidet  verschiedene 
Hände.  Die  erste  Hand  reicht  bis  fol.  106  b.  Von  da  ab  ist  -  eine 
Abschrift  des  M.  Das  Vorausgehende  gehört  zu  der  vom  M  unab- 
hängigen italienischen  Hss-Klasse,  welche  Lehmann  2  nennt,  zu  der 
die  Hss  ENHOPR  gehören.  Von  diesen  sind  nur  ORP  vollständig; 
N  und  H  enthalten  nur  die  ersten  Bücher  (bis  VII  21,  1  und  VII  22,  2) 
und  sind  gemelli.  Clark  billigt  die  Vermutung,  daß  sie  vom  Kodex 
Pistoriensis  abstammen,  welchen  Leonardo  Arretino  in  einem  Briefe 
an  Niccolo  Niccoli  erwähnt,  r.  steht  dem  H  (cod.  Laudanus  in  Piacenza 
n.  8)    sehr    nahe,    hat    dieselben  Lücken    und  Fehler    und  stammt  von 


14       Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

gleicher  Vorlage  her.  In  den  21  Lesarten,  welche  Lehmann  aus  H  zu 
den  lib.  I — VI  1,  8  als  Abweichungen  vom  ]\[  mitteilt,  stimmt  13  mal  - 
mit  H  vollständig,  5  Fälle  sind  indifferent,  in  den  übrigen  3  Fällen 
steht  -  in  der  Mitte  zwischen  M  und  H.  Am  wichtigsten  von  diesen 
Fällen  sind:  IV  7,  1  di  irati:  durati  M,  diirati  (nicht  därati,  wie  Clark  mir 
brieflich  mitteilt)  r.,  dii  irati  H  und  III  14,  2  veni:  H,  Z;  ii  M,  ivi 
TT.  —  Wo  H  Interpolationen  zeigt,  ist  in  der  Regel  -  davon  frei. 
Clark  konnte  ans  Zeitmangel  die  Untersuchung  der  Hs  nicht  abschließen. 
Soviel  scheint  sicher,  daß  NHtt  auf  denselben  decurtatus  des  XIV  Jahrh. 
zurückgehen,  der  unabhängig  von  M  war.  — 

Das  Schlußergebnis  all  dieser  Untersuchungen  ist  durchaus  zu- 
friedenstellend: eine  Klärung  und  größere  Übereinstimmung  der  An- 
sichten über  den  Zusammenhang  der  Hss  und  über  ihren  Wert. 
Lehmanns  frühere  Widersacher  sind  verstummt  oder  doch  zu  Zuge- 
ständnissen geneigt,  während  anderseits  0.  E.  Schmidt  sich  wohl  mit 
Recht  gegen  eine  zu  niedrige  Einschätzung  des  Mediceus  erklärte. 
Bei  meinen  jüngsten  textkritischen  Bemühungen  auf  dem  Gebiete  der 
epp.  ad.  Att.,  über  die  unten  referiert  werden  soll,  habe  ich  immer  von 
neuem  den  Wert  der  M  schätzen  gelernt. 

m.   Die  Sprache  in  Ciceros  Briefen. 

Paul  Meyer,  De  Ciceronis  in  epistulis  ad  Atticum  sermone. 
Prg.  der  Kgl.  bayerischen  Studienanstalt  in  Bayreuth,  1887.  8. 
60  S. 

Die  gediegene  Abhandlung  stellt  sich  als  Aufgabe,  eine  Fest- 
stellung der  Sprache,  deren  sich  Cic.  im  brieflichen  Verkehre  mit  Atti- 
cum bediente,  zunächst  mit  Ausschluß  des  Syntaktischen  zu  geben. 

Voraus  geht  eine  Zusammenstellung  der  Arbeiten  von  Thiel - 
mann,  Hellmuth,  Landgraf,  welche  durch  Woelff lins  grundlegen- 
den Aufsatz  (Philol.  XXXIV  137  ff.;  1874)  angeregt  zu  einer  Sichtang 
des  Sprachgebrauches  fast  aller  Briefsteller  Ciceros  geführt  haben,  und 
besonders  derjenigen,  die  sich  mit  der  je  nach  der  Abfassungszeit  ver- 
schiedenen Sprachweise  des  Cic.  selbst  beschäftigen.  Kein  Zweifel,  daß 
sich  Cic.  in  den  Briefen  an  Att.  gehen  ließ,  daß  in  diesen  Briefen 
der  ,sermo  merus"  zu  finden  ist.  Dafür  giebt  Cic.  selbst  ausdrückliches 
Zeugnis  in  A.  I  12,  4;  VI  I,  2;  VII 10;  XIV  7,  2;  F.  IX  21,  1.  Um  diese 
tägliche  Umgangssprache  zu  ermitteln,  stellt  Meyer  einen  Vergleich 
der  Briefe  des  Att.  mit  der  Sprache  des  Lucilius,  Plautus,  Terentius 
u.  a.  an,  welche  sich  des  sermo  cotidianus  bedient  haben.  Er  durfte  sich 
dabei  der  Vorarbeiten  von  Stinner  (De  eo,  quo  Cic.  in  epp.  usus 
est   sermone.     Oppeln    1879)    und  Landgraf   bedienen  (Bemerkungen 


Jahresbcriclit  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.)       15 

zum  sermo  cotidiamis  in  den  Briefen  Cic.  u.  an  Cic. ,  Bl.  f.  d.  Ba}^". 
Gymn.- Wesen.  XVI  p.  274—80;  317—31)  und  zugleicli  Landgrafs 
treffliche  Arbeit  in  einigen  Punkten  berichtigen  (p.  79.):  pio  Marc.  14: 
pnidens  et  sciens  tamquam  ad  interitam  ruerem  sei  tamqaam  nicht  mit 
prudens  und  sciens  zu  verbinden  (p.  313),  sondern  zum  folgenden  zu  ziehen, 
da  prudens  et  sciens  als  gebräuchliclie  Wendung  keiner  Einschränkung 
und  Milderung  bedürfte:  cf.  Poet.  trag,  fragni.  Ribb.,  p.  256  prudens 
et  sciens  ad  pestem  ante  oculos  positam\  Ter.  Enn.  72:  prudens  sciens 
vivos  vidensque  pereo  etc.  —  A.  XII  38a,  2:  Tu  quoniam  necesse 
nihil  est,  sie  scrihes  aliqnid,  si  varahis  beziehe  sich  sie  nicht  mit  L 
(p.  324)  auf  quoniam,  sondern  auf  den  Bedingungssatz:  „dann  wirst 
du  schreiben,  wenn  du  Zeit  hast."  wie  A.  IX  2;  XIV  13  A,  2;  H)'g. 
fab.  14;  auch  F.  XIII  70  beziehe  sich  sie  fit,  auf  das  folgende  ut 
multi  velint ,  wie  schon  0.  Rebling  (Versuch  einer  Charakteristik  d. 
röm.  Umgangssprache;  Kiel  1883  p.  27)  erkannte  (vgl.  L.  Mendel- 
sohn  a.  1.).  Schließlich  bestreitet  er,  daß  L.  mit  Recht  A.  VII  11,1 
sihi  haheat  suam  fortiinani  in  Parallele  stelle  mit  Ter.  Ad.  958  suo 
sibi  gladio  hnnc  ingulo,  und  belegt  Ciceros  Sprachgebrauch  der  zu- 
sammengestellten Pronomina  mit  A.  XII  28,  2  mea  mihi  conscieyiiia 
plures  est;  XIV  8,  2;  Cael.  in  epp.  ad  A.  X.  9  A,  2.  —  Daran  schließt 
sich  die  Untersuchung  über  einzelne  Worte  und  Wendungen,  die  der 
Umgansgsprache  angehören,  und  über  einige  syntaktische  Erscheinungen 
verwandter  Art.  Dabei  werden  eine  Reihe  interessanter  Beobachtungen 
gemacht:  letum  kommt  bei  Cic.  nicht  vor,  außer  bei  Dichtercitaten, 
de  leg.  II  9,  12;  de  div.  I  26,  56.  Neu  ist  die  Erkenntnis,  daß  auch 
A.  X  10,  5  quam  turpi  leto  pereamus  ein  halber  Hexameter  ist.  Das 
Verbum  egere  verbindet  Cic.  auch  in  den  Briefen  mit  dem  Abi. :  A.  III 
15,  4;  IV,  1,  8;  XI  16,  5;  XIV  17.  A,  2;  XV  1,  5;  9,  2  lesen  wir 
egere  eonsilio ,  nur  einmal  A.  VII  22,  2  egeo  consilii,  weshalb  sehr 
wahrscheinlich,  daß  Cic.  mit  egeo  consili  an  ein  Dichterwort  erinnert, 
wie  Plaut.  Bacch.  651.  .  .  .  egens  consili  servos.  F.  IX  3,  2;  quod 
gravitas  morhi  facit,  ut  medicinae  egeanms  wird  als  Hexameter  er- 
kannt. —  A.  X  12  a,  1:  quo  nie  nunc  vertam'?  XIII  13,  2  nunc  autem 
ftTTopü),  quo  me  vertam  wird  als  vulgär  erwiesen.  A.  XIII  38,  1: 
hoc  quidquam  pote  impurius  wird  gewiß  mit  Recht  als  ein  Wort  der 
Komödie  angesprochen.  Betreffs  des  vulgären  pote  vgl.  Rebling  a.  a, 
0.  p.  9.  —  A.  I  16,  1  dii  immortales\  quas  ego  pugnas  (et)  quan- 
tas  strages  edidi  hatte  schon  Ribbeck  (frgm.  com.  Rom.  p.  122j  als 
aus  der  Komödie  stammend  erkannt;  aber  man  findet  es  in  keiner 
Ausgabe  mit  Anführungsstrichen.  Meyer  bringt  weitere  Belege  bei: 
Plaut.  Pseud.  503;  Capt.  585;  Poen.  923  und  schlägt  unter  Hinweis 
auf  Plaut.  Capt.  902  sqq.  vor:'     Di  immortales,  .  .  . 


16       Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

Quanfas  ego  pugnas,  quantas  strages  edidil'  schwerlich  richtig*) 
A.  XIII  28,  2  iiirato  mihi  crede  soll  durch  Plaut.  Asin.  23: 
iuraio  mihi  video  necesse  esse  eloqui;  Amph.  437:  iniurato  scio  plus 
credet  mihi  quam  iurato  tibi  als  Dichterwort  belegt  sein.  Vielleicht 
ist  es  n  u  r  vulgär.  Es  werden  behandelt  die  Worte  nassa,  tricae,  tricari, 
siispirifus  (das  übrigens  A.  I  18,  3  nicht  sicher  überliefert  ist),  in- 
commoditas,  colluvies,  offensa,  agripeta-,  levamentum,  aegrimonia,  Sub- 
stantiva  verbalia  auf  -io  und  -or  mit  einer  Zusammenstellung  derer, 
die  nur  bei  Cic.  (p.  19),  und  deren  (p.  20  f.)  die  nur  in  den  Briefen 
vorkommen,  Subst.  auf  -or. **)  Ebenso  werden  gründlich  vulgäre  Ad- 
verbia,  Adjektiva,  Verba  behandelt.  Daran  schließen  sich  (p.  52)  sprich- 
wörtliche Wendungen  und  (p.  56)  eine  kurze  Behandlung  and  Zu- 
sammenstellung der  griechischen  Wörter  innerhalb  der  Briefe,  wobei 
die  interessante  Beobachtung  gemacht  wird ,  daß  in  lib.  III ,  welches 
Cic.  in  der  Trauer  seines  Exils  schrieb,  kein  griechisches  Wort  voi-- 
kommt,  während  sie  in  allen  anderen  Büchern  nicht  selten  sind.  Ich 
habe  zuzufügen,  daß  auch  in  lib.  XI  griechische  Worte  fehlen;  auch 
hier  ist  Ciceros  ernste  Stimmung  davon  die  Ursache:  denn  diese  Briefe 
sind  im  Kriegsjahre  706/48  aus  dem  Lager  des  Pompeius,  aus  Dyr- 
racbium  und  Brundisiura  geschrieben. 

IV.    Zu  den  Briefen  an  Cicero. 

J.  H.  Schmalz  hat  in  seinem  Berichte  eine  größere  Reihe  von 
Untersuchungen  über  den  Sprachgebrauch  der  nichtcicerouiscben  Briefe 
aufgeführt  (1884  S.  70—72),  welche  den  Sev,  Sulpicius  Rufus, 
M.  Claudius  Marcellus,  P.  Cornelius  Dolabella,  M.  Curio, 
M.  Antonius,  P.  Vatinius,  M.  Brutus,  Asinius  Pollio  betrafen. 
Die  drei  zuletzt  genannten  haben  auch  von  selten  Burkhards  im 
Jahresberichte  über  die  römischen  Redner  ihre  Besprechung  gefunden. 
84.  Bd.  (1895)  II.  Abt.  S.  162—173. 

Von  den  neu  hinzugekommenen  Arbeiten  dieses  Gebietes  sind 
auch  einige  schon  von  Burkhard  behandelt,  andere  haben,  soweit  sie 
vor  dem  Jahre  1893  erschienen  sind,  nach  der  textkritischen  Seite  ihre 
Verwertung  in  Mendelssohns  Ausgabe,  soweit  sie  vor  1896  erschienen 
sind,  dasselbe  durch  C.  F.  W.  Müller  und  Ty rre  11- P urser  in  deren 
Ausgaben  erfahren.     Wir  dürfen  uns  deshalb  kurz  fassen. 

In  all  dieser  Arbeit  tritt  das  Bestreben  hervor,  im  Gegensatz  zu 
der  früheren  fehlerhaften  Methode,    Ciceros  Sprache   für  alle  Epistolo- 

*)  0.  Seyffert  bemerkt  treffend,  daß:  du  immortales,  <juas  ego  pugnas, 
quantas  strages  edidi  ein  tadelloser  troch.  Septenar  ist. 

**)  Einer  Berichtigung  bedarf:  ^pacificator  A.  I  13,  2  ap.  Cic.  nusquam 
alias",  es  kommt  noch  einmal  A.  X  1,  2  emptum  pacificatorem  vor. 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen,   (Gurlitt.)        17 

graphen  seiner  Zeit  zur  Richtschnur  zu  nehmen,  jedem  einzelnen  in 
seiner  Eigenart  gerecht  zu  werden,  zu  Individnalisieren  statt  zu  Ni- 
vellieren. 

Hermann  Hellmuth,  Über  die  Sprache  der  Epistolographen 
S.  Sulpicius  Galba  und  L.  Cornelius  Baibus,  Programm  des 
Kgl.  Alten  Gymnasiums  zu  Würzburg  1888,  Würzburg,  H.  Stürtz, 
4,     60  S. 

Besprechung:  Berliner  philol.  Wochenschr.  VIII.  Jahrg.  N.  51  von 
Eußner. 

Zu  Grunde  lag  eine  neue  Kollation  des  cod.  Med.  für  die  in 
Frage  kommenden  Briefe  und  dazu  auch  die  Lesarten  von  H  D,  die 
inzwischen  auch  andererseits  bekannt  geworden  sind.  Die  Anordnung 
der  Arbeit  ist  folgende:  1.  Neudruck  der  Briefe  des  Baibus  F.  X  30; 
A.  VIII  15  A;  IX  7  A  (Baibus  und  Oppius);  7  B;  13  A,  —  2.  Lebens- 
lauf des  G.  Sulpicius  Galba  und  Charakteristik  seines  Stiles.  — 
3.  Formenlehre,  4.  Syntax,  5.  Phraseologie,  6.  Stilistik.  7.  vita  des 
L.  Cornelius  Baibus  mit  gleich  geordneter  sprachlicher  Untersuchung 
seines  Stiles.  Ein  Index  verweist  auf  die  sprachlichen  Bemerkungen. 
Der  Text  erfährt  einige  Berichtigungen  aus  den  Hss,  die  in  den  neuen 
Ausgaben  aufgenommen  sind.  —  Bei  Galba  tritt  stilistische  ünvoll- 
kommenheit,  Anlehnung  an  die  Umgangssprache  hervor,  manche  Be- 
rührungspunkte mit  den  Verfassern  des  bellum  Africanum  und  Hispa- 
niense,  mit  Vitruv  und  besonders  mit  Nepos.  Des  Baibus  Satzbau  ist 
dem  der  besten  Klassiker  nachgebildet,  hat  lange,  aber  durchsichtige 
Perioden,  gewandten  Ausdruck,  volkstümliche  Vorliebe  für  Parataxe. 
Vokabelschatz  und  Konstruktionen  weichen  nicht  unwesentlich  von 
Cicero  und  Cäsar  ab.  Er  giebt  uns  die  Konversationssprache  der  da- 
maligen gebildeten  Gesellschaft  in  Eom.  Eine  ebenso  gründliche,  ge- 
haltreiche Arbeit  bat  geliefert: 

10.  Alb  recht  Köhler,  Über  die  Sprache  der  Briefe  des  P. 
Cornelius  Lentulus  Spinther  (Cicero  epp.  ad  fam.  XII  14  und 
15).  Beigabe  zum  Jahresbericht  1889/90  des  Kgl.  Alten  Gymnasium 
zu  Nürnberg.     Nürnberg  1890,  Fritz  Walz. 

Besprechungen:  Archiv  für  Lexikographie  VII 1890  S.  458  (Wölfflin); 
Gymnasium  IX  1891  Sp.  353  (F.  Müller):  Berl.  philol.  Wochenschr.  XI  1891. 
Sp.  884  und  8S5  (F.  Burg):  Arch.  f.  lat.  Lexik.  VII  (1S92)  458;  Neue  pbil. 
Rundschau  1892,  S.  183—184  (E.  Grupe):  diese  Jahresber.  93.  Bd.  1897. 
II  S.  85—86  (Burkhard). 

Auch  hier  ist  zunächst  eine  gesicherte  kritische  Grundlage  des 
Textes  geschaffen. 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    Bd.  LXXXXVII.  (1898.  IT.)     2 


18       Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

Auf  die  vita  des  Lentiilns  und  die  Würdigung  seiner  Schreibweise 
folgen:  Formeulehre,  Syntax,  Wörter  und  Redensarten.  „Des  Lentulus 
sprachliches  Vorbild  ist  Cicero.  Er  beherrscht  die  Ausdrucksraittel  völlig 
und  versteht  sie  in  jedem  Falle  seinen  Zwecken  dienstbar  zu  machen." 

E.  Wölfflin,  C.  Äsinius  Polio  de  hello  Africano  (mit  einem 
Anhange  über  das  Gefecht  bei  Ruspina).  Vortrag  v.  4.  Mai  1889.  In 
den  Sitzungsberichten  der  philos.-philol.  und  histor.  Klasse  der  K,  b. 
Akademie  der  Wissenschaften  zu  München.  Jahrg.  1889.  1.  B. 
S.  319—350. 

Diese  Arbeit  hat  in  diesen  Jahresberichten  schon  zweimalige  Be- 
sprechung erfahren,  nämlich  von  H.  S.  Heller  Bd.  68  (1891)  S.  84, 
von  K.  J.  Burkhard  Bd.  84  (1896)  Abt.  II.  S.  166—167.  Nur  zum 
kleinsten  Teile  beschäftigt  sie  sich  mit  der  Sprache  des  A.  P.,  seinen 
Redensarten,  dichterischen  Anklängen,  Archaismen  und  ungelenken 
Kompositionen.    Eingehender  behandelt  später  diese  Seite  derselbe  Verf. 

Eduard  Wölfflin,  Über  die  Latinität  des  Asinius  Polio. 
Archiv  f.  lat.  Lex.  u.  Gram.  VI  (1889)  S.  85—106,  von  Burkhard  a.  a.  0. 
so  eingehend  besprochen,  daß  es  genügt,  darauf  zu  verweisen. 

J.  H.  Schmalz,  Über  den  Sprachgebrauch  des  Asinius 
Pollio.  Zweite  verbesserte  Auflage.  München  1890.  C.  H.  Becksche 
Verlagsbuchhandlung  (Oskar  Beck)  Schwabing.     60  S.     1,40  M. 

Die  zahlreichen  Besprechungen  der  ersten  Auflage,  die  auch 
Burkhard  in  seinem  Jahresberichte  84.  Bd.,  1895.  S.  171  —  173  auf- 
führt, werden  im  Vorwort  genannt,  der  Anhang  giebt  einen  auch  für 
andere  Zwecke  nützlichen  Überblick  über  die  zahlreichen  zu  Rate  ge- 
zogenen Schriften.  Die  Untersuchung,  welche  schon  zu  manchen  ver- 
wandten Anregung  gegeben  hat,  sei  auch  weiterhin  als  Vorbild  em- 
pfohlen. Prinzipielle  Änderungen  sind  der  ersten  Auflage  gegenüber 
nicht  vorgenommen,  wohl  aber  sind  die  Litteratur-Nachweise  ergänzt 
und  nachgebessert.  Es  genügt  auch  hier  auf  BurkhardsBericht  (a.  a.  0. 
S.  171 — 173)  zu  verweisen. 

Ernst  Gebhard,  De  D.  Junii  Bruti  genere  dicendi.  Jeuenser 
Diss.  (G.  Neuenhahn)  1891.   56  S. 

Besprechungen:  Archiv  für  lat.  Lexikographie  VIII  2.  p.  303—304; 
Berl.  phil.  Wochenschr.  XIII  1893  N.  11  Sp.  332—333  (L.  Gurlitt). 

1.  de  delectu  vocabulorum  locutionumque.  2.  observationes  quaedam 
de  proprietatibus  ad  rem  grammaticam  spectantibus.  Ergebnis  (p.  24): 
Des  I).  Juni  US  Brutus  Stil  ist  ohne  Glätte  und  Eleganz.  Er  schi-eibt  die 
gewöhnliche  Umgangssprache,  oder  richtiger,  die  Sprache  des  Lagers 
und    liebt  Kraftausdrücke.      Seine  Sprache    steht    der    des    Cäsar    be- 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.)        19 

deutend  näher,  als  der  ciceronischcn ,  am  nächsten  ist  sie  derjenigen 
des  M.  Brutus  verwandt,  was  zwar  richtig-  ist,  aber  nicht  genügend 
nachgewiesen  ^Yird. 

Den  schriftstellerischen  Charakter  des  M.  Caelius  Rufus  klarzu- 
legen   haben  gleichzeitig  2  Gelehrte  mit  bestem  Erfolge  unternommen. 

Ferdinand    Becher,    t^ber    den    Sprachgebrauch    des   Caelius, 
Jahresbericht  über  die  Klosterschule  zu  Ilfeld  1888.     4.     41  S. 

Besprechungen:  Berliner  phil.  Wochenschr.  IX,  1889  Sp.  210f. 
(J.  H.  Schmalz);  Archiv  f.  lat.  Lexikogr.  V  305-307  (H.  Hellmuth);  K.J. 
Burkhard  in  diesen  Jahresberichten  81.  Bd.     1895.    S.  158— IGO. 

Die  Arbeit  ist  noch  nicht  abgeschlossen,  behandelt  zunächst 
Formenlehre,  Syntaxis  convenientiae,  Syntaxis  casunm,  diese  freilich  in 
erschöpfender  Weise,  indem  die  17  Briefe  im  lib.  VIII  der  epp.  ad 
fam.  von  der  Hand  des  M.  Caelius  Ruf us  und  zugleich  die  bei 
Quintilian  u.  a.  überlieferten  Fragmente  aus  seinen  Reden  einer  genauen 
sprachlichen  Analyse  unterzogen  werden.*)  Zur  Behandlung  kommen 
Ausdrücke  wie  F.  VIII  4,  4  ad  ÄpoUinis;  3,  1;  14,  1  fanti  est;  5,  1 
quantum  gloriae  triumphoque  opus  esset;  14,  2  quod  non  dubito,  quin  te 
quoque  haec  deliberatio  sü  perturhaiura ;  14,  4  risum  veni  etc.  Das  Er- 
gebnis lautet: 

Caelius  hat  eine  „leidenschaftlich  ungestüme  Sprache,  die  reichlich 
mit  Archaismen,  Vulgarismen  und  Anklängen  an  den  sermo  cotidiauus 
durchzogen,  in  ihrer  ungewählten,  lockeren,  unebenen  Form  sich  ebenso 
sehr  von  der  elegantia  eines  Cäsar  wie  von  der  Glätte  und  Rundung 
eines  Cicero  entfernt,  wenn  auch  diese  und  jene  Ähnlichkeiten  zwischen 
Lehrer  und  Schüler  vorhanden  sind.  Er  ist  jedenfalls  ein  origineller 
Schriftsteller,  der  sich  schwer  einer  bestimmten  Schule  zuweisen  läßt. 
"Will  man  ihn  absolut  unterbringen,  so  rechne  man  ihn  den  Atticisten 
zu:  in  deren  Umgebung  wird  er  am  meisten  genannt."  Auf  Grund 
dieser  treffenden  Charakteristik  geht  B.  unter  Benutzung  der  besten 
Hss  M  G  E  —  nur  D  war  ihm  nicht  zugängig  —  au  die  sprachliche 
Einzeluntersuchung,  deren  Ergebnisse  man  in  den  Ausgaben  schon  ver- 
wertet findet. 

Franciscus  Burg,   de  M.  Caelii  Rufi  genere  dicendi.     Frei- 
burger  Inaug.   Dissertation.     Leipzig,    Teubner  1888.    78  S.  gr.   8. 


*)  Die  Chronologie   der  Briefe   hatte   gegeben:    Bruno  Nake  Neue 

Jahrb.  1861  p.  60-68  u.  Symb.    phil.  Bonnensium  p.  373—384.  Vgl.  auch 

Wegehaupt,  M.  Caelius  Rufus,  Progr.  von  Breslau  1878  u.  Wieschhoelter, 

de  M.  Caelio  Rufo  oratore.    Dissertation  von  Leipzig  1885.  p.  32  ff. 

•2* 


20       Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

Besprechungen:  Berlin,  phil.  Wochenschrift  IX  1889  Sp.  212  f. 
zusammen  mit  Bechers  Arbeit  (J.  H.  Schmalz).  Deutsche  Litteraturzeitung 
1888  p.  074— 9TÖ  (Ferd.  Becher).  In  diesen  Jahresberichten  84.  Bd.  1805. 
S.  100—161  (Burkhard). 

Im  Prinzip  stimmt  B.  mit  Becher  völlig  übereiu,  seine  Arbeit 
umfaßt  aber  ein  weiteres  sprachliches  Gebiet  und  er  verfährt  dabei 
mehr  eklektisch.  In  der  Einleitung  wird  das  Wichtigste  über  das 
Leben  und  die  schriftstellerische  Eigenart  des  Caelius  aus  den  Quellen 
mitgeteilt.  In  5  Kapiteln  wird  gehandelt:  de  formis  vocabulorum,  de 
syntaxi,  de  copia  verborum,  de  locutionibus,  de  reliquis  proprietatibus 
diceudi.  Burg  sieht  keinen  Grund,  den  Caelius  der  Schule  der  Atti- 
cisten  zuzuzählen  (p.  9).  Textkritisch  ist  die  Arbeit  weniger  gut 
fundiert,  als  die  Bechers,  da  ihm  außer  den  Lesarten  des  M.  nur  das 
zur  Verfügung  stand,  was  0.  Streicher  (Comment.  philol.  Jenens. 
vol.  III.  (1884)  p.  99  sq.)  aus  anderen  Hss  vorerst  bekannt  gemacht 
hatte.     Dagegen  ist  der  übersichtliche  Index  ein  Vorzug  seiner  Arbeit. 

Mit    L.    Munatius    Plancus    beschäftigen     sich     4    Arbeiten. 

A.  Rhodius,  De  Sj'utaxi  Planciana.  Progr.  des  Gymnasiums  zu 
Bautzen.     Ostern  1894.     32  S.     4. 

Besprechungen:  Arch.  f.  lat.  Lexik.  IX  (1896)  149-151  (L.  Berg- 
müller),  und  in  diesen  Jahresberichten  03.  Bd.  1897.  II  S.  79  (Burkhard). 

A.  Rhodius,  De  L.  Muuati  Planci  serraone.  Progr.  des 
Gymn.  zu  Bautzen.     Ostern  1896.  40  S.     4. 

Besprechungen:  Jahrcsbcr.  03.  Bd.  1S07.  II  S.  70-81  (Burkhard). 

Ludwig  Bergmüller,  ZurLatinität  der  Briefe  des  L.  Munatius 
Plancus  an  Cicero.  Jahresber.  über  das  K.  Alte  Gymnas.  zu 
Regensburg.     Stadtamhof.     1896.     X.     26  S.     8.     und: 

Ludwig  Bergmüller,  Über  die  Latinität  der  Briefe  des 
L.  Munatius  Plancus  an  Cicero.  Erlangen  und  Leipzig  1897. 
A.  Deichert.  X,  102  S.     8.     2,25  Mk. 

Besprechungen:  Arch.  f.  lat.  Lex.  u.  Gr.  X,  H.  2  S.  198  f.:  Jahresb. 
0.3.  Bd.  1897.  II     S.  81-82     (Burkhard). 

Diese  4  Abhandlungen  sind  in  diesen  Jahresberichten  schon  ein- 
gehend behandelt  worden. 

Hierzu  dürfen  wir  schließlich  auch  noch  folgende  Arbeit  zählen: 

Johann  Babl,  De  epistularum  latinarum  formulis.  Programm 
des  Kgl.  Alten  Gymnasiums  zu  Bamberg.  Bamberg  1893,  W.  Gärtners 
Buchdruckerei  (D.  Siebenkeesj.  40  S. 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Brieten.   (Gurlitt.)       21 

Diese  Abhandlung,  welche  die  verba  solemnia  des  lateinischen 
Briefstiles  von  ihren  Anfängen  bis  in  die  Zeit  Karls  des  Großen  ver- 
folgt (die  Briefe  des  V. — VIII.  Jahrhunderts  nur  im  allgemeinen)  bietet 
auch  lehrreiche  Beobachtungen  für  Ciceros  Briefe,  Es  werden  behandelt 
I.  die  Begrüßungsformeln,  II.  die  formelhaften  Anfänge,  III.  die  Abschieds- 
formeln, IV.  die  Unterschrift  von  Ort  und  Zeit  der  Abfassung.  Es  zeigt 
sich,  daß  Ciceros  Sprachgebrauch  dabei  mehrfach  von  dem  seiner  Zeit- 
genossen (wie  L.  Cornelius  Baibus,  Curius,  Matius,*)  Cassius,  Plancus**) 
abweicht,  daß  er  selbst  unterscheidet,  je  nachdem  er  an  Nahestehende, 
an  hochstehende  Bekannte,  an  Behörden  schreibt,  oder  je  nachdem  er 
förmlich  oder  herzlich  sein  will.  Bis  ins  III.  Jahrh.  bleibt  er  auch  hierin 
vorbildlich  besonders  für  Fronto,  von  da  ab,  besonders  unter  dem  Ein- 
fluß des  Christentums,  treten  neue  Formeln  ein.  Um  für  die  Textkritik 
von  Nutzen  zu  sein,  müßten  die  Untersuchungen  eindringlicher  sein  und 
die  Überlieferung  strenger  zu  Rate  ziehen.  Eine  auf  die  epp.  Ciceronis 
beschränkte  Untersuchung  würde  weiteren  Gewinn  bringen.  — 


V.     Zur  Chronologie  der  Briefe. 

Am  eifrigsten  und  zum  Teil  mit  glänzendem  Erfolge  sieht  man 
in  den  letzten  15  Jahren  die  Gelehrten,  und  zwar  fast  ausnahmslos 
deutsche,  damit  beschäftigt,  die  Chronologie  der  Briefe  richtig  zu  stellen, 
wodurch  vielfach  erst  ein  richtiges  Verständnis  der  Briefe  und  der 
Tagesgeschichte  ermöglicht  wird. 

Für  die  epp.  ad  fum.  findet  man  die  bisherigen  Ergebnisse  zu- 
sammengestellt und  vervollständigt  im  Anhange  zu  L.  Mendelssohns 
Ausgabe  von  0.  E.  Schmidt  und  Emil  Körner.  Durch  diese  chrono- 
logischen Tafeln  ist  das  Werk  von  Johannes  von  Gruben  (1836), 
das  trotz  seiner  Fehlerhaftigkeit  bisher  noch  als  einzige  zusammen- 
hängende Darstellung  der  Briefchronologie  in  Gebrauch  war,  für  die 
eine  Hälfte  der  Briefe  entbehrlich  geworden.  Die  Datierung  der  Briefe 
aus  den  Jahren  63 — 52  (1 — 73)  wird  Körner,  die  der  folgenden 
Jahre   51—43   (74—430)  0.  E.  Schmidt  verdankt.     Alle  Vorarbeiten 


*)  Curius  u,  Matius  sagen  z.  B.  am  Schlüsse:  bene  vaie  (VII  29,  2; 
XI  28,  8)  wie  Plaut.  Asin.  IH  3,  16  =  606  (Ritschi)  Mil.  IV  8,  29  =  1339  (R). 
Cicero  gebraucht  es  nicht  mehr,  im  silbernen  Zeitalter  ist  es  wieder  sehr 
gebräuchlich. 

**)  Baibus,  Cassius,  Plancus  sagen  fac  valeas.  Cic.  ad  Att.  IX  7  B,  o ; 
fam.  XII  12,  5;  X  4,  4;  7,  2;  21,  6,  Cicero  nur  einmal  in  einem  Briefe  an 
seine  Frau  (fam.  XIV  1,6),  dagegen  liebt  er  cura,  ut  valeas,  weniger  da 
operam,  ut  valeas. 


22        Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.    (Gurlitt.) 

sind  dabei  gewissenhaft  verwertet,  und  da  Schmidt  einen  ausführlichen 
Kommentar  zu  den  chronologischen  Tabellen  in  Aussicht  gestellt  hat, 
in  dem  die  Datierungen  ihre  Begründung  finden  sollen,  so  glauben  wir 
in  diesem  Jahresberichte  nicht  nötig  zu  haben,  noch  bis  ins  Einzelne 
den  Auteil  aufzuzählen,  den  die  verschiedenen  Gelehrten  an  den  dort 
niedergelegten  Ergebnissen  haben,  oder  au  ihnen  eine  Kritik  zu  üben, 
bevor  der  Kommentar  erschienen  ist,  - —  Was  wir  noch  vermissen,  ist 
eine  tabellarische  Darstellung  der  Briefdaten  ad  Att.  und  ad  Q.  fr.  und 
eine  zusammenfassende  Tabelle  aller  Briefe,  eine  dem  heutigen  Stande 
der  Wissenschaft  entsprechende  Neuausgabe  des  Gruberschen  Werkes.  — 

Zu  bequemerer  tJbersicht  sollen  nachstehend  die  chronologischen 
Untersuchungen,  unbekümmert  um  ihre  Abfassungszeit,  so  angeordnet 
werden,  daß  sie  sich  der  zeitlichen  Aufeinanderfolge  der  Korrespondenzen 
möglichst  anschließen. 

Danach  gehört  an  erste  Stelle  die  schöne  Abhandlung  von: 

W.  Sternkopt.  Ciceros  Korrespondenz  aus  den  Jahren  68—60 
V.  Chr.     Elberfelder  G3^mnasialprogi'aram  1889.     24  S.     4. 

Besprechung:  Jahresber.  94.  Bd.  1897.     III  S.  125  f.  (Hüter). 

Diese  Arbeit  beschäftigt  sich  mit  den  ältesten  erhaltenen  Briefen 
unserer  Sammlungen:  zunächst  mit  dem  epp.  ad  A.  der  Jahre  68—65. 
Der  erste  Brief  I  5  (vor  27.  Nov.  68j  bildet  nicht  die  Eröffnung  der 
Korrespondenz,  aber  ein  Wiederanheben  derselben,  die  durch  einen 
vorübergehenden  Besuch    des  Atticus    in  Italien    herbeigeführt    wurde. 

I  5 — 11  bilden  eine  zusammenhängende  Korrespondenz,    nach  längerer 
Pause    folgt  1  3  und  4;    I,  1  und  2.     Die    einzelnen  Daten  sind:  I  5 
vor  27.  Nov.;  6  nach  27.  Nov.  68;  7  vor  13.  Febr.  67;  8  nach  13.  Febr. 
9    danach    und    vor   I  10,    der    selbst    „vor    Quintil"    geschrieben    ist 

II  „Quint.  67  oder  später".    I  3  Ende  67;  I  4  in  der  ersten  Hälfte  66 
I  1  Quintilis  65,  sehr  bald  danach  II.  —  Es  folgt  eine  Untersuchung 
über    die  Briefe    des  Jahres  67    (ad  fam.  V  1,  2,  7,  6),  des  Jahres  61 
(A  I  12;  fam.  V  5;  A.  I  13;  14—20:  II  1—3;  ad  Qu.  fr.  I  1). 

Sämtliche  Datierungen  werden  klar  begründet  und  bedeuten  einen 
Fortschritt  unserer  Erkenntnis. 

Eine  Fortsetzung  dieser  Untersuchung  giebt 

W.  Sternkopf,  selbst  in  den  Jahrbüchern  f.  kl.  Philol.1892. 
Hft.  10,  S.  713 — 728  ('Ciceros  Correspondenz  aus  den  Jahren 
59  und  58'). 

Besprechung:  Jahresber.  a.  a.  0.  (Hüter). 

I.  Briefe  des  Jahres  59,  Q.  II  4—17.  Diese  14  Briefe  sind 
in  der  erhaltenen  Reihenfolge  geschrieben  mit  Ausnahme  des  Briefes  12, 


Jahresbericht  über  die  Litteratux  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.)       23 

welcher  vor  10  und  11  gehörte.  Die  Briefe  4 — 8  gehören  in  die  erste 
Hälfte  des  April,  was  gegen  Schütz  und  Baiter  sicher  erwiesen  wird, 
und  sind  in  Antium  geschrieben,  „ein  Autias  des  Cicero  gab  es  ebenso- 
wenig wie  ein  Pomptinum"  (gegen  Druinann  GR.  VI  391).  —  II  11 — 15 
sind  im  Formianum  geschrieben,  wohl  in  der  überlieferten  Reihenfolge, 
zwischen  dem  21.  und  29.  April;  II  16  von  ebenda  zwischen  1. — 5.  Mai, 
17  wohl  noch  vor  dem  6.  Mai.  Die  Briefe  II  18 — 25  schrieb  Cicero 
in  Rom  in  der  überlieferten  Folge,  ad  Q.  fr.  I  2  bald  nach  dem 
25.  Oktober. 

II.  Briefe  des  Jahres  58.  Voraus  geht  eine  sorgfältige 
Untersuchung  über  die  beiden  Ciodianischen  Rogationen,  die  Ciceros 
Verbannung  bezweckten;  St.  entscheidet  sich  für  die  Ansicht  L.  Langes ; 
die  Reihenfolge  der  Ereignisse  ist:  Clodius  promulgiert  gleichzeitig  die 
rogatio  de  capite  civium  und  diejenige  de  provinciis  consulum.  Cicero 
verläßt  Rom.  Vielleicht  am  Tage  seiner  Abreise  gehen  beide  Gesetse 
durch  (spätestens  Mitte  März),  Ciceros  Stadthaus  und  seine  schönsten  Villen 
werden  geplündert.  Dann  erst  folgt  die  Rogation  de  exilio  Ciceronis 
(cf.  Cassius  Dio  XXXVIII  14  und  17).  Welches  war  deren  Inhalt  und 
Zweck?  Hierüber  giebt  es  3  Ansichten,  die  Druraanns,  Langes,  Hof- 
mann.*) St.  entscheidet  sich  für  Hofmann  (Ciceros  Brief  1  ^  S.  61), 
„daß  nach  der  ursprünglichen  Fassung  Cicero  nur  aus  Italien  verbannt 
war,  daß  aber  durch  die  neue  Fassung  ihm  der  Aufenthalt  innerhalb 
400  Milien  von  den  Grenzen  Italiens  an  untersagt  wurde." 

Augustus,  Aemilius  Körner,  de  epistulis  a  Cicerone  post 
reditum  usque  ad  finem  anni  a.  a.  c.  700  datis  quaestiones  chrono- 
logicae.    Lipsiae  apud  Gust.  Fox  1885.    8.     67  S. 

Besprechungen:  0.  E.  Schmidt,  Wochenschrift  für  kl.  Phil.  1885 
N.  51  Sp.  1609  ff.,  wobei  die  Daten  vom  8.— 26.  April  56  (aus  den  Briefen 
ad  Q.  f.  Il  5  ad  A.  IV  6—11)  klarer  gestellt  werden.  2.  von  L.  Gurlitt, 
Berl.  phil.  Wochenschrift  1896  N.  44  Sp.  1369  ff.  3.  R.  .1.  Tyrrell  ed.  epp. 
Dublin  1886.     vol.  II,  p.  XIV. 

Diese  Abhandlung,  durch  die  sich  der  Verf.  gut  auf  dem  Gebiete 
der  Cicero-Briefe  eingeführt  hat,  behandelt  gegen  80  Briefe,  welche 
den  Zeitraum  vom  Sept.  57  bis  Ende  54  umfassen.  Da  die  Ergebnisse 
in  übersichtlichen  Tabellen  am  Ende  der  Arbeit  zusammengefaßt  und 
dann  nur  unwesentlich  umgestaltet  auch,  soweit  sie  die  sog.  epp.  ad  fam. 


*)  A.  W.  Zumpts  Darlegung  (Kriminalrecht  I  2  S.  427—433)  scheint 
St.  nicht  zu  kennen;  aus  ihr  hätte  er  übrigens  auch  keine  Belehrung 
schöpfen  können.  A.  Jäckleins  Progr.  von  Bamberg  1875  über  Ciceros 
Verbannung  gehört  auch  hierher  und  jüngeren  Datums  Gerh.  Buning 
Progr.  des  Gymn.  zu  Cösfeld  1894.     (s.  nächste  Seite.), 


24       Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

betreffen,  im  Auhaiige  zu  L.  Mendelssohns  Ausgabe  aufgeführt  sind, 
so  genügt  es  hier,  auf  diese  Arbeit  zu  verweisen  und  den  großen  Fort- 
schritt anzuerkennen,  den  sie  in  chronologischer  Hinsicht  bedeutet.  Auch 
die  Briefe  ad  Att.  IV  1  —  19  und  ad  Qu.  fr.  II  1  —  in  9  erfahren 
hier  zum  ersten  Male  seit  v.  Gruber  eine  gründliche  Behandlung. 
Eine  Ergänzung  dieser  Arbeit  haben  wir  in  einer  ebenfalls  sehr  ge- 
diegenen Dissertation  von: 

Gerhard  Rauschen,  Epheraerides  Tullianae  rerura  inde  ab 
exilio  Ciceronis  (Mart.  LVIII  a.  Chr.)  usque  ad  extremum  annum  LIV 
gestarum.     Bonn  (Herrn.  Behrendt)  1886.     68  S. 

Besprechung:  ßerl.  phil.  Wochenschr.  1887.  N.  36.  Sp.  1115  ff. 
(L.  Gurlitt.) 

Zunächst  wird  nachgewiesen,  daß  es  zwischen  den  Jahren  57  und  53 
nur  einen  mensis  intercalaris  gab  und  zwar  im  Jahre  55,  sodann  werden 
die  beiden  Gesetze  des  Publ.  Clodius  gegen  Cicaro  behandelt  und  be- 
hauptet (fälschlich?),  daß  in  dem  2.  Gesetze  eine  Verbannung  von 
30  000  Meilen,  von  Rom  gerechnet,  festgesetzt  wurden.*)  Neu  ist  die 
Berechnung,  daß  die  comitia  consularia  des  Jahres  58  vor  den  Kai. 
des  Juli  abgehalten  wurden,  und  daß  das  sen.  cons.  de  cura  annonae 
ad  Pompeium  deferenda  und  Ciceros  erste  Rede  nach  seiner  Rückkehr, 
in  der  er  den  Quirlten  Dank  sagt,  auf  den  7.  (nicht  5.)  September 
fielen.  Betreif  der  Briefdaten  muß  er  18  mal  Körner  widersprechen, 
das  betrifft  die  Briefe  F.  1  4,  5b,  6,  8;  V  8,  12;  VII  26 ;  XIII  40. 
A.  IV  1,  2,  4b,  5,  6,  8a,  8b,  9,  10,  16  §  6.  Q.  fr.  II  4  §  3—7, 
II  5  §  4.  Genaue  Tabellen  geben  über  diese  Ergebnisse  den  klarsten 
Überblick  (1.  res  gestae,  2.  epistulae,  3,  loci  teraptati)  —  eine  Sorg- 
falt, die  nicht  dringend  genug  der  Nachahmung  empfohlen  werden  kann. 
Aber  auch  mit  Rauschens  Datierungen  hat  man  sich  noch  nicht  allseits 
einverstanden  erklärt. 

Emil  Körner,  „M.  Tullius  Tiros  Freilassung"  giebt  Beiträge 
zur  Chronologie  der  Briefe  ad  fam.  XVI  10,  13  —  15  (Jahrb.  f.  class, 
Phil.  1891.  Hft.  2.  S.  130—132)  des  Jahres  701/53.  Das  Datum  des 
Briefes  F.  XVI  10  ist  unvollständig  überliefert,  nämlich  ,XIIII  K.' 
Körner  berechnet,    daß  Maias    zu    ergänzen   sei.     Ich  möchte  dagegen 

*)  Dieselbe  Frage  behandelt  W.  Sternkopf  (Jahrb.  f.  kl.  Phil.  1892 
S.  719  ff.)  und  Gerb.  Buning,  Prg.  des  Gymn.  zu  Coesfeld  1894.  23  S.  4. 
(Vgl.  die  Besprechung  von  L.  Gurlitt,  Berl.  phil.  Wochenschr.  1^95  N.  17 
Sp.  523  ff.)  Wir  pflichteten  Buning  bei,  dall  Cicero  ursprünglich  aus  dem 
ganzen  römischen  Gebiete  verbannt  war,  und  daß  ihm  durch  die  neue 
Fassung  nur  der  Aufenthalt  innerhalb  400  röm.  Meilen  von  den  Grenzen 
Italiens  untersagt  wurde.  Sternkopf  und  B.  fanden  ihre  Ergebnisse  unab- 
hängig von  einander.    Eine  abschließende  Behandlung  wäre  erwünscht. 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.)       25 

auf  die  Thatsache  aufmerksam  machen,  daß  der  Codex  D,  dessen  Be- 
deutung man  seitdem  erkannt  hat,  'XIIII  K.  feb.'  überliefert,  was 
noch  eine  Prüfung  erfordert.  Kürners  Ergebnisse,  die  Wichtigkeit  für 
die  Chronologie  im  Leben  des  Tiro  haben,  sind  in  die  Tabelle  der 
Mendelssohnschen  Ausgabe  übergenommen. 

Die  Arbeit  führte  schon  Hüter  oben  1897.  III  S.  128  auf. 
Paul  Hildebrandt,  De  Scholiis  Ciceronis  Bobiensibus.  Berlin 
(Mayer  und  Müller)  1894.  8.  63  S.  p.  25 ff.  behandelt  die  Briefe  A.  IV 
4b,  5,  6,  8a  und  behauptet,  daß  sie  im  April  oder  Mai  geschrieben 
wurden,  nicht  im  Juni  (Rauschen).  Eine  Entscheidung  zwischen  den 
widerstreitenden  Ansätzen  von  Körner,  0.  E.  Schmidt,  Rauschen  und 
Hildebrandt*)  kann  hier  nicht  unsere  Aufgabe  sein. 

Theodor  Schiebe,  Zu  Ciceros  Briefwechsel  im  Jahre  51. 
Wissenschaf tl.  Beilage  zum  Jahresbericht  des  Friedrichs- Werderschen 
Gymnasiums  zu  Berlin  Ostern  1895  (N.  55).  R.  Gaertners  Verlag 
(Herrn.  Heyfelder).     31  S.    4. 

Besprechungen:  Berl.  phil.  Wochenschr.  1896  N.  3  p.  80—82 
(L.  Gurlitt);  Wochenschr.  f.  kl.  Phil.  N.  45  p.  1223-1230;  N.  4G  p.  1255- 
1295  (W.  Sternkopf).  Deutsche  Litteraturzeitg.  189G  N.  18  p.  556  (Th.  Stangl). 

Neben  einer  Reihe  textkritischer  Beobachtungen,  die  später  be- 
handelt werden,  bietet  diese  Arbeit  auch  beachtenswerte  Fortschritte 
auf  dem  chronologischen  Gebiete,  so  besonders  folgende  Daten :  Cicero 
yerließ  Rom,  um  in  seine  Provinz  zu  gehen,  schon  einige  Tage  vor  Ende 
April;  A.  V  6  ist  am  19.,  V  7  am  20.  Mai  geschrieben,  F.  III  3  am 
22.  oder  23.  Mai.  Caelius  ist  nicht  von  Rom  aus  Cicero  gefolgt,  sondern 
trifft  mit  ihm  in  Cumae  zusammen,  es  folgt  (S.  9 ff.)  eine  genaue  Be- 
trachtung der  Korrespondenz  zwischen  Cicero  und  Caelius  (F.  II  8  — 10; 
Vm  1—5)**)  und  der  geichzeitigen  mit  Atticus  (V  8—17).**')  Wohl 
ohne  Not  wird  nach  VIII  1  der  Verlust  eines  Briefes  Caeli  ad  Ciceronem 
angenommen.  Richtig  ist,  daß  Cicero  bald  nach  dem  4.  .Juni  von 
Bruudisium  abfuhr.  Auch  F.  III  3  „22.  oder  23.  Mai»,  III  5  ,28.  Juli" 
sind  zutreffende  Datierungen.  Mit  großem  Geschick  wird  hier  das 
bunte  Gewebe  der  Korrespondenzen  in  seine  Fäden  zerlegt,  werden  die 

*)  Hildebrandt  scheint  Schmidts  Berechnungen  nicht  gekannt  zu 
haben,  die  den  seinen  nahe  stehen.  Vgl.  m.  Bespr.  Berl.  phil.  Wochenschr. 
1895  S.  550  ff. 

**)  Am  meisten  von  der  bisherigen  Datierung  (zwischen  1.  und  13.  August) 
weicht  die  des  Briefes  VIII  5  ab  („gegen  Ende  Juni  oder  Anfang  Juli"). 
Ich  wage  keine  Entscheidung, 

***)  V  12  , Mitte  Juli"  ist  keine  Verbesserung  der  bisherigen  Datierung 
„11.  Juli«. 


26       Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

mannigfachen  Beziehungen  nachgewiesen:    in  den  meisten  Fällen  wirkt 
die  Beweisführung  überzeugend. 

Theodor  Schiebe,  Zu  Ciceros  Briefwechsel  seiner  Statthalter- 
schaft von  Cilicien  (Wissenschaftliche  Beilage  zum  Jahresbericht  des 
Friedrichs-Werderschen  Gymnasiums  zu  Berlin  Ostern  1897.  Prg. 
N.  54.    4.    27  S. 

Schiches  Scharfsinn  ist  es  gelungen,  noch  einige  kleine  Fortschritte 
in  der  Datierung  dieser  nun  schon  oft  behandelten  Briefgruppe  aus  der 
zweiten  Hälfte  des  Jahres  703/51  zu  erzielen.  So  wird  bewiesen,  daß 
A.  V  16  und  17  in  der  Folge  geschrieben  wurden,  wie  sie  überliefert 
sind,  und  soll  17  einen  Tag  nach  IG  geschrieben  sein,  was  freilich  nur 
durch  eine  immerhin  leichte  Änderung  des  überlieferten  bidui  in  tridni 
(V  16,  4)  zu  erreichen  ist.  A.  V  16  soll  am  9. — 11.  August,  am  Tage 
der  Abreise  von  Syunada,  17  am  folgenden  Tage,  dem  10.  — 11.  August, 
geschrieben  sein,  womit  Schiebe  seine  frühere  Ansetzung  (Prg.  1895. 
S.  30  f.)  berichtigt.  Um  Ordnung  in  die  verworrene  Chronologie  der 
gleichzeitigen  Briefe  zu  bekommen,  muß  ad  fam.  III  6,  3  <irihus  e^> 
trignita  und  E.  XV  4,  3  coepissem  <II>  K.  Sept.,  während  sich  das 
für  E.  XV  3  überlieferte  Datum  des  3.  Sept.  halten  ließ,  durch  Kon- 
jektur eingesetzt  werden.  Mit  Recht  wird  gegen  Drumann,  Moll  und 
0.  E.  Schmidt  das  Zusandekommen  einer  Zusammenkunft  Ciceros  mit 
seinem  Amtsvorgänger  Appius  Pulcher  in  Iconium  behauptet. 

Zeit  und  Provenienz  der  Briefe  E.  XV  7,  8,  9,  12  werden  in 
Übereinstimmung  mit  0.  E.  Schmidt  bestimmt,  sowie  mit  Recht  die 
Briefe  A.  V  18  und  19  auf  einen  Tag  angesetzt,  und  zwar  auf  den 
20.  September,  wie  A.  V  19,  1  überliefert  ist,  während  A.  VI  1,  1: 
X  Kai.  Oct.  in  XI  K.  0.  zu  ändern  wäre.*)  Der  folgende  Brief 
A.  V  20  wird  als  aus  3  Teilen  bestehend  erwiesen,  an  die  §§  1 — 7  vom 
19.  Dezember  schließen  sich  die  §§  8  und  9  (vom  26.  Dez.)  (?)  als 
erstes,  §  10  als  zweites  Postscriptum  an.  Der  ganze  Brief  ging  am 
27.  Dezember  von  Pindenissus  ab,  gleichzeitig  mit  einem  Briefe  an 
Curio  (E.  II  7). 

Gull.  Sternkopf,  Quaestiones  chronologicae  de  rebus  a 
Cicerone  inde  a  tradita  Cilicia  provincia  usque  ad  relictam  Italiam 
gestis  deque  epistulis  intra  illud  tempus  (a.  704  et  705)  datis 
acceptisve.     Diss.  Marburg  1884.     71  S.     8. 


*)  Ebenda  liest  Seh:   <c«im«>  quae  epistula  tua  est,  in  qua  <non> 
mentionem  facias  jedenfalls  dem  Sinne  nach  zutreffend. 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.)       27 

Besprechung:  Wochenschrift  für  klass,  Philol.  ISDC.  N.  2.  Sp.  38  ff. 
(0.  E.  Schnaidt). 

In  dieser  gediegenen  Abhandlung  erfahren  140  Briefe  eine  sorg- 
fältige historisch-chronologische  Behandlung  und  zwar,  wie  der  Titel 
schon  angiebt,  die  Briefe  vom  30.  Juli  des  Jahres  50  v.  Chr.  bis  zum 
Ausbruche  des  offenen  Krieges  zwischen  Cäsar  und  Ponipeius.  Eine 
chronologische  Tafel  geht  voraus  und  erleichtert  die  Übersicht,  die 
folgenden  171  Noten  dienen  zur  Begründung  der  Datierungen.  Ludwig 
Molls  Abhandlung  (s.  letzten  Jahresbericht  S.  66)  obgleich  auf  gleichem 
Gebiete  liegend,  bleibt  unberücksichtigt,  wird  aber  mehrfach  durch  die 
Ergebnisse  berichtigt.  Der  Weg  der  Heimreise  Ciceros  mit  seinen 
einzelnen  Stationen  (Tarsus,  Sida,  Rhodus,  Ephesus  mit  Vermeidung 
von  Laodicea  und  Apamea)  wird  sichergestellt  und  zeitlich  genauer 
bestimmt.  0.  E.  Schmidt,  „Der  Briefwechsel",  der  dieselbe  Reise 
noch  einmal  ausführlich  erzählt  (S.  77  ff.),  findet  an  Sternkopfs  An- 
gaben nichts  Wesentliches  zu  ändern  und  erkennt  an,  daß  von  ihm  auch 
die  Briefe  F.  III  12,  13;  II  15;  VIII  12,14  und  A.  VI  6  (p.  23—28) 
richtig  bestimmt  seien.  Auch  sonst  hat  die  Kritik  Sternkopfs  chrono- 
logischen TTntersuchuugen  und  der  damit  zusammenhängenden  Darstellung 
des  Kampfes  zwischen  Cäsar  und  Pompeius  nichts  anhaben  können. 

Julius  Ziehen,  ephemerides  Tullianae  rerum  inde  a  XVII  m. 
Martii  49  a.  Chr.  usque  ad  IX  m.  Augusti  48  a.  Chr.  gestarum. 
Bonner  Diss.  Budapest  (Franklin.  Gesellsch.)  1887.     8.     55  S. 

behandelt  dieselbe  Zeit  wie  die  letztgenannte  Arbeit  von  Sternkopf  und 
giebt  zu  (p.  6),  daß  diese  das  Datum  der  meisten  Briefe  richtig  be- 
stimmt habe,  so  daß  in  dieser  Hinsicht  nur  wenig  nachzutragen  bleibe,  St. 
habe  aber  den  geschichtlichen  Stoff  der  betreffenden  Briefe  nicht  erschöpfend 
klargelegt.  Ziehen  legt  daher  den  Schwerpunkt  auf  die  Konstruktion  einer 
historischen  (jrundlage  für  eine  später  zusammenhängende  Darstellung 
und  betont  die  innere  Geschichte,  welche  Goeler  (Cäsars  gallischer 
Krieg  und  Teile  seines  Bürgerkrieges  2.  Aufl  Tübingen  1880  T.  II)  und 
Kraner-Hoffmann  ed.  Caesaria  (Berlin,  Weidmann)  nicht  genügend 
beachtet  hätten. 

Die  Arbeit  ist  in  der  That  nach  dieser  Richtung  hin  reich  an 
treffenden  Beobachtungen,  so  wird  das  Datum  von  Ep.  VIII  17,  IX  9 
zutreffend  bestimmt  und  (p.  19,  31)  richtig  kombiniert,  daß  A.  X,  9 
A.  =  Ep.  VIII  16  in  Ep.  II  16  von  Cicero  beantwortet  wird  (vgl. 
Schmidt,  der  Briefwechsel  etc.  S.  173);  auch  wird  (p.  24  ff.)  A.  X  16,  4 
animo  Caeliano  richtig  interpretiert  (Schmidt  a.  a.  0.  S.  179),  während 
(p.  53  f.)  A.  XI  4  fälschlich  zu  einem  Briefe  wieder  vereinigt  wird, 
was  W.  Sternkopf  Prg.  1891  p.  14  f.  berichtigt  (Schmidt  S.  193,  1); 


28       Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

dagegen  werden  richtig  (p.  50  f.)  40  Tage  Zwischenzeit  zwischen  den 
Kämpfen  bei  Pbarsalus  und  Dyrrhachium  berechnet  (Schmidt  S.  195). 
Auch  an  Textverbesserungen  fehlt  es  in.  dieser  schönen  Untersuchung 
nicht  (s.  unten!).*)     Eine  Ergänzung  dazu  bildet 

J.  Ziehen,  „Cicero  im  Bürgerkriege"  (Berichte  des  Freien 
Deutschen  Hochstiftes  zu  Frankfurt  am  Main  1892  S.  92  ff.)  eine 
Arbeit,  welche  sich  auch  anschließt  an:  H.  Nissens,  Der  Ausbruch 
des  Bürgerkrieges  im  J.  49  v.  Chr.,  in  Sybels  H.  Z.  N.  F.  VIII, 
S.  409—445  und  X.  S.  48—105  und  an 

0.  E.  Schmidt,  ]\[.  TuUius  Cicero  beim  Ausbruche  des  Bürger- 
krieges.    Neue  Jahrb.  f.  Philol.  1891.     S.  121—130. 

Besprechung:  Jahresber.  94.  Bd.  1897.  III  S.  128—130  (Hüter). 

Die  Arbeit,  welche  sich  mit  chronologischen  Fragen  nicht  be- 
faßt, hat  schon  in  diesen  Jahresber.  ihre  Würdigung  gefunden. 

0.  E.  Schmidt,  Der  Ausbruch  de«  Bürgerkrieges  im  J.  49 
V.  Chr.,  Ehein.  Mus.  N.  F.  XL VII  1892  S.  241—268. 

Besprechung:  Jahresber.  Bd.  94,    1897.  III.    S.  130-132  (Hüter). 

Neben  dem  sachlichen  Nachweis,  daß  Cicero  im  Jahre  49  zwischen 
Cäsar  und  Pompeius  die  wichtige  Rolle  eines  Vermittlers  übernommen 
hatte,  worin  sie  sich  gegen  Th.  Mommsen  GR  III  S.  359  ff.  wenden, 
enthalten  diese  3  genannten  Arbeiten  auch  chronologisches  Material. 
Besonders  weist  Seh.  nach,  daß  der  Verfassungsbruch  des  Pompeius 
nicht  schon  am  4.,  sondern  erst  am  13.  Dezember  50  stattfand;  daß 
Pompeins  am  14.  Dez.  nach  Luceria  reiste,  Antonius  am  21,  seine 
Protestrede  hielt.  Ziehen  (S.  93)  und  Schmidt  (S.  104)  finden  unab- 
hängig von  einander,  daß  Ep.  VIII  17,1  einen  Besuch  des  Caelius  bei 
Cicero  in  der  Nacht  vom  7.  zum  8.  Jan.  48  bezeugt.  Auch  die  Ab- 
fassungszeit der  Briefe  A.  VII  3,  4.  5,  10,  11  wird  behandelt.  Die 
genaueren  Nachweise  seiner  Datierungen  hat  jetzt  Schmidt  „Der  Brief- 
wechsel etc."  gegeben  (S.  15  sq    und  besonders  S.  94  ff.). 


*)  Gelegentliche  Besprechungen:  G.  Unger  in  Fleckeisens  Jahrb. 
1880  S.  491  ff.  und  W.  Sternkopf  1891  p.  8  ff.,  welche  sich  gegen  seine 
Chronologie  der  Kämpfe  in  Griechenland  wenden,  da  sie  sich  mit  Cäsars 
Berichten  nicht  decke  (b.  c.  III ,  2.">).  Ziehen  setzt  die  Überfahrt  des 
Antonius  von  Brundisium  nach  dem  Kriegsschauplatz  in  die  letzten  Tage 
des  Februar  (unberichtigten  Kalenders),  Stern  köpf  dagegen,  um  Cäsars 
Angaben  zu  retten,  auf  etwa  Ende  März  oder  Anfang  April,  ihm  schlieft 
sich  Schmidt  (der  Briefwechsel  S.  lS9ff.)  ganz  an.  Ziehen  bleibt  aber  bei 
seinen  Ansetzungen  (Gott.  gel.  Anz.  1894.    N.  4  S.  310.) 


Jahresbericht  über  die  Littcratur  zu  Ciccros  Briefen.  (Gurlitt.)       29 

Aemilius  Krüger,    de   rebus   ab    bello  Hispaniensi    usqae    ad 
Caesaris  necein  gestis.    Bonu,  Diss.  Carl  Georg.    1895.    8.  44  S. 

Besprechung:  Berl.  phil.  Wochenschrift  1  SOG  Sp.  20— 22.  (L.  Gurlitt). 

Die  Arbeit  behandelt  gründlich  die  Zeit  von  der  Schlacht  bei  Munda 
(17.  März  45)  bis  zu  den  Iden  des  März  44.  Der  erstere  Teil  be- 
schäftigt sich  bei  dem  Mangel  an  Briefen  mit  der  Geschichte  der 
Quellen,  erst  im  zweiten  Teile,  welcher  eine  chronologische  Tabelle  mit 
angehängten  Begründungen  bietet,  kann  auch  auf  die  Briefe  Ciceros 
häufiger  Bezug  genommen  werden,  freilich  ohne  Gewinn  für  ihre  Chrono- 
logie. Unter  den  angefügten  sententiae  controversae  finden  wir  These  IV: 
in  den  Briefen  ad  Att.  sei  die  überlieferte  Reihenfolge  möglichst  zu  be- 
wahren, These  V:  Cic.  ad  Att.  XII  a)  ep.  31  et  32  coniungeudae  sunt 
b)  ep.  12 — 34  scriptae  sunt  a.  45  inde  a  7  usque  ad  29  martis  diem 
ita,  ut  unoquoque  die  una  epistula  daretur.  Ordinem  commutare  non 
licet.     Der  Nachweis  für  diese  Thesen  steht  noch  aus. 

Wilhelm  Sternkopf,  Über  zwei  Briefe  Ciceros  an  C. 
Trcboiüus  in  den  Jahrb.  f.  kl.  Piniol.  1893  S.  424  ff.  versucht  nach- 
zuweisen, daß  F.  XV  21  von  Cicero  von  einem  seiner  Landgüter  aus 
als  Abschiedsbrief  an  C.  Trebonius  geschrieben  wurde  und  zwar  Ende 
46  oder  Anfang  45  und  bald  darauf  XV  20  von  Rom  aus:  Diese  An- 
setzungen  w-eichen  bedeutend  von  denen  der  Mendelssohuschen  Ausgabe 
ab:  (20  „vom  5.  Apr.  46"  und  21  „nicht  von  Mitte  Okt.  47.")  die 
auf  0.  E.  Schmidts  Berechnungen  beruhen,  vgl.  „Der  Briefwechsel" 
S.  231  f.  Beide  Abhandlungen  erschienen  gleichzeitig,  nehmen  daher 
nicht  Bezug  auf  einander:  eine  Entscheidung  steht  also  noch  aus,  doch 
dürfte  Sternkopf  recht  behalten,  da  er  mit  Judeich  a.  a.  0.  sichergestellt 
hat,  daß  Trebonius  von  Anfang  707/47  (nicht  Anfang  708/46j  als 
Statthalter  nach  Hispania  ulter.  gelangt  sei  und  bis  gegen  Juni  708 
blieb,  daß  aber  unser  Brief  gar  nicht  auf  diese  Reise  Bezug  nehme, 
sondern  auf  eine  spätere  des  ausgehenden  Jahres  708  oder  Anfang  709. 

W.  Sternkopf,  Zur  Chronologie  und  Erklärung  der  Briefe 
Ciceros  aus  den  Jahren  48  und  47.  Beilage  zum  Jahresbericht  des 
Gymnasium  zu  Dortmund,  Ostern  1891.  Dortmund  (Herm.  Meyer) 
1891.     50  S.     4. 

Besprechung:  Jahresber.  94.  Bd.  1897.  III  S.  12ß  (Hüter). 

Die  Arbeit  ist  folgendermaßen  gegliedert:  I.  Ciceros  Korrespondenz 
während  seines  Aufenthaltes  in  Epirus.  a)  Briefe  an  Atticus  u.  zw. 
XI  1—4.  b)  andere  Briefe  dieses  Zeitraumes:  F.  VIII  17,  IX  9, 
XIV  6.  II.  Briefe  aus  Brundisium,  a)  an  Att.  u.  zw.  XI  5 — 18; 
25,  23,  19,  24,  20,  21,  22.     b)    an    Terentia    F.    XVI   12,  19,  9,  17, 


30       Jahresbericbt  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

16,  8,  21,  11.  15,  10,  13,  24,  23,  22,  20.  c)  an  andere  Personen 
F.  XV  15.  Dabei  wird  überzeugend  nachgewiesen,  das  A.  XI  4  aus 
2  Briefen  besteht,  daß  §  2  einen  Brief  für  sich  bildet,  der  zeitlich  vor 
§  1  gehört  (jetzt  auch  von  0.  E.  Schmidt  a.  a.  0.  S.  192 
und  Ziehen  Gott.  gel.  Anz.  1894  S.  316  zugegeben)  daß  XI 
3,3  sich  nicht  auf  Ciceros  asiatische  Gelder  beziehe;  daß  die 
Briefe  Cäsars  ,  die  Cicero  am  3.  Juni  in  A.  XI  16  und  am 
2.  Juni  in  F.  XIV  8  erwähnt,  identisch  sind,  daß  also  F.  XIV  8  ins 
Jahr  47  gehöre,  geschr.  am  Abend  des  2.  Juni  47,  Xl  16  am  Morgen 
des  3.  Juni  (vgl.  0.  E.  Schmidt,  Der  Briefwechsel  S.  192  und  Ziehen 
a.  a.  0.  S.  317)  daß  A.  XI  4  a  vor  4  gehöre;  daß  Quintus  Cicero  mit 
seinem  Bruder  nach  Pharsalus  erst  in  Korfu  zusammengetroffen  sei 
(S.  21);  Der  Brief  A.  IX  9,  1,  dessen  Verständnis  schon  W.  Judeich, 
„Cäsar  im  Orieut",  Leipzig  1885  S.  185  ff.  gefördert  hatte,  wird  weiter 
aufgeklärt  (vgl.  Schmidt  a.  a.  0.  S.  214  ff.)  und  anderes  mehr. 

Eugenius  Fourer,  'Ephemerides  Caesarianae'  rerum  inde  ab 
ineunte  hello  Africano  usque  ad  extrem  um  bellum  hispaniense  gesta- 
rura.     Bonn.    Diss.  1889.     P.  Hauptmann.    8.    38  S.     1  M.  20. 

Besprechung:   Jahresber.  94.  Bd.  1897.    III.    S.  145  (Hüter). 

Diese,  wie  manche  andere  aus  Nissens  Schule  hervorgegangene 
Abhandlung,  sucht  eine  sichere  Grundlage  für  das  geschichtliche  Ver- 
ständnis zu  schaffen  durch  Bestimmung  genauer  Daten  und  behandelt 
im  besondern  Cäsars  Peldzüge  in  Afrika  und  Spanien  während  der  Jahre 
47—45.  Der  tabellarischen  Ephemerides  (p.  7 — 19)  schließt  sich  die 
Argumentation  an.  Diese  übersichtliche  Art  der  Anordnung  hat,  als  gut 
bewährt,  jetzt  aUgeraeine  Aufnahme  gefunden.  Die  Daten  werden  gleich- 
zeitig nach  dem  alten  und  nach  dem  julianischen  Kalender  gegeben.  Aus 
Ciceros  Briefen  waren  nur  wenige  Angaben  zu  verwerten,  welche  die 
Briefe  F.  IX  17,  ad  Brut.  I  5;  A.  XII  37;  XIII  20  betreffen.  Ab- 
weichend von  0.  E.  Schmidts  'tabulae  chronologicae'  in  der  ed.  L.  Mendels- 
sohns p.  455  werden  bestimmt  die  Abfassungszeiten  der  Briefe  F.  IX  15 
„mense  Septembri"  und  IX  26  „post  IX  15  mense  fere  Septembri". 

These  8  lautet:  In  Ciceronis  verbis  (A.  II  16,  2):  'oppressos  vos, 
inquit,  tenebo  exercitu  Caesaris  J.  F.  Gronovius  et  Bootius-  iniuria 
putaverunt  'Caesaris'  vocem  suspectum  esse.'    Auch  Tyrrell  hält  Caesaris. 

0.  E.  Schmidt,  Faberius.  Studie  über  einen  Parteigänger 
Cäsars  nach  Ciceros  Briefen  an  Atticus.  Comraentationes  Fleckeisenianae. 
Leipzig,  B.  G.  Teubner,  1890.  S.  223-245  erzielt  als  Nebengewinn 
und  im  Anschluß  an  Schiches  Abhandlungen,  Progr.  des  Friedrichs- 
Werderschen  Gymnas.  zu  Berlin  1883  und  Hermes  1883.  S.  588—615 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciccros  Briefen.  (Gurlitt.)        31 

(vgl.  Schmalz  Jahresbericht  S.  60  tf.)  neue  Urteile  über  die  Abteilung, 
Datierung  einer  Anzahl  von  Briefen  des  lib.  XIII  ad  Attic  (und  A.  XII 
5a  §  2),  die  er  S.  245  zusammenstellt.  Sie  behandeln  die  Zeit  vom 
23.  Mai  bis  zum  3.  Juni  45.  Diese  Ergebnisse  sind  dann  in  seine  zu- 
sammenhängende Darstellung  („Der  Briefwechsel*  etc.)  übergegangen 
(S.  307  f.).  Eine  zusammenfassende  Chronologie  der  Briefe  vom  Jahre 
705/51  bis  zur  Ermoi-dung  des  Cäsar  (15.  März  710/44)  geben  die 
Regesteu  des  schon  oft  citierten  Werkes: 

Otto  Eduard  Schmidt,  Der  Briefwechsel  des  M.  Tullius  Cicero 
vor  seinem  Prokonsulat  in  Cilicien  bis  zu  Cäsars  Ermordung,  nebst 
einem  Neudrucke  des  XII.  und  XIII.  Buches  der  Briefe  an  Atticus. 
Leipzig  1893,  Teubner.    XI.    535  S.    8.    12  M. 

Besprechungen  sind  schon  oben  angeführt.  Ihnen  ist  noch  zu- 
zufügen der  Bericht  in  diesen  Jahresberichten  94.  Bd.  1897.  III.  S.  132  — 
134  (Hüter). 

Der  Schwerpunkt  der  gehaltreichen  Arbeit  liegt  wohl  auf  der 
Chronologie  der  Briefe.  Hier  findet  man  alles,  was  bis  dahin  (1893) 
von  Schmidt  selbst  und  von  anderen  auf  diesem  Gebiete  geleistet  worden 
ist,  verwertet  und  zum  Teil  berichtigt.  Was  in  dieser  Hinsicht  Neues 
hinzukommt,  findet  man  in  der  sorgfältigsten  und  zutreffenden  Be- 
sprechung des  Buches  von  J.  Ziehen,  Gott.  gel.  Anz.  1804.  N.  4, 
S.  314ff.  im  wesentlichen  zusammengestellt:  es  betrifft  dies  besonders 
Ep.  III  2  (März  51).  A.  VI  3  (bald  nach  dem  Mai,  sicher  vor  dem 
5.  Juni);  VI  4  (nicht  lange  nach  dem  5.  Juni);  Ep.  V  20  (bald  nach 
4.  Jan.);  A.  VII  26  (15.  Febr.)  VIII  12  A  (17.— 18.  Febr.);  A.  XI,  1 
(7. — 10.  Jan.);  XI  2  (Mitte  März  48).  Die  Daten  für  die  einzelnen 
Stationen  auf  der  Flucht  des  Ponipeius  werden  richtig  gestellt  (gegen 
Judeich  S.  181  ff.)  V  10  (15—30.  Jan.  44);  A.  XI  17  in  2  Briefe  zer- 
legt; Ep.  XII  17  (c.  20.  Sept.),  XII  18  (Anf.  Okt.  46);  A.  VI  1—4 
geordnet  (?);  Ep.  VI  20  (Juli  45)  Ep.  XVI  17  (29.  Juli  45)  etc.  Für 
die  Bücher  A.  XII  und  XIII  sind  Schiches  treffliche  Nachweise,  wie 
die  Briefe  neu  zu  ordnen  und  abzuteilen  seien,  teils  übernommen,  teils 
weitergeführt  und  eine  Anschauung  der  Ergebnisse  durch  einen  Neu- 
druck beider  Bücher  gegeben.  Neben  diesen  schönen  Ergebnissen  stehen 
als  zweifelhaft  die  Berechnungen  zu  A.  VII  4  (10.  Dez.  50),  dafür 
Ziehen  (S.  315)  11.  od.  12.  Dez.  A.  VII  11  (18.— 19.  Jan.):  Ziehen 
(S.  316)  , einige  Zeit  früher".  Einige  Widersprüche  mit  Fourer  (s.  S.  30), 
dessen  Arbeit  Schmidt  nicht  kannte,  bleiben  unerledigt  (Ziehen  S.  317). 
Betreff  A.  Xn  31  und  32;  12—34  vgl.  Emil  Krüger  (oben  S.  29)  S.  46. 
Mit  Schmidts  Tabellen  sind  diejenigen  zu  vergleichen,  welche  in  ihrer 
großen  Ausgabe  der  Briefe  gegeben  haben: 


o'2       Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciccros  Briefen.  (Gurlitt.) 

Robert  Yelverton  Tyrrell  und  Louis  Claude  Purser, 
the  correspondence  of  M.  Tullius  Cicero,  vol.  IV.  Dublin  1894. 
p.  LXXXV  sqq.,  welche  sich  zumeist  au  Sternkopf,  Ziehen  und  Schiebe 
anschließen,  da  ihnen  Schmidts  Arbeit  erst  während  des  Drucks  zuging, 
was  sie  selbst  am  meisten  bedauern,  zumal  sie  die  Briefe  in  chrono- 
logischer Anordnung  abdrucken,  die  in  der  That  schon  jetzt  mehrfach 
als  irrig  erwiesen  ist.  — 

Zur  Chronologie  der  Korrespondenz  Ciceros  seit  Cäsars  Tode  sind 
ebenfalls  nach  den  von  Schmalz  (Jahresbericht  1884  S.  63  ff.)  aufge- 
führten Arbeiten  von  Edmund  Ruete  (Marburg  1883)  und  0.  E. 
Schmidt  (Jahrb.  f.  klass.  Phil.  1884  S.  331—350)  wertvolle  Beiträge  ge- 
liefert worden,  zunächst  findet  man  Berichtigungen  der  Rueteschen  Disser- 
tation in  den  Besprechungen:  0.  E.  Schmidt,  Wochenschrift  für  kl.  Phil. 
1884  m.  9  und  L.  Gurlitt,  Philologische  Rundschau  1883  N.  23  S.  714  ff. 
(wo  besonders  Briefe  des  Dezember  44  eine  verläßlichere  Datierung  er- 
fahren). 

Paul  Groebe,  de  legibus  et  senatusconsultis  anni  710  quae- 
stiones  chronologicae.  Berliner  Diss.  Berlin,  W.  S.  Calvary  &  Co. 
48  S.     8.     1,20  M. 

Besprechungen:  Berliner  phil.  Wochenschr.  1893  N.  ,50  Sp.  1584ff. 
(L.  Gurlitt):  Jahresber.  94.  Bd.  1897.  III.  S.  151  —  152  (Hüter). 

In  dem  Exkurse  I  (p.  32  sq.)  werden  die  Briefe  des  ausgehenden 
Mai  44  (A.  XVI  21,  22;  XV  1—8),  in  Exkurs  IT  (p.  38)  die  Briefe 
A.  XIV  9—12  unabhängig  von  Schiebe  und  Schmidt  behandelt, 
wobei  G.  zu  allerlei  leisen  Abweichungen  von  diesen  gelangt,  die  noch 
einer  Erledigung  harren. 

Ludwig  Gurlitt,  Nonius  Marcellus  und  die  Cicero -Briefe. 
Prgr.  des  Progymu.  zu  Steglitz  1888.     24  S.     4. 

Besprechungen:  Berl.  phil.  Wochenschr.  1888  N.  49  Sp.  1531  f. 
(J.  H.  Schmalz):  Wochenschrift  f.  kl., Phil.  1892  N.  13.  Sp.  3.56  f.  (Karl 
Lehmann). 

Eine  Zusammenstellung  und  Datierung  der  erhaltenen  Citate  aus 
der  Korrespondenz  zwischen  Cicero  und  Octavian  und  der  Nachweis, 
daß  auch  Brieffragmente  Octavians  erhalten  sind,  die  Nonius  fälschlich 
dem  Cicero  zuschreibt. 

E.  Schelle,  Beiträge  zur  Geschichte  des  Todeskampfes  der 
römischen  Republik.  Prgr.  der  Annenschule  zu  Dresden- Altstadt  1891, 
Teubner.     39  S.     4. 

Besprechungen:  Jahrb.  f.  klass.  Phil.  1892  S.  321  ff.  (0.  E.Schmidt) 
ebenda  1892  S.  411  f.  (L.  Gurlitt);  diese  Jahresberichte  94.  Bd.  1897.  III. 
S.  152-1.53  (Hüter). 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.)       33 

weist  (S.  9  ff.)  überzeugend  nach ,  daß  man  die  Schlacht  bei  Mutina 
fälschlich  auf  den  27.  April  ansetzte,  während  sie  er.  am  21.  geschlagen 
wurde.  Damit  hängt  eine  Berichtigung  mehrerer  Briefdaten,  besonders 
der  epp.  ad  Brutum,  zusammen.  Weitere  Aufklärungen  gaben  an- 
schließend an  Schelles  wichtigen  Fund  die  oben  genannten  Besprechungen, 
besonders  0.  E.  Schmidts,  welcher  S.  334  f.  die  Chronologie  vom  14.  April 
bis  zum  20.ilai43  tabellarisch  zusammenstellt,  wodurch  ältere  Datierungen 
von  ihm: 

0.  E.  Schmidt:  Beiträge  zur  Kritik  der  Briefe  Ciceros  an 
M.  Brutus  und  zur  Geschichte  des  mutinensischen  Krieges,  Jahrbücher 
für  klass.  Phil.  1890  S.  109—115  zum  Teil  berichtigt  werden. 

Auf  diese  und  andere  Abhandlungen  von  Schmidt,  Becher, 
Max  von  Hagen,  dem  ßef.  und  anderen,  welche  besonders  die  epp.  ad 
J5n(/«<wi  betreffen,  will  ich  jedoch  nicht  eingehen,  da  sie  später  im  Zusammen- 
hang zu  behandeln  sind.  "Was  Schmidt,  der  hier  die  größten  Erfolge  auf- 
zuweisen hat,  betreffs  der  Epp.  (Briefe  ad  Att.  giebt  es  für  diese  Zeit 
nicht  mehr)  selbst  gefunden  oder  als  richtig  befunden  hat,  ist  in  der 
Mendelssohnschen  Ausgabe  tabellarisch  festgesetzt.  Seitdem  sind  die 
chronologischen  Untersuchungen  noch  gefördert  worden  von: 

F.  Ludw^ig  Ganter,  Chronologische  Untersuchungen  zu  Ciceros 
Briefen  an  M.  Brutus  und  philippischen  Reden  (ein  Beitrag  zur  Echt- 
heitsfrage der  Brutusbriefe),  Jahrbücher  für  klass.  Phil.  1894  S.  613 — 
636  und  zwar  finden  wir  betreffs  der  Epp.  folgende  gut  begründete 
Datierungen : 


Ep.  XII  4          geschrieben  am  1. 

Febr. 

711/43 

X  28,  1.  2         „           „     1. 

» 

» 

X  28,  3            ,           ,2. 

yt 

» 

X  28        abgeschickt  „    2. 

y> 

» 

XII  5                  „           „4. 

» 

„  oder  bald  darauf. 

Emil  Schelle,  Der  neueste  Angriff  auf  die  Echtheit  der  Briefe 
an  M.  Brutus.  Beilage  zum  Jahresbericht  der  Annenschule,  ßeal- 
gymnasium    Dresden-Altstadt.     Dresden.     Teubner  1897.     54  S.     4. 

Die  Arbeit  von  Vincentius  d'Addozio,  De  M.  Bruti  vita 
et  studiis  doctrinae  (besprochen  von  Burkhard  in  diesem  Jahresber. 
93.  Bd.  1897.  IL  S.  82—85),  in  welcher  sich  der  Verfasser  gegen  die 
Echtheit  sämtlicher  Briefe  ad  Brutum  ausspricht  (S.  139— 205j  und 
das  1.  Buch  für  eine  Fälschung  des  Altertums,  das  2.  Buch  für  eine 
des  Mittelalters  erklärt,  erfährt  in  dieser  trefflichen  Abhandlung  eine 
gründliche  Widerlegung.  Da  d'Addozio  mehrere  der  neueren  Unter- 
suchungen dieser  Frage  nicht  kannte,  mußte  Schelle  zum  Teil  schon 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    Bd.  LXXXXVII.  (1898.  II.)     o 


34       Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

gefimdene  Ergebnisse  vortragen,  diese  Vollständigkeit  macht  aber  seine 
Arbeit  erst  recht  erfreulich.  Dazu  fehlt  es  nicht  an  schönen  neuen 
Ergebnissen,  auf  die  ich  später  einmal  zu  sprechen  komme.  Zur  Zeitbe- 
stimmung der  Briefe  wird  neu  vorgetragen:  ,J  10  ist  nach  I  11,  9  und 
12,  aber  vor  I  15  und  18  anzusetzen  und  Mitte  Juli  geschrieben." 
(S.  36  f.)  „I  16  (ein  Brief,  den  noch  viele  und  ich  auch  für  gefälscht 
halten)  gehört  noch  in  das  Jahr  44,  I  17  (von  dem  dasselbe  gilt)  ist 
wahrscheinlich  der  späteste  Brief  unserer  Sammlung." 

Tl.  VerbesserungSTOrscliläge  zu  Cic.  ad  Att.*) 

Ich  möchte  hier  auch  einige  ältere  Arbeiten   aufführen,    die  von 
selten  der  Herausgeber  zum  Teil  nicht  "beachtet  zu  sein  scheinen. 

A.  Otto,    Beiträge  zu  den  Briefen  Ciceros    an  Atticus.     Rhein. 
Mus.  XLI.  S.  364—375. 

^.  I  3,  3  Hoc  ad  te  scripsi,  quod  is  me  accusare  de  te  solehat. 
<Iam>  in  se  expertus  est  illum  esse  minus  exorabilem.  Lehmann  glaubt 
iani  entbehren  zu  können,  indem  er  interpungiert  solebat:  in  se.  — 
I  12,  1  etenim  accedit  Jioc  statt  accidit  nicht  notwendig,  da  das  Ent- 
stehen des  Gerüchtes  auch  ein  Geschehnis  ist.  —  I  17,  11  sciam 
[iam]  illud,  —  11  11  Haec  igitur  cura  <ut  sciam>  et  tit  valeas.  — 
n  24,  4  et  dignitatem  <et  auctoritatem>  nostram,  überzeugend!  — 
m  9,  1  et  perditam  fortunam  Uli  offerrem  [aut]  ah  illo  adspici 
paterer.  —  III  13,  1  neqtie  temporis  non  longinqui  spe  dudum  esse 
<non>  moleste  feram  ansprechend.  —  III  15,  7  totam  Italiam  mire 
(statt  in  me  der  Hss)  eredam  ansprechend.  —  III  20,  1  maxima,  tarnen 
vohii  praestolari  apud  te  in  Epiro  ändert  Otto  in:  maxima  iam  volui 
mit  Berufung  auf  ep.  21:  mihi  autem  erat  in  animo  iam,  .  .  .  ire  in 
Epirum  (graphisch  näher  läge  noch  maxima,  etiam).  —  IV  1,  4  tarnen 
ea  [in]  scribam  hrevi,  wobei  richtig  beobachtet  ist,  daß  in  und  ut  öfters 
(II  7,  2,  in  5;  15,  8;  VII  8,  5;  IV  11,  4;  X  1,  2;  X  8,  4;  n  24,  4) 
durch  Mißverständnis  eines  graphischen  Zeichens  in  den  Text  geraten 
sind.  Ich  erinnere  daran,  daß  0.  E.  Schmidt  ebenso  ein  sinnloses  et 
besonders  im  Anfange  des  Med.  häufig  nachweisen  konnte.  (Die 
handschriftl.  Überl.  S.  281  ff.)  —  IV  2,  4  finis  esset  (statt  est)  fadus.  (?) 
—  VI  1,  3  nee  inde  (statt  id)  satis  efficitur  überzeugend.  —  VI  3,  2 
ebenso  inde  für  id  in:  Cum  bellum  esse  in  Syria  magnuni  putetur,  inde 
videatur  in  hanc  provinciam  erupturum.  —  VII  2,  5  Quomodo  (wofür 
mit  Bosius  die  edd.  commodo  lesen)  exspedabam  epistulam  .  .  .  <cum> 
eam  mihi  P.  B.  reddidit!     Quomodo  im  Ausrufe,    wie  VIII  16,  1,  wo 

*)  Dieser  Teil  meines  Berichtes  ist  vor  Aufstellung  der  neuen  Be- 
stimmungen über  Anlage  der  Berichte  der  Druckerei  übergeben  und  steht 
mit  diesen  daher  leider  in  Widerspruch. 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.)       35 

kein  ?  stehen  dürfte.     Otto  macht  dadurch  jede  Konjektur  eutbehrlich. 

—  VII  3,  10  qiiam  quod  <in>  addiderira;  Otto  setzt  das  notwendige 
in  ans  Ende,  was  sich  stilistisch  und  graphisch  empfiehlt.  —  VII  9,  3 
Certe:  sed  istiid  ipsum  sie  o  magnum  malmn  putat  aliquis  verbessert  0. 
zweifellos  durch  die  Konj.  Sed  isiud  ipsum  'sie  malo   magnum  m.  p.  a. 

—  VII  10  adhuc  in  oppidis  coartatus  <sedet>  et  stupeyis  ansprechend. 

—  VIII  3,  6    non    aceipere  ne  periculosum  <sit  vereor  ne>  sit  invi- 
diosum  ad  bonos;   wir  g-eben  unten  zu  ]\[arshalls  Konj.  nach  Lehmann 
die  glaubwürdigere  Lesung.  —  VIII    5,  2  pendeo   ani.mi   exspectatione 
<de  obsidione>    Confiniensi,   in   qua.     "Wesenberg  las    <obsidionis> 
sachlich  richtig,  aber  graphisch  ferner  stehend.  — 

Vin  12  B,  2  Lueeriam  ad  <me>  venias  statt  L.  advenias, 
durch  die  Parallelstellen  11  A;  12  C  1;  12  A4  überzeugend  belegt.  — 
IX  10,  6  Quod  quaeris  a  nie  fugamne  fedam,  an  moram  defendam  utiliorem 
putem.  Otto  sieht  in  fedam  den  Rest  von  defendam,  das  dann  an  falschen 
Platz  geriet,  liest  also:  fugamne  defendam,  an  moram  utiliorem  putein 
für  mich  überzeugend.  —  IX  18,  3  bellum  paret  (statt  pararet).  — 
IX  19,  1  cum  a  perditis  in  civili  nefario  belle  wird  umgestellt:  in 
nefario  bello  civili.  Die  Überlieferung  stützt  C.  Lehmann*)  durch 
VIII  11  d  6  sine  civili  perniciosissimo  bello.  —  X  8,  7  fallet  für 
fallit,  ansprechend.  —  X  11,  4  cum  Ulis  <.illo>  BJwdiorum  a'fpaxT«) 
hat  auch  C.  Lehmann  gefunden  (Quaest.  I,  S.  104).  —  X  14,  2  e^ 
alia  (für  et  talia)  wegen  dergleichen  Formel  in  XIV  10,  1;  XII  51,  3 
a.  a,  m.  (vgl.  dagegen  X  14,  2  e<  talia,  dazu  Lehmann  Quaest.  I, 
S.  76).  —  X  18,  3  hominem  <me>,  was  leicht  auch  zu  ergänzen  wäre. 

—  XI  15.  2  habiiurus,  ego  quos;  ego  gleich  betont  primo  loco  XII  5,  2. 

—  XII  16  nihil  potius  fuit,  statt  peius  (andere  lasen:  prius,  aptius, 
optatius).  —  XII  28,  2  plane  nee  victum  ego  (veränderte  Wortstellung). 
Xn  47,  3  exspectabamus  für  exspectamus  nach  Analogie  von  XII  53; 
Xin  2,  1.  —  Xni  44,  2  De  Attica  probe  (nicht  probo)  nach  Analogie 
von  V  4,  2  De  Torquato  probe-,  XIV  8,  1;  XV  2,  2:  21,  2;  (XV  2,  2 
helle).  —  XIV  6,  1  exspecto  <si>  quid  de  M.  —  XIV  13,  2  exitu 
{belW]  et,  andere  wollten  et  tilgen,  was  glaublicher  als  belli  für  eio 
Glossem  anzusehen.  Die  Stelle  bleibt  noch  unsicher.  —  XIV  13,  4 
proficiscar  für  -cor  nicht  notwendig!  Lehmann  a.  a.  0.  verweist  auf 
Seyflfert-MüUer  zu  Laelius,  S.  524.  —  XIV  21,  2:  illum  (Antonium) 
circumire  veteranos,  . . .  utram  omnes  haberent  (M*)  ut  iam  (M^)  Lambin: 
ut  arma  o.  h.**)    Otto:    ut    castra  o.  h.    Mir  scheint    „ut  arma''  das 

*)  Jahresbericht  d.  philolog.  Vereins  42  Jhrg.  1888.  Berlin  (Weid- 
mann).   S.  2SS. 

**)  Für  dieses  tritt  zuletzt  ein:    PaulGroebe,  de  legibus  et  senatus 
consultis  anni  710  quaest.  chronol.  Diss.   Berlin,  W.  (Calvary  <t  Co.)  p.  3  f. 

3* 


36       Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

Beste,  da  sonst  Cicero  wohl  gesagt  hätte:  nt  castris  se  fenerent  oder 
ähnlich,  denn  es  handelt  sich  um  einen  Eid,  den  die  Veteranen  leisteten, 
nicht  um  eine  Zusage  des  Antonius.  —  XV  1  a,  1  quid  mihi  iam  medico 
<opus>?  ohne  Not.  —  XV  3,  1  wiederholt  0.  seine  treffende  Konjektur. 
XI  Kai.  accepi  <in  Arpi'^nati  aus  seiner  Dissertation  (de  fabulis  Pro- 
pertianis  Breslau  1880  These  VII),  mit  der  er  also  Schiebe  und  Rute 
vorangegangen  ist.  —  XV  20,  4  quamquam  paulo  (für  volo)  laxius, 
ansprechend. 

"William  W.  Marshall,  cruces  and  criticisms  an  examination 
of  certain  passages  in  greek  and  latin  texts.  London,  Elliot  Stock. 
1886.     8.     S.  27—47. 

V.  11,  6  für  das  sinnlose:  «n  praefectis  excusatio  iis,  quos  voles, 
deferto  des  Med.  schlägt  Marshall  vor:  in praefectis,  ni  ex  causa  negotii, 
si  quos  voles,  deferto,  das  sachlich  und  graphisch  gut  begründet  Be- 
achtung verdient  neben  den  mannigfachen  Vorschlägen  anderer.  —  VII 
7,  1  illud  putato  non  ascribis  'et  tibi  gratias  egif  wird  geändert  in: 
ilbid  puta  tu  .  .  .;  puta  =  scilicet,  wie  es  dem  Gesprächston  angehörte, 
cf.  Horaz,  Sat.  II  5,  32  Quinte,  puta,  aut  Puhli  und  Persius  Sat.  IV  9: 
hoc  puta  non  iustum  est  und  anderwärts,  Belege  giebt  M. ,  freilich 
genau  entsprechende  bei  Cicero  nicht,  wohl  aber  putate  Phil.  II,  6  c?«? 
.  .  .  putate  Phormioni.  Immerhin  ist  diese  Konjektur  besser  als  alle 
bisherigen  Emendationsversuche,  denn  sie  giebt  guten  Sinn,  paßt  zum 
Tone  des  Briefes,  steht  der  Überlieferung  am  nächsten.  Ließe  sich  ein 
solches  puta  bei  Cicero  noch  finden,  so  müßte  sie  für  gesichert  gelten. 
—  VII  11,  1  unam  mehercule  tecum  apricationem  in  illo  lucrativo  tuo 
sole  malim  quam  omnia  istiusmoäi  regna  sq.,  Marshall  beanstandet 
lucrativo,  ohne  eine  sichere  Verbesserung  vorschlagen  zu  können,  er 
denkt  an,  'leviter  aestivo\  den  Sinn  glaubt  er  aus  IX  10,  3  sol,  ut  est 
in  tua  quadam  epistola,  excidisse  mihi  e  mundo  videtur  feststellen  zu 
können;  danach  soll  der  Sinn  sein:  „Ich  möchte  mich  lieber  mit  dir 
wärmen,  selbst  in  der  matten  Sonne,  von  der  du  sprichst,  als  alle  jene 
Macht  besitzen;  ja,  ich  möchte  eher  tausend  Tode  sterben,  als  auch 
nur  einen  solchen  Gedanken  hegen."  Das  klar  überlieferte  lucrativo 
sieht  nicht  wie  eine  Konjektur  aus,  weshalb  es  nicht  zu  ändern,  sondern 
zu  erklären  wäre.  —  VIII  3,  G  non  accipere,  ne  periculosum  sit,  invi- 
diosum  ad  bonos,  das  sicher  verderbt  ist,  ändert  M.  in :  non  accipere  me 
periculosum;  sed  invidiosum  ad  bonos,  dem  bei  weitem  vorzuziehen  ist, 
was  jetzt  Lehmann  (ausgew.  Briefe  I^)  mit  Annahme  einer  Lücke  mit 
Klotz  liest:  non  accipere  [periculosum  est  ab  hoc,  accipere],  ne  periculosum 
Sit,  invidiosum  ad  bonos.  Diese  Konjektur  kennt  M.  nicht;  ich  halte 
sie   für   gesichert.   —  IX  9,  4  für   volui:    NSQ.    Egi  per  praedem. 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.)       37 

nie  claret,  Antii  cum  haheret  venale:  noluit  der  Überlieferung  liest  er: 
volui  HSQ.  ego  per  praedem  Uli  dare,  Antii  cum  haheret  venale:  noluit 
richtig  bis  zu  dem  Wort  dare-,  das  Folgende  hat  K.  Lehmann  (Berliner 
Phil.  Wochenschrift  1889  No.  33  Sp.  1034  ff.)  richtig  gestellt:  tanti  cum 
haheret  (wohl  nur  aus  Versehen  esset)  venale:  noluit.  Das  ego,  welches 
M.  glaubt  rechtfertigen  zu  müssen,  scheint  mir  nicht  Gegensatz  zu 
Uli,  sondern  sehr  passend  zu  dem  folgenden :  Mihi  quidem  erit  aptissimum 
vel  nohis  potius,  si  tu  emeris.*)  —  IX  18,  2  reliqua  o  di!  qui  comi- 
tatus,  quae,  ut  tu  soles  dicere,  vsxutal  ?'n  qua  erat  EROSCELERIo  rem  per- 
ditaml  o  copias  desperatas!  —  so  die  Hss  mit  geringen  Abweichungen  (cf. 
Lehmanns  in  Hofmanns  Ausg.  Briefe  I*^  S.247).  Der  Vorschlag:  in  qua  quae 
ratio  scelerum  wird  keinen  Beifall  finden.  Für  richtig  halte  ich,  was 
Lehmann  mit  dem  Toruaesianus  des  Lambin  liest:  in  qua  erat  heros 
Geler  \  0.  E.  Schmidts  (Der  Briefwechsel  etc.  S.  lG2f):  in  qua  <sc. 
Caesar>  erat  erus  sceleris  ist  blendend,  hat  mich  aber  nicht  überzeugt.  — 
X  1,  4  giebt  «[xayov  illud,  quod  scrihis,  non  mihi  videtur  tarn  re  esse  triste 
quam  verho  wenigstens  Sinn  und  steht  dem  MACOM  der  Überlieferung 
näher  als  das  vordem  vorgeschlagene  cpapjxay.ov,  Ivoufiayov  etc.  Meine 
Vermutung  s.  unten!**}  —  X  8,  4  annival  deine  in  ahsentis  solus  tuli 
scelus  eiusdem  cum  Fompeio  et  cum  reliquis  principihus  non  feram?  giebt 
mit  leichter  Änderung  den  lesbaren  Text:  an  qui  valde  huius  <c^Caesaris> 
in  dbsentes  solus  ttdi  scelus,  e.  q.  s.  Siehe  unten  spätere  Versuc  he 
Die  Losung  fehlt  noch.  —  XI  6,  2  fügt  den  bisherigen  Emendationsver- 
suchen  M.  den  seinen  hinzu,  der  auch  nicht  mehr  als  ein  Versuch  sein 
will:  recipiam  tempore.  Modo  tu  nunc  ad  Oppium  et  Quintutn,  quo- 
niam  his  placuerit  me  modo  piroplus  accedere,  iit  hac  de  re  considerent. 
—  Xn  2,  2  .•  ego  peractum  puto  statt :  e.  fructum  p.  hatte  aber  schon 
Moser  vorgeschlagen.  Siehe  was  jetzt  Ziehen  (u.  S.  47)  dazu  sagt!  — 
Ich  habe  Marshalls  Konjekturen  sämtlich  mitgeteilt,  weil  seine  Schrift 
bei  uns  wenig  bekannt  sein  dürfte,  aber  doch  manches  Wertvolle  bietet. 

C.  Jorgensen,  Nogle  Bemaerkninger  til  Ciceros  Breve.  (Saertryk 
af:  Opuscula  philologica,  philologiske  Arbejder  udg.  af  det  philolo- 
gisk-historiske  Samfund,  Kjobenhavn  1886.)     5  S. 

Xach  allgemeinen  Bemerkungen  über  Ciceros  Briefstil  behandelt 
er  einzelne  Stellen :  ad  Att.  VIII  ,  9  hanc  quoque  suscipe  curam,  quem- 
admodum  expediamus  (statt:  eocpediamur)  richtig,  auch  schon  von 
Boot  (ed.  altera  1886)  vorgeschlagen.  Auch  Wesenberg  dachte  an  die- 
selbe Änderung.  —  VII  4,  2  statt:  in  hoc  officio  sermonis  nihil  potuit 


*)  Vgl.  meine  Behandlung  dieser  Stelle  in  der  Berl.  Phil.  Wochenschr. 
1898  N.   11.  Sp.  347. 

**)  Alazonis  illud,  vgl.  Berl.  Phil.  Wochenschr.  1898  N.  6.  Sp.  189—191. 


38       Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.j 

esse  proUxius  liest  J. :  in  hoc  officio  sermone  eins  n.  p.  e.  p.  über- 
zeugend! —  VII  1,  9  hoc  prim^im,  in  quo  bat  Boot  aufgenommen; 
Lambin  u.  Wesenbers  liatten  in  quo  schon  gefordert,  aber,  wie  J.  rügt, 
nicht  Gehör  gefunden.  —  VII  5,  3  fordert  er :  Poniptinmn  invis  am  {mit 
Lambin)  statt  sumam  oder  stmimam  (M.  Z.):  nicht  mehr  als  möglich, 
vielleicht  steckt  ein  Name  dahinter.  —  VII  11,  1  (s.  oben  zu  Marshall) 
statt  in  lucrativo  ^?io  soZe  zweifelnd  vorgeschlagen:  in  ouj7:opi3Tto  „kost- 
bar, schwer  zu  erwerben"  oder  ähnliches  Griechisches.  — 

Paul  Meyer,  (Bayi-euther  Prg.  1887  s.  oben  S.  14). 

A.  XV  8,  2  id  quidem  mihi  <mirum>  videtur,  sehr  wahrschein- 
lich. —  A.  XII  47.  2  etsi  de  cupiditate  nemini  concedam  wird  mit  Recht 
in  Schutz  genommen,  nach  cupiditate  interpungiert  und  übersetzt: 
„freilich,  wenn  es  auf  Liebhaberei  ankommt,  so  nehme  ich  es  mit  jedem 
auf."  Tyrrell s  Änderung:  etsi  de  cupiditate  nemini  concedo  in  cet er is  sq. 
erscheint  mithin  unnötig.*)  —  (p.  14  sq.)  A.  VIII  4,  1  ne  tui  quidem 
testimonii,  quod  ei  saepe  apud  me  dederas,  <auctoritatem>  veritus,  weil 
Cicero  vereri  nicht  mit  dem  Genetiv  verbindet,  sondern  auch  Cat.  I  7, 
17  sagt:  huius  tu  neque  auctoritaiem  verebere?  Boot  wollte  statt  tui 
aus  gleichem  Gmnde  vim  lesen,  Tyrrell:  verba  veritus. 

Friedrich  Schmidt,  'Zur  Kritik  und  Erklärung  der  Briefe 
Ciceros  an  Atticus'.  Progr.  des  Kgl.  alten  Gymn.  zu  Würzburg. 
1892.     33  S.     8.    p.  10  sq.**)    (s.  ob.  S.  18.) 

A.  II  7,  1.  Orationes  autem  a  me  duas  postulas,  quarum  alte- 
ram  non  libebat  mihi  scribere,  qui  absciram  (edd.),  alteram  ne  lavda- 
rem  eum,  quem  non  amabam.  Die  Ausgaben  geben:  quia  abscideram; 
Boot:  q.  abieceratn;  Boeckel  (Commentationes  Woelfflinianae) :  q.  ab- 
sctssam;  Schmidt:  quia  <]>uopa  erat,  „weil  sie  es  nicht  streng  mit  der 
Wahrheit  hielt"  —  gewiß  recht  gewagt,  aber  die  fleißige  Zusammen- 
stellung der  Stellen,  in  denen  griechische  Wörter  ganz  oder  zum  Teil 
mit  lateinischen  Buchstaben  geschrieben  sind,  ist  verdienstlich  und  lehr- 
reich. Zur  Stelle  möchte  ich  meine  Vermutung  einer  Lücke  noch  an- 
deuten: .  .  scribere,  quia  a&  » » ♦ «  sciram,  alteram  sq.  —  A.  II  20,  6 
Ä  Vibio  libros  accepi:  [poeta  ineptus  nee  tamen  seit  nihil  et  est  non 
inutilis^  Describo  et  remitto.  Seh.  hält  die  eingeklammerten  Worte  für 
eine  Randglosse,  eine  Umschreibung  der  Worte  II  22,  7,  mit  denen 
desselben  Verfassers,  des  Alexander  Ephesius.  Kosmographie  entsprechend 
kritisiert    wird:    negligentis  hominis  et  non  boni  po'etae,    sed  tamen  non 


*)  Entsprechend  lesen  wir  X  17,  4  de  diplomate,  admiraris,   wo  Boot 
richtig  auf  Madvig  zu  Cic.  Fin.  p.  12  and  auf  A.  I  4,  2  verweist. 

**)  Einen  Teil  der  Konjekturen  konnten  Tyrrell-Purser  noch  berück- 
sichtigen. 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.)       39 

imdilis.  Angeblich  hätte  Cicero  beim  Empfang  das  Werk  noch  nicht 
kritisieren  können.  Aber  weshalb  nicht?  Er  konnte  es  in  einigen 
Stunden  durchHogen  haben,  und  das  ist  wahrscheinlich,  weil  er  sich  zu 
einer  Abschrift  entschloß  {äescriho  et  remitio).  Die  Untersuchung  über 
die  Glossen  in  den  epp.,  zu  der  Seh.  einen  sehr  brauchbaren  Beitrag 
an  dieser  Stelle  giebt,  verdient  noch  eine  eingehendere  Behandlung. 
Ich  haltö  ihr  Gebiet  für  sehr  beschränkt.  Die  vorliegenden  Worte  sind 
mir  unverdächtig.  —  A.  III  12,  3.  Licet  tibi,  ut  scribis,  significarem, 
ut  ad  nie  venires  si  äonatam  ut  intelligo  te  istic  prodesse,  hie  ne  verbo 
quidem  levare  me  posse.  Für  das  sinnlose  si  donatam  ut  sind  viele 
Konjekturen  vorgeschlagen,  die  Seh.  mit  Eecht  abweist.  Unbekannt 
aber  war  ihm  Madvigs  (A.  C.  III  p.  169  sqq.)  trefflicher  Vorschlag, 
der  auch  Boot-  gefällt:  Scilicet  tibi,  ut  scribis,  significaram,  ut  ad  me 
venires;  id  omittamus;'^)  intellego  sq.  und  Munros  auch  sehr  beachtens- 
werter Vorschlag  (cf.  Tyrrell-Purser,  'The  corresp.'  I  p.  367  a.  1.) 
.  .  venires,  res  si  idonea  tarnen,  nunc  intellego  sq.  Schmidt  schreibt 
statt  dessen:  sedem  si  mutabis,  intellego.  —  A.  III  22,  3.  Premor  luctu 
desiderio  omnium  rerum,  qui  mihi  me  cariores  semper  fuerunt,  Seh. 
liest  omnium  meorum,  wohl  richtig,  aber  vor  ihm  schon  vermutet 
von  Stürenburg,  vgl.  Tyrrell-Purser  I  p.  390.  —  A.  III  25.  Post 
tuum  [ante]  discessum  litter  ae  mihi  Romae  allatae  sunt  mit  Corradus 
a  me  getilgt  als  Glossem.  Tyrrell  denkt  an  ad  jue  =  'since  your 
leaving  Home  to  join  me'.  Ich  schlage  vor:  post  tuum  iam  discessum 
und  werde  das  anderen  Orts  begründen.  —  A.  IV  1,  7  Postridie  senatus 
frequens  ei  omnes  consulares;  Jiihil  Pompeio  postulanti  negaverunt  richtig 
interpungiert,  ebenso  gleichzeitig  K.  Lehmann  „Ausgew.  Briefe"  I. — 
A.  IV  12  wird:  Ibi  te  igitur  videbo  et  promovebo  (edd.  \ promonebo  Edd.) 
wenig  ansprechend  in  concenabo  geändert.  Ich  vermute  et  permanebo. 
—  A.  IV,  13,  1  wird  den  vielen  zweifelhaften  Versuchen,  ergo  ut  sit 
rata  zu  entziffern,  neu  hinzugefügt:  ergo  etsi  interat,  afuisse  me  in  alter- 
cationihus,  quas  in  senatu  factas  audio,  /ero  ?io«  woZes^e  mit  dem  Sinne: 
„obgleich  ich  ein  Interesse  daran  gehabt  (sc.  adesse),  so  bedaure  ich 
es  doch  nicht,  im  Senate  bei  den  Zänkereien  nicht  anwesend  gewesen 
zu  sein."  Schwerlich  richtig,  weil  jeder  Leser  zu  intererat  nicht  adesse 
ergänzen,  sondern  afuisse  beziehen  würde.  —  A.  V  3,  3  diligentia 
Beneventanis  faciemus  satis  für  d.  esse  satis  faciemus,  bestenfalls 
möglich.  —  A.  V  11,  6  soll  es,  wieder  mit  Annahme  einer  Glosse, 
heißen:  in  praefectis  [excusatio]  iis  quos  voles  deferto.  Der  Schwierigkeit 
ist  damit  nur  ausgewichen.  —  A.  V.  11,  7:  nam  illam  vo[j,avopia  me 
excusationem  ne  acceperis.    M.  hat  vojXTfjvopia,    Bosius  angeblich  aus 


*)  Wie  A.  III  25  hoc  omitto. 


40       Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

dem  decurtatus  vojxavavopt'av;  Seh.  schlägt  vor  und  begründet  scharf- 
sinnig:   voufxr,via;    [7ue]  excHsationeni   „laß  die    (scherzhafte,    frühere) 
Entschuldigung  mit  dem  Neumonde  nicht  gelten,"    aber  die  ganze  Be- 
handlung der  Stelle  ist  viel  zu  gekünstelt,    um  Glauben  zu  verdienen. 
Freilich  taugen  alle  älteren  Versuche  nicht  mehr.     Die  richtige  Deutung 
glaube  ich  mit:    illam    oC    avav6ptav    excusionera  geben  zu  können.  — 
A.  V  21,  5  wird  mit  Recht  auf  Grund  von  C  und  Z  sed  postJiac  omnia, 
quae  recta  non  erunt  (M.:  certa  n.  e.)  gelesen.  —  A.  VIII  12,  3  ver- 
dient Beachtung:  id  enim  etsi  erat  deliberatius  (M.  deliberationis) ;  delibe- 
ratius  wie  F.  V  2,  8  in  dem  Sinne  „entschiedener".  —  A.  VIII  14,  3 
modo  esse  in  Tihurti  apud  Lepidum,    modo  cum  Lepido  accessisse  ad 
urhem    —    (nur  als  Vorschlag).  —    A.  IX   13,    7:    Nos    quae    monstra 
cotidie  intellegamus  ex  illo  libello,    qui  in  epistolam  coniedus  est  wird 
gut    geändert    in:     .    .    cotidie    (sc.    audiamus),     intelleges    ex   illo    l. 
Der    Überlieferung    noch    näher    käme:    intellegas    (iam?)    ex    illo    li- 
hello  sq.  —  A.  X  10,  3    eine  alte  crux,    die  Seh.   schwerlich  beseitigt 
mit:    Temptaho,    audiam,    me  yiihil  proper are,    missurum  ad  Caesar em 
simulaho,  cum  paucissimis  alicuhi  occultahor,  certe  hinc  istis  invitissi- 
mis  evolabo.     (Die  hervorgehobenen  Buchstaben  weichen  von  der  Über- 
lieferung ab).  —  A.  X  11,  1  sed  habet  (edd.  habent)  nihil  uttouXov  ohne 
Not.  —  A.  XII  46.    Nam  dolor  idem  manebit  tantummodo  octius  soll 
geändert  werden  in:  tarn  diu,  dum  Spiritus.    Ich  meine  mit  0.  E.  Schm idt 
(Der  Briefwechsel,   S.  494),    daß  F.  G.  Schmidt  mit  tantummodo  oc- 
cultius  die  Stelle    hergestellt    habe,    wofern    nicht    Lambins:    tantum 
modestius  ausZ  stammt  und  deshalb  den  Vorzug  verdient.  —  A.  XIII,  22,  4 
Lucrum  hominibus  non  sane  probo,  quod  est  desertior.    Für  das  unver- 
ständliche hominibus  wird  Othonis  eingesetzt  und  ausführlich  begründet, 
eine   m.  E.    treffliche  Konjektur!     Betreff   des  Grundstückes    des  Otho 
cf.  XII  37,  2;  29,  2.  —  A.  XIV  19,  1  Sed  cum  ex  Dolabellae  aritia  — 
sie  enim  tu  ad  me  scripseras  —  magna  desperatione  affectus  essem,  ecce 
tibi  et  Bruti  et  tuae  litterae.     Statt  aritia  soll  dcpisTsio: ,    dies  in  ironi- 
schem Sinne    gelesen  werden.     Ich    meine    mit  Tj^rrell    (the  corr.  V 
p.  261):  'it  is  unsafe  to  introduce  an  ironical  word  by  conjecture'  und 
daß  Cicero  mit  aritia  absichtlich  ein  Versehen  des  Atticus  wiederholt, 
mit  dem  avaritia  gemeint  war,  das  aber,  wie  ich  glaube,  sich  jetzt  aus- 
nehmen sollte  als  ein  Substantiv  zu  aridus  „dürr,  trocken",  eine  passende 
Bezeichnung  für  einen  Schuldner,    aus    dem    nichts    herauszubekommen 
ist.  —  A.  XV  13,  4  De  Bruio  te  nihil  scire  dicis;  sed  Selicia  venisse 
M.  Scaptium  eumque  non  qua  pompa,  ad  se  tarnen  dam  venturum  wird 
geändert:  Sed  Servilia  (wie  Corradns  und  Manutius,  richtig)  .  .  eumque 
magna  pompa,   ad  se  sq.  nicht  zwingend.     Ich  vermute:    eumque  non 
quidem   pompa  ad  se,    tarnen    (=  auf  jeden  Fall)    clam    venturum.  — 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.)       41 

A.  XVI,  11,  1  Hasta  ea  aegre  me  tenui  soll  ha$ta  =  o,3£Xo;  sein  und 
der  Sinn  der  Stelle  sein:  „Es  ist  mir  schwer  geworden,  von  deinem  Strich 
mich  halten  zu  lassen  und  auf  die  Stelle  zu  verzichten."  Das  ist  zwar 
nicht  haltbar,  führt  aber  auf  den  rechten  Weg,  den  ich  gefunden  zu 
haben  glaube  und  S.  53  mitteilen  werde.  —  A.  ^\1  15,  6  Consenti 
in  hac  cura,  iibi  smn,  ut  me  expediam.  Seh.  will  schreiben,  subveni 
in  sq.,  schwerlich  richtig,  doch  läßt  sich  auch  die  Überlieferung  nicht 
halten.  — 

Otto    Eduard    Schmidt,    'Der    Briefwechsel    des    M.    Tullius 
Cicero  etc."  1893.     (s.  ob.  S.  31.) 

A.  V  1,  3  hält  Sch.M.^  ego  accivero  pueros  (sc.  die  Söhne  des  M. 
u.  Q.  Cicero  (richtig)  —  V  4,  1  ac  me  ille  quidein  delectat,  non  quo  .  .  ., 
sed.  (schwerlich  richtig).  —  V  7,  a.  d.  XII  Kai.  Jun.  (statt  XIIII  des 
M.)  richtig,  übrigens  so  schon  bei  Malaspinas.  —  A.  V  10,  1  a.  d.  III 
Kai.  Quindiles  {XV:  if.).  —  A.  VII  8,  5  ex  illa  autem  sentoitia  ioia 
(cdd:  t)  relinquendae  sehr  zweifelhaft.  —  A.  VII  1,  4  no7i  quaero  [illa 
ultima]  om.  M.  del.  0.  E.  Schmidt,  obgleich  es  C.  hat.  Mir  scheint 
das  folgende  sed  illa,  quae  tum  agentur,  cum  venero  die  Antithese  no7i 
quaero  illa  idtima  ausdrücklich  zu  fordern.  —  A.  VII  20,  1  (S.  127)  Uli 
autem  <adhuc  id  est  Nonis>  Cratrandri  del.  Schmidt,  mit  Recht?  — 
A.  VIII  3,  4  sedpacis  (sine,  M.  in  ea,  Lambin)  .  .  ut  solet.  Sed  (M.:  et) 
ut  ipse  sensi  quam  esset  multitudo  (M. :  ipse  sensissem  m.)  et  infimus  quis- 
que  (M. :  que)  dazu  ausführliche,  bestechende  Begründung  in  Fleckeisens 
Jahrb.  1891  S.  125  und  'Der  Briefwechser  S.  119.  Ich  ziehe  aber  den 
Text  vor,  den  Hofmann-Lehmanu  'Ausgew.  Briefe'  I*^  geben,  wobei  keine 
Änderung  nötig  ist,  außer  5tne  zu:  in  ea,  das  überdies  Lambin  vermut- 
lich inZ  fand.  —  S.  145 :  VIII  4, 3  Q.  Lucretium  inde  effugisse  scito  (scis  cdd.) 
Gnaeiim  ire  Brundisium,  deseri Domitium  (desertum:  cdd.)  dem  Sinne  nach 
jedenfalls  richtig.  —  VIII  12  C,  3  om7iia  <Brundisium>  deducturi 
{Er.  om.cdd.)  möglich,  falls  nicht  Pompeius  absichtlich  den  Ort  der  Konzen- 
tration nicht  angiebt,  wie  in  A.  VIII  6,  2  omnes  copias  in  unum  locum  .  . 
convenire.  —  S.  147:  A.  VIII  14,  1  pjropius  quam  tu  biduum  zutreffend 
geschützt  gegen  C.  F.  W.  Müller  und  Boot  (Tyrrell).  —  A.  IX  5,  1  Fatali 
die  tuo  (M. :  natali).  —  A.  IX  7,  3  hält  er  die  Überlieferung  ut  in 
Milone,  ut  in  .  .  .  sed  <haeo  hactenus,  gewiß  richtig.  —  A.  IX  10,  6 
liest  Schmidt:  Quod  quaeris  a  me  fugamne  suhitam  (M.:  fidam)  an  moram 
dispertitam  (M.  defendam)  utiliorem  putum.  Ich  ziehe  Ottos  Verbesserungs- 
vorschlag (s.  oben)  vor;  denn  defendere  muß  gehalten  werden,  das  auch 
in  fidam  zu  stecken  scheint  und  in  der  Antwort:  Sed  medius  fidius  turpe 
nohis  puto  esse  de  fuga  cogitare  vorausgesetzt  wird.  Atticus  konnte 
also  die  Flucht  nicht  entschuldigen.  —  S.  158:  IX  15,  1,  Cum  dedissem 


42       Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

ad  te  litter as ,  •  •  •>  allatae  mihi  Capua  sunt  cum  hie  YI  k.,  et  in 
Älhano  sq  (M.:  stmt  et  hoc  mihi  et  in  Alb.)  recht  überzeugend,  ich  hatte 
freilich  gedacht  an:  eoclem  hie  eum  in  Alb.  sq.  —  auch  könnte  man 
sich  zufrieden  geben  mit  Cratanders:  literae  eum  in  Alb  ...  —  A.  IX,  18,  2 
vExu'.a!  in  qua  erat  erus  celeris  recht  blendend,  doch  halte  ich  die  von 
Lehmann  verteidigte  Lesart  Lambins,  die  auf  Z  zurückgeht:  eros  Geler 
(=  Q.  Pilius  Celer)  für  richtig  (vgl.  Lehmann  de  Ciceronis  ad  Ati.  epp. 
p.  202  Hofmann-Lehmann  Ausgew.  Briefe  P.  S.  200).  —  A.  IX  18,  3 : 
in  Pedii  Verbanum  (edd.:  in  Pedanum,  pelanum,  pellanum  vgl.  Hofmanu 
-Lehmann  A.  Br.  F  8.  247):  etwas  gewaltsam.  —  A.  X  1,  fiu.  Isti 
me,  qiii  <fratris>  filiuni  Brundisium  de  jyace  misit  —  .  .  —  delegatum 
iri  non  arbitror  sq.  entfernt  sich  auch  zu  stark  von  der  Überlieferung: 
Istum,  qui  fil  .  .  .,  elegatum  iri  non  arb.,  die  sich  rechtfertigen  läßt 
mit  Boot  und  Tyrrell- Purser.  —  S.  167:  IX  13,  3  inde  mit  Recht  gegen 
Boot  geschützt,  ebenso  X  3a,  2  Tullum  gegen  Kochs  '■Titinium''  und 
X  4,  8  eius  interitu  finem  Uli  fore  gegen  belli  fore  des  Manutius  (jetzt 
auch  mali  f.:  Tyrrell-Purser  m  S.  157).  —  Ä.  X  4,  5  quorum  quidem 
alter,  quin  in  Terentiam  {non  tarn  quia:  M.)  maiore  pietate  est  halte 
ich  für  verfehlt  und  ziehe  vor,  was  mit  leichter  Änderung  Tyrrell- 
Purser  bieten:  quia  non  tarnen  ['afer  all',  in  spite  of  all  my  devotion 
to  him,  wie  Verg.  Aen.  IV  329,  qui  te  tarnen  ore  referret]  maiore 
pietate  [more  than  he  actually  shows].  —  X  5,  2  Sed  modestior  non 
ero  oder  non  erit  ero  =  (Cäsar)  für  M.:  sed  modestior  non  pro.  Boot, 
Tyrrell-Purser:  sed  molestior  non  ero  „aber  ich  werde  mich  nicht  zu 
sehr  aufdrängen".  Erus  für  dominus  =  Cäsar  ist  in  dem  Brief  nicht  nach- 
weisbar (s.  zu  IX  18,  2).  Ich  lese:  sed  modestior <a,^  non  pro<\)Q», 
s.  S.  53!  —  X  6,  1  (M.:  tarnen  recitet  et,  Z.  retieeret)  tarnen  ire  licebit. 
Ich  lese:  et  tarnen  retineret,  s.  S.  53!  —  X  10,  3  M.:  temptabo  audeani 
nihil  properare  missurum  ad  Caesarem  clamabam  quom  paucissime  ali- 
cubi  occultabor  eerte  hinc  istis  sq.  Schmidt:  temptabo  per  suader  e  (ähnlich 
Wesenberg :  ut  ei  persuadeam)  me  nihil  properare  m.  a.  C. ;  dam  agam, 
cum  paueissimis  .  .  .  certe  ...  —  ibid:  cuvec  otoi  Xs-fu).  magnus 
ardor  (edd.:  dolor)  accessit,  efficieticr  aliquid  d.  n.  Mit  Recht  die 
Wortstellung  gehalten,  auch  dolor  läßt  sich  verteidigen.  —  X  11,  4 
zweifelnd  vorgeschlagen:  etiamne  <minor>  Baibus  in  senatum  venire 
cogitat^i  „sollte  nun  auch  der  jüngere  B.  Senator  werden?"  (M. :  cogitet  ist 
zu  halten!)  —  X  12,  b  (nicht  a),  2  etsi  vi  forte  in  tempestatem  ,,vom  Regen 
in  die  Traufe"  (M. :  f.  ne  cum  pestate,  schon  Crat.  Text:  forte  et  cum 
tevtpestate,  Kayser  cj.:  fortiter  vel  cum  temp.)-,  dam  autem  istis'?  — 
ibid  fin:  v^^>  «Äxtp-wT  spov.  Ich  lese  9).  dStoXovov,  s.  unten  S.  53!  — 
X  16,  4  Ät  ego  ahii  <M.  tibi,  Cr.  inde^  postridie  a  villa  ante  lucem. 
Wenn    vorher  Schmidt  u.  a.  mit  Recht  (?)  convenire  (C.  Z.)  als  Inter- 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.)        43 

polation  streichen,  darf  die  Breviloqnenz  auch  hier  stehen,  also  nicht 
dbü,  sondern  inde  oder  tili.  —  X  17,  1  vellem  cernere  potuisses 
quanif  M.:  vellem  cetera  eins  quam,  gut!  (sollte  nicht  vellem  cerneres 
genügen?)  —  X  18,  1  num  illa  Horfensiana  antea  (M. :  omnia)  fuere 
infantia  et  inania  (M.:  ita).  Seil  (M. :  fiet)  homo  nequissimiis  sq.  giebt 
guten  Sinn,  entfernt  sich  aber  stark  von  der  Überlieferung.  Ita  fiet 
(„so  wird  es  kommen"  oder  „du  sollst  sehen")  scheint  mir  unverdächtig, 
vgl.  A;  VII  8,  4  factum  est  ita  und  Tyrrell- Purser  IV.  p.  204.  — 
XI  6,  2  M.:  recipio  tempore  me  domo  (3)  te  nunc  ad  oppidum  (Crat.  marg.: 
Oppium)  et  quoniam  Ms  placeret  modo  propius  accedere  . .  R.  J,  Alb  recht, 
der  zu  Schmidts  Arbeit  einige  Verbesserungsvorschläge  geliefert  hat, 
(s.  bei  Schmidt  S.  372  if.):  recipio  tempore.  Meo  nomine  (wie  XI  5,  3) 
nunc  adi  Oppium  sq.  Schmidt  (S.  373):  meo  nomine  nonne  ad  Oppium 
<et  Cornelium>,  sc.  scripsisti,  ecquonam  Ms  placeret  modo  proprius 
accedere,  ut  hac  de  re  considerarenf?  Damit  ist  die  schwierige  Stelle 
gebeilt.  —  XI   8  fin.:   XIII  K.    Jan.   statt  XVI  K.    Jan.  (M).   — 

XI  14  fin.:  Equidem  avide  te  {et  advideo  M.;  et  id  video  Crat.)  tarnen 
exspecto  (Boot:  sed  avide  tamen  te  exspecto),  quem  videre,  si  ullo 
modo  —  poscit  enini  res  —  pervelim  <,post  enim  res  pervellem,  M., 
potest  res  nostra  pervellem,  Crat.>  (den  Sinn  hatte  Sternkopf  schon 
festgestellt)  nach  modo  ist  vielleicht  potest,*)  nach  res:  nostra  ein- 
zusetzen. —  XI  17^,  1  Paeto,  qui  ad  modum  consolantis  scripsit 
miM,  putato  ea  me  scripsisse  sq.  Ich  ziehe  vor  mit  Manutius  und  Boot 
zn  sagen:  mendum  video,  correctionem  adhuc  quaero.  Der  Überlieferung 
näher  kommen  Tyrrell-Purser  IV  S.  253.  —  XI  20,  1  C.  Trehonü 
lihertus  (¥.:  G.  Trehoni.  u\   Crat.  Text:  C.  Trehonü  is**)  richtig!  — 

S.  286:    A.  XII  49,  2  Epistulam   ad  Ciceronem  mit  M.   und  C. 
richtig  gehalten  gegen  Wesenberg  und  Boot  (ad  Caesarem).  —  S.  290: 

XII  31,  2  si  enim  F.  venderem  (eocplicare  vel  repraesentatione  del. 
Schmidt)  non  duhitareyn.  Die  eingeklammerten  Worte  sehen  wahrhaftig 
nicht  wie  eine  „varia  lectio"  oder  „interpetratio"  aus.  DaherR.J.  Albrechts 
(S.  484  f.)  Konjektur:  si  enim  Falerianum  intenderem  explicare  vel  re- 
praesentatione vorzuziehen  ist.  —  XIII  2,  1  deferri  iuhehis.  Examina 
Pisonem  (M.:  iuhehis  et  tamen)  nicht  überzeugend.  —  XIII  3,  1  (S.  299) 
weichen  Sch.sÄnderungen  zu  weit  von  der  Überlieferung  ab.  Ich  meine  was 
C.  bietet:  utendum  est.  Praes  quidem  aliquando  f actus  es,  et  (=^  esset)  in  Ms 
quidem  tahidis  ließe  sich  halten.  Mir  scheint  auch  die  Sachlage,  von  der 
Cicero  spricht,  nicht  klar  genug,  daß  wir  berechtigt  wären,  anschließend 

*)  So  auch  Tyrell-Purser  IV  S.  247. 

**)  Ich  führe  Cratanders  Text  hier  und  anderwärts  an,  um  zu 
zeigen,  daß  er  —  und  nicht  nur  die  Randbemerkungen  C  —  gute  alte 
Lesart  biete. 


44       Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

a  me  igitur  omnia  mit  Seh.  in: .  .  cetera  zu  ändern.  —  XIII  4,  1  (S.  309)  . . . 
legatornm.  <De  Tuditano  idem>  puto^  cf.  K.  Lehmann,  Qu.  T.  I  p.  51  et 
quidem  <de  Tuditanis  idem>  puto,  was  graphisch  noch  besser  begründet 
ist.  —  A.  XIII  9,  1  streicht  Seh.  die  Worte:  humanissimeque  Dolabella, 
quihus  verhis  secum  egissem,  exposuü;  Conimodum  enim  egeram  düigen- 
tissime,  obgleich  sie  in  CJc  überliefert  sind.  Hier,  wie  in  vielen  Fällen,  die 
ich  nicht  einzeln  aufzuführen  brauche,  wird  Sch.s  Arbeit  durch  seine  Über- 
schätzung des  ]\Ied.  auf  Kosten  der  von  diesen  unabhängigen  Überlieferung 
leider  sehr  beeinträchtigt.  Alle  seine  Textesänderungen,  welche  unter 
Mißachtung  von  ZCI  und  der  von  Lehmann  gefundenen  ital.  Hss  ge- 
macht werden,  sind  mit  größter  Vorsicht  aufzunehmen,  welche  Tyrrell 
z.  B.  nicht  genügend  walten  läßt.  Wenn  gleich  im  nächsten  Briefe 
A.  XIII  10,  3  JZCOE  etc.  si  quid  egerit  überliefern,  M.  aber  egerit 
ausläßt,  so  ist  kein  Grund,  M  zu  folgen  oder  XII  12,  1  auf  die  Autorität 
des  M  liin  die  unantastbaren  Worte:  sed  vereor  ne  minorem  tijatjv 
(ORP,  Ant.,  F,  sed  [xi  jxyjv]  0,  Ant.  cf.  C.  A.  Lehmann  de  Cic.  a.  A. 
epp.  p.  134)  zu  streichen.  —  Auch.  XIII  14,  2  möchte  ich  gegen  M. 
und  Schmidt  und  Tyrrell  si  quid  scies,  <^si  quid  erit,^  praeterea  halten 
(vgl.  Lehmann  a.  a.  0.).  —  A.  XIII  16,  1  ist  est  modo  (M)  schwerlich  dem 
2)rimo  (C)  vorzuziehen,  auch  A.  XIII,  17,  1  kann  ich  Schmidts  von 
Tj-rrell  angenommene  Konjektur:  imperasses  vellem  igitur  aliquid  tuis 
nicht  empfehlen,  sondern  ziehe  mit  Lehmann  (?)  und  Rothstein  vor, 
was  Bosius  und  Lambin  aus  Z  hatten:  7wn  quo  imperassem:  igitur  ali- 
quid tuis.  —  A.  XIII  20,  1  ist  ad  Ligarianam  mit  CORP  gegen  Seh. 
zu  halten  (vgl.  Lehmann  a.  a.  0.).  —  A.  XIII  20  fin. :  et  tarnen  non  curare 
gegen  R.  J.  Albrechts  und  Sch.s  et  famam  zu  halten  (vgl.  A.  XIII  2,  1 
et  tarnen  Pisonem;  X  6,  1  ei  tarnen  retineret,  s.  S.  53!)  Ich  brauche 
nicht  fortzufahren:  weil  auf  anderem  textkritischen  Boden  stehend,  muß 
ich  Sch.s  Vorschläge  vielfach  ablehnen  und  verweise  auf  M.  Roth- 
stein (Wochenschr.  für  kl.  Phil.  1894,  N.  11  S.  296  ff.)  und  auf 
meine  Abhandlung:  , Textkritisches  zu  Ciceros  Briefen'  (Prog.  des 
Gymnasiums  zu  Steglitz  1898),  die  sich  mit  manchen  auch  von  Seh.  be- 
handelten Stellen  beschäftigt,     fs.  unten  S.  53.) 

J.  Ziehen,  Sonderabdruck  aus  den  Berichten  des  Freien  Deutschen 
Hochstiftes  zu  Frankfurt  a.  M.  1892,  S.  94  Anm.  2  liest  A.  IX  6,  6 
Furnim  .  .  .  nuntiat  .  .  .  illum  maiores  mihi  gr alias  agere:  quam 
velleml  so  daß  es  als  Ausruf  erscheint.  —  A.  X  10,  3  wird  durch  ein 
Fragezeichen  richtig  gestellt:  habes  c-Au-dlri^j  Aaxcuvtxr^v  omnino  exci- 
piam  hominem?  —  ebenso  treffend  A.  X  8,  5  omnino  potui'?  während 
Wesenberg  und  noch  Tyrrell-Purser  ein  <non>  einschieben.  —  Trefflich 
scheint  mir  auch  die  Lesung  A.  XIII  42,  3  ad  templum  effandum;  eatur^ 
obschon  die  ganze  Stelle  noch  der  Richtigstellung  bedarf  (s.  unten  S.  53!). 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.)       45 

J.  C.  G.  Boot,   Novissimae  observationes  ad  Ciceronis  epistulas 
ad  Atticum.     Mnemosyne  n.  s.  XXI,  1893    p.  117 — 121. 

A.  IV  12  fin. :  Ibi  ie  igitur  videbo  et  jiro  re  moneho.  Es  muß 
nach  meiner  Überzeugung  et  permanebo  heißen  (s.  S.  53!)  —  A.  V  10,  5 
für:  sed  multum  t  ^<^  philosophia  sursum  deorsum,  si  quidem  est  in 
Aristo  liest  B.:  sed  tumultuni  edit  philosophia  sursum  deorsum  mit  Hin- 
weis auf  Ciceros  fragm.  (ab  Augustino  contra  Acaderaicos  III  7,  15): 
Clamat  Zeno  ei  tota  illa  porticus  tumidtuatur  hominem  natum  ad  nihil 
esse  quem  ad  honestatem.  Besser  Th.  Schiebe,  Prg.  1895,  vgl.  oben 
S.  25)  p.  16:  sed  multum  in  ea  philosophia  sq.  —  A.  VIII  11,4  statt: 
Cur  igitur,  inquis,  remansimus"^  Vel  tibi  paruimus,  vel  non  occurrimus, 
vel  hoc  fuit  rectius:  vel  non  occurrit  melius,  was  sehr  anspricht.  B.  ver- 
weist auf  F.  in  2,  1  haec  una  solatio  occurrebat,  11  3,  2  sensus  recon- 
diti  ocairsant  etc.  —  A.  IX  18,  2  erklärt  sich  B.  mit  Recht  für 
C,  Lehmanns:  in  qua  erat  eros  Celer  ^  Q.  Pilius  Celer.  —  A.  X  11,  1: 
De  itinere  (edd.:  de  itine)  et  de  sorore  quae  scribis  ist  nur  möglich. 
Wahrscheinlich  steckt  hier  ein  Name,  weshalb  Tyrrell  de  Quinto  schreibt. 
Ich  denke  an:  de  Pilia,  die  Gattin  des  Atticus,  A.  XII  8  hat  M. : 
cepilie  =  et  Piliae,  oder  an  de  Attica,  vgl.  A.  XII  11,  IM.:  athice.  — 
zu  A.  XI  12,  1  M.i:  etsi  multa  praesens  in  praesentem  dixerat  effecerat 
(pro:  et  fecerat),  tamen  l.  lomeous  verbis  ad  Caesarem  scripsi  bringt  B. 
die  Konjektur  des  Graevius:  tameii  nihilo  minv^  his  v  .  .,  besser  ist 
noch  (wie  Tyrrell  schreibt)  nilo  minus.  —  A.  XII  46,  1  dolor  idem 
manebit,  tantammodo  j  octius  ist  entweder  mit  C.  Lehmann  tectius 
oder  mit  B.  occultius  zu  lesen,  was  ich  vorziehe.  Übrigens  las  so  schon 
F.  G.  Schmidt  (vgl.  0.  E.  Schmids  „Briefw.«,  p.  494).  —  A.  XIII  17 
VKal.  exspedabamRoma  aliquid;  non  inipetravi.  Igitur  nunc  illa{sc.rogo), 
quid  sq.  Ich  meine,  (s.  S.  44),  hier  giebt  Bosius  aus  Z  das  Richtige: 
V Kai.  exspectabam  Roma  aliquid.,  non  quo  impjerassem.  Igitur  aliquid 
iuis.  Nunc  eadem  illa,  zumal  auch  c,  vc.  und  Lambin  quo  erhalten 
haben.*)  —  A.  XV  13,  4:  venisse  M.  Scaptitcm,  eumque  nunc  ad 
Pompeium,  ad  se  tarnen  dam  venturum,  falsch!  —  Wir  brauchen  in 
der  Überlieferung  für  qua  nur  quidetn  zu  ändern,  um  den  besten  Sinn 
zu  erhalten  (s.  unten  S.  53!).  —  A.  XVI  15,  6:  Consenti  in  hac  cura  ubi 
sum,  ut  me  expediam  (M.)  ändert  B.  mit  Wesenberg  in:  contende  in 
hac  cura  mecum,  ut  me  expediam,  was  mich  nicht  überzeugt  (s.  unten S.  53 !). 

Tyrrell-Purser,  the  correspondence  etc.  vol.  IV,  1894.  Von 
den  eigenen  Vorschlägen  verdienen  besonders  Beachtung:  A.  VII  11,  2: 
EuaxoXaCiv  tosov  (M.:  COCON),  richtig.  —  VII  17,  4  sin  otium 
aut  (Mss.  :  sin  autem)  etiam  induticte,  sehr  wahrscheinlich.  —  VIII  12  a,  4: 


^)  Ähnlich  ist  A.  VII  15,  1  .  .  non  quo  hoher em  magno  opere  quod  scriberem. 


46       Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

placitum  est  mihi  (talia  video  .  .  .)  für  mihi  alcia  video,  woneben  auch 
Reids  nee  alia  möglich  bleibt.  —  VIII  5,  1 :  cerritior  statt  certior  ist 
mit  Recht  von  Boot  übernommen,  gleich  darauf  liegt  kein  Grund  vor 
für  a  taiio  miliario  tum  (=  bei  seiner  ersten  Tour ,  nicht  bei  dem 
jetzigen  Besuche)  eiim  isse  in:  miliario  timuisse  zu  ändern.  Richtig 
aber  ist,  daß  darauf  multa,  inqiiam,  mala  cum  dixisset  aus  den  Hss 
wieder  hergestellt  wird.  Gut  ist  das  Folgende:  sed  en  (Hss.  in)  meam 
mansuetudinem!  Conieceram  .  .  .  vehementem  (besser  Boot:  vementem) 
sq.  —  Indes  ich  breche  ab.  Man  findet  die  Textesänderungen  in  dieser 
Ausgabe  so  gewissenhaft  ausgeführt,  daß  es  genügt,  darauf  zu  verweisen. 

Robinson  Ellis.     Philologus  Bd.  XXV   (N.  F.    VIII),    1895, 
S.  746—749. 

A.  V  11,  6:  Nunc  redeo  ad  quae  mihi  mandas:  in  praefectis  f 
excusatio  iis  quos  voles  deferto  wird  geändert  zu:  in  praefectis  ex- 
cusandis  (s.  oben  S.  36).  —  A.  IX  18,  3:  Quid?  continuo  ipse  in  Pedanum, 
ego  Ärpinum.  Inde  exspecto  f  quidem  XaXaYeusav  ist  ein  Citat  aus 
Leonidas  Tarentinus  Anth.  P.  X  1,  1 : 

6  ~\6oi  töpötios  y.ol\  7ap  XaXa^süoa  ysXiocüv 
fj or,  |jLE|jLßXto-/.£v  yw  yjxpitii  Ze^upo?, 
das  Cicero  auch  A.  IX  7,  5:  X  2,  1  anzieht.  Das  war  schon  be- 
kannt. Ellis  will  in  quidem  die  Spuren  von  ysXioova  erkennen.  Dem 
widerspricht  X  2,  1 :  XaXaYsusa  iam  adest  und  der  Augenschein.  Die 
Lösung  fehlt  noch.  —  A.  X  6,  1:  Astute  nihil  sum  acturus.  fiat  in 
Hispania  quidlibet  f  et  tarnen  recitet  et  .  .  Tyrrell  las  .  .  .  quid- 
libet,  tarnen  res  stat:  iteov,  Ellis:  quidlibet,  ut  tarnen  res  est,  ixYjxea; 
Madvig:  tarnen  ire  certum  est\  0.  E.  Schraids  „Briefw."  S.  172  tarnen  ire 
licebit,  zu  schweigen  von  Baiters  et  tarnen  retice.  Ich  lese  und  werde  anderen 
Ortes  (s.  S.  53)  begründen:  Asturae  nihil  sum  acturus:  fiat  in  Hispania 
quidlibet  et  tarnen  retineret.  —  A.  X  13,  3:  Silium  et  Ocellam  et  ceteros 
credo  retardatos.  Te  quoque  a  Curtio  impediri  video;  etsi  ut  opinor 
habes  EEITAONON.  Die  Lesung  e-i'aTaOixo;  =  Einquartierter  oder 
Aufpasser  an  der  Thüre,  oder  Zuchtmeister  ist,  wie  Gr.  zugiebt,  schon 
deshalb  zweifelhaft,  weil  wir  nicht  wissen,  wer  jener  Curtius  war.  Die 
ganze  Stelle  bedarf  noch  der  Aufklärung,  die  ich  durch  die  Lesung 
glaube  geben  zu  können:  Te  quoque  aCurione  impediri  video;  etsi,  ut  opinor, 
hohes  ^iTTj-ceov.  (s.  unten  S.  53!)  —  A.  XI  14,  3:  Iam  extremum  conclu- 
ditur;  ibi  facile  est  quod  quäle  sit  hie  gravius  existimare  wird  geändert 
in:  . .  gravius  <est>  aestimare  —  recht  ansprechend!  —  A.  XI 24,  2:  Vide 
quaeso  etiam  nunc  de  testamento,  quod  tum  factum  cum  illa  f  quaerere  coepe- 
rat.  Man  las  bisher  mit  den  alten  Herausgebern  haerere  ■=--  in  Verlegen- 
heiten kommen,  Ellis  schlägt  vor:  cum  illa  quaerere  coeperat.  Der  Gedanke 


Jahresbericht  über  die  Litteratar  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.)       47 

ist  gut,  die  ganze  Stelle  aber  von  Cicero  absichtlich  so  andeutungsweise 
und  dunkel  gehalten,  daß  nichts  Sicheres  zu  entscheiden  ist.  —  A.  XI,  25  3 : 
Quod  ad  te  iam  pridem  de  testamento  scripsi  apud  j  epütonüas  velim  ut 
posshn  adversas  liest  B.  mit  Benutzung  der  Vorschläge  von  Bosius 
(eu-i(j-ov  illas  velim)  und  Boot  (adservari)  wie  folgt:  apud  su-ia-uov 
Iras  (litteras)  velim,  {modo'],  ut  possitit,  adservari  —  beachtenswert, 
wennschon  nicht  zwingender  als  Tyi'rells  Vorschlag:  apud  imtupaXT^ 
vereor  ut  possit  adversari  und  andere  mehr  (cf.  Orelli  a.  1.).  Ich  dachte 
an:  apud  te  ~^sx6-r^z  es  (causa)  velim  id possim  adversare.  —  A.  XII  2,  2: 
At  Baibus  aedificat:  xi  vdp  auxtp  [xeXet;  Verum  si  quaeris  Tiomini  non 
recta  sed  voluptaria  quaerenti  nonne  ßsßiwxai;  Tu  interea  dormis.  Iam 
explicandum  est  upoßXyjixa,  si  quid  acturus  es.  Si  quaeris  quid  putem, 
ego  j  fructum  puto.  Marshall  hatte:  peractum  puto  vorgeschlagen 
(s.  0.  S.  37!),  Ellis  will  lieber  dudum  mit  Hinweis  auf  F.  IX.  C.  20  fin.: 
Patriam  duxi  iam  sq.     Dagegen  wendet  sich  wieder*) 

Julius  Ziehen,  Philologus  1897  p.  725,  indem  er  die  Über- 
lieferung hält  und  pufare  im  Sinne  von  „berechnen"  faßt,  so  daß  der 
Sinn  lauten  würde:  „Wenn  du  fragst,  welcher  Ansicht  ich  bin:  ich 
sehe  bloß  den  Ertrag  des  Geschäftes  (fructus)  an;  (sc.  „nicht  die  Art, 
in  der  es  gemacht  wird")  —  dieses  ironisch  gemeint.  Der  Gebrauch 
von  putare  in  diesem  Sinne  wird  genügend  belegt,  und  damit  scheint 
die  Lösung  gefunden. 

Jul.  Ziehen,  ßhein.  Mus.  f.  Phüol.    N.  F.  Band  LI,  S.  590  f. 

A.  II  20,  1  Sed  quia  f  uolo  pragmaiici  das  sinnlos  ist,  hatte 
Bücheier  (Rh.  Mus.  XL  p.  519)  quia  volgo  vorgeschlagen,  dem  ßoot 
zustimmt.  Z.  empfiehlt:  quia  holopragmatici  dem  Sinne  nach  treffend, 
aber  sprachlich  nicht  zu  belegen,  außer  durch  Analoges:  holochryssos 
(Plin.)  holographus  etc.  —  IV  11,  2  fin.  f  als  te  opere  delector  wird 
trefflich  berichtigt  in:  abs  te  opipare  delector  unter  Hinweis  auf  A.  V 
9,  1,  VII  2,  3.  —  XI  23,  3  wohl  heillos  verderbt,  erfährt  zum  Teil 
einen  annehmbaren  Sinn  und  Text  durch  die  Worte:  audimus  enim  de 
statua  Clodi  (für:  de  staturi  elodi):  generumne  nostrum  potissimum  uti 
(edd.  ut)  Jioc  (d,  h.  den  Clodius)  vel  <ad>  tabulas  novas.  Die  Be- 
ziehung auf  eine  Statue  des  Clodius  scheint  mir  zutreffend.  Man  lese 
dazu  die  gehaltreiche  Begründung  bei  Ziehen! 

0.  E.  Schmidt,  Jahrb.  f.  kl.  Phil.  1896  S.  263  ff.  behandelt 
ausschließlich  den  Brief  X  1  und  versucht  mit  Hülfe  einer  eindring- 
lichen Gedanken- Analyse  auch  textkritische  Belehrung  zu  geben:  §  2 
suspeyisus  <animum>  meum  detines,  wie  schon  Wesenberg  unter  anderem 

*)  Die  Besprechung  der  weiteren  Vorschläge  von  Ellis  zu  den  epp. 
ad  fam.  siehe  unten  S.  53! 


48       Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

vorschlug,  Mnd  praeripimn  des  Med.,  das  sich  mit  Berufung  auf  IX  17,  1 
halten  läßt.  Ob  in  §  3  iste  summarius  in  der  Bedeutung  , Lasttier" 
(ps.-Masth.  evang.  19),  italienisch  somaro,  deutsch  Saumtier,  so  gut  der 
Sinn  passen  würde,  sprachlich  zulässig  sei,  bleibt  sehr  fraglich.  Früher 
laß  Schmidt  ('Briefwechsel'  S.  166)  mit  Manutius  nmmnarius.  Gewagter 
noch  ist  die  Behandlung  des  Folgenden:  Sed  tarnen  hominis  hoc  ipsum 
prohi  est  tnagnum  sittyhum  (M.  sit)  et  tcuv  TroXtTtxwxaTwv  jxeixpia, 
veniendum  sit  in  consilium  tyranni,  st  is  aliqua  de  re  bona  deliheraturus 
sit.  sittyhum,  Büchertitel  auf  Pergament,  soll  in  diesem  Zusammenhang 
so  viel  sein,  wie  „eine  Doktorfrage"  für  politische  Köpfe.  Gewiß  ist 
es  richtig,  daß  Cicero  die  zunächst  nicht  praktische  Frage  theoretisch 
behandelt  wissen  möchte,  aber  diese  bestimmte  Fassung  hat  zu  wenig 
zwingende  Kraft.  Einfacher  ist,  was  Tyrrell-Purser  vorschlagen:  2)roM 
est,  <est  non>  tnagnum  sit  xiä^  ::.  axefjiixa  sq.  —  §  4  schlägt  Seh.  für 
Maconi  illud  (Bosius  fand  angeblich  im  Tornaesianus:  Macum)  Matianum 
illud  „was  M.  sagt",  (wie  X  15,  2  Caelianum  illud)  —  schwerlich  mit 
Recht:  ich  vermute  mit  Tyrrell-Purser  und  vielen  anderen  ein  griechi- 
sches Wort  (vgl.  S.  52). 

0.  E.  Schmidt,  „Studien  zu  Ciceros  Briefen  an  Atticus"  (IX.  X) 
im  Rhein.  Mus.  für  Philol.  N.  F.  LH.  S.  145—167. 

A.  IX  1,  3  multaque  mihi  (M.)  et  severe  in  conviviis,  tempestivis 
quidem,  disputari,  während  man  multaque  in  me  zu  lesen  pflegt.  —  1,4 
dahimus  hoc  Pompeio,  cui  debemus  (M.^  quo)  beide  Konjekturen  lassen 
Zweifel  zu.  —  2  a,  2  <.vetant>  (vita:  M.)  mores,  ante  facta,  ratio  suscepti 
negotii,  imbecillitas  (issocuu  tres:  M.)  bonorum  aut  etiam  <in>  con- 
stantia  mit  Berufung  auf  IX  13,  4  adde  imhecillitatem  honorum  virorum; 
K.  Lehmann  hatte  wohl  noch  treffender  vorgeschlagen:  Vetaiit  vita, 
mores  (cf.  Cic.  pr.  Mur.  74:  usus  vita  mores  civitas  ipsa  respuit  und 
seine  weiteren  Belege).  Die  Stelle  ist  m.  E.  auch  durch  Schmidt  nicht 
richtig  gestellt.  Ich  denke  an:  negotii,,  ,  *  ,  f  issoc  <vic>  cissent  aut 
rationes  (cf.  A.  X  8,  2)  bonorum  aut  etiam  constantia  oder  dergleichen. 
Doch  sind  erst  Lehmanns  edd.  zu  hören.  —  A.  IX  5,  3  Ego  vero,  sicut 
nie  apud  Homermn  (M. :  si  quid;  c  =  ed.  Crat.  Basel  1528:  si  quis). 
Mir  scheint  si  quidem  (nach  Tyrrell-Purser)  das  Richtige.  —  A.  IX  6,  2 
interclusi  captique  esse  videamur  (M.  simmus).  Bisher  las  man  simus. 
Ich  sehe  keine  Nötigung,  davon  abzugehen.  Doch  sind  erst  die  anderen 
Hss  zu  hören!  —  11,  2  eandeyn  mihi  videor  (M. :  me)  salutem  .  .  .  re- 
cepisse  (mit  Klotz)  und  IX  13  A.  fin.  proficere  joosse  mihi  viderer 
(M. :  proficiscere  pjossum  videre)  beider  wohl  zutreffend.  — 

A,  IX  6,  3  wird  die  t^berlieferung :  et  consules  [et]  duo  et  tribuni 
pl.  et  senatores  in  Schutz  genommen.  —   IX  7,  1  M. :    vel  dicam,  iam 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.   (Gurlitt.)       49 

effecissem.  Seh.  ändert  ohne  Not:  vel  dicam  iam,  fecissem.  —  7,  3  ver- 
teidigt Seh.  mit  zu  weit  gehendem  Konservatismus  seine  {"M.)  mente 
scriptus,  während  man  allgemein  sana  mente  liest,  —  7,  4  iusta  defensio 
est  expUcita  (mit  M.)  gegen  explicaia.  Man  vermißt  die  Belege  für 
diesen  Sprachgebrauch  des  Cicero  und  die  Lesarten  der  anderen  Hss. 
—  7,  5  dum  aganiHs  (M.)  0  -).oo;  sq.  treffend  in  Schutz  genommen 
gegen  Malaspinas'  eingebürgerte  Konjektur  dum  vagamur,  dagegen  kann 
ich:  7  B,  2  tcmporihus  mil.  et  dodianis  ^  Milonianis  <et  Clodianis>  (M.: 
Mihinonianis)  für  keine  Verbesserung  halten,  gegenüber  dem  bisherigen 
Milonianis.  Der  Fehler  entstand  dadurch,  daß  ein  Schreiber  mi 
als  mihi  las,  und  für  Ion  uon  schrieb.  —  Ob  A.  IX  7  C,  2  lam  duo 
praefecti  fahnan  Pompei  mit  M..,  wie  Seh.  will,  oder  .  .  praefedi partium 
Pompei  mit  Petrarca  (Caes.  c.  XX  §  43;  p.  478  ed  Razzolini  1879 
p.  478)  und  mit  E.  ^  Ambrosianus  E.  14  inf.,  0.  ^  Taurinensis  I.  V.  34, 
R.  =  Parisinus  n.  8538  zu  lesen  sei,  wie  C.  Lehmann  ,de  Cic.  ad 
Att.  epp.'  p.  166  f.  will,  das  wage  ich  nicht  zu  entscheiden.  Die  Frage 
wii'd  von  Seh.  zu  einem  Exkurse  über  den  Wert  der  von  Lehmann 
neu  herangezogeneu  Hss  benutzt.  —  IX  9,  2  qiiod  consulem  (M.^  C.) 
laudas  . . .  dispersu  enim  (M.).  Obschon  das  "Wort  dispersus  —  „Trennung" 
sonst  nicht  bekannt  ist,  sehe  ich  auch  keinen  Grund,  es  anzuzweifeln. 
In  den  Stellen  IX  10,  6  auf  die  sich  Seh.  wegen  des  Gedankens  beruft, 
ist  übrigens  dispertitam  erst  durch  seine  immerhin  zweifelhafte  Kon- 
jektur eingesetzt  (Briefwechsel  S.  149:  Quod  quaeris  a  me  fugamne  su- 
hitam  an  moram  dispertitam  utiliorem  putem  für  das  Sinnlose  des  M.: 
Quod  quaeris  fugamne  fidam  an  moram  defendam  utiliorum  putem*)  und 
auch  das  zweite  dispertitos  handschriftlich  nicht  sicher  beglaubigt,  wenn 
schon  wohl  zweifellos  ist.  —  IX  10,  2  wird  alienantur  (sc.  ab  amatori- 
bus)  mit  Recht  gehalten  und  gelesen:  sicut  h  xoli  Ipto-ixoij  alienantur 
immundae,  insidsae,  indecorae,  sie  sq.  Der  Überlieferung  näher  steht 
sonst,  was  Madvig  vorschlug.  Ich  lese  alienantur  immünde  insülse 
si  indecöre  fit,  sie  sq.,  das  sich  mit  M.  fast  deckt:  alienantur  immunde 
insulis  nndecore  fit,  sie.  —  IX  10,  3  tritt  Seh.  für  das  singulare 
ohtentabat  ein,  vielleicht  mit  Recht,  obschon  das  gleichbedeutende  und 
so  häufige  sustentabat  graphisch  nahe  genug  läge.  Man  warte  erst  die 
Lesarten  anderer  edd.  ab!  Wenn  diese  auch  §  3  fin.  ea,  quae  scripsisti 
des  M.  bestätigen,  wäre  es  gewiß  mit  Seh.  zu  halten.  —  A.  IX  11,  1; 


*)  Ich  vermutete  vor  Jahren;  quod  quaeris  fugamne  defendam  an  moram 
utiliorem  putem  und  sah,  daß  A.  Otto,  Rhein.  Mus.  XLI  S.  364  vorher 
dasselbe  vorgeschlagen  hatte.  Ich  meine  auch  jetzt,  der  Begriff  des  defendere 
ist  festzuhalten,  das  Wort  stand  wohl  sogar  doppelt,  fugamne  defendam  an 
moram  defendam,  <:utram>  utiliorem  putem. 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    Bd.  LXXXXYII.  (1898.  n.)     4 


50       Jahresbericht  über  die  Litteratur  za  Ciceros  Briefen.  (^Gurlitt.) 

13,  7;  15,  4  wird  mit  guter  Begründung  der  Name  M.  (oder  C.) 
Caesius  eingesetzt,  im  übrigen  ist  die  Lesart  15,  4  quae  de  scripta 
attulit  M.  (C?)  CaesiiiS,  ea  misi  ad  te  sq.  nicht  sicher.  Mad^^gs  (A. 
C.  ni  p.  184)  sed  rescripta  (=  Pompei  responsa)  scheint  mir  zwingend. 
—  A.  XI  11,  4  co^re^are .  <Italiam  et->  Ilispaniam  oder  in  Hispaniam 
ahiecisse  (M.  cogitare  in  Hisp.  a.)  scheint  mir  nicht  den  Vorzug  zu 
verdienen  vor  Tj-rrell  -  Pursers  cogitare,  iam  Hisp.  a.  —  A.  IX  11  A.  3 
me  ad  paciscendam  utriusque  vestrum  et  civium  concordiam  etc.  besser 
C.  Lehmann  (Q.  I.  p.  96;  Ausgew.  Briefe  1892  p.  195;  246)  me,  et 
pacis  et  utriusque  vestrum  (M.)  <amicuni  ad  vestram>  et  ad  civium 
concordiam,  ebenso  Tyrrell-Purser.  —  A.  IX  13,  4  oderunt,  ut  tu  scribis, 
eundem  (M.  ludum^.  Ac  (M.  CC.)  vellem  scripsisses  (M.  scribis),  quis- 
nam  hoc  (M.  bic)  significasset.  Seceditur  (M.  sed  et  iste)  quia  plus 
ostenderat,  quam  fecit  et  volgo  illum  qui  amarunt,  non  amant  sq.  giebt 
zwar  einen  guten  Sinn  und  Zusammenhang,  entfernt  sich  aber  zu  weit 
von  der  Überlieferung.  Meine  Deutung  im  Steglitzer  Gymu.  Prg.  1898. 
s.  unten  S.  53!  A.  IX  13,  7  sed  tarnen  movdtir  magis  <perspecta  quam> 
prospecta  re.  Tene  sq.  Das  magis  movetur  steiget  das  erste  movetur, 
deshalb  ist  ein  weiteres  verglichenes  Glied  zum  mindesten  entbehrlich. 

—  A.  IX  14,  2.  Sulla  duce  fecisset  <se  accisse  oder  se  accire>  ad 
amhitionem  dem  Sinne  nach  gewiß  richtig;  über  den  Wortlaut  kann 
man  zweifelhaft  sein  (vgl.  Madvig.  A.  C.  II  p.  238  und  die  Heraus- 
geber!). —  A.  IX  15,  3  Sed  <heus>  tu  omnia  qui  consilia  differebas  sq. 
Ich    dachte    an:    Sed    tu    <omnes    rationes*)>    omniaque    consilia   sq, 

—  A.  IX  16,  1  wird  ojyem  'exspecto'  aus  M.  wieder  hergestellt.  — 
A.  IX  18,  2  Reliqua,  o  di\  qui  comitatusl  quae,  ut  tu  soles  dicere, 
vexuia,  in  qua  erat  erus  sceleris  (sc.  Cäsar  „der  Herr  der  Verbrechen") 
(o^  ero  sceler,  M.^  ero  sceleri  ß.  ero  scelerum  P.  oratio  scelcrum). 
Schmidt  knüpft  daran  eine  Polemik  gegen  C.  Lehmanns  Lesung:  heros 
(=  ^püif)  Gel  er  (Q.  Pilius  Celer)  und  zugleich  gegen  denselben  Stellung 
zur  Überlieferung.  Nach  reiflicher  Erwägung  kann  ich  Seh.  nicht  bei- 
pflichten. Am  meisten  Anstoß  nehme  ich  bei  seiner  Erklärung  an: 
'in  quibus  —  Cäsar,  wenn  er  wirklich  als  „Herr  der  vexuia"  bezeichnet 
worden,  war  nicht  unter  dieser,  sondern  stand  ihr  vor,  etwa:  quibus 
praeerat.  Wenn  dagegen  Atticus  selbst  verächtlich  die  Gefolgschaft 
des  Cäsar  einen  'Orcus'  genannt  hatte,  so  will  es  mir  schon  nahe- 
liegend und  passend  scheinen,  daß  Cicero  mit  einiger  Bitteikeit  sagt: 
„darunter  befand  sich  aber  auch  dein  eigener  Schwager  Celer  als  einer 
der  Heroen"  —  %ü);  natürlich  ironisch  gefaßt  und  im  Bilde  bleibend. 
Denn  ihm  schwebt  natürlich   die   homerische    vey.ui«    mit  ihren  Heroen 


*;  rationei  =  Maßnahmen,  wie  A.  X  S  2. 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.)       51 

vor.   Anch  Boot  g'iebt  Lehraann  reclit  (s.  oben  S.  45).  —  A.  X  5,  2  sed 
modestior  von  erit  ero    (M.  non   pro)    scheint    mir    auch    sehr    pewagt. 
Meine  Lesnng-  s.  S.  42!)    —  A.  IX    18,  2  Quid,    Servi  ßius,    Pontius 
Tiiinianus  in   his    castris    fuermif,    quihns  Pompeins    circumdcderetur? 
Auf  ?run(l  der  bei  Hoifmann- Lehmann,    ausgew.  Briefe  I®,  geiSfcbenen 
Lesarten   ranß  ich  mich  mit  Lehmann   für:    Quid,    quod    Servii  filius, 
quod  Titinii  in  iis  castris  sq.  entscheiden.  —  A.  X  3^  ami  (M.  nt)  igitur 
haec  scire    cellem    (M.  scirem),    schon  "Wesenberg  schreibt:    cum  igitur 
haec  scire  cnperem.     Nötig  ist  eine  Textesänderung  nicht,  wird  deshalb 
auch  von  Baiter-Kayser,  Boot,  Tyrrell-Purser  unterlassen.  —  A.  X  4,  5 
Quorum  ut    (oder:    ut  quormn)    tarn  acta  mit  M.      Wenn   auch   andere 
Hss  ut  bieten,    muß  es  allerdings  gehalten  werden,    statt   der   matten 
vulgata  est.  —  A.  X  4,  6  nee  ad  severitafem  nee  ad  diligentiam  (M.), 
wofür  man  sonst  mit  Manutiu«^  indulgentiam  liest.    Seh.  hat  dabei  selbst 
seine  Bedenken,  in:  vunc  <haec>  sive  iracundia,  wie  er  fortfährt,  ist 
haec  handschriftlich  nicht  beglaubigt,    alle   Hss    Itaben    nunc    sive  oder 
nee    sive  (vgl.   C.  Lehmann,    de  Cic.  epp.   pg.  72  f.),  gleichwohl    recht 
wahrscheinlich.  —  A.  X  4,  8  ein  locus  desperatus!     Seh.  hält  mit  Recht 
die  Überlieferung:  eius  interitu  finem  Uli  fore,  den  folgenden  Wortlaut 
aber  kann  ich  mir  nicht  aneignen:  propiusQl.:  Pompeins;  m^v^.propeius) 
factum  esse  nihil   (in  dem  Sinne  =  paene  factum  esse)    nisi  (M.  ei)  sc. 
id.:  plane  iracundia  elatuyn  voluisse  Caesarem  occidi  Metellum  tr.  pl.^ 
quod  si  sq.     Die  Konstruktion  ist  zu  gekünstelt  und  Cicero  sagt  sonst 
(ad  Q.  fr.  12,  15):  propius  nihil  est  factum,  quam  ut.     Entweder  stellt 
man  dieses  Sätzchen  nach,  wie  Boot  u.  a.  thun,  oder  man  müßte  ändern, 
etwa:  praeter  ius  factum  esse  nihil.    Et  primimi  sane  (=M. :  ei  plane) 
iracundia  elatum  volwsse  Caesarem  occidi  Metellum  —  aber  er  habe  es 
eben    doch    nicht   gethan  trotz  der  'permidtos  hortatores  caedis\*)  — 
A.  X  8,  2  M.:    quod  fieri  necesse  est  enim  .  .  .  mit  offenbarer  Lücke. 
Koch:  quod  fieri  <nequit>;  n  .  .  .;  Schmidt:  quod  fieri  <posse  nego>; 
w  .  .  .,  besser  C.  Lehmann  (Ausg.  Briefe  I*^  p.  212):   quod  fieri  <nec 
honestum  est  nee  tutum>.    Necesse  est  enim  mit  Verweis  auf  A.  X  1,  4 
(turpe  nee  tarnen  honestum);  „über  das  honestum  handelt  Cicero  bis  §  4, 
mit  §  5  kommt  er  zu  dem  tutum".  —  A.  X  8,  2  hat  M.\  0.^-  si  cum 
trahitur  bellum,  weshalb  Seh.  schreibt:   si  contra  tr.  h.     Aber  M.-  0.- 


*)  Ich  sehe,  daß  anderen  Ortes  0.  E.  Schmidt  ,der  Briefwechsel" 
S.  24  ähnlich  dachte:  „In  der  ersten  Aufwallung  des  Jähzornes  habe 
Cäsar  den  Tribunen  Metellus  töten  wollen.*  Das  wäre  ein  „caedes"'  ge- 
wesen, eine  Gesetzesverletzung  {praeter  ius),  da  die  Tribunen  sacrosanct 
sind.  Daß  „die  Gewaltthat  nur  mit  Mühe  abgewendet  worden  sei"  (ibid)^ 
davon  steht  hier  nichts.  Cäsar  übte  aus  eigenem  Antriebe  Mäßigung  trotz 
des  Zuspruches  der  Blutdürstigen. 

4* 


52       Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Garlitt.) 

R.  P.s  (cf.  Lehmann  A.  B.  P  p.  248)  überliefern  das  annehmbare: 
si  tralütur  bellum  .  .  — 

A.  X  8,  4  glaubt  Seh.  im  wesentlichen  herstellen  zu  können 
durch  die  Lesung:  Qiwd  mnlum  fingere  licet  tantum,  deniqiie  quid  turpius? 
AnnihaUs  delirantis  atqiie  amentis  solus  tuli  scelus:  eiusdem  cum  Pompeio 
et  cum  reliquis  principihus  non  feram?  Das  Hauptstück  dieser  Emendation, 
daß  hier  Cäsar  als  Hannibar-)  bezeichnet  sei,  wie  schon  in  Victoriana 
prima  zu  lesen,  scheint  ihm  „unantastbar".  Videant  alii!  Es  scheint 
mii'  zwar  beachtenswert,  aber  ich  zweifle  doch.  Zwar  kenne  ich  keine 
der  zahlreichen  Bemühungen,  die  sichere  Heilung  gebracht  hätte,  auch 
Hofmann -Lehmann  A.  B.  I*'  p.  215  geben  nur  den  Sinn  annähernd 
wieder,  weichen  aber  zu  weit  von  der  Überlieferung  ab,  die  dort  (p.  248) 
zum  ersten  Male  vollständig  vorliegt.  Da  fällt  nun  auf,  daß  alle  Hss. 
liefern:  an  .  .  val.  de  hie  in  ahsenlis  solus  tuli.  Wer  einen  Sinn 
schafft  unter  Beibehaltung  dieser  Buchstaben,  dem  gebührt  der  Preis! 
—  A.  X  9,  1  .  .  repressisset ,  <immo>  volare  dicitur,  das  immo  des- 
halb, weil  in  M.^  tuo  vor  volare  steht,  aber  dieses  ist  offenbar  nur 
Dittographie  .  .  .  t  uo  \  tuolare,  zudem  beweist  gleich  das  nächste  Glied, 
daß  den  Antithesen  schroff  entgegengesetzt  wurde:  nihil  adfert  eins 
modi.  —  A.  X  11,  2  de  affini  (M.:  itine;  Tyrrell -Purser:  Quinti)  et 
de  sorore,  nicht  mehr  als  möglich,  andere  (so  Boot,  s.  u.)  lesen  de 
üinere.  —  A.  X  16,  3  Cato,  qui  Siciliam  teuere  nullo  negotio  potuit 
Yet]  —  si  tenuisset,  omnes  honi  ad  eum  se  contulissent  —  Syracusis  pro- 
fectus  est.  Da  einmal  et  überliefert  ist  und  auch  dem  Oedanken  nach 
möchte  ich  vorziehen:  etsi  <si>  tenuisset  sq.  —  A.  X  18,  2  de  <eiu3> 
benevolentia  —  überflüssig  in  diesem  Schlüsse  der  Briefe,  der  voller 
Breviloquenzen  ist  .  .  .  de  altera  ei  me  pnrga  (M.^)  gegen  purgavi  QO..^). 
Mir  scheint,  da  Cicero  ausdrücklich  sagt,  er  habe  selbst  (Scripsi  equidem) 
an  Baibus  geschrieben,  daß  er  es  doch  wohl  übernommen  haben  wird, 
sich  de  suspicione  zu  rechtfertigen. 

Diese,  wie  alle  Arbeiten  Schmidts  fördern  das  Verständnis  der 
Briefe  nicht  unbedeutend,  aber  die  zu  starke  Bevorzugung  des  M. 
schädigt  auch  hier  die  Ergebnisse. 

Schließlich  sei  mir  gestattet,  einige  Textesänderungen  zusammen- 
zustellen, die  ich  in  letzter  Zeit  vorgeschlagen  habe. 

A.  X  1,  4  Alazonis  istud  (M.:  MÄCONI  istud)  ßerl.  phil.  Wochen- 
schrift 1898  N.  6.  Sp.  189. 

Philol.  1897.  S.  378—380:  A.  XIH  33,  3.  si  neutrum,  saltem 
in  praefectis  .  .  .  fuerit. 


'*)  A.  VII  11,  1  sagt  Cicero:  Hannibai, 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.)     53 

Ludwig  Gnrlitt,  Textkritisches  zu  Ciceros  Briefen. 
Programm  des  Steglitzer  Gymnasium  1898.  16  S.  4.  A.  I  1,  5  ut  totum 
gymnasium  deae  avaÖTjixa  esse  videatiir.  —  III  25  Post  tuum  a  me  dis- 
cessuvi.  —  IV  12  IM  te  igitur  videho  et  permanebo.  —  V  10,3  quia 
o'JCExXaXrjTa  sunt.  —  V  11,  7  nam  illam  oC  avavopiav  excusafionem  .  . 
—  IX  2  uzo  TYiv  otaXr)']>iv,  ebenso  IX  10,  8.  —  IX  13,  4  .  .  iif  tu  scribis 
dudum  ducenti.  Vellem,  scribis,  qiäsnam  hie  significasset.  Sedet  iste  sq.  — 
X  6,  1  Astnrae  nihil  sum  acturas,  fiat  in  Hispania  quidlibet,  et  tarnen 
retineret.  —  X  5,  2  sed  modestiora  non  probo.  —  X  12'^,  4  modo  huic 
(oder  in  hoc)  sit  rßoi  a;toXo7ov!  —  X  13,  3  Te  quoque  a  Curione  im- 
pediri  video;  efsi,  ut  opinor,  habes  lEtTYjTeov.  —  XIII  39  fin.  icspl 
dsiuv  et  -avroc.  —  XIII  42  fin.  eatur?  dcoiaaxsTrxov.  —  XIV  2,2 
apud  quem  mdlum  i}Alui\i.'x;  processit  enim,  sed  minus  —  —  Diutius 
Sermone  enim  sum  rettntus.  —  XV  13,4  sed  Serviliam:  venisse  .  .  . 
eumque  non  quidem  pompa  sq.  —  XVI  15,6  Contendo  iam  Astura, 
tibi  sum.  —  IV  18,  4  Itaque  dixit  statim  resp.  lege  maiestatis:  ou  soi 
-axpi;  dXXd  cpr^vr)  (oder  9U7t^).  — 

Philol.  1898.  S.  398—408  ,Cicerouiana'.  I.  ,Den  Epikureer 
Phaedrus  als  Quelle  in  Ciceros  philosophischen  Schriften'  zur  Begründung 
der  Lesart  A.  XIII  39  fin.  -spl  Osäiv  et  -avxo;.  II.  ,Des  Atticus 
Kritik  au  Ciceros  Philippica  IL'  Es  wird  in  A.  XVI  11,  1  vorge- 
schlagen: asta  (=  hasta  in  obskönem  Sinne),  cpaXXw  Luciliano  und  zotross 
T:ai&u)v  aufincest,  Ulis  III  vir is  auf  päderastischen  Verkehr  gedeutet. 

C.  F.  W.  Müller,  Zu  Ciceros  Briefen  an  Atticus  (IV  7,  2). 
Jahrb.  f.  Philol.  1897,  VIII  p.  545—546. 

A.  IV  7,  2  .  .  qiäd  enim  vereris?  qiiemcunque  heredem  fecit,  nisi 
Publium  (sc.  Clodium)  fecit,  virum  non  fecit  itnprobiorem,  quam  fuit  ipse. 
Das  Weitere  bleibt  dunkel. 

*E,.  Jonas,  Über  den  Gebrauch  der  Verba  frequentiva  und  inten - 
siva  in  Ciceros  Briefen.  In:  Festschrift  f.  L.  Friedländer.  Leipzig 
1895,  Hirzel.     (p.  149—162.) 

Von  Ausgaben,  die  nur  für  die  Schule  oder  das  Ausland  be- 
stimmt sind,  habe  ich  absichtlich  nicht  gesprochen. 

Vereinzelte    Verbesserunersvorschläge    zu    den  epp.   'ad   fam.' 

Robinson  Ellis,  Philologus  N.  F.  VIII,  1895  p.  748.  F.  VII 
33,  3  {occupationes) ,  quas  si  est  volumus  exceperimus  veraulaßte  schon 
Madvig  ('adv.  crit.'  in  p.  159)  zu  den  Konjekten :  expedierimus:  Ellis 
schlägt  nur  zweifelnd  excesserimus  vor,  da  er  eine  Parallelstelle  aus 
Cicero  nicht  nachweisen  kann.  —  Ebenda:  .  .  .  illis  interioribus  litteris 
t  meis,  quibus  saepe  veiecundiorera  me  in  laquendo  facis.    E.  vermutet 


54       Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

litteris  mltis  Cmultis)  wie  Brat.  252  multis  litteris  ...  est  consecutus. 
Ich  möchte  meine  Vermutung  nur  andeuten,  nämlich  zu  lesen:  Ulis 
interiorihus  litterulis,  quihus  (cf.  A.  XII  1;  XIV  4,  2;  XV  4,  1  auch 
ad  Brut.  I  16,  1,  wo  es  C.  bietet,  die  Ausgaben  aber  fälschlich  litte- 
rarum  schreiben),  was  mir  deshalb  passend  scheint,  weil  Volumnius  die 
Befürchtung  ausgesprochen  hatte,  seine  Briefe  wären  dem  Cicero  zu 
lang  und  dieser  deshalb  versichert:  ac  veh'm  posthac  sie  statuas,  tuas 
mihi  Utteras  longissimas  quasque  gratissimas  fore.  —  F.  IX  10,  2. 
Puto  te  nunc  dicere:  ohlitusne  es  igitiir  fungorum  illorum,  quos  apuä 
Niciam?  et  ingeyüium  f  cularum  cum  sophia  septimae?  —  , Fortasse: 
venucularum,  wie  Hör.  S.  II  4,  71".  Ich  sehe  keine  Möglichkeit,  hier 
Sicheres  zu  ermitteln.  — 

Hob.  Noväk,  (Kvicala's  Gratulationsschrift  1884,  in  den  „Kri- 
tischen Beiträgen  zu  römischen  Schriftstellern"  (Kriticke  pfispevky 
kfimskym  spisvatelüm)  S.  44  f.:  E.  IV  3,  4  sieht  er  in  den  Worten: 
quod  —  observet  eine  Begründung  von  tibi  quoque  und  äudert  mit  Hülfe 
des  Vorschlages  von  Bake  {quam  für  cum):  in  quo  ille  existimat,  quom 
facile  appareat,  quam  me  colas  et  observes,  tibi  quoque  (in  eo)*)  se 
facere  gratissimum.  — 

Julius  Ziehen  liest  im  Rhein.  Mu^.  f.  Philol.  N.  F.  LH  S.  449 
zu  F.  VIII  17,  2:  vos  invitos  vincere  coegero  astutial  num  me  Catonem? 
und  bringt  dadurch  jedenfalls  einen  verständigen  Sinn  in  diese  dunkle 
Stelle. 

Otto  Hirschfeld,  Hermes  XXIV  (1*^89)  S.  101  F.  IX  6,  3  fin. 
quantum  audiei-o  (edd.  quae  tua)  überzeugend. 

E.  Schelle,  Beiträge  zur  Geschichte  des  Todeskampfes  der 
römischen  Republik.  Programm  der  Annenschule  zu  Dresden,  1891.  S.  38 : 
F.  X  9,  3  Vioiua  <in:>  equitum  milia.  —  X  15,  2  non  multis  ante 
diebus  DC  (^  sescenti)  qui  optimi  fuerant,  ad  me  transierunt ;  Codd. 
diebus  decem.  — 

Ludwig  Gurlitt,  Progr.  des  Gymu.  zu  Steglitz  1898  p.  7. 
F.  n  16,  6:  neque  quidquam  Asturae  (edd.:  astute)  cogito. 

H.  Deiter,  Philologus  Bd.  LIV  1895  p.  177.  F.  VIII  1,  4 
perisse;  inde  (daher)  urbe,  ähnlich  schon  Orelli  und  Baiter  (unde).  — 
F.  XV  4,  6  .  .  et  pecunia  et  toto  <deditns  animo>  eis  qui  .  .  ver- 
dient Beachtung.  — 


*)  Nach  brieflicher  Mitteilung  will  er  jetzt  in  to  tilgen.  Den  Vorschlag 
Noväks  hat  Mendelssohn  nicLt  beachtet.  Mir  bcheint  kein  Grund  an  der 
übereinstimmenden  Überlieferung  {quod  —  culat  —  observet)  zu  rütteln. 


Jahresbericht  übfr  die  Lilteratur  zu  Ciceros  Briefen.   (Guriitt.)       55 


Vereinzelte    Verbesseruugsvorschläge    zu    den    cpp.  ad. 

Atticurn. 

Ernst  Böckel,  zu  Cicero  ad  Atticurn,  macht  folgende  be- 
achtenswerte Vorschläge : 

II  7,  1  altermn  (oi'atiorem)  non  lihehat  mihi  scribere,  quippe 
nbscisam  (Med.:  qui  absdram)  mit  Berufung  auf  Livius  45,  37,  9: 
illa  enim  tibi  toia  abscisa  oratio  esset,  abscindere  --=  „das  Wort  ab- 
schneiden. —  XIII  22,  4  Efenim  coheredes,  a  quis  sine  te  opprimi  mortis 
instar  est  (edd.:  militia  est),  wie  fam.  IX  n,  1  Equiclem  hos  tuos  Tus- 
culanenses  dies  instar  esse  vitae  pufo.  —  VII  7,  I  illud  perusitatum  non 
adscribis:  „et  tibi  gratias  egit"  wie  IV  15,  2  pereruditus.  —  III  19,  1 
edd.:  non  quo  mea  interesset  loci  natura,  wofür  Emanuel  Hoff  mann 
(Studien  auf  dem  Gebiete  der  lat.  Syntax.  S.  129  A.  G):  interesset 
<e>  loci  natura,  besser  Böckel:  interesset  locuni  mutare  wie  de  leg. 
II  irait ,  Horaz  ep.  I  15,  10:  fam.  VII  26,  1  etc.  —  Damit  hängt 
zusammen  III  12,  46  nam  dolor  idem  manebif,  tavtum  modo  locus  alius 
(edd.:    modo  octius),    wofür  man  jetzt  lieber  occultius  liest    (s.  oben!) 

Ludwig  Guriitt,  Jahrbücher  f.  kl.  Phil.  1893.  S.  704  edd.: 
quem  negant  p)osse  bonum  civem;  vulgata:  quem  nego  posse  esse  bonum 
civem.  Es  wird  vorgeschlagen  quemquam  negant  sq.  zu  schreiben, 
vielleicht  genügt  auch  die  Überlieferung  quem  negant  (sc.  ita  salutare) 
posse  bonum  civem. 

W.  Stern  köpf,  Elberf.  Prg.  1889,  (siehe  oben  S.  22),  p.  4: 
A.  I  5.  3:  nequedum  te  Athenis  esse  audier amus  (statt  audiebamus) 
richtig,  p.  19:  A.  I  18,  2  tarnen  volnus  (statt  voluntas)  etiam  afque 
etiam  mediana  efficit.  Diese  Emendation  fand  später  unabhängig  auch 
Fr.  Leo.  ind.  lect.  Gott.  sem.  aest.  1892  p.  8  (mit  ausführlicher 
Begründung);  zu  demselben  Briefe  §  1 :  ei  amantissimus  mei  ille  (statt: 
Metellus)  non  homo,  sed  'litus  atque  aeres,  solitudo  mera'  (Kretiker: 
statt  l.  a.  aer  et  s.  m.):  Das  Ganze  auf  Pompeius  bazogen:  gewiß 
beachtenswert!  Jahrb.  f.  kl.  Phil.  Ib94  S,  407  zu  A.  I  16,  13  Lucra 
autem  tr.  pl.,  qui  magistratum  in  simultate  cum  lege  Aelia  iniit, 
solutus  est  et  Aelia  et  Fufia  (M. :  insimul  cum  lege  alia,  andere  edd.: 
Aelia),  wobei  Aelia  sicher  begründet,  iyi  simultate  selir  wahrscheinlich 
gemacht  wird.     Ich   vermisse  nur   sprachliche  Belege   aus  Cicero  dazu. 

J.  Ziehen  (s.  ob.  S.  31):  A.  IX  15,  1  quam  dedissem  ad  te 
litteras,  ut  —  fore,  allatae  mihi  Capua   sunt    (seil,  alterae  litterae)  *) ; 

*)  Vgl.  Madvig  Adv.  crit.  III  p.  184:  et  hie  <'copiam>  mihi  et  in 
Albano  fore  und  0.  E.  Schmidt,  der  Briefwechsel  etc.  S.  158:  all.  mihi  Capuae 
sunt  eum  hie    VI  K ,  et  m  Albano  upad  C.    V.  K.  f. 


5G       Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

et  lioc  mihi  (seil,  mmtiautes)  et  in  Alhano  apud  Ctirionem  <eam>  V 
Kai.  fore;  .  .  .  Ille,  id  ad  me  <Lepfa  sive  Q.  Pedius>  scripsit 
(überzeugend!).  Vortrefflich  ist  auch  in  seiner  Dissertation  die  Kon- 
jektur X  17,  3:    id  si  Iransierit  (cd.  eras  erit)*). 

J.  Ziehen,  Hermes  33  (1898)  S.  341  f.  ,Ein  Ciceronianum  zur 
Geschichte  des  Isiscnlte^  in  Rom':  A.  II  17,  2  die  sinnlosen  Worte 
iacet  enim  ille  (sc.  Poni peius)  sie  ut  phocis  Curiana  stare  videatur 
werden  geändert  in  .  .  .  sie,  tit  prae  hoc  Isis  Curiana  stare  videatur, 
womit  auf  die  durch  Senatsbeschluß  in  den  Jahren  59,  58  und  48  v.  Clir. 
erfolgte  Zerstörung  von  Altären  und  Kapellen  des  ägyptischen  Isis- 
diensies  in  Rom  (Röscher.  Alythol.  Lex.  II  401)  angespielt  werden  soll. 
Ein    interessanter    Versuch,    aber    doch    recht    zweifelhaften   Erfolges! 

A.  IV  6,  2  Med.:  nee  quidquam,  Baiter  (cf.  Ferd,  Becher, 
Neue  phil.  Rundschau  1886,  N.  5  S.  75)  neqiiiquam. 

Otto  Hirschfeld,  Hermes  XXIV.  Bd.  1889.  S.  101;  A.IX  18,2 
quae  .  .  .  vexuia!  in  qua  cratera  sceleris  oder  5ceZer«(Wi  wie  y.pa-vjp  xaxuiv 
bei    Äschylus    und    Aristophanes.     Zur  Stelle  s.  oben  S.  42. 

Wilhelm  Sternkopf,  Jahrb.  für  kl.  Philol.  1894  Hft.  VII 
S.  488:  stellt  durch  richtige  Interpunktion  A.  V  2  her:  tu,  qui  scis, 
omnem  diligentiam  adhibebis,  tum  scilicet,  quum  id  agi  debebif,  quum 
ex  Epiro  redieris.    de  re  publica  sqq. 

Paul  Grocbe,  de  legibus  et  senatus  consultis  anni  710  quaestt. 
chronoll.  Diss.  Berl.  1893,  S.  Calvary  u.  Co.  p.  4:  (s.  oben  S.  35  Anm.) 
A.  XIV  21,  2  ilhim  circumire  veteranos,  td  arma  (Med.:  utram)  ornnes 
haberent.  —  Emil  Körner  (ob.  S.  23)  p.  55:  A.  IV  17,  1  fin. :  statt 
lepidam  quo  exeidat  ist  zu  schreiben:  ne  quidquam  quo  excidat.  0. 
E.  Schmidt  (Wochenschrift  f.  kl.  Phil.  1885,  N.  51  Sp.  1610j  erklärt 
diese  Konjektur  für  unzweifelhaft,  möchte  nur  des  Wohllautes  wegen 
schreiben  ne  quid  quo  (xcidat. 

Gerhard  Rauschen,  Eph.  Tnllianae.  Bonn  1886.  (s.  oben 
S.  24)  p.  59:  ne  quid  unquam  excidat. 

Friedrich  Leo,  Index  scholarura  Götting.  S.S.  1892,  (s.  oben  S.  1) 
p.  5  sqq. 

A.  I  18,  2  in  re  publica  vero  quamquam  animus  est  praesens, 
tarnen  volnus  etiam  atque  etiam  ipsa  mediana  efficit  (edd.  tarnen  voluntas 
etiam  sq.)  ausführlich  und  überzeugend  begründet;  dasselbe  hatte  vor- 
dem schon  W.  Sternkopf  gefunden  (Elberfelder  Prgr.  1889.  S.  19.) 
—  V  11,  3  nihil  esse  melius  quam  illud  nusquam  discedere,  ebenfalls 
durch  zahlreiche  Belege  gestützt.  — 

*)  0.  E.  Schmidt  a.  a.  0.  S.  182  stimmt  bei  und  fährt  fort:  transierit, 
utinam  idem  maumt  Ilortensius ,  quo  quidctn,  ut  adhuc  erat,  liberalius  ni/til 
es$e  potent. 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.)       57 

L.  Gurlitt,  (Berl.  phil.  Wochenschrift  1895,  N.  15  Sp.  4G5) 
erklärt  zu  Ende  der  Briefe  A.  I  12,  13  und  18  die  Angaben  der 
Konsuln  beim  Datum  für  Nachträge  von  fremder  Hand,  da  sie  gegen 
den  Gebrauch  im  Briefstile  verstoßen. 

L.  Polster,  Fleckeisens  Jahrbb.  1S96.  \>.  556  A.  V  4,  4  dum- 
taxat  rumores  vel  etiani,  si  sq.  hatte  schon  Madvig  A.  C  III  p.  175 
gefunden.  — 

Th.  Stangl,  zu  Ciceros  Briefen  an  Atticus,  Fleckeisens  Jahrbb. 
1896.  p.  781—782.  A.  V  12,  2:  Helonius,  vir  gnavissimus  .  .  ;,Sach- 
kenner,    Fachmann"   mit  Hinweis  auf  F.  VIII  1,  1  recht  plausibel.  — 

Auch  A.  XIII  22,  4  qiuie  inico  =  iniquo  (statt  inimico,  was  so 
nicht  nachweisbar),  animo  ferant  dürfte  richtig  sein. 

Theodor  Schlehe  hat  in  der  S.  26  genannten  Abhandlung 
manclien  schönen  Beitrag  zur  Textkritik  gegeben.  Ich  brauche  aber 
die  einzelnen  Stelleu  nicht  aufzuzählen,  da  eine  sehr  eingehende  Be- 
sprechung dieser  Arbeit  in  der  Wocheuschr.  f.  kl.  Philol.  1895  N.  45 
S.  1223—1230  für  die  Chronologie  der  Briefe  und  N.  46  S.  1255-1259 
für  die  textkritische  Seite  der  Arbeit  von  W.  Sternkopf  erschienen 
ist,  eine  Besprechung,  die  fast  den  Wert  einer  selbständigen  Bearbeitung 
des  Themas  hat.  Wo  zwei  so  tüchtige  Kenner  übereinstimmen,  lohnt 
es  sich  zu  verweilen:  E.  III  2,  1  wird  durch  verbesserte  Interpunktion 
aufgeklärt,  die  Lesart  a  te  gegen  ad  te  gehalten,  E.  VIII  1,  1  disce- 
denti  (mit  Wesenberg  statt  discedens).  A.  V  1,  3  wird  dies  fecit  richtig 
erklärt,  §  4  discessiira  gegen  Boot  geschützt;  V  3,  1  qui  de  re  publica 
rumores  <sint>,  scribe  quaeso;  Y  8,  3  ad  Camillum,  <ad  Caelium^, 
ad  Lamiam;  V  10,  3  fronte,  ut  puto  et  volo,  bellus;  V  11,  4  quidquid 
provideri  <poterit^> ,  provide\  V  12,  2  nisi  omnia  axpairr^pta  oupta 
disseni;  —  praeterea  si  quid  Philippus  rogaverit.  Es  bleibt  noch  eine 
Reihe  weiterer  Emendationsversuche,  die  aber  Sternkopf  mit  ausführlicher 
Begründung  ablehnt.  Dort  möge  die  Entscheidung  suchen,  wer  sich 
in  den  Briefen  ad  Att.,  im  besonderen  in  dem  5.  Buche,  textkritisch 
bemüht. 

j  W.  Sternkopf,  Zu  Ciceros  Briefen  an  Atticus  [V  2,  3J,  Jahrb. 

f.  cl.  Philol.  1894  S.  488—490  weist  überzeugend  nach,  daß  zu  inter- 
pungieren  ist:  ...  tum  videlicet,  cum  id  agi  debebit,  cum  ex  Epiro 
redieris.  De  re  publica  scribas  ad  me  velhn  u.  s.  w.  Man  las  bisher: 
Cum  ex  Epiro  redieris  de  re  publica  scribas,  was  sinnlos  ist. 

Demselben  Verfasser  wird  eine  gründliche  Untersuchung  ver- 
dankt: über  zwei  Briefe  Ciceros  an  C.  Trebonius  (E.  XV  20  u.  21), 
die  ich  oben  bei  Aufzählung  der  chronologischen  Untersuchungen 
hätte  nennen  sollen,  sie  steht  in  den  Jahrb.  f.  cl.  Philol.  1893 
S.  424 — 432    und    kommt    zu   dem   sorgfältig  begründeten  Ergebnisse: 


58       Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.     (Gurlitt.) 

„Als  Trebonius  Ende  708  oder  Anfang  709  abreiste,  befand  Cicero 
sich  auf  einem  seiner  Landgüter;  hier  hatte  er  die  Sendung  des  Trebonius 
erhalten,  und  von  hier  schrieb  er  ihm  den  Abschiedsbrief  XV  21.  Er 
kehrte  dann  nach  Rom  zurück  und  schrieb  nicht  lange  nachher  XV  20." 
Dieses  Ergebnis  wurde  augefochten  von  R.  Leyds  (ebd.  S.  843),  welcher 
die  Worte  (XV  20,  2)  ad  provinciales  amicos  anders,  nemlich  auf 
Cicero  selbst  statt  auf  Trebonius,  gedeutet  wissen  wollte.  St.  aber 
rechtfertigt  seine  Auffassung  ebd.  1894  S.  287  f.  durch  eine  genaue 
Gedankenanalyse  des  beireffenden  Briefes  (XV  20).  — 

0.  Ed.  Schmidt,  Ein  unverstandener  Witz  Ciceros,  Berl.  phil. 
Wochenschr.  1891  N.  12  u.  13  behandelt  A.  XIII  47a  Postea  quam 
als  te,  Agani'mno  u.  s.  w.  Die  dort  gegebene  Deutung,  die  durch  Aus- 
scheidung der  durch  C  Z  verbürgten  Worte :  tetigit  aureis  nuncius, 
extemplo  instüuta  gewonnen  wird ,  ist  übergegangen  in  Schmidts 
„Briefwechsel''  S.  346,  527,  hat  aber  meinen  und  nicht  nur  meinen 
Widerspruch  (vgl.  Rothsteins  oben  S.  10  Anm.  citierte  Bespr.  S.  297).  — 

0.  E.  Schmidts  Vorschlag,  wie  Ep.  X  33,  4  zu  heilen  sei, 
findet  man  Philol.  51,  1892  S.  186—188  in  dem  Aufsatze:  'P.  Bagiennus' 
und  auch  von  Mendelssohn  schon  in  den  kritischen  Apparat,  nicht  in 
den  Text  aufgenommen.  —  Desselben  Verfabsers  lehrreicher  Aufsatz: 
'Faber ins,  Studie  über  einen  Parteigänger  Cäsars  nach  Ciceros 
Briefen  an  Atticus'  in  den  Commentatioues  Fleckeisenianae  S.  223 — 245 
blieb  bisher  ungenannt,  teils  weil  ich  nicht  wußte,  wo  er  am  besten 
einzufügen  wäre  —  er  führt  nämlich  zu  neuen  Abteilungen,  Datierungen, 
Lesungen  und  Erklärungen  der  Briefe  A.  XII  und  XIII  —  teils  weil 
er  in  seinen  Hauptergebnissen  in  Schmidts  Buch  „Der  Briefwechsel" 
übergegangen  ist  (S.  290 — 308).  Dieses  Buch  aber,  das  eine  so  große 
Menge  der  verschiedensten  Themata  umfaCt  und  den  Historiker  ebenso 
sehr  angeht  wie  den  Philologen,  kann  in  diesem  Jahresbericht  un- 
möglich bis  ins  einzelne  geprüft  und  gewürdigt  werden. 

Wer  auf  dem  Gebiete  der  Cicero-Briefe  arbeitet,  muß  sich  mit 
diesem  Buche  beständig  auseinandersetzen  und  wird  nicht  nach  dem 
Jahresbericht  fragen. 

Aus  demselben  Grunde  habe  ich  auch  ein  so  anerkanntes  Buch, 
das  rein  textkritischer  Natur  ist,  wie 

C.  A.  Lehmanns,    Quaestiones  Tullianae    pars  I.    de   Ciceronis 
epistulis.     Leipzig  1886,  Freytag.     136  S.     8.     3  M. 

nicht  im  einzelnen  besprochen.  Wem  würde  es  nützen?  Das  Buch  hat 
gleich  nach  seinem  Erscheinen  so  allgemeine  Anerkennung  gefunden 
(s.  z.  B.  die  Anzeigen  von  J.  H.  Schmalz  und  mir  in  der  Berl.  philol. 
Wochenschrift  1886  Sp.  913— 921j,    daß  es  heute  zum  Hand  Werkzeug 


Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.    (Guriitt.)       59 

der  Textkritiker  gehört.  Ich  setze  es  also  als  bekannt  voraus.  Dazu 
gehört  auch  die  Anzeige  desselben  von  J.  C.  G.  Boots,  Editio  altera 
der  Atticus-Briefe  (1886),  die  reich  an  eigenen  Beobaclitungen  des 
Berichterstatters  ist.  Man  findet  sie  in  der  Wochenschrift  f.  klass. 
Philol.  1886  N.  30  und  besonders  31. 


VI.  TerbesserungSTOrschläge    zu  Cic.  ad    Quintum    fratrem. 

Wiederholt  ist  die  bekannte  Stelle  II  9  fin.  behandelt  worden, 
welche  handschriftlich  lautet:  Lucretn  poemata,  ut  scribis,  ita  sunt: 
nmltis  licminibiis  ingcnii,  multae  tarnen  artts;  sed  cum  veneris,  virum 
te  putabo,  si  Salustii  Empecloclea  leger is^  hominem  non  putabo,  u.  zw. 
nach  Vahlen  (Ind.  lect.  Berol.  18<?l/82  p.  1)  von  Reitzenstein, 
Festschrift  zu  Th.  Jlommseus  50jähr.  Doktorjub.  („Drei  Vermutungen 
zur  Geschichte  der  röm.  Litteratur-,  Marburg  1893.  S.  52  ff.)  R.  läßt 
die  Worte  multae  tarnen  artis  unverändert  und  erklärt  artis  ^=  Tsy 70X071«; 
weiter  schreibt  er  cum  <ad  finem>  veneris  oder  cum  finieris  und 
verwirft  Yahlens  Versuch,  die  Worte  virum  te  pmtaho  und  hominem 
non  putabo  allein  auf  Sallusts  Empedoclea  zu  beziehen.  Ihm  stimmt 
bei  A.  Kannengießer  (Berl.  phil.  Wochenschrift  1895,  X,  31/32, 
Sp.  977)  in  der  Besprechung  von:  Michael  Jezieuickis,  Quaestiones 
Lucretiauae,  Separatdruck  aus  der  'Eos',  vol.  31 — 58,  Lemberg  1894, 
dessen  Emeudationsversuch:  multae  etiam  artis;  sed  cum  ea  legeris  .  . 
er  mit  Recht  verwirft.  Georg  Castellani,  Qua  rationc  traditum  sit 
M.  Tullium  Ciceronem  Lucretii  carminis  emendatorem  esse,  Venetiis 
1894.  19  S.  8,  verteidigt  die  Überlieferung  von  Lucretii  bis  artis, 
ihm  pflichtet  bei  M(artin)  H(ertz),  Berl.  phil.  Wocheubchrift  1895  N.  5, 
Sp.  138.  —  K.  Lehmann  (Wochenschr.  f.  kl.  Phil.  1886  N.  31,  Sp.  970) 
zu  III  1,  21  überzeugend  Labieno  reservabam  statt  Labeoni.  —  Gerb. 
Rauschen,  Ephem.  Tüll.  Bonn  1886,  wird  Qu.  fr.  II  4  §  3—7  nicht 
als  Teil  des  Briefes  114,  1—2  angesehen  (gegen  Mommseu  in  Zeitschr. 
f.  d.  Alterturasw.  1844,  p.  596  ff.  u.  Körner  p.  18),  II  5  §  4  als  Teil 
von  II  5,  1—3  (gegen  Körner  p.  19)  in  Anspruch  genommen.  117,  3 
wird  qiiam.  ego  dixeram,  II  13,  1  [me]  delectarunt,  11  14,  2  quod  mea 
conscientia  gegen  Emendationsgelüste  treffend  verteidigt,  III  8,  1  richtig 
quae  (edd.:  quia)  adliuc  non  vencrat  gelesen. 

Julius  Ziehen,  (Rhein.  Mus.  f.  Philol.  N.  F.  Band  LI,  1896, 
S.  589  f  ad  Qu.  11  14,  2  Plane  aut  tranquillum  nobis  ant  certe  niuni- 
tissimum  (sc.  annum  exspecto),  quod  cotidie  domus,  quod  forum,  quod 
theatri  significationes  declarant;  nee  f  laborant,  quod  mea  conscientia 
copiatum  nostrarum,  quod  Caesaris,  quod  Pompei  gratiam  tenemus,  haec 


60       Jahresbericht  über  die  Litteratur  zu  Ciceros  Briefen.  (Gurlitt.) 

me,  ut  confidam,  faciunt.  In  Anlehnung  an  Madvigs:  nee  labat  antiqua 
mea  conscientia  schlägt  Ziehen  vor  zu  lesen:  nee  labor  antiqua  mea 
confidentia  (mit  Wesenberg)  coj).  nostr.  —  schwerlich  richtig.  Für 
das  handschriftliche  conscientia  tritt  mit  Recht  Rauschen  ein  (Eph. 
Tüll.  N.  85).  Als  Gründe  für  seine  Zuversicht  nennt  Cicero  zweimal 
drei  Gründe,  die  sämtlich  mit  qiiod  eingeleitet  werden:  die  Hochachtung, 
mit  der  mau  ihm  zu  Hause,  auf  dem  Markte,  im  Theater  begegnet, 
und  sein  gutes  Verhältnis,  wie  er  selbst  überzeugt  ist  {mea  conscientia), 
zu  seiner  Partei  {copiarum  nostrarum),  zu  Cäsar,  zu  Pompeius:  haec 
me,  ut  confidam,  faciunt.  Die  Worte  nee  laborant  sind  dabei  entbehrlich, 
und  dürften  Randnote  zu  einem  unklar  geschriebeneu  declarant  gewesen 
sein.  Nach  munitissimum  ist  ein  Punkt  zu  setzen.  —  Beachtenswerter 
dürfte  sein  III  5,  3  lahor  eo,  cum  id,  qiiod  non  postulo,  expeciem. 
m  2,  2  fin.  wird  mit  Recht  ßin  et  wieder  beseitigt,  welches  die  Heraus- 
geber vor  non  nihil  per  me  confici  posse  einzufügen  für  nötig  gehalten 
haben.  —  Ansprechend  auch  I  1,  11  Atque  incertos  eos,  quos  für  das 
überlieferte  inter  eos  (Madvig  las:  interest  hoc:  eos,  sq.;  C.  Lehmann: 
internosce  eos,  sq.)  —  III  8,  1  hatte  Rauschen  (Ephem.  TuU.  1886. 
S.  60  Anm.  103)  quae  (edd.:  qui)  adhuc  non  venerat  vorgeschlagen. 
Ziehen  hält  qui,  liest  aber  vorher  statt  Lahie^io:  Labeoni,  was  die 
Stelle  gut  aufklärt. 

Ich  zweifle  nicht,  daß  ich  manches,  was  Beachtung  verdient 
hätte,  übersehen  habe:  das  Gebiet,  das  ich  zu  besprechen  hatte,  war 
zu  groß.  Wenn  mir  die  Herren  Autoren  übersehene  Arbeiten  anzeigen 
oder  zustellen  wollten,  würde  ich,  falls  es  sich  verlohnt,  einen  Nach- 
trag liefern. 

Druckfehler: 

Seite     5  letzte  Zeile  lies :  Ehrenbezeugungen. 

Seite    0  Zeile  11:  quadam. 

Seite    9  Mitte:  bestärkte  mich. 

Seite  10  Zeile  4:  nachzutragen. 

Seite  12  Mitte:  Bereicherung. 

Seite  1.3  Mitte:  iugulo  und  pluris  est. 


^/ 


Übersicht  über  die  Liviuslitteratur  der 
Jahre  1889  —  1896. 

Von 
Dr.  Franz  Fügner 

in  Hannover. 

Vorbemerkung-. 

Die  folgende  Übersicht  schließt  sich  an  den  Bericht  an,  den 
W.  Heraeus  im  LXXX.  Bande  (1894.  IL)  S.  119  ff.  dieser  Jahres- 
berichte geliefert  hat.  Auch  dem  dort  angedeuteten  Arbeitsplan  stimme 
ich  bei,  sowohl  was  die  Notwendigkeit  der  Kürze  und  Auswahl  aus  der 
umfangreichen  Litteratur,  als  was  die  Entbehrlichkeit  manches  Details 
betrifft;  in  letzterer  Hinsicht  stehen  ja  dem  Fachmanne  die  trefflichen 
Jahresberichte  unseres  erfahrensten  Livianers,  H.  J.  Müllers,  auch  heute 
noch  zur  Verfügung  und  werden  es  hoffentlich  noch  lange  thun.  Bei 
ihm,  in  den  ,, Jahresberichten  des  philologischen  Vereins  zu  Berlin",  in 
diesem  wertvollen  Anhange  der  Zeitschrift  für  das  Gymnasialwesen, 
wird  der  Suchende  finden,  was  er  in  uuserm  Überblick  etwa  vermißt. 
Namentlich  darf  man  hier  kein  Verzeichnis  aller  mehr  oder  minder 
wertvollen  Vermutungen  über  den  Text  und  die  Quellen  voraussetzen. 
Werden  doch  gar  häufig  solche  Ansichten  veröffentlicht,  die  auf  den 
Wert  eines  neuen  Fundes  keinerlei  Ansprüche  erheben  dürfen,  nicht 
selten  auch  unter  geflissentlicher  Nichtachtung  früherer  Bemühungen 
oder  ohne  jegliche  Begründung.  Von  den  8  Jahren,  die  hier  in  Betracht 
kommen,  gilt  das  gerade  nicht,  was  Heraeus  von  seinem  Zeitabschnitte 
rühmen  durfte;  denn  die  zu  schildernde  Litteratur  weist  wenig  Be- 
deutendes auf.     Immerhin  enthält  sie  manches  Beachtenswerte. 

I.    Über  den  Autor  und  zur   Textgpschichte. 

1.  Über  die  Benutzung  und  Erwähnung  des  Livianischen 
Geschichtswerkes  bei  mittelalterlichen  Autoren  handelt 
M.  Manitius  (Philologus  XLVIII  p.  570—572).  Trotz  emsiger  Samm- 
lung hat  sich  nur  wenig  gefunden.     L.  wird  selten  citiert,    Hss  seines 


62        Übersicht  über  die  Liviuslitteratur  der  Jahre  1889—1896.    (Fügner.) 

"Werkes  werden  iu  Bibliothekskatalogen  selten  erwähnt.  Einhard  habe 
es  benutzt,  Flodoardus  (historia  Remensis  eccl.  II)  citiert  I  6,  3—7,  2 
wörtlich  mit  einigen  Abweichungen  von  der  tJberlieferung.  Keine  Ab- 
weichung aber  ist  derart,  daß  sie  diese  erschüttern  könnte.  Lambert 
habe  L.  auch  oft  erwähnt,  und  Jonas  (vita  S.  Colurabani  2)  sage:  ut 
Livius  ait  nullum  esse  tam  sanctum  in  religione  tamque  custodia  clausum, 
quem  penetrare  libido  nequeat.  Das  Fragment  (bei  Madvig  65,  bei 
Weißenborn-H.  Müller  76)  wird  anscheinend  korrekter  (nihil  tam  sanc- 
tum religione  .  .  quo)  in  den  Sammlungen  geführt.  —  Fortsetzungen 
solcher  Untersuchungen  sind  erwünscht,  wenn  sie  auch  nur  geschicht- 
lichen Wert  haben  sollten. 

2.  Über  Bildnisse  des  Geschichtschreibers  Livius  hat 
R.  Becker  auf  der  Philologenversammlung  zu  Görlitz  einen  Vortrag 
gehalten  (als  Separatabdruck  bei  B.  G.  Teubner  in  Leipzig  erschienen, 
1890,  19  S ).  In  höherem  Grade  als  alle  anderen  Liviusbilduisse  auf 
Gemmen,  Mosaiken  und  in  Handschriften  könne  die  Marmorbüste  auf 
den  Namen  des  Geschichtschreibers  Anspruch  erheben,  die  sich  auf  dem 
Padnaner  Liviusdenkmal  befinde.  Noch  eher  aber  vielleicht  ein  Bronze- 
kopf in  der  Stadtbibliothek  zu  Breslau,  der  im  16.  Jahrh.  in  Italien 
gekauft  sei.  B.  giebt  eine  Beschreibung  dieses  Kopfes,  nach  der  sich 
die  Form  und  Züge  nicht  eben  weit  von  dem  typischen  Römerkopf  ent- 
fernen können,  wie  ihn  uns  z.  B.  die  Neapler  Cäsarbüste  zeigt.  Soviel 
scheint  übrigens  ausgemacht,  daß  ein  gut  beglaubigtes  Porträt  des  L. 
sich  in  keiner  Form  und  keinem  Stoff  erhalten  hat. 

3.  Emile  Chatelain,  Paleographie  des  classiques  latins. 
CoUection  de  fac-simil6s.  9.  livraison:  Tite-Live.  Pai'is  1895,  Hachette 
et  Cie.  15  Tafeln  und  8  S.  Text  in  groß-Folio.  8  M.  (Subskriptions- 
preis 5  M.) 

Chatelains  schönes  Werk  neigt  sich  endlich  zum  Abschluß.  Die 
9.  Lieferung  enthält  Faksimiles  der  wichtigsten  Liviushandschriften. 
Sie  ist  für  den  Liviusforscher  wegen  ihrer  Reichhaltigkeit  und  der  vor- 
züglichen Ausführung  von  nicht  geringem  Werte;  denn  seit  Mommsens 
und  Studemunds  Analecta  Liviana  ist  nichts  dem  Ähnliches  veröffentlicht, 
und  hier  haben  wir  weit  mehr  als  in  den  Analekten.  Die  15  Tafeln 
enthalten  Proben  von  10  Hss  zur  1.  Dekade,  von  3  der  3.  und  von 
Bamb.  und  Vindob.  Der  beigegebene  Text  bringt  Notizen  über  Älter, 
Wert  und  Beschafrenheit  der  einzelnen  Hss.  Ch.  weist  den  Veron., 
Put.  nnd  Vindob.  ins  5.  Jahrb.,  alle  übrigen  ins  9. — 11.  Von  diesen  An- 
sätzen ist  der  für  den  Put.  am  wichtigsten,  denn  man  hat  diesen  bisher 
für  jünser  gehalten.  Im  9.  Jahrh.  sind  nach  Ch.  der  Paris,  und  Thuan. 
(über  diesen  s.  den  folgenden  Absatz)  der  1.  Dekade  und  ein  Vatic.  der 


Übersicht  über  die  Liviuslitteratur  der  Jahre  1889—1890.    (Fügner.)       03 

3.  (Vatic.  Regln.  762,  ein  schönes  Muster  der  Schreibschule  von  Tours, 
aber  kritisch  als  'certaine  copie  de  P'  ohne  Wert)  geschrieben.  S.  übrigens 
über  diese  Hs  auch  Ch.  in  Revue  de  philol.  1890,  S.  79  ff.  und  L.  Traube 
in  den  Sitzungsber.  der  Münchener  Akademie  1891,  .387  ff,  der  die 
Handschrift  zwischen  804  und  834  geschrieben  sein  läßt. 

4.  Als  19.  Heft  der  Bibliothek  der  Schule  des  hautes  Etudes  in 
Paris  ist  eine  Beschreibung  und  Kollation  des  Thuaneus  aus 
der  Feder  von  J.  Dianu  eischienen  (Paris  1895,  Emile  Bouillon).  Die 
Hs  No.  5726  der  Nationalbibliothek  in  Paris  war  bisher  unr  wenig 
beachtet.  A.  Frigell  hat  sie  bei  seinem  Aufenthalte  in  Paris  verglichen, 
doch  sind  seine  Bemühungen  nicht  zugänglich  geworden.  Darum  ver- 
dient die  Arbeit  des  jungen  Franzosen  unsere  Beachtung,  zumal  sie 
sorgfältig  und  umsichtig  ausi,'efüh)t  zu  sein  scheint  und  die  Hs  in  Wahr- 
heit die  bisherige  Geringschätzung  nicht  verdient.  Der  Th(uaneus)  ent- 
hält Buch  VI — X  46,  6,  also  die  2.  Halbdekade  bis  auf  einen  winzigen 
Rest.  Nach  E.  Chatelain  (vgl.  oben  No.  3)  ist  er  im  10.  Jahrh.  ge- 
schrieben, aber  von  einer  späteren  Hand  (des  13.  Jahrb.?)  stark  durch- 
korrigiert oder  vielmehr  verballhornt.  Am  nächsten  steht  Th.  dem 
M(ediceus)  und  dem  H(arleianus)  prior  und  L(eidensis)  I,  so  zwar,  daß 
er  nach  Diana  von  einem  nahen  Verwandten  des  M  abstammt,  H  und 
L  aber  von  einem  seiner  Brüder  abgeschrieben  sind.  Etwas  weiter 
entfernt  er  sich  vom  Parisinus  und  dessen  Sippe.  Da  die  Hs  auch 
sonst  die  Schwächen  und  Irrtümer  aller  Nikomachiani  zeigt,  darf  sie 
allerdings  auf  kritische  Bedeutung  nur  geringen  Anspruch  machen:  aber 
aus  den  genauen  Darlegungen  Dianus  erhellt  doch  soviel,  daß  sie  Be- 
rücksichtigung in  dem  kritischen  Apparat  beanspruchen  darf.  Schade 
ist  es,  daß  der  Veronensis  nur  noch  den  Anfang  des  6.  Buches  enthält, 
sonst  hätte  Th.  vielleicht  zur  Feststellung  des  Verhältnisses  zwischen 
jenem  und  den  Nikomachiani  von  einigem  Belang  wei"den  können. 
Dianus  Arbeit  ist  jedenfalls  verdienstlich  und  beweist  den  guten  Geist, 
der  an  der  Pariser  Hochschule  gegenwärtig  herrscht. 

5.  Leop.  Winkler,  Die  Dittographieen  in  den  Nikomachiani- 
schen  Codices  des  Livius.  Teil  I.  Wien  1890,  im  Selbstverlage  des 
Verf.     (Progr.  des  Leopoldstädter  Gymn.)    Teil  II.     Wien  1892. 

Die  Dittographieen,  d.  h.  hier  Doppellesarten,  in  den  Hss  der 
Nikomachischen  Rezension  der  1.  Dekade  einmal  zusammenzustellen, 
war  zweckmäßig.  Wenn  nun  der  fleißige  Verf.  durch  seine  Bemühungen 
weder  die  Kenntnis  der  Übeilieferung,  noch  die  Kritik  des  Textes 
wesentlich  gefördert  hat,  so  liegt  die  Schuld  daran  nicht  sowohl  in 
einem  Mangel  an  Vorkenntnissen  und  Umsicht,  sondern  in  den  Ver- 
diensten   seiner    Vorgänger.      Die   Klassifizierung    der    Hss    ist    nach 


64       Übersicht  über  die  Liviuslitteratur  der  Jahre  1SS9— 1896.   (Fügner.) 

Wiukleis  ITutersuchuugen  dieselbe  geblieben;  mau  hat  die  Nikomachiani 
in  die  3  Gruppen  zu  sondern  M  Vorm,  PFU,  RDLH,  von  minder- 
wertigen Codices  abgesehen.  Ebenso  hat  die  Textgcstaltung  durch  diese 
Schriften  nicht  besonders  gewonnen.  Wo  W.  in  der  Wahl  zwischen 
den  Doppellesarten  von  Madvig  und  Weißenborn-Müller,  um  die  Häupter 
der  neueren  Tradition  zu  nennen,  abweichen  zu  müssen  glaubt,  findet 
er  schwerlich  viel  Beifall.  Es  scheint  vielmehr,  als  reiche  seine  Kenntnis 
vom  Livianischen  Sprachgebrauche  nicht  immer  aus,  um  ihn  vor  irrtüm- 
licher Entscheidung  zu  schützen.  Die  Stoffsammlung  indessen,  die  hier 
geboten  wird,  behält  für  den  Liviuskritiker  ihren  Wert. 


IL    Ausgaben. 

a.  Textansgaben. 

6.  T.  Livi  ab  urbe  condita  libri.  Apparatu  critico  adiecto  edidit 
Augustus  Luchs.  Vol.  IV  libros  XXVI— XXX  continens.  Berolini 
apud  Weidmaunos  1889.     3  M. 

Das  Buch  verdient  an  der  Spitze  der  Ausgaben  unseres  Zeit- 
abschnittes zu  stehen,  und  es  ist  sehr  zu  beklagen,  daß  wir  noch  heute 
(1898)  auf  die  Fortsetzung  warten  müssen.  Was  den  Fortgang  des 
Unternehmens  hemmt,  ist  unbekannt.  Nachdem  der  kundige  Herausgeber 
schon  vor  mehreren  Jahren  in  unten  angezeigten  Einzelschriften  Proben 
seiner  Bemühungen  um  die  Textrevision  der  4.  Dekade  gegeben  hat, 
schien  die  Hoffnung  berechtigt,  daß  er  uns  in  Kürze  diese  vorlegen 
würde,  aber  sie  hat  sich,  wie  gesagt,  leider  bis  heute  nicht  erfüllt. 

Natürlich  erhebt  sich  dieses  4.  Bach  der  Luchsschen  Ausgabe 
auf  dem  stattlichen  Fundament,  das  der  Gelehrte  in  der  größeren  kri- 
tischen Ausgabe  (Berlin  1879)  derselben  Bücher  gelegt  hatte.  Den 
kritischen  Apparat  giebt  er  kürzer  und  übersichtlicher,  indem  er  die 
Stufen  der  Spirensis-Überlieferung  mit  2^—2^  bezeichnet,  ohne  die  ein- 
zelnen Hss  namhaft  zu  machen;  andererseits  ist  er  wieder  durch  An- 
führungen von  Konjekturen  bereichert,  worin  L.  wohl  noch  etwas  weiter 
hätte  gehen  können.  In  der  Würdigung  der  Spirensis-Klasse  ist  L.  vor- 
sichtiger geworden,  und  er  folgt  jetzt  P  öfter,  als  er  es  1879  gethan 
hat.  Die  Ausgabe  ist  die  wertvollste  Handhabe  für  den,  welcher  sich 
mit  der  4.  Halbdekade  eingehender  beschäftigen  will;  sie  empfiehlt  sich 
aber  auch  durch  die  praktische  Anordnung  der  Fußnoten,  durch  kor- 
rekten Druck  und  handliches  Äußere.  Zu  den  einzelnen  Textänderungen 
und  nicht  aufgenommenen  Vermutungen  Luchsens  kann  in  diesem  Jahres- 
bericht nicht  Stellung  genommen  werden.  Hier  genüge  es,  darauf  hin- 
zuweisen, daß  alle  vorgenommenen  Änderungen  oder  Vermutungen  von 


Übersicht  über  die  Liviuslitteratur  der  Jahre  1889 — 189ß.    (Fügner.)       G5 

der  Sprach-  und  Sachkenntnis  wie  von  der  Vorsicht  und  dem  Schal  fsiiin 
des  Verf.  ein  rühmliches  Zeugnis  ablegen.  Vgl.  zu  diesem  Buche  und 
den  folgenden  kritischen  Arbeiten  die  genaue  Berichterstattung  durch 
H.  J.  Müller  in  den  .Tahresb.  des  phil.  Vereins  in  Berlin,  und  zwar 
über  Luchs,  Jahrg.  XVI  S.  163  ff.;  s.  auch  den  Bericht  des  Ref.  in 
Neue  philol.  Rundschau  1891,  21  ff. 

7.  Titi  Livi  ab  urbe  condita  libri:  Editionem  primam  curavit 
Gull.  Weißenborn.  Editio  altera,  quam  curavit  Mauritius  Müller. 
Pars  IV.  Fase.  II.  Liber  XXXVI  -  XXXVIII.  Lipsiae  1890. 
Teubner.     60  Pf. 

8.  Dasselbe.  Pars  II.  Fase.  II.  Liber  XXI— XXIII.  Ebenda 
1894.     60   Pf. 

Die  Weißenbornsche  Textausgabe  des  L.  in  der  Bibliotheca 
Teubneriana  war  allmählich  stark  veraltet  und  bedurfte  einer  gründ- 
lichen Durchsicht.  Ihr  hat  sich  der  altbewährte,  vorsichtige  und  sach- 
kundige M.  Müller  mit  gutem  Erfolg  unterzogen.  Die  Bücher  36 — 38 
und  21 — 23  liegen  nun  durch  dessen  Bemühungen  in  zeitgemäßer  Text- 
form und  Ausstattung  vor.  Die  neueren  Arbeiten  sind  mit  löblicher 
Gewissenhaftigkeit  berücksichtigt,  aber  auch  der  Herausg.  hat  wiederum 
Proben  seines  divinatorischen  Geschicks  und  wohlthuender  Besonnenheit 
geliefert,  für  die  wir  ihm  dankbar  sind.  Namentlich  hat  er  sich  um 
Aufdeckung  und  ansprechende  Füllung  von  Lücken  im  überlieferten 
Text  verdient  gemacht.  Neue  Kollationen  von  Hss  sind  nicht  verwertet, 
so  daß  besonders  in  den  schwierigen  Büchern  36 — 38  noch  manches  in 
Zukunft  zu  thun  bleibt  (s.  dazu  unten  unter  No.  9).  Denn  hier  ist  das 
Verhältnis  zwischen  Barabergensis  und  Moguntinus  mit  ihren  Sippen 
noch  nicht  durchweg  geklärt,  so  daß  die  Wahl  zwischen  ihren  abweichen- 
den Lesarten  oft  genug  mißlich  bleibt.  Müller  geht  in  dieser  Partie 
von  Madvig  (1865)  aus  und  unterscheidet  sich  von  dem  Texte  des 
großen  Dänen  namentlich  durch  größere  Vorliebe  für  B.  Mit  Recht; 
denn  Madvig  hat  in  der  That  etwas  im  Banne  des  Moguntinus  (rectius 
der  ed.  Moguntina  1518)  gestanden.  Es  ist  andererseits  geradezu  selbst- 
verständlich, daß  für  21—23  Luchs'  Ausgabe  zu  Grunde  gelegt  ist. 
Hier  bewegen  wir  uns  jetzt  auf  dem  solidesten  Boden,  und  zwar  in 
dem  Grade,  daß  die  kritische  Behandlung  der  übrigen  Teile  des  Ge- 
schichtswerkes von  diesen  Büchern  ausgehen  muß,  wie  denn  auch  die 
Feststellung  der  Livianischen  Schreibweise  von  der  sicheren  und  breiten 
Grundlage  des  Puteaneus  aus  zu  erfolgen  hat.  Es  ist  übrigens  eine 
Schwäche  in  der  Anlage  dieser  Ausgabe,  daß  sie  keinen  selbständigen 
Apparatus  criticus  enthält;  denn  nun  bedarf  man  neben  ihr  immer  noch 
einer  anderen  kritischen  Ausgabe,  um  sich  über  die  Entstehung  des 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.  Bd.  LXXXXVII.    (1898.  n.)     5 


66       Übersicht  über  die  Liviuslitteratur  der  Jahre  1889— 1S9G.    ^Fügner.) 

vorliegenden  Textes  zu  vergewissern.  Auch  der  Platz,  den  die  kriti- 
schen Noten  haben,  indem  sie  vor  dem  Texte  stehen,  ist  übel  gewählt. 
Wie  viel  besser  sind  wir  bei  Luchs  und  Zingerle  in  dieser  Hinsicht 
beraten! 

9.  T.  Livi  ab  urbe  condita  libri:  Edidit  Antonius  Zingerle. 
Pars  V.  Liber  XXXI— XXXV.  Vindobonae  et  Pragae,  F.  Tempsky; 
Lipsiae  1890,  G.  Freytag. 

10.  Dasselbe.     Pars  II.     Liber  VI— X.     Ebenda  1890. 

11.  Dasselbe.  Pars  VI.  Fase.  I.  Liber  XXXVI  — XXXVIIL 
Ebenda  1893. 

12.  Dasselbe.  Pars  VI.  Fase.  IL  Liber  XXXIX,  XL.  Ebenda  1894. 
Jedes  Bändchen   dieser  Ausgabe    kostet  1  M.  20  Pf.,    als    editio 

minor  ohne  kritische  Noten  1  M.  Die  Annehmlichkeiten  dieser  Ver- 
anstaltung sind  nicht  gering.  Schon  daß  man  wenigstens  den  nötigsten 
Apparat  in  Fußnoten  leicht  übersehen  kann,  ist  für  häufigen  Gebrauch 
gar  nicht  zu  unterschätzen.  Dazu  kommen  guter  Druck,  handliche 
Form  und  mäßiger  Preis.  Auch  die  Wahl  des  Herausgebers  war  glück- 
lich. Zingerle  hat  nicht  nur  eine  gewisse  Zahl  von  Verbesserungen  am 
Texte  vorgenommen  und  noch  mehr  beachtenswerte  Veränderungen  vor- 
geschlagen —  hierbei  klebt  er  leicht  am  Buchstaben  und  steht  an 
Sicherheit  des  divinatorischen  Geschickes  hinter  Männern  wie  Luchs 
zurück  — ,  sondern  er  hat  den  kritischen  Apparat  zum  Liv.  gesäubert 
und  bereichert,  indem  er  manche  Vermutung  Neuerer  aus  älteren  Aus- 
gaben bestätigte  und  durch  deren  sorgfältige  Durchmusterung  manche 
Stütze  zu  weiterer  fruchtbarer  Behandlung  schwieriger  Stellen  herbei- 
geschafft hat. 

In  der  zweiten  Hälfte  der  1.  Dekade  hatte  Z.  keine  Gelegenheit, 
neue  handschriftliche  Funde  auszunutzen.  Ich  finde  wenigstens  nicht, 
daß  der  C(arinthius),  den  er  bei  Buch  1  —5  öfter  citiert  hat,  ihm  auch 
für  diese  Bücher  Nutzen  gebracht  hätte,  Z.  sagt  nichts  über  dessen 
Umfang;  vielleicht  enthält  er  nur  die  erste  Halbdekade.  Auch  für  die 
Klassifizierung  der  Hss  hat  Z.  nichts  Neues  thuu  können.  In  der 
4.  Dekade  nimmt  er  ungefähr  denselben  Standpunkt  wie  M.  Müller  ein 
(s.  oben  zu  7.  8):  non  infitior  me  ad  codicem  Bambergensem  magis 
ferme  inclinasse,  nämlich  als  Madvig.  Daneben  giebt  er  Aufschluß 
(p.  VI  Fußnote  in  No.  9)  über  einen  L(iegnitzianus)  und  seinen  faden- 
scheinigen Wert,  über  den  schon  Peiper  und  Kraffert  (in  Fieckeisens 
Jahrb.  1871,  S.  69  und  211)  gehandelt  und  den  nun  0.  Güthling  für 
Z.  von  neuem  eingesehen  hatte.  Die  Hs  ist  vermutlich  unter  den 
jüngeren  namentlich  dem  cod.  Gaertnerianus  nahe  verwandt.  Auch  für 
die  2.  Hälfte    der  4.  Dekade   ist  B.    in  den  .Augen  Z.s    die  feste  und 


Übersicht  über  die  Liviuslitteratur  der  Jahre  1889—1896.   (Fügner.)       67 

einzig  sichere  Grundlage;  jedoch  nimmt  er  hier  öfter  als  früher  auch 
auf  jüngere  Hss  Rücksicht,  und  unter  diesen  wiederum  in  erster  Linie 
auf  Lovel.  2  und  dessen  Übereinstimmung  mit  dem  Harleianus  und 
Meadensis  1.  Er  glaubt  nämlich,  daß  diese  Gruppe  bisweilen  die  Les- 
arten des  verlorenen  Spirensis  darbiete.  Die  jüngeren  Hss  werden 
natürlich  von  XXXVIII  4G,  4  ab,  wo  B  abbricht,  zur  einzigen  Quelle 
der  Überlieferung.  Für  ihre  Sichtung  und  Verwertung  ist  noch  manches 
zu  thun;  nur  von  jemandem,  der  den  Liviaaischen  Sprachschatz  und  Stil 
gründlich  kennt,  kann  diese  wichtige  Arbeit  durchgeführt  werden,  und 
dieser  wird  Z.s  Bemühungen,  in  den  Drakenborchschen  Wust  Ordnung 
zu  bringen,  mit  Dank  benutzen. 

Seinen  Standpunkt  zu  diesen  Fragen  und  die  Begründung  seiner 
Konjekturen  hat  übrigens  Z.  in  den  Verhandlungen  der  Wiener  Akademie 
1892  und  1894  (Zur  vierten  Dekade  des  Livius  I  bezw.  II)  veröffentlicht, 
zu  den  Büchern  VI — X  in  der  Zeitschrift  für  Osterreichische  Gj^mnasien 
(XL.  Band,  S.  739  f.,  983—988). 

13.  Titi  Livi  ab  urbe  condita  libri  I  et  II.    Scholarum  in  usum 
rec.  Hubertus  Novdk.    Pragae  1890,  J.  Otto. 

14.  Dasselbe.     Libri  XXI  et  XXII.     Ebenda  1891. 

Wenn  N.  auch  diese  Ausgaben  für  den  Gebrauch  in  Schulen  be- 
stimmt hat,  so  gehören  sie  doch  in  diese  Abteilung;  denn  sie  enthalten 
nichts  als  den  Text  und  eine  angehängte  Annotatio  critica.  Der  Text 
ist  nun  freilich  an  vielen  Stelleu  von  dem  landläufigen  abweichend,  aber 
der  Zweck  der  Bücher  ist  daran  nur  insoweit  schuld,  als  bei  streitigen 
Lesarten  X.  die  einfachere  gewählt  und  Klammern  wie  ähnliche  kritische 
Zeichen  weggelassen  hat.  Davon  abgesehen  hat  N.s  Eigenart  als  Kritiker 
die  große  Zahl  der  Abweichungen  veranlaßt.  N.  ist  nämlich  unter  allen 
lebenden  Kritikern  des  Livius  der  radikalste.  Auf  den  ersten  Blick 
macht  sein  Verfahren  einen  tumultuarischen  Eindruck;  denn  er  ist  über- 
aus rasch  bei  der  Hand,  zu  streichen,  zu  ändern  und  zu  ergänzen. 
Wenn  N.  deshalb  auch  schon  manchen  Widerspruch  erfahren  hat  und 
fernerhin  erfahren  wird,  nicht  bloß  von  konservativen  Leuten,  sondern 
auch  von  solchen,  die  von  der  Trefflichkeit  der  Beschaffenheit  des  Li- 
vianischen  Textes  durchaus  nicht  überzeugt  sind, .  so  ist  ihm  doch  der 
Vorwurf,  grundlos  und  willkürlich  an  dem  Receptus  geändert  zu  haben, 
nicht  ohne  weiteres  zu  machen.  Im  Gegenteile  zeigt  sich  bei  ge- 
nauerer Prüfung  seines  Verfalirens,  daß  es  durch  seltenen  Fleiß  und 
gründliche  Sprachkenntnisse  gelenkt  wird.  Deshalb  müssen  die  Vor- 
schläge X.s  von  jedem  Livianer  und  Forscher  auf  dem  Gebiete  der 
lateinischen  Sprachkunde  sorgfältig  geprüft  werden.  Muß  man  sie  auch 
oft  ablehnen,  weil  man  sich  von  den  Mängeln  der  Überlieferung  weniger 

5* 


68        Übersicht  über  die  Liviuslitteratur  der  Jahre  ISSf»— 189fi.  (Fügner.) 

überzeugt  hält,  so  regen  sie  doch  stets  zum  Nachdenken  an  und  fördern 
unsere  Kenntnisse.  Unsere  Achtunc;  gewinnt  noch,  wenn  wir  sehen,  wie 
er  auch  den  Text  Cäsars,  Tacitus',  Sallusts  und  einiger  Cicerouischeu 
Schriften  scharf  durchmustert  hat.  Auf  die  Aufzählung  seiner  überaus 
zahlreichen  Konjekturen,  die  nicht  nur  in  den  Anhängen  dieser  Aus- 
gaben, sondern  in  wiederholten  Artikeln  der  tschechisch  geschriebenen 
Listy  und  der  Zeitschrift  für  Österreichische  Gymnasien,  zuletzt  noch 
in  einer  starken  Sondersehrift  niedergelegt  hat  (s.  unten  S.  70),  muß 
hier  verzichtet  werden,  desgleichen  auf  die  kritische  Beleuchtung  ein- 
zelner Vorschläge,  so  anziehend  die  Aufgabe  auch  an  sich  ist. 


b.  Erklärende  Ausgaben. 

15.  Von  der  tüchtigsten  Liviusausgabe,  die  überhaupt  existiert,  und 
von  der  einzigen,  die  das  ganze  Werk  deutsch  kommentiert,  von  der 
AVeißenbornschen,  die  von  H.  J.  Müller  mit  seltener  Ausdauer 
und  Liebe  jung  erhalten  wird,  sind  seit  1889  folgende  Hefte  neu  auf- 
gelegt worden:  I,  2«;  II,  2«;  III,  2^;  IV,  2^;  V,  l^  das  sind  die  Bücher 
II,  IV- V,  IX— X,  XXII,  XXIV— XXV.  Es  war  in  den  Teilen,  die 
seit  Weißenborns  Tode  (1878)  keine  neue  Bearbeitung  nötig  gehabt 
hatten,  für  M.  ein  schweres  Stück  Arbeit,  sie  dem  gegenwärtigen  Stande 
der  Liviusforschung  anzupassen.  So  war  es  bei  den  Bb.  IX  und  X, 
die  nun  ein  stark  verändertes  Gesicht  zeigen.  Aber  auch  in  den  anderen 
Heften  hat  M.  mit  veralteten  Lesarten  und  Auffassungen  tüchtig  auf- 
räumen müssen,  da  seit  der  letzten  Auflage  meistens  nicht  unter  10  Jahre 
veistrichen  waren.  Und  diese  Jahre  sind  für  die  Liviuskritik  wahrlich 
nicht  vergeblich  gewesen,  wenn  sie  auch  den  einzelnen  Partien  des 
Gesamtwerkes  verschieden  viel  gebracht  haben.  Niemand  hat  aber 
dazu  mehr  beigetragen  als  M,  selbst,  wie  seine  Jahresberichte  darthun 
und  jedes  Heft,  das  er  neu  bearbeitet  hat.  Ein  Muster  von  Übersichtlich- 
keit und  Zuverlässigkeit  sind  die  kritischen  Anhänge,  in  denen  jedes 
Schwanken  und  jede  Abweichung  von  der  handschriftlichen  Grundlage 
angeführt  und  häufig  kurz  motiviert  wird;  nicht  selten  geht  M.  noch 
darüber  hinaus,  indem  er  Konjekturen  und  Bedenken  mitteilt,  die  er 
hegt  oder  ein  anderer  ausgesprochen  hat.  Aus  diesen  wertvollen  An- 
hängen kann  sich  jeder  ßats  erholen,  der  sich  mit  L.  wissenschaftlich 
beschäftigen  will;  denn  auch  über  die  herrschende  Beurteilung  der  Hss 
findet  man  dort  Aufschluß.  Überall  sehen  wir  den  Verf.  mit  Erfolg  be- 
müht, nicht  nur  die  Ergebnisse  der  neuesten  Forschungen  seiner 
Ausgabe  —  Weißenborns  Name  ist  fast  nur  noch  ehrenhalber  zu  er- 
wähnen —  zu  gute  kommen  zu  lassen,  sondern  auch  diese  Forschung  zu 
lenken  und  zu    bereichern      Dasselbe    gilt    von    den  Erklärungen.     Sie 


übereicht  über  die  Liviuslitteratur  der  Jahre  ISN'J— 189G.    (Fügner.)       69 

atmen  durchaus  wissenschaftlichen  Geist.  Das  ist  selbstlos  e:ehandelt, 
sichert  aber  dem  Werke  auch  dauernden  Wert.  Selbstlos  insofern,  als 
neue  Auflagen  jetzt  viel  seltener  nütig  werden  als  früher,  wo  die 
Schüler  die  Ausgabe  benutzten;  dafür  kann  sie  sich  aber  auch  über 
das  Tagesbedürfnis  und  die  bunten  Wünsche  der  Pädagogen  hinweg- 
setzen und  ihren  Zielen  getreu  bleiben.  Die  Erklärungen  haben  unter 
MüUei'S  Hand  an  Genauigkeit,  Klarheit  und  Zuverlässigkeit  in  den 
Citaten  gewaltig  gewonnen. 

Für  die  bessere  Begiündung  des  Textes  hat  M.  im  2.  Buch 
Mitteilungen  A.  Frigells  in  Upsala  und  0.  Riemanns  in  Paris  benutzt, 
vor  allem  aber  Aischefskis  Kollationen,  die  in  seinem  Besitze  sind; 
im  4.  und  5.  ist  besonders  der  V(eroneser)  Palimpsest  öfter  herange- 
zogen als  es  Weißonborn  gethan  hatte,  wenn  auch  M.  Bedenken  ge- 
tragen hat.  dieser  Hs  dann  zu  folgen,  wenn  der  consensus  der  Xico- 
machiani  dagegen  steht;  er  gesteht  aber  selbst,  daß  die  Verwertung 
des  V  für  den  Text  noch  weiterer  Untersuchung  bedürfe.  Es  standen 
ihm  ferner  für  diesen  Teil  außer  Mitteilungen  von  Frigell  (dessen  ver- 
öffentlichte collatio  nur  die  drei  ersten  Bücher  umfaßt)  und  den  Kolla- 
tionen Aischefskis  auch  die  verdienstliche  Vergleichung  des  IJ(psalieusis) 
durch  F.  W.  Häggström  (Upsala  1874)  zu  Gebote.  Die  Lesarten 
dieses  U  sind  auch  im  Anhange  zu  Buch  9  und  10  verzeichnet,  in 
denen  sonst  Madvigs  Emendatioues  Livianae  den  Verf.  am  meisten 
gefördert  haben,  wenn  auch  mehr  mittelbar,  als  daß  er  den  Positionen 
Madvigs  durchweg  gefolgt  wäre.  Im  22.  Buche  hat  M.  den  Anschluß 
an  Madvig  und  Luchs  hergestellt ,  so  daß  bei  der  genauen  Kenntnis 
der  wichtigsten  Hs  P  in  der  ersten  Hälfte  der  3.  Dekade  ein  gewisser 
consensus  criticorum  erreicht  ist.  Demnach  gilt  das  eben  Gesagte  auch 
für  die  neue  Bearbeitung  der  B.  24  und  25.  Es  ist  zu  wünschen,  daß 
dem  Herausg.  bald  Gelegenheit  geboten  werde,  auch  die  Teile  der 
4.  und  5.  Dekade  neu  zu  bearbeiten ,  die  noch  nicht  durch  seine  Hand 
gegangen  sind.     Es  thut  diesen  recht  sehr  not. 

16.  Titi  Livi  ab  urbe  condita  über  VII.  Für  den  Schulge- 
brauch erklärt  von  Franz  Luterbacher.  Leipzig  1880,  Teubuer. 
Desgleichen  über  VIII,  1890;  IX,  1891;  X,  1892;  XXX,  1892; 
XXIX,  1893.     Geh.  je  1  M.  20  Pf. 

Mit  diesen  7  Büchern  ist  die  bei  Teubuer  erschienene  kommen- 
tierte Ausgabe  der  1.  und  3.  Dekade  abgeschlossen.  Auch  die  folgenden 
Bücher  herauszugeben,  scheint  nicht  in  der  Absicht  des  Verlegers  zu  liegen. 
Schon  daraus  erhellt,  daß  diese  Ausgabe  den  Bedürfnissen  der  Latein- 
schulen zu  dienen  bestimmt  ist,  das  wissenschaftliche  Interesse  dagegen 
zurücktritt.     Man  kann  behaupten,  daß  mit  diesem  Maßstabe  gemessen 


70        Übersicht  über  die  Liviuslitteratur  der  Jahre  1889—1896.    (Fügnor.) 

die  Ausgabe  ihren  Zweck  gut  erfüllt,  vorausgesetzt,  daß  man  solche 
kommentierte  Ausgaben ,  die  die  Erklärungen  gleich  unter  dem  Texte 
bringen,  gern  in  den  Händen  der  Schüler  sieht.  Die  Anlage  der 
einzelnen  Hefte  ist  sonst  recht  zweckmäßig.  Die  Bücher  der  ersten 
Dekade  sind  durch  eine  Inhaltsangabe  eingeleitet,  die  anderen  durch  ein 
Vorwort  über  die  benutzten  Vorgänger.  Der  Text  ist  sorgfältig  und 
verständig  gegeben ,  aber  ohne  jede  typographische  Hülfe.  Er  schließt 
sich  den  besten  Vorbildern  an,  von  denen  er  sich  nur  an  verhältnis- 
mäßig wenigen  Stellen  entfernt.  Diese  Abweichungen  beruhen  meisten- 
teils auf  Vermutungen  Luterbachers,  denen  nicht  selten  bleibender 
Wert  zuzubilligen  ist;  denn  L.  ist  ein  besonnener  Kritiker  und  guter 
Kenner  des  Livius.  Daher  verdienen  seine  Arbeiten  auch  neben  denen 
von  H.  J.  Müller  Beachtung.  Dazu  tragen  auch  die  Erklärungen  bei, 
die  bisweilen  die  Müllers  ergänzen  und  auch  Neues,  Eigenartiges  bieten. 
Ihr  wissenschaftlicher  Wert  ist  naturgemäß  geringer,  sintemal  sie  eben 
den  Standpunkt  des  ersten  Lesenden  im  Auge  haben;  aber  trotzdem 
lernt  man  manches  aus  ihnen.  Sie  berücksichtigen  ebenso  die  sachliche 
wie  die  sprachliche  Seite  und  zeichnen  sich  im  allgemeinen  durch 
schöne  Knappheit  und  Klarheit  aus. 

17.  Die  derselben  Teubuerschen  Sammlung  angehörende  Bear- 
beitung der  Bücher  XXI  und  XXTT  von  E.  Wölfflin  sind  in  4.  bezw. 
3.  Aufl.  erschienen.  Jene  hat  F.  Luterbacher  selbst,  zu  dieser 
wenigstens  die  Korrekturen  besorgt.  Das  über  No.  16  Gesagte  gilt 
auch  von  diesen  Heften.  Die  wichtigste  Änderung  bestand  in  der  Ver- 
wertung der  Luchsschen  Ausgabe.  Demgemäß  ist  der  kritische  Anhang 
vereinfacht,  indem  er  nur  die  Abweichungen  von  dieser  bringt  und 
zwar  meist  mit  kurzer  Begründung.  Es  versteht  sich  fast  von  selbst, 
daß  auch  diese  Hefte  durchaus  auf  der  Höhe  der  wissenschaftlichen 
Forschung  stehen. 

18.  Unter  den  ausländischen  Ausgaben  verdient  an  dieser 
Stelle  Erwähnung: 

Titi  Livii  ab  urbe  condita  libri  XXIII,  XXIV,  XXV  par  0.  ßie- 
mann  et  E.  Benoist.  Paris  1883,  Hachette  et  Cie.  2  M.  25  Pf. 
—  Dasselbe  libri  XXVI — XXX  par  0.  Riemann  et  J.  Ho m olle. 
Ebenda  1889.     2.  Aufl.     2  M.  75  Pf. 

Es  sind  die  Fortsetzungen  der  Bücher  XXI  und  XX  IT,  die  W.  He- 
raens  a  0.  S.  145  kurz  angeführt  hat.  Auch  die  Bücher  XXIII -XXV 
sind  schon  vor  1889  erschienen,  und  sind  1891  nur  neu  aufgelegt,  aber 
ich  habe  sie  noch  einmal  angeführt,  weil  dies  früher  nur  ungenau  ge- 
schehen ist.  Auch  auf  den  reichen  Inhalt  ist  damals  schon  hingewiesen, 
aber  dem  Prinzipe  entgegengetreten,  nach  dem  diese  Ausgabe  gearbeitet 


Übersicht  über  die  Liviuslitteratur  der  Jahre  1889  —  1896.    (Fügner.)       71 

ist.  Ref.  bekennt  sich  gerade  zu  diesem  Grundsatze  und  hat  eben 
von  Riemanns  Ausgabe  den  Anstoß  erhalten  zu  seinem  Plane,  bei 
Teubner  Schülerausgaben  erscheinen  zu  lassen.  Fleiß  und  Sorgfalt 
herrschen  in  diesen  Büchern,  wie  denn  der  verstorbene  Othon  Riemana 
deutsche  Gründlichkeit  in  schöner  Weise  mit  französischer  Gewandtheit 
verbunden  hat.  Sein  vorzeitiger  Tod  war  für  die  Liviuswissenschaft 
ein  herber  Schlag.  Nach  einer  notice  sur  Tite-Live  folgt  der  Text 
mit  wenigen  Fußnoten,  unverkürzt  und  ohne  jedes  Beiwerk.  Ihm 
schließen  sich  an  eine  appendice  über  die  Handschriften,  notes  critiques 
mit  manchem  wertvollen  Beitrag  aus  dem  selbst  verglichenen  Puteaneus, 
ferner  eine  note  sur  Torthogiaphie,  dann  remarques  sur  la  laugue  de 
Tite-Live  mit  Benutzung  der  w^ohlbekannten  Etudes  sur  la  langue  et 
la  grammaire  de  Tite-Live  Riemanns;  demnächst  folgt  ein  dictionnaire 
des  noms  propres  historiques  et  geographiques ,  eine  sorgsame  aus- 
führliche Aibeit  mit  zalilreichen  Verweisungen.  J.  Homolle  hat  angefügt 
einen  commentaire  historique  über  das  öffentliche  Recht,  die  Staats- 
verwaltung und  Metrologie  der  Römer,  nach  Stichwörtern  lexikalisch 
geordnet,  wiederum  mit  zahlreichen  Belegen  aus  den  behandelten 
Büchern.  Beigegeben  sind  4  Kartenskizzen,  und  6  Pläne  sind  in  den 
Text  eingefügt.  An  Reichhaltigkeit  und  methodischer  Anlage  hat  diese 
Ausgabe  wohl  nicht  ihresgleichen;  aber  es  fragt  sich  doch,  ob  nicht 
eine  Sichtung  des  Stoffes  ihre  Brauchbarkeit  erhöht  haben  würde. 
Jedenfalls  verdient  sie  auch  in  Deutschland  volle  Beachtung. 

in.     Beiträge  zur  Kritik  und  Erklärung. 

Abgesehen  von  zerstreuten  Beiträgen  zu  einzelnen  Stellen,  die 
von  H.  J.  Müller  alljährlich  zusammengetragen  und  beleuchtet  sind  und 
deshalb  hier  übergangen  werden  können,  abgesehen  auch  von  den  Vor- 
schlägen, die  von  Herausgebern  der  unter  11.  besprochenen  Ausgaben  in 
Zeitschriften  näher  begründet  sind  (z.  B.  von  A.  Zingerle  in  der 
Zeitschr.  für  österr.  Gymn.  1889,  983  ff.  zu  Buch  VI— X  und  von 
J.  Miller  in  Pbilol.  1895,  1189  ff.  zu  XXIII),  mögen  folgende  text- 
kritische Arbeiten  erwähnt  werden: 

19.  J.  J.  Cornelissen,  Ad  Livii  decadem  primam.  Mnemos. 
XVII  (1889)  S.  175  ff.  Die  Abhandlung,  in  der  selbstgewissen  Art 
der  Cobetianer  geschrieben,  enthält  unter  viel  Spreu  auch  einiges  Wert- 
volle, das  freilich  nicht  durchweg  neu  ist.  Noch  nicht  einmal  den 
Sprachgebrauch  des  L.  hat  C.  genug  beachtet.  Gegen  sein  zu  voreiliges 
Verfahren  hat  sich  sogar  ein  Landsmann  von  ihm  erhoben:  J.  W.  Beck 
in  der  Zeitschrift  Coniunctis  viribus,  4.  Reihe  vom  1.  Nov.  1889, 
S.  41  ff.,  der  aber  ins  Gegenteil  verfällt,  indem  er  zuviel  von  der  Tra- 


72       Übersicht  über  die  Liviuslitteratur  der  Jahre  1889 — 189G.    (Fügner.) 

dition  hält.     In  der  Hauptsache  ist    sein  Einspruch    gegen  Cornelissen 
ja  wohl  begründet. 

20.  Noch  geringeren  Wert  haben  die  Anderungsvorschläge,  die 
J.  C.  G.  Boot  veröffentlicht  hat  (Suspiciones  Livianae.  Mnemos.  XVII 
S.  1  ff.):  sie  sind  teils  unnötig,  teils  geradezu  verfehlt.  Nur  zu  5,  41,  1 
hat  B.  den  guten  Vorschlag  gemacht,  die  Worte  Valerius  praetor 
quartum  creatus  als  Glossem  zu  streichen. 

21.  Vortrefflich  sind  zwei  Programme  von  W.  Heraeus,  Vindiciae 
Livianae  I.  Hanau  1889;  II.  Offenbach  a.  Main  1892.  Der  Standpunkt 
des  Verf.  läljt  sich  als  verständig  konservativ  bezeichnen.  An  einer 
Reihe  von  Stellen  nimmt  er,  meistens  mit  ernten  Gründen,  die  Über- 
lieferung in  Schutz;  nur  darin,  daß  er  glaubt,  den  Sprachgebrauch  des 
L.  durch  den  des  Tacitus  erläutern  zu  können,  dürfte  er  bisweilen  zu 
Weit  gehen.  Es  ist  doch  sehr  wohl  denkbar,  daß  Tac,  mag  er  auch 
in  größerem  Umfange,  als  man  meistens  angenommen  hat,  sicli  L.  zum 
Muster  genommen  haben,  doch  manches  weiter  gebildet  und  eist  sich 
gestattet  hat,  was  L.  noch  nicht  gewagt  haben  würde.  Wo  sonst  die 
Ausdrucksweise  klar  liegt,  ist  doch  der  Schluß  nicht  voreilig,  auffällige 
Abweichungen  auf  die  Mängel  der  handschriftlichen  Überlieferung  zu 
schieben.  Die  beiden  Abhandlungen  sind  nach  Form  und  Inhalt  gleich 
gediegen. 

22.  J.  Vahlen,  Iudex  lectionum.  Berlin,  Sommer-Semester  1890. 
Mit  bekannter  Meisterschaft  werden  eine  Anzahl  Stellen  namentlich 
der  5.  Dekade  gründlich  besprochen  unter  sorgfältiger  Berücksichtigung 
des  Livianischen  Sprachgebrauchs.  Manches  war  vom  Verf.  schon  in 
der  Zeitschr.  für  die  österr.  Gymn.  1861  behandelt.  Die  Erörterungen  sind 
nicht  allein  für  den  Livianer  lesenswert,  sondern  für  jeden,  der  sich 
für  die  Anwendung  einer  sauberen  kritischen  Methode  interessiert. 
Selbst  in  den  wenigen  Fällen,  wo  man  V.s  Schlüsse  nicht  gutheißen 
möchte,  ist  seine  Beweisführung  lehrreich,  zumal  sie  sich  auf  eine 
seltene  Kenntnis  des  Schriftstellers  und  weiterhin  auf  eine  Fülle  von  Be- 
legen stützt.  —  Von  demselben  Verf.  ist  eine  sehr  scharfsinnige  und 
bestechende  Abhandlung  in  den  Sitzungsberichten  der  Berl.  Akad.  der 
Wiss.,  phil.-hist.  Klasse  1889,  S.  1049 — 1063  erschienen  unter  der 
Überschrift  'Über  eine  Rede  bei  Livius'.  Hier  unterzieht  V.  die  Rede 
des  L.  Aemilius  Paulus  vor  der  Schlacht  bei  Pydna  (Liv.  XLIV 
38,  1—39,  9)  einer  genauen  Analyse  und  kommt  zu  dem  Ergebnis,  daß 
der  Gedankenzusammenhang  einige  Umstellungen  im  überlieferten  Texte 
erheische;  es  seien  die  Worte  38,  7  parvom  hoc  .  .  iuvantibus  sumus? 
und  ebenso  39,  5  sine  nlla  sede  .  .  reciperemus?  in  umgekehrter  Reihen- 
folge einzuschalten  in  39,  1  hinter  an  nihil  .  .  pugnaremus?  wo  offenbar 
eine  Lücke  anzunehmen  sei.     H.  J.  Müller  hat  Vahlens  Vorschlag  im 


Übersicht  über  die  Liviuslitteratur  der  Jahre  1889—1896.   (Fügüer.J       73 

Jahresbericht  XVI  S.  193  ff.  sehr  gründlich  geprüft  und  ist  ihm  insoweit 
nicht  beigetreten,  als  er  die  Versetzung  der  erstgenannten  Worte 
pavvom  .  .  sumus?  verwirft  und  lieber  eine  Vorwegnähme  des  betreffenden 
Gedankens  durch  L.  annimmt.  Hier  kann  nur  auf  die  anziehende 
Streitfrage  kurz  hingewiesen  werden.  —  Fernere  Beiträge  hat  J.  Vahlen 
zur  Berichtigung  der  5.  Dekade  in  den  Sitzungsberichten  der  Berl. 
Akad.  B.  49  (1891)  S.  1013—1033  veröffentlicht,  nämlich  zu  XLIV 
3,  3;  4,  4;  5,  12;  6,  6.  V.  hatte  sich  mit  diesen  Stellen  schon  früher 
beschäftigt  und  verteidigt  nun  seine  Konjekturen  gegen  inzwischen  er- 
folgte Bemängelungen,  namentlich  gegen  W.  v.  Hartel  ("Wien  1888). 
So  viel  erscheint  ausgemacht,  daß  dessen  Einwände  die  Behauptungen 
Vahlens  nicht  haben  erschüttern  können,  wenn  auch  die  Heilungsver- 
suche zu  Stelle  3  und  4  von  H.  J.  Müller  (Jahresbericht  XVIII  S.  23  ff.) 
beanstandet  sind. 

23.  Als  Vorarbeiten  zu  seiner  —  leider  noch  nicht  erschienenen  — 
Ausgabe  der  4.  Dekade  hat  A.  Luchs  zwei  Uuiversitäts-Programme 
von  Erlangen  veröffentlicht:  Eraendationum  Livianarum  particula  quarta 
1889  und  De  Sigismuudi  Gelenii  codice  Liviano  Spirensi  commentatio 
1890.  In  dem  ersteren  behandelt  er  die  Überlieferung  des  Textes  der 
Bücher  XXXT  und  XXXII.  Er  hat  den  ß(ambergensis)  von  neuem 
verglichen  und  stellt  nun  die  zahlreichen  Lücken  zusammen,  die  B. 
gerade  in  dieser  Partie  aufweist.  Dabei  unterscheidet  er  die,  welche 
längst  aus  jüngeren  Hss  ergänzt  sind,  sei  es  in  aUen,  sei  es  in  manchen 
Ausgaben,  und  die,  welche  noch  der  Ausfüllung  bedürfen.  Die  Quelle 
jener  Ergänzungen  nennt  er  <!>,  als  den  mutmaßlichen  Vater  der  be- 
kannten jüngeren  Hss,  und  beweist  die  nahe  Verwandtschaft  von  0 
mit  B.  Schließlich  stellt  er  aus  O  die  Ergänzungen  zusammen,  die 
künftig  Berücksichtigung  verdienen.  —  In  der  zweiten  Abhandlung  er- 
weist Luchs,  daß  Sig.  Geleuius  zur  2.  Frobeniana  1535  neben  dem 
Moguntinus  auch  einen  Spirensis  benutzt  habe.  Dieser  cod.  S  gehört 
zur  Klasse  B  — O  (s.  oben),  und  zwar  stehe  er  (p  näher,  so  daß  B-fS 
oder  B-fO  die  La  des  Archetypus  dieser  Klasse  darstellten,  dem  dann 
M  als  Vertreter  einer  anderen  Rezension  gegenüberstehe.  Die  klare 
Arbeit  erhält  die  Sehnsucht  nach  der  Fortsetzung  der  Luchsschen  Aus- 
gabe rege.     Ob  wir  diese  je  erleben? 

24.  R.  Xovak:  a)  Zu  Livius.  Zeitschr.  für  die  österr.  Gymn. 
1890,  S.  965  ff.  b)  Zu  Livius.  Ebenda  1892,  S.  193—206.  —  c)  Mluv- 
nicko-kriticka  studia  k  Liviovi.  Prag  1894.  272  S.  Gr.  8.  Von  Noväks 
Eigenart  ist  schon  oben  (unter  II  No,  13  und  14)  die  Rede  gewesen. 
Diese  kritischen  Erörterungen  bestätigen  das  Urteil.  Großer  Fleiß,  an- 
erkennenswerter Spürsinn  und  nicht  gewöhnliche  Kombinationsgabe  auf 
der  einen,  Mangel  an  Besonnenheit  und  Zurückhaltung  auf  der  anderen 


74       Übersicht  über  die  Llviuslitteratur  der  Jahre  1889—1896.   (Fügner.) 

Seite  kennzeichnen  diesen  philologischen  Charakter.  In  c)  scheint 
seine  Bemühung  um  den  Text  des  Livius  zu  einigem  Abschluß  ge- 
kommen zu  sein;  denn  sie  fußt  auf  den  früheren  Arbeiten  und  verrät 
zugleich,  daß  der  Verf.  inzwischen  der  Erforschung  der  Livianischen 
Sprache  unablässige  und  gründliche  Mühe  gewidmet  hat.  "Wer  sich 
kritisch  mit  Liv.  beschäftigen  will,  darf  an  N.  nicht  vorübergehen, 
wenn  er  nicht  Gefahr  laufen  will,  Gethanes  wieder  zu  thun.  Das  hat 
N.  selbst  nicht  immer  vermieden,  ja  er  wiederholt  sich  selbst,  ohne  es 
scheinbar  zu  wissen.  Ein  anderer  Mangel  ist  eine  gewisse  eigensinnige 
Engherzigkeit,  die  sich  in  der  Verwertung  seiner  Fuude  zeigt.  Er 
legt  der  Statistik  einen  Wert  bei,  den  sie  auf  diesem  Felde  nicht 
beanspruchen  darf,  und  dem  Stil  des  Schriftstellers  Zügel  an,  die 
schwerlich  berechtigt  sind.  Nur  ein  Beispiel  dafür  statt  vieler:  XLV 
23,  9  hat  Ref.  einmal  vorgeschlagen,  secessione  in  secessionem  fecisse 
zu  ändern;  N.  sagt  dazu  (in  c)  S.  264):  'pro  secessione  non  scribit 
probabiliter  F.  secessionem  <fecisse>,  nam  secessionem  facere=secedere 
Livius  tantum  in  passivo  dicit  uno  loco  excepto.'  Wäre  das  wirklich 
ein  stichhaltiger  Grund  gegen  jene  Vermutung?  Darf  man  den  Sprach- 
gebrauch eines  Mannes  vde  L.  derartig  einschnüren?  In  der  Bedeutung 
facere,  ut  quis  secedat  steht  secessionem  facere  übrigens  nicht  nur 
XXXVin  52,5,  sondern  auch  in  ähnlichem  Sinne  XXVIII  20,  10. 
Wie  viel  in  dieser  wichtigen  Schrift  N's  steckt,  läßt  sich  aus  den 
angefügten  Verzeichnissen  der  behandelten  sprachlichen  Materien  und 
Liviusstellen  schließen.  Die  Beweisführung  N's  können  wir  leider  nur 
maiigelhaft  verfolgen,  weil  er  tschechisch  geschrieben  hat.  Aber  er  hat 
wenigstens  so  viel  Rücksicht  auf  die  Armen  genommen,  welche  diese 
Weltsprache  noch  nicht  kennen,  daß  er  die  Ergebnisse  mit  einigen 
Gründen  in  einem  lateinischen  Anhange  wiederholt  hat.  Die  Livius- 
kritik  ist  ihm  jedenfalls  Dank  schuldig. 

25.  K.  Niemeyer,  Zu  Livius.  Neue  Jahrb.  für  Phil.  1890, 
S.  707  ff.  Unter  den  Stellen,  die  N.  mit  Vorsicht  und  Sachkenntnis 
bespricht,  ist  XXXIII  13,  1  —  12  die  wichtigste.  Es  wird  bewiesen, 
daß  Livius  hier  Polybios  nicht  verstanden  hat. 

26.  F.  Gustafsson,  De  Livii  libro  XXI  emendando.  Helsingfors 
1890.  Univ.-Programm.  G.  hat  namentlich  nach  Glossemen  gejagt, 
aber  auf  dem  Pürschgange  mehr  Fehlschüsse  als  Treffer  gethan.  Er 
hat  nur  bescheinigt,  daß  die  Anzahl  wirklicher  Interpolationen,  nicht 
Schreibfehler,  im  Puteaneus  sehr  gering  und  unwesentlicher  Natur  ist. 
An  methodischer  Schulung  und  an  Kenntnis  des  Sprachgebrauchs  steht 
G.  jedenfalls  nicht  auf  der  Höhe. 

27.  H.  F.  Karsten,  Ad  Livii  libros  II— VII  et  XX\Tn— XXX. 
Mnemos.  XXX  (1896),   1  —  30.    Eine  stattliche  Anzahl  von  Änderungen 


übersiebt  über  die  Liviuslitteratur  der  Jahre  1889—1896.    (Fügner.)       75 

schlägt  K.  vor,  die  zum  Teil  recht  glücklich  sind.  Namentlich  zu 
Buch  II  und  III  hat  er  manches  Gute  vorgebracht.  Es  fehlt  zwar 
auch  bei  ihm  nicht  an  Kühnheiten  und  Willkürlichkeiten,  besonders  in 
der  Annahme  von  Einschiebseln;  aber  sie  fallen  doch  nicht  so  störend 
auf,  wie  bei  anderen  Holländern.  Manches  (z.  B.  zu  II  1,10; 
14,  2;  41,  9;  III  67,  2;  68,  11;  VII  30,  11)  bringt  er  als  neu  vor,  was 
vor  ihm  schon  Novak  oder  Cobet  und  an  letzterwähnter  Stelle  Scheibe 
in  Philol.  III  559  gewollt  haben.  "Was  er  zu  Buch  IUI  und  V  Wert- 
volles beigesteuert  hat,  ist  von  H.  J.  Müller  in  dessen  neuester  Bear- 
beitung dieser  Bücher  schon  verwertet.  Karstens  Bedenken  gegen  II 
22,  7  magna  circumfusa  mnltitudo  venit  wird  vielleicht  gehoben  durch 
Verg.  Aen.  11  undique  .  .  .  iuventus  cirumfusa  ruit.  Poetisch  ange- 
haucht ist  ja  der  Ausdruck,  wenn  man  in  ihm  auch  nicht  gerade,  wie 
man  schon  gewollt  hat,  eine  Prolepse  zu  sehen  braucht. 

28.  C.  Haupt,  Livius- Kommentar  für  den  Schulgebrauch. 
Leipzig  1891  ff.,  Teubner.  Buch  I,  II,  III,  IV,  V,  VI— Vn,  Vni— X, 
XXII  kart.  je  80  Pf.,  XXI  geb.  2  M. 

Haupt  ist  in  erster  Linie  Geschichtslehrer  und  legt  deshalb  in 
dieser  Beleuchtung  des  L  auf  den  Inhalt  und  seine  Benutzung  im  Ge- 
schichtsunterricht das  größte  Gewicht.  Daneben  kommt  es  ihm  darauf 
an,  den  Gedankenfortschritt  und  die  Kunst  der  Darstellung  in  großen 
Überblicken  und  an  einzelnen  Stellen  zu  erläutern;  er  berücksichtigt 
die  Sprache  des  Schriftstellers  nur  soweit,  als  sie  Mittel  zum  Haupt- 
zweck ist.  Die  Ausführungen  des  Verf.  befriedigen  den  Historiker 
und  den  Sprachlehrer  in  seltener  Weise.  Die  Bücher  sind  warm  und 
klar  geschrieben,  mit  ebenso  schönem  geschichtlichen  wie  stilistischen  und 
ästhetischen  Sinne.  H.  beurteilt  Livius  nicht  bloß  als  Aktenverwender, 
wonach  er  von  manchem  Historiker  in  einseitiger  Weise  abgeurteilt 
wird,  sondern  als  warmherzigen  Lehrer  seines  Volkes  und  der  Mensch- 
heit, und  er  hat  gut  daran  gethan.  Nun  sehen  wir  erst,  welche  Fülle 
geschichtlicher  Belehrung  bei  geschickter  Behandlung  aus  der  Livius- 
lektüre  gezogen  werden  kann.  Namentlich  sind  Haupts  Kommentare 
für  den  Lehrer  äußerst  wertvoll,  während  ihre  Ausdehnung  und  einiger- 
maßen auch  der  Preis  einer  eigentlichen  Einführung  in  die  Gymnasien 
hinderlich  sind.  H.  hatte  vorher  seine  Gedanken  zur  Liviuslektüre 
und  einen  ausführlichen  Plan  zur  Verteilung  derselben  auf  die  ver- 
schiedenen Klassen  in  dem  lesenswerten  Programme  des  Wittenberger 
Gymnasiums  vom  J.  1890  dargelegt.  Seine  Arbeiten  verdienen  größte 
Verbreitung  und  fleißige  Benutzung. 

29.  Adolf  M.  A.  Schmidt,  Schüler-Kommentar  zu  Livii  etc.  I, 
II,  XXI,  XXII.     Wien,  Tempsky.  1894.     geb.  1  M.  60.  Pf. 


76       Übersicht  über  die  Liviuslitteratur  der  Jahre  1889— 189G.    (Fügner.) 

Wie  der  Titel  sagt,  ist  dieser  Kommentar  lediglich  zur  Erleichte- 
rung der  Vorbereitung  für  den  Anfänger  bestimmt.  Dementsprechend 
macht  er  auch  auf  Wissen?chaftlichkeit  keinen  Anspruch,  und  in  der 
That  gehört  das,  was  wissenschaftlich  an  dem  Buche  ist,  nämlich  die 
Bezeichnung  einzelner  "Wörter  und  Verbindungen  als  archaistisch,  nach- 
klassisch,  poetisch  oder  vulgär,  gar  nicht  in  einen  Schülerkommentar. 

IV.  Zur  Sprache  des  Livius  (Gramm.,  Stil,  Lexikon). 

30.  F.  Fügner  Lexicon  Livianum.  vol.  I.     Leipzig,    Teubner. 
1889—1897.     VL  1572  Spalten.     19  M.  GO  Pf. 

A.  Hildebrands  (f  1869)  Vorarbeiten  zu  einem  Lexicon  Livianum 
sind  nach  mancherloi  Lrfahrten  in  die  Hände  des  Ref.  gekommen.  Es 
steckt  eine  große  Masse  Arbeit  in  diesen  Papieren:  aber  sie  konnte 
nur  zum  kleineren  Teile  verwertet  werden.  Zu  stark  haben  sich  seit- 
dem die  Anforderungen  geändert,  die  man  mit  Recht  an  ein  derartiges 
Speziallexikon  stellt.  Darum  mußte  ein  Neubau  aufgeführt  und  jene 
Papiere  konnten  nur  nachträglich  zui-  Prüfung  des  Gewonnenen  ver- 
wertet werden.  Li  diesem  Bemühen  ist  Ref.  von  fleißigen  Mitarbeitern 
treulich  unterstützt,  deren  Namen  auf  S.  IV  mit  Angabe  der  von  ihnen 
bearbeiteten  Teile  aufgeführt  sind.  Das  Lexikon  strebt  nach  unbe- 
dingter Vollständigkeit  und  übersichtlicher  Anordnung  aller  echt  Livia- 
nischen  Stellen  und  bringt  den  Wortlaut  soweit,  als  es  zum  Verständnis 
der  Bedeutung  und  Verwendung  des  Artikelwortes  nötig  erschien.  Aber 
auch  Zusammenstellungen  enthält  es  am  Ende  längerer  Artikel,  welche 
die  Ausnutzung  des  Stoffes  zu  sachlichen  und  sprachlichen  Unter- 
suchungen erleichtern  sollen.  Die  Kritik  ist  durchweg  beiücksichtigt, 
wenn  auch  eine  Übersicht  ihrer  Bemühungen  erst  am  Ende  des  Werkes 
vorgeführt  werden  soll.  Es  wird  von  der  Abonnentenzahl  abhängen,  ob 
das  Werk  weiter  erscheinen  kann;  steigt  diese  nicht  beträchtlich,  so 
hört  es  zu  erscheinen  auf.  Die  Bedeutung  des  Werkes  ist  übrigens 
nicht  nur  von  den  Kennern  zugegeben,  sondern  läßt  sich  auch  aus 
mancher  Anregung  schließen,  die  es  direkt  oder  indirekt  bereits  ge- 
geben hat. 

31.  So  hat  R.  iNoväk  (Wiener  Studien  XV  S.  248—259)  mit 
Benutzung  des  betr.  Lexikonartikels  ,atque  vor  Konsonanten  und  ac 
vor  Gutturalen  bei  Livius  und  Curtius'  untersucht.  Seine  an  sich 
richtigen  Ergebnisse  sucht  er  nicht  ohne  Gewaltthätigkeit  zu  verallge- 
meinern, indem  er  die  Überlieferung,  wo  sie  einmal  abweicht,  in  seine 
Regel  zwingt.  Natürlich  waren  dem  Ref.  bei  der  Ausarbeitung  des 
Artikels  dieselben  Erscheinungen  aufgefallen,  und  seine  Beobachtungen 
über  ac  vor  Gutturalen  bei  L.  hatten  H.  J.  Müller  im  .1.  1887  gerade  ver- 


Übersicht  über  die  Liviuslitteratur  der  Jahre  18S0  — 1S9G.    (Fügner.)       77 

anlaßt,  ihm  das  Material  Hildebrands  zu  einem  Lex.  Livianum  zuzu- 
weisen, aber  er  trug  Bedenken,  die  Sache  so  zu  behandeln,  wie  X.  es 
gethan  hat.  Beachtung  verdient  ja,  daß  L.  ac  vor  Gutturalen  je  später 
je  seltener  anwendet,  und  daß  atque  vor  Konsonanten  nicht  gern  als 
Satzverbindung  benutzt  wird. 

32.  Adolf  M.  A.  Schmidt,  Beiträ!?e  zur  Livianischen  Lexiko- 
graphie. Teil  II.  Progr.  des  Realgymnas.  zu  Waidhofen  a.  d.  Thaya 
1889.  Teil  III.  Ebenda  1892.  —  Derselbe,  Zum  Sprachgebrauche 
des  L.  in  den  ßb.  I,  II,  XXI,  XXII.  1.  Teil.  Progr.  des  üymu.  in 
St.  Polten  1894. 

Der  Verf.  ist  Mitarbeiter  am  Lex.  Liv.  Seine  Untersuchungen 
sind  lehrreich  und  gewissenhaft  gemacht,  aber  in  der  Auswahl  zwischen 
nötigen  und  weniger  wissenswerten  Dingen  nicht  durchweg  streng  genug. 
In  der  ersterwähnten  Abhandlung,  der  B'ortsetzung  eines  Prograram- 
artikels  von  J.  1888,  bespricht  S.  die  Substantiva  auf  mentum,  die  Adj. 
auf  aus,  elis,  ilis  und  bilis,  die  Adverbia  auf  ter  und  im,  die  Deminu- 
tiva  und  die  griechischen  Lehnwörter.  In  allen  Stücken  wird  bewiesen, 
daß  L.  die  Sprache  weiter  gebildet  hat,  und  zwar  mehrfach  in  einer 
Weise,  die  er  im  Verlaufe  seiner  schriftstellerischen  Thätigkeit  als 
zu  kühn  gemäßigt  zu  haben  scheint.  Die  zweite  Schi'ift  bringt  eine 
Monographie  über  contra,  Betrachtungen  über  den  von  dem  Verf. 
für  das  Lexikon  vorbereiteten  Artikel.  —  Die  dritte  beschränkt 
sich  auf  die  im  Titel  erwähnten  Bücher  und  enthält  zuvörderst  eine 
Art  Prolegoraena  zu  einer  künftigen  Liviusgrammatik.  Diese  Ein- 
leitung verbreitet  sich  über  die  Elemente  des  Livianischen  Stils  (Ar- 
chaismen, Poetisches,  Vulgäres  und  Nachklassisches,  Gräzismen)  und 
über  die  Stellung  der  Liviuslektüre  (L.  gehöre  erst  in  die  7.  Klasse).  Auf 
diese  Dinge  folgt  eine  Formenlehre  des  Substantivs.  Hier  besonders 
macht  es  sich  fühlbar,  daß  der  Kreis  zu  eng  gezogen  ist,  denn  das 
verwertete  Material  reicht  zu  sicheren  Schlüssen  nicht  aus. 

33.  A.  Koeb erlin,  De  participiorum  usu  Liviano  capita  selecta. 
Diss.  Erlangen  1888.     56  S. 

Erst  bespricht  K.  die  freiere  Art  des  L.,  Partizipien  zu  ver- 
binden, dann  den  Gebrauch  des  Part.  Fut.  Aktivi  bei  L.,  Curtius  und 
Florus.  Für  jene  Erscheinung,  die  kopulative  Verbindung  konjunkter 
und  absoluter  Partizipien  und  konjunktionaler  Nebensätze  mit  Parti- 
zipien, nimmt  Verf.,  da  sie  sich  in  den  späteren  Dekaden  häufen,  den 
Einfluß  der  griechischen  Quelle  (des  Polybios)  an;  den  Gebrauch  der 
Part.  Fut.  Akt.  sucht  er  nach  der  Bedeutung  zu  ordnen  und  weist  auf 
die  Fortbildung  derselben  bei  Curtius  nach. 


78       Übersicht  über  die  Liviuslitteratur  der  Jahre  1889—1896.    (Fügner.) 

34.  G.  Wnlsch,  De  verbis  cum  praepositione  per  compositis 
apud  Livinm  I  (II  ist  bisher  nicht  erschienen).  Progr.  der  Realgymn. 
zu  Barmen  1889.     34  S. 

Verf.  hat  in  seiner  gelungenen  Dissertation  (Halle  1880)  die 
Präp.  per  bei  L.  behandelt.  Daran  schließt  sich  diese  Abhandlung, 
die  20  Komposita  mit  per,  soweit  sie  bei  L.  vorkommen,  aufführt  und 
kritisch  beleuchtet.  Die  Abhandlung  beweist,  was  die  Textkritik  aus 
einem  Lex.  Livianum  gewinnen  kann. 

35.  L.  Winkler,  Der  Infinitiv  bei  Livius  in  den  Büchern  I, 
XXI  und  XLV.  Progr.  des  Gymn.  in  ßrüx.  1895.  (Vgl.  oben  I, 
No.  5.) 

In  alphabetischer  Reihenfolge  stellt  der  Verf.  die  Verben  und  ver- 
balen Verbindungen  zusammen,  die  den  Inf,  dann  die  den  Acc.  c.  Inf. 
und  endlich  die  den  sog.  Nom.  c.  Inf.  bei  sich  haben.  Als  Anhang 
bietet  er  mancherlei  Einzelheiten  dar ,  namentlich  Bemerkungen  über 
die  Ellipse  des  Subjektwortes  und  esse  im  Acc.  c.  Inf.  Schon  aus  dieser 
kurzen  Darstellung  läßt  sich  manche  Ergänzung  zu  Drägers  Histor. 
Syntax  und  ähnlichen  Werken  gewinnen;  aber  um  feste  Ergebnisse  zu  er- 
zielen, reicht  das  Material  nicht  aus,  das  der  Verf.  herbeigezogen  hat, 
wenn  auch  die  unter  den  Büchern  getroffene  Wahl  auf  den  ersten  Blick 
etwas  für  sich  hat-  Hätte  W.  einen  Punkt  seines  Programms  durch 
den  ganzen  Autor  beleuchtet,  so  wäre  die  Arbeit  wertvoller,  als  sie  es 
jetzt  werden  konnte. 

36.  C.  Haupt,  Anleitung  zum  Verständnis  der  Livianischen 
Darstellungsform.     Leipzig  1892,  Teubner.     86  S. 

Zur  ersten  Einführung  in  einige  Besonderheiten  der  Livianischen 
Stilistik  ist  das  Schriftchen  sehr  gut  geeignet.  Dem  Schüler  freilich, 
für  den  es  der  Verf.  zunächst  bestimmt  hat,  bietet  es  zu  viel.  Der 
Verf.  bespricht  erst  das  Wesen  der  historischen  Periode,  giebt  dann 
methodische  Anweisungen  zum  Verständnisse  und  zur  Übersetzung 
schwierigerer  Perioden  (exemplifiziert  an  XXI  4);  darauf  behandelt  er 
grammatische  Eigentümlichkeiten  des  L.  (S.  17  —  35),  namentlich  die 
reiche  Verwendung  der  Partizipialkonstruktionen  und  die  Konstruktion 
nach  dem  Sinne,  alles  in  feinsinnigen  Betrachtungen ;  im  4.  Kap.  bespricht 
er  die  Wortstellung  (Anapher,  Chiasmus  und  ihre  Verbindung),  um  schließ- 
lich einige  umfangreiche  Perioden  zu  erklären.  Für  den  Studierenden 
und  den  Lehrer  ist  diese  Schrift  neben  den  Kommentaren  (s.  oben 
No.  28)  überaus  anregend. 

37.  S.  G.  Stacey,  die  Entwickelung  des  Livianischen  Stiles. 
Archiv  für  lat,  Lexikographie  und  Gramm.  XII  1,  S.  17—82. 


Übersicht  über  die  Liviuslitteratur  der  Jahre  1889—1896.    (Fügner.)       79 

Von  Wölflflin  angeregt,  hat  St.  es  unternommen,  die  bisherigen 
Untersuchungen  über  die  Eigenart  des  Liv.  Stils  zusammenzufassen  und 
zu  erweitern.  Von  der  tüchtigen  Arbeit  läßt  sich  sogar  behaupten, 
daß  sie  den  Gegenstand  in  gewissen  Fragen  abgeschlossen  oder  wenigstens 
dem  Abschluß  nahe  gebracht  hat.  Bisweilen  tritt  St.  zu  sicher  auf, 
z.  B.  wenn  er  21  43,  7  agite  cum  diis  (nicht  deis)  bene  iuvantibus  durch 
archaische  Stellen  (zunächst  Ennius  ann.  203)  halten  zu  können  meint, 
weil  agite  dum  (so  schreibt  man  seit  H.  A.  Koch)  von  Livius  seit  dem 
7.  Buche  aufgegeben  sei  als  'weniger  gut'.  Lexikon  Sp.  821  hätte 
ihn  belehren  können,  daß  L.  age  dum  bis  in  die  spätesten  Bücher 
weiter  verwendet;  ist  das  etwa  dann  nicht  weniger  gut?  Zu  sagen, 
alle  Hss  hätten  ja  21  43,  7  cum,  klingt  irreführend:  denn  es  läßt  sich 
nur  von  P  reden,  wo  alle  anderen  davon  Abschriften  sind.  Ob  man 
freilich  nicht  ebenso  richtig  die  Präp.  (P  hat  cü)  streichen  könnte,  als 
sie  in  dum  verwandeln,  bliebe  zu  erörtern;  aber  cum  diis  bene  iuvan- 
tibus hat  L.  schwerlich  geschrieben,  am  wenigsten  an  der  beregten 
Stelle.  Zu  ähnlichen  Erwägangen  und  Bedenken  giebt  St.s  Artikel 
noch  mehrfach  Anlaß,  aber  das  hindert  nicht,  denselben  mit  Freuden 
zu  begrüßen.  Denn  es  weht  ein  frischer  Hauch  der  Unmittelbarkeit 
durch  ihn,  er  behandelt  die  Sache  unter  großen,  fruchtbaren  Gesichts- 
punkten und  vor  allem  auf  einer  genügend  breiten  und  festen  Grundlage. 
Dies  trifft  namentlich  auf  den  Abschnitt  zu,  der  vom  Einfluß  des  Ennius 
auf  L.  handelt  (S.  22 — 33),  und  den  über  Vergils  Buc.  und  Georg.  Über 
die  Aen.  läßt  sich  u.  E.  noch  mehr  sagen.  Die  Annahme  scheint  nicht 
zu  gewagt,  Verg.  habe  für  seine  Aen.  aus  den  ersten  Büchern  des 
Livius  manche  Anregung,  auch  sprachliche,  empfangen.  Die  von  St. 
beigebrachten  Belege  sind  aus  allen  Büchern  der  Aen.  entnommen, 
was  sich  bei  dieser  Annahme  leicht  erklärt.  Daß  L.  seinerseits  unter 
starkem  Einflüsse  seiner  Quelle  steht,  poetischer  und  annalistischer 
überhaupt,  ist  natürlich.  Nach  Vergils  Tode  wird  Liv.  von  dessen  Aen. 
weitere  Anregungen  erhalten  haben  (wie  M.  Müller  angenommen  hat, 
etwa  von  Buch  26  ab).  Sehr  lehrreich  ist  das  5.  Kapitel  'Stilver- 
besserungen und  Stiländerungen",  in  welchen  Liv.  als  Schöpfer  und 
Verbesserer  seiner  Schreibart  beleuchtet  wird. 

38.  Ähnlich  wie  Haupt  schon  1890  (s.  S.  72  unten)  hat  man 
sich  mehrfach  mit  der  Frage  beschäftigt,  wie  die  Liviuslektüre  auf  der 
Schule  recht  nutzbringend  zu  gestalten  sei.  Ich  erwähne  von  solchen 
didaktischen  Versuchen  hier  kurz  folgende:  a)  G.  Her  gel,  Klassiker- 
lektüre und  Realien.  Zur  Liviuslektüre.  Progr.  Brüx  1S92.  b)  P. 
Maresch,  Die  Liviuslektüre  in  der  Quinta.  Progr.  Ungarisch-Hradisch 
1892.  c)  H.  Breunig,  Über  den  Wert  und  die  Verteilung  der  Livius- 
lektüi-e    für    Gymn.      Progr.    P«,astatt    1893.     d)  A.  Polaschek,    Der 


80        Übersicht  über  die  Liviuslitteratur  der  Jahre  1889—1896.  (Fügner.) 

Auscbauungsunterricht  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Liviuslektüre. 
Progr.  Czeruowitz  1894.  Endlich  e)  0.  Alten  bürg,  Zwei  Studien 
zur  Schnlauslegung  der  4.  Dekade  des  Livius.  Lehrproben  und  Lehr- 
gänge (Halle,  Waisenhaus)  Heft  49,  S.  60—75;  Heft  50,  S.  1—27. 
In  diesen  Schriften  werden  alle  möglichen  Fragen  beantwortet,  aber 
bei  weitem  nicht  übereinstimmend.  Hergel  plaidiert  für  eingehendere 
Behandlung  der  Realien,  zwar  in  Anlehnuug  an  den  Autor,  aber  doch 
darüber  hinausgehend  bis  zur  Ausfüllung  größerer  Kreise.  Maresch 
legt  in  seiner  frisch,  fast  begeistert  geschriebenen  Abhandlung  auf  den 
Gewinn  ethischer  Stoffe  zunächst  aus  dem  L  Buche  großen  Wert. 
Breunigs  Stärke  liegt  in  der  Verteilung  des  Stoffes  auf  verschiedene 
Klassenstufen,  will  Geschichts-  und  Sprachunterricht  einander  näher 
bringen  und  stellt  einen  Kauon  der  Lektüre  für  alle  4  obersten  Klassen 
auf  (ähnlich  wie  C.  Haupt).  Polaschek  macht  bemerkenswerte  Vor- 
schläge, Anschauungsmittel  in  der  Lektürestunde  zu  benutzen  und 
exemplizieit  dabei  namentlich  auf  Liv.  XXI  21  u.  22.  Altenburg 
weist  mit  Recht  auf  den  hohen  Bildungsgehalt  hin,  den  die  4.  (aber 
auch  die  5.!)  Dekade  für  Primaner  enthalte.  Er  empfiehlt  in  Klassen- 
und  Privatlektüre,  die  sich  einander  zu  ergänzen  hätten,  diesen  Schatz 
zu  heben,  indem  er  zwei  große  Kreise  unterscheidet:  XXXI — XXXIII 
der  Ki'ieg  mit  Philipp ,  XXXIV  ff.  der  mit  Antiochus.  Der  zweite 
Aufsatz  (Heft  50)  bringt  „Bausteine  zur  Kunst  der  Übersetzung  des 
Livius  ins  Deutsche";  sein  Haupstück  besteht  in  'Grundzügen  einer 
Satzlehre  in  den  Dienst  der  Übersetzungskunst  gestellt'.  Der  fein- 
sinnige Verfasser  sagt  darin  nicht  allein  dem  Grammatiker  manches 
heilsame  Wort,  sondern  trägt  auch  zum  Verständnis  des  31.  Buches 
bei,  aus  dem  er  die  Beispiele  zu  der  neuen  Satzlehre  entnommen  hat. 


Bemerkung:  Die  Schriften,  welche  geschichtliche  Fragen  und 
Quellenuntersuchungen  betreffen,  sind  bis  zum  Jahre  1893  in  dem  Ref. 
des  Herrn  L.  Hüter  besprochen;  soweit  sie  von  1894  an  erschienen  sind, 
will  sie  Herr  Prof.  Holzapfel  in  seinen  Bericht  über  röm.  Geschichte 
aufnehmen. 


.V 


Bericht  über   die  Litteratur  zu  späteren  römischen 
Geschichtsschreibern  von  1891  bis  einschliesslich  1896. 

Von 

Dr.  Theodor  Opitz, 

Professor  am  Kgl.  Gymnasium  zu  Dresden-Neustadt. 

Ampelias. 

G.  Schoen,  Die  Elegien  des  Augustusforums  und  der  über  de 
viris  illustribus  urbis  ßomae  (Cilli,  Progr.  1895)  S.  21—38. 

Der  Verf.  erörtert  ausführlich  die  Frage  nach  der  gemeinsamen 
Quelle  von  Ampelius,  Morus  und  de  vir.  ill.    Siehe  unten  S.  118. 

Eutropias. 

Manitius,  Philologisches  aus  alten  Bibliothekskatalogen.  Rh. 
Museum  N.  F.  47,  Ergänzungsheft  S.  88—89. 

In  folgenden  mittelalterlichen  Bibliothekskatalogen  (bis  1300) 
kommt  Eutropius  vor:  Frankreich:  Cluny,  Bec,  S.  Amand,  Char- 
tres.  Deutschland:  Regensburg,  Bamberg.  Großbritannien:  Dur- 
ham,  Canterbury.     Italien:  Pomposa. 

Hugo  Will  rieh,  de  coniurationis  Catilinariae  fontibus.  Disser- 
tatio  inauguralis.  Gottingae  1893,  officina  academica  Dieterichiana. 
S.  43. 

Eutrops  Bericht  über  die  Catilinarische  Verschwörung  stammt 
wahrscheinlich  aus  Livius. 

Josef  Sorn,  der  Sprachgebrauch  des  Historikers  Eutropius. 
Ein  Beitrag  zur  historischen  Grammatik  der  lateinischen  Sprache. 
Laibach  1892.  Druck  der  Katholischen  Buchdruckerei.  Im  Selbst- 
verlag des  Verfassers.     II  und  39  S. 

Rez.:  Wochenschrift  für  klass.  Philol.  1893  No.  37  S.  995  bis 
997  (tz>.  —  Berl.  philol.  Wochenschr.  1893  No.  47  S.  1484—87  (Rühl). 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.   Bd.  LXXXXVII.  (1393.  11.)         6 


82       Bericht  üb  d.  Litteratur  zu  späteren röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.) 

Der  Verf.    hatte    den  Sprachgebrauch  Eutrops    schon   Iq  2  Pro- 
grammen   (1888  und  1889)  behandelt,    vgl.    in    diesen  Jahresberichten 
LXXII  (1892,11)8.  21.    Nunmehr  hat  er  seine  Untersuchungen  in  vor- 
liegender Schrift   zusammengefaßt.     Der  Stoff   wird    in    folgenden  Ab- 
schnitten   behandelt:     Substantiva,    Adjektiva,    Pronomina,    Adverbia, 
Verbura,  Subjekt,  Prädikat,  Kongruenz,  Attribut,  Kasus,  Präpositionen, 
Konjunktionen,    subordinierte    Sätze,    Participia,    Wortstellung,    Satz- 
stellung   und    Periodenbau,    Aufhebung    der    Concinnität,    Kürze    und 
rhetorische  Fülle    des  Ausdrucks,   Wortschatz   und  Phraseologie.    Bei 
den   Kapiteln    'Verbum'    und    'Kasus'   werden  die    Konjugations-    und 
Deklinationsformen  mit  besprochen.  Im  allgemeinen  kann  man  mit  dem 
Verfahien    des    Verfassers   einverstanden   sein.     Nicht   selten    werden 
freilich  Ausdi-ücke  und  Konstruktionen  behandelt,  bei  denen  auch  nicht 
der  mindeste  Grund  zur  Erwähnung  vorliegt.     Die  Stellen   aus  Eutrop 
sind  mitunter  in  den  beiden  vorhergehenden  Abhandlungen  voDständiger 
angegeben,  so  daß  diese  auch  nach  dem  Erscheinen  vorliegender  Arbeit 
noch   nicht  entbehrlich  sind,    mitunter   fehlen  sie  gänzlich,    z.  B.  S.  5 
bei  mox  und  procul  dubio.    Vielfach  wird  der  Sprachgebrauch  anderer 
Schiiftsteller  zur  Vergleichung  herangezogen,  jedoch  in  sehr  ungleich- 
mäßiger Weise,  bald  nur  der  eines  einzelnen  Autors,    bald    der    einer 
ganzen  Reihe.     Das  Schlußresultat  lautet  S.  39:  Eutrop  hat  sich  somit 
bemüht,  klassisch  zu  schreiben.   Er  ist  diesem  Bestreben  treu  geblieben, 
ohne    sich  jedoch  vom  Sprachgebrauche  seiner  Zeit  ganz  emanzipieren 
^u  können. 

Auf  etliche  Ungenauigkeiten  im  einzelnen  habe  ich  Rez.  996  f. 
aufmerksam  gemacht. 

Petschenig,  colligere  =  tollere.     Archiv  für  lateinische  Lexiko- 
graphie VIU  S.  140. 

Eutr.  9,  23  verdient  die  Lesart  colligeretur  den  Vorzug  vor 
tolleretur  (vgl.  unten  S.  120). 

Die  auf  germanische  Verhältnisse  sich  beziehenden  Stellen 
Eutrops  sind  zusammengestellt  bei  Riese,  das  rechtsrheinische  Ger- 
manien in  der  antiken  Litteratur  (Leipzig,  Teubner  1892),  siehe  Erstes 
Register  S.  455.  Zu  Grunde  liegt  der  Hartelsche  Text.  IX,  9  (S.  211) 
wird  Laeliano  (so  Rühl  und  Droysen)  statt  Lucio  Aeliano  eingesetzt. 

Nur  der  Vollständigkeit  halber  erwähne  ich: 

*Eutropiu8,  books  1 — 6  (with  omissions).  With  maps,  notes  etc. 
by  A.  Fl.  Hallidie.     London,  Percival.     12. 

*Eutropius,  books  1  and  2.  With  notes,  vocabulary  and  exerclses 
by  AV.  Welch  and  C.  G.  Duffield.     London,  Macmillan.     18. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.)       83 

*Eatropins,  books  1  and  2.  With  notes  and  vocabulary  by  Co. 
Caldecott,     London,  Longmann.     18. 

*Eutropius.  Literally  translated  by  John  Gibson.  London, 
Cornisb.     12. 

*Eutropiu8,  para  nso  das  escolas.  Annotado  por  A.  E.  da 
Silva  Dias.     7.  ed.     Porto  1895,  Magathaes  e  Moniz. 

Florus. 

1.  Allgemeines. 
Engenins    Laurenti,     de    Julio    Annaeo    Floro    poeta    atque 
historico    pervigilii  Veneris  auctore.     Rivista  di  filologia  XX  (1892) 
S.  125—143. 

In     der    Ausdrucksweise    des    pervigilium    Veneris    finden    sich 
Spuren    afrikanischen  Lateins,    besonders  im  Gebrauch  der  Präposition 
de,  ferner  Nachahmung  des  Statins  (silvae  1,  2),  auch  Beziehungen  zu 
Apuleius,    namentlich    aber    führt    die  Art  und  Weise,    wie  Venus  be- 
sungen wird,  auf  die  Zeit  Hadrians.   Auch  in  den  im  cod.  Salmasianus 
ganz   in    der  Nähe    stehenden  Versen    des  Florus  (I,  245  Riese)    zeigt 
sich  derselbe  Gebrauch  von  de,  und  in  ihnen  wird  Bacchus  angerufen, 
wie  Venus    im  Pervigilium.    Der  Verf.    dieses    Gedichtes,    der   in  der 
vita  Hadriani    erwähnte    Dichter    und    der   Historiker   sind    identisch: 
dafür  spricht  außer  dem  auch  bei  diesem  nachweisbaren  Gebrauch  von 
de  die  ganze  Diktion,  die  'üorida  et  poeticae  affiuis'  ist.    Ihm  ist  anch 
der  Dialogus  Vergilius    orator  an  poeta  zuzuschreiben.     Dies  wird  be- 
stätigt   durch   pervigil.  2   vere  natus  est  Jovis  ("so  ist  nach  cod.  Salm, 
zu  lesen),    denn  der  Rhetor  erzählt,  er  sei  auf  Kreta,    der  patria  To- 
nantis,  gewesen,    und  dort  hat  er  nach  Laurentis  Vermutung  die  sonst 
wohl  kaum  verbreitete  Sage  erfahren,  daß  Jupiter  im  Frühling  geboren 
worden  sei.     Die    Schwierigkeit    ferner,    die    die    Verschiedenheit    der 
überlieferten  Namen  bietet,    sucht    der  Verf.   durch  die  Vermutung  zu 
lösen,    daß  unser  Schriftsteller  L.  Julius  Annaeus  Seneca  Florus  hieß, 
wobei  er  eine  Adoption  annimmt  und  einerseits  die  Häufung  der  Namen, 
andrerseits    die  Bezeichnung    des  Mannes    durch    einen    beliebigen    von 
diesen   durch  Beispiele    belegt,    die   Namensform    im  Bruxellensis  aber 
(F.  Ann  ins)    auf   paläograpbischem  Wege    zu    erklären  sucht.  —  Die 
hier   skizzierte  Beweisführung   ruht  z.  T.    auf  sehr  schwachen  Füßen, 
z.  B.    was    die  Annahme    des  afrikanischen  Lateins,    die    Nachahmung 
des  Statins   und    die  Ansetzung  unter  Hadrian  betrifft.     Darnach  muß 
also  auch  die  versuchte  Identifizierung  des  Verfassers  des  pervigilium« 
mit  dem  Historiker,   Dichter   und  Rhetor  Florus    als   mindestens   sehr 
unsicher  bezeichnet  w^erden. 


84       Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.) 

A.  Miodoi'iski,  über  die  Entstehungszeit  des  Geschichtswerkes 
des  Florus.  Anzeiger  der  Akademie  der  Wissenschaften  in  Krakau. 
1891.     S.  219—223. 

Verf.  wendet  sich  gegen  die  Annahme  Ungers,  daß  Florus  sein 
Geschichtswerk  erst  unter  Mark  Aurel  abgefaßt  habe.  Unger  ent- 
schied sich  nämlich  prooeminm  §  8  für  das  in  N  überlieferte  Präsens 
revirescit  (B  hat  reviruit)  und  verstand  es  eben  von  der  Regierung  des 
genannten  Kaisers.  Dem  gegenüber  betont  Verf.  mit  Recht,  daß  dann 
notwendigerweise  eine  Zeitangabe  hinzugefügt  sein  müßte,  die  dem 
vorhergehenden  sub  Traiano  principe  entspräche.  Welche  von  beiden 
Lesarten  übrigens  den  Vorzug  verdiene,  ist  nicht  leicht  zu  sagen  und 
ist  auch  für  die  Entscheidung  der  vorliegenden  Frage  nicht  von 
prinzipieller  Bedeutung.  Zweitens  weist  der  Verf.  nach,  daß  Florus" 
Angabe  a  Caesare  Augusto  in  saeculum  nostrum  haut  multo  minus  anni 
ducenti  sich  unbedenklich  von  150 — 160  Jahren  verstehen  läßt,  da 
ähnliche  sehr  runde  Zahlen  sich  auch  sonst  bei  ihm  finden.  Schließlich 
nimmt  er  mit  mir  an.  daß  I,  5  (11),  8  unter  Faesulae  nicht  die  be- 
kannte Stadt  dieses  Namens  bei  Florenz,  sondern  ein  Ort  in  der  Nähe 
Roms  zu  verstehen  und  darnach  die  Worte  idem  tunc  Faesulae,  quod 
Carrhae  nuper  zu  erklären  seien.  So  kommt  er  zu  dem  gewiß  richtigen 
Schlußresultat,  daß  'an  der  verbreiteten  Behauptung,  Florus  habe  unter 
Hadrian  geschrieben'  nicht  zu  rütteln  sei.  Er  fügt  noch  hinzu,  daß 
er  mit  dem  Dichter  und  Schulredner  identisch  sei. 

A.  Riese,  über  die  Glaubwürdigkeit  des  Florus.   Korrespondenz- 
blatt der  Westdeutschen  Zeitschrift    für  Greschichte   und  Kunst.    IX 

(1890)  S.  216—218. 

J.  As b ach,  Vortrag  über  dasselbe  Thema,  gehalten  in  der  G-e- 
sellschaft  für  Alterturaskunde  in  Prüm.  Referat  daselbst.  S.  303 — 304, 

Um  die  Frage  nach  der  Glaubwürdigkeit  des  Florus  'methodisch 
zu  entscheiden",  vergleicht  der  Verf.  den  Abschnitt  dieses  Autors  'über 
die  von  Cäsar  und  zwar  nur  die  von  ihm  in  Germanien  und  Britannien 
geführten  Kriege"  mit  den  eigenen  Berichten  Cäsars,  'weil  wir  zu  diesem 
Abschnitte  (I,  45  =  III,  10)  nicht  nur  die  Quelle  in  Caesars  bellum 
Gallicum  noch  besitzen,  sondern  auch,  weil  dieser  Quelle  keine  andere 
bessere  jemals  zur  Seite  gestanden  haben  kann,  aus  der  etwa  die  Ver- 
schiedenheiten des  Florus  von  Cäsar  hergeleitet  werden  könnten". 
Auf  diese  Weise  wird  der  Nachweis  versucht,  daß  Florus  sich  in  seinem 
etwa  50  Zeilen  umfassenden  Berichte  eine  ganze  Reihe  größerer  und 
kleinerer  Irrtümer  habe  zu  Schulden  kommen  lassen.  Schließlich  gelangt 
der    Verf.    zu    dem    Resultate,    daß    man    keiner    einzigen    Nachricht 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichteschreibern.  (Opitz.)       85 

bei  Florus  ohne  weiteres  vertrauen  darf,  'vielmehr  in  jedem  "Worte 
auch  die  starke  Möglichkeit  solcher  absichtlichen  oder  unabsichtlichen 
Irrtümer  annehmen  muß,  welche  zu  erkennen  uns  die  Mittel  nicht  immer 
zu  Gebote  stehen'. 

Dem  gegenüber  betont  Asbach  mit  Recht,  daß  in  Cäsars 
Kommentai'ien  alles  'den  Eindruck  der  feinsten  Berechnung  mache', 
und  daß  neben  dessen  Darstellung  eine  andere  selbständige  vorhanden 
gewesen  sei,  nämlich  die  des  Livius,  die  uns  in  den  Berichten  bei  Florus, 
Cassius  Dio  und  Orosius  vorliege.  Daraus  ergiebt  sich,  daß  die  Ab- 
weichungen von  Cäsars  Darstellung  nicht  eo  ipso  als  Ii-rtümer  be- 
zeichnet werden  dürfen.  Der  Bericht  schließt  mit  der  Bemerkung,  daß 
die  wirklichen  Versehen  bei  Florus  nicht  zahlreicher  seien ,  'als  wie 
bei  anderen  Autoren,  die  auf  das  Zusammenrücken  rhetorischer  Motive 
ausgehen'.  §  14  \Yird  Bergks  (sehi*  kühne)  Konjektur  iterum  de  Ger- 
manorum  gente  Tencteris  Treveri  querebantur  empfohlen  und  §  18 
Casuella  für  tiefer  verderbt  erklärt, 

Franz  Schmidinger,  Untersuchungen  über  Florus.  Besonderer 
Abdi'uck  aus  dem  20.  Supplementbande  der  Jahrb.  f.  Philol. 
S.  781—816.     Leipzig  1894,  Teubuer. 

Rez. :  Revue  critique  1895  S.  52—53  (P.  L.).  —  Wochenschrift 
für  klass.  Philologie  1895  No.  8  S.  211—213  (Opitz).  —  Berl.  philol. 
Wochenschr.  1895  No.  8  S.  237—238  (Rühi;.  —  Neue  philol.  Rund- 
schau 1896  No.  23  S.  356—357  (Weise).  —  Archiv  für  lat.  Lexiko- 
graphie IX  S.  151.  —  Gymnasium  1894  S.  866  (Egen).  —  Blätter 
für  bayerische  Gymnasien  1895  S.  595  (Weymann). 

I.  Julius  oder.  Annius  Florus?  Verf.  nimmt  an,  daß  Florus 
nicht  Julius  (B),  sondern  Annius  (so  die  übr.  Hss)  hieß.  Diese 
doppelte  Angabe  sucht  er  daraus  zu  erklären,  daß  die  tlberliefe- 
rung  in  B  (IVL,  wobei  in  L  ein  halb  so  großes  I  eingeschrieben 
ist)  ursprünglich  gar  nicht  Juli  bedeutete,  sondern  IV  libri,  und  diese 
Abkürzung  nur  von  einem  Abschreiber  falsch  aufgelöst  worden  sei. 

IL  Beiträge  zu  den  Nachrichten  über  die  äußeren 
Lebensumstände  des  Annius  Florus.  Verf.  sieht  es  als  selbst- 
verständlich an,  'daß  Rhetor,  Dichter  und  Historiker  ein  und  dieselbe 
Person  sind".  Darnach  stellt  er  die  Thatsache  fest,  daß  Florus  122  in 
Rom  war.  Weiter  erschließt  er  daraus,  daß  transmarini  wiederholt 
=  Graeci  ist,  daß  die  epitome  in  Italien  abgefaßt  ist,  eine  Beweis- 
führung, die  auf  ziemlich  schwachen  Füßen  steht. 

III.  Stilistische  Anklänge  an  Vergil.  Dieser  Abschnitt 
bietet  im  einzelnen  manches  beachtenswerte  Resultat.  Dabei  werden 
solche  vergilische  Reminiscenzen  auch  zu  dem  Zwecke  herangezogen,  um 


8(3       Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.) 

eine  Entscheidung  über  zweifelhafte  Lesarten  zu  treffen.  Vielflach  kann 
man  dem  Verf.  beistimmen:  pag.  5,  18  (ed.  Jahn)  florem  (N)  statt  frugem 
(B),  6,  23  prior  (N)  statt  prius  (B),  38,  13  excussit  (N)  statt  exlusit 
(B),  86,  14  erupere  Capuam  (B)  statt  erupere  Capua  (N).  Anderes 
bleibt  zweifelhaft.  Nicht  billigen  kann  ich  5,  20  circa  matrem  ipsam 
cum  finitimis  luctatus  est,  vgl.  Rez.  S.  212.  Zum  Schlüsse  dieses  Ab- 
schnitts stellt  Verf.  auch  etliche  Anklänge  an  Horaz  zusammen,  was 
freilich  sehr  zweifelhaft  bleibt.  Namentlich  geht  die  Stelle  24,  13,  an 
der  Pyrrhus  das  römische  Volk  mit  der  Lernäischen  Hydra  vergleicht, 
sicher  nicht  auf  Horaz  od.  4,  4,  61  zurück.  Findet  sich  doch  diese 
Äußerung  des  PjTrhus  auch  App.  Sam.  3,  10,  3  und  de  vir.  ill.  35,  7. 

IV.  Textkritische  Beiträge.  Ich  hebe  das  Wichtigste 
hervor:  6,  24  increpat  statt  inridet.  —  16,2  wird  Einschiebung  von  eis 
mit  Recht  für  überflüssig  erklärt.  —  38,  10  ut  qui  (N)  statt  ut  quia  (B). 
Wohl  richtig;  übrigens  schon  von  H.  J.  Müller  empfohlen.  —  63,  25 
quattuordecim  (N)  statt  tredecim  (B).  —  69,  3  quod  an  der  Spitze 
der  3  Sätze  (mit  N,  das  3.  Mal  auch  mit  B).  —  117,  16  constituit 
(M)  statt  coustituta  (B),  während  N  constitit  hat.  An  sich  nicht  übel, 
aber  die  Autorität  von  M  reicht  nicht  aus. 

V.  Handschriftliche  Beiträge.  Verf.  macht  uns  mit  cod. 
Mon.  lat.  6392  bekannt.  Diese  Handschrift  gehört  in  dieselbe  Klasse 
wie  N  und  die  von  Beck  (siehe  S.  87  f.)  behandelten  Hss.,  ist  aber  aus  keiner 
von  diesen  abgeschrieben.  Daher  kann  sie  mit  dazu  dienen,  den  ge- 
meinsamen Archetypus  dieser  Klasse  zu  konstituieren.  Lesarten  natür- 
lich, die  nur  durch  sie  überliefert  sind,  haben  wenig  Anspruch  auf 
Berücksichtigung, 

Manitius,  Curtius  und  Florus.    Rh.  Mus.  N.  F.  47  S.  466. 

Verf.  zählt  4  Stellen  auf,  an  denen  sich  bei  Florus  'einige  kaum 
zufällige  Übereinstimmungen  des  Stils  mit  Curtius  zeigen'.  Ich  finde 
diese  Übereinstimmungen  sehr  gering,  höchstens  abgesehen  von  Curt. 
Vm,  9,  10  und  Flor.  I,  7  (13),  17.  Auch  wollen  4  Stellen  wenig 
beweisen. 

Manitius,    Pliilologisches    aus  alten  Bibliothekskatalogen.     Rh. 
Mus.  N.  F.  47,  Ergänzungsheft  S.  71—72. 

In  folgenden  mittelalterlichen  Bibliothekskatalogen  (bis  1300) 
kommt  Florus  vor:  Frankreich:  Chartres,  Bec.  Corbie,  Limoges. 
Deutschland:  Lorsch.  —  Anm.  4  teilt  Verf.  etliche  mittelalterliche 
Citate  aus  Florus  mit. 

Hugo  Willrich,  de  coniurationis  Catiliuariae  fontibus.     Disser- 
tatio  inauguralis.     Gottingae  1893,  Dieterich.     S.  42 — 43. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.)        87 

Des  Floros  Bericht  über  die  Catilinarische  Verschwürung  ist 
aas  Sallust  geschöpft. 

G.  Schoen,  Die  Elogien  des  Augustusforum  und  der  über  de 
viris  illustribus  (Cilli,  Progr.  1895)  S.  23—28. 

Der  Verf.  weist  Hildesheimers  Annahme  der  Benutzung  des  Floru5 
durch  die  Schrift  de  vir.  ill.  mit  Recht  zurück  und  erörtert  die  Frage 
nach  der  gemeinsamen  Quelle  von  Florus,  Ampelius  und  de  vir.  ili. 
Siehe  unten  S.  118.  Das  Schlußresultat  lautet:  Die  Abschnitte  I,  17 
(de  seditionibus),  II,  2.  3.  4.  5.  (seditio  Tiberi  Gracchi,  sed.  C.  Gracchi. 
sed.  Apuleiana,  sed,  Drusiana),  II,  14  (res  sub  Caesare  Augusto)  und 
II,  34  (pax  Parthorum  et  consecratio  Augusti)  sind  fast  vollständig 
aus  einem  biographischen  Werke  genommen,  welches  die  beiühmten 
Männer  in  der  Art  des  liber  memorialis  des  L.  Ampelius  geordnet  hatte. 

Hirzel,  über  den  Dialog  'ist  Virgil  Redner  oder  Dichter'  in 
'Der  Dialog',  Leipzig  1892.     8.  64-70. 

Das  Wesentlichste  aus  den  Erörterungen  des  Verf.  ist  etwa 
folgendes:  man  kann  diesen  Dialog  als  eine  Art  Fortsetzung  des 
Taciteischen  bezeichnen,  da  die  von  Tacitus  erörterte  Frage  nach  dem 
Verhältnis  von  Dichtkunst  und  Beredsamkeit  noch  immer  das  Thema 
manches  Gespräches  bilden  mochte.  Auch  hier  findet  sich  Gegenüber- 
stellung eines  dem  Dienste  der  Musen  gewidmeten  und  eines  melu* 
praktischen  Lebens,  diese  wird  dadurch  noch  verschärft,  daß  der  Gegen- 
satz zwischen  Tarraco  und  Rom  dazu  kommt.  Da  der  Dialog  abbricht, 
bevor  Virgil  überhaupt  erwähnt  wird,  so  vermutet  der  Verf.,  daß  der 
Übergang  zu  diesem  etwa  in  folgender  Weise  hergestellt  worden  sei: 
Florus  erzählt,  daß  er  Knaben  Unterricht  erteile.  Nun  stand  aber 
Virgil  damals  im  Mittelpunkt  des  Jugendunterrichts,  also  lag  es  sehr 
nahe,  daß  auf  ihn  die  Rede  kam,  vielleicht  in  der  Weise,  daß  der  Un- 
bekannte sich  mißbilligend  über  die  Art  der  dabei  üblichen  Virgil- 
erklärung  äußerte.  —  Hinsichtlich  der  Identität  des  Verfassers  des  Dialogs 
mit  dem  Historiker  macht  der  Verf.  S.  70  Anm.  1  darauf  aufmerksam, 
daß,  wie  Fortuna  in  der  Epitome  eine  so  gi-oße  Rolle  spielt,  sie  auch 
pag.  107,  5  und  108,  36  (ed.  Halm)  vorkommt,  und  daß  auch  in  der 
Epitome  'eine  gewisse  Neigung  zu  landschaftlicher  Schilderung  vor- 
handen ist'. 

2.     Kritik,  Erklärung  und  Sprachgebrauch. 

J.  W.  Beck,  zur  Würdigung  der  Leidener  Florushandschriften 
codd.  Voss.  14  und  17.  Commentationes  Woelfflinianae  (Lipsiae  1891) 
S.  159—167. 


ß8       Bericht  üb.  d,  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.) 

Derselbe,  observationes  criticae  et  palaeographicae  ad  Flori 
epitomam  de  Tito  Livio.  Groningae  typis  Jacobsianis  1891.  4.  28 
und  XXXVI  S. 

Rez.:  Berl.  phüol.  Wochenschr.  XII  No.  14  S.  426—427  (Rühl). 

-  Wochenschr.  für  klass.  Phüol.  IX  No.  35  S.  951—953  (Opitz).  — 
Liter.  Centralblatt  1891  No.  31  S.  1048  (A.  H.).  —  Deutsche  Litte- 
raturzeitung  1891  No.  36  S.  1306  (H.  J.  Müller). 

Um  die  Kritik  des  Floriis  auf  eine  breitere  und  festere  Grund- 
lage zu  stellen,  als  sie  der  Bambergensis  (B)  und  der  Nazarianus  (N) 
bieten,  hat  der  Verf.  den  Vossianus  77  aus  dem  13.  Jahrh.  (V),  den 
Vossianus  14  aus  dem  11.  Jahrh.  (v)  und  den  Ilarleianus  2620  eben- 
falls aus  dem  11.  Jahrh.  (H)  herangezogen.  Alle  3  Handschriften 
gehören  in  dieselbe  Klasse  wie  N,  denn  sie  haben  mit  diesem  pag.  110, 
1_24  (Jahn)  die  Lücke  und  pag.  123,  1 — 26  den  Schluß  gemeinsam. 
Da  sie  jedoch  die  Lücken  in  N  pag.  28,  23  und  82,  6  nicht,  wohl  aber 
die  in  B  61,  20  haben,  und  ferner  V  auch  sonst  mitunter  mit  B  über- 
einstimmt, ja  ein  paarmal  allein  das  Richtige  hat,  so  schließt  daraus 
der  Verf.,  daß  VvH  nicht  nur  nicht  direkt  von  N  abhängig  sind,  sondern 
eine  dritte  Klasse  der  Handschriften  bilden,  die  in  V  rein  ver- 
treten sei,  in  Spuren  aber  auch  in  v  und  H.  Ich  möchte  dieser  An- 
nahme nicht  so  unbedingt  beistimmen.  Denn  einerseits  ist  von  H  doch 
ziemlich  wenig  bekannt,  andererseits  müssen  noch  mehr  Handschriften 
herbeigeholt  werden,  ehe  man  zu  einem  so  bestimmten  Resultate  ge- 
langen kann.  Jedenfalls  hat  sich  der  Verf.  durch  seine  Untersuchungen 
um  die  Kritik  des  Florus  ein  großes  Verdienst  erworben,  namentlich 
auch  durch  die  im  2.  Teil  der  größeren  Abhandlung  (S.  II— XXXI) 
gegebene  tabellarische  Zusammenstellung  von  etwa  200  Stellen. 

In  beiden  Aufsätzen  bietet  sich  natürlich  dem  Verf.  vielfach  Ge- 
legenheit, einzelne  Stellen  mehr  oder  weniger  ausführlich  zu  besprechen. 
Das  Bemerkenswerteste  ist  etwa:  pag.  5,  19  Jahn  (3,  21  Halm)  quattuor 
gradus  processusque  mit  VvN,  während  in  B  processusque  fehlt.  —  6,  1 1 
(4,  7)  abiectus  NV  statt  iactatus  B.  —  7,  13  (5,  3)  dolose  mit  Jahn.  — 
7,  23  (5,  15)  in  equis  et  in  armis  mit  NV,  wähi"end  in  B  in  vor  arrais 
fehlt.  Ebenso  wird  32,  25  (2G,  22)  und  83,  11  (70,  1)  auf  Grund  der- 
selben Handschriften  die  Wiederholung  der  Präposition  gebilligt  und 
zwar  mit  Recht.  —  13,  11  (10,  7)  faucibus  incubaret  NV  ohne  das  in 
B  eingefügte  in.  Richtig.  —  13,  21  (9,  31)  quippe  cum  BV  mit  Ellipse 
des  Prädikatverbums.  Wohl  richtig.  —  24,  17  (19,  20)  video  me,  in- 
quit,  plane  procreatum  Herculis  sidere  nach  NVv  gegen  semine  B.  An 
sich  nicht  übel,  aber  das  Kompositum  procreatum  spricht  doch  für  semine. 

—  30,  15  (24,  24)   infestum    et  insessum  NVv,   insessum  B.     Ersteres 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.)       89 

ist  wenig  wabrscbeinlicb.  —  39,  23  (32,  12)  saltem  vel  oculis  mit  NVv. 
Wohl  richtig.  —  43,  11  (35,  18)  wird  mit  Recht  nach  B  de  industria 
beibehalten,  während  in  NVv  die  Präposition  fehlt.  —  44,  10  (3G,  14) 
ne  non  aliquo  ducem  genere  agere  videretur  nur  V,  aber  richtig.  — 
46,  7  (37,  24)  qui  bis  Brenno  duce  (eigene  Konjektur).  Wenig  wahr- 
scheinlich. —  47,  3  (38,  20)  consurgunt  mit  NVv  gegen  exsurgunt  B. 
Nicht  unwahrscheinlich.  —  49,  19  (40,  31)  mit  Vv  bellum  sederet 
statt  de  hello  sederet  B  hello  sederet  N.  Offenbar  war  jedoch  im 
Archetypus  von  NVv  de  ausgefallen ,  und  in  Vv  ist  dann  willkürlich 
korrigiert  worden.  —  53,  20  (44,  13)  summus  vir  astu  et  audacia,  nur 
V,  aber  entschieden  beachtenswert.  —  57,  23  (48,  5)  rex  callidissimus 
populura  Romanum  armis  iuclitum  et  invictum  opibus  adgressus  est 
mit  Vv,  während  in  B  armis  invictum  opibus  adgressus  est  über- 
liefert ist  und  N  inclitum  statt  invictum  bat.  Dadurch  gebt  aber  der 
schai'fe  Gegensatz  zwischen  armis  und  opibus  —  es  bandelt  sich  nämlich 
um  Jugurtba  —  völlig  verloren.  Denn  daß  er  das  armis  invictum 
römische  Volk  opibus  adgressus  est ,  war  doch  eben  das  Besondere.  — 
58,  22  (48,  37)  Zamam  quidem  frustra  involvit.  Falsch,  vgl.  Rez. 
S.  953.  —  63,  22  (53,  15)  in  mare  sinistrum  mit  NVv.  Sehr  halt.  — 
84,  14  (71,  4)  in  principe  gentium  populo  mit  NVv,  während  in  B 
gentium  fehlt.  Richtig.  —  86,  15  (72,  30)  ad  vexillura  in  auxilium 
vocatis  nur  mit  H  (ad  vexillum  ad  auxilium  N).  Der  Zusatz 
in  oder  ad  auxilium  ist  nicht  am  Platze.  Wem  sollen  denn  die 
Sklaven  zu  Hülfe  kommen?  Es  handelt  sich  einfach  darum,  daß  sie 
unter  die  Fahnen  gerufen  werden.  Auxilium  ist  eine  Dittographie  zu 
vexillum,  die  in  B  das  Richtige,  das  in  V  überliefert  ist  (ad  vexillum 
vocatis),  verdrängt  hat,  während  in  N  beides  nebeneinander  steht.  - 
89,  10  (75,  11)  aut  in  Punica  aut  in  Cimbrica  urbe  mit  NVv.  Schwerlich 
richtig.  —  90,  3  (75,  38)  in  patentibus  templis  mit  NVv  (peneten- 
tibus  B,  penetralibus  Jahn).  Vielleicht  richtig.  Dem  Zusammenhange 
nach  erwartet  man  freilich  mehr  einen  Begriff,  wie  'in  den  innersten 
Teilen  der  Tempel'.  —  91,  5  (76,  34)  quid  aliud  quam  mit  NVv  gegen 
amplius  B.  Wohl  richtig.  —  94,  13  (79,  29)  externis  mit  NVv  gegen 
exteris  B.     Unsicher. 

Derselbe,    nachträgliche  Bemerkungen  zu  Florus.    Berl.  pbilol. 
Wocbenschr.  1891  S.  258-260. 

1.  teilt  der  Verf.  aus  einer  ihm  von  Wölflflin  zur  Verfügung  ge- 
steDten  Kollation  von  N  bemerkenswerte  Berichtigungen  zu  Jahns  An- 
gaben mit.  2.  giebt  er  zu  etlichen  Stellen  seiner  observationes  Nach- 
träge. Dabei  empfiehlt  er  mit  Recht  100,  18  (85,  20)  aus  Vv  Pompei 
caedem  einzusetzen.     Wenn  dagegen  in  den  Worten  8,  1  (5,  24)  Quiri- 


90       Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.) 

Dum  in  caelo  vocari  in  Vv  iu  fehlt ,  so  macht  dies  keineswegs  'die 
Wahl  schwer'.  Denn  der  Dativ  caelo  könnte  unmöglich  =  ad  caelum 
sein,  und  in  ist  einfach  im  Schlüsse  von  Quirinum  verschwunden.  Und 
wenn  der  Verf.  findet,  daß  21,  20  (17,  5)  die  Lesart  von  NVv  a  latere 
(B  late)  dadurch  unterstützt  wird,  daß  diese  Worte  auch  einmal  im 
Dialogusfragment  vorkommen,  so  bemerke  ich  folgendes:  erstens  ist 
an  dem  Ausdruck  a  latere  gar  nichts  Besonderes,  und  zweitens  giebt  er 
au  vorliegender  Stelle  keinen  Sinn. 

AlfonsEgen,  quaestiones  Florianae.  Progr.  des  Kgl.  Pauliuischen 
Gymnasiums  in  Münster.     1891.     4.     17  S. 

ßez.:  Wochenschr.    für  klass.  Philol.  VIII  No.  43  S.  1170—72 
(Opitz).  —  Archiv  füi-  lat.  Lexikographie  VII  S.  613—614. 

Im  1 .  Teile  dieser  Abhandlung  wendet  sich  der  Verf.  gegen  Bieligk, 
der  die  von  ihm  in  seiner  Dissertation  de  Floro  historico  elocutionis 
Taciteae  imitatore  (Münster  1882)  behauptete  Nachahmung  des  Tacitus 
durch  Florus  geleugnet  hatte,  und  sucht  die  Richtigkeit  seiner  An- 
schauung von  neuem  zu  erweisen,  wobei  er  bereitwillig  zugiebt,  daß 
Florus  außer  Tacitus  auch  noch  andere  Schriftsteller  mit  Erfolg 
studiert  habe.  Zu  dem  Zwecke  führt  der  Verf.  übereinstimmende 
Äußerungen  beider  über  ßegierungsform,  sittliche  Zustände,  Religiöses 
und  Politisches  an,  ferner  Übereinstimmung  im  Gebrauch  gewisser 
Ausdiücke  und  Redensarten,  sowie  in  der  Wortstellung,  dann  mancherlei 
aus  der  Syntax,  z.  B.  Ellipse  von  esse ,  Gebrauch  der  Kasus,  so  elabi 
und  invadere  mit  dem  Accusativ,  weiter  apud  =  in,  Parenthesen  (rarum 
alias  decus)  u.  s.  f.  Mag  auch  manches  davon  auf  Zufall  beruhen, 
im  ganzen  hat  der  Verf.  mit  seiner  Behauptung  recht,  zumal  da  er 
selbst  betont,  daß  Florus  eventuell  inscius  (S.  6)  nachgeahmt  habe. 

Im  2.  Teile  (S.  11 — 17)  bespricht  der  Verf.  eine  größere  Anzahl 
Stellen,  an  denen  nach  seiner  Ansicht  die  Lesart  von  N  vor  der  von 
B  den  Vorzug  verdient.  Daß  au  9  von  ihnen  dieser  Nachweis  schon 
von  anderen  geliefert  war,  habe  ich  Rez.  S.  1171  erwähnt.  Eben- 
daselbst habe  ich  mich  einverstanden  erklärt  mit  der  Behandlung 
von  II,  16,  18  in  torrente  Vergelli,  II,  15,  1  patratum,  IV,  2,  80 
nihil  aliud  quam,  IV,  11,  11  dififerto,  dagegen  Bedenken  geäußert  gegen 
II,  2,  17  angente  insuper,  II,  15,  1  maximo  eventu,  III,  18,  11  caedibus 
ferro  et  igne,  zum  Teil  auch  gegen  III,  5,  10  mox  subruto  Piraei  portu 
sex  quoque  et  amplius  muris  postquam  domuerat.  Empfehlenswert  er- 
scheint mir  ferner  noch  I,  7,  2  immissis,  IV.  7,  II  error,  unsicher 
bleibt  III,  12,  7  nimia  felicitas,  IV,  7,  6,  ob  iraminentis  durch  destinatae 
erklärt  ist  oder  umgekehrt,  und  III,  14,  5  contra  fas  coUegii,  ins  potestatis. 
Denn,    obgleich    letztere  Lesart   auf  den  ersten  Blick  ansprechend  ist, 


Bericht  üb.  d.  Litteratiir  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.)       91 

so  verdient  doch  vielleicht  die  von  B  coUegii  iuris  potestatis  den  Vor- 
zug, wenn  man  annimmt  daß  der  Schriftsteller  au  den  Unterschied 
von  tribunicischera  ius  und  tribunicischer  potestas  gedacht  hat.  — 
Dreimal  empfiehlt  der  Verf.  Lesarten  von  B:  I,  1,  13  hiuc,  I,  13,  8 
propiuquabant,  I,  17,  4  pastorali.  Ich  möchte  dies  in  allen  drei  Fällen 
als  unsicher  bezeichnen. 

J.  C,  G.  Boot,  analecta  critica  in  Mnemosyne  N.  S.  XVIII, 
S.  360—61. 

I,  4  (10)  3:  tunc  illa  tria  (in  B,  fehlt  in  N)  ßomani  nominis 
prodigia.  Richtig,  aber  schon  längst  von  Köhler  und  Freudenberg 
vorgeschlagen.  —  I,  24  (II,  8)  1:  quadara  casus  quasi  industria  sie 
adgubernante  fortuna.  Verfehlt.  Denn,  da  casus  ungefähr  dasselbe, 
wie  fortuna,  sein  müßte,  wäre  derselbe  Begriff  störenderweise  doppelt 
ausgedrückt.  —  S.  357  wird  I,  5  (11),  8  Faesulae  in  Aesulae  ge- 
ändert (ebenso  Sali.  Cat.  43,  1).  Beachtenswert,  aber  doch  wohl  nicht 
nötig.     Vgl.  Jahrb.  f.  Philol.  1886.    S.  432. 

Adam  Miodouski,  miscellanea  latina.  Abh.  der  Krakauer  Akad. 
phUol.  Klasse  XVI  (1892)  S.  393-396. 

Mit  Recht  verteidigt  der  Verf.  pag.  24,  19  J  (19,  25  H)  die  Lesart 
von  B  senatum  regum  esse  (vgl.  Wochenschr.  für  klass.  Pliilol.  IX  S.  952). 
Von  den  4  Konjekturen  sind  beachtenswert  123,  15  (105,  5)  quasi  victo- 
riae  pertaederet  und  Verg.  or.  an  poeta  XLII,  6  (107,  6)  ex  illo  die, 
quo  (cuius  quo  die  Hs.)  —  tu  mihi  testis  es  —  palmam  (postquara  die 
Hs. ,  korr.  Mommsen)  ereptam  manibus  et  capiti  coronam  meo  vidi. 
"Wenigstens  ist  dies  dem  Sinne  nach  ganz  angemessen;  daß  jedoch 
palmam  in  postquam  verderbt  worden  sei,  ist  freilich  wenig  wahrschein- 
lich. Wenn  dagegen  der  Verf.  5,  20  (3,  24)  im  Anschluß  an  Beck 
circum  urbem,  matrem  circum  ipsam  vorschlägt,  so  muß  ich  dagegen 
dasselbe  sagen,  wie  gegen  Beck  a.  a.  0.  S.  952.  Auch  August,  civ. 
dei  III,  14  ist  von  der  Auflehnung  einer  filia  civitas  gegen  die  civitas 
mater  die  Rede,  während  an  unserer  Stelle  jeder  solche  Gegensatz 
fehlt.  Wenig  wahi'scheinlich  ist  auch  70,  18  (59,  19)  die  Streichung 
der  allerdings  sonderbaren  Worte  et  ob  hoc  Veneri  sacrara. 

Theodor  Berndt,  kritische  Bemerkungen  zu  Griechischen  und 
Römischen  Schriftstellern.  Festschrift  zur  350  jährigen  Jubelfeier 
des    Friedrichs-Gymnasiums   zu    Herford.     Progr.   1891.     S.  9 — 10. 

II,  20  (IV,  12)  34  wendet  sich  Verf.  mit  Recht  gegen  Köcher, 
der  aus  den  Worten  Varus  perdita  castra  (perdicastra  B,  perditas 
res  N)  eodem  quo  Cannensem  diem  Paulus  et  fato  est  et  animo  secutus 


92       Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.) 

herausliest,  daß  die  Schlachten  bei  Cannä  und  im  Teutoburger  Walde 
an  demselbeu  Tage  stattgefunden  hätten.  Des  Verf.  Konjektur  perdit 
castra  gefällt  mir  aber  nicht,  da  der  Satz  sehr  unbeholfen  wird,  wenn 
er  2  Verba  erhält.     Das  Richtige    bietet  vielmehr  N  mit  perditas  res. 

Wölfflin,  zum  Afrikaner  Florus.  Archiv  für  lat.  Lexikographie 
VIII  S.  452. 

barbari  barbarorum  Flor.  2,  26  (4,  12)  13  und  urbem  urbium 
1,  22  (2,  6)  35  bezeichnet  Verf.  als  Senütismen,  also  von  Florus  aus 
Afrika  mitgebracht. 

Derselbe,  Daselbst  X  S.  181  Anm. 

1,  38  (3,  3)  3  bieten  die  Handschriften  teils  ai'mis  petere  coeperunt 
teils  a.  p.  constitumt.  Deshalb  ist  vielleicht  beides  zu  streichen  und  der 
inf.  bist,  herzustellen. 

*Morawski,  de  sermone  scriptorum  latinorum  aetatis,  quae  dicitur 
argentea,  observationes.     Eos  11  S.  1  —  13. 

3,    Ausgaben. 

L.  Annaei  Flori  epitomae  libri  II  et  P.  Anuii  Flori  fragmentum 
de  VergiUo  oratore  an  poeta.  Edidit  Otto  ßossbach.  Lipsiae  in 
aedibus  B.  G.  Teubneri  1896.     8.    LXVin  und  272  S. 

Rez.:  Wochenschrift  für  klass.  Philologie  1897  No.  20  S.  542—550 
und  No.  21  S.  568—577  (Heraeus).  —  Berl.  philo!.  Wochenschr.  1897 
No.  3  S.  76—77  (Helmreichj.  —  Archiv  für  lat.  Lexikographie  X 
S.  306  f.  —  Bolletino  di  filologia  classica  1897  S.  229—233  (Valmaggi). 

—  Mitteilungen  aus  der  historischen  Litteratur  1897  S.  153  (Heyden- 
reich).  —  Litterarisches  Centralblatt  1897  No.  I  S.  29  (C.  W.).  — 
Österreichisches  Litteraturblatt  1897  No.  18  S.  556  (Bohatta).  —  Revue 
critique  1897  S.  556  (P.  L.).  —  Deutsche  Litteratnrzeitung  1897 
No.  43  S.  1694—96  (Zingerle).  —  Histor.  Jahresberichte  1896  S.  926. 

—  Revue  de  philologie  XXI  S.  217. 

Der  Inhalt  der  reichhaltigen  praefatio  ist  folgender:  Auf  die 
Periode  der  Überschätzung  des  Bambergensis  durch  Jahn  und  Halm*) 
folgte  bald  die  Reaktion,  indem  man  den  Nazarianus  wieder  zu  Ehren 
zu  bringen  suchte.  Doch  genügen  diese  beiden  Handschriften  nicht  als 
Grundlage  der  Rezension,  man  muß  noch  andere  Vertreter  der  2.  Klasse 
heranziehen,  ja  selbst  die  aus  dem  12.  bis  14.  Jahrhundert  sind  der 
Beachtung  würdig.  Der  Herausgeber  hat  eine  große  Anzahl  von  Hand- 
schriften neu  verglichen,  vor  allen  B  selbst,  wobei  sich  herausgestellt 
hat,  daß  ß'  manches,  was  der  erste  Schreiber  nicht  lesen  konnte,  nach- 

*)  Übrigens  hat  Halm  nicht  undecim  annos  post  Jahnium  seine 
Ausgabe  veranstaltet,    sondern    die  Vorrede   ist  vom  Oktober  18yb  datiert. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Gescbichtsschrcibera.  (Opitz.)       93 

getragen  und  vieles  korrigiert  hat,  also  sehr  wichtig  ist,  wahrend  B^ 
jüngeren  Ursprungs  ist,  ferner  N,  in  dem  dieselbe  Hand  (N')  wohl 
nach  dem  Archetj'pus  korrigiert  hat,  während  N-  nicht  viel  wert  ist, 
ferner  L  (Voss.  14  saec.  XI),  eine  Handschrift,  die  aus  derselben  Vor- 
lage wie  N  Staramt,  aber  von  dessen  Fehlern  vielfach  frei  ist  (vgl.  oben 
S.  88).  Diese  3  Handschriften  bilden  das  feste  Rückgrat  der  Rezension, 
daneben  werden  noch  einige  andere  Vertreter  der  2.  Klasse  mehr  oder 
weniger  herangezogen.  Ferner  können,  jedoch  mit  Vorsicht,  die  von 
Florus  benutzten  Quellen  einige  Hülfe  leisten.  Wichtiger  sind  die  expila- 
tores.  Von  ihnen  stimmt  Orosius  im  ganzen  mehr  zu  der  Rezension  C 
(=zz  N  -+-  L),  dagegen  Jordanes  zu  B,  so  daß  sich  aus  diesen  beiden  der 
Archetypus  A  (=  B  -f-  Jj  herstellen  läßt,  der,  da  Jordanes  551  schrieb, 
älter  als  die  Mitte  des  6.  Jahrhunderts  war.  Die  Kapitelüberschriften 
stammen  nach  der  Ansicht  des  Herausgebers  nicht  von  Florus  selbst: 
ihren  Verfasser  möchte  er  wegen  des  Ausdruckes  änacephalaeosis  ins 
4.  Jahrhundert  setzen  und  in  dieselbe  Zeit  auch  den  in  etlichen  Hand- 
schritten stehenden  Prologus.  Die  echte  Einteilung  ist  die  in 
2  Bücher,  wie  sich  aus  I,  47,  14  ergiebt,  die  in  4  Büchern  hängt 
mit  den  von  Florus  angesetzten  4  Zeitaltern  der  Entwickelung  Roms 
zusammen.  Im  ganzen  erklärt  der  Heransgeber  die  recensio  A  für 
die  bessere,  nicht  selten  freilich  läßt  sich  eine  endgültige  Ent- 
scheidung kaum  geben,  da  die  Statistik  des  Sprachgebrauchs  für 
die  Kritik  nur  mit  Vorsicht  verwendbar  ist.  Über  den  Archetypus 
läßt  sich  nicht  viel  mit  Bestimmtheit  sagen,  jedenfalls  fanden  sich  in 
ihm  schon  zahlreiche  variae  lectiones. 

Der  richtige  Name  des  Schriftstellers  ist  Aanaeus  (C),  während 
Julius  (B)  aus  dem  Vornamen  Lucius  entstanden  ist.  Er  schrieb  unter 
Hadi'ian  und  ist  mit  dem  Dichter  und  dem  Rhetor  identisch,  denn 
Annius  kommt  auch  sonst  als  Variante  von  Annaeus  vor.  Der  authentische 
Titel  des  Werkes  läßt  sich  nicht  mehr  feststellen. 

Als  Quellen  nimmt  der  Herausgeber  in  geringem  Maße  Catos 
origines,  in  reichlichem  das  Geschichtswerk  des  älteren  Seneca  an,  das 
\on  dessen  Sohne  herausgegeben  wurde.  Auf  dieses  weist  vor  allem 
die  beiden  gemeinsame  Einteilung  des  römischen  Volkes  in  4  Menschen- 
alter hin,  auf  dieses  sind  auch  die  günstige  Beurteilung  des  Augustus 
und  die  Übereinstimmungen  mit  Lucanus  zurückzuführen.  Ferner  sind 
benutzt  Livius  (vielleicht  indirekt  durch  Seneca),  Sallust,  Cäsar  und 
vielleicht  auch  andere  Quellen.  Dieser  Abschnitt  über  die  Quellen 
befriedigt  mich  am  wenigsten  von  der  ganzen  praefatio,  denn  viele  der 
einschlagenden  Fragen  sind  mit  keinem  Worte  berührt. 

Den  Schluß  bilden  Erörterungen  über  die  Orthographie  und  addenda 
et  corrigenda. 


94       Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.) 

Es  folgt  der  Text  mit  dem  darunter  stehenden,  sehr  ausführlichen 
kritischen  Kommentar,  in  dem  selbst  die  geringsten  Abweichungen  der 
maßgebenden  Handschriften  verzeichnet  sind.  Dadurch  hat  er,  mit  dem 
Jahnschen  verglichen,  an  Ausdehnung  sehr  gewonnen,  an  Übersichtlich- 
keit freilich  ebenso  sehr  verloren.  Das  liegt  jedoch  in  der  Natur  der 
Sache  und  läßt  sich  nicht  ändern. 

Um  nun  ein  Bild  von  der  Neugestaltung  des  Florustextes  zu 
geben,  stelle  ich  die  bemerkenswertesten  jAbweichungen  von  Halms 
Ausgabe  für  einige  Kapitel  des  2.  Buches  (der  Einteilung  in  4  Bücher) 
zusammen.  Dabei  ist  die  vor  den  Klammern  stehende  Lesart  die 
Halmsche : 

II,  2,  1  cunctas]  obvias  C.  —  3  sed]  et  N.  Prinzipiell  be- 
denklich. Auch  giebt  sed  einen  besseren  Sinn.  An  sich  ist  beides  ent- 
behrlich. —  13  atque]  adeoque  JC.  —  moratus  hostes  est]  moratus 
est  hostes.    Konjektur  des  Herausgebers  (est  fehlt  in  den  Handschriften). 

—  14  inscripserit]  scripserit  C.  "Wohl  keine  von  beiden  Lesarten  ist 
richtig.  —  23  clade]  clades  mit  allen  Hss.  —  27  ne]  ut  nee  L 
(ut  ne  N,  ne  A).  —  aggredi  cogitarent]  cogitarent  C.  —  29  ab  his] 
ibi  JC.  —  30  classem  iam]  classem  hostium  iam  C.  —  Aegimurum 
ostium]  Aegimurum  C.  Unsicher.  —  31  quantusque  tum]  quantus  o 
tum  mit  allen  Hss.  außer  J. 

II,  3,  2  Hlyrici]  Illyrii  B  L.  —  3  inbuerant]  inbuebant  C  (J  fehlt). 

—  5  igni]  ignibus  C. 

II,  4,  2  umente]  umenti  C.  —  cum  vix]  f  quam  mox.  Die  Heilung 
ist  in  der  That  noch  nicht  gefunden.  Auch  Heraeus'  mox  quam 
(addenda  pag.  LXIII)  ist  unwahrscheinlich. 

II,  5,  4  strictae  secures  in  principum  colla]  strictae  in  principum 
colla  secures  C.     Zweifelhaft. 

n,  6,  2  mare  ablatum]  ablatum  mare  C.  Zweifelhaft.  —  patris] 
patri  C.  —  13  equitatus]  eques  nur  mit  L,  also  völlig  unbegründet.  — 
16  ex  constituto]  ad  constitutum  JC.  —  pulvere  et  sole]  pulvere  sole  C. 
Unsicher.  —  18  Vergello]  Vergelli  C.  —  21  perrexit]  peragrare  C. 
Sehr  zweifelhaft.  —  ipsius]  ipse  mit  allen  Hss.  —  22  indomituraque] 
indomitum  C.  —  23  permissum  est  Interim  respirare  Romanis] 
Interim  respirare  Romanus  C.  —  24  senatus  in  medium  libensj  libens 
senatus  in  medium  C.  Zweifelhaft.  —  25  referrenturj  deferrentur  C.  — 
26  petiverunt]  petierunt  C.  —  29  ausus]  ausus  est  mit  allen  Hss.  — 
reppulitj  perculit  Salmasius  (perpulit  A,  pepulit  N).  —  Campaniam 
suam]  Campania  sua  mit  allen  Hss.  —  30  pudor]  o  pudor  JC.  — 
servili  pugnaret  exercitu]  manu  servili  pugnaret  C.  —  31  o]  immo  N^. 
"Wenig  begründet.  —  dubitare  debuissetj  dubitaret  C.  —  32  mediamque] 
mediaque  Wurm.     Ansprechend,    aber    nicht    nötig.    —    35   sed    nihil] 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.)        95 

nihil  JC.  —  vilisque  mortis]  vilisqae  morti  C.  Sehr  zweifelhaft.  — 
36  com  iam]  cum  JC  (cum  vim  B).  —  oppresserant]  oppresserunt  JC.  — 
38  illam  Hannibalis]  pusilli  illam  iam  Hannibalis  oder  vielmehr  (siehe 
praefatio  S.  XXXII  A.  1)  pusilli  iam  Hannibalis  nur  mit  B.  Wenn 
einmal  die  Lesart  von  B  allein  vorgezogen  werden  soll,  v^as  grund- 
sätzlich doch  nicht  ohne  Bedenken  ist  (vgl.  unten),  dann  ist  der 
2.  Vorschlag  vorzuziehen.  Vielleicht  ist  aber  doch  illam  (JC)  ohne 
iam  (so  C)  das  Richtige.  —  40  restitueret]  restituerit  JC.  —  suum 
quidem]  quidem  snum  C.  —  saltem  ocalis]  saltem  vel  ocnlis  C.  Höchst 
bedenklich.  Es  liegt  doch  wohl  eine  alte  Variante  vor.  —  41  in] 
inter  C.  Zweifelhaft.  —  42  Tarentum]  Tarentus  C  (nur  aus  dieser 
Form  kann  Tarentinus  in  L  entstanden  sein).  —  sedes  domus  et  patria] 
sedes  et  patria.  Wenig  wahrscheinlich.  Denn  domiis  steht  in  allen 
Handschriften,  es  kann  sich  nur  fragen,  ob  et  vor  domus  zu  stehen 
(C)  oder  zu  fehlen  (A)  hat.  —  44  deos  restitisse?  deos  inquam  nee 
fateri  pudebit]  deos  —  deos  i.  n.  f.  p.  —  restitisse?  C  (J  fehlt).  — 
45  summovere]  summoveri  mit  allen  Hss.  —  46  fugit]  itaque  fugit 
JC.  —  51  in  ultimum  .  .  .  angulumj  in  ultimo  .  .  .  angulo  mit  allen 
Hss.  —  summoverat]  submovebat  C.  —  51  longissima  est]  longissiraa 
C,  —  55  in  Africa]  in  Africam  JC.  —  56  utriusque  classis]  utriusqae 
C.  —  58  antea]  ante  JC.  —  59  et  steterunt]  steterunt  JC.  — 

Ich  knüpfe  daran  noch  einige  Bemerkungen.  Schon  aus  dieser 
kurzen  Übersicht  ergiebt  sich  ,  daß  der  Herausgeber  an  zahlreichen 
Stellen,  wo  die  Lesarten  von  C  und  die  von  A  (=  B  -f-  J)  oder  von  ß 
allein,  wenn  J  fehlt,  an  sich  betrachtet  beide  möglich  sind,  die  ersteren 
bevorzugt,  wenn  er  glaubt,  daß  für  diese  sich  Gründe  des  Sprachge- 
brauchs oder  sonstiger  Art  geltend  machen  lassen.  In  vielen  Fällen 
stimme  ich  ihm  ohne  weiteres  bei,  in  anderen  habe  ich  die  Bemerkung 
hinzugefügt,  daß  mir  die  Berechtigung  dazu  zweifelhaft  erscheint. 
Andererseits  könnte  ich  dem  gegenüber  eine  ganze  Anzahl  Stellen 
nennen,  an  denen  sich  mit  gleichem  oder  vielleicht  auch  besserem 
Rechte  die  Lesart  von  C  in  den  Text  einsetzen  ließe,  während  der 
Herausgeber  die  von  A  oder  B  bevorzugt  hat.  Das  ist  ja  eben  der 
Punkt  in  der  Floruskritik,  bei  dem  wir  nie  zu  einem  zweifellos  sicheren 
Resultate  kommen  werden,  es  müßte  denn  die  handschriftliche  Unter- 
lage durch  neue  Funde  sich  in  ungeahnter  Weise  umgestalten,  was  ja 
aber  nicht  zu  erwarten  ist. 

Sobald  JC  gegen  B  zusammenstimmen,  ist  prinzipiell  die  erstere 
Lesart  aufzunehmen.  Denn  dann  liegt  eine  Übereinstimmung  der  Ver- 
treter zweier  verschiedenen  Klassen  vor,  so  daß  die  Lesart  von  B  auf 
Versehen  beruht.  Diesem  Prinzip  ist  der  Herausgeber  nicht  immer 
treu   geblieben.    Ich   führe   folgende  Stellen   an:    II,  2,  5  illam  ipsam 


96       Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.) 

B  ipsam  illani  JC,  was  freilich  im  Kommentar  nicht  erwähnt  ist,  II,  2,  25 
hostis  ß  hostes  JC,  II,  6,  6  igne  B  igui  JC,  II,  6,  38  pusilli  iam  B  illam 
iam  J  illam  C  (vgl.  oben  S.  95),  II,  6,  46  fugit  B  itaque  fugit  JC,  wo  der 
Herausgeber  in  der  Anm.  geneigt  ist,  itaque  wegzulassen.  An  2  weiteren 
Stellen  kann  man  allerdings  zweifelhaft  sein,  ob  nicht  doch  eine  bloß  zu- 
fällige Übereinstimmung  in  Schreibfehlern  vorliegt:  II,  2,  23  par  tantae 
calamitati  B,  calamitatis  JC,  ich  kann  wenigstens  keine  andere  Stelle  nach- 
weisen, an  der  par  in  diesem  Sinne  mit  dem  Genetiv  konstruiert  wäre; 
II,  6,  3  in  causam  B  in  causa  JC,  wo  letzteres  doch  kaum  möglich  ist. 

Schließlich  erwähne  ich  noch,  daß  der  Herausgeber  nicht  selten 
in  den  Anmerkungen  Konjekturen  mitteilt,  ohne  sie  in  den  Text  einzu- 
setzen. Im  2.  Buche  scheinen  mir  von  diesen  folgende  beachtenswert 
zu  sein:  6,  35  Annahme  einer  Lücke  vor  dem  ut-Satz;  8,  17  Ein- 
klammerung von  fuerunt;  17,  16  [castra]  etiam  praetorium  praesidium; 
18,  10  inusitatis  statt  iniustis.  Für  unnötig  halte  ich  6,  50  iam  tum 
quom  statt  tantum  quod  und  15,  5  luxuriari  felicitate  inciperent  statt 
felicitas  inciperet,  für  unrichtig  19,  3  GaUica  atque  Germanica  statt 
Gallicis  atque  Germanicis,  denn  als  Ki'lege  cum  exteris  gentibus  dürfen 
diese  nicht  von  den  vorhergehenden  getrennt  werden. 

S.  188 — 272  ist  ein  sehr  ausführlicher  index  nominum  et  rerum 
memorabilium  beigegeben,  für  den  alle  Benutzer  des  Florus,  namentlich 
aber  die  Historiker  dem  Herausgeber  sehr  dankbar  sein  werden. 

Die  auf  germanische  Verhältnisse  sich  beziehenden  Stellen 
des  Florus  sind  zusammengestellt  bei  Riese,  das  rechtsrheinische  Ger- 
manien in  der  antiken  Litteratur  (Leipzig,  Teubner  1892),  siehe  Erstes 
Register  S.  455.  Zu  Grunde  liegt  der  Halmsche  Text.  II,  30  (IV,  12) 
26  (S.  57)  wird  statt  per  Mosam  flumen  mit  Beigk  per  Araisiara 
Humen  geschrieben. 

Der  Abschnitt  über  die  Schlacht  im  Teutoburger  Walde 
II,  30  (IV,  12)  29—39  ist  abgedruckt  in  der  Chrestomathie  aus 
Schriftstellern  der  sogenannten  silbernen  Latinität  von 
Tb.  Opitz  und  A.  Weinhold  (Leipzig  1893),  Heft  1  S.  127—128.  Der 
Text  ist  der  Halmsche,  nur  36  ist  intolerantius  aus  N  statt  intolera- 
biüus  eingesetzt. 

Jastinns. 

C.  Wachsrauth,  Timagenes  und  Trogus.     Rh.  Mus.  N.  F.    46 
(1891).     S.  465-479. 

Indem  der  Verf.  von  der  Behauptung  Gutschmids  ausgeht,  Trogus 
habe   nur    die  Bearbeitung  eines  griechischen  Originalwerkes  geliefert. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röra.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.)        07 

dessen  Verfasser  Timagenes  war,  macht  er  zunächst  wahrscheinlich, 
daß  der  Titel  dieses  Werkes  r.zpl  BajtXeujv  war  und  daß  alle  erhaltenen 
Fragmente  sich  auf  dieses  zurückführen  lassen.  Alsdann  untersucht  er, 
'inwiefern  die  Eigenart  des  Timagenischen  Werkes  in  der  Weltgeschichte 
des  Trogus  wiederkehrt,  soweit  wir  aus  der  knappen  Fassung  der 
Prologe  und  aus  dem  unglaublich  willkürlichen  Exzerpte  des  Justinus 
uns  eine  annähernd  zutreffende  Anschauung  zu  verschaft'en  imstande 
sind".  Als  Resultat  ergiebt  sich:  Überall  spielt  das  Königtum  und 
alles  monarchische  Wesen  eine  große  Rolle.  Dies  zeigt  sich  z.  B.  auch 
in  den  zahlreichen  Exkursen,  die  freilich  meist  nur  noch  in  den  An- 
deutungen der  Prologe  zu  erkennen  sind.  Im  besonderen  zeigt  sich 
Benutzung  des  Timagenes  in  gewissen  rhetorisierenden  Zügen,  in  der 
häutigen  Verbindung  der  ältesten  Künigsgeschichte  eines  Volkes  mit 
geographischer  Grundlage  und  ethnographischer  Schilderung,  bei  der 
Hervorhebung  merkwürdiger  Naturprodukte,  in  der  kulturgeschicht- 
lichen Richtung,  namentlich  indem  dem  Aufkommen  der  einzelnen 
Künste  u.  s.  w.  nachgegangen  wird.  Aus  ihm  stammt  auch  die  merk- 
würdige Römerfeindschaft  und  Partherfreundschaft.  Daneben  hat  jedoch 
Trogus  noch  viele  andere  Quellen  benutzt,  jedenfalls  rührt  auch 
der  Gesamtplan  seiner  Universalgeschichte  von  ihm  selbst  her,  ferner 
wohl  auch  das  Interesse  für  naturwissenschaftliche  Probleme  und  die 
auffallende  Berücksichtigung  der  Gallier,  —  praef.  3  ist  segregata  .... 
occupaverant  und  prol.  XVIII  Uticae  statt  Veliae  (mit  Bongars)  zu 
schreiben, 

V 

Josef  Sorn,  über  den  Gebrauch  der  Präpositionen  bei  M.  Junia- 
nus Justinus,  Laibach,  Jahresbericht  des  k.  k.  Staatsobergj'moasiums. 
1894.     gr.  8.     30  S. 

Rez,:  Archiv  für  lateinische  Lexikographie  IX  S.  318. 
Vorliegende  Abhandlung  verfolgt,  abgesehen  von  ihrem  eigent- 
lichen Zweck,  zugleich  noch  den  weiteren,  auf  Grund  des  Sprachgebrauchs 
die  Richtigkeit  der  Rühlschen  Textesrezensiou  zu  prüfen.  Von  Justin 
nimmt  der  Verf.  an,  er  habe  sein  Werk  in  den  ersten  Jahren  Mark 
Aureis  verfaßt  und  außer  Trogus  auch  Livius,  Sallust,  Tacitus  u.  a. 
gelesen,  woraus  es  sich  erkläre,  daß  sich  bei  ihm  Redewendungen  der 
klassischen,  silbernen  und  uachklassischen  Latinität  finden.  Ferner  sei 
er  beeinflußt  von  Florus  und  Ampelius.  Namentlich  fände  sich  zwischen 
den  praefationes  des  Justinus,  Florus  und  Avianus  eine  große  Ähnlich- 
keit. Auch  seien  einzelne,  wenngleich  geringe  Spuren  afrikanischer 
Latinität  nicht  zu  verkennen.  Viele  dieser  vom  Verf.  aufgestellten  Be- 
hauptungen stehen  meines  Erachtejis  auf  etwas  schwachen  Füßen. 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.   Bd.  LXXXXVII.  (1898,  U.)     7 


98       Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.) 

Vou  S.  5  au  werden  daim  die  Präpositionea  in  alphabetischer 
Reihenfolge  besprochen.  Für  das  allgemein  i' bliche  begnügt  sich  der 
Verf.  damit,  die  Häufigkeit  des  Vorkommens  ziffernmäßig  anzugeben; 
alles  irgendwie  Bemerkenswerte  aber  bespricht  er  ausführlich.  Dabei 
bietet  sich  ihm  die  Gelegenheit,  zahlreiche  Stelleu  kritisch  zu  besprechen, 
wobei  er  Eühl  teils  beipflichtet,  teils  —  und  zwar  häufiger  —  wider- 
spricht. In  sehr  vielen  Fällen  sind  die  Darlegungen  des  Verf.  über- 
zeugend. So  läßt  er  gewiß  mit  Recht  a  weg  12,  1,  4  vor  Macedonia, 
20,  1,  15  vor  Lacedaemone,  37,  3,  4  vor  regno ,  43,  1,  5  vor  nomine, 
unsicherer  ist  es  1,  2,  8  vor  viro,  11,  12.  7  vor  Alexandro,  38,  3,  7  vor 
Scythia,  da  es  an  diesen  Stellen  nur  in  T  fehlt  und  diese  Handschriften- 
klasse a  fälschlich  auch  12,  11,  2  und  15,  4,  12  ausläßt  und  2,  8,  8 
durch  e  ersetzt.  14,  5,  9  ist  bei  Rühl  keine  Variante  angegeben.  Ferner 
sind  wohl  richtig  die  empfohlenen  Lesarten  2,  6,  14  Colchos  ohne  in, 
2,  14,  9  in  Asiam ,  5,  8,  5  Piraeum  versus  ohne  in,  7,  5,  7  viudicaverat 
ohne  a,  11,  10,  3  a  qua  ....  susceptum,  12,  5,  5  in  Macedoniam,  15,  3,  13 
"Weglassung  von  ex,  22,  8,  3  Beibehaltung  von  e,  24,  6,  6  Beibehaltung 
vou  in  vor  rupe,  32,  1,3  in  malus  (Scheffer).  An  anderen  Stellen  wird  man 
sich  begnügen  müssen,  die  Möglichkeit  der  vom  Verf.  vorgeschlagenen 
Lesart  zuzugeben,  da  beim  Schwanken  der  verschiedenen  Handschriften- 
klassen in  grammatischen  Dingen  doch  eine  gewisse  Unsicherheit  be- 
stehen bleibt.  Dahin  rechne  ich  Stellen,  wie  6,  1,  2  in  snpplementis 
oder  in  supplementa,  17,  3,  21  usque  mit  oder  ohne  in,  21,  4,  1  in  oder 
ad  occupandam,  31,  4,  1  belli  oder  in  bellum,  32,  4,  5  statuis  mit  oder 
ohne  in.  Nicht  beistimmen  jedoch  kann  ich  dem  Verf.,  wenn  er  3,  4, 
10  e  quarum  adulterio  infamiam  collegisse  videbautur  mit  T  zu  lesen 
vorschlägt,  weil  13,  7,  3  ex  qua  coloni  proficisci  iubebantur  überliefert 
ist.  Ebenso  ist  5,  6,  6  ex  qua  inluvione  (Rühl)  besser  als  in.  Denn 
nicht  letzteres  steht  in  den  meisten  Handschriften  der  T-Klasse,  sondern 
eaque  in,  während  11  eaque  hat.  Es  ist  also  klar,  daß  die  Verderbnis 
von  ex  qua  ausgegangen,  dai'aus  zunächst  eaque  entstanden  und  dann 
in  eingeschoben  worden  ist.  Überdies  wäre  in  ziemlich  beziehungslos, 
während  ex  von  couscripto  exercitu  abhängt.  Unbegründet  ist  es  ferner, 
wenn  der  Verf.  13,  5,  12  telo  e  muris  iacto  lediglich  wegen  Orosius 
schreibt,  während  Rühl  zu  a  keine  Variante  angiebt.  Höchst  zweifel- 
haft ist  es  mir  auch,  ob  39,  3,  11  execratione  ohne  cum  möglich  ist, 
da  man  auch  10,  3,  3  nicht  ohne  Grund  an  der  Richtigkeit  der  Über- 
lieferung gezweifelt  hat  und  die  Stelle  38,  2,  7  nicht  in  diesen  Zu- 
sammenhang gehört,  denn  nichts  hindert,  das  dort  überlieferte  contu- 
melia  als  Nominativ  zu  fassen. 

Von  den  eigenen  Konjekturen  des  Verf.  ist  30,  4,  6  die  Ein- 
schiebung  von  usque  vor  Orientis  finem  gerade  so  gut  möglich,  wie  die 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.)       99 

von  ad  (Rühl),  praef.  3  ist  der  Vorschlag  quae  ....  inter  se  sepa- 
ratira  occupavernnt  dem  Sinne  nach  zwar  richtig,  aber  paläographisch 
wenig  wahrscheinlich,  auch  im  Ausdruck  nicht  unbedenklich.  Letzteres 
gilt  auch  von  4,  1,  4  igne  inter  se  luctante.  Hier  führt  die  Überliefe- 
rung auf  interiore  (Eühl). 

Hermann  Wentzel,  de  infinitivi  apud  Justinum  usu.     Berolini 
apud  Max  Küger.     1893.     8.     71  S.     M.  1,20. 

Eez.:  Berliner  phil.  Wochenschrift  1894  No.  20  S.  624— 62& 
(Rühl).  —  Zeitschr.  für  österr.  Gymnasien  1894  S.  307—310  (Benesch). 
—  Wochenschr.  für  klass.  Philol.  1895  No.  9  S.  236—237  (tz). 

Um  über  die  Lebenszeit  Justins  zu  einem  bestimmteren  Resultate 
zu  gelangen,  hält  der  Verf.  mit  Recht  eine  möglichst  genaue  Unter- 
suchung seines  Sprachgebrauchs  für  wünschenswert.  Zu  dem  Zwecke 
bebandelt  er  den  Infinitiv.  Wenn  er  dabei  freilich  daraus,  daß  einer- 
seits 8,  4,  9  cum  IV  milia  sola  ex  pugna  superfuisse  conspexisset  der 
Infinitiv  des  Perfekts  statt  des  Präsens  zu  stehen  scheint  und  com- 
pellere  von  Justin  wiederholt  mit  dem  Infinitiv  verbunden  wii'd,  anderer- 
seits beide  Erscheinungen  sich  des  öfteren  bei  TertuUian  finden,  schließt, 
Justin  sei  ungefähr  dessen  Zeitgenosse  gewesen,  so  ist  diese  Schluß- 
folgerung mehr  als  kühn  und  kann  nicht  auf  Zustimmung  rechnen.  Es 
kommt  hinzu,  daß  superfuisse  anders  zu  erklären  ist,  vgl.  Rez.  S.  237. 

Von  S.  11  an  wird  der  Gebrauch  des  Infinitivs  in  fünf  Kapiteln 
behandelt:  1.  infinitivus  est  subiectum  grammaticum;  2.  inf.  est  obiec- 
tum  grammaticum;  3.  de  nominativo  cum  Infinitive  coniuncto;  4.  de 
casibus  infinitivi  (d.  h.  Gerundium  und  Gerundivum);  5.  de  infinitivo 
historico.  In  diesen  Abschnitten  werden  nicht  nur  alle  Stellen  angeführt, 
sondern  auch  durch  reichliche  Benutzung  der  einschlagenden  Litteratur 
der  Nachweis  versucht,  seit  wann  die  einzelnen  Verba,  Adjektiva  u.  s.  w. 
mit  dem  Infinitiv  verbunden  werden.  Hierbei  irrt  freilich  der  Verf. 
einige  Male  mit  der  Annahme,  daß  die  betrefi'ende  Konstruktion  sich 
ausschließlich  bei  Justin  finde,  vgl.  a.  a.  0.  S.  237,  Warum  übrigens 
der  Verf.  im  wesentlichen  den  Jeepschen  Text  zu  Grunde  gelegt,  den 
Rühlschen  aber  nur  quibusdam  locis,  quibus  melius  sensisse  mihi  visus 
est  (S.  10)  hinzugezogen  hat,  vermag  ich  nicht  einzusehen.  Das  Re- 
sultat der  ganzen  Untersuchung  lautet  (S.  9) :  usum  infinitivorum  Justi- 
nianum  nullo  modo  a  ceteris  omnium  aetatum  scriptoribus  dififerre. 

Manitius,    Philologisches    aus  alten  Bibliothekskatalogen.    Rh. 
Mus.  N.  F.  47,  Ergänzungsheft  S.  38—39. 

In    folgenden   mittelalterlicheE   Bibliothekskatalogen    (bis    1300) 
kommt  Justinus  vor:    Frankreich:    S.  Riquier,  Cluny,  Bec,  Corbie, 


7 


'« 


100     Bericht  üb.  d.  Littcratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.) 

Johannes  mon.  Besuensis,  Limoges.  Deutschland:  S.  Gallen,  Constanz. 
Lorsch,  Murbach,  Stablo,  Bamberg,  lleisbacli.  Großbritannien- 
York,  Dnrhan:,  Canterbury.     Italien:    Pomposa. 

Tjallingi  Halbertsmae  adversaria  critica.    E  schedis  defuncti 
selegit  disposuit  edidit  van  Herwerden.    (Leidae  1896.)    S.  XXXIII. 

Unter  der  auf  der  Universitätsbibliothek  zu  Groningen  aufbewahrten 
litterarischen  Hinterlassenschaft  Haibertsmas  befindet  sich  eine  voll- 
ständige Kollation  der  Justinhaudschrift  Toletanus  49 — 5  membr.  saec. 
XV  aut  XIV  und  eine  teilweise  des  Toletanus  49—6  membr.  saec. 
XV  aut  XIV. 

Köstlin,  Justin  41,  2,  1  f.     Philol.  50  S.  57. 

41,  2,  2  lies  oculorum  ordo  statt  populorum  ordo,  vgl.  Aristoph. 
Acharu.  91  U'suoocpxaßav  xov  ßajiXeo)?  ocpOaXjxov  mit  dem  Schol.  Fein  er- 
dacht,   aber  wohl  schwerlich  richtig.     War  denn  das  ein  ganzer  ordoV 

Stangl,  Just.  43,  4,  8.     Philol.  49  S.  88. 

43,  4,  8  lies  fortunae  statt  forraae,  wie  18,  3,  8.  Überflüssig. 
Der   junge  Mann    erregt  gerade  wegen  seiner  Schönheit  das  Mitleid. 

Der  Abschnitt  über  die  Juden  XXXVI,  2  und  3  ist  abge- 
druckt in  der  Chrestomathie  aus  Schrifstellern  der  soge- 
nannten silbernen  Latinität  von  Th.  Opitz  und  A.  Weinhold 
(Leipzig  1893),  Heft  2  S.  137—139.    Der  Text  ist  der  Rühlsche. 

Suetonius. 

1.  Allgemeines, 

*Kubelka,  über  das  Leben  und  die  Schriften  von  C.  Suetonius 
Tranquillus.  Ung.  Hradisch.  Progr.  des  böhm.  Gymnasiums.  1896. 
34.  S.  (böhmisch). 

Eez.:     Listy  filol.  XXIV.  S.  141  (Snetivy). 

ß.  Hahn,  zur  Eeligionsgeschichte  des  2.  Jahrhunderts:  Die 
Eeligion  des  C.  Suetonius  Trauquillus.  Jahresbericht  über  die  Augusta- 
schule  zu  Breslau.     Breslau  1896.    4.     19  S. 

Nach  einigen  allgemeinen  Bemerkungen  über  das  Verhältnis  der 
Römer  zur-  Eeligion  geht  der  Verf.  auf  Suetons  Stellung  zu  dieser  ein : 
er  nimmt  an,  daß  jener  den  Volksglauben  an  die  Götter  nicht  teilte, 
und  zwar  schließt  er  dies  aus  Dom.  1.5  (Minervam,  quam  superstitiose 
colebat).  Ebenso  unsicher  ist  es,  ob  aus  den  weiterhin  angeführten 
Stellen  wirklich  hervorgeht,  daß  Siieton  'von  der  Kaiservergötterung 
nichts  hielt",  denn  dieser  giebt  doch  fast  nur  die  Thatsachcn  oder  die 


B  ericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm,  Geschichtsschreibern.  (Opitz.)     101 

Meinung  der  Zeitgenossen  au,  ohne  ein  eigenes  Urteil  liinzAizufügen. 
Dagegen  glaubt  der  Verf.,  dall  Sueton  'Wunder  und  Zeichen  anerkannte', 
bespricht  die  von  ihm  erwähnten  nach  bestimmten  Gesichtspunkten  ziemlich 
ausführlich  und  giebt  den  Gedankengang  an,  'auf  dem  Sueton  möglicher- 
weise zu  seinen  Ansichten  gekommen  ist'.  Diese  Betrachtungen 
schweben  völlig  in  der  Luft,  da  wir  gar  nicht  wissen,  ob  sich  Sueton 
über  diese  Fragen  überhaupt  Gedanken  gemacht  hat  und  nicht  viel- 
mehr darin  völlig  ein  Kind  seiner  Zeit  gewesen  ist.  Ob  er  ein  An- 
hänger der  stoischen  Philosophie  war,  läßt  der  Verf.  selbst  dahingestellt. 
Zum  Schlüsse  versucht  er  den  Nachweis,  daß  Sueton  vom  Christentum 
'nicht  ganz  unberührt  geblieben  sei' ,  ja  er  versteigt  sich  sogar  zu  der 
Vermutung,  daß  sich  eine  Spur  der  Evangelien  in  Suetons  Be- 
richten über  die  Empfängnis  der  Mutter  des  Augustus,  die  Verkündigung 
am  Tage  seiner  Geburt,  den  damit  in  Zusammenhang  stehenden  Senats- 
beschluß, sein  erstes  öffentliches  Auftreten  im  12.  Lebensjahre  und  die 
Apotheose  zeigen.  Ich  glaube  kaum,  daß  ihm  hierin  jemand  beistimmen 
wird.  Denn  alle  diese  Dinge  lagen  Sueton  doch  bereits  in  der  Über- 
lieferung vor,  und  hinsichtlich  der  Apotheose  denke  man  nur  an  den 
ganz  ähnlichen  Bericht  über  Romulus.  —  Alle  Stellen  aus  Sueton  werden 
in  deutscher,  meist  angemessener  Übersetzung  mitgeteilt,  z.  T.  in  etwas 
willkürlicher  Form. 

Guilelmus  Schmidt,  de  Koraanorum  imprimis  Suetonii  arte 
biographica.  Dissertatio  inauguralis.  Marpurgi  Cattorum  typis  M. 
Dumont-Schauberg  Coloniae.     1891.     8.     68.  S. 

Rez.:  Archiv  für  lateinische  Lexikographie  VIII  S.  155.  — 
Berliner  philol.  Wochenschr.  XIII  No.  20  S.  624  (Rühl).  —  Wochenschr. 
für  klass.  Philol.  1893  No.  48  S.  1318  (Bubendey). 

Im  1.  Kapitel  wendet  sich  der  Verf.  gegen  Nissens  Behauptung 
(Rh.  Mus.  41  S  481  ff.),  daß  Sueton  für  die  Disposition  der  Kaiser- 
biographien sich  das  monumentura  Ancyranum  zum  Muster  genommen 
habe,  während  er  bereitwillig  zugiebt,  daß  er  dieses  gekannt  und  be- 
nutzt habe.  Um  seinen  Widerspruch  zu  begründen,  macht  der  Verf. 
auf  die  mancherlei  Verschiedenheiten  aufmerksam  und  geht  des  Näheren 
auf  die  Disposition  der  Biographien  des  Kornelius  Nepos,  namentlich 
die  des  Atticus  ein ,  wobei  er  eine  große  Ähnlichkeit  zwischen  dieser 
und  denen  des  Sueton  nachweist  und  es  wahrscheinlich  macht,  daß 
Sueton  sich  an  Nepos,  und  nicht  an  das  mon.  Anc.  angeschlossen  habe.  — 
Im  2.  Kapitel  werden  die  Kaiserbiographien  sehr  genau  disponiert. 
Als  Hauptschema  ergiebt  sich  folgendes:  1.  praefatio  (über  Abkunft 
u.  dgl.),  2.  vitae  summa  vel  vita  ante  principatum  acceptum,  3.  vita 
post  principatum  initum:    a.    vita   publica,    b.    vita  privata.    In  diese 


102     Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.) 

Hauptdisposition  werden  dann  die  Unterabteilungen  schematisch  (per 
species  Suet.  Aug.  9.)  eingefügt,  wobei  sich  natürlich  im  einzelnen 
mancherlei  Abweichungen  finden.  Die  vita  privata  ist  meist  ausführlicher 
behandelt,  als  die  vita  publica.  Schwer  unterbrochen  ist  die  Disposition 
Cal.  43 — 50  und  Nero 40 ff.  Nähere  Ähnlichkeiten  zeigen  sich  in  3  Gruppen : 
1.  Caesar— Claudius,  2.  Nero — Vitellius,  3.  die  Flavier.  —  Im  3.  Kapitel 
sucht  Verf.  die  gleiche  Disposition  auch  in  Suetons  Buch  de  viris  illu- 
stribus  nachzuweisen,  so  weit  dies  die  Kürze  dieser  Abschnitte  zuläßt.  — 
Im  4.  Kapitel  werden  die  Nachahmer  unter  demselben  Gesichtspunkte 
besprochen:  Marius  Maximus,  Aelius  Cordus,  besonders  ausführlich 
die  scriptores  historiae  augustae,  ferner  Aurelius  Victor  (vgl.  unten  S.  121), 
die  vita  S.  Ambrosii  episcopi  a  Paulino  composita,  Einhardi  vita  Caroli 
Magni,  Thegani  vita  Ludovici  Pii. 

Hugo  Willrich,  de  coniurationis  Catilinariae  fontibus,  Disser- 
tatio  inauguralis.  Gottingae  1893,  officina  academica  Dieterichiana. 
S.  36—38. 

Bei  der  Darstellung  der  sogenannten  ersten  Catilinariscben  Ver- 
schwörung erwähnt  Suet.  Caes.  9  als  Gewährsmann  Tanusius  Geminus 
in  historia.  Davon  ausgehend  vermutet  der  Verf.,  daß  dieser  auch  für 
das  Wenige,  das  über  die  eigentliche  Verschwörung  berichtet  wird 
(Caes,  14  und  17j,  als  die  Quelle  anzusehen  sei,  und  daß  ihn  auch 
Plutarch  benutzt  habe. 

Martin  Schanz,  Suetons  pratum.  Hermes  30.  Band  (1895) 
S.  401—428. 

Verf.  führt  in  schlagender  Weise  den  Nachweis,  daß  die  von  Reiffer- 
scheid  vorgenommene  Rekonstruktion  von  Suetons  Pratum  verfehlt  ist. 
Auszuscheiden  aus  den  von  diesem  angenommenen  Teilen  dieser  Schrift 
ist  rspl  ous^r^jj-üjv  Xs^ewv,  weil  dieses  Buch  griechich  geschrieben  war, 
und  die  verborum  differentiae,  weil  die  genaue  Beachtung  der  subscriptio 
im  Montepessulanus  (ed.  Roth  pag.  XCVI)  ergiebt,  daß  dies  nicht  ein 
besonderes  Buch  des  pratums  war,  sondern  eine  Zusammenstellung  von 
Synonymen  aus  diesem.  Dagegen  stimmt  der  Verf.  der  Annahme 
Reifferscheids  bei,  daß  der  liber  de  genere  vestium  nur  über  römische 
Bekleidung  handelte  und  den  Abschnitten  über  Rom  zuzuweisen  sei. 
Weiterhin  führt  er  die  wenigen  Stellen  vor,  in  denen  das  pratum  direkt 
erwähnt  wird,  and  fügt  daran  den  Nachweis,  daß  im  4.  Buche  die 
römischen  bürgerlichen  Gesetze  nicht  behandelt  wurden,  so  wie  daß 
Suetons  Werk  repl  -rüiv  Iv  Tcu[x7)  vo|j.t'|j,cuv  xal  yjötüv  mit  dem  pratum  nichts 
zu  thun  hat.  Die  weiteren  Untersuchungen  führen  zu  folgendem  Resultat: 
Das  pratum  bestand  aus  3  Teilen  zu  je  4  Büchern  mit  folgendem  In- 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.)     103 

halt:  I.  der  Mensch:  1.  die  Entstehung  des  Menschen,  2.  die  Teile 
des  menschlichen  Körpers,  3.  die  krankhaften  Gebilde  des  menschlichen 
Körpers,  4.  die  Entwickelung-sstufen  des  menschlichen  Lebens  bis  zum 
Tode;  II.  die  Zeit:  5.  das  Jahrhundert,  6.  das  Jahr,  7.  der  Monat, 
8.  der  Tag;  III.  de  natura  rerum:  9.  die  physikalischen  Phänomene, 
10.  die  Tiere,  11.  die  Pflanzen,  12.  die  Mineralien.  Die  Dreiteilung- 
des  Stoffes  hatte  vermutlich  schon  Xigidius  Figulus.  Die  eine  Haupt- 
quelle  für  die  Rekonstruktion  des  pratums  ist  Censorinus.  Bei  diesem 
bleibt  nämlich  nach  Ausscheidung  von  4  sekundären  Quellen  (2  logistorici 
Varros,  Suetons  annus  ßomanoruni,  1  Schrift  über  Musik)  eine  in  sich 
geschlossene,  gut  gegliederte  Darstellung  zurück,  welche  deutlich  auf 
einen  Autor  hinweist,  der  aber  nicht  genannt  wird.  Nicht  weniges  führt 
dabei  auf  Suetons  pratum.  Die  2.  Hauptquelle  ist  Isidorus  de  natura 
rerum. 

Ludovicus  Traube,    varia  libamenta  critica.     Commentationes 
Woelfflinianae  (Leipzig  1891)  S.  195—202. 

S.  198—202:  Das  Suetonfragment  105*  (nicht  lOG*)  pag.  135 
Reiff.  gehört  nicht  in  ein  Epimetrum  de  vir.  ill.,  wie  der  Herausgeber 
wollte,  sondern  nach  Mommsen  (und  Roth  pag.  289,  14 — 16)  in  die 
Cicerobiographie  in  den  viri  illustres.  Der  unter  Nummer  106*  (nicht 
107*)  folgende,  damit  z.  T.  in  Widerspruch  stehende  Bericht  ist  von 
Isidor  gar  nicht  aus  Sueton  geschöpft,  sondern  teils  aus  Augustinus, 
Hieronymus  und  einer  Quelle,  die  ausführlicher  war  als  cod.  Cassellanus 
bei  Schmitz,  Beiträge  S.  182,  teils  aus  unbekannten  Quellen.  —  Das 
folgende  Fragment  107*,  ebenfalls  aus  Isidor  entnommen,  stammt 
vielleicht  aus  Sueton,  aber  nicht  aus  de  vir.  ill.  In  ihm  ist  usus 
clandestinis  (statt  his)  litteris  zu  lesen, 

2.  Kritik,  Erklärung,  Sprachgebrauch. 

Christianus  Moddermann,    lectiones   Suetonianae.     Specimen 

litterarium,  quod submittet.    Groningae  Scholtens  und  Zoon 

1S92.     8.     73  S. 

Als  Zweck  seiner  Abhandlung  erklärt  es  Verf.  in  der  Einleitung, 
die  Mängel  der  Rothschen  Ausgabe  des  Sueton  nachzuweisen.  Diese 
zeigen  sich  in  nererlei  Hinsicht:  1.  Lesarten  anderer  Handschriften, 
als  des  Memm.,  sind  verworfen,  2.  Emendationen  sind  nicht  aufgenommen, 
3.  es  ist  nicht  richtig  emendiert,  4.  die  verderbte  Überlieferung  ist 
überhaupt  nicht  beanstandet  worden.  Unter  diesen  4  Gesichtspunkten 
bewegen  sich  nun  auch  die  Untersuchungen  des  Verfassers.  Neue 
Kollationen  haben  ihm  dabei  nicht  zur  Verfügung  gestanden.   Einen 


104     Beriebt  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Gescbicbtsschreibern.  (Opitz.) 

besonderen  Wert  legt  er  auf  Vind.  1,  doch  kann  ich  von  den  aus  ihm 
S.  3  empfohlenen  Lesarten  nur  Cal.  38  deleret  als  richtig  anerkennen. 
Überhaupt  scheint  es  mir  bei  dem  augenblicklichen  Stand  unserer  Be- 
kanntschaft mit  der  Überlieferung  Suetons  ziemlicli  unsicher  zu  sein, 
auf  Grund  einer  oder  einiger  Handschriften  Lesarten,  die  mit  der  Über- 
lieferuDg  des  Memm.  nicht  im  Einklang  stehen,  zur  Aufnahme  zu 
empfehlen.  So  viel  ist  ja  klar  und  durch  die  Darlegungen  des  Ver- 
fassers von  neuem  bestätigt  worden,  daß  eine  gründliche  Untersuchung 
der  handschriftlichen  Überlieferung  des  Sueton,  wie  sie  seiner  Zeit 
von  Becker  begonnen  worden  ist,  als  sehr  wünschenswert  zu  bezeichnen 
ist.  Von  den  mehr  als  100  Stellen,  die  namentlich  aus  den  Biographien 
des  Cäsar,  Augustus  und  Vespasianus  zur  ßesiirechung  kommen,  kann 
ich  nur  die  wichtigsten  hervorheben,  besonders  die  eigenen  Konjekturen 
des  Verfassers. 

Einige  Male  wird  die  handschriftliche  Überlieferung  gegen  Kon- 
jekturen geschützt,  meist  wohl  mit  Eecht,  so  Caes.  65  neque  a  fortuna 
probabat,  Caes.  88  ludis,  quos  primo  consecratos  ei  heres  Augustus 
edebat,    obwohl  primos  sehr    nahe   liegt;    Aug.  10  translaticius  (schon 

Madvig);    82   unguebatur  enim  saepius    aut  sudabat tepefacta. 

At  (mit  Änderung  der  Interpunktion);  Vesp.  21  dum  salutabatur. 
Übrigens  das  einzige  Beispiel  dieser  Konstruktion  bei  Sueton  (vgl. 
Düpow  S.  8). 

Auch  in  den  Fällen,  wo  die  Lesarten  anderer  Handschriften 
denen  des  Hemm,  vorgezogen  werden,  kann  ich,  abgesehen  von  dem  oben 
geäußerten  prinzipiellen  Bedenken,  dem  Verf.  wiederholt  beistimmen, 
so  Caes.  29  se  mit  Vind.  1  wegzulassen;  Caes.  40  aestati  (Vind.  Med. 
],  3.)  statt  aestate;  Aug.  13  in  volucrum  fore  potestatem  (Vind.  u.  a.); 
Aug.  32  ex  quis  (einige  Hss)  statt  exque  eis;  Vesp.  23  nuntianti 
legato  (Vind.  1).  Unsicherer  erscheint  mir  Aug.  17  repetit  Italiam 
und  Aug.  86  praepositiones  verbis  addere  statt  urbibus  (Memm.  Med.  1), 
denn  auch  bei  Städtenamen  ohne  Präposition  können  Zweifel  entstehen, 
z.  B.  hoc  Athenis  (in?  aus?)  accepi.  Für  unrichtig  halte  ich  Caes. 
3  occasioni  statt  occasione,  da  z.  B.  Front.  I,  8,  5  der  Ablativ  paucitate 
sehr  gut  überliefert  ist. 

Ferner  empfiehlt  Verf.  eine  ganze  Reihe  fremder  Konjekturen 
zur  Aufnahme,  mit  Recht  Caes.  41  tribus  statt  tribum  (Ausg.  vor  Roth), 
Caes.  42  urbi  statt  urbis  (Casaubonus),  Caes.  79  nam  cum  sacrificio 
Latinarum  (Oudendorp),  Aug.  10  nee  statt  ne  (derselbe),  Aug.  42 
destinarat  (Burmann),  Für  mehr  oder  weniger  wahrscheinlich  halte 
ich  auch:  Caes.  4  non  sine  summa  dignatione  statt  indignatione  (Casau- 
bonusj,  Caes.  22  respondit  (Oudendorp),  Caes.  24  cedentibus  (Ernesti), 
Aug.  25  sub  proprio  (statt  priore)    vexillo  (Torrentius),  Aug.    55   aut 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.)     105 

magna  cura  (Burraann),  Aug-,  72  assidueqne  in  urbe  hiemavit,  quaravis 
(Mähh'),  Aug.  84  iam  princeps  statt  nam  deiuceps  (alte  Randbe- 
merkung und  Spejer),  Tib,  52  alterius  virtutibus,  alterius  vitiis  (Lipsius). 
Von  den  mehr  als  50  eigenen  Konjekturen  des  Verf.  ver- 
mag ich  als  unbedingt  sicher  kaum  eine  zu  bezeichnen.  Am  beachtens- 
wertesten scheinen  mir  etwa  folgende  zu  sein:  Caes.  52  appellare  e 
nomine,  Aug.  29  uxoris  ac  sororis  generique,  Aug.  68  versum  scaena 
pronuntiatum,  Aug.  94  dum  ceterae  matronae  obirent  (statt  dormirent), 
nur  vermißt  man  das  Objekt  dazu,  so  daß  vielleicht  id  aus  dem  an- 
lautenden d  zu  machen  ist,  Vesp.  23  ut  de  quodam.  Andere  sind  zwar 
gut  ausgedacht,  aber  entweder  nicht  unbedingt  nötig  oder  paläographisch 
nicht  wahrscheinlich  genug,  z.  B.  Caes.  20  primum  omnium  statt 
primus  omnium,  Aug.  30  magistri  e  plebe  cuiusque  viel  quaterni  electi 
statt  cuiusque  viciniae  lecti,  Aug.  39  in  probatione,  Aug.  53  grandior 
iam  natu,  aber  vgl.  meine  S.  112  angeführte  ßez.  von  Düpows  Ab- 
handlung S.  607,  Aug.  56  legibusque  ac  iudiciis,  Aug.  65  mortes  statt 
mortem,  Vesp.  23  en  statt  vae.  Mit  den  übrigen  Konjekturen  kann 
ich  mich  noch  weniger  befreunden  ,  meist  erscheinen  sie  mir  als  völlig 
überflüssig. 


'O' 


J.    C.    G.    Boot,     analecta    critica.     Mneraosyne   N.    S.  XVIII 
S.  359—360. 

Caes.  41 :  hinter  illi  tribui  ist  S.  einzuschieben.  Vielleicht  richtig.  — 
Caes.  78 :  repetet  ergo  a  me  Aquila  rem  publicam  mit  der  Begründung 
ita  melius  apparet  eum  in  nomine  hominis  lusisse.  Aber  darauf  w'eist 
in  der  ganzen  Geschichte  nicht  das  Mindeste  hin.  —  Aug.  86:  Annius 
ac  (statt  an)  Veranius.  Einleuchtend.  Das  in  demselben  Satze  vor- 
geschlagene inanis  (statt  inanibus)  steht  schon  im  Rothschen  Texte.  — 
Aug.  96:  eunti  Philippos  Thessalus  quidam  futuram  victoriam  nuntiavit. 
Völlig  überflüssig.  —  Xer.  34:  corripientem  statt  corrigeutem.  Be- 
achtenswert. 

Albert    A.  Howard,     notes   on    Suetonius.      Harvard    studies 
in  classical  philology.     Vol.  VII  (1896)  S.  205-214. 

Becker  hatte  im  Rh.  Mus.  37  S.  642  f.  angenommen,  daß  in  den 
Worten  Scotts  ("Wawerley  Kap.  10)  'epulae  ad  senatum,  prandium  vero 
ad  populum  attinet  says  Suetonius  Tranquillus'  ein  Suetonfragment  ent- 
halten sei,  das  aus  einem  sonst  unbekannten  Glossar  stamme.  Da- 
gegen weist  der  Verf.  nach,  daß  mit  dieser  angeblichen  Regel  der 
Sprachgebrauch  Suetons  nicht  übereinstimmt  und  daß  Scotts  Bemerkung 
auf  einem  ungenauen  Citat  aus  Fabers  thesaurus  eruditionis  scholasticae 
beruht.  —  Nero  23    clausis  oppidorum  portis.    Davon  ausgehend,  daß 


106     Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.) 

oppida  nachweislich  im  Sinne  von  carceres  gebraucht  wird,  daß  im 
Cirkus  die  Eingänge  zwischen  diesen  und  den  Enden  des  Zuschauer- 
raums lagen,  sowie  daß  den  Carceres  des  Cirkus  die  scaena  des  Theaters 
entspricht,  hält  Verf.  es  nicht  für  unwahrscheinlich,  daß  auch  die  scaena 
mit  ihren  versurae  procurreutes  mitunter  oppidura  und  die  r.dpoooi 
oppidorum  portae  genannt  worden  seien.  Es  läßt  sich  nicht  leugnen, 
daß  bei  dieser  Annahme  die  Stelle  einen  sehr  guten  Sinn  giebt.  — 
Nero  45  wird  statt  ascopera  (ascopa  Hss)  deligata  vorgeschlagen  acrxoc 
praeligatus,  erstens,  weil  ascopera  Suetons  Lesern  schwerlich  allgemein 
verständlich  gewesen  sei,  zweitens  weil  der  Dativ  coUo  nicht  von  deligatus 
abhängen  könne.  Letzterer  Grund  ist  hinfällig,  denn  man  kann  collo 
unbedenklich  als  Ablativ  (=  in  collo)  fassen.  Eher  könnte  man  die 
Berechtigung  des  ersteren  Bedenkens  anerkennen.  Noch  weniger  wahr- 
scheinlich erscheint  mir  die  Ergänzung  der  Inschrift  zu  dem  Hexameter 
egi  ego  quod  potui,  sed  tu  cullum  meruisti.  Vgl.  S.  108.  —  An 
8  SteUen  (Caes.  50,  Aug.  30  und  41,  Tib.  48,  Cal.  38.  Claud.  6, 
Nero  27,  Yesp.  19),  an  denen  bei  Roth  sestertio  oder  sestertii  mit  einem 
Zahladverb  (sexagiens  u.  s.  w.)  steht,  ist  in  den  Handschriften  sestertium 
(so,  nicht  HS)  überliefert.  (In  ähnlicher  Weise  ist  auch  bei  Livius, 
Macrobius  und  Valerius  Maximus  korrigiert  worden.)  Hinzu  kommt 
die  ganz  sichere  Stelle  mon.  Ancyr.  III,  24.  Wenn  darnach  Verf. 
annimmt,  daß  sestertium  in  der  Verbindung  mit  den  Zahladverbien  auch 
gen.  plur.  sein  und  der  ganze  Ausdruck  als  Genetiv  oder  Ablativ  ge- 
braucht werden  könne,  so  wird  man  ihm  wohl  beistimmen  müssen. 

Tjallingi  Halbertsmae  adversaria  critica.  E  schedis  defuncti 
selegit  disposuit  edidit  Henricus  van  Herwerden  (Leidae  1896)  S.  XXIX, 
XXXVII  und  168—172. 

Unter  den  zahlreichen  von  Halbertsma  beschriebenen  oder  be- 
nutzten Codices  Escorialenses  befindet  sich  auch  einer  des  Suetonius, 
H-I-21,  membr.  a.  1373,  mit  der  Bemerkung  'satis  bonae  notae  liber' 
(S.  XXIX).  Ferner  (S.  XXXVII)  sind  in  einer  Tauchnitzausgabe  zu 
Caes.  1  und  de  gramm.  1 — 19  Varianten  eingetragen,  diese  befindet 
sich  jetzt  auf  der  Groninger  Universitätsbibliothek. 

S.  168—172  stehen  Bemerkungen  zu  einzelnen  Stellen.  Ab- 
gesehen von  der  Interpunktionsänderung  Aug.  69  quid  te  mutavit?, 
die  übrigens  die  Ausgaben  vor  ßoth  bieten,  und  der  Vermutung,  daß 
das  Citat  Tib.  21  vale  —  vo|j.iixtüTaTe  vale  aus  2  Briefen  stammt,  was 
Wolf  und  Bremi  bereits  durch  Setzung  eines  Gedankenstrichs  ausge- 
drückt haben,  kann  ich  keine  der  Konjekturen  als  wahi'scheinlich  be- 
zeichnen, obgleich  manche  nicht  übel  ausgedacht  sind. 

Hülsen,  Rh.  Mus.  N.  F.  49  S.  630. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.)      107 

Aug.  70  ApoUinem,  sed  Tortorera.  Die  folgenden  "Worte  quo 
cognomento  is  deus  quadam  in  parte  urbis  colebatur  sind  zu  streichen, 
da  der  mit  Marsj^as  gruppierte  Apollo  schwerlich  eine  Kultusstatue 
gewesen  sein  kann.  Übrigens  war  A.  Tortor  wohl  die  populäre  Be- 
zeichnung für  A.  Sandaliarius  (Aug.  57),  welcher  Name  davon  stammt, 
daß  diese  Statue  an  einer  Ecke  des  vicus  Sandaliarius  stand. 

Alexander  Riese,    der  Feldzug    des  Caligula    an   den  ßhein. 
Neue  Heidelberger  Jahrbücher  VI  S.  152—162. 

Verf.  zweifelt  an  der  Richtigkeit  der  Darstellung,  welche  Sueton 
Cal.  43  f.  (mit  ihm  Dio)  von  Caligulas  Feldzug  nach  Germanien  giebt, 
namentlich  auch  an  dem  von  ihm  angegebenen  Grunde  admonitus  de 
supplendo  numero  Batavorum,  quos  circa  se  habebat  und  nimmt  etwa 
folgenden  Verlauf  der  Ereignisse  an:  Caligula  rückte  legionibus  et 
auxiliis  undique  excitis  —  Dio  spricht  von  200  000  und  250  000  Mann  — 
an  den  Rhein,  weil  er  den  dort  stehenden  Legionen  nicht  traute.  Das 
obere  Heer  kommandierte  nämlich  seit  30  Cn.  Lentulus  Gätnlicus. 
Dieser,  übermächtig  geworden,  hatte  eine  Verschwörung  angezettelt, 
deren  anderes  Haupt  M.  Aemilius  Lepidus  war.  Diese  wurde  im 
Herbst  39  entdeckt.  Um  also  Gätnlicus  zu  vernichten,  zog  Caligula 
selbst,  wohl  im  Frühjahr  40,  nach  Germanien  und  zeigte  die  größte 
Strenge.  Nach  der  Ermordung  des  Gätulicus  wurde  Galba  dessen 
Nachfolger  und  schlug  die  Chatten,  die  einen  Einfall  gemacht  hatten. 
Unterdessen  zog  Caligula  an  die  Küste  des  britannischen  Meeres,  schob 
jedoch  den  geplanten  Angriff  auf,  kehrte  nach  Rom  zurück  und  zog 
am  31,  August  40  als  Sieger  ein.  Nunmehr  traf  er  die  energischsten 
Maßregeln  gegen  die  beteiligten  Senatoren.  Das  Ergebnis  des  Feld- 
zuges war  also  die  Niederwerfung  des  Aufstandes  des  Gätulicus. 
Hinsichtlich  der  'Spaße',  die  Sueton  aus  diesem  Zuge  erzählt,  überläßt 
der  Verf.  jedem  sein  Urteil,  ist  jedoch  seinerseits  sehr  geneigt,  an 
sie  zu  glauben,  'da  sie  alle  gemeinsam  einen  und  denselben  Charakter 
zu  tragen  scheinen,  nur  halte  man  sie  nicht  für  das  Ergebnis  des 
Feldzuges'. 

"Weiterhin  äußert  Verf.  seine  Bedenken  gegen  die  Auffassung 
Ritterlings,  nach  der  Caligula  die  Eroberung  von  Großgermanien  wieder 
aufnehmen  woUte,  dieser  Aufgabe  sich  jedoch  nicht  gewachsen  zeigte, 
und  andererseits  der  Aufstand  nur  die  augenblickliche,  ja  unerwartete 
äußere  Veranlassung  dazu  war.  Ferner  bespricht  er  die  Troppendisloka- 
tionen,  die  die  Folge  dieser  Ereignisse  waren.  Als  mutmaßliche  Quelle  für 
die  bei  Sueton  und  Dio  vorliegende  Darstellung  dieses  Feldzuges,  die 
auch  Tacitus  bekannt  war,  wie  sich  aus  gelegentlichen  Äußerungen 
ergiebt,  nimmt  Verf.  die  commentarii  der  jüngeren  Agrippina  an. 


108     Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  rüni.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.) 

*Timoschenko,    zu    Suet.  Claud.  25.   Filolog.    obozr.   Bd.  X 
fasc.  2  S.  200—201  (russisch). 

Chawner,    notc   on  Suetou  Ner.  45.    The  classical    review  IX 

(1895)  S.  109-110 

geht  von  der  Voraussetzung  aus,  daß  ascopera,  gleichbedeutend  mit 
(ijy.o^,  jedes  'receptacle'  bezeichne  zur  Aufnahme  von  Flüssigkeiten, 
Darauf  fußend  interpungiert  er:  ego  quid?  potui;  tu  autem  culleum 
meruisti  =  'was  bin  ich?  ein  Schlauch  für  ein  Getränk,  du  aber  hast 
einen  Sack  anderer  Art  verdient',  nämlich  zum  Ersäufen.  Der  Gedanke 
ist  entschieden  ansprechend.  Nur  bleibt  es  fraglich,  ob  ascopera  die 
gewünschte  Bedeutung  haben  kann.     Vgl.  oben  S.  106. 

Paulus  de  Winterfeld,  schedae  criticae  in  scriptores  et  poetas 
Romanos  (Berolini  1895)  8.  33-34. 

Suet.  Nero  33:  Lucustae  pro  navata  opera  impunitatem  praediaque 
ampla,  sed  et  discipulos  dedit.  Beide  Vermutungen  praemia  und  di- 
scipulas  sind  möglich,  aber  nicht  nötig. 

Blass,  XpYjsxtavoi-Xpiaxiavot.     Hermes  30  S.  465—470. 

Bei  der  Erörterung  über  die  Frage,  welche  von  beiden  Namens- 
formen die  ältere  sei,  kommt  Suet.  Claud.  25  (impulsore  Chresto) 
nicht  in  Betracht,  da  es  'wirklich  damals  in  Rom  einen  unruhigen 
Juden  dieses  Namens  gegeben  haben'  kann. 

Heraeus,    imaguncula  (icuncula,   planguncula).     Archiv  für  la- 
teinische Lexikographie  IX  8.  595. 

Nero  56  ist  mit  Sabellius  imaguncula  zu  schreiben,  wie  Aug.  7 
(ebenso  Cic.  ad  Att.  6,  1,  25  mit  Victorius),  icuncula  (Roth)  muß  aus 
den  Lexicis  verschwinden.  Richtig.  Denselben  Vorschlag  machte  auch 
Cornelissen,  coniectanea  latina  S.  53. 

J.  M.    Sto Wasser,    Controverses   aus    den  Idyllien    von  Maria- 
Einsiedeln.     Zeitschrift    für    die  österreichischen  Gymnasien   Bd.  47 

(1896)  S.  976—984. 

Die  1.  dieser  beiden  'Schäfereyen'  (I,  725  ed.  Riese)  bezieht  sich 
auf  Neros  Rückkehr  von  der  Kunstreise  nach  Griechenland  (Suet. 
Nero  25),  die  2.  (I,  726)  auf  die  Schließung  des  Janustempels  durch 
diesen  Kaiser  im  Jahre  66  (Suet.  Nero  13).  Das  Referat  über  die 
Behandlung  des  Textes  dieser  Gedichte  gehört  in  einen  anderen  Bericht. 

Philippe  Fabia,  l'adultere  de  Neron  et  de  Poppee.     Revue  de 
Philologie  20  (1896)  S.  12—22. 

Rez.:  Jahresberichte  des  Berliner  philologischen  Vereins  XXIII 
(1897)  S.  148—149  (Andresen). 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.)      109 

Über  Neros  Verhältnis  zu  Poppäa  giebt  es  zwei  einander  wider- 
sprechende Berichte.  Nach  dem  einen  fSueton  Otho  3,  Plut.  Galba  19 f., 
Tac.  bist.  I,  13,  Dio  Gl,  11)  verliebte  sich  Nero  in  sie,  als  sie  noch 
mit  Crispinus  verheiratet  war,  und  veranlaßte  Otho  zu  einer  Schein- 
heirat mit  ihr.  Nach  dem  andern  (nur  Tac.  ann.  XIII,  45  f.)  lernte 
er  sie  kennen,  als  sie  bereits  mit  Otho  verheiratet  war,  und  machte 
sie  diesem  abspenstig.  Die  erstere  Erzählung  führt  der  Verf.  auf  die 
Historien  des  Plinius  als  die  gemeinsame  Quelle  zurück,  die  letztere 
auf  Cluvius  Rufus,  an  den  Tacitus  sich  in  der  Geschichte  Neros  so 
eng  angeschlossen  habe,  daß  ihm  seine  abweichende  Darstellung  in 
den  Historien  völlig  aus  dem  Gedächtnis  geschwunden  sei.  Da  nun 
Cluvius  Rufus  am  Hofe  gelebt  habe,  während  Plinius  öfter  abwesend 
gewesen  sei,  und  ferner  sich  der  letztere  Bericht  leichter  aus  ersterem 
ableiten  lasse,  als  umgekehrt,  so  verdiene  die  Erzählung  in  den  Annalen 
den  Vorzug.  Daß  übrigens  Otho  Poppäa  wirklich  geliebt  habe,  gehe 
aus  der  Thatsache  hervor,  daß  er  nach  seiner  Thronbesteigung  ihre 
umgestürzten  Statuen  wieder  aufrichten  ließ.  Daher  sei  auch  der  Be- 
richt Suetons,  wonach  Otho  sich  eines  Tages  weigerte,  Poppäa  zu 
Nero  zu  senden  und  ihn  selbst  vor  der  Thüre  stehen  ließ,  durchaus 
glaubwürdig. 

Derselbe,  Neron  et  les  Ehodiens.     Daselbst  S.  129—145. 

Rez.:  Jahresberichte  des  Berliner  philologischen  Vereins  XXIII 
(1897)  S.  148  (Andresen). 

Nach  Suet.  Nero  7  hielt  Nero  unter  dem  Konsulat  des  Claudius 
3  Reden  für  Bononia,  Rhodus  und  Iliura.  Damit  kann  nur  das  5.  Kon- 
sulat (51  n.  Chr.)  gemeint  sein.  Dagegen  werden  Tac.  ann.  XII,  58 
diese  3  Reden,  sowie  eine  4.  für  Apamea  ins  Jahr  53  gesetzt.  Verf. 
entscheidet  sich  für  letztere  Angabe  und  sucht  Suetons  Irrtum  dadurch 
zu  erklären,  daß  51  Nero  die  toga  virilis  und  den  Titel  princeps  luven- 
tutis  erhalten,  ferner  dem  Heere  ein  douativnim  und  dem  Volke  ein 
congiarium  gegeben  habe,  sowie  zum  Konsul  designiert  worden  sei  und 
eine  Dankrede  an  Claudius  gehalten  habe.  Diesen  wichtigen  Ereignissen 
habe  Sueton  noch  jene  3  Reden  irrtümlich  hinzugefügt.  —  Der  Schluß 
der  Abhandlung  beschäftigt  sich  mit  Beziehungen  zwischen  Nero  und 
Rhodus,  die  bei  Sueton  nicht  erwähnt  werden. 

Lucien  Herr,    Betriacum-Bebriacum.     Rev.  phil.  XVII  (1893) 
S.  208—212. 

Die  Form  Bebriacum  ist  bei  Juvenal  (Sat.  II,  106)  überliefert, 
die  andere  Form  Betriacum  oder  Bedriacum  geht  auf  den  älteren 
Plinius  zurück.     Aus   ihm  haben   sie  Tacitus,    Plutarch  und   Sueton 


1 10     Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.) 

(Otho  9),  aus  letzterem  die  späteren  Autoren  entnommen.  "Während 
die  letztere  Form  sich  der  etymologischeu  Erklärung  entzieht,  stellt  sich 
Bebriacum  mit  Bebronna,  Bibrax,  Bibracte,  Bibroci  u.  s.  w.  zusammen. 
Nimmt  man  ferner  die  Angabe  bei  Tac.  ann.  11,  24  locus  Castorum 
vocatur  hinzu,  woraus  bei  Sueton  a.  a.  0.  dem  Sprachgebrauch  der 
Zeit  angepaßt,  ad  Castoris,  quod  loco  nomen  est  geworden  ist,  so  ist 
Bebriacum  als  die  richtige  Form  anzusehen  und  bedeutet  le  bourg  aux 
castors,  Bebriaci  campi  la  plaine  aux  castors.  So  erhält  auch  der  locus 
castorum  bei  Tacitus  seinen  Sinn.  Zum  Schluß  warnt  der  Verf.  davor, 
bei  Sueton  (und  Tacitus)  Bebriacum  in  den  Text  zu  setzen,  da  dies 
eine  Korrektur  der  Autoren  selbst  sein  würde. 

Beck,    zur  Kritik    von  Suetons    de  grammaticis    et   rhetoribus. 
Berliner  philologische  Wochenschrift  1892  S.  771—772  und  779. 

de  gramm.  3  conductum,  ut  multos  doceret.  An  sich  nicht  übel, 
aber  multos  ist,  wenngleich  die  Verbindung  multos  docere  sich  öfter 
bei  Sueton  findet,  hier  doch  sehr  auffallend.  —  de  gramm.  5  Sevius 
Postumus  idem,  at  idem  atque  hie  Marcus  docebit.  Ein,  namentlich 
für  einen  Grammaticus,  entsetzlich  holperiger  Vers.  —  de  gramm.  13 
a  sua  matre  emptus  (vgl.  de  gramm.  21).  Beachtenswert.  —  de  gramm.  23 
OS  tuentem  statt  festinantem,  wobei  os  doppeldeutig  und  tueri  im  Sinne 
von  tenere  zu  nehmen  ist.  Dem  Sinne  nach  ungefähr  entsprechend,  der 
Ausdruck  aber  ist  kaum  möglich.  —  de  gramm.  24  idque  raro  nummis. 
Pauca  et  exigua.  Unwahrscheinlich,  denn  'für  Geld'  würde  doch  wohl 
anders  ausgedrückt  worden  sein. 

Moddermann,  lectiones  Suetonianae  S.  70 
thesis  IV:  de  gramm.  6  lies  per  unam  1  scriptum. 

Heidenhain,     zu    Suetons   vita    des   Horatius.    Fleckeisens 
Jahrbücher  für  Philologie  147  S.  844. 

Woelfflin,  satrapicus.    Archiv  für  lateinische  Lexikographie  IX 
S.  80. 

Heidenhain  schreibt  ab  ista  satrapica  mensa  statt  ab  ista  para- 
sitica  mensa,  weil  Horaz  auch  bei  Augustus  Parasit  gewesen  sein  würde 
und  es  anstößig  sei,  daß  Augustus  regia  von  sich  gebrauche.  Im  Gegen- 
satz zu  satrapica  sei  letzteres  scherzhaft  gemeint.  Dagegen  bemerkt 
Wölfflin  mit  Recht,  daß  das  Bedenken  wegen  parasiticus  hinfällig  ist, 
da  Horaz  als  'angestellter  Privatsekretär  des  Monarchen'  eben  nicht 
mehr  Parasit  war. 

0.  R,  zur  vita  Terentii.  Rheinisches  Museum  N.  F.  50  S.  314—315. 

Während  in  den  Versen  des  Porcius  Licinus  V.  4  Ritschl  dum 
86  amari  ab  his  credit  (credat  Par.)  strich,    ändert  der  Verf.  letzteres 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm,  Geschichtsschreibern.  (Opitz.)     1 1 1 

in  crepitat,  stellt  die  vorhergehenden  "Worte  um  und  zieht  dazu  noch 
die  folgenden  mit  Änderung  von  rapitur  in  rapi,  so  daß  sich  der  Vers 
ergiebt : 

dum  se  ab  his  amari  crepitat,  crebro  in  Albanum  rapi. 

Vor  dem  Schlüsse  des  folgenden  Verses  ob  florem  aetatis  suae 
fehlt  1  Hemistich,  dem  Sinne  nach  etwa  dum  se  attolli  ad  caelum 
sperat.  Alles  dies  ist  entschieden  fein  ausgedacht.  Etwas  hart  er- 
scheint mir  dagegen  die  am  Anfang  von  V.  6  angenommene  Tmesis 
post  suis  latis  rebus.  Ebenso  ist  es  mir  zweifelhaft,  ob  V.  8  statt 
mortuus  Stymphalist  Arcadiae  oppido  wirklich  ein  Epitheton,  wie 
obscurissimo,  tristissimo,  pauperrimo,  zu  erwarten  wäre. 

Masson,  Academy  (1894)  No.  1155  S.  519—520  und  No.  1169 
S.  236—237. 

Radinger,    Suetons    Lucrezbiographie.     Berliner    philologische 
AVochenschrift  1894  S.   1244-1248. 

Masson,    zu  der  Lucrezbiographie    des  Sueton.     Daselbst  1895 
S.  285—287. 

Woltjer,  desgleichen.     Daselbst  1895  S.  317—318. 

Fritsche,  desgleichen.     Daselbst  1895  S.  541. 

^Jlasson,  new  details  from  Suetouius'  life  of  Lucretius.    Journal 
of  phüology  1895  S.  220—238. 

Masson  veröffentlicht  einige  Notizen  über  das  Leben  des  Lucretius, 
die  in  einem  aus  dem  Besitz  des  Hieronymus  Borgius  stammenden 
Lucretius  aus  dem  Jahre  1492  handschriftlich  aufgezeichnet  sind  und 
einiges  Neue  enthalten  oder,  richtiger  gesagt,  zu  enthalten  scheinen. 
Von  der  merkwürdigen  Angabe  sunt  qui  putent  unum  et  viginti  libros 
composuisse  weist  Iladinger  nach,  daß  sie  aus  einer  falschen  Lesart  bei 
Varro  de  1.  1.  V,  3,  7  stammt,  wo  Lucilius  zu  lesen  ist.  Ferner  ist 
die  ausführliche  Bemerkung  über  Ciceros  Einfluß  auf  die  schriftstellerische 
Thätigkeit  des  Lucretius  vielleicht  aus  ad  Her.  IV,  10,  15  geflossen. 
Ein  anderer  Abschnitt  stimmt  im  ganzen  mit  der  aus  Sueton  (pag.  295 
Roth)  stammenden  Notiz  des  Hieronymus  überein,  enthält  jedoch  die 
bisher  unbekannte  Angabe  raatre  natus  diutius  sterüi.  Außerdem  er- 
scheint in  dem  angefügten  Verzeichnis  römischer  Epikureer  unter  mehr 
oder  weniger  bekannten  Personen  ein  Unbekannter,  Namens  Pollius  Par- 
thenopaeus.  Besonders  diese  beiden  Angaben,  die  Borgius  nicht  habe  er- 
finden können,  veranlassen  Radinger  zu  der  Annahme,  daß  die  Quelle  dieser 
Notizen  ein  antiker  Autor  sei  und  zwar,  wie  die  Ähnlichkeit  mit  Hiero- 
nymus erweise,  Suetons  Schrift  de  viris  illuatribus.    Dieser  Ansicht  tritt 


112     Beriebt  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.) 

Masson  bei.  In  der  'Wochenschrift'  teilt  er  außerdem,  wenngleich  ab- 
lehnend, die  Vermutung;  von  Reid  mit,  daß  unter  Pollius  Parthenopaeus 
des  Statins  Freund  Pollius  Felix  gemeint  sei,  der  zwar  in  Puteoli  ge- 
boren war,  aber  zu  Neapel  in  engen  Beziehungen  stand.  Auf  den- 
selben Gedanken  ist  gleichzeitig  Woltjer  gekommen.  Ferner  vermutet 
dieser,  daß  die  andere  Notiz  matre  natus  diutius  sterili  aus  Serenus 
Sammonicus  (ed.  Baehrens)  p.  135  stamme: 

invita  coniugü  sterilis  si  munera  languent 

nee  sobolis  spes  est  multos  iam  vana  per  annos, 

femineo  fiat  vitio  res  necne  silebo: 

hoc  poterit  magni  quartus  monstrare  Lucreti. 

Wenn  nämlich  hier  in  einem  Exemplar  partus  statt  quartus  (liber) 
gestanden  oder  Borgius  aus  dem  Kopfe  citiert  habe,  so  habe  daraus 
jener  Bericht  sehr  leicht  entstehen  können.  Pritsche  fügt  hinzu,  daß 
partus  thatsächlich  in  der  Mailänder  editio  princeps  des  Sammonicus 
steht.  Unter  diesen  Umständen  wird  allerdings  die  Behauptung,  daß 
wir  es  mit  bisher  unbekannten  Suetonfragmenten  zu  thun  hätten ,  sich 
schwer  aufrecht  erhalten  lassen. 

Manitius,  Philologisches  aus  alten  Bibliothekskatalogen.  Rh.  Mus. 
N.  F.  47,  Ergänzungsheft  S.  70—71. 

In  folgenden  mittelalterlichen  Bibliothekskatalogen  (bis  1300) 
kommt  Suetonius  vor:  Frankreich:  S.  Riquier,  Bec,  Cluny,  Limoges, 
Pontignj'.  Deutschland:  Fulda,  Bamberg,  bibl.  incognita.  Gross- 
britannien: Rochester,  Canterbury,  Glastonbury.    Italien:  Rom. 

R.  Düpow,  de  C.  Suetouii  Tranquilli  consuetudine  sermonis 
quaestiones.  Programm  der  Hansaschule  in  Bergedorf  bei  Hamburg. 
1895.    4.     20  S. 

Rez.:  Wochenschrift  für  klass.  Philologie  1896  No.  22  S.  606  — 
607  (Opitz). 

Zur  Behandlung  kommen  die  temporalen  Konjunktionen. 
Einleitungsweise  werden  zwei  Thatsachen  festgestellt:  1.  Da  Sueton  die 
Participialkonstruktionen  sehr  bevorzugt,  so  ist  der  Gebrauch  der  Kon- 
junktionen kein  sehr  ausgedehnter,  2.  Der  Konjunktiv  wird  viel  öfter 
verwendet,  als  der  Indikativ.  Die  eigentliche  Abhandlung  hat  folgen- 
den Inhalt,  aus  dem  ich  im  einzelnen  das  Bemerkenswerteste  hervor- 
hebe: §  1  postquam.  Bei  Hinzufügni'^-  von  Zeitangaben  stehen  Perfekt 
und  Plusquamperfekt;  in  diesem  Falle  gebraucht  Sueton  auch  das  bloße 
quam  (z.  B.  sexto  quam  profectus  erat  mense.  Claud.  17).  —  §  2  ut 
ubi  simulatque  simulac.  Letztere  beide  kommen  nur  in  futurischen 
Sätzen  der  direkten  und  indirekten  Rede  vor,  ebenso  simul  ohne  atque.  — 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.)     113 

§  3  dnm  donec  quoad.  Hinsichtlich  ersterer  Konjunktion  wird  eine  An- 
gabe von  Dräger  richtig  gestellt;  in  der  Bedeutung  'so  lange  als'  wird 
sie  nnr  futurisch  (direkt  und  indirekt)  verwendet;  die  beiden  letzteren 
heißen  nur  'so  lange  bis'.  —  §  4  antequam,  priusquam.  Beide  haben 
nie  den  Indikativ  nach  sich,  dagegen  bei  negativem  Hauptsätze  mit- 
unter das  participium  coniunctum  oder  den  ablativus  absolutus;  nach 
pridie  steht  einfaches  quam.  —  §  5  cum.  Einleitungsweise  wird  auch 
über  den  kausalen  und  koncessiven  Gebrauch  dieser  Konjunktion  ge- 
sprochen; cum  quidem  hat  beide  Modi;  auch  in  abgekürzten  Sätzen 
kommt  cum  vor  (non  amplius  cum  plurimum  quam  septem  horas 
dormiebat.  Aug.  78).  —  §  6  quando,  quandoque.  —  §  7  coniunctiones 
iterativae :  cum,  si,  quotiens.  Meistens  steht  der  Konjunktiv.  —  Die  Bei- 
spiele sind,  so  weit  ich  sehe,  vollständig  gesammelt,  jedoch  nur  aus  den 
Caesares.  Über  einige  Stellen,  die  kritisch  behandelt  werden,  habe  ich 
Rez.  S.  607  gesprochen. 

Woelfflin,  Archiv  für  lateinische  Lexikographie  X  S.  124. 

Sueton  gebraucht  pone  Tib.  68,  Nero  51,  Dom.  23,  vgl.  Jal.  20; 
nur  Vit.  17  steht  post  nach  dichterischem  Sprachgebrauch. 


3.    Ausgaben. 

C.  SuetoniTranquilliDivus  Augustus.  Edited  with  historical 
introduction,  commentary,  appendices  and  indices  byEvelynS.  Shuck- 
burgh.  Cambridge  printed  at  the  University  Press  1896.  gr.  8.  XLIV 
und  215  Seiten. 

Bez.:  Academy  Bd.  50  No.  1264  S.  64.  —  Museum  1896  No.  9 
(Damste).  —  Berliner  philol.  Wochenschrift  1896  No.  47  S.  1482—83 
(Helmreich).  —  Classical  review  XI  (1897)  S.  63—65  (Richards).  — 
Literarisches  Centralblatt  1897  No.  10  S.  335—36  (V.  G.).  —  BoUettino 
di  filologia  classica  1897  No.  12  S.  255  (L.  V.).  —  Wochenschrift  für 
klass.  Philologie  1897  No.  30/31  S.  837—842  (Wolffj  und  No.  35 
S.  953—955  (Opitz).  —  American  Journal  of  philol.  XVII  S.  371—372 
(Smith).  —  Athenaeum  No.  3615  S.  176—177.  —  Neue  philol.  Bund- 
schau 1897  No.  8  S.  117—119  (Düpow). 

Inhalt:  preface  (I — XI),  introduction  §  1  Augustus  (  — XXVIII), 
§  2  Suetonius,  bis  life  and  writings  (—  XXX),  §  3  the  authorities  of 
Suetonius  for  the  Ufe  of  Augustus  (—  XXXIII),  §  4  the  text  (—  XXXVI), 
chronological  table  (—  XLIV).  Es  folgt  S.  1—176  der  Text  mit  darunter- 
stehendem Kommentar,  darauf  als  Anhänge  das  monumentum  Ancyranum 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    Bd.  LXXXXVIL  (1898.  II.)     8 


114     Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.) 

(—  195),  die  Inschrift  C.  J.  L.  X.  8375  (196),  eine  Besprechung  der 
Cäsarmörder  (—  200),  Stammbäume  (—  204),  Index  der  Eigennamen 
(—  208),  Index  zu  den  Anmerkungen  (—  215). 

§  4  der  Einleitung  enthält  einige  Bemerkungen  über  2  Cambridger 
Handschriften  (12.  u.  15.  saec),  die  jedoch  nicht  ausreichen,  um  ein 
Urteil  fällen  zu  können,  und  außerdem  die  Besprechung  etlicher  Stellen. 
Die  wichtigsten  Abweichungen  vom  ßothschen  Text  sind:  Kap.  17  Ca. 
Domitium  statt  T.  Domitiura,  vgl.  Rez.  S.  954.  —  Kap.  32  vicensimo 
quinto  aetatis  anno  statt  vincesimo  aetatis  anno,  vgl.  daselbst.  — 
Kap.  40  in  foro  circove  (mit  einigen  Hss)  statt  in  foro  circave  (so 
auch  Memm.).  Doch  scheint  letzteres  besser  zu  sein,  da  die  Verordnung 
dadurch  veranlaßt  war,  daß  Augustus  pro  contione  die  puUatos  gesehen 
hatte,  und  sich  daher  schwerlich  aufs  Erscheinen  im  Cirkus  bezog.  Das 
zwecklose  Herumschlendern  (Hör.  sat.  I,  6,113)  kann  hier  aber  nicht 
gemeint  sein.  —  Kap.  44  muliebre  secus  omnes  (mit  älteren  Ausgaben) 
statt  muliebre  secus  omne.  In  der  That  pflegt  ja  secus  als  adverbieller 
Accusativ  zu  stehen.  Über  allen  Zweifel  erhaben  ist  mir  die  Sache 
aber  nicht,  da  Tac.  ann.  4,  62,  wo  secus  parallel  zu  aetas  steht,  es 
sehr  nahe  liegt,  das  Wort  als  Nominativ  zu  fassen.  —  Kap.  87  pro 
stalte  baceolum  et  pro  pullo  pulleiaceum  statt  pro  stulto  baceolum  apud 
pullum  pulleiaceum.  Die  Sache  bleibt  unsicher.  —  Kap.  94  in  eins 
sinum  Signum  rei  publicae,  quam  manu  gestaret,  reposuisse  statt  in 
eins  sinum  rem  publicam,  quam  u.  s.  w.  Vgl.  Rez.  S.  954.  —  Kap.  98 
diripiendique  pomorum  et  obsoniorum  rerumque  missilia,  während  Roth 
vor  missilia  das  Zeichen  der  Lücke  gesetzt  hatte.     Vgl.  daselbst. 

Den  Hauptteil  des  Kommentars  bilden  Anmerkungen  historischen 
Inhalts:  zur  Erklärung  wird  ein  reicher,  gut  verarbeiteter  Stoff  aus 
allen  möglichen  Schriftstellern,  sowie  aus  den  Inschriften  herangezogen. 
Die  Angaben  machen  durchaus  den  Eindruck  der  Zuverlässigkeit  und 
bieten  so  zur  sachlichen  Erläuterung  des  Inhalts  ein  reichliches,  ja 
überreichliches  Material.  Hierin  liegt  offenbar  die  Stärke  des  Heraus- 
gebers. Seltener  und  an  Umfang  geringer  sind  die  Bemerkungen  sprach- 
licher Art.  Vielfach  bietet  der  Herausgeber  direkt  die  Übersetzung, 
nicht  selten  auch  in  Fällen,  wo  eine  solche  nach  unsern  Anschauungen 
überflüssig  erscheint.  Aber  darüber  läßt  sich  um  so  schwerer  ein  Ur- 
teil fällen,  als  man  nirgends  erfährt,  für  welchen  Standpunkt  die  Aus- 
gabe eigentlich  bestimmt  ist.  Etliche  Fragen  aus  dem  Bereich  des 
Sprachgebrauchs  werden  auch  im  Vorwort  besprochen. 

C.  Suetonii  Tranquilli  vita  divi  Claudii.     Specimen  litte- 

rarum  inaugurale,    qnod pro  gradu   doctoris exa- 

mini  submittet  Henricus  Smilda.     Groningae,  apud  J.  B.  Wolters 
1896.    gr.  8.     192  S. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  za  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.)     1  ]  5 

Rez.:  Museum  189G  No.  10  (Valeton).  —  Revue  critique  1897  S.  132 
—  133  (Thomas).  —  Classical  review  XI  (1897)  S.  63—65  (Richards).  — 
Berliner  philol.  Wochenschrift  1897  No.  7  S.  198—199  (Helmreich).  — 
Neue  philol.  Rundschau  1897  No.  HS.  166—167  (Düpow).  —  Revue  de 
Philologie  XXI  S.  209  (Fabia).  —  Wochenschrift  für  klass.  Philologie  1898 
No.  17  S.  470—474  (Wolff)  und  No.  19  S.  518-520  (Opitz). 

Unter  dem  Texte  stehen  zunächst  die  Parallelstellen  zu  Suetons 
Berichten  aus  den  anderen  griechischen  und  römischen  Historikern,  dann 
folgt  der  sehr  ausführliche  Kommentar.  In  ihm  überwiegen  nach  Zahl 
wie  Ausdehnung  bei  weitem  die  sachlichen  Anmerkungen,  in  denen  mit 
großem  Fleiße  ein  reiches  Material  aus  den  Autoren,  Inschriften  und 
neueren  Werken  zusammengestellt  und  verarbeitet  ist.  In  beiderlei 
Hinsicht  bescheidener  sind  die  sprachlichen  Anmerkungen  ausgefallen. 
Verhältnismäßig  zahlreich  sind  die  kritischen  Erörterungen.  Jedenfalls  wird 
man  die  Ausgabe  gern  als  eine  sehr  achtenswerte  Leistung  bezeichnen. 
Der  Text  weicht  nicht  selten  vom  Rothschen  ab,  an  folgenden 
Stellen  mit  Recht:  4  Süvani  statt  Silani,  4  nuncuparet  statt  nuncuparit, 
13  aquila  statt  aquilae  (sämtlich  nach  den  Handschriften),  ferner 
2  Jullo  statt  Julo  (mit  Inschriften),  20  magna  potius  necessariaque 
(Madvig),  41  sed  transiit  statt  sed  et  transiit  (Torrentius),  44  urguebant 
statt  arguebant  (Baumgarten — Crusius). 

Andere  eigene  Konjekturen  teilt  der  Herausgeber  in  den 
Anmerkungen  mit;  daß  ich  sie  sämtlich  für  überflüssig  halte,  habe  ich 
in  der  erwähnten  Rezension  näher  begründet. 

Ferner  werden  in  den  Anmerkungen  fremde  Konjekturen  zur 
Aufnahme  empfohlen:  21  quodque  appellari  coepit  sportula  mit 
Lipsius  statt  quodque  appellare  coepit  sportulam.  Der  Gedanke,  daß 
das  Volk  die  betreffenden  Spiele  sportula  genannt  habe,  ist  nicht  übel, 
aber  der  Anstoß,  den  Smilda  an  coepit  nimmt,  bleibt  im  wesentlichen 
bestehen.  In  demselben  Kapitel  wird  wegen  der  Berichte  bei  Tacitus 
und  Dio  von  manchen  fi'üheren  Herausgebern  eine  Lücke  angenommen, 
in  der  quadriremium  und  1  Zahl  gestanden  habe.  Dies  ist  mindestens 
unsicher.  25:  talis  rebus  verbisque  plerumque  mit  Polak  statt  talis 
ubique  plerumque.  Letzterer  Ausdruck  ist  zwar  kein  eleganter,  aber 
doch  wohl  nicht  zu  beanstanden.  Nicht  ubique  entspricht  dem  vorher- 
gehenden ex  magna  parte,  sondern  plerumque,  während  ubique  in  Be- 
ziehung steht  zu  totum  principatura  und  von  Oudendorp  richtig  durch 
omni  re  et  loco  erklärt  ist.  Überdies  ist  die  empfohlene  Konjektur 
paläographisch  nicht  gerade  leicht. 

Sehr  oft  werden  fremde  Konjekturen  älteren  oder  jüngeren 
Datums  in  längerer  oder  kürzerer  Erörterung  als  unnötig  zurück- 
gewiesen.    Hier  stimme  ich  dem  Herausgeber  fast  stets  bei. 

8* 


1 16     Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.) 

Stories  of  the  Caesars  from  Suetonius.  Being  selections 
from  the  lives  of  Julius  aud  Augustus.  Edited  with  notes, 
exercises  and  vocabulary  by  Herbert  Wilkinson.  London, 
Maciuillau  and  Comp.  1896.    12.    132  S. 

Rez.:  Academy  Bd.  51  No.  1290  S.  111.  —  Saturday  review 
No.  1251  S.  73. 

Ich  erwähne  dieses  Buch  nur  der  Vollständigkeit  halber.  Der 
Verf.  giebt  nach  seiner  ausdrücklichen  Versicherung  keine  Sueton- 
ausgab  e ,  sondern  ein  Lesebuch  etwa  für  Tertianer,  die  bereits  etwas  von 
Cäsar  gelesen  haben.  In  deren  Interesse  hat  er  im  Text  UmstelluDgen, 
Auslassungen,  Einschiebungen  u.  s.  w.  vorgenommen,  namentlich  auch, 
um  Ausdrücke  und  Konstruktionen  der  silbernen  Latinität  zu  beseitigen. 

Die  auf  germanische  Verhältnisse  sich  beziehenden  Stellen 
des  Suetonius  sind  zusammengestellt  bei  Riese,  das  rechtsrheinische 
Germanien  in  der  antiken  Litteratur  (Leipzig,  Teubner,  1892),  siehe 
Erstes  Register  S.  459.  Zu  Grunde  liegt  der  Rothsche  Text.  Caes. 
25  (S.  36)  wird  die  bei  Roth  angegebene  Lücke  richtig  durch  sestertium 
quadringenties  ergänzt  (so  auch  der  Vaticanus  Lipsii).  —  Aug.  25 
(S.  83)  werden  die  Worte  sub  priore  vexillo  durch  ein  hinzugesetztes 
Kreuz  als  verderbt  bezeichnet.  Vgl.  S.  104.  —  Unbegründet  ist  Cal.  48 
(S.  108)  die  Streichung  der  Worte  post  excessum  Augusti. 

Zahlreiche  Abschnitte  aus  den  vitae  Caesaris,  Augusti,  Tiberii, 
Caligulae,  Claudii,  sowie  die  vitae  Orbilii  und  Horatii  sind  abgedruckt 
in  der  Chrestomathie  aus  Schriftstellern  der  sogenannten 
silbernen  Latinität  von  Th.  Opitz  und  A.  Weinhold  (Leipzig  1893), 
Heft  1  S.  1 — 118.  Der  Text  der  Kaiserbiographien  ist  im  wesentlichen 
der  Rothsche.  Etliche  Änderungen,  namentlich  Ausfüllung  von  Lücken, 
dienen  ledigb'ch  dem  Zwecke,  die  betreffenden  Stellen  für  die  Schüler 
lesbar  zu  machen.  Von  andern  erwähne  ich:  Caes.  25  Ausfüllung  der 
Lücke  durch  quadringenties,  vgl.  oben;  Aug.  73  hiemavit  statt  hiemaret 
(Mähly);  Claud.  2  Jullo  Antonio  statt  Julo,  vgl.  S.  115.  Eür  Orbilius 
und  Horaz  liegt  der  Reifferscheidsche  Text  zu  Grunde,  am  Ende  der 
Horazbiographie  ist  jedoch  dessen  Konjektur  beseitigt  und  post  septimum 
et  quinquagesimum  annum  geschrieben  worden. 

Aarelias  Victor. 

1.  Origo  genti.s  Romanae. 

J.  W.  Beck,  de  sermone  libelli  „Origo  gentis  Romanae"  adnota- 
tiunculae.     Mnemosyne  Nova  series.    XXII  (1894)  S.  338—344. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.)      117 

Der  Inhalt  vorliegender  Abhandlung  ist  folgender:  In  der  Form, 
wie  die  Origo  überliefert  ist,  stammt  sie  von  2  verschiedenen  Verfassern: 
der  iirspüngliche  grata  simplicitate  proposuit  antiquae  urbis  fata,  der 
andere  omnia  suis  flosculis  conspersit.  Der  eigentliche  Verfasser  war 
ein  Zeitgenosse  etwa  des  Diocletian  oder  des  Lactantius  und  Hiero- 
nymus,  oder,  wie  es  an  anderen  Stellen  heißt,  er  lebte  nach  Apuleius, 
aber  vor  der  Abfassung  von  Hieronymus'  Chroniken.  Er  war  mit  den 
Schriftstellern  aller  Perioden  der  römischen  Litteratur  ziemlich  vertraut 
und  keineswegs  ein  falsarius.  Alles  dies  wird  von  Beck  mehr  behauptet 
als  bewiesen.  "Weiterhin  erörtert  er  einige  Punkte  des  Sprachgebrauchs, 
zunächst  Ausdrücke  wie  restitui  fecit,  incunctanter,  circumquaque,  in- 
vadere  =  devorare,  ferner  Spuren  des  sermo  \Tilgaris,  Ausdrücke,  die 
sonst  sehr  selten  oder  gar  nicht  vorkommen,  und  Anklänge  an  Cicero, 
Ovid,  Sallust,  Quintilian,  Lactantius.  Der  Vorschlag,  12,  4  defectum 
cibo  statt  refectum  zu  lesen,  hat  manches  für  sich. 

Manitius,  Philologisches  aus  alten  Bibliothekskatalogen.  Rh. 
Mus.  N.  F.  47,  Ergänzungsheft  S.  152. 

Origo  gentis  Romanae  wird  'ausgebeutet'  im  Additamentum 
codd.  2.  2  ab.  3  des  Gotefridus  Viterbiensis  spec.  regum  I  32.  34  etc. 
(M.  G.  SS.  XXII,  55). 

2.  De  viris  illustribus. 

G.  Schoen,  Die  Elogien  des  Augustusfomm  und  der  Über  de 
viris  illustribus  urbis  Romae.  Programm  des  k.  k.  Staatsgymnasiums 
in  CUli.     1895.     8.     46  S. 

Im  1.  Kapitel  erörtert  der  Verf.  nach  einigen  allgemeineren  Be- 
merkungen über  die  Elogien,  namentlich  über  deren  Komposition,  die 
Frage,  inwieweit  sich  Vorbilder  für  sie  bereits  in  der  republikanischen 
Zeit  finden.  Als  solche  sind  u.  a.  die  tituli  iraaginum  anzusehen. 
Diese  wurden  litterarisch  zuerst  von  Varro  und  Atticus  verwendet. 
Ersterer  behandelte  nicht  nur  Römer,  sondern  Männer  aus  der  ganzen 
"Weltgeschichte,  auch  nicht  nur  Staatsmänner,  sondern  Vertreter  aller 
Berufsklassen.  Seinem  Beispiele  folgten  Nepos,  Hygiuus  u.  a.  Dagegen 
beschränkte  sich  Atticus  auf  die  hervorragendsten  Staatsmänner  Roms. 
Sein  Werk  wird  ungefähr  39  v.  Chr.  abgeschlossen  gewesen  sein. 
"Wenige  Jahre  darauf  baute  Augustus  sein  Forum  und  schmückte  es 
mit  den  Bildern  berühmter  Römer,  die  er  mit  entsprechenden  Inschriften 
versah.  Bei  den  engen  Beziehungen  des  Augustus  zu  Atticus,  nament- 
lich auch  in  litterarisch -antiquarischer  Hinsicht,  hält  es  der  Verf.  für 
so   gut    wie   sicher,    daß    ersterer   für  jene    Elogien    die  Schiift   des. 


118     Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.) 

letzteren  benutzte,  ja  er  glaubt,  daß  'Augustus  in  seinen  Elogien 
das  Werk  des  Atticus  mit  geringen  Modifikationen  wiedergab'.  — 
2.  Kap.:  Die  Biographien  der  Schrift  de  viris  illustribus  zerfallen 
in  2  große  Gruppen :  1.  'in  der  größeren  Hälfte  werden  Männer  geschildert, 
welche  in  der  römischen  Republik  die  hervorragendsten  Ämter  be- 
kleideten" ;  2.  'einen  ganz  anderen  Charakter  haben'  Horatius  Codes,  Scae- 
vola  u.  s.  w.,  wo  es  sich  mehr  um  einzelne  Thaten  handelt.  Zwischen 
letzteren  vitae  und  den  Berichten  des  Ampelius  zeigen  sich  solche 
Ähnlichkeiten,  daß  von  beiden  dieselbe  (biographische)  Quelle  benutzt 
worden  sein  muß.  Aus  ebenderselben  hat  auch  Florus  geschöpft.  Denn 
daß  nicht  dieser  vom  Verfasser  der  Schrift  de  vir.  ill.  ausgeschrieben 
worden  ist,  wie  Hildesheimer  annahm,^)  sondern  daß  die  Überein- 
stimmung auf  eine  gemeinsame  Quelle  zurückgeht,  ergiebt  sich  schon 
daraus,  daß  die  Erzählungen  in  de  vir.  ill.  mitunter  Einzelheiten  ent- 
halten, die  bei  Florus  fehlen,  man  vgl.  z.  B.  de  vir.  ill.  20  und  21 
mit  Flor.  I,  17;  64  mit  II,  2;  65  mit  II,  3;  73  mit  II,  4;  66  mit  n,  5. 
Die  Biographien,  in  denen  sich  diese  engen  Beziehungen  zu  Ampelius 
und  zum  Teil  zu  Florus  zeigen,  zerfallen  in  6  Gruppen:  1.  qui  pro 
populi  Romani  salute  se  optulerunt  (Amp.  20),  2.  Männer,  welche  bei  den 
secessiones  eine  Rolle  spielten  (Amp.  25),  3.  qui  adversus  patriam  ne- 
faria  iniere  consilia  (Amp.  27),  4.  populus  Komanus  cum  quibus  genti- 
bus  bella  conseruit  et  quibus  causis  (Amp.  28),  5.  Männer,  welche 
während  der  seditiones  eine  Eolle  spielten  (Amp.  26),  6.  ordo  belli 
Mariani  (Amp.  42).  Hinzukommen  noch  einige  einzeln  stehende  vitae. 
Nach  Abzug  aller  dieser  Abschnitte  bleibt  ein  Grundstock  von 
47  Kapiteln  übrig,  in  denen  sich  sogar  3  direkte  Widersprüche  mit 
Ampelius  finden.  Dagegen  zeigen  sie  große  Ähnlichkeiten  mit  den 
Elogien.  Daraus  folgert  der  Verf.,  daß  diese  47  Kapitel  auf  Atticus, 
die  übrigen  aber  auf  eine  Quelle  der  Varronischen  Richtung  zurück- 
gehen, jedoch  in  der  "Weise,  daß  diese  beiden  Autoren  nicht  direkt  be- 
nutzt worden  seien,  sondern  'wahrscheinlich  unmittelbare  Nachfolger . 
Dabei  denkt  der  Verf.,  namentlich  auch  gestützt  auf  die  Überschrift 
vor  der  origo  gentis  Romanae,  an  Verrius  Flaccus.  In  vielen  dieser 
Punkte,  namentlich  in  der  Annahme  einer  gemeinsamen  Quelle  für 
Ampelius,  Florus  und  de  vir.  ill.,  wird  man  dem  Verf.  gern  beistimmen. 
Dagegen  scheinen  mir  die  Beziehungen  zwischen  den  Elogien  und  der 
Schrift  de  vir.  ill.  doch  gering  zu  sein.  Daß  der  Ausdruck  mitunter 
übereinstimmt,    läßt  sich  nicht  in  Abrede  stellen.     Aber,  da  in  beiden 


^)  Offenbar  ist  es  dem  Verf.  entgangen,  daß  ich  Hildesheimers  An- 
nahme mit  ganz  ähnlichen  Gründen  in  den  Jahrbüchern  für  Philologie 
Bd.  123  (1881)  S.  203  f.  entgegengetreten  bin. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.)     119 

Werken  ein  möglichst  kurzer  und  schlichter  Ausdruck  gesucht  ist,  so 
konnten,  ja  mußten  zuweilen  beide  Autoren  zufällig  sich  des  gleichen 
bedienen.  Demnach  möchte  ich  die  daraus  gezogenen  Schlußfolgerungen 
als  sicher  zu  bezeichnen  doch  Bedenken  tragen.  Auch  dürfte  es  geratener 
sein,  die  sonderbare  Überschrift  vor  der  origo  lieber  aus  dem  Spiele 
zu  lassen.  —  Im  3.  Kap.  sucht  der  Verf.  die  Zahl  der  auf  dem  Au- 
gustusforum  vorhanden  gewesenen  Statuen    und  Elogien  zu  bestimmen. 

Soltau,  Nepos  und  Plutarchos.    Neue  Jahrb.  f.  Philol.  Bd.  153 
(1896)  S.  123—131. 

S.  125  ff.  sucht  der  Verf.  die  schon  wiederholt  ausgesprochene 
Vermutung,  daß  in  der  Schrift  de  viris  illustribus  Cornelius  Nepos 
benutzt  sei,  durch  Vergleichung  mit  der  im  Auszug  erhaltenen  Cato- 
biographie  des  Nepos  und  weiterhin  mit  Plutarch  zu  erweisen,  von  dem 
nach  seiner  Annahme  dieser  Autor  in  seiner  vollständigen  Form  nicht 
selten  benutzt  worden  ist.  Namentlich  betont  er  dabei  den  Umstand, 
daß  die  Gewinnung  des  Ennius,  die  204  erfolgte,  nur  de  vir.  ill.  47,  1  und 
Nep.  Cato  1,  4  ins  Jahr  198  gesetzt  wird.  Ferner  stellt  er  die 
übrigen  Teile  dieses  Kapitels  mit  Flut,  Cato  9,  13  f.,  16  f.  zusammen, 
nur  daß  dessen  bedeutend  ausführlicherer  Bericht  allerdings  aus  Poly- 
bius  oder  Livius  ergänzt  sei,  weiterhin,  um  nur  das  Wichtigste  zu  er- 
wähnen, de  vir.  ill.  33  und  Plnt.  Cato  2,  de  vir.  ill.  45  und  Plut. 
Marc.  30,  de  vir.  ill.  74,  7  und  Plut.  Luc.  38  Ende  nebst  39  Anfang.  — 
Abgesehen  von  der  Stelle  über  Ennius  sind  alle  diese  Erörterungen 
nicht  so  schlagend,  daß  nicht  lebhafte  Zweifel  an  der  Benutzung  des 
Nepos  durch  den  Verfasser  der  Schrift  de  viris  illustribus  bestehen  blieben. 

Kühl,  Berliner  philologische  Wochenschrift  1895  S.  469. 

Plinius  Secundus  de  moribus  et  vita  imperatorum  im  Bibliotheks- 
katalog von  St.  Riquier  (Manitius,  Philologisches  S.  59  und  70)  ist 
wohl  Plinius  de  viris  illustribus  und  Victor  (oder  Epitome)  de 
Caesaribus. 

Tb.    Opitz,    ad    librum    de    viris    illustribus.     Commentationes 
WoeUflinianae  (Leipzig,  Teubner,  1891)  S.  363—369. 

An  folgenden  Stellen  wird  die  von  Wijga  aufgenommene  Lesart 
verworfen:  2,  3  iteretur  statt  iteraretur  mit  A.  —  5,  2  Murciam  et 
Janiculum  montes  urbi  addidit  (Konj.).  —  9,  1  ita  statt  itaque  mit 
AC  XV.  —  9,  1  vel  lusu  ist  eine  alte  Variante  zu  convivio  und  zu 
streichen,  —  14,  3  usque  ad  unum  mit  allen  Hss.  —  24,  5  a  senatu 
.  .  .  .  argueretur  mit  allen  Hss.  —  30,  2  Romanis  dicerent  statt 
Romanos  docerent  mit  B  und  im  Anschluß  an  A.  —  37,  3 
duceret    statt    deduceret    mit    AC.    —    39,  3    Catinam    statt    Game- 


120     Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.) 

rinam  mit  den  Hss.  —  49,  17  Quirites  (Klotz)  ist  falsch.  Aus  der 
Überlieferung  ergiebt  sich  quare,  doch  ist  dies  vor  in  Capitolium  eamus 
zu  setzen.  —  51,  4  Zwischen  Samiae  und  per  ist  eine  größere  Lücke 
anzunehmen.  —  61,3  Arbacos  statt  Arevacos  mit  B  und  im  Anschluß 
an  A.  —  71,  2  cum  et  alia  dedisset  et  arma  peterentur  (Konj.  mit 
Benutzung  eines  Vorschlags  von  Keil).  —  73,  7  clamarunt  (Konj.).  — 
74,  2  ministerio  llurenae  nach  den  Spuren  der  Überlieferung  mit 
Schott  —  76,  6  acrius  statt  Cabiris  mit  den  Hss.  —  77,  6  in  Hyr- 
cannm  ....  usque  statt  ad   mit  den  Hss.  —  77,  6    nunc   in    septen- 

trionem nunc  in  orientem,  ersteres  statt  rerum  mit  A,  letzteres 

mit  allen  Hss  statt  tum. 

Petschenig,  colligere  =  tollere.   Archiv  für  lateinische  Lexiko- 
graphie Vin  S.  140. 

Heraeus,  colligere  =  tollere.     Daselbst  IX  S.  135. 

De  vir.  ill.  1,3  ist  collectos  richtig  und  bedeutet  'aufheben',  wie 
Just.  33,  2,  2  und  4,  Frontin.  4,  5,  17,  Eutr.  9,  23,  wo  es  einzusetzen 
ist  (vgl.  oben  S.  82).  Heraus  stimmt  dem  mit  Recht  bei  und  giebt 
weitere  Belegstellen,  namentlich  Nepotianus  pag.  607,  8  ed.  Kempf 
und  2  Stellen  aus  Quintilians  Deklamationen. 

Hülsen,  Das  Grab  des  Hannibal.  Berliner  philologische  Wochen- 
schrift 1896  S.  28—30. 

Schwab,  Daselbst.     S.  1661—1663. 

Zur  Erläuterung  des  Berichtes  über  Hannibals  Grab  (de  vir.  ill. 
42,  6)  führt  Hülsen  die  bis  jetzt  übersehene  Stelle  Tzetzes  chil.  I  bist.  27 
an,  aus  der  sich  ergiebt,  daß  der  erste  Afrikaner  auf  dem  römischen 
Kaiserthrone,  Septimius  Severus,  seinem  Landsmanne  ein  Denkmal  aus 
weißem  Marmor  gesetzt  hat.  Im  Anschlüsse  daran  schildert  Schwab 
das  alte  Libyssa  aus  Autopsie:  es  ist  in  der  Gegend  der  heutigen 
Station  Dil  (36  km  von  Ismid)  zu  suchen.  Der  20  Min.  südösilich  von 
Gebize  gelegene  Grabhügel,  der  als  Hannibals  Grab  bezeichnet  wird, 
trägt  seinen  Namen  nur  mit  legendärem  Rechte. 

Helm  reich,    zu  Aurelius  Victor  c.  76.     Philologus  52  S.  560. 

de  vir.  ill.  76  quod  cum  tardius  vim  exhiberet  statt  tardius  biberet 
(o  ebiberet  ß  combiberet)  unter  Vergleichung  von  Scribon.  Long,  c,  20» 
271,  106,  75  (wegen  exhibere).    Sehr  beachtenswert. 

3.    Caesares. 

Guilelmus   Schmidt,    de   Romanorum   iraprimis   Suetoni    arte 
biographica  (siehe  oben  S.  101)  8.  65 — 66. 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.)     121 

Verf.  sucht  an  der  vita  Diocletiani  aus  den  Caesares  und  der 
vita  Theodosii  aus  der  epitome  nachzuweisen,  daß  auch  die  Verfasser 
dieser  beiden  Werke  sich  im  wesentlichen  des  von  Sueton  durcligeführten 
Schemas  der  Disposition  bedient  haben.  Dabei  versteigt  er  sich  zu 
den  beiden  mehr  als  kühnen  Behauptungen,  daß  der  erste  Teil  der 
Caesares  nur  ein  Excerpt  aus  Sueton  und  die  epitome,  abgesehen  vom 
Schluß  (43 — 48),  ein  solches  aus  den  Caesares  seien. 

Manitius,  Philologisches  aus  alten  Bibliothekskatalogen.  Rh. 
Mus.  N.  F.  47,  Ergänzungsheft  S.  152. 

Von  den  Caesares  wird  laus  Tiberii  benutzt  durch  Henricus 
Hutendunensis  bist.  Anglorum  (ed.  Arnold)  pag.  20. 

Franz  Pichlmayr,  zu  den  Caesares  des  Sextus  Aurelius  Victor. 
Festgruß  an  die  XLI.  Versammlung  Deutscher  Philologen  und  Schul- 
männer von  dem  Lehrerkollegium  des  K.  Ludwigsgymnasiums  in 
München.     S.  11—22. 

Nach  einigen  Bemerkungen  allgemeiner  Natur,  z.  ß.  über  sprach- 
liche Eigentümlichkeiten,  behandelt  der  Verf.  ungefähr  20  Stellen.  Auf 
seine  Konjekturen  komme  ich  unten  bei  Besprechung  seiner  Textaus- 
gabe zurück.  An  etlichen  Stellen  verteidigt  er  die  handschriftliche 
Überlieferung  mit  Recht:  10,  3  gladiatoris,  11,  2  deinceps  als  indekli- 
nables Adjektiv,  13,  8  quae  Suranae  sunt,  20,  26  victor  tantorum  exer- 
citus,  39,  10  ageret.  Sehr  hart  erscheint  mir  dagegen  die  Zulassung 
der  Ellipse  20,  22  cunctis  liberalium  deditus  studiis  und  20,  31  secun- 
darum  initia.  Eher  würde  ich  sie  noch  26,  1  quis  biennium  summae 
potitis  zugeben.  Zweifelhaft  ist  es  mir  auch,  ob  man  das  Asyndeton 
13,  1  accepit  dedit  als  juristische  Formel  rechtfertigen  kann.  Mit  Recht 
wird  41,  21  novando  statt  novandae  (Anna  Fabri)  empfohlen,  weniger 
sicher  ist  39,  28  instituto  statt  institutio  (Schott). 

SextiAureliiVictoris  de  Caesaribus  über.  Ad  fidem  codicum 
Bruxellensis  et  Oxoniensis  recensuit  Franciscus  Pichlmayr.  Pro- 
grarama  gymnasii  Ludoviciani  Monacensis  1892.  Monachii  typos  curavit 
F.  Straub.     8.    VIII  und  59  S. 

Rez,:  Wochenschrift  für  klass.  Philologie  X  No.  26  S.  713—715 
(Opitz).  —  Neue  philol.  Rundschau  1893  No.  15  S.  227—229  (Opitz). 
—  Archiv  für  lateinische  Lexikographie  VIII  S.  309. 

Die  Caesares  des  Aurelius  Victor  sind  in  2  Handschriften  über- 
liefert, einer  Brüsseler  (P)  und  einer  Oxforder  (0).  Erstere  ist  1850 
von  Mommsen  aufgefunden  und  als  die  Handschrift  erkannt  worden, 
nach  der  Schott  1579  die  editio  princeps  veranstaltet  hatte,  während 
die  Oxforder  erst  vor  etwa  12  Jahren  entdeckt  worden  ist.   Pichlmayr 


122     Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.) 

ist  nun  der  erste,  der  auf  Grund  dieser  beiden  Handschriften  eine 
kritische  Ausgabe  der  Caesares  veranstaltet  hat,  und  zwar  in  einer  im 
wesentlichen  durchaus  befriedigenden  Weise. 

Außerordentlich  zahlreich  sind  die  Stellen,  an  denen  der  Text 
von  dem  bisher  üblichen  abweicht.  Vielfach  geschieht  dies  auf  Grund 
beider  Handschriften,  nicht  selten  aber  bietet  nur  0,  mitunter  P  allein 
das  Richtige.  Im  allgemeinen  nämlich  beansprucht,  wie  schon  Cohn 
(vgl.  diese  Jahresberichte  LXXH  S.  64)  bemerkt  hat,  die  erstere  Hand- 
schrift die  größere  Autorität,  was  jedoch  natürlich  nicht  ausschließt, 
daß  manche  Stellen  in  ihr  verderbt,  dagegen  in  P  unversehrt  erhalten 
sind.  Im  einzelnen  ist  die  Entscheidung  nicht  immer  leicht  zu  treifen, 
eventuell  wird  man  sich  sogar  mit  einem  non  liquet  begnügen  müssen. 
Außerdem  hat  der  Herausgeber  von  Konjekturen  älteren  und  neueren 
Datums  manche  in  den  Text  eingesetzt,  andere  nur  in  den  unter  diesem 
stehenden  Anmerkungen  erwähnt. 

Um  nun  ein  Bild  von  der  Neugestaltung  des  Textes  zu  geben, 
teile  ich  aus  2  auf  gut  Glück  herausgegriffenen  Kapiteln  die  Ab- 
weichungen des  Textes  von  der  Bipontina  mit,  deren  Lesarten  vor  der 
Klammer  stehen:  Kap.  U,  1  idem]  deinde;  insontes]  insontes  noxios; 
2  quaesierat]  quaesiverat;  3  provincia]  provinciam;  proruperant.  Prae- 
torias]  proruperant.  Simul  Marobodus  calcide  circumventus ,  Sueborum 
rex;  neque  minus  contractas  undique  cohortes  praetorias.  —  Kap.  XI,  4 
et  suo]  e  suo;  opera]  operum;  6  quisquamne]  quispiamne;  7  anno  vitae] 
vitae  anno;  11  omissionem]  amissionem;  12  nescio  quoque]  quoque 
nescio;  13  at]  ac.  — 

Fremde  Konjekturen  haben  an  folgenden  Stellen  mit  Recht  Auf- 
nahme gefunden:  2,  3  in  provinciam  statt  in  provincia  (Opitz).  —  3,8 
praedica^it  statt  praedicaret  (Schott).  —  4,  11  viro  statt  virum  (Opitz).  — 
9,  7  multaque  alia  statt  raultaeque  aliae  (Mähly).  —  13,  n  Italiam 
statt  militiam  (Freudenberg).  —  17,  7  potentia  sustentatur  statt  poten- 
tiam  sustentantur  (Mommsen).  —  20,  6  parce  statt  parte  (Wölfflin). 
—  20,  13  pronos  eingeschoben  (Schott).  —  20,  23  retentaverit  statt 
retentavit  (derselbe).  —  21,  1  adficiens  statt  adiciens  (Gruter).  — 
24,  1  Arce  statt  arthe  0,  arch§  P  (Mommsen).  Wohl  richtig.  — 
35,  12    necis    nuntius    statt   necis    0,    neces  P    (Freudenberg).    Wohl 

richtig.  —  39,  30  quadripartito  statt  qi  partito  0,  qi  partito  P  (Freuden- 
berg). —  39,  45  ecqni  statt  hecqui  0,  h^c  qui  P  (Schott).  —  40,  21 
segnitiem  statt  segnitie  (Mommsen).  —  41,  15  obsistentibus  statt  absi- 
stentibus  0,  assistentibus  P  (Mommsen).  Wohl  richtig.  —  42,  7  atque 
cadaveribus  statt  ant  cadaveribus  (Opitz).  —  42,  11  iu  regni  speciem 
statt  specie  (Anna  Fabri). 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.)     123 

Eigene  Konjekturen,  von  denen  die  mit  *  bezeichneten  in  der 
oben  erwähnten  Abhandlang  näher  begründet  sind,  sind  mehrfach  in 
den  Text  eingesetzt  worden.  Die  wichtigsten  sind  folgende:  *3,  1  Claudio 
febri  an  insidiis  oppresso  statt  Claudio  Ferian.  Beachtenswert.  —  *5,  12 
praeversa  statt  perversa.  —  *8,  8  eruditionis  sumat  auctoritatem  statt 
auctoritatis  sumat  eruditionem.  Wohl  richtig.  —  13,  3  capillatisque 
statt  satisque.  Fein  erdacht,  aber  doch  unsicher.  —  *15,  1  atque  vor 
Aurelio  eingeschoben.  Daß  ein  Wort  ausgefallen  ist,  ist  klar.  Ob 
aber  gerade  atque?  Die  Konstruktion  ist  doch  sehr  hart.  —  *20,  33 
iccircoque  morte  statt  iccirco  morteque  0,  idcirco  morte  P.  —  *21,  1 
Antoninianas  nomen  e  suo  statt  anthonias  nomine  0,  antonianas  nomini 
P.  —  *31,  18  ni  statt  nisi.  Beachtenswert.  —  *39,  2  barbarum 
statt  barura. 

Einige  Stellen  hat  der  Herausgeber  durch  einen  Stern  gekenn- 
zeichnet, vermutlich  um  anzudeuten,  daß  sie  noch  nicht  geheilt  sind 
(5,  10  nequaquam,  15,  3  Sardonios,  33,  31  perduci,  41,  3  praeter  ad- 
modum  magna  cetera.)  In  dem  Falle  müßte  aber  die  Anzahl  der  Sterne 
viel  größer  sein.  Mir  wenigstens  scheint  die  Überlieferung  viel  öfter 
unhaltbar  zu  sein,  ohne  daß  jedoch  bis  jetzt  eine  befriedigende  Lösung 
der  Schwierigkeit  gefunden  wäre.  Als  solche  Stellen  nenne  ich  3,  8  uti 
talia  ingeuia  recens  solent,  3,  14  praelatumque;  4,  13  iccircoque;  5,  17 
quae  adeo  multae  albaeque  erant  aptioresque  religionibus ;  20,  6  quemque 
ad  sua  celsos  habet;  20,  18  quoad  ea  utilis  erat;  20,  28  ortus  medie 
humili,  wenn  nicht  nur  ein  Druckfehler  statt  ortu  vorliegt,  wenigstens 
hat  P  dies  nach  meiner  Kollation;  20,  31  deinde  laborantibus;  22,  3 
Interim  reperimus;  23,  2  libidinum  ferendarum;  24.  5  opus  urbi  floren- 
tissimum  celebrio  fabricatus  est;  35,  5  cooptavit;  37,  3  caesis  Saturnino 
per  Orientem,  Agrippinae  Bonoso  exercitu;  39,  26  quamquam  humani- 
tatis  parum;  40,  17  milites  tumultuarie  quaesiti;  41,  20  muneribus. 

Kindt,  zu  Sextus  Aurelius  Victor.    Herrn.  XXVI  S.  317—319. 

Pichlmayer,   desgleichen.     Daselbst  XXVI  S.  635—636. 

Caes.  33,  6 :  expositus  Saloninae  coniugis  (coniugi  Hss)  atque  amore 
(amori  H^s)  flagitioso  filiae  Attali,  event.  auch  mit  Umstellung  der 
Worte  amore  flagitioso,  wobei  expositus  =  prostitutus,  wie  Lact.  I,  7. 
Pichlmaj'er  schützt  mit  Recht  die  Überlieferung,  da  Salonina  die  recht- 
mäßige Gattin  des  Gallienus  war.  —  40,  2  ist  aus  Epitome  41,  2 
(perurgebant)  agebant   in    angebaut  zu  ändern.     Mit  Eecht  von  Pichl- 

ur 
mayer  verworfen,  denn  in  0  ist  urgebant,  in  P  agebant  überliefert. 

Die  auf  germanische  Verhältnisse  sich  beziehenden  Stellen 
der  Caesares  sind  zusammengestellt  bei  Eiese,  das  rechtsrheinische  Ger- 


124     Bericht  üb.  d.  Litteratux  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz. 

manien  in  der  antiken  Litteratur  (Leipzig,  Teubner,  1892),  siehe  Erstes 
Register  S.  453.  Zu  Grunde  liegt  der  Arntzennsche  Text.  Ab- 
weichungen sind  nicht  angemerkt. 


4.    Epitome. 

Rühl,  Berliner  philologische  Wochenschrift  1895.  S.  469. 

Libellus  de  vita  et  moribus  imperatorum  a  Cesare  Augusto  usque 
ad  Theodosium  im  Bibliothekskatalog  von  Cluny  (Manitius,  Philologisches 
S.  80)  ist  die  Epitome. 

Hau  1er,   junge   Handschriften    und    alte   Ausgaben   zu  Sallust. 
Wiener  Studien  XVII  S.  105. 

Urbinas  111  (15.  Jahrh.)  enthält  fol.  14b— 45a  die  Epitome. 
Kindt,  zu  Sextus  Aurelins  Victor.     Herm.  XXVI  S.  317—319. 
Pichlmayer,  desgleichen.     Daselbst  XXVI  S.  635—636. 

Epitome  2,  7  incidere  exitia  postremo  statt  postrema.  Von 
Pichlmayer  mit  Recht  als  überflüssig  bezeichnet  unter  Vergleichung  von 
Epit.  40,  5  und  Caes.  4,  5. 

Moddermann,  lectiones  Suetonianae.     Groningen  1892.    S.  70. 
thesis  Vnil:  Epit.  9,  15  vigilare  corrigendum  est  in  evigilare. 

K.  E,  W.  Strootman,  der  Sieg  über  die  Alamannen  im  Jahre 
268.     Hermes  30  S.  355—360. 

Die  vielfach  bezweifelte  Angabe  Epitome  34,  2  über  einen  Sieg 
Claudius  II.  über  die  Alamannen  in  der  Nähe  des  Gardasees  wird  be- 
stätigt durch  Münzen  und  Claudius'  Beinamen  Germanicus.  Dunckers 
Versuch,  diesen  auf  einen  Sieg  zurückzuführen,  den  Claudius'  Feldherr 
Aurelianus  270  über  die  Suebi  und  Sarmatae  im  nordwestlichen  Ungarn 
davongetragen,  ist  deshalb  zurückzuweisen,  weil  genannter  Beiname  sich 
bereits  auf  einer  Inschrift  aus  dem  Jahre  269  findet. 

Wölfflin,  Archiv  für  lateinische  Lexikographie  X  S.  178. 

Epitome  45,  6  ist  neben  pingere  venustissirae ,  meminisse  auch 
vetustissime  überliefert.  Dies  würde  zu  meminisse  zu  ziehen  sein. 
Aber  in  allen  Haupthandschriften  sowie  bist.  misc.  pag.  281,  19  ed. 
Eyss.  steht  venustissime. 

Die  auf  germanische  Verhältnisse  sich  beziehenden  Stellen 
der   Epitome    sind    zusammengestellt   bei   Riese    (siehe   oben)    Erstes 


Bericht  üb.  d.  Litteratur  zu  späteren  röm.  Geschichtsschreibern.  (Opitz.)     125 

Register  S.  455.  Zu  Grunde  liegt  der  Arntzennsche  Text.  41,  3 
(S.  232)  wird  mit  Recht  Croco  statt  Eroco  geschrieben  (so  auch  alle 
mir  zu  Gebote  stehenden  Hss).  —  42,  14  (S.  258)  Baldomarum  mit 
der  Bemerkung  'so  hat  nach  Vinetus  Angabe  die  Hs'.  Der  Heraus- 
geber scheint  die  Überlieferung  der  Epitome  mit  der  der  Caesares  ver- 
wechselt zu  haben.  Übrigens  schwanken  die  eben  genannten  Hss 
zwischen  Badomarium  und  Baldomarium.  —  Zu  47,  6  (S.  327)  paucos 
ex  Alanis  bemerkt  der  Herausgeber  'vielleicht  Alamannis?' 


/<^ 


Bericht  über  die  Litteratur, 

betreffend 

Valerius   Maximus  und   seine   Epitomatoren 

1891—1897  (inkl.) 

von 
Dr.  Wilhelm  Heraeus, 

Gymnasiallehrer  in  Offenbach  a/M. 

Seit  dem  letzten  Jahresbericht,  den  noch  der  mittlerweile  (1895) 
verstorbene,  nm  Valerius  Maximns  hochverdiente  Direktor  Prof. 
Dr.  Carl  Kempf^)  erstattet  hat  (Bd.  LXIH.  1890.  n  S.  254—286), 
ist  keine  neue  Ausgabe  dieses  Schriftstellers  erschienen.  Die  in  Eng- 
land und  Amerika  von  Zeit  zu  Zeit  veranstalteten  Auswahlen  für  Schul- 
zwecke können  als  wissenschaftlich  bedeutungslos  übergangen  werden. 
Von  ausführlicheren  Abhandlungen,  die  sich  mit  der  Kritik  des  Val. 
Max.  und  seiner  Epitomatoren  beschäftigen,  ist  zunächst  die  Arbeit  des 
Ref.  zu  nennen: 

Guilelmus  Heraeus,  Spicilegium  criticum  in  Valerie  Maximo 
eiusque  epitomatoribus.  Jahrb.  f.  Philol.  Suppl.  XIX,  579 — 636, 
auch  separat  erschienen.    Leipzig  1893,  Teubner. 

In  Anknüpfung  an  die  zweite  Kempfsche  Ausgabe  vom  J.  1888 
verteidigt  der  Verf.  unter  sorgfältiger  Beobachtung  des  Sprachgebrauchs 
des  Val.  und  seiner  Zeit,  sowie  mit  besonderer  Berücksichtigung  des 
paläographischen  Elements  an  einer  großen  Anzahl  von  Stellen  die  über- 
lieferte Lesart  gegen  Änderungen  alter  und  neuer  Gelehrter,  bes.  Gertz, 
Kempf,  Kraffert,  Noväck,  Wensky.  Unter  demselben  Gesichtspunkt 
werden  fremde  Vermutungen  empfohlen,  zu  anderen  Stellen  eigene  vor- 


*)  Einige  von  Kempf  übersehene  Schriften   sind   von   mir    am  Schluß 
nachgeholt  (S.  147). 


Bericht  üb.  die  Litteratur,  betreff.  Valerius  Maximus  etc.  (Heraeus.)     127 

getragen.  Von  Verteidigungen  der  hdschr.  Überlieferung  erwähnen  wir: 
1,  1  ext.  5  factum  Masinissae  animo  quam  Punico  sauguini  conveniens 
(ohne  Einfügung  von  magis);  1,  8  ext.  12  Prusiae  filius  unum  os  aequa- 
liter  extentum  habuit,  wo  Kraffert  unum  <per>-  os  vermutete  gegen 
die  vermutliche  Quelle  des  Valerius  (s.  Liv.  epit.  50).  Gegen  denselben 
Gelehrten  wird  1,  7  ext.  3  diuturnius  illi  in  animis  horainum  sepulcrum 
constituens  quam  in  desertis  et  ignotis  harenis  struxerat  in  Schutz  ge- 
nommen (Kr.:  quam  <quod>  ind.)  unter  Hinweis  auf  den  Sprachge- 
brauch des  Livius,  Cäsar  (b.  c.  2,  4,  3)  und  Vell.  (2,  43,  3),  an  welchen 
beiden  Stellen  man  auch  das  Relativum  hat  zusetzen  wollen:  ich  füge 
hinzu,  daß  sogar  Val.  selbst  2,  8,  3  non  plura  (diese  Woi-te  sind  aller- 
dings kaum  heil)  praecerpens  quam  acciderunt  schreibt,  wie  auch  Cic. 
Att.  I,  11,  3  quanto  deteriores  oflfensurus  sis  quam  reliquisti  und  II,  21,  1 
hoc  est  miserior  (resp.)  quam  reliquisti,  wo  Boot  cum  hinter  quam  ein- 
schiebt, Sen.  ep.  91,  13  meliora  surrectura  quam  arsissent,  wo  Windhaus 
quae  vermutet,  obwohl  certiora  quam  amisere  folgt.  2,  6,  7  wird  die 
Überlieferung  ne  talia  spectandi  consuetudo  etiam  imitandi  licentiam 
sumat  erklärt:  ne  talia  spectare  sueti  imit.  1.  sibi  sumant.  2.  7,  15  wird 
nachgewiesen,  daß  Val,  bei  der  vielfach  angefochtenen,  ja  von  Gertz 
für  ganz  unverständlich  erklärten  Worten  ultra  mortuorum  condicionem 
relegasse,  die  von  Cicero  zweimal  (p.  red.  ad  Quir.  4,  10  u.  p.  Quint. 
15,  49)  angewendete  Redensart  infra  omnes  mortuos,  bez.  i.  etiam  m. 
amandare  vorgeschwebt  hat.  3,  8,  4  wird  die  Wendung  in  exsilium 
quam  in  legem  eins  ire  malnit  durch  ähnliche  Phrasen,  wie  ire  in  sen- 
tentiam,  in  voluntatem  alcjs  und  durch  die  Sucht  des  Val.  nach  para- 
doxen Zusammenstellungen  entschuldigt,  wie  9,  3  ext.  4  non  prius  capillo- 
rum  decorem  in  ordinem  quam  urbem  in  potestatem  redegit  (selbst 
Cicero  sagt  Tusc.  1,  40,  97  vadit  in  eundera  carcerem  atque  in  eundem 
scyphum,  was  man  ohne  Not  beanstandet  hat).  3,  8,  5  wird  summa 
cupiditate  ferebatur  gegen  Gertz  effer.  durch  zahlreiche  Belege  ge- 
schützt. Desgl.  4,  4,  2  hodieque  gegen  Halms  hodie  quoque,  4,  3,  6  quod 
eventus  quoque  iudicavit  gegen  die  herkömmliche  Änderung  indicavit 
(leider  ist  durch  ein  Druckversehen  S.  599  der  Sachverhalt  umgekehrt 
worden)  durch  Hinweis  auf  Cic.  Phil.  11,  13,  34  contra  ac  Deiotarus 
sensit  victoria  belli  iudicavit  u.  a.  —  5,  6,  5  P.  Decius  .  .  facta  ingenti 
strage  plurimis  teils  obrutus  super  corruit  wird  super  als  insuper  'oben 
drauf  erklärt  und  dieser  in  den  Lexicis  vernachlässigte  Gebrauch 
massenhaft  belegt,  wozu  ich  Paris  epit.  6,  3,  1  M.  Flacco  et  L.  Satur- 
nino  occisis  domus  super  diruta  est  (vgl.  Val.  interempto  (Dativ)  domum 
superiecit)  füge  und  bemerke,  daß  in  der  Quelle  des  Valerius  Liv.  8, 
6,  10  super  eas  se  devovisset  die  sinnliche  Bedeutung  der  Präposition 
ohne  Not  von  den  Erklärern  verlassen  wird.  —  5,  10  ext.  1  wird  ge- 


128     Bericht  üb.  die  Litteratur,  betreff.  Valerius  Maximus  etc.  (Heraeus.) 

zeigt,  daß  ille  vero  eine  echt  valerianische  Form  der  Rede  ist  und  nicht 
in  imo  vero  abzuändern.  6,  1,  7  wird  in  terram  defixo  statt  des  regel- 
mäßigen in  terra  durch  zahlreiche  Stellen  belegt  (füge  hinzu:  Frontin 
strat.  2,  3,  17.  Plin.  n.  h.  8,  51.  Sil.  10,  396.  —  6,  2,  3  wird  plebs 
Romana  libertati  Scipioni  libera  non  fuit  gegen  die  von  Madvig  erhobenen 
Bedenken  verteidigt  durch  die  Erklärung  liberis  conviciis  Scip.  obnoxia 
fuit,  welche  Wendung  Val.  verschmäht  habe,  um  mit  dem  Doppelsinn 
von  Über  spielen  zu  können.  —  6,  8,  4  wird  auxilii  supplex,  woran 
Wensky  Anstoß  nahm  (er  vermutet  mancipii  s.),  durch  Hinweis  auf 
Cic.  p.  Cael.  32,  79  supplicem  vestrae  misericordiae  geschützt.  7,  3,  4 
erklärt  H.  modo  nach  5,  6  ext.  4  de  modo  agri  und  5,  2  ext.  4  regni 
modo  („Umfang").  7,  7,  7  wird  Q.  Metellus  praetorem  severiorem  egit 
quam  Orestes  gesserat  gegen  Novaks  Änderung  egerat  durch  den  Hin- 
weis auf  9,  1,  9,  wo  dieselbe  Abwechselung  von  ago  und  gero  vorliegt, 
verteidigt  und  bemerkt,  daß  gero  in  diesem  Sinne  auch  4,  1,  4  vor- 
kommt und  zwar,  wie  scheint,  zuerst  bei  Val.  (die  Lexika  eitleren  es 
nur  aus  späten  Schi"iftstellern).  8.  6,  1  wird  heredem  tollere  als  filinm 
heredem  futurum  tollere  erklärt  und  gegen  Änderungen  geschützt  durch 
die  Stelle  Juven.  6,  38  (tollere  dulcem  cogitat  heredem),  ferner  nach- 
gewiesen, daß  Kraffert  die  Stelle  total  mißverstanden  hat.  —  9,  2,  1 
belegt  H.  die  Ausdrucksweise  felicitatis  nomen,  wofür  man  felicis  ver- 
langt hat,  durch  analoga  des  Val.  wie  bonitatis  cognomen  3,  8  ext.  1 
(von  Phocion)  u.  a.  —  9,  3,  2  wird  quis  populo  Romano  irasci  sapienter 
potest?  erklärt  'wer  kann  dem  römischen  Volk  verständigerweise  zürnen?* 
9,  12,  3  wii-d  getadelt,  daß  Kempf  sich  von  Halm  hat  verführen  lassen, 
excindenda  Karthago  für  das  überl.  excidenda  K.  in  den  Text  zu  setzen; 
selbst  Kaiser  Augustus  schreibe  im  Mon.  Aue.  I,  15  exteras  gentes  con- 
servare  inquam  excidere  malui:  die  Halmsche,  von  Lahmeyer  Philol. 
38,150  f.  weiter  ausgebaute  Theorie,  daß  die  Lateiner  bei  urbem 
moenia,  domos,  gentem  nicht  excidere,  sondern  excindere  gesagt 
hätten,  wonach  alle  entgegenstehenden  Stellen  ohne  weiteres  abzuändern 
seien,  scheint  noch  immer  Anhänger  zu  haben,  da  selbst  Roßbach  in 
seiner  Florus- Ausgabe  1,  18,  37  ihr  folgt  (vgl.  des  Ref.  Bemerkung 
Woch.  f.  kl.  Phil.  1897  S.  549).  —  An  einigen  Stellen  weist  Verf. 
ÄndeiTingen  zurück,  die  man  auf  den  Epitomator  Paris  gebaut  hat, 
z.  B.  3,  2  ext.  9  obiecit  für  subiecit  (Val.  spiele  mit  dem  Doppelsinn 
von  subicere  =  'preisgeben'  und  'unterschieben').  5,  10,  1  dürfe  man 
nicht  deshalb,  weil  bei  Paris  die  Worte  tolle,  inquit,  cadaver  ständen, 
eine  Lücke  im  Val.  nach  audisset  annehmen,  da  Val.  hier  nicht  dem 
Livius  gefolgt  sei,  wohl  aher  Paris,  wie  öfter,  wahrscheinlich  auch  hier 
aus  Livius  die  Erzählung  ergänzt  habe.  Dagegen  wird  es  7,  2,  4  als 
unentscheidbar  bezeichnet,  ob  Val.  nach  sponsio  ein  quod  (so  die  Val.- 


Bericht  üb.  die  Litteratur,  betreff.  Valerius  Maximus  etc.  (Heraeus.)     129 

Hs.)  oder  ein  ni  (so  Paris)  geschrieben  habe:  so  gebrauche  Gaius  4,  166 
in  der  Formel,  die  bei  Cic.  p.  Caec.  16,  45  sponsio  ni  .  .  .  vis  facta 
esset  laute,  quod. 

Von  fremden  Vermutungen  oder  hdschr.  Varianten,  die  Verf.  em- 
pfiehlt und  näher  begründet,  seien  erwähnt:  (S.  588)  9,  1,  8  officii  infra 
(so  Gelbcke  für  iutra)  servilem  habitum  deformis;  2,  1,  6  in  compari 
(Vahlen  für  in  quo  pari);  3,  2  ext.  5  auctius  (der  abbrev.  Guelfert.  für 
atliius),  4,  1,  12  tarn  multae  (Halm  für  tot  m.);  3,  4,  1  die  Ergänzung 
von  ornamentis  nach  excellentissimis  (margo  A  und  dett.  codd.),  die 
der  Sprachgebrauch  des  Val.  (4,  1,  6.  5,  1,  8)  vor  anderen  empfiehlt; 
5,  2,  10  abiecta  <con>  legi  condicio  (Blaura  für  abiecta  lege  cond.); 
8,  11  praef.  recogno  <scere>  scio  (Gertz),  obwohl  auch  recognosse  scio 
und  recognitos  scio  nach  Val.  Sprachgebrauch  möglich  sei. 

Von  eigenen  Vermutungen  des  Verf.  notiere  ich:  1,  6  ext.  1  ante 
de  Leonida  et  CCC  Spartanis  abunde  monitum  im  Anschluß  an  Torrenius: 
die  Entstehung  der  überlieferten  Lesart  a  Caesare  für  CCC  wird  auf  paläo- 
graphischem  Wege  erklärt  und  durch  Beispiele  belegt  (vgl.  auch  noch 
Flor.  p.  30,  14  Jahn    wo  der  Naz.  atru  manu  statt  trecentorum  manu 

bietet,    entstanden    aus  CCC  manu).     Ebenda  wird   parvam    Graeciam 
statt  des  unmöglichen  provinciam  Gr.  vermutet   und  der  Fehler  durch 
falsche  Auflösung  der  compendiösen  Schreibung  pua  (provincia  erscheint 
im  Bernensis    des  Val.    öfter   in    pi5a  abgekürzt)  erklärt.     3,  2,  4  wird 
die  Frage    aufgeworfen,    ob  nicht    magnus    titulo    huiusce    generis   in- 
choatae  gloriae  Romulus  zu  lesen  sei  für  magnus  initio  h.  gl.  etc. :   doch 
lasse  sich  die  überlieferte  Lesung    durch    ähnliche  Pleonasmen  bei  deu 
alten  Schriftstellern  schützen.  3,  2  ext.  4  vermutet  H.  censetur  (für  cernitur) 
im  Sinne  von  'hat  seine  Bedeutung'.   4,  1,  7  wird  in  consulatu  IV  ver- 
langt  (vg.  in  consulatu),    da  Val,  stets  die  Zahl  des  Konsulats  angebe 
und  die  Hss  consulatum  bieten.   4,  2,  4  quia  speciosius  iniuriae  beneficiis 
vindicantur  (codd.  vincuntur)  quam  odii  pertinacia  pensantur.   4,  6  ext.  1 
amores  casti    für  iusti,    der  Anstoß  Madvigs    sei   gerechtfertigt;    ebda, 
ossa  potioni  aspersa  ebibisse  (vg.  bibisse),    da  die  besten  Hss  aspers^, 
bez.  asperse  geben  und  der  nämliche  Fehler,  e  auch  für  getrenntes  a  |  e 
zu  setzen,  in  Hss  häufig  sei  (auch  Val.  5,  1  ext.  4  im  Laur.  urnepyrrum 
füi-  urna  Epirum).    4,  8,  3  nee  sine  largo  fructu  (für  parvo).  —  5,  2,  6 
vdrd  geminatura  für  geminarum  ea  vorgeschlagen,    5,  5,  3  contigit  für 
contingit  (letzteres  ist  aber  bloßer  Druckfehler  bei  Kempf),  5,  6,  4  qua 
niaior  excogitari  non  potest  (g.  m.  e.  impotest  die  Hs):    denn  an  dem 
echt  Valerianischen    excogitari    dürfe    man    nicht    den  Hebel  ansetzen. 
Ebenda  wird    suo  hinter  morsu  als  Dittographie    getilgt.     5,  9,  4  ver- 
mutet H.  huc  sceleris  progressum    für  das  überlieferte    ad  hunc  sc.  p. 
nach  dem  Sprachgebrauch  des  Val.  und  berichtigt  Krebs  (Antibarb,  s.  u. 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.  Bd.  LXXXXVII.  (1898.  II.)       9 


130     Bericht  üb.  die  Litteratur,  betreff.  Valerius  Maximus  etc.  (Heraeus.) 

Luc)  Behauptung-,  huc  finde  sich  so  erst  bei  Tacitus  und  Curtius.  6,  1, 
11  wird  libidinosi  ceuturiouis  supplicium  M.  Laetori  tribuni  militaris 
aeque  foedi  similis  exitus  sequitur  für  die  verdorbene  Überlieferung  aeque 
similis  foedus  e.  s.  vorg-eschlagen.  6,  3  praef.  sei  mit  Verdoppelung 
eines  Buchstabens  irae  (vg.  ita,  codd.  ira)  enim  destrictae  et  inexora- 
biles  vindictae  etc.  zu  lesen,  6,  3,  10  uxorem  dimisit .  .  abscisa  senteutia, 
sed  tarnen  aliqua  ratione  motus  nach  der  Parallelstelle  2,  1,  4  (codd. 
mota,  Kempf  munita  nach  jüng-eren  Hss).  —  7,  3,  3  empfehle  sich 
enerves  für  inermes  (Kempf  inertes)  zu  schreiben  durch  den  Sprach- 
gebrauch des  Val.  —  7,  4  praef.  wird  die  Lücke  so  ansg-efüllt:  quia 
appellatione  <una  nostro  sermone>  vix  apte  exprimi  possunt.  8,  11,  5 
habe  Kempf  mit  Recht  an  inritam  fesso  labore  dimittit  Anstoß  ge- 
nommen: nach  5,  3,  6  sei  vielleicht  (mit  Vertausch  der  Endungen)  inrito 
fessam  zu  schreiben,  während  K.  inritam  fessam  lab.  vermutete  (so 
übrigens  Cornelissen  schon  früher).  Aus  Paris  gewinnt  Verf.  folgende 
Verbesserungen  des  Textes  des  Val.:  1,  5  ext.  2  duce  uti  <velut  prae- 
senti>  instituerant,  8,  11,  1  adversus  regem  für  adversum,  das  die  Hss 
des  Val.  nur  an  dieser  Stelle  bieten  (ebenso  hat  Livius  nur  die  Form 
adversus  für  die  Präposition,  s.  Fügners  lex.  Liv.),  6,  5  ext.  3  legum 
latorem  (für  legis  latorem),  da  Val.  generell  spreche,  7,  7,  6  praetore 
urbano  für  praetore  urbis:  letztere  Bezeichnung  sei  falsch,  wie  Mommsen 
(ßöm.  Staatsrecht  II  S.  177  A.  1)  nachgewiesen  habe,  und  finde  sich 
fast  nur  in  geringeren  Hss  bei  den  Schriftstellern  infolge  falscher  Auf- 
lösung der  Abkürzung  pr.  urb.  —  2,  10,  5  weise  die  Fassung  des  Paris 
sibi  quaeque  tanti  viri  praeripientes  secessum  auf  einen  Fehler  in  dem 
Text  des  Val.  secessum  eins  opperientes  und  Val.  habe  vermutlich  diri- 
pientes  (=  ,sich  darum  reißend")  geschrieben. 

S.  590  finden  sich  einige  Bemerkungen  über  die  von  Kempf  in 
seiner  Ausgabe  befolgte  Orthographie:  verworfen  werden  die  Schrei- 
bungen suscribo,  beneficientia,  inclytus,  empfohlen  flamonium  (so  der 
Laurent,  und  Paris  1,  1,  4),  das  Mommsen  eph.  epigr.  I,  221  zuerst  als 
echte  Form  nachgewiesen  habe  (auch  in  Glossen  stets  mit  o:  s.  Loewe, 
die  glossae  nominum  S.  130  A.).  5,  3  ext.  3  (S.  600)  sei  die  Über- 
lieferung Salamiu  (vgl.  Salamina)  untadelig,  wie  auch  Eleusin  und  Trachin 
gut  bezeugt  seien.  7,  6,  1  wird  die  Schreibung  Poediculi  (ein  unter- 
italisches Volk)  als  richtige  erwiesen,  wie  Popaedius  als  die  besser 
bezeugte  Schreibung  des  Xaraens  des  maisischen  Feldherrn  im  Bundes- 
genossenkriege,  desgl.  Indibilis.  Cephalania  mit  a  habe  Kempf  1,  8 
ext.  18  mit  Recht  in  den  Text  gesetzt:  ein  Menge  Stellen  werden  zur 
Ergänzung  von  Georges  (Lex.  d.  lat.  Wortf.)  dafür  citiert. 

Die  von  Kempf  (in  der  1.  Aufl.)  mit  Fleiß  gesammelten  testimonia 
werden  zu  verschiedenen  Stellen  vermehrt:  S.  580  A.  2.  594.  606.  607. 


Bericht  üb.  die  Litteratur,  betreff.  Valerius  Maximus  etc.  (Heraeus.)     131 

Die  Anmerkung  der  ersten  Seite  enthält  ein  reiches  Verzeichnis  von 
Druckfehlern  der  2.  Ausg.  K.s,  die  sich  noch  vermehren  läßt:  p.  19,  3 
ist  primo  hinter  hello  ausgefallen,  p.  51,  19  lies  aliquante,  251,  17  con- 
tigit  st.  contingit,  288,  3  concurrit  st.  cucurrit  (s.  unten  S.  135),  362,  23 
(XX  milianummum  st.  XX  n.).S.  580  macht  H.  auf  ein  auch  Kempfs  Sorg- 
falt entgangenes  Programm  von  Bergk  (Einladung  zur  Redefeier  des 
Marschallschen  Stipendiums,  Halle  1868)  aufmerksam,  das  zahlreiche 
scharfsinnige  Verbesserungsvorschläge  zu  Val.  und  den  Epitomatoren  ent- 
hält, in  denen  vielfach  neuere  Kritiker  mit  B.  zusammengetroffen  sind, 
z.  B.  3,  4  ext.  2  die  evidente  Umstellung  quem  patrem  Euripides  aut 
quam  matrem  Demosthenes  habnerit,  die  dann  Gertz  selbständig  ge- 
funden hat.  —  Der  zweite  Teil  der  Arbeit,  der  die  Epitomatoren  betrifft, 
wird  weiter  unten  im  Zusammenhang  besprochen  werden. 

Aus  Rezensionen  der  H. sehen  Arbeit  hebe  ich  folgendes  heraus: 
In  einer  mit  FI  unterzeichneten  Besprechung  im  Lit.  Ceutralbl.  1893 
S.  1270  wird,  wie  auch  in  den  übrigen  dem  Ref.  zu  Gesicht  gekommenen, 
das  Hauptverdienst  der  Abhandlung  in  der  Verteidigung  der  Überliefe- 
rung gegen  unberechtigte  Änderungen  erblickt.  Gebilligt  werden  die 
Vermutungen  zu  4,  6  ext.  1.  8,  3.  5,  6,  4.  6,  1,  11.  7,  3,  3.   Dagegen  wird 

2,  1,  6  inque  pari  (so  Perizonius)  vorgezogen,  das  sich  bereits  in  einer 
von  ihm  verglichenen  Hs  des  15.  Jahrh.  fand.    Dieselbe  Hs  biete  auch 

3,  7,  9  quo  tarn  (=  edd.  vett.)  und  5,  6  ext.  5  excubuit ,    wie  Foertsch 
vermutete,    und  lese  1,  6    ext.  1    pedestri  exercitu  operuit,    ut  fugax, 
5,  10,  ext.  2  Xenophontis    cor   pia  religione  immobile  stetit:    letzteres 
(eine  offenbare  Interpolation)    bietet    auch  eine  der  Berliner  Hs,    C  in 
Kempfs  ed.  I,    mit    der   jener    codex    überhaupt  Ähnlichkeit  zeigt.  — 
E.  Thomas    in    der  Deutschen  Litteraturzeitung  1895    S.  492  fg.    ver- 
gleicht  zu    6,  2,  3  das  Wortspiel   bei  Seneca   de   ben.  5,  6,  7  is  cuius 
libertatem  civitas  libera  ferro  non  potuit,    was  aber  doch  von  anderer 
Art   ist.     3,  2,  4    und  6,  1,  11    billigt    er  Vahlens  Auffassung    (s.    u.). 
In  4,  8,  3  könne  nee  sine  parvo  ipsius  fructu  gerade  durch  H.s  eigenen 
lesenswerten  Aufsatz  in  der  N.  J.  f.  Phil.  133  S.  713  (über  band  im- 
pigre  =  impigre  und  ähnliche  logische  Irrtümer  bei  Setzung  mehrerer 
negativer  Bestimmungen)    gegen    ihn    selbst    geschützt   werden  (ebenso 
erklärt  Opitz,  s.  u.),    2,  10,  5  hält   er  an  opperientes  fest,   da  diripere 
in  der  Bedeutung    „sich  um  etwas  reißen"    wohl  nicht  ein  Abstractum 
als  Obj.    leide.     Desgl.    misbilligt    er    die  Vermutungen  zu  3,  2  ext.  4 
(cernitur  heiße  „wird  erkannt  als  .  .  ."),  4,  2,  4  (vincuntur  sei  =  „werden 
überwogen");  4,  6  ext.  1;  6,  5,  5.  ext.  3.    6,  3,  10.     Er  billigt  nament- 
lich die  Vorschläge  zu  1,  6  ext.  1,  5,  6,  4;  8,  11  praef.,  8,  11,  5.   Für 
das  verzweifelte  experet  5,  3  ext.  3,  was  H.  in  cohaeret  ändert,  schlägt 

9* 


lr?2     Bericht  üb.  die  Litteratur,  betreff.  Valerius  Maiimus  etc.   (Heraeus.) 

Th.  expe(re)ret  vor,  intransitiv  wie  bei  Plautus  und  Livius:  das  ist 
wohl  Druckfehler  für  expe(te)ret,  was  mir  aber  auch  nicht  klar  ist,  in 
welchem  Sinne  es  Th.  verstanden  wissen  will.  Ein  mit  tz  (=  Th.  Opitz) 
unterzeichneter  Kezensent  in  der  Wochenschr.  f.  kl.  Phil.  1894  S.  770 
hält  die  Änderungen  auf  Grund  der  Epitome  des  Paris  1,  5  ext.  2.  3,  1,  3 
und  6,  5  ext.  3  für  unnötig.  Von  fremden  Konjekturen  empfehle  der  Verf. 
mit  Recht  die  zu  2,  1,  6  (Vahlen),  5,  2,  10  (Blaum)  und  8,  11  praef. 
(Grertz).  Von  den  eigenen  Konjekturen  des  Verf.  hält  er  für  evident 
die  zu  1,  6  ext.  1,  5,  6,  4  (morsu)  6,  3,  10  (motus),  für  beachtenswert 
fast  alle  übrigen,  doch  3,2,2  und  4,  6  ext.  1  sei  die  Vulgata  beizu- 
behalten, 1,  6  ext.  1  stecke  in  provinciam  wohl  ein  Gerundivura,  ziem- 
lich gesucht  sei  5,  3  ext.  3  cohaeret,  6,  5,  2  beweise  der  an  die  Spitze 
gestellte  Singular  erat  die  Richtigkeit  von  perpendens. 

J.  Vahlen,  Proömium  zum  Index  lectionum  der  Berliner  Univer- 
sität W.-S.  1894/95.     20  S. 

Eine,  wie  alle  Proömien  Vahlens,  ebenso  anregende  wie  lehrreiche, 
dazu  in  einer  edlen,  klassischen  Sprache  geschriebene  Abhandlung,  in 
der  er  in  feinsinniger  "Weise,  ausgerüstet  mit  der  genauesten  Kenntnis 
des  Sprachgebrauchs  eine  Anzahl  kontroverser  Stellen  des  Val.  Max., 
meist  in  konservativem  Sinne,  behandelt.  Ref.  kann  V.s  Urteil  in  fast 
allen  Punkten  rückhaltlos  beistimmen.  So  wird  2,  1,  10  maiores  natu 
in  conviviis  ad  tibias  egregia  superiorum  opera  carmine  comprehensa 
pangebant  das  letzte  Wort,  das  man  durch  pandebant  (Kempf)  oder 
peragebant  (Gertz)  hat  ersetzen  wollen,  durch  die  bekannten  Worte 
des  Ennius:  hie  vestrum  panxit  maxima  facta  patrum  und  tibia  Musa- 
rum  pangit  melos  geschützt  und  für  einen  altertümlichen  Ausdruck  für 
canere  erklärt.  —  5,  7  ext.  1  wird  die  Verderbnis  in  den  Worten  ex- 
citatiorem  anhelitum  subinde  recuperare,  wo  man  das  Gegenteil  sedatio- 
rem  (so  Halm)  oder  tardiorem  (Noväk)  oder  expeditiorem  (Ref.)  er- 
wartet, glücklich  geheilt  durch  die  Änderung  ex  citat<iore  tard> 
iorem  (oder  sed>atiorem)  und  der  eigenartige,  oft  verkannte  Gebrauch 
der  Präpos.  ex  durch  zahlreiche  Stellen  Cäsars,  Livius  und  Val.  selbst 
(z.  B.  p.  174,  23.  376,  15  ed.  K.)  belegt.  —  Evident  ist  ferner  7,  3  ext.  3 
die  Verbesserung  si  altior  in  id  animi  (codd.  altior  initamini)  cogitatio 
demissa  fuerit,  wobei  id  sich  auf  praeceptum  bezieht,  aber  von  Gertz 
(Berl.  phil.  Wochenschr.  1892  S.  592)  vorweggenommen.  —  9,  2  praef. 
wird  das  von  älteren  und  neueren  Kritikern  angefochtene  omnia  in  dem 
abschließenden  Ausdruck  omnia  minis  et  cruentis  imperiis  rcferta  richtig 
erklärt  und  auf  die  Parallelstelle  4,  7,  7  verwiesen.  —  7,  1,  2  obscurior 
illa  (felicitas)   sed    divino    splendori    praeposita  hält  Vahlen  es  für  das 


Bericht  üb.  die  Litteratur,  betreff'.  Valerius  Maximus  etc.   (Heraeus.)     133 

einzig  Richtige,  ore  mit  Halm  hinziiznfiigen ,  ^)  aber  nicht  nach  divino 
sondern  nach  splendori,  wonach  es  leicht  ausfallen  konnte,  nnd  weist 
bei  der  Gelegenheit  die  Inkonsequenz  der  Kritiker  in  der  Verurteilung 
ähnlicher  künstlicher  Wortstellungen  des  Val.  nach:  so  habe  man  3,  4,  3 
natura  und  8,  13  ext.  4  ad  satietatem  umstellen  wollen,  aber  an  der 
ganz  analogen  Stellung  von  a  domino  6,  1,  6  keinen  Anstoß  genommen, 
ähnlich  p.  66,  6.  264,  6.  339,  23.  Daher  billigt  er  zwar  6,  1,  11  des 
Ref.  Änderung  von  foedus  in  foedi,  nicht  aber  die  Umstellung  des  Adj, 
vor  similis:  ganz  analog  sei  9,  2  ext.  2  neque  terrestrium  scelestum  .  .  . 
ingressum,  wo  Madvig  das  letzte  Wort  richtig  hergestellt  (codd.  egressum), 
aber  unnötig  scelestum  vor  terrest.  gestellt  habe.  8,  14,  2  habe  Gertz 
richtig  in  den  Worten  angusta  homini  possessio  gloriae  fuit  das  überlieferte 
homini  in  hominis  geändert,  aber  die  Umstellung  von  gloria,  das  wie 
5,  1,  3  (potentissimi  adfectus,  ira  atque  gloria)  stehe,  hinter  hominis 
sei  unnötig;  und  Gertz  selbst  habe  8,  13  ext.  2  durch  eine  eigene, 
glückliche  Änderung,  die  vom  Sinn  gefordert  werde,  eine  ähnliche 
Stellung:  sua  <senex>  sententia  felicissiraus  dem  Val.  zumuten  zu 
dürfen  geglaubt.  —  8,  15,  7  verteidigt  V.  mit  Recht  das  überlieferte 
illi  voci  gegen  Kempfs  Conj.  uni  v.,  die  im  Hinblick  auf  den  Gegensatz 
Septem  consulatus  zwar  elegant,  aber  nicht  notwendig  sei.  Denn  Val. 
gebrauche  mit  Vorliebe  das  Pronomen  ille  'ut  significet  ante  quae 
deinceps  enim  particula  interposita  accuratius  expositurus  est', 
weshalb  Kempf  5,  1,  Ib  sehr  mit  Unrecht  enim  tilgen  wolle  (vgl. 
auch  das  S.  141  vom  Ref.  über  den  ähnlichen  Gebrauch  von  nam  Be- 
merkte). In  ganz  gleicher  Weise,  wie  an  jener  Stelle  die  Worte  selbst 
('vel  hunc')  erst  nach  vielen  Zwischensätzen  folge,  stehe  6,  4  ext.  3 
das  durch  illam  vocem  am  Anfang  des  §  angekündigte  Wort  erst  am 
Ende  desselben.  So  will  V.  auch  3,  2,  2  das  von  der  Kritik  gewöhn- 
lich getilgte  enim  (vor  tempestate)  halten  und  lieber  die  Kopula  est 
hinter  ausa  hinzusetzen,  wenn  das  überhaupt  notwendig  sei,  da  sie, 
wenigstens  nach  den  Hs  des  Val.  und  auch  Livius  oft  unterdrückt  er- 
scheine und  die  Ausdehnung  dieses  Gebrauchs  noch  kontrovers  sei; 
jedenfalls  habe  die  Setzung  derselben  Partikel  in  zwei  aufeinander- 
folgenden Sätzen,  wie  sie  bei  dieser  Erklärung  vorliege,  ihre  Analogien 
im  Val,  z.  B.  p.  116,  22.  117,  2.  346,  25.  347,  2.  K.  —  7,  7,  1  cum 
de  morte  filii  falsum  e  castris  nuntium  accepisset,  qui  erat  falsus  vermutet 
V.  für  das  letzte  Wort  unicus:  falsus  sei  fälschlich  aus  dem  vorher- 
gehenden wiederholt    und   habe  das  ursprüngliche  Adj.  verdrängt,    ein 


*)  Ref.  vermutet,  daß  spiritu,  ein  Lieblingswort  des  Val.,  in  der  Hs 
stets  spu  abgekürzt,  vor  splendori  ausgefallen  sei,  vgl.  1,  8,  10  divinus 
Spiritus  von  Apollo. 


13-4    Bericht  üb.  die  Litteratur,  betreff.  Valerius  Maximus  etc.   (Heraeus.) 

häufiger  Fehler  in  den  Hss  des  Val. ;  den  Relativsatz  einfach  zu  streichen 
sei  sehr  einfach,  nicht  aber  zu  erklären,  in  welcher  Absicht  ein  Schreiber 
ihn  hinzugefügt  haben  sollte.  Sehr  ansprechend  und  fein  ausgedacht. 
—  7,  3, 4  ergänzt  V.  ebenfalls  ansprechend  quod  sequitur  <ut> 
narrandum  <ita  vituperandum>  est  und  im  folgenden  regredi 
<in  hac  de  agri>  modo  controversia  quam  progredi  mallent, 
indem  er  die  vom  ßef.  aufgestellte  Erklärung  von  modo  billigt.  (5,  6 
ext.  4  de  modo  agri  contentio  esset).  —  7,  2  ext.  11  mißbilligt  er  die 
von  Halm  vorgeschlagene,  von  Kerapf  gebilligte  Tilgung  von  Macedonem 
(als  Glossem):  das  Wort  diene  der  schärferen  Hervorhebung  des  Kon- 
trastes, ähnlich  3,  2,  2  puella;  daraufhin  ergänzt  er  6,  7,  1  sehr  fein:  ne 
<domina>  domitorem  orbis  Africauum,  femina  magnum  \irum  impa- 
tientiae  reum  ageret:  domina  als  Gegensatz  zum  vorhergehenden  ancilla. 
Bei  Gelegenheit  dieser  Stelle  zeigt  er  auch  an  einem  krassen  Beispiel 
die  Inkonsequenz  der  Kritiker,  die  an  Africanum,  das  doch  die  Kraft 
der  Eede  eher  abschwächt,  hier  nicht  angestoßen  haben,  wohl  aber  an 
dem  ähnlichen  Hannibalis  5,  6,  7  (Eberhard,  Kempf)  und  Syracusae 
(Gertz)  2,  8,  5,  während  wiederum  Eoma  3,  2  praef.  unbeanstandet 
geblieben  sei.  —  Zu  4,  1,  12  wendet  sich  V.  gegen  den  Mißbrauch, 
den  die  Kritik  hie  und  da  mit  der  Benutzung  der  epitome  des  Paris 
getrieben:  daß  Paris  Metellus  Numidicus,  und  nicht  bloß  Num.  wie 
Val.,  schreibe,  habe  seinen  guten  Grund  in  der  Redaktion,  der  er  diesen 
Paragraphen  des  Val.  unterworfen  habe.  Aus  ähnlichem  Grunde  weist 
er  mit  Recht  7,  4,  3  Gertz  Einschiebung  von  Romani  usi  hinter  callido 
genere  consilü  ab.  Dieses  Prinzip  Vahlens  dürfte,  wenn  einmal  weiter 
verfolgt,  für  die  Kritik  des  Val.  noch  recht  fruchtbar  werden.  —  Im 
letzten  Abschnitte  verbreitet  sich  V.  über  ein  von  ihm  wiederholt 
(z.  B.  in  den  comment.  Mommsen.  p.  664  fg.)  behandeltes  Thema,  über 
einen  gewissen  Luxus  des  Worts,  den  sich  die  Römer  gelegentlich  ge- 
statten, wie  andere  Völker  auch.  Von  diesem  Standpunkt  aus  ent- 
schuldigt er  3,  3  ext.  2  tanta  fiducia  ingenii  ac  morum  suorum  fretus: 
Kempfs  tantum  hebe  den  eigentlichen  Anstoß  nicht.  Eine  ähnliche 
Abundanz  sei  bisher  unbeanstandet  geblieben  9,  13,  2  in  lucis  usu 
fi-ueretur  und  4,7,7  in  totum  beatae  turbae  gregem,  desgl.  5,5,2 
in  pietatem  fraternae  caritatis,  7,  11  praef.  in  exemplorum  imagines 
(während  Val.  sonst  entweder  exempla  oder  imagines  sage)  9,  9,  2  tene- 
brarum  obscuritas.  In  diesem  Sinne  billigt  er  auch  des  Ref.  Verteidi- 
gung des  auffallenden  Pleonasmus  initio  huiusce  generis  incohatae  gloriae 
3,  2,  4,  obwohl  desselben  Konjektur  titulo  (für  initio)  scharfsinnig  er- 
dacht sei.  Anschließend  behandelt  V.  noch  eine  Anzahl  Stellen  ver- 
schiedener Schriftsteller,  auf  die  hier  näher  einzugehen  wir  uns  leider 
versagen  müssen. 


Bericht  üb.  die  Litteratur,  betreff,  Valerius  Maximus  etc.  (Heraeus.)     135 

Dies  ist  in  kurzen  Zügen  der  Inhalt  der  reichhaltigen  Abhand- 
lung, deren  eingehendes  Studium  wir  den  Valerius  -  Forschern  nur 
dringend  empfehlen  können. 

Eobert   Novdk,    Zu    Val.    Max.,    in    den    Wiener  Studien    18 
S.  267—282  (ersch.  Jan.  1897). 

N.  sucht  für  eine  Anzahl  kritischer  Stellen  eine  Entscheidung  zu 
gewinnen  durch  Beobachtung  des  Sprachgebrauchs.  So  verteidigt  er 
mit  Recht  1,  7  ext.  lU  ut  .  .  .  non  negaret  gegen  Kempf  (vgl.  noch 
5,  2,  10  dum  .  .  non  intercidat);  4,  1  ext.  8  die  Streichung  von  qui 
(nicht  die  von  ut  nach  atque:  übersehen  hat  N.,  daß  atque  vor  Kon- 
sonanten bei  Val.  auch  in  der  Verbindung  perinde  atque  7,  3,  2  und 
8,  4,  2  vorkommt),  6,  2  ext.  3  humi  an  sublime;  2,  8,  5  recuperatus 
mit  u,  während  Paris  die  Formen  mit  i  setze.  Mit  Recht  verwirft  er 
an  der  verdorbenen  Stelle  5,  2,  6  alle  Konjekturen,  die  das  Verbum 
geminare  enthalten;  denn  Val.  sage  dafür  stets  duplicare;  N.s  eigener 
Vorschlag  geminum  eä  <pompä  fuit>  decus  imperatoris  ist  freilich 
auch  wenig  einleuchtend.  6,  8,  1  dürfe  nicht  etenim  an  zweiter  Stelle 
durch  Konjektur  hineingebracht  werden:  besser  sei  daher  das  enim  der 
jüngeren  Hss  (so  auch  Halm,  wohl  richtig),  aber  das  überlieferte 
etiam  könne  auch  aus  dem  Nachfolgenden  sich  eingeschlichen  haben  und 
einfach  gestrichen  werden.  6,  9,  6  sei  die  Wortfolge  nisi  <se>  ipse 
wahrscheinlicher,  als  nisi  ipse  <se>,  wenigstens  nach  dem  Sprachgebrauch 
des  V.;  ebenso  vermutet  er  5,  6,  8  ne  beneficio  <quidem>  senatus, 
während  Kempf  quidem  hinter  senatus  gestellt  hatte.  Nicht  ohne  Grund 
verdächtig  ist  ihm  3,  7,  3  adque  id  negotium  explicandum,  da  Val.  adque 
=  et  ad  durchweg  meide  und  dafür  atque  ad  oder  et  ad  sage,  wie 
übrigens  auch  die  meisten  anderen  Schriftsteller  verfahren;  er  entscheidet 
sich  daher  füi-  die  Lesart  von  E  F  atque  <ad>  id  n.  e.  Evident  scheint 
mir  ferner  4,  2,  7  seine  schon  früher  ausgesprochene  Vermutung  atque 
is  auxilium:  das  gewöhnlich  nach  Konjektur  gelesene  atque  iste  aux. 
(die  Hss  geben  atque  ita  oder  ista  aux.)  ist  nicht  valerianisch.  6,  3,  4 
ist  freilich  cucurrit  zu  lesen,  aber  das  concurrit  bei  Kempf  beruht,  was 
N.  entgangen  ist,  auf  einem  Druckfehler,  an  denen  K.s  2.  Ausgabe 
leider  so  reich  ist.  Beachtenswert  ist  der  Vorschlag  4,  3,  14  perinde 
ac[si  a]  sacris  zu  schi-eiben,  sowie  4,  1,  7  in  utraque  parte  perorata  das 
Verbum  deponentisch  zu  fassen,  was  schon  Gudius  zu  Phaedr.  1,  2,  4 
ausführlich  begründet  hat.  1,  8,  18  verwirft  N.  mit  Recht  Kempfs 
Vermutung,  comesta  nach  Nepotian  zu  schreiben,  aber  wenn  er  percepta 
statt  des  überlieferten  concepta  lesen  möchte,  so  scheint  mir  das  unnötig: 
die  Quelle  des  Val.  Cic.  n.  d.  2,  126  hat  gustata,  dafür  setzte  Val.,  der 
triviale  Wörter  verschmäht,    concepta    (vgl.  1,  8,  10  spiritus  capti  = 


136     Bericht  üb.  die  Litteratur,  betreff.  Valerius  Maximus  etc.  (Heraeus.) 

sp.  concepti).  Manchmal  aber  übertreibt  N.  die  Rücksicht  auf  den 
Sprachgebrauch  des  Schriftstellers.  So  verwirft  er  4,  6,  1  extinguere 
<re>  und  4,  3  ext,  4  adulare  <re>,  da  V.  sonst  nur  beim  Konj. 
praes,  pass.  Formen  auf-re  gebrauche:  aber  die  Überlieferung  indiziert 
doch  offenbar  jene  Formen,  die  zwar  „entschieden  übelklingend"  sein 
mögen,  aber  doch  selbst  von  Cicero  nicht  vermieden  sind,  s.  Neue  II-, 
395  (vererere,  mererere  u.  a.,  die  doch  noch  weit  häßlicher  sind). 
Überhaupt  ist  der  Grundsatz,  dem  N.  huldigt,  daß  dasjenige,  was  nicht 
zweimal  belegt  ist,  auch  nicht  einmal  gelten  dürfe,  doch  sehr  bedenklich. 
Wie  viele  Worte,  die  Val.  nur  einmal  gebraucht,  müßte  man  dann  ver- 
dächtigen. Ich  mag  daher  das  allerdings  nur  in  jüngeren  Hss  überlieferte 
pone  (codd.  pene)  respiciens  1 ,  7  ext.  1  nicht  aufgeben,  zumal  Nepotian 
(post  tergum  resp.)  offenbar  so  schon  las.  Auch  die  Behauptung  N.s, 
fere,  paene,  prope  seien  öfter  von  Abschreibern  oder  Erklärern  „wohl 
zm*  MildeiTing  des  betreffenden  Ausdruckes",  eigenmächtig  hinzugesetzt, 
dürfte  vor  einer  besonnenen  Kritik  nicht  standhalten.  Was  in  aller 
Welt  soll  jemand  z,  B.  an  jener  Stelle  zu  dem  Zusatz  paene  veranlaßt 
haben?  Noch  ungeheuerlicher  ist  die  Behauptung  zu  8,  4,  2  in  [hanc] 
suspicionem  cet.,  daß  ,,Demonstrativa  nicht  selten  interpoliert  sind,  ohne 
daß  man  einen  triftigen  Grund  für  deren  Einschub  ausfindig  machen 
könnte."  An  den  u.  a.  zum  Beweis  citierten  Petronstellen  c.  64  atque 
[hac]  nausea  und  136  atque  [hacj  vindicta  hat  man  längst  den  triftigen 
Grund  erkannt,  daß  hac  =  ac  Variante  zu  atque  ist,  und  so  ist  jede 
Stelle  für  sich  zu  behandeln,  aber  nicht  mit  solchen  bequemen  Behaup- 
tungen abzuthun.  Ebenso  unwahrscheinlich  ist  es,  daß  8,  7,  3  die 
Worte  effusam  barbariam,  die  Gertz  nach  Madvigs  Anleitung  geistreich 
in  et  fusam  Maream  verbesserte,  ein  fremder  Zusatz  sei,  durch  den 
vastissimos  campos  verdeutlicht  werden  sollte.  5,  1,  4  ist  vir  schwerlich 
durch  Dittographie  aus  quis  entstanden,  sondern,  wie  Lipsius  gesehen, 
in  viri  zu  bessern  nach  5,  4  ext.  6.  Unglücklich  ist  auch  die  Verteidigung 
von  fortissima  Samnitium  castra  cepit  1,  6,  4  =  firmissima,  denn  N. 
übersieht,  daß  in  der  Quelle  des  Val.  Cic.  div.  1,  72  florentissima  steht, 
und  daß  ein  ähnlicher  Begriff  hier  wahrscheinlich  gestanden  hat,  zeigt 
auch  Val.  1,  6,  4  castra  Punicis  opibus  referta  ceperunt.  Wenn  N. 
5,  7  ext.  1  gegen  Vahlens  Vorschlag  ex  citat<iore  tard>iorem  anheli- 
tum  subinde  recuperare  geltend  macht,  daß  Valerius  citatus  =  celer 
nicht  kennt,  so  gilt  dasselbe  auch  für  excitatus,  das  N.  beibehält  und 
mit  Annahme  einer  Lücke  excitatiorem  anh.  subinde  <remittere  tran- 
quillitatemque>  recuperare  animadv.  schreibt,  wodurch  aber  der  Aus- 
druck unnötig  aufgeschwemmt  wird.  Beachtenswerter  ist  die  Vermutung 
5,  3  ext.  3  sine  quo  [vix]  vita  hominum  expers  est  <dulcedinis> :  allein 
der  von  expers  abhängige  Genitiv   dürfte    in    dem   müßigen   hominum 


Bericht  üb,  die  Litteratur,  betreff.  Valerius  Maximus  etc.  (Ileraeus.)     137 

stecken,  vielleicht  omnium  <.  ,  .  .  iim>  ?  Direkt  abzuweisen  scheint 
mir  die  Streichung  von  modo  7,  3,  4,  von  sanctitatis  6,  1,  11,  von  qui 
hinter  itaque  6,  9,  12,  von  tarn  9,  5  ext.  1,  die  Lesungen  1,  6  ext.  1 
consentaneo  usus  <saltu  me>  transtulisse,  5,  2  ext.  4  beneficio  Sci- 
pionis  et  p.  r.  permissu,  4,  3,  4  pecuniam  nunquam  <auctor>  fuit. 

Casimir  Morawski,  Quaestionum  Valerianarum  specimen,  ent- 
halten in  Analecta  Graeco-latina ,  philologis  Yindobonae  congi'egatis 
obtulerunt  collegae  Cracovienses  et  Leopolitaui  S.  30 — 37,  Cracoviae 
1 893.  Ders. ,  de  sermone  scriptorum  latinorum  aetatis  quae  dicitur 
argentea  observationes,  aus  der  Zeitschrift  Eos,  Bd.  II  S.  1 — 13 
(1895). 

In  der  ersteren  Abhandlung  führt  M.  seine  schon  in  der  Ztschr. 
f.  österr.  Gymn.  1893  (Februarheft)  hingeworfene  These  näher  aus,  daß 
die  Übereinstimmung  verschiedener  Gedanken  und  Redensarten  des  Valerius 
mit  Velleius  auf  Nachahmung  von  selten  des  Val.  zurückzuführen  sei. 
Der  Gedanke  des  Val.  9,  2,  1 ,  daß  den  Sulla,  'neque  laudare  neque 
\ituperare  quisquam  satis  digne  potest'  zeige  z.  B.  auffallende 
Ähnlichkeit  mit  den  Worten  des  Velleius  2,  17,  1  Sulla,  vir,  qui  neque 
ad  finem  victoriae  satis  laudari  neque  post  victoriam  abunde  vita- 
perari  potest,  ebenso  die  Bemerkung  über  Sullas  Grausamkeit  (ebda.) 
mit  Vell.  2,  28,  4,  über  Gracchus  (8,  10,  1  cum  optime  remp.  tueri 
posset,  perturbare  impie  maluit)  mit  Vell.  2,  6,  2  und  7.  Auch  die 
Anwendung  des  Subst.  ministerium,  eines  der  Lieblingsworte  des 
Velleius,  auf  die  cyprische  Mission  des  Cato  bei  Val.  4,  3,  2  und  Vell. 
2,  38,  6  sei  um  so  weniger  zufällig,  als  die  Erzählungen  dieser  beiden 
Schriftsteller  betr.  Catos  Rückkehr  (Val.  8,  15,  10.  Vell.  2,  45,  5j  auch 
nahe  Verwandtschaft  zeigten.  Desgl.  die  Floskel  des  Val.  5,  3,  4  bei 
Gelegenheit  von  Ciceros  Ermordung  (satis  digne  deplorare  possit) 
kehre  bei  Vell.  2,  67,  1  (wo  deflere  st.  depl.)  wieder;  wenn  Velleius 
den  Tiberius  alterum  reip.  lumen  et  caput  nenne,  so  spreche  Val,  4,  3,  3 
(2,  99,  1)  von  Augustus  und  Tib.  als  duobus  reip.  divinis  oculis.  Am 
auffallendsten  scheint  mir  die  von  M.  am  Schluß  aufgewiesene  Ähnlich- 
keit der  Gedanken  des  Vell.  2,  3,  4  non  enim  ibi  consistunt  exempla 
unde  coeperunt  und  Val.  9,  1,  2  neque  enim  ullum  Vitium  finitur  ibi, 
ubi  oritur.  Weniger  Gewicht  dürfte  auf  die  gleichlautende  Phrase 
pertinaciter  arma  retinere  bei  Val.  6,4  ext.  1  und  Vell.  2,18,  2  u. 
27,  1  (beide  Male  pertinacissirae  und  bei  anderer  Gelegenheit  als  in  der 
Stelle  des  Val.)  zu  legen  sein,  noch  weniger  auf  Val.  2,  10,  7  venera- 
bilem  facere  =  Vell.  2,  34 ,  2  und  40,  2  favorabilem  facere.  Das  Re- 
sultat faßt  M.  S.  37  so  zusammen:  'Quin  Val.  in  opere  suo  conscribendo 
evolverit  quoque  historiam  Vellei,  equidem  non  dubito.     Qua  tarnen  in 


138     Bericht  üb.  die  Litteratur,  betreff.  Valerius  Maximus  etc.   (Heraeus.) 

re  haue  eum  iuiisse  rationein  opinor,  ut  flosculos  qnosdam  aut  locutiones 
hinc  vel  illinc  decerperet,  aliquot  locis  Velleianis  coloribus  uarratioues 
suas  adspergeret'.  Die  Gesclüchtsquellen  des  Val.  seien  freilich  andere  als 
die  des  Vell.  Dem  Einwände,  daß  letzterer  sein  Werk  veröffentlichte 
(30  n.  Chr.),  als  Val.  schon  einen  großen  Teil  seiner  Sammlung  niederge- 
schrieben hatte,  begegnet  M.  in  der  Weise,  daß  er  annimmt,  Val.  habe, 
als  er  Vell.  Werk  kennen  lernte,  auch  in  den  schon  abgeschlosseneu 
Teilen  noch  Änderungen  angebracht.  Letzteres  hält  Ref.  für  sehr  un- 
wahrscheinlich, und  überhaupt  ist  zu  erwägen,  ob  nicht,  was  auch  M,, 
nach  gewissen  Andeutungen  zu  schließen,  sich  nicht  zu  verhehlen  scheint, 
die  Ähnlichkeit  gewisser  Phrasen  bei  Val.  und  Vell.  auf  den  Einfluß 
der  declamationes  zurückzuführen  ist,  wenigstens  dürfte  dies  bei  nach- 
weislich in  denRhetorenschulen  so  beliebten  Themata  wie  Sullas  Tyrannei 
und  Ciceros  Tod  immerhin  wahrscheinlich  sein.  Die  Frage  scheint  uns 
also  noch  einer  gründlichen  Revision  zu  bedürfen.  Jenen  Einfluß  aber 
nimmt  M.  selbst  in  der  zweiten  Abhandlung  für  einige  Redewendungen 
an,  die  bei  den  Schriftstellern  der  silbernen  Latiuität,  namentl.  Valerius, 
Seneca,  Florus  sich  großer  Beliebtheit  erfreuen,  so  für  die  ironisch- 
unwillige Phrase  id  deerat,  ut  .  .  .,  entsprechend  dem  deutschen  ,das 
fehlte  noch,  daß  ...*',  die  bei  Val.  9,  2,  2,  Seneca  u.  a.  sich  findet: 
allein  sie  findet  sich,  wie  aus  Rebliugs  Sammlung  (Charakteristik  der 
röm.  Umgangssprache,  Kiel  1883,  S.  47)  zu  sehen,  schon  bei  Terenz 
and  Cicero  gelegentlich  (ich  füge  hinzu  M.  Aurel  an  Fronto  p.  16  N. 
und  Plin.  ep.  6,  8,  9).  Denkwürdige  Thaten  von  sonst  unbedeu- 
tenden Männern  werden  gern  eingeführt  mit  einer  Redensart  wie  non 
fraudandus  est  sua  laude  cet.  (Val.  1,  1,  9.  Vell.  sehr  oft,  Curtius,  Plin. 
Quint.).  S.  8  fg.  zeigt  M.  an  ausgewählten  Beispielen  den  Einfluß  der 
lihetorenschulen  auf  Curtius,  Valerius,  Sen.  phil.  und  den  jüngeren 
Plinius.  Sehr  fein  ist  die  Beobachtung  der  4  fachen  Gliederung  (xexpa- 
■/(üXov)  bei  Val.  3,  4,  2.  3,  7,  1.  5,  4  ext.  3,  deren  Beliebtheit  Sen. 
controv.  2,  4,  12.  9,  2,  27  und  Quint.  9,  3,  77  ausdrücklich  bezeugen, 
und  die  auch  Albucius  Silus  bei  Sen.  10,  1,  1  anwende.  Gelungen  ist 
endlich  der  Nachweis,  daß  Val.  2,  7,  10  das  Epiphonera  des  Votienus 
Montanus  bei  Sen.  contr.  9,  4,  5  necessitas  magnura  humanae  imbecilli- 
tatis  patrocinium  est  annektiert  hat,  indem  er  schreibt :  humanae  imbec. 
duramentum  est  necessitas.  Ref.  kann  nur  wünschen,  daß  M.  diese  ver- 
dienstlichen, meines  Wissens  von  ihm  zuerst  angestellten  Untersuchungen 
fortsetzt  und  mehr  systematisch  gestaltet. 

M.  Gl.  Gertz,  Rezension  von  Kempfs  2.  Ausgabe:  Berl.  phil. 
Woch.  1892  S.  588—593. 

G.  berichtigt  u.  a.  einige  Versehen,  die  sich  bei  K.  in  Bezug 
auf  G's.  Konjekturen,  die  er  dem  Herausgeber  brieflich  mitgeteilt  hatte, 


Bericht  üb.  die  Litteratur,  betreff.  Valerius  Maximus  etc.  (Heraeus.)     139 

eingeschlichen  haben.  1,  7,  2  wollte  G.  schreiben:  sed  tarnen  ("nicht  iam) 
alter  ...  ad  caelura  iam  struxerat.  7,  8,  2  hatte  er  patientia  nur  in 
der  Verbindung  mit  honorare  beanstandet,  wogegen  es  bei  onerare,  das 
er  konjiziert  hatte,  und  das  cod.  L  direkt  und  A  indirekt  bestätigt,  ganz 
unentbehrlich  sei.  8,  1  abs.  12  wollte  er  den  gesuchten  Ausdruck 
crimen  libidinis  liberavit  dem  Val.  nicht  absprechen,  dagegen  bei  Paris 
in  crimiue  oder  ob  crimen  lesen.  9,  5  ext.  2  wollte  er  mit  Inter- 
punktion so  schreiben:  suo  iure,  tamen  insolenter  [quod]  Graeciae  etc.: 
suo  iure,  nämlich  weil  er  der  despotische  König  war.  9,  8,  2  hatte  er 
et  flumine  Aoo  ohne  die  Präposition  e  vorgeschlagen.  Ferner  bietet 
G.  drei  neue,  sämtlich  schlagende  Verbesserungen  zu  Val.:  7,  2  ext.  1 
(p.  326,  12)  hi  demum  (nach  Lesart  von  L.  bidemü).  7,  3  ext.  3  si 
altior  in  id  animi  cogitatio  demissa  fuerit  (so  auch  Vahlen  später, 
s.  S.  132).  Endlich  7,  6  ext.  1,  wo  man  einen  von  penuria  abhängigen 
Genetiv  vermißt,  möchte  er  von  der  Lesart  von  A^  ultimamque  ausgehend, 
daraus  ultimam  aquae  machen,  das  zu  dem  folgenden  (sitim  urina  torse- 
runt)  vortrefflich  paßt.  Was  Gertz'  Zweifel  wegen  hello  (Paris  epit. 
1,  4,  3)  betrifft,  so  kann  ich  versichern,  daß  es  in  der  Hs  steht  und 
nur  durch  ein  Druckversehen  bei  K.  ausgefallen  ist. 

H.  J.  Müller,  Eez.  von  Vahlens  Proömium  (s.  o):  Woch.  f.  kl. 
Phil.  1894  S.  767—770. 

M.  will  7,  3,  4  bloß  eine  Lücke  annehmen  und  demnach  quod 
sequitur  narrandum  <etsi  vituperandum>  est  schreiben.  6,  7,  1  schlägt 
er  vor,  mulier  vor  domitorem  oder  hinter  magnum  einzusetzen,  schwerlich 
richtig.  7,  7,  1  glaubt  er  Gertz'  Vorschlag  ubi  erat  salvas  durch  qui 
erat  salvus  zu  verbessern:  allein  das  hat  doch  wohl  G.  aus  guten 
Gründen  vermieden.  1,  8,  4  billigt  er  Madvigs  Annahme  einer  Lücke, 
die  mit  iterum  zu  beginnen  sei.  2,  7  praef.  (nicht  2,  6)  will  er  ad 
vor  stabilimentum  tilgen.  —  3,  2,  23  sei  ihm  das  Kreuz  im  Texte 
Kempfs  vor  ad  eum  capiendum  unverständlich :  M.  übersieht,  daß  capere 
dem  Zusammenhang  nach  sich  nur  auf  das  einige  Zeilen  vorhergehende 
castellum  beziehen  kann,  wo  dann  eum  allerdings  fehlerhaft  ist.  Aber 
auch  Paris  bezeugt  es  und  ich  neige  zu  der  Annahme  einer  Flüchtig- 
keit des  Val.,  die  vielleicht  durch  seine  Quelle  veranlaßt  ist.  —  4,  1,  1 
will  M.  ex  zwischen  dimidia  und  parte  tilgen,  ganz  unnötig  (auch  Paris 
hat  ex).  1,  8  ext.  17  zieht  er  tarn  aequalem  der  Kempfschen  Lesart 
tantam  <et  tam>  aequalem  vor,  nach  Val.  Sprachgebrauch  wie  paläo- 
graphisch  unwahrscheinlich.  3,  4,  2  schlägt  er  ex  tractu  (so  Kempf) 
<;externo>  vor. 

C,  Dilthey,  Coniectanea  critica  in  anthologiam  graecam.   Proö- 
mium zu  den  Vorlesungen    der  Göttinger  Univers.     "W.-S.  1891/92. 


140     Bericht  üb.  die  Litteratur,  betreff.  Valerius  Maximus  etc.  (Heraeus.) 

D.  bespricht  S.  16  die  Stelle  des  Val.  3,  7  ext.  4  simnlacro  lovis 
Olympii  perfecto,  quo  nnlliim  praestantius  aut  adrairabilius  humanae 
fabricae  manns.  Während  man  bisher  den  Sitz  des  Fehlers  in  fabricae 
gesucht  hatte,  erkennt  er  ihn  in  manus,  wofür  er  sehr  ansprechend 
munus  vermutet. 

Th.  Stangl,  N.  J.  f.  Ph.  1893.    (Bd.  148)  S.  78. 

S.  vermutet  8,  10,  2  ut  foro  petitos  gestus  in  scaenam  deferrent 
für  das  überlieferte  referrent  unter  Hinweis  auf  Cic.  de  or.  3,  227,  welche 
Stelle,  wie  bereits  Kempf  gesehen,  in  dem  vorhergehenden  Paragraphen 
von  Val.  benutzt  worden  sei.  Die  von  Georges  7  unter  scaena  I,  1  an- 
geführte Verbindung  fabulam  in  scaenam  deferre  scheine  Fleckeisen  un- 
genau Bezug  zu  nehmen  auf  Suet.  vita  Ter.  3,  wo  das  Objekt  (ea)  quae 
domi  Inserat  ist:  gewiß,  denn  G.  hat  offenbar  aus  Baumgarten-Crusius 
index  zu  Sueton  S.  697  geschöpft,  wo:  ad  scaenam  deferre  (fabulam) 
citiert  wird. 

Mit  den  Quellen  des  Val,  beschäftigen  sich: 

Henry  A.  Sanders,  Die  Quellenkontamination  im  21.  und 
22.  Buche  des  Livius.  Erster  Teil.  Münchener  Inaugural-Diss., 
Berlin  1897.     52  S. 

Der  Verf.  sucht  u.  a.  eine  schon  von  anderen  ausgesprochene  Ver- 
mutung näher  zu  begründen,  nach  der  eine  Epitoma  des  Livius  schon 
um  das  J.  30  n.  Chr.  existierte,  welche  nicht  nur  Valerius  Max.,  sondern 
auch  die  beiden  Seneca,  Quintiliau,  Augustin  und  Ovidius  benutzt  hätten. 
Beispielsweise  schreibe  Val.  5,  6,  2  von  Curtius:  urbem  virtute  armisque 
excellere  .  .  .  praecipitem  in  profundum  egit.  Augustin  c.  d.  5,  18  viris 
armisque  se  (Romana)  excellere  ...  in  abruptum  hiatura  praecipitem 
se  dedit.  während  Livius  sage:  equo  exornato  armatum  se  in  specum 
immisisse :  da  nun  bei  Augustin  sonst  keine  direkte  Benutzung  des  Val. 
nachweisbar  sei,  so  hätten  beide,  Val.  und  Aug.,  aus  dem  alten  Auszug 
ans  Livius  geschöpft.  [Über  die  Latinität  der  verlorenen  Epitoma  s. 
jetzt  WölÖlin,  Archiv  11,  1.  Heft.J. 

F.  Münz  er,  Beiträge  zui'  Quellenkritik  der  Naturgesch.  des 
Plinius,  Berlin  1897.     432  S. 

Das  Kapitel  des  Valerius  'de  senectute'  (8,  13)  und  der  ent- 
sprechende Abschnitt  des  Plinius  (7,  153  fg.)  stimmen  z.  T.  so  aut- 
fallend überein,  auch  in  charakteristischen  Worten,  daß  man  bisher 
daraus  allgemein  den  Schluß  gezogen  hat,  PI.  habe  hier  Val.  ausge- 
schrieben, allerdings  nicht  ohne  Kontamination  mit  noch  einer  zweiten 
oder  gar  dritten  Quelle.  Dagegen  glaubt  Münzer  (S.  105),  daß  beide 
Autoren    dieselbe  Hauptquelle    vor  sich  hatten,    daß  aber  Plinius  sich 


Bericht  üb.  die  Litteratur,  betreff.  Valerius  Maximus  etc.   (Heraeus.)     141 

aufs  engste  an  sie  anschließe,  während  Val.  sie  beiseite  lege,  so  oft 
er  in  seiner  zweiten  Quelle,  Cicero  de  senectute,  bessere  Nachrichten 
über  eine  Person  zu  finden  meinte,  und  vermutet,  daß  Varro  diese  Haupt- 
quelle des  Val.  und  Plinius  sei.  Gegen  diese  komplizierte  Hypothese 
erklärt  sich  mit  besonnenem  Urteil  H.  Peter  in  seiner  Rezension, 
Wochenschr.  f.  kl.  Phü.  1898  S.  71  fg. 

ZudenEpitomatoren  (Paris  und  Nepotianus)  und  ihi-en  Ausschreibern. 
W.  Heraeus,  spie.  crit.  (s.  o.)  p.  622—635. 

Zunächst  giebt  H.  auf  Grund  einer  Kollation  Maus,  die  ihm  von 

Dilthey  in  Göttiugen    zur  Verfügung  gestellt  war,    Nachträge  aus  der 

Hs    des   Paris,    von    denen    folgende    Ergebnisse   bemerkenswert   sind: 

2,  4,  5  morbo  liberati  sunt  (nicht  morte);  3,  2,  24  Interpunktion  nach 

proelio   (nicht    nach    servavit),   wie   auch  Kempf   mit  Gertz  schreibt; 

4,  5,  5  Palaepharsali  mit   folgender  Rasur  von  3  Buchstaben  und  acie 

am  Rande  von  2.  Hand;  5,  1,  1  obvium  ire  (nicht  obviam);  5,  1  ext.  2 

postera  die  (nicht  postero  d.);  8,  1  abs.  9  A.  Atilium  (nicht  M.);  8,  11,  1 

Galus  von  1.  Hand  (nicht  Gallus),  was  nach  Mommsen  einzig  richtig  ist 

(außer  den  S.  623  a.  3  citierten  Stellen  deutet  Hieron.  ep.  60,  5  Gaios 

auf  Galos);  9,  4,  3  L.  Septimulejus  (nicht  Sept.).     Sodann  wendet  sich 

Verf.  gegen  die  an  Paris  bisher  geübte  Kritik,  die  in  Verkennung  des 

späteren  Sprachgebrauchs    vielfach  ohne  Grund    die  Überlieferung   der 

Hs    angetastet  hat.     Zu  Halms  und  Kempfs  Zeiten   wußte   man    eben 

noch  nicht  viel  vom  Spätlatein  und  ,,emendierte"  solche  Produkte  wie 

Paris   und    den   geradezu   barbarischen  Nepotian   wie    den  Text  eines 

klassischen    Schriftstellers.      Die    Verkehrtheit    dieses    Prinzips    hat 

C.  F.  W.  Müller    in  den  Jahrb.   f.  Philol.  1890  S.  713  fg.    zuerst   am 

Nepotianus    nachgewiesen.     In  diesem  Sinne    verteidigt  H.    u.  a.  1,  4 

ext.  1   liniamenta   deducere  (st.  ducere)   durch  Ps.-Ov.  her.  16  (17)  88 

und  Spätlateiner;  1,  7  ext.  10  cum  maxime  gegen  die  Änderung  tum  m.; 

5,  5,  1    repromisit  (Val.   'promisit'    gegen  Gertz    esse   promisit;    denn 

auch  6,  5,  1  hat  Paris  repromittere  für  Valerius  poUiceri  gesetzt  (S.  615); 

2,  8,  1    fudisset  gegen  Gertz    concidisset    (zu  den  S.  615  angezogenen 

Stellen  kommt  noch  Hist.  misc.  p.  161,  9  Eys.,  wo  funäere  mit  coedere 

wechselt  p.  75,  20,  wo  es  im  Gegensatz  zu  capere  steht).    7,  3,  4  regredi 

magis  quam  progredi  mallent  gegen  Gertz  regr.  modo  agri  quam  pr.  m. : 

auch  5,  1,  3  hat  Paris  zii  dem  Text  des  Val.  magis  bei  malle  zugesetzt. 

Ferner  wird  das  eine  Erklärung    einleitende  nam   nach    quod    eo    fuit 

manifestius  gegen  Kempf  ('expectes  quod')  geschützt  vornehmlich  durch 

den  griechischen  Sprachgebrauch  (Xen.  An.  2,  3,  1  wos  eoT^Xujje  ,  .  ^dtp 

u.  a.):  ich  füge  jetzt  hinzu:  Suet.  Cal.  60  etiam  per  haec  ostendit:  nam 


142     Bericht  üb.  die  Litteratur,  betreff.  Valerius  Maximus  etc.  (Heraeus.) 

etc.,  Spart,  v.  Hadr.  17,  6,  Capitol.  Ant.  Plus  3,  3,  ebenso  enira  bei 
Val.  Max.  selbst  5,  1.  Ib  illud  quoque  non  parvum  indicium  est: 
Syphacem  enim  (wo  Kempf  enim  tilgen  will  s.  o.  S.  133),  Hygin  fab. 
28  (p.  57,  3  Schm.)  qni  aditum  sibi  ita  faciebant:  montem  enim  etc., 
wo  Muncker  enim  tilgt.  Es  folgt  eine  Liste  von  Ausdrücken,  die  das 
späte  Latein  des  Paris  bezeugen,  u.  a.  3,  2  ext.  5  quibus  ita  se  habere 
cognitis ;  4,  1  ext.  1  Pythagorae  praeceptis  penitus  inteudit,  9,  1 4  ext.  1 
quem  Laodice  in  lectulo  perinde  ac  si  ipsum  regem  conlocavit  (Valerius 
'perinde  quasi  i.  r.'),  wo  mari  zu  den  Stellen  hinzufüge :  Militärdiplom  vom 
J.  76  n.  Chr.  ut  proinde  liberos  tollant  ac  si  ex  duobus  civibus  Ro- 
manis natos,  Paul.  Fest.  p.  58  M.  cum  alieuis  abutimur  perinde  ac  si 
propriis,  was  Pestus  schwerlich  geschrieben  hat,  ändert  doch  auch  Paulus 
p,  247,  3  des  Festus  Worte  perinde  ac  liberis  in  ac  si  liberis.  Ebenso 
bloßes  ac  si  =  quasi  bei  Ampel.  8,  11  (von  "Wölfflin  für  korrupt  ge- 
halten), vgl.  C.  J.  X,  4760  ut  commodis  .  .  .  ac  si  decurio  frueretur 
und  Flor.  p.  33,  14  nee  aliter  utraque  gente  quam  si  cote  quadam 
acuebat,  was  man  ohne  Not  allgemein  in  quasi  ändert  (vgl.  Ref.  in 
der  "Woch.  f.  kl.  Phil.  1897  S.  550).  —  Von  Konjekturen  zu  Paris  sei 
erwähnt  8,  9  ext.  1  Pisistratus  in  tantum  eloquentia  praestitit  für  P. 
tantum  in  e.  p.  nach  dem  Sprachgebrauch  des  P.  (gewöhnlich  wird  in 
gestrichen)  und  4,  6  ext.  1  ipsa  vero  <in  sepulcro>  se  Mausoli  viva 
ac  Spirans  conponi  iussit,  indem  ein  durch  den  schwulstigen  Ausdruck 
des  Val.  erzeugtes  Mißverständnis  des  P.  angenommen  wird.  Endlich 
wird  S.  629  die  Methode,  sehr  gekürzte  Stellen  des  Paris  aus  Val.  zu 
ergänzen,  an  einigen  Beispielen  als  verkehrt  erwiesen,  und  S.  636  eine 
Liste  der  von  Kempf  übergangenen,  aber  für  die  Kritik  des  Val. 
beachtenswerten  Diskrepanzen  des  Paris.  Diese  Liste  ist  freilich  auch 
noch  unvollständig  und  es  bedarf  noch  einer  erschöpfenden  Darlegung 
der  Arbeitsweise  des  Paris,  seiner  stilistischen  und  anderen  redaktio- 
nellen Änderungen.  Eine  solche  Darstellung  würde  für  die  Ki"itik  des 
Val.  sehr  fruchtbar  sein  (vgl.  auch  Vahlen  oben  S,  134). 

Auch  bei  Nepotianus  wird  das  Prinzip,  das  Latein  des  Verf. 
ans  dem  späteren  Sprachgebrauch  zu  verstehen,  anstatt  ihn  wie  einen 
Klassiker  zu  verbessern,  nach  dem  Vorgang  von  C.  F.  W.  Müller  er- 
läutert. So  wird  c.  9,  20  corpora  confusa  ('entstellt')  gegen  die  Ände- 
rung contusa  geschützt  (vgl.  noch  Quint.  decl.  p.  437,  28  Ritter  confusa 
facie  agnosci,  433,  17  cadaver  confusis  liniamentis) ;  c.  7,  7  efifodere  ea 
Signa  imperavit  gegen  die  Änderung  effoderent;  c.  8,  5  (nicht  7)  iussu 
Caesaris  punitus  est,  wo  Mai  und  Eberhard  capite  einfügen :  aber  punire 
ist  =  ,, hinrichten",  vgl.  außer  c.  7,  11  post  Octavi  poenam  Paris  6,  3,  7 
8,  1  damn.  2  und  9,  15  ext.  2,  wo  das  Verbum  ebenso  gebraucht  ist, 
während  Yal.  eine  Wendung  mit  supplicium  gebraucht,  6,  3,  1  und  ext.  2 


Bericht  üb.  die  Litteratur,  betreff.  Valerius  Maximus  etc.   (Ueraeus.)     143 

supplicio  capitali  piinitus  est,  während  Val.  s.  c.  affectus  est  hat.  Auch 
c.  9,  14  ist  collectnm  später  Sprachgebrauch  für  sublatnra,  was  Gertz 
nach  Val.  schreiben  wollte,  s.  jetzt  Petschenig,  Archiv  8,  140,  Weyraan 
ebda.  S.  482  und  Eef.  ebda.  9,  134  (außerdem  steht  es  Isidor.  or.  7,  6,  46. 
Schol.  Juv.  6,  605.  Schol.  Bern.  Verg.  ecl.  2,  24).  Von  Verbesserungs- 
vorschlägen  zu  Nep.  seien  hervorgehoben:  c.  2,  1  arce  deiectus  f.  aree 
delectus;  c.  14  exin  de  usu  für  exinde  usu  (vgl.  exinde  usus),  da  Nepot. 
durchweg  die  Form  exin  gebraucht,  (billigt  der  Rec.  im  Lit.  Centralbl. 
s.  o).  c.  21,  2  Cloelia  .  .  per  eundem  alveum  ruptis  vinculis  enatavit 
für  das  überlieferte  innatavit,  was  ich  allerdings  jetzt  nach  Ihms  (s.  u.) 
Ausführungen  für  richtig  halte,  da  Nep.  offenbar  die  Vergilstelle 
Aen.  8,  651  fluvium  vinclis  innarat  Cloelia  ruptis  vorschwebte;  denn 
ruptis  vinculis  fehlt  bei  Val.  Er  dürfte  dann  freilich  nicht  per  eundem 
a.  setzen.  Jedenfalls  halte  ich  Konjekturen,  die  von  der  Änderung 
innotuit  ausgehen  (Eberhard,  Gertz)  für  unrichtig.  Anklänge  an  Vergil 
bei  Nep.  auch  8,  6  maligna  luce  (=  Aen.  6,  270),  was  Ihm  übersehen 
hat.  S.  634  a.  1.  wird  an  die  von  Kempf  übersehenen  Arbeiten  von 
Bergk  (s.  c),  Foertsch  emend.  Valeriane  p.  III  (Progr.  Naumburg  1870) 
und  Eußner  (Phil.  33,  782)  erinnert,  wonach  die  Priorität  einer  Anzahl 
von  Konjekturen  diesen  Gelehrten  gebührt. 

M,  Ihm,  zu  Yal.  Max.  und  Jan.  Nepotianus:  Rh.  Mus.  49  (1894) 
S.  247—255. 

Hans  Droysen  hatte  in  seinen  'Nachträgen  zu  der  Epit.  des 
Nepotian'  im  Hermes,  Bd.  12  (1878),  S.  122—132  darauf  aufmerksam 
gemacht,  daß  in  den  ersten  6  Büchern  der  sog.  'Historia  Miscella'  (ed. 
Eyssenhardt  1869)  sich  Einlagen  finden,  die  nicht  auf  den  sonst  zur  Er- 
weiterung der  Paulinischen  'Historia  Romana"  von  Landolfus  Sagax  be- 
nutzten Orosius  zurückgehen,  sondern  mit  verschwindenden  Ausnahmen 
(s.  Mommsen  Herm.  12,  401)  aus  Nepotianus  Epitome  des  Valerius  ge- 
flossen sind.  Der  Palatinus  der  Eist,  misc,  den  Dr.  für  die  Originalhs 
des  Landolf  hält,  Ist  nun  zwischen  976  und  1025,  also  3  Jahrhunderte 
vor  dem  Vaticanus  des  Nepot.  geschrieben,  also  der  älteste  bislang  be- 
kannte Zeuge  für  die  Epitome.  Der  Hauptgewinn,  den  Dr.  (dessen 
Abhandlung  aber  Kempf  übersehen  hat)  für  die  Kritik  des  Nep.  daraus 
zieht,  besteht  im  folgenden:  cap.  1,  13  ist  die  Lücke  vor  sacrificio  nach 
der  H.  M.  so  auszufüllen:  ad  Quirinalem  montem  coutendit  et  celebrato, 
wodurch  alle  Ergänzungen  der  Kritiker  bei  Kempf  hinfällig  w'erden. 
C.  1,  18  hat  crustis  für  frustis  und  abstulerant,  wie  Mai  schon  richtig 
vermutete,  f.  abstulerint.  —  C.  9,  2  will  Dr.  duos  vor  iuvcnes  und 
temeravius  vor  incertorum  einschieben  auf  Grund  derH.  M. :  im  übrigen 
stimmt  H.  M.  in  diesem  Paragraphen  mit  dem  Val.  überein  (was  gegen 


144     Bericht  üb.  die  Litteratur,  betreff.  Valerius  Maximus  etc.  (Heraeus.) 

Gertz'  zahlreiche  Vorschläge  zu  beachten  ist),  c.  9,  4  liest  D.  mit  H.  M. 
an  für  cum,  wie  auch  Val.  hat  (vg.  num;  vgl.  auch  p.  18,  21  bei  Nep. 
con  st.  au,  wie  Paris  hat),  ebda.  §  6  steht  Etrusci,  §  9  itaque  auch  in 
der  H.  M.,  §  12  est  f.  et  nach  Romara  (wie  Kempf  selbständig  ver- 
mutete), §  24  loculo  (wie  Mai  konjizierte),  c.  21,  3  fixam  (für  rixam), 
wie  Kempf  nach  eigener  Vermutung  schreibt,  aber  schon  vor  ihm  von 
G.  Becker,  Rh.  M.  1874  S.  499  vorgeschlagen  war.  1,  2,  3  (p.  15,  28 
Kempf)  hat  die  H.  M. :  et  videbatnr  fretus  inhire  bellum  (Nep.  vide- 
baturque  mire  bellum  fretus):  Kempf  schreibt  nach  Novdk  und  Grertz 
videbaturque  inire  bellum  fretus,  inire  bestätigt  also  H.  M.,  war  übrigens 
auch  schon  von  Foertsch  (em.  Val.  III  p.  4)  vermutet.  Ebda.  §  2  hat 
wie  Paris  auch  H.  M.  negotia  nach  privata,  das  im  Vat.  fehlt.  Da, 
wie  schon  bemerkt,  Dro3'sens  Aufsatz  Kempf  entgangen  war,  so  hat 
M.  Ihm,  der  übrigens  auch  von  der  verkehrten  Richtung  der  bisherigen 
Kritik  des  Nep.  überzeugt  ist,  a.  a.  0.  nochmals  auf  die  Wichtigkeit 
der  angeführten  Lesungen  hingewiesen  und  sie  ausführlich  besprochen. 
Dr.  hatte  ferner  (S.  128  fg.)  noch  eine  Anzahl  von  Erzählungen  ge- 
wonnen, die  in  dem  im  Vat.  fehlenden  Teil  der  Epitome  gestanden 
haben,  ohne  jedoch  sie  für  die  Textkritik  des  Valerius  (bez.  Val.  für 
die  Kritik  des  Landolfus)  zu  frnktifizieren.  Dies  hat  nun  Ihm  nach- 
geholt und  einige  Resultate  erzielt.  So  weist  er  nach,  daß  Nepot.  in 
seiner  Valeriushs  das  (nach  Dio  37,  53  ^xaiouto?)  richtige  Scevius  d.  h. 
Scaevius  las,  während  die  Hss  des  Val.  und  Paris  Scaeva  haben.  5,  1 
ext.  3  hat  H.  il.:  ipse  autem  cum  exornatis  equitibus  processit  ad 
portam,  wonach  Ihm  im  Texte  des  Val.  die  Erwähnung  der  Reiter  mit 
Recht  nicht  missen  möchte,  die  durch  Foertsch  von  Kempf  rezipierte 
Änderung  ipse  cum  ornatu  regio  salutatum  extra  portam  occurrit  ent- 
fallen sei  (die  Lesart  von  L  und  A^  im  Val.  ist  cum  ornatu  equitatum 
extr.  p.,  was  bei  Kempf  infolge  eines  Versehens  nicht  angegeben  ist). 
Wenn  aber  Ihm  von  Paris  cum  ornatu  regio  meint,  derselbe  habe 
equitum  durch  regio  ersetzt,  so  stimmt  dies  nicht  zu  der  Arbeitsweise 
des  P.  Ich  vermute  eine  Lücke,  die  etwa  so  auszufüllen  ist:  cum 
orn<atu  regio  et  frequenti  comit>atu  equitum.  —  5,  2,  1  hat  auch 
H.  M.  wie  der  Laur.  des  Val.  Falcula,  wofür  nach  Ihm  auch  die  Über- 
liefei-ung  des  Livius  26,  33,  7  Faucula  im  alten  Puteaneus  spricht  (ro- 
manischer Lautwandel  au  —  al,  wie  haut  aus  altus);  dui'ch  Cic.  p.  Clu. 
§  103.  112  und  p.  Caec.  §  28  sei  ein  Cogn.  Falcula  belegt.  —  5,  4,  2 
empfiehlt  Ihm  mit  Recht  die  Lesart  der  codd.  Pighii  vixdum  annos 
puerilitatis  egressum:  Nepot.  habe  nach  H.  M.  vix  egressus  pueritiam 
gehabt  (zum  Ausdruck  kann  man  noch  vergleichen  Suet.  Aug.  63 
tantum  quod  pueritiam  egresso).  7,  4,  1  werde  deserto  (codd.  Val. 
detecto)    auch  durch  Nepot.  bestätigt;    8,  1,  5  bezeuge  er  hanc   (nicht 


Bericht  üb.  die  Litteratur,  betreff.  Valerius  Maximus  etc.   (Ueraeus.j     145 

hoc),    was    auch   ohne   Austoß  sei.     Endlich    bestätige  H.  M.    die    von 
Kempf  verschmähte  evidente  Konjektur  Gertz'  ima  pedum  parte  succisa. 
Am  Scliluß  bespricht  J.  einige  der  Haupt-Fehlerlvategorien  im  Val.  des 
Nep.  und  erklärt  eine  Neuverg-leichung-  der  Hs  nach  Mai  für  notwendig. 
Eine  Kollationsprobe,  die  Wünsch  angefertigt,  zeige  z.  B.,  daß  p.  593,  3 
ad,    nicht  ob  dastehe;    ebd.  Z.   18  occidisset,  nicht  acc.     P.  597,  1  sei 
ablatos  der  Gertzschen  Konj.  sublatos  vorzuziehen,   nach  p.  15,  26  und 
auf  Grund  der  häufigen  Vertauschung  von  a  und  o  in  der  Hs;  p.  597,  7 
verteidigt  er  mit  Recht    suis  flatibus    (f.  secundis  fl.)    mit  Hinweis  auf 
Verg.  A.  4,  442.  5,  832    (s.  o.    über    Nep.    Nachahmung    des    Verg.j; 
p.  611,  9  liest  er  mit  Kempf  deferebant  quos  (st.  d.  oluuos:    vielleicht 
d.,     officioseV):      deferre    sei    richtig    von    Kempf  ■=--  revereri    erklärt 
und  stehe  auch  Vulg.  Deuteron.  28,  50  seni  deferat  (s.  jetzt  die  Nach- 
weise bei  Roensch,  semas.  Beitr.  III  S.  24,  wo  die  Nepotianstelle  und 
Schol.  Juv.  13,57  fehlt;  übrigens  wird  noch  jetzt  so  deferer  im  Französischen 
gebraucht),     p.  616,  16    liest    er    ut    primum  Asiam   vidit    oder  adiit; 
p.  21,  2  fugit  mit  Mai  oder  fugiit  (wie  fugierunt  p.  599,  28),  p.  600,  10 
vielleicht    refugiit    (codd.    refngiat):    doch  hat  Nep.    auch  die  korrekte 
Perfektbildnng  und  ebenso  steht  p.  598,  2  inveniat  für  invenit,    608,  7 
viciat    für  vicit,    593,  3  perveiat  für  pervexit  (d.  h.  wohl  perveiat  für 
pervenit   vorschreiben),    vgl.    auch  oben  zu  p.  592,  9.     Nur  zweifelnd 
sucht    er  p.  615,  17  Tiburtum    für  Tibur    (vg.  Tibur  tum)    zu  halten; 
denn  auf  Appians  Tißup-ov  sei  kein  großes  Gewicht  zu  legen  und  Tuder- 
tum  für  Tuder  sei  eine  mittelalterliche  Bildung. 

Petschenig,  Zu  Nepotianus.    Phil.  50  (1891)  S.  92  fg. 

Auch  P.  wendet  sich  gegen  die  Kritik,  die  N.  durchaus  zu  einem 
Klassiker  macheu  will.  So  verteidigt  er  gegen  Änderungen  die  bloßen 
Akkusative  Etruriam  c.  1,  1  und  Africam  c.  6,  4,  die  Ablative  filiis 
c.  11,  9  und  populo  creatus  c.  13  (statt  a  f.),  den  Genitivus  loci  Italiae 
c.  1,  18  und  Macedoniae  c.  6,  6  (vgl.  ßoensch,  Itala  S.  427.  Vop. 
Aurel.  48,  2  Etruriae).  Evectus  c.  6,  4  stützt  er  durch  Cassian  inst. 
7,  7,  2  (Eberhard:  pervectus);  mane  alio  c.  9,  7  (wie  schon  Müller 
a.  a.  0.),  ebda.  §  21  das  instrumentale  cum  bei  gladio,  §  22  die  Tempus- 
verschiebuug  vellet  aut  mandasset;  9,  33  pro  =  propter  (oder  prae?). 
11,  1  a  foris  (so  auch  in  der  Hist.  miscella,  s.  u.;  vgl.  auch  Roensch 
S.  231),  15,  1  cuidam  =  cuipiam  (Cassian),  15,  3  luxuriam  consuescere 
(Pauliu.  Petrocord.  2,  146.  3,  426).     Alles  sehr  einleuchtend. 

Th.  Stangl,  Zu  den  Epitomatoren  des  Val.  Maximus.    PhiL.53, 
(1894)  572  fg. 

St.s  Ausführungen  berühren  sich  vielfach  mit  Petschenigs,  die  er 
offenbar    übersehen  hat.     Davon  abgesehen  erwähne  ich ,    daß  er  Paris 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    Bd.  LXXXXYII.    (1898.   II.-»     10 


146     Bericht  üb.  die  Litteratur,  betreff.  Valerius  Maximus  etc.   (Heraeus.) 

4,  fi  ext.  2  das  überlieferte  nee  in  bollo  virum  relictum  als  accusativus 
absolutus   verteidigt  (=  ouok  sv  roXsixo)  xov   avöpa  aroXiüovJcja).     Allein 
von  dieser  Konstruktion    rindet  sieb  sonst  in  dem  doch  recht    umfang- 
reichen Exzerpt  keine  Spur.     Ich  neige  mich  zur  Annahme  einer  Ver- 
derbnis, bemerke  aber  noch,  daß  E.  Thomas  (Dtsch.  Litzt.  1895  S.  493) 
relictum  als  Supinum    halten  zu  köuiien  glaubt,    was    mir   gegen  allen 
Sprachgebrauch  zu  sein  scheint.     Paris  6,  2,  2  verteidigt  St.  mit  Recht 
nec-quidem,  desgl.  die  Auslassung  der  Kopula  est  an  mehreren  Stellen 
des  Nepot.  und  Paris,    wo  die  Kiitiker  sehr  inkorrekt  verfahren  sind. 
In  der  praefatio  des  Kepot.    verteidigt    er   die  von  keiner  Konjunktion 
abhängigen  Konjunktive   componat,    producat,    sowie    die  von  dum  ab- 
hängigen fundat  und  sit,   die  man  gewöhnlich  ohne  weiteres  in  Indika- 
tivs verwandelt,  als  durch  den  Flexionsreim  (dum  se  osteutat)  geschützt, 
dem    zuliebe    die  Spätlateiner   nach   einer  Beobachtung  von  A.  Engel- 
brecht gelegentlich  die  Modi  und  Tempora  vertauschen,  welche  Erklärung 
S.  durch  Beispiele  zu  stützen  sucht,  vgl.  jedoch  in  der  überhaupt  nach- 
lässig geschriebenen  Hs  die  Fehler  constituat  p.  593,  20  für  constituit 
und  p.  21,  2    fugat    für    fugit    (s.  oben  S.  145).     Ferner  mißbilligt  er 
die  Tilgung  der  Pi-äpositionen  e  vor  quo  8,  9  und  a  (nach  natus)  c.  13, 
die  HinzufüguDg  der  Präposition  a  c.  7,  10  vor  Nolae  moenibus  und  in 
c.  8,  10  vor  somnio    und    c.  16,  15    in  vor  scutis,    die  Änderung  von 
hodie  in  hodieque  c,  10,  17    und  male  in  malo  c.  16,  13.     Schließlich 
wird  Paris    4,  4,  11  Scauro  a  patre  hereditas  sex  servorum  reservata 
est  (für  das  überlieferte  reversa  est)  vorgeschlagen,  was  aber  auch  ein 
ungewöhnlicher  Ausdruck  wäre:  vielleicht  ist  die  Überlieferung  zu  ver- 
teidigen   durch  Wendungen   wie  Terenz    ad  hos  redibat  lege  hereditas. 
Paris  4,  6  ext.   1    wird  in  den  Worten  ipsam  vero  se  Mausoli  viva  ac 
Spirans  conponi  iussit  Mausoli    als  in  Mausolio   erklärt,    sehr    unwahr- 
scheinlich.   In  der  praef.  Nepot.  p.  592,  18  werden  die  noch  nicht  ge- 
heilten Wort«    heu  censor  piueteres  in  eu  (=^  heu),    censor  pie,    teres, 
worin  mir  teres  trotz  des  Hinweises  auf  Hör.  sat.  2,  7,  80  unverständ- 
lich ist. 

M.  Gl.  Gertz  a.  a.  0.  (s.  S.  138). 

Nepot.  1,  1  ext.  5  (p.  13,  16  K.)  vermutet  G.  eins  für  etiam;  1, 
4,  7  (p.  21,  2  Kempt)  Bruti  adfluxerat  (brucia  diluxerat  cod.),  was 
=  advolaverat  (so  Paris)  sein  soll.  Ebd.  1,  3,  2  habe  er  mittere  et 
sortes  ibi  colligere,  nicht  wie  Kenipf  angebe,  mittens  s.  i.  c.  gemeint, 
desgl.  Paris  1,  1,  16  familia  ira  Herculis  nicht  f.  H.  i.,  7,  2  ext.  2 
etiam  versentur,  nicht  reversentur;  8,  5,  5  polluerat,  tueretur  absentia 
una:  Nepot.  7,  12  evelli  in  proelium  prodeuntibus,  et  altera  ect.,  wie 
übrigens  schon  Eufiner  vermutet  hatte. 


Bericht  üb.  die  Litteratur,  betreff.  Valerius  Maximus  etc.   (Heraeus.)      147 

E.  Thomas  a.  a.  0.     (S.  131). 

Paris  4,  6  ext.  1  billigt  er  die  von  Heraeus  (s.  S.  142)  vorge- 
schlagene Gestaltung  des  Satzes,  nur  dai.i  er  in  vor  sepulcro  für  über- 
flüssig hält,  8,  14,  5  erklärt  er  die  Überlieferung  alacer  miles  gaudium 
(vg.  gaudio)  excepit  ansprechend  durch  ein  Mißverständnis  des  P.,  indem 
er  gaudium  bei  Val.  metonymisch  für  donum  nahm,  verführt  durch 
Valerius  Kürze.  (Val.  5,  3,  4  ea  sarciua  tamquam  opimis  spoliis  alacer 
in  urbem  re versus  est). 

Robert  Noväk  a.  a.  0.  (oben  S.  135). 

S.  281  fg.  schlägt  N.  vor,  p.  14,  17  K.  incipere  vor  iusserunt  zu 
stellen  und  die  ganze  Stelle  so  zu  schreiben:  sumptu  minore  marmore 
diis  simulacra  fieri,  quod  imp<ium  es>se  rati  ex  ebore  incipere  Athe- 
nienses  iusserunt.  Allein  incipere  .  .  fieri  wird  ohne  Not  von  allen 
Kritikern  angefochten,  incipere  dient  im  Spätlatein  wie  [izDm  zur  Um- 
schreibung des  Fnturbegriffs,  vgl.  bes.  Thielmann,  Arch.  f.  Lex.  II,  85  fg. 
Impium  ist  ganz  unpassend,  das  wahrscheinlichste  noch  immer  Christs 
quod  aspernati  ex  eb.  cet.  Paris  7,  3,  7  vermutet  N.,  daß  eadem  vor 
clamante  sich  aus  Dittographie  der  vorstehenden  zwei  Silben  (debeat) 
entwickelt  habe  und  „zu  tilgen  sei";  eher  hat  sich  eadem  clamante  aus  ad- 
clamante  (so  Val.)  entwickelt.  Nepot.  p.  602,  2  will  N.  civile  bellum 
als  Glossem  streichen,  es  wird  aber  durch  die  bist.  misc.  p.  164  Eyss. 
geschützt.  Die  Ergänzung  ne  eo  hello  <aliud>  Augusto  opus  esset 
giebt  einen  sehr  gezwungenen  Siuu.  p.  614,  7  vermutet  er,  daß  cele- 
brabatur  als  Glossem  zu  agebantur  zu  streichen  sei. 

A.  Aus  fei  d,  Die  Orosiusrezension  der  bist.  Alex.  Magui  de 
proeliis:  Festschrift  der  badischen  Gymn.  für  die  Uuivers.  Heidel- 
berg 1886.     S.  106  ff. 

A.  weist  nach,  daß  Nepot.  auch  in  jener  Orosiusrezension  stark 
benutzt  ist,  wie  z.  B.  der  Irrtum  Pausanias  st.  Prusias  (durch  die 
Schreibung  Prausias  in  den  Hss  des  Val.  veranlaßt)  sich  dort  wie  Nep. 
c.  9,  21  findet.  Für  die  Kritik  des  Nepot.  ergiebt  sich  kein  nennens- 
werter Gewinn. 


10* 


Jahresbericht  über  Vergil  1892—1896 

von 
Rud.  Helm, 

Wilmersdorf. 

Als  ich  den  Jahresbericht  über  Vergil  übernahm,  war  ich  durch 
Studien  auf  einem  weit  entlegenen  Grebiete  gefesselt,  so  daß  mir  nur 
wenig  Zeit  blieb  mich  einzuarbeiten.  Nichtsdestoweniorer  hoffe  ich, 
alles  Wesentliche  vorzubringen.  Für  etwa  auffällige  Ungleichheiten 
der  Ausarbeitung  erbitte  ich  bei  diesem  ersten  Bericht  die  gütige 
Nachsicht  der  Leser.  Bei  allem  habe  ich  nachträglich  die  sorgfältigen 
Berichte  von  P.  Deuticke  in  den  Jahresber.  des  phil.  Vereins  zu  Berlin 
zu  Rate  gezogen.  Auf  eine  Erwähnung  sämtlicher  Schulausgaben,  sogar 
noch  bei  jeder  neuen  Auflage ,  sowie  mangelhafter  Übersetzungen, 
Inhaltsübersichten  u.  dei-gl.  habe  ich  grundsätzlich  verzichtet.  Daß 
trotzdem  noch  viel  zu  viel  besprochen  ist,  wie  die  unsinnigen  Auf- 
stellungen über  die  Eklogen  von  Laves  und  Frey,  ist  mir  völlig  klar; 
aber  es  wird  sich  kaum  ganz  vermeiden  lassen,  auch  das  falsch  Er- 
scheinende zu  erwähnen,  schon  um  der  subjektiven  Ansicht  des  Re- 
ferenten nicht  zu  viel  Spielraum  zu  lassen.  Von  nachstehenden 
Werken  habe  ich  weder  selber  noch  durch  eine  Rezension  Kenntnis 
nehmen  können: 

Moggio  de  eclogis  Vergilli  et  allegoria  in  I,  V,  IX  ecl.  expressa 
Correggio  Emilia. 

C.  Pioi,  Didone  in  Virgilio  Lecco. 

Sabbadini,  due  supplementi  all'  Eneide.  Rivista  Etnea  I  h  p.  137—13;). 

Bucciarelli,  la  Sicilia  e  Virgilio  Rassegna  delia  letter.  sicilian.  II 
fasc.  1—3  Acireale  1894. 

Barzellotti,  Conferenze  tenute  a  Roma  Firenze  XI  art.  4. 

Bardoscb,  Lucan  und  Vergil,    ungarisch  Egyet.  phil.  XVII  401  —  417. 

Remig,  Lucan  und  Vergil,  ungarisch  Egyet.  phil.  IX  G2.')  — 643. 

Doczi,  Praeparatio  Vergil.     Aeceisenek  I  es  II  enkehez. 

Vietöricz,  Vergilius  költemenye  az  arany  korröl.  Nyiregyhäzai  1894/95. 

Le  Breton,  de  nnimalibus  ap.  Vergilium  Paris  1895. 


Jahresbericht  über  Vergil  IbifJ— isOC.    (Uelm.j  149 

Grandeffe,  etude  analyt.  sur  TEneide  Paris  1895. 

Lefe^Te,  Enee  et  Virgile  Revue  de  l'EcoIe  anthropol.   de  Paris  I.  3. 

Nemethy,  Vergilius  Didöja  Egyet.  phil.  Ls'.k;  p.  1  —  18. 

Hadjidemetrios,  Studia  Vergiliana  Athenes  ISDö. 

V.  Fabricius,  de  love  et  fato  in  Aeneide  Leipz,  ISilG  Fock. 

E.  Krause,  az  istenek  es  a  fatum  Vergilius  költeszeteben  Ism.  Nemethy 
Geza.    Philol.  Közl.  5ÜG. 

Nemeth,  Vergil  Aeneis  enek  ismerteteseTanulök  Lapja  4749. 

Kuicala,  Krit,  und  exeget.  Beiträge  zu  Vergilius  Georg.  Ceske- 
Museum,  filol.  1896  p.  90—101. 

I.    Allgemeines  über  den  Dichter. 

Eine  populäre  Darstellung  der  Entwickelung  Vergils  giebt 
Cartault  levolution  du  talent  de  Virgile  des  bucoliques  aux 
georgiques  Rev.  Internat,  de  Feuseignement  1895  S.  1 — 15.  Inter- 
essant ist  die  innere  Veränderung  des  Dichters,  aut  die  C.  aufmerksam 
macht.  Vergil  wird  mehr  und  mehr  Pantheist,  aber  je  weiter  er  sich 
von  der  Philosophie  des  Lucrez  entfernt,  um  so  mehr  nehmen  die  Ent- 
lehnungen zu,  was  übrigens  wohl  vor  allem  daran  liegt,  daß  die 
Georgica  ein  Lehrgedicht  sind,  Lucrez  aber  für  die  didaktische  Poesie 
selbstverständlich  Illuster  war.  An  und  für  sich  lag  dem  gefühlvollen 
Dichter  ein  solcher  Stoff  wohl  nicht  nahe.  Er  hilft  sich,  indem  er  sich 
hier  und  da  in  das  Gebiet  der  Leidenschaft  flüchtet,  so  bei  der 
romantischen  Schilderung  des  schwimmenden  Leander,  Georg.  LEI  260  ff., 
und  bei  der  Orphensepisode.  Hier  erkennen  wir  ein  deutliches  Band, 
das  sich  von  den  Eklogen  zu  der  Erzählung  der  Liebe  der  Dido  hin- 
zieht. Der  Hauptcharakter  aber  der  Georgica  ist  von  den  Bukolika 
durchaus  verschieden,  hier  finden  wir  Träumerei,  dort  wirkliche  Thätig- 
keit.  Wir  empfinden,  daß  das  Lehrgedicht  das  Werk  eines  heran- 
gereiften Mannes  ist.  Vielleicht  hat  auch  der  Verkehr  mit  Männern 
der  That  dazu  beigetragen,  diese  Änderung  im  Charakter  des  Vergils 
zu  bewirken. 

Virgilio  anomale?  ist  der  Titel  einer  kleinen  Besprechung, 
die  Valmaggi  seiner  Studie  II  Vergilianismo  Torino  1890  beigefügt 
hat;  sie  behandelt  die  Vorwürfe,  die  man  Vergil  in  sittlicher  Beziehung 
machte  und  richtet  sich  besonders  gegen  Lombroso,  der  Michelangelo 
wegen  seiner  Abneigung  gegen  das  Weib  psychisch  anomal  genannt 
hat,  ein  Vorwurf,  der  Vergil  ebenso  treffen  könnte. 

Ein  Bild  Vergils  hat  sich  auf  einem  Mosaik  bei  den  Ausgrabungen 
in  Tunis  gefunden,  über  das  Boissier  nach  einem  Brief  von  Gauckler 
berichtet.  Academie  des  Inscriptions  Comptes  rendus  1896 
S.  578  ff.    (vgl.  Berl.  phü.  Wochenschr.  1896  Sp.  1664).     Das  Mosaik 


150  Jahresbericht  über  Vergil  181)2—181)6.    (Helm.) 

stellt  einen  Mann  mit  bäurischen  Zügen  und  knrzgeschnittenem  Haar 
dar,  der  zwischen  zwei  Musen  sitzt:  in  der  Linken  hält  er  eine  Rolle, 
auf  der  man  Aneis  I,  8  liest."  Zu  seiner  Rechten  liest  ihm  Klio  von 
einem  Blatt  etwas  vor,  zu  seiner  Linken  steht  sinnend  Melpomene. 
Das  Bild  zeigt  Ähnlichkeit  mit  den  ]\riniaturen  in  den  Handschriften, 
wie  z.  B.  im  Vaticauus;  es  wird  von  dem  Finder  etwa  ans  Ende  des 
1.  Jahrhunderts  n.  Chr.  gesetzt.  Eine  treffliche  Abbildung  des  Mosaiks 
ist  jetzt  in  den  Monuments  et  memoires  publies  par  Tacadcmie  des 
Liscriptious  et  Bclles-Lettres  IV  2  Paris  1898  erschienen. 

II.    Ausgaben. 

P.  Vergili  Maronis  opera  apparatu  critico  in  artius  contracto 
iterum  rec.  Otto  Ribbeck.  Vol.  I.  Bucolica  et  Georgica  Lips.  in 
aed.  Teubneri  1894.  Vol.  II,  III.  Aeneidos  libri  I— VI,  VII-XII. 
Lips.  1895.  Vol.  IV.  Appendix  Vergillana.  Lips.  1895.  Dem  in- 
zwischen verstorbenen  Meister  der  klassischen  Philologie  war  es 
noch  vergönnt ,  seinen  Vergil  in  zweiter  Auflage  herauszugeben. 
Allerdings  hat  auch  er  dabei  der  inzwischen  eingetretenen  Zeitströmung 
Rechnung  tragen  müssen.  Der  Apparat  ist  verkürzt,  und  die  Pro- 
legomena,  die  mancher  schmerzlich  vermissen  wird,  fehlen  ebenso  wie  der 
Anhang  von  W.  Ribbeck,  der  die  auctores  und  imitatores  enthielt.  Der 
Veränderungen  im  Text  des  1.  Bandes  sind  wenig.  Neuere  Forschungen 
wie  die  von  J.  Vahlen  hervorgehobene  Abtrennung  der  Verse  Ecl,  VIII 
105 — 106  aus  der  Rede  der  Herrin,  sind  berücksichtigt;  die  zur  Be- 
zeichnung der  strophischen  Gliederung  gesetzten  Buchstaben  oder  Zahlen 
sind  zum  grössten  Teil  fortgeblieben.  Im  Apparat  ist  hier  und  da 
eine  kleine  Ungleichheit  zu  erkennen,  wie  sie  durch  häufige  Unter- 
brechung der  Arbeit  entstehen  kann;  in  der  Anführung  von  Konjekturen 
ist  R.  sehr  sparsam  gewesen,  'cum  magna  ex  parte  vel  inutiles  vel 
adeo  ineptae  visae  sinf.  Die  testimouia  sind  eher  vermehrt,  obwohl 
auch  hier  einiges  fortgelassen  ist;  vor  allem  sind  sie  nach  den  neueren 
Ausgaben,  so  nach  Keils  grammatici  citiert.  Auch  in  der  Äneis  sind 
Ungleichheiten  nicht  ganz  vermieden,  so  in  der  verschiedenen  Citier- 
methode  bei  neueren  Konjekturen,  bald  mit  Angabe  des  Fundortes,  bald 
ohne.  Ein  konservativer  Zug  läßt  sich  auch  hier  bemerken ;  so  ist  I  396 
capsos  nui"  noch  im  Apparat  erwähnt  und  aus  dem  Text  entfernt.  Da- 
gegen sind  ein  paar  Stellen  mehr  als  interpoliert  bezeichnet;  z.  B.  VI 
893—896  nach  Xauck,  IV  280  u.  a.  Neuere  Studien  wie  die  Nordens 
sind  verweitet.  Am  größten  ist  die  Veränderung  im  4.  Band,  der  die 
kleinen  Gedichte  enthält.  Rosetura,  Est  et  non,  Vir  bonus  und  die 
Elegien    auf  Mäcenas    sind  fortgefallen.    Der  Culex  ist  natürlich  nach 


Jahresbericht  über  Vergil  1892— 189ß.    (lielra.)  151 

Leos  Ausgabe  bearbeitet  mit  Benutzung  des  von  Ellis  aufgefundenen 
codex  Corsinianus.  Die  handschriftliche  Lesart  wird  ebenfalls  mehr  als 
früher  bevorzugt.  Zu  den  Gedichten  Catalepton  ist  das  Epigramm  Vate 
Syracosio  aus  den  Prolegom.  S.  2  zugefügt.  Die  Dirae  und  Lydia,  die 
den  Schluß  bilden,  sind  in  absichtlichem  Gegensatz  zu  den  neuesten 
Arbeiten  darüber  herausgegeben  worden,  wie  schon  die  Bemerkung  der 
Vorrede  zeigt,  'ne  opellam  meam  olim  in  his  carminibus  positam  praeclara 
sospitatorum  noviciorum  inventa  nimia  obruerent  oblivione'  (vgl.  Ribbeck, 
Antikrit.  Streifzüge,  Eh.  Mus.  L,  558  ff.). 

P.  Vergili  Maronis  opera  cum  appendice  in  us.  schol.  iterura 
rec.  Otto  Ribbeck.  Praemisit  de  vita  et  scriptis  poetae  narrationem 
Lips.  in  aed.  Teubneri  1895.  Zugleich  mit  der  großen  ist  auch  diese 
kleine  Ausgabe  in  neuer  Auflage  erschienen.  Auffällig  ist  die  hier  und 
da  sich  zeigende  Abweichung  der  beiden  voneinander,  die  keine  Erklärung 
findet,  als  daß  die  alte  Lesart  einfach  übernommen  ist.  Eine  größere 
Veränderung  zeigt  sich  in  der  vita,  iu  der  z.  B.  die  Deutung  von 
Ekloge  ly  auf  Pollios  Sohn  in  die  Anmerkung  verwiesen  ist.  Auch 
hier  ist  die  neuere  Litteratur  nachgetragen,  allerdings  meistens  so,  daß 
sie  abgelehnt  wird. 

Bei  der  Rezension  der  beiden  Ausgaben  von  Ribbeck  giebt 
Zingerle  Berl.  pliil.  Wochenschr.  1895  S.  616  und  1897  S.  9  einige 
Notizen  über  die  Innsbrucker  Handschrift  No.  48,  saec.  XIV,  die  am 
meisten  mit  c  (Bern.  184)  übereinstimmt. 

The  Aeneid  of  Virgil  books  I — VI,  edited  w'ith  intro- 
ductiou  and  notes  by  T.  E.  Page.  London  1894,  Macmillan  and  Co. 
Die  geschmackvolle  Ausgabe  legt  vor  allem  Gewicht  auf  die  Erklärung, 
weniger  auf  die  Textkritik.  Kurze  Angabe  über  Variauten  sind  nach 
Auswahl  unter  den  Text  gesetzt.  Die  nachgefügten  Anmerkungen  ent- 
halten nützliche  Hinweise  auf  Grammatisches,  Etymologisches,  sowie 
auf  Mythologie  und  Altertümer.  Daß  die  Erklärung  hier  und  da 
Zweifel    läßt ,    ist    selbstverständlich.      Nicht    klar    erscheint    sie    mir 

I  397/98  in  dem  schwierigen  Gleichnis  der  Schwäne:  'Die  Schwäne, 
■wie  sie  sich  niederlassen ,  spielen  mit  geräuschvollem  Flügelschlag, 
nachdem  sie  den  Himmel  im  Triumph  umkreist  haben  unter  Gesängen 
der  Freude."  Soll  danach  der  zweite  Vers  sich  auf  den  Zustand 
der  Schwäne  vor  dem  Augriff  des  Adlers  beziehen?  Oder  wir  müssen 
nach  der  Erklärung  annehmen,  daß  die  Schwäne,  nachdem  sie  ge- 
rettet sind,  sich  erst  noch  einmal  erheben,  um  dann  —  man  weiß 
nicht    weshalb  —  sich  wieder  zu  senken  und  auf  der  Erde  zu  spielen. 

II  74  stört  mich  das  Semikolon.  III  684  wird  m.  E.  richtig  ausgelegt: 
'Auf  der  anderen  Seite  warnen  die  Aufträge  des  Helenus:  zwischen 
Scylla  und  Charybdis  gehe  ein  Pfad,  nur  eine  Handbreit  vom  Tode  ent- 


152  Jahresbericht  über  Vergil  1892— 189(i.    (Helm.) 

fernt,  wenn  sie  den  rechten  Kurs  nicht  hielten.  Wir  beschlossen  zurück- 
zusegeln,  wo  wir  gekommen.  Da  aber  kam  uns  der  Nordwind  zu  Hülfe 
und  trieb  uns  aus  der  g-efährlichen  Gegend.'  Aen.  VI  gilt  auch  das 
Elysium  als  Reinigunirsstätte,  und  auch  Anchises  muß  wieder  ins  Leben 
zurückkehren.  —  Page  hat  auch  eine  handliche  Textausgabe  der  Buc, 
Georg,  und  Aneis  in  demselben  Verlage  1895  herausgegeben. 

P.  Vergilii  ]\[aronis  opera  omnia  rec.  T.  L.  Papillon, 
A.  M.  et  A.  E.  Haigh  Oxonii  e  prelo  Clarendon.  1895.  Der  Wert 
der  Ausgabe  besteht  darin,  daß  hier  von  E-.  Ellis  die  kleineren  Ge- 
dichte herausgegeben  sind,  die  eine  ßeihe  interessanter  Vorschläge  ent- 
halten, Culex  88  addunt  statt  adsunt.  5  doctumque  voces,  wofür  Owen 
in  seiner  Rezension  Class.  rev.  1895  vocet  vorschlägt.  37  memorabimus: 
haec  tibi  crescet  (nach  Silligs  Vorgang),  61  avidas  nimia  cuppedine 
mentes,  Ciris  180  ubi  non  rubor,  321  tenuis  patrio  praes  sit  suspensa 
capillo,  Catalept.  V  (VII)  3  Selique  nach  Cic.  acad.  prior.  II  4,  11, 
catal.  X  (VIII)  10  nequa  torridum,  VI  (XIV)  10  marraoreusque  tibi 
Caput  ignicolorius  alas  u.  a. 

ni.     Allgemeines  über  die  Werke. 
1.  Yergils  Knnst  in  Stilistik,  Versbau  und  Erfindang. 

Die  Kunst  Vergils  in  stilistischer  Hinsicht  behandeln  Hunziker, 
Die  Figur  der  Hyperbel  in  den  Gedichten  Vergils.  Berlin, 
Mayer  und  Müller,  1896,  und  Preuss,  Die  metaphorische  Kunst 
Vergils  in  der  Aneis.  Gymn.-Progr.  Graudenz  1894,  indem 
jener  die  Hyperbeln,  dieser  die  Metaphern  zum  Gegenstand  der  Beob- 
achtung macht.  Beide  Arbeiten  sind  als  Stoffsammlung  sehr  nützlich. 
Umfassender  und  anregender  ist  die  erste  Arbeit,  weil  sie  eine  Fülle 
von  Beispielen  auch  'aus  anderen  Dichtern    zum  Vergleiche  heranzieht. 

Die  Kunst  des  Dichters  in  der  Anwendung  von  Verglcichungen  be- 
spricht Thomson,  de  comparationibus  Vergilianis,  Lundae  1893, 
in  nicht  sehr  einwandfreiem  Latein.  Anzahl  und  Umfang  der  zur  Ver- 
deutlichung des  Geschilderten  herangezogenen  Bilder,  ihre  Quellen,  Art 
und  Form  werden  beleuchtet.  Den  größten  Raum  nimmt  die  Sonderung 
nach  grammatischen  Prinzipien,  nach  Tempus  und  Modus,  ein. 

Die  Vergleiche  selber  untersuchen  Baur*)  und  Ehwald.  Baur, 
Homer.  Gleichnisse  in  Vergils  Äneide.  Progr.  Freysing  1891, 
beschäftigt  sich  mit  den  Homerischen  Gleichnissen  in  den  ersten  acht 
Büchern  der  Äneis,    weil  gerade   hier    zu    einer  Gegenüberstellung  der 


*)  Da   die    1891    erschienene   Arbeit   im   vorigen  Bericht   nicht  be- 
sprochen ist,  so  sei  es  hier  nachgeholt. 


Jabresbericht  über  Vergil  1S92— 1896.    (Helm.)  153 

beiden  Dichter  herausgefordert  wird.  Er  will  der  Geringschfltzung  des 
Römers,  die  der  früheren  Überschätzung  gefolgt  ist,  entgegentreten. 
Vergil  steht  zwar  oft  hinter  Homer  zurück  an  Frische  und  Lebendig- 
keit, aber  er  bemüht  sich,  das  Bild  mit  dem  Verglichenen  möglichst  in 
Übereinstimmung  zu  bringen.  Äußerlich  fällt  die  freiere  Anfügung 
der  Gleichnisse  bei  Vergil  auf;  oft  führt  er  den  Vergleich  allein  mit 
einem  'so'  ein;  auch  die  bei  Homer  geläufige  Zurückführung  zur  Er- 
zählung durch  ein  5?  fehlt. 

Auf  eine  interessante  Eigentümlichkeit  bei  den  Vergleichen  macht 
Ehwald  Philolog.  LIH  S.  729—744  aufmerksam,  die  Vergil  ebenso 
besitzt  wie  die  alexandrinischen  Dichter.  Benutzt  er  eine  anderswo 
gegebene,  ihm  nachahmenswert  scheinende  Situation  und  macht  sie  für 
sein  Epos  zurecht,  so  schwebt  ihm  das  Vorbild  in  Gedanken  so  sehr 
vor,  absichtlich  oder  unabsichtlich,  daß  sich  ihm  die  verwendete  Scene 
als  Vergleich  aufdrängt.  So  wird  der  "Wettkampf  der  Schiffe  im  5.  Buch, 
der  den  homerischen  Spielen  des  23.  Buches  der  Ilias  nachgeahmt  ist, 
durch  die  Verse  144 — 148,  die  den  Vergleich  des  Wagenkampfes  ent- 
halten, zu  den  vorbildlichen  Versen  in  Beziehung  gebracht.  Die  Er- 
zählung der  Camilla  ist  nach  dem  angeführten  Vergleich  mit  der  Pen- 
thesilea  vielleicht  auf  des  Arktinos  Aithiopis  zurückzuführen  (cf.  Knaack 
Rh.  M.  XLIX  526 — 531,  der  Camilla  und  Harpalyke  gegenüberstellt). 
Der  Tod  des  Turnus  ist,  wie  X  471  zeigt,  nach  Sarpedons  Fall  II.  XVI 
gedichtet.  Die  Qual  und  Raserei  der  unglücklichen  Dido  hätte  nach 
IV  469  in  des  Pacuvius  Pentheus  ihr  litterarisches  Vorbild.  Außer- 
ordentlich scharfsinnig  glaubt  E.  auch  in  der  Laokoonepisode  mit  Hülfe 
des  pompejanischen  Wandgemäldes  den  Einfluß  Euphorions  zu  erkennen, 
den  ja  Servius  oft  nennt.  Das  Bild  kann  wegen  mehrerer  Verschieden- 
heiten nicht  nach  Vergils  Schilderung  gemacht  sein;  dann  ist  sein  Vor- 
bild ein  Alexandriner  gewesen,  etwa  Euphorion.  Man  könnte  den  auf 
dem  Bilde  etwas  unmotiviert  dahinstürmenden  Stier  erklären,  wenn 
das  Bild  aus  zwei  Scenen  der  Dichter  zusammengezogen  ist,  der  Unter- 
brechung des  Opfers  und  dem  Untergang  Laokoons.  Von  der  ersten 
Scene  hätte  Vergil  dann  den  Vergleich  II  223 — 224  übernommen.  Zwei 
andere  Beispiele  zeigen  den  Vergleich,  wo  durch  ihn  ein  Hinweis  zur 
richtigen  Interpretation  und  zum  vollen  Verständnis  der  vom  Dichter 
gewählten  Einkleidung  seiner  Erzählung  geboten  wird.  VI  205  ff. 
wird  der  goldene  Zweig,  der  den  Eingang  zur  Unterwelt  verschafft, 
mit  dem  Mistelzweig  verglichen,  und  bei  dem  ludus  Troiae  wird  V,  588 
das  Labyrinth  zur  Erklärung  herangezogen,  weil  der  Tummelplatz  für 
das  Spiel  in  seiner  Anlage  mit  dem  Labyrinth  gleich  ist.  Die  Beob- 
achtung ist  zweifellos  richtig;  nur  darf  man  nicht  aus  jedem  Gleichnis 
auf  eine  Quelle  des  Dichters  schließen  wollen. 


154  Jahresbericht  über  Vergil  1802— 1S0r>.    (Helm.) 

Vou  der  Verskunst  des  Vergil  handelt  B.  Gerathewohl,  Allitte- 
ration  tontragender  Silben  au  den  beiden  letzten  Arsen 
des  Hexameters  in  Vergils  Aneis  (Abhandl.  W.  v.  Christ  dar- 
gebracht 1892).  Er  stellt  mit  Beziehung  auf  den  Vortrag  in  der 
41.  Versammlung  deutscher  Philologen  die  Reime  des  5.  und  6.  Vers- 
fußes zusammen,  weil  sie  ihm  besonders  wirkungsvoll  erscheinen  (cf. 
magno  cum  murmure  montis).  Er  konstatiert  dabei  vier  Fälle:  1)  die 
erste  Vershälfte  hat  ebenfalls  ein-  oder  zweimal  denselben  ßeim,  2)  sie 
hat  einen  eigenen  ßeim  für  sich  oder  reimt  mit  der  zweiten  noch 
durch  einen  besonderen  Reim,  3)  sie  reimt  mit  der  zweiten  des  vorher- 
gehenden Verses,  4)  sie  entbehrt  des  Stabreims.  Als  Reim  wird  nur 
der  gleiche  Anlaut  tontragender  Silben  anerkannt,  sei  es,  daß  der  Wort- 
ton oder  der  Verston  auf  ihnen  liegt. 

Die  wirklichen  Reime  in  der  Aneis  sammelt  Johnstone  Class. 
rev.  1896  S.  9  — 13.  Er  findet  16  Reimpaare,  nicht  gerechnet  ein 
halbes  Dutzend,  bei  denen  dasselbe  Wort  am  Ende  steht;  außerdem 
giebt  es  eine  Anzahl  durch  Assonanz  verbundener  Verse.  Die  Reime 
werden  gebildet  durch  die  dritten  Personen  eines  Imperfekts,  den  Aus- 
laut -entem  oder  -entum,  einmal  durch  -ator,  einmal  durch  die 
Namen  Labici,  Xumici:  sie  stehen  in  dreisilbigen  Schlußwörtern.  J. 
mißt  all  diesen  Fällen  eine  besondere  Wirkung  bei,  die,  wie  ich  glaube, 
mancher  nicht  mit  ihm  empfinden  wird. 

Inhaltlich  beschäftigen  sich  mit  der  dichterischen  Begabung  Vergils 
B.  Rebelliau,  H.  de  la  Ville  de  Mirmout,  Cartaalt  und  L.  Parazzi, 
wie  überhaupt  bei  Franzosen  und  Italienern  die  ästhetische  Betrachtung 
des  römischen  Xationalepos  sehr  in  Blüte  steht.  Parazzi,  Virgilio 
e  il  patetico  di  moralitä  (Atti  della  R.  Accademia  Virgiliana  Man- 
tova  Biennio  1893—1894.)  liefert  die  allgemeinsten  Beobachtungen;  er 
sieht  in  der  Aneis  richtig  in  geistreicher  Auffassung  die  wirklich  tragischen 
Züge  und  findet  so  einen  reichen  etlüschen  Gehalt.  Tragisch  ist  die 
Gestalt  der  Dido  und  tragisch  das  Leid,  das  Aueas  über  sich  selber 
durch  seine  Treulosigkeit  heraufbeschwört,  bis  er  durch  Heldenmut  und 
Vaterlandsliebe  geläutert  ist.  Rebelliau,  deVergilio  in  informandis 
muliebribus  personis  auctore,  Paris  1892,  hat  sich  besonders  die 
weiblichen  Charaktere  herausgenommen,  um  an  ihnen  das  Talent  Vergils 
nachzuweisen,  da  die  vielfache  Behandlung  des  Dichters  in  letzter  Zeit 
eher  zu  seiner  Verkleinerung  beii,'etragen  hat.  Es  wird  gezeigt,  daß 
der  Dichter  bei  der  Gestaltung  der  Frauen,  die  in  der  Aneis  auftreten, 
durchaus  schöpferisch  verfuhr;  dazu  werden  die  Quellen  aufgesucht,  die 
ihm  vielleicht  zu  seiner  Verfügung  standen.  Dido,  auch  Andromache 
gehen  jedenfalls  weit  über  die  etwa  in  der  Litteratur  zu  Gebote 
stehenden  Vorbilder  hinaus.     Auch    bei    den  Nebenpersonen    zeigt  der 


I 


Jahresbericht  über  Vergil  l.S;i2— IS'JG.    (Helm.)  155 

Dichter  seine  geniale  Begabung  noch  reichlich;  Anna,  Aniata,  Camilla 
sind  keine  blutlosen  Figuren',  sondern  lebendige,  wahrheitsgetreu  dar- 
gestellte Jlenschen. 

Einen  außerordentlich  interessanten  Vergleich  mit  Apolionios 
von  Ehodos  bringt  die  geistreiche  Abhandlung  von  de  la  Yille  de 
Mirniont,  Apolionios  de  ßhodes  et  Virgile.  Annales  da  la 
faculte  des  Lettres,  Bordeaux  1894.  Scaliger  hatte  in  seiner  1561  er- 
schienenen Poetik  die  dichterischen  Verdienste  Vergils  in  einer  sehr 
oberflächlichen  Yergleichuug  weit  über  die  des  alexandrinischeu  Dichters 
gestellt,  Hoelzlin  (Apollon.  Rhodii  Argouauticor.  libri  IV  in  lat.  conversi 
Lugd.  Bat.  1641)  ihm  energisch  widersprochen  und  die  Vorzüge  der 
Argonautika  hervorgehoben,  ohne  deren  Vorhandensein  die  Aneis  nicht 
sein  würde,  was  sie  jetzt  ist;  seitdem  hat  sich  der  Streit  immer  wieder 
erhoben.  Vergils  Hauptverdienst,  so  wird  ausgeführt,  ist  zweifellos, 
daß  sein  Epos  ein  Natioualepos  war,  das  dem  Volke  ebensowohl  ein 
Abbild  seines  ganzen  Lebens  zeigte,  wie  den  Vornehmen  ein  Blatt  des 
Ruhmes  darbot,  auf  das  sich  die  Geschlechter  nicht  weniger  berufen 
konnten  als  die  Griechen  auf  den  Schilfskatalog.  Selbst  ein  religiöses 
Werk  war  es,  das  den  ganzen  Glauben  der  Römer  enthielt  und  mit  der 
Verehrung  der  Penaten  das  hervorhob,  was  jedem  vaterlandsliebenden 
Römer  ein  heiliges  Gut  war.  Vergil  hatte  den  genialen  Einfall,  Ge- 
schichte und  Legende  zu  vereinen.  Apolionios  dagegen  entbehrt  des 
patriotischen  und  religiösen  Gefühls;  sein  Werk  ist  eine  Eucyklopädie  der 
Gelehrsamkeit  ohne  jede  Einheit  und  sein  Vorzug  nur  das  lyrische 
Element,  das  er  in  das  homerische  Epos  mischt.  Vergil  fand  den  ge- 
eigneten Stoff  zu  einem  nationalen  und  religiösen  Epos ,  er  konnte  die 
mythologische  Gelehrsamkeit  seines  Vorgängers  benutzen  und  alle  die 
Quellen  alexandrinischer  Kunst  verwerten,  ohne  ihre  Richtung  zu 
seinem  eigensten  Ziel  zu  machen.  Das  gab  seinem  Werke  die  Be- 
deutung. 

Cartault,  vues  d'ensemble  sur  TEneide,  Revue  internationale 
de  l'enseignement  1896  S.  1—20,  betrachtet  die  Äneis  von  einigen 
allgemeineren  Gesichtspunkten.  •  Er  findet  darin  sämtliche  epischen  Motive 
verwertet,  aber  neu  bearbeitet  und  so  zusammengefügt,  daß  der  Ge- 
danke der  Einheit  nicht  über  den  Teilen  vergessen  ist.  Dieser 
herrschende  Gedanke  ist  die  künftige  Größe  Roms,  deren  Offenbarung 
alle  Bücher  durchzieht.  Andererseits  bildet  jedes  Buch  ein  Ganzes 
für  sich,  von  andern  durch  eine  möglichst  große  Abwechselung  im 
Stoff  geschieden.  Hervorragend  ist  das  rhetorische  Moment  in  der 
Aneis.  Die  Kunst,  die  Natur  zu  schildern ,  wird  wie  in  den  Georgika 
auch  hier  verwertet,  ohne  daß  sie  realistisch  würde;  immer  hat  die 
Beschreibung  der  Xatur  etwas  Romantisches.    In  den  Charakteren  und 


156  Jahresbericht  über  Vergil  IS92— 189G.    (Helm.) 

Handlungen  der  Aneis  zeigt  sich  eine  tiefe  Moral,  wie  sie  etwa  den 
philosophisch  gebildeten  Gemütern  der  Zeit  des  Dichters  eigen  war, 
während  die  Götter  verhältnismäßig  zurückstehen  an  moralischer  Ver- 
vollkommnung, weil  der  Dichter  bei  ihnen  an  die  Tradition  gebunden 
war.  Vor  allem  ist  die  Äneis  ein  Nationalepos ;  die  Griechen  werden 
überall  zurückgesetzt,  die  Troer  gelobt,  und  nicht  nur  sie,  sondern 
auch  die  alten  Einwohner  Italiens.  Die  römische  Geschichte  wird  hier 
und  da  gestreift:  die  fernste  Vergangenheit  und  die  nächste  Gegen- 
wart werden  durch  Ausblicke  beleuchtet.  Was  fehlt,  ist  ein  nationaler 
Held;  denn  Aneas  ist  ein  Gemisch  von  Odysseus  und  Achill,  daneben 
hat  er  ein  Stück  vom  modernen  Menschen,  aber  er  ist  keine  lebendige 
und  einheitliche  Persönlichkeit. 

*E,iforgiato,  la  natura  nelle  opere  di  Virgilio  Catania 
1895  ist  nach  Romizi  Bell,  di  fil.  class.  II  1895 — 1896  nicht  genügend 
mit  Ausführlichkeit,  mit  liebevoller  Sorgfalt  ausgestaltet  worden,  so  daß 
neue  Beobachtungen  fehlen.  Allgemeine  Urteile  sind  falsch  und  im 
einzelnen  mehrmals  Verseheu  vorhanden. 

2.  Realien  und  Sage  bei  Vergil.  / 

*E.  Stampini,  Alcune  osservazioni  sulla  leggenda  di 
Enea  e  Didone  nella  letteratura  Romana  Messina  1893  estratto  dall' 
annuario  deUa  ß.  Universitä  di  Messina  betrachtet  im  ersten  Teil  die 
Didoepisode  vom  poetischen  Standpunkt  aus  und  hebt  die  Schönheiten 
im  Gegensatz  zu  früheren  Darstellungen  ähnlicher  Stoffe  wie  CatuUs 
Ariadne  hervor.  Der  zweite  Teil  beschäftigt  sich  mit  der  Sage.  Die 
Sage  von  der  Besiedelung  Latiums  durch  Aneas  ist  jünger  als  die, 
nach  der  die  Gründung  der  ältesten  latinischen  Städte  durch  die  Söhne 
und  Begleiter  des  Odysseus  stattfand.  Erst  aus  politischen  Gründen 
wurde  sie  die  herrschende,  und  im  Jahre  204  fand  die  Wanderung 
aus  Troas  nach  Latium  durch  die  Einführung  des  Kultes  der  Magna 
Mater  von  Phrygien  nach  Rom  ihren  Abschluß.  Die  Aneassage  an  und 
für  sich  ist  in  den  ersten  Zeiten  der  Republik  nach  Rom  gelangt. 
(Berichtet  nach  Steuding,  Berl.  phil.  Wochenschr.  1894  Sp.  887.) 

Eine  Ehrenrettung  des  Aneas  gegenüber  modernen  Angriffen,  die 
ihn  schlaff  und  treulos  nennen,  versucht  Quadri  sull  Enea  Virgiliano 
Atti  della  R.  Accademia  Virgiliano  Mantova  1893  S.  149—66.  Er 
lobt  den  Helden,  in  dessen  Charakter  sich  des  Dichters  lautere  Ge- 
sinnung widerspiegelt.  Tapferkeit  darf  man  ihm  nicht  absprechen; 
allerdings  zeigt  sich  eine  gewisse  Schwäche  bei  ihm,  obwohl  die  be- 
ständige Mahnung  durch  Götter,  Traumbilder  und  Wahrsager  mehr 
den  Zweck  hat,  seine  Mission  als  von  den  Göttern  gewünscht  hinzu- 
stellen.    Aneas  ist  nicht  treulos;  Creusa  verliert  er  ohne  seine  Schuld 


Jahresbericht  über  Vergil  ISOl'— 18I)G.    (Helm.)  157 

und  müht  sich,  sie  zu  retten,  von  Dido  reißt  er  sich  nicht  ohne  tiefen 
Seelenschnierz  los.  Auch  ist  er  zu  entschuldigen,  wenn  er  in  Zornes- 
aufwalluug  die  acht  Jünglinge  den  Manen  des  gefallenen  Pallas  opfert; 
nicht  Hochmut  ist  es,  sondern  tröstendes  Mitgefülil,  wenn  er  dem  zum 
Tode  verwundeten  Lausus  zuruft:  Du  stirbst  durch  die  Rechte  des 
großen  Aneas.  Überhaupt  zeigt  er  in  allem  die  Kriegslust  der  Römer 
durch  eine  zarte  Menschlichkeit  gemildert.  Der  Krieg  ist  ihm  eine  un- 
abwendbare Notwendigkeit,  eine  Fügung  der  Götter.  Er  liebt  Gesetz- 
lichkeit und  Frieden.  Noch  vor  dem  Zweikampf  mit  Turnus  vei'sichert 
er,  daß  ihn  nicht  Eroberungsgelüste  treiben.  Als  Beispiele  aus  der 
Geschichte  führt  der  Verf.  zum  Vergleich  Kaiser  Wilhelm  I.  und 
Moltke  an,  die  zwar  Großes  im  Kriege  gethau,  aber  ihn  doch  verab- 
scheut haben. 

Die  Realien  in  Virgils  Aneis  sammelt  F.  Kunz,  Progr. 
des  Gymn.  Wiener-Neustadt  1894  und  95.  Der  erste  Teil  be- 
handelt Kriegswesen  und  Privatleben,  der  zweite  die  Sakralaltertüraer. 
Sorg-fältig  werden  die  Stellen  zusammengetragen,  in  denen  Vergil  in 
irgend  einer  Weise  die  Altertümer  der  Zeit  des  Aneas  schildert.  Ob 
aber  die  Sorgfalt  dem  Nutzen  entspricht,  den  die  Arbeit  bringt? 
Illustrationen  konnte  sie  wegen  der  dadurch  entstehenden  Verteuerung 
nicht  geben.  Weitergehende  Fragen ,  wie  die,  was  Vergil  aus 
römischen  und  zeitgenössischen  Verhältnissen  in  die  fleroenzeit  hinein- 
getragen, werden  zwar  behandelt,  aber  nicht  eingehend  zusammenge- 
stellt.    Als  Materialsammlung  ist  die  Ai'beit  brauchbar. 

Einen  Teil  der  Realien,  nämlich  den  auf  das  Seewesen  bezüg- 
lichen, bespricht  J.  Segebade,  Vergil  als  Seemann,  Progr.  d. 
Großherzogl.  Gymn.  zu  Oldenburg  1895.  Was  an  textkritischeu 
Fragen  behandelt  wird,  ist  ohne  weiteren  Nutzen;  so  wird  'urbis  opus' 
Aen.  V  119  falsch  erklärt,  und  der  Vers  für  unecht  gehalten,  III  648 
sehr  mangelhaft  behandelt.  Für  das  Verständnis  der  seemännischen 
Ausdrücke  aber  ist  die  Sammlung  durchaus  brauchbar. 

Büdinger,  Die  römischen  Spiele  und  der  Patriciat, 
Sitz.-Ber.  der  phil.-hist.  Klasse  der  Kais.  Akademie  der  Wissensch. 
zu  Wien  Bd.  123,  S.  28—37  bespricht  das  Aneis  V  erwähnte  Troja- 
spiel  und  liefert  eine  eingehende  Schilderung,  wobei  das  Versehen  ge- 
macht ist,  daß  den  Knaben  aus  dem  Vers  556  tonsä  comä  pressa 
Corona  ein  kurzer  Haarschnitt  zugeschrieben  ist.  Sehr  nützlich  ist  die 
Ergänzung  von  Benndorf  S.  47 — 55  über  einen  bei  Tragliatella  ge- 
fundenen Thonkrug,  der  zwei  Reiter  zeigt,  die  aus  einer  großen 
Ornamentfigur  herauszukommen  scheinen.  An  den  Windungen  dieser 
steht  truia.  Die  Figur  stellt  ein  Labyrinth  dar.  Das  Trojaspiel  ist 
danach  sicher  altitalisch;    der  Naräe  wird  von  truare  abgeleitet.    Truia 


158  Jahresbericht  über  Vergil  1892  —  1896.    (Helm.) 

bezeichnet  also  den  Tummelplatz;  erst  später  hat  man  es  mit  Troia  in 
Verbindung  gesetzt. 

Die  Mythologie  Vergils  im  Verhältnis  zu  Apollonius  von  Rhodos 
wird  einer  sehr  gründlichen  Untersuchung  unterworfen  von  H.  de  la 
Ville  deMirmont,  La  raythologie  et  les  dieux  dans  les  Argo- 
nautiques  et  dansl'Eneide.  Paris  1894,  Hat  Vergil  seine  Kennt- 
nis der  griechischen  Mythologie  besonders  aus  alexandrinischen  Quellen 
geschöpft?  Das  ist  das  Thema.  Eine  Gegenüberstellung  der  einzelnen  Ge- 
biete der  Mythologie,  wie  sie  bei  Vergilius  und  bei  Apollonius  behandelt 
werden,  zeigt,  daß  in  Vergils  mythologischen  Anschauungen  manches  ist,  was 
aus  Homer  nicht  geschöpft  werden  konnte.  Er  entnimmt  sein  Wissen  aus 
Apollonius,  aber  er  läßt  alle  gesuchte  Gelehrsamkeit  fort,  und  was  bei 
Apollonius  Selbstzweck  ist,  wird  bei  ihm  nur  ein  Mittel  der  Darstellung. 
Er  folgt  bei  der  Angabe  religiöser  Gebräuche  wie  bei  der  Gleich- 
setzung verschiedener  Göttergestalten  den  Anschauungen  seiner  Zeit, 
und  dadurch  entsteht  manche  Verwechselung.  Das  vortreffliche  Buch 
würde  weit  nützlicher  sein ,  wenn  es  küi'zer  und  weniger  weit- 
schweifig wäre. 

Von  Boissier,  Nouvelles  promenades  archeologiques. 
Horace  et  Virgile,  ist  1895  die  3.  Auflage  erschienen,  1896  ist 
das  Buch  von  Fisher  ins  Englische  übersetzt  worden.  *)  Wie  weit  sich 
etwa  die  neue  Auflage  von  der  ersten  1886  erschienenen  unterscheidet, 
kann  ich  nicht  sagen,  da  ich  sie  nicht  erhalten  habe.  Von  Belang  für 
die  Vergilstudien  ist  der  dritte  Teil,  der  die  Äneis  und  eine  Reihe 
von  Fragen  darüber  behandelt.  Das,  wie  sich  bei  einem  Franzosen 
von  selbst  versteht,  geistreiche  Buch  bespricht  zuerst  die  Aneassage. 
Es  ist  eigentümlich,  daß  Homer  in  gewisser  Weise  dem  kommenden 
Sänger  des  Aneas  vorgearbeitet  hat,  indem  er  große  Erwartungen  in- 
bezug  auf  diesen  Helden  erweckt  und  ihm  alles  Lob  zukommen  läßt, 
ohne  daß  er  doch  wirklich  besondere  Thaten  ausführte.  II.  XX  300 
wird  Äneas  der  zukünftige  Herrscher  der  Troer  genannt.  Da  solche 
Weissagungen  post  eventum  zu  geschehen  pflegen,  ist  es  wahrscheinlich, 
daß  schon  zur  Zeit  der  Abfassung  dieser  Verse  ein  kleines  Volk  be- 
hauptete, von  den  Troern  zu  stammen,  und  seine  Fürsten,  Enkel  des 
Äneas  zu  sein,  auf  die  der  Dichter  Rücksicht  nehmen  wollte.  Auch 
der  Charakter  des  Äneas  ist  bei  Homer  schon  festgelegt,  indem  ihm 
außerTapferkeit  besonders  Weisheit  und  Gottesfurcht  (cf.  II.  XX  269) 
zugeschrieben    werden.     Das    sind    die    Anfänge    der   Sage.     Natürlich 


*j  La  das  Buch  in  dem  Jahresbericht  18S9  nicht  seinem  Werte  ent- 
sprechend behandelt  ist,  sei  es  bei  dieser  Gelegenheit  gestattet,  den  Inhalt 
kurz  zu  referieren. 


Jahresbericht  über  Vergil  18'J2-18üG.   (Helm.)  159 

konnte  mau  den  Helden  nicht  in  den  Wäldern  des  Ida  lassen,  und  so 
erdichtete  man  ihm  Irrfahrten.  Hier  ist  eine  Lücke.  Wie  kamen  die 
Griechen  dazu,  einen  Troer  zum  Gegenstand  ihrer  Phantasie  zu  machen? 
Vermutlich  trug  dazu  bei  der  Kult  der  'Acppoöi-rj  Aiver/;,  deren  Bei- 
name dunkel  ist.  Eine  zweite  Lücke  zeigt  sich,  wenn  man  fragt,  wie 
kamen  die  Römer  dazu,  die  griechische  Sage  sich  anzueignen.  Nie- 
buhrs  Hypothese,  die  Latiner  seien  Pelasger  wie  die  Troer  u.  a.,  hätten 
sich  nie  aus  dem  Gesicht  verloren  und  in  Samothrake  Mysterien  zu- 
sammen gefeiert,  daher  auch  die  Nationalsage  übernommen,  ist  für  das 
unbekannte  kleine  Völkchen  in  Latium  unwahrscheinlich.  Bemerkens- 
wert ist,  daß  die  Aufnahme  der  Aneassage  kein  Hindernis  fand;  sie 
verdrängte  die  Lokalsage  von  Romulus  nicht,  sondern  füllte  die  ältere 
Zeit  aus;  da  die  Gründung  Roms  festgelegt  war,  wurde  sie  auf  die 
Buudesstadt  Lavinium  übertragen,  die,  als  Centrum  von  mehreren 
Städten  gegründet,  keine  Grüudungssage  hatte.  So  konnte  die  Aneas- 
sage eindringen,  als  die  griechische  Gedankenwelt  in  Latium  Einzug 
hielt,  sicherlich  seit  Livius  Andronicus.  Schon  zu  Pyrrhus'  Zeit  muß 
sie  bekannt  gewesen  sein;  denn  Pyrrhus  erklärte  den  Römern  den  Krieg 
in  Erinnerung  an  seinen  Ahnherrn  Achill.  Als  472  die  Acarnauier 
die  Römer  um  Hülfe  baten,  beriefen  sie  sich  darauf,  daß  sie  allein 
nicht  gegen  Troja  gekämpft  hätten.  Seitdem  verbreitete  sich  die  Sage 
mehr  und  mehr.  Naevius  beginnt  mit  den  Troern.  Die  Verbindung 
des  Aneas  mit  Dido  wird  vielleicht  dem  Verkehr  von  Römern  und 
Phöuiziern  auf  Sicilien  verdankt;  dann  ließ  man  den  Haß  zwischen  den 
Völkern  bis  zu  den  Ahnen  zurückgehen.  Vielleicht  that  das  Naevius. 
Auch  Enuius  begann  mit  dem  Fall  Trojas,  Endlich  kam  die  Sage  in 
die  Hände  der  Grammatiker.  Die  Aufnahme  der  griechischen  Sage 
nahm  zu,  als  die  Römer  sich  bemühten,  den  Namen  der  Barbaren,  den 
sie  von  den  Griechen  erhielten,  los  zu  werden.  So  suchten  sie  ihre 
Abstammung  auf  die  Troer  zurückzuführen.  Daß  Vergil  die  Aneas- 
sage wählte  und  so  auf  glückliche  Weise  das  mythologische  mit  dem 
historischen  Epos  verschmolz,  lag  daran,  daß  der  Dichter  die  Achtung 
vor  den  älteren  lateinischen  Dichtern  mit  der  Begeisterung  für  griechische, 
besonders  alexaudrinische  Poesie  und  Gelehrsamkeit  verband.  Ein 
Hauptgrund  aber,  Aneas  und  nicht  Romulus  zu  besingen,  mußte  für  ihn 
sein,  daß  die  Julier  ihr  Geschlecht  auf  den  Sohu  des  Aneas  zurück- 
führten. 

Die  anderen  Teile  der  Abhandlung  folgen  dem  Aneas  auf  seiner 
Wanderung  und  bieten  meist  archäologische  und  historische  Bemerkungen 
über  die  in  der  Äneis  erwähnten  Plätze. 

A.  Förstemann,  Zur  Geschichte  des  Aneasmythus. 
Litteraturgeschichtl.    Studien.     Magdeburg    Creutzsche    Verlags- 


ir^O  Jahresbericht  über  Vergil  1S92— 189G.    (Helm.) 

buchhdlg.  1894,  verfolgt  in  sorgfältiger  "Weise  die  Entwickelung  der 
Aneassage  in  der  griechischen  und  römischen  Litteratur.  Etwas  tlber- 
sichtlichkeit  fehlt  der  Arbeit,  da  keine  Abschnitte  zusammengefaßt 
sind,  sondern  das  Ganze  sich  ohne  Unterbrecliung  fortsetzt.  Im 
einzelnen  wird  jeder  Schriftsteller  herangezogen,  der  als  Dichter  oder 
als  Historiker  und  Antiquar  eine  Nachricht  über  Äneas  und  den  Troer- 
zug gebracht  hat,  und  so  werden  die  einzelnen  Bausteine  zur  Sage 
bis  auf  Yergil  zusammengetragen.  Von  Homer,  bei  dem  die  Ausnahme- 
stellung des  Aneas  schon  vorbereitet  ist,  und  den  Kyklikeru  bis  zu 
Lykophrou.  von  Fabius  Pictor  bis  Cato  und  Varro  wird  sorgfältig  alles 
gesichtet,  so  daß  hier  alles  Material,  das  dem  Dichter  der  Aneis  vorlag, 
in  gedrängter  Darstellung  beisammen  ist.  In  gewisser  Weise  wird  so 
auch  die  Frage  nach  den  Quellen  Vergils  behandelt,  wenngleich  eine 
zusammenfassende  Ausführung  darüber  fehlt,  wie  Vergil  die  ihm  zu 
Gebote  stehenden  Einzelheiten  benutzt  und  was  er  als  Dichter  daraus 
gemacht  hat;  aber  wir  hören,  woher  etwa  die  Vereinigung  des  Aneas 
mit  Euander,  woher  die  mit  Dido  geschöpft  werden  konnte. 

3.    Quellen. 

Für  einige  Verse  des  Vergil  (Äu.  I  337,  336,  320,  vielleicht 
auch  IV  132)  weist  K.  Schenkl,  Wien.  Stud.  1894  S.  195  auf  die 
Anklänge  in  den  von  Terentianus  Maurus  1931  ff,  aus  der  Ino  des 
Livius  Andronicus  angeführten  Versen  hin.  Er  vermutet,  daß  sie  von 
einem  jüngeren  Tragiker  in  einen  Chorgesang  von  Nymphen  zu  einer 
Wiederaufführung  eingeschoben  sind  und  Vergil  sie  benutzt  habe. 
Varros  antiquitates  als  Quelle  s.S. 174.  Orphisch-pythagoreische 
Quellen  s.  S.  175.  Jüdische  Quellen  s.  S.  167,  177. 

Als  Vorbild  für  die  Camilla  zeigt  Knaack,  Rhein.  Mus.  XLIX 
S.  526 — 31,  die  der  Harpalyke,  die  er  im  Anschluß  an  Crusius  bei 
Röscher  Lex.  I  1835 — 1841  zum  Gegenstand  der  Untersuchung  macht. 

E.  Oder,  Anecdota  Cantabrigiensia,  Progr,  des  Friedrich- 
Werderschen  Gymn.  zu  Berlin  1896  S.  14  ff.  zeigt,  daß  Vergil  Georg. 
ni,  79  ff.  nicht  von  Varro  abhängig  ist,  sondern  von  griechischen 
Quellen. 

Das  Verhältnis  Vergils  zu  den  rhodischen  Künstlern  der  Laokoon- 
gruppe  bespricht  \vieder  Loewy  Serta  Harteliana  S.  44—49.  Er 
wendet  sich  gegen  die  Auffassung  Kekules  und  Foersters,  daß  der 
Dichter  die  Gruppe  gekannt  und  litterarisch  nachgebildet  habe,  ob- 
wohl er  sie  auch  für  älter  hält  als  Vergil  Dieser  läßt  die  Kinder 
zuerst,  dann  den  Vater  getötet  werden;  und  nicht  nur  in  Kleidung 
und  Waffen,  sondern  auch  in  gleichgültigen  Details  wie  der  Art  der 
Umschlingung  weicht  er  ab.    Ist  diese  Ansicht  richtig,  dann  muß  auch 


Jahresbericht  über  Vergil   18!i2— LS'.m;.    (Helm.)  ](;i 

die  Version  der  Sage,    die  Laokoon  und  beide  Söhue  zugleich  sterben 
läßt,  schon  vor  Vergil  vorhanden  gewesen  sein. 

4.    Sprachliches. 

Zu  Woelfflin  Archiv  f.  lat.  Lexikogr.  II,  11  giebt  Ehwald  einen 
Nachtrag,  Archiv  f.  1.  L.  IX  305.  Negiertes  nequiquam  tindet  sich 
bei  Verg.  auUer  An.  VIII  370  noch  VI  118,  wo  die  Negation  nicht 
zum  ganzen  Satz  zu  ziehen  ist. 

Über  die  bei  Vergil  ziemlich  häufige  Figur  des  Hysteron-proteron 
äußert  sich  Page,  Class.  rev.  1895  S.  204.  Er  leugnet  die  Richtig- 
keit der  herkömmlichen  Auffassung,  daß  dabei  das,  was  der  Zeit  nach 
zuerst  kommt,  zuletzt  erwähnt  wird,  weil  sie  dem  Schriftsteller  etwas 
Unlogisches  zumutet.  Nach  ihm  ist  das  Wesentliche,  daß  die  Dichter 
an  die  Hauptsache,  die  natürlich  zuerst  kommt,  eine  erklärende 
Handlung  durch  'que',  manchmal  auch  'et'  anschließen.  Der  ange- 
hängte Satz  vertritt  also  logisch  einen  Nebensatz  und  läßt  sich  mit 
'indem' ,  'dadurch  daß'  u.  s.  w.  unterordnen.  Die  ganze  Betrachtung 
geht  aus  von  An.  II  353:  'moriamur  et  in  media  arma  ruamus.' 

Platt,  On  a  Virgiliau  idiom.  Journ.  of  phil.  XXIV  (1896) 
S.  46  f.  führt  die  bei  Vergil  und  Properz  geläufige  Ausdrucksweise, 
nach  der  nach  voraufgegangenem  'et'  und  'que'  anstatt  der  Partikel 
das  Verbum  oder  Nomen  wiederholt  wird  (cf.  Conington  zu  ecl.  IV  6), 
wie  in  'iam  redit  et  virgo ,  redeunt  Saturnia  regna" ,  auf  griechisches 
Vorbild  zurück;  als  Beispiel  dafür  wird  Soph.  Antig.  673  beigebracht, 
wo  auf  das  au-Xj  -oXsi«  x  oXXuaiv  kein  y.aX  folgt,  sondern  das  autr), 
allerdings  vertreten  durch  tjoe,  wiederholt  wii'd. 

"Wölfflin,  Archiv  für  lat.  Lexikographie  und  Grammatik 
X  S.  286  macht  darauf  aufmerksam,  daß  das  bei  Ennius  bezeugte  eques 
für  equus  auch  Verg.  Georg.  III  116  sich  tiude,  wo  schon  die  Erklärung 
im  Serviuskommentar  neben  der  anderen  vorliegt;  es  handelt  sich  um 
die  Geschichte  der  Pferdedressur,  nicht  der  Reitkunst.  Ein  paar 
andere  Belege  für  diese-  Verwenduug  von  eques,  die  vielleicht  vulgär 
ist.  werden  noch  hinzugefügt. 

5     Das  Fortleben  Vergils. 

D.  Comparettis  Virgilio  nel  medio  evo  ist  zu  Florenz 
1896  in  zweiter  Auflage  erschienen.  Das  bekannte,  ausgezeichnete 
Werk  hat  sich  in  den  23  Jahren  seit  seiner  Veröffentlichung  auch  im 
Ausland  mehr  und  mehr  eiugebürgert;  außer  der  deutschen  ist  auch 
eine  englische  Übersetzung  von  Benecke  verfaßt  worden.  Wie  der 
Verf.  in  der  Vorrede  mit  Genugthuung  bemerkt,  ist  das  Buch  mit 
Ausnahme  weniger  kleiner  Verbesserungen  unverändert  geblieben.  Der 
Jfthresböricbt  lür  Altertumswissenschaft.    Bd.  LXXXXVII.  (1090.  II.)  1 1 


162  Jahresbericht  über  Vergil  1S;»2— 18!)«.     (Helm.) 

ueueren  Litteratur  ist  Kechnung  getragen.  Nur  Kapitel  1—3  des 
2.  Bandes  sind  etwas  umgearbeitet,  nicht  weil  der  Verf.  seine  An- 
schauungen geändert,  sondern  weil  ihn  die  Rezensionen  bew^ogea  haben, 
seine  Ansichten  noch  klarer  und  deutlicher  zu  formulieren,  um  Miß- 
verständnissen vorzubeugen.  Für  den  Inhalt  sei  auf  den  Bericht  von 
Bursiau  1874—1875  II  S.  8  verwiesen. 

Den  Einfluß  Vergils  auf  seine  Zeit  und  die  folgenden  Jahr- 
hunderte betrachtet  Val mag gi,  II  Virgilianismo  nella  letteratura 
ßomana  Torino  Loescher  1890.  Die  litterarhistorische  Studie  sucht 
die  Gründe  aufzufinden,  die  Vergil  bei  der  Nachwelt  seine  Stellung 
gaben,  so  daß  die  ganze  folgende  epische  Poesie  und  nicht  sie  allein 
durch  ihn  beeinflußt  wurde.  Sie  macht  mit  Recht  auf  den  Unterschied 
der  Imitation  bei  den  Alten  und  bei  uns  aufmerksam ;  bei  jenen  war  es 
keine  Schande,  im  Gegenteil  eine  Notwendigkeit,  sich  ein  Vorbild  auf- 
zustellen ,  dem  die  ganze  Schule  möglichst  getreu  nachging  und  den 
sie  nachzubilden  suchte.  Der  Einfluß  Vergils  reicht  aber  auch  in  die 
Prosa  der  folgenden  Zeit.  Das  liegt  an  der  Autorität,  die  seine  Ge- 
lehrsamkeit ausübt,  und  an  seiner  Bedeutung  für  die  Schule;  er  gilt 
als  Muster  in  der  Grammatik,  er  ist  ein  Vorbild  der  Rhetorik,  weil 
er  das  Haupt  der  jüngeren  Dichterschule  wird,  die  den  Alexandrinern 
nacheifert.  Ein  bedeutender  Faktor  ist  ferner  die  Popularität,  die  der 
Dichter  durch  sein  Epos  als  Nationalepos  genießt,  und  die  angesehene 
Stellung,  die  er  bei  den  Vornehmen  Roms  einnahm.  So  zeigt  sich 
seine  Wirkung  aufs  Volk  darin,  daß  er  vielfach  citiert  wird  und  seine 
Verse  geflügelte  Worte  geworden  sind.  Die  Reaktion,  die  Carvilius 
Pictor,  Herennius  u.  a.  herbeizuführen  suchten,  trug  schließlich  auch 
nur  zu  einer  um  so  größeren  Begeisterung  für  den  Dichter  und  einer 
Vermehrung  seines  Einflusses  bei. 

Belege  für  den  Einfluß  Vergils,  wie  er  sich  in  Citaten  zeigt, 
bieten  Walters  Class.  rev.  1894  S.  250  f.  (s,  ecl.  IV  und  Georg.) 
aus  Symmachus,  Hosius,  Rh.  Mus.  L  S.  286—300  aus  den  Inschriften 
der  Buechelerschen  Ausgabe,  auf  denen  Vergil  die  Hauptmasse  der 
Entlehnungen  und  Anklänge  geliefert  hat.  Daß  Ambrosius  Vergil  vor 
Augen  hatte  (s.  zu  VI,  601  ff.),  bemerkt  K.  Scheukl,  Wiener  Stud. 
XVI  336  f.  Für  Petrons  Troiae  alosis  sucht  Ehwald,  Philolog.  LIV 
377  ff.  außer  Vergil  noch  die  Verwendung  eines  mythologischen  Hand- 
buches nachzuweisen. 

Auf  die  Benutzung  des  Vergil  durch  Quintus  Smyrnaeus  macht 
Noack,  Gott.  Gel.  Anzeig.  1892  S.  795  ff.  aufmerksam  bei  der  Be- 
sprechung von  F.  Kemptzow  de  Quinti  Smyrnaei  fontibus  ac  mythopoeia. 
Quintus  hat  Einzelheiten  aus  der  Aneis  verwandt,  so  daß  selbst  im 
Ausdruck  gewisse  Übereinstimmungen  sich  finden. 


Jalucsbcricbt  über  Vergil  1S'.>2— In!)*!.    (Helm.)  163 

Als  Quelle  für  Tertullian  zeigt  ims  den  Vergil  Noeldecbeu, 
Philologus  Supplemeiitbd.  VI  S.  739  f.,  indem  er  sowohl  aus  den 
Georgica  wie  aus  der  Aueis  eine  Anzahl  Benutzungen  nachweist. 
Über  die  herangezogene  Stelle  ad  nat.  II  9,  in  der  dem  Aneas  Feig- 
heit vorgeworfen  wird,  'quod  proelio  Laurentino  nusquam  comparuit' 
handelt  van  der  Vliet  Mnemos.  XXII  S.  277  ft'.  und  erklärt  durch 
zahlreiche  Beispiele,  daß  das  'nusquam  comparuit',  wie  es  bei  Servius 
oder  vielmehr  in  Catos  Origiues  steht,  sehr  häufig  gebraucht  wird, 
plötzliches  Verschwinden  von  der  Erde  zu  bezeichnen;  Tertullian  hat 
es  mit  absichtlicher  Bosheit  auf  ein  Fernbleiben  von  der  Schlacht  be- 
zogen: Vergil  kann  dafür  nicht  Quelle  sein. 

Den  Einfluß  Vergils  auf  das  in  Versen  abgefaßte  10.  Buch 
Columellas  prüft  im  einzelnen  Stettner,  De  Columella  Verg. 
imitatore.  Progr.  Triest  1894.  Er  sieht  ab  von  der  notwendigen 
Ähnlichkeit,  die  der  Stoff  mit  sich  bringt ,  und  berücksichtigt,  daß  be- 
stimmte Worte  für  einen  bestimmten  Platz  im  Verse  besonders  geeignet 
sind,  so  daß  man  bei  ihrem  Gebrauch  nicht  von  Nachahmung  reden 
darf.  Einige  allgemeine  Züge,  sowohl  gleiche  wie  verschiedene,  werden 
vorausgeschickt  zur  Charakterisierung  der  beiden  Schriftsteller.  Beide 
zeigen  die  Vorliebe  für  die  Einfachheit  des  Landlebens,  beide  einen 
gewissen  Schmerz  über  die  Zeitverhältnisse;  aber  Vergil  ist  begeistert 
für  sein  Land  Italien,  während  Columella  den  Landbau  für  alle  Völker 
empfiehlt;  auch  die  sentimentale  Liebe  zur  Natur,  die  Vergil  zeigt, 
besitzt  Columella  nicht.  Die  Untersuchung  prüft  die  Nachahmung  in 
Disposition,  Gebrauch  der  Epitheta,  ßedetiguren  und  Wortverbindungen. 
Ahnliche  Gedanken,  wie  die  Erwähnung  des  Deucalion  und  seiner  Zeit, 
werden  hervorgehoben.  Die  Schlußbetrachtung  fällt  etwas  dürftig  aus. 
Columella  hat  nur  einen  Vers  wörtlich  übernommen  (436  r^  Georg.  II 
176)  und  nur  wenige  mit  geringen  Veränderungen.  Ebenso  hat  er 
selten  die  Reihenfolge  der  Worte  erhalten,  so  daß  Ribbecks  Urteil  gilt 
Prolegg.  ad  Verg.  p.  201 :  'mutato  ut  libuit  ordine  accommodavit 
orationi  frustula  poetae  (ßialia  fere  in  mente  haerebant,  non  descripsit 
accurate  bono  ex  codice" ,  was  allerdings  eigentlich  von  den  wirklichen 
Citaten  in  den  prosaischen  Büchern  Columellas  gesagt  ist. 

Das  Fortleben  Vergils  zeigt  sich  auch  in  den  Supplementen,  die 
seine  Aneis  gefunden  hat.  H.  Kern,  Supplemente  zur  Aneis  aus 
dem  15.  und  17.  Jahrhundert.  Progr.  d.  Kgl.  Neuen  Gymn.  Nürn- 
berg 1896  stellt  deren  vier  zusammen.  1)  Maffeo  Vegio  fügte  1427  einen 
Anhang  von  630  Versen  zum  12.  Buch,  enthaltend  das  Begräbnis  des 
Turnus,  die  Hochzeitsfeier  und  Apotheose  des  Aneas.  2)  Pier  Candido 
Decembrio  verfaßte  1419  ein  13.  Buch  der  Äneas.  Es  ist  ein  Fragment 
aus    nur    89  Versen ,    eine  Jugendarbeit.     3)  Jan    von    Forest    schrieb 

11* 


J(j4  Jalucsbericht  über  Vergil  Ls;>2— 18%.     (Uclm.) 

um  1650  Exsequiae  Turni  sive  Aeu.  über  XIII  et  XIV  uud  widmete 
das  Werk  der  Königin  Oliristine.  4)  C.  S.  Villauova  1697  verfalite 
826  Hexameter.  Zum  Schluß  werden  einige  bildliche  Darstelluug:en 
besprochen,  das  Freskogemälde  eines  auf  dem  Esquilin  aufgedeckten 
Grabgewölbes,  die  Ära  der  Lares  Augusti  im  Belvederc  und  die  Cista 
Pasinati,  die  alle  Scenen  aus  der  Fortsetzung  der  Aneis  enthalten. 
Auf  die  Zeitfragen  bei  diesen  geht  der  Verf.  nicht  ein;  sie  können 
jedenfalls    nicht    als  Supplemente    zu  Vergils  Aneis  betrachtet  werden. 

Von  derVergilkritik  des  Sperone  Speroni  handelt  *Z  aniboni,  Vir- 
gilio  e  TEneide  secondo  uu  critico  del  Cinquecento.  Contributo 
alla  storia  della  critica  nel  secolo  XVI  Messina  1895.  8.  pp.  42. 
Die  Arbeit  ist  eine  Vorarbeit  zu  der  Prüfung  der  gesamten  Kritik  Speronis, 
die  der  Verf.  beabsichtigt.  Dieser  hat  sein  Urteil  in  3  Dialogen  und 
8  Vorträgen,  die  indessen  nicht  ganz  ausgearbeitet  sind,  niedergelegt; 
seine  Hauptabsicht  war,  zu  ergründen ,  warum  Vergil  seine  Aneis  ver- 
brennen wollte.  (cf.  Valmaggi  Rezension  Boll.  di  lil.  class.  II 
1895/1896  S.  108  f.) 

Über  eine  Vcrgilsage  giebt  einen  kurzen  Bericht  Müntz, 
Academie  des  luscript.  1896  S.  406,  der  es  unternommen  hat,  die 
bildlichen  Darstellungen  dazu  zu  sammeln.  Der  Dichter  verliebt  sich 
in  die  Tochter  des  Kaisers,  die  ihn  an  einem  Strick  zum  Rendezvous 
emporzieht,  dann  aber  zum  Gespött  der  Römer  zwischen  Himmel  und 
Erde  hängen  lallt.  Diese  Scene  benutzte  1529  sogar  ein  Pariser  Buch- 
händler als  Titelbild  für  eine  Vergilausgabe.  Petrarca  nennt  Vergil 
unter  den  Sängern  der  Liebe.  So  kommt  er  in  den  Triumphzug 
des  Amor. 

IV.     Zu  den  cinzolucn  Werken. 

1.    Eklogen. 

Die  gesamten  Eklogen  bespricht  Casali,  Atti  della  R.  Acca- 
(lemia  Virgiliana  Mantova  1896  in  einem  sehr  allgemein  gehaltenen 
Vortrag;  er  sucht  ihr  Verhältnis  zu  Theokrit  darzulegen  und  kommt 
zu  dem  Resultat,  daß  Vergil  auch  durch  seine  bucolischen  Gedichte 
sich  unsterblichen  Ruhm  erworben  habe. 

Laves,  Vergils  Eklogen  in  ihren  Beziehungen  zu  Daphnis. 
Lj'ck.  Progr.  1893  verdient  nur  wegen  seiner  Absurdität  und  als  Beispiel 
irre  geführten  Scharfsinns  Erwähnung.  Moeris  in  Ekl.  IX  soll  ein  an- 
maßender Mann  sein,  der  (Vergil)  Menalcas  Verse  unterschiebt  und 
dafür  zurechtgewiesen  wird,  indem  ihm  gesagt  wird,  er  könne  sich 
mit  Varius  und  Cinna  nicht  messen.  Er  trägt  angeblich  Böcklein  weg, 
die  er  gestohlen,  will  sie  sich  nicht  von  Lyeidas  abnehmen  lassen,  der 


Jahresbericht  über  Vergil  1892— IS!)«.     (Helm.)  )65 

ihm  seine  Hülfe  anbietet,  und  erfindet  eine  Fabel,  dal.',  er  und  sein 
Herr  Lebensgefahren  zu  bestehen  gehabt  hätten:  woraus  dann  Servius 
die  Vertreibung  des  Vergil  von  seinem  Gut  erschlossen  hat.  Unter 
Daphnis  ist  Varu<?  zu  verstehen ,  der  durch  die  Verse  4G  ff.  ermahnt 
wird,  an  Cäsars  Stern  zu  glauben,  d.  h.  zn  ihm  überzugehen.  Varus 
hat  die  Erklärung  in  Ekl.  VI  übelgenommen  und  thut  sich  mit  Vergils 
Gegnern  zusammen,  so  mit  Korydon.  Er  läßt  ihn  aber  wiedei'  fallen 
wie  Ekl.  II  zeigt,  wo  Daphnis  unter  dem  Namen  Alexis  erscheint  (!). 
Durch  Ekl.  VIII  kommt  der  Dichter  dann  wieder  in  ein  besseres  Ver- 
hältnis zu  Varus  (Vergil  heil.lt  hier  Alphesiboeus).  Noch  besser  ge- 
staltet sich  dies  durch  den  Verkehr  mit  Mopsus,  einem  Schüler  des 
(Varus)  Daphnis.  Ekl.  V  bezieht  sich  anf  den  fingierten  Tod  des  Varus. 
Auch  I  spricht  ihm  den  Dank  für  geleistete  Hülfe  aus.  'So  sehen 
wir,  wie  Vergil  in  fast  allen  Eklogen  bemüht  ist,  je  nach  dei-  Stellung  zu 
Daphnis,  d.  h.  zu  Varus,  der  wohl  kein  anderer  ist  als  Alfenus  Varus, 
von  den  verschiedenen  Phasen  ihres  Verkehrs  Rechenschaft  zu  geben." 
Dies  eigenartige  Rätselraten  richtet  sich  selbst. 

Ekl.  I.  Das  Verhältnis  der  1.  zur  9.  Ekloge  behandelt  ein  kurzer 
Exkurs  in  Thilos  Aufsatz  über  den  Probuskommentar.  Fleckeisens 
Jb.  f.  Phil.  149  (1894)  S.  301—303.  Ekloge  IX  wird  als  früher 
abgefaßt  bezeichnet.  Pollio  scheint  dem  Dichter  bei  der  drohenden 
Ackerverteilung  erwirkt  zu  haben ,  daß  an  der  Grenze  des  Gutes 
Vergils  Halt  gemacht  wurde.  Darauf  ging  das  in  der  9.  Ekloge  be- 
zeichnete Gerede  unter  den  Landleuten ,  Vergil  habe  sich  durch  seine 
Lieder  Gunst  erworben  und  sei  gesichert.  Als  Pollio  aber  die  Provinz 
verliel.)  und  Varus  an  seine  Stelle  trat,  sei  abermals  das  Verlangen 
nach  Land  laut  geworden,  und  Vergil  habe  sich  an  Varus,  dann  auch 
an  Oktavian  gewandt.  Der  Erfolg  war,  dalJ  ein  bestimmter  Umkreis 
von  Maiitiia,  darunter  Vergils  Gut,  geschont  werden  sollte.  Thilo 
glaubt,  Vergil  habe  mehr  erwartet.  Deshalb  habe  er  sich  in  der 
1.  Ekloge  hinter  den  alten  Tityrus  versteckt  und  sein  Mitleid  mit  den 
vertriebeneu  Landsleuten  deutlich  zu  erkennen  gegeben.  Varus  bat, 
wie  die  Klage  des  Cornelius  gegen  ihn  beweist,  seinen  Auftiag  nicht 
erfüllt;  Vergil  selbst  dankt  ihm  jedenfalls  in  der  6.  Ekloge,  huldigt 
aber  dabei  auffallenderweisc  dem  freundlicher  gesinnten  Gallus.  Mäcenas 
hat  zu  dieser  Zeit  noch  nichts  mit  Vergil  zu  thun.  Die  Bemerkung 
in  der  Donatvita  59,  4  Reift,  bezieht  sich  auf  einen  späteren  Grenz- 
streit mit  einem  Veteranen,  namens  Clodius. 

Ekl.  I.  Die  Schwierigkeit,  die  der  Vers  65  der  1.  Ekloge  be- 
reitet, wird  von  Ussani  und  Christofolini  erläutert.  Christofolini 
Kiv.  di  fil.  XX,  300  hatte  in  der  Annahme  Ov.  Fast.  HI  518  eine 
Reminiscenz  zu  finden,  vorgeschlagen:  'pars  Scythiam  et  rapidum  erectam 


16fi  Jahresbericht  über  Vergil  1892—1896.    (Helm.) 

venienms  ob  axem.'  üssani,  ITu  caso  della  fiisione  di  due  voci 
Roma  1895  prüft  sämtliche  Vevmutuugen  und  Erklärimgen  zu  der  Stelle. 
Er  sieht  drei  Möglichkeiten:  1.  Cretae  ist  Name,  2.  cretae  ist  appellativum, 
3.  der  Text  ist  verderbt.  Ussani  entscheidet  sich  für  cretae  rapidus 
(cf.  cupidus),  da  ein  B'luß  Oaxes  auf  Greta  unbekannt  ist  und  in  diese 
Aufzählung  entlegener  Länder  auch  nicht  passen  würde.  Oaxes  hält 
er  für  eine  Vermeugung  von  Oxus  und  Araxes  mit  Berufung  auf  Nap. 
Caix  Studi  di  etimologia  italiana  e  ronianza  Fir.  1878  und  Beispiele 
wie  stamberga  ^  stanza  -r  albergo,  selon  =--  second  -f-  long. 

I,  68  ff.  schlägt  Earle,  Class.  rev.  1896  S.  194  vor:  'post,  ak, 
quof  für  'post  aliquot'  und  nimmt  dann  die  Erklärung  aristas  =  me3se8  = 
aestates  =  annos  an. 

Ekl.  III.  Vianello,  Boll.  di  filolog.  class.  II  S.  233  ff.  be- 
spricht drei  Stellen,  v.  8  'transuersa  tuentibus  hircis'  erklärt  er  mit 
Stampini  als  Ausdruck  neidischer  Eifersucht  der  Böcke  und  und  nicht 
als  Zeichen  ihrer  Mißbilligung,  was  eigentlich  selbstverständlich  ist. 
V.  76 — 79  wird  Jollas  für  einen  andern  Namen  des  Menalcas  erklärt, 
da  sonst  Menalcas  nicht  den  Vers  107  mit  Recht  sagen  könnte,  wenn 
noch  ein  anderer  Anspruch  auf  Phjdlis  hätte,  v.  108  ff.  werden  er- 
klärt: Ihr  beide  seid  des  Preises  wert  und  wer  dem  Damoetas  gleich 
für  seine  süße  Liebe  fürchten  oder  dem  Menalcas  gleich  ihren  Schmerz 
empfinden  wird. 

Ekl.  IV.  0.  Crusius,  Rh.  Mus.  LI  544—559  spürt  die  Nach- 
klänge aus  priesterlicher  Mystik  und  Sibyllenliedern  auf;  er  findet  My- 
steriöses, Prodigienhaftes  in  v.  43  ff.,  sowie  in  dem  Lachen  des  Neu- 
geborenen, wodurch  Vergil  'über  die  Grenzen  des  Märchenhaften  hinaus- 
geht". Das  'risu"  v.  60  ist  danach  mit  Recht  auf  das  Kind  bezogen;  in 
62  sollen  wir  dann  lesen:  'qui  non  risere  parenti\  vielleicht  auch  in  63 
emendieren  'hos'.  Der  'puer'  selber  ist  ein  'unbekannter  Liebling  des 
Schicksals'.  Zum  Schluß  wird  auf  den  Unterschied  dieser  Ekloge  mit 
den  Versen  An.  VI  791  ff.  aufmerksam  gemacht.  'Hiermit  ist  auch  die 
immer  wieder  aufgeworfene  Frage  erledigt,  wer  denn  eigentlich  der 
gepriesene  puer  gewesen  sei",  meint  Crusius.  Leider  noch  nicht,  wie  die 
Arbeiten  von  Cartault  und  Marx  1897  zeigen! 

Auch  Pascal,  Riv.  di  fil.  1893  S.  128  ff.  verteidigt  seine  An- 
sicht, daß  es  sich  um  einen  wirklichen  und  zwar  soeben  geborenen 
Knaben  handle,  und  sucht  durch  Beispiele  nachzuweisen,  daß  'nascens' 
—  'modo  natus'  sein  könne.  Die  Beispiele  sind  verschiedener  Art;  bei 
den  einen  Lucr.  I  113,  III  671,  IV  56  heißt  'nascens"  nur  so  viel  wie 
'qui"  oder  'dum  nascitur" ;  bei  den  anderen  ist  'nasci"  metaphorisch  ver- 
wandt und  bemerkenswert,  daß  es  sich  naturgemäl.l  über  eine  geraume 
Zeit    erstrecken    kann;    so  An.  X  27  'nascentis  Troiae"  oder,    wenn  es 


Jahresbericht  über  Vergil  1892— 18i)fi.     (Helm.)  ]fi7 

heißt,  'coüiuratio  uascens",  'maliim  nascens';  dal!  aber  beim  Menscheu 
'nasceus' ^ 'modo  natus'  sei,  ist  nicht  bewiesen  und  wird  wohl  auch 
kaum  bewiesen  werden. 

Schermann.  Progr.  d.  Kgl.  Württ.  Gymn.  zu  Kavensburg: 
1893  sieht  auch  in  der  4.  Ekloge,  wie  in  Vergils  Unterweltsvor- 
stelluugen,  jüdische  Einflüsse.  Er  findet  das  goldene  Zeitalter  mit  orien- 
talischen Farben  geschildert  und  zieht  die  messianischen  Weissagangen 
heran  zum  Vergleich  (cf.  Vergils  Unterwelt  S.  177). 

Frey,  Die  sogen,  messian.  Weissagung  Vergils,  Schwei- 
zerische Rundschau  1893  S.  46  ff.  vertritt  nicht  nur  die  Ansicht, 
daß  jüdische  Einflüsse  zu  erkennen  sind,  sondern  sieht  in  dem  ganzen 
Gedicht  eine  Weissagung  post  eventum  (und  zwar  wenigstens  11  Jahre!) 
auf  den  jugendlichen  Marcellus,  dessen  frühen  Tod  Vergil  An.  VI  be- 
klagt. Dazu  muß  die  Chronologie  der  Eklogen  völlig  umgestaltet  werden. 
Daß  die  Annahme,  Vergil  habe  die  Bukolika  42 — 39  verfaßt,  falsch  sei, 
wird  daraus  gefolgert,  daß  er  in  ecl.  V  nur  II  1  und  III  1  citiert;  also 
sei  I  1  schon  anderswo  citiert,  nämlich  am  Ende  des  1.  Buches  der 
Georg.  (Weniger  Befangene  werden  lieber  schließen,  also  war  Ekl.  I 
noch  nicht  vorhanden,  falls  man  von  dem  Dichter  überhaupt  verlangen 
dürfte,  daß  er  alle  der  Reihe  nach  erwähnte.)  Die  5.  Ekloge  wäre  dann 
wenigstens  nach  dem  Jahre  30  verfaßt.  Die  1.  Ekloge  hat  er  'audax 
iuuenta'  geschrieben,  wir  werden  sie  also  in  sein  28.  Lebensjahr  setzen 
nach  der  Angabe  des  Asconius  Pedianus,  Vergil  habe  mit  28  Jahren 
bukolische  Gedichte  geschrieben;  dazu  stimmt  aber  v.  65  nicht,  in  dem 
Kreta  als  Ziel  der  Vertriebenen  genannt  wird;  Dio  Cassius  erzählt  zum 
Jahr  36,  Oktavian  kaufte  den  Capuaneru  Land  ab,  um  seine  Soldaten 
zu  befriedigen,  und  gab  ihnen  dafür  das  Gebiet  von  Knossos.  Also  ist 
v.  65  ein  späterer  Einschub.  (Der  Schluß  ist  um  so  schwieriger,  als 
ja  diese  Bemerkung  sich  nicht  auf  die  Einwohner  von  Cremona  bezieht ) 
Auf  jeden  Fall  bleibt  noch  ein  Zweifel ,  da  die  Geburt  des  Marcellus 
nirgends  ins  Jahr  40,  sondern  gewöhnlich  ins  Jahr  43  gesetzt  wird. 
Eine  Bestätigung  seiner  Vermutung  sieht  Frey  darin ,  daß  auch  der 
Daphnis  im  5.  Gedicht  derselbe  Maicellus  sei.  Zwar  wird  mit  IX,  20  auf 
V.  40  angespielt;  aber  Ekloge  V  war  ja  schon  oben  nach  dem  Jahre  30 
angesetzt,  und  sollte  man  sich  nicht  dazu  verstehen,  auch  IX  so  spät 
anzusetzen,  so  müßten  wir  eben  auch  hier  zu  dem  'Auskunftsmittelchen" 
der  Interpolation  greifen.  Und  so  lesen  wir  denn,  daß  Vergil,  nachdem 
er  in  An.  VI  den  Gestorbenen  vorgeführt,  'von  dem  Jüngling  nicht  in 
solcher  Trauer  scheiden  wollte:  noch  einmal,  in  der  5.  Ekloge,  zeigte 
er  ihn  den  Seinen  in  der  römischen  Glorie  der  Apotheose".  So  würden 
Ekl.  IV,  An.  VI,  Ekl.  V  aufeinander  folgen.  'Später  (nämlich  ebenfalls 
An,  VI)   dichtete   er    noch    anders:    schon  Augustus  habe  das  goldene 


Hi8  Jahresbericht  über  Vcrgil  l,sii2  -1S9G.     (Helm.) 

Zeitalter  erneuert'.  Die  ganze  l^Iethode  bedarf  keiner  Widerlegung  und 
klingt  trotz  oder  gerade  wegen  der  t'^berzengtheit,  mit  der  sie  ange- 
wandt wird,  wie  eine  Parodie  auf  die  philologische  Wissenschaft. 

Die  eigenartige  Auffassung  von  *E.  della  Torre  la  quarta 
egloga  di  Virgilio  coinmentata  secondo  Tarte  grammatica  (!) 
Udiue  soll  nur  wegen  ihrer  Thorheit  Erwähnung  finden.  Hier  erfahren 
wir's,  ohne  daß  ein  Zweifel  übrig  bleiben  könnte:  Der  'puer'  ist  die 
Poesie  des  Dichters,  besonders  die  Aneide,  deren  Darstellung  das  rö- 
mische Volk  zur  alten  Sittenreinheit  zurückführen  wird  und  damit  das 
goldene  Zeitalter  wiederbringt,  ttber  dies  in  recht  weitschweifiger 
Weise  dargelegte  Resultat,  dessen  Auffindung  übrigens  mit  der  im  Titel 
angegebenen  Grammatik  nichts  zu  thun  hat,  bedarf  es  weiter  keines 
Wortes    (Rezension  von  Seibcl,    Berl.  phil.  Wochenschr.  1895  S.  586). 

Den  letzten  Vers  der  Ekloge  bespricht  Ussani,  Due  luoghi  di 
Vergilio  spiegati  (Anhang  zu  der  obigen  Schrift  s.  S.  166);  er  sieht 
in  den  Worten  keine  Apotheose  des  Knaben,  der  ja  nach  v.  15  das 
Leben  der  Götter  von  Jugend  auf  genießen  wird,  sondern  ein  Zurück- 
kehren des  Dichters  zu  dem  früher  Gesagten.  Wie  Peleus  eine  Göttin 
freite  und  Tantalus  am  Mahl  der  Himmlischen  teilnahm,  so  wird  es  in 
Zukunft  wieder  werden.  Über  das  Perf.  'dignata  est'  und  die  Schwierig- 
keit des  vorigen  Verses  geht  der  Verf.  mit  der  Erklärung  hinweg,  die 
ja  in  gewisser  Hinsicht  richtig  ist,  nur  hier  nicht  ausreicht,  daß  der 
Gedanke  eine  Weissagung  sei:   'te  deus  mensu,  te  dea  dignabitur  cubili'. 

Seaton  verteidigt  Class.  rev.  1893  S.  199  f.  die  auf  Quintilians 
Citat  beruhende  Lesart  'qui  non  risere  parenti',  da  er  ein  beantwortendes 
Lächeln  nicht  zugeben  kann;  der  Vers  ist  nur  eine  Wiederholung  des 
Verses  60:  'risu  coguoscere  raatrem'.  Die  Freiheit  des  Dichters  erlaubt 
Vergil,  dem  piier  ein  Lächeln  zuzuschreiben,  ohne  sich  um  die  That- 
Sache  zu  kümmern,  daß  sonst  ein  neugeborenes  Kind  nicht  lachen  kann. 
Der  letzte  Vers  bleibt  dunkel;  eine  Anspielung  auf  Herakles  oder 
Hephästos  ist  unrichtig  angenommen.  Vielleicht  wird  auf  ein  Ammen- 
märchen Bezug  genommen,  daß  ein  mürrisches  Kind  kein  Glück  habe. 
Das  'hunc'  bleibt  auch  so  auffällig,  wenn  S.  auch  darin  eine  berechtigte 
Rückkehr  zu  dem  uns  vorliegenden  Singular  in  Vers  60  sieht;  aber 
dann  brauchte  der  Dichter  eben  nicht  'qui  risere   zu  sagen. 

Für  Vers  46  ist  die  Auffassung  des  Symmachus  von  Interesse, 
auf  die  Walters  Class.  rev.  1894  S.  251  hinweist;  er  verstand  'talia 
saecla'  als  Akkusativ,  wie  der  Satz  zeigt  (ed.  Seeck  p.  332)  'iam  dudum 
aureum  saeculum  currunt  fusa  Parcarum". 

Ekl.  VI  64  ff.  bespricht  Maaß,  Untersuchungen  zu  Properz 
Herrn.  XXXI  (1896)  S.  404  ff.  gelegentlich.  Nach  ihm  ist  errantem 
Permessi    ad    flumina  nicht  zusammenzunehmen,    so  daß  also  auch  der 


Jahresboricht  über  Vergil  lS02-180r,.    (Uclm.)  lb*<) 

Permessus  und  Aonas  in  moutes  v.  65  keinen  lokalen  C-regeusatz  bilden. 
Als  Beleg  für  die  Trennung  der  zusammengehörenden  Worte  erranteni 
Gallum  bietet  er  Vers  67  ft'.,  wo  das  divino  carmine  nicht  zu  dem  da- 
iiebenstehenden  pastor,  sondern  zu  dixerit  zu  ziehen  ist. 

Ekl.  VIII.  Gegen  die  geistreichen,  aber  falschen  Aufstellungen 
Bethes,  Rh.  Mus.  XL VII,  der  die  Arbeitsweise  des  Dichters  in  einem 
Maugel  an  Einheitlichkeit  der  Eklogen  erkennen  wollte,  verteidigt 
0.  Crusius,  Rh.  Mus.  LI  544 — 559  den  Zusammenhang  der  8.  Ekloge. 
von  deren  Teilen  B.  annahm,  daß  sie  ursprünglicli  als  selbständige  Mimen 
gedacht  waren.  Er  zeigt,  daß  v.  15  das  Vieh  und  nicht  Liebeskummer 
als  Grund  des  frühen  Aufstehens  angiebt,  dal.l  die  v.  16  bezeichnete 
Stellung  nicht  die  des  von  Gram  Niedergebeugten,  sondern  des  sorglos 
und  nachlässig  dastehenden  Hirten  ist,  also  eine  Identifizierung  des 
Singenden  mit  der  Person  des  Gesanges  nicht  nötig  ist.  Auch  die  Be- 
hauptung Bethes,  daß  mau  beim  Wettgesang  sitzen  muß,  ist  nicht  richtig. 
Also  die  Einleitungsverse  des  Gedichtes  sind  nicht  einem  besonderen 
Mimus,  sondern  dem  jetzt  vorhandenen  Gedicht  zugedacht  gewesen. 
Ebensowenig  waren  die  Verse  des  Gesanges  selber  für  einen  Mimus  be- 
stimmt. Vers  21 — 24  sind  für  einen  unglücklich  Liebenden  unsinnig, 
und  der  Refrain  schärft  immer  wieder  ein,  daß  es  sich  nur  um  poetische 
Fiktion  handelt;  denn  die  Vermutung,  der  versus  intercalaris  des  ersten 
Gesanges  sei  erst  nachträglich  nach  dem  Muster  des  zweiten  einge- 
schoben, ist  haltlos  und  durch  die  Nachahmung  von  Theokrit.  Id.  I 
widerlegt.  Auch  die  strophische  Gliederung  beweist,  daß  die  Verse  von 
Anfang  an  zu  Gruppen  zusammengefügt  waren.  Die  8.  Ekloge  ist  in 
iiu-er  Komposition  von  vornherein  so  überlegt  und  geplant  gewesen  und 
gehört  durchaus  nicht  einer  Zeit  des  Tastens  und  Suchens  au.  Sie  ist 
etwa  39  verfaßt,  als  Pollio  vom  Zug  gegen  die  Parthiuer  zurückkehrte. 
Der  einzige  Vorwurf,  den  man  dem  Dichter  machen  kann,  ist  der,  daß 
er  die  Grenzlinie  innerer  Wahrheit  überschritten  hat,  indem  er  dem 
Hirten  'objektive  Lj'rik  in  den  Mund  legte'  und  diese  mimenartigeu 
Stoffe  zu  Wechselliedern  ausgestaltete. 

Über  den  Zauber  im  zweiten  Gesänge  spricht  Kuhuert,  Feuer- 
zauber Rh.  Mus.  XLIX  53;  er  erklärt  'limus'  ^  Stück  Thon,  cera  = 
Scheibe  Wachs,  ohne  daß  wir  an  ein  Bild  zu  denken  hätten,  wie  bei 
der  vorher  genannten  'eftigies".  Auch  Theokrit  Id.  II  scheint  nicht  an 
ein  solches  Bild  zu  denken.  Der  Zauber  soll  den  Geliebten  so  hart 
gegen  andere  Frauen  machen  wie  das  Feuer  den  Thon,  und  so  weich 
gegen  die  Zauberin,  wie  das  schmelzende  Wachs  in  den  Flammen  wird. 

Ekl.  IX.  Die  Einheit  der  9.  Ekloge  verteidigt  im  Vorübergehen 
Sonntag,  Festschr.  z.  200jähr.  Jub.  d.  Kgl.  Friedrichs-Gy mn. 
zu  Frankfurt  a.  0.  1894  S.  122—128  gegen  die  Angriffe  Bethes  mit 


170  Jahrcshoricht  über  Vcrgil  lf^92— 180f^.    (Helm.) 

Recht.  Bas  Dionaei  Caesaris  astrum  (IX  47 )  bezieht  er  auf  Oktavian 
(vgl.  Verg-.  als  buk.  Dicht.  S.  152);  er  vergleicht  dazu  Georg.  I  25  ff. 
Da  die  andereu  iu  der  9.  Ekloge  angeführten  Gedichte  nach  v.  29 
(sublegi  uuper)  zu  den  letzten  Dichtungen  gehören,  könne  dies  eine  nicht 
schon  im  Jahre  44  verfaßt  sein;  ferner  gälten  Kometen  sonst  als  un- 
heilvoll, und  das  Jahr  44  sei  in  der  That  für  die  Ernte  ein  ungünstiges 
gewesen  (cf.  Georg.  I  466 — 497  die  Schilderung  der  entsetzlichen  Zeichen 
bei  der  Ermordung  Cäsars}.  Auch  die  ironische  Verwendung  der  Verse 
48 — 50  in  I  70  ff.  soll  für  diese  Beziehung  auf  Oktavian  sprechen. 

2.    Georgica. 

Den  Zweck,  den  Vergil  bei  Abfassung  der  Georgica  verfolgte, 
untersucht  *C.  Borroraeo,  Del  concetto  delle  Georgiche  di  Vir- 
gilio,  Verona  1892.  Nach  Zingerle  (Berl.  phil.  Woch.  1894  S.  101) 
bietet  die  Arbeit  nichts  Neues,  auch  fehlt  die  Berücksichtigung  der 
neueren  Litteratur.  Vergil  hat  keinen  didaktischen  Zweck  im  Auge 
gehabt,  als  er  die  Georgica  schrieb,  sondern  einen  politisch-nationalen, 
indem  er  die  entschwundene  Liebe  zum  Landbau  wieder  anzuregen 
versuchte. 

Walters,  Class.  rev.  1894  S.  250  führt  drei  Anspielungen  des 
Symmachus  auf  Vergil  an.  In  der  Lobrede  auf  den  Kaiser  Gratian 
(Seeck  p.  331/332)  verwendet  der  Redner  Georg.  II  77,  III  189  und 
ecl.  IV  46  'udo"  und  'inscius  aevi'  verstand  er  als  'jugendliche  Frische'. 

J.  Geffcken,  Saturnia  telhis  Herm.  XXVII  (1892  S.  381— 
388)  weist  nach,  dai.)  der  begeisterte  Hymnus  auf  Italien  Georg.  II 
136  ff.  ein  Vorbild  hatte  nicht  nur  in  Varro  res  rust.  I  2,  3,  sondern 
auch  in  dem  11.  Buch  der  'rerum  humanarum',  das  sich  mit  Hülfe  des 
Dionysius  von  Halikarnaß  und  des  Plinius  rekonstruieren  läßt. 

Nach  0.  Crusius,  Rh.  Mus.  XLVII  S.  66  geht  der  sprichwört- 
liche Vers  Georg.  I  53:  'quid  quaeque  ferat  regio'  vielleicht  auf  Catos 
Oracula  (Vorschriften  an  seinen  Sohn)  zurück. 

11501-502  hebt  Ray,  Olass.  rev.  1896  S.  330  die  Erklärung 
Forbigers  von  dem  Wort  'tabularia'  als  die  richtige  hervor;  nicht 
'Staatsarchive'  bezeichnet  es,  sondern  das  gesamte  Steuerwesen  und  die 
Ungerechtigkeit  der  Steuerpächter.  Mackail,  Class.  rev.  1896  S.  431 
widerspricht  dem  und  nimmt  an,  der  Dichter  sei  nur  seiner  Phantasie 
gefolgt,  die  als  notwendigen  Hintergrund  zu  dem  lärmvollen  Forum  das 
Tabularium  fügte. 

Über  das  Proömium  des  3.  Buches  der  Georg,  spricht  Norden, 
Hermes  XXVIII  S.  516  ff.  Dort  stellt  Vergil  ein  Epos  auf  Augustus 
in  Aussicht.  N.  meint,  er  habe  wirklich  die  Absicht  gehabt  und  erst 
später  seinen  Plan  geändert  und  die  Aneassage  gewählt. 


Jahresbericht  über  Vergil   1S92-1S96.    (Helm.)  171 

Das  Aristaiosidyll  bespricht  Maaß,  Orpheus,  München  1895, 
S.  277.  Das  Opfer  an  den  Hades  ist  begründet  durch  die  Anschauung, 
daß  die  Bienenseelen  im  Hades  weilen  wie  die  der  Menschen  in  den 
Pausen  der  Seelenwauderung.  Das  Leben  auch  dieser  Tiere  ist  unver- 
gäuglich;  'deum  namque  ire  per  oninia"  (Georg.  IV  221).  Die  ganze 
Episode  geht  auf  griechische  Vorbilder  zurück.  Der  Kampf  mit  Proteus 
scheint  nicht  unmittelbar  aus  dem  Homer  entlehnt  zu  sein,  da  sich  be- 
merkenswerte Änderungen  finden,  wie  z.  B.  die  Versetzung  des  Proteus 
nach  Pallene.  Mit  Benutzung  der  Trapaoo^a  des  Antigonos  von  Karystos 
c.  19  erkennt  Maaß  das  Vorbild  Vergils  in  einem  Gedicht  des  Philetas  von 
Kos.  Die  Beweisführung  läßt  begreiflicherweise  Zweifel ;  so  scheint  das 
Bild  im  Vat.  3225  nicht  eine  andere  Sagenfassung  als  die  Vergilische 
zu  beweisen,  wie  M.  will,  da  das  schwimmende  Weib  der  Situation  ent- 
spricht (fugeret  per  fiumiua  IV  457),  wenn  auch  die  übrige  Ausführung 
der  Phantasie  des  Malers  entstammen  mag,  der  eine  Grotte  für  wünschens- 
wert hielt,  das  'ripas  servantem"  zu  bezeichnen. 

Im  allgemeinen  hebt  die  Kunst  Vergils  in  der  Orpheusepisode 
hervor  Lanza,  Atti  dell'  Accademia  Pontaniana  1895  No.  2 
und  fügt  für  Vers  450—527  eine  italienische  Übersetzung  au. 

Die  Frage  der  t Überarbeitung  der  Georgica  behandelt  Brandl, 
(^ui  loci  Georgicis  a  Vergilio  post  a.  725  sint  additi  Aschaften  - 
bürg  Gymn.-Progr.  1893.  Der  Verf  geht  von  der  festen  Tradition 
in  betreff  der  zweiten  Hälfte  des  4.  Buches  aus:  er  findet  hier  reich- 
lichere Homernachahmungen  als  in  den  anderen  Büchern,  woraus  er 
schließt,  Vergil  habe  schon  an  der  Äneis  gearbeitet.  Dazu  kommt  die 
Bemerkung  der  Donatvita  (Reifferscheid  p.  64,  5),  Vergil  habe  bei  seinem 
Tode  Varius  und  Tucca  aufgetragen,  ne  quid  ederent  quod  non  a  se  editum 
esset,  was  doch  die  Vermutung  erweckt,  die  Freunde  Vergils  hätten 
noch  mehr  als  die  Aneis  herausgegeben.  So  hält  Br.  die  Tradition  in 
bezug  auf  das  4.  Buch  für  richtig,  nach  der  das  Lob  des  Gallus  durch 
die  Aristäusepisode  ersetzt  sei.  und  weist  auch  Thilos  Erklärung  ab, 
der  annahm,  dies  Lob  habe  eben  in  der  Nachahmung  seiner  Dichtungen 
bestanden.  Von  hier  ausgehend,  glaubt  Br.  auch  andere  erst  bei  einer 
Bearbeitung  eingeschobene  Stücke  zu  erkennen,  so  das  Lob  Oktavians 
I  24—42  und  III  8—39.  Im  Anfang  des  1.  Buches  erscheint  nach 
seiner  Meinung  Oktavian  als  Sieger,  am  Ende  in  großen  Gefahren,  im 
Anfang  scheint  Friede  zu  herrschen,  am  Ende  überall  Krieg.  Oktavian 
als  Herrscher  und  Gott  zu  bezeichnen,  paßte  nicht  nach  der  Besiegung 
des  Sext.  Pompeius.  Erst  nach  725  war  das  möglich.  Daß  der  Dichter 
in  6  Jahre  langer  Arbeit  vielleicht  manches  nachtragen  konnte  vor  der 
Veröffentlichung,  wird  nicht  berücksichtigt.  In  Vers  27  sieht  Br.  eine 
Anspielung  auf  die  Hungersnot  732;  'ultima  Thyle"  bezieht  er  auf  730, 


172  Jahresbericht  über  Vcrgil  1S!)2— 189fi.     (Helm.) 

iu  welcbem  Jahre  Gesandte  aus  Britauiiien  zu  Aug'ustus  kamen.  In 
Vers  36/37  sieht  er  eine  Anspielung  auf  die  Krankheit  des  Augustus 
730  und  liest  'sperent',  was  daun  zur  Folge  hat,  dal5  auch  Vers  503/504 
darauf  bezogen  und  deshalb  für  eine  nachträgliche  Einfügung  gehalten 
wird.  Im  3.  Buch  lassen  sich  8 — 39  glatt  ausscheiden,  so  daß  die 
Worte  von  temptanda  bis  interea  sich  dadurch  als  Nachtrag  erkennen 
lassen.  III  24 '25  bezieht  Br.  auf  das  Jahr  727.  Die  Bezeichnung  Qui- 
rinus,  zweiter  Romulus,  konnte  dem  Kaiser  nicht  vor  seiner  Rückkehr 
aus  Asien  zu  teil  werden  725.  Vers  32/33  enthalten  eine  Schilderung 
der  Unterwerfung  der  Welt  im  Westen  und  Osten  und  können  erst  734 
geschrieben  sein.  Danach  vermutet  Br. ,  Vergil  habe,  als  er  nach 
Grrieehenland  ging,  die  Greorgica  wieder  neu  bearbeitet  und  Varius  und 
Tucca  hätten  diese  neue  Ausgabe  herausgegeben.  Die  Litteratur  scheint 
dem  Verf.  nicht  ganz  bekannt  zu  sein.  So  habe  ich  die  Dissertation 
von  Pulvermacher,  die  die  entgegengesetzte  Ansicht  vertritt,  nicht  citiert 
gefunden. 

3.    Äneis. 

a)    Unfertigkeit  der  Äneis. 

Die  Spuren  der  Redaktionsthätigkeit  des  Varius  glaubt  Norden 
Hermes  XXVIII  S.  501—521  an  einigen  Stellen  zu  erkennen.  So  in 
VI  826  —835,  die  den  Zusammenhang  stören,  weil  Cäsars  und  Pompejus" 
Feindschaft  zwischen  Camillus  und  Mummius  gestellt  wird.  Hinzukommt, 
daß  V.  788  schon  einmal  von  Cäsar  die  Rede  war,  worunter  nach  N. 
der  Diktator  zu  verstehen  ist  (obwohl  er  selber  sehr  richtig  darauf 
aufmerksam  macht,  daß  Augustus  als  'alter  Romulus'  hier  seine  Stelle 
erhalten  habe,  was  dann  nicht  sehr  dafür  spricht,  in  den  vorhergehenden 
Versen  C.  Julius  Cäsar  dazwischengestellt  zu  denken  und  eben  diese 
Ideenassociation  unverständlich  zu  machen).  Die  Umstellung  Ribbecks 
hinter  807  hilft  nichts,  da  Pompejus  nicht  in  die  Zahl  der  Julier  gehört 
und  diese  tadelnden  Verse  aus  dem  Zusammenhang  fallen.  So  sind  die 
Verse  nach  N.  eine  spätere,  noch  unfertige  Zudichtung,  die  auch  das 
Lob  Cäsars  noch  enthalten  sollte;  Varius  hätte  sie  vorgefunden  und 
beliebig  eingefügt.  (Aber  konnte  nicht  auch  Vergil,  wenn  sie  nun 
einmal  unfertig  sind,  ihnen  dort  einen  Platz  bestimmt  haben V) 

VI  51 — 76,  also  auch  42—50  enthalten  eine  spätere  Umdichtuug, 
da  das  Orakel  83  —  97  ursprünglich  nicht  in  dieser  Weise  beabsichtigt 
war;  denn  VI  890  ff.  giebt  noch  Anchises  Auskunft  über  die  weiteren 
Schicksale  der  Äneas,  während  in  dem  später  verfaßten  3.  Buch  (v.  458) 
die  Sibylle  als  diejenige  hingestellt  wird,  die  ihm  seine  Zukunft  weis- 
sagen soll.  Nach  Norden  hat  der  Dichter  deshalb  später  die  das  Orakel 
der  Sibylle  betreffenden  Worte  geändert,  um  Übereinstimmung  mit  dem 


Jabresbciiclit  über  Vcrgil  1M»l'— 1M)G.     (Uelm.)  173 

o.  Bucli  herzustelleu ;  ursprünglich  war  die  Sibylle  nur  dazu  da,  die 
Unterwelt  zu  erschließen.  Eine  Spur  der  alten  Fassung  findet  N.  in 
dem  bei  Senecu  suas.  III  4  erwähnten  geflügelten  Wort:  'plena  deo', 
das  nach  Arellius  Fuscus  dem  Vergil  gehörte.  Es  kommt  in  unserer 
Ausgabe  nicht  vor  und  kann  nur  ( ?  )  in  die  Schilderunf;  der  Sibylle 
passen.  Vergil  hätte  danach  den  Vers  nachträglich  geändert,  angeblich 
weil  er  denWiderspruch  in  'plena  deo'  —  67x00»  und  'virgo'  zu  deutlich 
empfunden  hätte.  Wenn  das  der  Fall  wäre,  so  hätte  sich  in  den  Bei- 
spielen für  das  geflügelte  Wort  doch  eine  Spur  von  dem  Witz  erhalten, 
aber  alle  führen  das  'plena  deo"  durchaus  ernsthaft  an;  also  um  dieser 
Auffassung  willen,  die  mit  dem  Verse  einen  obscünen  Witz  machte, 
hat  Vergil  jedenfalls  die  Stelle  nicht  geändert.  Das  plena  deo  selber 
ist  ja  ein  Rätsel:  aber  wie  mangelhaft  wird  citierti  Wenn  wir  sehen, 
daß  Schillers  Vers:  'Die  Uhr  schlägt  keinem  Glücklichen!'  stets  citiert 
wird:  'Dem  Glücklichen  schlägt  keine  Stunde!',  so  werden  wir  vielleicht 
auch  in  die  Genauigkeit  des  antiken  Citats  einige  Zweifel  setzen,  um 
so  mehr,  da  die  Senecastelle  zeigt,  daß  auch  die  Römer  das  Oitat 
nicht  ohne  weiteres  erkannten. 

IV  387  paßt  nicht  zu  386  (vgl.  S.  177:  Maxa,  Thore  des  Schlafes 
in  der  Unterwelt);  deshalb  hat  schon  Kibbeck  hier  eine  Unvollkommenheit 
und  einen  Mangel  an  Vollendung  gesehen,  so  dal.l  387  Dittographie  zu  38(i 
wäre.  Wenn  der  Dichter  aber  387  einsetzen  wollte,  so  mußte  er  die 
ganze  Stelle  ändern,  weil  386  eng  mit  den  vorhergehenden  Versen 
zusammenhängt.  Einen  Grund  zur  Änderung  der  Verse  384 — 380  für 
den  Dichter  glaubt  Norden  in  einem  Wideispruch  zu  finden,  der  in  den 
Worten  der  Dido  liegt;  ihr  müßte  schon  der  Gedanke  des  Selbstmordes 
vor  Augen  stehen  und  die  Meinung  des  Volksglaubens,  daß  sie  nach 
dem  Tode  ruhelos  auf  der  Erde  schweben  werde,  also  auch  den  Aneas 
verfolgen  könne.  Später  dagegen  wird  sie  in  den  Hades  gesandt,  und 
sie  selbst  erwartet  das  v.  654  und  660.  Darum  wollte  Vergil  nach  N. 
die  Verse  384 — 386  nachher  tilgen  und  setzte  387  einstweilen  an  den 
Rand  als  tibicen,  wie  es  bei  Sueton  p.  60  heißt. 

Ein  Beispiel  der  Unfertigkeit  der  Äneis  sieht  Holzer,  Aualectal 
Korrespondenzblatt  f.  d.  Gelehrt,  u.  Realsch.  Württemb.  1893 
S.  206—208  in  Äneis  in  121  ff.  Er  ordnet  120,  128-131,  135  ff. 
Zu  dem  Verse  130  sollen  124—127  Dittographie  sein,  zu  135  ff.  die 
Verse  132  —  134;  121  —  123  seien  im  folgenden  nicht  weiter  verwertet 
(was  übrigens  schon  die  Anmerkung  von  Heyne  widerlegt:  alioqui  Troianis 
Cretam  adire  vix  tutum  fuisset) ;  daraus  ergiebt  sich,  daß  sie  bei  der  Über- 
arbeitung entweder  mit  den  übrigen  verschmolzen  oder  gestrichen  werden 
sollten,  während  Georgii  sie  hinter  135  hatte  stellen  wollen  (Festschr.  d. 
Gymn.  Württemb.  z.  4.  Säkularfeier   der  Univ.  Tübingen  1877  S.  78). 


174  Jahiesbcricht  über  Vcrgil  iS'.fJ— IS'.iC.     (Helm.) 

Äu.  II  567—588  verteidigt  Noacli,  Rheiu.  Mus.  LVIII  S.  420— 
432.  Sie  sind  mir  in  den  Scholien  erhalten  und  stehen  im  Widersprach 
zu  VI  515  tf.,  wodui'ch  sich  eben,  daß  sie  ausgelassen  wurden,  sehr 
leicht  verstände.  N.  sucht  nachzuweisen,  daü  die  Verse  an  und  für 
sich  weder  sprachlich  noch  sachlich  in  ihrem  Zusammenhang  anstößig 
sind.  Der  Widerspruch  aber  im  6.  Buch  erklärt  sich  dadurch,  daß 
Deiphobus  Helena  absichtlich  als  Scheusal  hinstellen  will  und  ihr  die 
ganze  Schuld  an  seinem  Unglück  zuschreibt;  was  er  nicht  selber  gesehen, 
ergänzt  seine  Phantasie.  Diese  Scene,  die  uns  in  der  Erzählung  des 
Deiphobus  die  Helena  vorführt,  wie  sie  mit  der  Fackel  in  der  Hand 
die  Griechen  führt,  soll  eine  Erfindung  des  Vergil  sein;  der  scheinbare 
Gegensatz  aber  wäre  vom  Dichter  selber  beabsichtigt,  da  es  unmöglich 
schiene,  daß  in  der  ersten  Aneis  (cf.  Hermes  XXVII),  Buch  I,  II, 
IV,  VI,  —  ein  wirklicher  Widerspruch  in  der  Sagenform  sich  fände.  Da- 
gegen muß  man  jedenfalls  sagen,  daß  Vergil  seine  Absicht  recht  ver- 
schleiert hat  und  dem  Leser  den  Sinn  dieser  Verschiedenheit  in  Buch  II 
und  VI  zu  verstehen  durchaus  nicht  erleichtert  hat.  Daß  aber  der  in 
An.  VI  erwähnte  Sageuzug,  der  die  Helena  mit  der  Fackel  zeigt,  nicht 
etwa  von  Vergil  erfunden  ist,  zeigt  Knaack,  Rhein.  Mus,  XL VIII 
S.  632  —  634.  Hippolytus,  Epiphanios,  Tryphiodor  kennen  diese  Form 
der  Sage;  Epiphanios  schreibt  sie  merkwürdigerweise  Homer  zu.  Da- 
nach muß  man  annehmen:  Vergil  ist  zwei  verschiedenen  Traditionen 
gefolgt,  die  er  nicht  in  Einklang  gebracht  hat. 

Den  Widerspruch  zwischen  An.  VII  202  ff.  und  Vin  319  ff., 
den  schon  Servius  bemerkt,  erklärt  Norden  Jahrb.  f.  Phil.  Suppl. 
XIX  S.  425  ff. ;  einmal  lebt  das  Volk  Italiens  von  selbst  in  Frömmigkeit, 
an  der  anderen  Stelle  wird  es  erst  von  Saturn  unterwiesen.  Die  Ver- 
schiedenheit wird  begreiflich,  wenn  man  annimmt,  daß  Vergil,  wie 
mehrfach  im  8.  Buch,  seine  Ansicht  aus  Varros  antiquitates  geschöpft 
hat,  ohne  sie  mit  der  früheren  auszugleichen. 

b)    Unterweltsvorstellungen  Vergils. 

Die  Unterweltsvorstellungen  Vergils  behandeln  Norden,  Dieterich, 
Xaaß  und  Schermann.  Trefflich  sind  die  Worte,  die  Norden  seinem 
Aufsatz  Herm.  XXVIII  S.  360—406  vorausschickt  und  die  als  Grund- 
satz bei  der  Betrachtung  Vergils  in  Anwendung  kommen  sollen:  'Die 
Dichter  der  augusteischen  Zeit  veitragen  es,  daß  man  jedes  ihrer  Worte 
auf  die  Goldwage  legt.  Nichts  ist  hier  unberechnet,  von  der  Gesamt- 
komposition angefangen  bis  auf  Wortwahl  und  Wortstellung  herunter; 
darin  und  in  der  Strenge  der  Metrik  zeigen  sie  ihre  von  den  Alexan- 
drinern erlerate  ars.'     Aber  so  richtig  die  Worte  sind  für  die  Werke, 


Jaliresbericht  über  Vergil  Ls9:>— 189(i.     (lielm.)  175 

die  vou  dem  Dichter  selber  herausgegeben  sind,  bei  der  unfertigen  Äoeis 
lassen  sie  sich  doch  nicht  so  unbedingt  anwenden.  Norden  versucht 
es.  an  dem  von  Conington,  Boissier,  Sabbadini  bemängelten  (j.  Buch 
die  Einheitlichkeit  der  Komposition  nachzuweisen.  Jene  sahen  in 
der  Schilderung  der  Unterwelt  einen  doppelten  Entwurf;  der  eine  zeigt 
die  Seelen  in  der  Fortsetzung  des  Lebens  unter  Leid  und  Freude 
in  Tartarus  und  Elysium,  der  andere  lälit  alle  Seeleu  einer  liäuterung 
unterzogen  werden,  damit  sie  dann  auf  die  Oberwelt  zurückkehren. 
Boissier  glaubte  die  Absicht  des  Dichters  darin  zu  erkennen,  Volks- 
glauben und  philosophische  t'berzeugung  zu  verschmelzen,  die  nicht 
ganz  gelungen  sei,  weil  Vergil  nicht  die  letzte  Hand  an  sein  Werk 
legen  konnte.  Ein  eingehende  Besprechung  des  einzelnen  soll  die  Ansicht 
von  diesem  "Widerspruch  widerlegen.  N.  beginnt  mit  der  auffallenden 
Thatsache  in  der  Topographie  der  Unterwelt,  daß  Kinder,  ungerecht 
Verurteilte,  Selbstmörder,  aus  Liebe  Gestorbene  und  im  Kriege  Gefallene 
getrennt  sind  von  den  anderen  Seelen.  Zur  Erklärung  zieht  er  scharf- 
sinnig eine  Tertullianstelle  de  an.  56  heran  (in  dem  Nachtrag  Herrn. 
XXIX  S.  313  ff.  auch  noch  eine  Stelle  Lukians  catapl.  c.  5),  in  der 
die  Ansicht  ausgesproclien  wird,  nicht  alle  Seeleu  würden  gleich  in  die 
Unterwelt  aufgenommen,  sondern  diejenigen,  die  vor  dem  bestimmten 
Schicksalstode  gewaltsam  gestorben  sind,  müßten  so  lange  auf  der  Grenze 
harren,  bis  die  ihnen  noch  zum  Leben  zugedachte  Zeit  vergangen  ist. 
Dazu  gehören  die  5  von  Vergil  v.  426  ff.  aufgezählten  Klassen;  sie  werden 
erst  nach  Ablauf  jener  Frist  die  Unterwelt  betreten  und  dann  ebenso 
wie  die  andern  geläutert  werden.  Diese  Auffassung  über  die  «oipoi  und 
^laiodava-ot,  auf  die  Platou  in  der  Republik  X  615C  anspielt,  geht  auf 
pythagoreisch-orphisclie  Vorstellungen  zurück;  die  Pythagoreer  hielten 
auch  den  Selbstmord  für  unerlaubt,  darum  werden  die  Selbstmörder 
unter  diese  Klassen  gerechnet.  Bemerkenswert  ist  der  scheinbare 
Widerspruch ,  daß  die  Helden ,  die  ihr  Vaterland  verteidigt  haben ,  im 
Elysium  erwähnt  werden,  aber  die  im  Kampfe  Gefallenen  in  jener 
Zwischenregion!  Wir  müssen  uns  denken,  daß  auch  diese  nach  Erfüllung 
der  Zeit  zum  Elysium  kommen  (leider  sagt  der  Dichter  nichts  davon), 
Vergil  hat  sich  gehütet  den  Hektor  zu  erwähnen;  er  hätte  ihn  an  die 
Grenze  statt  ins  Elysium  versetzen  müssen,  aber  das  Gefühl  des  Lesers 
würde  sich  dagegen  sträuben.  Darum  schweigt  er  von  ihm.  DalJ  auch 
durch  diese  Erklärung  nicht  ganz  der  Widerspruch  gehoben  sei  zwischen 
dem  Aufenthalt  der  5  Klassen  und  dem  der  anderen  Seelen,  bemerkt 
Dieterich  Nekyia  S.  151  A.  2.  Besonders  der  Katalog  der  angeführten 
Heroinen  läßt  trotz  der  scharfsinnigen  Erklärungen  Nordens  noch  Zweifel 
übrig.  Besondere  Schwierigkeiten  bietet  der  letzte,  nach  Tartarus  und 
Elysium  erwähnte  Raum  der  Unterwelt,  der  vom  Lethestrom  durchzogene 


176  Jahresbericht  über  Vergil  IS'.ij  — 18%.     (Helm.) 

Thalkessel.  Es  wird  eine  Theorie  der  Seelenwanderung  mit  stoischer 
Termiuologie  gegeben;  auch  das  läßt  sich  mit  der  Annahme  einer 
pythagoreischeu  Quelle  vereinen,  da  die  jüngeren  Pythagoreer  sich  gern 
an  die  Stoiker  anlehnten.  Aber  dunkel  ist  der  Zusammenhang  in  den 
Vei-sen  743  ff.,  da  nach  dem  Wortlaut  auch  die  im  Elysium  befindlichen 
Seelen  geläutert  werden.  Norden  liilft  mit  einem  energischen  Mittef; 
er  sieht  in  Vers  745 — 747  einen  vom  Dichter  verfassten,  aber  noch 
nicht  hineingearbeiteten  Nachtrag,  den  der  Herausgeber,  obgleich  er 
den  Sinn  störte,  pietätvoll  mit  aufgenommen  hätte.  In  anderer  Weise 
sucht  Dieterich,  Nekyia  150—158  die  Schwierigkeit  zu  losen,  da  er 
sich  grundsätzlich  gegen  die  höhere  Aneiskritik  erklärt.  Wir  sollen 
hinter  v.  744  einen  Punkt,  hinter  747  ein  Komma  setzen.  Die  Reinigung 
erstreckt  sich  über  10  000  Jahre,  nach  denen  die  Seele  erst  befreit  ist, 
während  derer  sie  aber  immer  wieder  zum  Lethefluß  aufgerufen  wird. 
Der  Zusammenhang  sträubt  sich  gegen  diese  Interpunktion.  Norden, 
Gott.  gel.  Auz.  1894  S.  253  weist  sie  als  sprachlich  und  logisch  un- 
möglich zurück.  Maaß,  Orpheus  S.  223  ff.,  der  die  Jenseitsmalerei 
im  Grabe  der  Vibia,  Gemahlin  des  Vincentius,  mit  den  Elysiumsschilde- 
rungen  Vergils  vergleicht,  glaubt  den  Widerspruch  durch  einfache  Er- 
klärung beseitigen  zu  können.  Nach  ihm  werden  außer  den  schweren  Straf- 
akten harmlose  Läuterungsmethoden  bei  den  Seelen  angew'andt.  Die  fast 
Geläuterten  wandern  vom  Ort  der  Pein  ins  Elysium  (offenbar,  um  dort 
ganz  geläutert  zu  werden;  denn  die  Darstellung  leidet  etwas  an  Un- 
klarheit). Verglichen  wird  das  Fegefeuer,  (das  denn  aber  doch  zu  den 
locos  laetos  et  amoena  virecta  fortunatorum  neraorum  sedesque  beatas 
recht  seltsam  paßt,  da  man  es  sich  für  gewöhnlich  doch  recht  schmerz- 
haft vorstellt):  so  soll  das  'unvorsichtige  Bestreiten'  der  Annahme  ver- 
hindert werden,  'daß  Vergil  von  einer  nur  nicht  ganz  schmerzlosen 
Reinigung  der  Seelen,  die  aber  keine  Strafe  ist,  Kunde  besessen^ 
Keine  dieser  drei  Erklärungen  der  Stelle  befi-iedigt.  (Nicht  745  —747 
scheinen  lose  eingefügt,  sondern  743 — 744  enthalten  m.  E.  eine  vom 
Dichter  gemachte  Parenthese,  die  nachträglich  die  Erklärung  hinzufügt : 
'Auch  wir,  die  wir  in  geringer  Anzahl  ins  Elysium  kommen,  müssen 
erst  geläutert  werden',  unmittelbar  im  Anschluß  au  die  vorher  er- 
wähnten Reinigungsmethoden.)  Darin  aber  stimmen  Noiden,  Dieterich, 
Maaß  überein,  daß  sie  orphische  Einflüsse  für  das  6.  Buch  annehmen; 
Norden  schließt  mit  dem  Resultate:  'Die  Vergilische  Nekyia,  obwohl 
nach  der  Homerischen  und  vielleicht  andern  alten  Epen  oder  Lokal- 
sagen geschaffen,  ist  im  wesentlichen  einer  pythagoreisch  orphischeu 
ünterweltsbeschreibung  entnommen  aus  der  Zeit,  da  die  Neupythagoreer 
Anlehnung  an  die  Stoiker  suchten.  Es  ist  wahrscheinlich,  daß  sie  sich 
in  einer  dichtcrischeu  Vorlage  dei-  Alexandriner  fand',    (vgl.  Deuticke, 


Jahresbericht  über  Vcrgil  1892-1896.    (Helm.)  177 

Jahresber.    d.   phil.   Vereins    1895    S.   252  flf.,    der    richtig    auf    einige 
Mängel  in  der  Beweisführung  aufmerksam  macht). 

Jüdische  Einflüsse  in  der  Unterweltsdarstellung  nimmt  Schermann, 
Zu  Vergils  Vorstellungen  vom  Jenseits.  Progr.  d.  Kgl.  Württ. 
Gymn.  in  Ravensburg  1893  an  wie  bei  der  4.  Eklogo.  Besonders 
aus  den  Apokryphen,  so  dem  Buch  Henoch  werden  Parallelen  heran- 
gezogen. Der  Verf.  vermutet  eine  weitgehende  Einwirkung  jüdischer 
Anschauungen  auf  die  Römer.  Herodes  verkehrte  wie  Vergil  bei  PoUio, 
und  Nicolaus  von  Damascus  stand  bei  Augustus  in  hohem  Ansehen.  Von 
beiden  koiinte  Vergil  die  Ansichten  des  jüdischen  Glaubens  lernen. 
Der  zwingende  Beweis  für  diesen  Einfluß  ist  jedenfalls  nicht  erbracht, 
da  der  Dichter  aus  den  mythologischen  und  religiösen  Anschauungen 
seines  Volkes  schöpfen  konnte. 

Ein  Teil  der  Unterweltsbeschreibung  wird  von  R.  Maxa  einer  Unter- 
suchung unterworfen  in  der  Zeitschr.  f.  d,  österr.  Gymn.  XLV 
'Die  Thore  des  Schlafes  in  der  Unterwelt  Vergils'.  Die  273 
— 281  genannten  Gestalten  lagern  vor  dem  Eingang  zum  Orkus,  weil 
sie  mit  der  Oberwelt  in  Berührung  stehen  und  zu  den  Menschen  empor- 
gesandt werden,  während  innerhalb  wirkliche  Schatten,  d.  h.  Gestorbene, 
wohnen.  Vergil  hat  die  Idee  der  Doppelthore  von  Homer  entlehnt, 
aber  selbständig  gestaltet,  indem  er  das  eine  Thor  den  wirklichen 
Schatten  der  Toten  vorbehielt  im  Gegensatz  zu  den  Träumen;  daher 
heißt  es  auch  nicht  Thor  der  Träume  VI  893  (Ribbeck  hält  übrigens 
in  der  2.  Auflage  893 — 896  für  interpoliert).  Die  wirklichen  Schatten 
haben  bei  Vergil  durchweg  die  Bedeutung  eines  Orakels,  wenn  sie  den 
Lebenden  erscheinen.  So  ist  auch  die  'urabra'  in  der  Drohung  der  Dido 
kein  wirklicher  Schatten,  sondern  nur  ein  Plagegeist  (cf.  Hör.  epod.  V  91), 
wie  das  'et  haec  raanis  veniet  mihi  fama  sub  imos'  beweist,  das  doch 
Didos  Schatten  selber  in  der  Unterwelt  voraussetzt.  Die  IV  384  voraus- 
gehenden Worte  deutet  M.  in  dem  Zusammenhang  nicht  ohne  Geschick, 
indem  er  in  'sequar  atris  ignibus'  einen  Hinweis  auf  den  Selbstmord 
sieht,  also  'atris  ignibus'  als  abl.  Instrument,  für  'rogo'  faßt,  so  daß 
sich  Vers  385  gut  anschließt.  Es  würde  passen,  daß  die  unglückliche 
Dido  dem  Treulosen  zuletzt  damit  droht,  sich  das  Leben  zu  nehmen, 
obwohl  dadurch  die  Verwünschungen  gegen  Aneas  etwas  unterbrochen 
werden  und  gegen  die  Auffassung  der  Trennung  des  eigentlichen  Schattens 
und  des  Quälgeistes  das  'adero'  zu  sprechen  scheint.  Die  eigentlichen 
Schatten,  so  führt  M.  aus,  gehen  freiwillig,  (daher  facilis  datnr  exitus), 
die  feindseligen,  wie  Träume  und  andere  Plagegeister,  auf  Geheiß. 
Wenn  Äneas  durch  das  Elfenbeinthor  geht,  so  bedeutet  das  nach  K, 
daß  er  genau  auf  demselben  Wege  zurückkehrt,  wie  er  gekommen 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft  Bd.  LXXXXVII.    (1898,  II.)     12 


178  Jahresbericht  über  Vergil  1892—1896.    (Helm.) 

Allerdings,  ob  man  das  'bis'  in  Vers  133  ff.  als  Argument  dafür  heran- 
ziehen und  das  zweite  Mal  in  dem  Rückweg  sehen  kann,  ist  doch  zum 
mindesten  sehr  unsicher. 

c)    Einzelnes   zur  An  eis. 

Gegen  Kvicalas  neueste  Beiträge  richtet  sich  der  sorgfältige  Auf- 
satz von  Kloucek,  Vergiliana  in  den  Symbolae  Pragenses  Festg. 
der  deutsch.  Gesellsch.  für  Altertumsk.  in  Prag  zu  der  42.  Versammlung 
deutsch.  Philolog.  in  Wien,  Prag- Wien— Leipzig  1893  S.  74—81. 
Kvicalas  Vermutungen  werden  mit  großem  Geschick  widerlegt  und  die 
Überlieferung  verteidigt,  so  der  zweite  Bedingungssatz  II  95.  Durch 
die  beigebrachten  Beispiele  ist  die  Arbeit  ein  trefflicher  Beitrag  zum 
Verständnis  Vergils.  Mit  seinen  Ansichten  stimmt  auch  J.  H.  Schmalz, 
Zeitschr.  f.  d.  österr.  Gymn.  44  (1893)  S.  1067—1069  überein : 
nur  über  I  239  ergiebt  sich  eine  Meinungsverschiedenheit:  'fatis  contraria 
fata  rependens';  nach  Kvicala  ist  'fatis' Dativ  abhängig  von  'contraria' 
und  'rependens'  heißt  'erwägend',  Kloucek  faßt  'fatis'  als  Dativ  abhängig 
von  'rependens',  das  statt  mit  Acc.  und  Abi.  mit  Dativ  und  Acc.  ver- 
bunden sei  in  einer  bei  Vergil  beliebten  Vertauschung;  Schmalz  hält 
'fatis'  für  den  Ablativ  und  übersetzt:  'indem  ich  das  ungünstige  Geschick 
durch  die  (günstigen)  Verheißungen  aufwog'. 

An.  I  393—400  bespricht  A.  E.  Housman,  transactions  of 
the  Cambridge  philological  society  vol.  III  part.  V  S.  239 — 241. 
Den  Widerspruch,  der  in  dem  Gleichnis  der  Schwäne  und  den  verglichenen 
Schiffen  liegt,  sucht  er  zu  tilgen,  indem  er  v.  395  für  'terras'  'Stellas' 
einsetzt.  Die  in  dem  'Stellas  despectare'  liegende  Übertreibung  wird 
durch  andere  Beispiele  etwas  übertriebener  Anwendung  der  Sterne  er- 
läutert. Anders  konjiziert  Meißner,  Jahrb.  f.  Phil.  1894  S.  178: 
'captis  iam  respirare  videntur.' 

An.  1162  schlägt  P.  R.  Müller,  Jahrb.  f.  Phil.  1895  S.  416 
vor:  'seu  perstare  dolo'.  Aber  die  Überlieferung  ist  tadellos:  Sinon  ist  zu 
beidem  bereit,  entweder  seine  List  anzubringen,  wenn  die  Troer  milde 
sind,  oder  zu  sterben,  wenn  sie  grausam  sind. 

n  117  wünscht  E.  Schulze,  Jahrb.  f.  Phil.  1894  S.  25  statt 
'venistis'  mit  Vergleichuug  von  I  158  vertistis  zu  lesen,  um  das  cum 
primum  zu  erklären.     II  174  wird  'ipsa'  als  'von  selbst'  erklärt. 

n  431 — 4.34  verteidigt  L.  Müller,  Berl.  phil.  Wochenschr. 
1894  Sp.  732  die  Verbindung  'vices  Danaum'  als  die  richtige,  die  nicht 
durch  ein  Komma  gestört  werden  dürfe,  und  vergleicht  'fata  deum'. 
'vulnere  Ulixi',  'poenas  Danaum'. 

n  567—588  s.  S.   174. 

An.  III  509—511  Simpson,  Class.  rev.  1892  S.  366b  verteidigt 


Jahresbericht  über  Vergil  1892—1890.    (Helm.)  179 

Vergil  gegen  Coningtoiis  Vorwurf,  das  'sortiti  lemos'  habe  keinen  Sinn, 
wenn  die  Troer  Halt  machen;  er  entnimmt  aus  den  foL-^enden  Versen 
die  Absicht  einer  nächtlichen  Weiterfahrt,  für  die  eine  solclie  Vorbereitung 
nützlich  war.     Ihm  stimmt  Page  bei  S.  414b. 

III  682  ff.  sucht  Friedrich,  Jahrb.  f.  Phil.  1894  S.  349  die 
Überlieferung  zu  erklären.     Die  Erklärung  ist  mangelhaft. 

An.  IV  436  erklärt  richtig  Ehwald,  Philolog.  LIV  370— 380: 
'Wenn  du  mir  den  Gefallen  thust,  werde  ich  ihn  <Iir  im  Tode  in  reichem 
Maße  vergelten.'  Zugleich  aber  soll  noch  ein  Doppelsinn  darin  liegen 
mit  Bezug  auf  Aneas:  'Wenn  du  mir  den  Gefallen  thust,  dann  soll 
mein  Tod  ihn  reichlich  belohnen.'  In  dieser  Amphibolie  erkennt  E. 
'schneidenden  Hohn'.  Jedenfalls  ist  dieser  Doppelsinn  sehr  gesucht, 
und  wer  'dederis'  liest,  wird  schwerlich  die  nächsten  Worte  auf  Aneas 
beziehen  mögen.  Die  für  die  Verbindung  'morte  cnmulare',  die  bei  der 
zweiten  Auffassung  zu  gründe  liegt,  aus  der  Octavia  herangezogenen 
Beispiele  v.  96,  903  passen  nicht. 

IV  484  wird  von  Herzog,  Herm.  XXIX  S.  625  an  seiner  Stelle 
verteidigt,  da  die  ixeXtxToyta  als  eine  Art  TreXavo;  von  Stengel  ebend. 
S.  281  ff.  nachgewiesen  ist.  Dasselbe  Opferfutter  wird  auch  An.  VI 
417  ff.  dem  Cerberus  gereicht. 

An.  V  359 — 360  Das  'Neptuno  sacro  Danais  de  poste  refixum" 
erkärt  Page  Class  rev.  1894  S.  300.  Der  Schild  soll  durch  den 
Zusatz  einen  besonderen  Wert  erhalten;  es  darf  also  nicht  an  traurige 
Ereignisse  erinnert  werden  wie  an  einen  Raub  durch  die  Griechen 
(vgl.  die  Erklärung  von  Deuticke).  Page  vermutet,  der  Schild  ist  von 
den  Griechen  von  einem  griechischen  Tempel  genommen  und  von  Aneas 
im  Kampfe  mit  dem  Krieger  gewonnen,  der  ihn  trug.  Zum  Vergleich 
wird  III  286  herangezogen,  wo  ein  den  Griechen  abgenommener  Schild 
'magni  gestamen  Abantis'  genannt  wird.  Da  wir  nur  einen  alten  König 
in  Argos  des  Namens  kennen,  dessen  Schild  im  Tempel  der  Juno  auf- 
bewahrt wurde,  so  kann  man  annehmen,  daß  ihn  ein  vornehmer  Grieche 
trug,  um  des  besonderen  Schutzes  der  Gottheit  gewiß  zu  sein.  Dei 
gleiche  Anlaß  würde  V  360  vorliegen. 

Mehrere  Stellen  der  Äneis  bespricht  Reicheuhart'),  Zeitschr. 
f.  österr.  Gymn.  1892.  Bemerkenswert  ist  die  Erklärung  des  Ver- 
hältnisses von  Dido  und  Sychaeus  in  der  Unterwelt.  Dido  kehrt  VI 
472  ff.  nicht  zu  ihrem  ersten  Gatten  zurück,  um  sich  bei  ihm  zu  trösten; 
sondern  Sychaeus  empfindet  eben  solche  Schmerzen  über  die  ihm  untren 
gewordene  Gattin  wie  sie  um  den  treulosen  Aneas. 

*)  Da  die  Arbeit  im  letzten  Bericht  nicht  aus  eigener  Anschauung 

vom  Rezensenten   beurteilt   werden   konnte   und   darum   nur   erwähnt  ist, 

trage  ich  das  Wichtige  hier  nach. 

12* 


180  Jahresbericht  über  Vergil  1802- 1896.     (Helm.) 

Ein  Kompliment  gegen  Varius  sieht  Norden,  Hermes  XXVIII 
S.  514  ff.  in  den  Versen  des  6.  Buches  der  Äneis  621—622.  Varius 
hatte  in  dem  Gedicht  'de  morte'  mit  geringen  Veränderungen  nach 
Macrob.  IV,  11  dieselben  Verse  geschrieben  und  zwar,  wie  aus  Servius 
zu  V.  622  folgt,  mit  Beziehung  auf  Antonius.  Vers  623  bezieht  sich 
auf  Thyestes;  vielleicht  wollte  Vergil  auch  dadurch  an  Varius  und 
sein  Drama  Thyestes  erinnern. 

An.  VI  602—607  behandelt  Cartault,  Rev.  de  phil.  1896  S.  151 
—  154.  Er  wendet  sich  gegen  Havets  Umstellung  der  Verse  616 — 620 
nach  601,  da  dadurch  eine  Lücke  hinter  615  entstände,  d.  h.  das  'quam 
poenam'  keine  Antwort  fände.  C.  schlägt  seinerseits  vor  602 — 607  hinter 
620  zu  setzen,  da  Valerius  Flaccus  II  192  und  Statins  Theb.  I  713  sie 
dort  gelesen  zu  haben  scheinen;  denn  beide  schreiben  die  Strafe  dem 
Phlegyas,  Valerius  auch  noch  dem  Theseus  zu,  was  sich  erklärt,  wenn 
die  beiden  Lesarten  'quo'  und  'quos  super'  schon  damals  vorhanden 
waren.  Bei  dieser  Umstellung  hätten  wir  zwei  vollständige  Reihen 
depselben  Inhalts:  580  —  601  Martern  der  mythologischen  Helden,  608 
— 614  gewöhnliche  Verbrecher,  ebenso  616—620  und  602 — 607  mytho- 
logische Helden,  621  —  624  Aufzählung  der  gewöhnlichen  Verbrechen. 
Vergil  arbeitete  nicht  in  einem  Zug.  Auch  die  Aufzählung  der  künftigen 
Generationen  ist  in  einem  dreifachen  Entwurf  niedergeschrieben,  760 — 
807,  808 — 835,  836 — 853.  Der  Beweis  hat  etwas  Bestechendes;  aber 
602  paßt  hinter  620  doch  sehr  schlecht,  da  die  Mahnung  des  Gemarterten 
besser  am  Schluß  der  Schilderung  seiner  Marter  stehen  würde.  Wenn 
Statins  und  Valerius  die  Marter  auf  Phlegyas  bezogen,  so  ist  es  doch 
noch  nicht  zweifellos,  daß  sie  sie  auch  hinter  Vers  620  lasen.  Da  eine 
Unfertigkeit  sich  auch  bei  der  Umstellung  in  der  doppelten  Ausführung 
desselben  Stoffes  zu  zeigen  scheint,  so  ist  es  geratener,  die  Verse  stehen 
zu  lassen. 

Daß  sie  schon  Ambrosius  de  bono  mortis  VII  33  in  der  uns  er- 
haltenen Gestalt  hatte,  zeigt  Schenkl.  Wien.  Stud.  XVI  336  f.; 
Ambrosius  faßte  sie  offenbar  allgemein  auf. 

An.  VI  763  will  Ussani  ('due  luoghi  di  Verg.  spiegati 
cf.  S.  168)  das  'tua  postuma  proles'  erklären,  indem  er  'tibi  longaevo 
serum'  als  Parenthese  faßt. 

Zu  VI  800  macht  Lumbroso,  Atti  della  R.  Accademia  dei 
Lincei  1895  S.  521  f.  eine  überflüssige  Konjektur;  er  schägt  'tepida  ostia 
Nili'  statt  'trepida'  vor,  indem  er  zahlreiche  Stellen  für  'tepidus  Nilus'  bei- 
bringt. Aber  dem  'horrent'  v.  799  entspricht  durchaus  gut  das  'trepida'. 
An.  Vn  497  nimmt  Weiske,  Philol.  LIV  355  Anstoß  an  den 
Worten:  'nee  dextrae  erranti  deus  afuit';  das  'errare'  scheint  nicht  zu 
der  Sicherheit  zu  stimmen,  mit  der  Askanius  wenige  Tage  später  (XI 592) 


Jahresbericht  über  Vergil  1892—1896.    (Helm.)  181 

den  Bogen  handhabt.  Die  Stelle  erklärt  sich  aber,  wenn  man  das 
Partizip  ebenso  wie  das  verbum  finitum  als  negiert  auffaßt. 

VII  378  ff.  schließt  W.  aus  dem  Staunen  über  den  Kreisel,  daß 
das  Spiel  erst  damals  nach  Rom  gekommen  sei. 

VII  8  erklärt  Duvau.  Revue  de  phil.  XVHI  (1894)  S.  242  f. 
das  'adspirant  aurae  in  noctem'  durch  Heranziehung  von  Lucrez  VI  712 
(in  aestatem  ^-  ä  mesure  que  Tete  s'avance),  so  daß  'in  noctem'  so  viel 
wird  wie  'mit  der  Nacht';  der  Wind  erhebt  sich,  wenn  sie  beginnt,  und 
legt  sich  bei  Tagesanbruch;  darum  Vers  27:  'cum  venti  posuere'. 

Zu  IX  679  schlägt  Havet,  Academie  des  Inscriptions 
Comptes  rendus  1896  S.  9  statt  des  metrisch  und  dem  Sinn  nach 
unmöglichen  'liquentia  flumina'  'Liquetia  flumina'  vor,  was  die  Livenza  be- 
zeichnen soll,  so  daß  Vergil  hintereinander  drei  benachbarte  Flüsse 
nannte,  Livenza,  Etsch  und  Po;  er  bringt  also  die  Erklärung  des  Servius 
zu  Ehren. 

V.     Vergilkommentare. 

Über  den  Probuskommentar  hat  der  leider  über  der  Arbeit  ge- 
storbene Thilo  einen  nicht  vollendeten  Aufsatz  hinterlassen,  den  Sam. 
Brandt,  Fleckeisens  Jb.  f.  klass.  Phil.  1894  S.  289  ff.  heraus- 
gegeben hat.  Die  Frage  war  die  oft  behandelte,  aber  immer  noch 
strittige:  Sind  in  dem  zuletzt  von  Keil  herausgegebenen  Kommentar 
unter  dem  Namen  des  Probus  wirklich  Spuren  des  Berytiers  vorhanden? 
Jahn,  Ribbeck  u.  a.  nahmen  es  an,  Riese  und  Kubier  haben  es  ge- 
leugnet. Thilo  stellt  sich  auf  die  Seite  dieser.  Er  prüft  für  sich  die 
Einleitung  und  den  Kommentar.  Nur  der  erste  Teil  ist  vollständig.  Im 
Leben  des  Vergil  finden  sich  mannigfache  Irrtümer,  so  wenn  Andes 
30  Milien  von  Mantua  entfernt  genannt  wird,  das  nach  Th.s  Vermutung 
nur  etwa  3  Milien  von  der  Stadt  ablag.  Unrecht  scheint;  der  Verf.  des 
Kommentars  zu  haben,  wenn  er  den  Proculus  einen  jüngeren  Bruder 
des  Vergil  nennt,  da  er  vielmehr  ein  älterer  Stiefbruder  gewesen  sein 
muß  nach  Suetons  Bemerkung  und  dem  Berner  Scholiou  zu  Ekl.  V  22. 
Die  ganze  Vita  geht  nach  Th.  auf  die  vita  Suetons  in  der  Redaktion 
des  Älius  Donatus  zurück;  der  Verf.  hat  nur  nach  dem  Gedächtnis 
niedergeschrieben.  Daß  er  Afrikaner  gewesen  sein  könne,  vermutet  Th. 
aus  dem  Ausdi'uck:  vico  Andico.  Der  Bericht  über  die  bukolische 
Poesie  bietet  an  einigen  Stellen  sogar  mehr  als  der  griechische  Scholiast; 
er  kann  noch  einem  Grammatiker  der  besseren  Zeit  angehören,  ohne 
daß  man  an  den  Berytier  denken  könnte.  Der  Abschnitt  über  die  Sprache 
und  den  Vers'Vergils  ist  sehr  kurz,  aber  einzelnes  offenbar  unverändert 
dem  Original  entnommen;  auch  hier  glaubt  Th.,  afrikanische  Ausdrucks- 
weise   zu  erkennen.     In  der  Besprechung  der  Anlässe,    die  Vergil  zur 


182  Jahresbericht  über  Vergil  1 892  — 1896.     (Uelm.) 

bukolischeu  Dichtung  führten,  wimmelt  es  von  Irrtümern  und  Urteils- 
losigkeiten, wie  sie  einem  älteren  Grammatiker  nicht  zuzutrauen  sind. 
Das  Resultat  ist:  Es  kann  keine  Rede  sein,  dal.!  die  Einleitung  des 
Probus  von  einem  als  Ganzes  verfaßt  und  später  durch  Verkürzung  in 
die  vorliegende  Form  gebracht  sei;  vielmehr  hat  ein  Grammatiker 
späterer  Zeit,  frühestens  in  der  2.  Hälfte  des  5.  Jahrhunderts,  aus  ganz 
verschiedenen  Zeiten  stammende  Darlegungen  zusammengestellt.  Die 
Prüfung  der  Schollen  selber  ist  von  Th.  nur  zum  Teil  durchgeführt. 
Die  ausführliche  Besprechung  über  die  Anzahl  der  Elemente  bei  Vergil 
bietet  aber  Grund  zu  demselben  Schluß;  höchstens  könnte  einiges  auf 
mündliche  Erörterungen  des  Probus  zurückgehen. 

Über  den  rhetorischen  Kommentar  des  Tib.  Claudius  Donatus 
handelt  Georgii,  indem  er  einen  Nachtrag  zu  seinem  Buch:  'Antike 
Aneiskritik'  giebt,  Donat  hat  vielleicht  aus  Servius  geschöpft,  aber 
sicher  nicht  aus  dem  Danielinus.  Doch  besaß  er  auch  noch  andere 
Quellen,  aus  denen  er  Kritiken  entnahm.  Im  Aufsuchen  dieser  quaestiones 
scheint  der  Verf.  oft  zu  scharfsinnig  zu  sein.  Von  Wert  ist  die  Cha- 
rakterisierung des  Donat,  der  Mißverständnisse  enthält  und  einen  mangel- 
haften Text  hatte. 

In  einer  Serviusstelle  zu  Aneis  VI  760  emendiert  Trieb  er, 
Hermes  XXIX  124  ein  Catocitat  mit  Heranziehung  von  An.  VI  769, 
indem  er  statt  'Ascanius'  'Äneas'  einsetzt.  Vergil  spielt  dort  auf  Thron- 
streitigkeiten an  zwischen  Silvius  und  lulus,  die  zur  Verherrlichung  der 
iulischen  Dynastie  erfunden  sind. 

Einen  Beitrag  zum  Studium  des  Serviuskomraentars  giebt  Steele, 
On  the  archaisms  noted  by  Servius,  Americ.  Journ.  ofphilol. 
1894  S.  164—193.  Äußerlich  unterscheidet  sich  Servius  von  dem  SchoL 
Daniel,  dadurch,  daß  er  die  Bezeichnung  'antiqui'  bevorzugt,  dieser 
'veteres'.  In  der  Sache  ist  der  Schol.  Daniel,  genauer,  da  er  bestimmte 
Beispiele  angiebt,  während  Servius  sich  allgemein  ausdrückt.  Mit  jenem 
läßt  sich  der  Horazkommentar  des  Porphyrie  vergleichen.  Auch  der 
Donatkommentar  zu  Tereuz  wird  zur  Vergleichung  herangezogen;  Vergil 
ist  hier  Gewährsmann  für  die  meisten  Archaismen.  Selten  werden  bei 
Donat  Archaismen  erwähnt,  die  nicht  im  Servius  oder  Schol.  Daniel, 
ständen,  dagegen  bei  diesen  23  solcher  Bemerkungen  mehr  als  bei  jenem. 
Immer  zeigt  der  Schol.  Danielinus  die  größere  Neigung,  archaische  Aus- 
drücke zu  finden.  Servius  kommentiert  mehr  die  Formen,  der  andere 
die  Bedeutung.  Eine  eingehende  Aufzählung  der  Archaismen  bildet  den 
Hauptbestandteil  der  Arbeit;  sie  werden  gegliedert  in  Buchstabenände- 
rungen, Nomina  nach  Kasus,  Genus  und  Bedeutung,  Pronomina  und 
Adjektiva,  Partikel  und  Präpositionen,  Verben,  Tropen  und  Figuren. 
Den  Schluß    bilden    die    28  nova  dicta,    die  Servius  bei  Vergil  findet. 


I 


Jabiesbericht  über  Vergil  1892-1896.    (Helm.)  183 

Eine  kurze  Bemerkung  über  die  'neoterici'  bei  Servius  wird  angefügt; 
gemeint  sind  Persius,  Juvenal,  Lucan,  also  augenscheinlich  alle  nach 
Vergil. 

Klotz,  auimadversiones  ad  veteres  Vergilii  interpretes 
(Progr.  Treptow  a.  R.  1893)  sammelt  die  Stellen,  an  denen  Servius 
sich  auf  eine  frühere  Stelle  zurückbezieht.  Wenn  sich  Citatc  nicht 
finden,  so  kann  das  auch  au  der  Nachlässigkeit  des  Kommentators 
liegen,  da  sich  auch  offenbare  Irrtümer  finden,  z.  B.  wenn  Vitruv  oder 
Apollonios  etwas  zugeschrieben  wird,  was  sich  bei  ihnen  nicht  findet. 
Der  Verf.  meint,  dal.!  auch  dadurch  Irrtümer  entstanden,  daß  die  Er- 
klärer griechische  Scholien  benutzten,  und  was  in  ihnen  stand,  nach- 
lässig dem  Dichter  selber  zuschrieben.  Im  einzelnen  wird  durch  die 
Einleitung  über  die  bukolische  Poesie  wie  ein  paar  Stellen  nachge- 
wiesen, daß  die  Vergilinterpreten  Theokritscholieu  heranzogen. 

Die  Verwandlungssagen  in  den  Vergilkommentaren  hat  Leuschke 
einer  eingehenden  Untersuchung  unterzogen  in  seiner  Dissertation  de 
metamorphos.  in  scholiis  Verg.  fabulis  diss.  Marb.  Grera  1896. 
Die  vorgebrachten  Metamorphosen  haben  au  und  für  sich  nichts  mit  der 
Erklärung  Vergils  zu  thun,  sondern  sie  werden  gelegentlich  angeführt, 
meist  mit  der  Einleitung:  tabula  talis  est.  Diese  Sagenberichte  gehen 
bei  Probus,  Servius,  dem  Interpolator  des  Servius  und  dem  Berner 
Scholiasten  auf  eine  Quelle  zurück,  nämlich  einen  großen  Vergilkom- 
mentar:  auch  dieser  hat  die  f^rzählungen  schon  aus  einer  einheitlichen 
Quelle  geschöpft,  wie  aus  dem  gleichen  Ausdruck,  der  gleichen  Form 
zu  erschließen  ist.  Dies  Kompendium  w'ar  von  einem  gelehrten  Griechen 
zusammengesetzt  (cf.  Kuaack,  Anal.  Alexandrin o-Romana  p.  8,  10). 
Ausführlich  wird  das  Verhältnis  dieses  Kompendiums  zu  Ovid  be- 
sprochen. Unter  den  Ovidcitaten  in  den  Kommentaren  sind  mehrere 
falsch,  ein  Beweis,  daß  Ovid  nicht  selbst  als  Quelle  gedient  hat.  Es 
müssen  also  solche  mit  Ovid  übereinstimmenden  Stellen  schon  in  dem 
Kompendium  gestanden  haben.  Ahnliche  Erzählungen,  die  aber  nicht 
auf  Ovid  zurückzuführen  sind,  gehen  auf  eine  Sammlung  zurück,  die 
Ovid  wie  der  Schreiber  des  Kompendiums  benutzt  haben,  oder  sie  stehen 
in  keinem  Zusammenhang  mit  Ovid,  sondern  haben  naturgemäß  nur  die 
gleiche  Gestalt  der  Sage.  Die  einzelnen  Klassen,  die  sich  so  auffinden 
lassen  unter  den  verschiedenen  Erzählungen,  werden  sorgfältig  ge- 
schieden. 

Florian  Weigel,  Die  quaestiones  Vergilianae  des  Ami- 
lius  Asper  im  Palimpsest  der  Pariser  Nationalbibliothek 
Serta  Harteliana  1896  S.  129 — 133  bringt  eine  Reihe  von  Ver- 
besserungen des  bei  Keil  im  Probuskommentar  abgedruckten  Asper  nach 
erneuter  Untersuchung  der  Handschrift.     Es  zeigt  sich,  daß  auch  über 


184  Jahresbericht  über  Vcrgil  1892—1896.     (Helm.) 

Ohatelain,  Rev.  de  phil.  X  (1886)  hinaus  noch  Spuren  des  Palimpsestes 
zu  entziffern  sind.  Für  Ergtinzung:  des  nur  zum  Teil  Lesbaren  leistete 
Servius  gute  Dienste,  der  ja  den  Asper  als  Ilauptquelle  benutzt  hat. 

VI.     Kleinere  Gedichte  und  Pseudovergiliana. 

Ätna. 

Gegen  Waglers  Nachweis,  daß  das  Gyraldinische  Fragment  allein 
die  richtigen  Lesarten  bringe  (vgl.  die  Ausgabe  von  Sudhaus  1898), 
sucht  Alzinger,  Jahrb.  f.  Phil.  189G  S.  845  ff.  zu  erhärten,  daß  G. 
kein  Vertrauen  verdiene,  sondern  nur  Konjekturen  enthalte,  wie  sie  sich 
auch  in  den  Arbeiten  heutiger  Textkritiker  finden,  d.  h.  gute  und 
schlechte  nebeneinander.  Als  beste  Quelle  müsse  er  ausgespielt  haben 
und  der  Text  sei  auf  dem  Cantabrigiensis  und  dem  Fragmentum  Sta- 
bulense  aufzubauen. 

Cataleptou. 

Gedicht  VIII  giebt  0.  E.  Schmidt,  Philolog.  LI  S.  211  in 
deutscher  Übersetzung  im  Versmaß  des  Originals.  Er  spricht  es  dem 
Vergil  ab  und  sieht  darin  eine  politische  Satire  auf  P.  Ventidius  Bassus 
mit  Vergleichung  von  Cic.  ep.  X  18,  3  (Ventidii  mulionis)  und 
Gellius  XV  4. 

Auf  catalepton  V  (XIII)  9  bezieht  von  Winter feld,  Phi- 
lolog. LV  S.  189  das  Citat  de  dubiis  nomin.  p.  93,  1,  einen  Nomi- 
nativ 'parsimonium'  bei  Vergil  betreffend.  Allerdings  findet  sich  auch 
dort  nar  'parsimonia'  im  Singular,  aber  durch  die  Umgebung  wird  die 
Vermutung  nahe  gelegt,  es  könne  für  ein  Neutrum  pluralis  gehalten 
sei;  dann  muß  der  Schreiber  das  Gedicht  für  vergilianisch  gehalten 
haben. 

Ciris. 

Ganzenmüller,  Beiträge  zur  Ciris  Jahrb.  f.  Phil.  Suppl. 
XX  553 — 657  stellt  die  nachgeahmten  Dichter  und  Stellen  Vers  für 
Vers  zusammen  und  sucht  dabei  den  Beweis  zu  bringen,  daß  in  der 
Ciris  auch  Ovid  nachgeahmt  ist.  So  schwer  auch  das  Urteil  ist,  inwie- 
weit man  aus  Wortanklängen  auf  Abhängigkeit  des  einen  Dichters  vom 
anderen  zu  schließen  hat,  weil  die  Verse  selbst  bestimmte  Worte  an 
bestimmter  Stelle  geradezu  fordern  (der  Verf.  giebt  selbst  S.  645  ff. 
ein  Verzeichnis  solcher  Wiederholungen  aus  der  Ciris),  so  scheint  es 
doch,  als  sei  in  der  That  die  Bekanntschaft  des  Dichters  der  Ciris  mit 
Ovid  erwiesen.    Ähnlichkeiten  wie 

V.  209  furtim  tacito  .  .  .211  tenuem  aera  captat 
tum  suspensa  levans  digüis  vestigia  primis 
und  Ovid  fast.  I  245/246  animamque  tenens  vestigia  furtim 
suspenso  digitis  fert  tadturna  gradu 


Jahresbericht  über  Vergil  1892— 189G.    (Helm.)  185 

gehen  über  das  Maß  dessen  hinaus,  was  durch  Zufall  wegen  des  gleichen 
Stoffes  übereinstimmt.  Weniger  wahrscheinlich  ist  die  Nachahmung  des 
Manilius,  aus  dessen  5.  Buche  der  Verf.  einige  Anklänge  gefunden  zu 
haben  glaubt.  Auf  jeden  Fall  würde  die  Bekanntschaft  mit  den  Werken 
Ovids  uns  zwingen,  das  Gedicht  in  die  Zeit  des  Tiberius  zu  setzen. 
Eine  Untersuchung  der  Metrik  ergiebt,  daß  sie  nichts  enthält,  was  die 
Abfassung  des  Gedichtes  nach  dem  Tode  Ovids  anzunehmen  hindert. 
Der  große  Einfluli  Catulls,  der  sich  z.  B.  in  den  häufigen  Spondiaei 
zeigt,  erklärt  sich  besonders  dadurch,  daß  der  Verfasser  schon  in  seiner 
Jugend  den  Entwurf  gemacht  hat  (v.  44/45).  Daher  auch  die  besonders 
große  Wirkung  Vergils,  während  bei  der  endgültigen  Ausarbeitung  die 
Spuren  Ovids  sich  deutlich  zeigen.  Der  Messulla  könnte  der  Konsul  des 
Jahres  20  n.  Chr.  sein,  der  bei  Tac.  Ann.  III  2  erwähnt  wird.  Eine 
Charakteristik  des  Verfassers  und  seiner  Sprache  mit  ihren  etwas  schwer- 
fälligen Perioden  und  vielen  Wiederholungen  führt  zu  dem  Urteil,  daß 
wir  Originalität  und  poetische  Schöpfuugskraft  ganz  vermissen.  Das 
letzte  Kapitel  sucht  die  Bekanntschaft  der  späteren  Dichter  mit  der 
Ciiüs  festzustellen;  die  Mittel  dazu  sind  gering.  Eine  Anzahl  von  text- 
kritischen Bemerkungen  zu  der  Ciris  unterbricht  die  Zusammenstellung 
der  in  ihr  vorhandenen  Anklänge  an  andere  Dichter. 

Eine  Anzahl  textkritischer  Beobachtungen  als  Ergänzung  zu  seiner 
Textausgabe  im  Vergil  von  Haigh  veröffentlicht  Ellis,  Americ.  Journ. 
of  phil.  1894  S.  469 — 494.  Auf  dem  schlüpfrigen  Boden,  auf  dem  sich 
diese  Vermutungen  bewegen,  wird  man  kaum  zu  einem  sicheren  Besultat 
kommen.  Anregend  sind  die  Besprechungen  auf  jeden  Fall,  auch  wo 
sie  zum  Widerspruch  reizen.  So  47 :  exordia  mollis,  wo  moUis  sich  mit 
irapia  schlecht  verträgt,  48  exterrita  templi,  was  sehr  schön  durch 
141  ff.  erklärt  wird,  aber  doch  zu  der  Verwandlung  der  Scj'lla  nicht 
den  geeigneten  Grund  angiebt.  57  wird  im  Anschluß  an  Haupts  Ver- 
besserung vorgeschlagen:  'Scyllaeum  monstro  saxum  infestante  uocari', 
was  nicht  unmöglich  wäre.  Geistreich  ist  die  unsichere,  aber  mit  ge- 
höriger Zurückhaltung  vorgebrachte  Konjektur  67:  glanyaena,  ein  neues 
aus  Aristot.  bist.  an.  VIII  5  gebildetes  Wort.  Bemerkenswert  ist  auch 
die  Besprechung  der  vielumstrittenen  Worte  v.  88:  docta  Palaepaphiae 
testatur  voce  Pachynus.  Zum  Schluß  widmet  Ellis  der  Abfassungszeit 
der  Ciris  ein  paar  Zeilen  im  Gegensatz  zu  Ganzenmüller;  ihm  scheint 
der  Seekrieg  zwischen  Sext.  Pompejus  und  den  Triumvirn  38—36  v.  Chr., 
der  sich  an  der  Küste  Siciliens  abspielte,  den  Anlaß  zu  der  Konzeption 
des  Gedichtes  gegeben  zu  haben.  Für  die  Ausführung  bilden  Vergils 
Werke  und  zwar  auch  die  Aneis  einen  terminus  post  quem,  da  aus  ihnen 
sehr  viel  entlehnt  ist.  Dagegen  soll  Ovids  8.  Buch  der  Metamorphosen 
und    die  Anspielung   in  der  Ibis  später  verfaßt  sein,    als  das  Gedicht 


186  Jahresbericht  über  Vergil  1892—1896.    (Helm.) 

schou  allgemein  bekannt  war.  Eine  Eigentümlichkeit  im  Versbau  zeigt 
der  häufige  Schluß  wie  'ho|nore  uo|lumen',  bei  dem  der  4.  und  5.  Vers- 
fuß durch  einen  Daktylus  so  gebildet  sind,  daß  mit  der  2.  Kürze  ein 
dreisilbiges  Wort  anfängt.  Diese  Eigentümlichkeit,  meint  Ellis,  sei  so 
mit  der  Scj'llalegende  verschmolzen,  daß  auch  Ovid  sie  dann  nachahmte 
metam.  VIII  86,  91,  124,  151. 

Culex. 

Nachdem  Postgate  bei  der  Rezension  des  Culex  von  Leo  (Class. 
rev.  1892  S.  113)  auf  den  Maugel  hingewiesen,  daß  die  von  Ellis  ent- 
deckte Handschrift  der  Bibliotheca  Corsini  nicht  benutzt  sei,  hielt  Ellis 
es  für  geboten,  seine  Kollation  zu  veröffentlichen  Class.  rev.  1892 
S.  203 — 205.  Die  Handschrift  enthält  an  einigen  Stellen  die  richtigen 
Lesarten;  so  z.  B.  v.  15  Asterie,  155  leuiter,  312  Ida  faces  altrix  cu- 
pidis  praebebat  alumnis  oder  die  der  richtigen  am  nächsten  stehenden 
wie  Vers  357  und  380;  außerdem  sind  ihre  Lesarten  wiederholt  min- 
destens der  Beachtung  wert,  z.  B.  v.  143  accedunt,  v.  122  feras  (^  fetas? 
Ellis),  216  vidi  et  flagrantia,  217  coUucent,  236  inscendere  caelum  u.  s.  w. 
Man  wird  danach  Ellis  zugeben  müssen,  daß  keine  Ausgabe  abschließend 
sein  kann,  die  nicht  auf  den  codex  Corsiniauus  Rücksicht  nimmt. 

Das  giebt  auch  Leo,  Herrn.  XXVII  308 — 311  zu,  wo  er  das 
Verhältnis  der  corsinischen  Handschrift  zu  den  anderen  prüft.  Er  stellt 
fest,  daß  sie  aus  einer  alten  Vorlage  stammt,  nicht  interpoliert  ist  und 
zu  der  Überlieferung  gehört,  deren  ältester  Vertreter  der  Bembinus  ist. 
Hier  und  da  steht  sie  der  ursprünglichen  Lesart  am  nächsten.  Danach 
geben  sie  und  der  Bembinus  zusammen  die  Überlieferung,  wo  sie  aus- 
einander gehen,  'spricht  zu  gunsten  von  B  und  seiner  Sippe  die  sorg- 
fältigere Schreibung,  zu  Ungunsten  die  Fassung  von  Vers  357  und  366'. 

Den  Inhalt  des  Culex  und  seine  Vorbilder  bespricht  Maaß, 
Orpheus  S.  224—242.  Parodisch  ausgenutzt  wird  Vergil,  seine  Nekyia 
in  An.  VI,  auch  die  Erzählung  von  Orpheus  in  Georg.  IV.  Auch  die 
orphische  Anschauung  von  der  Reinigung  im  Jenseits  wird  parodiert. 
Schließlich  verspottet  das  Schlußraotiv,  die  Bestattung  der  Mücke  und 
Ehi'ung  durch  ein  Grabpoem,  diese  ganze  Richtung  der  Litteratur.  Daß 
die  Einkleidung  des  Gedichtes  griechischem  Vorbild  entnommen  sei,  hat 
Leo  in  seiner  Ausgabe  des  Culex  vermutet.  Von  der  Hadesbeschreibung 
gilt  das  Gleiche.  Auch  das  Geleit,  das  die  Mücke  bei  ihrer  Ankunft 
erhält,  ist  nichts  Auffälliges,  sondern  vermutlich  der  hellenistischen  Zeit 
entnommen. 

Eine  neue  Theorie  über  den  Culex  stellt  R.  Ellis,  Class.  rev. 
1896  S.  177 — 183  in  sehr  geistreichen  Kombinationen  auf.  Die  Schil- 
derungen, die  uns  dort  gegeben  werden,  führt  er  auf  Epirus  zurück,  wo 


Jahresbericht  über  Vergil   1.s9l>— 1896.    (Helm.)  187 

eiu  Acheron  ebenso  wie  ein  dort  befindliches  Totenorakel  die  Anregung 
zu  einem  solchen  Vorwurf  geben  konnten.  Dort  war  auch  die  Sage  von 
der  Agave  wie  von  Orpheus  und  Eurydice  lokalisiert.  Ja.  Ellis  glaubt 
sogar,  der  Name  der  Begräbnisstätte  der  mit  Agave  in  Verbindung 
stehenden  Cadmus  und  Harmouia,  KuXiy.sc,  den  Athenäus  XI  462b  er- 
wähnt, könne  den  Anlaß  gerade  zu  der  Wahl  des  Titels  uud  des  Haupt- 
helden, der  Mücke,  gegeben  haben.  Nun  hat  Octavius  vor  dem  Tode 
seines  Oheims  44  v.  Chr.  sechs  Monate  in  ApoUonia  zu  seiner  Aus- 
bildung zugebracht;  er  wird  natürlich  auch  die  von  der  Sage  verklärten 
Plätze  besucht  haben.  So  könnte  man  vermuten,  daß  er  der  venerandus 
und  sanctus  puer  ist  und  ihm  zur  Erinnerung  an  die  Zeit  seines  Aufent- 
haltes in  Apollonia  das  Gedicht  gewidmet  sei.  Vergil  soll  den  Culex 
16  Jahre  alt  geschrieben  haben;  aber  Statius  Silv.  11  7,  73  und  Sueton 
vica  Lucani  p.  50  Reitfersch.  machen  26  Jahre  wahrscheinlich.  Da- 
mit kämen  wir  wieder  ins  Jahr  44,  als  Octavius  18 — 19  Jahre  alt 
war,  so  daß  die  Bezeichnung  'divinus  puei"'  möglich  war.  Sollte  nun 
aber  die  Nachahmung  Vergils  sicher  sein,  so  könnte  die  Schlacht  bei 
Aktium,  die  das  Interesse  auf  jene  Gegenden  lenkte,  noch  einmal  die 
Anregung  zu  dem  Gedicht  gegeben  haben.  Dann  könnte  es  allerdings 
erst  nach  29,  ja,  wenn  das  6.  Buch  der  Aneis  zum  Vorbild  gedient 
hat,  was  Ellis  bezweifelt,  nach  19  verfaßt  sein.  All  die  Vermutungen 
sind  auf  außerordentlicher  Gelehi'samkeit  und  großem  Scharfsinn  basiert; 
aber  die  Schlußsätze  zeigen  das  Schwache  an  der  Hypothese.  Denn 
wenn  das  Gedicht  nach  19  verfaßt  wurde,  so  ist  die  Identifikation  des 
Octavius  mit  dem  späteren  Augnstus  undenkbar,  weil  der  Kaiser  nicht 
Octavius  und  nicht  puer  genannt  sein  könnte,  und  die  Versetzung  des 
Lokals  in  die  von  Ellis  beschriebene  Gegend  wird  sehr  zweifelhaft,  weil 
der  naheliegende  Anlaß  fehlt. 

Dirae,  Lydia. 

Eskuche,^)  De  Valerio  Catone  deque  Diris  et  Lydia  carminibus. 
Marburg  1889  diss.  in. 

Reitzenstein,  Festschrift  Theod.  Momrasen  zum  50 jähr.  Doktor- 
jubiläum überreicht.     Marb.   1893. 

Bibbeck,    Antikritische  Streifzüge.     Rh.  Mus.  L.  S.   558 — 565. 

Eskuche  erklärt,  wie  schon  der  Titel  sagt,  Lydia  und  Dirae 
für  Werke  des  Valerius  Cato,  in  dessen  Zeit  die  Behandlung  der  Metrik 
passen  würde.  Diese  wii-d  genau  untersucht  uud  die  Bekanntschaft  mit 
den  Gesetzen  Vergils  geleugnet.    Er  zeigt  ferner,  daß  die  Voraussetzung 


*)  Obwohl  früher  erschienen,  wird  die  Arbeit  im  Zusammenhang  mit- 
besprochen,  weil  sie  in  dem  vorigen  Bericht  fehlt. 


188  Jahresbericht  über  Vergil  1892—1896.    (Uelm.) 

in  den  beiden  Gedichten  eine  ganz  verschiedene  ist,  und  glaubt,  daß  sie 
beide  aus  einem  Cyklus  genommen  seien,  in  dem  sie  dann  auch  das 
Rätselhafte  und  Unverständliche  verlieren  würden.  Da  Sueton  von  Cato 
einen  libellus  'indignatio'  und  einen  anderen,  'Lydia  betitelt,  erwähnt, 
so  vermutet  E.,  daß  beide  mehrere  Lieder  umfaßt  und  die  Dirae  einen 
Teil  des  ersten,  unser  Gedicht  Lydia  einen  Teil  des  zweiten  gebildet 
haben.  Ein  paar  Stellen  des  Catull  sollen  nach  dem  Verf.  beweisen, 
daß  der  Dichter  von  Verona  die  Dirae  und  Lydia  nachgeahmt  hat,  was 
gut  dazu  stimme,  daß  die  beiden  ja  in  einem  persönlichen  Verhältnis 
standen.  Mit  ebenso  schwachen  Beweisgründen  wird  Nachahmung  des 
Lucilius  in  den  beiden  Gedichten  konstatiert,  damit  Suetons  Angabe 
verwertet  werden  kann,  nach  der  Cato  die  Satiren  des  Lucilius  bei 
Philocomus  gelesen  und  studiert  habe.  Den  ersten  Teil  der  Arbeit  füllt 
eine  sorgfältige  textkritische  Behandlung  der  beiden  Gedichte,  hier  und 
da  durch  Bemerkungen  von  Birt  unterstützt,  der  als  Anhang  eine 
Kollation  des  Parisin.  17177  beigegeben  ist.  Es  ist  zweifellos,  daß 
trotz  der  Sorgfalt  manches  unrichtig  ist.  Die  neben  den  lateinischen 
Text  gesetzte  deutsche  Übersetzung  in  Hexametern  könnte  an  vielen 
Stellen  flüssiger  und  schöner  sein. 

Reitzenstein  bemüht  sich  ebenso,  sowohl  den  Text  des  Ge- 
dichtes Dirae  herzustellen,  wie  die  litterarischen  und  Zeitverhältnisse, 
in  die  es  gehört,  durch  Interpretation  herauszufinden.  Ovid  kennt  an- 
geblich unser  Gedicht,  da  er  Amor.  III  7,  31  ff.  von  solchen  Zauber- 
liedern spricht.  Sicherlich  ist  (gegen  Eskuche)  Vergil  nachgeahmt,  wie 
v.  32  verglichen  mit  Ekl.  V  44  und  die  Übereinstimmung  mit  Ekl.  I 
zeigt.  Das  Gedicht  ist  nicht  lange  nach  den  Eklogen  verfaßt,  schwer- 
lich vor  715  oder  nach  720;  die  Georgica  wirken  noch  nicht  ein. 
Mit  dem  Lykurgns  ist,  bemerkt.  R.  richtig,  keinesfalls  der  mythische 
Gegner  des  Dionysos  gemeint,  wie  auch  die  vorhergehende  Versicherung 
des  Freimuts  beweist;  nach  ihm  soll  ironisch  Oktavian  so  bezeichnet  sein, 
der  neue  Gesetzgeber,  der  'Ordner  des  Staates',  mit  Anspielung  auf  den 
spartanischen  Gesetzgeber.  Das  Lied  ist  anonym  überliefert,  was  bei 
seiner  Gehässigkeit  begreiflich  ist,  und  es  ist  zwecklos,  nach  dem  Ver- 
fasser zu  fragen.  Die  Textgestaltung  Reitzensteins  enthält  unter  wenigen 
möglichen  Vermutungen  sehr  viel  Unmögliches  (so  umbra  =  entlaubter 
Ast  V.  32,  sulcis  condatis  avenis  =  ex  sulcis  v.   15). 

Dagegen  wendet  sich  in  sehr  ironischem  Ton ,  aber  mit  gutem 
Recht  Ribbeck,  der  auch  gelegentlich  die  früheren  Arbeiten  von 
Rothstein  und  Eskuche  kritisiert.  Fast  von  allen  Textänderungen 
Reitzensteins  wird  nachgewiesen,  daß  sie  falsch  sind.  Die  Auffassung 
des  Lykurgns,  des  spartanischen  Gesetzgebers,  dessen  Namen  hier  iro- 
nisch verwandt  sein  soll,  reicht  über  den  Gesichtskreis  des  Bauern  hinaus, 


Jahresbericht  über  Vergil  1892— 1S96.    (Uelm.)  189 

der  sonst  streng  gewahrt  wird,  und  erscheint  danach  undenkbar.  Per- 
sönliche Invektive  und  politischen  Ausfall  leugnet  Ribbeck.  Die  von 
Reitzenstein  angenommene  Bekanntschaft  des  Ovid  mit  den  Diren  wird 
mit  Recht  als  nicht  genügend  bewiesen  abgelehnt,  da  Ovid  derartige 
Verwünschungsgedichte  nicht  erst  aus  der  Litteratur  kennen  zu  lernen 
brauchte. 

Lydia  v.  39/40  bespricht  Sonntag,  Wochenshr.  f.  klass.  Phil. 
1896  S.  478.  Er  liest  v.  40:  Phoebae;  in  atque  steckt  vielleicht  ein 
Verbum,  z.  B.  meat.  Vers  39  soll  den  Tag  bezeichnen  und  pallida 
sidera  'durch  das  Sonnenlicht  erblaßt'  bedeuten;  denn  wie  der  Sonnen- 
gott nachts  die  Geliebte  aufsucht,  'bleibt  der  noctivaga  Phöbe  nur  der 
Tag  zu  solchem  Verkehr  übrig'. 

Moretam. 

H.  T.  Karsten  schlägt  Mnemos.  XXIV  S.  443  v.  99  statt 
vestem"  'testara'  vor.    Vers  60  will  er  tilgen. 


Bericht  über  die  Litteratur  zu  CatuU  für  die  Jahre 

1887—1896. 

Von 

Prof.  Dr.  Hugo  Magnus 

in  Pankow  bei  Berlin. 

I.    Kurze  Übersicht   und  Charakteristik   der   umfang- 
reicheren Publikationen. 

1.  C.  Valeri  Catulli  Veronensis  carmina  recognovit  B. 
Schmidt.  Leipzig  1887,  B.  Tauchnitz.  Ed.  maior.  CXXXV,  88  S.  8. 
—  Ed.  min.    XII,  88  S.    8. 

Den  umfangreichsten  iiüd  wertvollsten  Teil  der  Ausgabe  bilden 
ausführliche  Prolegomena,  eine  gut  und  klar  geschriebene  Arbeit,  die 
manche  neue  und  treffende  Bemerkung  enthält.  Als  besonders  gelungen 
sei  z.  B.  der  die  Person  der  Lesbia  und  ihr  Verhältnis  zu  Catull  be- 
handelnde Abschnitt  hervorgehoben.  Auf  die  Prolegomena  folgt  eine 
Adnotatio  critica.  Diese  bietet  nicht  einen  vollständigen  Apparat, 
sondern  verzeichnet  und  begründet  meist  nur  die  Abweichungen  von 
der  dritten  Auflage  des  Hauptschen  Textes  (1868),  der  letzten,  die 
Haupt  selbst  besorgt  hat.  Daneben  werden  zu  einzelnen  Stellen  auch 
längere  Noten  gegeben,  die  sich  mitunter  zu  förmlichen  Exkursen  ge- 
stalten. Man  findet  hier  manche  treffende  Bemerkung  und  manchen 
nützlichen  Beitrag  zur  Interpretation.  Der  Text  selbst  weicht  an  etwas 
über  200  Stellen  von  dem  Hauptschen  ab.  Die  Differenzen  sind  oft 
sehr  geringfügig  (den  Sinn  nicht  wesentlich  alterierende  Änderungen 
d^  Interpunktion  oder  Orthographie  u.  dergl.);  andere  ergeben  sich 
durch  engeren  Anschluß  an  die  Überlieferung  (namentlich  an  0)  und  sind 
nicht  selten  auch  in  der  von  Vahlen  besorgten  ed.  V  rezipiert.  Nur 
wenige  eigene  oder  fremde  Konjekturen  sind  neu  eingesetzt.  Kurz 
Schmidts  Text  ist  im  ganzen  konservativ  und  verdient  überwiegend  Lob. 
Ein  Index  grammaticus,  der  das  Buch  abschließt,  giebt  manche  nützliche 
Zusammenstellungen  z.  B.  der  Deminutiva.  — 


Bericht  üb.  die  Litteratur  zu  CatuU  für  die  Jahre  1887— 18!)r..  (Magnus.)     191 

Die  Editio  minor  bietet  den  Text  sowie  den  Index  ^rammaticus 
der  größeren  Ausgabe,  außerdem  eine  kurze  Übersicht  der  Abweichung'en 
von  Haiipt^. 

2     A  Commentary  onCatullus  by  Robinson  Ellis.    Second 
edition.     Oxford  1889,  Clarendon  Press.     LXXII,  507  S.     8. 

Dreizehn  Jahre  nach  dem  Erscheinen  von  Ellis  Commentary  on 
Catullus  liegt  die  zweite  Auflage  vor  —  ein  Erfolg,  dessen  der  Verfasser 
eines  rein  wissenschaftlichen,  umfangreichen,  kostspieligen  Werkes  sich 
wohl  freuen  darf.  Spuren  einer  sorgsam  nachbessernden  Hand  findet 
man  fast  auf  jeder  Seite.  Die  Preface  ist  namentlich  durch  einen  lesens- 
werten Abschnitt  erweitert  (S.  XI — XVII),  in  dem  die  seit  1876  er- 
schienene Litteratur  mit  Sachkenntnis  und  meist  richtig  besprochen  wird. 
Der  Kommentar  hat  duich  neue  textkritische  Anmerkungen  sehr  ge- 
wonnen. Fi-eilich  läßt  er  noch  immer  den  Leser,  der  Ellis'  kritische 
Ausgabe  nicht  benutzen  kann,  an  vielen  Stellen  im  Stiche,  noch  immer 
ist  der  Stoff  nicht  richtig  auf  die  beiden  Bände  des  großen  Catullwerkes 
verteilt:  viele  Noten  des  breit  angelegten  kritischen  Apparates  waren 
entschieden  in  den  Kommentar  zu  verarbeiten.  Unter  den  neuen  Kon- 
jekturen, die  teilweise  hier  zuerst  veröffentlicht  und  begründet  werden, 
ist  kaum  irgend  etwas  Annehmbares.  Im  einzelnen  ist  viel  geändert 
und  gebessert.  Man  findet  gelehrte  Exkurse,  die  namentlich  antiqua- 
rische Fragen  mit  Erfolg  behandeln.  Manche  Erscheinungen  der  Fach- 
litteratur,  die  in  der  ersten  Auflage  übersehen  waren,  sind  jetzt  benutzt 
Bisweilen  sind  verfehlte  Erklärungen  zurückgenommen  und  durch  die 
richtigen  ersetzt  (vgl.  zu  10,  24.  64,  23.  66,  43.  68,  52.  68,  91.  83.  3 
u.  a.)  Nicht  selten  fallen  neue  treffende  Parallelstellen  angenehm  auf. 
Kurz  als  überaus  reiche  Materialsammlung,  als  Denkmal  ehrlicher  Arbeit 
und  ebenso  ausgebreiteten  wie  gründlichen  Wissens,  als  Muster  streng 
sachlicher  und  jeder  gereizten  Polemik  abholder  Darstellung  nimmt  Ellis 
Werk  trotz  arger  Mißgriffe  die  erste  Stelle  unter  den  Catullkommen- 
taren  ein. 

3.  Gai  Valeri  Catulli  carmina  recognovit  Joh.  P.  Postgate. 
London  1889,  Bell.  XII,  89  S.  12.  Auch  in:  Corpus  poetar um 
Latinorum  ed.  J.  P.  Postgate.    London  1894,  Bell.    S.  83  —  105. 

Beide  Texte  sind  in  demselben  Jahre  1889  gedruckt  (vgl.  Corp. 
poet.  Lat.  I  pag.  XI),  stimmen  auch  im  Wortlaute  und  in  der  unter- 
gedruckten Adn.  crit.  meist  genau  überein.  Diesem  Berichte  ist  der 
Abdruck  in  dem  Sammelwerke  zu  gründe  gelegt.  Denn  er  verbessert 
mehrere  Fehler  der  Sonderausgabe  (vgl.  z.  B.  66,  67,  die  Noten  zu 
29,  20.   63,  54.  63.   64,  309.    66,  15  u.  a.),    muß    also    für   korrekter 


192     Bericht  üb.  die  Littcratur  zu  Catull  für  die  Jahre  1887— 1896.  (Magnus.) 

und  für  den'  besten  Ausdruck  dessen,  was  der  Hg,  bezweckte,  ange- 
sehen werden.  Die  Adn.  erit.  ist  ein  Auszug  aus  den  Apparaten  von 
Ellis,  Schwabe  und  Baehrens.  Sie  bietet  zunächst  eine  über  das  Wesent- 
lichste gut  unterrichtende  Zusammenstellung  der  wichtigeren  Varianten 
von  Gr  und  O,  deren  Konsensus  angeblich  V  repräsentiert.  Daneben 
tindet  mau  Auskunft  über  die  Provenienz  der  in  den  Text  gesetzten 
Konjekturen  und  eine  knappe  Auswahl  nicht  aufgenommener  Emendations- 
versuche.  Aus  den  jüngeren  Hss  sind  unter  dem  siglum  co  nur  ausge- 
wählte Varianten  verzeichnet.  Die  Zusammenstellung  ist  geschickt  und 
für  Leser,  die  eben  nur  einen  schnellen  Überblick  wünschen,  ausreichend. 
Der  Text  strebt  offenbar  möglichst  große  Lesbarkeit  durch  Aufnahme 
zahlreicher  Konjekturen  an.  Darunter  sind  viele,  die  längst  der  Vulg. 
angehören  und  sehr  plausibel  erscheinen.  Eine  zweite  Gruppe  besteht 
aus  bisher  unbekannten  Vorschlägen  verschiedener  Kritiker.  Namentlich 
hat  E.  Housman  viel  beigesteuert.  Darunter  ist  nur  64,  282  aura 
aperit  flores  gefällig  (nicht  wahrscheinlich).  Sonst  scheint  noch  107,  3 
in  folgender  Fassung  Walkers  beachtenswert:  quare  hoc  est  gratum 
nobis  quoque,  carior  auro,  quod  sq.  Endlich  sucht  P.  viele  Stellen 
durch  eigene  Vermutungen  zu  heilen,  die  er  anscheinend  alle  für  sicher 
hält  —  denn  sie  stehen  fast  sämtlich  im  Texte.  Dem  Ref.  sind  nur 
sehr  wenige  ansprechend  erschienen  (22,  7  umbilici  et  lora;  55,  29 
mihi  ut  dicares)  und  selbst  diese  gehören  wohl  nicht  in  den  Text. 
Selten  ist  die  handschriftliche  Lesart  im  Gegensatze  zur  Vnlg.  gehalten: 
so  63,  5  devolvit  mit  Mowat  (coli.  Nonn.  25,  311)  und  64,  320 
pellen tes  vellera. 

Nicht  in  dem  Sammelwerke  mit  abgedruckt  ist  eine  Praefatio  der 
Sonderausgabe,  welche  über  die  Stellung  des  Hg.  zur  Handschriften- 
frage, zu  den  Arbeiten  der  Vorgänger  sowie  zur  Orthographie  orientiert 
die  Stellen  aufzählt,  die  er  selbst  in  verschiedenen  Zeitschriften  be- 
sprochen hat,  und  endlich  einige  neue  Konjekturen  befreundeter  Kritiker 
mitteilt. 

4.  C.  Valeri  Catulli  liber.  Les  Poesies  de  CatuUe.  Tra- 
duction  en  vtrs  frangais  par  E.  Rostand,  texte  revu  d'aprcs  les  tra- 
vaux  les  plus  lecents  de  la  Philologie  avec  un  Commentaire  critique 
et  explicatif  par  E.  Benoist  et  E.  Thomas.  Tome  second,  Com- 
mentaire des  poömes  LXIV— CXVL  Paris  1890,  Hachette.  XV,  562 
—  836  S.    8. 

Der  erste  Band  dieser  Catullausgabe  (Text  von  Benoist,  vie  de 
Catulle  und  Übersetzung  von  Roetand)  und  die  erste  Hälfte  des  zweiten 
(Kommentar  zu  1 — 63  von  Benoist)  sind  bereits  1882  erschienen.  S. 
J.-Ber.  1887  II  S.  180  f.     Vorarbeiten    für   die  Fortsetzung  des  Kom- 


il 


Bericht  üb.  die  Litteratur  zu  CatuU  für  die  Jahre  ISST— 1896.  (Magnus.)     I93 

mentars    fanden  sich  in  dem  Nachlasse    des   1887  verstorbenen  Benoist 
so  gut    wie  gar  nicht  vor.     Ihn  so  lange  Zeit,    nachdem  der  Text  er- 
schienen, zu  vollenden,  war  für  den  neuen  Hg.  eine  schwierige  Aufgabe; 
konnte  er  sich  doch  der  Erkenntnis  nicht  verschließen,  daß  jener  schon 
an  vielen  Stellen  veraltet  war.     So  wird  auch  wirklich  der  Text  durch 
die  Anmerkungen  oft  nicht  gestützt  und  erklärt,  sondern  angegriffen.  Alles 
in  allem  aber  ist  das  unter  diesen  Umständen  Mögliche  geleistet:    das 
nun  fertig  vorliegende  Buch   ist  ein  sehr  brauchbares,   im  wesentlichen 
zuverlässiges  Kompendium  der  Catullerklärung,  das  in  Frankreich  etwa 
die  Stelle  einnehmen    wird  wie  Rieses  Ausgabe  in  Deutschland.     Der 
Vergleich  mit  Benoist  fällt  entschieden  zu  gunsten  des  neuen  Hg.  aus: 
er  überragt  jenen  an  Schärfe  der  Interpretation,  an  Fähigkeit  zwischen 
"Wichtigem  und  Unwichtigem   zu  sondern,   an  gesundem  Urteil.     Durch 
manche  neue  Beitiäge  empfiehlt  sich  die  Arbeit  auch  der  Aufmerksamkeit 
deutscher  Forscher.    Nachträge  des  Ref.  Berl.  Ph.  W.  1891  Sp.  428.    Nach 
der  von  Benoist  übernommenen  —  etwas  unpraktischen  —  Einrichtung 
wird  jede  Seite  des  Kommentars    durch   einen  Strich  in  eine    kritische 
und  eine  exegetische  Hälfte  geteilt.     Die  'Notes  critiques'  enthalten  eine 
neue  von  Thomas  selbst  angefertigte  Kollation  von  G,  durch  die  Schwabes 
Angaben  w'enigstens   an  einigen  Stellen  berichtigt  resp.  vervollständigt 
werden.     Man  findet  namentlich  öfter  interessante  Einzelheiten  über  die 
Variauten  jüngeren  Ursprungs,    die  Schwabe  unter   dem  Zeichen  g  zu- 
sammenfaßt.    Unter  den  eigenen  Konjekturen  des  Hg.,  die  gewöhnlich 
durch  ein  bescheidenes    'je   prefererais'    oder  dergl.  eingeführt  werden, 
ist  nichts  Annehmbares.    Am  Schlüsse  stehen  Epilegomena,  durch  welche 
die  Einleitung,   die  Benoist  1882  seinem  Kommentar  voranschickte,  er- 
gänzt   und    auf   den    heutigen    Standpunkt    der    Wissenschaft    gebracht 
werden  soll. 

5.  La  chioma  dl  Berenice.  Traduzione  e  coramento  di  Co- 
stautino  Nigra,  col  testo  Latino  di  Catullo  riscontrato  sui  codici. 
Milano  1891,  Hoepli.     179  S.     8. 

Das  vornehm  ausgestattete  Buch  ist  von  einem  hochgestellten 
Staatsmann  und  treuen  Verehrer  Catulls  verfaßt.  Die  Einleitung  be- 
spricht die  für  das  Verständnis  des  CatuUischen  Gedichtes  nötigen  hi- 
storischen Daten,  die  Schicksale  des  liber  Catullianus,  seine  Ausgaben 
und  Kommentare.  Die  Übersetzung,  sowie  die  Exkurse  über  italienische 
Übersetzungen  (namentlich  die  Arbeit  von  Ugo  Foscolo,  Mailand  1803) 
sind  für  ein  grölieres  gebildetes  Publikum  in  Italien  bestimmt.  Für  die 
Wissenschaft  kommen  in  betracht  der  an  einigen  Stellen  selbständig  ge- 
staltete lateinische  Text  mit  den  von  gründlichen  Studien  zeugenden 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.  Bd.  LXXXXYII.    (1898.  II.)       13 


194     Bericht  üb.  die  Litteratur  zu  CatuU  für  die  Jahre  1887—1896.  (Magnus.) 

annotazioni,  der  erste  Exkurs  (il  messagiero  alato  di  Arsinoe)  uud  die 
Varianten  zu  c.  66  aus  24  italienischeu  Handschriften,  von  denen  manche 
zuerst  vom  Herausgeber  oder  für  ihn  veiglichen  worden  waren.  Diese 
tragen  (wie  das  bei  der  Geschichte  des  Catulltestes  fast  selbstverständlich 
ist)  zur  Emendation  nirgends  bei,  mögen  aber  für  die  Klassifikation  der 
'deteriores'  von  beschränktem  Nutzen  sein.  Es  befindet  sich  übrigens 
unter  ihnen  auch  der  cod.  Venetus  (Markusbibliothek)  No.  107,  derselbe, 
den  Ellis  proll.  S.  LIII  als  beachtenswert  hervorgehoben,  den  K.  P. 
Schulze  im  Hermes  23,  567  besprochen  und  von  dem  Nigra  selbst  später 
eine  treffliche  Nachbildung  in  Lichtdruck  veranstaltet  hat  (vgl.  unten 
No.  14—15). 

6.  C.  Valeri  CatuUi  Attin  annotavit,  illustravit,  anglice 
reddidit    C.  Grant  Allen.     London  1892.     Nutt.  XVI,  154  S.     8. 

Auf  den  lateinischen  Text,  der  sich  fast  durchweg  an  Ellis  an- 
schließt, folgt  die  englische  Übersetzung.  Von  den  3  Exkursen,  die  den 
größten  Teil  des  Buches  füllen,  handelt  der  erste  'On  the  myth  of 
Attis'.  Verf.  giebt  die  Nachrichten  über  den  Kult  des  Attis  und  betont, 
daß  dieser  ursprünglich  ein  Baumgeist  gewesen  sei.  Der  zweite,  um- 
fangreichste Exkurs  spricht  'On  the  oi'igin  of  tree-worship'.  Hier  ist 
reiches  Material  über  die  betreffenden  Sitten  und  Gebräuche  bei  alten 
und  modernen,  bei  civilisierten  und  wilden  Völkern  gesammelt.  Der 
Zusammenhang  mit  dem  Attismythus  ist  natürlich  nur  lose.  Verf.  sucht 
die  Lehren  vom  Seelenkult  und  vom  Baumkult  in  Einklang  uud  Zu- 
'iammenhang  zu  bringen,  indem  dieser  aus  jenem  abgeleitet  wird.  Nach- 
träge dazu  s.  bei  Cr(usius),  Lit.  Cb.  1893  Sp.  984.  Im  dritten  Kapitel 
wird  das  galliambische  Metrum  besprochen. 

7.  Catulli  Veronensis  liber.  ilecensuit  Aemilius  Baeh- 
rens.  Nova  Editio  a  K.  P.  Schulze  curata.  Leipzig  1893,  B.  G. 
Tenbner.     LXXVI  u.  123  S.     8. 

Bährens  würde  dieses  Buch  nicht  als  sein  Eigentum  anerkennen: 
beide  Auflagen  haben  so  gut  wie  nichts  gemeinsam.  Damit  wird  noch 
kein  Tadel  über  die  zweite  ausgesprochen,  sind  doch  die  großen  Mängel 
und  Schwächen  der  ersten  nicht  wegzuleugnen.  Aber  zu  betonen  ist, 
daß,  wer  Bährens'  Catullarbeiten  kennen  lernen  will,  mit  diesem  Buche 
nichts  anfangen  kann.  Dazu  kommt  ein  anderes  Bedenken.  Trotz  des 
radikalen  Charakters  der  Umarbeitung  sind  daneben  manche  Reste  der 
Bährensschen  Fassung  ganz  unvermittelt  stehen  geblieben.  Wer  also 
den  "Wunsch  hegt,  zu  wissen,  wer  eigentlich  redet,  der  erste  oder  der 
zweite  Hg  ,  kann  ebenfalls  die  erste  Auflage  nicht  entbehren.  In  den 
Prolegomenis    ist    die    Beschreibung    von    G    und    0    eingehender  und 


Bericht  üb.  die  Litteratur  zu  Catull  für  die  Jahre  1887—1896.  (Magnus.)     195 

treffender  als  bei  Bährens.    Auch  in  den  ausscliließlich  von  dem  neuen 
Hg    herrührenden   Einschaltungen    größeren  Umfanges  von  p.  XXVIII 
an    ist    manches  Dankenswerte.     Er  weicht  von  Bährens  namentlich  in 
folgenden  Punkten    ab.     Während    dieser    meinte,    dal.l    von  dem  alten 
Veronensis  nur  2  direkte  Abschriften,  G  und  0,  genommen  worden,  und 
daß  aus  G  alle  jüngeren  Hss  des  XV.  Jahrh.  geflossen  seien,  wird  jetzt 
die  Ansicht  verfochten,  V  sei  öfter  abgeschrieben  worden  (nach  p.  XXXII 
und  XXXXVI  mindestens  viermal),    aus  diesen  uns  verloreneu  Kopien 
seien   die  z  geflossen  und  demnach   trotz  ihrer  Interpolationen  für  die 
Rezension  des  Textes  nicht  zu  entbehren.     Dem  ist  trotz  der  scharfen 
Polemik  von  Housman  Class.  Rev.  VIII  1894  S.  254  im  ganzen  zuzu- 
stimmen.    Wenn    aber  dem  cod.  Venetus    (M;  vgl.  No.  14—15)  unter 
den   'z  eine  selbständige,   ja  führende  Stellung  eingeräumt  wird,  so  be- 
ruht das  auf  Selbsttäuschung,  denn  die  p.  LI  aufgezählten  guten  Les- 
arten,  die  er  angeblich  bietet,   sind  (näheres  im  2.  Teile)  entweder  in 
der  Hs   gar  nicht    zu  finden  oder  rühren  von  späterer  Hand  her  oder 
sind  Gemeingut  der  -r.    In  der  Gestaltung  des  Textes  ist  das  Bestreben 
erkennbar,    die  Autorität    der  Hss    zu  Ehren   zu    bringen.     Leider  ist 
dieses    an    sich  gute  Prinzip  oft  schlecht  angewendet  und  hat  vielfach 
zn  Rückschritten    geführt    (so  66,  15  das  mit  odio  unvereinbare  atque, 
so  64,  28    das  nicht  einmal  handschriftlich  gut  beglaubigte  Neptunine; 
richtig  wahrscheinlich  6,  8  Assyi'io  nach  asirio  G  0  und  77,  4  mi  misero 
nach    z)-    —   Auch  in  der  Adn.  crit.  ist  es  nicht  gelungen,  Altes  und 
Neues    zu    verschmelzen.      Manche   Noten    (wie  die  zu   64,   386  u.  a.) 
sind  infolgedessen  sehr  unglücklich  gefaßt.    Noch  mehr  als  in  den  Pro- 
legomenis  führt  es  zu  Inkonvenienzen,  daß  es  oft  nicht  möglich  ist,  zii 
unterscheiden,  was  jedem  der  beiden  Herausgeber  angehört.    Aus  ed.  I 
übernimmt    die  Adn.    das  Zeichen  V    mit    der    Erklärung  'V  =  codex 
Veronensis  id  est  consensus  librorum  G  et  0\    Das  bezeichnet  aller- 
dings   den  Standpunkt    von  Bährens,    aber  nicht  den  des  zweiten  Hg. 
und  steht  mit  vielen  Stellen  der  umgearbeiteten  Prolegomena  in  unlös- 
barem Widerspruche;    nach    ihnen  ist  uns  ja  oft  die  echte  La.  von  V 
nicht  durch  den  'Consensus  librorum  G  et  0\  sondern  durch  die  z  er- 
halten.   Nicht  zu  rechtfertigen  ist  ferner  die  häufige  Zusammenstellung 
VM.     M    ist    wie  alle  anderen  codd.  ans  V  geflossen,    und  alle  seine 
echten  Lesarten  gehen  zuletzt  auf  V  zurück.    Die  Zufügung  von  M  zu 
V    ist    also    sinnlos.     Wollte  man  aber  —  freilich  durchaus  gegen  die 
sonstige  Praxis  des  Hg.  —  das  Zeichen  V  nur  auf  den  Consensus  von 
G  0,  nicht  auf  den  Veronensis  beziehen,  so  würde  die  Verwirrung  eher 
noch    größer:    es    fehlte    dann  ganz  und  gar  ein  Zeichen  für  die  Ein- 
stimmigkeit  der  Überlieferung,  und  die  '-  blieben  an  den  meisten  Stellen 
unberücksichtigt.     Die  Konjekturen    von  Bährens    sind    in  dieser  Aus- 

13* 


106     Bericht  üb.  die  Litteratui-  zu  Catull  für  die  Jahre  1887—1896.  (Magnus.) 

gäbe,    die  doch  seiueu  Nameu  trägt,   nicht  nur  aus  dem  Texte  —  was 
zu    billigen    wäre    —   sondern  mit  wenigen,    nicht  einmal  glücklichen, 
Ausnahmen  auch  aus  der  Adn.  verschwunden.    Von  sonstigen  Emendations- 
versucheu  wird  (wie  in  ed.  I)  eine  Auswahl  gegeben,  in  der  ein  Prinzip 
nicht  erkennbar  ist.    Der  handschriftliche  Apparat  von  Bährens  ist  sowohl 
berichtigt  wie  erweitert.    Die  Lesarten  von  G  sind  berichtigt  nach  den 
Revisionen  von  Schwabe,  Benoist,  Bonnet,  Thomas,  die  von  0  auf  grund 
eigener  Nachprüfung.    Ausgewählte  Lesarten  des  Datanus  und  des  Lau- 
rentianus  (in  Berlin)  werden  nach  eigener  Kollation  gegeben.     Ebenso 
alle  Varianten    des    cod.  Venetus    (LXXX    cl.  XII)  ==  M.     Leider    ist 
dieser  Teil  der  Ausgabe  ganz  verfehlt.    Sehr  viele  Angaben,  und  gerade 
über  wichtige  Lesarten,  sind  falsch.     Die  Kollation  verschweigt  ferner 
die  wichtige  Thatsache,  daß  die  weitaus  meisten  der  155  Doppellesarten 
zwischen  den  Zeilen  oder  am  Eande,  die  prolegg.  p.  LIII  f.  verzeichnet 
und    besprochen    sind,    nicht    vom  Schreiber    des  Kodex,    sondern  von 
späterer  Hand    herrühren.     Die    zu  77,  4  verzeichnete  Doppellesart  mi 
(für  si)    ist  in  der  Hs  überhaupt  nicht  vorhanden.     Endlich  erhält  der 
Lernende  auch  dadurch  ein  unrichtiges  Bild  vom  Stande  der  Überliefe- 
rung, daß  bei  guten  Lesarten  oft  sowohl  in  der  Adn.  wie  in  den  Pro- 
legomenis  M  als  einziger  Zeuge  genannt  wird,  während  sie  das  Gemein- 
gut aller  oder  fast  aller  r,  also  die  Vulg.  des  15.  Jahrh.  sind. 

8.  Catullus.  With  the  Pervigilium  Veneris.  Edited  by  S.  Gr. 
Owen.  Illustrated  by  J.  ß.  Weguelin.  London  1893,  Lawrence 
and  BuUen.    XIV,  211  S.     kl.  4. 

Eine  Prachtausgabe  für  Bücherliebhaber,  höchst  splendid  auf 
schwerem  Büttenpapier  gedruckt  und  mit  7  feinen  Bildern  geschmückt. 
Die  'Preface'  handelt  summarisch  von  CatuUs  Leben  und  Werken,  von 
den  wichtigsten  Textesquellen,  von  den  benutzten  Hülfsraittelu.  Speziell 
für  den  Catullforscher  bestimmt,  sind  die  von  gründlichen  Studien  zeu- 
genden 'Notes",  welche  den  Schluß  bilden.  Owen  hat,  um  seinen  offen- 
bar nicht  ausschließlich  für  Philologen  bestimmten  Text  möglichst  les- 
bar zu  machen,  viel  Konjekturen  aufgenommen,  sowohl  fremde  (z.  B. 
von  EUis,  Postgate,  Schmidt,  Palmer  u.  a.)  wie  eigene,  darunter  auch 
solche,  die  wohl  nicht  beanspruchen  als  möglich  zu  gelten. 

9.  Catullus  edited  by  E.  T.  Merrill.    Boston  u.  London  1893, 
Ginn.     L,  273  S.     8. 

Die  Ausgabe  bildet  einen  Band  der  neuen  amerikanischen  'College 
Series  of  Latin  authors  by  C.  Lawrence  and  T.  Peck\  Sie  zeugt  von 
gründlichen  Studien  und  selbständigem  Urteil,  weiß  die  Ergebnisse  der 
neuesten  Forschung  in  angemessener  Form  zu  verwerten  und  darf  zur 


Bericlit  üb.  die  Litteratur  zu  Catull  für  die  Jahre  1887— 1:S96.  (Magnus.)     197 

Einführung  in  das  Studium  des  Dichters  auch  deutscheu  Leseru 
empfohlen  werden.  Auf  die  Einleitung,  welche  alles  Nötige  verstündig 
und  in  ausprecheuder  Form  giebt,  folgt  der  Text  mit  untergesetzten, 
erklärenden  Anmerkungen,  dahinter  ein  kritischer  Anhang.  Die  Text- 
gestaltung ist  konservativ;  im  Interesse  der  Lesbarkeit  konnten  plau- 
sible Konjekturen  vielleicht  öfter  in  den  Text  gesetzt  werden.  Eigene 
VermutUDgen  hat  derHg.  nicht  aufgenommen,  auch  zum  ersten  Male  rezipierte 
handschriftliche  Lesarten  sind  dem  Ref.  nicht  aufgestoßen.  Der  Anhang 
enthält  die  vollständigen  Varianten  von  G  und  0.  Von  0  bietet  er  eine 
eigene,  im  J.  1889  geraachte  und  mit  den  Angaben  von  Ellis  und 
Schwabe  verglichene  Kollation,  die  nicht  ohne  Ausbeute  gewesen  ist 
(S.  Berl.  Ph.  W.  1894  Sp.  1289).  Auch  dieser  Anhang  macht  den 
Eindruck  sorgfältiger  Arbeit. 

10.  CatuUi  Veronensis  liber  ed.  by  A.  Palmer.  London 
1896,  Macmülan.     LV,  97  S.     8. 

Palmers  Catull  füllt  einen  der  ersten  Bände  von  'The  Parnassus 
Library  of  Greek  and  Latin  Texts',  einer  neuen  Sammlung  von  Aus- 
gaben griechischer  und  lateinischer  Klassiker,  die  außer  den  Texten 
litterarhistorisch-kritische  Einleitungen,  doch  keinen  eigentlich  gelehrten 
Apparat  bringen  soll.  Die  'Introduction'  bietet  das  Wichtigste  über  des 
Dichters  Leben,  AVerke,  Metra  und  die  Überlieferung  des  Textes.  Die 
kritischen  Noten,  welche  den  Schluß  bilden,  genügen  nicht  immer,  um 
den  Leser  an  unsicheren  Stellen  über  die  im  Texte  stehende  La.  zu 
orientieren.  Dieser  selbst  zeigt  überall  die  aus  früheren  Arbeiten  be- 
kannte Eigenart  des  Hg. :  die  Überlieferung  wird  sehr  oft  geändert. 
Zunächst  durch  Aufnahme  von  älteren,  sonst  verschmähten  Konjekturen, 
viel  häufiger  durch  Einsetzung  eigener  Vermutungen.  Die  grolle  Mehr- 
zahl (etwa  vierzig)  steht  im  Texte,  andere,  durch  ein  'perhaps'  oder 
dergl.  eingeführt,  sind  in  der  Einleitung  untergebracht.  Nur  sehr 
wenige  von  diesen  flüchtigen  Einfällen  sind  überhaupt  möglich,  wahr- 
scheinlich oder  gar  sicher  ist  keine  einzige. 

Von  den  zahlreichen,  für  den  Schulgebrauch  bestimmten  Antho- 
logien seien  hier  zwei  genannt,  die  ersichtlich  bemüht  sind,  mit  der 
Wissenschaft  in  Zusammenhang  zu  bleiben: 

11.  Römische  Elegiker.  Eine  Auswahl  aus  Catull,  Tibull, 
Properz  und  Ovid,  für  den  Schulgebrauch  bearbeitet  von  K.  P. 
Schulze.     Dritte  Auflage.     Berlin  1890,  Weidmann.   XII  u.  288  S. 

12.  Anthologie  aus  den  Elegikern  der  Römer.  Für  den 
Schulgebrauch  erklärt  von  K.  Jacoby.  In  vier  Heften.  Catull, 
Tibull,  Properz,  Ovid.  Zweite  verbesserte  Auflage.  Leipzig  1893/96, 
Teubner. 


198     Bericht  üb.  die  Litteratur  zu  Catull  für  die  Jahre  1887—1896.  (Magnus.) 

Beide  Bücher  gehen  in  der  Auswahl  der  Texte  und  der  Einrich- 
tnug  des  Kommentares  weit  über  das  unmittelbare  Bedürfnis  der  Schule 
hinaus.  Beide  geben  einen  litterarischen  Anhang,  der  fleißig  und  sorg- 
fältig gearbeitet  (wenn  auch  von  Mängeln  und  Versehen  im  einzelnen 
nicht  frei),  die  benutzten  Hülfsmittel  verzeichnet  und  Lesern,  die  ihre 
Studien  vertiefen  wollen,  nachweist,  wo  sie  Belehrung  und  Rat  finden 
können.     Vgl.  J.-Ber.  1887  II  276—278. 

13.  Catulle.  Manuscrit  de  St.-Germain  -  des  -  Pres. 
(Bibliotheque  Nationale  No.  14  137.)  Precede  d'une  etude  de  M. 
£mile  Chatelain,  Photolithographie  de  Mm.  Luraiere.  Paris  1890, 
Ernest  Leroux.     VII  p.  u.  36  Blätter,    gr.  8. 

Im  Vorwort  spricht  Chatelain  bündig  über  das  Alter  der  Hs 
('le  plus  aucien  manuscrit  de  Catulle  que  nous  ayons'  p.  I),  das  Epi- 
gramm des  Beneveuuto  Campesani,  die  Schriftart  ihrer  Vorlage  (nach 
p.  III  wahrscheinlich  'cursive  romaine'),  ihre  Geschichte,  ihren  "Wert 
und  ihr  Verhältnis  zu  0  ('c'est  en  vain  que  R.  Ellis  et  surtout  Baeh- 
rens  ont  voulu  detroner  en  quelque  sorte  le  Germaue nsis  par  la 
decouverte,  fort  importante  d'ailleurs  du  manuscrit  d'Oxford'  p.  VI). 
Die  Nachbildung  der  Hs  ist  vorzüglich.  Sie  lehrt  insbesondere,  dal'. 
die  Unterscheidung  zwischen  der  ersten  Hand  und  den  späteren  Kor- 
rekturen sehr  schwierig,  mitunter  unmöglich  ist;  selbst  Schwabe  in  der 
Ausgabe  von  1886,  der  auf  diesen  Punkt  große  Sorgfalt  verwendet  hat, 
ist  sie  entschieden  nicht  immer  gelungen. 

14.  K.P.Schulze,  Der  Kodex  M  des  Catull.  Hermes  XXIII 
(1888).    S.  567—591. 

15,  Liber  Catulli  Bibliothecae  Marcianae  Venetiarum 
heliotypica  arte  triginta  exemplis  numero  signatis  exprimendum  curavit 
Constantinus  Nigra.     Venedig  1893.     4. 

Beide  Publikationen  behandeln  den  cod.  Lat.  LXXX  class.  XII 
der  Marciana  in  Venedig.  Dieselbe  Hs  ist  dann  in  den  kritischen 
Apparat  der  zweiten  Auflage  von  Bährens'  Catullausgabe  aufgenommen 
und  wird  in  ihren  Prolegomenis  besprochen.  In  der  zuerst  genannten 
Abh.  wird  der  Nachweis  versucht,  daß  M  unter  den  Hss,  die  auf  V 
zurückgehen,  eine  selbständige  Stellung  einnehme  und  namentlich  wegen 
seiner  vielen  Doppellesarten  Beachtung  verdiene,  daß  er  viele  Spuren 
alter  Orthographie  zeige,  daß  er  vielfach  die  ursprüngliche  Lesart  ge- 
treuer überliefert  habe  als  die  anderen  Hss.  Aber  dieser  Beweis  ist 
nicht  erbracht,  wie  sich  jetzt  mit  Hülfe  des  Faksimile  der  Hs  (No.  15), 
das  wir  dem  Grafen  Nigra  verdanken,  feststellen  läßt.  Die  Abh.  ent- 
hält nämlich  in  ihren  Angaben  viele  Irrtümer  und  Ungeuauigkeiten,  die 


Bericht  üb.  die  Litteratur  zu  CatuU  für  die  Jahre  18S7— ISOfi.  (Magnus.)     1  99 

80  erheblich  sind,  daß  sie  zu  unrichtigen  Endergebnissen  führen. 
Manche  der  bezeichneten  Mängel  sind  inzwischen  im  Apparate  von 
Bähreus-  verbessert,  aber  gerade  die  schwersten  (wie  84,  2  hiiisidias) 
nicht.  Vor  allem  erfährt  man  nicht,  daß  die  angeblich  so  wichtigen 
Doppellesarten  zum  weitaus  größten  Teile  nicht  vom  Schreiber  des  Kodex 
herrühren,  sondern  von  späterer  Hand  mit  blasserer  Tinte  geschrieben 
sind,  also  für  den  "Wert  der  Hs  und  ihrer  Vorlage  nicht  das  geringste 
beweisen.  Nur  bei  denjenigen  Doppellesarten  also,  die  sich  auch  in  G- 
und  0  finden,  kann  man  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  annehmen,  daß 
sie  schon  im  alten  Veronensls  standen  (und  eben  diese  können  durch 
Vermittelung  von  G  oder  0  in  M  eingedrungen  sein).  Die  übrigen  sind 
als  Varianten  zu  betrachten,  die  sich  ein  Besitzer  resp.  Leser  des  Kod. 
als  Korrekturen  oder  plausibel  scheinende  Lesarten  zwischen  den  Zeilen 
oder  am  Eaude  mit  einem  al  eintrug.  Und  zwar  sind  es  wahrscheinlich 
Leseversuche  oder  Konjekturen  eben  dieses  Lesers,  wenn  es  sich  um 
Variauten  handelt,  die  sonst  nirgends  vorkommen;  sonst  um  Les- 
arten, die  er  aus  einer  oder  verschiedenen  anderen  Hss  entnahm.  Ob 
sie  falsch  oder  richtig,  echt  oder  interpoliert  sind,  muß  mit  inneren 
Gründen  von  Fall  zu  Fall  entschieden  werden.  —  Auch  die  S.  586 
aufgezählten  Spuren  alter  Orthographie  beweisen  nicht,  was  sie  beweisen 
sollen.  Denn  es  handelt  sich  fast  überall  um  Lesarten,  die  auch  durch 
G  und  0  oder  durch  die  --  bezeugt  sind,  oder  um  Varianten  zweiter 
Hand  oder  um  Irrtümer  der  Kollation  (so  ist  z.  B.  Neptünus  in  31,  3 
nicht  durch  Neptumuus,  sondern  durch  die  so  häufige  fehlerhafte 
und  auch  hier  aus  D  bezeugte  Gemination  Neptunuus  aufzulösen). 
Schwerlich  ist  unter  diesen  Umständen  in  einem  ganz  vereinzelten 
largeis  66,  92  und  turgidoli  3,  18  (dies  kann  auch  durch  schol. 
z.  Juv.  6,  8  beeinflußt  sein)  mehr  zu  sehen  als  ein  Zufall.  Ebensowenig 
ist  die  auf  S.  588  f.  gegebene  Übersicht  von  Lesarten,  die  M,  abweichend 
von  G  und  0,  eigentümlich  sind,  beweiskräftig  für  den  Wert  und  ein 
von  G  0  unabhängiges  Zurückgehen  dieser  Hs  auf  Y.  Die  mitgeteilten 
Varianten  sind  eben  nicht  singulär,  sondern  meist  Gemeingut  der  c;  und 
doch  hätte  methodisch  vom  singulären  ausgegangen  werden  müssen. 
Auch  vermißt  man  gänzlich  Eingehen  auf  die  Frage,  in  welchen  von 
diesen  Lesarten,  soweit  sie  richtig  sind,  mehr  zu  suchen  sei  als  Emen- 
dationen  der  Itali.  —  Über  Nigras  dankenswertes  Unternehmen  s.  auch 
den  Ref.  in  WS.  f.  kl.  Phil.  1893  Sp.  1172—1175. 

16.  Catulls  Buch  der  Lieder  in  deutscher  Nachbildung  von 
Theodor  Heyse.  Zweite  völlig  umgearbeitete  Auflage  aus  des  Ver- 
fassers Nachlasse  herausgegeben  von  August  Herzog.  Berlin  1889, 
Hertz.     XVIT  u.  163  S.     8. 


200     Beriebt  üb.  die  Litteratur  zu  Catull  für  die  Jahre  1887—1896.  (Magnus.) 

Die  Sorge  um  seinen  Liebling  Catull  hat  Th.  Heyse  fast  sein 
ganzes  Leben  hindurch  begleitet.  Seit  dem  ersten  Erscheinen  der  wahr- 
haft klassischen  Nachbildung  im  J.  1855  hat  er  unaufhörlich  an  ihr 
'retouchiert,  gepinselt  und  getüpfelt',  um  —  nach  seinem  eigenen  Aus- 
drucke —  wenigstens  in  der  Mehrzahl  der  Gedichte  ein  non  plus  ultra 
der  Vollendung  in  Ausdruck,  Klang  und  Bewegung  zu  erreichen.  Kurz 
vor  seinem  Tode  hat  er  dann  das  gesamte  Material  (verschiedene  Hand- 
exemplare mit  eingetragenen  Verbesserungen  des  Textes  wie  der  Über- 
setzung) dem  Hg.  anvertraut,  ohne  jedoch  über  seine  Verwertung  ge- 
naueres zu  bestimmen.  Die  neue  Auflage  wird  mit  Recht  als  'völlig 
umgearbeitet'  bezeichnet.  Nur  in  sehr  wenigen  Gedichten  geringen  Um- 
faages  erscheint  die  Übersetzung  ganz  unverändert.  Und  fast  überall 
sind  Veränderungen  hier  gleichbedeutend  mit  Verbesserungen.  TJn- 
deutsche,  veraltete,  gekünstelte,  bis  an  die  Grenze  des  Kindischen 
tändelnde  Ausdrücke,  harte  und  mitunter  fast  unverständliche  Konstruk- 
tionen sind  entfernt  und  durch  gangbare  Münze  ersetzt;  manches  voll- 
ständig neu  übertragen  (z.  B.  c.  2.  116).  Daß  der  lat.  Text  jetzt  fehlt, 
ist  nicht  zu  bedauern.  So  meisterhaft  die  Heysesche  Übersetzung  ist, 
so  schlecht  war  in  der  1.  Auflage  der  Text  und  er  würde  durch  Ein- 
setzung der  im  Anhange  vom  Hg.  mitgeteilten  neuen  Vermutungen 
Heyses  nicht  besser  werden.  Abgesehen  davon  ist  übrigens  die  Fassung 
der  Noten  in  diesem  Anhange  nicht  glücklich;  sie  entsprechen  weder 
des  Anfängers  noch  des  Kenners  Bedürfnissen. 

17.  Catull,  Properz  und  Tibull,  übersetzt  von  Theodor  Vul- 
pinus.  Berlin  und  Stuttgart,  Spemann.  Band  132  der  Kollektion 
Spemann.     (Ohne  Jahreszahl.) 

Die  einzige  Catullübersetzung,  die  sich  neben  Hej'se  sehen  lassen 
kann,  an  Kraft  und  Tiefe  bisweilen  zurückbleibend,  den  flotten,  keck- 
frischen Ton  mancher  Gedichte  bisweilen  noch  besser  treffend.  Hinter 
dem  Pseudonym  des  Titels  verbirgt  sich  anscheinend  ein  nichtphilolo- 
gischer,   feinsinniger  Freund    des  Altertums    in  hoher  Stellung;*)    von 

*)  Die  für  den  Ton  des  Ganzen  sehr  bezeichnende  Widmang  des 
Büchleins  an  A.  Schricker  mag  hier  eine  Stelle  finden: 

Bin  nicht  untergetaucht;  noch  schwimm'  ich  munter  im  Strome; 

Aber  ein  künstlicher  Bart  rahmt  mir  das  würdige  Haupt. 
Siehst  du  das  Staatsschiff  nicht?    Ich  diene  darinnen  und  steige 

Heimlich  die  Treppe  hinab,  mich  za  erfrischen  im  Bad. 
Sähen  die  Herreu  an  Bord  in  den  Fluten  den  nackten  Poeten, 

Zögen  die  Treppe  sie  auf,  zögen  den  Sold  sie  mir  ein! 
So  doch  ahnen  sie  nicht,  daß  unter  den  lustigen  Schwimmern 

Ohne  den  Stempel  des  Amts  einer  der  Ihren  sich  birgt. 
Komm  nur  näher  heran;  du  wirst  mich  finden  und  lachen;  — 

Aber  behutsam,  Freund,  daß  uns  der  Prätor  nicht  hört! 


Bericht  üb.  die  Litteraturzu  Catull  für  die  Jahre  ISST— 1S9G.  (Magnus.)     201 

einem  gewissen  Dilettantismus  spricht  ja  auch  das  Verzeichnis  der  be- 
nutzten Ausgaben  (Tibull  nach  Fabricius!)  und  Hülfsmittel.  Als  Be- 
standteil der  'Kollektion  Spemann'  wendet  sich  die  neue  Übersetzung 
au  die  'humanistisch  Gebildeten  im  weiteren  und  weitesten  Sinn  dieses 
Wortes' ;  ihnen  sei  sie  denn  auch  warm  empfohlen.  Von  den  116  Nummern 
des  Catullischen  über  sind  nahe  au  80  übersetzt.  Die  Auswahl  ist  takt- 
voll getroffen  und  läßt  kaum  etwas  Wertvolles  oder  Charakteristisches 
vermissen.  Die  Versmaße  der  Originale  sind  beibehalten,  die  überlieferte 
Reihenfolge  dagegen  aufgegeben;  man  findet  alles  in  folgende  Rubriken 
eingeordnet:  I.  Römische  Dichtertage.  Der  ausgelassene  junge  Dichter 
im  frühlichen  Freundeskreise  der  Hauptstadt.  II.  Lesbia.  III.  In 
Verona  und  Asien.  IV.  Römische  Schmerzenstage  (die  Gedichte  des 
durch  Lesbias  Treulosigkeit  und  Schande  gebrochenen  und  durch  die 
Fäulnis  der  Republik  verbitterten  Catullus). 

18.  Catulls  Gedichte  in  neuen  Übersetzungen  von  Franz 
Frese.     Salzwedel  1891,  Klingenstein.     66  S.     8. 

Die  Metra  des  Originals  sind  meist  beibehalten;  nur  statt  der 
Choliamben  (mit  einer  Ausnahme  in  c.  44),  Priapeen,  Asklepiadeen  er- 
scheinen freigewählte  Versmaße.  Die  im  Vorwort  geäußerte  Hoffnung, 
daß  'diese  Nachbildungen  sich  ganz  wie  deutsche  Poesien  lesen  lassen', 
ist  nicht  in  Erfüllung  gegangen.  Der  Versbau  ist  sehr  holprig,  insbe- 
sondere die  Zahl  der  falschen  Betonungen  Legion.  Namentlich  Hexameter 
und  Distichen  sind  oft  schmerzlich  verunglückt.  Der  deutsche  Ausdruck 
ist  in  den  scherzenden  oder  derben  Gedichten  mitunter  ganz  gelungen 
und  treffend  (di  magni!  salaputium  disertum  ^  Große  Götter,  was  kann 
das  Kerlchen  reden!),  aber  überall,  wo  das  Original  erhabene  Diktion 
verlangt,  sinkt  die  Übersetzung  zur  platten  Prosa  herab. 

19.  G.  Lafaye,  Catulle  et  ses  modeles.  Ouvrage  couronne 
par  TAcademie  des  inscriptions  et  belles-letfres.  Paris  1894,  Hachette. 
XI,  256  S.     8. 

Das  an  feinen  Bemerkungen  reiche  Buch  ist  nicht  eine  Sammlung 
von  imitationes  im  engsten  Sinne  d.  h.  von  einzelnen  entlehnten  Ge- 
danken und  Phrasen  (wo  dergleichen  gewissermaßen  als  Proben  einge- 
streut ist,  wird  nur  mit  bekanntem  Materiale  operiert),  sondern  behandelt 
den  Stoff  von  höherem  Gesichtspunkte  aus  in  großen  Zügen  geistvoll 
und  fesselnd.  In  der  jambischen  Poesie  war  Catulls  Vorbild  vornehm- 
lich Archilochus;  ihm  stand  er  näher  als  irgend  ein  anderer  Lateiner. 
In  den  Choliamben  ward  er  durch  Kallimachus  zu  Hipponax  geführt; 
nur  c.  8  und  31  haben  einen  anderen  Charakter  und  zeigen  die  alexan- 
drinische  Schule.     In  der  melischeu  Poesie   steht  Sappho  voran;    abge- 


202     Bericht  üb.  die  Litteratur  zu  Catull  für  die  Jahre  1887  — ISOß.  (Magaus.) 

sehen  von  c.  63,  das  auf  alexaudrinische  Muster  (wahrscheiulich  auf 
Callimachus)  zurückgeht.  Die  Heudekasyllaben  (hübsch  charakterisiert 
'po6sie  de  genre  ou  de  circonstance')  sind  durch  und  durch  griechisch 
(daß  der  römischen  gravitas  die  leichte  Hendekasyllabenpoesie  für  an- 
stößig galt,  wird  aus  Plin.  epist.  IV  14,  V  3,  VII  4  erwiesen).  Catulls 
unmittelbare  Vorbilder  kennen  wir  nicht;  doch  hat  er  mehrfache  Be- 
rührungspunkte mit  Dichtern  der  Anthologie,  namentlich  mit  Meleager. 
Im  Epos  (c.  64),  in  der  Elegie  (c.  68)  ist  er  unverkennbar  durch  die 
Alexandriner  beeinflußt.  Ebenso  im  Epigramm  (namentlich  ihre  litte- 
rarische Satire,  die  uns  durch  den  Streit  zwischen  Callimachus  und 
Apollonius  bekannt  ist,  lebt  in  dem  berühmten  c.  84  fort). 

20.  A.  B.  Drachmann,  Catulls  Dichtung  beleuchtet  im 
Verhältnis  zu  der  früheren  griechischen  und  römischen 
Litteratur.     Kopenhagen  1887.     124  S.     8.     (Dänisch.) 

Die  wertvolle  Arbeit  würde  mehr  Beachtung  gefunden  haben, 
wenn  Verf.  sich  der  lateinischen  Sprache  bedient  hätte.  —  Im  ersten 
Kapitel,  'Über  Catulls  Metrik',  werden  die  Metra  namentlich  von  dem 
Gesichtspunkte  aus  behandelt,  ob  sie  bei  früheren  griechischen  oder  rö- 
mischen Dichtern  sich  finden  und  w^elche  Veränderungen  Catull  sich  ge- 
stattet hat.  Rieses  Zusammenstellungen  (Ausg.  p.  XXXVIII  f.)  werden 
in  wenigen  Punkten  vervollständigt  und  berichtigt.  —  Auch  das  zweite 
Kapitel,  'Grammatische  und  lexikalische  Bemerkungen',  geht 
nicht  wesentlich  über  Rieses  Sammlungen  (Ausg.  p.  XXIV — XXX) 
hinaus.  Doch  hat  Verf.  selbständig  (freilich  auf  grund  unzureichenden 
Materials:  von  Catull  sind  nur  279  Verse  des  c.  64  herangezogen)  das 
Verhältnis  von  Periode  und  VersschlulJ  untersucht,  mit  Lucrez,  Vergil 
und  Apollonius  verglichen  und  das  Resultat  auf  S.  34  in  Tabellenform 
gebracht.  Hervorgehoben  sei  daraus,  daß  Catull  auffällig  oft  Sätze 
gleichmäßig  über  2  oder  mehr  Verse  verteilt  (Catull  ca.  13  Prozent, 
Lucrez  ca.  4,  Vergil  ca.  1,  Apollonius  ca.  2).  Lassen  sich  aber  wirk- 
lich die  Fälle,  wo  am  Versschlusse  ein  Punkt  und  die,  wo  ein  Semikolon 
steht,  so  scharf  trennen  wie  das  in  der  Tabelle  geschieht?  —  Im  dritten 
Kapitel,  'Über  Catulls  Dichtungsarten',  werden  verschiedene  inter- 
essante Probleme  gestreift.  Das  ältere  römische  Epos  hatte  zwei  Rich- 
tungen: eine  mythologische  mit  genauem  Anschluß  an  griechische  Vor- 
bilder und  eine  freiere,  national-römische.  Catull  folgte  der  ersten  und 
bekämpfte  die  zweite;  ein  nationales  Epos  war  eben  das  Annalenwerk 
des  VoJusius  (c.  36.  95).  Daß  vor  Catull  eigentliche  Elegien  in  Rom 
nicht  gedichtet  worden,  steht  fest  (anders  liegt  die  Sache  bei  Epi- 
grammen), dagegen  bleibt  fragUch,  ob  auch  andere  Zeitgenossen  (cantores 
Euphorionisj   sich  auf  diesem  Gebiete  versucht  haben.     Doch  hat  nach 


Bericht  üb.  die  Litteratur  zu  Cätull  für  die  Jahre  ISST— 1.S96.  (Magnus.)     203 

Prop.  ni  34,  89 — 90  Calvus  den  Tod  seiner  geliebten  Gattin  in  Ele- 
gien besungen.  Catulls  elegische  Dichtungen  tragen  alle  den  Stempel 
des  Anfängertums.  Die  Untersuchungen  über  c.  67  hat  Verf.  später  an 
anderer  Stelle  wiederholt  (s.  im  2.  Teile  zu  c.  67).  Daß  eine  spätere  Zeit 
CatuU  nicht  unter  die  Meister  der  Elegie  rechnete,  ist  wohl  begründet. 
Seine  Epigramme  sind,  obwohl  Einfluß  griechischer  Vorbilder  nicht  zu 
bestreiten  ist  (coli.  c.  70  mit  Kallim.  epigr.  XXV),  Fortsetzung  einer 
früheren  römischen  Dichtungsart  der  erotischen  Dilettantenpoesie  (Va- 
lerius  Aedituus  u.  s.  \v.).  Seine  kleinen  Dichtungen  in  lyrischen  Vers- 
maßen gehören  inhaltlich  ebendahin,  der  Form  nach  waren  sie  in  Rom 
neu  und  sind  aus  alexandrinischem  Einflüsse  hervorgegangen.  Das  Hoch- 
zeitslied c.  61  sei  als  rein  litterarisches  Produkt  anzusehen  und  die 
darin  geschilderte  Situation  als  fingiert:  das  beweise  der  gräzisierende 
Ton  im  Anfange,  der  Mangel  an  Sonderung  zwischen  den  Partien  des 
Chores  und  des  Chorführers  und  die  Fescenninenscherze ;  dieser  alte 
Brauch  bei  italischen  Bauernhochzeiten  sei  schwerlich  zu  Catulls  Zeit 
in  Rom  noch  üblich  gewesen.  Doch  übersieht  hier  Verf.,  daß  die 
Vv.  126  f.  keineswegs  eine  Wiedergabe  jener  bäurisch-rohen  Zoten  ent- 
halten, sondern  nur  graziös  darauf  anspielen.  —  Cap.  IV,  'Catull  als 
Übersetzer',  beschäftigt  sich  zunächst  mit  c.  62,  'wahrscheinlich  dem 
ersten  lateinischen,  lyrischen  Gedichte  in  daktjiiscben  Hexametern' 
Übersetzung  aus  dem  Griechischen  anzunehmen  (idealer  Charakter,  keine 
anschauliche  Situation,  Mangel  an  national-römischem  Gepräge  im  Gegen- 
satze zu  c.  61).  Ein  eigentlicher  Beweis  für  die  Autorschaft  der  Sappho 
sei  nicht  erbracht.  Ged.  63  ist  die  Übersetzung  eines  alexandrinischen 
Originals  (vereinzelte  Züge  entlegener  Gelehrsamkeit  wie  die  Pasithea 
in  V.  47,  rein  griechische  Vorstellungen;  einzig  dastehende  Form  der 
Sage,  die  ein  römischer  Dichter  nicht  gut  auf  eigene  Hand  erfunden 
haben  kann;  Mangel  an  jeder  erklärenden  Einleitung),  vielleicht  —  wie 
Wüamowitz  wollte  —  des  Kallimachus.  Eingehend  wird  über  c.  51,  der 
einzig  sicheren  Übersetzung  aus  Sappho,  gesprochen.  Longins'  Text 
(~£pi  utj^ouj  c.  10)  beginnt  mit  irav,  das  vorhergehende  alXoL  ist  Ditto- 
graphie.  Die  vierte  Strophe  der  Sappho  konnte  Catull  einfach  darum 
nicht  übersetzen,  weil  sie  speziell  den  Zustand  einer  Frau  schildert 
(vgl.  dazu  auch  Baehrens,  Comm.  p.  260).  Jene  vierte  von  ihm  selb- 
ständig zugefügte  Strophe,  die  viele  ganz  und  gar  streichen  oder  doch 
durch  Annahme  einer  Lücke  von  den  3  ersten  trennen  wollten,  ist  psy- 
chologisch wohl  begründet.  Die  ersten  Strophen  sind  (bei  Catull  ist 
diese  Thatsache  nur  durch  die  Anrede  an  Lesbia  etwas  verdunkelt) 
keineswegs  der  Ausdruck  von  Liebesverlangen  oder  gar  Seligkeit, 
sondern  sie  malen  einen  'pathologischen  Zustand',  eine  Krankheit  (daß 
ein  anderer  der  Begünstigte,  par  deo,  ist,  bringt  ihn  um  seinen  Ver- 


204     Bericht  üb.  die  Litteratur  zu  Catull  für  die  Jahre  1887 — 1896.  (Magnus.) 

stand).  Der  sich  selbst  beobachtende  und  nach  dem  Grunde  seines 
Fieberzustandes  fragende  Dichter  antwortet  ganz  natürlich  (coli.  Ov. 
rem.  am.  139  f.):  Otium  tibi  molestumst  sq.  Während  Catull  hier  die 
Sappho  übersetzte,  weil  er  bei  der  geistesverwandten  Dichterin  in  glän- 
zender Weise  die  Gefühle  ausgedrückt  fand,  die  ihn  bewegten,  wollte 
er  mit  der  Übersetzung  aus  Kallimachus  (c.  66)  nur  beweisen,  daß  er 
die  alexaudrinische  Technik  beherrsche;  der  Stoff  konnte  für  ihn  und 
seine  Leser  weder  allgemein  menschliches  noch  speziell  historisches  Inter- 
esse haben.  — 

Cap.  V,  'Catull  als  Nachahmer',  wird  größtenteils  ausgefüllt 
durch  Untersuchungen  über  c.  64  und  68.  Namentlich  jene  sind  inter- 
essant und  verdienen  die  Beachtung  der  Erklärer.  Nach  Haupt  Opusc.  IE 
67  f.  ist  c.  64  anzusehen  als  selbständiges  Werk  Catulls  in  alexandri- 
nischer  Mauier  mit  vielen  Reminiszenzen  aus  der  Lektüre  griechischer 
Dichter  (weiter  ausgeführt  von  K.  P.  Schulze,  N.  Jahrbb.  1882,  205— 
214,  s.  J.-Ber.  II  1887  S.  265).  Dagegen  hatte  A.  Riese  im  Rh.  Mus. 
1866,  468  f.  den  Nachweis  versucht,  daß  es  eine  Übersetzung  aus 
Kallimachus  sei  (später  zurückgenommen,  s.  Rieses  Ausg.  S.  154). 
Diese  Hypothese  nimmt  Drachmann  mit  der  Einschränkung  wieder  auf, 
Riese  habe  nur  in  der  Annahme,  daß  ein  Kallimacheisches  Gedicht  das 
Original  sei,  geirrt.  Seine  Hauptergebnisse  sind  folgende:  Gedicht  64 
ist  eine  Kontamination  von  2  alexandriuischen  Epyllien,  von  denen  das 
eine  die  Hochzeit  des  Peleus  und  der  Tlietis,  das  andere  die  Sage  von 
Theseus  und  Ariadne  behandelte.  Dadurch  erklärt  sich  die  einzig  da- 
stehende (auch  in  den  uns  erhaltenen  Trümmern  der  alexandriuischen 
Poesie  findet  sich  nichts  Ahnliches)  Komposition  des  Gedichtes:  um  die 
beiden  Stoffe  verbinden  zu  können,  erfand  der  Dichter  das  Motiv  von 
der  vestis  priscis  hominum  variata  figuris,  auf  der  die  Ariadnesage  ein- 
gewebt war.  Diese  Episode  ist  vielleicht  Übersetzung  von  Euphorions 
Epos  Jitovusoc  (Meineke,  Anal.  AI.  p.  21.  45).  Dafür  sprechen  auch  die 
mehrfachen  Übereinstimmungen  Catulls  mit  Nonnos,  der  nachw'eislich  den 
Euphorien  benutzte  (Xonn.  Dion.  47,  269  f.  =  Cat.  64,  56.  Nonn.  47,  388  f. 
=  64,  160  f.  u.  a.).  Wer  wirklich  —  D.  zweifelt  an  der  Evidenz  — 
64,  30  für  Übersetzung  von  Euphorion  frg.  158  M.  'Öxeav6s,  ztp  Tiasa 
-£ptppu-o;  ivoEÖsTat  ypM'/  hält,  kann  annehmen,  daß  beide  kontaminierte 
Epen  von  Euphorion  herrührten.  Bei  einem  lateinischen  Dichter,  der 
ein  selbständiges  Originalwerk  schuf,  wären  willkürliche  Änderungen 
an  der  Überlieferung,  also  selbständige  Neugestaltungen  der  Mythen,  ganz 
unwahrscheinlich  (Z.B.Datierung  der  Hochzeit  nach  dem  Argouauteu- 
zuge,  Ägeus  Tod  als  Strafe  von  Theseus  Treulosigkeit,  das  Erscheinen 
des  Prometheus,  das  Ausbleiben  von  Apollo  und  Diana,  das  Parzenlied, 
die  Rhamnusia  virgo  als  Kriegsgöttin).     Die  angeblichen  Acklänge  an 


Bericht  üb.  die  Litteratur  zu  Catull  für  die  Jahre  1887—1896.  (Magaus  .)     205 

Homer,  Hesiod,  Sophokles,  Euripides,  Kallimachus,  Theokrit,  Apollonius 
Rhodius  beweisen  alle  nichts :  sie  beziehen  sich  auf  Stelleu,  die  in  ganz 
anderem  Zusammenhanj^e    stehen    und    nur    eine    entfernte  Ähnlichkeit 
zeigen;    sie  können   sehr  wohl  aus  dem  von  Cat.  übersetzten  Originale 
stammen,  so  daß  also  nur  ein  indirekter  Zusammenhang  mit  Catull  be- 
stände.   Für  manche  dieser  Stellen  ist  das  dem  Verf.  einzuräumen:  Ob 
z.  B.  der  dichterische  Gemeinplatz  v.  204  f.  direkt  aus  II.  1,  528  ent- 
nommen   ist,    bleibt    gewiß    fraglich.     Aber    daß  Euphorion    oder    ein 
anderer  Alexandriner  in  einem  Gedichte  sollte  Kallimachus,  Theokrit, 
Apollonius  geplündert  haben,   ist  ganz  unglaublich.     Überhaupt  verliert 
die  blendende  Hj^pothese  bei  näherem  Zusehen  sehr  an  Wahrscheinlich- 
keit.   Der  Schluß  von  397  an  soll  wegen  des  echten  Gepräges  von  In- 
dignation   über    die  Entartung    des  Zeitalters    und    des    angeblich    be- 
stimmten Hinweises  auf  eine  Schandthat  Catilinas  in  v.  401  selbständige 
Arbeit  CatuUs    sein.     Hält    man   damit  zusammen,    daß  D.  selbst  eine 
eigentliche  Übersetzung,  etwa  wie  die  Coraa  Berenices,  nicht  anzunehmen 
wagt  (nach  S.  88  hielt  sich  Cat.  zwar  größtenteils  eng  an  sein  Original, 
kann    sich  aber  sehr  wohl  Freiheiten  im  einzelnen,    in  der  Anordnung 
des  Stoffes,  den  Übergängen  u.  s.  w.  genommen  haben),   so  ist  ersicht- 
lich,   daß  die  Hypothese  sich  von  der  rezipierten  Annahme,    c.  64  sei 
eine  gelehrte  Studie  nach  alexandrinischera  Muster,    doch  keine  Über- 
setzung,   nicht    so    sehr    weit  entfernt.     Mit  dieser  Annahme  ist  denn 
auch  das  Auftreten  entlegener  und  sonst  unbekannter  Mythen  in  c.  64 
ganz  wohl  vereinbar:  nicht  der  römische  Dichter  Catull  hat  griechische 
Sagen   willkürlich   umgestaltet,    sondern  die  verschiedenen  griechischen 
Originale,  denen  er  hier  und  da  folgte.    Unberücksichtigt  mag  hier  das 
Verhältnis    des  c.  64  zu  Lucrez  bleiben,    da  es  in  der  That  doppelter 
Deutung  fähig  ist.     Aber  nicht  vereinbar  sind  mit  Drachmanns  Hypo- 
these die  von  Eskuche  (De  Valerio  Catone  deque  Diris  et  Lydia  car- 
minibus.    Marburg  1889.    S.  74)  in  c.  64  nachgewiesenen  Anklänge  an 
Valerius  Cato    (z.  B.  64,  90  =  Dirae  21.  64,  14=  Dirae  57.    64,  332 
=  Lydia  68).    —  Die  Betrachtungen  über  c.  68  beziehen  sich  nur  auf 
das  Mittelstück  41 — 148,  das  unter  allen  Umständen  —  man  mag  Uni- 
tarier oder  Chorizont  sein  —  eine  Einheit  für  sich  bildet.    Hier  handelt 
es    sich  unzweifelhaft  um  ein  selbständiges  Werk  CatuUs  (rein  persön- 
liche Verhältnisse  des  Dichters,  speziell  römische  Züge);  die  Elegie  darf 
also    einer  Charakteristik    seiner    frei   nachahmenden  Kunst  zu  gründe 
gelegt   werden.     Nach    eingehender  Analyse    wird  die  Komposition  als 
einzig  dastehend  in  der  antiken  Litteratur  erklärt:  'das  Ganze  erinnert 
an    die    chinesischen    Schachteln,     eine    immer    in    der    andern'.     Das 
Gleichnis    v.  57  f.    wird    getadelt,    weil    es    nicht  etwa  bloß  über  den 
eigentlichen  Vergleichspunkt    hinaus    fortgesetzt,    sondern    weil  zuletzt 


206     Bericht  üb.  die  Litteratar  zu  CatuU  für  die  Jahre  1887  —  1896.  (Magnus .) 

ein  g-anz  nenes,  mit  dem  Vorherg:ehenden  unvereinbares  Moment  einge- 
führt wird.  Auf  die  Frage,  ob  es  nicht  möglich  sei,  das  Gleichnis  zum 
folgenden  zu  ziehen,  geht  D.  leider  nicht  ein.  Übereinstimmend  mit 
Baehrens  coram.  p.  512  wird  als  Catulls  Quelle  für  die  Laodamiasaee 
nicht  Homer  II.  II  700  f.,  sondern  ein  uns  unbekanntes  alexandriniscUes 
Original  ausgegeben  —  schwerlich  überzeugend,  denn  Homers  o6|xoc 
fj[jLtTeXT^?  findet  man  in  Catulls  domnm  inceptam  frustra  wörtlich  wieder, 
und  die  bei  Cat.  folgenden  Worte  können  sehr  wohl  Erläuterung  jenes 
ungewöhnlichen  Ausdrucks  und  dichterische  Ausmalung  sein.  —  Be- 
sprochen werden  endlich  noch  c.  4  und  34.  Von  jenem  heißt  es  vor- 
sichtig: 'Es  ist  ein  Dedikationsgedicht,  gedacht  als  Inschrift  auf  dem 
Bilde  eines  kleinen  Fahrzeuges,  das  nach  seiner  letzten  langen  Reise 
nun  im  Hafen  liegt;  das  Bild  ist  aufgehängt  im  Dioskurentempel.  Das 
Gedicht  ist  ein  Versuch  in  der  Kunstart,  von  der  wir  die  Beispiele 
jetzt  im  6.  Buche  der  griechischen  Anthologie  besitzen.'  Auf  die  Fragen, 
ob  es  wirklich  als  Inschrift  gedient  hat,  ob  das  Fahrzeug  dem  Dichter 
oder  einem  anderen  gehörte,  wird  nicht  eingegangen.  —  Gegen  die  ge- 
wöhnliche Ansicht,  daß  c.  34  ein  öffentlich  bestelltes  Festgedicht  sei, 
bestimmt,  durch  einen  Chor  von  Knaben  und  Mädchen  wirklich  ge- 
sungen zu  werden,  wendet  D.  mit  Recht  ein :  1.  Derartige  Aufführungen 
öffentlich  bestellter  Gesänge  kommen  in  der  republikanischen  Zeit  über- 
haupt nur  zweimal  vor  und  werden  als  etwas  ganz  Ungewöhnliches 
hervorgehoben.  2.  Daß  bei  einer  religiösen  Festfeier  damals  freie 
lyrische  Produktionen  in  gräzisierender  Form  sollten  gesungen  sein,  ist 
eine  Annahme,  die  mit  allem,  was  wir  von  römischem  Gottesdienste 
wissen,  streitet.  3.  Wurde  wirklich  ein  Hymnus  zu  einem  Dianafeste 
bestellt,  so  war  Catull  wohl  der  letzte  Dichter,  an  den  man  sich  wendete; 
konnte  ihn  doch  seine  sonstige  dichterische  Thätigkeit  (kleine  Gelegen- 
heitspoesie, Übersetzungen  und  Studien  nach  dem  Griechischen)  unmög- 
lich als  offiziellen  Dolmetsch  für  die  religiösen  Gefühle  seiner  Mitbürger 
empfehlen.  Das  Gedicht  sei  vielmehr  ein  Versuch,  eine  Studie  in  der 
Hymnenpoesie,  wie  man  sie  aus  der  griechischen  Lyrik  kenne.  Bemer- 
kungen über  c.  11,  70  und  Verzeichnisse  von  Anklängen  an  griechische 
Vorbilder  beschließen  diesen  Abschnitt. 

Die  'Allgemeinen  Bemerkungen"  in  cap.  VI  besprechen  vor- 
nehmlich das  Verhältnis  Catulls  und  der  jüngeren  Dichterschule  über- 
haupt zu  der  älteren  römischen  Poesie.  Es  handelt  sich  hier  um  einen 
Gegensatz  zwischen  dem  überwiegenden  Interesse  für  den  Inhalt  und 
dem  für  die  Form.  Die  ersten  Entlehnungen  aus  der  griechischen  Poesie 
(Tragödie,  Komödie,  Übersetzungen  aus  Ilias  und  Odyssee)  gingen  durch- 
aus hervor  aus  dem  Interesse  für  Stoff  und  Inhalt.  Dem  gegenüber 
auffällige  Geringschätzung  der  Form  (Freiheit  im  Gebrauche  des  Spondeus 


Bericht  üb.  die  Litteratur  zu  Catull  für  die  Jahre  1887—1896.  (Magnus.)     207 

nach  Hör.  a.  p.  258  f.,  Mangel  an  Feile).  Eigentümliche  Stellung  des 
Eanius  (bewußte  Opposition  gegen  die  ältere  Richtung,  der  neuen  Schale 
ist  er  nicht  griechisch  genug).  Die  neue  Schule  erstrebte  zunächst 
größere  Korrektheit  in  der  Form,  d.  h.  engeren  Anschluß  an  griechische 
Normen,  vor  allem  in  der  Metrik.  Ein  ganz  neues  Gepräg-e  ward  ihr 
aber  durch  den  alexandrinischen  Einfluß  aufgedrückt.  Wie  ist  das  merk- 
würdige Phänomen  zu  erklären,  daß  eine  dem  Leben  so  fern  stehende 
und  mindestens  eben  so  sehr  auf  dem  philologischen  wie  dem  poetischen 
Interesse  ihrer  Leser  beruhende  Litteratur  in  dem  praktischen  Rom 
Wurzel  schlagen  konnte?  1.  Durch  die  Zersetzung  in  den  sozialen  Ver- 
hältnissen Roms,  das  Eindringen  fremder  Elemente  in  die  römische 
Bürgerschaft  nach  den  Bundesgenosseukriegen  und  die  dadurch  bedingte 
Denationalisierung  der  römischen  Poesie.  Auch  der  alexandrinischen 
Litteratur  fehlte  der  Zusammenhang  mit  sozialen  und  nationalen  Inter- 
essen, mit  der  Gesamtheit  überhaupt.  2.  In  der  Welthauptstadt  strömten 
eine  Menge  Griechen  zusammen,  darunter  Litteraten  jeden  Schlages,  die 
besonders  geeignet  waren ,  den  Römern  die  Bekanntschaft  namentlich 
mit  der  späteren  griechischen  Litteratur  zu  vermitteln.  3.  Die  Studien- 
reisen junger  Römer  nach  Griechenland.  Der  alexandrinische  Einflui.) 
erstreckte  sich  auf  das  Gebiet  der  Metrik,  die  poetische  Technik  im 
weiteren  Sinne  (griechische  Wörter  behalten  z.  B.  die  genauere  grie- 
chische Form),  den  Gebrauch  des  mythologischen  Apparates,  zuletzt 
auch  auf  die  Wahl  des  Stoffes.  Formenkorrektheit  und  peinlich  sorg- 
fältige Kleinmalerei  war  unvereinbar  mit  der  Bearbeitung  groi3er  Auf- 
gaben. Das  Epyllion  war  bei  den  Alexandrinern  das  natürliche  Pro- 
dukt mythologisch- antiquarischer  Studien  und  der  Abneigung  gegen 
umfangreichere  Stoffe.  Seine  Einführung  bei  den  Römern,  denen  jene 
Interessen  ganz  fern  lagen,  war  eigentlich  ein  Mißgriff.  Die  Frage, 
ob  Catull  und  sein  Kreis  einen  wesentlichen  Fortschritt  in  der  Geschichte 
der  römischen  Litteratur  bezeichnet,  ob  er  neue  Bahnen  gewiesen,  neue 
Gesichtspunkte  erschlossen  habe,  ist  zu  verneinen.  Gewiß  war  die  po- 
litische Invektive  bei  Catull  etwas  Neues,  aber  diese  Regung  war  nicht 
von  Dauer :  mit  Gründung  der  Monarchie  trat  der  alte  Stillstand  wieder 
ein.  Nur  auf  dem  Gebiete  der  erotischen  Poesie  ist  die  Thätigkeit 
Catulls  und  seiner  Freunde  erfolgreich  gewesen:  so  stellt  Properz  sich 
in  eine  Linie  mit  Catull,  Calvus  und  Cinna  und  bezeichnet  diese  als 
seine  Vorgänger. 

21.  L.  B.  Stenersen,  Catulls  Dichtung  beleuchtet  in 
ihrem  Zusammenhange  mit  der  früheren  griechischen  und 
lateinischen  Litteratur.    Kristiania  1887.    63  S.     8.     (Dänisch.) 

Nach    einer  Charakteristik  der  alexandrinischen  Poesie  bespricht 


208     Bericht  üb.  die  Littcratur  zu  Catull  für  die  Jahre  18S7— 1896.  (Magnus.) 

Verf. ,  ohne  Neues  zu  bieten ,  die  Beziehungen  der  älteren  römischen 
Dichtung  zur  griechischen  Litteratur  und  wendet  sich  dann  zum  cice- 
ronianischen  Zeitalter,  insbesondere  zu  der  'neuen'  Dichterschule.  Von 
Catulls  Gedichten  sind  augeblich  65,  66  und  68a  'zweifellos  die 
frühesten'. 

22.  H.  Düntzer,  Catull  und  Horaz.  Phil.  52  (N.  F.  6) 
1894,  138—159.     332-347. 

Die  Abb.  sucht  in  ebenso  schiefer  wie  flacher  Auffassung  ihres 
Themas  den  Nachweis  zu  führen,  daß  Horaz  ein  größerer  Dichter  sei  als 
Catull.  und  verurteilt  sich  dadurch  zu  derselben  Öde  und  Unfruchtbar- 
keit, der  etwa  ein  Bearbeiter  der  müßigen  Streitfrage,  ob  Goethe  oder 
Schiller  größer  sei,  verfallen  würde. 

Besonnener  handeln  über  das  Verhältnis  beider  Dichter  Lafaye 
19,  133,  Elli3,  Class.  ßev.  1X1895,  41  und  schon  früher  Munro, 
Criticisms  and  Eine,  of  Cat.  S.  227  f. 

23.  G.  Mathe,  De  Catullo  imitatore.  Lugos  1894,  Wenczely. 
31  S.  8.  (Der  c.  64  behandelnde  Abschnitt  auch  abgedruckt  im 
Jahresb.  d.  Ungar.  Gymn.  z.  Lugos  1893—1894.) 

Im  ersten  Kapitel,  'De  Catullo  Sapphus  imitatore',  werden 
besprochen  die  Gedichte  62  und  61.  In  bezng  auf  jenes  stellt  und 
beantwortet  Verf.  folgende  Fragen:  1.  Übersetzung  oder  Nachahmung? 
Übersetzung  aus  Sappho  (ohne  Angabe  von  Gründen),  2.  Verteilung 
und  Responsion  der  Strophen  (s.  im  zweiten  Teile  bei  c.  62),  3.  Ist 
V.  14  echt?  Nein.  4.  Wieviel  Verse  sind  nach  32  verloren?  Sechs. 
5.  Ist  nach  58  der  Intercalaris  einzuschieben?  Ja.  Die  Bemerkungen 
zu  c.  61  mit  ihrer  Einführung  von  icp/a,  ipor.d,  o|X!paXos  u.  s.  w.  bringen 
nichts,  was  die  Sache  fördert.  —  Der  größte  Teil  des  zweiten  Kapitels, 
'De  Catullo  Callimachi  imitatore',  ist  dem  c.  64  gewidmet.  Verf. 
glaubt:  a)  poetam  arte  imbutum  Callimachea  hoc  carmen  scripsisse; 
b)  non  in  Latinum  convertisse,  sed  imitatum  esse;  c)  Carmen  Calli- 
macheum  de  fabula  Thesei  et  Ariadnae  (?  nicht  näher  begründet) 
studiose  in  mente  versasse;  d)  non  solum  Callimachi  rationem  pangendi, 
sed  etiam  ab  aliis  relicta  in  usum  suum  contulisse;  e)  haec  omnia  non 
serviliter  expressisse,  sed  sana  mente  perpolivisse  et  iis  picturis  usum  | !  | 
sententias  suas  descriptionesque  exornavisse. 

24.  P.  Sclascia,  L'arte  in  Catullo.  Studio  critico.  Palermo 
1896,  Reber.     254  S.     kl.  8. 

Inhalt:  I.  Biografia  di  Catullo.  IL  Rinnovamento  della  poesia 
latina  per  opera  di  Lucrezio  e  Catullo.  III.  II  realisrao  nelle  poesie 
di  Catullo.     IV.  L'arte  nelle  poesie  di  Catullo.     V.  La  poesia  giocosa 


Bericht  üb.  die  Litteratur  zu  Catull  für  die  Jahre  1887  —  1896.  (Magnus.)     209 

€d  epigrammatica.  VI.  Karte  di  Catullo  in  rapporto  con  quella  dei 
poeti  Alessandrini.  VII.  Le  similitudini  nelle  poesie  di  Catullo. 
VIII.  L'elocuzione.  IX.  II  sentimento  di  natura.  X.  L'araore.  XI.  II 
dolore.  XII.  Relazione  di  Heine  e  De  Musset  con  Catullo.  XIII.  Con- 
fronto  tra  la  Medea,  TArianna  e  la  Didone.  XIV.  La  morale  in  Catullo. 
XV.  Cicero  pro  domo  sua  o  della  Critica  d'arte  (Verf.  verteidigt  hier 
seine  Behandluugsweise).  Die  Aufsätze  sind  flott  geschrieben  und  zeugen 
von  warmer  Begeisterung  für  den  Dichter.  Als  eigentliche  Beiträge 
zu  seiner  Erklärung  sind  sie  jedoch  nicht  anzusehen.  Viele  Seiten 
werden  mit  Paraphrasen  einzelner  Gedichte  gefüllt  (so  S.  213  —  216 
Ariadnes  Klagen,  vgl.  64 — 73).  Das  Ergebnis  des  zweiten  Aufsatzes 
ist  folgender,  manches  "Wahre  enthaltende  Satz  (S.  25):  'Lucrez  und 
Catull  bewirkten  eine  wahre  Umwälzung  in  der  Poesie,  zerstörten  die 
Vergangenheit,  schufen  eine  Zukunft,  indem  sie  die  Sprache  gepflegter, 
reiner,  lateinischer  machten,  indem  sie  neue  Metra  einführten  oder  die 
alten  mannigfaltiger  und  harmonischer  machten  und  indem  sie  alle 
dichterischen  Werkzeuge  vorbereiteten,  mit  denen  wenige  Jahre  später 
so  große  "Wunder  von  Anmut,  Majestät  und  Vollkommenheit  geschaffen 
wurden.' 

25.  A.  Seitz,  De  Catulli  carminibus  in  tres  partes 
distribuendis.    11  S.   4.   Progr.  d.  Großh.  Gymn.  zu  Rastatt.    1887. 

Der  Titel  führt  irre.  Verf.  spricht  darüber,  daß  Form,  Auswahl 
iiud  Verbindung  der  "Wörter  sich  durch  den  ganzen  liber  Catullianus 
hindurch  nicht  gleich  bleibe.  In  den  Gedichten  1 — 60  finde  man  An- 
näherung an  die  Umgangssprache.  Im  Gegensatz  dazu  sei  die  Diktion 
von  61 — 64  erhaben  und  vielfach  altertümlich.  Die  Sprache  in  65 — 116 
sei  teils  gewählt  und  im  Stile  des  zweiten  Teiles  gehalten  (wie  in 
c.  65—68),  teils  mehr  vulgär  und  an  das  erste  Stück  erinnernd.  "Was 
hieran  richtig  ist,  war  längst  bekannt.  Daß  die  Dreiteilung  übrigens 
nicht  durchführbar  ist,  giebt  Verf.  selbst  zu,  indem  er  das  dritte  Stück 
in  zwei  Teile  mit  ganz  verschiedener  Sprache  zerlegt.  Aber  auch  damit 
ist  nicht  viel  gewonnen.  Nicht  einmal  65 — 68  zeigen  gleichmäßigen 
Stil:  67  steht  zu  66  und  68  auch  sprachlich  im  Gegensatze.  Ja  selbst 
die  drei  Teile  des  c.  68  lassen  Einheitlichkeit  vermissen.  —  Lesens- 
werte Bemerkungen  zum  Sprachgebrauch  bietet  die  Schrift  hin  und  wieder, 

26.  J.  Simon,  De  comparationibns,  quae  in  Catulli  car- 
minibus leguntur.  Cilli  1893.  27  S.  8.  (Progr.  d.  Staats- 
Gymnas.  in  Cilli.) 

Die  Abh.  bringt  zur  Erklärung  und  Quellenkunde  der  catullischen 
Gleichnisse  nicht  eigentlich  Neues,    stellt   aber    das  bekannte  Material 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    Bd.  LXXXXVII.    (1898.  II.)      14 


210     Beridit  üb.  die  Litteratur  zu  Catull  für  die  Jahre  1887  —  1890.  (Magnus.) 

gut  znsamraen.  Auf  die  2300  Verse  des  liber  Catullianus  kommen 
52  Gleichnisse  (dabei  sind  einfache  Vergleichungen  wie  80,  1  hiberna 
candidiora  nive  allerdings  mitgerechnet).  Sie  werden  eingeführt  durch 
ut  (10),  velut  (10),  veluti  (1),  cen  (1),  qualis  (7),  talis  (1),  quam  (5), 
quantum  (1),  ohne  vergleichende  Partikeln  (2),  durch  den  Abi.  comp.  (9), 
durch  Fragesätze  (2).  Entlehnt  hat  davon  der  Dichter  dem  Homer  9, 
dem  Callimaclius  4,  dem  Theocrit  3,  der  Sappho  3  u.  s.  w.  Alteren 
lateinischen  Dichtern  ist  er  nirgend  gefolgt.  Bei  folgenden  läßt  sich 
Nachahmung  überhaupt  nicht  feststellen:  3,  6;  11,  21;  13,  7;  17.  16. 
18.  23:  25,  13;  29,  6;  48,  5;  61,  106;  63,  33;  64,  60;  68,  124.  125; 
72,  3:  81,  4. 

27.  A.  Reeck,  Beiträge  zur  Syntax  des  Catull.    Bromberg 
1889.     18  S.     4.     Progr.  d.  Realgymnasiums. 

Nach  den  verschiedenen  Arbeiten,  welche  den  Sprachgebrauch 
Catulls  behandeln  (s.  Jhb.  1887  II  S.  185  f.)  hat  sich  Verf.  die  Auf- 
gabe gestellt,  'die  noch  nicht  untersuchten  Teile  des  zusammengesetzten 
Satzes  zu  durchforschen  unter  Hinweis  anf  die  ähnlichen  oder  ab- 
weichenden Erscheinungen  bei  den  früheren  und  gleichzeitigen  resp. 
späteren  Autoren'.  Die  Abh.  enthält  folgende  Kapitel:  I.  Koordinierende 
Partikeln.  II.  Asyndeton.  III.  Substantivsätze  mit  quod,  ut,  ne. 
IV.  Relativsätze.  V.  Temporalsätze.  VI.  Proportionalsätze.  VIF.  Kausal- 
sätze. VIII.  Finalsätze.  IX.  Quinsätze.  X.  Konzessivsätze.  XI.  Kon- 
ditionalsätze. XII.  Participium.  Die  Sammlungen,  auf  denen  die 
Darstellung  beruht,  sind  vollständig  und  zuverlässig;  sie  wird  also  dem 
Grammatiker  und  Lexikographen  gute  Dienste  leisten.  An  zweifelhaften 
Stellen  werden  auch  die  handschriftlichen  Lesarten  gebührend  berück- 
sichtigt. Zur  Erklärung  und  Kritik  unseres  Textes  trägt  die  Arbeit 
nichts  bei.  Offenbar  unrichtig  wird  97 ,  10  et  non  mit  et  non  potins 
erklärt.  Vielmehr  ist  et  hier  wie  81,6  (wo  Verf.  nicht  die  La.  ver- 
dächtigen durfte)  =  et  tarnen. 

28.  J.  Vahlen,  Über  ein  Alexandrinisches  Gedicht  des 
Catull  US.  25  S.  8.  (Sonderabdruck  aus  den  Sitzungsberichten  der 
Berliner  Akademie.     Sitzung  vom  20.  Dezember  1888). 

29.  J.  Vahlen,  De  deliciisquibusdamorationisCatullianae. 
Ind.  lect.  Berol.     hib.  1896/97.     19  S.     4. 

30.  .1.  Vahlen,  De  nonnullisversibuscarminisCatulliani 
LXIV  in  controversiam  vocatis.  Ind.  lect.  Berol.  aest.  1897. 
18  8.     4. 

Nicht  minder  als  ihre  Vorgänger  sind  auch  diese  Abh.  von  hoher 
Bedeutung  für  das  Verständnis  der  CatuUischen  Poesie  überhaupt,  wie 


Bericht  üb.  die  Litteratur  zu  Catull  für  die  Jahre  1S87— 189G.  (Magnus.)     211 

für  Kritik  und  Erklärung  einzelner  Stellen.  Auch  hier  handelt  es  sich 
nicht  um  'anregende"  Beobachtungen,  sondern  meist  um  sichere,  völlig 
unantastbaie  Ergebnisse;  nur  selten  werden  bescheidene  Zweifel  erlaubt 
sein.  No.  28  analysiert  das  litterarhistorisch  so  merkwürdige  und  auch 
des  poetischen  Reizes  keineswegs  bare  Gedicht  66,  untersucht  seinen 
historischen  Hintergrund,  bespricht  und  emendiert  oder  erklärt  die  Verse 
56,  59  f.,  77 — 78,  79—88.  Die  feine  Analyse  des  Gedankengauges, 
das  wundersame  Eingehen  und  Sichverseuken  in  die  Anschauungswelt 
der  Coma  verleihen  der  Darstellung  einen  eigenen  Reiz.  —  No.  29 
handelt  besonders  von  folgenden  Eigentümlichkeiten  der  Catullischen 
Diktion:  Selbstwiederholungen,  Entlehnungen  aus  der  alten  Sprache, 
poetische  Übertreibungen.  Die  erstgenannten  finden  Verwertung  zur 
Emendation  des  verzweifelten  v.  64,  16.  Streiflichter  fallen  mitunter 
auf  griechische  Dichter,  namentlich  Euripides.  —  In  No.  30  endlich 
sucht  Verf.  mit  viel  Scharfsinn,  umfassender  Belesenheit  und  geradezu 
einziger  Kenntnis  der  Catullischen  Poesie  folgende  schwierige  und  viel 
heimgesuchte  Verse  des  c.  64  zu  emendieren  oder  zu  verteidigen:  109, 
139—140,  174,  212,  273,  334. 

31.     J.  Giri,  De  locis  qui  sunt  aut  habentur  corrupti  in 
Catulli  carminibus.     Vol.  I.     Turin  1894,  Loescher.     289  S.    8. 

In  dem  bisher  vorliegenden  ersten  Teile  dieser  Untersuchungen 
werden  über  hundert  Stellen  aus  den  Gedichten  1 — 63  des  liber 
Catullianus  kritisch  behandelt.  Eine  praefatio  handelt  über  die  hand- 
schriftenfrage  und  bespricht  drei  Codices  Neapolitani  und  einen  Panor- 
mitanus  —  ohne  Erfolg  für  Geschichte  wie  Emendation  des  Textes. 
Ebenso  ist  das  Variantenverzeichnis  am  Schlüsse  des  Buches  gleich- 
gültiges Beiwerk,  das  sehr  wohl  wegbleiben  könnte.  Seinen  textkritischen 
Untersuchungen,  die  den  weitaus  größten  Teil  des  Buches  einnehmen, 
legt  Verf.  Schwabes  Ausgabe  von  1886  zu  gründe,  wo  nicht  ausdrücklich 
das  Gegenteil  gesagt  und  begründet  wird.  Er  stellt  sich  dabei  eine 
doppelte  Aufgabe.  Stellen,  die  ihm  für  korrupt  gelten,  sucht  er  durch 
Empfehlung  älterer  Konjekturen  oder  durch  neue  eigene  Vorschläge 
zu  emendieren.  Von  diesen  sind  viele  ganz  verunglückt,  einzelne 
interessant,  aber  freilich  nicht  notwendig.  Eine  wirkliche  Emendation 
ist  nicht  darunter.  Zweitens  soll  die  Überlieferung  da  verteidigt  werden, 
wo  sie  von  allen  oder  fast  allen  Kritikern  mit  Unrecht  verdächtigt 
wurde.  Hier  findet  man  eine  ganze  Reihe  treffender  Bemerkungen, 
die  das  Buch  trotz  vielem  Verfehlten  als  dankenswerten  Beitrag  zur 
Erklärung  CatuUs  erscheinen  lassen.  Nur  beeinträchtigt  Verf.  leider 
die  Wii'ksamkeit  durch  lästige  Breite  der  Darstellung. 

14* 


212     Bericht  üb.  die  Littcratur  zu  CatuU  für  die  Jahre  1887-1896.  (Magnus.) 

32.  J.   Pohl,    Lectionum   Catullianarum    specimen    III. 
Kempen  1892.     XVI.  S.  4.    (Progr.) 

Teil  I  und  II  dieser  Catullstudieu  waren  bereits  1860  und  1866 
erschienen.  Die  vorliegende  von  Einsicht  und  Sachkenntnis  zeugende 
Arbeit  behandelt  folgende  Stellen  in  ausführlichen  Exkursen:  9,  4. 
55,  11.  61,  46—47.  65,  9.  68,  85  und  91.  Trotz  aller  Mühe,  die  Verf. 
anwendet,  um  seine  Vorschläge  zu  stützen,  kann  doch  nur  9,  4  piamque 
matrem  als  möglich  gelten.  Und  selbst  hier  verdient  die  Vulg.  den 
Vorzug. 

33.  0.  Morgenstern,  Curae  Catulliauae.    Progr.  des  Gymn. 
in  Gr.-Lichterfelde.     Berlin  1894.     20  S.  4. 

Nach  einleitenden  Bemerkungen  über  die  Handschriftenfrage  be- 
spricht Verf.  mit  gesundem  Urteil  eine  Anzahl  Stellen,  nicht  selten 
richtig  und  treffend.  Meist  wird  konservative  Kritik  geübt,  namentlich 
da,  wo  selbst  ein  'editor  religiosissimus  et  eruditissimus'  wie  Schwabe 
ohne  Grund  von  der  Überlieferung  abgewichen  sei.  Doch  werden  zu 
r.8,  7  und  64,  16  auch  Konjekturen  versucht.  Die  Schrift  ist  tüchtig 
und  lesenswert. 

34.  K.  P.  Schulze,  Beiträge  zur  Erklärung  der  römischen 
Elegiker.     Progr.  d.  Werd.  Gymn.    zu  Berlin.     1893.     31  S.    4.*) 

Behandelt  werden  in  dieser  von  fleißigen  Studien  zeugenden  Ar- 
beit folgende  Catullstellen :  2,  5  f.;  3,  1  und  6;  4;  6,  9;  10,  26;  11,  3; 
31,  13;  41,  1;  42,  14;  45,  8;  50,  5;  55,  12;  64,  28.  35.  54.  75.  76. 
140.  243.  253:  76,5.  10;  77,4.  Auch  da,  wo  Verf.  irrte  —  und 
das  ist  bei  den  weitaus  meisten  besprochenen  Stellen  der  Fall  —  sind 
seine  Sammlungen  (Lesefrüchte  aller  Art,  Parallelstellen  u.  a.) 
nützlich. 

35.  J.   P.    Postgate,    Catulliana.      Journ.    of   Phil.      XVII 
226—267. 

—  Addendum  to  Catulliana.    Journ.  of.  Phü.  XVIII  145—149. 

Eine  große  Zahl  verderbter  oder  schwieriger  Stellen  wii'd  ein- 
gehend behandelt.  Einige  von  den  Vermutungen  Postgates  klingen 
gefällig  (wie  22,  7  umbilici  et  lora;  55,  29  mihi  ut  dicares;  99,  15 
araoris),  eine  zwingende  Emendation  ist  nicht  darunter.  Trotzdem 
sind  sie  fast  sämtlich  in  den  Text  der  Ausgabe  gesetzt.  Wertvoller 
sind  manche  exegetische  Bemerkungen  zu  einzelnen  Stellen  (wie  64,  10. 
114,  115),  von  denen  am  Orte  die  Rede  sein  wird.    Gründliches  Studium 


*)  Dazu  jetzt:  K.  P.  Schulze,    Beiträge   zur  Erklärung    der   rö- 
mischen Elegiker.    II.    Berlin  1898.    27  S.  4.    Progr.   d.  Werd.  Gymn. 


Bericht  üb.  die  Litteratur  zu  CatuU  für  die  Jahre  1887—1896.  (Magnus.)     213 

des  Dichters  ist  auch  da,  wo  Verf.  offenbar  irrt,  nicht  zu  verkennen. 
In  der  zweiten  Abb.  wird  gegen  Lachmanns  von  den  meisten  Hg. 
rezipierte  Teilung  der  Strophen  von  c.  61  in  je  zwei  Systeme  (3  r2) 
polemisiert  (s.  T.  II  zu  c.  61). 

36.  Th.  Birt,  Commentariolus  Catullianus  tertius.    Mar- 
burg 1895,  Elwert.     XIX  S.  4.     Ind.  lect. 

Diese  Arbeit  liefert  brauchbares  Material  zur  Erklärung  einzelner 
Catullstellen ,  die  Ergebnisse  sind  jedoch  meist  nicht  richtig.  Es 
werden  kritisch  behandelt  das  erste  Passergedicht  (c.  2)  —  dies 
besonders  eingehend  —;  3,  16;  57,  6;  29,  15.  20.  23  (die  SchluUverse 
21  —  24  nicht  umzustellen);  22,  18 — 21  verteidigt.  Richtig  ist  davon 
die  gründliche  und  überzeugende  "Widerlegung  der  von  Moramsen  vor- 
geschlagenen Transposition  29,  21 — 24  hinter  v.  10  und  die  Erklärung 
der  Schluß verse  (18 — 21)  von  c.  22  als  einer  Antwort  auf  die  Frage 
in  V.  12, 

37.  F.  Schröder,  Catulliana.     12  S.  4.    Cleve  1892.  Progr. 

I.  Die  von  Lachmann  aufgestellte  (von  Haupt  Opusc.  I  27  f.^= 
Quaest.  Cat.  p.  38  begründete]  Hypothese  über  die  Zeilenzahl  des  Arche- 
typus (30  auf  jeder  Seite)  ist  unrichtig,  w^eii  sie  u.  a.  auf  der  irrigen 
Voraussetzung  ruht,  daß  c.  87  mit  75  und  78,  7 — 10  (sed  nunc  id 
doleo  sq.)  mit  77,  6  (pestis  amicitiae)  zu  verbinden  seien.  Dasselbe 
gilt  von  den  übrigen  Zählungen  (Bergk,  Westphal,  Fröhner,  EUis), 
da  sie  ebenfalls  von  der  Zusammengehörigkeit  der  G-edichte  87  und  75 
ausgehen.  11.  Vielmehr  ist  87  mit  dem  Fragmente  78,  7 — 10  zu  ver- 
binden, in  V.  2  mit  den  codd.  meast,  in  v.  4  mit  Bährens  illo  für  tuo 
zu  schreiben  und  das  ganze  (coli.  c.  80  und  99,  10)  auf  Gellius  zu  be- 
ziehen, ni.  Der  pessimus  poeta  in  c.  36  ist  CatuU  selbst  [durfte  im 
J.  1892  nicht  mehr  als  neu  vorgebracht  werden;  s.  diese  Zeitschr. 
1887  II  S.  259]  IV.  Birts  Hypothese  (Buchwesen  S.  291  f.),  daß 
Catull  4  monobibla  verschiedenen  Inhalts  verfaßt  habe,  aus  denen 
unser  libellus  Catulli    zusammengeflickt  sei)  abzuweisen    (verfehlt!). 

38.  Th.  Birt,  De  Amorum  in  arte  antiqua  simulacriset 
de  pueris  minutis  apud  antiquos  in  deliciis  habitis.  Commen- 
tariolus Catullianus  alter.  Adiectae  sunt  tabulae  X.  Marburg 
1892.     XXXXn  S.  4.     Ind.  lect. 

Die  von  viel  Scharfsinn  und  Gelehrsamkeit  zeugende  Abh.  erörtert 
antiquarisch  -  archäologische  Fragen  und  zieht  aus  den  Ergebnissen 
Schlüsse  für  die  Interpretation  von  Cat.  c.  55  und  58b  (non  custos 
si  tingar  sq.).  In  überreicher  Fülle  bringt  Verf.  Zeugnisse  für  die 
aus  Alexandria    (p.  XXXI)  stammende,    von  erotischem  Beigeschmack 


214     Bericht  üb.  die  Litteratur  zu  Catull  für  die  Jahre  1887—1896.  (Magnus.) 

nicht  freie  Sitte  vornehmer  Römer  und  Römerinnen,  sich  mit  zarten, 
kleinen  Knaben  oder  Mädchen  zu  umgeben.  Vgl.  Plut.  vit.  Anton. 
C.  59  6  Se  lap|X£VTOc  ^v  t(Üv  Kaisapo?  Tiaqvitüv  iraiöapiov,  S  orjXtxia  'Pwixaioi 
xaXoüjtv.  Zu  welchen  geschlechtlichen  Exzessen  diese  Sitte  führte,  hat 
Sueton  in  der  vita  Tib.  c.  44  geschildert.  In  der  bildenden  Kunst 
wurden  diese  deliciae  als  Putten,  die  das  6.  Lebensjahr  nicht  über- 
schreiten, dargestellt.  Daraus  hat  sich  der  Typus  der  Amoretten  ent- 
wickelt. Beide,  Patten  und  Amoretten,  waren  anfänglich  ohne  Flügel.  Da 
sie  aber  häufig  zusammen  hockend,  liegend,  schlafend  gebildet  wurden,  so 
verglich  man  (s.  p.  XXXIII)  diese  Putten-  und  Aniorettennester  mit  Vogel- 
nestern, ihre  kleinen  Insassen  mit  Vögelchen  und  versah  sie  mit  Flügeln. 
Beiden  ist  aui.]er  dem  zarten  Alter  und  winziger  Gestalt  noch  mancherlei 
gemeinsam:  Auftreten  in  größerer  Zahl,  Nacktheit.  Dem  Amor  wie 
den  Putten  wird  nachgerühmt  süßes  Schwatzen  und  Piaadern.  Vgl. 
Cassins  Dio  XL VIII  44  -aioi'ov  -t  xüiv  (j^iöupöiv,  oia  ai  ^uvaTxes  7U{jLva 
üjs  -Xr^ösi  döupo'jjai  xps^oujiv.  Ein  derartiger  ,putto' ,  ein  Lustknabe 
CatuUs  war  angeblich,  der  in  55  und  58b  gesuchte  Camerius.  Verf. 
schließt  (p.  XL) :  , Camerius  quia  nudus  dicitur,  quia  exiguus  describitur, 
quia  ut  garrulus  sit,  postulatur,  ad  pueros  minutos  aggregandus  est 
fuitque  in  Catulli  consuetudine  qaod  Sarmentus  in  Augusti.'  Eine  Stütze 
dieser  Deutung  wird  gefunden  in  56,  5  deprendi  modo  pupulum  puellae 
trusantem:  'habuit  etiam  Lesbia  pupulum  suum!'  Aber  die  ganze 
Hypothese  ist  ebenso  geistreich,  wie  wenig  überzeugend.  (Vgl.  Morgen- 
stern 33,  9.)  Nicht  nach  der  Überlieferung  heißt  Camerius  nudus, 
sondern  nach  dem  sehr  unwahrscheinlichen  Vorschlage  des  Verf.  zu 
V.  11  nudum  auf  den  Flüchtling  zu  beziehen  und  den  unvollständigen 
Vers  etwa  durch  ein  et  aufer  zu  ergangen,  das  sich  doch  mit  redac 
nicht  verträgt  und  die  Verstümmelung  nicht  erklärt.  Auch  liegt  es 
offenbar  näher,  eine  Beziehung  zwischen  nudum  und  v.  12  zu  suchen. 
Ebensowenig  schildert  Catull  den  Gresuchten  als  'exiguus'.  Ob  v.  5  in 
Omnibus  libellis  heißen  könne  *in  allen  Buchläden'  oder  ob  die  ge- 
fällige Konj.  der  Itali  tabernis  zu  rezipieren  sei,  mag  dahingestellt 
bleiben ;  daß  eine  Erklärung  die  den  pusio  Camerius  mit  grotesker  Über- 
treibung zwischen  Blätter  von  Bücherrollen  stecken  läßt,  unrichtig  ist, 
lehrt  der  ganze  Zusammenhang  (campo  minore,  circo,  templo).  Wenn 
femer  in  v.  12  die  roseae  papillae  =  rosarum  galeri  gesetzt  und  er- 
klärt wird  'flores  corollasque  meretriculae  in  calathis  habebant;  atque 
iam  ibi  sub  rosis  vel  adeo  in  rosis  puerulura  celatum  esse  iocari  videntur', 
?o  ist  diese  Erklärung  eben  nicht  wahrscheinlich  und  ließe  uns  die 
freche  Dirne  nicht  mimice  ac  moleste  ridentem  catuli  ore  gallicani 
schauen.  Aber  selbst  wenn  sie  es  wäre,  könnte  Camerius  nicht  'minutulus' 
sein.      Die    herausfordernde    Frechheit    der    Dirnenreplik    kommt    viel 


Bericht  üb.  die  Litteratur  zu  CatuU  für  die  Jahre  1887 -- 189^.  (Magnus.)     215 

besser  zur  Geltung,  wenn  Camerius  ein  ausgewachsener  Bursche  ist. 
Der  iu  der  verlangten  garrulitas  des  Camerius  gefundene  Grund  für 
seine  Puttennatur  ist  offenbar  nicht  ernst  zu  nehmen:  CatuJl  behandelt 
einfach  das  Thema  von  c.  6.  Den  positiven  Beweis  für  die  Unrichtig- 
keit der  Birtschen  Hypothese  liefert  endlich  die  in  55  wie  58  b  wieder- 
kehrende Anrede  amice.  Dem  ganzen  Sujet  und  dem  Tone  nach 
war  55  vielmehr  mit  50  zu  vergleichen:  Camerius  steht  ebenso  hoch 
wie  Calvus.  —  Einleuchtend  wird  dagegen  auf  p.  VI — VII  gezeigt,  daß 
ö8b  nicht  mit  55  zusammengeschweißt  werden  dürfe  und  auf  die  ana- 
loge Behandlung  eines  und  desselben  Themas  in  c.  5  und  7  verwiesen. 

39.  F.    Hermes,    Beiträge    zur   Kritik    und   Erklärung 
des  CatuU.     Frankfurt  a/0.  1888.     24  S.     4.     Progr. 

40.  F.    Hermes,    Neue    Beiträge    zur   Kritik    und    Er- 
klärung des  Catull.     Frankfurt  a/0.  1889.     16  S.     4.     Progr. 

Behandelt  werden  eingehend  mehrere  wichtige  Probleme  und  eine 
große  Zahl  einzelner  Stellen.  Die  im  Tone  streitbarster  Polemik  ge- 
schriebenen Ausführungen  lesen  sich  amüsant  und  sind,  eben  weil  sie 
last  auf  Schritt  und  Tritt  zum  Widerspräche  herausfordern,  anregend, 
aber  gefördert  haben  sie  die  Forschung  iu  keinem  wesentlichen  Punkte. 

I.  No.  39,  1 — 6;  40,  1—3  leidenschaftlicher  Angriff  auf  die  Hypo- 
these von  der  Identität  der  Lesbia  mit  Clodia  Metelli.  Die  Gründe 
dafür  laufen  bekanntlich  auf  einen  Indizienbeweis  aus;  einen  solchen 
erkennt  Verf.  anscheinend  überhaupt  nicht  an.  Lachmanns  Hypothese, 
daß  Hieronymus  sich  durch  Namensverwechslung  bei  Bezeichnung  der 
Konsulate  versehen  habe  und  des  Dichters  Leben  in  die  Jahre  76 — 46 
zu  setzen  sei,  angeblich  richtig.  —  IL  No.  39,  11  —  16;  40,  3 — 6  Unter- 
suchungen über  c.  68,  insbesondere  die  Einheitsfrage;  Verf.  gehört  zu 
den  Chorizonten.  Wenn  er  behauptet,  der  Schluß  (149  f.)  entspreche 
der  Einleitung  v.  41—51,  kein  Wort  weise  hier  auf  1 — 40  zurück,  so 
ist  das  schwer  begreiflich:  41 — 51  reden  die  Musen  an  und  handeln 
über  den  in  der  3.  Person  bezeichneten  Freund,  149 — 160  sind  Gruß  und 
Anrede  an  den  Freund.  Ihnen  entspricht  am  Anfange  in  41—51  nichts: 
das  Gedicht  hat  keinen  Kopf.  Jeder  Chorizont  muß  konsequenterweise, 
nachdem  er  diesen  Kopf  1 — 40  losgetrennt  hat,  auch  den  Schwanz 
149  —  160  abschneiden  und  ihn  für  ein  poetisches  Begleitschreiben  bei 
Übersendung  des  Enkomion  Allii  erkläi'en.  Dann  bleibt  wenigstens 
ein  genießbares  Mittelstück  übrig.  Allius  ist  nach  H.  Pseudonym  für 
Gellius  (c.  116  die  Absage,  c.  73  u.  91  die  Strafe  des  Vertrauens- 
bruches)! —  111  c.  55  zerfällt  angeblich  in  zweigliedrige  Strophen,  so 
daß  Daktj'lus  und  Spondeus  regelmäßig  abwechseln.  Was  widerstrebt 
wii-d  durch  Konj.    beseitigt.     Die   kinter  58,  5    versprengten    10  Verse 


216     Bericht  üb.  die  Litteratur  zu  CatuU  für  die  Jahre  1887— 189G.  (Magnus.) 

von  custos-quaeritando  sind  nach  40,  10  an  den  Anfang  des  c.  55  zu 
setzen.  —  IV.  In  c.  95  soll  der  getadelte  Vielschreiber  M.  Furius 
Bibaculus  sein.  —  No.  40  bringt  außer  Nachträgen  zur  Lesbiafrage 
und  vielen  Einzelheiten  eine  von  der  Lücke  nach  62,  32  ausgehende 
Berechnung  der  Zeilenzahl  (17  auf  jeder  Seite)  des  Archetypus  d.  h. 
der  Vorlage  des  Veronensis. 

41.     A.  Fürst,  De  carmine  CatulliLXII.   Wien  1887.   36  S. 
8.     (Progr.  d.  Gymu.  zu  Melk.) 

Gehandelt  wird  richtig  und  verständig,  doch  ohne  wesentlich  neue 
Ergebnisse  über  die  strophische  ßesponsion  und  über  die  griechischen 
Vorbilder.  Im  ersten  Kapitel  entscheidet  sich  Verf.  nach  einer  dankens- 
werten Übersicht  (vgl.  Ellis  ed.  crit.  u.  Mäthe  23,  5)  über  die  zahl- 
reichen früheren  strophischen  Schemata  von  Naeke  bis  Ziwsa  (dazu 
kämen  jetzt  noch  die  von  Bonin;  s.  J.-Ber.  1887  II  S.  264,  vgl.  ebd.  193; 
und  von  Hermes  No.  40,  14)  für  das  von  G.  Hermann  vorgeschlagene 
und  berechnet  mit  Froehlich  (Monatsb.  d.  Münch.  Ak.  XI  fasc.  136  u. 
137)  und  Riese  die  Zahl  der  nach  32  ausgefallenen  Verse  auf  7  (mit 
Einschluß  des  lutercalaris)  der  Mädchen  und  2  der  Knaben,  so  daß  in 
v.  32—38  die  Überreste  eines  Strophenpaares  zu  je  8  Versen  zu  sehen 
wären  und  sich  folgendes  Schema  ergäbe: 

Proemium.      Proodus.      Concertationis  strophae.     Epodus 
(i.  5)  .9  (p.  6      p.  8      p.  11)  j  9 

(p.  5)         •      •     •         (^i    6        j    8       i    11) 

Es  wird  also  v.  14  nee  mirum  sq.  verteidigt,  nach  58  der  luter- 
calaris eingesetzt,  endlich  in  der  Epodus,  um  zahlenmäßige  ßesponsion 
mit  der  Proodus  11—19  herzustellen,  der  Ausfall  eines  Verses  ange- 
nommen und  zwar  mit  Ellis  nach  v.  61.  Ähnlich  denkt  sich  wohl  jeder 
unbefangene  Leser  die  Sache.  Aber  freilich  findet  die  Annahme  einer 
Lücke  in  der  Epodus  (mag  mau  sich  nun  den  Ausfall  hinter  61  oder 
65  denken)  in  Sinn  und  Gedankenzusammenhang  absolut  keine  Stütze. 
"Wiederum  sieht  sich  der,  welcher  die  Lücke  nicht  anerkennt,  zu  der 
unwahrscheinlichen  Annahme  gedrängt,  der  Dichter  habe  die  durch  ein 
ganzes  langes  Gedicht  planvoll  und  streng  durchgeführte  zahlenmäßige 
Responsion  der  Strophen  unbegreiflicher  Laune  an  dem  Fehlen  eines 
einzigen  Verses  scheitern  lassen.  Ein  Ausweg  aus  dem  Dilemma  ist 
bis  jetzt  nicht  gefunden.  —  Im  zweiten  Teile  wird  der  Nachweis  ver- 
sucht, daß  c.  62  den  Epithalamien  Sapphos  nachgebildet  sei  (Ähnlichkeit 
mit  Sapph.  frg.  93—95,  die  eigentümliche  Form  der  Anaphora  z.  B. 
in  frg.  93  coli,  mit  62,  8 — 9,  Gräcismen,  Aufgehen  des  Hesperus  über 
dem  Öta  u.  s.  w.).  Gewiß  ist  Anlehnung  an  Sappho  glaublich,  ja 
wahrscheinlich.    Aber  weder  läßt  sich  auf  grund    der  Sapphofragmente 


Bericht  üb.  die  Litteratur  zu  Catull  für  die  Jahre  1887—  189G.  (Magnus.)     217 

ein  wirklicher  Beweis  führen,  noch  können  wir  uns  eine  deutliche  Vor- 
stellung machen,  wie  weit  die  als  wahrscheinlich  anerkannte  Abhängigkeit 
von  der  Sapphischen  Poesie  ging.  Den  echt  römischen  Charakter  des 
Gleichnisses  von  Hebe  und  Ulme  erkennt  Verf.  p.  34  selbst  an.  Näheres 
darüber  J.-Ber.  d.  Phil.  Ver.  XII  (Z.  f.  G.-W.  1886;  197  f.  B.  Schmidt 
prolegg.  p.  LXXV.  Weber  44,  67. 

42.     F.  Ballin,  Das  araöbäische  Hochzeitslied  des  Catull. 
Dessau  1894.     39  S.     4.     Progr. 


■'o'- 


Der  Inhalt  von  Ballins  lesenswerter  Abh.  zerfällt  in  folgende 
Kapitel:  I.  Text  und  Übersetzung  des  Liedes,  II.  Erklärung  des 
Liedes  (Textgestalt,  Form  und  Inhalt  der  Übersetzung),  III.  Inhalt 
und  Gedankengang  des  Liedes,  IV.  Die  römische  Hochzeitsfeier, 
V.  Bestimmung  des  Liedes.  Cap.  III — V  führen  den  beachtens- 
werten Gedanken  aus,  daß  unser  Lied  einen  ganz  bestimmten  Moment 
der  römischen  Hochzeitsfeier  schildere.  Zwischen  das  Hochzeits- 
mahl nämlich  im  väterlichen  Hause  der  Braut  und  den  Beginn 
der  deductio  fällt  der  symbolische  Eaub  der  jungen  Frau:  von  der 
pronuba  vorgeführt  flüchtet  sie  in  den  Schoß  der  Mutter  und  wird  dieser 
mit  gelinder  Gewalt  geraubt.  An  diesen  Vorgang  knüpft  der  Wechsel- 
gesang an.  Hiernach  könnte  in  c.  62  eine  Übersetzung  oder  auch  nur 
Bearbeitung  eines  Hymenäus  der  Sappho  nicht  mehr  gesehen  werden. 
Und  wenn  Catull  wirklich  (vgl.  S.  31)  einen  Hymenäus  der  Sappho  be- 
nutzte, so  paßte  er  eben  die  fremde  Form  nationalen  Bräuchen  und 
Anschauungen  an.  'So  sind  die  patriarchalischen  Verhältnisse,  welche 
das  Lied  streift,  echt  römisch,  so  ist  das  Bild  von  der  Vermählung  der 
Rebe  mit  dem  Ulmbaume  sogar  spezifisch  römisch.'  Vgl.  übrigens 
oben  zu  41. 

Folgende  Abh.  sind  vornehmlich  der  Erklärung  des  c.  68  ge- 
widmet: 

43.  W.  Hoerschelmann,  Catull  68.  Dorpat  1889.  24  S.  4. 
(Lektionskatalog.) 

44.  Weber,  Quaestiones  Catullianae.  Gotha  1890,  F.  A. 
Perthes.  VIII,  172  S.  8.  (S.  1—35  auch  als  Beilage  z.  Jaliresb. 
1889—1890  des  Gymn.  in  Eisenach.) 

45.  Th.  Birt,  De  Catulli  ad  Mallium  epistula.  Marburg 
1890.     XX  S.  4.     (Lektionskatalog.) 

46.  F.  Skntsch,  Zum  68.  Gedicht  Catulls,  Rh.  Mus.  N.  P. 
47  (1892)  S.  138—  151. 

47.  H.  Monse,  Zu  Catull.  Progr.  v.  Schweidnitz  1895.  22  S.  4. 


218     Bericht  üb.  die  Litteratnr  zu  Catull  für  die  Jahre  1887—1896.  (Magnus.) 

48.     L.    Fenner,     Quaestioues     Catullianae.      53    S.      8. 
Barmen  1896.     Progr. 

Durch  die  ersten  beiden  Abb.,  die  vierte  und  die  fünfte,  erhält 
das  Heerlager  der  Unitarier,  durch  die  dritte  und  sechste  das  der  Cho- 
rizonten  Zuzug. 

Nirgend  findet  man  den  Standpunkt  jener  so  klar  und  anziehend, 
so  frei  von  allem  gelehrten  Beiwerk  in  gemeinverständlicher  Form  prä- 
zisiert wie  bei  Hoerschelmann.  Jede  Polemik  ist  vermieden.  Es 
ist  dem  Verf.  in  hohem  Maße  gelungen,  zu  sondern  zwischen  dem 
wirklich  Feststehenden  und  manchen  willkürlichen  Deutungen  und 
wiederum  Punkte  richtig  zu  betonen,  die  fast  unbeachtet  geblieben  sind, 
obwohl  der  Dichter  sich  klar  über  sie  ausspricht. 

H.  Weber  teilt  den  Stofif  seiner  Quaestioues  Catullianae  in 
folgende  Kapitel:  1.  De  carmine  LXII,  2.  De  carminis  LXVIII  unitate, 
3.  Analecta.  In  zahlreichen  Exkursen,  die  freilich  oft  nur  sehr  lose 
mit  den  Textesworten  zusammenhängen  und  selten  zu  ihrem  Verständ- 
nisse beitragen,  zeigen  sich  tüchtige  grammatische  Kenntnisse.  Aber 
an  sicheren  Ergebnissen  für  die  Emendation  oder  Erklärung  fehlt  es 
fast  ganz.  Die  Kritik  des  Verf.  ist  oberflächlich  und  haarspaltend  zu- 
gleich. Selbst  da,  wo  eine  gute  Sache  verteidigt  wird  wie  bei  c.  68, 
gerät  sie  auf  seltsame  Abwege.  Von  der  ganzen  recht  anspruchsvoll 
auftretenden  Schrift  wird  sehr  wenig  Bestand  haben. 

Birts  Untersuchung  bietet  —  wie  zu  erwarten  —  eine  ganze 
Reihe  guter  und  treffender  Bemerkungen  über  solche  Einzelfragen,  die 
mit  der  Einheit  nicht  unmittelbar  zusammenhängen,  und  ist  insofern  ein 
dankenswerter  Beitrag  zur  Erklärung  des  Gedichtes.  Dahin  gehört 
das  zu  V.  17  multa  satis  lusi  (coli.  62,  211.  68,  156)  Gesagte;  vgl.  die 
Bemerkungen  über  die  Zweiteilung  in  10  munera  et  musarum  et  Veneris 
und  überhaupt  in  v.  1—40  (vgl.  Hoerschelmann  43,  18),  über  die  Be- 
deutung von  tepefacere  in  29  (coli.  Mart.  X  96.  Cic.  nat.  deor.  II  40. 
Ov.  ars  am.  II  445.  Nemes.  ecl.  1,  15).  Auch  die  Ausführungen  über 
munera  Veneris  (p.  VIII— IX)  enthalten  reiches  Material  und  gehen 
wenigstens  von  richtiger  Grundanschauung  aus.  Für  die  Einheitsfrage 
selbst  bezeichnet  die  Abh.  keinen  Fortschritt,  weil  sie,  von  irrigen  Vor- 
aussetzungen ausgehend,  weit  ab  von  der  Wahrheit  führt:  Mallius  liest 
die  alten  Dichter  darum  nicht,  'weil  es  ihm  an  Exemplaren  ihrer 
Werke  fehlt',  er  verlangt  von  Catull  carmina  veterum  scriptorum, 
er  hatte  geglaubt,  Catull  halte  sich  in  Rom  auf,  während  er  vielmehr 
auf  Sii"mio  oder  seinem  Sabinum  weile;  Catullus  pflegte  von  Rom  aus 
seinen  Freunden  in  Verona  ihren  Bedarf  an  Dirnen  zu  besorgen  (vgl. 
dagegen  A.    Sonny,  W.  f.  kl.  Phil.  1891    Sp.  53—54);    non    uterque 


Bericht  üb.  die  Litteratur  zu  CatuU  für  die  Jahre  1S87-  1896.  (Magnus.)     219 

=  neuter;  nur  die  Unitarier  müssen  ihre  Zuflucht  zu  Änderungen  der 
überlieferten  Form  des  Eigennamens  nehmen  u.  ähnl. 

F.  Skutsch  sucht  im  ersten  Kapitel  seines  gediegenen  Aufsatzes 
den  Nachweis  zu  führen,  daß  c.  68b  (d.  h.  nach  Rieses  treffender  Be- 
zeichnung V.  41 — 148)  mesodisch  komponiert  und  streng  durchgeführte 
Responsion  erkennbar  sei.  —  Das  zweite  Kapitel  verteidigt  in  besonnener 
Ausführung  die  Einheit  des  Gedichtes,  stellt  endgültig  für  non  utrius- 
que  in  v.  39  die  Bedeutung  'nur  eines  von  beiden*  fest,  bespricht  die 
munera  et  Musarum  et  Veneris  in  v.  10,  erklärt  richtig  das  nam 
in  32  und  das  una  Capsula  me  sequitur  in  36,  schützt  endlich  die 
sogar  von  manchen  Verteidigern  der  Einheit  verdächtigten  vier  Verse 
93—96. 

Ein  großer  Teil  der  Abh.  von  H.  Monse  (S.  10—20)  ist  eben- 
falls dem  c.  68  gewidmet  und  sucht  seine  Einheit  zu  verteidigen.  Verf. 
verzichtet  auf  zusammenhängende  Darstellung  und  giebt  eine  Reihe 
einzelner  Gedanken,  die  bisweilen  anregend,  aber  oft  auch  sehr  subjektiv 
gefärbt  sind.  Er  sucht  es  wahrscheinlich  zu  machen,  daß  Allius  von 
Rom  aus  schreibe,  daß  non  utriusque  in  v.  39  =  beides  nicht,  daß 
nam  in  33  verdächtig  und  durch  iam  zu  ersetzen  sei.  —  Den  sonstigen 
Inhalt  der  Abh.  bilden  Observationen  zu  einzelnen  Stellen  aus  ver- 
schiedenen Gedichten. 

L.  Fenn  er  endlich  verteidigt  auf  S.  1—24  seiner  Quaestiones 
die  Identität  von  Catulls  Lesbia  mit  der  Clodia  quadrantaria.  Der 
zweite  Teil  S.  25 — 53  enthält  'Observationes  criticae  -  exegeticae  in 
CatuUi  c.  LXVlir.  Es  wird  hier  die  Teilung  des  Gedichtes  nach  v.  40 
befürwortet,  Westphals  Theorie  von  der  nomosartigen  Komposition  des  c.  68 
verworfen ,  eine  Anzahl  von  Beispielen  für  die  Allitteration  bei  Catull 
zusammengestellt;  es  folgen  kritische  und  exegetische  Bemerkungen  zu 
einzelnen  Stellen.  Das  Gegebene  ist  meist  richtig,  wiederholt  aber  in 
der  Hauptsache  nur  Bekanntes.  Einen  Fortschritt  für  die  Erklärung 
des  Gedichtes  bezeichnet  die  Arbeit  also  nicht. 


Bericht   über  C.  Julius   Cäsar  und   seine   Fortsetzer 

1895—1897. 

Von 

Prof.  H.  J.  Heller 
in  Berlin. 

Bellum  Alexandrinum.    Bellum  Africum. 

C.  Julii  Caesaris  commentarii  cum  A.  Hirtii  aliorumque  supple- 
mentis  ex  recensione  Bernardi  Küble ri.  Vol.  III  pars  prior. 
Commentarius  de  belle  Alexandrino.  Recensuit  B.  Kubier.  Commen- 
tarius  de  bello  Africo.  Recensuit  Ed.  W ö  if  fliu.  Lipsiae  1896,  Teubner. 

Kubier  hat  für  das  bellum  Alexandrinum  den  Ashburnharaensis 
CS.),  den  Laurentianus  8  (W.)  und  den  Thuaneus  (T.)  verglichen  und 
den  Vindobonensis  65  (V.)  von  Polaschek  vergleichen  lassen.  Er  hat 
24,  5  ita,  das  Rud.  Schneider  in  seiner  Ausgabe  für  illa  eingesetzt 
hatte,  verworfen,  und  dieser  ist  jetzt  damit  einverstanden ;  derselbe  be- 
dauert, daß  er  selbst  58,  3  Menges  Konjektur  deterserunt  st.  detraxerunt 
nicht  mehr  in  den  Text  hat  bringen  können,  und  daß  Kubier  von  der- 
selben nicht  Gebrauch  gemacht  hat.  40,  2  hat  dieser  wohl  richtig  ab 
vor  operto  latere  eingeschaltet.  —  Was  das  bellum  Africum  betrifft, 
so  hat  Wölfflin  jetzt  im  Titel  C.  Asini  Pollionis  weggelassen  und 
sämtliche  Punkte  und  Textänderungen  aufgegeben,  um  die  es  sich  bei 
dem  Streit  gegen  seine  frühere  Ausgabe  handelte.  Von  Kubier  hat  er 
einige  gute  Konjekturen  erhalten,  wie  21,  2  obligatos  st.  deligatos,  wie- 
wohl Rud.  Schneider  bei  dieser  Änderung  in  vor  plaustris  streichen 
möchte.  47,  5  wollen  beide  jetzt  storiisque  st.  coriis  oder  copiisque 
oder  des  bloßen  copiis  der  Hss  einsetzen. 

Einzelne  Stellen. 

Rudolf  Schneider,  Cäsar  und  seine  Fortsetzer.  Jahresbericht 
XXI  des  philologischen  Vereins  1895. 

Gegenüber  Mommsen,  der  dem  Schreiber  des  princeps  der  zweiten 
Handschriftenklasse    (ß)   „dreiste  und   unwissende  Textveränderungen" 


f 


Bericht  über  C.  Julius  Cäsar  und  seine  Fortsetzer  1895—1897.  (Heller.)     221 

zugeschrieben  habe,  während  Kubier  behauptet,  daß  nirgends  in  p  eine 
Interpolation  (bewußte  Änderung)  sich  zeige,  auch  Menge  entgegenge- 
treten ist,  der,  wie  die  beiden  andern,  die  verschiedene  Überlieferung 
auf  einen  und  denselben  Archetypus  zurückführen  will,  zeigt  Verf.  be- 
treffs des  Verhältnisses  beider  Handschriftenklassen  hin,  daß  auch  in  a 
nicht  nur  in  den  von  Mommsen  zugegebenen  Stellen  VII  77 ,  10,  VIII 
16,  2,  sondern  auch  III  1,  6  und  VII  31,1  der  Schreiber  des  princeps 
von  a  den  Text  seiner  Vorlage  korrigiert  hat;  er  nimmt  an,  daß  Cäsars 
Kommentarien  des  B.  G.  bald  nach  dem  Erscheinen  in  verschiedenen 
Ausgaben  umliefen,  die,  im  einzelnen  voneinander  abweichend,  doch 
überall  guten  und  cäsarischen  Ausdruck  cathielteu;  es  gab,  meint  er, 
dai'unter  getreue  Abschriften  einer  bestimmten  Vorlage,  aber  auch  kritische 
Ausgaben  mit  Varianten,  dazu  verbesserte  Texte,  wozu  alte  Exemplare  und 
der  eigene  Verstand  des  Schreibers  das  Ihrige  lieferten.  Nach  Schneiders 
Ansicht  darf  man  keine  der  beiden  Handschriftenklassen  allein  zu  Grunde 
legen,  sondern  muß,  wie  ich  selbst  das  von  jeher  empfohlen  habe,  von 
Stelle  zu  Stelle  die  Entscheidung  trefifen.  Der  Küblerschen  Ausgabe 
widmet  der  Verf.  als  kritischer  Arbeit  größere  Beachtung,  als  ich  es 
in  meinem  vorigen  Bericht  gethan  habe,  weil  Kubier  nach  seinem 
eigenen  Geständnis  bei  der  "Wahl  der  Lesarten  Rücksicht  auf  den  Schul- 
gebrauch genommen  und  deshalb  vor  zu  vielen  Änderungen  sich  in  acht 
nehmen  zu  müssen  erklärt  hatte.  Der  gründliche  Berichterstatter  hat 
sich  die  Mühe  gegeben,  die  Stellen  aufzuzählen,  in  denen  Kubier  Les- 
arten aus  ß  wählt,  welche  Meusel  nicht  aufgenommen  hat,  dagegen 
auch  die  wenigen,  welche  er,  abweichend  von  Meusel,  aus  a  entlehnt, 
nämlich  III  1,  3  hujusmodi  st.  ejusmodi;  III  4,  2  ut  quaeque  pars  st. 
et  quaecunque  pars;  10,  2  injuriae  st.  injuria;  11,  2  ab  Belgis  st.  a 
Gailis;  13,  7  cautes  st.  cotes;  16,  4  pervenerint  st.  pervenirent;  19,  4 
quos  impeditos.  Von  Kühlers  eignen  Konjekturen  hält  er  für  empfehlens- 
wert: VIII  19,4  transeundique  st.  quae  transeundi;  41,2  aggerem  exstruere 
st.  aggerem  instruere  oder  struere,  was  Meusel  angenommen  hat;  41,4 
ad  venas  st.  ad  vineas;  42,  4  itaque  st.  ita  quam;  52,  4  non  minorem 
terrorem  st.  non  minimum  terrorem.  Ich  habe  geglaubt,  durch  diese 
Auszüge  meinen  eigenen  früheren,  nur  kurz  gehaltenen  Bericht  über 
die  Küblersche  Ausgabe  des  B.  GaU.  vervollständigen  zu  müssen.  Für 
Meusels  Textausgaben  hat  R.  Schneider,  wie  billig,  nur  gerechte  An- 
erkennung. 

Von  Lange.  Jahrb.  für  klass.  Philol.  1893,  ist  zu  meinen  Aus- 
zügen noch  hinzuzufügen  B.  Gall.  III  23,  3  equites  st.  ducesque  und 
Vn  78,  1  atque  omnia  prius  experi<enda  arbitr>antur  st.  atque  omnia 
prius  experiantur. 

Schiller,  Blatt,  für  d.  bayer.  G.-S.-W.  XXIX,  wiUB.  GaU.  I  1,5—7 


222     Bericht  über  C.  Julius  Cäsar  und  seine  Fortsetzer  1 895—1897.  (Heller.) 

gestrichen  haben,  als  späteren,  den  Zusammenhang  unterbrechenden  Zu- 
satz.    Derselbe  hast  auch  I  16,  2  für  Interpolation. 

H.  J.  Müller,  W.-S.  f.  klass.  Philol.  1894  nr.  21,  schaltet  B.  Gall. 
I  46,  1  et  vor  lapides  ein.  Schneider,  Müllers  Vorschlag,  I  52,  4  st. 
rejectis  a,  relictis  ß  projectis  zu  lesen,  widerlegend,  schlägt  vor,  omissis 
zu  setzen  oder  relictis  in  diesem  Sinne  zu  fassen.  IV  4,  5  will  Müller 
equitatu  gestrichen  haben,  worin  Meusel  ihm  beistimmt,  und  30,  2  soll 
rursus  conjuratione  facta  wegbleiben ;  V  44 ,  4  möchte  er  in  vor  eam 
eingeschaltet  sehen;  VII  11,  2  quoque  st.  des  bloBen  quo;  53,  4  pontem 
St.  pontes. 

J.  Vahlen,  Hermes  XXVIII,  schlägt  vor,  Jurinius  folgend,  VI  22,  3 
quam  hinter  accuratius  einzuschalten.  —  Ders.,  Hermes  XXX,  will 
Vn  20,  1 1  Vercingetorix  (zu  inquit)  beibehalten  haben,  sich  auf  V  30,  1 
berufend,  wo  Sabinus  gleichfalls  von  inquit  getrennt  vorkommt;  er  tritt 
für  die  Beibehaltung  der  handschriftlichen  Lesart  VI  24,  4  ein,  während 
die  Herausgeber  jetzt  das  von  mir  hinter  qua  eingeschaltete  ante  auf- 
genommen haben,  erklärend:  quia  eadera  egestas  neque  quicquam  aliunde 
accedebat,  eodem  victu  et  cultu  uti  perseverabant.  Nichtsdestoweniger 
halte  ich  meine  Verbesserung  aufrecht, 

J.  Lange,  Beiträge  zur  Cäsarkritik,  Pleckeisens  Jahrbücher 
1895  Hft  10/11.  —  Derselbe:  Zu  den  neuesten  Schülerausgaben 
von  Cäsars  B.  Gall.  Programm  des  Kgl.  Progymn.  in  Neumark 
(Westpreußen)  1896. 

Der  Verf.  will,  um  den  Text  für  Schüler  leichter  verständlich  zu 
machen,  Streichungen  in  demselben  vorgenommen  haben  und  schlägt 
einige  meist  schon  früher  von  ihm  veröffentlichte  Änderungen  vor,  z.  B. 
II,  11,  6  qnantum  tempus  diei  est  passum  st.  quantum  fuit  diei  spatium, 
wofür  R.  Schneider  besser  vorschlägt  quantum  superfuit  diei  spatium, 
mit  Berufung  auf  Liv.  V  56,  2. 

Anton  Polaschek,  Caesariana  (Serta  Harteliana).  Wien, 
F.  Tempsky. 

Der  Verf.  will  ß.  Civ.  II  35,  6  in  vor  tabernaculis  zufügen  und 
ß.  Gall.  VI  22,  3  nascuntur    in  nascantur  verwandeln,    beides  unnötig. 

Albrecht  Köhler,  Bl.  f.  das  bayer.  G.-S.-W.  XXX,  schlägt  B.  Gall. 
V  42,  1  vor:  et  quos  tum  de  exercitu  nostro  habebant  captivos. 

J.  H.  Schmalz,  XXIH.  Jahresbericht  des  Gymn.  in  Rastatt,  will 
B.  Gall.  VI  27,  3  aut  beibehalten,  nicht  mit  Meusel  ac  aus  ß  aufge- 
nommen haben :  VIT  40,  4  will  er  permoverentur  für  permoveantur  ein- 
setzen; IV  17, 10  hält  er  an  raissae  für  das  vorgeschlagene  imraissae  fest. 


Bericht  über  C.  Julius  Cäsar  und  seine  Fortsetzer  1895  —  1897.  (Heller.)     223 

Zn  meiner  Besprechung'  des  B.  Civ.  von  Kubier  füge  ich  nach- 
traglich noch  hinzu:  Aus  W.  (]\Iediceus-Laurentianus)  ist  II  11,  1  aufge- 
nommen delabitur  st.  elabitur;  III  63,  3  labor  quo  milia  passuum  XVII 
erat  complexus  st.  quod  — ;  andere  Aufnahmen  aus  derselben  Hand- 
schrift empfehlen  sich  nach  meiner  Ansicht  weniger,  wie  III  28,  6 
equitibus  qui  cam  partem  orae  maritimae  observabant  st.  des  allge- 
mein aufgenommenen  asser vabant.  Von  eigenen  Konjekturen  Kühlers 
sind  noch  zu  erwähnen:  I  11,  1  schaltet  er  vor  dilectus  noch  einmal 
ipsum  ein,  obgleich  es  kurz  vorher  steht;  wenn  auch  deutlicher,  wird 
der  Satz  dadurch  doch  wenig  gefügig.  II,  28,  2  per  contumeliam  st. 
des  von  Nipperdey  eingeführten  cum  contumelia;  II  40,3  praesenti 
timoris  opinione  st.  praesentis  temporisopinione,  obgleich,  wie  R.  Schneider 
richtig  bemerkt,  das  handschriftliche  praesentis  hätte  beibehalten  werden 
können;  III  4,  6  will  er  ita  hinter  atque  eingeschaltet  haben;  37,  2 
Domitius  quoque  tum  st.  Domitius  tum  quoque;  61,  2  würde  hinter 
perfugerent  ganz  passend  nonnulli  eingeschaltet  werden,  oder  wie 
R.  Schneider,  wohl  als  Gegensatz  zu  dem  folgenden  universi,  lieber 
möchte  singuli. 


'o' 


R.  E.  Ottmann,    Handschriftliches    zum  Bellum  Alexandrinum. 
Wochenschrift  für  klass.  Philol.  1885.  No.  45. 

C.  F.  M.  Müller,    Zu  Cäsars  Bell.  civ.     Leipzig  1895,    Hirzel. 

H.  Schiller,  Zu  Hirtius'  Praefatio  von  B.  Gall.  VIII  Philologus 
1895. 

Wörterbücher  und  Grammatik. 

Prammers  Schulwörterbuch  zu  Cäsars  Beil.  Gall.  Bearbeitet  von 
Anton  Polaschek.  Zweite  Auflage.  Mit  61  Abbildungen  und  Karten. 
Leipzig  1897,  G.  Freytag.  Im  Jahresbericht  XXIII  rügt  R.  Schneider 
die  Übersetzung  von  apertos  cuniculos  ^T[I  22,  5  durch  offene  Galerien; 
er  sagt,  es  müsse  heißen  geöffnete,  oder  deutlicher,  die  Galerien, 
welche  eröffnet  worden  waren,  und  schärft  ein,  daß  II  29,  3  unbedingt 
zu  lesen  sei  dejectusque  st.  despectusque. 

J.  Lange,  Über  einen  besonderen  Gebrauch  des  abl.  absol.  bei 
Cäsar.     Fleckeisens  N.  Jahrb.  1895. 

Karl  Fröhlich,  Adverbialsätze  in  Cäsars  B.  Gall.     Programm 
des  Falk-Realgymnasiums  zu  Berlin  1894. 

J.  Lange,  Über  die  Kongruenz  bei  Cäsar.  Fleckeisens  N.  Jahrb. 
1896. 


224     Bericht  über  C.  Julius  Cäsar  und  seine  Fortsetzer  1895—1897.  (Heller.) 

Heerwesen  und  Kriegführung. 

Otto  Miller,  Römisches  Lagerleben.  Mit  einem  Plan.  Gütersloh 
1892,  Bertelsmann;  wird  als  Lektüre  für  Schüler  und  als  nützlich  für 
Lehrer  empfohlen. 

Stephau  Cybulski,  Casti'a  Romana.  Leipzig  1893,  K.  F.  Köhler. 
Die  Abbildungen  sind  empfehlenswert,  die  Erläuterungen  durch  mehr- 
fache Wortfehler,  z.  B.  milites  ablecti  st.  delecti  entstellt. 

Georg  Hubo,  Über  die  Ausdehnung  des  Gebietes  der  Helvetier. 
Fleckeisens  Jahrb.  f.  klass.  Philol.  1893. 

Der  Verfasser  wiU  B.  Gall.  I  2,  5  lesen  in  latitudinem  LXXX 
patebant  st.  CLXXX,  weil  die  gerade  Linie  zwischen  Disentis  und 
Klingnau  um  100  milia  passuum  zu  hoch  angegeben  worden  sei. 

Franz  Fröhlich,  Lebensbilder  berühmter  Feldherren  des  Alter- 
tums.   Erstes  und  zweites  Heft.    Zürich  1894  und  1895,  F.  Schultheß. 

Die  beiden  Hefte  enthalten  Pompejus,   Sertorius  und  Cäsar. 

0.  E.  Schmidt,  Der  Briefwechsel  des  M.  Tullius  Cicero.  Leipzig 
1833,  Teubner. 

Im  Anhange  „Bemerkungen  zu  Stoffels  Histoire  de  Jules  Cesar, 
Guerre  civile".  Danach  sind,  wie  die  Vergleichung  der  Briefe  Ciceros 
zeigt,  in  Cäsars  Bericht  Fehler  vorhanden;  diese  schreibt  Stoffel  der 
Flüchtigkeit  zu,  Schmidt  dagegen  glaubt,  daß  Cäsar  absichtlich  That- 
sacheu  verschwiegen  oder  auch  umgeändert  habe.  Den  Marsch  des 
Antonius  I  11,  4  von  Ariminum  nach  Arretium  halten  beide  für  schwer 
ausführbar,  weil  zwischen  diesen  Städten  keine  Straße  über  den  Apennin 
führt;  und  Schmidt  meint,  daß  Cäsar  die  Vorstellung  erwecken  wollte, 
er  habe  sich  mit  Ariminum  als  Faustpfand  für  seine  Forderungen  be- 
gnügen wollen,  bis  seine  Ausgleichverhandlungen  von  den  Gegnern  zu- 
rückgewiesen worden  seien,  worin  R,  Schneider  ihm  nicht  beistimmt. 
Dagegen  pflichtet  er  ihm  bei,  daß  I  16,1  die  handschriftliche  Lesart 
Recepto  Firmo  Lentuloque  expulso,  für  die  ich  selbst  früher  eingetreten 
bin,  beibehalten  werden  müsse,  da  man  aus  dem  Vorhergehenden  zu 
den  letzten  Worten  leicht  Asculo  hinzudenkt. 

Wiegand,  die  Schlacht  zwischen  Cäsar  und  Ariovist.  Mit- 
teilungen der  Gesellschaft  für  Erhaltung  der  geschichtlichen  Denkmäler 
im  Elsaß,  Bd.  XVI,  Straßburg. 

Der  Verfasser  will  die  Annahme  Stoffels,  die  Schlacht  habe  bei 
Zellenberg  stattgefunden,  dadurch  entkräften,  daß  er  die  dazu  erforder- 
liche siebentägige  Marschleistung  von  je  27—28  Kilometern  den  Legionen 


Bericht  über  C.  Julius  Cäsar  und  seine  Fortsetzer  1895—1897.  (Heller.)     225 

nicht  zutraut  (während  0.  E.  Schmidt  in  der  oben  angezeigten  Schrift 
einen  Durclischnittsmarsch  von  37  Kilometern  annehmen  zu  dürfen 
glaubt).  Da  aber  ein  anderer  tumulus  terrenus  außer  dem  von  Stoffel 
bezeichneten  Plettig-Buckel  in  der  ganzen  Ebene  nichts  vorhanden  ist, 
wird  die  Darstellung  des  französischen  Offiziers  wohl  bestehen  bleiben. 

H.  Bender,  Über  die  Glaubwürdigkeit  von  Cäsars  Bericht  über 
den  Krieg  mit  Ariovist.  Neues  Korrespondenzblatt  für  die  Gelehrten- 
und  Realschulen  WCrtembergs  1894,  macht  es  Cäsar  zum  Vorwurf, 
deu  Krieg  mit  Ariovist  absichtlich  herbeigeführt  zu  haben,  während  da- 
gegen Mommsen  in  der  Rom.  Gesch.  es  ihm  gerade  als  Verdienst  an- 
rechnet. 

Hugo  Liers,  Das  Kriegswesen  der  Alten,  mit  besonderer  Be- 
rücksichtigung der  Strategie.  Breslau  1895,  W.  Koebner.  Der  Verf. 
erkennt  das  kriegerische  Geschick  Cäsars  gebührend  an. 

Rudolf  Lange,  Cäsar,  der  Eroberer  Galliens.  Mit  Titelbild 
und  einer  Karte  (24.  Hft.  der  Gymnasialbibliothek).  Gütersloh  1896, 
Bertelsmann.     Für  Schüler. 

R.  Schneider  tritt  in  seinem  Bericht  der  auch  schon  von  Christ. 
Schneider  zurückgewiesenen  Ansicht  entgegen,  daß  es  sich  b.  Gall. 
VI  13,  9  um  einen  Zweikampf  zwischen  zwei  Druiden  handle;  es  handelt 
sich  um  einen  Kampf  zwischen  ihren  Anhängern. 

Friedrich  Vogel,  Cäsars  zweite  Expedition  nach  Britannien. 
Neue  Jahrb.  f.  klass.  Philol.  1896. 

Der  Verf.  rechnet  nach  den  Angaben  in  Ciceros  Briefen  aus, 
daß  Cäsars  Flotte  etwa  am  30.  Juli  (oder  nach  dem  vorjulianischen 
Kalender  am  6.  Juli)  aus  dem  Hafen  Itius  ausgelaufen  sei. 

Walter  Bensemann,  Cäsars  Unterfeldher ren  und  seine  Be- 
urteilung derselben.    Marburg  1896,  Ehrhardt. 

Danach  zeigt  Cäsar  sich  nur  unzufrieden  mit  den  tribuni  militum, 
die  ihre  Stellung  nur  ihrer  vornehmen  Geburt  verdankten,  weniger 
dagegen  mit  den  Legaten,  deren  Leistungen  er  jedoch  auf  seine  eigene 
Rechnung  za  setzen  bemüht  sei. 

Oswald  May,  Cäsar  als  Beurteiler  seines  Heeres  in  den  Kom- 
mentarien vom  Gall.  Kriege,  42  S.,  Neiße  1896,  Graveur. 

Nach  dem  Verfasser  ist  der  dem  Feldherrn  gemachte  Vorwurf 
absichtlicher  Verkleinerung  der  Tribunen  und  geflissentlicher  Über- 
schätzung der  Centurionen  zurückzuweisen, 

Th. Mommsen,  Bellum  Hispaniense,  zur  Geschichte  der  cäsarischen 
Zeit.     Hermes  XXVIII  S.  599—618. 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    Bd.  LXXXXVII.    (1898.  II,)       15 


226     Bericht  über  C.  Julius  Cäsar  und  seine  Fortsetzer  1895— 1897.  (Heller.) 

Außer  einigen  Verbesseruugsvorschlägeu  zeigt  der  Verf.,  daß  für 
das  in  dem  Kommentar  erwähnte  Muuda  keine  der  jetzt  Monda  ge- 
nannten Ortschaften  in  betracht  kommen  kann :  die  Stadt,  zerstört  nach 
der  Schlacht,  ist  verschollen,    aber  sicher  im  Singilisgebiete  zu  suchen. 

Oberbaurat  von  Euting,  Der  römische  Holzbau  in  der  Besonderen 
Beilage  des  Staatsanzeigers  für  Wilrteniberg  vom  18.  Xov.  1897,  be- 
handelt auch  ausführlich  den  von  Cäsar  im  B.  Gall.  IV,  16  beschriebenen 
Brückenbau  und  die  dabei  erwähnten  fibulae;  er  sagt  bei  Besprechung 
des  Dachstuhls  der  alten  vatikanischen  Basilika:  „Außerordentlich  wichtig 
erscheinen  mir  die  eisernen  Stäbe  ...  Ich  halte  sie  entschieden  für 
römische  Überlieferung,  und  ich  glaube  nicht  fehlzugehen,  wenn  ich  in 
diesen  Stäben  die  viel  umstrittenen  fibulae  erblicke,  die  den  Gelehrten 
bei  ihren  Versuchen,  ein  Bild  der  Bheinbrücke  Cäsars  zu  entwerfen, 
so  viel  Mühe  gemacht  haben  .  .  .  Ich  bin  durchaus  der  Überzeugung, 
daß  die  Lösung  HeUers  (Phil.  X,  792.  Philol.  Anzeiger  XIV,  531), 
wonach  die  fibulae  eiserne  Bolzen  waren,  die  richtige  ist,  und  zwar 
nicht  bloß  deshalb,  weil  hierbei  der  Beschreibung  Cäsars  kein  Zwang 
angethan  wii'd,  und  die  fibulae  ganz  so  genommen  sind,  wie  sie  nach 
der  Anwendung  des  Worts  bei  Vitruv  genommen  werden  müssen,  sondern 
auch  deshalb,  weil  Hellers  Lösung,  so  fremdartig  sie  zuerst  erscheint, 
dem  Wesen  aller  römischen  Konstruktionen,  nämlich  an  schwieriger 
Handarbeit  möglichst  zu  sparen,  durchaus  entspricht  .  .  .  und  weil  im 
Mittelalter,  wie  der  Dachstuhl  der  alten  vatikanischen  Basilika  zeigt,  der 
Heller  nicht  bekannt  gewesen  sein  muß,  eine  ganz  ähnliche  Verbindungs- 
weise im  Gebrauch  war.  Die  Beschafiung  der  eisernen  Bolzen  bot  gar 
keine  Schwierigkeit,  da  die  römischen  Legionen  einen  gewissen  Vorrat 
von  eisernen  Stäben  mit  sich  führen  mußten,  um  jederzeit  in  der  Lage 
zu  sein,  ihre  in  der  Schlacht  verschossenen  Wurfspieße  durch  neue  zu 
ersetzen."  Nebenbei  verwirft  der  Verf.  die  von  Napoleon  III  und  die 
von  Reinhard  vorgebrachten  Entwürfe  des  Brückenbaues. 

Gesamtüberblick. 

Bud.  Schneider  hat  in  den  Jahresberichten  XXI  (1895)  und 
XXni  (1897)  des  philol.  Vereins  über  die  meisten  der  oben  ange- 
führten Schriften  in  eingehender  Weise  sein  Urteil  abgegeben  und  bei 
vielen  derselben  Verbesserungen  der  Lesart  oder  der  Übersetzung  bei- 
gebracht, wie  ich  oft  an  den  gehörigen  Stellen  nach  ihm  augeführt 
habe;  wer  sich  mit  den  Kommentarien  beschäftigt,  wird  gut  tlmn,  diese 
Berichte,  namentlich  auch  für  das  Heerwesen  und  die  Kriegführung, 
zu  Rate  zu  ziehen. 

H.  J.  Heller. 


uiLiau  MCHOituaiiiici.teTiEii-autLiiCHArr,    ictzeiiiiiiien-schulc  du  LcrTC-vcnciKi 


JAHRESBERICHT 


I  über 


die  Eortschritte  der  classischen 

Altertumswissensehaft 


begründet 


von 


Conrad    Bursian 

herausgegeben 


von 


L.   C^vxrlitt   iiiia   W.   Xii-oU, 


Achtundneunzigster  Band. 

Sechsundzwanzigster  Jahrgang  1898. 

Dritte  Abteilang.  

ALTERTUMSWISSENS^^VJBR^^ 

Register  über  die  drei  Abtwfungen.  *    t*> 

f*-^    1961 


LEIPZIG  1899. 

0.    E.    REISLÄND. 


JAHRESBERICHT 

über 

die  Eortschritte  der  classischen 

Altertumswissenschaft 

begründet 


von 


Conrad    Bursian 

herausgegeben 


Ton 


L.   Grixrlitt   iina   ^W.   Iti-oU, 


Achtundneunzigster  Band. 

Seciisundzwanzigster  Jahrgang  1898. 

Dritte  Abteilang. 

ALTERTUMSWISSENSCHAFT. 

Register  über  die  drei  Abteilungen. 


LEIPZIG  1899. 

0.    R.    REISLAND. 


// 


Inhalts -Verzeichnis 

des  achtundneunzigsten  Bandes. 


Seite 

Bericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratui' 
1891-1896.    Von  Friedrich  Aly  in  Burg     .     .     .     1—32 

Bericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—1897.  Von 
Dr.  P.  Geyer,  Gymnasial -Professor  in  Erlangen     33—117 

Bericht  über  die  jüdisch- hellenistische  Philosophie  1889— 
1898.     Von  Paul  Wendland  in  Wilmersdorf      .     118—134 

Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.  Von  Dr.  Paul 
Viereck  in  Berlin 135 — 186 

Bericht  über  die  auf  Paläographie  und  Handsclu'iftenkundo 
bezügliche  Litteratur  der  Jahre  1874 — 1896.  Von  Dr. 
Rudolf  Beer  und  Dr.  Wilhelm  Weinberger  .     187—310 

Register  über  Abteilung  I — HI 311 


/ 


Jahresbericht    über    die    Geschichte    der    römischen 

Litteratur  1891—1896. 

Von 

Friedrich  Aly. 


Wie  mein  Vorgänger,  Prof.  Dr.  Ed.  Zarncke,  muß  auch  ich  mit  einer 
Entschuldigung-  beginnen.  Erst  im  Febr.  1897  ist  die  Redaktion  des 
Jahresberichtes  mit  mir  wegen  der  Übernahme  des  Referats  in  Unter- 
handlung getreten;  erst  kurz  vor  Ostern  desselben  Jahres  bin  ich  in 
den  Besitz  der  Litteratur  gekommen,  deren  Zusammenstellung  ich  der 
Güte  meines  A^orgängers  verdanke.  Ich  habe  daher  vergleichsweise  nur 
wenig  Zeit  gehabt,  mich  in  die  Litteratur  der  Jahre  1891 — 96,  die  mir 
zum  grülleren  Teile  noch  unbekannt  war,  zu  vertiefen.  Freilich  ist  mir 
in  dieser  Hinsicht  der  ausdrückliche  Wunsch  der  geehrten  Redaktion 
zu  Hülfe  gekommen,  den  Bericht  auf  die  Zusammenstellung  der  „wesent- 
lichen Fortschritte  der  Wissenschaft"  zu  beschränken.  Dieser  nur  zu 
berechtigten  Forderung  habe  ich  nach  bestem  Vermögen  mich  zu  ent- 
sprechen bemüht.  In  der  äußeren  Anordnung  des  Stoffes  bin  ich  dem 
Vorgänge  Zaruckes  gefolgt,  dessen  allgemeine  Ausführungen  (Jahres- 
bericht 1881 — 1890  S.  277 — 279)  ich  mir  zu  eigen  machen  kann.  Ich 
schicke  eine  allgemeine  Charakteristik  der  besprochenen  Werke,  Schriften 
und  Schriftchen  voraus. 

Das  wissenschaftliche  Ergebnis  der  Berichtsepoche  darf  für  unser 
Gebiet  als  ein  ungewöhnlich  reiches  bezeichnet  werden.  Insbesondere 
hat  die  deutsche  Philologie  alle  Ursache,  mit  Befriedigung  auf  ihre 
Leistungen  zu  schauen.  An  ilu'er  Spitze  stehen  zwei  Werke  ersten 
Ranges,  die  zu  loben  überflüssig  sein  dürfte,  die  großen  Leistungen 
von  Otto  Ribbeck  und  Martin  Schanz.  Aber  auch  unter  den  Büchern 
zweiter  Ordnung  ist  manch  tüchtige,  fleißige  und  geistvolle  Arbeit;  ich 
erinnere  an  die  bewährten  Namen  Hermann  Peter  und  Rudolf  Hirzel, 
zu  denen  sich  die  rüstige  Kraft  Richard  Büttners  gesellt.  Mit  beson- 
derer Genugthunug  gedenke  ich  endlich  der  erfolgreichen  Bemühungen,  die 
Ergebnisse  gelehrter  Forschung  in  geschmackvoller  Form  einem  größeren 
Publikum  zugänglich  zu  machen,  unter  denen  Theodor  Birts  Versuch 
Jahresbericht  lür  Altertumswissenschaft.    Bd.  LXXXXVIU.    (1898.  III.)       1 


2  Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratiir.  (Aly.) 

hervorragt.     Es  wird,    wie  dieser  hübsch  bemerkt,  vielleicht  so  einmal 
die    Zahl    derjenigen    gemindert    werden,    welche  die  antike  Litteratiir 
zwar    nicht  kennen,    aber  um  so  entschiedener  verwerfen.     Zu  warnen 
ist  vielleicht  hierbei  vor  der  Gefahr,  in  encyklopädische  Dürftigkeit  äu 
verfallen.    An  zweiter  Stelle  sind  die  Leistungen  französischer  Gelehrten 
mit  Auszeichnung  zu  nennen.    Das  unverkennbare  yapiifxa  unserer  Nach- 
barn, die  liebevolle  Versenkung  in  die  Litteraturschätze  der  geistesver- 
wandten Römer,  die  plastische  Lmreißung  der  Charaktere,  der  fesselnde, 
zuweilen    pikante  Stil    hat    treffliche   Vertreter    gefunden,    die  auf  den 
Bahnen    ihres    Meisters    Gaston    Boissier    wandeln;    ich   nenne  Martha, 
Nageotte    und   Monccaux.     Die  Gefahr  liegt  hier  auf  dem  Gebiete  der 
Tendenz  und  der  Trivialität.     Recht  rührig  sind  die  Italiener  gewesen, 
aber  leider  mehr  quantitativ  als  qualitativ.    Eine  grolle  Reihe  kleinerer 
Arbeiten  liegt  vor,  die  von  redlichem  oder  wenigstens  häufigem  Bemühen 
zeugen;  aber  der  Ertrag  ist  gering.    Die  Verfasser  fußen  fast  durchweg 
auf    den    Arbeiten    deutscher  Gelehrten    und  fördern   die  Sache  wenig. 
Aber  auch  in  Bezug  auf  Geschmack  und  Feinheit  stehen  sie  hinter  den 
Franzosen    zurück.     Fast    ganz  fallen  diesmal  die  Engländer  weg,    die 
das    vorige  Mal    so   gut  vertreten  waren.     Freilich  sind  einige  Bücher 
mir    nicht  zu  Händen  gekommen.     Dali  auch  russisch  und  dänisch  ge- 
schriebene Werke    mir  vorlagen,    erfüllte  mich  mit  dem  schmerzlichen 
Bedauern,    daß    die  schöne  Kunst,    Latein  zu  schreiben,    so  ganz  ver- 
schwunden ist.     Oder  soll  der  Referent  eine  Art  Mezzofanti  sein,    der 
alle  europäischen  Sprachen  beherrscht?    Und  nun  zur  Sache.    Es  werden 
erst  die  allgemeinen  Darstellungen  besprochen,  dann  die  Gattungen  und 
Arten  secundum  ordinem;   dazwischen  die  Miscellaneen ,  nach  Zarnckes 
bewährtem  Vorgänge. 

Allgemeine  Darstellungen. 

1.  Martin  Schanz,  Geschichte  der  römischen  Litteratur  bis  zum 
Gesetzgebungswerk  des  Kaisers  Justinian.  München,  Beck.  1.  Teil 
1890:  Die  römische  Litteratur  in  der  Zeit  der  Republik.  XVI, 
304  S.  2.  T.  1892:  Die  Zeit  vom  Ende  der  Republik  bis  auf  Hadrian. 
XV,  476  S.  3.  T.  1896:  Die  Zeit  von  Hadrian  bis  auf  Konstantin. 
XTX,  410  S.  gr.  8.  Der  4.  Teil  (Schluß)  erscheint  demnächst,  zu- 
gleich der  1 .  in  einer  zw'eiten  Bearbeitung.  Handbuch  der  klassischen 
Altertumswissenschaft.     Hrsg.  von  I,  v.  Müller.     VIII  1—3. 

Wir  schätzen  uns  glücklich,  das  ausgezeichnete  Werk,  dessen 
unser  Herr  Vorgänger  erst  nur  flüchtig  Erwähnung  gethan  hat,  an- 
zeigen zu  können.  Wenn  wir  auch  in  dem  grundlegenden  Buche  von 
Teuffei- Schwabe    (5.  Auflage  1890)  eine  unversiegbare  Quelle  reichster 


Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  (Aly.)  3. 

Belehrung  besitzen,  so  ist  doch  ein  derartiges  Magazin  der  Gelehrsam- 
keit nicht  immer  geeignet,  Anregung  zu  gewähren  und  zu  neuer  Arbeit 
BJizureizen.  Der  Natur  der  Sache  gemäß  ist  es  überreich  an  Namen 
und  Titeln  und  wird  daran  immer  noch  reicher  werden.  Neben  diesem 
Standard  werk  bedurfte  es  eines  anderen  Buches,  das  sich  in  der  Aus- 
wahl des  gelehrten  Stoffes  beschränkte  und  den  so  gewonnenen  Raum 
der  eingehenden  Anal^'se  und  liebevollen  Beurteilung  anwies.  Dieser 
Aufgabe  hat  sich  der  Verf.  mit  großem  Erfolg  unterzogen  und  trotz 
der  Abhängigkeit,  in  der  jeder  Litterarhistoiiker  seineu  Hülfsraitteln 
gegenüber  steht,  ein  durchaus  selbständiges  Werk  geschaffen,  dessen 
Bedeutung  in  erster  Linie  für  jüngere  Forscher  nicht  hoch  genug  ver- 
anschlagt werden  kann.  Denn  weder  für  die  weiteren  Kreise  der  Ge- 
bildeten noch  für  den  esoterischen  Zirkel  der  Hochgelehrten  ist  das 
Buch  bestimmt,  sondern  für  ältere  Studenten,  Kandidaten  und  Lehrer 
der  Gymnasien.  Daher  legt  es  den  Hauptnachdruck  auf  eine  übersicht- 
liche Anordnung,  die  nach  dem  Vorgang  der  Franzosen  durch  kurze 
Hervorhebung  der  Leitmotive  in  gesperrtem  Druck  sehr  gefördert  wird. 
Die  Litteratur  ist  auf  das  knappste  Maß  beschränkt,  unter  besonderer 
Betonung  streitiger  Fragen.  Auf  die  Formulierang  des  ästhetischen 
Urteils,  das  durchweg  Selbständigkeit  erkennen  läßt,  ist  große  Sorgfalt 
verwendet;  durch  Vergleiche  aus  anderen  Litteraturgebieten  wird  der 
Darstellung  Frische  und  Leben  vermittelt.  Der  Stil  zeigt  liebevolle 
Pflege.  Es  ist  leider  überaus  schwierig,  ein  derartiges  Werk  in  ge- 
bührender Weise  zu  würdigen.  Eine  schematische  Wiedergabe  des  In- 
halts erscheint  unthunlich,  da  sich  davon  jeder  durch  Einblick  in  das 
Inhaltsverzeichnis  Kenntnis  verschaffen  kann.  Es  empfiehlt  sich,  nach 
gewissen  Gesichtspunkten  einiges  herauszugreifen,  wobei  freilich  die 
Differenzpunkte  zwischen  dem  Autor  und  dem  Referenten  besonders 
hervortreten  werden.  Aus  diesen  Stichproben  wird  man  auf  das  Ganze 
schließen  können.     Wir  beginnen  mit  dem  ersten  Bande. 

Die  allgemeine  Anordnung  ist  die  übliche,  von  der  unseres 
Wissens  neuerdings  nur  Th.  Birt  abgegangen  ist:  1.  Elemente  der 
nationalen  Litteratur,  2.  die  römische  Kunstlitteratur,  A.  bis  zum  Aus- 
gang des  Bundesgenossenkrieges,  B.  bis  zum  Ende  der  Republik.  Im 
einzelnen  ist  das  eidographische  Prinzip  mit  dem  chronologischen  ver- 
schmolzen, was  dadurch  erreicht  ist,  daß  nicht  allzu  große  Zeitab- 
schnitte festgesetzt  werden,  innerhalb  deren,  soweit  als  möglich,  die 
Gattungen  zur  Besprechung  kommen,  aber  ohne  die  Werke  desselben 
Schriftstellers  auseinander  zu  reißen.  Eine  Unterscheidung  zwischen 
innerer  und  äußerer  Entwickelung,  wie  bei  Bernhardy  und  Teuffei,  wird 
nicht  gemacht.  Bei  der  Anordnung  der  einzelnen  Dichter  würden  wir 
aus    inneren   Gründen  Ennius,    den  Vater    der  römischen  Kunstpoesie,. 

1* 


4         Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  (Aly.) 

vor  Plautus  behaudelu.     Ja,  wir  würden  uns  nicht  scheuen,  an  Ennius 
die  Tragiker  anzuschlielien  und  erst  darauf  die  Komiker  im  Zusammen- 
hang zu  behandeln  (fabula  palliata,  togata,  Atellana),  wie  das  in  unserem 
Buche  geschehen  ist.     Wir  erachten  den  chronologischen  Gesichtspunkt 
doch  für  etwas  sehr  Äußerliches  und  Minderwertiges;    die  innere  Ent- 
wickelung  knüpft  an  die  Ausbildung  der  Gattungen,  nicht  an  die  Zeit- 
folge der  Dichter  an.    Auch  Ribbeck  folgt  dieser  Auffassung,  wenn  er 
erst  die  drei  Schöpfer  der  römischen  Dichtung  behandelt:     Livius,  Nä- 
vius,    Ennius,    und    dann   das  Drama,    zuerst  die  Palliata,    darauf  die 
Tragödie,   die  Praetexta,    Togata,    Atellana,    Mimus.     Die  Anordnung 
bei  Schanz  reißt  das  innerlich  Zusammengehörige  um  der  äußeren  Ord- 
nung willen  auseinander.    Im  einzelnen  wird,  wie  billig,  erst  der  Lebens- 
lauf des  Dichters  gegeben,    dann    eine    Anah'se    oder  tibersicht   seiner 
Werke,    endlich    das  Urteil    und    das  Fortleben  in  der  Nachwelt.     Die 
Anordnung  von  S.  78  ab  hat  ganz  unseren  Beifall;    namentlich  ist  vor 
allem  Cicero   als  Redner  behandelt,    nicht,    wie  das  vielfach  geschieht, 
auf  mehrere  Gattungen  verteilt. 

Im  einzelnen  erscheint  uns  zunächst  die  Charakteristik  des 
römischen  Volkes  nicht  auszureichen.  Auch  ist  Verf.  der  differentia 
specifica  der  römischen  Litteratur  schwerlich  gerecht  geworden,  wie 
denn  auch  sonst  hin  und  wieder,  im  starken  Gegensatz  zu  Ribbeck, 
eine  starke  Uuterschätzung  der  römischen  Dichtung  zu  Tage  tritt.  Recht 
knapp  wird  auch  die  Sprache  behandelt.  In  der  Beurteilung  der 
archaischen  Litteratur  macht  sich  Verf.  mit  Unrecht  von  Mommsen  ab- 
hängig. Es  ist  überhaupt  auffallend,  dal.i  er  sich  über  die  Berechtigung 
der  radikalen  Kunsturteile  des  großen  Gelehrten  nicht  äußert.  Und 
doch  ist  die  condicio  sine  qua  non  einer  unbefangenen  Litteraturgeschichte 
Roms,  sich  mit  dem  besten  Kenner  seiner  Geschichte  auseinanderzu- 
setzen. Th.  Mommsen  ist  so  groß,  daß  es  seinem  Ruhme  nichts  schadet, 
wenn  ein  redlicher  Forscher  auf  Grund  eigener  Prüfung  zu  anderen  An- 
schauungen kommt  und  dieselben  frank  und  frei  ausspricht.  Von  Ehr- 
furcht bei  dieser  Gelegenheit  zu  sprechen,  wie  es  der  verstorbene  Hertz 
uns  gegenüber  einmal  gethan  hat,  ist  unwissenschaftlich.  Ehrfurcht 
schulden  wir  in  erster  Linie  doch  vor  allem  den  ehrwürdigen  Resten 
des  Altertums.  Und  solche  Ehrfurcht  des  ästhetischen  Urteils  zu  be- 
wahren, hat  uns  Herder  gelehrt,  der  jedes  Dichtwerk  aus  den  Zeitver- 
hältnissen des  Dichters  heraus  zu  erklären  gebot.  Die  Neueren,  vor 
allem  Mommsen  ,  aber  zum  Teil  auch  Schanz,  urteilen  von  einem  abso- 
luten Standpunkt  aus,  von  dem  Standpunkt  hellenischer  Kunstschöne 
oder  moderner  H3'perkritik.  Wie  anders  Ribbeck!  So  wird  denn 
Schanz  auch  dem  Ennius  nicht  gerecht.  Zwar  citiert  er  die  schönen  Verse 
des  Lukrez;    aber  der  Schluß  lautet  doch:    „—aber  er  hat  ihnen  auch 


Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  (Aly.)  5 

den  Giftbecher  gereicht,  der  für  die  heimischen  Sitten  tödlich  werden 
sollte."  Viel  gerechter  urteilte  über  den  grollen  Reformator  der  latei- 
nischen Sprache,  der  für  das  Latein  dasselbe  geihan  hat  wie  Luther 
und  Klopstock  zusammen  für  das  Deutsche,  der  unvergel.Iliche  Kitschi 
und  auf  seinen  Spuren  Lucian  Müller.  Was  wäre  wohl  aus  dem  Latein 
ohne  Ennius'  Eingreifen  geworden?  Eine  stumpfe,  endungslose  Spruche 
wie  das  TJmbrische,  aas  der  nie  mehr  ein  Vers  htitte  geformt  werden 
können.  Was  wäre  aus  den  Römern  geworden  ohne  die  Aufnahme 
hellenischer  Bildung  .'  Ein  für  die  Entwickelung  des  Menschengeschlechts 
nutzloses  Volk.  Ennius  ist  einer  der  grollten  Wohlthäter  und  der  feinste 
Geist  des  archaischen  Roms. 

Doch  es  wäre  ungerecht,  wollten  wir  immer  nur  unser  ab- 
weichendes Votum  abgeben.  Unübertrefflich  ist  die  Kürze  und  Schärfe, 
mit  der  Verf.  bei  vielumstrittenen  Fragen  die  Streitpunkte  feststellt; 
so  bei  Terenz.  P^benso  zweckmällig  und  verständig  sind  die  Rück- 
blicke, mit  denen  er  zusammenfassend  jeden  Abschnitt  schliel.lt.  Bei 
dem  Begriif  der  Satura  bleibt  Verf.  bei  j\Iommsens  Auffassung,  wie  er 
denn  überhaupt  mit  den  Neueren  die  Abhängigkeit  der  Römer  von  den 
Griechen  u.  E.  überschätzt.  Gerade  der  unklare  Begriff  der  Satura 
ist  uns  ein  Beweis  dafür,  daß  hier  keine  Originalschöpfung  der  Hellenen 
vorliegt,  welche  die  Gattungen  rein  zu  erhalten  wullten.  Mit  der  un- 
glückseligen Liviusstelle  (VII  2)  ist  schwerlich  etwas  anzufangen.  Die 
zahlreichen  Annalisten  werden  sehr  zweckmäßig  besprochen,  mit  viel 
Absätzen  und  t'berschriften,  so  daß  Verworrenheit  durchaus  ver- 
mieden wird. 

Das  zweite  Kap.  beginnt  mit  der  Atellana  und  dem  Mimus,  wobei 
die  Bedeutung  des  Laberius  schön  gewürdigt  wird;  sein  Prolog  wird  zu 
den  schönsten  Denkmälern  der  lateinischen  Poesie  gerechnet.  Um  so 
weniger  können  wir  der  Beurteilung  des  Lukrez  zustimmen,  wo  sich 
Seh.  zu  der  Behauptung  verirrt:  Die  Grenze,  durch  die  das  Genie  vom 
AVahnsinn  geschieden  werde,  sei  nur  eine  geringe.  (!)  Auch  sein  Werk 
ein  Gedicht  von  hoher  Vollendung,  ihn  selbst  (nebst  KatuU)  den  größten 
Dichter  der  Römer  zu  nennen,  geht  nicht  an.  Es  ist  vielmehr  eine 
entsetzliche  Verirrung,  die  traurigste,  trostloseste  Weltanschauung,  die 
es  giebt,  in  poetische  Form  zu  kleiden.  Von  der  Öde  vieler  Ab- 
schnitte, von  der  so  unlogischen  Anrufung  der  Götter  braucht  man 
kaum  zu  reden;  sie  sind  jedem  Leser  bekannt.  Und  dal.l  das  freie 
Denken  sich  an  diesem  Dichter  emporgerankt  hätte,  ist  uns  neu.  Lukrez 
bringt  nicht  das  „Licht  der  Aufklärung",  sondern  die  Nacht  des  geistigen 
Todes.  Mit  viel  mehr  Recht  hätte  Seh.  sagen  können,  dal.l  sich  die 
Folgezeit  an  Ciceros  Schriften  aufgerichtet  habe,  vor  allem  au  seinen 
philosophischen,  als  au  Lukrez.     Aber    gerade    hier    ist   der  schwerste 


6         Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litterat  ur.  (Aly.) 

Stein  des  Anstoßes.  Nachdem  er  Cäsar  übermäßig  gesprieseu  hat, 
charakterisiert  er  Cicero  als  „gefallene  Größe",  nennt  Drumanns  Dar- 
stellung die  beste  und  lobt  Mommsens  Bild  Ciceros,  das  mit  der  land- 
läufigen Vorstellung  sehr  kontrastiere.  Xun,  die  Philologen,  die  Mommsens 
Verdikt  nicht  acceptieren,  sind  vorläufig  noch  an  den  Fingern  herzu- 
zählen; für  die  „landläufige  Vorstellung"  aber  ist  der  größte  Sprach- 
meister Eoms  bete  noirc.  Aber  mit  der  Begründung  steht  es  übel. 
Einer  Aufforderung  H.  Kissens  folgend,  hat  Ref.  in  dem  Aufsatze 
„Cicero  und  Drumann"  (Zeitschr.  f.  Gymn.  1897,  213)  eine  Konfrontation 
Drumanns  mit  den  von  ihm  angeführten  Quellenstelleu  vorgenommen,  die 
für  den  Königsberger  Historiker  ein  beschämendes  Ergebnis  hatte.  Es 
ist  nichts  mit  Drumanns  «eiserner  Gelehrsamkeit".  Und  so  kommt 
denn  eine  neue  Richtung  auf  (Weillenfels.  0.  E.  Schmidt,  Schneidewin, 
Zielinski,  Leo),  die  dem  Verf.  vielleicht  Anlaß  giebt,  seine  Auffassung 
noch  einmal  zu  prüfen  und  hoffentlich  zu  berichtigen.  Voi'läufig  ist 
dei"  ganze  Abschnitt  bei  Schanz  nur  mit  Kritik  zu  benutzen. 

Der  Rest  giebt  uns  nicht  zu  weiteren  Ausstellungen  Anlaß.  Ein 
Wort  sei  noch  dem  Stil  gewidmet.  Verf.  kommt  dem  zur  Zeit  herrschenden 
Streben,  auch  gelehrte  Bücher  gefällig  zu  schreiben,  entgegen.  Der 
Erfolg  ist  nicht  zu  verkennen.  Aber  ein  retractatio  würde  noch  manche 
Spuren  des  Papierstils,  wie  ihn  0.  Schröder  getauft  hat,  tilgen  können 
Ribbeck  ist  auch  hier  ein  schwer  erreichbares  Muster  und  Vorbild. 

Der  zweite  Band  dürfte  vielleicht  noch  höher  zu  bewerten  sein 
als  der  erste.  Sei  es,  daß  der  Verf.  durchweg  festen  Boden  unter  den 
Füßen  fühlt,  sei  es,  daß  seine  Kraft  mit  dem  rüstigen  Fortschreiten 
des  Werkes  wächst,  uns  sagt  dieser  Band,  der  die  Kaiserzeit  bis  117 
in  sich  schließt,  noch  mehr  zu.  Was  wir  auch  herausgreifen,  wi)-  haben 
fast  nur  Veranlassung  zu  loben  und  anzuerkennen.  Die  Anordnung 
giebt  freilich  gleich  zu  einem  Protest  Anlaß.  Wir  halten  es  für  ratsam, 
wie  gemeinhin  geschieht,  die  Zeit  Ciceros  mit  der  des  Augustus  zu 
einem  Abschnitt  der  klassischen  Vollendung  zusammenzuziehen.  Mit 
dem  Jahre  80  v.  Chr.  beginnt  sich  der  Umschwung  zu  vollziehen, 
der  die  Zeit  der  Höhe  vorbereitet,  die  liebevolle  Pflege  der  sprachlichen 
und  metrischen  Formengebung.  Daher  gehören  Cicero,  Cäsar,  Lukrez 
und  KatuU,  um  nur  die  Hauptnamen  zu  nennen,  mit  Virgil  und  Horaz 
e  tntti  quanti  in  das  Zeitalter  des  Klassizismus,  das  sich  wiederum  in  die 
Zeit  des  Cicero  und  des  Augustus  spaltet.  Im  einzelnen  ist  nichts  zu 
erinnern,  außer  daß  Verf.,  seinem  Vorsatz  zuwider,  den  Dichter  Seneca 
vom  Philosophen  trennt;  er  scheint  selbst  zu  fühlen,  wie  misslich  das 
ist.  Ref.  hat  sich  in  seinem  Buche  dadurch  zu  helfen  gesucht,  daß  er 
Seneca  In  die  Mitte  der  Dichter  und  Prosaiker  gestellt  hat.  Er  ver- 
dient auch,    der  äf>yr^-(i~r^i  der  silbernen  Prosa  zu  sein,    da  er  ihr  den 


Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  röraischea  Litteratur.  (Aly.)  7 

Stempel  seines  Geistes  aufgedrückt  hat.   In  der  Darstellung  bewundern 
wir  wieder  die  7oicp.poj'Jvrj  des  Verf.,  welche  die  so  naheliegende  Gefahr  der 
"Weitschweifigkeit  klug  meidet  und  doch  nichts  Wesentliches  übergeht.  Die 
Überschriften  sind  so  zahlreich  als  möglich,  die  Litteratur  aufs  Nötigste 
beschränkt,    das  Ziel  der  Anregung  nie  aus  den  Augen  gelassen.     Das 
Urteil  ist  durchweg  fein  und  maßvoll  abgewogen,  vielleicht  mehr  noch 
als  im  ersten  Bande.     Nur   an  wenigen  Stellen  möchten  wir  Einspruch 
erheben.     Das  Urteil    über  Virgil    auf  S.  70 — 71    ist  unbillig  und  un- 
richtig.    Seh.  geht  von  dem  falschen  Gesichtspunkte  einer  Vergleichung 
Virgils  mit  Homer  aus ;  wir  verweisen  ilm  auf  Schillers  berühmte,  aber 
nicht  genug  gewürdigte  Abhandlung    'Über  naive  und  sentimentalische 
Dichtung',  wo  es  der  große  Kunstrichter  geradezu  ablehnt,  den  Virgil 
aus  diesem  Gesichtswinkel  zu  beurteilen.    Wo  Virgil  in  die  Tiefen  des 
menschlichen  Herzens  hinabsteigt,  wo  er  die  Töne  des  Patriotismus  und 
Nationalgefühls  anschlägt,  da  kann  er  sich  getrost  neben  Homer  stellen, 
aber  auf  einem  anderen  Felde,  als  der  große  Volksdichter.     Virgil  hat 
seinem  Volke  ein  nationales  Epos  geschenkt,    indem    er  die  Gegenwart 
in  der  Vergangenheit  sich  spiegeln  ließ.     Daher  ist  seine  Aeneis    kein 
, mißlungener  Gedanke".   Ja,  in  Einzelfällen  geht  er  über  sein  Vorbild 
hinaus.  Oder  ist  die  bekannte  Episode  des  Freundespaares  Nisus-Euryalus 
nicht  eine  verbesserte  Auflage  der  J^oXwveiaV  Verf.  bringt  eben  hier  seiner 
Zeit  den  Tribut,  die  nun  einmal  der  lateinischen  Litteratur  nicht  günstig 
gesinnt  ist.     Wenigstens  in  Deutschland   nicht;    die  Franzosen    urteilen 
billiger.      Hingegen    wird  Seh.    dem  Horaz  vollkommen    gerecht,    auch 
dem  Liederherbst    des  4.  Odenbuches,    der  sonst  eine  ungerechte  Ver- 
urteilung erfährt.   Er  giebt  der  Drususode  mit  Recht  das  Attribut  eines 
schönen  Gedichtes.     Klar    und    scharf    ist    die  Erörterung  der  Dichter 
des  Messallakreises;    die  kritischen  Probleme  werden  kurz  und  treffend 
nach  ihrer  Entwickelung  und  Lösung  charakterisiert.     Ganz  vortrefflich 
und  originell  ist  die  Würdigung  Ovids  als  des  genialsten  Erzählers  der 
Römer;  Verf.  liefert  hier  Muster  und  Vorbild  einer  liebevollen  Analj^se,  die 
nichts  verschweigt,  nichts  verschleiert,  aber  vor  allem  die  eigenartigen  Vor- 
züge des  Autors  feinsinnig  aufspürt.    Allzu  breit  sind  die  hohlen  Dekla- 
matoren behandelt,    die    wir    doch  nur  aus  dem  älteren  Seneca  kennen. 
Im  zweiten  Abschnitt  (14—117)  sind  die  Hindernisse,  die  der  Despotismus 
der  ersten  Kaiser  der  Entwickelung  der  Litteratur  bereitet  hat,  wohl,  wie  so 
vielfach,  überschätzt  worden.    Es  ist  doch  bemerkenswert,  daß  uns  nicht 
nur  ein    so    oppositionelles    Werk    wie  Lukans  Pharsalia    erhalten    ist, 
sondern  daß  auch   unter  Nero  ein  Petron,    unter  Domitian  ein  Martial 
geschrieben    haben.    Dichter    ersten  Ranges.     Gerade  das  Gegenteil  ist 
richtig.     Unter  dem  milden  und  weisen  Regiment  der  beiden  Antonine 
geht  die  römische  Litteratur  mit  Riesenschritten  zurück.    Was  ihr  das 


^  Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  (Aly.) 

(rrab  bereitete,  hat  Verf.  an  manchen  Stellen  angedeutet.  Außer  dem 
Absterben  des  schöpferischen  Geistes  überhaupt,  war  es  vor  allem  das 
.ungesunde  Spiel  mit  den  Ivünsteu  des  Rhetors",  das  Verf.  treffend  am 
Schluß  den  'Fluch  der  römischen  Dichtung'  nennt.  Er  hätte  nur  auch 
bemerken  sollen,  daß  diese  Neigung  zur  Rhetorik  aus  dem  innersten 
Wesen  des  Römers  stammte;  sie  hat  die  machtvolle  Entwickelung  der 
römischen  Beredsamkeit  nachhaltig  gefördert,  sie  hat  aber  auch  bei 
ihrem  Einbruch  in  die  übrigen  Gattungen  der  Litteratur  dieser  ein 
frühes  Ende  bereitet.  Daher  der  Genuß,  den  wir  an  Petron  und 
Martial  empfinden,  weil  sie  eben  natürlich  in  Sprache  und  Empfinden 
sind,  während  der  gioße  Tacitus,  zumal  in  den  Annalen,  der  Rhetorik 
mehr  als  billig  nachgiebt.  Sehr  sympathisch  ist  es  uns,  daß  Verf.  den 
Dialogus  dieses  Schriftstellers  sehr  hoch  stellt  und  ihn  in  höherem 
Grade  der  Jugendlektüre  zuweist  als  die  geschichtlichen  Werke,  eine 
Feinfühligkeit  pädagogischen  Urteils,  die  heutzutage  sehr  selten  ist. 
Zum  Schluß  zwei  Bemerkungen.  Besondere  Anerkennung  verdient  der 
Stil,  der  uns  in  diesem  zweiten  Bande  gefeilter,  frischer  und  anregender 
zu  sein  scheint,  als  in  dem  ersten.  Glückliche  Citate  aus  neueren 
Dichtern,  kurze  Belegstellen,  treffende  Vergleiche  verbannen  alle  Ab- 
spannung, die  uns  so  leicht  bei  der  Lektüre  litterarhistorischer  Werke  er- 
greift. Nirgends  sinkt  die  Darstellung  auf  die  Stufe  der  trockenen  Auf- 
zählung hinab.. 

Über  den  dritten  Band  können  wir  uns  kürzer  fassen ,  zumal  da 
die  Gefahr  der  Wiederholung  nahe  liegt.  Er  umfaßt  die  Zeit  von 
117 — 324,  und  zwar  zuerst  die  nationale  (heidnische),  dann  die  christ- 
liche Litteratur,  sowohl  die  apologetisch-polemische,  als  auch  die 
dogmatisch- ethische.  Xur  ein  prinzipielles  Bedenken  möchten  wir  aus- 
sprechen. Uns  scheint  der  juristischen  wie  der  patristischen  Utteratur 
ein  zu  großer  Raum  verstattet  zu  sein.  Es  läßt  sich  die  Frage 
aufwerten:  wo  endet  hier  das  Interesse  des  Litterarhistorikers,  wo  fängt 
das  Gebiet  der  SpezialWissenschaft,  also  der  Rechtswissenschaft  und  der 
Theologie  anV  Verf.  hat  sich  die  Grenze  zu  weit  gesteckt.  Vielleiciit 
aus  Freude  an  der  Erweiterung  des  eigenen  Gesichtskreises,  wie  er  in 
der  Einleitung  selbst  mit  liebenswerter  Bescheidenheit  andeutet,  hat  er 
Teile  der  römischen  Rechtsgeschichte  (S.  164  —  193)  und  ein  ansehnliches 
Stück  Kirchengeschichte  (S.  204—408)  verarbeitet.  Wir  bekommen 
förmliche  Abhandlungen  über  den  ]\lontanismus  und  die  Gnostik,  durch- 
\seg  an  der  Hand  theologischer  Werke.  Verf.  scheint  die  Übertreibung 
selbst  gefühlt  zu  haben,  indem  er  an  einer  Stelle  apologetisch  betont, 
daß  doch  auch  der  Ideengehalt  eines  Werkes  Gegenstand  litterarhistorischer 
Foischung  sein  müsse.  Bis  zu  einem  gewissen  Grade,  ja;  aber  so  schlecht- 
hin möchten  wir    die  These    nicht    zugeben.     Die  Litteraturgeschichte 


Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  (Aly.)         9 

siebt  doch  in  erster  Linie  auf  die  Kunstform  und  dann  erst  auf  den 
Inhalt,  dessen  eingehende  Würdigung-  sie  der  betreffenden  Fachwissen- 
schaft überläßt.  Um  Beispiele  aus  neuerer  Zeit  heranzuziehen,  so  ge- 
hören die  Werke  von  Sybel  und  Trcitschke  gewiß  auch  vor  das  Tribunal 
der  Litleraturgeschichte;  aber  rein  gelehrte  Werke,  wie  Regesten, 
(:^uellenuntersuchuugen,  methodologische  Forschungen,  Dissertationen, 
gehören  ausschließlich  der  Geschichtswissenschaft  zu  eigen.  Verf.  be- 
kennt selbst  z.  B.,  daü  ihn  Celsus  als  Arzt  gar  nicht  interessiert,  wohl 
aber  als  Stilist,  als  Schriftsteller.  Und  so  werden  wir  alle  sog.  Fach- 
schriftsteller, wie  den  älteren  Plinius,  Columella  u.  a.,  nur  in  ihrer 
Eigenschaft  als  Schriftsteller  in  der  Litteraturgeschichte  berücksichtigen; 
das  eigentlich  Fachliche,  was  sie  vorzubringen  haben,  gehört  der  Be- 
urteilung der  betreffenden  Fachwissenschaft  an.  So  ist  uns  der  Monta- 
nismus und  die  Gnostik  litterargeschichtlich  sehr  gleichgültig,  während 
die  eigenartige  Latinität  des  Tertullian  unser  höchstes  Interesse  bean- 
sprucht. Wird  diese  Auffassung  zugegeben,  so  mul.l  der  dritte  Band 
als  zu  breit  bezeichnet  werden;  00  Seiten  für  Tertullian  sind  unter 
allen  Umständen  zu  viel.  Nur  mit  Bedenken  sehen  wir  dem  vierten 
Bande  entgegen,  der  die  Zeit  bis  Justinian  umfassen  soll.  Ganz  anders 
ist  wieder  Ribbeck  verfahren,  der  den  christlichen  Dichter  Prudentius 
nicht  berücksichtigt  hat.  Und  warum  will  Verf.  dann  bei  Justinian 
Halt  machen?  Warum  scheidet  er  die  lateinische  Litteratur  des  Mittel- 
alters und  die  Humanisten  aus,  sowie  die  ganzen  Neulateiner?  Er 
wird  antworten,  weil  sie  nicht  national-römische,  sondern  schlechtweg 
lateinische  Litteratur  vertreten.  Ganz  recht;  aber  das  gilt  auch  für 
die  Kirchenväter.  Verf.  selbst  unterscheidet  nationale  und  christliche 
Litteratur,  scheint  also  in  beiden  einen  Gegensatz  zu  sehen.  Und  so 
ist  es;  mit  dem  Christentum  erhält  die  national -römische  Litteratur  den 
Todesstol.l  und  wird  zur  lateinischen  Litteratur.  —  Diese  Bedenken 
möchten  wir  dem  Verf.  nicht  verschweigen.  Im  übrigen  gebietet  es 
die  Gerechtigkeit,  zu  bezeugen,  daß  der  dritte  Teil  mit  derselben  Sorgfalt 
gearbeitet  und  mit  derselben  Klarheit  dargestellt  ist,  wie  die  ersten 
beiden  Teile.  Verf.  hat  sich  mit  diesem  AVerk  ein  dauerndes  Denkmal 
gesetzt  und  sich  um  die  lateinischen  Studien  der  künftigen  Generationen 
wohl  verdient  gemacht. 

2.  Friedrich  Aly,  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  Berlin 
1894,  R.  Gärtners  Verlagsbuchhandlung  (Hermann  Heyfelderj.  XI, 
353  S.     8. 

Das  Buch  ist  in  erster  Linie  für  die  Primaner  höherer  Lehran- 
stalten berechnet;  es  will  vor  allem  Begeisterung  für  die  römische  Litte- 
ratur erwecken,  die  ja  leider  durch  die  scharfen  und  ungerechten  Kunst- 


10       Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  (Aly.) 

urteile  Mommsens  schwer  geschädigt  ist.  Die  Kritik  hat  sich  im  allgemeinen 
günstig  geäußert,  wenn  auch  nicht  ohne  gelegentliche  Einschränkung 
des  Lobes.  Es  ziemt  dem  Verfasser  nicht,  an  dieser  Stelle  in  eine 
Polemik  einzutreten,  zumal  da  er  eine  Reihe  von  Ausstellungen  als  be- 
rechtigt anerkennt.  Im  Fall  einer  neuen  Bearbeitung  würde  er,  Weißen- 
fels' Rat  entsprechend,  die  Bemerkungen  über  Handschriften,  Ausgaben 
und  Ähnliches  in  einen  Anhang  verweisen  und  den  Charakter  des  Lese- 
buches nicht  durch  ausschließlich  lehrhafte  Abschnitte  trüben. 

3.  Max  Zöller,  Grundriß  der  Geschichte  der  römischen  Litte- 
ratur. Ä.  u.  d.  T.  Sammlung  von  Kompendien  für  das  Studium  und 
die  Praxis  1.3.  Münster  i.  W.  1891,  Heinrich  Schöningh.  XII, 
343  S.     8. 

Ist  das  vorher  besprochene  Buch  vor  allem  für  Schüler  geschrieben, 
Bo  ist  dieses  den  Lehrern  der  Gymnasien  bestimmt.  Daher  betont  es 
gerade  die  Gesichtspunkte,  die  jenes  mehr  in  den  Hintergrund  schiebt, 
und  umgekehrt.  Es  ist  ohne  Zweifel  eine  fleißige  und  verständige  Kom- 
pilation aus  den  bekannten  Hülfsmitteln,  recht  gründlich,  stellenweise 
sogar  etwas  breit.  Die  Anordnung  ist  die  herkömmliche;  die  Gattungen 
werden  besprochen,  ohne  daß  dabei  die  Werke  desselben  Schriftstellers 
auseinandergerissen  werden.  Nur  in  der  Darstellung  Ciceros  fällt  ein 
Mangel  an  innerem  Zusammenhang  auf:  es  mußte  erst  das  öffentliche, 
dann  das  Privatleben,  endlich  die  Schriftstellerei  des  Redners  abgehandelt 
werden.  Die  Ausführlichkeit  wechselt.  In  der  Darstellung  wird  Schwung 
und  Frische  vermißt;  der  Ton  erinnert  zu  sehr  daran,  dali  wir  es  hier 
mit  einem  Repetitionsbuch  zu  thun  haben,  das  den  Kandidaten  gute 
Dienste  leisten  mag.  Im  einzelnen  soll  zunächst  der  Ausdruck  „archai- 
stische Zeit"  gerügt  werden;  Verf.  verwechselt,  was  übrigens  oft  ge- 
schieht, archaisch  und  archaistisch.  Die  Bedeutung  des  Ennius  ist  ganz 
verkannt.  Verf.  irrt,  wenn  er  meint,  die  römische  Litteratur  hätte  sich 
auch  ohne  griechischen  Einfluß  ausbauen  lassen  (S.  26).  Wir  verweisen 
auf  Lucian  Müllers  Biographie  des  Eunius.  Auch  dem  Plautus  wird 
er  schwerlich  gerecht.  W^er  sollte  aus  seiner  Darstellung  die  entzückende 
Frische  der  plautinischen  Sprache,  seinen  Geist  und  AVitz  erkennen.^ 
In  der  Auffassung  der  klassischen  Prosa  vermißt  man  den  Hinweis  auf 
den  rhetorischen  Charakter  der  römischen  Litteratur,  z.  B.  des  Livius. 
Was  Verf.  öfter  „nationale  Tendenz"  nennt,  ist  in  Wahrheit  das  rheto- 
rische Naturell  der  Römer,  das  niemand  besser  charakterisiert  hat,  als 
Taine  in  seinem  Essai  sur  Tite-Live.  Die  silberne  Latinität  kommt 
nicht  zu  ihrem  Rechte,  während  Varro  und  auch  Cicero  zu  breit  be- 
handelt sind.  Immerhin  ist  das  Buch  für  den  genannten  Zweck  zu 
empfehlen. 


Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Littcratur.  (Aly.)        ]  1 

4.  Hermann  Joachim,  Geschichte  der  römischen  Litleratur. 
Leipzig  1896,  Göschen.     182  S.     12. 

Der  Versuch  der  Verlagshaudlung,  die  Bildung  unserer  Zeit  nacli 
Art  des  Fleischextrakts  auf  Flaschen  zu  ziehen,  ist  nicht  unbedenklich 
und  g-eradezu  symptomatisch  für  den  greisenhaften  Charakter  der 
modernen  Kultur.  Noch  ein  Schritt,  und  das  Konversationslexikon  hat 
auf  der  ganzen  Linie  gesiegt,  und  unter  seinem  Schutze  die  Halb- 
bildung, die  von  allem  nascht  und  nichts  ernstlich  betreibt.  Wir  halten 
es  noch  mit  dem  schönen  Wort  Senecas:  Ees  severa  verum  gaudium. 
Abgesehen  davon  hat  Verf.,  ein  Schüler  Büchelers,  seine  Sache  nicht 
übel  gemacht.  Er  schreibt  frisch  und  keck.  In  der  Beurteilung  steht 
er  unter  llommsens  EinÜul.!,  wenn  auch  nicht  ausschlielJlich.  Auffällig 
ist  die  Behauptung,  daß  Cicero  aus  Furcht  vor  Sulla  nach  dem  Osten 
gereist  sei.  Kennt  Verf.  nicht  die  schöne  Stelle  im  Brutus,  die  den 
Stempel  der  inneren  Wahrhaftigkeit  an  sich  trägt?  Auch  kennt  er  nur 
6  Verrinen;  warum  unterschlägt  er  die  Divinatio  in  Q.  Caecilium?  Horaz 
unterschätzt  er,  zum  mindesten  seinen  Liederherbst. 

5.  Th.  Birt,  Eine  römische  Litteraturgeschichte,  in  fünf  Stunden 
gesprochen.     Marburg  1894,  Elwert.     210  S.     12. 

Auch  hier  liegt  eine  Litteraturgeschichte  in  nuce  vor,  aber  ohne 
jeden  Anspruch  auf  Lehrhaftigkeit  oder  Vollständigkeit.  Der  Verf., 
zugleich  ein  Gelehrter  und  ein  Dichter,  hat  5  Vorlesungen  vor  einem 
gemischten  Publikum  veröffentlicht,  ein  immerhin  mißliches  Unternehmen; 
denn  eine  „Spreche",  hat  einmal  ein  geistreicher  Mann  gesagt,  ist  noch 
keine  „Schreibe".  Verf.  überschüttet  auch  den  Fachmann  mit  einer 
Fülle  geistvoller  Anregungen,  obgleich  er  für  diesen  nicht  geschrieben 
zu  haben  behauptet.  Manche  Partieen  sind  köstlich,  so  die  Gegenüber- 
stellung des  Senatsherrn  Tacitus  und  des  Kleinbürgers  Juvenal.  Andere 
Stellen  erregen  Bedenken,  weil  der  Ton  allzu  niedrig  gegriffen  wird: 
Plautus,  „ein  kleiner,  fideler  Plebejer";  Cicero,  ein  „ruhiger,  guter 
Herr";  ^und  überhaupt  der  Vollbart",  nämlich  seit  Hadrian  —  ob  das 
den  Frankfurter  Kaufleuten  und  ihren  Damen  eine  würdige  Vor- 
stellung von  der  römischen  Litteratur  beigebracht  hat?  Auch  einige 
Seitenhiebe  auf  den  schulmäßigen  Betrieb  der  Gymnasiallektüre  konnten 
fehlen:  mutato  nomine  de  te  fabula  narratur. 

6.  Leben  und  Werke  der  griechischen  und  römischen  Schulschrift- 
steller. Zusammengestellt  von  Lehrern  der  Gr.  Stadtschule  in  Wismar. 
2.  Auflage.     Wismar  1896,  Hinstorff.     31  S.     8. 

Ein  sehr  löbliches  Unternehmen,  das  wir  zur  Nacheiferung  bestens 
empfehlen.     Es  würden  sich  namentlich  die  Programmabhandlungen  zu 


12       Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.    (Aly.) 

derartiger  Behandlung  der  Litteraturgeschichte  für  höhere  Schulen 
eignen;  denn  daß  die  doch  immer  nur  fragmentarische  Lektüre  einer 
solchen  Ergänzung,  eines  Rahmens  bedarf,  steht  für  uns  fest.  Der 
Wismarer  Versuch  bietet  nur  das  Notdürftigste,  nur  Thatsachen.  Viel- 
leicht würde  eine  liebevolle  Charakteristik  der  Schulschriftsteller,  etwas 
Schwung  und  Wärme  der  Sache  noch  förderlicher  sein  als  die  Trocken- 
heit der  Notizen. 

7.  E.  Nageotte,  Histoire  de  la  litterature  latine.  Nouvelle 
edition.  Paris  1891,  Garnier  Freres.  553  S.  12.  5.  edition,  revue  et 
corrigee.  1896. 

8.  Alfred  .Teanroy  und  Aime  Puech,  Histoire  de  la  littörature 
latine.     Paris  1891,  Librairie  classique  Paul  Delapante.    359  S.    12 

Beide  Bücher  dienen  den  Zwecken  der  höhereu  Schulen,  ent- 
sprechend dem  Ministerialerlaß  vom  15.  Juli  1890,  der  einen  abgekürzten 
Unterricht  in  der  Litteraturgeschichte  vorschreibt.  Während  das  letztere 
den  Stempel  der  industriellen  Mache  an  der  Stirne  trägt,  obgleich  die 
Verfasser  sich  rühmen,  Schüler  des  trefflichen  G.  Boissier  zu  sein,  ist 
das  erstere  wirklich  beachtenswert.  Die  Franzosen  haben  von  je  her 
für  die  ihnen  kongeniale  Litteratur  ßoms  ein  -feines  Verständnis  gehabt. 
Dazu  besitzen  nicht  wenige,  so  auch  Nageotte,  einen  flüssigen,  ange- 
nehmen Stil  und  die  Gabe,  einen  Charakter  mit  wenig  Strichen  zu 
skizzieren.  Man  vergleiche  nur,  wie  einsichtig  und  liebevoll  N.  über 
das  Genie  eines  Plautus  urteilt.  Auch  dem  Wesen  eines  Cicero  wird  er 
durchaus  gerecht,  wie  wir  denn  durchweg  seine  Kunsturteile  unter- 
schreiben können.  Zu  loben  ist  auch  die  praktische,  übersichtliche  Ein- 
teilung, die  den  kürzeren  Abschnitten  Inhaltsangaben  mit  hervorgehobenem 
Druck  voranschickt,  desgleichen  die  gründliche  Berücksichtigung  des 
Nachlebens  der  Schiiftsteller  (reputation),  wobei  N.  eine  achtbare  Be- 
lesenheit beweist.  Weniger  gefällt  die  Anordnung  im  ganzen,  insofern 
um  der  Gattungen  willen  die  Besprechung  der  Dichter  auseindei'gerisseu 
wird;  so  ist  es  unleidlich,  wenn  der  Tragiker  und  der  Epiker  Ennius 
in  ganz  verschiedenen  Kapiteln  besprochen  werden. 

9.  Luigi  Valmaggi,  Sommario  di  storia  della  litteratura  romana 
ad  uso  dello  scuole  secondarie.  Torino  1891 ,  Casanova.  V.III, 
165  S.     12. 

Der  Verf.  schreibt  etwas  viel  zusammen.  Dieses  sommario  hätte 
er  wohl  mit  etwas  mehr  Gründlichkeit  besorgen  können.  Wer  über 
Horaz  kaum  3  Seiten  zu  sagen  weiß,  darunter  über  die  Oden  nur 
9  Zeilen,  kann  schließlich  sich  auch  ganz  davon  dispensieren. 


Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  (Aly.)        18 

10.  Paul  Thomas,  La  litterature  latine  jus(iuaux  Antonius. 
Bruxelles,  Charles  Rozez.  A.  u,  d.  T.  Bibliothcque  beige  des  con- 
naissances  modernes.     251  S.     12. 

Der  sehr  fruchtbare  Verfasser  hat  das  Kompendium,  das  er  zum 
Teil  aus  Nageottes  Buch  dem  Inhalt  iiacli  entnommen  hat,  für  die 
höheren  Schulen  Belgiens  bestimmt.  Es  ist  ein  wenig  oberflächlich 
gehalten  und  kann  auf  besondere  Beachtung  kaum  Anspruch  erheben. 
Bemerkenswert  ist  allenfalls  der  schwungvolle  Uj-mnus  auf  A'irgil,  und 
vor  allem  auf  seine  Georgica,  die  ja  in  Frankreich  viel  gelesen  werden 
(S.  128/9). 

Miscellaneen  zur  Geschichte  der  römischen  Litteratur. 

11.  Paul  Thomas,  Eome  et  la  litterature  latine.  Conference  falte 
au  cercle  litteraire  des  etudiants  de  l'Universitc  de  Gand.  Bruxelles 
1892,  H.  Lamertin.     15  S.     8. 

Verf.  erörtert  einige  leitende  Gedanken:  1.  Nur  große  Völker 
haben  eine  Litteratur.  2.  Ein  Publikum  kann  es  nur  in  einer  großen 
Stadt  geben.  3.  Die  lateinische  Litteratur  ist  keine  sklavische  Nach- 
bildung der  griechischen.  4.  Der  Patriotismus  spielt  in  ihr  eine 
große  Rolle. 

12.  Constant  Martha,  Melanges  de  litterature  ancienne.  Paris 
1896,  Hachette  et  Cie.     252  S.     12. 

Aus  der  Sammlung  gehören  hierher:  Les  Romains  a  la  comedie, 
Lucrece  et  Ciceron,  Auguste  et  les  lettres,  Seueque.  Wir  haben  diese 
Aufsätze  mit  aufrichtigem  Vergnügen  gelesen,  da  sie  geradezu  typisch 
sind  für  die  Schreibweise  unserer  Nachbarn.  Weder  tief  noch  gelehrt, 
aber  durchweg  anregend  und  fesselnd,  entsprechen  sie  genau  dem  Ziele, 
das  sich  der  jüngst  verstorbene  Verf.  gesetzt  hat;  sie  wollen  „rendre 
Tantiquite  vivante  et  accessible  a  tous.*  Es  ist  das  eine  Gattung,  die 
bei  uns  viel  zu  wenig  gepflegt  wird.  Am  ersten  ist  noch  Birt  zu  ver- 
gleichen, der  dem  Franzosen  an  Geist  nicht  nachsteht,  während  er  ihn 
an  Gediegenheit  übertrifft.  Aber  vergleicht  man  damit  z.  B.  die  populären 
Abhandlungen  Emil  Hübners  und  auch  L.  Friedländers  in  der  Deutscheu 
Rundschau,  so  merkt  man  den  Abstand.  Freilich  laufen  Flüchtigkeits- 
fehler schlimmster  Art  unter.  Wie  Boissier  in  einem  Anfall  von  Geistes- 
abwesenheit den  Cäsar  Gergovia  einnehmen  läßt,  so  legt  Martha  dem 
Augustus  das  Wort  in  den  Mund,  Cicero  sei  „un  honnete  homme"  ge- 
wesen; bei  Plutarch  steht  bekanntlich:  X0710;,  beredt.  Auf  derselben 
Seite  (196)  citiert  er  aus  Horaz:  „Tont  est  soumis,  excepte  Tindomptable 
vertu  de  Caton",    soll  heißen   praeter  atrocem  animum  Catonis.     Seit 


14       Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  (Aly,)' 

wann  heißt  aniimis  vertu?  Solche  Blößen,  die  für  einen  deutschen  Ge- 
lehrten tödlich  sein  würden,  genieren  den  geistreichen  Franzosen  nicht. 
Dafür  entschädigt  er  allerdiugs  durch  feines  Verständnis  der  Alten. 
Am  bedeutendsten  ist  der  Aufsatz  über  den  Philosophen  Seneca,  dem 
er  gerecht  geworden  ist,  ohne  in  t^bertreibungen  zu  fallen.  Wissen- 
schaftlich wertvoll  dürfte  der  Versuch  sein,  die  Beziehungen  zwischen 
Lukrez  und  Cicero  aufzuhellen.  M.  führt  eine  Reihe  von  Stellen  aus 
de  linibus  und  den  Tuskulanen  an,  die  allerdings  eine  unverkennbare 
Ähnlichkeit  mit  dem  Dichter  der  mechanischen  Weltanschauung  zeigen. 
Es  wird  daraus  gefolgert,  dal.i  Cicero  nicht  immer  den  Epikureismus  so- 
schroff  gegenübergestanden  habe,  wie  man  auf  den  ersten  Blick  meinen 
sollte.  Freilich  sieht  M.  in  seiner  Hypothese  selbst  nur  einen  roman. 
historique.  Der  erste  Aufsatz  schildert  sehr  drastisch  an  der  Hand 
der  plautinischen  Prologe  das  Publikum  des  römischen  Theaters.  Im 
vierten  Stück  endlich  bespricht  er  das  Verhältnis  des  Augustus  zu  den 
Dichtern  seiner  Zeit.  Er  kommt  dabei  zu  ganz  anderen  Schlüssen,  als 
Teuffei- Schwabe,  der  (s.  S.  451  If.)  über  dieses  Thema  mit  kaum  ver- 
ständlicher Schärfe  aburteilt. 

13.  M.  Morlais,    Etudes    philosophiques  et  religieuses  sur  les 
ecrivains  latins.     Paris  1896,  Ch.  Poussielgue.     X,  404  S.     12. 

Ein  seltsames  Buch,  wie  es  nur  ein  Franzose  schreiben  kann! 
Verf.,  ein  katholischer  Geistlicher  und  zugleich  Professor,  giebt  einen 
hübschen,  wenn  auch  nur  oberflächlichen  Überblick  über  die  metaphy- 
sischen und  religiösen  Vorstellungen  von  Lukrez,  Cicero,  Virgil,  Seneca, 
Lucan  und  Juvenal.  Die  bezüglichen  Stellen  sind  ausgezogen,  zum 
Teil  übersetzt,  geordnet  und  erklärt.  Aber  ihm  ist  das  nicht  genug, 
sondern  sein  letzter  Zweck  ist  der,  die  ihm  anvertraute  Jugend  von 
Toulouse  bei  jedem  nur  denkbaren  Anlaß  auf  das  wahre  Heil  des 
Christentums  hinzuweisen.  Sein  Motto  ist  sehr  löblich:  „unir  la  science 
k  la  foi",  sein  Vorbild  le  Souverain-Pontife], Leon  XIIL  Aber  was  hat 
das  alles  mit  der  AVissenschaft  zu  thun?  Die  Alten  wollen  aus  sich 
selbst  heraus  und  um  ihrer  selbst  willen  verstanden  werden;  als  Grund- 
lage für  apologetisch-paräuetische  Bestrebungen,  so  ehrenwert  diese  an 
und  für  sich  sein  mögen,  sind  sie  zu  gut.  Etwas  Neues  bietet  das  um- 
fangreiche Buch  nicht;  doch  ist  die  Darstellung  flüssig. 

14.  Claude-OdonReure,  Lesgensde  lettres  et  leurs  protecteurs 
ä  Rom.     Paris  1891,  Belin  freres.     XII,  403  S.     8. 

Derselbe,  De  scriptorum  ac  litteratorum  hominum  cum  Romanis 
imperatoribus  inimicitiis.     Ebendaselbst  1891.     120  S.     8. 

Beide  Bücher    gehören    zusammen;    sie   sind    nicht   nur    fast  zu 


Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  rrnnischea  Litteratur.  (Aly.)       15 

gleicher  Zeit  erschienen,  sondern  behandeln  auch  das  gleiche  Thema 
nach  verschiedenen  Seiten  hin,  dort  die  Gunst  der  Grollen,  hier  ihre 
Ungunst  der  Schriftstellerwelt  gegenüber,  jenes  in  französischer,  dieses 
in  lateinischer  Sprache.  Um  so  auffälliger  mag  es  sein,  wenn  unser 
Urteil  über  beide  Bücher  gerade  entgegengesetzt  lautet ;  das  erstere  ist 
eine  graziöse  Plauderei,  die  zwar  keine  neuen  Ergebnisse  oder  Auf- 
fassungen bringt,  aber  das  Bekannte  hübsch  und  anregend  vortrügt, 
das  letztere  eine  unreife  Studentenarbeit  in  barbarischem  Latein,  welche 
die  Fakultät  von  Aix  lieber  nicht  hätte  drucken  lassen  sollen.  Beide 
Arbeiten  stellen  sich  als  Thesen  dar,  also  Uuiversitätsschriften,  durch 
die  irgend  ein  akademischer  Grad  erreicht  werden  sollte.  Nun  könnten 
wir  es  wohl  begreifen,  daß  Verf.  mit  der  lateinischen  Arbeit  durchfiel 
und  mit  der  französischen  durchkam.  Aber  dem  kann  nicht  so  sein^ 
da  die  Fakultät  auch  die  lateinische  mit  ihrem  „Imprimatur"  ausge- 
zeichnet hat.  Zunächst  von  dieser.  Ein  solches  Latein  erinnern  wir 
uns  lange  nicht  gelesen  zu  haben,  selbst  unter  der  Herrschaft  der  neuen 
Lehrpläne.  Aber  auch  der  Inhalt  ist  nicht  viel  wert,  sowohl  der  An- 
ordnung als  auch  der  Ausführung  nach.  Verf.  hat  statt  des  chrono- 
logischen Gesichtspunktes  in  dem  ersten  Teile  die  Gattungen  der  Schrift- 
steller, in  einem  zweiten  die  Kaiser  der  Reihe  nach  besprochen.  Das 
mußte  natürlich  zu  lästigen  Wiederholungen  führen.  Die  Ausführung 
erhebt  sich  nicht  über  das  Niveau  der  bekannten  Anekdoten.  Wie 
ganz  anders  wirkt  das  französisch  geschriebene  Buch  auf  den  Leser! 
Hier  ist  flüssiger  Stil,  klare  Anordnung,  auch  eine  leidlich  befriedigende 
Erörterung,  die  besonders  auf  dem  Gebiet  der  Litteratur  der  späteren 
Kaiserzeit  gute  Belesenheit  verrät.  Verf.  geht  von  der  richtigen  Beob- 
achtung aus,  daß  die  Protektion  in  der  römischen  Litteratur,  und 
zwar  von  Livius  Andronicus  bis  Claudian,  eine  größere  Rolle  spielt 
als  bei  anderen  Völkern,  ohne  jedoch  erheblichen  Schaden  gestiftet  zu 
haben.  Augustus  ist  das  Vorbild  eines  klugen  und  maßvollen  Schätzers 
und  Gönners  der  Dichter.  Aus  der  älteren  Zeit  werden  die  Kreise 
der  beiden  Scipionen  durchgesprochen,  zu  denen  (nach  Büttners  Vor- 
gang) auch  der  des  Catulus  gefügt  werden  konnte.  Sodann  Memmius 
mit  Katull  und  Lukrez ,  dann  die  Kaiser:  der  Hof  des  Augustus  und 
die  zeitgenössischen  Dichter;  das  Verhältnis  der  Schriftsteller  zu  den 
großen  Herren,  dargestellt  in  der  Person  Martials;  die  Pädagogen,  Vor- 
leser, Lehrer  und  sonstige  litterarische  Umgebung  der  Großen,  als  deren 
Typus  der  jüngere  Plinius  hübsch  abgeschildert  wird;  die  Herrscher 
und  die  Schriftsteller,  speziell  die  Zeit  Domitians,  die  Rhetoren  und 
Philosophen  des  zweiten  Jahrhunderts,  die  späteren  Kaiser  bis  auf 
Honorins,  endlich  offizielle  Einrichtungen  aus  der  Kaiserzeit,  wie  Vor- 
lesungen,   Deklamationen,    Wettkämpfe,    Bibliotheken,    Besoldung    der 


16        Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.    (Aly.) 

Lehrer  u.  ä.  Auch  hier  ist  der  Ertrag  an  neuen  Erkenntnissen  gering; 
aber  die  unter  den  gewählten  Gesichtspunkten  getroffene  Auswahl  stellt 
sich  nicht  nur  als  ein  lesbarer,  sondern  auch  als  ein  nützlicher  Beitrag 
zur  römischen  Litteratur-  und  Kulturgeschichte  dar.  Aber  Latein  muß 
der  Verf.  nicht  wieder  schreiben. 

15.  Lucian  Mueller,  Über  die  Volksdichtung  der  Römer.  A.  u. 
d.  T.  Sammlung  gemeinverständlicher  wissenschaftlicher  Vorträge. 
Heft  130.  Hamburg  1891,  Verlagsanstalt  A.  G.  (vormals  A.  F. 
Richter).     28  S.     8. 

Es  ist  immer  dankenswert,  wenn  ein  hervorragender  Gelehrter 
die  Ergebnisse  der  Wissenschaft  weiteren  Kreisen  zugänglich  zu  machen 
sucht.  Der  Verf.  hat  bereits  früher  in  No.  92  die  Kuustdichtung  der 
Römer  besprochen;  jetzt  fügt  er  als  Ergänzung  die  Volksdichtung  hinzu, 
d.  h.  die  nur  in  dürftigen  Resten  erhaltene  Litteratur  vor  240.  Sehr 
treffend  ist  es,  was  er  gegen  die  Unterschätzung  der  römischen  Poesie 
sagt.  Aber  auch  sonst  liest  sich  das  Schriftchen  angenehm,  mit  Aus- 
nahme der  leidigen  Gedankenstriche,  die  der  Verf.  nun  einmal  zu  lieben 
scheint. 

16.  Richard  Büttner,  Porcius  Licinus  und  der  litterarische 
Kreis  des  Qu.  Lutatius  Catulus.  Leipzig  1893,  Teubner.  III,  206  S.    8. 

Die  interessante  Schrift  sucht  durch  geistreiche  Kombinationen 
und  geschickte  Konjekturen  in  20  Kapiteln  eine  im  Halbdunkel  liegende 
Zeit  der  römischen  Litteratur  aufzuhellen  und  zwei  ihrer  Hauptver- 
treter mit  nachschaffender  Phantasie  uns  vor  Augen  zu  stellen ;  es  sind 
der  Dichter  Porcius  Licinus  und  sein  Patron,  der  ältere  Qu.  Lutatius 
Catulus.  Die  Untersuchung  beginnt  mit  den  bekannten  Versen  in  Suetons 
vita  Terenti,  in  denen  einige  eine  giftige  Anspielung  auf  einen  uner- 
laubten Verkehr  des  Dichters  mit  seinen  Gönnern,  andere  nur  eine 
scharfe  Kritik  seines  unselbständigen,  empfindlichen  Wesens  sehen  wollen; 
Verf.  entscheidet  sich,  nach  Ritschis  Vorgang,  für  die  zweite  Auffassung. 
Die  nunmehr  auf  10  Verse  herabgeminderte  Stelle  steht  in  schroffem 
Widerspruch  mit  dem  Urteil  Teuffel-Schwabes  (5.  S.  242),  das  danach 
zu  berichtigen  ist;  richtiger  hatte  bereits  vorher  Welker  die  Verse  ver- 
standen. Sodann  wird  ein  anderer  Dichter  und  Kritiker  des  'l'erenz, 
Volcatius  Sedigitus,  besprochen.  Die  Angaben  der  vita  werden  in  ihrer 
UnWahrscheinlichkeit  und  Unklarheit,  besonders  bezüglich  des  frühen 
Todes  des  Komödiendichters,  treffend  charakterisiert.  Andere  Bruch- 
stücke des  Licinus  beweisen,  daß  er  ein  Vertreter  der  hellenistischen 
Richtung  gewesen  ist;  sein  Einfluß  auf  Cicero  wird  angedeutet,  der 
freilich    sich    nicht    immer  konsequent    in  Kunsturteilen    geblieben  ist. 


Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  (Aly.)        1  7 

Der  , Barbier"  Liciuus  bei  Horaz  (ad  Pis.  289  ff.)  ist  unser  Dichter; 
die  Faselei  der  Scholien  wird  berichtigt.  Es  folgt  aus  dieser  Stelle 
zugleich,  dal!  er  Licinus,  nicht  Licinius  geheißen  hat.  Er  war 
ein  Klient  des  Cimbernsiegers,  wie  aus  ('ic.  de  orat.  III  GO,  225  klar 
hervorgeht,  wenn  man  nur  die  Parenthese  ,quod  potes  audire,  Catule, 
ex  Licino,  diente  tuo,  litterato  homine"  richtig  ausscheidet,  eine  Auf- 
fassung, die  auch  vom  grammatischen  Standpunkt  aus  berechtigt  ist. 
Diese  enge  Beziehung  des  Porcius  Licinus  zu  Catulus  wird  auch  durch 
einige  Citate  des  Gellius  bewiesen  (N.  A.  XIX  9,  13),  der  Liebeslieder 
des  Porcius,  Valerius  Aedituus  und  Catulus  in  einem  Atem  nennt.  Die 
betreffenden  Epigramme  werden  eingehend  analysiert  und  emendiert. 
Auch  Apulejus  citiert  in  seiner  Apologia  die  Genannten  in  engstem 
Zusammenhange,  und  zwar,  wie  Verf.  nachgewiesen  zu  haben  glaubt, 
iinabhäudg  von  Gellius.  Das  11.  Kapitel  behandelt  den  uns  gJinzlich 
unbekannten  Valerius  Aedituus,  der  etwas  kühn  mit  dem  bekannten 
Valerius  Soranus  identifiziert  wird.  Nunmehr  wird  uns  die  Persönlich- 
keit des  Catulus  selbst  vorgeführt,  wie  sie  uns  Cicero  in  seiner  Schrift 
de  oratore  gezeichnet  hat ;  er  wird  mit  dem  Kreise  des  jüngeren  Scipio 
in  Verbindung  gebracht,  sein  Verhältnis  zu  Lälius,  Panätius,  Lucilius 
beleuchtet.  Catulus  hat  die  Traditionen  des  scipionischen  Kreises  auf- 
recht erhalten.  Die  philosophische  Haltung  der  beiden  Catulus,  des 
Vaters  und  des  Sohnes,  ist  aus  den  leider  verlorenen  Schriften  Aca- 
deraica  priora  und  Hortensius  zu  erschließen;  er  war  als  Anhänger  des 
Carneades  ein  Gegner  Philos  von  Larissa.  Von  seiner  Beredsamkeit 
legt  Cicero  im  Brutus  132  ff.  Zeugnis  ab;  berühmt  war  seine  Aussprache, 
welche  die  Xeigung  des  Altlateins  zu  diphthongieren  (ei  und  e  für  i) 
bekämpfte.  Gerade  in  dieser  Hinsicht  scheint  Porcius  Licinus  seinem 
Gönner  förderlich  gewesen  zu  sein ,  dem  er  sich  nach  der  Ermordung 
seines  Patrons  C.  Gracchus  anschloß.  Die  Memoiren  des  Catulus  beurteilt 
Verf.  günstig:  desgleichen  seine  Verbindung  mit  dem  Epiker  A.  Furius, 
der  natürlich  von  dem  Furius  des  Horaz  (sat.  II  5,  40)  zu  unterscheiden 
ist.  Endlich  wird  auch  über  die  rätselhaften  „coramunes  historiae" 
eine  Vermutung  aufgestellt,  indem  unter  ihnen  gemeinsame  Forschungen 
antiquarischen  Inhalts  verstanden  werden.  Auch  die  Improvisatoren 
Antipater  und  Archias  gehörten  in  den  Kreis  des  Catulus,  sowie  eine 
Reihe  vornehmer  Staatsmänner,  wie  C.  Julius  Cäsar  Strabo,  der  Redner 
Crassus,  Qu.  Hortensius  u.  a.  Kurz,  Catulus  war  ein  glänzender  Ver- 
treter der  hellenistischen  Richtung,  dessen  Andenken  nur  durch  die  Ungunst 
der  Überlieferung  verdunkelt  ist.  —  So  der  reiche  Inhalt  der  sehr  lesbaren 
Schrift  in  knapper  Skizze.  Wenn  wir  auch  nicht  allen  Vermutungen  und 
Kombinationen  des  Verf.  zustimmen  können,  so  müssen  wir  doch  seine 
Belesenheit  wie  seinen  Scharfsinn  anerkennen.  Im  ganzen  ist  es  ihm 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    Bd.  LXXXXVIII.    (1398.  III.)      '2 


]8       Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  (Aly.) 

wohl  f^elungeu,    in    ein    verdunkeltes  Gebiet  der  römischen  Litteratnr 
das  Licht  der  Wissenschaft  zu  tragen. 

17.  R.  Eeitzeustein,  Drei  Vermutungen  zur  Geschichte  der 
römischen  Litteratur.  A.  u.  d.  T.  Festschrift,  Theodor  Mommseu 
zum  50.  Doktorjubiläum  überreicht.  Marburg,  N.  G.  Elwert.  1893. 
55  S.     8. 

1.  Die  Abfassungszeit  des  ersten  Buches  Ciceros  de  legibus 
fällt  in  den  Frühling  45,  Nvenn  es  auch  bald  nach  den  Büchern  de 
oratore  begonnen  ist.  Cicero  wollte  in  dieser  Kampfzeit  das  Programm 
der  republikanischen  Partei  mit  einer  neuen  Einlei tuug  und  einzelnen 
Einlagen  auffrischen  und  herausgeben.  Der  Verf.  nimmt  die  schließliche 
Vollendung  des  "Werkes  durch  den  Redner  selbst  an  und  bestreitet  die 
Thätigkeit  eines  fremden  Redaktors.  2.  Ein  litterarischer  Angriff  auf 
Octavianus  stellt  sich  in  den  anonymen  Dirae  dar.  Der  unbekannte 
Verfasser  nimmt  zwar  auf  die  Eklogen  Virgils  Bezug,  bekundet  aber 
eine  dem  sanften  Mantuaner  entgegengesetzte  Gesinnung:  seine  maßlose 
Bitterkeit  gewährt  Einblick  in  die  Stimmung  weiter  Kreise.  3.  Lukrez 
und  Cicero.  Nach  Erklärung  einiger  schwierigeren  Stellen  des  Prooemium 
wendet  sich  Verf.  der  bekannten  Cicerostelle  (ad  Qu.  fr.  II,  9,  3)  zu: 
multis  ingenii  luminibus,  multae  tameu  artis.  Verf.  hält  die  Konjektur 
(non)  multae  tamen  artis  für  ganz  überflüssig,  indem  er  ars  gleich 
TE'/vT)  setzt,  Lehrbuch,  System.  Das  "Werk  enthält  demnach  zwar  glänzende, 
poetische  Einlagen,  aber  viele  rein  technische  Partieen.  Diese  Ver- 
mutung spricht  sehr  an. 

18.  Oskar  Haube.  Die  Epen  der  römischen  Litteratur  im 
Zeitalter  der  Republik.  I.  Teil  1895,  .II.  1897.  Gymnasialprogramm 
von  Schrimm.    18,  11  S.   4. 

Der  erste  Teil  behandelt  die  historischen,  der  zweite  die  mytho- 
gi'aphischen  Epen;  die  lesbare  Skizze,  die  für  ein  weiteres  Publikum 
bestimmt  ist,  beruht  in  erster  Linie  auf  L.  Müllers  Forschungen. 
Wie  schon  vorher  angedeutet  ist,  erachten  wir  derartige  Versuche,  die 
Kenntnis  der  antiken  Litteratur  zu  verbreiten,  für  sehr  angebracht. 

Zusammenfassende  Einzeldarstellungen. 

19.  Otto  Ribbeck,  Geschichte  der  römischen  Dichtung.  Bandl: 
Dichtung  der  Republik.  2.  Auflage.  Stuttgart  1894,  I.  G.  Cotta. 
Vm  und  352  S.  Band  2:  Augusteisches  Zeiltalter.  1889.  372  S. 
Baad  3:     Dichtung  der  Kaiserherrschaft.     1892.     372  S.     8. 

Übersetzung.  Histoire  de  la  poesie  latine  jusqu'ii  la  fin  de  la 
Rnpublique.  Traduite  par  E.  Droz  et  A.  Konitz.  Paris  1891. 
Le.oux.     444  S.     8. 


Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  (Aly.)        ]  9 

Auch  dieses  Werk,  wie  das  von  Schanz,    gehört  znm  Teil  noch 
in    die    vorige    Berichtsperiode.     Um    so    grülier    und    aufrichtiger    ist 
unsere  Freude,    es    anzeigen    zu   dürfen.     Freilich    hat  der  Ref.  einem 
solchen  Verfasser    gegenüber    einen    üblen  Stand;    eine  Gelegenheit  zu 
tadeln  oder  auch  nur  zu  bemängeln    wird    er    selten    finden.     Er  muß 
sich    begnügen,    die    reichen  Vorzüge    des  wunderbar    schönen  Buches 
nachfühlend    in    das  rechte  Licht  zu    stellen.     Denn    es  ist  immer  er- 
freulich,   wenn    der    richtige  Mann    das    richtige  Buch    schreibt.     Und 
wenn  einer,  so  war  0.  Ribbeck,  Ritschls  Nachfolger,  dazu  berufen,  der 
Litter arhistoriker  der  römischen  Poesie  zu  werden.   Sie  hatte  es  nötig; 
denn  seit  Mommsens  bitterbösem  Verdikt  galt  sie  bei  vielen  nur  als  „Sudel- 
kopie'    ihrer    älteren    griechischen   Schwester.     Der   gelehrte  Sammler 
der  dramatischen  Fragmente,    der    beste  Kenner  Virgils,    der  Heraus- 
geber   Juvenals    war    der    berufene    Verteidiger    der    römischen    Muse 
gegen  lieblose  und  ungerechte  Kritik.     Und  wie   hat  er  seine  Aufgabe 
gelöst!     Es    trifft    sich  nicht  häufig  bei  deutschen  Gelehrten,  daß  pro- 
funde Gelehrsamkeit,    durchdringender  Scharfsinn,    feinster  Geschmack 
und  stilistische  Meisterschaft  einen  innigen  Bund  schließen,  wie  es  hier 
der  Fall    ist.     Mit  Eecht    darf  dies    Erzeugnis    philologischer    Akribie 
den  Namen  unsers  formvollendetsten  Dichters  Paul  Heyse,  dem  es  ge- 
widmet ist,  an  der  Stirn  tragen;    denn  hier   erntet  der  Geschmack  die 
Früchte  der  Gelehrsamkeit.     Deshalb    ist  natürlich  von  allem  Beiwerk 
der  Anmerkungen    mit  Ausnahme    des  Nachtrags    zum    1.  Bande  ganz 
abgesehen;    es    handelt    sich    nur    um    die    Lektüre    eines    auch    der 
Form  nach  vollendeten  Kunstwerks.    Beim  ersten  Bande  ist,  wie  schon 
vorher  gelegentlich  bemerkt  ist,  vor  allem  die  übersichtliche  Gliederung 
des  Stoffes    zu  loben.     Das  1.  Kap.  führt    uns    die    drei  Schöpfer  der 
römischen  Dichtung  vor,    das    2.  gehört  ganz  dem  Drama,    das  es  bis 
einschlieülich  des  Mimus    behandelt.     Dann   folgen    die  Satire    im  Zu- 
sammenhang, das  Lehrgedicht  des  Lukrez  und  die  Vertreter  der  jungen 
Dichterschule.     Für    den  Anfang    hätten    wir    wohl    eine  eingehendere 
Charakteristik    des  römischen  Genius    gewünscht;    Verf.  geht  sofort  in 
luedias    res  ein.     In    der  Beurteilung    der    archaischen    Poesie    waltet 
Milde,  die  aber  nie  unwahr  wird.     Der  Gegensatz    zu  Mommsens  Auf- 
fassung liegt  klar  zu  Tage,  ohne  daß  Verf.  jemals  zur  Polemik  herab- 
steigt.    Eine  gewisse  Vornehmheit  charakterisiert  die  Darstellung,  von 
der  freilich  eine  gehaltene  Kühle  nicht  immer  zu    trennen  ist.     Es  ist 
des  Verf.  Sache    nicht,    zu  schwärmen  und  fortzureißen;    schlicht    und 
sachlich,  aber  durchweg  in  edler  Form  trägt  er  sein  Wissen  und  seine 
Auffassung  vor.  Ganz  besonders  wird  er  dem  von  Mommsen  so  schmählich 
herabgesetzten  Ennius  gerecht,  dessen  Annalen  er  ein  großartiges  Werk 
nennt.    Sehr  gründlich  ist  Plautus  behandelt,  vielleicht  ein  wenig  breit: 


20       Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischea  Litteratur.  (Aly.) 

die  tj'pischcn  Rollen  werden  ganz  eingehend  durchgesprochen  und  darauf 
die  Stoffe  der  einzelnen  Stücke,  wobei  Wiederholungen  nicht  vermieden 
werden  können.  Ganz  vortrefflich  ist  die  wunderbar  vielseitige  Komik 
des  Dichters  nach  allen  Seiten  hin  beleuchtet.  Bei  Terenz  wird  dei- 
Inhalt  seiner  Komödien  gründlich  analysiert;  wer  sich  selbst  an  solchen 
Aufgaben  versucht  hat,  weiß,  wie  schwer  es  ist,  ohne  Schwerfälligkeit 
dem  Laien  eine  ausreichende  Vorstellung  von  der  dramatischen  Ent- 
wickeluug  zu  vermitteln.  Noch  schwieriger  ist  es  natürlich,  aus  den 
jämmerlich  zersplitterten  Trümmern  der  anderen  Dramatiker  die  ver- 
lorenen Stücke  einigermaßen  zu  rekonstruieren.  R.  löst,  wie  nicht 
anders  zu  erwarten,  auch  diese  Aufgabe  meisterhaft,  nicht  minder  die 
ähnliche,  Varros  menippeische  Satire  wieder  zum  Leben  zu  erwecken. 
Schön  würdigt  er  den  Genius  des  Lukrez,  ohne  in  die  Übertreibungen 
zu  verfallen,  die  wir  bei  Schanz  glaubten  feststellen  zu  müssen.  Über- 
haupt ist  es  vor  allem  die  größere  Objektivität,  die  leidenschaftslose 
Ruhe,  die  Ribbecks  Kunsturteile  vor  denen  des  "Würzburger  Litterar- 
historikers  auszeichnet.  R.  hat  sich  offenbar  Herders  Grundsatz  zum 
Gesetz  gemacht,  dem  Dichter  nachzufühlen,  ihn  von  seinem,  des  Dichters, 
Standpunkt  aus  gerecht  zu  werden,  während  Schanz  oft  ein  subjektives 
Element  seinem  Urteil  beimischt,  das  die  Darstellung  zwar  glänzender 
färbt,  aber  ein  sorgsames  Nachprüfen  erfordert.  Nicht  einverstanden 
können  wir  uns  mit  der  Beurteilung  von  Ciceros  poetischen  Versuchen 
erklären.  Hier  scheint  R.  doch  einmal  die  Objektivität  in  Stich  ge- 
lassen zu  haben.  Ciceros  Verse  sind  elend ;  aber  waren  Cäsars  metrische 
Versuche  wohl  besser?  Es  ist  doch  nur  ein  heilloses  Mißgeschick,  daß 
jene  erhalten  sind.  Gar  mancher  große  Mann  wäre  unglücklich, 
wenn  seine  eigenen  Ijrischen  Sünden  auf  die  Nachwelt  kämen.  Wir 
vermissen  ungern  bei  diesem  x\nlaß  ein  anerkennendes  Wort  über  Ciceros 
wirkliche  Verdienste,  die  doch  auch  der  Poesie  zu  gute  gekommen  sind. 
Um  so  herzlicher  erfreut  den  Leser  wieder  die  schöne  AVürdigung 
des  Katull,  der  echten  „Poetennatur",  der  treffend  als  Jüngling  unter 
den  Dichtern  charakterisiert  wird,  beurteilt  „nach  dem  Maß  seiner 
Zeit".  Bei  dieser  Gelegenheit  muß  auch  einmal  gerühmt  werden,  wie 
fein  und  taktvoll  R.  gewisse  heikle  Stellen  wiederzugeben  pflegt,  ohne 
-zimperlich  philisterhafte  Deutung"  und  doch  zugleich  ohne  Verletzung 
des  feineren  sittlichen  Gefühls.  Die  am  Schluß  beigegebenen  An- 
merkungen sind  nur  spärlich.  Die  ursprüngliche  Absicht,  eine  gelehrte 
Zugabe  zu  spenden,  scheint  von  R.  aufgeschoben  zu  sein,  um  ein  be- 
sonderes Bändchen  daraus  zu  bilden. 

Im  zweiten  Bande  wird  die  Gönnerschaft  des  kaiserlichen  Hofes 
gerechter  gewürdigt,  als  es  bei  Teuffel-Schwabe  und  Schanz  geschieht. 
Der  häßliche  Ausdruck,    die  Poesie    als    instrumentum    regni    zu    miß- 


Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  (Aly.)       21 

brauchen,  ist  nicht  verwendet.  Mit  Recht;  denn  für  Augustus  und  die 
Seinen  trifft  es  eben  nicht  zn.  Der  Glanzpunkt  des  Bandes  ist  die 
Würdigung  Virgils,  eine  Rettung  im  besten  Sinne  des  Wortes.  Es 
gehört  zum  guten  Ton,  auf  Virgil  verächtlich  herabzusehen,  wenigstens 
in  Deutschland ;  denn  die  Romanen  haben  sich  die  Freude  an  römischer 
Dichtung  nie  verderben  lassen.  Darum  erachten  wir  die  sehr 
gründliche  Analyse  von  Virgils  Werken  für  sehr  zeitgemäß.  ^.Dieser 
kostbare  Inhalt  war  in  das  edelste  Gefäß  gegossen;  wie  Gold  erklingen 
die  Saiten  des  Sängers."  Man  fühlt,  daß  es  dem  Verf.  eine  Herzens- 
sache ist,  für  den  heute  so  vielfach  verkannten  Dichter,  dem  er  soviel 
Zeit  und  Mühe  gewidmet  hat,  ein  nachdrückliches  und  doch  wahrhaftiges 
Wort  einzulegen.  Möchte  doch  die  Wirkung  bei  dem  heranwachsenden 
Geschlecht  der  Gymnasiallehrer  nicht  ausbleiben!  Bei  Horazens 
Würdigung  hat  es  uns  namentlich  gefallen,  daß  der  ungesunde,  vielfach 
unreine  Ton  seiner  Epoden  fein  herausgehört  und  treffend  gekennzeichnet 
ist.  Gründlich  und  liebevoll  werden  die  Oden  beurteilt,  denen  Kunst- 
fleiß, Sinn  und  Geschmack  nachgerühmt  wird,  während  R.  die  Palme 
allerdings  mit  Recht  den  Sermonen  reicht,  in  denen  „die  goldene  Ader 
des  echt  horazischen  Geistes  doch  weit  mächtiger''  zu  Tage  tritt.  Den 
Brief  an  die  Pisonen  hält  R.  (im  Gegensatz  zu  0.  Weißenfels)  für 
nicht  abgeschlossen,  so  daß  er  eine  Reihe  von  Umstellungen  empfiehlt. 
Den  Rest  des  Bandes  nimmt  die  Elegie  ein,  der  sich  am  Schluß  die 
„Kleinen  und  Namenlosen"  anschließen.  „Die  griechische  Muse  ist 
ganz  heimisch  in  Rom  geworden,  von  ihrem  Geist  ist  alles  Geschaffene 
getränkt  und  führt  doch  ein  selbständiges  Leben."  Mau  sieht,  R.  ge- 
hört nicht  zu  den  Kunstrichtern,  die  der  römischen  Dichtung  am  liebsten 
alle  Selbständigkeit  absprechen  möchten;  er  ist  stets  maßvoll  und  ge- 
recht, vornehm  und  objektiv. 

Die  Aufgabe,  die  Verf.  im  dritten  Bande  zu  lösen  hat,  ist  weniger 
dankbar.  Reißend  schnell  geht  es  mit  Roms  Poesie  bergab.  Er  wählt 
daher  eine  andere  Einteilung  und  unterscheidet  die  Zeit  von  Tiberius 
bis  Claudius,  das  neronische  Zeitalter,  die  Zeit  der  Flavier,  Trajan, 
die  Zeit  seit  Hadrian,  endlich  als  Anhang  die  Spätlinge  (Ausonius, 
Claudianus,  Kamatianusj.  Verf.  nennt  es  „bescliämend",  daß  die  beiden 
fruchtbarsten  Perioden  der  Dichtung  unter  die  Regierungen  Neros  und 
Domitians  fallen.  Wir  möchten  etwas  anderes  aus  dieser  Thatsache 
schließen,  daij  nämlich  die  Blüte  der  Poesie  nicht  von  der  Güte  der 
Herrscher  noch  von  der  Gunst  des  Publikums  abhängt.  Es  ist  nichts 
mit  dem  Milieu.  Wenn  es  der  Vorsehung  gefällt,  der  Welt  einen  Dichter 
zu  schenken,  so  ist  es  sehr  gleichgültig,  ob  ein  Nero  oder  ein  Trajan 
regiert.  Poeta  non  fit,  sed  nascitur.  Solche  Dichter  sind  Petron  unter 
Nero  und  Martial  unter  Domitian  gewesen;   die  übrigen  sind  nur  mehr 


22       Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  (Aly.) 

oder  minder  strebsame  Talente,  die  dann  auch  wohl  durch  Fleiß  und 
Gunst  es  zu  etwas  bringen.  Und  R.  wird  auch  jenen  echten  und 
wirklichen  Dichtern  vollauf  gerecht,  wenngleich  er  mit  strenger  Un- 
parteilichkeit auch  die  Schar  der  Dichterlinge  am  Leser  vorüberführt, 
die,  was  sie  an  poetischer  Begabung  besaßen,  durch  das  „ungesunde 
Spiel  mit  den  Künsten  des  Rhetors"  verdarben.  Dem  Laien  mag  es 
wohl  manchmal  sauer  werden,  sich  durch  die  Seiten  hindurchzuleseu, 
die  von  den  hohlen  Tragödien  Senecas  und  den  blutleeren  Epen  der 
Epigonen  handeln.  R.  ermattet  nicht  und  wird  jedem  gerecht.  Zu 
erwähnen  ist  übrigens,  daß  er  die  Autorschaft  des  Philosophen  Seneca 
bei  den  Tragödien  bezweifelt;  die  Octavia  stellt  er  mit  Recht  höher. 
Freundlich  werden  auch  die  Silven  des  Statins  beurteilt,  sowie  seine 
Achilieis.  Bei  Juvenal  betritt  er  wieder  sein  eigenstes  Arbeitsgebiet; 
es  befremdet  uns  nicht,  daß  er  seine  Hypothese  von  der  Unechtheit 
der  10.,  12. — 15.  Satire  aufrecht  erhält,  obschon  die  Mehrzahl  der 
Forscher  ihm  hierin  nicht  gefolgt  ist.  Im  folgenden  Abschnitt  wird 
Apulejus  gebührend  gewürdigt,  während  der  Schluß  sich  sehr  ver- 
ständig auf  die  drei  hervorragenden  Vertreter  der  römischen  Poesie  in 
den  Zeiten  der  hereinbrechenden  Barbarei  beschränkt.  Bei  anderen 
Litterarhistorikern,  wie  bei  Schanz,  verläuft  die  römische  Dichtung  im 
Sande,  wie  der  alte  Rhein.  Es  ist  zwar  ein  anderer  Abschlul''  weniger 
vollständig,  aber  um  so  erquicklicher  für  den  nichtgelehrten  Leser. 
Kräftig  und  stolz  klingt  die  'Geschichte  der  römischen  Dichtung'  aus, 
ein  Werk  ersten  Ranges,  durch  das  sich  der  Verf.  den  Dank  aller 
Freunde  des  römischen  Altertums  verdient  hat,  und  um  das  uns  die 
anderen  Völker  beneiden  werden.  Denn  eine  derartige  Vereinigung 
der  mannigfachsten  Vorzüge  ist  nur  einem  Meister  gegeben. 

Die  Anfänge. 

20.  Aurelio-Giuseppe  Amatucci,  II  vocabolo  ,.Carmen'' 
nel  latino  archaico.  Xapoli  1895,  tipografia  della  Regia  Uuiversitä. 
13  S.     8. 

21.  Derselbe,  Gli  Annales  maximi.  Torino,  Roma  1896,  Er- 
manne Loescher.     30  S.     8. 

22.  Enrico  Cocchia,  Gli  epigrarami  sepolcrali  dei  piü  antichi 
poeti  latini.     Napoli  1893,  tip.  della  R.  Univ.     13  S.     4. 

Alle  drei  Abhandlungen,  von  denen  die  erste  und  dritte  Gelegenheits- 
schriften sind,  die  zweite  aus  der  Rivista  di  Filologia  11  stammt,  beziehen 
sich  auf  die  Anfänge  der  lateinischen  Litteratur.  1 .  Amatucci  leitet 
Carmen    von  l/käs    oder  V  käc    mit    der    Bedeutung    „vereinigen"    her. 


Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  (Aly.)        23 

„fermare,  iinire,  abbracciare,  consacrare".  Daraus  sind  lievorgegangen 
cas-trum,  Cas-mena,  cas-mil-lus  iiud  weiter  car-men,  Car-menta;  auch 
die  Camelae,  denen  die  Bräute  opfern,  gehören  dahin.  Car-men  ist 
also  ^  „eoujposizione",  eine  Znsammenstellung-,  die  sowohl  prosaisch 
als  auch  poetisch  sein  kann.  2.  Derselbe  schlägt  die  Bedeutung:  der 
Annales  maxinii,  die  er  von  den  Conimentarii  und  Libri  pontificum  unter- 
scheidet, höher  an,  als  es  g-ewöhnlich  geschieht;  sie  stellten  eine  „vera 
e  propria  storiogratia"  dar.  ('ber  ihre  Benutzung  durch  die  späteren 
Historiker,  die  wichtigste  Frage,  geht  Verf.  vorsichtig  hinweg,  weil 
solche  Kombinationen  „in  aria",  in  der  Luft  schwebteu.  Sehr  richtig! 
Aber  sind  seine  Behauptungen  weniger  luftig?  3.  Cocchia  versichert, 
daß  die  bekannten  Grabschriften  des  Nävius,  Ennius,  Plautus  und 
Pacuvius  von  den  Betreffenden  selbst  herrührten.  Den  Beweis  bleibt 
er  einstweilen  schuldig.  Wir  halten  die  Zweifel  0.  Jahns  (Hermes  2, 
S.  243)  für  sehr  berechtigt. 

23.  Santi  Lo-Cascio,    L'influenza   ellenica  nelF    origiue  della 
poesia  latiua.     Torino  1891,  Ermanno  Loescher.     86  S.     8. 

Der  Verf.  stellt,  hauptsächlich  an  der  Hand  von  Ribbecks  grund- 
legenden Büchern,  die  Beziehungen  der  archaischen  Dichter  Livius, 
Xävius  und  Ennius  zu  ihren  griechischen  Vorbildern  fest.  Die  erhaltenen 
Verse  und  Titel  werden  mit  den  Originalen  konfrontiert.  Die  Unter- 
suchung verrät  Sorgfalt  und  verständiges  Urteil ;  neue  Ergebnisse  fördert 
sie  nicht  zu  Tage. 

Das  Drama. 

24.  Gaston  Boissier,  Les  fabulae  praetextae.  Revue  de 
Philologie  1893  Avril.     Paris,  C.  Klincksieck. 

Die  Praetexta  hat  vermutlich  mehr  den  Historien  Shakespeares, 
als  den  Persern  des  Asch3'lus  entsprochen.  In  ihrer  Sprache  ist  ein 
Unterschied  von  den  übrigen  Tragödien  nicht  wahrzunehmen.  Daß  sie 
sich  nicht  länger  auf  der  Bühne  behauptet  hat,  ist  durch  den  Geschmack 
des  Publikums  bedingt,  der  auf  das  nationale  Element  keinen  besonderen 
Wert  legte. 

25.  AlfredSchöne,  Das  historische  Nationaldrama  der  Römer  (die 
fabulae  praetexta).  Festrede.  Kiel  1893,  Universitätsbuchhandlung. 
18  S.     8. 

In  gefälliger  Darstellung  wird  uns  alles,  was  wir  von  diesem 
unserem  Schraerzenskinde  noch  wissen ,  vorgeführt.  Beachtenswert  sind 
die  Hmweise  auf  Anspielungen  der  Historiker.  Wie  Ribbeck  bereits 
(R.h.  Mus.  36    S.  321)    auf  Liv.  V  21,  8    hingedeutet    hat,    so    macht 


24       Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  (Aly.) 

Schöne  auf  Dionysius  Aut.  LEI  18  aufmerksam,  wo  es  bei  Gelegenheit 
des  Kampfes  der  Horatier  und  Curiatier  heißt:  xai  xa  {xs-a  TauTTjv  7iv6- 
fjLEva  -aÖTf)  öeaTpty.aic  eotxo-a  T:sptireT£iai?  [xt]  pqtO'jfxcu;  oieXÖsIv,  und  ebenso 
ni  22  und  IX  22,  wo  der  Untergang  der  Fabier  erzählt  wird.  In 
beiden  Fällen  lag  vermutlich  die  scenische  Verarbeitung  in  einer  fabula 
praetexta  dem  Historiker  vor. 

26.  Eaffaello  Scipione  Maffei,  Le  favole  Atellane.  2.  edi- 
zione.     Forli  1892,  Luigi  Bordandini.     35  S.     8. 

Die  Atellanen  sind  oskischen  Ursprungs  und  von  den  Saturae 
dem  Wesen  nach  verschieden.  Ihr  Inhalt  besteht  in  der  karikierten 
Darstellung  kampanischer  Typen,  denen  die  italienischen  Masken  noch 
heute  entsprechen.  Bei  der  Übernahme  nach  Latium  wurde  auch  die 
lateinische  Sprache  angewendet,  natürlich  der  sermo  plebejus.  Zum 
Schluß  werden  die  uns  nach  Namen  und  Titeln  bekannten  Atellanen- 
dichter  charakterisiert.  Mit  der  Palliata  oder  Togata  hängt  die  Atellane 
nicht  zusammen.     Soweit  der  Inhalt,  der  Zustimmung  verdient. 

Die  Satire. 

27.  Emilia  Soldini,  Breve  storia  della  Satira  in  Grecia,  in 
Roma  e  in  Italia.     Cremoua  1891,  Giovanni  Foroni.     140  S.     8. 

Eine  Dame  als  Geschichtsschreiberin  auf  unserem  Gebiete  zu 
begi'tißen,  ist  ungewöhnlich;  man  sieht,  die  Emanzipation  beginnt  ihre 
Schatten  vorauszuwerfen.  Uns  interessiert  nur  das  3.  Kapitel,  das  auf 
18  Seiten  über  Ennius,  Lucilius,  Horaz  u.  s.  w.  vergnüglich  plaudert. 
Wir  sind  noch  zu  altmodisch,  um  der  Signora  gegenüber  den  bärbeißigen 
Kritiker  herauszukehren. 

28.  C.  II.  Franckeu,  „Satira  quidem  tota  nostra  est."  A.  u. 
d.  T.  Sylloge  commentationum,  quam  obtulerunt  philologi  Batavi  viro 
clarissimo  Constantino  Conto.     Traiecti  ad  Rhenum.     6  S.     8. 

Der  Kern  der  kleinen  Abhandlung  ist  dieser:  si  sunt  Romana  ea, 
quae  Romanorum  Ingenium  referunt,  ut  quae  maxime,  satira  pura  puta 
Romana  est;  sin  Romaua  non  sunt,  quorum  fons  et  origo  aliunde  re- 
petuntur,  Satira  ex  dimidia  parte  Graeca  est. 

29.  Joseph  Lezius,  Zur  Bedeutung  von  satura.  "Wochen- 
schrift für  klassische  Philologie  1891  No.  41  Sp.  1131—1133. 

Satura  bedeutet  auch  bei  Liv.  VII,  2  nur  die  von  Ennius  einge- 
führte litterarische  Plauderei  in  gebundener  Rede ;  der  terminus  „dra- 
matische satura"  ist  zu  streichen. 


Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  röDÜsclien  Litteratur.  (Aly.)       25 

Die  klassische  Zeit  der  Diclitung. 

30.  Giacinto  Fontana,  Octaviano  Augusto,  Virgilio  e  Orazio. 
Bibliotcca  delle  scuole  italiaue.  Verona  1891 ,  Donato  Tedeschi  e 
figlio.     33  S.     12. 

Chi  piü  patriotta,  chi  piü  adulatore?  Virgilio  ad  Orazio?  Diese 
SchluU frage  will  Verf.  zu  Gunsten  Virgils  beantwortet  sehen,  während 
er  in  Horaz  nur  den  fahneDflüchtigen  Republikaner  sieht.  Ob  er  wohl 
die  vita  Suetons  gelesen  hat? 

31.  Petrus  Rasi,  De  carmine  Romanorum  elegiaco.  Patavii, 
1890.    XI,  165  S.     8. 

32.  Derselbe,  De  elegiae  Latinae  conipositione  et  forma.  Ebenda- 
selbst.    1894.     Vn,  195  S.  8. 

Von  den  beiden  Schriften,  die  sich  als  Teile  eines  Ganzen  dar- 
stellen, gehört  eigentlich  nur  die  erstere  hierher,  während  die  andere 
ausschließlich  metrische  Fragen  behandelt.  Der  Verf.  giebt  in  lesbarem 
Latein  eine  Übersicht  über  das  Wesen  und  die  Eatwickelung  der 
elegischen  Gattung  bei  den  Griechen,  um  sodann  die  römische  Elegie 
in  ihren  Hauptvei'tretern  eingehend,  gestützt  vor  allem  auf  die  Forschungen 
deutscher  Gelehrten,  zu  besprechen.  Die  I'ntcrsuchung  ist  gründlich, 
die  Belesenheit  anerkennenswert,  das  Urteil  verständig;  aber  die  Er- 
gebnisse bringen  uns  nichts  Neues.  Dem  Verf.  sind  Tibull,  Properz 
und  Ovid  die  Meister,  KatuU  nur  der  Vorläufer.  Vor  allem  feiert  er 
Tibull  als  originelles  Genie,  das  auf  diesem  Gebiet  sogar  die  Griechen 
übertroifen  hat.  Er  sammelt  emsig  die  Urteile  der  Litterarhistoriker 
und  belegt  seine  mit  der  communis  opinio  übereinstimmende  Anschauung 
durch  zahlreiche  Citate  und  Belege.  Auffällig  ist  für  einen  Romanen 
ein  gewisser  sittlicher  Rigorismus,  der  allerdings  dem  Menschen  mehr 
zur  Ehre  gereicht  als  dem  Kunstrichter.  Der  wissenschaftliche  Wert 
ist  etwa  der  einer  fleißigen  und  verständigen  Doktordissertation.  Noch 
mühseliger  sind  die  statistischen  Untersuchungen  des  zweiten  Buches, 
welche  die  Daktylen  und  Spondeen  der  Distichen  feststellen. 

Prosa. 

33.  Rudolf  Hirzel,  Der  Dialog,  ein  litterarhistorischer  Versuch. 
I:  XIII,  5G5  S.     II:  473  S.  8.     Leipzig  1895,  S.  Hirzel. 

Das  umfangreiche  Werk  behandelt  unseres  Wissens  zum  ersten 
Mal  das  gewählte  Thema  im  Zusammenhange;  es  will  nur  als  Versuch 
angesehen  werden,  da  Verf.  sich  bewußt  ist,  die  einzelnen  Abschnitte 
nicht  gleichmäßig  behandelt  zu  haben.     Das  Mittelalter    und    die  Neu- 


26       Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  (Aly.) 

zeit  ist  mehr  skizziert  als  erörtert.  Der  Dialog-  ist  von  einer  be- 
trächtlichen Höhe  des  Ansehens  herabgesunken,  ja,  er  ist  heute  nahezu 
verschwunden;  wenn  Verf.  eine  Wiederaufnahme  der  Gattung  für  un- 
wahrscheinlich hält,  so  kann  mau  ihm  weder  widersprechen  noch  zu- 
stimmen. Derartige  Prophezeiungen  haben  immer  etwas  Mißliches. 
Was  ist  der  Dialog?  Eine  Erörterung  in  Gesprächsform,  aber  eine 
Erörteiung  von  eigentümlichem  Leben,  der  die  Menschen  und  Handlungen 
entbehrlich  sind;  der  Dialog  bezeichnet  den  Höhepunkt  des  Gesprächs 
in  der  Littei'atur.  Sein  Ursprung  reicht  in  die  älteste  Zeit  hinauf  und 
gehört  dem  Orient  an.  Das  erste  Buch  verfolgt  weiter  die  Entwickelung 
dieser  Kunstform  bei  den  Griechen,  das  zweite  zeigt  uns  ihre  Blüte 
bei  Plato  und  den  anderen  Sokratikern,  das  dritte  den  Verfall,  den  die 
exakte  Gelehrsamkeit  des  Aristoteles  herbeigeführt  hat.  Im  vierten 
Abschnitt  werden  die  Überreste  des  Dialogs  bei  den  Alexandrinern 
charakterisiert,  im  fünften  seine  Wiederbelebung  bei  Griechen  und 
Eömern.  Im  Drama  und  in  der  Satire  zeigen  sich  Anklänge,  vor  allem 
tritt  der  Dialog  in  den  lehrhaften  Gesprächen  zwischen  Vater  und  Sohn 
bei  Cato  und  dem  Juristen  M.  Junius  Brutus  scharf  hervor.  Uns 
interessiert  besonders  die  gründliche  Besprechung  der  Dialoge  Ciceros. 
Der  geistige  Kampf  der  Übergangszeit  fand  sein  verklärtes  und  doch 
treues  Bild  in  Varros  meuippeischen  Satiren  wie  in  Ciceros  Schriften, 
soweit  sie  hierher  gehören.  Ihm  bot  gerade  diese  Gattung  günstige 
Gelegenheit  zur  Entfaltung  seines  Talents,  zunächst  in  seinen  beiden 
politischen  Schriften  de  republica  und  de  legibus.  Verf.  urteilt  sehr 
günstig  über  die  Gewandtheit,  mit  der  der  große  Sprachmeister  sich 
auch  diese  Kunstform  zu  eigen  gemacht  hat.  Es  sind  echte  Dialoge, 
fein  angelegt  und  nach  Piatos  Vorbild  geschickt  und  doch  frei  durch- 
geführt; mit  Eecht  weist  H.  auf  Abweichungen  hin,  die  sich  als  Vor- 
züge darstellen,  wenn  man  z.  B.  das  Somnium  Scipionis  mit  der 
Hadesfahrt  des  Armeniers  Er  vergleicht.  Dabei  ist  das  römische  Kolorit 
gut  gewahrt,  die  Gegenwart  angemessen  hineingezogen.  Kurz,  de  re- 
publica ist  eine  Leistung  ersten  Ranges,  vom  Standpunkte  des  Kunstrichters 
aus.  Auch  die  Schrift  de  legibus  läßt  Sorgfalt,  zumal  in  der  Behandlung 
der  dialogischen  Form,  erkennen.  Sie  gewährt  dem  Leser  Genuß  und 
Belehrung,  so  daß  er  die  entschuldbaren  Anachronismen  kaum  merkt. 
Aber  Ciceros  Hauptwerk  sind  die  Bücher  de  oratore,  die  nach  Form 
und  Inhalt  gleich  hoch  einzuschätzen  sind.  Mit  solcher  Liebe  umfaßt 
er  seinen  Gegenstand,  daß  all  sein  Denken  und  Wissen  ein  Teil  der 
rhetorischen  Theorie  wird.  Die  Einkleidung  ist  vielfach  novellistisch  ge- 
halten, die  Sj'mmetrie  in  Gesprächen  und  Vorträgen  gut  gewahrt,  die 
Disposition  wird  eingehalten,  aber  ohne  Pedanterie,  es  ist  ein  echtes 
Gespräch  der  Wirklichkeit.     Dabei  ist  der  Ton  echt  römisch,  Konver- 


Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  (Aly.)       27 

sation  der  guten  Gesellschaft  unter  Vermeidung  jeder  Leidenschaftlich- 
keit. Auch  in  Brutus  ist  jede  Monotonie  glücklich  vermieden.  Dann 
wendet  sich  Verf.  zu  den  philosophischen  Schriften,  einem  Gebiet,  wo 
er  längst  als  Autorität  anerkannt  ist.  Feinsinnig  und  wohlwollend,  wie 
•es  die  Pflicht  des  Litterarhistorikers  ist,  spricht  er  die  AVerke  durch. 
Aber  von  de  finibus  an  wird  die  Führung  des  Gesprächs  eine  andere; 
das  sokratische  Element  tritt  in  dialektischen  Erörterungen  stärker  her- 
vor. Ja,  im  5.  Buch  versetzt  uns  Cicero  kühn  mitten  in  die  Akademie 
nach  Athen;  die  Römer  werden  zu  philosophierenden  Griechen.  Köstlich 
vor  allem  erscheint  dem  Verf.,  wie  jedem  fühlenden  Leser,  die  anmutige 
Einleitung.  Die  Tuskulanen  sind  rhetorisch  gehalten;  sie  gleichen 
ebenso  den  cj/oXai  der  Stoiker  wie  die  Paradoxen  den  Sia-pii^ai.  Weniger 
pünstig  werden  die  religiousphilosophischen  Schriften  beurteilt,  die 
Flüchtigkeit  verraten;  de  divinatione  enthält  sogar  nur  Vorträge,  ganz 
ohne  sokratische  Verbrämung.  Doch  wir  wollen  hier  abbrechen,  da  wir 
doch  nur  eine  dürftige  Skizze  geben  können.  Die  Vorzüge  der  cicero- 
iiischen  Dialoge  sind  die  allseitige  Spiegelung  der  eigenen  Persönlichkeit, 
ihr  national-römischer  Charakter  und  die  vollständige  Beherrschung  der 
Xunstform.  Mit  Varros  de  re  rustica  schließt  der  1,  Band.  Der  sechste 
Abschnitt  bespricht  die  Dialoge  der  Kaiserzeit,  aus  dem  wir  die  Beur- 
teilung des  Horaz  herausgreifen  wollen.  Mit  vollem  Recht  wendet  sich 
H.  gegen  die  modernen  Bestrebungen,  die  Sermonen  ebenso  quellen- 
kritisch zu  analysieren  wie  die  philosophischen  Schriften  Ciceros.  Das 
Vorbild  Bions  ist  sehr  zweifelhaft  trotz  der  Dissertation  Heinzes,  dem 
Kießling  und  Birt  sekundieren.  Wir  haben  an  einem  anderen  Orte  vor 
dieser  materialistischen  Richtung  der  neueren  Philologie  gewarnt.  Es 
ist  das  am  Ende  dieselbe  Methode,  die  bei  konsequenter  Durchführung 
sogar  in  Lessing  einen  Plagiator  im  großen  Stil  erblickt,  die  Sucht, 
alles  auf  „Entwickelung"  zurückzuführen.  H.  vergleicht  hübsch  Hora'< 
mit  Sokrates.  Sodann  werden  die  in  Betracht  kommenden  Schriftsteller 
der  silbernen  Latinität  gewürdigt.  Besonders  gut  hat  uns  die  Auffassung 
des  Dialogus  gefallen.  Verf.  warnt  mit  Recht  davor,  die  Einflechtung 
historischer  Einzelheiten  für  mehr  zu  halten;  es  ist  nur  eine  beab- 
sichtigte Illusion.  Wie  plump,  solche  liebenswürdigen  Einkleidungen 
für  bare  Münze  zu  nehmen  I  Wir  erinnern  an  die  oft  seltsamen  Ein- 
kleidungen, die  z.  B.  Scott  seinen  Romanen  gegeben  hat;  will  man 
hier  auch  dereinst  die  historische  Wirklichkeit  zu  ergründen  suchen? 
Tacitus  hat  übrigens  in  der  Charakteristik  der  Hauptpersonen  die  ver- 
schiedenen Neigungen  und  Herzenswünsche  seiner  eigenen  .Tugend  pro- 
jiziert, wie  es  Goethe  in  Tasso  und  Antonio  gethan  hat;  sowohl  in  Aper 
als  auch  in  Maternus  steckt  etwas  von  Tacitus  selbst.  Eine  überaus 
gewinnende    geistreiche    Vermutung,    wie    denn    überhaupt    H.    dieser 


28       Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  (Aly.) 

kampfesfreudigeu,  echt  taciteiscbeii  Jugendschrift  volles  Verständnis 
entgegenbringt,  im  Gegensatz  zu  manchem  Erklärer,  der  an  Äußerlich- 
keiten klebt.  Der  ansehnliche  Rest  des  Buches  gehört  nicht  mehr  hier- 
her; nur  der  Schluß  sei  noch  erwähnt,  der  einige  allgemeine  Ergebnisse 
der  eingehenden  Uctersuchungen  zusammenstellt.  In  summa:  ein  ge- 
haltreiches, gediegenes  Werk,  das  aber  vielleicht  noch  gründlicher  hätte 
durchgearbeitet  werden  können.  Verf.  deutet  das  ja  selbst  mit  liebens- 
würdiger Selbsterkenntnis  in  der  Einleitung  an.  Es  ist  mehr  Material 
zusammengetragen  als  verarbeitet;  manches  konnte  gekürzt,  manches 
zusammengezogen  werden.  Das  Ganze  geht  auf  einen  Beitrag  zur  ver- 
gleichenden Litteraturgeschichte  hinaus ,  und  dem  Verf.  gebührt  das 
V^erdienst,  ein  fruchtbares  Thema  aufgestellt  und  seine  Bearbeitung  vor- 
bereitet zu  haben.  Das  letzte  Wort  ist  noch  nicht  gesprochen,  wie  er 
selbst  fühlt:  es  fehlt  noch  der  Baumeister,  der  aus  den  gut  zugerichteten 
Steinen  das  Haus  aufführt.  Hoffen  und  wünschen  wir,  daß  es  dem  Verf> 
beschieden  sein  möchte,  sein  Werk  in  einer  zweiten  Auflage  zu  vertiefen. 
Auch  so  hat  er  sich  unsein  Dank  verdient. 

Zum  Schluß  sei  auf  die  gehaltreiche  Anzeige  des  obigen  Werkes 
von  Franz  Boll  in  der  Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung  (1896,  No.  96) 
hingewiesen,  wo  Vorzüge  und  Schwächen  der  verdienstlichen  Leistung 
gerecht  abgewogen  werden. 

34.  Aurelio-Giuseppe  Amatucci,  L'eloquenza  latina  nei 
primi  cinqne  secoli  di  Roma.    Torino  1895,  Carlo  Clausen.    47  S.    8. 

Verf.  bricht  eine  Lanze  für  die  älteste  Beredsamkeit  Roms,  die 
er  höher  einschätzt,  als  es  gemeinhin  geschieht.  Die  Notiz  bei  Cicero 
(Brutus  14),  der  eine  Reihe  älterer  Redner  vom  alten  L.  Brutus  ab 
aufzählt,  faßt  er  als  historische  Tradition.  Insbesondere  sind  die  lau- 
dationes  funebres:  una  manifestazione  letteraria  eminentcmente  romana. 
Die  aufgeworfene  Frage  wird  sich  bei  dem  völligen  Mangel  an  Beobachtungs- 
raaterial  schwerlich  je  genügend  beantworten  lassen.  Das  uns  vorliegende 
Heft  kündigt  sich  als  Probe  eines  größeren  Werkes  an. 

35.  Rudolf  Schm  idtraayer,  De  orationibus,  quae  in  libris 
veterum  rerum  gestarum  scriptorum  sunt,  brevis  commentatio.  Pro- 
gramm.    Budweis,  Staatsgymnasium.     1895.     17  S.     4. 

Ein  lesbarer  Überblick  des  gewählten  Themas  unter  Zusammen- 
stellung von  Urteilen  bewährter  Litterarhistoriker. 

34.  Hans  Schirmeister,  Charakteristische  Erscheinungen  in 
der  antiken  Geschichtsschreibung.    Programm,  Pyritz.     1896.    19  S.   4. 

In  mehr  aphoristischer  als  erschöpfender  Erörterung  wichtiger 
Gesichtspunkte  kommt  Verf.  zu  dem  Ergebnis,    wie    herrlich    weit    wir 


I 


Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  (Aly.)       29 

es  in  der  Geschichtsschreibung  gebracht  liabcn.  Quellenkritik,  Objekti- 
vität, Wahrheitsliebe  auf  der  einen,  erdichtete  Iveden.  Parteilichkeit, 
Phantastik  auf  der  anderen  Seite,  llerkwürdig,  daß  uns  dergl.  Ein- 
drücke bei  der  Lektüre  der  großen  Alten  nie  gekommen  sind.  Freilich 
verstanden  sie  es  nicht,  mit  dem  Bienenfleiße  der  Modernen  Stein  um 
Stein  zusammenzutragen;  aber  dafür  verstanden  sie  es,  ein  Ganzes  auf- 
zuführen, vergangene  Zeiten  zum  Leben  wieder  zu  erwecken,  plastisch 
zu  gestalten.  Vielleicht  schlägt  Verf.  einmal  die  Einleitung  zu  Momnisens 
5.  Bande  Römischer  Geschichte  auf.  Da  wird  er  zu  seiner  Verwunderung 
das  Wort  finden,  daß  Phantasie  nicht  nur  die  llutter  der  Poesie,  sondern 
auch  der  Historie  sei.  Die  berufenen  Reden  der  antiken  Historiker 
sind  vielleicht  nicht  so  schlimm  als  die  schwerfälligen  Anmerkungen 
der  neueren.  Verf.  scheint  übrigens  vergessen  zu  haben,  daß  auch 
Thucydides,  der  Geschichtsschreiber  größter,  von  diesen  Reden  fleißig 
Gebrauch  gemacht  hat. 

37.  C.  E.  Browning,  Latin  prose  of  the  silver  age.  With  an 
indroduction  by  T.  H.  Warren.  London,  Blackie  &  Son.  1895.  XXXII, 
222  S.     8. 

Wir  haben  es  hier  im  wesentlichen  mit  einer  Chrestomathie 
zu  thun,  wie  sie  Opitz  und  Weinhold  für  Teubner  besorgt  haben; 
nur  sind  einige  litterarhistorische  Einleitungen  jedem  Schriftsteller 
vorausgeschickt  und  Anmerkungen  am  Schluß  beigefügt.  Die  Auswahl 
betrifft  Vellejus,  Seneca,  Petron,  beide  Plinius,  Quintilian,  Tacitus  (war 
■das  wirklich  nötig"?),  Sueton,  Apulejus  und  Gellius. 

38.  Paul  Monceaux,  Les  Africains.  Etüde  sur  la  litterature 
latine  d'Afrique.  Les  Paiens.  Paris,  Lecere,  Oudin  et  Cie.  1894. 
V,  500  S. 

Ein  vortreffliches  Werk,  das  einen  Teil  der  römischen  Litteratur 
unter  einen  fruchtbaren  Gesichtspunkt  stellt.  Bekanntlich  lieben  es  die 
französischen  Philologen,  das  römische  Xordafrika,  nach  Boissiers  Vor- 
gang, als  ihre  Domäne  anzusehen.  Und  in  der  That  finden  sich  Be- 
rührungspunkte zwischen  den  alten  Afrikanern  und  den  Franzosen  der 
romantischen  Periode.  Verf.  bespricht  in  diesem  Bande  zunächst  die 
heidnischen  Schriftsteller.  In  einer  sehr  gründlichen,  fast  breiten  Ein- 
leitung erörtert  er  Geschichte  und  Herkunft,  Sprache  und  Eigenart  des 
römischen  Afrikas,  insbesondere  die  Schuleinrichtuugen,  die  äußeren  Ein- 
flüsse, die  Umwandlung  des  Ausdrucks.  Er  unterscheidet  im  ganzen 
7  litter  arische  Epochen.  Er  beginnt  mit  dem  Astronomen  Manilius, 
dessen  löbliche  Seiten  er  nach  Möglichkeit  herauszukehren  sucht,  wie 
denn  überhaupt  sein  Urteil  wohlwollend  und  milde  zu  nennen  ist.    Das 


30       Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Littcratur.  (Aly.) 

zeigt  er  namentlich  bei  der  Charakteristik  Frontos,  dessen  wiinderlicliem 
Wesen  er  geschickt  einige  sympathische  Züge  abzugewinnen  versteht. 
Ganz  allerliebst  ist  Gellius  gezeichnet,  der  ewige  Schüler,  mit  be- 
geistertem Schwung  der  blendende  Apulejus,  in  dem  Verf.  den  hervor- 
ragendsten Vertreter  der  lateinischen  Afrikaner  erblickt.  Seinen  Meta- 
morphosen spricht  er  eine  größere  Selbständigkeit  zu,  als  z.  B.  Teuffel- 
Schwabe  will  (5.  S.  921);  er  führt  Apulejus'  und  Lucians  Werk  auf 
eine  gemeinsame  Quelle  zurück,  weist  auch  feinsinnig  auf  starke  Ab- 
weichungen Lucians  uud  besondere  Vorzüge  des  Afrikaners  hin.  Der 
Rest  ist  kürzer  gehalten;  es  werden  die  afrikanischen  Kaiser,  Nemesian 
und  seine  Zeitgenossen,  endlich  die  Metriker  und  Grammatiker  sowie 
die  Sammelschriftstellcr  abgehandelt.  Auch  Macrobius  und  Martian  be- 
kommen ein  freundliches  Wort,  wenn  auch  ihre  Pedanterie  und  Ge- 
schmacklosigkeit nicht  verschwiegen  wird.  Zum  Schluß  wird  das 
litterarische  Leben  in  Karthago,  dem  afrikanischen  Paris,  und  die  Ein- 
heitlichkeit dieses  Ausschnitts  der  römischen  Litteratur  erörtert.  Wissen- 
schaftliche Selbständigkeit  beansprucht  das  Werk  nicht;  beruht  es  doch, 
wie  die  Anmerkungen  zeigen,  zum  größten  Teil  auf  den  Forschungen 
deutscher  Gelehrten.  Trotzdem  ist  es  ein  verdienstliches  Buch,  weil 
es  frisches  Leben  nachbildend  schafft,  und  dürfte  auch  bei  uns  einer 
weiteren  Verbreitung  wüi-dig  sein. 

39.  Oskar  Froehde,  Die  Anfangsgründe  der  römischen 
Grammatik.     Leipzig  1892,  Teubner.     141  S.     8. 

Die  römische  Grammatik  beruht  in  ihrem  ganzen  Fundament  auf 
dem  griechischen  Vorbilde  des  Dionysius  Thrax.  Dies  gilt  insbesondere 
für  die  Anfangsgründe.  Es  wird  durch  genaue  Vergleichung  für  22 
Grammatiker  in  15  Abschnitten  der  Beweis  erbracht.  Der  eigentliche 
Begründer  der  römischen  Grammatik  ist  Varro;  ihre  Blüte  erreichte 
sie  in  der  Mitte  des  1.  Jahrhunderts  nach  Chr.  Vermutlich  hat  Palämon 
zuerst  die  ■zi'/yi]  des  Dionysius  bearbeitet. 

40.  Hermann  Peter,  Die  scriptores  historiae  Augustae.  Sechs 
litterargeschichtliche  Untersuchungen.  Leipzig  1892,  Teubner.  VIII, 
266  S.     8. 

Dieses  Buch  war  bestimmt  als  Vorläufer  zu  einem  größerea  „Über 
die  Geschichte  und  Litteratur  der  römischen  Kaiserzeit  bis  Theodosiusl." 
Da  dieses  hochbedeutende  Werk  nuumehr  erschienen  ist,  so  halten  wir 
es  für  angemessen,  die  Besprechung  des  ersteren,  soweit  es  in  unseren 
Bericht  schlägt,  mit  der  des  letzteren  s.  Zeit  zu  verbinden. 


Nachtrag. 


41.  J.  W.  Mackail,  Latin  literature.  New  York,  Charles 
Scribners  Sons.     1895.     IX  und  289  S.     8. 

Der  Verf.,  früher  fellow  of  Balliol  College,  Oxford,  hat  mit  seinem 
Buche  eine  Arbeit  seines  verstorbenen  Lehrers  William  Sellar  über- 
nommen und  beendigt.  Er  rechnet  auf  ein  weiteres  Publikum,  hätte 
aber  trotzdem  weniger  dürftig  und  vor  allem  weniger  flüchtig  sein 
sollen.  Auf  S.  G  gedenkt  er  der  Praetexta  des  Xävius  Clastidium,  in 
der  er  einen  Sieg  der  Metaller  verherrlicht  wähnt,  die  Nävius  nach- 
her dem  Spotte  preisgegeben  hat.  Wirklich?  Hieß  nicht  der  Sieger 
bei  Clastidium  M.  Claudius  Marcellus?!  Solche  Verwechselungen 
dürfen  auch  nicht  in  populären  Werken  vorkommen.  Andere  Abschnitte, 
die  wir  nachgeprüft  haben,  sind  nicht  übel,  so  der  über  Cicero,  der 
selbständiges  und  gesundes  urteil  bezeugt;  aber  auch  hier  fehlt  in  der 
Übersicht  seiner  Schriften  der  Orator,  wieder  ein  Beweis  der  Flüchtig- 
keit des  Verf.  Die  Würdigung  der  einzelnen  Schriftsteller  ist  nicht 
immer  gleichmäßig ;  sehr  gut  kommt  Lukrez  fort. 

42.  Fr.  W.  Müller,  Über  die  Beredsamkeit  mit  besonderer  Be- 
ziehung auf  das  klassische  Altertum.  Regensburg,  W.  Wuuderling. 
189G.     116  S.     8. 

Der  Verf.  stellt  mit  großem  Fleiße  die  wichtigsten  Stellen  der 
Alten  zusammen,  die  sich  auf  die  Beredsamkeit  beziehen.  So  bringt 
der  erste  Teil  Belege  für  ihre  Definition  und  Grundbedingung,  der  zweite 
für  die  Charakteristik  der  griechischen  und  römischen  Redner,  vor  allem 
Ciceros,  in  dessen  Verherrlichung  das  Buch  ausläuft.  Alles  iu  allem, 
eine  schöne  Materialsammlung,  die  des  Bearbeiters  harrt,  Steine,  aus 
denen  ein  Bau  aufgeführt  werden  könnte.  Will  sich  Verf.  nicht  an  die 
lohnende  Aufgabe  wagen? 

43.  R.  Bürger,  Der  antike  Roman  vor  Petronius,  Hermes  1892, 
Band  24,  Heft  3,  S.  345—358.     8. 

Verf.  will  Vorläufer  zu  dem  realistischen  Sittenroman  Petrons 
finden  und  sieht  als  solche  die  MiXr,5ia-/.a  an.  Sisenna  übersetzte  das 
Werk  des  Aristides  und  machte  Mode.  Es  muß  von  100  vor  bis 
100  nach  Chr.  eine  ziemlich  umfangreiche  realistische  Romanlitteratur 
geblüht  haben,  von  der  Verf.  freilich  keine  Überreste  aufweisen  kann. 
Ist  daher  nicht  lieber  das  muß  in  ein  kann  zu  verändern? 


3l?       Jahresbericht  über  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur.  (Aly.) 

44.  G.  Canouica,  Meropc  iiella  storia  del  teatro  tragico  greco, 
latino  e  italiaiio.     Milano,  M.  Hoepli.     1893.     105  S.     8. 

Die  Darstellung  des  Stoffes  bei  Euripides,  Ennius,  Maffei,  Voltaire 
und  Alfieri  wird  flüchtig  und  ohne  selbständiges  Urteil  gemustert.  Aus 
der  Ausgabe  von  L.  Müller  werden  die  erhaltenen  Fragmeute  des 
Ennius  abgeschrieben,     Cui  bono? 

45.  G.  L.  Hendrickson,  The  dramatic  satura  and  the  old 
comed}^  at  Roma.  The  american  Journal  of  philology  1894.  XV,  1 
No.  57  30  S.     8.     Baltimore,  Friedenwald  Co. 

Nach  dem  Vorgang  von  Leo  und  Kießling  will  der  Verf.  der 
dramatischen  Satire,  wie  sie  in  der  dunklen  Stelle  bei  Livius  VII,  2 
ein  schattenhaftes  Dasein  fristet,  ein  Ende  machen.  Er  stützt  diese 
Auffassung  durch  den  iS^achweis,  daß  die  liviauische  Konstruktion  dem 
Bestreben  ihr  Dasein  verdankt,  die  Geschichte  der  römischen  Litteratur 
der  der  griechischen  anzupassen,  ein  Vorgang,  wofür  ja  auch  andere 
Belege  vorliegen.  Livius  oder  sein  Gewährsmann  (Accius?)  hat  den 
Römern  mit  jener  nebelhaften  Notiz  eine  apyata  xo>ixtpoia  geschenkt. 
Den  Keim  einer  [xlav]  findet  Hendrickson  in  einer  Mitteilung  des 
Euanthius  de  comoedia.  die  den  Terenzscholien  voraufgeht.  Es  bleibt 
also  die  geschichtliche  Satire  des  Ennius  und  seiner  Nachfolger  als 
Analogie  zur  via.  Ferner  hat  der  Verf.  treffend  die  Parallelismen 
zwischen  Livius  und  Horaz  (Epist.  II,  1,145  ff.)  beobachtet.  Porphyrio 
bemerkt  ausdrücklich  dazu:  qua  re  coustituta  silentinm  est  impositum 
archaeae  comoediae!  Zum  Schluß  tritt  Verf.  für  die  Auffassung 
der  satura  als  „containing  the  common  nnderlying  notion  of  variety" 
ein,  wie  sie  Ennius  geprägt  und  Lucilius  in  „the  aggressive  quality" 
weiterentwickelt  hat.  Wir  erachten  die  Ausführungen  des  Verf.  für 
sehr  beachtenswert  und  zutreffend  in  ihrem  Ergebnis. 

46.  A.  Sonny,  Neue  Sprichwörter  und  sprichwörtliche  Redens- 
arten der  Römer.  Archiv  für  lat.  Lexik.  1893  VIII  S.  483—494, 
1894  IX  S.  54-80.     8. 

Der  russische  Gelehrte  bietet  dankenswerte  Ergänzungen  zu  Ottos 
bekanntem  Buche.  Im  Eingang  erklärt  er  sich  für  die  von  Crusius  ge- 
gebene Definition  des  Sprichwortes,  das  er  mit  dem  von  Büchmann  ge- 
prägten Begi'iff  des  „geflügelten  Wortes"  zusammenstellt,  abgesehen 
davon,  daß  beim  Sprichwort  der  Urheber  meist  nicht  mehr  nachweisbar 
ist.     Die  Ergänzungen    werden    in   alphabetischer  Aufzählung  gegeben. 


33 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891-1897. 

Von 

Dr.  P.  Geyer, 

Gymnasial-Professor  in  Erlangen. 


I'ber  Vulgäi'latein,  seine  Quellen  und  Erkennbarkeit  und  im  Zu- 
sammenhang damit  über  afrikanisches  Latein  sind  gegenwärtig  die  An- 
sichten   sehr    geteilt.     Auf   eine    Periode    zahlreicher    wirklicher    oder 
vermeintlicher  Entdeckungen  ist  eine  Zeit  der  Reaktion  und  Ernüchte- 
rung gefolgt:  man  hat  infolge  anfänglichen  Übereifers  begonnen,  gegen 
die    bisherigen  Forschungen    auf  diesem  Gebiet  mißtrauisch  zu  werden 
Die  Kritik  hat  nicht  nui*  den  schwer  zu  definierenden  Begriff  „Vulgär- 
latein" unter  die  Lupe  genommen,  sondern  auch  die  Axt  an  die  Wurzel 
unserer  Erkenntnis  gelegt,  indem  sie  die  bisherigen  Ansichten  über  die 
Quellen  derselben   erschüttert  hat.     Der  Rückschlag  ist  noch  dazu  von 
einer  Seite  erfolgt,  von  welcher  er  am  wenigsten  erwartet  wurde:    ge- 
rade  der  Gelehrte,    welcher    durch    seine    „Lokalen  Verschiedenheiten 
der  lateinischen  Sprache"    eine    hervorragende  Rolle    in  der  Litteratur 
des  Vulgärlateins  gespielt  hat,  auf  dessen  Aufstellungen  sich  heute  noch  die 
Anhänger  des  „afrikanischen  Lateins"  vielfach  berufen,  Prof.Sittlin  Würz- 
burg, hat  mit  einer  außerordentlichen  Offenheit  und  Wahrheitsliebe  und 
einer  ganz  ungewöhnlichen  Belesenheit  und  Gelehrsamkeit  in  dem  letzten 
Referat  über  diesen  Gegenstand  Bd.  68.  S.  226  ff.  dieses  Jahresberichtes  es 
unternommen,  seine  eigenen  früheren  Ansichten  zu  widerlegen.     Bevor 
ich    daher  an  meine  eigentliche  Aufgabe  gehe,    kann  ich  nicht  umhin, 
in  kurzen  Zügen  den  gegenwärtigen  Stand  der  Frage  zu  kennzeichnen. 
Der  Ausdruck  Vulgärlatein    (sermo  vulgaris,    sermo    vulgi  etc.) 
wurde,  wie  Sittl  in  den  Verh.  der  40.  Vers,  dtsch.  Philol.  in  Görlitz  v. 
2.-5.  Okt.  1889,  Leipzig,  Teubner  1890  S.  .385  ff.,  nachgewiesen  hat, 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.  Bd.LXXXXVlII.  (1398.  ni.)       3 


34       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  189!— 97.   (Geyer.) 

im  Altertum  iu  viel  engerem  Sinne  gebraucht,  als  heutzutage  zu  ge- 
schehen pflegt.  Die  der  Schriftsprache  gegenüberstehende  Umgangs- 
sprache war  durchaus  keine  einheitliche:  nicht  nur  war  ein  großer 
Unterschied  zwischen  Stadt  und  Land,  sondern  auch  zwischen  der  Ver- 
kehrssprache der  Gebildeten,  dem  sermo  cotidianus,  und  der  der  unge- 
bildeten Plebs  (sermo  vulgaris),  dem  Vulgärlatein  im  engeren  Sinn,  und 
auch  innerhalb  dieser  beiden  Kategorien  gab  es  noch  zahlreiche  Ab- 
stufungen je  nach  Stand,  Bildungsgrad  und  Nationalität  des  Sprechen- 
den (man  vgl.  darüber  auch  die  lichtvollen  Erörterungen  bei  M.  Bonnet, 
Le  latin  de  Gregoire  de  Tours,  Paris  1890,  S.  30  ff.);  die  Pro- 
vinzialen  erkannte  man  namentlich  an  ihrer  fremdartigen  Aussprache, 
während  sie  sich  sonstige  Provinzialismen  im  Vokabular  und  in  der 
Grammatik  eher  abgewöhnen  konnten.  Bei  Männern,  w'elche  gebildet 
genug  waren,  um  litterarisch  thätig  zu  sein,  so  argumentiert  Sittl,  darf 
man  von  vornherein  keine  Vulgarismen  im  engeren  Sinne  suchen;  die 
gesprochene  Volkssprache  hat  überhaupt  auf  unsere  Litteratur  keinen 
Einfluß  geübt,  und  abgesehen  von  den  Reden  des  Gastfreundes  Trimalchios 
bei  Petron,  den  pompejanischen  Graffiti,  der  Appendix  Probi  und  den 
vereinzelten  Ausdi'ücken,  welche  Grammatiker  wie  Consentius  und 
Caper  ausdrücklich  als  vulgär  tadeln,  werden  keine  Quellen  des 
Vulgärlateins  anerkannt.  Die  Übereinstimmungen  spätlateinischer  Scluift- 
steller  mit  der  Sprache  des  Plautus  und  dem  archaischen  Latein,  sind 
keine  Vulgarismen,  sondern  Archaismen.  Nur  der  Umgangssprache 
der  besseren  Stände ^  dem  sermo  cotidianus  wird  ein,  wenn  auch 
außerordentlich  eingeschränkter,  Einfluß  auf  die  Schriftsprache  zu- 
gestanden. Die  entgegengesetzten  Äußerungen ,  die  sich  nament- 
lich bei  Ejrchenschriftstellern  häufig  finden ,  die  Entschuldigungen 
der  rusticitas  sermonis,  sind,  wie  Sittl  überzeugend  nachweist,  in  weit- 
aus den  meisten  Fällen  nicht  ernst  zu  nehmen;  es  ist  ein  t6-o?,  der 
schon  von  griechischen  Rhetoren  empfohlen  wird. 

Während  Sittl  in  dem  Görlitzer  Vortrage  wenigstens  Marcellus 
Empiricus  und  die  Verfasserin  der  gallischen  Peregrinatio ,  die  soge- 
nannte Silvia,  als  zwei  vereinzelte  Erscheinungen  anerkannte,  von  denen 
der  eine  seine  Rezepte  für  Arme  und  Fremde  gesammelt  habe,  aber 
nicht  recht  volkstümlich  habe  schreiben  können,  die  andere  sich 
in  dem  schlichteren  sermo  cotidianus  von  Aquitanien  ausgedrückt 
habe,  wird  dieses  Zugeständnis,  soweit  es  Marcellus  betrifft,  in  diesem 
Jahresbericht  Bd.  68  S.  276  zurückgenommen,  die  Umgangssprache 
Süvias  ebend.  S.  277  eine  feinere  genannt. 

Gewiß  sind  die  Einwendungen  Sittls  gegen  die  bisher  herrschen- 
den Anschauungen  sehr  beachtenswert  und  geeignet  dieselben  vielfach 
zu    berichtigen;    auch   scheint  die  Zahl    seiner  Gesinnungsgenossen    im 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1801—97.    (Geyer.)       35 

"Wachsen  begriffen  zu  sein.  Aber  er  scheint  mir  in  seiner  negativen 
Kritik  doch  zu  weit  zu  gehen.  Einmal  scheint  mir  die  Grenze  zwischen 
dem  serrao  cotidianus  und  vulgaris  zu  scharf  gezogen  zu  sein.  Es 
giebt  doch  entschieden  ein  Grenzgebiet,  auf  dem  sich  beide  berühren: 
beide  haben  das  gemeinsam,  daß  sie  Ausdrücke  gebrauchten,  welche  in 
der  Schriftsprache  verpönt  oder,  als  die  archaisierende  Richtung  zur 
Herrschaft  gelangte,  nur  dann  zugelassen  wurden,  wenn  sie  aus  alten 
Autoren  zu  belegen  waren.  Unter  diesen  Abweichungen  von  der 
Schriftsprache  war  sicher  vieles  (Temeiugut  des  sermo  cotidianus  und 
vulgaris.  Gerade  Marcellus  und  Silvia  bieten  dafür  Beispiele;  so  findet 
sich  das  Appendix  Probi  14G  (ed.  Förster)  verpönte  pisinnus  bei  Marc. 
8,  90.  26,43  und  bei  Silvia  p.  50  (Gam.^),  53,  78;  frustrum  statt  frustum 
(App.  Probi  180)  bei  Marc.  25,  2  und  27,  37,  desgl.  in  dem  von  Petrus 
Diaconus  exzerpierten  Stücke  Silvias  p.  131,  24.  Andererseits  freilich 
finden  sich  Archaismen,  Reminiscenzen  aus  der  Schullektüre,  auch  bei 
Schriftstellern,  die  sonst  wenig  litterarische  Bildung  verraten;  bei 
Silvia  beispielsweise  steht  öfter  das  bisher  nur  aus  Terenz  Hec.  378 
,iam  ut  limen  exirem,  ad  genua  accidit",  bekannte  temporale  (iam)  ut 
mit  Konjunktiv:  iam  ut  exiremus  de  ecclesia,  dederunt  nobis  eulogias 
S.  39  und  ähnlich  89,  8  und  24  und  102,  10. 

Trotz  dieser  Gefahr  aber,  daß  sich  ein  vermeintlicher  Vulgaris- 
mus   schließlich    als  Archaismus  erweist,    halte    ich    es   doch  nicht  für 
aussichtsloses  Bemühen,  den  Spuren  des  sermo  vulgaris  in  der  Litteratur 
nachzugehen.     Ich  glaube,    daß   man  solche  anzutreffen  erwarten  darf 
bei  solchen  Schriftstellern,   die  keine  hinreichende  Bildung  hatten,    um 
die    reine    Schriftsprache     zu     schreiben,     also    bei    einem    Teile    der 
Fachschriftsteller:  Mediziner,  Agrimensoren;  von  der  christlichen  Litte- 
ratur   sind  auch  die  .Pilgerscliriften  wie  die  sog.  Silvia  und  Antoninus 
von  Placentia  hierher  zu  rechnen,    desgleichen  ein  Teil  der  Inschriften 
und  die  sogenannten  Kompromisstexte  des  beginnenden  Mittelalters:  Ur- 
kunden,   Gesetze,    Heiligenleben.     Freilich  wird   dagegen   eingewendet, 
diese  seien  nicht  in  viilgärem,  sondern  in  schlechtem  Latein  geschrieben. 
Aber  zugegeben,   daß  auch   die  Urheber  dieser  Litteratur  nicht  vulgär 
schreiben  wollten,   woher  sind  die  Fehler  entstanden?     Doch  zum  Teil 
daher,  daß  ihnen  unwillkürlich  Ausdrücke,   Laute,  Konstruktionen  der 
lebenden   Volkssprache    in    die  Feder    kamen.      Eine,    allerdings    sehr 
schwierige,  Aufgabe  ist  es  nun  eben,  das  echte  Sprachgut  aus  der  Spreu 
des  Fehlerhaften,  der  umgekehrten  Schreibungen  und  falschen  Analogie- 
bildungen zu  sondern,  was  in  vielen  Fällen  mit  Zuhilfnahme  der  roma- 
nischen Sprachen  doch  nicht  unmöglich  ist,  vgl.  Miodonski  in  Wölfflins 
Archiv  f.    lat.  Lexik.    VIII  S.  146—49    und  Seelmann    in  Vollmöllers 
Krit.  Jahresberichte  I  S.  52.    Beachtung  verdient  auch  die  Bemerkung 


36       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891— 'J7.    (Geyer.) 

Seelmanns,  daß,  wie  aus  den  Außerung'en  des  gallischen  Grammatikers 
Couseutius  (saec.  V/VI)  hervorgehe,  auch  die  Umgangssprache  der 
Gebildeten  in  ihrem  Verhältnis  zur  Volkssprache  sich  nicht  gleichge- 
blieben sei,  sondern  daß  Vulgarismen  der  Aussprache  auch  in  die  alltäg- 
liche Umgangssprache  der  Gebildeten  immer  mehr  Eingang  gefunden 
haben.  Sollte  da  nicht  hinsichtlich  des  Wortvorrates  ein  ähnlicher  "Wandel 
sich  vollzogen  haben?  Bei  den  zahllosen  Berührungen,  welche  zwischen 
dem  Wortschatze  des  archaischen  Lateins  und  dem  der  Volkssprache 
fortwährend  bestanden  haben,  ist  es  kaum  denkbar,  daß  mit  dem 
Archaismus  nicht  auch  dem  Eindringen  in  der  Volkssprache  fortlebender 
Wörter  Thür  und  Thor  geöffnet  worden  sei;  je  weniger  ein  Schrift« 
steller  litterarisch  gebildet  war,  um  so  mehr  mußten  ihm  auch 
Ausdrücke  aus  der  Volkssprache,  die  nicht  legitimiert  waren,  mit 
unterlaufen. 

Endlich  erscheint  mir  die  Annahme  unnatürlich,  daß  das  Christen- 
tum, für  welches  der  Wortvorrat  der  heidnischen  Schriftsteller  nicht 
genügte,  sich  lediglich  mit  Neubildungen  beholfen,  dagegen  verschmäht 
habe,  aus  der  unversiegbaren  Quelle  der  lebenden  Volkssprache  zu 
schöpfen :  mag  daher  auch  in  der  Sprache  der  ältesten  Bibelüber- 
setzungen noch  so  vieles  als  Gräcismen  und  Hebraismen  zu  erklären 
sein,  mögen  die  Übersetzer  auch  hin  und  wieder  Glossare  benutzt 
haben:  ich  sehe  keinen  Grund  ein,  weshalb  sie  Entlehnungen  aus  der 
lebenden  Volkssprache  gänzlich  vermieden  haben  sollten. 

Ich  glaube  daher  doch  nicht,  daß  man  so  weit  gehen  darf,  das 
ganze  Vulgärlatein  für  ein  bloßes  Phautasiegebilde  zu  erklären,  sondern 
daß  man  mit  den  nötigen  Kautelen  und  Einschränkungen  auch  ferner 
von  Vulgärlatein  in  engerem  oder  weiterem  Sinne  sprechen  darf.  Die 
Romanisten,  die  bei  dieser  Frage  in  hohem  Grade  interessiert  sind, 
sind,  soviel  mir  bekannt  ist,  sämtlich  gegen  eine  so  radikale  Ver- 
werfung —  die  heftige  Polemik  Seelmanns  in  den  Göttinger  Gelehrten 
Anzeigen  1890  S.  665  ff.  und  in  Vollmöllers  krit.  Jahresb.  I  S.  49 
wendet  sich  nur  gegen  die  Versuche,  ein  Vulgärlatein  zu  konstruieren 
mit  Hintansetzung  der  historischen  Quellen.  Auch  von  klassisch- 
philologischer Seite  fehlt  es  nicht  an  Gegenäußerungeu;  ich  verweise  bei- 
spielshalber auf  Blase,  Geschichte  des  Plusquamperfekts  im  Lateinischen. 
Gießen  1894.  S.  105. 

Die  mit  der  Frage  über  das  Vulgärlatein  in  engem  Zusammen- 
hang stehende  Frage  des  afi'ikanischen  Lateins  wird  unten  zur  Sprache 
kommen.  Ich  wende  mich  nunmehr  zur  eigentlichen  Litteratur  und 
bespreche  zunächst  Schriften  allgemeineren  Inhaltes,  dann  die  Arbeiten 
über  den  Sprachgebrauch  vulgärlateinischer  (im  weiteren  Sinn)  und 
spätlateinischer    Prosa-Schriftsteller  und  Dichter.     Über   die  Afrikaner 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1S91— 'J7.    (Geyer.)       37 

und  die  als  solche  bezeichneten  Autoren  wird  im  Zusammenhang'  referiert 
Vi^erden;  den  Schluß  wird  die  Sprache  der  sonstigen  Bibelübersetzungen 
und  das  Mittellatein  bilden.  Dabei  werde  ich  mich  nach  bisherigem 
Brauch  auf  die  Arbeiten  beschränken,  die  speciell  den  Sprachgebrauch 
zum  Gegenstand  haben;  Schriften,  die  als  Hauptzweck  Textkritik 
haben  und  Ausgaben  von  Schriftstellern  sind  ausgeschlossen.  Absolute 
Vollständigkeit    ist    bei    der  Natur  des  Gegenstandes   nicht  erreichbar. 


Schriften  allgemeinen  Inhaltes. 

Zu  dem  oben  geschilderten  scharfen  Widerspruch,  den  die  bis- 
herigen Anschauungen  über  Vulgärlatein  neuerdings  gefunden  haben, 
gab  die  Veranlassung  der  Mangel  an  Klarheit  über  den  Begriff  Vulgär- 
latein und  über  sein  Verhältnis  zur  Schriftsprache.  Eine  Anzahl 
Gelehrter  stellten  den  Gegensatz  zwischen  Volkssprache  und  Schrift- 
sprache viel  zu  schroff  dar,  sprachen  wohl  gar  von  zwei  Sprachen,  die 
neben  und  getrennt  von  einander  in  Rom  existierten:  einer  lebenden, 
der  Vulgärsprache,  und  einer  erstarrten,  toten,  der  Schriftsprache. 
Sie  berücksichtigten  dabei  einerseits  zu  wenig,  daß  das  Vulgärlatein 
keine  einheitliche,  geschlossene  Sprache  war,  daß  es  vielmehr  viele 
Stufen  der  Schattierungen  gab,  je  nach  dem  Stand,  dem  Bildungsgrad 
und  dem  Geburtsort  des  Sprechenden  vom  sermo  vulgaris,  rusticus 
plebeius  bis  hinauf  zum  sermo  cotidianus,  welch  letzterer  wieder  dem 
sermo  urbanus,  der  Schriftsprache,  nahe  stand,  andererseits,  daß  zwischen 
der  Schriftsprache  und  der  Volkssprache  vielfache  "Wechselbeziehungen 
und  gegenseitige  Einwirkungen  stattfanden;  endlich,  daß  nicht  nur  die 
gesprochene  Sprache,  sondern  auch  die  Schriftsprache,  wenn  auch 
letztere  in  geringerem  Grade,  sich  mit  der  Zeit  änderte  und  weiter  ent- 
wickelte. Dies  hat  zuerst  Bonnet  betont  in  der  Einleitung  zu  seinem 
Werke  le  latin  de  Gregoire  de  Tours  S.  30  ff. 

Noch  unberührt  von  dieser  Warnung,  obwohl  später  erschienen, 
ist  die  Abhandlung  von 

P.  Monceaux,  Le  latin  vulgaire  d'apres  les  dernieres publications. 
Revue  des  deux  mondes  1891,  vol.   106,  p.  429—448. 

Der  Verfasser  giebt  eine  sehr  lebendig  geschriebene,  phantasie- 
volle Darstellung  der  Entwickelung  des  Vulgärlateins  zu  den  romanischen 
Sprachen.  Die  benützte  Litteratur  ist  sehr  lückenhaft;  besonders 
auffallend  ist,  daß  zwar  Koffmane,  Sittl,  Rönsch,  Meyer-Lübke  Er- 
wähnung finden,  nicht  aber  Wölfflin  und  dessen  Archiv.  Einige  heraus- 
gegriffene Sätze  werden  am  besten  die  oft  befremdenden  Anschauungen 


38       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1801—07.    (Geyer.) 

des  Verfassers  charakterisieren:  Im  archaischen  Latein  soll  große 
Konfusion  in  Anwendung  der  Kasus  und  Tempora  geherrscht  haben.  — 
Angenommen,  es  wäre  Rom  isoliert  von  den  Griechen  geblieben, 
so  wäre  das  Italienische  zwölf  Jahrhunderte  früher  entstanden.  Rom 
opferte  Griechenland  seine  nationale  Sprache.  —  Das  klassische  Latein 
ist  lediglich  Kunstprodukt.  Aber  in  einer  Ecke  schlummerte  sein  un- 
unversöhnlichster Feind,  das  Vulgärlatein.  —  Um  seine  zeitgenössischen 
Schrifsteller  zu  verstehen,  mußte  ein  Römer  (in  der  Zeit  M.  Aureis) 
seine  Muttersprache  halb  vergessen.  —  Die  Christen  mußten  sich  eine 
Grammatik  für  sich  selbst  schaffen;  sie  nahmen  das  Vulgärlatein  zu 
Hülfe.  —  Für  Gregor  von  Tours  existierten  Flexionsendungen  nicht 
mehr  oder  wurden  doch  nur  auf  gut  Glück  augewendet.  —  Das  Latein 
Gregors  ist  schon  französisch.  —  Das  afrikanische  Latein  wird  (S.  446) 
eine  interessante  Kombination  des  Punischen,  Libyschen  und  Lateinischen 
genannt  u.  s.  w'. 

Veraltet  ist  auch  der  in  unser  Referat  fallende  Abschnitt  des  an- 
ziehend geschriebenen  Buches  von 

F.  0.  Weise,  Charakteristik  der  lateinischen  Sprache.     Leipzig 
1891,  Teubner.     141  S. 

Der  vierte  Abschnitt  mit  sehr  lückenhaften  Litteraturnachweisen 
behandelt  die  Sprache  des  Volks.  Es  wird  unterschieden  der  mit  der 
Schriftsprache  verwandte  sermo  cotidiauus  und  der  sich  ganz  ver- 
schieden entwickelnde  sermo  rusticus.  Das  Wesen  des  letzteren  wird 
gesucht  in  Neigung  zur  Bequemlichkeit,  Streben  nach  Anschaulichkeit, 
starkem  Hervortreten  des  Gemütes.  Die  Eigentümlichkeiten  der  auf 
grund  der  romanischen  Sprachen  rekonstruierten  Volkssprache  werden 
nun  in  ein  grammatikalisches  Schema  gebracht,  das  diesen  drei  Haupt- 
teilen untergeordnet  wird.  Dadurch  wird  nicht  nur  öfters  Zusammen- 
gehöriges auseinandergerissen  (so  wird  von  der  Parataxe  S.  102  und 
111  gehandelt),  sondern,  was  schlimmer  ist,  die  falsche  Vorstellung  er- 
weckt, als  ob  alles,  was  in  dieser  Grammatik  untergebracht  ist,  auch 
gleichzeitig  nebeneinander  existiert  hätte.  So  wird  z.  B.  als  Beleg  für 
das  Überwiegen  der  ersten  Konjugation  im  sermo  rusticus,  das  nach 
dem  Zeugnis  das  Festus  von  Ennius  gebrauchte  Verbum  fodare  neben 
dem  von  Sallust,  Vergil,  Livius  angewendeten,  also  sicherlich  nicht 
vulgären,  consternare  angeführt;  plasma,  ae  und  diadema,  ae  sind  wirk- 
lich bezeugt,  dagegen  hat  man  im  Volkslatein  sicher  nicht  tempus,  i 
und  corpus,  i  dekliniert.  Derartige  Formen  gehören  erst  dem  späten 
Mittellatein  an,  vgl.  Sittl,  Archiv  f.  lat.  Lexik.  II  S.  561.  Unrichtig 
ist  die  Behauptung  (S.  102),  daß  die  Prolepse  des  Objekts  in  den 
Briefen  Ciceros    nicht    selten  vorkomme    vgl.  Schmalz   in  I.  v.  Müllers 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—97.    (Geyer.)       39 

Handbuch  II  S.  394.  Der  Verfasser  hätte  besser  gethan,  nach  dem 
Beispiel  des  von  ihm  \'ielbenützten  Schriftchens  von  Rebling,  Versnch 
einer  Charakt.  d.  röm.  Umgangssprache,  die  Volkssprache  einer  be- 
stimmten Periode  zu  charakterisieren,  statt  durch  Jahrhunderte  getrennte 
Erscheinungen  zusammenzustellen. 

Einen    weit    wissenschaftlicheren    Charakter    trägt    das    hübsche 
Büchlein  von 

E.    Gorra,    Lingue  neolatine.      Milano    1894,    Ulrico    Hoepli, 
147  S.  12, 

ein  Band  aus  der  billigen  Sammlung  der  Manuali  Hoepli,  Er  ist 
vortrefflich  geeignet,  einen  Überblick  über  den  gegenwärtigen  Stand 
der  uns  beschäftigenden  Frage  zu  geben.  Von  einem  Dozenten  der 
romanischen  Philologie  an  der  Universität  Turin  klar  und  frisch  ge- 
schrieben, behandelt  es  in  6  Kapiteln:  La  conquista  romana  e  la  propa- 
gazione  del  latiuo;  latino  classico  e  latiuo  volgare;  elementi  indigeni 
ed  eterogenei;  le  lingue  neolatine;  i  prinii  mouumenti;  il  posteriore 
sviluppo.  Uns  interessiert  zumeist  das  zweite  Kapitel.  Diu'ch  die  treff- 
liche Methode,  daß  zunächst  die  beiden  sich  widerstreitenden  Ansichten 
zu  Wort  kommen  und  dann  eine  Lösung  der  Schwierigkeit  versucht 
wird ,  wird  es  dem  Leser  erleichtert ,  sich  selbst  ein  Urteil  zu  bilden, 
zumal  wenn  er  die  reichlichen  Litteraturnachweise  benutzt,  die  dem 
Büchlein  einen  besonderen  Wert  verleihen.  Der  Verfasser  schließt 
sich  oft  eng.  einige  Male  wörtlich,  an  die  Ausführungen  Bonnets  in  der 
Einleitung  seines  Werkes  Le  latin  de  Gregoii-e  de  Tours  an.  Mit 
Parodi,  Noterelle  di  fonologia  latina  in  Studi  italiani  di  filologia 
classica,  Fireuze  1893,  Sansoni,  vol.  I  p  430  ann.  2,  wird  der  viel- 
deutige Ausdruck  „Vulgärlatein"  nicht  ausschließlich  auf  die  Sprache 
des  niederen  Volkes  beschränkt,  sondern  definiert  als  die  im  Bewußt- 
sein des  Volkes  lebende  Sprache,  welcher  Stufe  der  Gesellschaft  oder 
der  Kultur  es  auch  angehören  mag,  als  gesprochene  Sprache  in  der 
reinsten  Bedeutung  des  Wortes,  mit  ihren  unzähligen  Verschiedenheiten 
des  Ortes  und  der  Zeit. 

Zur  Frage  des  Vulgärlateins    ist  veranlaßt  Stellung  zu  nehmen: 

Stolz,  Historische  Grammatik  der  latein.  Sprache  bearbeitet  von 

Blase,  Landgraf,  Schmalz,  Stolz  etc.  Bd.  I.  Leipzig  1894,  Teubner, 
insbesondere  in  §  17  das  Lateinische  in  seinem  Verhältnis  zu  den 
romanischen  Sprachen  und  §  18 — 38  das  Lateinische  in  seiner  geschicht- 
lichen Entwickelung.  Der  Verfasser  teilt  den  Standpunkt  Miodoüskis, 
daß  die  romanischen  Sprachen  das  Korrektiv  bilden  für  die  uns  durch 
die  Litteratur  und  die  Grammatikerzeugnisse  erhaltenen  schriftlateinischen 


40       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—97.    (Geyer.) 

Zeugnisse  mit  denselben  Einscbränkungen  des  bisher  vielfach  zu  schroff 
und  einseitig  angenommenen  Gegensatzes  zwischen  Schrift-  und  Vulgär- 
latein, wie  sie  Bonnet  und  Gorra  machen.  Zu  der  längst  überwundenen 
Annahme  einer  romauischeu  Ursprache  scheint  Stolz  zurückzukehren, 
wenn  er  S.  26  von  einer  naturgemäßen  Entwickelung  spricht,  welche 
vom  Latein,  zur  sogeuannten  lingua  Romana  und  in  weiterer  Linie  zu 
den  romanischen  Sprachen  führe.  Für  die  Beispiele  des  Metaplasmus, 
wie  er  in  Agathoclenis,  Nicerouis  u.  s.  w.  vorliegt,  war  nicht  auf 
Weise,  Char.  d.  lat.  Sprache,  sondern  auf  Schuchardt,  Vokalismus  des 
Vulgärlateins  Bd.  I  S.  34  und  III  S.  342  zu  verweisen.  Nichts  mit 
dem  Volkslatein  haben  zu  thun  die  S.  53  angeführten  Schnitzer  abuit  = 
abiit,  convertuit,  reguit  etc. 

Auch  gegen  die  in  der  Abhandlung  von 

C.  Sittl,  Archaismus.  CommentationesWoelfflinianae.  Leipzig  1891, 
Teubner.     S.  403—408 

vertretene  Ansicht,  daß  man  kein  Recht  habe,  die  von  Fronto  Gellius  und 
Apuleius  inaugurierte  Richtung  als  archaisierend  zu  bezeichnen,  indem 
es  stets  Schriftsteller  gegeben  habe,  welche  der  älteren  Redeweise 
huldigten,  wii'd  die  Berechtigung  der  bisherigen  Bezeichnung  mit  guten 
Gründen  verteidigt.  Daß  in  der  That  die  Nachahmung  archaischer 
Schriftsteller  iü  der  Prosa  in  Rom  aus  der  Mode  gekommen  war  und 
erst  durch  die  Provinzialeu  wieder  eingeführt  wurde,  scheint  mir  hervor- 
zugehen aus  der  oft  citierten  Stelle  aus  Sueton,  grammat.  24,  wo  er 
von  Probus  aus  Berytus  sagt:  legerat  in  provineia  quosdam  veteres  libellos 
apud  grammaticam  durante  adhuc  ibi  antiquorum  memoria  necdum 
omnino  abolita  sicut  Romae. 

In  systematischer  Weise  wird  die  Entwickelung  der  lateinischen 
Laute,  Wortbildung  und  Flexion  durch  das  Vulgärlatein  bis  in  die 
romanischen  Sprachen    herab    verfolgt    in    dem    berühmten  Buch    von 

Lindsay ,  The  Latin  Language,  an  historical  account  of  latin  sounds, 
stems  and  flexions  Oxford,  Clarendon  Press.  1894.  XXVIII.  660  S.  8. 

Die  wichtigsten  Ergebnisse  der  Forschungen  auf  dem  Grenzge- 
biete zwischen  klassischer  und  romanischer  Philologie  hat  der  Referent 
zusammengestellt  in: 

Alte    und    neue    Philologie    in    ihrem    gegenseitigen   Verhältnis. 

Blätter  für  das  bayerische  Gymnasialschulwesen  XXVII  S.  151  ff. 
und  bei  dieser  Gelegenheit  seinen  Bedenken  über  die  landläufigen  An- 
sichten über  afrikanisches  Latein  Ausdruck  gegeben. 

Nachdem  der  Fortbestand  des  Kritischen  Jahresberichtes 
aber  die  Fortschritte  der  Romanischen  Philologie,  herausgegeben  von 
Karl  Vollmöller,  nach  mancherlei  Gefahren  gesichert  wurde,  ist  im 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891 — 97.    (Geyer.)       41 

Verlag-  der  Rengerschen  Buchhandlung-,  Leipzig  1896  der  II.  Band 
erste  Hälfte  erschienen,  der  die  Litteratur  von  1891  — 1894  umfaßt. 
Das  in  demselben  enthaltene  Referat  über  Volkslateiu  von  W.  Meyer- 
Lübke  S.  60 — 72  bespricht  die  für  das  Studium  der  romanischen 
Sprachen  wichtigsten  Erscheinungen.  Ein  Teil  derselben  hat  seinen 
Schwerpunkt  im  Romanischen,  namentlich  auf  dem  Gebiet  der  Laut- 
lehre. Es  sei  deshalb  ein  für  allemal  auf  dieses  Referat  als  Ergänzung 
des  gegenwärtigen  verwiesen,  insbesondere  hinsichtlich  der  in  roma- 
nistischen Zeitschriften  erschienenen  Artikel. 


Lautlehre. 

Die  Arbeiten  über  Lautlehre  und  Aussprache  fallen  größtenteils 
in  andere  Referate,  Grammatik  und  Metrik,  so  daß  ich  mich  mit 
einigen  kurzen  Angaben  über  die  für  das  Vulgärlatein  hauptsächlich 
in  betracht  kommenden  begnügen  darf.  Ein  wichtiges  Zeugnis  für  die 
Aussprache  des  Volks  geben  die  volkstümlichen  Dichter,  besonders 
Afrikas  und  Spaniens. 

Felice  Ramorino,  La  pronunzia  popolare  dei  versi  quantitativi 
iatini  nei  bassi  tempi  ed  origine  della  verseggiatura  ritmica.  Toriuo  1893 
(memorie  della  reale  accademia  delle  scienze  di  Torino  vol.  XLIII). 
Nach  der  Rezension  von  Manitius,  Berliner  philol.  Wochenschrift 
1893  S.  1427 — 31,  wird  gezeigt,  daß  das  Eindringen  einer  volkstüm- 
lichen Strömung  schon  im  ersten  Jahrhundert  beginnt.  Unter  dem  Ein- 
floß des  Accentes  w^urden  in  der  späteren  Zeit  die  Silben  vielfach  ver- 
kürzt; man  sprach  zwar  clämor,  aber  clämöris;  zweisilbige  Wörter 
haben  die  Tendenz,  wie  Trochaeen  oder  Pyrrhichien  gesprochen  zu 
werden,  dreisilbige  mit  kurzer  Paenultima  werden  daktylisch  gesprochen, 
solche  mit  langer  wie  Amphibr.  oder  Bacchien.  Überall  herrscht  das 
Bestreben,  die  accentuierte  Silbe  als  Hauptsilbe  geltend  zu  machen, 
während  sich  ihr  die  anderen  unterordnen.  Im  4.  bis  6.  Jahrhundert 
hat  man  auch  die  quantitativen  Verse  nach  dem  Accent  gesprochen; 
die  rhythmischen  Verse  sind  lediglich  nach  den  metrischen  Versen  ge- 
baut, aber  volkstümlich  nach  dem  grammatikalischen  Accent  gesprochen 
worden. 

Vernier,    Commodien  et  Verecundus.     Revue  de  philologie  XV 
p.  14-33. 

Derselbe,  Observations  sur  la  phonetique  du  latin  vulgaire.  Revue 
de  Philologie  frangaise  t.  IX  p.  32—40.   269—293. 

Vgl.  Jahresbericht,  Bd.  84  S.  277.  303. 


42       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  ISO  1  —  97.    (Geyer.) 

M.  Hammer,  Die  lokale  Verbreitung  frühester  romanischer  Laut- 
Wandlungen  im  alten  Italien.     Diss.     Halle  1894.     41  S. 

Der  Verfasser  hat  sich  die  Aufgabe  gestellt,  nachzuweisen,  in 
welchen  Gegenden  der  Wechsel  von  ae  zu  e  und  au  zu  o,  sowie  das 
Verstummen  des  auslautenden  s,  t  und  m  zuerst  auftritt  und  in  welchem 
Zusammenhang  diese  Erscheinungen  mit  den  altitalischen  Dialekten  der 
fraglichen  Gebiete  stehen.  Zu  diesem  Zweck  hat  er  die  Inschriften  bis 
200  nach  Chr.  ausgebeutet  und  veranschaulicht  durch  fünf  Kärtchen 
mit  verschiedenen  Farben  die  gefundenen  Ergebnisse.  Bei  der  Zufällig- 
keit und  teilweisen  Spärlichkeit  des  uns  erhaltenen  Materials  sowie  bei 
der  ungleichen  Verteilung  auf  die  verschiedenen  Gegenden  sind  natür- 
lich die  darauf  gebauten  Schlüsse  unsicher.  Daß  für  die  Zeit  bis 
130  vor  Chr.  alle  diese  Erscheinungen  am  häufigsten  in  Inschriften 
Umbriens  bezeugt  sind,  stimmt  ja  in  der  That  mit  dem  Bestand  des 
altumbrischen  Dialektes,  welcher  au  und  oe  zu  o  und  e  schwächte  und 
die  auslautenden  Konsonanten  in  der  Regel  abwarf.  Daß  aber  Canipanien 
für  diese  Periode  kein  Beispiel  aufweist,  kann  ebensogut  in  der  geringen 
Zahl  oder  besseren  Qualität  der  erhaltenen  Inschriften  als  in  der  Eigen- 
tümlichkeit des  oskischen  Dialektes  seinen  Grund  haben.  Gerade  solche 
argumenta  ex  silentio  sind  unter  den  obwaltenden  Umständen  bedenklich. 

W.    Mej'er-Lübke,    Zur    lateinischen  Vokalquantität.     "Wiener 
Studien  1895,     S.  314—323. 

An  der  Hand  der  romanischen  Sprachen  wird  die  Quantität  einer 
Reihe  lateinischer  Wörter,  die  unsicher  oder  in  den  Lexicis  unrichtig 
angegeben  ist,  bestimmt  und  damit  zu  den  „Vulgärlateinischen  Substraten 
lateinischer  Wörter"  von  Gröber  Berichtigungen  und  Nachträge  gegeben. 

Ph.  Thielmann,  Verwechslung  von  ab  und  ob.    Commentationes 
Woelfflinianae.  Leipzig,  Teubner  1891.     S.  253—259. 

Die  Präposition  ob  konnte  sich  nicht  halten,  weil  die  Bedeutung 
von  ob  vielfach  zusammenfiel  mit  dem  ab  des  Beweggrundes  oder  der 
Veranlassung.  Daher  findet  sich  die  Vertauschung  von  ab  und  ob 
häufig  im  Spätlatein,  nicht  nur  wenn  das  Wort  selbständig  gebraucht 
wurde,  sondern  auch  in  Zusammensetzungen.  Ob  bei  Porphyrion  zu 
a.  poet.  124  ab  hoc  perfidus  Ixion  oder  zu  Hör.  carm.  1,  36,  20  quae 
(Damalis)  ab  hoc  hederae  comparata  est,  quia  ....  wirklich  Ver- 
wechslung von  ab  und  ob  vorliegt,  ist  mir  doch  zweifelhaft.  Es  ist 
doch  wohl  auszugehen  von  dem  Gebrauch  von  ab,  wie  er  sich  unzählige 
Male  bei  Varro  findet,  z.  B.  1.  lat.  V  98  pecus  ab  eo  quod*  per  pas- 
cebant,  a  quo  pecora  universa.  Zu  den  Vertauschungen  im  Eomauischeo 
wäre  noch  assouvir  =  lat.  obsopire  zu  fügen.  J 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1S91 — 97.    (Geyer.)       43 

G.  Gröber,  Verstummung  des  h,  m  und  positionslange  Silbe 
im  Latein.     Commentatioues  Woelfflinianae.     8.  169 — 182. 

Siehe  Jahresberichte  Bd.  77,  S.  129. 

Parodi,  Notereile  di  fonologia  latina :  I.  Osservazioni  intorno  al 
suono  mediano  fra  u  ed  i.  II.  Intorno  a  *bistia  ed  *ustium  uel  latiuo 
Vulgare.  Studi  italiani  di  filologia  classica,  vol.  I.  Mreuze  1893. 
S.  385—441. 

In  einer  Anzahl  lateinischer  Wörter  wechselt  in  der  nachtonigen 
Silbe  die  Schreibung  mittels  u  und  mittels  i,  z,  B.  optumus  und  optimus, 
aestumo  und  aestimo.  Die  herrschende  Meinung,  die  auch  Stolz  in  der 
2.  Auflage  der  lateinischen  Grammatik  vertritt,  ist,  an  dieser  Stelle 
sei  ein  Zwischenvokal  zwischen  i  und  u,  ü  =  griech.  u,  gestanden. 
Dieser  sei  vor  1  aus  indog.  a,  e,  o  oder  i  entstanden,  vor  p,  b,  f,  m 
aber  könne  er  aus  jedem  Vokal  entstanden  sein.  Parodi  wendet  sich 
gegen  diese  Ansicht  und  sucht  zunächst  zu  erweisen,  daß  vor  m  1.  ein 
Wechsel  zwischen  u  und  i  nur  dann  eintrete,  wenn  u  (das  ältere)  für 
indogermanisch  a  stehe;  2.  daß  u  konstant  erhalten  blieb,  wenn  o  vor- 
anging, z.  B.  incolumis.  Ausnahmen  wie  Postimius  sind  dialektisch. 
Dies  führt  zu  einem  interessanten  Exkurs  über  den  assimilierenden 
Einfluß  von  a,  e,  i  und  o.  3.  i  findet  sich  durchgehends  als  unmittel* 
barer  Nachfolger  von  ursprünglichem  e  oder  i.  Daß  der  Zwischen- 
vokal, der  auf  den  Fall  1.  beschränkt  ist,  nicht  ü  =  griech.  u  ge- 
wesen sein  kann,  beweist  Quint.  XII,  10,  27  und  die  Transskription 
desselben  in  griechischen  Wörtern.  Ähnlich  wird  der  Laut  vor  p,  b, 
vor  f  und  1  behandelt.  Weniger  sicher  ist  der  Zwischenvokal  (aus 
urspr.  u)  vor  Labialen,  gesichert  ist  er  dagegen  wieder  vor  1  (il  aus 
älterem  ul),  wenn  ein  i  vorangeht  oder  folgt,  z.  B.  Catullna  und  Catilina. 
Auch  vor  anderen  Konsonanten  wechselt  u  und  i,  namentlich  in  den 
Endungen  -iculus  und  -uculus,  wobei  im  großen  und  ganzen  die  Schrift- 
sprache die  erstere,  das  Vulgärlatein  (nach  Ausweis  der  romanischen 
Sprachen)  die  letztere  Form  bevorzugte.  Vielfach  wird  in  diesen  Aus- 
führungen auf  die  romanischen  Sprachen  Bezug  genommen;  in  einer 
längeren  Anmerkung  S.  430  f.  wird  zur  Frage  des  Vulgärlateins  gegen 
Seelmann  Stellung  genommen  und  eine  neue  Definition  des  Begriffes 
vulgär  versucht.  Was  oben  über  den  assimilierenden  Einfluß  von  i 
auseinandergesetzt  war,  wird  im  zweiten  Artikel  zur  Erklärung  der 
vulgärlateinischen  Formen  bistia  und  ustium  verwendet,  welche  aus 
ital.  biscia,  franz.  bisse  und  ital.  uscio  erschlossen  werden. 


44       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—97.   (Geyer.) 


Formenlehre. 

E.  Wölfflin,    Die  Perfektformen    amai  und  venui,    Archiv  für 
lateinische  Lexikographie  IX,  139  f. 

Die  vulgäre  Form  der  3.  Person  Singularis  auf  aut  ist  bezeugt 
durch  C.  I.  L.  IV  1391.  2048;  eine  Bildung:  auf  ät  bei  Lucrez  1,  70. 
Ob  für  die  postulierte  Form  amai  die  Siebenbürger  Wachstafel  v.  J.  160 
3exooo  auxTüjp  se-j-vai  =  Secnndus  auctor  signavit  ein  vollgültiger  Beweis 
ist,  ist  doch  fraglich,  da  auch  das  n  von  secundus  fehlt.  Besser  be- 
zeugt ist  calcai  bei  Probus.  Perfektforraen  wie  bibui,  venui,  legui 
scheinen  gebildet,  um  sie  vom  Präsens  zu  unterscheiden. 

Ohne  wissenschaftlichen  Wert  ist  der  Aufsatz  von  A.  Keller,  Die 
vulgärlateinische  Deklination  in  der  archaischen  und  klassischen  Zeit. 
Südd.  Blätter  f.  höhere  Unterr.  Anst.  1894,  S.  197—200. 


SjTitax. 

Ph.  Thielmann,  Der  Ersatz  des  ßeciprokuras  im  Latein.  Archiv 
f.  lat.  Lex.  Vn,  S.  343— .388. 

Vgl.  Jahresberichte,  Bd.  77  S.  255. 

R.  Thurneysen,  Zur  Bezeichnung  der  Reciprocität  im  gallischen 
Latein.     Archiv  VII  S.  523—527. 

Während  Thielmann  den  Untergang  von  invicem  richtig  kon- 
statiert hat,  lebt  inter  se  im  Französischen  noch  fort;  denn  im 
Französischen  kann  die  Reciprocität  bei  mehreren  Verben  durch  Zu- 
sammensetzung mit  entre  ausgedrückt  werden,  z.  B.  s'entreaimer. 

P.  Geyer,  Zur  Bezeichnung  der  Reciprocität  im  gallischen  Latein, 
Archiv  Vin  S.  482. 

Die  Aufstellungen  Thurneysens  werden  bestätigt  durch  das  in 
merowingischen  Formeln,  Zeumer  p.  247,  16,  vorkommende  interdonare 
=  inter  se  donare  und  das  Substantiv  interdonatio. 

E.  Woelfflin,    Der    reflexive    Gebrauch    der  Verba   transitiva. 
Archiv  X  S.  1—10. 

Durch  seine  Beschäftigung  mit  der  Regula  Benedicti,  in  welcher 
mehrfach  transitive  Verba  reflexiv  gebraucht  werden  (vgl.  Archiv  IX, 
S.  515  —  517),    wurde  der  Verfasser  angeregt,    einerseits  den  Ursprung 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlateiu  IS'.H— '.»7.   (Geyer.)       45 

dieses  Gebrauchs,  andererseits  seine  weitere  Verbreitung  im  Spätlatein 
zu  verfolgen.  Ein  großer  Teil  dieser  Verba  gehört  der  militärischen 
Kommandosprache  an,  z.  B.  accingerc,  recipere,  expedire,  dirigere, 
vertere,  flectere.  Das  Spätlateiu  hat  eine  Reihe  von  neuen  Formen 
geschaffen,  z.  B.  corrigere,  emendare,  reficere,  lungere.  Eine  Anzahl 
solcher  spätlateinischer  Verba  hat  Referent  gesammelt  in  dem  Pro- 
gramm über  Autoninus  Placentinus,  Augsburg  1892  S.  18 — 21,  doch 
fehlt  immer  noch  eine  vollständige  Sammlung. 

P.    Ge5'er,    Männliche    Verbalsubstantiva    mit    dem    Kasus    des 
Verbums.     Archiv  IX  S.  577. 

Diese  nach  Dräger  auf  Plautus  beschränkte  Verbindung  taucht 
im  Spätlatein,  namentlich  in  Gallien,  wieder  auf. 

H.   Blase,    Geschichte    des  Plusquamperfektes    im  Lateinischen. 
Gießen  1894.     112  S. 

Diese  wichtige  Arbeit  schließt  sich  der  1888  erschienenen  Ge- 
schichte des  Irrealis  würdig  an,  mit  der  sie  sich  vielfach  berührt.  Der 
Verfasser  verfügt  über  ein  außerordentlich  reiches,  mit  staunenswertem 
Fleiß  gesammeltes  Material.  Die  einzelnen  Fälle,  in  denen  verschobenes 
Plusquamperfekt  vorzuliegen  scheint,  werden  scharfsinnig  geprüft  und 
in  vielen  Fällen  das  Plusquamperfekt  als  logisch  richtig  verwendet 
nachgewiesen.  Dabei  ergibt  sich  als  wichtigstes  Resultat,  daß  ein 
absolutes  Plusquamperfekt  nicht  existiert,  sondern  dasselbe  stets  auf 
eine  vorausgehende  oder  folgende  vergangene  Handlung  bezogen  ist. 
Die  Tempusverschiebung  geht  schon  im  Altlateinischen  vom  Indikativ 
aus,  und  zwar  von  fueram,  dann  folgen  die  Verba  des  Könnens,  Sollens 
und  Müssens  und  habere,  im  Spätlatein  auch  andere.  Daß  dieser  Ge- 
brauch vulgär  war,  erhellt  aus  dem  zuerst  bei  Vitniv  und  den  Ver- 
fassern des  bellum  Africanum  und  Büspan.  beobachteten  öfteren  Vor- 
kommen. Wie  fast  alle  Vulgarismen  tritt  auch  dieser  von  der  zweiten 
Hälfte  des  zweiten  Jahrhunderts  an  massenhaft  bei  den  Afrikanern  auf, 
200  Jahre  später  auch  in  Gallien  und  Italien.  Später  beginnt  die  Ver- 
schiebung des  Konjunktivs,  außer  in  Bedingungs-  und  Wunschsätzen. 
Dieselbe  tritt  erst  bei  Vitruv  stärker  hervor,  kommt  dann  bei  den 
Afrikanern  zum  Durchbruch,  seit  400  auch  in  Italien  und  Gallien  mit 
immer  zunehmender  Häufigkeit  und  geht  in  die  romanischen  Sprachen 
über.  Ob  darin  mit  dem  Verfasser  ein  Punismus  zu  erblicken  ist,  er- 
scheint mir  trotzdem  sehr  zweifelhaft.  Dem  widerspricht  die  starke 
Beteiligung  Vitruvs  und  die  allgemeine  Verbreitung  in  den  romanischen 
Sprachen.  Daß  Italien  und  Gallien  au  diesem  Vulgarismus  erst  200  Jahre 
später  beteiligt  ist,  kann  doch  in  der  besseren  grammatikalischen  Schulung 
der  Schriftsteller  dieser  Länder  begründet  sein. 


46       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—97.   (Geyer.) 


Wortbildung  und  Lexikographie. 

t^ber  "Wortbildung  im  Vulgärlatein  liegt  ein  umfassendes  Werk 
vor,  das  umfangreichste,  das  auf  dem  Gebiet  des  Vulgärlateins  in  den 
letzten  Jahren  erschienen  ist: 

Frederic  Taber  Cooper,  Wordformation  in  the  roman  sermo 
plebeius,  an  historical  study  on  the  development  of  vocabulary  m 
vulgär  and  late  Latin,  with  special  reference  to  the  romance  languages. 
Boston  and  London.    Ginn  and  Company  1895.    8.    XLVII.  329  S. 

Die  Wortbildung  im  serrao  plebeius  läßt  sich  nicht  von  der 
sonstigen  Wortbildung  trennen;  darum  ist  die  Aufgabe,  die  sich  der 
Verfasser  gestellt  hat,  von  vornherein  unlösbar.  Immerhin  ist  .das 
Buch  eine  nützliche  Arbeit,  da  der  Verf.  mit  großem  Fleiß  sein  Material 
zusammengetragen  hat.  Freilich  hat  er  dabei  nicht  aus  erster  Quelle 
geschöpft,  sondern  aus  sprachlichen  Abhandlungen  und  Indices  seinen 
Stoff  gesammelt,  der  je  nach  der  Beschaffenheit  der  Hülfsmittel  bald 
mehr,  bald  weniger  vollständig  ist.  Nicht  zu  billigen  ist,  daß  gerade 
eine  Hauptquelle  der  vulgärlateinischen  Wortbildung,  Itala  und  Vulgata, 
sowie  die  Glossen  und  Inschriften  vollständig  ausgeschlossen  sind.  Aus- 
führlicher habe  ich  über  dies  Werk  referiert  in  der  Berliner  philol. 
Wochenschrift  1896,  Spalte  1206—1210. 

A.  Funck,  Neue  Beiträge  zur  Kenntnis  der  lateinischen  Adverbia 
auf  im.     Archiv  f.  lat.  Lexikographie  VII  S.  485—501. 

Derselbe:  Die  lateinischen  Adverbia  auf  im,  ihre  Bildung  und 
Geschichte.     Archiv  VIII  S.  77—114. 

Vgl.  Jahresberichte  Bd.  77  S.  186  f. 

E.  Woelfflin,  Umschreibungen  mit  tempus.  mitan.  Archiv  VIII 
S.  595. 

Ob  franz.    mitan   wirklich    mit    medium  tempus    zusammenhängt, 
vermag  ich  nicht  zu  beurteilen. 

E.  Wölfflin,  Die  alten  und  neuen  Aufgaben  des  Thesaurus 
linguae  latinae.    Archiv  IX  S.  3 — 16. 

Derselbe,  Die  neuen  Aufgaben  des  Thesaurus  linguae  latinae. 
Sitzungsberichte  der  philos. -philol.  Klasse  der  bayer.  Akademie  der 
Wissenschaften  1894.     S.  93—183. 

Die   lateinische  Lexikographie  ist  eine  selbständige  Wissenschaft 
geworden;    das    lateinische    Wörterbuch    darf    daher    nicht    mehr   ein 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  ISOl— 97.    (Geyer.)       47 

bloßes  Hülfsmittel  für  den  Lateinschreibenden  oder  Kritiker  sein, 
sondern  muß  seinen  Zweck  in  sich  selbst  tragen ;  dieser  ist,  die  Lebens- 
geschichte eines  jeden  "Wortes  zu  geben.  Deshalb  müssen  nicht  nur  die 
bisherigen  Aufgaben  des  lateinischen  Wörterbuchs:  Form,  Prosodie, 
Etymologie,  Bedeutung,  syntaktischer  Gebrauch  der  Wörter,  in  voll- 
kommenerer Weise  gelöst  werden  als  bisher,  sondern  es  treten  auch 
neue  Aufgaben  an  die  junge  Wissenschaft  heran.  Neue  Wörter  sind 
zu  den  alten  hinzugekommen,  das  erste  Auftreten  und  das  letzte  Vor- 
kommen der  Wörter,  die  Ursachen  der  Neubildungen  sind  festzustellen. 
Neue  Gesichtspunkte  sind  auch  die  lokale  Verbreitung,  die  Ursachen 
des  Aussterbens  mancher  Wörter,  die  Mittel,  durch  welche  die  Sprache 
sie  lebensfähig  zu  erhalten  suchte,  die  Konkurrenten,  durch  welche 
untergehende  Wörter  ersetzt  wurden,  bis  einer  von  ihnen  den  Sieg 
davontrug.  Dies  ist  in  wenigen  Worten  der  reiche  Lihalt  der  beiden 
Artikel,  deren  Lektüre  die  treiflich  gewählten  Beispiele  besonders 
genuß-  und  lehrreich  machen.  Welche  Aufgaben  der  neue  Thesaurus 
zu  lösen  verspricht  und  in  welcher  Weise,  wird  an  dem  Beispiel  von 
edere,  nebst  seinen  Ersatzmitteln  comedere,  manducare,  gustare, 
cibare  u.  s.  w.  gezeigt.  Besonders  interessant  sind  die  Ausführungen  über 
afrikanisches,  gallisches,  spanisches  und  italienisches  Latein  S.  102 — 107. 

J.  Huemer,  Die  Sammlung  vulgär  lateinischer  Wortformen.  Ver- 
handlungen der  42.  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schul- 
männer in  Wien.     Leipzig  1894.     S.  271—280. 

Das  Wörterbuch  der  lateinischen  Wortformen  von  Georges  ist 
unvollständig  und  ungenau,  da  manche  wichtige  Quellen  nunmehr  in 
wesentlich  berichtigterer  Form  vorliegen,  andere  für  das  Vulgärlatein 
wichtige  Schriftsteller  wie  Silvia,  Gregor  von  Tours,  die  scriptores  rer. 
Merov.  überhaupt  nicht  berücksichtigt  sind.  Dies  wird  an  einem  signi- 
fikanten Beispiel,  an  den  archaischen  Genetivformen  mis  und  tis  gezeigt. 
Die  Grammatikerzeugnisse  für  dieselben  sind  bei  Georges  und  Neue 
unvollständig.  Dann  tauchen  diese  Formen  bei  gallischen  Autoren  des 
5.  und  G.  Jahrhunderts,  bei  Virgilius  Marc  und  im  über  Dhuodae 
(9.  Jahrhundert)  wieder  auf.  Ganz  verfehlt  ist  aber  der  Versuch 
Huemers,  aus  diesen  archaischen  Formen  die  einsilbige  Form  des 
Possessiv-Pronomens  im  Französischen  abzuleiten.  Einmal  ist  mis  und 
tis  nie  eine  Form  der  Umgangssprache  gewesen,  sondern  nur  durch 
gelehrte  Grammatiker  wieder  aus  der  archaischen  Rumpelkammer 
hervorgeholt  worden,  sodann  spricht  gegen  die  Hypothese,  aus  mis  sei 
in  der  gallischen  Umgangssprache  rai  geworden,  zu  diesem  Genetiv 
habe  man  nun  den  Nominativ  mus  gebildet,  der  Umstand,  daß  gerade 
in  Gallien  schließendes  s  streng  bewahrt  blieb. 


48       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—97.    (Geyer.) 

C.  Weyman,  Kritisch -sprachliche  Analektea.  Zeitschrift  für 
die  österreichischen  Gymnasieu  1894,  S.  201—204.  1075—1078.  1895, 
S.  296—298.  594—598. 

In  Verbinduug  mit  Emeudationen  oder  zur  Zurückweisung  un- 
nötiger Konjekturen  werden  aus  spätlateinischen  Schriftstellern  Belege 
zu  selteneren  Wörtern  oder  Bedeutung-en  gegeben,  wie  incolatus,  secta  — 
Grundsätze,  senior  —  minor  und  maior  —  iunior,  servator  neben  salvator, 
artificus,  discedere  ^=  mori  und  recedere  =  decedere  [auch  Silvia  S.  71,14 
und  recessus  Tod  52,  6],  deferre  -=  efferre,  feraina  sollers,  Bezeichnung 
der  Hebamme  in  Gallien  etc. 

C.   Weyman,    Addenda    lexicis  latinis,    Archiv    f.   lat.  Lex.  IX 
137-139, 
teilt  aus  den  Apocrypha  an  ecdota,    herausgegeben  von  James,    Cam- 
bridge 1893,  eine  Anzahl  in  den  Wörterbüchern  fehlender  Wörter  mit. 

Einzelne  Wörter  sind  im  Archiv  für  lateinische  Lexikographie 
in  großer  Anzahl  besprochen.  Indem  ich  die  hauptsächlichsten  hervor- 
hebe, bemerke  ich,  daß  jedem  Bande  am  Schlüsse  der  Inhaltsangabe 
ein  Verzeichnis  der  besprochenen  Wörter  beigegeben  ist. 

M.  Petschenig,  Archiv  VIII  S.  140,  C.  Weyman,  Archiv  Vm 
S.  482,  W.  Heraeus,  Archiv  IX  S.  134,  Colligere  ^  tollere. 

Diese  Bedeutung  wird  aus  Quintilian  declam.,  Justinus,  Frontinus, 
Augustinus,  Aurelius  Victor,  Eutropius,  Dictys,  Rufinus,  Nepotianus  be- 
legt. Da  tollere  die  Bedeutung  des  untergehenden  sumere  erhielt, 
mußte  für  die  ursprüngliche  Bedeutung  von  tollere  ein  Ersatz  gesucht 
werden. 

C.  Goetz,  Constitutus  =  xaOca-ctu;,  wv  bei  Cyprianus.    Archiv  IX 
S.  307. 
sammelt  sämtliche  Belegstellen.     Daß   dieser  Gebrauch  kein  Afrikanis- 
raus  ist,  geht  unter  anderem  aus  seinem  Vorkommen  bei  Solin  hervor. 
Vgl.  Blätter  f.  das  bayer.  Gymn.  Bd.  32  S.  402. 

E.  Wölfflin,  Eques  =  equus,  Archiv  X  S.  286. 

Dieser  von  Ennius  ausgegangene  vulgäre  Gebrauch  findet  sich 
wieder  im  bell.  Hispan. ,  bei  Min.  Felix  und  im  Spätlatein,  z.  B.  bei 
Gregor  von  Tours. 

G.  Ries,  Eques  =  equus,  Archiv  X  S.  452 
nimmt    ohne    zwingenden    Grund    diese    Bedeutung    auch    bei    Prontin 
Strateg.  2,  5,  31  an. 

E.  Wölfflin,  Exemplare,  Archiv  VIII  S.  591. 
Nach  einer  Vermutung  Dombarts  ist  dies  aus  der  Itala  bekannte 
Verbum  auch  bei  Tertullian,  adv.  nat.  1,  5,  erhalten. 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1801—1)7.    (Geyer.)       49 

B.  Kühler,  Focaria  Konkubiuc,  Archiv  X  S.  448  stammt  aus 
der  Lagersprache. 

R.  Ehwald,  Gallaria,  Archiv  IX  S.  306. 

In  dem  Gedicht  gegen  Nicom.  Flavian.,  cod.  Paris.  8084  saec.  VI, 
V.  46:  Gallaiibus  subito  niembra  circiimdare  suetus  (cod.  subtus)  soll 
gallaribus  =  gallicis  sein  [zu  erinnern  wäre  an  gallicula].  Mir  scheint 
dieser  Auffassung  der  Ausdruck  membra  circumdare  zu  widersprechen. 

F.  Skutsch,  Jaientare,  iaiunus,  Archiv  VII  S.  527. 

J.  v.  d.  Vliet,  Incommoditas,  Archiv  X  S.  16. 

Dem  Verfasser  ist  entgangen,  daß  ich  bereits  in  dem  Programm 
des  Gymnasiums  bei  St.  Anna  in  Augsburg  1890  bei  Silvia  S.  19,  1 
(Gam.-)  statt  in  quo  moditas  vorgeschlagen  habe  incommoditas. 

E.  Ludwig,  Isse  =  ipse  Archiv  X  S.  450. 

Daß  Sedul.  pasch,  carm.  I  310  diese  Form  gebraucht  habe,  ist 
nicht  wahrscheinlich;  esse  im  Text  ist  wohl  ein  Produkt  des  Schreibers 
des  Archetypus  des  cod.  Taur. 

E.  Wölfflin,  Lupana,  Archiv  Vin  S.  145. 

A.  Sonny,  Lupana,  Archiv  VIII  S.  500. 

Dies  seltene  Wort  ist  außer  bei  Ps.  C^'prian  de  spect.  c.  5  und 
de  habitu  virginum  c.  12  auch  bei  Cypr.  ep.  62,  3,  vielleicht  auch  bei 
Hieron.  Ep.  117,  7  zu  lesen. 

L.  Bürchner,  Mafortium,  Archiv  VIII  S.  114 
weist    dies  Wort    in    einem   neu    entdeckten    Bruchstück    des  Edictum 
Diocletiani  nach. 

M.  Bonnet,  Mane  femiuinum,  Archiv  VII  S.  568. 
W.  Schulze,  Mauuclus,  Archiv  VIII  S.  133. 
Diese  von  Groeber,    Archiv  VI  S.  392,    erschlossene  Form  und 
analoge  Bildungen  finden  sich  öfters  in  Inschriften. 

L.  Havet,  Meminens,  Archiv  X  S.  176. 

E.  Wölfflin,  Der  Infinitiv  merainere,  Archiv  X  S.  10. 

L.  Havet,  Mentio  =  mentior,  Archiv  X  S.  175. 

Die  aktive  Form  war  bisher  nur  als  spätlateinisch  bekannt;  durch 
Konjektur  wird  sie  auch  Plautus,  ililes  250,  hergestellt. 

H.  Blase,  Modo  si,  Archiv  X  S.  292. 

Dieser  angebliche  Afrikanismus  für  si  modo  ist  in    der  That  ein 
Archaismus,  der  aus  Plautus,  Ovid  und  Properz  belegt  wird. 

C.  Weyman,  Genibus  nixis,  Archiv  VIII  S.  293. 
So    ist   bei  Cyprian    de    op.  et    el.  6  p.  378,  7  und    bei  Dictys 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.  Bd.  LXXXXVin.  (1898.  III.)     4 


50       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—97.   (Geyer.) 

in  22,  p.  65,  24  zu  lesen,  nicht  in  nixus  zu  ändern,  da  sich  diese 
Wendung  auch  bei  Aruobius  und  Corippus  findet. 

P.  Geyer,  Orum  Kand,  Archiv  IX  S.  300. 

Diese  nach  Ausweis  dei-  romanischen  Sprachen  vulgärlateinische 
Form  wird  nachgewiesen  aus  Antonini  Plac.  Itinerarium,  S.  15,  6; 
desgleichen  pausum  =  pausa  aus  der  Vita  Hugberti. 

F.  Weirich,  Perspicivus,  Archiv  X.  S.  136. 

A.  Funck,  Praemiscuus  =  promiscuus  und  ähnliches,  Archiv  IX 
S.  304. 

Im  Spätlatein  scheinen  öfters  die  verwandten  Präpositionen  prae 
und  pro  miteinander  vertauscht  worden  zu  sein. 

P.  Geyer,  Praesens  ^=  r]7ouiJ!.evoc,  Archiv  X  S.  137. 

Der  Gebrauch  von  praesens  als  Part.  Präs.  von  praeesse,  den 
Stowasser  für  Porphyrio  zu  Horaz  ep.  1,  20  annimmt,  wird  bestritten. 

C.  Weyman,  Procedere  =  proferre,  Archiv  IX  S.  136. 

Das  von  mii-  bei  Antonin  Plac.  p.  9,  10  ed.  Gildemeister  be- 
sprochene procedere  (procedente  s.  crnce,  procedunt  ministeria)  wird 
als  specifisch  liturgische  Redeweise  nachgewiesen. 

E.  Ludwig,  Praepositionales  retro,  Archiv  VIII  S.  294. 

Diese  bisher  nur  spärlich  bezeugte  Verwendung  von  retro  kommt 
auch  bei  Apuleius  met.  6,  8  und  Sedul.  pasch,  op.  I  p.  168  vor. 

E.  Wölfflin,  Senus  =  Sinus,  Archiv  X  S.  451. 

Diese  Form  wird  angenommen,  nicht  etwa  als  Vulgarismus  des 
Schreibers,  sondern  Ciceros  selbst,  Cic.  ep.  7,  1,  1,  was  doch  recht 
wenig  wahrscheinlich  ist. 

Eine  wesentliche  Bereicherung  des  lateinischen  Wörterbuches  ist 
zu  erwarten  durch  eine  vorsichtige,  methodische  Benützung  des  durch 
das  große  Werk  von  Loewe  erst  allgemein  zugänglich  gewordenen 
Glossenmaterials.  Auch  die  Notae  Tironianae  (F.  Kueß,  Archiv 
IX  S.  231—45)  und  medizinische  Werke  versprechen  noch  manche 
Ausbeute.  Darum  sollen  gleich  hier  mehrere  glossographische  Studien 
besprochen  werden.    Die  wertvollste  unter  diesen  Arbeiten  ist 

G.    Landgraf,     Glossographie    und    Wörterbuch,     Archiv    IX 
S.  355—446. 

Derselbe,  nucula  •=  somnia,  Archiv  X  S.  278. 

In  dieser  interessanten  Abhandlung  wird  gezeigt,  wie  auf 
methodischem  Wege  das  Glossenmaterial  des  4.  und  5.  Bandes  des 
C.  Gl.  L.  gesichtet  werden  muß,  um  für  das  lateinische  und  romanische 
Wörterbuch  verwendet  werden  zu  können.    Dem  Lemma  wie  den  Glossen 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—07.   (Geyer.)       51 

selbst  gegenüber  ist  größte  Vorsicht  geboten  wegen  der  vielen  Korruptelen, 
der  Kontamination  verschiedenartiger  Glossen  und  der  öfters  bereits  im 
Übergang  zum  Romanischeu  begriffenen  Form,   z.  B.  scabrones,  ilittel- 
form  zwischen  lateinisch  crabro  und  italienisch  scalabrone.  Von  eminenter 
"Wichtigkeit  sind  die  Glossen  für  die  romanischen  Sprachen.    Eine  größere 
Zahl  von  lateinischen  Grundwörtern,   die  bei  Körting,   Lateinisch-roma- 
nisches "Wörterbuch,    angesetzt  sind,    werden  entweder  zuerst    aus  den 
Glossen  nachgewiesen  oder  erhalten  neue,  interessante  Belege,  z.  B.  pedo, 
carricare,  cavanus.    Das  letztere  "Wort  findet  sich  indes  schon  bei  dem 
Gallier  Eucherius  Inst.  II,  9   de  idolis,    p.   155   der   Wiener  Ausgabe, 
scheint  also  dem  gallischen  Latein  zugeschrieben  werden  zu  dürfen,  da 
es  nur  im  französischen  chavanne  fortlebt.     Die    von  Landgraf  S.  445 
vorgeschlagene  Ableitung    des    provenc.   cauanu    von    dem    lateinischen 
"Wort  ist  übrigens  schon  von  Diez  vorgenommen  worden.    Bei  Eucherius 
a.  a.  0.  p.  157  findet  sich  auch  nycticorax,    für  das  Landgraf   keinen 
Beleg    kennt.     V,  291,  5  Ethna  mons  in    sicilia    fungans  (S.  374)  ist 
nicht  fumans,  sondern  fumigans  zu  lesen.     Eallere  =  mentiri  (S.  377) 
kommt    auch    bei    Antonin.   Plac.   S.  12,  5   vor.     Zu    figatum  =  iecur 
(S.   378)   vgl.  Archiv  VIII  S.   470.      Die    sonderbare    Erklärung    von 
senodus  =  congregatio  senum  erinnert  an  die  Etymologie  von  senpecta 
(ao|x-aixT7)c)  in  der  Regula  Benedicti  27,  6  ed.  "Wölfflin  ,senior  frater'. 
Das  bei  Georges  nur    durch  Firm.  Mat.   belegte  porcarius  war    sicher 
der    Volkssprache    eigen.     In    merovingischen    Urkunden    begegnet    es 
öfter,  z.  B.  Pardessus,  Diplomata  448  a.  690  vacarios,  porcarios,   ver- 
vecarios  und  458  a.  704  cum  mancipiis  et  iumentis,  vaccariis,  pastoribus, 
porcariis.    Zu  manicare  —  (^pöpt'^eiv  vgl.  Colloq.  Harleiauum  III  p.  638. 
S.  392   wird  IV,  107,  48  livare  degustare  aut  minuare  vom  Verf.  ge- 
bessert libarej   degustare  aut    minuere.     Ein  Anlaß   zur  Änderung    der 
Form  minuare  liegt  nicht  vor;    dieselbe  kommt   oft  in    merovingischen 
Formeln  und  Urkunden  vor    und    lebt   in    den    romanischen  Sprachen 
fort.    Olitanus  (S.  405)  findet  sich  nicht  nur  bei  Marcellus  de  med.  20,  47, 
sondern  auch  an  drei  anderen  Stellen,   vgl.  Archiv  VIII  S.  472  Anm. 
S.  406  erscheint  V,  324,  20   in   pro  virili  parte]  qui  pro   se  und  IV, 
15],  35  qnis  pro  se  die  Form  qui  oder  quis  =  quisque  wie  bei  Silvia 
und  im  Anonymus  Valesianus,  ist  also  eine  Änderung  in  quisque  nicht 
nötig.    S.  480  zu  dem    gallischen  Verbum  carmiuat  vgl.  Archiv  VIII 
S.  476.     Confusio  nimmt  im  Spätlatein  nicht  die  Bedeutung  von  rubor 
an,  wie  S.  416  gesagt  wird,  sondern  von  pudor.    S.  420:  Die  Schwierig- 
keit, welche  in  der  Glosse:   resuit,  dissit,    condisire  liegt,   scheint  mir 
am  einfachsten  zu  heben    zu   sein    durch  Umstellung:    disconsire.     Das 
"Wort  stloppus  (S.  429)  kommt  außer  bei  Persius  auch  bei  Marc.  Emp. 
vor,  vgl.  Archiv  VIII  S.  471.     Statt  lectorium  ist  lectarium  zu  lesen, 

4* 


52       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1S91— 07.   (Geyer.) 

siehe  Du  Gange  s.  v.  S.  438:  vasa  que  intor  norasa  sunt  darf  ,iü'  nicht 
ausgeworfen  werden;  es  ist  wie  so  oft  im  Spätlatein  instrumental  ge- 
braucht. S.  440:  IV,  195,  3  unicuba,  bisher  nur  bekannt  aus  afrika- 
nischen Inschriften,  vgl.  Archiv  VIII  S.  183.  In  der  S.  441  emen- 
dierteu  Glosse  steckt  in  aelaniorum  eher  avellanarum  als  colurnae, 
IV,  195,  39  steckt  in  lucane,  in  quibus  iumente  volutantur  eher  lacunae 
als  loca.  S.  442  wird  die  Glosse  ergänzt  Vir:  a  virtute  nomen  accepit, 
ut  Varro  docet,  sicut  et  mulier  <a  mollitie> ;  der  Wortlaut  erinnert 
an  Virg.  Gramm,  p.  86,  5  ed.  Huemer:  vir  a  virtute  nominatur,  mulier 
a  mulitudine  (=--^  mollitudine)  sexus. 

Nachträge  und  Berichtigungen  zu  diesem  Artikel  liefert 

C.  Weyman,  Glossographisches  zu  Archiv  IX  S.  355ff.,  Archiv  IX 
S.  546. 

In  mehreren  Artikeln  liefert  0.  Schlutter  weitere  Beiträge  zur 
Emendation  der  Glossen: 

0.  Schlutter,  Zur  lateinischen  Glossographie,  Archiv  X,  S.  11 — 
15.     187-208.     361—366. 

A.  Funck,  Glossographische  Studien,  Archiv  VIII  S.  369—396. 

Aus  dem  Corpus  Glossariorum  wird  1.  eine  Anzahl  (181)  Wörter 
zusammengestellt,  die  bei  Georges  fehlen;  2.  solche,  die  bisher  nur  mit 
einer  anderen  Endung  oder  in  anderer  Funktion  bekannt  waren;  3.  solche, 
die  in  auffallend  neuer  Bedeutung  verwendet  werden.  Im  ersten  Ab- 
schnitt sind  für  die  romanischen  Sprachen  besonders  interessant:  canutus, 
carrarius,  cavola,  cultellaiius,  distrigilare,  exsquamare,  forficare,  martellus, 
pareclns,  pustella,  solicularis,  ventricellus. 

J.  van  der  Vliet,  Notulae  ad  glossas  nominum,  Archiv  IX 
S.  302—304. 

W.  M.  Lindsay,  Spätlateinische  Randglossen  in  Nonius,  Archiv  X 
S.  598  f. 

Aus  dem  cod.  Harleianus  s.  IX/X  wird  eine  Serie  Glossen  mit- 
geteilt, die  anderswoher  nicht  bekannt  ist  und  sich  mit  bretonischen 
Glossen  berührt. 

H.  Stadler,  Lateinische  Pflanzennamen  im  Dioskorides,  Archiv  IX 
S.  83-115. 

In  den  aus  dem  Anfange  des  6.  Jahrhunderts  stammenden  Wiener 
Handschriften  des  Dioskorides  finden  sich  zu  den  eigentlichen  Pflanzen- 
namen von  derselben  Hand  geschriebene  Synonyma,  darunter  eine  An- 
zahl lateinischer.  Viele  Pflanzennamen ,  die  bisher  ganz  spät  zu  sein 
schienen,  können  nunmehr  ins  5.  und  4.  Jahrhundert  hinaufgerückt 
werden. 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1S91— 97.    (Geyer.)       53 

Medizinische  Rezepte  aus  der  Karolingerzeit  beutet  für  dies 
"Wörterbuch  aus 

C.  H.  Moore,  Die  medizinischen  Eezepte  in  den  Miscellanea 
Tironiaua,  Archiv  X  S.  253—272. 

Unter  den  neuen  Formen  und  Bedeutungen  ließen  sich  wohl 
manche  auch  bei  anderen  Medizinern  finden,  z.  B.  nescia  =  scia  oder 
ischias  auch  bei  llurcellus  Empiricus,  vgl.  den  Index  von  Ilelmreich,  eine 
Form,  die  sich  wie  eine  Volksetymologie  ansieht;  tisicus  bei  Theod.  Prise. 
Manches  interessante  Wort  w'eist  das  Verzeichnis  der  „neuen  Wörter" 
auf,  z.  B.  buticula  Fläschchen,  cardo  und  cardus  Distel,  cervella  Hirn, 
gutta  =  rheuma,  nucarius  (nogarius)  Nußbaum,  peciola,  salmarium, 
scorcia  Rinde.  Glaubt  Moore  als  Heimat  der  Handschrift  Italien 
annehmen  zu  dürfen,  so  weist  manches  darauf  hin,  daß  die  Rezepte 
wenigstens  zum  Teil  in  Frankreich  entstanden  sind;  so  corale  (S.  268  u.), 
das  Gregor  von  Tours  als  eine  Bezeichnung  der  rusticiores  angiebt; 
cardo  ==  Carduus  nach  Archiv  VIII  S.  473;  endlich  die  Bezeichnung 
des  Nußbaumes  nogarius,  franz.  noyer.  prov.  noguiers;  denn  die  Be- 
zeichnung der  Bäume  mittels  des  Suffixes  arius  ist  auf  den  Westen 
des  romanischen  Sprachgebietes  beschränkt,  vgl.  Zimmermann,  Geschichte 
des  lateinischen  Suffixes  arius  in  den  romanischen  Sprachen,  Heidel- 
berg 1895,  S.  77.  Mir  war  bisher  nur  ein  Ortsname  Nugaretum  be- 
kannt, der  auf  nugarius  schließen  läßt,  Pard.  Dipl.  414  a.  691,  und 
nogaretas  in  einer  formula  Marculfi,  De  Roziere  p.  798  a.  876  (an- 
geführt bei  Diez,  Grammatik  der  romanischen  Sprachen,  5.  Aufl.  S.  667). 

Indem  ich  mich  zu  dem 

Sprachgebrauch  einzelner  Schriftsteller 

wende,  begnüge  ich  mich  bei  denjenigen  Arbeiten,  die  vorwiegend  in 
ein  anderes  Referat  fallen,  mit  der  Angabe  des  Titels;  die  afrikanischen 
Schriftsteller  werden  am  Schluß   im  Zusammenhang  behandelt  werden. 

E.  Gebhard,  De  D.  lunii  Bruti  genere  dicendi.  Diss.  Jena 
1891.     56  S. 

A.  Rhodius,  De  syntaxi  Planciana.  Bautzen  1894.  32  S.  4. 
(Programm.)  Vgl.  die  eingehende  Rezension  von  L.  Bergmüller, 
Archiv  f.  lat.  Lexik.  IX  S.  149—152. 

J.  H.  Schmalz,  Über  Charakter  und  Sprache  des  Matius. 
Commentationes  Woelfllinianae.     Leipzig  1891.     S.  269 — 274. 

L.  Bergmüller,  Zur  Latinität  der  Briefe  des  L.  Munatius 
Plancus  an  Cicero.  Programm  des  Alten  Gymnasiums  in  Regens- 
burg 1896.     26  S. 


54       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1801—07.    (Geyer.) 

L.  Bergmüller,  Über  die  Latinität  der  Briefe  des  L.  Munatius 
Plaucus  an  Cicero.    Erlangen  und  Leipzig,  G.   Böhme  1897.    102  S. 

R.  Jonas,  Über  den  Gebrauch  der  Verba  frequeutativa  und  in- 
tensiva  in  Ciceros  Briefen,  Festschrift  für  Friedländer.  Leipzig  1895, 
Hirzel.     S.  149-162. 

Karl  Rein,  Über  Ciceros  Briefstil.  Chemnitz  1895.  Programm. 
18  S.    4. 

Die  letzte  Arbeit  soll  den  Zusammenhang  zwischen  Briefstil  und 
Umgangssprache  beleuchten.  Sie  bietet  nichts  Neues.  Als  Charakte- 
ristisch für  den  sermo  cotidianus  wird  aus  Ciceros  Briefen  ad  Atticum 
eine  Anzahl  von  Deminutiven  zusammengestellt,  dann  werden  Beispiele 
für  Breite  und  Fülle  des  Ausdrucks  gegeben,  wobei  sich  der  Verfasser 
vielfach  mit  Egli  berührt:  Die  Hyperbel  in  den  Komödien  des  Plautus 
und  in  Ciceros  Briefen  an  Atticus.  Programme  von  Zug  1891,  1892 
und  1893,  aus  dessen  reichhaltigen  Sammlungen  die  Beispiele  entnommen 
sind.  Daran  reiht  sich  ein  Abschnitt  über  Gemination,  bei  welchem  der 
Verf.  die  Abhandlung  von  Wölfflin,  die  Gemination  im  Lateinischen, 
Sitzungsberichte  der  bayer.  Akademie  der  Wissenschaften,  philos.-philol. 
Klasse  1882,  S.  422—491  nicht  hätte  übersehen  sollen.  Mit  einem 
merkwürdigen  Übergang  wendet  sich  der  Verf.  dann  zu  den  Verbal- 
formen auf  -re  in  der  2.  p.  sing.  pass.  und  zu  den  zusammengezogenen 
Formen  des  Perfektstammes. 

Die  Hauptquelle  unserer  Kenntnis  des  Vulgärlateins  ist  und  bleibt 
Petronius,  und  zwar  die  Sprache,  in  der  Trimalchio  und  seine  Mit- 
freigelassenen reden.  Neben  der  in  erster  Linie  stehenden  sachlichen 
Erklärung  ist  auch  in  sprachlicher  Hinsicht  reiche  Belehrung  zu  schöpfen 
aus  der  schönen  Ausgabe 

Petronii  Cena  Trimalchionis.  Mit  deutscher  Übersetzung  und  er- 
klärenden Anmerkungen  von  Ludwig  Friedländer.  Leipzig,  Hirzel  1891. 

0.  Funck,  Zu  Petronius  und  lateinischen  Glossaren,  Philologus 
Bd.  53,  S.  127-^131. 

Glossen  aus  dem  2.  und  3.  Band  des  Corpus  Gloss.  werden  zur 
Erklärung  Petrons  beigezogen.  Tonstrinum  =  Barbierstube  (Fried- 
länder c.  64)  wird  bestätigt  durch  Gloss.  II  354,  24,  lacticulosus  = 
Milchbart  c.  57  durch  III  179,  40  und  251,  65,  die  schöne  Vermutung- 
von  Reinesius  c.  43  oricularios  Ohrenbläser  statt  oracularios  durch  II 
482,  50  üJTay.ou3Tr,c  auricularius.  Der  Graecismus  maledicere  Trimal- 
chionem  kehrt  wieder  CoUoq.  Harleianum  III  641,  16:  Xotoopetj  fj.£ 
maledicis  me  [übrigens  schon  bei  Tertullian,  Cyprian,  Arnobius  cf.  Koff- 
mane,  Geschichte  des  Kircheulateins  S.  78]. 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spütlatein  1891—07.   (Geyer.)       55 

Elimar  Klebs,  Petroniana.  Philologus  1893.  6.  Sapplement- 
band.    S.  659—698. 

Hier  kommt  uur  der  zweite  Anhang  in  betracht  p,  692  ff. :  Urbs, 
oppidum,  civitas,  patria.  Civitas  in  lokalem  Sinn  zuerst  bei  Ennius, 
dann  bei  Dolabella  (Cic.  ep.  fara.  9,  9,  3),  öfters  bei  Vitruv,  wird  im 
silbernen  Latein  (Petron.,  Seu.  phil.,  Qnint.,  Tac,  Suet.,  Justin.)  all- 
gemein. In  der  Volkssprache  ist  colonia  oder  patria  gebräuchlich. 
Auf  municipalen  Inschriften  heißt  die  Stadt  nie  urbs  oder  oppidum, 
sondern  nach  ihrer  rechtlichen  Stellung  colonia,  municipium,  oder  es 
wird  die  allgemeine  Bezeichnung  civitas,  patria  oder  respublica  ge- 
wählt. Auch  in  den  Briefen  des  jüngeren  Plinius  tritt  urbs  und  oppidum 
bedeutend  zurück.  Im  zweiten  Jalu'hundert  ist  civitas  das  herrschende 
Wort,  da  der  rechtliche  Bedeutungsunterschied  zwischen  colonia  und 
municipium  geschwunden  war.  Am  Absterben  von  urbs  ist  also  nicht 
die  Lautbeschaffenheit  schuld.  Urbs  und  oppidum  erhielt  sich  nur  bei 
den  unter  dem  Einfluß  älterer  Schriftwerke  stehenden  Autoren,  vor 
allem  bei  den  Historikern. 

Petschenig,  Sprachliches  zu  Frontins  Strategemata,  Philologus, 
6.  Supplementband,  S.  399  f. 

Verschiedene  von  den  Herausgebern  vorgenommene  Textesände- 
rungen werden  durch  Beobachtung  des  Sprachgebrauchs  als  unnötig  er- 
wiesen. So  kommt  bei  Frontin  Verschiebung  des  Plusquamperfekts  vor, 
habere  mit  Inf.  =  sollen,  magnitudo  =  multitudo  etc.;  desgleichen 
Formen  wie  clusus,  clusit,  amendare,  poterentur,  cornum  u.  s.  w. 

Als  ein  Hauptverireter  des  sermo  vulgaris  galt  bisher  Vitruv 
nach  seinen  eigenen  Aussprüchen  p.  8,  8:  non  enira  architectus  potest 
esse  grammaticus  und  p.  11,  1:  peto,  ut  si  quid  non  ad  regulam 
grammaticae  fuerit  explicatum,  iguoscatur,  während  freilich  Sittl  be- 
hauptet, er  habe  nur  gesucht  und  schwerfällig  geschrieben.  Manche 
seiner  sprachlichen  Eigentümlichkeiten  wollten  allerdings  in  die  erste 
Kaiserzeit  nicht  recht  passen.     Neuerdings  hat  es 

J.  L.  Ussing,  Betragtninger  over  Vitruvii  de  architectura 
libri  X,  Kopenhagen  1896.  68  S.  4, 
unternommen,  die  schon  früher  aufgestellte  Hypothese  zu  erneuern,  daß 
das  Buch  in  viel  späterer  Zeit  geschrieben  sei.  Da  mir  die  Schrift 
wegen  ihrer  Sprache  nicht  zugänglich  ist,  verweise  ich  auf  die  Anzeige 
Wölfflins,  Archiv  f.  lat.  Lex.  X  S.  301  (vgl.  auch  Archiv  X  S.  538), 
der  nicht  abgeneigt  ist,  dem  Verfasser  beizustimmen. 

Knapp,  Notes  on  the  Prepositions  in  Gellius.  Transactions  of 
the  American  Philological  Association  1894,  Vol.  XXV  p.  6—33  ist 
mir  nicht  zugänglich. 


( 


56       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—97.   (Geyer.) 

Die  gezierte  Rhetorik  der  gallischen  Schule  des  3.  und  4.  Jahr- 
hunderts, die  in  Cicero  und  Plinius  ihre  Vorbilder  suchte,  sie  aber  in 
der  Anwendung  rhetorischer  Mittel  und  in  rhythmischem  Tonfall  am 
Periodenschluß  weit  überbot,  ist  uns  bekannt  durch  die  Sammlung  der 
Panegyrici  latini.  Indem  Seeck  für  diese  eine  ähnliche  Hypothese  | 
aufstellte  wie  über  die  Scriptores  bist.  Aug.,  regte  er  zu  mehrfacher  Unter- 
suchung ihres  Sprachgebrauchs  an.  Leider  fehlt  uns  noch  ein  Lexikon 
der  Panegyrici,  scheint  auch  noch  von  keiner  Seite  in  Angriff  genommen 
zu  sein,  während  ein  solches  für  die  Script,  bist.  Aug.  von  Lessing 
begonnen  ist. 

R.  Goetze,  Quaestiones  Eumenianae.    Diss.   Halle  1892.   49  S.  8. 

Oli  vier  Klose,  Die  beiden  an  Maximianus  Augustus  gerichteten 
Panegyrici  latini.     Progr.     Salzburg  1895.     40  S.     8. 

C.  Gr.  Chruzauder,  De  elocutione  panegyricorum  veterum  galli- 
canornm  quaestiones.     Diss.     Upsala  1897.     115  S.     8. 

Während  S,  Brandt  den  Eumeuius  von  Autun  nur  als  Verfasser 
des  4.  Panegyricus  gelten  ließ,  schrieb  ihm  Sachse  auch  den  8.,  Seeck 
dagegen  die  ganze  Reihe  2 — 9  zu.  Durch  genaue  Beobachtung  des 
Sprachgebrauchs  wird  die  auch  vom  Herausgeber  Bährens  acceptierte 
Ansicht  Brandts  als  richtig  erwiesen.  Eumenius,  der  Verfasser  des 
4,  Panegyricus,  unterscheidet  sich  nämlich  durch  gewisse  Besonderheiten 
von  allen  anderen.  So  gebraucht  er  in  der  3.  Plur.  Ind.  Perf.  nur 
einmal  den  Ausgang  ere,  Pan.  III  dagegen  bei  gleichem  Umfang 
zehnmal;  er  allein  vermeidet  den  gen.  obi.  der  Pron.  Pers.  und  ein- 
geschaltetes ut  audio ;  nur  in  IV  und  VITE  wird  das  Personalpronomen 
durch  met,  te,  ce  verstärkt  u.  s.  w. 

Zu  einigermaßen  gesicherten  Resultaten  kann  bei  dem  geringen 
Umfang  der  einzelnen  Reden  die  Untersuchung  nur  dann  gelangen, 
wenn  sie  alle  oder  wenigstens  alle  älteren  zur  Vergleichung  heran- 
zieht. 0.  Klose  beschränkt  sich  auf  die  Vergleichung  von  II  und  m, 
welche  er  als  Werke  des  gleichen  Verfassers  zu  erweisen  sich  bemüht 
wegen  vielfacher  Übereinstimmungen  einzelner  Gedanken  und  im  Wort- 
von-at.  Daß  zwischen  II  und  III  Unterschiede  vorhanden  sind,  wird 
wiederholt  zugegeben  (z.  B.  S.  23.  35.  36.  37.  39),  das  Zugeständnis 
aber  entwertet  durch  die  Annahme,  der  Redner  habe  in  der  Zwischen- 
zeit seinen  Stil  weiter  ausgebildet.  Dies  hat  aber  im  vorliegenden  Fall 
wenig  Wahrscheinlichkeit,  da  zwischen  II  und  III  nur  ein  Jahr  liegt. 
Durch  nichts  ist  bewiesen,  daß  III  107,  7  auf  Hesiods  Werke  und 
Tage  230  anspielt,  ebensowenig  daß  II  99,  16  und  III  114,  17  eine 
Reminiscenz    an  die  gleiche  Vergilstelle ,    Aen.  VIII  63,  enthalte,    da 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—97.    (Geyer.)       57 

secare  von  Plinius  in  dem  nämlichen  Sinn  verwendet  wird.  Unerfind- 
lich ist  mir,  was  gegen  den  nur  in  III  vorkommenden  dreimaligen 
Gebrauch  von  nihilominus  die  Verwendung  von  nimirum  oder  quemad- 
modum  in  II  beweisen  soll.  Die  Zahl  40  für  die  Substantiva  auf  tas 
in  in  ist  von  Goetze  richtig  angegeben,  auch  wenn  c.  7.  nicht  frater- 

'  nitas,  sondern  germanitas  gelesen  wird. 

I  Der  junge  schwedische  Gelehrte  behandelt  sorgfältig  Wortgebrauch 

und  Syntax,  ohne  jedoch  daraus  irgend  welche  Folgerungen  bezüglich 
der  Urheberschaft    der  einzelneu  Reden    zu    ziehen.     Er    berührt    sich 

•  manchmal  mit  Goetze,  kennt  aber  nicht  das  Programm  von  Klose,  das 
bisweilen  seine  eigenen  Sammlungen  hätte  ergänzen  können;    es    fehlt 

I  als  Beispiel    für   astu  II  97,  1,  für  biformis  III   103,  22.     Hoifentlich 

'  findet  der  Verfasser  bald  Gelegenheit,  seine  Beobachtungen  über  die 
Unterschiede,  die  im  Gebrauch  der  rhetorischen  Figuren  zwischen  den 
einzelnen  Panegyrici  obwalten,  mitzuteilen,  zumal  da  die  Untersuchung 
dieses  Punktes    mit  der    des   Vocabulars  bisher    nicht    gleichen  Schritt 

3|   gehalten  hat. 

Hermann  \yentzel,  De  infinitivi  apud  Justinum  usu.   Berolini. 

Rüger  1893.     72  S.     8. 

I 

^  Alle  bei  Justin  vorkommenden  Infinitive  werden  in  fünf  Kapiteln 

>■  zusammengestellt.  Infinitiv  als  Subjekt,  als  Objekt,  abhängig  von  den 
Verba  voluntatis,  die  Kasus  des  lufin.  und  der  historische  Infinitiv. 
Die  Vergleichung  mit  dem  Sprachgebrauch  anderer  Schriftsteller  war 
durch  die  vielen  über  den  Infinitiv  vorhandenen  Einzelarbeiten  erleichtert. 
Eigentümlichkeiten  Justins  im  Gebrauch  des  Inf.  finden  sich  im  ganzen 
nicht  sehr  viel;  so  hat  Justin  allein  dolus  est,  observare  und  obtinere 
mit  dem  Infinitiv  verbunden,  defertur  mit  Accusativ  und  Infinitiv. 
Mit  Tertullian  hat  Justin  gemeinsam  den  öfteren  Gebrauch  von  com- 
pello  mit  Infnitiv.  Verfasser  hält  dieses  Zusammentrefi"en  für  hin- 
reichend, um  Justin  zum  Zeitgenossen  Tertullians  zu  machen  und  da- 
mit die  Frage  nach  der  Lebenszeit  Justins  als  gelöst  zu  betrachten. 
Vgl.  die  Anzeige  von  Rühl,   Berl.  Philol.  Wochenschrift  1894,  S.  624. 

Josef  Schorn,  Über  den  Gebrauch  der  Präpositionen  bei 
M.  Junianus  Justinus.  Programm  des  Gymnasiums  Laibach  1894. 
30  S.    8.' 

Auf  grund  des  Sprachgebrauchs  soll  der  Nachweis  geliefert 
werden,  daß  der  Codex  C  (Laur.  66,  21)  nicht  die  Bedeutung  hat, 
welche  ihm  Rühl  in  seiner  Ausgabe,  Teubner  1886,  zuschreibt;  erst  in 
zweiter  Linie  steht  die  Absicht,  einen  Beitrag  zur  historischen  Syntax 
zu    liefern.     Zu    einem    solchen  Nachweis   ist   aber   das   beigebrachte 


I 


58        Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatoin  1891—97.    (Geyer.) 

Material  durchaus  unzureichend.  Auch  beruht  der  Satz,  auf  dem  die 
ganze  Arbeit  basiert,  auf  einem  Mißverständnis:  „Da  aber  C,  wie 
Rühl  selbst  zugiebt,  durch  Korrekturen  viel  gelitten  hat,  und  eine  ge- 
wisse Gleichmäßigkeit  des  Ausdrucks  von  diesen  Korrektoren  in  die 
Handschrift  hineingebracht  wurde,  so  wird  es  nicht  ani^ehen,  C.  gegen- 
über JTFl  zu  bevoizugen,"  Denn  Rühls  Worte  in  der  praefatio: 
„Codex  variis  manibus  correctus  est,  quibus  tarnen  ne  de  uUa  re  con- 
tidas,  maxime  est  cavendum"  besagen  etvt-as  ganz  anderes.  Das  gleiche 
Mißverständnis  kehrt  wieder  S.  8  unten.  Ebenso  ist  der  Versuch  miß- 
glückt, Justin  zum  Afrikaner  zu  stempeln.  Afrikanischen  Schwulst 
solleE  "Wendungen  verraten,  wie  per  omnia  saecula  (multa,  aliquot  und 
plurima  auch  Cicero),  prima  iuitia  (so  schon  Varro  r.  r.  2,4,9  und 
1.  lat.  10,  11),  omne  aevum  (omne  aevi  spatium  Vell.),  filii  virilis  sexus 
erklärt  sich  daraus,  daß  filii  hier  Kinder  bedeutet  (Archiv  VII,  91  ff.), 
prorsus  quasi;  zu  parvulus  ist  noch  hinzuzufügen  parvulas  filias  11,  12,  7. 
Auch  mox  deinde,  tum  deinde,  deinde  post,  contra  vice  versa  sind  keine 
Merkmale  des  tumor  Africus;  derartige  Pleonasmen  hat  schon  Varro, 
vgl.  Krumbiegel,  de  Varroniano  scribendi  genere  quaestioues.  Circa 
(S.  12)  =  in  betreff  ist  nicht  afrikanisch,  sondern  in  der  silbernen 
Latinität  nicht  selten.  Die  Polemik  gegen  Rühl  schießt  öfters  über  das 
Ziel  hinaus.  43,  1,  5  liest  Rühl:  Italia  a  regis  nomine  Saturnia 
appellata  gegen  die  Handschriften  CITll,  die  nur  nomine  bieten.  Was 
soll  44,  3,  2  'Teucrum  ibi  urbem  nomine  antiquae  patriae  Salaminam 
condidisse'  gegen  die  Lesart  Rühls  beweisen?  Ebensowenig  beweist 
natürlich  37,  4,  8  Nicomedes  filium  suum  mutato  nomine  Pylaemenen, 
Paphlagouum  regum  nomine,  appellat.  Denn  da  hier  von  keiner  abge- 
leiteten Namensform  die  Rede  ist,  konnte  sich  Justin  gar  nicht  andei-s 
ausdrücken.  Auf  derselben  Seite  6  unten  spricht  Verf.  von  einer  Kon- 
jektur Rühls,  der  Just.  I,  2,  8  schreibt  adquisitos  a  viro  regni  terminos 
tueri,  während  die  Präposition  a  in  der  Mehrzahl  der  Handschriften 
steht.  Viro  wird  dann  gar  als  instrumentaler  Ablativ  erklärt  mit  Be- 
rufung auf  Nipperde}'  zu  Tac.  Ann.  2,  50;  dort  finden  sich  aber  nur 
Beispiele  für  den  sogenannten  dativus  graecus. 

S.  7  unten  wii-d  Rühl  getadelt,  weil  er  11,  10  (nicht  13),  3  statt 
des  überlieferten  a  qua  postea  susceptum  puerum  Herculem  vocavit  mit 
Gronov  e  qua  schreibt;  die  Änderung  ist  dadurch  begründet,  daß  sich 
nur  die  Redensart  findet  liberos  suscipere  ex  aliqua,  und  daß  durch  a 
die  Stelle  undeutlich  würde,  indem  es  mit  vocavit  in  Verbindung  ge- 
bracht werden  könnte.  Die  für  a  angeführte  Stelle  aus  Justin  42,  3,  9 
nasci  a  montibus  beweist  gar  nichts.  Auch  S.  18  scheint  Verf.  den 
Grund  nicht  erkannt  zu  haben,  weshalb  Rühl  24,  6,  6  templum  Apollinis 
positum  est  in  monte  Parnasso  in  rupe  undique  inpendente  mit  Madvig  das 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—97.    (Geyer.)       59 

zweite  in  tilgt.  Durch  undique  ist  man  gemltigt,  rupe  inpendentc  als 
Ablativ  absol.  zu  fassen;  der  Sinn  ist  ,.der  Tempel  liegt  so,  daß  der 
Fels  überall  über  ihn  hereinhängt. "  Höchst  sonderbar  wird  S.  9  be- 
hauptet, in  den  Verbindungen  ad  fores  stare,  ad  portam  opperiri,  bei 
Eutrop.  5,  8  pugnam  habuit  ad  portam  Collinam  stehe  ad  statt  in;  die 
Präposition  hat  hier  dieselbe  Bedeutung  wie  in  dem  auf  S.  10  ange- 
führten Beispiel  incolere  ad  Syrium  stagnum.  Ebenso  unrichtig  wird 
S.  12  behauptet,  in  der  Redensart  regnum  cum  aliquo  dividere  sei 
cum  =  iuter  oder  in.  Jedenfalls  ist  die  Arbeit  nur  mit  Vorsicht  zu 
benutzen. 

Landgraf,  Zur  Sprache    und  Kritik    des  Solinus,    Blätter   für 
das  Gymnasialschulwesen.  München  1896.  XXXII.  Band,  S.  400—404. 

Die  zweite  Auflage  der  Ausgabe  des  Solinus  von  Mommsen  ver- 
anlaßt den  Verfasser  zur  Mitteilung  einiger  interessanter  sprachlicher 
Beobachtungen.  Soliu  hatte,  obwohl  er  Epitomator  ist,  doch  seine  in- 
dividuelle Sprache.  Mit  den  gleiclizeitigen  Afrikanern  des  3.  Jahr- 
hunderts hat  er  zwar  manches  gemeinsam,  z.  B.  tunc  für  tum  [auch 
die  Gallicren  Silvia  um  380  hat  tunc  ausschließlich,  was  nicht  wunder 
nehmen  kann,  da  nur  tunc,  nicht  tum  in  den  romanischen  Sprachen 
fortlebt  nach  Diez,  Grammatik  der  Romanischen  Sprachen  5.  Aufl. 
S.  746],  constitutus  als  Partizip  von  esse  [so  auch  der  römische  Bischoff 
Celerinus  um  250  bei  Miodoi'iski,  Adversus  aleatores  S.  118,  18],  denique 
zur  Einführung  eines  Beispiels  [vgl.  Kalb,  Roms  Juristen  S.  20  ff.], 
adinstar,  plus  zur  Umschreibuug  des  Komparativs,  medietas  Mitte  u.  s.  w.; 
andere  sogenannte  Afrikanismen  aber  fehlen,  z.  B.  ab  zur  Um- 
schreibung des  Ablativs  der  Vergleichung,  ex  vor  dem  Ablativus  modi, 
tumor  Africus  etc.  Somit  ist  Landgraf  geneigt,  Solinus  als  Europäer, 
nicht  als  Afrikaner  zu  betrachten.  Ob  freilich  Solin  nebst  Novatian 
und  Gaius  eine  sichere  Grundlage  bieten  würde  zur  Vergleichung  des 
gleichzeitig  auf  europäischem  und  afrikanischem  Boden  geschriebenen 
Lateins,  möchte  ich  doch  sehr  bezweifeln,  da  die  Heimat  des  Solinus 
unbekannt,  sein  nichtafrikanischer  Ursprung  immer  noch  nicht  bewiesen 
ist,  andererseits  Novatian  ein  Nachahmer  des  Afrikaners  Tertullian  war. 

Da  über  die  Scriptores  historiae  Augustae  besonders  refe- 
riert wird,  über  den  größten  Teil  der  auf  die  Sprache  bezüglichen  Ar- 
beiten bereits  Band  76  S.  1 19  ff.  berichtet  ist,  so  beschränke  ich  mich 
auf  eine  Aufzählung  der  verschiedenen  durch  die  bekannte  Dessausche 
Hypothese  hervorgerufenen  Untersuchungen  über  ihre  Sprache: 

E.  Klebs,  Die  Scriptores    historiae    Augustae.     Rhein.  Museum 
1892,  S.  1—52  und  515—549. 


60       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891  —  97.    (Geyer.) 

E.  W  ölf  f  lin ,  Die  Scriptores  historiae  Augustae  I.  Sitzungsberichte 
der  k.  bayer.  Akad.  der  Wissenschaften,  philos.-philol.  Klasse  1891, 
S.  465—538. 

H.  Peter,  Die  Scriptores  historiae  Augustae.  Sechs  litterarge- 
schichtliche  Untersuchungen.    Leipzig,    Teubner  1892.    VIII.    266  S. 

Frankfurter,  Zur  Frage  der  Autorschaft  der  Scriptores  historiae 
Augustae.     Eranos  Vindoboneusis  1893.     S.  218—232. 

M.  Petschenig,  Bemerkungen  zum  Text  der  Scriptores  historiae 
Augustae,  Philologus  1893,  S.  348—65. 

K.  Lessing,  A  und  ab  in  der  Historia  Augusta.  Archiv  X 
S.  291  f.  1 

Eine  Entscheidung  über  die  Bichtigkeit  der  übei'lieferteu  Autor- 
namen,  über  die  Existenz  individueller  Verschiedenheiten,  über  die 
etwaige  Thätigkeit  eines  Schlußredaktors  wäre  sehr  erleichtert,  wenn 
ein  Specialwörterbuch  der  in  Frage  kommenden  Schriftsteller  existierte. 
Bei  dem  vulgär  gefärbten  Charakter  der  Sprache,  vgl.  darüber  Wölfflin 
in  der  oben  angeführten  Abhandlung  S.  472 — 76,  wäre  ein  solches 
auch  Latinisten  und  Romanisten  willkommen.  Eine  Probe  eines  in 
Vorbereitung  begriffenen  Specialwörterbuchs  veröffentlichte 

K.  Lessing,  Historiae  Augustae  lexicon.  Fascic.  I.  Programm 
des  Friedrichs-Gymnasiums.     Berlin  1897.     24  S.     4. 

Vgl.  die  Besprechung  Wölfflins  in  dessen  Archiv  X  S.  453. 

F.  Pichlmayr,  Zu  den  Caesares  des  S.  Aurelius  Victor.  Fest- 
gruß an  die  41.  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schulmänner 
vom  k.  Ludwigsgymnasium  München  1891. 

S.  13—22  wird  der  Stil  des  Aurelius  Victor  charakterisiert: 
Künstelei,  Streben  nach  Abwechselung,  Haschen  nach  altertümlichen 
Wendungen,  Verwischung  der  Unterschiede  zwischen  Positiv  und  Kom- 
parativ, Vertauschung  von  Plusquamperfekt  und  Perfekt,  die  auch  sonst 
im  Spätlatein  nicht  selten  ist,  ebenso  das  Fehlen  des  Subjektsaccusativ 
beim  Accus,  c.  inf. 

Joseph  Schorn,  Der  Sprachgebrauch  des  Historikers  Eutropius. 
Ein  Beitrag  zur  historischen  Grammatik  der  lateinischen  Sprache. 
Laibach  1892.     39  S. 

Diese  fleißige  Arbeit  ist  aus  der  Vereinigung  zweier  Band  LXVIII 
S.  272  erwähnten  Programme  hervorgegangen;  den  Stoff  hat  der  Ver- 
fasser seitdem  noch  erweitert  und  ergänzt.  Tm  die  Eigenart  Eutrops 
deutlicher  hervortreten  zu  lassen,  wird,  namentlich  bei  schwankender 
Überlieferung,  der  Sprachgebrauch  gleichzeitiger  Schriftsteller  zu  Rate 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spatlatein  1891 — 97.   (Geyer.)       61 

gezogen.  Zum  Schluß  werden  die  Ergebnisse  der  Untersuchung  über- 
sichtlich zusammengestellt.  Auch  diese  Arbeit  leidet  wie  die  oben  be- 
sprochene an  mancherlei  Flüchtigkeiten,  unrichtigen  Citaten,  falschen 
grammatikalischen  Bezeichnungen  und  Mißverständnissen  des  Autors. 
Welch  sonderbare  Anschauung  ist  es  z.  B.,  daß  bei  dem  substantivisch 
gebrauchten  Neutrum  der  Adjektive  und  Pronomina  stets  ein  Substan- 
tivum  zu  ergänzen  sei  (S.  2),  so  z.  B.  zu  medium  |9,  15  ist  übersehen] 
'spatium',  zu  in  barbarico  'solo'  etc.  Ein  Mißverständnis  ist  es,  wenn 
in  der  Verbindung  copiosa  snppellectilis  3,  23  copiosa  als  substan- 
tivisches Neutrum  Pluralis  und  suppellectilis  als  Genetiv  gefaßt  wird; 
letzteres  ist  vielmehr  Nom.  Sing.,  wie  Plaut.  Stich.  6,  2  und  Salvian 
gub.  dei  3,  2,  2.  S.  9  wird  der  Nebensatz  neque  ullus  tuit,  qui  non 
fatigaverit  als  Kausalsatz  bezeichnet,  der  gleiche  Fehler  auch  S.  39, 
umgekehrt  werden  die  mit  ut  qui  eingeleiteten  Sätze  fälschlich  Konse- 
kutivsätze genannt.  Eine  eigentümliche  Auffassung  verrät  der  Satz 
S.  18:  „Präpositiouale  Verbindungen  statt  des  Gen.  obj.  verbreiteten 
sich  bei  den  Späteren  immer  mehr  aus  (sie!),  und  ging  dann  diese  Kon- 
struktion in  das  Komanische,  teilweise  in  das  Slavische  über!" 

S.  4  werden  für  admodum  zwei  Bedeutungen  angenommen: 
1)  ^  fere  8,  19  admodum  senex,  8,  23  iuvenis  admodum,  9,  2  admodum 
puer ;  2)  dient  es  zur  Steigerung  der  Adjektiva.  Die  erstere  Bedeutung 
existiert  aber  nur  in  der  Meinung  des  Verf.  Schon  Drenckhahn,  Lateinische 
Stilistik  für  obere  Gymnasialklassen  §  4  lehrt,  daß  auch  in  den  beiden 
ersten  Beispielen  admodum  steigernd  ist,  wie  auch  an  noch  mehreren 
vom  Verf.  nicht  angeführten  Stellen,  z.  B.  9,  24  admodum  parva  manu; 
9,  26  admodum  subtilis  ingenii;  10,  18  admodum  liberalis.  Extrinsecus 
findet  sich  an  der  von  Seh.  angegebenen  Stelle  4,  26  überhaupt  nicht, 
sondern  9,  25.  Unter  den  Adverbien  hat  alii  —  alii  und  unus  —  alter 
nichts  zu  suchen,  wohl  aber  sollte  neben  apprime  auch  ad  plenum  er- 
wähnt werden.  Ob  meritum  victoriae  2,  7  heißt  nicht  „wegen  des 
Verdienstes,  um  den  Sieg",  sondern  victoriae  ist  Gen.  epex.  Man  ist 
erstaunt,  unter  der  Rubrik  Tempusgebrauch  als  auffallend  Stellen  wie 
1,  6;  7,  2;  6,  8:  9,  8  erwähnt  zu  finden,  wo  absolut  kein  anderes  Tempus 
möglich  wäre.  Wie  kann  man  an  Stellen  wie  1,  18  filiam  virginem 
[so  Cicero],  1,  7  ex  femina,  captiva  tamen  et  ancilla  von  einem  ad- 
jektivischen Gebrauch  der  Substantiva  sprechen?  Was  ist  ungewöhnlich 
in  der  Konstruktion  adsurgere  alicui?  Neben  dem  Zuviel  begepiet 
man  aber  auch  häufig  einem  Zuwenig.  S.l 3  committere bellum, pugnam  [auch 
certamen  2,  13],  hat  schon  Livius;  neben  habere  proeliura  6.  2  war 
auch  anzuführen  proelium  habuit  9,  24;  bellum  habuit  8,  19;  bellum 
agere  2,  9.  Zu  interficere  exercitum  3,  20  ist  zu  vergleichen  3,  18 
ingentes     eins     copiae    interfectae    sunt    und    4,  22    infinitam    multi- 


62       Jahresbericht  über  Vulgär-  uud  Spätlatein   1S91— 97.   (Geyer.) 

tndinem  interfecerunt.  Beim  Dativ  statt  des  Genetlvs  S.  15  ist  das 
Verzeichnis  zu  vervollständigen  durch  7,  2  Caesari  magister  equitum 
fuerat  und  7, 10  priviguus  ei  fuerat.  Accedo  mit  Dativ  auch  7,  19. 
"Wie  Entrop  8,  10  in  matrimonium  habuit  uud  2,  24  in  auxilium  habebat 
schreibt,  so  steht  4,  6  Romanis  in  auxilium  erat  Euraenes,  wo  in  final 
gebraucht  ist.  Bei  der  Betrachtung  von  postquam  war  zu  unterscheiden, 
ob  ein  Ablat.  discrim.  vorangeht  oder  nicht;  aber  gerade  diesen  hat 
Schorn  in  seinen  Citaten  mehrmals  weggelassen,  z.  B.  3,  17  und  20. 
An  der  8.  11  besprochenen  Stelle  8,  20  ist  die  Ellipse  von  aquae  ge- 
sichert durch  Aurel.  Victor  13,  8.  Vgl.  Pichlmayr  im  Programm  des 
Ludwigsgymnasiums  München  1891,  S.  19. 

Franz  Naumann,  De  verborum  cum  praepositionibus  composi- 
torum  usu  Ammiani  Marcellini.  Programm  des  Gymnasiums  Stendal 
1891.     20  S.     4. 

Derselbe,  De  verborum  cum  praepositionibus  compositorum 
usu  Ammiani  Marcellini.    Erlanger  Dissertation.    Halle  1892,    123  S. 

In  dem  Programm  sind  nur  die  mit  ab,  de  und  ex  zusammenge- 
setzten Verba  mit  Anführung  sämtlicher  Stellen  und  unter  beständiger 
Vergleichung  mit  Cicero,  Livius  und  Tacitus  behandelt.  Im  Dativ 
stehen  bei  diesen  Verben  meist  Personen,  bei  decurro,  excedo,  egredior, 
evado  kommt  auch  der  Accusativ  vor,  der  von  Livius  an  überwiegt, 
wie  schon  Dräger  konstatirt  hat.  Der  Sprachgebrauch  Ammians 
stimmt  am  meisten  mit  dem  taciteischen  überein.  Wenn  sich  bei  auferre 
und  abire  nur  in  der  Verbindung  e  medio  die  Präposition  ex  findet, 
so  ist  eben  e  medio  eine  feststehende  Verbindung.  Die  Präposition  per, 
die  den  Weg  bezeichnet,  hat  mit  der  Präposition,  mit  welcher  die 
Verba  zusammengesetzt  sind  und  mit  dem  Ablativ  der  Trennung  nichts 
zu  thun;  darum  sind  die  Beispiele  per  aliam  egressus  est  portam 
(S.  12),  per  portam  exire  (S.  15),  per  ianuas  emittere  (ß.  16),  evadere 
per  cuniculum  (S.  19),  noch  vielmehr  se  efierre  ultra  homines  oder 
ultra  professionem  (S.  12)  überflüssig.  22,  8,  24  Danubius  septem  ostiis 
erumpit  in  mare  kann  nicht  bloß  an  den  Ablat.  instrum.  oder  viae  ge- 
dacht werden,  sondern  der  Ablativ  der  Trennung  ist  ausgeschlossen 
durch  22,  15,  10  per  ostia  septem  eiectatur. 

Die  Dissertation  bringt  die  Fortsetzung  und  behandelt  im  Kapitel  I 
die  Verba  der  Trennung  und  des  Unterscheidens  mit  dis,  pro,  re,  se, 
sub,  super,  wozu  auch  suggerere,  sumere,  suspendere,  suscitare  ge- 
rechnet werden;  II  die  durch  Zusammensetzung  mit  Präpositionen 
transitiv  gewordenen  Verba  der  Bewegung  und  Verba,  die  eine  Thätig- 
keit  der  Glieder  des  menschlichen  Körpers  bezeichnen,  in  welche 
Kategorie    freilich    impugnare   und   oppugnare  sich  nicht  fügen  wollen; 


Jahresbericht  über  Vulgär-  uud  Spätlatein  1891—97,    (Geyer.)       63 

UI  Verba,  die  statt  des  Accusativs  auch  den  Dativ  haben  können : 
rV  Verba,  die  eine  Verbindung  oder  Gemeinschaft  bezeichnen;  V  Verba, 
die  die  Konstruktion  alicui  aliquid  und  aliquem  aliqua  re  zulassen. 
Die  Arbeit  wäre  noch  nützlicher,  wenn  die  Eigentümlichkeiten  Ammians 
deutlicher  hervorgehoben  und  ein  alphabetischer  Index  beigegeben 
wäre.  So  ist  es  manchmal  schwierig,  ein  bestimmtes  Verbum  zu  finden, 
da  beispielshalber  discernere  und  distinguere,  dissonare  und  distare, 
apponere  und  inponere,  adnectere  und  adiungere  in  verschiedenen 
Kapiteln  zu  suchen  sind,  permiscere  (S.  71)  außerhalb  der  sonst  in  den 
einzelnen  Kapiteln  eingehaltenen  alphabetischen  Ordnung  steht.  Selten 
wird  ein  Verbum  ganz  vermißt,  wie  z.  B.  conpingere  16,  7,  10  neben 
inpingere,  coalescere  16,7,6  inlidere  20,11,29  succedere  16,4,4. 
Öfter  sind  Präpositionalausdrücke  oder  Kasus  angeführt,  die  mit  der 
Präposition,  mit  welcher  das  Verbum  zusammengesetzt  ist,  nichts  zu 
thun  haben,  z.  B.  das  finale  ad  mit  Gerundiv,  das  lokale  in  in  Ver- 
bindungen wie  congregare  oder  conferre  in  unum  [warum  fehlt  dann 
cogere  in  unum  16,  10,  5?];  ebenso  19,  6,  10  resultantibus  e  civitate 
lituis,  da  ex  auch  bei  sonare  stehen  müßte,  der  Dativ  29,  5,  22  inci- 
dere  primoribus  manus  oder  15,  12,  3  pollicem  sibi  praecidere,  das 
Reciprocum  inter  se.  Am  meisten  trifft  dieser  Tadel  das  fünfte  Kapitel; 
denn  mit  den  Präpositionalzusammensetzungen  stehen  die  instrumen- 
talen Ablative  in  Fällen  wie  plures  muneribus  adnectebat  (S.  119), 
lassatis  inpressus  genibus  (S.  121),  obligare  aliquem  gratia  in  gar 
keinem  Zusammenhang.  An  mehreren  Stellen  wird  in  besonnener,  konserva- 
tiver Weise  Textkritik  geübt.  Mit  Recht  wird  S.  61  das  29,  5,  47  über- 
lieferte quam  plures  [oft  in  merovingischen  Urkunden]  in  Schutz  ge- 
nommen. Zur  Stütze  der  schönen  Emendation  Madvigs  21,  6,  1  repli- 
care  nunc  convenit  tempora  statt  des  überlieferten  tempori  könnte 
verwiesen  werden  auf  16,  7,  8  antiquitatem  replicare.  Wenn  sich  da- 
gegen eine  Emendation  graphisch  so  leicht  erklärt,  wie  die  Eysseu- 
hardts  20,  9,  6  e<t>  tribuuali  superstanti,  so  ist  sie  doch  wohl  anzu- 
nehmen; ähnlich  ist  ja  der  Fehler  16,  10,  13  geheilt:  adlocutus  nobi- 
litatem  in  curia  populumque  <e>  tribunali.  Ich  würde  in  derselben 
Weise  auch  eraendieren  26,  1,1  similia  plurima  <a>  praeceptis 
historiae  dissonantia  und  17,  13,  25  tribunal<i>  insistens. 

C.  Frick,  Zur  Textkritik  und  Sprache  des  Anonymus  Valesianus. 
Commentationes  Woelfflinianae  S.  339—350. 

Zwischen  der  Sprache  des  1.  und  2.  Teils  ist  kein  Unterschied 
gemacht,  obwohl  der  1.,  von  Constantin  handelnde  Teil  augenscheinlich 
viel  korrekter  ist;  die  Gründe  dafür  verspricht  Verf.  an  einer  anderen 
Stelle  mitzuteilen.     Excepto  Julianum  288,  19  ist  nicht  Ablativ,    absei. 


64       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlateiu  1891  —  97.   (Geyer.) 

(=excepto  Juliane),  sondern  excepto  ist  Präposition  mit  Accusativ, 
vgl.  meine  Erläuterungen  zu  Antonini  Plac.  Itinerarium  S.  2  f.  In 
urbe  perduxit.  in  mari  praecipita\at  möchte  ich  nicht  als  Acc.  Sing, 
auf  8  erklären ,  sondern  hier  wirklich  Verwirrung  in  Bezeichnung  der 
Begriffe  der  Ruhe  und  Bewegung  annehmen;  ähnlich  verhält  es  sich 
290,  20  exercitus  in  arnia:  290,  21  patellas  in  genucula  non  habuit. 
So  wenig  hier  ein  Wechsel  der  Deklination  vorliegt,  so  wenig  ist  dies 
301,  24  data  praecepta  der  Fall,  sondern  hier  haben  wir  absoluten 
Accusativ.  Beim  Wechsel  des  Geuus  wäre  noch  anzuführen  terrae  mota. 
Interessant  ist  vinctus  283,  12  neben  convictus  284,  5.  Adeptus  a 
daemonio  304,  16  ist  in  arreptus  zu  korrigieren  (P  hat  areptus).  Mit 
Recht  wird  quis  ==  quisque  295,  5  und  299,  15  gegen  die  Anderungsvor- 
schläge Mommsens  und  Zangemeisters  in  Schutz  genommen.  Bei  Vir- 
gilius  Maro  liest  man  S.  46  unusquis,  ebenso  Liutpr.  Leg.  85  II  und 
94  XI.  Silvia  104,  4  qui  quo  modo  possunt  und  98,  13  qui  nt  possunt 
entsprechen  dem  quis  ubi  potuit  Anom.  295,  5.  Im  Singular  steht 
neben  unusquisque  quomodo  potest  102,  14,  qni  prout  potest  102,  24. 

Gustav     Brünnert,     Sprachgebrauch     des    Dictys     Cretensis. 
Teil  I  Syntax.     Programm.     Erfurt  1894.     27  S.     4. 

Ferdinand     Noack,     Der     griechische     Diktys.      Pliilologus, 
6.  Supplementband,  S.  400—500. 

Brünnert  behandelt  die  Sprache  des  Diktys  nach  dem  Schema 
von  Drägers  histor.  Syntax.  Das  Ergebnis  ist:  Die  Ephemeris  des 
Diktys  ist  keine  Übersetzung  aus  dem  Griechischen  wegen  des  Fehlens 
von  Gräcismen  und  der  wörtlichen  Entlehnung  ganzer  Sätze  aus  latei- 
nischen Schriftstellern,  namentlich  Sallust.  [Dazu  kommen  Entlehnungen 
aus  Apulejus,  siehe  Weyman,  Studien  zu  Apulejus  und  seinen  Nach- 
ahmern. Sitzungsberichte  der  baj'er.  Akademie  1893,  S.  369.]  Seine 
Sprache  stimmt  mit  den  Schriftstellern  des  4.  Jahrhunderts  am  meisten 
überein,  namentlich  hat  er  den  sogenannten  Hegesipp  benutzt.  Noack 
nimmt  freilich  aus  sachlichen  Gründen  im  Einklang  mit  E.  Patzig, 
Progi'amm  der  Thomasschule  in  Leipzig  1891/92  und  Byzantinische 
Zeitschrift  I,  die  Hypothese  von  einem  ursprünglich  griechischen 
Diktys  wieder  auf.  Als  Beispiel,  daß  auch  ein  Übersetzer  seine  latei- 
nischen Phrasensammlungen  in  eine  Übersetzung  hineinarbeiten  und 
eigene  Zusätze  sich  erlauben  konnte,  wird  S.  401  gerade  Hegesipp  an- 
geführt. Zu  den  fleißigen  Sammlungen  Brünnerts  seien  noch  einige  Er- 
gänzungen gestattet.  S.  6  wird  neben  dem  Accusativ  Ulixen  der  Ge- 
netiv Ulixi,  z.  B.  V  16,  vermißt,  desgl.  der  Dativ  Theano  V,  8;  über 
den  Ablativ  mare  vgl.  Georges,  Lexikon  der  lat.  Wortformen,  Kalb 
Roms    Juristen     S.  73,  120,     Rönsch     in     Vollmöllers    Romanischen 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  IS!)  1  —  07.    (Geyer,)       65 

Forscbunu;en  I  S.  282,  Geyer,  Krit.  Erläut.  z.  Antoninus  p.  XII.  Un- 
erwähnt ist  geblieben  der  Accusativ  der  Ortsrichtung  V  13  Pol3'xeaa 
Achilli  interias  missa;  VI  7  Thessaliam  niittit;  II  7  Boeotiam  rever- 
tuntur.  Daß  iuhabitare  =  habitare  ist,  erhellt  am  deutlichsten  aus  VI  9 
iuxta  inhabitantes.  Über  die  Verbindung  des  Reflexivs  sui  mit  dem  Sub- 
stantiv siehe  Archiv  f.  lat.  Lexik.  V  496  und  VI  7.  Zu  portis  effun- 
dere  wäre  noch  iiachzutraaen  V  1 1  portis  egressa  hominum  vis.  Bei 
den  Piäpositionen  verdiente  Erwähnung,  daß  Dictys  wie  Tacitus  ob 
vor  propter  bevorzugt  (vgl.  Archiv  I  S.  161),  wenngleich  propter  nicht 
fehlt,  wie  I  14:  V  10;  auch  fehlt  eine  Bemerkung  über  finales  in, 
z.  B.  V  14  in  munus  expostulare.  Über  necdum  =  nondum  vgl  Grupe, 
Sprachgebrauch  des  Apoll.  Sidonius,  über  modo  nunc  Wölfflin  Archiv  II 
S.  239.     243.     253. 

Ersatz  des  Coni.  imp.  durch  Coni.  plusq.  ist  nicht  anzunehmen 
I  22  comminatus  perniciem,  ni  paruissent.  Über  iubere  ut  handelt  Wölff- 
lin Archiv  VI  434.  Zur  Abwechslung  des  Ausdrucks  füge  noch: 
Wechsel  zwischen  Particip  und  Nomen,  z.  B.  V  9  adnitente  atque  mi- 
uistro;  Wechsel  zwischen  Patronymikon  und  Genetiv  V  16  eosque  non 
Atrei,  sed  Plisthenidas  appellare. 

Ihm,  Zu  Valerius  Maximus  und  Januarius  Nepotianus.  Rhein. 
Museum  N.  F.  42.  Band,  S.  247—253. 

Manche  Lesarten  des  cod.  Vat.  des  dem  4.  oder  5.  Jahrhundert 
angehörigen  Epitomators.  welche  aus  Unkenntnis  des  Spätlateins  weg- 
emendiert  wurden,  werden  wieder  zu  Ehren  gebracht.  Seltene  Wörter 
Nepotians  sind  aniraositas,  sospitas,  deoperire.  Wenn  Val.  Max.  227,22 
(ed.  Kempf)  in  den  Handschriften  des  Landolfus  wiedergegeben  wird: 
in  loco  autem  ubi  oraverant  suo  area  facta  est  Fortunae  muliebri,  so 
vermutet  Ihm  a  senatu  ara.  Ich  bin  überzeugt,  daß  zu  lesen  ist  aedes 
seu  ara.     Seu  =^  et,  oft  in  Handschriften  seo  geschrieben. 

In  eine  Gruppe  fasse  ich  eine  Anzahl  Schriftsteller  zusammen, 
die  aus  Gallien  stammen. 

Guilelmus  Kroll,  De  Q.  Aurelii  Symmachi  studiis  Graecis  et 
Latiiiis  (Breslauer  philologische  Abhandlungen  VI  2).  Breslau  1891, 
Koebner.     98  S.     8. 

Diese  Abhandlung  erwähne  ich  auch  an  dieser  Stelle,  weil 
für  die  richtige  Beurteilung  der  Sprache  eines  spätlateinischen  Autors 
der  Nachweis  von  Wichtigkeit  ist,  was  er  aus  archaischen  Autoren 
entlehnt  hat.  Manches,  was  vulgär  zu  sein  schien,  wird  sich  so  als 
archaistisch  erweisen.  Bei  Symma.chus  ist  man  berechtigt  in  der  An- 
nahme von  Archaismen  ziemlich  weit  zu  gehen,  da  er  HI  44  selbst  ge- 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.  Bd.  LXXXXVUI.  (1898.  III.)     5 


66       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891-97.   (Geyer.) 

steht :  apyatsixov  scribendi  adfecto.    Symmachus  hat  vor  allem  die  Schul- 
schriftsteller genauer  gekannt,  in  erster  Linie  Vergil  und  Cicero,  dann 
Terenz  und  Sallust,   weniger  Horaz  und  Lucan:    außerdem    finden  sich 
Anspielungen  an  Ovid,    Silius,    Juvenal.     Seine  geschichtlichen  Kennt- 
nisse schöpfte  er  meistens  aus  Valerius  Maximus,    seltener  aus  Livius, 
Cicero  und  Plinius  dem  Jüngeren;  auch  Tacitus,  Fronto,  vielleicht  auch 
Gellius  kannte  er.     Außer    den    vom  Verf.    angeführten  Anspielungen 
auf  Horaz,  scheint  mir  auch  III,  25  cum  tu  Romam  commodum  repetis, 
ego    nie  in  secessu  adserui  lectioni  an  Hör.    ep.  I,  2  anzuklingen,    der 
folgende  Satz  an  Sat.    II    6,  61    und  Carm.   II,  17,  5.     Der  Gedanke, 
der  Symm.  IX  2  ausgesprochen  wird ,  erinnert  an  den  der  ersten  Ode 
des  Horaz.    Daß  Symmachus  die  Satiren  Varros  gelesen  hat,  dafür  spricht 
auch    der    Gebrauch    des    Wortes    autumnitas,    ep.  III  23.     IV,  18,  2 
annis  in  senectam  vergentibus  scheint   mir    eher    aus  Tacitus    entlehnt 
(anni  vergentes  in  senium,    vergente  iam  senecta)  als  aus  Livius.     Die 
Entscheidung,    ob  Symmachus  ein  unklassisches  Wort  aus  der  Lektüre 
oder  aus  der  lebenden  Sprache  seiner  Zeit  geschöpft  hat,    ist    bei  der 
ganzen  Art  seiner  Schriftstellerei    in    weitaus    den    meisten  Fällen    im 
ersten  Sinn  zu  entscheiden.     Der  Verf.  selbst  erklärt  in  dem  unten  zu 
besprechenden  Aufsatz  im  Rhein.  Museum  1897,   S.  569  ff. .  daß  er  in 
der  Annahme  von  Archaismen  zu  zimperlich  gewesen  sei.    Ich  verweise 
im    übrigen  auf   die    zahlreichen  Rezensionen    dieser   gekrönten  Preis- 
schrift:    Berliner    Philol.    Wochenschrift    1892  S.  79    von  B.  Kühler; 
Wochenschrift  für  klassische  Philologie  1891  S.  1400  von  M.  Petschenig; 
Archiv  für  lat.  Lexik.  VII  S.  616  von  Wölfflin  u.  a. 

L.  Havet,   La    prose   metrique    de  Symmaque  et   les    orfgines 
metriques  du  cursus.     Paris.  Bouillon  1892.     112  S. 

Noel  Valois  hatte  die  wichtige  Entdeckung  gemacht,  daß  in  den 
päpstlichen  Bullen  des  12.  Jahrhunderts  ein  rhythmischer  Tonfall  am 
Schluß  der  Plu-asen  des  Satzes  beobachtet  wurde  in  drei  Formen,  die 
man  als  cursus  velox  (Beispiel  circumstantias  intueri),  tardus  (mode- 
ratione  palpaverit)  und  planus  (coraitetur  honeslas)  bezeichnet.  Eine 
Vorstufe  zu  diesem  accentuierenden  Phrasenschluß  bildet  der  auf  der 
Quantität  beruhende,  metrische,  den  Havet  bei  Symmachus  nachweist 
und  für  welchen  zahlreiche  Regeln  aufgestellt  werden.  In  einer  ein- 
gehenden Besprechung  des  Buches  von  Havet  in  den  Göttinger  Ge- 
lehrten Anzeigen  l>s9.3,  No.  1,  die  mehr  den  Charakter  einer  selb- 
ständigen Abhandlung  als  den  einer  Rezension  trägt,  zeigt  W.  Meyer, 
daß  das  einheitliche  Prinzip,  auf  welchem  alle  diese  Periodenschlüsse 
beruhen,  der  Kretiker  ist.  Da  diese  Erscheinung  sich  nicht  auf  Sym- 
machus beschränkt,  sondern  sich  auch  bei  anderen  Autoren  findet,  bei 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891-97.    (Geyer.)       67 

den  gallischen  Panegyiikern,  bei  Sidonius,  Ennodius,  Cyprian,  Arnobius, 
Minucius  Felix  [vgl.  auch  E.  Norden,  de  Minucii  Felicis  aetate  et  genere 
dicendi,  Greifswalde  1897,  S.  18  Anm.  IJ,  ja  selbst  in  den  Briefen  des 
jüngeren  Plinius,  so  leuchtet  ein,  von  welcher  Bedeutung  diese  Entdeckung 
für  die  Textkritik,  die  Grammatik  und  die  Interpunktion  ist:  sie  hat 
in  vielen  Fällen  den  "Wert  einer  authentischen  vom  Autor  selbst  her- 
rührenden Handschrift. 

Wenig  von  christlichem  Geist  verraten  die  Schriften  des  schwül- 
stigen Rhetors  Apollinaris  Sidonius. 

Ed.  Grupe,    Zur  Sprache  des  Apollinaris  Sidonius.     Programm 
von  Zabern  1892.     15  S.     4. 

Der  Verfasser  führt  im  AnschluC  an   eine  Äußerung  Paul  Mohrs 
in    seiner   Abhandlung   über    die    Latinität    des    Apollinaris    Sidonius, 
Bremerhaven  1886,  eingehend  aus,  wie  viel  Sidonius  der  ßechtssprache 
verdankt.     Zur    Vergleichung    wird    der    438    publizierte    Cod.  Theod. 
herangezogen  nebst  den  bis    468    reichenden  Novellae;    letzteren    sieht 
er  wie  in  der  Zeit,   so  auch  in  der  Sprache  näher.     Die  Vergleichung 
ist  indes  zu  einseitig  auf  den  Cod.  Theod.  und  die  Novellen  beschränkt; 
darum  steht  in  dem  alphabetischen  Verzeichnis  gar    manches,    was  Si- 
donius nicht  aus  der  juristischen  Litteratur  geschöpft  zu  haben  braucht, 
z.  B.    absque,    eo    quod    (siehe  meine  Xrit.  Beiträge  zu  Silvia  S.  11), 
nee  =  ne  —  quidem,    necdum  =  nondum ,   quanti  =  quot,    quatenus  =  ut, 
quisque  =  quicunque,    quod  nach  Verba  dicendi,    si  tarnen  =  si  quidem, 
retro  (sehr  beliebt  bei  TertuUian,  den  Pauegyrikern,  auch  Pass.  Perp.), 
8ibi  =  eis,    valere   mit    Inf.,    discutere  =  examinare   (Tert.    und    Firm. 
Mat.  24),  districtus  =  occupatus  (Min.  Felix),  sie  (ita)  ac  si  (Pass.  Perp.). 
Zu  distrahere  =  vendere  vgl.  Matzinger,  De  bono  pudicitiae  S.  45.    Bei 
manchen  juristischen  Ausdrücken,    welche    die  Kirchensprache    in    ihre 
Terminologie  aufgenommen  hat,  kann  man  zweifelhaft  sein,  ob  man  sie 
dem    juristischen    Studium    oder    dem   Christentum    des  Verfassers    zu- 
schreiben  soll,    z.  B.    praerogativa ,    reatus    schon  in    der    lateinischen 
Übersetzung    des    Clemensbriefes    und    oft    bei   TertuUian,    conversatio 
Lebenswandel,    mundanus  weltlich.     Agger  publicus  (beachtenswert  ist 
die  Vulgärform  ager  Cod.  Theod.  XV  3,  4)  kommt  auch  bei  Sulp.  Sev. 
dial  II  3,  bei  der  Aquitanierin  Silvia  S.  50  und  bei  Gregor  von  Tours 
in  der  vulgären  Schreibweise  vor,  scheint  also  eine  im  4.  und  ä.  Jahr- 
hundert in  Gallien  beliebte  Bezeichnung  gewesen  zu  sein. 

Durch  tiefe  theologische  Gelehrsamkeit,  aber  auch  durch  schwierige 
Sprache  zeichnen  sich  dagegen  aus  die  Werke  des  hundert  Jahre  früher 
lebenden  Hilarius  von  Poiters.  Er'  erfordert  einen  theologisch  ge- 
schulten Erklärer.     Als  solcher  erweist  sich 

5* 


68       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—97.   (Geyer.) 

J.  Stix  in  dem  Programm:    Zum  Spracbs^ebrauch  des  h.  Hilarius 
von  Poitiers  in  seiner  Schrift  de  triuitate.    Rottweil    1891.    48  S.    4. 

Die  Schrift  handelt  nur  über  den  Gebrauch  des  substantivierten 
Infinitivs  und  giebt  in  dieser  Beziehung  einige  Ergänzungen  zu  dem 
Artikel  im  Archiv  für  lateinische  Lexikographie  III  81  ff.,  über  den 
Gebrauch  der  Negation,  attributive  Bestimmungen,  praedikatives 
Attribut,  Ellipse.  Der  im  Verhältnis  zu  dem  geringen  Stoff  und  der 
Beschränkung  der  Untersuchung  auf  nur  einen  Teil  der  Schriften  des 
Hilarius  große  Umfang  des  Programms  erklärt  sich  dadurch,  daß  der 
Schwerpunkt  der  Arbeit  in  der  Erklärung  dieses  schwierigen  Schrift- 
stellers liegt,  für  welche  dem  Verfasser  seine  theologisch -scholastische 
Bildung  zu  statten  kommt.  Freilich  ist  eine  letzte  Entscheidung  in 
manchen  Fragen  unmöglich,  so  lange  der  Wortlaut  nicht  durch  eine 
kritische  Ausgabe  festgestellt  ist.  Die  Häufung  der  Negation  (S.  24) 
hat  sicherlich  mit  der  römischen  Volkssprache,  mit  der  sie  Verf.  in 
Verbindung  bringt,  nichts  zu  thun,  ist  vielmehr  reiner  Gräcismus.  Aus 
den  von  Stix  angeführten  Beispielen  läßt  sich  das  Gesetz  ableiten: 
,Nach  negiertem  Verbum  ist  ne  =  ut  wie  griechisch  [i-q,  ne  non^ut 
non  entsprechend  griechischem  fir)  ou;  ebenso  wird  nach  negierten  Verbis 
dicendi  beim  Infinitiv  die  Negation  wiederholt."  4,  13  heißt  es  in 
einem  arianischen  Glaubensbekenntnisse:  nee  enim  est  (filius)  aeter- 
nus  aut  coaeternus  aut  simul  non  factus  cum  patre.  Stix  faßt  un- 
richtig non  als  Pleonasmus  und  übersetzt:  „Denn  der  Sohn  ist  nicht 
ewig  noch  auch  gleich  ewig,  auch  nicht  zusleich  mit  dem  Vater  ge- 
macht," Damit  wird  aber  den  Arianern  die  ganze  unmögliche  Lehre 
untergeschoben,  der  Vater  sei  gemacht.  Vielmehr  ist  factus  durch  non 
negiert  und  non  factus  hat  ähnlichen  Sinn  wie  ingenitus  bei  Arnob. 
II  35:  omnes  concedimus  uuum  esse  rerum  patrem,  immortalem  atque 
ingenitum  solum,  ähnlich  auch  Arnob.  VII  35.  Demnach  ist  zu  über- 
setzen „noch  auch  wie  der  Vater  nicht  geschaffen",  so  daß  simul  cum 
patre  non  factus  einen  dem  non  coaetaenms  entsprechenden  Begriff 
bildet,  gleichsam  coinfectus.  Es  wird  also  von  den  Ariaueni  geleugnet, 
was  das  nicänische  Glaubensbekenntnis  vom  Sohne  aussagt,  er  sei 
„nicht  geschaffen''.  5,  25  heißt  quomodo  nicht  'warum'  (quaero  quomodo 
possit  non  esse  quod  natus  est),  sondern  es  ist  zu  übersetzen:  „ich 
frage,  wie  es  möglich  ist,  daß  er  das  nicht  ist,  als  was  er  geboren  ist". 
S.  11  wird  mit  Unrecht  angenommen,  7,22  und  5,18  sei  amittere 
—  desinere  zu  nehmen ;  per  assumptam  infirmitatem  non  amittit  deus 
esse  heißt:  durch  ^Annahme  der  menschlichen  Schwäche  verliert  er  nicht 
sein  Gottsein.  Bemerkenswert  ist,  daß  Hilarius  manens  als  Ersatz  für 
das  fehlende  Part.  Praes.  von  esse  gebraucht,  wie  andere  Spätlateiner 
constitutus. 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—97.   (Geyer.)       69 

Bei  rhetorisch  gebildeten  Schriftstellern  wie  Hilarius,  Symraachus, 
Sidonius  würde  man  natürlich  vergebens  gallische  Provinzialismen 
suchen.  Dagegen  zeigt  sich  der  Einfluß  der  Umgangssprache  bei  Silvia 
und  Marcellus  Empiricus. 

P.  Geyer,    Zu  Silviae    peregrinatio  ad  loca  sancta.    Archiv  IX 
S.  298-300. 

Besprochen  wird  sera  Abend,  lucernaris,  responsorius,  hostium 
(  =  afr.  huis)  u.  a. 

Derselbe,   Spuren    gallischen  Lateins  bei  Marcellus  Empiricus. 
Archiv  VIII  S.  469—481. 

Die  Sprache  des  Marcellus  auf  ihre  provinziellen  Eigentümlich- 
keiten hin  zu  untersuchen,  wurde  Verf.  veranlaßt  durch  eine  Bemerkung 
Ilbergs,  der  in  einer  Rezension  der  Helmreichschen  Ausgabe  den  Mar- 
cellus einen  Vertreter  des  gallischen  Lateins  nennt,  ohne  jedoch  dafür 
Gründe  anzugeben.  Auch  Sittl  gesteht  in  den  Verhandlungen  der 
Görlitzer  Philologenversammlung  S.  392  dem  Marcellus  neben  der 
Gallierin  Silvia  eine  Ausnahmestellung  in  der  Litteratur  zu.  Gallische 
Provinzialismen  finden  sich  nun  in  der  That,  z.  B.  cadivus  =  epilemp- 
ticus,  bei  Gregor  von  Tours,  Vita  Martini  p.  615,  5  als  solcher  aus- 
drücklich bezeugt,  accentus  —  incrementum  febris,  Archiv  VIII  119  als 
Gallicismus  nachgewiesen.  Am  wichtigsten  sind  natürlich  solche,  welche 
durch  die  französische  Sprache  bestätigt  werden,  z.  B.  glus,  glutis  Leim 
=  franz.  le  glu  (von  mir  irrtümlich  S.  473  als  Femininum  bezeichnet); 
es  steht  auch  bei  Paulin.  Petric.  V.  M.  IUI  104,  VI  423  und  Vis. 
Nep.  52 ;  berula  =  frz.  berle,  cardo  =  chardon,  ossifraga  =  orfraie,  adro- 
rare  =  arroser,  criblare  =  cribler,  carminaie  =  charmer,  sopire^  assouvir. 
Von  fachkundiger  Seite  auf  einige  Versehen  aufmerksam  gemacht,  be- 
nutze ich  die  Gelegenheit  zur  Berichtigung:  experimente  ist  lediglich 
mot  savant,  curmi,  auch  sonst  bekannt  =  griech.  y.oüp|xi.  Französisch  glu  ist 
nicht  Masculinum,  sondern  Femininum;  daß  aber  glus,  tis  gallischer 
Provinzialismus  ist,  dafür  spricht  auch  das  Vorkommen  bei  dem  Gallier 
Paulin.  Petric. 

E.  Wölfflin,  Auris*  Auricula,  Archiv  VIII  S.  591. 

Derselbe,  Carduus,  cardus  cardo.     Archiv  IX  S.  297. 

Die  dreisilbigen  Formen  von  auris  haben  sich  bei  Marcellus  besser 
gehalten  als  die  zweisilbigen.  Wenn  übrigens  im  Genetiv  Sing.  9  auii- 
culae  gegen  6  auris  stehen,  im  Accus.  15  aurem  gegen  4  auriculam, 
so  ist  doch  der  Schluß  nicht  berechtigt,  daß  in  Gallien  das  auslautende 
m  besser  hörbar  war  als  das  s.  Gerade  das  Gegenteil  muß  nach  Aus- 
weis des  Französischen  der  Fall  gewesen  sein. 


70       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatcin  1891—97.   (Geyer.l 

Samuel  Chabert,    De    latinitate  Marcelli    in    libro   de  medica- 
mentis.     These.     Paris  1897,  Oudin.     VII.     130  S.     8. 

Die  Arbeit  ist  dilettantenhaft  und  fordert  auf  jeder  Seite  zum 
Widerspruch  heraus;  dies  zeigt  schon  die  Frage,  welche  Verf.  zur  Be- 
antwortung sich  vorlegt,  ob  Marcellus  seiner  Sprache  nach  eher 
als  Römer  oder  als  Gallier  zu  betrachten  sei,  mit  dem  Ergebnis: 
'gallice  locutus  est,  gallicam  quadam  ex  parte  linguam  antecipavit.' 
Was  vom  Sprachgebrauch  des  Schullateins  einigermaßen  abweicht,  da- 
gegen mit  dem  ßomanischeu  sich  berührt,  wird  ohne  weiteres  als 
Gallicisnius  erklärt.  Es  verlohnt  sich  nicht,  die  Unzahl  der  falschen 
Behauptungen  zu  widerlegen;  zur  Charakterisierung  des  Inhalts  diene 
der  Satz  S.  33,  A.  12  'Marcellum  multo  saepius  ex  quam  e  scripsisse,  seu 
quia  Galli  regionem  magis  septentrionalem  incolentes  cousonantibus  eo 
magis  delectarentur  (cf.  nunc  Germanos),  seu  quia  pronuntiatione  magis 
in  dies  vitiata  praepositio  e  sine  x  vix  iam  in  Gallia  auribus  percipe- 
retur,'  oder  der  Schluß  der  aus  dem  Nebeneinandervorkommen  der 
Formen  ungueo  und  uugo  gezogen  wird,  daß  g  vor  e  und  i  schon  ähnlich 
wie  im  Französischen  gesprochen  worden  sei  (S.  14)  oder  die  monströse 
Behauptung  S.  65,  'genetivus  nonnunquam  pro  nominativo  accipitur';  von 
den  Beispielen  ist  glutis  Nebenform  zu  gluten  (vgl.  Archiv  VIII 
S.  473),  stirpis  zu  stirps,  schon  bei  Livius  vorkommend;  salis  in  der 
Formel  p.  151,  19  ist  wirklich  der  Genetiv  abhängig  von  glandula. 
Geradezu  barbarisch  ist  das  Latein,  wimmelnd  von  Soloecismen,  Galli- 
cismen,  Verstößen  gegen  die  Modiislehre  und  Consecutio  Temporum. 
Man  ist  versucht  auf  den  Verfasser  anzuwenden,  was  er  von  Marcellus 
sagt:  'Quaedam  latinae  syntaxeos  praecepta  parvi  facere  visus  est'  ode)- 
(S.  116),  'Stilum  in  Marcello  fuisse  nulluni  libenter  asseruerim',  was 
(S.  118)  noch  einmal  bekräftigt  wird,  'Bevera,  stilus  nullus  est.' 

E.  Wölfflin,    Proben    der  vulgärlateinischen  Mulomedicina  Chi- 
ronis,  Archiv  X  S.  413—426. 

W.  Meyer  entdeckte  im  Jahre  1885  eine  Handschrift  in  der 
Münchener  Staatsbibliothek  unter  dem  Titel  Chironis  Centauri,  Absyrti 
artis  veterinariae  libb.  X,  welches  er  mieden  von  Vegetius  citierten 
Schriften  des  Chiron  und  Absyrtus  identifiziert.  Die  Text-  und  Sprach- 
proben, welche  Wölfflin  daraus  mitteilt,  machen  es  unmöglich  die  Schrift 
ins  4.  Jahrhundert  zu  setzen,  indem  die  Sprache  schon  einen  halb- 
romanischen Charakter  trägt.  Wahrscheinlich  ist  es  eine  Sammlung 
von  Rezepten,  darunter  auch  solche  von  Chiron  und  Absyrtus.  Ein 
entscheidendes  Urteil  über  diese  Frage  und  über  das  Verhältnis  za 
Vegetius  wird  erst  möglich  sein,  wenn  gesicherte  Texte  vorliegen. 
Unter    den    von    Wölfflin    mitgeteilten    Formen    weist     armora  =  armi 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  18'.")] — 97.    (Geyer.)       71 

(S.  421)  anf  die  Longobardenzeit  hin,  vgl.  Bluhme,  die  gens  Laiigo- 
bardoriim,  2.  Heft,  Ihre  Sprache,  Bonn  1874,  S.  27.  Aceto  acro  findet 
sieh  bei  Soran  und  in  einzelnen  Handschriften  des  Theod.  Prise.  For- 
ficare  steht  auch  C.  Gl.  L.  II,  479,  59  und  III,  165,  20.  In  der  be- 
sprochenen Vegezstelle  I,  26,  4  hat  creraare  die  Bedeutung  suspendere, 
wie  ich  in  WölfFlins  Archiv  X  S.  547  nachgewiesen  habe. 

An  die  Mediziner  reihe  ich  einige  spätlateinische  Grammatiker  an. 

Alfred  Moeller,    Quaestiones  Servianae,    Inauguraldissertation. 
Kiel  1892.     51  S.     8. 

P.  Daniel  gab  im  Jahre  1600  einen  Yirgilkommentar  heraus,  der 
mehr  enthält  als  der  eigentliche  Seivius.  Während  Thilo  die  Zusätze 
bei  Daniel  für  Interpolation  erklärt,  sucht  Moeller  zu  erweisen,  daß 
dieser  vollere  Kommentar  das  Original  sei,  der  kürzere  aber  ein  Aus- 
zug aus  ihm.  Deshalb  sucht  er  durch  sachliche  und  spiachliche  Ar- 
gumente den  Beweis  zu  führen,  daß  der  vollere  Servius  ins  ausgehende 
3.  oder  beginnende  4.  Jahrhundert  falle.  Im  allgemeinen  stimmt 
ja  der  sprachliche  Charakter  damit,  aber  ein  zwingender  Beweis,  daß 
die  Sprache  dieser  Zeit  angehört,  ist  und  konnte  nicht  erbracht  werden. 
Accessa  ist  jetzt  nicht  mehr  bloß  durch  das  Itin.  Burdig.  bezeugt, 
sondern  auch  durch  die  Fasti  cons.  vom  Jahr  365,  Frick,  chrou.  min. 
Index  S.  626,  vgl.  Archiv  IX  126.  Als  Nom.  Plur.  begegnet  es  wieder 
Anton.  Plac.  Itin.  v.  Jahre  570,  S.  30,  12  ed.  Gildem;  vgl.  auch  Sto- 
wasser,  Hisp.  Farn.  33;  ebenso  gebraucht  Antonin  das  seltene  Wort  gener- 
alitas  S.  8,  14.  Archaismus,  aber  mit  griechischen  Lettern,  gebraucht 
Symmachus  in  der  bekannten  Stelle  III,  44.  Das  Woit  adescatus 
findet  sieb  sonst  nur  bei  Cael.  Aurel;  also  in  einer  späteren  Zeit.  Das- 
selbe ist  der  Fall,  wenn  es  A.  1,  609  heißt :  'nominativus  pluralis,  res 
termiiiatus  singularera  in  or  mittit',  wozu  Moeller  bemerkt-  in  quo 
notabile  est,  quod  niittere  idem  significat  atque  termiuari,  cuius  rei 
nihil  siniile  iudagari  potest.  Ganz  ebenso  heißt  es  aber  auch  bei  dem 
Grammatiker  Virgilius  Maro  S.  60,  4  tempus  imperativ!  non  in  i  pro- 
ductam,  sed  in  e  correptam  mittit.  Interessant  ist  das  Depomens  (de) 
certari  A.  11,  247  armis  inter  se  decertati  sunt.  Es  kommt  außer  an 
den  bei  ßoensch  angeführten  Stellen  (Itala  S.  302)  auch  im  lateinischen 
Clemensbrief  6,  16  und  33,  11  vor.  Für  metuere  mit  Infinitiv  (S.  6) 
und  non  dubium  est  mit  Acc.  c.  Inf.  giebt  es  noch  viele  andere  Belege, 
vgl.  Drägej.  Eist.  Sj-ntax  II  S.  342  und  389  und  Wentzel,  de  iuf. 
apud  Justinum  usu  S.  17  und  25.  Fertur  mit  Acc.  c.  Inf.  (S.  7)  ist  unter 
die  Gräcismen  zu  rechnen,  quia  statt  quod  (S.  8)  findet  sich  öfters 
bei  Virgilius  Maro,  z.  B.  S.  36,  5;  48,  11;  65,  5;  71,  9;  73,  2,  5  u.  ö. 
De  navium  fragmeutis  civitatem  sibi    fecisse  (S.   10)    ist    kein  Beispiel 


i'^ 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891-97.    (Geyer.) 


lür  instrumentales  de;  die  Präposition  bezeichnet  den  Stoff  wie  oft 
sonst,  virl.  Dräger  I  S.  629.  In  honore  Aiigusti  (S.  11)  statt  in  ho- 
norem auch  Script,  h.  Aug.  Trig.  4,  1;  11,  1.  Wenn  der  Verf.  S.  5 
bemerkt:  iudicativum  et  couiunctivum  'niire'  couiunxit  Servius  A.  2,  130, 
'est  autem  figuratius,  si  legatui',  so  wissen  wir  jetzt  durch  die  Unter- 
suchungen von  Blase,  Archiv  IX  S.  17  ff.,  daß  dies  die  im  Spätlatein 
gebräuchliche  Form  des  Bedingungssatzes  ist. 

Th.  Stangl,  Zur  Kritik  der  lateinischen  Rhetoren  und  Gram- 
matiker, Xeuieu  der  41.  Versammlung  deutscher  Philologen  und  Schul- 
männer 1891  in  München  dargeboten  vom  historisch-philologischen 
Verein,  S.  29—37. 

In  seiner  Ausgabe  des  Julius  Victor  und  noch  mehr  des  Alcuin 
in  den  Rhetores  latini  minores  hat  Halm  vielfach  Vulgarismen  korrigiert, 
die  unbedenklich  in  den  Text  aufzunehmen  sind,  z.  B.  placibilis,  itiner 
servator,  adiuvavi,  Ablative  auf  e  von  Adjektiven  der  3.  Deklination, 
iletaplasmen,  Indikativ  nach  cum  causale,  in  indirekten  Fragen  und 
nach  coüsecutivem  ut.  In  ähnlicher  unnötiger  Weise  hat  Keil  in  der 
Ars  des  Palaemon  und  des  gallischen  Grammatikers  Consentius  Ände- 
rungen vorgenommen. 

Über  spätlateinische  Dichtungen  ist  wenig  zu  berichten: 

M.  Amend,  Studien  zu  den  Gedichten  des  Papstes  Damasus. 
Nebst  einem  Anhang:  Damasi  carmina.  Programm  des  Neuen  Gym- 
nasiums zu  Würzburg  1894.     39  S.     8. 

Vgl.  die  Rezension  von  M.  Ihm,  Archiv  für  lat.  Lex.  IX  S.  474  f. 
Diese  unreife  Arbeit  ist  durch  die  inzwischen  erschienene  Ausgabe  von 
Ihm  völlig  antiquiert. 

M.  Ihm,  Die  Epigramme  des  Damasus.  Rhein.  Museum,  Neue 
Folge  1895,  S.   191—204 

handelt  im  zweiten  Abschnitt  auch  von  Stil  und  Sprache  des  Daraasus. 
Er  verrät  wenige  Spuren  litterarischer  Bildung.  Außer  zahlreichen  Re- 
miniscenzen  an  Vergil  zeigt  er  auch  Anklänge  an  den  Cento  der  Dichterin 
Proba.  Eigentümlich  ist,  daß  er  die  Konjunktion  et  verschmäht,  welche 
er  nur  selten  im  Sinne  von  etiam  gebraucht.  Dafür  verwendet  er  que, 
seltener  ac  und  atque.  Nach  Ausweis  der  Steininschriften  unterblieb 
die  Assimilation  in  Fällen  wie  adgressus,  inraensus,  inluviem. 

Guido  Maria  Dreves,  Aurelius  Ambrosius,  der  Vater  des  Kirchen- 
gesanges, eine  byranologische  Studie.     Freiburg  i.  Br.,  Herder,  1893. 

Es  finden  sich  in  diesem  Buche  nur  wenige  sprachliche  Beobach- 
tungen;   denn  der  3.  Abschnitt    des  ersten  Hauptteils:    , Welches  sind 


I 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—97.    (Geyer.)       73 

die  metrischen  und  stilistischen  Eigentümlichkeiten  des  Dichters  Am- 
brosius?"  [über  den  Reim  bei  Ambrosius  vgl.  Wölfflins  Archiv  I  S.  379] 
begnügt  sich  mit  ziemlich  allgemein  gehaltenen  Bemerkungen,  von  denen 
etwa  hervorzuheben  ist,  daß  Ambrosius  die  Neigung  hat,  sich  selbst  zu 
wiederholen.  Im  4.  Abschnitt:  Welches  sind  die  echten  Kinder  der 
Muse  des  Ambrosius?  werden  zahlreiche  Wendungen  in  den  für  ambro- 
sianisch  erklärten  Hymnen  aus  den  prosaischen  Schriften  des  Mailänder 
Bischofs  belegt. 

James    Taft    Hatfield,    A    study    of   Juvencus.     Bonn  1890. 
Inauguraldissertation.  1890.     XIT.     52  S.     8. 

Diese  sorgfältige  Arbeit  stellt  den  Sprachgebrauch  des  Juvencus, 
insbesondere  seine  Syntax,  mit  erschöpfender  Vollständigkeit  dar  und 
handelt  auch  von  seinen  stilistischen  Besonderheiten,  seiner  Prosodie, 
der  Nachahmung  älterer  Dichter  und  seinen  lexikalischen  Eigentümlich- 
keiten. Das  Bild  wäre  aber  vielleicht  noch  schärfer  ausgefallen,  wenn 
die  charakteristischen  Züge  weniger  hinter  der  Menge  des  Selbstver- 
ständlichen zurückträten.  Vielfach  hätte  auch  untersucht  werden  sollen, 
ob  eine  sprachliche  Erscheinung  dem  Juvencus  eigentümlich  oder  von 
ihm  aus  der  Bibel  herübergenommeu  ist,  so  z.  B.  die  gnomischen  Per- 
fekta  1,  101  sustulit  thronum  fregitque  superbos,  an  deren  Stelle  die 
Vulgata  Luc.  1,  51  f.  ebenfalls  Perfekta  hat  dispersit  superbos,  deposuit; 
mit  4,  186  cui  credere  cuncta  voluit  pater  ist  zu  vergleichen  Vulg. 
Matth.  24,  45  quem  constituit  dominus  suus  super  familiam  suam.  Kein 
gnomisches  Perfekt  liegt  vor  4,  790  genitor  mihi  cuncta  subegit,  vgl. 
Joh.  5,  22;  Matth.  11,  27  oder  28,  18.  Ebenso  beweist  volvenda  dies 
1,  106  nichts  für  die  Sprache  des  Juvencus,  da  es  aus  Vergil  Aen.  9,  7 
entlehnt  ist.  Öfters  ist  die  Art  des  Citierens  irreführend;  so  wird  z.  B. 
angegeben  1,  246  stehe  gaudia  gaudent,  es  heißt  aber:  gaudia  magna 
magi  gaudent.  Die  S.  16  unten  angeführten  Ablative  uteri  sinuamine 
und  uteri  giemio  finden  erst  ihre  Erklärung,  wenn  man  beim  Nach- 
schlagen der  betreffenden  Stellen  beim  ersten  gestans,  beim  zweiten 
clausae  findet,  'd,  267  inseruit  astris  ist  nicht  als  tinaler  Lokativ  zu 
bezeichnen,  sondern  dies  Beispiel  gehört  wie  so  manches  andere  unter 
derselben  Rubrik  stehende  in  den  §  54  Dativa  after  verba  compounded 
with  prepositions,  wo  es  auch  ein  zweites  Mal  steht  (8.  13  o.).  Das- 
selbe Beispiel  findet  sich  nun  gar  noch  ein  drittes  Mal  S.  17,  wo  es  als 
Ablative  of  place  erklärt  wird.  Aber  ebensowenig  ist  1,  478  inpostam 
rupibus  urbem  Ablativ.  Auch  der  Ablativ  der  Trennung  wird  durch 
einige  sehr  fragwürdige  Beispiele  bereichert,  wie  subtrahit  igni  S.  22. 
Umgekehrt  liegt  in  talibus  indignans  3,  32  kein  Dativ,  sondern  Ablativ 
vor.     §  77   scheint  der  Titel:    Deponent  Perf.  Part,    used  Aoristically 


74       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—07.   (Geyer.) 

ein  Versehen  zu  sein,  da  die  angeführten  Participien,  wie  z.  B.  veneratas 
adorat  in  präsentischem  Sinn  gebraucht  sind.  Für  haud  dubium  est 
quod  citiert  Schmalz  in  I.  von  Müllers  Handbuch  II,  1.  Auflage  S.  500 
Amraian.  14,  6,  21.  Ein  zweites  Beispiel  bei  Kalb,  Roms  Juristen 
S.  30.  Mox  =  simulatqae  findet  sich  bei  Silvia  S.  79,  16  (Gam.  1.  Aus- 
gabe); 80,  18,-  87,  28;  105,  14;  weitere  Belege  bei  Bonnet,  le  latin 
de  Gregoire  p.  320  a.  2. 

Emorj' Bair  Lease,  A  sj'utactic,  stilistic  and  metrical  study  of 
Prudentius.     Baltimore  1895.     79  S.     8. 

Die  Bedeutung,  welche  Prudentius  als  der  populärste  christliche 
Dichter  hat,  rechtfertigt  eine  so  eingehende  Darstellung  seines  Sprach- 
gebrauchs. Trotz  seines  eigenen  bescheidenen  Ausspruchs  audi  poetam 
rusticum  stellt  sich  dabei  doch  heraus,  daß  er  hocli  über  allen  anderen 
christlichen  Dichtern  steht,  namentlich  auch  über  seinem  Landsmann 
Juveucus.  Die  Vergleichung  mit  dem  letzteren  lag  um  so  näher,  als 
Lease  die  eben  besprochene  Dissertation  von  Hatfield  benutzen  konnte. 
An  diese  schließt  sich  Lease  auch  in  der  Disposition  aufs  engste  an. 
so  daß  sogar  mehrere  besondere  Paragraphen  gebildet  werden,  nur  um 
zu  konstatieren,  daß  eine  sprachliche  Erscheinung,  die  bei  Juveucus 
vorkommt,  bei  Prudentius  ohne  Beispiel  ist,  so  z.  B.  §  90  si  as  inter- 
rogative particle  und  ähnlich  §  24  und  §  29.  Gar  manches  Selbstver- 
ständliche hätte  übrigens  ohne  Schaden  wegbleiben  können,  z.  B.  daß 
nach  orare  und  rogare  ein  Satz  mit  ut  steht,  was  sonderbarerweise 
mit  dem  ut  in  indirekten  Fragen  in  nonne  vides  ut  und  cernis  ut  in  einem 
und  demselben  Abschnitt  untergebracht  ist,  oder  daß  ratus  und  diffisus 
für  das  Präsens  stehen.  Bei  einem  so  hochgebildeten  und  für  Gebildete 
schreibenden  Dichter  sind  von  vornherein  keine  Spuren  des  sermo  fami- 
liaris  oder  gar  vulgaris  zu  suchen:  die  Endung  re  statt  ris  in  der 
zweiten  Pers.  Sing.  (S.  9),  absque  (S.  29),  der  Ablativ  der  Zeitdauer 
(S.  38)  sind  sicher  nicht  aus  dem  sermo  fam.  genommen.  Noch  viel 
weniger  darf  man  erwarten,  auf  provinziale  Eigentümlichkeiten  zu  stoßen. 
Wenn  Prudentius  den  Komparativ  nur  mit  magis,  nicht  mit  plus  um- 
schreibt (S.  50),  so  verrät  er  sich  damit  nicht  als  Spanier,  sondern  als 
korrekten  Latinisten;  ebensowenig  haben  die  Verbindungen  impeditum 
und  coniunctum  teuere  (S.  12)  mit  dem  spanischen  Hülfsverbum  teuere 
etwas  zu  thun.  Zum  Infinitiv  als  Substantiv  ist  hinzuweisen  auf 
Archiv  III,  70  ff.  Der  Infinitiv  bei  adgredi  ist  nicht  unter  die  finalen 
Infinitive  zu  rechnen,  vgl.  Krebs- Allgayer,  Antibarbarus  S.  111.  Wie 
Hatfield  geht  auch  Lease  zu  weit  in  der  Annahme  appositionaler 
Genetive:  weder  frusta  auri  noch  vis  animi  (S.  17)  gehören  dazu.  Un- 
verständlich ist,  wie  Olybriaci  nominis  heres  (S.  18)  unter  die  Rubrik 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  ISDl— 97.   (Geyer.)       75 

penet.  qualit.  kommt.  In  der  Verbindung-  tenebris  mergitur  (S.  23) 
liegt  nicht  finaler  Dativ,  sondern  Ablativ,  in  subtrahit  indignis  (8.  28) 
umgekehrt  Dativ,  nicht  Ablativ  vor.  Zum  instrumentalen  Ablativus 
mit  ab  ist  hinzuv^eisen  auf  den  analogen  Gebrauch  bei  Ovid.  Gaudens 
haerede  (S.  27)  und  fretus  amore  steht  seltsamerweise  unter  dem  Titel 
Ablativus  loci.  Vgl.  im  übrigen  die  Besprechung  von  Sixt  in  der  Berliner 
philologischen  Wochenschrift  1895,  S.   1579. 

J.  Bergmann,  Lexicou  Piudentianum.  Fase.  1.  4.  Upsala  1894 
war  mir  nicht  zugänglich.  Vgl.  die  Rezension  von  Sixt,  Berliner 
phUol.  Wochenschrift  1895,  S.  1058—1059. 

Afrikaner. 

Da  neben  der  Frage  des  Vulgärlateins  auch  die  des  provinzialen 
Lateins,  insbesondere  der  Africitas,  vielfach  erörtert  worden  ist,  stelle 
ich  die  Schriften  zusammen,  welche  über  den  Sprachgebrauch  afrika- 
nischer Autoren  handeln  oder  den  Zweck  haben,  Litteraturerzeugnisse 
oder  Schriftsteller,  deren  Heimat  unbekannt  ist,  für  Afrika  zu  rekla- 
mieren. 

Eine  kritische  Beleuchtung  erfahren  die  bisher  in  weiten  Kreisen 
geltenden  Ansichten  über  das  afrikanische  Latein  durch 

W.  Kroll,  Das  afrikanische  Latein,  ßhein.  Mus.  LH,  1897, 
S.  569—590. 

Der  Aufsatz  bespricht  die  Frage  so  erschöpfend  und  deckt  sich 
in  den  meisten  Punkten  mit  den  Anschaungen  des  Referenten  so  sehr, 
daß  etwas  größere  Ausführlichkeit  hier  angezeigt  ist,  um  so  mehr,  als 
ich  dadurch  in  der  Lage  bin,  mein  eigenes  allgemeines  Referat  beiseite 
zu  lassen. 

Der  Mißbrauch,  welcher  mit  dem  Ausdruck  Africismus  getrieben 
wurde,  die  Übertreibungen  der  extremsten  Anhänger  der  Africitas  wie 
Monceau,  Thielmann,  Kubier,  Kalb  u.  a.  haben  den  Verfasser  veranlaßt, 
die  schon  von  anderen  vorgebrachten  Gegengründe  noch  einmal  im  Zu- 
sammenhang vorzuführen  und  durch  neue  zu  verstärken.  Daß  die  Aus- 
führungen und  Grundsätze  des  bekannten  Sittischen  Buches  „Die  lokalen 
Verschiedenheiten  der  lateinischen  Sprache"  noch  einmal  widerlegt  werden, 
nachdem  der  Verfasser  sie  selbst  zurückgenommen  hat,  könnte  als  über- 
flüssig erscheinen;  aber  da  andere  trotzdem  immer  noch  mit  ihnen 
weiter  arbeiten,  war  es  doch  nicht  zu  umgehen.  Daß  die  Gründe,  mit 
welchen  der  Verfasser  operiert,  zum  großen  Teil  schon  von  Sittl  selbst 
und  anderen  vorgebracht  sind,    thut  ihrer  Beweiskraft  keinen  Eintrag. 


7G        Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—97.   (Geyer.) 

Manche  Thatsachen  müssen  immer  wieder  aufs  neue  in  ErinneruDg- 
gebracht  werden,  weil  sie  zu  wenis  Beachtung  gefunden  haben:  so  z.  B., 
daß  die  afrikanischen  Schriftsteller,  weltliche  wie  kirchliche,  längere 
Zeit  so  ausschließlich  die  Litteratur  beherrschten,  daß  kein  adaequates 
Vergleichungsmaterial  aus  anderen  Ländern  vorliegt  [zur  Ergänzung 
sei  auf  die  trefflichen  Bemerkungen  Watsons  über  diesen  Punkt  auf- 
merksam gemacht,  the  Stjie  and  language  of  St.  Cyprian  in  Studia 
biblica  et  ecclesiastica,  Oxford  1896,  p.  241,  vgl.  auch  die  richtige 
Bemerkung  Werths,  Jahrb.  f.  klass.  Phil.  N.  F.  1897  S.  302  Anm.  2], 
daß,  so  schmerzlich  wir  den  Mangel  einer  romanischen  Sprache,  in  der 
das  afrikanische  Latein  fortlebt,  empfinden,  die  romanischen  Sprachen 
doch  wenigstens  ein  negatives  Kriterium  ergeben:  denn  sprachliche  Er- 
scheinungen, die  im  gesamten  Entwickeluugsgang  der  lateinischen  Sprache 
zu  den  romanischen  liegen,  können  unmöglich  von  Afrika  ausgegangen 
sein,  so  z.  B.  die  Verwechselung  des  terminus  ubi  und  quo,  die  Um- 
schreibung des  Futurs  durch  habeo,  der  Ersatz  des  Coni.  Imperf.  durch 
den  Coni.  Plusq.,  die  Entwertung  der  Komparationsgrade,  die  schließlich 
zum  Verlust  des  Superlativs  führte.  Daß  aber  derartige  sprachliche 
Processe  durch  litterarische  Vermittelung,  durch  die  Bibel,  über  das 
ganze  romanische  Gebiet  sich  verbreitet  haben,  widerspricht  jeder  sprach- 
lichen Entwickelung.  Da  ferner  für  Gallien,  Spanien,  Italien,  bei  denen 
uns  als  Mittel  der  Kontrolle  die  fortlebenden  romanischen  Sprachen  zur 
Verfügung  stehen,  nur  verschwindend  wenige  provinzielle  Eigentümlich- 
keiten nachgewiesen  werden  konnten,  selbst  wenn  man  das  frühere 
Mittellatein  noch  beizieht,  also  bis  ins  7.  Jahrhundert  hinabsteigt,  ist 
es  da  denkbar,  daß  in  Afrika  schon  im  2.  und  3.  Jahrhundert  eine 
solche  Fülle  von  provinziellen  Eigentümlichkeiten  existiert  habe?  Die 
Groebersche  Hypothese,  daß  im  Jahre  146  v.  Chr.  das  plautinisch- 
catonische  Latein  durch  die  romanischen  Legionen  nach  Afrika  gebracht 
worden  sei  und  dort  eine  Sonderentwickeluug  durchgemacht  habe,  aus 
der  sich  die  vielen  Archaismen  des  afrikanischen  Lateins  erklären,  darf 
wohl  jetzt  als  allgemein  aufgegeben  gelten,  da  sie  den  historischen  Ver- 
hältnissen nicht  entspricht;  einmal  begann  die  Latinisierung  erst  unter 
Cäsar,  dann  bestand  gerade  zwischen  Afrika  und  Italien  infolge  der 
günstigen  Seeverbindung  ein  besondeis  reger  Verkehr  [vgl.  darüber 
auch  Watson  a.  a.  0.].  Daß  sich  semitische  Elemente  im  afrikanischen 
Latein  erhalten  haben,  natürlich  abgesehen  von  den  durch  die  Bibel 
vermittelten  Hebraismen,  diese  Hypothese  ist  von  ihrem  Urheber  selbst 
mit  Recht  aufgegeben  worden.  [Auch  hier  liegt  die  Analogie  der  ro- 
manischen Sprachen  nahe:  lassen  sich  etwa  Einwirkungen  des  Keltischen 
auf  die  Bildung  des  Französischen  mit  Sicherheit  nachweisen?]  Dazu 
kommt  noch  die  Frage:    sind   die  Schriftsteller,   deren  Bücher  für  uns 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlateia  1891 — 'M.    (Geyer.)       77 

die  Quellen  des  afrikanischen  Lateins  bilden,  nachweislich  punischer 
Nationalität  oder  auch  nur  des  Punischen  mächticr  gewesen?  Dürfen 
wir  bei  ihnen  überhaupt  Spuren  eines  provinzialen  Vulgärlateins  er- 
warten? Ein  weiterer  treffender  Einwand  wird  von  A.  Werth,  Jahrb. 
f.  Philol.,  23.  Supplementband  S.  302  A.  2  auf  crund  des  fast  gänz- 
lichen Fehlens  punischer  Fremdwörter  erhoben.  Daß  es  keine  Schriften 
gibt,  die  im  eigentlichen  Sinne  des  Wortes  im  Vulgärlatein  geschrieben 
sind,  versteht  sich  eigentlich  von  selbst;  doch  behauptet  noch  1893 
Thielmann  in  seinem  Aufsatz  über  die  lateinische  Übersetzung  des 
Buches  der  Weisheit:  „Seinen  Wortschatz  bezieht  der  Übersetzer  ganz 
aus  der  Volkssprache",  Archiv  VIII  S.  253,  und  in  diesem  wie  in 
einem  zweiten  Aufsätze  „Die  lateinische  Übersetzung  des  Buches  Sirach, " 
ebend.  S.  501  ff",  wird  beständii,'  vom  afrikanischen  Dialekte  als  der 
Sprache  der  Übersetzung  gesprochen.  Kroll  sucht  der  ganzen  Hypothese 
vom  afrikanischen  Latein  dadurch  den  Boden  zu  entziehen,  daß  er  mit 
denselben  Gründen  wie  Sittl  eine  Beeinflussung  der  Schriftsteller  durch 
die  lebende  Volkssprache  so  ziemlich  ganz  in  Abrede  stellt;  geht  er 
auch  hierin  meines  Erachtens  zu  weit,  so  ist  doch  zuzugeben,  daß  weitaus 
die  meisten  vermeintlichen  Vulgarismen  Archaismen  sind,  d.  h.  bewußte 
Nachahmungen  archaischer  Schriftsteller.  Hinsichtlich  der  Gräcismen 
ist  in  einer  terra  bilinguis,  wie  Afrika  lange  Zeit  war,  eher  an  die 
Möglichkeit  einer  Berührung  mit  der  Volkssprache  zu  denken,  infolge 
der  Beschaffenheit  der  uns  erhalteneu  Litteratur  aber,  namentlich  bei 
Übersetzungen,  nicht  wahrscheinlich.  Mit  vollem  Rechte  vermißt  Kroll 
bei  seinen  Gegnern  Klarheit  und  Folgerichtigkeit  im  Gebrauch  des  ter- 
minus  Africitas:  bald  wird  darunter  die  in  Afrika  herrschende  Volks- 
raundart,  also  das  afrikanische  Vulgärlatein,  bald  eine  den  afrikanischen 
Schriftstellern  eigene  Stilrichtung  verstanden.  [Neuerdings  wird  aller- 
dings auch  die  Existenz  einer  Africitas  in  diesem  Sinne  geleugnet,  und 
man  beginnt  wieder  zu  der  alten  Anschauung  zurückzukehren,  daß  der 
sogenannte  tumor  Africus  nichts  ist  als  die  asianische  Rhetorik  aufs 
Lateinische  übertragen,  vgl.  Norden,  die  antike  Kunstprosa  S.  587  ff. 
und  besonders  596].  Faßt  man  Africitas  im  ersteren  Sinn,  so  hat  der 
sogenannte  tumor  africus  mit  der  vorliegenden  Frage  nichts  zu  thun. 
Schließlich  sucht  Kroll  hinsichtlich  verschiedener  angeblicher  Eigentüm- 
lichkeiten des  afrikanischen  Lateins  den  Nachweis  zu  führen,  daß  sie 
nicht  auf  Afrika  beschränkt  waren.  Daß  bei  vielen  das  numerische 
Übergewicht  auf  selten  der  Afrikaner  ist,  läßt  sich  nicht  leugnen.  — 
Zu  den  Einzelbemerkungen  gestatte  ich  mir  noch  folgende  Nachträge: 
Beispiele  für  den  identischen  Genetiv  finden  sich  in  ganz  ungewöhnlicher 
Zahl  bei  Sedulins,  vgl.  den  Index  verborum,  mehrfach  bei  Ammian: 
caligine   tenebrarum  31,   13,   12;    viarum  spatia  31,   12,   10;    planities 


78       Jahreebericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891  —  97.    (Geyer.) 

lata  camporum  31,  11,  5;  Beispiele  aus  den  gallischen  Panegyrikern 
siebe  bei  Firmicus.  Hie  idem  schon  Valerius  Maximus  p.  405,  15  ed. 
Kempf,  auch  Ammian  24,  5,  1;  Zusammenstellung  von  Positiv  und 
Superlativ  Val.  Max.  p.  439,  16  avaritia  neque  habendi  fructu  felix  et 
cupiditate  quaerendi  miserrima;  p.  201,  10  vinculum  potens  et  prae- 
validum,  S.  296,  17  praecipuum  et  certissimum  exemplum  wird  kaum 
als  voll  gelten,  so  wenig  wie  das  von  Kroll  angeführte  C.  I.  L.  X  4861; 
auch  VI  1783,  XII  2024  und  4393,  5  sind  nicht  vollgültig,  wohl  aber: 
Ammian  24,  5,  5  celsum  castellum  et  muuitissimum;  24,  6,  3  in  agro 
amoeno  arbustis  et  vitibus  laetissimo;  dagegen  24,  6,  6  praealtas  ripas 
et  arduas  ist  nicht  vollwichtig.  Zur  Entwertung  des  Superlativs  ist 
auch  zu  rechnen  duos  clavos  ita  latissimos  16.  8,  8.  Mam.  paneg. 
p.  261,  20  gratuitas  et  paratu  facillimas  comites  oder  p.  262,  22  non 
cnpidissimus,  non  flagrans.    Silv.  p.  36,  4  vallis  ingens  et  planissima. 

Paul  Monceaux,    Les  Africains,  etude  sur  la  litt6rature  latine 
d'Afrique.    Les  Paiens.     Paris  1894,  Lecene,  Oudin  et  Cie.     500  S. 

Das  Buch  zeigt  dieselben  Licht-  und  Schattenseiten  wie  der  oben 
S.  37  besprochene  Aufsatz  desselben  Verfassers,  glänzende,  fesselnde 
Darstellung,  aber  oft  zu  viel  Phantasie.  Das  hier  allein  in  betracht 
kommende  vierte  Kapitel  Le  latin  d'Afrique,  p.  99 — 121,  lehrt  uns  über 
das  afrikanische  Latein  wenig  Neues.  Es  w'erden  im  wesentlichen  die 
von  Sittl,  Lok.  Verschiedenheiten,  aufgestellten  chaiakteristischen  Eigen- 
tümlichkeiten des  afrikanischen  Lateins  wiederholt  nur  mit  Weglassung 
der  dort  gemachten  Einschränkungen  und  mit  vielen  Übertreibungen, 
z.  B.  S.  111  dans  la  conjugaison  on  employait  ä  contresens  et  comme 
an  hasard  les  temps  et  les  modes  oder  S.  121  du  V.  au  VII.  siecle 
dans  tout  le  nord  d'Afrique  on  voit  en  forraation  une  curieuse  langue 
ä  demi  semitique;  eine  Probe  dieser  halbsemitischen  Sprache  erblickt 
der  Verfasser  in  der  aus  Glossen  zusammeogestoppelten  Anthologie  von 
Karthago  bei  Baehrens,  poetae  lat.  min.  IV  241.  Vgl.  das  drastische, 
aber  nicht  unberechtigte  Urteil  Nordens  über  dies  Buch  in  der  wissen- 
schaftlichen Beilage  zum  Vorlesungsverzeichnis  der  Universität  Greifs- 
wald S.  15  und  Antike  Kunstprosa  S.  589. 

Wenn  man  unter  Africitas  nicht  eine  litterarische  Richtung, 
sondern  eine  eigentümliche  Gestaltung  der  Sprache  im  Munde  der  afrika- 
nischen Bevölkerung  versteht,  so  gilt  es,  die  Sprache  derjenigen  Leute 
zu  belauschen,  welche  der  litterarischen  Bildung  bar  waren,  also  gegen 
ihren  Willen  der  Volkssprache  Konzessionen  machten.  Dies  ist  der 
Fall  bei  den  Verfassern  einer  großen  Zahl  von  Inschriften.  Mit  ihnen 
beschäftigt  sich  daher  der  Aufsatz  von 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlateiü  1891 — 97.    (Geyer.)        79 

B.  Kubier,  Die  lateinische  Sprache  auf  afrikanischen  Inschriften, 
Archiv  f.  lat.  Lexikogr.    VIII    8.   1  Gl— 202    und  Nachträge  S.  297. 

Der  Verfasser  ist  sich  bewußt,  daß  er  sich  auf  einem  schlüpfrigen 
Gebiet  bewegt  und  daß  zum  Beweise,  daß  das,  was  er  zusammengestellt 
hat,  wirklich  afrikanisch  sei,  die  Gegenprobe  aus  anderen  Provinzen  not- 
wendig wäre;  daß  es  ferner  besondere  Schwierigkeiten  hat,  allgemeine 
Vulgarismen  und  specifische  Afrikanismen  zu  unterscheiden.  Aber  doch 
betrachtet  er  vielfach  Ausdrücke  als  afrikanisch,  die  bei  Peti'on  und 
bei  nicht  afrikanischen  Juristen  bezeugt  sind.  Wenn  man,  wie  Verf. 
S.  165  ausdrücklich  erklärt,  unter  afrikanischem  Latein  die  Sprache 
versteht,  wie  sie  das  Volk  speciell  in  Afrika  sprach,  sehe  ich  die  Logik 
des  Schlußsatzes  S.  202  nicht  ein:  ,Aus  den  Analogien  Petrous  folgt 
weiter  nichts,  als  daß  das  kampanischo  Latein  in  ähnlicher  Verwandt- 
schaft mit  dem  afrikanischen  stand  als  das  spanische,-  und  daß  im  afrika- 
nischen Latein  vulgäre  und,  was  ziemlich  dasselbe  ist,  archaische  Ele- 
mente besonders  stark  vertreten  sind.  Für  die  Juristen  liegt  die 
Erklärung  darin,  daß  sie  in  ihre  Darstellungen  sehr  viel  Vulgäres  auf- 
genommen haben."  Was  sonst  für  Elemente  als  vulgäre  soll  man  in 
der  Volkssprache  Afrikas  suchen?  Heißt  das  ferner  nicht  die  Mög- 
lichkeit, provinzielle  Verschiedenheiten  zu  finden,  erst  für  einen  großen 
Teil  des  Reiches,  dann  überhaupt  leugnen  ?  Denn  was  allgemein  vulgär 
ist,  ist  nicht  speciell  afrikanisch    — 

Nachdem  unter  den  Titeln:  Zur  Wortbildung,  zur  Flexion,  zur 
Syntax,  zur  Stilistik  und  Phraseologie,  lexikalische  Bemerkungen  eine 
Fülle  interessanten  Matei'ials  zusammengetragen  ist,  wird  am  Schluß 
das  Resultat  mit  den  Ergebnissen  früherer  Forschungen  verglichen. 
Kein  Unbefangener  wird  sich  des  Eindrucks  erwehren,  daß  dasselbe 
vorwiegend  negativ  ist.  —  Zum  Schluß  noch  einige  Einzelbemerkungen : 
matronaliter  nupta  S.  169,  auch  Passio  Perpetuae  S.  62,  20  (ed.  Robinson). 
Zu  vidi  crevisse  nepotes,  S.  177,  bietet  ein  Analogon  Pass.  Perp.  c.  10: 
Video  in  horomate  hoc:  venisse  Pomponium  ad  ostium  carceris  et  pul- 
sare  vehementer.  In  beiden  Fällen  aber  liegt  keine  Vertauschung  des 
Inf.  Perfekts  mit  dem  des  Präsens  vor,  sondern  es  heißt:  Ich  durfte 
noch  erleben,  daß  meine  Enkel  herangewachsen  waren  (adultos);  in 
der  Passio  Perpetuae:  Ich  sah  im  Gesichte  folgendes:  wie  P.  an  die 
Thür  des  Gefängnisses  gekommen  war  und  heftig  klopfte.  Retro 
(S.  180)  in  der  Bedeutung  früher  ist  ebenfalle  in  der  Passio  Perp. 
beliebt.  Utpote  cum  (S.  182)  auch  bei  Min.  Felix  1,  3  und  5,  1, 
desgl.  univira,  vgl.  Archiv  VII  S.  483.  Zu  castellus  als  Mascul.  vgl. 
Appel  de  neutro  gen.  intereunte  S.  83:  auch  Antonin.  Itin.  S.  30,  1. 
Exceptorium  Wasserbecken  kann  nicht  afrikanisch  sein,  da  es  im  Itin. 
Burdigalense  vom  Jahr  333  steht;    ebensowenig  hospitium  Haus  (neu- 


80       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlateiu  1891—97.   (Geyer.) 

griech.  to  a-i'-ri):  Silvia  82,  12  vadent  se  unusquisque  ad  hospitiuiii  suum, 
dagegen  90,  23  unusquisque  hiens  ad  domum  suani.  Da  zu  dolere  casui 
Verf.  Analoga  aus  der  Litteratur  nicht  kennt,  führe  ich  an  Sulp.  Severus 
Vita  Mart.  5,  5 :  se  mägis  illi  dolere,  qui  Christi  misericordia  esset  in- 
dignus.  Anders  wird  das  Verbum  konstruiert  in  der  Pass.  Perp.  c.  5 
und  6:  dolebani  causam  patris  mei  und  et  doluit  mihi  casus  patris  mei. 

E.  Lattes,    Etruskische  Analogien    zu    lateinischen   Africismen. 
Archiv  VIII  S.  495—499. 

Die  von  Mommsen,  Ephena.  epigr.  IV  520  ff.  nachgewiesene  Vor- 
liebe der  Afrikaner  für  Eigennamen  auf  osus,  ica,  itta,  dann  die  von 
Kubier  hervorgehobene  [übrigens  nach  Ausweis  der  romanischen  Sprachen 
allgemein  vulgärlateinische]  Bevorzuguus?  der  Adjectiva  auf  alis  und 
icius  findet  in  etrusjiiscben  Inschriften  manche  Analogien. 

Da  Kubier  oft  Berührun^^en  der  afrikanischen  Inschriftensprache 
mit  vorhieronymianischen  Bibelübersetzungen,  mit  Min.  Felix  und  der 
Passio  Perpetuae  nachweist,  wende  ich  mich  jetzt  zu  diesen.  Bekannt- 
nch  sind  mehrere  Bücher  des  alten  Testamentes  von  Hieronymus  nicht 
überarbeitet  (Röusch,  Itala  S.  11).  Eine  Untersuchung  der  Sprache 
mehrerer  derselben  hat  vorgenommen: 

Ph.  Thiel  mann.    Die  lateinische  Übersetzung    des  Buches  der 
Weisheit,  Archiv  VIII  S.  235—277. 

Der  Verfasser  beginnt  mit  der  Untersuchung  des  Wortvorrates, 
bespricht  S  253  if.  das  Verhältnis  der  Übersetzung  zur  Volkssprache 
und  giebt  S.  257  ff.  einen  Überblick  über  die  interessantesten  Er- 
scheinungen auf  dem  Gebiete  der  Formenlehre,  der  Syntax  und  des 
Wortschatzes.  Von  S.  262  an  wird  das  Verhältnis  der  Übersetzung 
zum  Original  in  eingehendster  Weise  klar  gelegt.  Die  Abhandlung  ist 
eine  Vorarbeit  zu  einer  mit  Unterstützung  der  bayer.  Akademie  der 
Wissenschaften  vorbereiteten  kritischen  Ausgabe  der  Bücher  Sap.,  Eccli., 
Judith,  Esther  und  Tobias.  Niemand  wird  ohne  Interesse  und  ohne 
reiche  Belehrung  zu  finden,  diesen  interessanten  Beitrag  zur  ßibelsprache 
lesen.  Zum  schärfsten  Widerspruch  aber  fordert  die  Methode  heraus, 
mittels  deren  provinzielle  Verschiedenheiten  gesucht  und  auch  in  reichster 
Fülle  gefunden  werden.  Thielmann  überbietet  in  dieser  Hinsicht  alles 
bisher  Dagewesene.  Afrikanisch,  und  zwar  Eigentümlichkeit  des  afrika- 
nischen Dialekts  —  dieser  Ausdruck  wird  oft  gebraucht,  z.  ß.  S.  238, 
241.  243,  244,  246,  251.  252,  255,  260,  274  —  sind  nicht  nur  die  Wörter, 
die  bis  jetzt  nur  bei  afrikanischen  Autoren  (im  weitesten  Sinne)  nach- 
gewiesen sind,  sondern  auch  die,  welche  zuerst  bei  den  Afrikanern  (oder 
Gellius)  auftreten  und  später  auch  in  andern  Provinzen  erscheinen;  so 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  ISO  1—07.   (Geyer.)       81 

ist  z.  B.  adinvenio  schon  deshalb   afrikanisch,    weil   es  zuerst  bei  Ter- 
tiillian   vorkommt.     Afrikanisch    sind  ferner  die  Archaismen,    die    seit 
dem  Ende    der  archaischen  Periode    aus  der  Litteratur  verschwanden, 
um  dann  erst  bei  den  Afrikanern  wieder  aufzutauchen,  selbst  wenn  diese 
Elemente  noch  in  die  Zeit  des  Cicero,    ja    bis    in   die  erste  Kaiserzeit 
hineindauern  (S.  243).     Natürlich    erg-iebt    sich    auch    hier  wieder  ein 
naher    ,,Zusammeiihang    des    afrikanischen    Dialekts    mit    der    Sprache 
Petrons,    dem  Dialekt   von  Unteritalien. "     Neu  ist  der  Zusanimenhaifg 
des     afrikanischen    Lateins     mit    dem    spanischen   (S.    245).     Man    ist 
erstaunt,    wenn    man    dies    liest,    da    über    das    spanische    Latein    bis 
jetzt   so    viel    wie    nichts   bekannt   war;    man  wird  aber  noch  weitere 
Überraschungen  erleben,    wenn  man  weiter  liest:    „nimietas  findet  sich 
zuerst  bei  Coluniella,  dann  bemächtigen  sich  die  Afrikaner  des  Wortes 
und    dann   auch   anderer  Schrittsteller.     In   solchen  Reihen    spielt    nun 
hie  und  da  auch  Petron  eine  Kolle,  z.  B.  compeditus  Cato,  Seu.,  Petron., 
Min.  Fei.,    Sap. ;    minutalia  Petron.  [Kampaner],    TertuU.  [Afrikaner], 
Marc.  Emp.  [G-allier]."    Damit  ist  also  der  Zusammenhang  des  afrika- 
nischen, spanischen  und  iinteritalischen  Dialektes  erwiesen!    „Auffallend 
häufig    drängt    sich    der    ältere  Plinius    in   die  Gesellschaft:    fascinatio 
Grell.,    Plin.,    Sap.;    pertranseo   Plin.  Sap.    [aber    auch    Silvia    dreimal 
und  oft  später]."     Thielraann  fährt  fort:    „Ich   unterlasse  es  vorerst, 
an   diese  Thatsache  Kombinationen    über  den  Zusammenhang  zwischen 
afrikanischem    und   oberitalischera  Latein    zu  knüpfen    und  führe  noch 
einige  seltene  Wörter  an,    die    wieder  andere  Reihen  bilden:    attentio 
Cic,    Quint.    (Spanier!)    Sap!"     Soll    damit    etwa    ein  Zusammenhang 
zwischen  dem  römischen,  spanischen  und  afrikanischen  Dialekt  erwiesen 
werden?     Zum   Schluß    nur    noch  einige  Einzelheiten.     Turbedo    venti 
hat  mit  dem  tumor  africus  nichts  zu  thun,  vgl.  turbo  ventus  bei  Plautns, 
procella  venti  bei  Lucrez;    ebensowenig  veste  poderis.     Da  poderes  ein 
Fremdwort    ist,    wird    es    für   die  Leser  durch  vestis  erklärt.     S.  242 
wird  veneficium  für  einen  Archaismus  erklärt,   der  nur  in  Afrika  fort- 
gelebt habe,  sonst  aber  durch  maleficium  verdrängt  worden  sei.    Li  der 
lex  Salica    aber  findet  sich  tit.  XXII    des   Heroldischen  Textes  (S.  53 
ed.  Holder)    neben  maleficium  §  1,  2  und  4  im  §  3  veneficium.     Con- 
summare  vollenden  kann  nach  Ausweis  der  Lexika  unmöglich  für  Afrika 
charakteristisch  sein.     Zu   cultura  (S.  249)  Gottesdienst  vgl.  Min.  Fei. 
23,  12    und  Tert,  Scorp.    p.  272  (Oehler).     S.  250    commemorari   sich 
erinnern  Pass.  Perp.  c.  7,  p.  72,  8.    S.  252:  refrigerare  erquicken  (vgl. 
Rönsch  378),  auch  Pass.  Perp.  64,  8  und  16;  74,  5  und  16,  82,  8;  86, 
1  und  5;  sustinere  erwarten  Pass.  Perp.  66,  20;  94,  2.    Im  coUoq.  Harlei., 
Loewe  III  644  wird   eycu   as  u7:o[X£vüj  übersetzt:    ego  te  sustineo,    also 
sicher  kein  Afrikauismus.    Ein  Irrtum  ist  (S.  252),  daß  die  romanischen. 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.  Bd.  LXXXXVIII.  (1898.  Hl.)      6 


g2       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—97.    ^Geyer.) 

Wörter  für  verraten  auf  trudicere  zurückgehen,  vielmehr  sind  sie  sämtlich 
von  tradere  abgeleitet.  Also  ist  die  Vermutung  tradictio  —  npoSocia 
Sap.  17,  14  hinfällig. 

Die  gleichen  Vorzüge  und  Schwächen  hat 

Ph.  Thielmann,  Die  lateinische  llbersetzung  des  Buches  Sirach, 
Archiv  VIII  S.  501—561. 

Nachdem  zunächst  über  die  Hebraisraen  gehandelt  worden  ist, 
welche  sich  aus  dem  Original  erklären,  werden  als  specifische  Afrika- 
nismen  betrachtet  Substantiva  mit  in  privativum  [es  sind  aber  sicher 
künstliche  Bildungen,  um  die  griechischen  Wörter  d-aiöeu^ta  und  d-riixta 
wiederzugeben],  nam  und  enim  =  oe  [ersteres  oft  bei  Silvia],  Wörter, 
die  bis  jetzt  nur  bei  Afrikanern  nachgewiesen  sind,  Elemente,  die  zuerst 
bei  Afrikanern  auftraten  und  sich  seit  dem  Ende  des  3.  Jahrhunderts 
[d.  h.  seit  es  überhaupt  wieder  nichtafrikanische  Schriftsteller  giebt] 
über  andere  Provinzen  verbreiten,  alle  Elemente,  die  bis  jetzt  nur  im 
Buch  der  Weisheit  nachgewiesen  sind.  Dann  werden  weiter  als  für 
Afrika  charakteristisch  behandelt,  w'obei  gelegentlich  wieder  das  Wort 
Dialekt  mißbraucht  wird,  z.  B.  S.  517  und  542,  1.  archaische  Elemente, 
die  aber  zum  Teil  noch  bis  in  die  Zeit  Ciceros  hineinreichen,  2.  Zu- 
sammenhang mit  der  Sprache  Petrons,  3.  Berührung  mit  dem  spanischen, 

4.  Ähnlichkeiten  mit  dem  oberitalischen  Latein.  Letztere  werden  dann 
angenommen,  wenn  ein  Wort  auch  bei  Seneca  oder  Columella,  respektive 
Plinius ,  bezeugt  ist.  Somit  ist  also  das  afrikanische  Latein  verwandt 
mit  dem  unteritalischeu,  oberitalischen,  spanischen  und  (nach  S.  507) 
auch    mit    dem    sardinischen    [Lucifer    von    Cagliari].     Nachdem    noch 

5.  514  eine  Reihe  „interessanter"  Kombinationen  zwischen  Afrikanischem, 
1  und  2,  1  und  3,  1  und  4,  2  und  3,  2  und  4.  3  und  4,  2  und  3  und  4 
angestellt  worden  sind,  „ist  damit  die  These  betr.  den  Zusammenhang 
des  afrikanischen  Dialekts  mit  dem  spanischen  und  oberitalischen  er- 
wiesen." Dann  wird  als  afrikanisch  bezeichnet  die  Vertauschung  der 
Komparationsgrade  [dieselbe  wird  auch  überall  da  angenommen,  wo  der 
lateinische  Übersetzer  einen  anderen  Grad  anwendet  als  das  griechische 
Original],  Giäcismen,  vokalischei-  Vorschlag  vor  s  impurum,  der  manch- 
mal auch  wie  a  gelautet  haben  soll  (!).  [Wenn  iav  tttust);  mit  si  ex- 
pueris,  zveo)  mit  aspiro,  -dzzu)  mit  aspergo  übersetzt  wird,  so  ist  damit 
durchaus  nicht  bewiesen,  daß  dies  nur  spuo,  spiro,  spargo  mit  Prothese 
sein  kann,  zumal  da  der  Übersetzer  nach  S.  542  Komposita  an  Stelle 
der  Simplicia  zu  setzen  pflegt.  Die  Lesart  des  Amiatinus  adsparget 
ist  Rekomposition,  wie  sie  auch  in  dem  S.  551  angeführten  obaudio 
vorliegt:  letzteres  hat  aber  mit  Afrika  gar  nichts  zu  thuu,  vgl.  Seel- 
mann,   Aussprache  S.  GO].     Es  folgen  noch  Besonderheiten   der  Wort- 


I 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spütlatein  hs9l— 97.   (Geyer.)       83 

bildung  uud  Verbalkomposition,  Besonderheiten  der  Bedeutung,  Züge, 
die  der  afrikanisclie  Dialekt  mit  der  sonstigen  Volkssi)rache  gemeinsam 
hat.  Der  Rest  wird  noch  eingeteilt  in  Formenlehre,  Sjnitax  und  Wort- 
schatz. Wenn  coiuscatio  von  Nonius  in  der  Bedeutung  Blitz  gebraucht 
wird  (S.  536),  so  ist  diese  Bedeutung  damit  noch  nicht  als  afrikanisch 
erwiesen.  Sie  findet  sich  auch  bei  Hegesipp  S.  239  (ed.  Jul.  Caesar) 
und  Adamnanus  S.  64  und  65  (Tobler-Mol.).  Zu  duo  et  duo  (S.  547) 
vgl.  das  nur  aus  Silvia  und  der  visio  Pauli  nachgewiesene  unus  et  unus, 
Journal  of  Philology  1894,  S.  190.  Zu  facere  =  degere  (S.  534)  und 
zu  dem  von  den  Lexikographen  vernachlässigten  adiutorium  finden  sich 
reiche  Nachweise  ebendort  S.  196  und  187;  se  tricare  Visio  Pauli  28,  7. 
Gegen  die  Annahme,  daß  die  Verba  auf  ficare  speciell  afrikanische 
Bildungen  seien  (S.  512)  hat  sich  Mommsen  ausgesprochen,  Rom.  Gesch. 
V  S.  658.  Der  merkwürdige  S.  504  und  543  besprochene  Gebrauch 
von  post  mit  Verben  der  Bewegung  ^-  griech.  jj-exa  ist  eher  ein  Gräcis- 
mus,  zuerst  bei  Pallad.  r.  r.  8,  3,  vgl.  Bonnet,  S.  591. 

Derselbe,  Die  europäischen  Bestandteile  des  lateinischen  Sirach, 
Archiv  IX  S.  247—84. 

Es  wird  der  überzeugende  Nachweis  geführt,  daß  Sirach  c.  44—50 
(S-)  von  einem  anderen  Übersetzer  herrühre  als  c.  1 — 43  nebst  51. 
So  ist  das  Verhältnis  von  nam  zu  enim  in  S^  —  7  :  150,  in  S^  =  11  :  6; 
S^  gebraucht  donec  für  bis,  S-  usquedum;  S^  vero,  S^  autem;  S^  quia, 
S-  quoniam  u.  s.  w.  Dagegen  wäre  statt  der  pikanten  Bezeichnung 
afrikanischer  und  europäischer  Charakter  der  Sprache  vorzuziehen  die 
Gegenüberstellung  der  volkstümlicheren  Sprache  von  S^  und  der  ele- 
ganteren, korrekteren  von  S-,  zu  der  S.  256  einmal  ein  Anlauf  ge- 
nommen wird;  so  gebraucht  S'  mitto  --  ßaÄXcu,  pietas  für  Mitleid,  agnosco 
[mit  den  Script,  bist.  Aug.,  z.  B.  Trig.  Tyr.  30,  23]  für  cognosco,  während 
in  S-  nach  korrektem  Sprachgebrauch  dieselben  Wörter  schicken,  Frömmig- 
keit u.  3.  w.  bedeuten.  Es  liegt  also  kein  Unterschied  der  Heimat 
beider  Schriftsteller  vor,  sondern  des  Bildungsgrades.  Der  Verfasser 
ist  seiner  Hypothese  zuliebe  genötigt,  verschiedene  Ausdrücke,  die  er 
sonst  als  Afrikanismea  erklärt,  künstlich  hinwegzudeuten,  z.  B.  filius 
I  sensatus,  consummatio,  adimplere,  constitutus  =  üiv.  Wenn  S.  280  ver- 
mutet wird,  der  Verfasser  von  S^  habe  beide  Teile  zu  einem  Ganzen 
zusammengefügt,  so  steht  dies  in  Widerspruch  mit  S.  250:  „Weshalb 
fehlt  44,  1  die  verbindende  Partikel  (or^)?  Doch  wohl,  weil  der  zweite 
Übersetzer  seine  Arbeit  nicht  mit  einer  aufs  vorangehende  hinweisenden 
Konjunktion  eröffnen  w^ollte.'' 

Afrikanischer  Ursprung    wurde    auch    angenommen    für    die   von 
D.  Germauus  Morin  entdeckte  und  in  den  Anecdota  Maredsolana  vol.  II, 


34       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—97.   (Geyer,) 

Oxoniae  1894  veröffentlichte  altlateiuische  Übersetzung  des  Briefes 
des  b.  Clemens  an  die  Korinther  von 

J.  Haußleiter,  Archiv  IX  S.  152—154  und  in  Luthardts  Theolo- 
gischem Litteraturblatt  1894,  S.  171—174,  indem  er  eine  Anzahl  Aus- 
drücke nachweist,  die  mit  dem,  was  man  gewöhnlich  afrikanisches  Latein 
zu  nennen  pflegt,  übereinstimmen.    Dagegen  urteilt 

A.  Harnack,  Neue  Studien  zur  jüngst  entdeckten  Übersetzung 
des  ersten  Clemeusbriefes,  Sitzungsberichte  der  Berliner  Akademie 
der  Wissenschaften  vom  20.  Juni  1894, 

der  die  Übersetzung  ins  zweite  Jahrhundert  setzt,  gefertigt  für  die  Vor- 
lesung iil  der  Gemeinde,  jedenfalls  in  Rom  selbst:  „Für  Afrika  spricht 
nichts."     Eben  derselben  Ansicht  ist 

E.  Wölfflin,  Die  lateinische  Übersetzung  des  Briefes  des  Clemens 
an  die  Korinther,  Archiv  IX  S.  81—100. 

Mit  gewohnter  Meisterschaft  entwirft  er  ein  Bild  von  dem  sprach- 
lichen Charakter  dieser  für  die  Geschichte  des  Kirchenlateins  hochwich- 
tigen Übersetzung,  die  er  nicht  wie  der  Herausgeber  ins  Jahr  150, 
sondern  in  die  Zeit  nach  Tertullian  setzt.  Daß  sein  Urteil  über  afrika- 
nisches Latein  nicht  mit  dem  seiner  Schüler  übereinstimmt,  ist  aus  dem 
Satze  ersichtlich:  „In  welchem  Lande  die  Übersetzung  geschrieben  sei, 
ist  uns  noch  nicht  klar.  Wenn  sie  auch  zahlreiche  Beziehungen  mit 
derjenigen  altchristlichen  Litteratur  zeigt,  die  man  heute 
meist  als  afrikanisch  bezeichnet,  so  muß  doch,  bevor  wir  auf 
dieser  These  weiterbauen,  aus  Novatian  und  anderen  Quellen  zusammen- 
gestellt werden,  worin  sich  das  Kirchenlatein  Italiens  von  dem  Afrikas 
unterscheidet."  —  Nach  einer  Darstellung  der  lexikalischen  und  S5'n- 
taktischen  Gräcismen  wird  gezeigt,  auf  welche  Weise  die  zusammen- 
gesetzten griechischen  Nomina,  die  Komposita  mit  a  privativum,  die 
Adj.  verb.  auf  to;,  die  Part.  aor.  act.  im  Lateinischen  wiedergegeben 
werden.  Daß  der  Verfasser  lateinischer  Zunge  war,  dafür  sprechen  die 
vielen  Mißverständnisse  des  Griechischen  und  der  Gebrauch  der  Allite- 
ration. Vulgarismen  sind:  silvestrae,  sinceres,  gen.  uni,  dat.  alio  und 
toto,  facietur  und  ähnliche  Formen;  se  ducere,  portare  für  ferre,  cibare 
speisen.  Ex  ist  im  Aussterben  begriffen,  ita  wird  durch  sie  verdrängt, 
parvus  ist  untergegangen.  Wenn  §  51,  2  von  den  Gottesfürchtigen 
gesagt  wird  sauxouc  OeXooaiv  fj.5XXov  aixiaic  -epiztTzxetv  r)  xouf  rXTjsiov  se 
volunt  magis  quaestionibns  vexari  (so  Weyraan  für  vagari)  et  comraittere 
quam  proximos,  so  scheint  mir,  daß  der  Übersetzer  cttTiaic  statt  aixt'ai; 
gelesen  hat,  vgl.  Plato  Theaet.   150  A  £-!;  aitiav  i[i.-i-T£iv. 

Dagegen  wird  jetzt  allgemein  als  Afrikaner  betrachtet  Minucius 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—97.    (Geyer.)       85 

Felix.  Die  immer  noch  umstrittene  Frage,  ob  er  vor  oder  nach  Ter- 
tullian  geschrieben  bat,  hat  wohl  Veranlassung  gegeben,  daß  die  Sprache 
des  Minucius  Felix  so  fleißig  studiert  wurde.  Es  liegen  darüber  mehrere 
Abhandlungen  vor. 

Ed.   wölfflin,    Minucius  Felix.     Ein  Beitrag  zur  Kenntnis  des 
afrikanischen  Lateins.     Archiv  VII  S.  467 — 484. 

Bernhard  Seiller,    De    sermone   Minuciano,    Augsburg    1893, 
"Würzburger  Dissertation.     54  S.     8. 

Floß,    Der  Sprachgebrauch    des    Minucius  Felix,    Borna    1894, 
Programm  des  städtischen  Realgymnasiums.     28  S.     4. 

Wölfflin  sucht  den  afrikanischen  Ursprung  des  Octavius  plausibel 
zu  machen  durch  den  Nachweis  zahlreicher  Archaismen,  die  sich  in 
Afrika  länger  erhalten  haben  sollen  als  anderswo ;  solche  werden  nach- 
gewiesen im  Grebrauch  der  Substantiva,  Adjektiva,  Verba,  Präpositionen 
und  auf  syntaktischem  Gebiet.  Freilich  muß  Verf.  es  unentschieden 
lassen,  ob  Minucius  in  Afrika  geboren  sei  oder  nur  insofern  Afrikaner, 
als  er  nicht  ausschließlich  von  Cicero  beeinflußt  ist,  sondern  auch  unter 
dem  Bann  der  archaischen  Geschmacksrichtung  steht,  welche  durch 
Fronto  und  Apulejus  ihren  Höhepunkt  erreichte.  Zum  passiven  Gre- 
brauch der  Deponentia  bei  Minucius  trage  ich  nach:  confessae  imperitiae 
13,  2;  c.  probitatis  14,  7;  (coni.  Baehrens)  ariditate  mentita  34,  11. 
Neben  der  Ellipse  crastino  40,  2  findet  sich  in  hodiernum  21,  7,  wie 
Tert.  Apol.  40  hodiernum  =  hodie.  Zur  Umschreibung  des  Genetivs 
mit  de  gehört  auch  2,  3  curatio  de  lavacris  marinis,  während  7,  5  prae- 
dicta  de  oraculis  fata  de  den  Instrumentalis  umschreibt.  38,  4,  wo 
überliefert  ist  securi  dei  nostri  liberalitate  ist  vielleicht  zu  lesen  de 
dei  n.  1.  Identischer  Genetiv  liegt  kaum  vor  in  effusae  orationis  Im- 
petus oder  in  imperitiae  caecitas.  Ein  zweigliedriges  Asyndeton  ist 
nicht  anzunehmen  11,8  quis  unus  ullus  remeavit,  vgl.  Draeger,  Hist. 
Syntax,  2.  Aufl.  §  49 d.  Hibernum  =  hiems  steht  außer  34,  11  auch 
17,  7 ;  solummodo  findet  sich  vor  Min.  und  Tertull.  schon  beim  Juristen 
Celsus  nach  Kalb,  Roms  Juristen  8.  47  und  101.  Ipse  =  idem  ist  kein 
Punismus,  sondern  eher  ein  Gräcismus,  der  auch  bei  Silvia  öfters  vor- 
kommt, z.  B.  36,  8;  4],  6;  43,  19;  109,  19  (Gam.  ').  Auch  der  Ge- 
brauch von  toti  für  omnes  beweist  nichts  für  Afrika,  vgl.  Schmalz  in 
I.  Müllers  Handbuch  11^  S.  380.  Allgemein  vulgär  ist  proximius  19,  2. 
Zur  Veitauschung  der  Grade  Ist  vielleicht  noch  zu  ziehen  24,  3;  32,  3; 
34,  6;  34,  12  cuius  quanto  iudicium  tardum,  tanto  magis  iustura  est, 
vgl    Sittl,  Lok,  Versch.  S.  117. 

Bernhard  Seiller  sacht  durch  eine  unmögliche  Deutung  der  Stelle 


36       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1801 — 07.   (Geyer.) 

37,  7  ein  neues  indicinni  für  die  Abfassungszeit  zu  gewinnen:  in  hoc 
adeo  quidani  imperiis  ac  dominationibus  eriguntur,  ut  Imperium  eorum 
perditae  mentis  (Seiler  liest  mit  ßigalt.  mentes)  licentiae  (Seiler  mit 
Rigalt.  licentia)  potestatis  libere  nundinentur.  Das  soll  heißen :  „Ja, 
es  gelangen  sogar  einige  deswegen  zu  hoher  Macht,  damit  mit  ihrem 
Talente  verdorbene  Geister  ungebunden  schachern."  Die  perditae 
mentes  sollen  die  Cj'niker  Cr.escentius  und  Proteus  sein,  die  mit  ihrem 
Rat  den  Marc  Aurel  gegen  die  Christen  einnahmen!  Wie  perdita  mens 
zu  verstehen  ist,  zeigt  Firm.  8,  5  mens  perdita  et  sceleratae  cupiditatis 
laqueis  implicata,  und  daß  ingenium  perditae  mentis  zusammengehört, 
sieht  man  aus  Salvian  E  III,  30  ingenium  iureligiosae  mentis.  Ferner 
heißt  licentia  potestatis  nimmermehr  quod  per  potestatem  licet,  vgl. 
Arnob.  I,  46  non  honore  nominis,  sed  maioris  licentia  potestatis.  Ich 
übersetze:  „daß  ihren  angeborenen  verworfenen  Charakter  die  Willkür- 
handlungen der  Macht  frei  zu  Markte  tragen,"  d.  h.  daß  ihre  an- 
geborene innere  Verworfenheit  auch  durch  äußere  Handlungen  zu 
Tage  tritt. 

Ebensowenig  ist  eine  Anspielung  auf  die  Hofphilosopheu  heraus- 
zulesen aus  38,  5,  wo  Seiller  mit  dem  von  ihm  sonst  so  oft  wegen  seiner 
temeritas  getadelten  ßährens  quos  adulteros  novimus  et  tjTannos  ändert 
quos  adulatores  novimus  in  tyrannos  (M.  Aurel  und  L.  Verus). 
Dies  paßt  freilich  schlecht  zu  der  S.  9  aufgestellten  Annahme,  die 
Schrift  sei  eine  dem  Kaiser  eingereichte  Apologie,  um  ihn  für  die 
Christen  günstig  zu  stimmen,  ebensowenig  als  die  wenig  schmeichelhafte 
Beziehung  auf  M.  Aurel  14,  6  ita  ut  in  execrationem  et  odium  homi- 
num  plerique  simpliciores  efferantur.  Die  eigenen  Yermntangen 
Seillers  sind  sämtlich  unglücklich,  z.  B.  c.  28,  7  deauratis  statt  deco- 
ratis,  wie  Rigalt.  so  schön  das  überlieferte  devoratis  verbessert  hat. 
Unmöglich  ist  die  Erklärung  zu  18,  6,  daß  ob  bedeute:  wo  es  sich 
handelt  um.  20,  5  hat  Seiller  die  schöne  Konjektur  Cornelissens,  von 
der  er  sagt  'quid  ineptius  tali  emendatione' ,  ebensowenig  verstanden, 
wie  34,  1  die  ansprechende  Vermutung  Dombarts. 

In  der  im  ersten  Teile  angestellten  Vergleichung  mit  der  Sprache 
Ciceros  sollten  doch  vor  allem  die  Änderungen  beleuchtet  werden,  die 
Min.  an  den  von  ihm  ausgeschriebenen  Stellen  Ciceros  vorgenommen 
hat,  z.  B.  Min.  17,  6  —  Cic  nat.  d.  II,  115.  Min.  17,  4  —  Cic.  n.  d. 
n,  4.  Min.  8,  2  —  Cic.  I,  63.  Min.  19,  4  —  Cic.  I,  25.  Min.  19,  5; 
19,  8;  19,  10  —  Cic.  I,  26;  29;  37.  Ganz  verfehlt  ist  der  im  zweiten 
Teil  versuchte  Nachweis,  daß  die  Sprache  des  Minucius  von  der  Itala 
beeinflußt  sei.  Für  experimentum  Kampf  c.  37,  2  wird  auf  eine  Stelle 
der  Itala  verwiesen,  wo  sich  piraterium  findet.  Warum  nicht  lieber 
auf  Tertull.  Scorp.  c.  6  cum  adversario  experiri  und  ebenda  in  studio- 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  IS'Ji— 97,   (Geyer.)       87 

rum  experiraentnm  committere  artes?  Genitura  36,  2  ist  ganz  anderer 
Art  als  liber  irenitiuae ,  Itala  Math.  I,  1,  da  es  bei  Min.  in  astrolo- 
gischem Sinne  gebraucht  ist.  Mit  dem  sernio  cotidianus  haben  kühne 
Neubildungen  wie  indemutabilis,  sapientialis,  incoacupiscendus  bei  Tert. 
und  Apulejus  nichts  gemeinsam.  Ich  breche  mit  meinen  Ausstellungen, 
zu  denen  ich  noch  eine  stattliche  Liste  falscher  Citate  fügen  könnte, 
hier  ab. 

Referent  hat  in  einer  Miscelle 

Oratio  Gebet,  Archiv  f.  lat.  Lexik.  IX  S.  586  die  Annahme  dieser 
Bedeutung,  sowie  die  von  incendium  =  Weihrauch,  die  ebenfalls  Seiller 
aufstellt,  widerlegt. 

Noch  unbedeutender  als  die  Dissertation  von  Seiller  ist  das  Pro- 
gramm von  Plori.  Ein  Dilettant  unternimmt  es,  die  von  Sittl  in  seinen 
Lokalen  Verschiedenheiten  aufgestellten  Kennzeichen  des  afrikanischen 
Lateins  auf  Min.  Felix  zu  übertragen,  llanche  pointierte  Wendungen 
sind  aus  Sittl  ohne  weiteres  herübergenommen,  so  der  unglückliche  Aus- 
druck, daß  Consentius  schon  den  Versuch  einer  lateinischen  Dialekto- 
logie gemacht  habe.  Zuerst  werden  Reminiecenzen  aus  lateinischen 
und  griechischen  Schriftstellern  aufgeführt,  wobei  beispielsweise  me 
remordet  oratio  tua  eine  Anspielung  auf  das  lucianische  i^T^y\)r^w  toic 
rotpa  aoü  Xo^otc  sein  soll,  während  doch  schon  Livius  remordere  ganz 
ebenso  gebraucht.  Auch  die  Schlüsse,  die  aus  dem  Vergleich  mit 
Cicero  gezogen  werden,  sind  teilweise  unrichtig.  Wenn  z.  B.  Cicero 
sagt  biduum  petivit  oder  numerum  duplicavit,  Minucius  dagegen  biduum 
prorogavit  und  alterum  tantum  adiuuxit,  so  kann  man  daraus  nicht 
erkennen,  welche  Veränderung  die  Sprache  in  den  250  Jahren  seit 
Ciceros  Tod  erfahren  hat,  sondern  nur,  daß  man  dasselbe  auf  ver- 
schiedene Art  ausdrücken  kann.  Für  die  Behauptung  S.  10,  daß  Plinius, 
Seneca,  Livius  und  Sallust  die  sprachlichen  Vorbilder  des  Minucius  seien, 
fehlt  jeder  Beweis.  Die  Sprache  des  Minucius  soll  behandelt  werden 
in  einem  lexikalischen  (ein  Specialworterbuch  zu  M.  F.  soll  folgen), 
stilistischen  und  grammatikalischen  Teil.  Zu  den  geschmacklosen  Um- 
schreibungen, zu  welchen  manchmal  das  poetische  Kolorit  ausarte,  wird 
gerechnet  iutentio  mentis  (schon  Quintil.)  und  petrarum  obices  (obice 
saxi  Verg.,  obices  saxorum  Tacit.,  obices  viarum  Liv.).  Sehr  weitgehend 
ist  der  Verf.  in  der  Annahme  punisch-semitischer  Einflüsse,  zu  welchen 
z.  B.  auch  die  Verwendung  von  autiquitas,  convivium,  aetas  moUior 
u.  s.  w.  statt  der  entsprechenden  persönlichen  Begriffe  gerechnet  wird. 
Ein  Beweis  für  die  dem  afrikanischen  Latein  eigentümliche  Abnutzung 
der  Steigerungsgrade  wird  darin  gefunden,  daß  an  einigen  Stellen 
saepius  steht,  wo  ebensogut  saepe  gesetzt  sein  könnte. 


88       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891— H7.   (Geyer.) 

Die  Frage  ob  Minucius  Felix  vor  oder  uach  Tertulliau  geschrieben 
habe,  ist  meines  Erachtens  endgültig  entschieden  durch 

E.  Norden,  De  Minucii  Felicis  aetate  et  genere  dicendi.  Uni- 
versitätsprogramm.    Greifswalde  1897.     62  S.     8. 

Wenn  Minucius  21,  4  als  Gewährsmänner  dafür,  daß  Saturn  ein 
Mensch  gewesen  sei,  Nepos  und  Cassius  anfülirt,  Tertullian  dagegen 
Cornelius  Nepos  und  Cassius  Severus  nennt,  so  setzt  er  fälschlich  das 
cognomen  Severus  hinzu  statt  Hemina.  Hätte  nun  Minucius  aus  Ter- 
tullian geschöpft  und  ihn  verbessern  wollen,  so  hätte  er  doch  sicher 
nicht  das  unrichtige  coguomen  Severus  weggelassen,  sondern  das  rich- 
tige Hemina  dafür  gesetzt.  Dagegen  hat  umgekehrt  Tertullian  den 
Minucius  korrigieren  wollen,  indem  er  daran  Anstoß  nahm,  daß  das 
cognomen  Nepos  dem  nomen  gentis  Cassius  entgegengestellt  wird;  daher 
hat  er  beide  Namen  ergänzt,  dabei  aber  im  Beinamen  des  Cassius  eine 
Verwechselung  begangen.  Ebenso  hat  der  Verfasser  noch  zwei  anderen 
Stelleu  neue  Beweise  tür  die  Priorität  des  Octavius  abzugewinnen  ver- 
mocht. Der  zweite  Teil  der  Abhandlung  15 — 62  hat  die  Sprache  zum 
Gegenstand.  Verf.  giebt  zu,  daß  Minucius  Afrikaner  sei,  aber  nicht 
in  dem  Sinne,  daß  seine  Sprache  noch  Spuren  von  dem  exotischen  Ur- 
sprung des  Autors  zeige;  im  Gegenteil,  derselbe  ist  wie  Apulejus  voll- 
ständig vertraut  mit  allen  Kunstmitteln,  welche  die  griechischen  und 
nach  ihrem  Vorbild  auch  die  lateinischen  Redekünstler  seiner  Zeit  an- 
wandten. Vor  allem  strebt  er  nach  Concinnität  des  Ausdruckes,  weshalb 
ihm  Caecilius  14,  2  ein  besonderes  Kompliment  macht.  Dieser  zuliebe 
hat  er  manchen  kühnen  Ausdruck,  manche  seltene  Konstruktion  ge- 
wagt, an  welchen  die  Herausgeber  dann  herumkorrigiert  haben.  In 
ähnlicher  "Weise  wird  auch  die  Verwendung  des  2-,  3-,  4-,  5  gliedrigen 
Asyndeton  zur  Verteidigung  angefochtener  Stellen  benutzt  und  die  Ge- 
schichte dieser  Kunstmittel  bei  griechischen  und  lateinischen  Autoren 
verfolgt.  Das  Hauptverdienst  dieser  Abhandlung  beruht  auf  der  ein- 
gehenden Erklärung  der  rhetorischen  Kunstmittel,  ein  Moment,  welches 
bisher  bei  Untersuchung  des  Sprachgebrauchs  der  Autoreu  gegenüber 
dem  Vokabular  über  Gebühr  vernachlässigt  worden  ist,  und  in  dem 
Nachweis  der  engen  Beziehungen  zwischen  griechischen  und  lateinischen 
Autoren  derselben  Zeit. 

J.  Armitage  Robinson,  The  Passion  of  S.  Perpetua  with  an 
appendix  on  the  Scillitan  Martyrdom  (texts  and  studies,  contributions 
to  biblical  and  patristic  literature).     Cambridge  1891. 

Durch  die  Entdeckung  der  vollständigen  griechischen  Übersetzung 
der  Passio  Perpetuae    ist  dies  älteste  Denkmal  der  christlichen  Kirche 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  I8i»l — 97,   (Geyer.)       89 

Afrikas  wieder  in  den  Mittelpunkt  des  Interesses  gerückt  worden.    Der 
lateinische  Originaltext    wird  liier  mit  der  gegenüberstehenden  griechi- 
schen   Übersetzung    in    mustergültiger    Weise    veröffentlicht.      Für    die 
Emendation  bleibt  immerhin    noch    einiges  zu  thun  übrig;    so  ist  62,  5 
administratur  =  administrator,    vgl.  Archiv    1X577;    76,  12    und    13 
ist   mit  A  favisores   statt  fautores  zu  schreiben;    64,  5  überliefert  BC 
richtig  profectus  est,   wie  aus  dem  folgenden  paucis  diebus,  quod  car 
uissem  patrem  hervorgeht;  64,  14  ist  zu  verbinden  Ibi  tunc,  vgl.  Plaut. 
Cure.    648    (Fleckeisen);    84,  18    schreibe    etsi    indigni    statt    indigne. 
74,  3  ist  die  ganze  Schwierigkeit  gehoben,  wenn  mauere  in  der  Bedeu- 
tung „übernachten"  gefaßt  wird;    86,  13    ist  statt  uobis  mit  BC  vobis 
zu    schreiben.     S.  43—47    wird   der  Versuch    gemacht,    innerhalb    der 
Schrift  stilistische  Unterschiede  nachzuweisen  zwischen  der  Schreibweise 
Perpetuas,    der  der  visio  des  Saturus    und  der  des  Redaktors.     Michts 
beweist    die    statistische    Bemerkung,    daß    Perpetua    et    152  mal    auf 
172  Zeilen,    Saturus  57  mal    auf  52  Zeilen,    der  Redaktor  90  mal  auf 
170  Zeilen  gebrauchen;  denn  es  (Jurfte  nicht  die  Schreibweise  Perpetuas 
überhaupt  mit  der  der  visio  Saturi,  sondern  nur  die  Schilderung  der  visio 
Perpetuae  mit  der  des  Saturus  verglichen  werden,  da  die  beschreibende 
Darstellung    einer  Vision    naturgemäß    einen  viel  häufigeren  Gebrauch 
der  Konjunktion  et  mit  sich  bringt,    schon    deshalb,    weil  sie  sich  der 
biblischen  Sprache    mehr    nähert.     In    der    visio  Perpetuae    finden  wir 
41  et  auf  34  Zeilen,  in  der  des  Saturus  57,  darunter  zwei  in  der  Be- 
deutung auch  (76,  11  und  80,  26)  auf  52  Zeilen.    Damit  soll  nicht  ge- 
leugnet   werden,    daß    wirklich    sprachliche    Unterschiede    stattfinden, 
sondern  nur  die  Methode   der  Untersuchung  bekämpft  werden.     Unter- 
schiede glaubte  ich  zu  bemerken  in  der  Verwendung  der  in  ihrer  Be- 
deutung meist  ganz  gleichen  Pronomina  hie,  is,  ipse  und  ille,  da  findet 
sich  denn  bei 

Perpetua  (191  Zeilen)      Saturus  (52  Zeilen)       Redaktor  (167  Zeilen) 
hie  13  mal  ille  10  mal  ille  17  mal 

ille  13  mal  is     3  mal  is  12  mal 

is  1 1  mal  hie     2  mal  hie     7  mal 

ipse     7  mal  ipse     2  mal  ipse     6  mal 

Idem  steht  bei  Saturus  einmal  (80,  7),  beim  Redaktor  6  mal,  62,  5 
und  86,  9  zeigen  sich  schon  Spuren  der  Entwertung,  sicher  86,  2  und 
90,  4.  Bei  Perpetua  72,  10  ist  idem  durch  ipse  ersetzt,  welches  letztere 
68,  1  und  66,  14  zum  Artikel  herabgesunken  ist.  Bei  Perpetua  wird 
also  am  häufigsten  hie  und  ille  gebraucht,  dem  is  zunächst  kommt,  bei 
Saturus  ist  das  beliebteste  Demonstrativ  ille,  doppelt  so  oft  gebraucht 
als  hie  und  is  zusammen,  beim  Redaktor  tritt  hie  ebenfalls  zurück, 
aber  dem  Gebrauch  von  iUe  kommt  der  von  is  nahe.   Wenn  der  Heraus- 


90       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1801  —  07.    (Geyer.) 

geber  das  Fehlen  von  Africismeu  konstatiert,  so  bat  er  mit  Recht 
darauf  verzichtet,  die  gewöhnlich  als  solche  bezeichneten  Erscheinungen 
als  Africismeu  anzuerkennen:  solche  wären  etwa  ipse  --  idera  72,  10; 
insiguiores  -^  l-tcpaveoTa-at  82,  16;  Terminus  ubi  statt  quo:  76,  6  und 
92,  19;  Verbum  desuperlativum  proximare  74,  16;  sustineo  =  TtepifjLevo) 
66,  20  und  94,  2  u.  s.  w.  Trotz  vielfacher  Berührungen  mit  der  Sprache 
Tertullians  kann  TertuUian  als  Verfasser  der  Schrift  nicht  als  erwiesen 
betrachtet  werden.  In  dem  dankenswerten  Index  vermisse  ich  unter 
anderem  caseum  als  Neutrum  68,  7 ,  desgl.  ramum  76,  12.  Ersteres 
auch  bei  Anthimus  79  und  80,  Isidor,  Oribasius;  umgekehrt  sollte  pulpitum 
statt  pulpitus  im  Index  stehen.  Es  fehlen  ferner  favisor,  misereor  mit 
Dativ  und  die  höchst  seltene  Konstruktion  commanducans  adhuc  dulcis 
nescio  quid,  vgl.  Dräger  bist.  Syntax  I  S.  453.  Zu  cremare  foltern 
vgl.  Vict.  Vit.  II  24  cremantes  gravi  suspendio,  ähnlich  III,  26;  dagegen 
cruciantes  suspendio  III,  31. 

C.  Weyman,  Zu  den  Acta  Perpetuae,  Archiv  VIII  S.  589. 

E.  Wölfflin,  Beneficio  —   merito  ebendaselbst  S.  590. 

Derselbe,  Vitio  mit  Gen.  =  propter,  Archiv  X  S.  452. 

Die  auffallende  Verbindung:  aestus  validus  turbarum  beneficio  Act. 
Perp.  3  beruht  nicht,  wie  Hilgeufeld,  Berliner  philol.  Wochenschrift 
1892  S.  1262,  annimmt,  auf  mißlungener  Übersetzung  eines  hebräischen 
Originals,  sondern  ist  echt  lateinisch,  schon  Quint.  declam.  1,  1  und 
2,  24 ,  vgl.  Archiv  VIII  611.  Die  allmähliche  Übertragung  von  bene- 
ficio auf  ungünstige  Eigenschaften  geht  parallel  mit  der  entsprechenden 
von  merito. 

Eine  Abhandlung  über  die  Sprache  des  Schöpfers  des  christlichen 
Lateins  ist  in  hiesiger  Universitätsbibliothek  noch  nicht  eingelaufen: 

Henr.  Hoppe,  De  sermone  Tertullianeo.  Diss.  inaug.  Marburg. 
Chatt.   1897.     84  pp.     8. 

Da  die  neuerdings  vielfach  angestellten  Untersuchungen  über  die 
zweifelhaften  Schriften  Cyprians  auch  mit  sprachlichen  Argumenten 
operieren,  so  sollen  sie  auch  an  dieser  Stelle  Erwähnung  finden. 

Sebastian  Matzinger,  Des  h.  Thascius  Caecilius  Cyprianus 
Tractat:  „De  bouo  pudicitiae".  Progr.  des  Alten  Gymn.  Nürnberg 
1892.     47  S.     8. 

E.  Wölfflin,  Cyprianus  de  spectaculis.    Archiv  VIII  S.  1—22. 

Adalbert  Demmler,  Über  den  Verfasser  der  unter  Cyprians 
Namen  überlieferten  Traktate  'De  bono  pudicitiae'  und  'De  specta- 
culis'.    ilünchener  Dissertation.     Tübingen  1894.     55  S.    8. 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—07.    ^Geyer.)       91 

Während  \VüIfflin  den  Traktat  de  spectaculis  und  Matzinger  die 
Schrift  de  bono  pudicitiae  wegen  ihres  sprachlichen  Charakters  dem 
Cj'prian  zuzuschreiben  geneigt  sind,  hat  Haußleiter  im  Theologischen 
Litteraturblatt  1892  S.  431  den  Nachweis  geführt,  daß  wegen  der  von 
Cyprian  abweichenden  Bibelcitate  beide  Traktate  nicht  von  diesem  ver- 
faßt sein  können,  und  Weyman  im  Historischen  Jahrbuch  der  Görres- 
gesellschaft  XIII  S.  737  ff.  beide  Schriften  dem  Novatian  beigelegt, 
indem  er  sprachliche  Parallelen  zwischen  unseren  Traktaten  und  Novatians 
Schriften  nachweist.  Demmler  sucht  nun  die  inneren  Gründe  We3'mans 
durch  weitere  sprachliche  Gründe  zu  unterstützen  und  zeiqt,  daß  eine 
Anzahl  Ausdrücke,  die  Matzinger  und  Wölftlin  als  speciell  cyprianisch 
betrachten,  auch  bei  Novatian  sich  finden;  mit  dessen  Sprachgebrauch 
decken  sich  eine  Reihe  von  Eigentümlichkeiten,  die  aus  der  Sprache 
Cyprians  nicht  zu  belegen  waren  oder  ihr  zu  widersprechen  schienen. 
Die  unstreitigen  Übereinstimmungen  mit  Cyprian  in  Sprache  und  Ge- 
danken erklären  sich  daraus,  daß  Novatian  auch  sonst  sich  den  Cyprian 
/um  Vorbild  genommen  hat  und  daß  beide  Nachahmer  Tertullians  waren. 
Natürlich  sind  die  Stellen,  welche  die  Autorschaft  Novatians  beweisen 
sollen,  von  veischiedeuem  Werte.  Ausdrücke  wie  praecepta  divina 
(S.  29),  proferre,  antiqua  praecepta  Pud.  5  und  antiqua  severitas  Ep.  30,  2 
(S.  30),  eflfectus  est  =-  factus  est,  Stimulus  und  fructus  in  bildlichem 
Sinne  (S.  31),  graviter  affligere  (S.  36)  und  noch  manche  andere  sind 
zu  alltäglich,  als  daß  sie  irgend  eine  Beweiskraft  haben  könnten;  sie 
können  höchstens  als  Verstärkung  beweiskräftigeren  Materials  dienen. 
Ruinas  sarcire  Pud.  13  hat  mit  maeroris  sarcina  Ep.  36,  1  nichts  zu 
thun:  pudori  parcatur  ist  kaum  als  beabsichtigte  Allitteration  zu  be- 
trachten. Dem  Superlativ  nachgestelltes  satis  findet  sich  außer  an  der 
bei  Matzinger  S.  23  Anm.  72  und  Demmler  S.  26  Anm.  1  angeführten 
Hegesippstelle  auch  bei  Silvia  S.  57,  5  aquae  optimae  satis  und  59,  16; 
ebendaselbst  auch  öfter  missa  als  kirchliche  Entlassungsformel,  was 
mit  dem  erstmaligen  Vorkommen  bei  dem  gleichzeitigen  Ambrosius 
(Demmler  S.  41  Anm.  3)  wohl  stimmt.  Jedenfalls  ist  die  Annahme, 
Cyprian  sei  der  Verfasser  der  fraglichen  Schriften,  als  endgültig  beseitigt 
zu  betrachten,  wenn  auch  die  Autorschaft  Novatians  keineswegs  feststeht. 

Aach  E.  W.  Watson  spricht  sich  in  seiner  Abhandlung:  The 
style  of  St.  Cyprian  Studia  biblica  et  ecclesiastica ,  Essays  shiefly  in 
biblical  and  patristic  criticism  by  members  of  the  University  of  Oxford. 
Vol.  IV  Oxford  a  the  Clarendon  Press  1896  p.  189—324,  p.  194 
Anm.  1  in  dem  Sinn  aus,  daß  diese  beiden  Traktate  sowie  Quod  idola 
dii  non  sint  nicht  von  Cyprian  herrühren  können.  Überhaupt  sei  auf 
diese  ausgezeichnete  Arbeit  hiermit  besonders  aufmerksam  gemacht. 
Leider    hat    der  Verfasser   aus  Rücksicht    auf   den  Raum   seine  Beob- 


92       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—97.    (Geyer.) 

aclitnii<ien  über  die  Sj'iitax  Cyprians  sowie  zahlreiche  Beziehungen  zu 
gleichartigen  Schriftstellern  beiseite  lassen  müssen;  er  beschränkt  sich 
auf  eine  Darstellung  des  rhetorischen  Charakters  der  Sprache,  der  auf- 
fallend an  Apulejus  erinnert,  und  der  theologischen  Terminologie.  Gerade 
dieser  erstere  Gesichtspunkt  ist  bis  jetzt  über  der  Erforschung  des 
Wortgebranchs  vernachlässigt  worden.  In  der  Betonung  des  rhetorischen 
Elementes  berührt  sich  Watson  mit  Norden,  verspricht  sich  aber 
von  einem  Vergleich  des  Stils  verschiedener  Autoren  mit  den  Lehr- 
büchern der  Rhetorik  gesichertere  Resultate  für  die  Erkenntnis  lokaler 
Verschiedenheiten  als  das  Studium  des  Wortgebrauches  bisher  ergeben 
hat.  Seiner  gesunden  Anschauungen  über  afrikanisches  Latein  ist  obea 
schon  Erwähnung  gethan  worden. 

Roland  Herkenrath,  Gerundii  et  Gerundivi  apud  Plautum  et 
Cyprianum  usum  comparavit  R.  H.  Prag,  H.  Dominicus,  1894,  Prager 
Studien  aus  dem  Gebiete  der  klassischen  Altertumswissenschaften, 
Heft  II,  114  S.     8. 

Es  ist  zunächst  ein  äußerer  Grund,  der  den  Verfasser  zu  dieser 
so  befremdlich  erscheinenden  Vergleichung  veranlaßt :  daß  nämlich  beide 
Schriftsteller  in  neuen  kritischen  Ausgaben  vorliegen.  Da  der  eine 
dem  Beginn,  der  andere  mehr  dem  Ende  der  römischen  Litteratur  an- 
gehört, wird  gleichsam  an  Durchschnitten  gezeigt,  wie  das  Gerundium 
und  Gerundivum  sich  geschichtlich  entwickelt  haben.  Ob  freilich  durch 
ein  so  äußerliches  Verfahren  das  Verständnis  der  geschichtlichen  Ent- 
wickelung  wesentlich  gefördert  wird,  ist  eine  andere  Frage,  wenn  man 
in  Anschlag  bringt,  daß  der  eine  ein  plebeischer  Dichter,  der  andere 
ein  gewandter  Rhetor  war. 

Der  Verfasser,  der  in  bezug  auf  die  Auffassung  des  Gerundiums 
im  wesentlichen  auf  dem  Standpunkt  Weisweilers  steht,  hat  den  Stoff 
mit  großem  Fleiß  gesammelt  und  sorgfältig  disponiert,  manchmal,  wie 
bei  der  Unterscheidung  der  verschiedenen  Arten  der  Notwendigkeit, 
die  das  Gerundiv  ausdrückt,  fast  zu  scharfe  Unterschiede  zu  konstatieren 
gesucht,  und  liefert  in  der  Besprechung  einzelner  Stellen  wertvolle  Bei- 
träge zur  Kritik  und  Erklärung  beider  Autoren.  Fremd  ist  dem  guten 
Stilisten  Cyprian  noch  die  sonst  im  Spätlatein  häufige  Verwendung  des 
Gerundiums  als  Ersatz  für  den  Inf.  Fut.  pass.  Zum  Ausdruck  der 
Möglichkeit  dient  es  nur  selten  in  positiven  Sätzen.  Sehr  überhand 
hat  bei  ihm  bereits  genommen  der  attributive  Gebrauch  des  Gerundi- 
vnms ,  der  finale  im  Dativ  und  vor  allem  der  modale  im  Ablativ,  von 
dem  sich  bei  Plautus    nur    recht  schwache  Ansätze  finden  —  denn  die 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—07.    (Geyer.)       93 

S.  99  f.  angeführten  Beispiele  lassen  sich  zum  Teil  als  instrumentale 
Ablative  erklären.  Im  Gebrauch  des  Genetivs  des  Genindiums  ist  die 
große  Zahl  und  Mannigfaltigkeit  der  regierenden  Substantive  bei  Cyprian 
bemerkenswert.  Wenn  kein  besonderer  Grund  für  das  Gegenteil  vor- 
liegt, wird  bei  Cj'priau  das  Gerundiv  seinem  Substantiv  vorangestellt. 
Eine  dankenswerte  Zusammenfassung  erleichtert  den  Überblick  über 
den  reichen  Inhalt. 

C.  Stange,  De  Arnobiana  oratione:  I.  De  verbis  ex  vetusto  et 
vulgari  sermone  depromptis.  II.  De  clausula  Arnobiana.  Programm 
von  Saargemünd  1893.     36  S.     4. 

Nachdem  die  Substantiva,  Adjektiva,  Adverbia  und  Verba  auf- 
geführt sind,  welche  der  gelehrte  Rhetor  altlateiuischeu  Schriftstellern 
entlehnt  hat,  wobei  besonders  die  große  Zahl  Substantiva  auffällt, 
welche  er  dem  Lukrez  verdankt,  werden  die  Wörter  zusammengestellt, 
welche  der  Umgangssprache  entlehnt  zu  sein  scheinen.  Ist  dies  bei 
einer  größeren  Anzahl  schon  wegen  der  Bedeutung  wahrscheinlich,  wie 
z.  B.  bei  den  Namen  von  Gebacken,  Handwerkszeugen,  Gegenständen  des 
Opferkultus,  so  spricht  bei  anderen  für  diese  Annahme  der  Umstand, 
daß  sie  sonst  nur  noch  bei  Autoren  wie  Vitruv,  Marcellus  Erapiricus, 
in  den  Digesten  oder  in  der  Vulgata  vorkommen.  Natürlich  ist  es  bei 
vielen  Wörtern  recht  zweifelhaft,  ob  sie  als  Vulgarismen  zu  betrachten 
^ind,  z.  B.  bei  innovatio  (auch  Apul.  Apol.  30),  inaequabilitas  (Varro 
1.  1.  9,  1).  Das  sonst  nicht  bezeugte  Adverbium  propriatim  erinnert 
an  das  Inkrezische  propritim  (Archiv  VIII  87  und  103).  Zu 
cilo  fehlt  Verweisung  auf  Archiv  V  66,  zu  den  Inteusivbildungen 
auf  Archiv  IV  209,  wo  Arnobius  ausdrücklich  unter  den  Afrikanern 
genannt  wird,  die  Neubildungen  gewagt  haben.  Zweckmäßig 
wäre  es  gewesen,  die  nur  bei  Arnobius  vorkommenden  Wörter 
zu  kennzeichnen.  Manche  Angaben  sind  wegen  ihrer  Kürze  irreführend; 
so  findet  sich  flatura  nicht  nur  bei  Vitruv,  sondern  auch  bei  Petron 
Plin.  und  in  Inschriften.  Foliolum  fehlt  nicht,  wie  angegeben  wird,  in 
den  Lexicis.  Außer  bei  Apul.  herb.  61  steht  es  auch  bei  Greg.  Tur. 
h.  Fr.  427,  15  und  428,  15  (Xc.  16);  frustillura  steht  bei  Silvia  S.  59,  3 
(frustella)  und  bei  Marc.  Emp. ,  bei  letzterem  auch  caepitium  in  der 
Form  ceputius  6,  2  und  20,  61 ;  subversio  nicht  nur  einmal  in  der 
Vulgata,  sondern  öfters  im  Buch  Sirach  (Rönsch,  Itala  S.  78)  und  bei 
Silvia,  supputatio  nicht  nur  einmal  bei  Vitruv.  sondern  außer  den  bei 
Georges  angeführten  Stellen  auch  Sulp.  Sev.  Chron.  29;  Greg.  Tur.  h. 
Fr.  Xc.  31,  salsamen  auch  gloss.  Labb.,  zu  opitulatio  vgl.  Rönsch, 
Itala,  S.  76. 


94       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—97.    (Geyer.) 

Joannes  Scharnagl,    De  Arnobii    niaioris  latinitate,    Part.  I. 
Programm  von  Graz  1894.    45  S.     8. 

Derselbe:  Part.  IL     Graz  1895.     40  S.     8. 

Der  erste  Teil  bietet  einen  weit  vollständigeren  Index  verborum 
als  die  Reifferscheidsche  Ausgabe.  Sehr  praktisch  ist,  daß  durch  ver- 
schiedene Zeichen  dem  Auge  gleich  kenntlich  gemacht  wird,  was  sich 
bei  Arnobius  allein  findet,  was  in  der  7.  Auflage  des  Wörterbuches 
von  Georges  fehlt  (es  sind  dies  meist  Eisentüralichkeiten  der  Bedeutung, 
während  in  bezug  auf  die  Form  sehr  wenig  nachzutragen  blieb),  Wörter, 
die  dort  zwar  stehen,  aber  nicht  aus  Arnobius  belegt  sind.  Es  werden 
in  drei  Kapiteln  behandelt:  I.  Wörter,  die  bei  Cicero  nicht  vorkommen 
oder  der  archaischen,  poetischen  oder  Umgangssprache  anzugehören 
scheinen,  ohne  daß,  wie  in  der  Arbeit  von  Stange,  der  Versuch  gemacht 
wird,  diese  doch  sehr  disparaten  Kategorien  voneinander  zu  scheiden. 
II.  Wörter,  deren  Bedeutung  von  der  gewöhnlichen  abweicht.  III.  Be- 
sonderheiten der  Flexion. 

Im  zweiten  Teil  werden  reichhaltige,  aber  niclit  immer  sehr  über- 
sichtlich geordnete  Zusammenstellungen  des  syntaktischen  und  stilistischen 
Sprachgebrauchs  mitgeteilt:  so  wird  wohl  nicht  leicht  jemand  Beispiele 
für  das  Präpositionalattribut  in  dem  Kapitel  de  praepositionibus  suchen» 
in  welchem  es  überhaupt  an  Ordnung  fehlt;  desgleichen  fuerit  (-=  erit) 
factum  unter  der  Rubrik  de  participiis.  Für  den  identischen  Genetiv 
(S.  30)  ließen  sich  noch  mehr  Beispiele  anführen,  z.  B.  129,  12  taciturni- 
tatis  silentio.  Ob  in  instituti  veris  auctoribus  ein  Dativ  zu  erkennen 
ist,  erscheint  sehr  zweifelhaft;  sicher  liegt  nicht  Dativ,  sondern  Ablativ 
vyr  234,  28  cassa  sunt  (templa)  et  nullis  habitatoribus  tecta,  verglichen 
mit  231,  27  aedituis  mille  protegitis  atque  excubitoribus  mille.  Un- 
richtig ist  zu  51,  9  cum  innumeri  cruciatus  impendeant  credituris  an- 
genommen, das  Participium  futuri  sei  statt  des  Part,  praes.  gesetzt. 
Der  Gedanke  ist:  Obwohl  ihnen,  wenn  sie  gläubig  werden,  unzählige 
Martern  bevorstehen ,  lassen  sie  sich  dadurch  doch  nicht  abhalten,  das 
Christentum  anzunehmen.  Das  Participium  des  Futurs  ist  vollkommen  be- 
rechtigt, da  auch  impendeant  futuralen  Sinn  hat.  58,  23  ist  irrtümlich 
unter  die  Beispiele  für  Wechsel  des  modus  geraten,  da  beide  Male  f^^qui 
sibi  adsumit  und  qui  retur)  der  Indikativ  steht.  Zur  Umschreibung  des 
Ablativ,  comp,  mit  ab  vgl.  Archiv  VII  12G  ff.;  zu  nixus  in  passivem  Sinn 
Archiv  VIII  293 ;    zu    nee  non  et  Archiv  VIIT  1^]. 

H.  Limberg,  Quo  iure  Lactantius  appelletur  Cicero  Christianus. 
Monasterii  1896.     Dissert.     40  S.     8. 

Die  Abhandlung  enthält  weniger,  als  der  Titel  verspricht,  indem 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  18!il — 97.    (Geyer.)       95 

der  Verfasser  sich  auf  die  Darstellung-  der  Kasussyntax  beschränkt 
und  auch  die  angezweifelten  Schriften ,  wie  de  mortibus  persecutorum, 
nicht  in  den  Kreis  seiner  Untersuchung  zieht.  Das  Resultat  ist,  daß 
Lactantius,  obwohl  Nachahmer  Ciceros,  doch  öfters  auch  dem  Sprach- 
gebrauch der  silbernen  liatiuität  und  der  Dichter  huldigt  und  das  Jahr- 
hundert, dem  er  angehört,  nicht  verleugnet;  so  findet  sich  z.  B.  der 
Instrumentalis  mit  de  umschrieben,  ab  zur  Verstärkung  des  komparativen 
Ablativs  gebraucht.  Doch  reichen  die  gewonnenen  Resultate  nicht  aus, 
am  von  ihnen  aus  einen  Schlull  auf  die  Urheberschaft  der  strittigen 
Schrift  de  mortibus  persecutorum  zu  ziehen.  Freilich  hat  es  der  Ver- 
fasser unterlassen,  die  von  S.  Brandt  in  den  Sitzungsberichten  der 
Wiener  Akademie  Band  125  S.  48  gegebenen  Anregung-en  zu  beachten; 
so  findet  sich  über  die  Konstruktion  von  similis  und  dissimilis  nichts, 
obwohl  Brandt  a.  a.  0.  zeigt,  daß  Laetanz  außer  beim  Refiexivum  und 
der  Verbindung  mit  veri  stets  bei  similis  den  Dativ  setzt,  während  in 
der  Schrift  de  mortibus  mit  similis  und  dissimilis  der  Genetiv  verbunden 
wird.  Auch  die  von  Brandt  S.  49  nahe  gelegte  Vergleichung  des 
Sprachgebrauchs  des  Lactantius  mit  dem  seiner  Zeitgenossen,  wie  der 
gallischen  Panegyriker,  welche  geeignet  gewesen  wäre,  die  Eigentümlich- 
keiten seiner  Sprache  noch  mehr  hervortreten  zu  lassen,  ist  nicht  an- 
gestellt. Daß  die  Arbeit  Limbergs  auch  sonst  noch  mancher  Ergän- 
zungen und  Berichtigungen  bedürfte,  zeigt  der  berufenste  Kritiker 
dieser  Schrift,  S  Brandt,  in  seiner  gehaltreichen  Rezension,  Archiv  für 
lat.  Lexik.  IX  S.  302—305. 

S.  Brandt,  Conlidere,  Archiv  VIII  S.  130. 
Derselbe,  Splenis. 

Ersteres  wird  bei  Laetanz  reflexiv  gebraucht,  splenis  als  Norainativ- 
form  findet  sich  in  Lactanzhaudschriften  s.  VI/VII  und  VIII/IX,  ist 
aber  wohl  älteren  Ursprungs. 

S.  Brandt,  Über  die  Entstehungsverhältnisse  der  Prosaschriften 
des  Lactantius  und  des  Buches  De  mortibus  persecutorum.  Sitzungs- 
berichte der  philosophisch -historischen  Klasse  der  kaiserlichen  Aka- 
demie der  Wissenschaften.    125.  Band.    Wien  1892.    VI.  Abhandlung. 

Auf  S.  34 — 60  wird  das  sprachliche  Gewand  der  Mortes  unter- 
sucht und  mit  der  Sprache  des  Laetanz  verglichen.  Da  die  Verfechter 
der  Echtheit  sich  auf  die  Schrift  von  Kehrein:  Quis  scripserit  libellum, 
qui  est  Lucii  Caecilii  de  mortibus  persecutorum  1877  berufen,  so  wird 
zunächst  die  Unzulänglichkeit  von  dessen  Beweisführung  erwiesen,  indem 
die  sprachlichen  Übereinstimmungen  mit  Laetanz  sich  zum  größten 
Teil  auch  auf  andere  Schriftsteller    der  späteren  Zeit  erstrecken ,    teils 


06       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlateia  1891-97.   (Geyer.) 

auf  Nachahmung  des  Lactanz  beruheu  können.  Dagegen  finden  sich 
in  den  Mortes  Abweichungen  vom  Sprachgebrauch  des  Lactanz;  in  den 
Mortes  steht  similis  mit  Genetiv,  bei  Lactanz  mit  Dativ,  wobei  freilich 
21,  5  ac  maguitudinis  suae  similem  wegen  des  folgenden  s  unsicher  ist: 
ebenso  ist  auch  37,3  angefochten;  andererseits  hat  Lactanz  11,4,2 
similis  mit  Genetiv,  allerdings  an  einer  Stelle,  wo  der  Genetiv  durch 
Rücksicht  auf  die  Deutlichkeit  geboten  war.  Prae  =  praeter  in  den 
Mortes  ist  unsicher,  ebenso  lassen  die  Beispiele  für  instrumentales  in 
sich  anfechten :  bei  in  insidiis  petere  kann  Dittographie  des  in  vorliegen, 
bei  dem  Satz  cum  in  litteris  ad  se  datis  audisset  schwebte  dem  Ver- 
fasser wohl  legisset  vor,  in  nomine  vicennalium  „unter  dem  Vorwand" 
ist  beeinflußt  durch  die  sonst  häufige  Verbindung  in  nomine.  Lumerhin 
bleiben  noch  mehrere  Anstöße  übrig:  Nur  in  den  Mortes  findet  sich 
idolum,  post  hoc  statt  des  lactanzischen  post  haec,  cum  in  auffallender 
Weise  mit  Indikativ  verbunden,  raisereri  mit  Dativ,  während  es  bei 
Lactanz  mit  Genetiv  steht,  dissimilis  a  u.  s.  w.  Von  einem  vulgären 
Charakter  dieser  Erscheinungen  (S.  43)  zu  sprechen  ist  man  aber  kaum 
berechtigt,  sonst  müßte  man  ab  vor  dem  Ablat.  compar.  und  instru- 
mentales de  bei  Lactanz  auch  vulgär  nennen.  So  bleibt  immerhin  noch 
die  Älöglichkeit,  daß  sich  die  Verschiedenheit  der  Schreibweise  aus  der 
Verschiedenheit  des  Stoffes  erklärt.  Die  weitere  Entwickelung  der 
Streitfrage  (vgl.  darüber  M.  Schanz,  Gesch.  der  röm.  Litt.  III.  Teil. 
München  1896,  S.  382)  gehört  nicht  in  dieses  Referat. 

Carl  Ziwsa,  Beiträge  zu  Optatus  Milevitanus.  Eranos  Vindobo- 
nensis.     Wien  1893.     S.  168—176. 

Der  Herausgeber  der  Schriften  dieses  in  der  zweiten  Hälfte  des 
4.  Jahrhunderts  lebenden  afrikanischen  Kirchenschriftstellers  bespricht 
die  handschriftliche  Überlieferung  und  teilt  textkiütische  und  stilistische 
Bemerkungen  mit,  aus  denen  ich  den  seltenen  Gräcismus  replere  mit 
Genetiv  Opt.  ni,  1  (vgl.  Rönsch,  Itala  S.  439)  und  das  durch  Emen- 
dation  VI,  4  gewonnene  Verbum  veterare  hervorhebe.  Der  stilistische 
Abschnitt  handelt  über  Bilder,  Vergleiche  und  rhetorische  Figuren 
(Verbindung  zweier  Sjmonyma,  Antithese,  Anaphora,  Chiasmus,  Asyn- 
deton und  PolysjTideton) ,    wobei    manches    den  tumor  Africus  verrate. 

P.  B.  Linderbauer,  Itoria.     Archiv  VIII  S.  139. 

C.  Weyman,  Itoria.     Archiv  IX  S.  52. 

Dieses  bei  Georges  fehlende  Wort  -  Reisegeld  wird  nachgewiesen 
in  einer  unedierten,  dem  h.  Augustin  zugeschriebenen  Predigt.  Weyman 
gewinnt  es  durch  Emendation  des  verderbten  Wortes  storia  bei  Optat. 
Milev.  ed.  Ziwsa  I  1  p.  3,  7.  Vgl.  auch  Wölfflin,  Sitzungsberichte  der 
bayr,  Akademie  vom  3.  März  1894,  S.  97. 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlateiü  1891—97.   (Geyer.)       97 

Schepß,  Zu  Candidus  Arianus.     Archiv  VIII  8.  287. 

Die  Schriften  dieses  von  Marius  Victorinus  Afcr  in  der  ersten 
Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  bekämpften  Ketzers  sind  lexikalisch  noch 
nicht  genÜKend  verwertet.  So  felilen  in  den  Lexicis  effluentura, 
efful^entia,  essentitas,  inversibilis,  luminalis,  praecausa,  praeprincipium, 
superplennm. 

Als  Afrikaner,  nicht  seiner  Abstammung-  nach,  denn  wir  wissen, 
daß  Sicilien  seine  Heimat  war,  aber  seiner  stilistischen  Richtung  nach, 
wird  neuerdings  auch  Firmicus  Maternus  betrachtet,  dessen  Studium 
durch  die  neuen  Ausgaben  von  Sittl  und  Kroll  erst  wieder  ermöglicht 
worden  ist.  Die  von  Wölfflin,  Archiv  X  S.  427—434,  anj^ekündigte 
ergebnisreiche  Arbeit  eines  amerikanischen  Gelehrten  über  Firmicus  ist 
inzwischen  erschienen. 

Clifford  H.  Moore,  Julius  Firmicus  Maternus,  der ^ Heide  und 
der  Christ.     Diss.     München  1897.     54  S.     8. 

Durch  die  richtige  Erklärung    der  sogenannten  genitura  Lolliani 
Math.  II.  c.  27,  14  hat  Momrasen  (Hermes  29,  468  ff.)  das  chronologische 
Hindernis    hinweggeräumt ,    welches  der  Identifizierung  des  heidnischen 
Astrologen    mit    dem    gleichnamigen    christlichen  Apologeten  im  Wege 
stand.    Es  ist  nur  noch  die  Frage,  ob  die  Sprache  der  beiden  Werke  die- 
selbe bestätigt.    Moore  weist  nun  zunächst  mancherlei  Übereinstimmungen 
in  Wortbedeutung    und  Wortgebrauch    nach;    und  wenn  auch  ein  Teil 
des  gesammelten  Materials  dem  ganzen  Jahrhundert  angehört,  so  wäre 
es  doch  ein  geradezu  wunderbarer  Zufall,  daß  das  Adverbium  artuatim 
nur  Math.  2,  1    und  De  errore  2,  2,    außerdem    nur    noch  bei  Pseudo- 
Hieronymus,  vorkommt,  das  Verbum  artuare  nur  Math.  6,  31,  wenn  nicht 
der  Verfasser  beider  Werke  der  gleiche  wäre.    Was  convenire  =■  admonere 
anlangt    (S.    15),    so    verweise    ich    auf    Aram.    Marc.    20,  4,  3    super 
auxiliariis  cogendis  ocius  proficisci  Lupicinus  conventus  est  solus,  desgl. 
auf   Ps.    C!yprian,    De    bono    pudicitiae  1    und    Cypr.  Ep.  47,  1,    vgl. 
Matzinger  im  Programm  des  Alten  Gymnasiums,  Nürnberg  1892,  S.  13. 
Noch    beweiskräftiger    sind    die    in    beiden    Werken    wiederkehrenden 
Phrasen,    darunter  so  seltene,    wie  Math.   1,  3  omnes  venas  stringit  in 
mortem    und  Err.  18,  2    venam    stringit   in  mortem.     Die  Phrase  caeli 
rotata  vertigo  Math.  1,  1,  5  und  Err.  24,  2  wird  von  Wölfflin  a.  a.  0. 
auf  Plinius    zurückgeführt    n.  h.    2,  6.     Ich    fand    dieselbe   Phrase    bei 
Pacatus  p.  279,  29    indefessa    vertigo    caelum  rotat;    licentia  potestatis 
auch  Arnob.  31,  9,  festina  celeritate  Amm.  30,  2,  6.   In  einem  Exkurse 
wird  gezeigt,  daß  sich  bei  Firmicus  sehr  oft  der  Identitätsgenetiv  findet 
statt    des    bei    den  Klassikern    üblichen  Hendiadyoin.     Dies  betrachtet 
Verf.    (S.  21    und  48)    als  vollgültigen  Beweis,    daß  Firmicus    zu    den 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.  Bd.  LXXXXVin.  U«98.  III.)     7 


98       Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891-97.    (Geyer.) 

afrikanischen  Schriftstellern  zu  rechnen  sei,  und  daß  der  Einfluß  der 
afrikanischen  Rhetorik  im  ersten  Drittel  des  4.  Jahrhunderts  in  Sicilien 
mächtiger  gewesen  sei  als  der  von  Rom.  Doch  findet  sich  dieser 
Genetiv  auch  bei  Vitruv  (S.  21):  ich  füge  hinzu  auch  bei  Pacatus, 
z.  B.  276,  3  fastigii  apicem;  278,  28  sub  otii  tempore;  Nazar.  p.  214,  11 
optata  votorum;  Mamert.  p.  253,  2  ingentes  aulicorum  catervae  legionum. 
Wenn  man  so  weit  ceht,  furoris  ardor  als  solchen  zu  betrachten,  so 
liegt  auch  Nazar.  p.  226,  22  aestu  furoris  ein  identischer  Genetiv  vor, 
ebenso  p.  233,  31  bonorum  commoditates.  Pleonastische  Wendungen 
p.  227,  11  conspiratione  foederatae  societatis,  p.  233,  31  bonorum  com- 
moditates, p.  239,  19  monstrosa  labes,  Mam.  p.  248,  18  propter  eximiam 
formae  dignitatem,  p.  248,  32  longa  aetatis  successio.  Wir  sehen,  der 
cothurnus  gallicus  bleibt  hinter  dem  'tumor  africus'  nicht  zurück. 

An  die  Besprechung  des  afrikanischen  Kirchenlateins  reihe  ich 
an  die  mehrfachen  Erörterungen  über  die  Appendix  Probi,  die  von 
mehreren  Seiten  für  Afrika  reklamiert  worden  ist. 

K.  TJllmann,    Die    Appendix    Probi.     Romanische  Forschungen 
von  Vollmöller  VII  (1893)  S.  145—230. 

Wendelin   Foerster,    Die   Appendix  Probi.     Wiener  Studien. 
XIV.  Band  (1892).     S.  278—321. 

Das  Hauptverdienst    der    ersten  Arbeit   ist,    daß  die  Spuren  des 
Zusammenhanges    der  Appendix    mit  der  alten  lateinischen  Grammatik 
aufgedeckt  sind  und  nachgewiesen  ist,  daß  wenigstens  eine  Anzahl  Be- 
merkungen   derselben    einen    integrierenden  Bestandteil    der  nationalen 
Grammatik  bildete.   Mit  triftigen  Gründen  wii'd  die  zuerst  von  G.  Paris 
versuchte  Lokalisierung  der  Appendix  in  Afrika  bekämpft,  indem  gerade 
die  sicheren  lokalen  Bezeichnungen  vielmehr  auf  Rom  und  zwar  auf  die 
Zeit  des  Septimius  Severus  hinweisen.   Nach  einem  Versuch,  die  Ortho- 
graphie   des  Schreibers  von  der  des  Verfassers  zu  sondern,    werden  in 
dem  Hauptabschnitte  die  lautlicli  zusammengehörigen  Stelleu  der  Appendix 
zusammengestellt,  bei  jeder  Gruppe  die  wichtigsten  Belege  aus  Inschriften 
und  Handschriften  hinzugefügt  und  die  romanischen  Sprachen  als  Mittel  der 
Beurteilung  gebraucht.   Zu  einigen  seltener  bezeugten  Formen  will  ich 
noch  einige  Ergänzungen  nachtragen.     S.  192   butrio  auch  Visio  Pauli 
23,3,    vgl.  Journal    of  Philology   1894  S.  190.     S.  196    opobalsamum 
non    ababalsamum.     Bei  Antoninus  Piacent.  Itin.  9,  17    hat  die  Hand- 
schrift G  aput  balsamo  statt  opobalsamo,  was  wohl  aus  apabalsamo  ent- 
standen   ist.     S.  204    fassioli    mit    doppeltem   s    hat    eine    Handschrift 
des  9.  Jahrhunderts  von  Ant.  Plac.  It.  11,  10.   S.  198  zu  frigdus  vgl. 
infrigdare  und  frigdor  bei  Theod.  Prise.  Index  von  Rose,  daselbst  auch 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891  —  97.    (Geyer.)       99 

acro  lind  agros  neben  acre  und  acres.  S.  222  senes  als  Nom.  Sing. 
Visio  Pauli  28,  8  und  29,  34.  Das  gerügte  Adjektiv  pisinnus  taucht, 
nachdem  es  seit  Martial  verschwunden  war,  wieder  bei  den  beiden 
Galliern  Silvia  und  Marcellus  Empiricus  auf  (Archiv  VIII  S.  480), 
was  uns  wohl  berechtigt,  ihre  Sprache  als  vulgär  gefärbt  zu  betrachten. 
Auch  die  getadelte  Form  frustrum  =  frustum  scheint  Silvia  gebraucht 
zu  haben.  Eine  der  verderbtesten  Stellen  ist  197,  24  cannelam  non 
canianus.  Zu  den  bisherigen  Verbesserungsversuchen,  von  denen  Sittls 
Vorschlag  candela  non  cannela  von  U.  gebilligt  wird,  bringt  W.  Förster 
in  eiuem  Nachtrag:  „Beitrag  zur  Textkritik  der  Appendix  Probi"  noch 
einen  neuen:  caunella  non  cinamomus,  was  dann  wegen  des  Zeichens 
•:  umgestellt  werden  müßte:  cinnamomura  non  cannella.  Das  bisher 
nur  aus  spät-mittelalterlichen  Urkunden  bei  Du  Gange  belegte  canela 
findet  sich  in  dieser  Form  Visio  Pauli  32,  1  canela  aquae;  vgl.  englisch 
Channel  oder  kennel. 

Die  vermeintlichen  Beweise  üllmanns  für  den  süditalischen 
Charakter  der  Sprache  der  Appendix,  o  =  u  und  cuntellum  -^  cultellum 
werden  von  Förster  widerlegt.  Das  Hauptarguraent,  das  für  Afrika 
und  gegen  Rom  ins  Feld  geführt  wird  und  das  auch  UUmann  nicht 
zu  beseitigen  vermochte,  ist  der  vico  tabule  (oder  vicus  stabuli)  pro- 
consulis;  es  wird  hinfällig,  wenn  mit  Bücheier  die  Bezeichnung  als  ein 
allerdings  für  uns  wie  so  viele  andere  nicht  mehr  erklärbarer  römischer 
Gassenname  gefaßt  wird.  Die  übrigen  auf  Afrika  hinweisenden  Namen 
werden  von  W.  Förster  durch  die  Annahme  erklärt,  daß  uns  in  der 
Appendix  die  Arbeit  eines  Lehrers  oder  Schülers  im  Vicus  Caput  Africae 
in  Rom  vorliegt.  W.  Förster  bietet  uns  zum  ersten  Mal  einen  un- 
bedingt zuverlässigen  Text  der  Appendix  mit  reichen  sprachlichen  und 
kritischen  Bemerkungen.  Mit  der  peinlichsten  Genauigkeit  wird  uns 
überall  mitgeteilt,  was  in  der  Handschrift  zu  lesen  ist  und  was  nicht, 
und  noch  methodischer  als  in  der  Dissertation  Ullmanus  die  Recht- 
schreibung des  Schreibers  von  der  des  Verfassers  unterschieden. 

B.  Kubier,  Die  Appendix  Probi.     Archiv  VII  S.  593. 

W.  Schulze,  Zur  Appendix  Probi.   Zeitschrift  für  vergleichende 
Sprachforschung.     Band  XXXIII  S.  138—140. 

Kubier  glaubte  einen  Beweis  für  die  Annahme,  daß  die  Appendix 
Probi  in  Afrika  entstanden  sei,  in  dem  von  ihm  in  einer  afiikanischen 
Inschrift  gefundenen  Eigennamen  Mascel  gefunden  zu  haben,  während 
es  in  der  Appendix  heißt:  masculns,  non  mascel.  W.  Schulze  wider- 
legt ihn  schlagend,  so  daß  Kubier  selbst,  wenn  auch  zögernd  Ardiiv  VIU 
S.  449  Anm.  seine  Vermutung  zurücknimmt. 

r 


100     .lahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlateia  1891— ;)7.    (Geyer.) 

G.  Landgraf,  Über  die  Latiuität  des  Horazscholiasteu  Porphy- 
riou.     Archiv  IX  S.  549—565. 

Während  0.  Keller  und  P.  Weßner  den  Porphyrie  iu  die  erste 
Hälfte  des  3.  Jahrhunderts  setzen,  nehmen  W.  Meyer,  Urba  und  Sittl 
das  4.  Jahrhundert  als  seine  Lebenszeit  an.  Aus  der  Sprache  des 
Porphyrio  sucht  nun  G.  Landgraf  zu  erweisen,  daC  die  erstere  An- 
setzung  die  richtigere  ist  und  zugleich,  daß  P.  ein  Afrikaner  sei,  was 
nach  der  Art,  wie  PorphjTio  von  afrikanischen  Zuständen  spricht,  wahr- 
scheinlich ist.  Dagegen  ist  es  kaum  zulässig,  bei  einem  Grammatiker  aus 
der  Kenntnis  des  Griechischen  und  der  archaischen  Schriftsteller  einen 
Schluß  auf  Afrika  als  Heimatland  zu  ziehen.  Von  den  eigentlich  sprach- 
lichen Judicien  ist  noch  am  meisten  beweiskräftig  die  Erweiterung  des 
Ablativus  comparatiouis  durch  a,  die  sich  bei  Porphyrio  au  5  Stellen 
findet.  Weiter  erinnern  an  die  Africitas  die  Verbindung  von  Positiv 
und  Superlativ  durch  et  oder  ac  (schon  Velleius  hat  aber  II,  96  excel- 
sissimas  et  multiplices  victorias),  der  sogenannte  identische  Genetiv, 
sui  =-  suus  (dagegen  Wölfflin,  Archiv  IX  S.  557  und  Landgraf  selbst, 
Blätter  f.  bayr.  Gymn.  XXXII  S.  401),  circa  ^  repi,  endlich  tunc, 
florire,  occidere  statt  tum,  florere,  interficere.  Das  waren  aber  allgemein 
vulgäre  Ausdrücke,  die  nach  Ausweis  der  romanischen  Sprachen  nicht  auf 
Afrika  besclu-änkt  gewesen  sein  können.  Interäcere  ist  in  allen  roma- 
nischen Sprachen  untei  gegangen  und  auch  im  Franz.  und  Ital.  durch 
occidere  verdrängt  worden.  In  allen  spätlateinischen  Schriftstellern 
wird  occidere  häufiger  sein  als  interficere :  bei  Eutrop ,  bei  mehreren 
Bio£?raphien  der  Script,  bist.  Aug.,  in  der  lex  Salica  habe  ich  selbst  die 
Probe  gemacht;  was  die  Form  tunc  anlangt,  so  steht  sie  bei  der  Gallierin 
Silvia  ausnahmslos;  ich  habe  mir  etwa  33  Stellen  für  tunc  notiert, 
tum  aber  nie  gefunden.  Weder  in  inturaescere  noch  in  nigrescere  in- 
cipiunt  kann  ich  einen  überschüssigen  Gebrauch  von  incipere  erkennen; 
beide  Verba  bezeichnen  einen  Prozeß,  dessen  Verlauf  längere  Zeit  er- 
fordert, incipiunt  aber  giebt  den  Anfangspunkt  dieses  Prozesses  an. 
Unmöglich  ist  zu  Hör.  carra.  3,  6,  13  populura  Romanum  ex  occasione 
paene  barbari  deleverunt  die  Vermutung  ex  occisione  =  klassischem 
occidione,  wegen  des  Zusatzes  von  paene.  Da  die  Zerstörung  nicht 
faktisch  erfolgt  ist,  kann  der  Umfang  oder  Grad  derselben  unmöglich 
bezeichnet  werden.  Ebensowenig  liegt  modales  ex  vor  139,  10  ex  desi- 
derio  somniai'e;  denn  es  heißt  nicht  sehnsüchtig  träumen,  sondern  in- 
folge der  Sehnsucht  träumen.  Sic  =  deinde  ist  überhaupt  im  Spätlatein 
ganz  gewöhnlich,  sehr  oft  bei  Silvia;  ganz  so  gebraucht  Ovid  schon  ita, 
vgl.  Metam.  I,  228.  Constitutus  -=  wv  ist  ebensowenig  wie  sie  ein 
Afrikanismus :  es  findet  sich  z.  B.  in  dem  Brief  des  Römers  Celerinus  bei 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—97.    (Geyer.)     101 

Miodohski,  Adversns  aleatores  S.  118,  18,  in  dem  von  Thielmann  soge- 
nannten , europäischen"  Bestandteil  des  Sirach,  bei  Solin,  den  Landgraf 
selbst  ausdrücklich  in  Gegensatz  zn  den  Afrikanern  stellt,  Blätter  f.  d. 
Gyran.  W.  1896.  S.  402. 

Josef  Stov?asser,  Lexikalisch-Kiitisches  aus  Porphyrio.  Xenia 
Austriaca.  Festschrift  der  österreichischen  Mittelschulen  zur  42.  Ver- 
sammlung deutscher  Philologen  und  Schulmänner  in  Wien.  I.  Ab- 
teilung.    Wien  1893.     S.  136-164. 

Neben  mehreren  trefiflicheu  Emendationen  teilt  der  scharfsinnige 
Verfasser  zahlreiche  bedenkliche  Einfälle  mit.  So  wird  S.  143  f.  dem 
Porphyrio  an  mehreren  Stellen  instrumentales  ex  vindiciert,  344,  2  elu- 
dificari  gehalten,  in  dem  Luciliusfragment  bei  Nouius  120,  14  Lucilius 
transverso  ordine  posuit  hippocampi  elephantocaraillos  das  unerhörte 
Wort  telephantocamillus  (aus  -reXesi^avTTjc  und  camillus  Opferknabej  ge- 
bildet; hippocampi  wird  dabei  einfach  über  Bord  geworfen.  328,  1  statt 
aestimatio  [wohl  assentatio,  da  der  Begriff  pravum  obsequium  ausge- 
drückt wird,  vgl.  327,  22  und  295,  12]  aestuatio  gewonnen.  209,  18 
wird  aus  inmetros  sermo  gemacht  inmetuus  =  a^oßo?.  Weitere  solche 
portenta  sind  164,  10  exessitas,  pallacidem,  hyranesin,  odoratum  ^  Parfüm, 
libitus  das  Belieben,  die  Form  echos  als  Genetiv  S.  16,  10,  vo|j.r^v 
309,  6  statt  der  schönen  Emendation  Meyers  morem. 

Referent,  Praesens  =  rj70üfjLevo?.     Archiv  X  S.   137. 

Diese  von  Stowasser  bei  Porphyrio  307,  30  vorausgesetzte  Be- 
deutung wird  nicht  anerkannt. 

Unbekannt  ist  auch  die  Lebenszeit  des  afrikanischen  Grammatikers 
Terentianus  Maurus,  der  in  gebundener  Rede  ein  Lehrbuch  de 
litteris,  syllabis,  metris  verfaßte.  Infolge  eines  Preisausschreibens  der 
Bonner  philosophischen  Fakultät  wurde  seine  Sprache  untersucht  von 

A.  Werth,  De  Terentiani  sermone  et  aetate,  Jahrb.  f.  kl.  Phil. 
23.  Suppl.-Bd.  1897,  S.  291—376. 

Die  Arbeit  bietet  wegen  der  sorgfältigen  Beobachtungen  und  der 
reichen  sprachlichen  und  litterarischen  Nachweise  einen  wertvollen  Bei- 
trag zur  Geschichte  der  lateinischen  Sprache.  So  viel  steht  fest,  daß 
die  Sprache  des  Terentianus  nichts  enthält,  W'as  nötigt,  ihn  in  eine  spätere 
Zeit  als  in  das  2.  Jahrhundert  zu  setzen.  Ihn  genauer  zu  fixieren,  ver- 
hindert die  durch  die  Natur  des  Stoffes  bedingte  Dürftigkeit  seiner 
Sprache;  dazu  kommt  noch  der  Zwang  des  Metrums,  der  die  wenigen 
Neubildungen,  die  sich  finden,  hervorgerufen  hat.    Der  Autor  charakte- 


102     Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlateia  1891—97.   (Geyer.) 

risiert  selbst  seine  Sprache  v.  294  fif.  in  einer  Weise,  welche  an  die  des 
t5/v6v  genus  dicendi  bei  Quint.  12,  10,  40  und  42  erinnert.  Aus  diesem 
Grund  ist  auch  der  Schluß  nicht  zwingend,  er  müsse  vor  Tertullian 
gelebt  haben,  weil  er  sich  von  dessen  Neuerungen  noch  nicht  beeinflußt 
zeige.     Spuren,  die  auf  Afrika  hinweisen,  finden  sich  keine. 

Zu  den  als  Afrikaner  bezeichneten  Schriftstellern  kommt  neuer- 
dings auch  Aemilius  Papinianus. 

Heinrich  Leipold,    Über    die    Sprache    des    Juristen  Aemilius 
Papinianus,  Programm  von  Passau  1891.     80  S. 

Der  Verfasser  ist  selbständig  vielfach  zu  denselben  Resultaten 
gekommen,  wie  W.  Kalb  in  seinem  Buch  „Roms  Juristen  nach  ihrer 
Sprache  dargestellt",  wo  iPapinian  S.  107 — 118  bebandelt  ist.  Im 
1.  Kapitel  wird  der  Einfluß  Ciceros  und  Quiutilians  auf  die  Sprache 
Papinians  dargestellt,  im  zweiten  soll  er  als  Afrikaner  erwiesen  werden, 
der  3.  Abschnitt  handelt  von  seinen  individuellen  Eigentümlichkeiten, 
im  letzten  v^^ird  gezeigt,  daß  die  meisten  kaiserlichen  Reskripte  von 
194  bis  202  von  Papinian  stilisiert  sind.  Die  Arbeit  ist  fleißig  und 
gründlich;  am  wenigsten  gelungen  scheint  mir  der  zweite  Teil,  in  dem 
höchstens  erwiesen  ist,  daß  Papinian  sich  der  von  Fronto  und  Apulejus 
inaugurierten  Stilart  nicht  ganz  zu  entziehen  vermochte.  Über  den 
Unterschied  dieser  litterarischen  Greschmaeksrichtung  und  der  afrikanischen 
Volkssprache  scheint  sich  der  Verfasser  nicht  recht  klar  zu  sein;  sonst 
würde  er  nicht  S.  27  sagen:  „In  der  ursprünglich  überkommenen  Form 
[gemeint  ist  die  \Tilgär-archaische]  oder  auch  in  lokaler  "Weiterbildung 
warfen  es  [das  in  der  Zeit  des  Plautus  von  den  römischen  Soldaten 
nach  Afrika  gebrachte  Latein]  die  afrikanischen  Schriftsteller,  wie  der 
Rhetor  Frouto  aus  Cirta  in  Rom  gleichsam  als  echt  römische  Stadtware 
auf  den  Markt."  Wer  wird  im  Ernst  bei  Fronto  afrikanische  Pro- 
vinzialismen suchen!  Die  wenigen,  auch  sonst  üblichen  Metaphern  bei 
Papinian  beweisen  nichts  für  den  semitischen  Charakter  seiner  Sprache. 
Immemoria  ist  kein  afrikanischer  Provinzialismus,  sondern  künstliche 
Nachbildung  des  griechischen  dtixvY)|j,03uvr,.  Extrarius  ist  ein  Archaismus, 
der  um  so  weniger  befremden  kann,  als  auch  der  Nichtafrikaner  Javo- 
lenus  das  Wort  gebraucht.  Die  Erklärung,  daß  derselbe  als  Befehls- 
haber einer  i-ömischen  Legion  in  Afrika  und  als  Prokonsul  der  Provinz 
Afrika  sich  etwas  vom  dortigen  Dialekt  angeeignet  habe,  klingt  wie  ein 
schlechter  Scherz.  Ein  Archaismus  ist  wohl  auch  die  in  der  App.  Probi 
empfohlene  Form  exter;  Archaismen  können  aber  bei  einem  Juristen  am 
allerwenigsten  befremden  oder  als  Indicien  für  seine  Heimat  verwendet 
werden.  An  mehreren  Stellen  widerlegt  übrigens  L.  sich  selbst,  z.  B. 
wenn  er  S.  34  sagt :  , Am  besten  kennzeichnet  den  Papinian  als  Afrikaner 


i 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891 — 97.   (Geyer.)     103 

die  Verwendung  des  aktiven  remunerare"  und  schließt:  ^Wenn  auch 
Petronius  140  remunerant  schrieb,  so  wissen  wir,  daß  er  seine  Personen 
oft  absichtlich  vulgär-archaisch  [also  nicht  afrikanisch]  sprechen    läßt." 

Über  die  römischen  Juristen  ist  von  berufener  Seite  ausführlich 
referiert  worden  im  89.  Band  der  Jahresberichte  mit  besonderer  Be- 
rücksichtigung der  Sprache. 

Ich  begnüge  mich  also,  die  Titel  der  einschlägigen  Schriften  an- 
zuführen. 

W.  Kalb,  Bekannte  Federn  in  den  Reskripten  römischer  Kaiser. 
Commentationes  Woelfflinianae.    Leipzig,  Teubner  1891.    S.  331 — 37. 

Derselbe:  Zur  Analyse  von  Justiuians  Institutionen.  Archiv  YIII 
S.  203—220. 

H.  Krüger,    Bemerkungen  über  den  Sprachgebrauch  der  Kaiser- 
konstitutionen.    Archiv  X  S.  247 — 252. 

0.  Gradenwitz,    Zur  Rechtssprache.     Zeitschrift    der  Savigny- 
Stiftung.     16.  Band,  S.  115—136. 

E.  Grupe,    Zur  Latinität  Justiniaus.     Ebendaselbst.     14.  Band. 
S.  224-37.     15.  Band,  S.  327-42. 

0.  Graden witz,    ß.    Kühler,    E.    Th.    Schulze:    Yocabulariura 
iurisprudentiae  Romanae,  Fase.  I.     Berol.  1894.     75  S. 

Vgl.  auch  Kalbs  Referat  in  Vollmöllers  kritischem  Jahres- 
berichte über  die  Fortschritte  der  romanischen  Philologie,  II.  Band, 
S.  72—78. 


Bibellatein. 

Josef  Zycha,    Bemerkungen    zur  Italatrage.     Eranos  Vindobo- 
uensis  S.   177—184. 

Der  Schwerpunkt  dieser  interessanten  Studie  liegt  darin,  daß  mit 
Hülfe  der  Augustinischen  Locutiones  der  Text  der  Septuaginta  an  vielen 
Stellen  verbessert  wird.  Aber  auch  tür  die  Kenntnis  der  an  Gräcismeu  reichen 
Übersetzungssprache  fällt  manches  ab,  z.  B.  benedicere  mit  Accus.  = 
euXoYsiv  Tiva,  die  Wiedergabe  des  Artikels  durch  Relativsatz,  oft  mit 
Ellipse  von  esse,  wodurch  manche  Beispiele  bei  Rönsch,  Itala  S.  443, 
erklärt  werden.  Wiederaufnahme  des  Relativpronomens  durch  ein  De- 
monstrativum  im  gleichen  Casus,  z.  B.  quibus  dixit  eis,  locum  ubi  steterat 
ibi  deus.  Über  die  Auffassung  der  viel  besprochenen  Stelle  de  doc- 
trina  chiist.  II,  16  in  ipsis  autem  interpretatiouibus  Itala  ceteris  prae- 


104     Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891-97.    (Geyer.) 

feratnr,  uani  est  verborum  tenacior  cum  perspicuitate  sententiae  wird  er 
sich  jetzt  auseiuauderzusetzen  haben  mit 

F.  C.  Burkitt,  the  old  Latin  and  the  Itala  (Texts  and  studies 
contribuating  to  biblical  and  patristic  literature  ed.  by  J.  A.  Robinson 
vol.  IV.  No.  3),  Cambridtre  1896,  Vni  und  96  S.,  welcher  den  von 
Th.  Zahn  in  einer  Rezension  in  Harnacks  Theologischem  Litteraturblatt 
1896  No.  31  gebilligten  Nachweis  führt,  daß  Angustin  in  seinen 
späteren  Werken  für  die  Evangelien  die  Vulgata  selbst  benutzt 
habe  (dieselben  wurden  von  Hieronymus  384  herausgegeben,  während 
Augustins  Schrift  de  doctrina  christiana  397  erschien),  daß  also  die 
von  ihm  so  sehr  empfohlene  Itala  die  Übersetzung  des  Hieronymus  sei. 

Dasselbe  gilt  von  der  Abhandlung  von 

E.  Wölfflin,  Neue  Bruchstücke  der  Freisiuger  Itala.  Aus  den 
Sitzungsberichten  der  philos.-philol.  und  historischen  Klasse  der  k. 
bayer.  Akademie  der  Wissenschaften  1893,  Heft  II,  35  S. 

Die  von  Leo  Ziegler  und  Tischendorf  entdeckten  Freisinger 
TJncialblätter,  die  mit  Augustins  Bibelcitaten  übereinstimmen,  wurden 
ergänzt  durch  zwei  weitere,  zwei  Kapitel  des  Galaterbriefes  und  den 
Anfang  des  Epheserbriefes  enthaltende  Quartblätter,  welch  1892  der 
Oberbibliothekar  Schnorr  von  Carolsfeld  fand.  Die  Sprache  dieser  Über- 
setzung wird  nun  geprüft  und  ein  engerer  Anschluß  an  das  Original 
konstatiert  als  in  der  Vulgata;  daher  stammen  zahlreiche  Neubildungen, 
wie  nullificare,  annihilare,  sustinentia,  longanimitas  u.  s.  w.  Auch 
sonstige  Gräcismen  sind  häufig,  z.  B.  Indikativ  in  den  indirekten  Fragen, 
doppelte  Negation  mit  verstärkender  Kraft  u.  s.  w.  Am  interessantesten 
ist  die  meisterhafte  Entwickelungsgeschichte  des  Wortes  salvator,  das 
noch  bei  Tertullian  fehlt.  Es  konnte  erst  gebildet  werden,  nachdem 
das  Verbum  salvare  vorhanden  war.  Wölfflin  glaubt,  es  finde  sich 
zuerst  bei  Plin.  n.  h.  17,  178,  wo  statt  des  handschriftlichen  salutentur 
'salventur'  palmites  zu  schreiben  sei.  Referent  bezweifelt  die  Be- 
rechtigung dieser  Konjektur,  da  in  der  lateinischen  Übersetzung  des 
Buches  Siracli  22,  31  saluto  in  demselben  Sinn  -^  axe-a^w  gebraucht 
ist,  vgl.  Thielmann,  Archiv  VIII  S.  535.  Auch  Corp.  Gloss.  IV. 
S.  179,  13  ist  statt  suspito:  salto  zu  schreiben  sospito:  saluto,  vgl. 
Archiv  IX  S.  428. 

Eine  Ergänzung  dazu  bietet  eine  Miscelle 

Derselbe:  Salvator.  Salvare.  Mediator.  Mediare.  Mediante. 
Archiv  VIII  S.  592 

Mediator  und  mediare  gehören  fast  ausschließlich  der  christlichen 
Litteratur  an.  Häufiger  ist  das  Participiura  mediante,  das  in  der  christ- 
lichen Litteratur,  insbesondere  Galliens,  fast  zur  Präposition  herabsinkt. 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  18^)1-97.    (Geyer.)     105 

E.  Ehrlicli,  Beiträge  zur  Latinität  der  Itala.  Programm  der 
Realschule  zu  Rochlitz.     1895.     36  S.     4. 

Die  in  den  Büchern  de  civitate  dei  und  in  den  im  25.  Band  des 
Corpus  scr.  eccles.  veröffentlichten  Schriften  Augnstins  vorkommenden 
Bibelcitate  werden  mit  der  Vulgata  verglichen,  um  zu  beweisen,  daß 
auf  die  von  Augustin  benutzte  Bibelübersetzung  passe,  was  er  von  der 
Itala  sagt,  sie  sei  verbis  teuacior;  der  Zusatz  cum  perspicuitate  sen- 
tentiae  wird  dabei  nicht  berücksichtigt.  Zwei  in  der  Schrift  contra 
Adimautum  voikommende  Citate  aus  Mattliäu«  stimmen  übrigens  mit 
der  Vulgata  überein  (S.  11  und  18),  während  dieselben  in  der  Schrift 
contra  Faustum  nach  einer  abweichenden  Übersetzung  augeführt  werden. 
Der  Verf.  dieser  gründlichen  Untersuchung  verschweigt  indes  nicht, 
daß  es  umgekehrt  auch  viele  Stellen  giebt.  an  denen  die  Vulgata 
engeren  Anschluß  an  das  Original  aufweist. 

Auch  die  Sprache  der  Vulgata  hat  mehrere  Bearbeiter  gefunden : 

Alois  Hartl,  Sprachliche  Eigentümlichkeiten  der  Vulgata.  Pro- 
gramm des  Gymnasiums  Ried.     1895.     24  S.     8. 

Die  Arbeit  scheint  für  ger elftere  Gymnasiasten  bestimmt  zu  sein, 
nm  sie  in  die  Lektüre  der  Vulgata  einzuführen,  und  keinen  Anspruch 
auf  Wissenschaftlichkeit  zu  machen;  daher  sind  wohl  auch  nirgends 
Litteraturnachweise  gegeben  und  ganze  Abschnitte  aus  Kaulens  Hand- 
buch zur  Vulgata  genommen,  z.  B.  S.  14  Ungewöhnliche  Wörter  =  Kaulen: 
Eigentümliche  Wörter  S.  30  flf.  Die  sprachlichen  Eigentümlichkeiten 
der  Vulgata  werden,  oft  recht  willkürlich,  in  folgende  Rubriken  gebracht: 
Eigentümlichkeiten  des  Vulgärlateins,  Spuren  des  griechischen  Textes, 
Hebraismen.  Zu  den  hebraisierenden  Verbindungen  wird  beispielshalber 
die  Verbindung  von  esse  mit  Part.  Präs.  gerechnet  [vgl.  Kaulen  S.  235 
und  Koehler,  acta  sem.  Erlangensis  I  S.  449],  manducare  essen  [vgl. 
Wölfflin  in  den  Sitzungsberichten  der  bayer.  Akademie  1894  S.  115  bis 
123],  facere  ieiunare  [vgl.  Thielmann,  Archiv  III  S.  186  ff.].  Die  an- 
geführten Beispiele  beruhen  zum  allergeringsten  Teil  auf  eigenen 
Sammlungen. 

Townsend,  the  Latinity  of  the  Vulgata  as  illustrating  the  coUo- 
quial  Latin  of  the  time.    School  review  III,  G  war  mir  nicht  zugänglich. 

Ludwig  Bertram  Andergassen,  Über  den  Gebrauch  des  In- 
finitivs in  der  Vulgata.  I.  Teil.  Programm  des  Gymnasiums  Bozen 
1891.     23  S.     II.  Teil.     Bozen   1892.     20  S.     8. 

Der  Verfasser  behandelt  den  Infinitiv  als  Subjekt,  Objekt,  an 
Stelle  eines  Adverbialsatzes  (Final-  und  Konsekutivsatz),  in  ähnlicher 
Weise  den  Accusativ  und  Nominativ  mit  Infinitiv.    Auf  eine  vollständige 


106     Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlateia  1891  —  97.    (Geyer.) 

Anführung  aller  Stellen,  auch  auf  eine  Zahlenangabe  über  die  Häufig- 
keit des  Gebrauchs,  wird  von  vornherein  verzichtet.  Öfters  begnügt  sich 
der  Verfasser  mit  Angabe  zweier  Stellen,  bisweilen  mit  dem  Zusatz  u.  ö., 
der  aber  in  den  meisten  Fällen  fehlt.  Dies  Verfahren  ist  bei  seiteueren 
Konstruktionen  gewiß  nicht  am  Platz;  so  werden  für  est  mit  Infinitiv 
3  Stellen  angegeben,  während  ßönsch,  Itala  S.  363,  7  aufführt.  Ähnlich 
verhält  es  sich  bei  capit  ^  evöeyeTai  [vgl.  Rönsch  S.  351  und  Kaulen, 
Handbuch  zur  Vulgata  S  160].  Der  Arbeit  thut  die  ganz  ungenügende 
Litteraturkenntnis  des  Verfassers  Eintrag;  er  kennt  weder  Rönschs 
Itala  und  Vulgata  noch  die  einschlägigen  Artikel  in  Wölfflins  Archiv. 
Sonst  hätte  nicht  zu  incipio  nach  Anführung  von  4  Stellen  bemerkt 
werden  können:  «Zu  jeder  Zeit  so  gebraucht."  Daß  dem  nicht  so  ist, 
zeigt  Rönsch,  Itala  S.  369  und  Thielmann,  Archiv  II  S.  85  flf.  Zu 
facere  mit  Inf.  vgl.  Archiv  III  177  und  191  und  Rönsch  S.  366;  über 
den  Zusammenhang  mit  dem  Hebräischen  vgl.  Archiv  III  S.  185  u.  s.  w. 
Falsch  ist  I  S.  23  die  Stelle  Sap.  5,  10  non  est  vestigium  invenire 
aufgefaßt  da  der  Infinitiv  nicht  vom  Substantivum  vestigium,  sondern 
von  est  abhängig,  vestigium  aber  Objekt  zu  invenire  ist. 

Milro}',  The  Participle  in  the  Vulgata  New  Testament,  Baltimore 
1892  und 

G.  R.  Hauschild,  Die  Verbindung  finiter  und  infiniter  Verbal- 
formen desselben  Stammes  in  einigen  Bibelsprachen.  Berichte  des 
Freien  deutschen  Hochstiftes.   Frankfurt  a.  M.  1893.    Heft  2.    34  S.  8, 

sind  in  Erlangen  nicht  aufzutreiben;  die  Schrift  von  Hauschild  ist  be- 
sprochen im  Archiv  für  lat.  Lexik.  VIII  S.  466. 

G.  A.  Saalfeld,  De  bibliorum  sacrorum  vulgatae  editionis  grae- 
citate.     Quedlinburgi  1891,  Vieweg.     180  S. 

Das  Buch ,  welches  eine  Ergänzung  zu  des  Verfassers  Tensaurus 
Italograecus  bilden  soll,  giebt  einen  aus  einer  Vulgatakonkordanz  zu- 
sammengestellten Index  aller  griechischen  Fremdwörter,  Lehnwörter, 
Eigennamen  und  überhaupt  aller  Wörter,  die  mit  dem  Griechischen  in 
irgend  welchem  Zusammenhange  stehen:  so  findet  man  z.  B.  Wörter  wie 
epistula,  ergastulum,  fenestra,  funda,  fuscinula,  gubcrnator,  gubernare, 
hilaris,  historia,  hora,  latro,  leo,  norma  u.  s.  w.  Die  Anordnung  inner- 
halb der  einzelnen  Artikel  nach  den  Casus  oder  Konjugationsformen  ist 
gleichfalls  aus  der  Konkordanz  entlehnt.  Die  Zusätze  aus  Du  Gange, 
mit  denen  viele  Artikel  verbrämt  sind,  haben  häufig  mit  der  Vulgata 
gar  nichts  zu  thun,  z.  B.  bei  leo:  Leones,  nummi  aurei  Francici  u.  s.  w., 
bei  nonna:  regula  monastica.   Das  ungünstige  Urteil,  welches  P.  Corssen, 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlateio  1891—97.    (Geyer.)     107 

Deutsche    Litteraturzeitung:    1892     S.    1099-1100,    und    C.  Weyman, 
Lit.  Centralblatt  1892  S.  1431,  über  das  Buch  fällen,  ist  berechtigt. 

Ernst  von  Dobschütz,    Studien    zur  Textkritik    der  Vulgata, 
Leipzig,  Hiurichs  1894. 

Auf  eine  eigenartige  Weise  wird  die  Klassifizierung  der  zahl- 
reichen Handschriften  der  Evangelien  versucht,  welche  die  beiden  Ox- 
forder Herausgeber  Wordsworth  und  White  aufgespart  haben,  und  zwar 
nicht  auf  grund  des  Yulgatatextes,  sondern  der  Beigaben,  der  Kapitu- 
lationen und  der  Argumente.  Der  Text  der  letzteren  ist  abgedruckt 
und  ist  schon  deshalb  von  Interesse,  weil  er  aus  einer  vorhieronymiauischen 
Bibelübersetzung  stammt.  Die  Handschriften  werden  klassifiziert  nach 
der  Zahl  der  Lesarten,  in  welclien  die  einzelnen  Codices  miteinander 
übereinstimmen.  Das  dadurch  gewonnene  Resultat  kann  nur  ein  höchst 
unsicheres  sein,  einmal  weil  die  Angaben  von  Wordsworth  und  White  nach 
Dobschützeus  eigenem  Zugeständnis  öfters  nicht  ganz  verlässig  sind,  ferner 
weil  auf  orthographische  Varianten  definieus,  difinieus,  diffiniens,  couplere, 
complere  u.  s.  w.  ebenso  großes  Grewicht  gelegt  wird,  wie  auf  wirkliche 
Abweichungen  im  Text.  Die  sprachlichen  Bemerkungen  sind  oft  wenig 
zutreffend.  Wenn  S.  41  behauptet  wird,  Math.  27  erscheine  pullus  in 
der  sonst  nicht  nachweisbaren  Bedeutung  Hahnenschrei,  deshalb  liege 
wahrscheinlich  ein  Schreibfehler  vor  für  gallus,  so  ist  dies  an  und  für 
sich  unwahrscheinlich,  da  pullus  das  vulgäre  Wort  für  gallus  ist;  es 
findet  sich  aber  in  derselben  Bedeutung  auch  bei  Silvia  S.  90,  7  de 
puUorum  cantu;  92,  3  quae  consuetudinis  sunt  de  puUo  primo  agi; 
100,  33  de  pullo  primo  usque  ad  mane  consuetudinaria  aguntur.  Vita 
Hugberti,  c.  12  interrogans,  qua  hora  esset  de  nocte,  vel  si  puUorum 
cantus  esset.  Die  Kritik  ist  oft  recht  willkürlich,  z.  B.  S.  77:  „Den 
Vorzug  geben  wir  der  allerdings  unbezeugteu  Wortform  quaterdeuario 
(vor  quaterno  denario)."  „Die  von  A.  (cod.  Amiatinus,  welcher  nach 
Dobschütz  den  weitaus  besten  Text  der  Argumente  bietet)  vertretene 
Stellung  domini  adventus  bat  etwas  so  Eigentümliches  [?],  daß  sich  die 
Umstellung  bei  den  anderen  Zeugen  leichter  als  Glättung  begreifen 
läßt."  Die  S.  63  verteidigte  Form  duodeunis  bei  Sulp.  Sev.  Dial,  3,  2,  3 
hat  nur  die  Aldina,  die  von  Halm  benutzten  Handschriften  duodecennis. 
Gewagt  ist  es,  die  einmalige  Vertauschung  von  deus  (do)  mit  dominus 
(dns)  in  Eph.  t^D  als  dogmatische  Korrektur  zu  fassen,  da  72,  27  die- 
selben Handschriften  haben  deus  Christus  est.  Unmöglich  ist  die  Kon- 
jektur in  iudaica  (lingua)  S.  82:  Matthaeus  ex  ludaeis  (in  iudaea  A) 
sicut  in  ordine  primus  ponitur,  evangelium  in  Iudaea  primus  scripsit; 
denn  die  Angabe  der  Nationalität  schließt  sich  auch  S.  103  an  den 
Namen  an:  Lucas  Syrus  natione,  Antiochensis  arte  —  in  Achaiae  par- 


108     Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1801—97.    (Geyer.) 

tihiis  hoc  sciipsit.  Dazu  kommt,  daß  ex  ludaeis  dem  folgenden  ex 
publicanis  actibus  entspricht;  auch  giebt  es  keine  iudaica,  sondern  nui* 
eine  hebraica  lingua. 

Unrichtig  ist  die  Auffassung  von  S.  98:  Marcus  —  secundnm 
carnem  levita  —  evangelium  in  Italia  scripsit,  ostendens  in  eo.  quod 
(lies  quid)  et  generi  suo  deberet  et  Christo.  Nam  initium  principii  in 
voce  propheticae  exclamationis  instituens  ordinem  leviticae  lectionis  (lies 
mit  A  m.  1  und  der  Mehrzahl  der  Handschriften  electionis)  ostendit. 
Hier  ist  sicher  nicht,  wie  Dobschütz  S.  95  annimmt,  von  einer 
lectio  ^  Vorlesung  die  Rede ,  sondern  wie  der  Zusammenhang  beweist, 
namentlich  das  nam,  kann  nur  die  Erwählung  (electio  oder  vocatio)  aus 
dem  Stamm  Levi  gemeint  sein.  Vgl.  70,  5;  99,  22;  104,  16  und  25. 
Ferner  ist  quid  zu  schreiben:  denn  quod  ist  nichteine  „schlechte  Form 
für  quid",  vielmehr  wurde  der  Fehler  durch  das  vorausgehende  eo  ver- 
anlaßt, indem  die  Schreiber  dadurch  zu  der  Meinung  gebracht  wurden, 
sie  hätten  die  gewöhnliche  Verbindung  eo  quod  vor  sich. 

Die  S.  92  aufgestellte  Behauptung,  der  Sprachcharakter  der  Ar- 
gumente nötige  zu  der  Annahme,  daß  sie  aus  dem  Griechischen  über- 
setzt seien,  wäre  erst  zu  beweisen. 

Leop.  Matth.,  El.  Stoff,  Kurzgefaßte  theoretisch- praktische 
Grammatik  der  lateinischen  Kirchensprache.  Kirchheim,  Mainz  1896. 
266  S. 

Es  ist  eine  ungewöhnlich  schlechte  lateinische  Elementargrammatik 
mit  Übungsstücken,  deren  Wortvorrat  dem  kirchlichen  Gebiet  entnommen 
ist  und  in  welchen  auf  den  Sprachgebrauch  der  Vulgata  hier  und  da 
Rücksicht  genommen  wird. 

John.  E.  B.  Mayor,  Visio  Pauli.  The  Journal  of  Philology. 
Vol.  XXII  (1894)  p.  1«4— 197. 

Montague  Rhodes  James  veröffentlichte  im  2.  Bande  der  von 
Robinson  herausgegebenen  Texts  and  studies  aus  einer  Pariser  Hand- 
schrift des  8.  Jahrhunderts  eine  alte  lateinische  Übersetzung  der  visio 
Pauli,  welche  einen  weit  vollständigeren  Text  bietet  als  die  bisher  be- 
kannten griechischen  und  syrischen  Versionen.  Mayor  hebt  aus  der- 
selben eine  Anzahl  Konstruktionen  und  Formen  heraus,  die  für  Lati- 
nisten  wie  Romanisten  von  Interesse  sein  dürften,  z.  B.  gallicolae 
Sandalen  [auch  Act.  Ap.  12,  8  und  Antonini  Plac.  Itin.  S.  25,  16  ed. 
Gildem.],  peniteri,  noceor,  *conlugeo,  revertere  Aktiv,  passivisches  ope- 
rantur,  minare  führen,  obviaverunt  eam  und  continentiam  studui,  den 
Genetiv  miliorum,  unus  et  unus  wie  beiSilvia,  arbor  masc.  [auch  Antonin 
11,6;    Lex.  Sal.  XX^^I:    Ed.  Rothari  1.38.  240.  241.  .319].     Zu  ser- 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  ISO]— 07.    (Geyer.)     109 

\äunt  castitatem  vgl.  Wölfflin  Archiv  IX  S.  504,  der  diese  Yertauschung;, 
wie  ich  glaube  mit  Unrecht,  auch  für  reg.  Bened.  1,  15  annimmt.  Un- 
erklärt ist  das  merkwürdige  secundura  eo  quod,  das  ich  mir  folgender- 
maßen entstanden  denke:  Eo  quod  hatte  bei  Silvia  konjunktiouales  quod 
vollständig  verdrängt;  es  ist  hier  durch  Verwechselung  wegen  lautlicher 
Gleichheit  auf  das  Neutrum  des  Relaiivuuis  übertragen.  Zum  Schluß 
noch  einige  Bessernngsvorschläge  zum  Text:  »S.  20,  30  ist  substolle  zu 
substollens  zu  ergänzen;  25,  2  lies  <im>  modicum  inflati  erant;  21,31 
lies  ingressus  sum  in  iuteriora  loci  illius,  cf.  25,  35;  29,  6  ist  zu  inter- 
pungieren:  qui  innuunt  sibi  maliguitatem,  insidiantur  jiroximo  suo;  29,  32 
vidi  illic  homiuem  subt'ocari  ab  angelos  tartarucos  ist  vor  angelos  nichts 
ausgefallen;  33,  16  lies  non  exibeutes  agapas;  33,  17  uou  suscipientes 
neque  oblationem  offerentes;  34,  19  vermem  inquietem  ist  nicht  in  in- 
quietura  zu  ändern;  37,  13  ingressus  et  vidi  ist  et  nicht  zu  tilgen,  da 
das  Participium  statt  des  Verb.  fin.  steht;  40,  1  lies  qui  (statt  quid) 
€stis  vos;  40,  22  propter  hoc  <quod>  iutroierunt;  41,  16  nos  statt  vos. 

Joh.  Haußleiter,  Die  lateinische  Apokalypse  der  alten  afri- 
kanischen Kirche.  Forschungen  zur  Geschichte  des  neutestamentlichen 
Kanons.     Erlangen  und  Leipzig  1891. 

S.  59 — 67  wird  der  sprachliche  Charakter  der  handschriftlichen 
tJberlieferung:  Vokalismus,  Konsonantismus,  Deklination,  Konjugation, 
Syntax  behandelt.  Es  wird  eine  lehrreiche  Zusammenstellung  von 
sprachlichen  Eigentümlichkeiten  geboten,  wie  sie  ältere  Handschriften 
auch  anderer  Autoren,  z.  B.  des  Benedikt  von  Nursia,  des  Antoninus 
Placentinus,  Adamnanus  aufweisen.  Sicher  gehört  manches  davon  dem 
Autor  selbst  an;  freilich  ist  es  in  vielen  Fällen  unmöglich,  zwischen  dem 
Sprachgebrauch  des  Autors  und  dem  der  Handschriften  eine  scharfe 
Grenze  zu  ziehen.  Auch  der  Index  verborum  et  locutionum  p.  XV  bis 
XVIII  enthält  manches  Interessante,  z.  B.  arbor  als  Masculinum  101,  4 
und  101,  7  wie  die  Visio  Pauli,  alium  =  aliud,  mare  als  Ablativ,  fructos 
acc.  plur.,  ostium  nicht  ianua,  pusillus  statt  parvus  etc. 

E.  Wölfflin,  Didascalia  apostolorum.     Archiv  IX  S.  522. 

Die  von  Hauler  im  cod.  Veron.  LV  entdeckten  Fragmente  des 
lateinischen  Textes  der  Didascalia  apostolorum  zeigen  vulgären  [?]  Cha- 
rakter nach  Formen  zu  schließen  wie  couoxius,  rixiosus,  auguriari, 
deiuvare,  intamiuatio. 

Dem  Mittellatein  sind  folgende  Schriften  gewidmet. 

B.  Kubier,  Zur  Sprache  der  leges  Burgundionum.    Archiv  VIII 
•S.  445—451. 

Die  Ausgabe  der  leges  Burgundionum  von  Salis  in  den  ilonumenta 


110     Jahresbericht  über  Vulgär-  uud  Spätlatein  1891—^)7.   (Geyer.) 

Germaniae,  veranlaßte  den  Verfasser  zusammenzustellen,  was  ihm  in 
sprachlicher  Hinsicht  bemerkenswert  erschien.  Mit  Recht  warnt  er 
davor,  aus  diesen  Gesetzen  ohne  weiteres  ein  gallisches  Latein  kon- 
struieren zu  wollen,  da  erst  die  Quellen  untersucht  und  zeitgenössische 
Schriftsteller  [auch  Gesetzessammlungen  anderer  Länder,  z.  B.  die  leges 
Langob.]  zum  Vergleich  herangezogen  werden  müßten.  Da  der  Ver- 
fasser dies  selbst  nicht  gethan  hat,  gestatte  ich  mir  einige  Bemerkungen. 
Das  Perfekt  secavi  findet  sich  auch  in  der  Lex  Salica  öfters,  z.  B. 
Cod.  Bes.  und  Sang.  ed.  Holder  1880  S.  58;  zu  convinctus  vgl.  vinctus 
Anon.  Yales.  283,  11.  Ob  liberum  potiatur  arbitriura  als  Beleg  für  potiri 
mit  Accusativ  oder  als  umgekehrte  Schreibuntr  zu  betrachten  ist,  ist 
zweifelhaft.  Furare  als  Activum  findet  sich  schon  bei  Silvia  S.  96,  8 
und  oft  in  der  lex  Salica.  Zu  acceptor  Habicht  vgl.  Archiv  VIII 
S.  123.  Capulare  Lex.  Sal.  a.  a.  0.  S.  58;  dis-  und  excapillare  Lex 
Emend.  S.  44;  minare  Lex  Sal.  S.  47,  sagittare  ib.  S.  59,  superventus 
ib.  S.  50;  tintinuus  ib.  S.  54.  Durch  das  Vorkommen  von  gremium 
=  manipulus  wird  die  Archiv  VIII  S.  191  aufgestellte  Annahme,  dies 
sei  ein  Africismus,  hinfällig. 

P.  Geyer,  Kritische  und  sprachliche  Erläuterungen  zu  Antonini 
Piacentini  Itinerarium.  Programm  des  Gymnasiums  bei  St.  Anna 
in  Augsburg  1892.     XIV.     76  S. 

In  seiner  verdienstvollen  kritischen  Ausgabe  dieser  Pilgerschrift 
hat  Gildemeister  manche  Fehler  des  Verfassers  den  Abschreibern  zur 
Last  gelegt  und  darum  korrigiert,  auch  an  mehreren  Stellen  den  von 
ihm  edierten  Text  nicht  verstanden.  Referent  giebt  daher  zuerst  eine 
grammatikalische  Übersicht  der  Sprache,  die  erkennen  läßt,  daß  der 
Verfasser  ein  Italiener  war,  und  begründet  die  von  ihm  für  notwendig 
befundenen  Abweichungen  vom  Gildemeisterschen  Text.  Die  Abhandlung 
ist  eine  Vorarbeit  zu  einer  demnächst  erscheinenden  neuen  Ausgabe. 

J.  J.  Hoeveler,  Die  Excerpta  Latina  Barbari.  IL  Teil:  Die 
Sprache  des  Barbarus.  Programm  des  Kaiser- Wilhelm-Gymnasiums 
in  Köln  1896.     29  S.     4. 

Die  Ausgabe  der  Chronica  minora  von  C.  Frick,  Leipzig,  Tenbner 
1892,  und  von  Mommsen  in  den  Monum.  Germ,  bist.,  auct.  ant.  t.  IX 
erleichtert  das  Studium  dieser  barbarischen  Chronik.  Mit  Recht  wird 
die  Bezeichnung  sermo  plebeius  für  dies  von  den  gröbsten  Fehlern 
wimmelnde  Kauderwelsch  eines  der  lateinischen  Sprache  nur  sehr  mangel- 
haft kundigen  Barbaren  abgelehnt.  Um  die  Eigentümlichkeiten  der 
Sprache  dieses  Autors  darzustellen,  war  es  unerläßlich,  die  individuellen 
Fehler  zu  sondern  von  den  Erscheinungen,    die  überall  bei  mittelalter- 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—97.   (Geyer.)     1]1 

liehen  Schriftstellern  und  in  Handschriften  des  6. — 8.  Jahrhunderts  auf- 
stoßen. Die  Arbeit  beschränkt  sich  zu  ausschließlich  auf  den  Barbarus. 
So  ist  nichts  gewöhnlicher  als  die  Schreibweise  discendere  (p.  5  Anm.  3), 
heremns,  hostium,  Hellas,  Heliseus,  Hieremias  u.  s.  w.,  ebecso  Israhel, 
Samuhel,  Chebron.  Ebensowenig  ist  die  Unterlassung  der  Assimilation 
eine  Eigentümlichkeit  des  Barbarus.  Optineo  (S.  14)  findet  sich  schon 
auf  der  Scipioneninschrift,  Tallorum  statt  Gallorum.  Traclitus  statt 
Heraclitus,  Tamus  -^  Samus  sind  einfach  Schreibfehler.  Zu  Ecatin 
ist  kein  Nominativ  Ecatis  anzusetzen;  es  ist  der  griechische  Accusativ 
in  iotazistischer  Schreibart;  ähnlich  verhält  es  sich  mit  Ippokratis  und 
Johannis,  wo  Verf.  gar  Genetiv  statt  des  Nominativ  annimmt.  Multo 
ditatns  und  nudi  sapientes  sind  wohl  getrennt  zu  schreiben ;  sicher  pisces 
comednli  und  statuas  conpo&itor,  vgl.  Archiv.  IX  S.  577. 

Unter  den  Pronominalformen  (S.  23)  fehlt  haec  =  hae,  z.  B.  196,  4 
haec  sunt  autem  gentes  und  196,  24  provintiae  sunt  haec.  Linire  ist 
nicht  vom  Barbarus  in  eine  andere  Konjugation  hinübergezogen  worden, 
sondern  ist  eine  weit  verbreitete  vulgäre  Nebenform,  vgl.  ßönsch  Itala 
S.  285;  dividet  =  dividit  aber  ist  überhaupt  kein  Übergang  in  eine 
andere  Konjugation,  sondern  erklärt  sich  rein  graphisch  aus  der  Ver- 
taaschung  von  i  und  e.  Zu  per  aridam  16  a  21  ist  natürlich  terram 
zu  ergänzen;  Beispiele  dafür  bietet  Rönsch  S.  100.  Jodae  32a  23  ist 
nicht  Genetiv  statt  des  Nominativs,  sondern  =  'Iwoae.  Auch  sonst  ist 
die  Zahl  der  Mißverständnisse  nicht  gering.  49a  manifestavimus  vera- 
citer  omnium  potestatem  regum  wird  omnium  =  ommem  erklärt,  statt 
daß  es  mit  regum  verbunden  wäre.  35  b  31  Excepto  illum  montem 
Sina  vgl.  des  Ref.  Kritische  und  sprachliche  Erläuterungen  zu  Antoninus, 
Augsburg  1892  S.  2  und  28,  wo  eine  Reihe  von  Belegen  für  präpo- 
sitionales  excepto  gesammelt  sind.  14b  1  significantes  (Hoveler  erklärt 
es  =  significatis)  autem  nomina  montium  necesse  est  de  fluvios  nuntiare 
tibi  ist  das  Part.  Praes.  =  Part.  Aor.  Act.  „nachdem  wir  bezeichnet 
haben."  Migrare  und  transraigrare -^  transferre  (45a  6;  46b  7;  27a) 
scheint  im  Mittellatein  sehr  üblich  gewesen  zu  sein,  da  Baeda  in  seiner 
Schrift  de  orthographia  sagt:  Item  transmigrare  dicitur  cum  additamento 
accusativi  casus ,  cum  aliquem  de  loco  ad  locum  trausfero.  Auf  einem 
Mißverständnis  beruht  dei'  Titel  „Umschreibung  des  einfachen  Verbums 
dui'ch  facere  mit  dem  Part.  Praes.  des  entsprechenden  Wortes":  l6b  17 
fecerunt  autem  et  in  herimo  filii  Israhel  comedentes  manna.  Daß  facere 
=  degere,  morari  ist,  geht  hervor  aus  17a  8  und  9.  Vgl.  auch  Silvia 
S.  68,  70,  71  und  die  zahlreichen  Belege,  die  Mayor  giebt  The  Journal 
of  Philologj'  1894  S.  196.  Unrichtig  ist  S.  28:  „Von  einem  intran- 
sitiven Verbum  ist  ein  persönliches  Passivum  gebildet  13b  14  Madinii 
fortiores  qui  expugnati  sunt"    [auch  47a,  Silvia  bei  Petr.  Diac.  S.  141 


112     Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlateio  181)1—97.    (Geyer.) 

quando  Jesus  expugnavit  Anialech].  Expugnare  findet  sich  ebenso  schon 
bei  Cornelius  Nepos  und  Livius,  vgl.  Weilienborn  zu  Liv.  25,  28,  7  und 
Nipperdey  zu  Corn.  Ages.  5,  4. 

E.  Wölfflin,    Die  Latinität    des  Benedikt  von  Nursia,     Archiv 
IX  S.  493-521. 

Derselbe,  Der  Infinitiv  meniinere  Archiv  X  S.  10. 

Louis  Havet,  Meniinens  Archiv  X  S.  175. 

In    den  Abschnitten:    Vokalismus,    Konsonantismus,    Deklination, 
Genus,    Konjugation,    Pronomina    und    Zahlwörter,    Präpositionen    und 
Partikeln,  Syntaxis  casaum,  Komparation,   Verba  reflexiva,  Nebensätze, 
Allitteration  und  Reim,    Gräcismeu  erhalten  wir  ein  anschauliches  Bild 
von  dem  Latein,  wie  es  im  6.  Jahrhundert  von  weniger  gebildeten  Per- 
sonen geschrieben  wurde.   Als  weitaus  zuverlässigste  Überlieferung  wird 
die    des  cod.  Oxon.    s.  YII/VIII    betrachtet,    dem  Verf.    fast    in    allen 
Einzelheiten,  auch  der  Orthographie,  sich  unbedingt  anschließt.    Es  ist 
wohl  kaum  möglich,  die  ursprüngliche  Passung  Benedikts  bis  ins  kleinste 
genau  zu  eruieren.     Auch  in  dem  Bestreben,    die  durch  die  großartige 
Verwirrung  im  Vokalismus,  im  Gebrauch  der  Aspirata  und  in  der  An- 
wendung   der  Kasus    entstandenen  Barbarismen    auf  Regeln    zurückzu- 
führen oder  zu  erklären,  scheint  mir  zu  weit  gegangen  zu  sein.     Kein 
Autor  fordert  so  zum  Vergleich  mit  Benedikt  heraus  als  der  demselben 
Jahrhundert  angehörende,   wenn  auch  ein  Menschenalter  später  lebende 
Antoninus  Placentiuus.     Dort  findet  sich    dasselbe  Schwanken  zwischen 
Oratorium    und    oraturium,    sedit    und  sedet,    grados  und  gradus.     Die 
dritte  Person  Sing,  der  Verba  der  3.  Konjugation  geht  wie  bei  Benedikt 
und  Silvia   oft  auf  -et,    die  3.  Person  Pluralis  auf  ent-  aus,    vgl.  mein 
oben  angeführtes  Programm  S.  29  undBonnet,  le  latin  de  Gregoire  p.  430ff. 
Darum  ist  bei  Bened.  22,  5    si    multitudo  non  sinet   an  kein  Futur  zu 
denken,   ja    die  S.  495   noch  offen  gehaltene  Möglichkeit  ist  durcli  das 
vorangehende  si  potest  fieri    ausgeschlossen,     Cingellis  22,  8    ist    keine 
Korruptel    statt    cingillis,    sondern    durch    die    übereinstimmende  Über- 
lieferung bei  Antonin.  14,  1  gesichert.     Wenn  wirklich   falsche  Etymo- 
logie die  unrichtige  Aspiration  in  habundantia,  abhominamentum,  hostium 
verursacht  haben  sollte,  so  ist  sicher  Benedikt  unschuldig  daran,  da  der 
gleiche  Fehler  gerade  in  diesen  Wörtern  sich   in    vielen  Handschriften 
anderer  Schriftsteller  findet:    dasselbe    gilt  von  repperio  und  ammoneo. 
Unnötig  scheint  mir  die  zu  59,  9  vorgeschlagene  Änderung  von  subiecta 
persona  in  subfecta,    Subiecta  persona  „untergeschobene,  vorgeschobene 
Person"    scheint    juristischer  Terminus    zu    sein  wie  das  in  den  mero- 
wingischen  Urkunden  so  häufige  opposita  persona.     Memorari  --=  memi- 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlateia  1891—97.   (Geyer.)     1  L.3 

nisse  (S.  504)  ist  keine  Neubildung  Benedikts,  sondern  der  Bibelspraclie 
entlehnt.  S.  505  wird  angenommen,  53,  3  quia  ipse  Christus  dicturus 
est:  hospis  fui  sei  das  Participum  fnturi  an  die  Stelle  des  Part.  präs. 
getreten;  dies  ist  aber  nicht  zuzugeben,  vielmehr  hat  das  Futurum  seine 
volle  Bedeutung:  Christus  wird  so  sagen  am  jüngsten  Gericlit.  Das 
Neutrum  ipsud  findet  sich  schon  bei  Silvia  S.  48,  5;  62,  23;  79,  9; 
88,  15;  102,  5;  ebendort  wird  auch  modice  =  pauIo  gebraucht;  wie  bei 
Benedikt  8,  4  steht  ut  modice  amplius  dimidia  nocte  pausetur,  heißt 
es  bei  Silvia  S.  51,  20  locus  quasi  modice  altior;  53,  28  raodice  autem 
erat  acrius;  53,  32  vidi  locum  modice  quasi  altiorem;  56,  4  infra  autem 
modice  deorsum  ;  95,  18  sedent  modice  (■=^  paulum)  in  domibus  suis.  Zu 
dem  passivisch  gebrauchten  venerari  findet  sich  das  Activum  Vita 
Hugb.  c.  3  quod  postea  fanatici  homines  more  sacrilego  venerabant; 
auch  die  Verwecheselnng  von  Part.  fut.  aet.  und  pass.  findet  sich  im 
Mittellatein  nicht  selten,  z.  B.  Vita  Hugb.  S.  61  illo  somno  omnes 
capturi  sumüs  und  umgekehrt  Vita  Wandreg.  S.  33  ubicumque  fuerit 
invocatus  (deus),  illico  ad  praesens  est  exaudiendus. 

Franz  Eanninger,  Über  die  AUitteration  bei  den  Gallolateineni 
des  4,  5.  und  6.  Jahrhunderts.  Programm  des  Gymnasiums  Landau 
1895.     55  S.     8. 

Der  Wert  dieser  Arbeit  beruht  auf  den  fleißigen  Sammlungen 
über  die  der  Verfasser  verfügt.  Zu  vielen  Stellen  des  begleitenden 
Textes  wird  freilich  mancher  den  Kopf  schütteln,  wie  z.  B.  zur  An- 
nahme einer  AUitteration  zwischen  f  und  v  bei  Paulinus  von  Nola  und 
Faustus  von  Bei  oder  gar  von  c  und  s  in  den  Panegyrikern,  bei  Sidon. 
Apollinaris  und  Sulpicius  Severus.  Unzutreffend  ist  auch  die  Form,  in 
welcher  von  der  Schwächung  des  lateinischen  ca  in  che  gesprochen 
wird  (S.  14)  und  ein  großer  Teil  des  Verzeichnisses  der  dem  Latein 
entnommenen  altfranzösischen  Allitterationen,  indem  häufig  zwischen  den 
lateinischen  und  altfranzösischen  Beispielen  fast  jede  Beziehung  fehlt, 
z.  B.  caaus  comosus  und  chauf  chevelu,  sanguis  spuma  und  sang  cervele, 
S.  14  wird  faim-frois  [fames-frigus,  nicht  frigidus]  zusammengestellt  mit 
lat.  fames  flamma,  obwohl  die  Verbindung  ferro  fame  frigore  schon  aus 
Sallust  und  aus  seinem  mittelalterlichen  Nachahmer  Widukind  bekannt 
ist.  Interessant  wäre  es,  zu  vernehmen,  wie  sich  Poesie  und  Prosa  in 
der  Häufigkeit  der  Anwendung  dieser  Sprachfigur  zu  einander  ver- 
halten. Auijer  der  angeführten  Litteratur  hätte  noch  mit  Nutzen 
verwendet  werden  können:  G.  Groeber,  Altfranzösische  AUitteration, 
Zeitschrift  f.  rom.  Philol.  1882,  S.  467;  W.  Biese,  Allitterierender 
Gleichklang  in  der  französischen  Sprache  alter  und  neuer  Zeit.  Disser- 
tation. Halle  1888;  F.  Kriete,  Die  AUitteration  in  der  italienischea 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    Bd.  LXXXXVIII.    (1898.  III.)  8 


114     Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891— fiT.    (Geyer.) 

Spruche.     Dissertatiou.     Halle    1893.     Ancli    der    Abschnitt,    über    dio 
Allitteratiou  bei  Boiinet,  le  latin  de  Gi  egoire  de  Tours,  S.  727  ff.  hätte 
auch  für  das  alphabetische  Verzeichnis  noch  manchen  Beitrag  geliefert, 
z.  B.  longa  lateque,  pater  patria,  qualites^quantitasque,  talis  tantusque. 
Auch    sonst    dürfte    das  Verzeichnis    nicht  immer  vollständig    sein:    so 
habe  ich  mir  aus  Salvian  ad  ecclesiam  noch    folgende    bei  E.    fehlende 
Allitterationeu  notiert:  ad  contemptum  atque  ad  contumeliam  IV  3.  14; 
longe  ac  late  I  11,  58;  plangens  ac  paeuitens  I  10,  54;  viventibus  atque 
valentibns  I  3,  14;  obicem  atqne  ob?taculum  III  20,  93;  aus  Sulp.  Sev.: 
voluntas  vota  V.  ilart.  9;  Paulinus  Petric:  nee  vis  nee  vincla  11558; 
Hilarius  de  tiin.  I:  otium  et  opulentia.    Will  man  übrigens  die  AUitte- 
ration  bis  ins  Altfrauzösische  verfolgen,  so  darf  man  nicht  beim  6.  Jahr- 
hundert   stehen  bleiben.    Die'merowingischen  Urkunden    des  7.  und  8. 
Jahrhunderts,  welche  die  Lücke  ausfüllen,  würden  noch  manchen  Ertrag 
abwerfen,  wobei  freilich  noch^untersuclit  werden  müßte,    was  etwa  aus 
den  römischen  Juristen  herübergenommen    und    was    auf   germanischen 
Einfluß  zurückzuführen  ist.    Z.  B.  calliditate  aut  cupiditate,  Pardessus 
Diplom.   275a.  6^6;  423  a.  692;    550a.  731;    condonare  vel  confirmare 
468  a.  706;  cum  cousilio  et  consensu  406  a.  686;  couspicere  et  consolari 
329a.  651:  expectandi  et  explicandi  275a.  636;  expetendi  vel  explicandi 
355  a.  666;    genus  et  germen  406a.  686;    licri  aut  firmari  467  a.  706; 
468;  longa  lateque  376a.  695;  magnum  et  mirabile  273a.  635;   pastus 
aut  paratus  435a.  696;    pauca  et  praecipua  333  a,  659;    pauperibus  et 
peregrinis  442a.  697;  peregrinorum  ac  pauperorum  451a.  700;  pcccata 
et  poena  461a.  704;  pensare  atque  perpendere  404a.  685;  persona  vel 
potestas  469a.  706;  regiones  et  regna  246a.  629;  satis  snperque  423a. 
692;  secreta  septa  275a.  636;  355a.  666;  securiter  sancte  451a.  700; 
temporalia  et  transitoria  273  a.  635;    trado    transfaro   atque  transfundo 
393a.  680;  usu  aut  utilitate^858a.  667;  inventus  vel  investigatus  608a. 
741;    vicos  viilas  vineas  258a.  632;    villas   vicos  ib;    victus  et  vestitus 
423a.  692;  437a.  692;  438a.  692. 

Dar  Gleichheit  des  Gegenstandes  halbei-  darf  ich  wohl  gleich  hier 
erwähnen  die  interessante  Arbeit  eines  Neuphilologen: 

F.  Kriete,  Die  Allitteratiou  in  der  italienischen  Sprache  mit 
besonderer  Berücksichtigung  der  |;Zeit  fbis  Torquato  Tasso.  Disser- 
tation.    Halle  1893.     68  S. 

Das  Italienische  weist  zahlreichere  allitterierende  Veibindungen 
auf  als  das  Französische.  In  dar  Prosa  des  Boccaccio  beruhten  die- 
selben größtenteils  auf  bewußter  Nachahmung  des  Lateinischen,  bei  den 
italienischen  Lyrikern  sind  dieselben  meist  den  Provenzalen  nachgeahmt; 
am    weitesten    geht  in  ihrer  Anwendung  Torquato  Tasso.     Somit  wäre 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891  —  97.    (Geyer.)     115 

also  die  Allitteration  im  Italienischen  kein  aus  dem  Altertum  fort- 
lebendes Element,  sondern  lediglich  Kiinstmittel.  Widerspricht  dem 
aber  nicht  ihre  häufige  x\uvveudung  im  Sprichwort,  wofür  S.  25  f.  eine 
Reihe  von  Beispielen  gegeben  wird,  von  denen  freilich  ein  Teil  eher 
"Wortspiele*  als  Allitterationen  sind?  Sollten  die  vielen  auch  im 
Französischen  erhaltenen  lateinischen  allitterierenden  Verbindungen, 
wie  araor  amicitia,  corpus  cor,  daninum  dolor,  facere  formare,  fruges 
flores  etc.  alle  im  Italienischen  auf  Nachahmung  beruhen? 

J.  Huemer,  Gallische  Rhythmen  und  gallisches  Latein.    Eranos 
Vindobonensis.     Wien  1893.     S.  113— 1  HO. 

Es  werden  zunächst  rhythmische  Poesien  besprochen  aus  dem  von 
Bondurand  1887  herausgegebenen  liber  nianualis  Dhuodae  vom  Jahre  943 
mit  vielfacher  Polemik  gegen  Traube,  Karolingische  Dichtungen.  Schriften 
zur  germanischen  Philologie,  herausgegeben  von  Max  Rüdiger,  1.  Heft, 
Berlin  1888.  Ähnliche  Rhythmen  finden  sich  auch  bei  Arndt,  Kleine 
Denkmäler  aus  der  Merowingerzeit ,  S.  21.  Specifisch  Gallisches  ist 
unter  den  auf  S.  121  ff.  zusammengestellten  sprachlichen  Eigentümlich- 
keiten kaum  zu  finden,  höchstens  mis  statt  meis  und  tuam  II  3,  4  und 
15,  4  —  tuam.  Merkwürdig  ist,  daß  solche  Unsicherheit  in  bezug  auf 
schließendes  s  herrscht,  das  doch  sonst  in  Gallien  intakt  geblieben  ist. 
Die  vollständige  Konfusion  der  Kasusendungen  erinnert  au  die  von 
S.  Riezler  herausgegebene  Vita  Corbiniani  oder  an  die  von  Arndt  in 
den  kleinen  Denkmälern  veröffentlichte  Vita  Wandreg.  Bemerkenswert  ist 
der  Übergang  der  Neutra  ins  Femininum,  der  Genuswechsel  der  Wörter 
auf  or,  Übergang  der  4.  Deklination  in  die  zweite,  praestus  schnell. 
Von  einem  bedeutungslos  angehängten  que  kann  bei  dem  S  123  ange- 
führten Satz  nicht  die  Rede  sein:  homo  natus  de  muliere  brevi  vivens 
tempore  multisque  repletur  miseriis;  denn  vivens  vertritt  das  Verbum 
finitnm,  wie  S.  117  Anm.  2  bei  anderen  Stellen  angenommen  wird. 

Georg  Goetz,  Über  Dunkel-  und  Geheimsprachen  im  späten 
und  mittelalterlichen  Latein.  Berichte  der  K.  Sachs.  Gesellschaft  der 
Wissenschaften.     1896.     S.  62—92. 

Die  Entstehung  von  Litteraturprodukten  wie  der  in  Afrika  ver- 
faßten praefatio  der  Anthol.  Palatina,  des  im  Merowingerreich  ge- 
schriebenen Aethicus  Ister,  des  Polipticum  des  Atto  von  Vercelli,  der 
Hisperica  Famina  u.  s.  w.  wird  erörtert  und  wertvolle  Beiträge  zur 
Erklärung  und  Kritik  dieser  rätselhatten  Schriftstücke  werden  gegeben. 
Vgl.  meine  Besprechung  im  Archiv  für  lat.  Lexikogr.  X.  S.  295. 

Carl  Neff,  De  Paulo  Diacono  Festi  epitomatore.  Leipziger 
Inauguraldissertation.     Erlangen,  Jakob,  1891.     54  S.     8. 


116     .lahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891—97.    (Geyer.) 

Der  Verfasser  gibt  eine  Übersicht  der  Grammatik  und  des 
Sprachgebrauchs  des  Paulus  Diaconus,  um  auf  dieser  Grundlage  den 
Nachweis  zu  führen,  daß  er  der  Exzerptor  des  Festus  sei,  nicht  irgend 
ein  anderer.  Da  Paulus  Diaconus  ein  füi'  seine  Zeit  sehr  gutes  Latein 
schrieb  —  mit  Recht  werden  verschiedene  Soloecismen  auf  Rechnung 
der  Schreiber  gesetzt  —  bietet  seine  Sprache  wenig  charakteristische 
Merkmale.  Alle  Eigentümlichkeiten  die  aufgeführt  werden,  ließen  sich 
auch  bei  anderen  spätlateinischen  Schiiftstellern  nachweisen.  Aus  der 
Sprache  ließe  sich  daher  der  Identitätsbeweis  kaum  führen,  wenn  nicht 
andere  Gründe  vorhanden  wären;  jedenfalls  dürfte  die  Darstellung  der 
Sprache  nicht  auf  P.  D.  allein  beschränkt  werden,  sondern  es  müßten 
auch  andere  Autoren  zur  Vergleichung  herangezogen  werden. 

A.  Nürnberger,  Disquisitiones  criticae  in  Willibaldi  Vitam 
S.  Bonifatii.  Programm  des  kath.  Matthias-Gymnasiums  zu  Breslau 
1892.     XVII  S.     4. 

Der  Verfasser,  der  eine  kritische  Ausgabe  der  Schriften  des 
Bonifatius  vorbereitet,  zeigt,  daß  Jaffe  in  seiner  Ausgabe  der  Vita 
Bonifatii  die  eigentümliche  Orthographie  der  besten  Handschrift,  des 
cod.  Mon.  1086,  sowie  viele  Abweichungen  von  den  Regeln  der  la- 
teinischen Schulgrammatik  mit  jüngeren  Handschriften  wegkorrigiert, 
auch  die  Besserungen  1.  und  2.  Hand  nicht  genügend  unterschieden 
habe,  und  gibt  nun  eine  Zusammenstellung  über  Orthographie  und 
Grammatik  "Willibalds,  die  nicht  ohne  Interesse  ist.  Die  wichtige,  aber 
schwierige  Unterscheidung,  welche  von  diesen  Formen  bloße  Schreib- 
versehen, welche  der  Sprache  Willibalds  zuzuschreiben  sind,  soll  bei 
anderer  Gelegenheit  gelöst  werden. 

Ich  selbst  habe  in  einem  Programm: 

P.  Geyer,  Adamnanus,  Abt  von  Jona.  I.  Teil.  Sein  Leben. 
Seine  Quellen.  Sein  Verhältnis  zu  Pseudo-Eucherius  de  locis  sanctis. 
Seine  Sprache.     Augsburg  1895.     47  S.     8, 

S.  39—47  den  gesuchten  und  gekünstelten  Stil  des  Adamnanus,  in  dessen 
Sprache  zahlreiche  aus  der  Dichterlektüre  und  der  heiligen  Schrift 
stammende  Elemente  vereinigt  sind,  zu  charakterisieren  versucht. 

Jules  Jeanjaqnet,  Recherches  sur  l'origine  de  la  conjonction 
'que'  et  des  formes  romanes  equivalentes.  Diss.  v.  Zürich.  Paris, 
Welter.     Leipzig,    G.  Fock.     Nenchatel,    Attinger  1894.     99  S.     8. 

Für  den  Accus,  mit  Inf.  trat  in  nachklassischer  Zeit  quod  ein 
erst  nach  den  Verba  sentiendi  und  dicendi,  dann  auch  nach  denen, 
welche  ein  Begehren  ausdrücken.     Dies  quod  diente  bald  auch  als  Er- 


Jahresbericht  über  Vulgär-  und  Spätlatein  1891 — 97.    (Geyer.)     117 

satz  für  fioales  und  konsekutives  ut.  Vorschub  wurde  diesem  Proceß 
gethan  durch  den  Zusammenfall  von  quo(d)  nach  Verstummen  des 
schließenden  d  mit  dem  finalen  quo,  das  im  Spätlatein  auch  für  finales 
ut  eintrat.  Ebenso  wurde  quod  gebraucht  als  temporale  Konjunktion 
=  cum,  mit  dem  es  schließlich  auch  lautlich  zusammenfiel.  Die  Form, 
Vielehe  die  Konjunktion  in  den  romanischen  Sprachen  hat,  qua,  che,  ver- 
bietet aber  eine  direkte  Ableitung  von  quod,  kann  aber  leicht  auf  quem 
zurückgeführt  werden.  Im  Relativpronomen  wurde  allmählich  der  Accu- 
sativ  quem  fast  der  einzige  Kasus  und  verdrängte  so  auch  das  Neutrum 
quod;  der  Gleichklang  vom  Neutrum  quod  und  von  der  Konjunction 
quod  führte  schließlich  auch  zur  Verdrängung  der  letzteren.  Was  der 
klar  geschriebenen  Arbeit  einen  besonderen  Wert,  auch  für  Nichtroma- 
nisten  verleiht,  ist  die  große  Belesenheit  des  Verfassers  und  die  reichen 
Litteraturnachweise,  namentlich  die  vielen  Beispiele  ans  dem  gallischen 
Mittellatein.  Vermißt  habe  ich  eine  Erwähnung  von  eo  quod,  das 
gerade  in  merowingischen  Urkunden  nach  den  Verba  dicendi  eine  Zeit 
lang  einfaches  quod  überwuchert.  Eine  große  Anzahl  von  Belegstellen 
habe  ich  gesammelt  Krit.  Bern,  zu  Silvia,  Programm  des  St.  Änna- 
Gymn.  Augsburg  1890  S.  6—8;  quod  =  cum  ebend.  S.  8 — 10;  quomodo 
=  cum  ebend.  S.  37  und  Krit.  Erl.  zu  Antonin.  Piacent.  Programm 
von  Augsburg  1892  S.  70.  Nichts  zu  thun  mit  konsekutivem  ut  hat 
quod  in  dem  S.  18  angeführten  Beispiel  taliter  locutus  fnit  quod.  S.  22 
oben  Cael.  Aurel.  chron.  IV  56  ist  quod  nicht  quo,  sondern  ßelativum. 
In  dem  S.  55  oben  angeführten  Beispiel  der  Lex.  cur.  423,  21  ist  quid 
nicht  Konjunktion,  sondern  =  quod  dem  Neutrum  des  Relativpronomens. 


-«\®®a'»- 


Bericht  über  die  jüdisch-hellenistische  Philosophie 

1889    1898 


von 
Paul  Wendland. 


Ich  beginne  mit  einigen  Werken,  die  das  Gebiet  dieses  Berichtes 
nui*  in  einzelnen  Teilen  behandeln.  Eine  zusammenfassende  Darstellung 
der  jüdisch -hellenistischen  Litteratur  giebt  Suseraihl  in  seiner  Gre- 
schichte  der  griechischen  Litteratur  in  der  Alexandrinerzeit  II  S.  601. 
— 656.  Auf  einzelne  Ausführungen  desselben  nehme  ich  im  folgenden 
bezug.  In  Haruacks  Altchristlicher  Litt.  Leipzig  1893  wird  S.  845 
— 864  die  von  den  Christen  angeeignete  jüdische  Litt,  behandelt. 

Ein  sehr  nützliches,  wenn  auch  in  philologischer  Hinsicht  nicht 
gerade  vollkommenes  Hülfsmittel  giebt 

Th.    Reinach,    Texts    d'auteurs    grecs   et   romains   relatifs    au 
judaisme,  r6unis,  traduits  et  annotes.     Paris  1895.     375  S. 

Ich  verweise  auf  die  Kritik  von  Willrich,  ßerl.  philol.  Woch. 
1895  Sp.  987  und  L.  Cohn,  Monatsschrift  f.  Gesch.  u.  Wiss.  d.  Jud. 
XLI  1897  S.  285  ff. 

Zum  Teil  berührt  sich  damit: 

H.  Willrich,    Juden   und  Griechen  vor  der  makkabäischen  Er- 
hebung. Göttingen  1895.  176  S., 

der  S.  43  ff,  die  ältesten  Zeugnisse  der  griechischen  Schriftsteller  über 
die  Juden  behandelt.  —  Derselbe  hält  die  übliche  Reihenfolge:  Pseudo- 
Hekataios,  Aristeas,  Aristobul  fest,  rückt  aber  den  erstereu  bis  in  die 
Zeit  um  100  v.  Chr.,  die  beiden  letzten  bis  in  die  römische  Kaiserzeit. 
M.  E.  ist  der  Ilekataios  bei  Josephus  überhaupt  der  echte,  Aristobul 
ein  christlicher  Fälscher,  hat  Aristeas  sicher  noch  zur  Zeit  der  Ptole- 
mäer  geschrieben.  Wichtige  Bedenken  gegen  andere  Hypothesen  des 
Verfassers    (die    jüdische    Diaspora    in    Ägypten    und    die    Entstehung 


Bericht  üb.  d.  jüdi^ich-hollenistische  Philosophie  ISS!)- 08.  (Wi^ndiand.)  119 

der  LXX  sucht  W.  tief  hiiiabzurückeu)  haben  Wellhausen,  Gott.  gel. 
Auz.  1895  S.  947  ff.,  Wilckeu,  Beil.  philol.  Wuch.  1896  No.  46.  47 
und  Schürer,  Th.  L.  Z.   1896  No.  2  seäiißert. 

Aus  Wellhausens  Israel,  und  jüdischer  Gesch.  (3.  Ausg.  1897) 
kommen  besonders  die  Ausführungen  über  die  jüdische  Diaspora  S.  229  ff. 
und  das  19.  Kap.  ,Die  Ausbildung  des  Judaismus"  in  betracht,  aus 
Holtzmanus  Neutestamentlicher  Theologie  (1897)  namentlich  der  Ab- 
schnitt I  85—110  „Die  alexandrinische  Theologie",  in  dem  die  Essäer 
mit  besonderer  Ausführlichkeit  behandelt  werden,  aus  Harnacks  Dog- 
meugcsch.  (3.  Aufl  1894)  der  Abschnitt  über  den  jüdischen  Hellenismus 
1  103 — 111.  Philos  geschichtlicher  Einflul.1  wird  hier  besonders  klar 
formuliert.  Doch  halte  ich  Thilos  in  der  Ekstase  gipfelnde  Mystik  nicht 
für  durchaus  original.  Die  Ekstase  ist  zwar  sein  eigenes  Eilebnis,  aber 
wohl  durch  eine  Art  Sus.'gestion  aus  dem  Platonismus  ins  Judentum 
übertragen.  Vielfach  berührt  unser  Gebiet  E.  Hatch,  Griechentum 
und  Christentum.  Deutsch  von  E.  Preuschen.  Freiburg  i.  B.  1892. 
Die  3.  Vorlesung  behandelt  die  allegorische  Auslegung  der  heiligen 
Texte  durch  Juden  und  Christen.  Die  wiederholt  geäulierte  Ansicht, 
daß  Philo  ein  Sammelname  für  Schriften  veischiedener  Verfasser  sei, 
läßt  sich  nicht  erweisen. 

M.  Friedländer,  Zur  Entstehungsgeschichte  des  Christentums, 
ein  Exkurs  von  der  Septuaginta  zum  Evangelium.    Wien  1894.    172  S. 

Ders. ,  Das  Judentum  in  der  vorchristlichen  griechischen  Welt. 
Ein  Beitrag  zur  Entstellungsgeschichte  des  Christentums.  Wien  und 
Leipzig  1897.     74  S. 

Im  1.  Kap.  verfolgt  der  Verf.  die  Lehre  von  der  göttlichen 
otivapn;  durch  die  jüdische  und  älteste  chi'istliche  Litt.  Mit  Unrecht 
wird  die  alexandrinische  Lehre  schon  für  Sirach  vorausgesetzt.  Auch 
werden  die  Ausführungen  des  Verfassers  durch  das,  was  unten  über 
die  Septuaginta  und  über  Aiistobul  zu  bemerken  sein  wird,  wesentlich 
modifiziert.  Die  Ableitung  des  gesamten  Gnosticismus  aus  dem  ,.Älexan- 
drinismus"  S.  30  verkennt  die  Mannigfaltigkeit  seiner  Erscheinungs- 
formen. —  Im  3.  Kap.  beschäftigt  sich  der  Verf.  mit  dem  „Therapeu- 
tismns".  Er  bestreitet  den  cliristlichen  Charakter  der  Therapeuten  mit 
Recht,  giebt  aber  die  Echtheit  der  philonischen  Schrift  preis  (doch  s. 
unten),  die  von  einem  Schüler  Philos  verfaßt  sein  soll.  Die  Therapeuten 
sollen  eine  vorgeschrittene  Ptichtung  des  „Alexandiinismus"  sein.  Die 
Hauptfehler  der  Untersuchung  sind,  daß  gar  keine  Kiitik  an  dem  ten- 
denziösen Belichte  Philos  geübt,  Bedeutung  und  Verbreitung  der  jüdisch- 


120  Bericht  üb.  d.  jüdisch-hellenistische  Philosophie  1889—98.  (Wendland.) 

alexandriuischeu  Philosophie  überschätzt,  Essäer  uüd  Therapeuten,  die  gar 
nichts  miteinander  zu  thun  haben,  gleichgesetzt  werden.  —  Die  Essäer 
(Kap.  IV)  sieht  Fr.  als  griechisch  redende,  von  alexandrinischer  Weis- 
heit genährte  Juden  an.  Bei  ihnen  hat  sich  Josephus  seine  griechische 
Bildung  geholt  (I).  Diese  essäische  Philosophie  war  schon  vor  den 
Makkabäerkriegen  ausgebildet,  Johannes  der  Täufer  ihr  Apostel,  das 
Christentum  hat  ihr  Erbe  angetreten.  Von  allen  anderen  Unwahrschein- 
lichkeiten  zu  schweigen,  mahnt  allein  die  eine  Thatsache,  daß  Josephus 
und  Philo  die  jüdischen  Erscheinungen  zu  gräcisieren  lieben,  energisch 
dazu  ,  ihre  gräcisierenden  Tendenzen  mit  kritischem  Mißtrauen  zu  be- 
trachten, nicht  noch  ins  Maßlose  zu  übertreiben.  —  Das  letzte  Kap. 
, Alexandria  und  Jerusalem"  sieht  die  Anhänger  der  nach  Fr.  schon  im 
3.  Jahrh.  fertigen  alexandrinischen  Religionsphilosophie  als  die  Ver- 
treter der  jüdischen  Propaganda,  die  Septuaginta  als  ihre  wichtigste 
Waffe  an.  Aus  dem  Konflikte  dieses  jüdischen  Hellenismus  mit  dem 
Pharisäismns  soll  das  Christentum  hervorgegangen  sein,  und  Paulus  war 
ein  Jünger  und  Apostel  der  philosophischen  Richtung  der  jüdischen 
Diaspora! 

Die  zweite  Schrift  behandelt  von  denselben  Giundanschauungen 
aus  die  allgemeinen  Kulturverhältnisse,  Tendenzen,  Parteiungen  der 
jüdischen  Diaspora;  s.  meine  Anzeige  D.  L.  Z.   1897  No.  38. 


Septaaginta. 

J.  Freudenthal,    Are   there  traces  of  greek  philosophy  in  the 
Septuaginta.    Jewish  quarterly  review  1890  II  S.  205 — 222 

beginnt  mit  einem  interessanten  Überblick  über  die  bisherigen  Forschun- 
gen und  die  weit  auseinandergehenden  Ansichten  und  erörtert  dann  die 
Frage  von  einem  wesentlich  neuen  Gesichtspunkt,  indem  er  dem  Sprach- 
gebrauche einer  Reihe  von  allgemeineren  Begriffen,  wie  <{'"Z^5  t^vot^, 
voü;,  (ppovY)5t?,  ahbT]Gii,  dpexr^,  Tipovoia,  xosfiot  nachgeht.  Er  zeigt,  daß 
die  Übel  Setzer  hier  durchweg  den  naiv  volkstümlichen  Sprachgebrauch 
in  einer  Weise  befolgen,  die  jede  Bekanntschaft  mit  griechischer  Philo- 
sophie und  ihrer  Terminologie  ausschließt.  Er  bespricht  dann  einzelne 
Stellen,  an  denen  bisher  mit  Unrecht  philosophischer  Einfluß  angenommen 
wurde,  und  zeigt,  daß  auch  die  Milderung  der  Anthropomorphismen  nicht 
durch  diesen  EinfluH  erklärt  zu  werden  braucht.  —  Freudeuthals  Stand- 
punkt läßt  sich  auch  durch  die  Erwägung  bestätigen,  daß  die  Philo- 
sophie überhaupt  in  Alexandria  erst  spät  Boden  gewann,  ihr  Einfluß 
auf  das  Judentum,  da  Aristobul  unecht  ist,  vor  dem  1.  Jahrh.  nicht 
nachweisbar  ist. 


Bericht  üb.  d.  jüdisch-hellenistische  Philosophie  1889— 98.  (Wendland.)  121 


Weisheit  Salomos. 

Menzel,    Der    griechische    Einfluß    auf  Prediger    und   "Weisheit 
Salomos.  Halle  1889.  70  S., 

bespricht  die  wirklich  überzeugenden  Anklänge  an  philosophiscüe  Ideen 
der  Griechen  im  Buche  der  Weisheit;  vgl.  Arch.  f.  Gesch.  d.  Philos. 
V  S.  111-112. 

E.  Pfleiderer  sucht  in  den  Jahrb.  f.  prot.  Theol.  XV  S.  319 
—320  die  Identität  des  Verfassers  der  Weisheit  mit  dem  der  pseudo- 
heraklitischen  Briefe  daraus  zu  beweisen,  daß  im  6.  Briefe,  in  dem  eine 
Darlegung  der  Wunder  beim  Auszuge  aus  Ägypten  und  beim  Zuge  durch 
die  Wüste  sehr  willkürlich  gefunden  wird,  das  Mannawunder,  weil  schon 
im  Buch  der  Weisheit  behandelt,  übergangen  sei. 

J.  Frendenthal,  Jewish  quarterly  review  III  1891,  S.  722 — 
753  führt  gegen  Margoliouth  den  durchaus  überzeugenden  Beweis,  daß 
die  Schrift  ursprünglich  in  griechischer  Sprache  verfaßt  ist,  giebt  dabei 
eine  feine  Charakteristik  ihres  Stiles  und  des  Einflusses  griechischen 
Denkens  auf  sie. 

Benutzung  der  Schrift  durch  Paulus  macht  wahrscheinlich  E.  Gräfe , 
Theol.  Abhandlungen,  Weizsäcker  gewidmet.  Freiburg  i.  B.  1892. 
S.  251—286. 

Aristobul. 

Während  man  jetzt  fast  allgemein  die  Erläuterung  des  mosaischen 
Gesetzes  für  die  Schrift  eines  jüdischen  Autors  des  2.  Jahrh.  v.  Chr. 
ansieht  (so  Schürer,  Susemihl,  Harnack  a.  a.  0.),  führt  Elter^} 
sehr  gewichtige  Gründe  gegen  die  Echtheit  der  Schrift  an.  Das  or- 
phische  Gedicht  (Er,  4.  5  Abel)  wird  wie  die  anderen  gewöhnlich  auf 
Pseudo-Hekataios  zurückgeführten  gefälschten  Dichterverse  als  christ- 
liches Machwerk  des  2.  Jahrh.  n.  Chr.  erwiesen,  die  aristobuüsche 
Gestalt  desselben  als  eine  der  fortschreitenden  Interpolationen  der  ur- 
sprünglichen Form  bei  [Justin]  de  monarchia.  ^)  Aristobul  bezeichnet 
nicht  nur  einen  über  Aristeas  fortgeschrittenen  Standpunkt,  sondern  er 
benutzt  auch,  ungeschickt  genug,  die  Schriften  Philos.  —  Ablehnend 
gegen  Elters  Ansicht   verhalten  sich  Gercke  in  Wissowas  R.  E.  11  1 


*)  Bonner  Universitätschriften  1893—95,  zusammengefaßt  unter  dem 
Titel  De  gnomologiorum  graecorum  historia  atque  origine  Sp.  152—250; 
vgl.  meint  Ausführungen  ßyz.  Z.  VII  445—449. 


122  Bericht  üb.  d.  jüdisch-hellenistische  Philosophie  1889—98.  (Wendland.) 

S.  918  ff.,  dessen  Gründe  mir  nicht  stichhaltig  scheinen,  und,  oberfläch- 
lich absprechend,  Bousset  in  Herzoj^s  II.  E.^  II  S.  49. 

Im  Zusammenhange  damit  werden  auch  von  Elter  die  üblichen 
Ausetzungen  (s.  Susemihl)  des  Aristeas  und  Pseudo-Hekataios  widerlegt. 
Auch  der  falsche  Hekataios  gehört  der  christlichen  Litteratur  des 
2.  Jahrh.  au.  Die  Bruchstücke  des  Hek.  bei  Josephus  sind  echt,  und 
Aristeas  hat  also  nur  den  echten  Hekataios  von  Abdera  benutzt  und 
benutzen  können.  —  Für  die  Zeit  der  Abfassung  des  Aristeasbriefes,  *) 
der  für  die  Eutwickelung  des  jüdischen  Denkens  in  mancher  Hinsicht 
wichtig  ist  (Allegorische  Auslegung),  giebt  die  Benutzung  durch  Aristo- 
bul  jetzt  keinen  Anhalt  mehr. 

Essaeer  und  Tlierapeuteu. 

1.  Nirschl,  Die  Therapeuten.     Mainz  1890.     60  S. 

2.  Weinstein,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Essäer.  Wien  1892. 
92  S. 

3.  Conybeare,  Philo  about  the  contemplative  life,  critically 
edited   with  a  defence  of  its  genuiness.     Oxford  1895.     403  S. 

4.  Wendland,  Die  Therapeuten  und  die  philonische  Schrift 
vom  beschaulichen  Leben.  Ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  helle- 
nistischen Judentums.  Jahrb.  f.  klass.  Philol.  Suppl.  Bd.  XXII 
S.  695-770. 

Für  N.  ist  der  christliche  Charakter  der  Therapeuten  durch  Lucius, 
die  Echtheit  der  Schrift  durch  Massebieau  bewiesen.  Daraus  ergiebt 
sich  die  abenteuerliche  Ansicht,  daß  Philo  wirklich  einen  christlichen 
Mönchsorden  gekannt  und  geschildert  habe,  eine  Ansicht,  die  weiter  zu 
allen  mÖLrliclien  mit  der  Geschichte  des  ältesten  Christentums  in  schroffem 
Gegensatze  stehenden  Phantasien  führt. 

W.  sucht  mit  Aufwand  von  viel  Phantasie  und  zum  Teil  durch 
recht  fragwürdige  talmudische  Zeugnisse  die  Ansicht  zu  begründen,  daß 
die  Essäer  die  Nachkommen  der  Rechabiten  seien,  daß  sie  zur  Zeit  der 
Restauration  des  zweiten  Tempels  in  Opposition  gefjen  das  seiner  Auf- 
gabe nicht  gewachsene  Priestertum  getreten  und  die  Vertreter  der  Ge- 
lehrsamkeit und  der  Tradition  der  Halacha  gewesen  seien.  Den  En- 
thusiasmus und  die  überstrenge  Richtung  aus  der  Zeit  der  Makkabäer- 
kriege  hätten  sie  konservieren  wollen,  wären  dadurch  mit  der  hen-schen- 


*)  Leider  hat  Mendelssohn  nur  einen  Teil  seiner  Ausgabe  mit  Kom- 
mentar druckfertig  hinterlassen:  Aristeac  quae  fertur  ad  Philocratem  epistu- 
lae  initium.    Dorpat  1897. 


Bericht  üb.  d.  jüdiscli-helleoistische  Philosopliic  ISSO  -OS.  (Wendland.)  123 

den  Richtung  des  Judentums  in  Konflikt  geraten  und  hätten  sich  in  den 
Süllen  Palästinas,  ihre  urspriingliclie  Heimat,  zurückgezogen. 

In  Conybeares  Werk  findet  man  das  reicliste  Material  zum  Ver- 
ständnis der  philonischen  Schrift  zusamnien^'etragen.  Er  hat  1)  auf  die 
gesamte  von  ihm  erforschte  t '  berlieferung,  mit  Einschluß  der  armenischen 
und  lateinischen,  eine»  zuverlässigen  Text  gegrüuilet,  2)  durch  einen  er- 
drückenden Beweisapparat  sprachlicher  und  sachlicher  Übereinstimmun- 
gen die  Autorschaft  Philos  festgestellt,  3)  die  Unmöglichkeit  erwiesen, 
daß  in  den  Therapeuten  Christen  gezeichnet  sein  können.  Hiermit  ist 
nur  das  Hauptverdienst  des  Werke.s  bezeichnet,  über  das  einzelne  s. 
Berl.  philol.  Wach.   1895  No.  23,  Woch.  f.  klass.  Philol.   1895  No.  49. 

Die  Wege  Conybeares  verfolge  ich  a.  a.  0.  weiter  mit  Ergänzung 
und  Kritik  einzelner  seiner  Ausführungen.    Ich  j^ehe  den  ältesten  Zeug- 
nissen für  die  Existenz  der  Schrift  nach,  zeige,  daß  sie  einen  Teil  der 
philonischen  'AroXovi'a   u-sp  töjv  Mouoaituv  bildet  und  durchaus  die  auch 
sonst  in  der  jüdischen  Apologetik  wiederkehrenden  Gemeinplätze  repro- 
duziert,   ergänze    die  Ausführungen  Conybeaies   über  Stil  und  Sprache 
der  Schrift.     In  der  Verwertung  des  philonischen  Berichtes  weiche  ich 
darin  von  dei'  bisherigen  Darstellung,  auch  der  Conybeares,  ab,  daß  ich 
den    tendenziösen  Charakter    desselben    stark    betone,    die   subjektiven 
Reflexionen    und  MotivirunL^en  Philos   von  den  historischen  Thatsachen 
scharf  zu  scheiden  bemüht  bin.    Die  jüdischen  Elemente  in  der  Lebens- 
weise und  Anschauung  der  Therapeuten^  aber  auch  heidnische  Einflüsse 
weise    ich  nach  und  zeige,    daß  weder  die  Therapeuten  noch  die  Ent- 
stehung   der  Schrift    sich    aus    den  Zeiten   des  beginnenden  Mönchtums 
begreifen    lassen.     Meine    Ansicht,    daß    die    Therapeuten    gerade    aus 
Kreisen  der  Schriftgelehrten  hervorgegangen  seien,  hat  L.  Colin,  Woch. 
für  klass.  Philol.  1896  Xo.  38,  widerlegt    Der  jüdische  Charakter  der 
Therapeuten  und  die  philonische  Autorschaft  der  Schrift  —  denn  beides 
hängt    eng   zusammen    —    sind    jetzt    fast    allgemein    anerkannt    (vgl. 
G  Krüger,  Beilage  zur  allgemeinen  Zeitung  1896,  13.  Mai).    Von  maß- 
gebenden Forschern    auf    diesem  Gebiete  ist  nur  Schürer  abweichender 
Meinung,    dessen  Bedenken    mir    aber  von  L.  Cohn  a.  a    0.  widerlegt 
zu  sein  scheinen.    Eine  vermittelnde  Ansii;ht,  daß  die  Schrift  von  einem 
Schüler  Philos    verfaßt    sei    und    die  Anhänger  seiner  Weltanschauung 
schildere,    deutet  Siegfried,    Prot    Kirchenzt.    für    das  ev.  Deutschland 
1896  Xo.  42  an,  ohne  sich  selbst  die  Unsicherheit  dieser  Hypothese  zu 
verhehlen.     Damit  kommt  er  Friedländer  (s.  oben  S.  119)  nahe. 

Philo. 

Eine  Übersicht  über  die  neueren  Philo-ForschungengiebtL.  Cohn, 
Jewish    quarterly    review  1893  S.  24—50;    die  Litt,    von  1887—1890 


12-4  Beriebt  üb.  d,  jüdisch-hellenistische  Philosophie  1889-98.  (Wendland.) 

bespricht  P.  Wendland,  Arcb.  f.  Gesch.  der  PhUos.  V  S.  225—236, 
einige  neuere  Erscheinungen  Fr.  BoU,  Blätter  f.  bayer.  Gymnasial- 
schulwesen 1898  S.  325—334. 

Ich  verzeichne  zunächst  die  Ausgaben. 

1.  Philonis  Alexandrini  libellus  de  opificio  mundi  ed.  L.  Cohn, 
Breslau  1889. 

2.  Philonis    de    aeternitate  uiundi  ed.  et  prolegomenis  instruxit 
Fr.  Cumont,  Berlin  1891. 

3.  Über  Conybeares  Ausgabe  von  uepl  ßi'ou  OewpTjxixoü  s.  S.  123 

4.  5.     Philonis  Alexandrini  opera  quae  supersunt  ed.  L.  Cohn  et 
P.  Wendland.    Bd.  I.  H.     Berlin  1896.  1897.    (III  erscheint  1898.) 

1.  Auch  nachdem  die  Sonderausgabe  der  Schrift  durch  den 
1.  Band  der  Gesamtausgabe  ersetzt  ist,  behalten  doch  namentlich  die 
sprachlichen  Untersuchungen  der  Vorrede,  die  Sammlung  philonischer 
Parallelen  unter  und  die  philosophischer  hinter  dem  Texte  ihren  be- 
sonderen Wert. 

2.  Nachdem  bereits  Zeller  (Herm.  XV)  Bernays  Ansicht  vom 
nicht-jüdischen  Ursprünge  der  Schrift  widerlegt  hat,  beweist  C.  in  der 
Einleitung  aus  sachlichen  Gründen  und  durch  eine  reiche  Fülle  sprach- 
licher Beobachtungen,  die  noch  durch  die  unter  dem  Text  verzeichneten 
Parallelstellen  und  durch  einen  sorgfältigen  Index  vervollständigt  werden, 
die  Echtheit. 

Während  Bernays  den  Text  oft  einseitig  auf  die  eine  beste  Hs 
gegründet  hat,  ist  dem  Hrsg.  durch  Vergleichung  der  wichtigsten  Hss, 
auch  durch  Eniendation,  eine  w'esentlich  bessere  Gestaltung  des  Textes 
gelungen.  Vgl.  die  lehrreiche  Anzeige  von  Gomperz,  D.  L.  Z.  1892 
No.  1  und  meine  Anzeige  Berl.  philol.  Woch.  1891  No.  33;  doch  muß 
ich  meine  Ansicht  über  den  Wert  der  Hs  F  zurücknehmen,  s.  unten 
No.  9. 

3.  Einen  Nachtrag  dazu  giebt  Stahl  im  Rh.  Mus.  LI  S.  157 
—160  und  C.  Weymann,  Rh.  M.  LIII  S.  316. 

4.  5.  Über  die  hsliche  Grundlage  der  Ausgabe  geben  die  Pro- 
legomena  beider  Bände  ausführlich  Rechenschaft.  Die  Philohss  in 
Oxford  und  Paris  bespricht  L.  Cohn  in  Philol.  LI  S.  266—275.  Be- 
nutzt sind  auch  die  Citate  in  Florilegien,  Catenen,  bei  Kirchenvätern; 
auch  die  sicheren  stillschweigenden  Excerpte  bei  Kirchenvätern  sind 
unter  dem  Texte  verzeichnet.  Dies  Stellenverzeichnis,  nebst  den  Bd.  I 
S.  LXXXXV  ff.  abgedruckten  Testimonia  wird  einen  guten  Überblick 
über  den  großen  Einfluß  geben ,  den  Philo  auf  die  christliche  Lehr- 
entwickelung   ausgeübt    hat.     Auch    die    von  Philo    benutzten    philoso- 


Bericht  üb.  d.  jüdisch-hellenistische  Philosophie  1880  —  98.   (Wcndland.  125 

phischen  Quellen  sind,  soweit  sicher  nachweisbar,  unter  dem  Texte  ver- 
zeichnet. Manches  wird  hier  natürlich  nachzutragen  bleiben.  Aus 
praktischen  Gründen  ist  die  Reihenfolge  der  Ausgabe  Älangeys  beibe- 
halten. Bd.  II  schließt  mit  de  migr.  Abrahanii.  Vgl.  die  besonders 
gründlichen  Rezensionen  von  Reiter,  Z.  f.  öst  Gj-mn.  1897  S.  42—47, 
Heinrici  Th.  L.  Z.  1897  No.  8,  1898  No.  9,  Stählin,  Berl.  philol.  Woch. 
1897  No  19,  1898  No.  12.  Gleichzeitig  ist  eine  kleine  Textausgabe 
erschienen,  die  denselben  Text  wie  die  große  bietet,  und  in  der  Vor- 
rede die  wichtigsten  Varianten  und  Konjekturen. 
Parerga  zu  der  Ausgabe  sind: 

6.  L.  Cohn,  Kritisch-exegetische  Beiträge  zu  Philo.  Herrn. 
XXXII  107—148. 

7.  P.  Wendland,  Kritische  und  exegetische  Bemerkungen  zu 
Philo.     Rh.  M.  Ln  S.  465-504.     LIII  S.  1— 3ß. 

8.  Ders.,  Zu  Philos  Schrift  de  posteritate  Caini.  Philol.  LVII 
(N.  F.  XI)  S.  248-288. 

Die  schwierigsten  Stellen  werden  besprochen,  die  Textkonstitu- 
tion der  neuen  Ausgabe  gerechtfertigt,  hier  und  da  berichtigt,  der 
Sprachgebrauch  Philos  namentlich  in  seinen  stereotypen  Wendungen 
verfolgt.  Der  Einfluß  der  Stoa  kommt  Rh.  M.  LH  475.  496  (vgl. 
LIII  13.  21.  31)  und  Philol.  267  zur  Sprache. 

9.  L.  Cohn,  Diassorinos  und  Turnebus,  Ein  Beitrag  zur  Text- 
geschichte der  philonischen  Schriften.  Aus  „Satura  Viadi-ina".  15  S. 
Breslau  1896. 

zeigt,  das  der  jüngere  Teil  des  Laur.  85,  10  von  Jacobus  Diassorinos 
aus  der  ed.  princeps  des  Turnebus  abgeschrieben  ist  Der  Benutzung 
des  Philo  durch  Clemens  Alexandiinus  geht  nach  10.  Wendlaud, 
Herrn.  XXXI  435 — 456  und  zeigt,  daß  dieselbe  auch  in  einem  Falle 
für  die  Herstellung  der  ursprünglichen  Schriftenfolge  zu  verwerten  ist. 
Unbeachtete    Philoexzerpte    in    byzantinischen    Chroniken    verfolgt    11. 

12.  Prächter,  Archiv  f.  Gesch.  d.  Philos.  IX  S.  415—426  und  Byz.  Z. 
VI  S.  509  ff.  t^ber  die  Benutzung  Philos  bei  dem  Armenier  Ananias 
von  Shirak    im    7.  Jahrh.    s.  Byz.  Z.  VI    S.  575.     Endlich    registriert 

13.  C.  Sehen  kl  in  den  drei  bisher  erschienenen  Bänden  der  neuen 
Ausgabe  des  Ambrosius  (Wiener  Corpus  XXXII)  sehr  sorgfältig  die 
philonischen  Vorlagen,  behandelt  das  Verhältnis  in  den  Vorreden  und 
bestätigt  mit  z.  T.  neuen  Beispielen  die  Thatsache,  daß  manche  Schriften 
des  Ambrosius  fast  nur  Pharaphraseu  Philos  sind;  vgl.  auch  Ihm, 
Philon  und  Ambrosius,  Jahrb.  f.  Philol.  1890  S.  282—288.  Benutzung 
des  Philo  durch  Paulus  bleibt   mii*  trotz  H.  Vollmers  Ausführungen 


126  B<-'>'icht  üb.  d.  jüdisch-belleuistische  Püilosophie  1S89  — 98.   ^Wendland.) 

(die  alttestanieutliclien  Citate  bei  Paulus,  Freiburg  i.  Br.  1895  S.  84  ff.) 
sehr  zweifelhaft. 

14.  Wendland,  Neu  entdeckte  Fragmente  Philos  nebst  einer 
Untersuchung  über  die  ursprüngliche  Gestalt  der  Schrift  de  sacrificiis 
Abelis  et  Caini.     Berlin  1891.     152  S. 

teilt  1.  aus  F  einen  neu  entdeckten  Abschnitt  der  Schrift  über  die 
Opfei-  mit,  veröffentlicht  2.  neue  Fragmente  -epl  [xi^r^^  und  zeigt,  daß 
das  verlorene  Buch  das  2.,  das  erhaltene  das  1.  ist  (s.  jetzt  No.  5 
S.  XXVI  ff.).  Die  Untersuchungen  über  die  verschiedenen  Rezensionen 
der  Sacra  Parallela,  in  denen  eine  Fülle  von  Philo-Fragnieuteu  uns 
erhalten  ist,  ist  seitdem  durch  L.  Cohu  (Jahrb.  f.  prot.  Theol.  1892 
S.  475  ff.)  und  durch  Loofs  und  Hol!  in  besonderen  Schriften  ge- 
fördert; s.  die  von  mir  gegebene  Übersicht  Byz.  Zt.  1897  S.  166  1i. 
Die  Philofragmente  aus  einer  Jerusalemer  Hs,  die  verschiedene  Re- 
zensionen der  Parallela  zusammenstellt,  veröffentlicht  Papadop ulo s- 
Kerameus  im  Petersburger  Journal  des  Unterrichtsministeriums, 
Januar  1897.  '6.  werden  neue  Philofragmente  aus  Prokopios'  Kommentar 
zum  Pentateuch  gewonnen  und  das  Verhältnis  dieses  Kommentars  zu 
desselben  Catena  und  zu  der  von  dieser  abhängigen  Catena  des  Nice- 
phorus  besprochen.  Seitdem  sind  die  auch  für  Philo  sehr  wichtigen 
Forschungen  über  die  Catenen  von  Preuschen,  Ehrhard  (s.  Krum- 
bachers Byz.  Litt.-  S.  206  ff.),  Achelis,  Lietzmann  (Catenen,  Frei- 
burg  1897),  Heinrici  (Herzogs  R.  W.  III  754  ff.),  Sickenberger 
(Rom.  Quartalschrift  1898  S.  3  ff.)  fortgeführt  worden.  —  Nach  einer 
Erörterung  des  Einflusses  Philos  auf  Origenes  und  Theodoret  wird  die 
ursprüngliche  Gestalt  der  Schrift  de  sacr.  Ab.  et  Caini  nach  den  besten 
Hss  rekonstruiert  und  gezeigt,  daß  darin  eine  tiovo;  und  dpexr^  ver- 
herrlichende Diatribe  benutzt  ist.  Die  Gestalt  jener  Schrift,  wie  sie 
die  besten  Hss  geben,  wird  jetzt  auch  bestätigt  durch  den  Papyrus. 

15.  V.  Seh  eil,  Deux  traites  de  Philon  ....  Memoires  publies 
par  les  membres  de  la  mission  archeologique  frangaise  au  Caire,  IX, 
fasc.  2.     Paris  1893.     S.  151—215. 

Scheil  hat  den  Text  des  Papyrus  im  ganzen  treu  wiedergegeben. 
Der  Papyrus  wird  vom  Hrsg.  ins  6.  Jahrh.  gesetzt,  ist  aber  wahr- 
scheinlich älter  (s.  No.  4  S.  XLII).  Er  enthält  die  Schriften  de  sacri- 
ficiis Abelis  et  Caini  (jetzt  in  No.  4  S.  202—257)  und  quis  rerum  di- 
sinarum  (erscheint  demnächst  im  3.  Bande  der  neuen  Philo-Ausgabe). 
Über  den  Wert  des  Textes  handeln  die  Prolegomena  in  No.  4  und  im 
künftigen  3.  Bande.  Der  Pap.  enthält  die  Überlieferung  des  Zweiges 
UF  in  reinerer  Gestalt  und  bestätigt  die  so  oft  gemachte  Beobachtung, 


Bericht  üb.  d.  jüdisch-hellenistische  Philosophie  1889—98.   (Wendland.)  127 

dal.l  die  Verzweigung  unserer  hslicheu  ITberlieferung'  meist  sehr  viel 
älter  ist  als  unsere  ältesten  Zeugen  für  dieselbe.  Besonders  wichtig  ist 
der  Text  für  die  zweite  Schrift,  da  diese  in  UP  fehlt. 

16.  Conybeare,  der  die  Verwertung  des  armenischen  Textes 
in  der  neueren  Ausgabe  ermöglicht  hat  und  auch  in  derselben  die  ar- 
menischen Schriften  in  lateinischer  Übersetzung  herausgegeben  wird, 
veröffentlicht  Classical  Review  X  S.  281 — 284  wichtige  Verbessenings- 
vorschlSge  zur  Schrift  de  sacrificantibus  auf  Grund  der  armenischen 
Übersetzung. 

Mit  Sprache  und  Stil  Philos  beschäftigen  sich  vielfach  Conybeares 
und  meine  S.  123  erwähnten  Schriften,  ferner  No.  1.  2.  6.  7.  8.  14.  28. 
Auch  W.  Schmid  in  seinem  Werke  über  den  Attici=!mus,  T.  Mommsen, 
Beiträge  zu  der  Lehre  von  den  griechischen  Präpositionen,  Berlin  1895, 
S.  392,  H.  Schmidt  in  seiner  Arbeit  über  den  Dual  (Breslauor  philol. 
Abhaudl.  VI  4  S.  30)  berücksichtigt  ihn.  Eine  gute  Specialunter- 
snchung  giebt 

17.  Unna,    Über    den  Gebrauch    der    Absichtssätze    bei    Philo. 
Würzburger  Diss.  Frankfurt  a.  M.  1895.     51   S. 

Die  Gründe,  die  S.  5  für  dieUnechtheit  der  Schrift  quod  omnis  probus 
liber  angeführt  werden,  sind  hinfällig  (vgl.  No.  30).  Ein  finales  äste 
findet  sich  z.  B.  auch  II  314,  4  Mang,  lav  xt?  e-avaT£ivr]Tat  Si?oc,  cu3t' 
azoxTsrvxi,  xav  jatj  dvsXr),  evoyo?  eatoj.  Manche  Einzelheiten  sind  nach 
der  neuen  Ausgabe  zu  berichtigen. 

18.  Jessen,  de  elocutione  Philonis  Alexandrini  (Gratulationsschrift 
des  Johanneums  zu  Sauppes  80.  Geburtstage  S.  3 — 12)  Hamburg  1889 

bespricht  die  phi Ionischen  Gesetze  der  Hiatvermeidung,  nimmt  aber  eine 
zu  große  Strenge  an,  die  ihn  nicht  selten  zu  gewaltsamen  Konjekturen 
führt;  s.  No.  30  S.   15.- 

Die  Bibel  Philos  rekonstruiert  nach  den  Citaten 

19.  Ryle,  Philo  and  holy  scripture.     London  1895.     312  S. 

Die  Arbeit  muß  noch  einmal  gemacht  werden.  Denn  Ryle  hat 
manche  Citate  und  stillschweigende  Benutzungen  übersehen.  Die  Aus- 
gabe Mangeys  gab  keine  sichei'e  Grundlage,  zumal  in  einer  wichtigen 
Hss- Klasse  der  Bibeltext  sehr  oft  interpoliert  ist.  Ferner  fehlt  es  Ryle 
an  festen  Grundsätzen  über  das  Verhältnis  des  philonischen  Bibeltextes 
zu  der  direkten  Überlieferung  der  LXX.  Aus  ähnlichen  Gründen  führen 
auch  die  Bemerkungen  von  Hatch  (Essaj^s,  Oxford  1889)  über  Philos 
Bibeltext  vielfach  in  die  Irre.  In  No.  8  S.  283—287  habe  ich  feste 
Grundsätze  für  die  Behandlung  des  philonischen  Bibeltextes  und  für 
die  Rekonstruktion  der  LXX  zu  gewinnen  gesucht. 


128  Bericht  üb.  d.  jüdisch-hellenistische  Philosophie  1889—98.   (Wendland.) 

20.  F.  C.  Conybeare,  On  the  Philonean  text  of  the  Septuaginta. 
Jevfish  quarterly  leview  V  1893  S.     246—280 

behandelt  den  griechischen  Bibeltext,  der  den  Citaten  der  nur  armenisch 
erhaltenen  qnaestiones  zu  gründe  liegt. 

21.  Im  Expositor  1891  S.  63-80.  129— 141  zeij^t  Conybeare, 
daß  in  dem  uns  erhaltenen  Stücke  der  lateinischen  Übersetzung  der 
quaestiones  in  Genesim  eine  vorhieronymianische  Bibelübersetzung  be- 
nutzt ist. 

Eine  sehr  gründliche  und  eingehende  Erörterung  der  philonischen 
Schriftenfolge,  die  bereits  Schürer  in  den  Nachträgen  seiner  Gesch.  des 
jüd.  Volkes  I  746.  747  berücksichtigen  konnte,  giebt 

22.  Masse bieau,    Bibliotheque    de    T^cole    des    hautes  etudes, 
Sciences  religieuses  I  S.  1 — 91.     Paris  1889. 

Von  zusammenfassenden  Arbeiten  sind  zu  erwähnen 

23.  Herriot,  Philon  le  juif.    Essai  sur  Tecole  juive  d'AIexandrie. 
Paris  1898.     366  S., 

eine  oberflächliche  KompilalioD,  die  ich  Berl.  philol.  Woch.  1898  No.  11 
genügend  charakterisiert  habe. 

24.  Der  Artikel  „Philo"  in  Wetzers  und  Weites  Kirchenlexikon 
IX  Sp.  2031—2037  ist  etwas  dürftig  ausgefallen. 

25.  C.  G.  Monte fiore,  Florilegium  Philonis.    Jewish  quarterly 
review  Vn  1894  S.  481—545 

giebt  eine  ansprechende  Darstellung  der  Hauptlehren  Philos,  die  zum 
Teil  an  Drummond  anknüpft.  S.  483  wird  Philo  ein  (sehr  fraglicher) 
Einfluß  auf  die  Entwickelung  der  griechischen  Philosophie  zugeschrieben; 
sein  Verhältnis  zur  Stoa  wird  besonders  S.  505  ff',  gut  beleuchtet. 

Mit  der  Echtheit  einzelner  Schriften ,  Quellenuntersuchuugen, 
einzelnen  Elementen  der  philonischen  Weltanschauung  beschäftigen  sich 

26.  von    Arnim,    Anzeige    von    No.    2.      Philos.    Monatshefte 
1892.     S.  462—470. 

27.  Ders.,    Der  angebliche  Streit  des  Zenon    und  Theophrastos. 
Jahrb.  f.  Philol.  XXXIX  449—467. 

26.  V.  A.  behauptet,  daß  der  Verfasser  der  Schrift  7:epi  ifbipaidi 
durch  Anerkennung  der  Anfangslosigkeit  der  Welt  mit  Philo  in  Wider- 
spruch stehe.  Er  verwirft  mit  Kecht  Cumonts  Annahme,  daß  der  Verf.  eine 
ewige  Weltschöpfung  voraussetze,  bekämpft  aber  auch  meine  Ansicht, 
daß  man  nicht  aus  den  exzerpierenden  Abschnitten,  sondern  nur  aus 
S.  6,  18  Cum.  auf  den  eigenen  Standpunkt  des  Verfassers  schließen 
dürfe.     Wie  er  diese  Stelle  mit  seiner  Auffassung  in  Einklang  bringen 


Bericht  üb.  d.  jüdisch-hellenistische  Philosophie  18S9  — 98.    (Wendland.)  129 

will,  geht  aus  der  allgemeinen  Benieikung  S.  465  nicht  hervor.  Aus 
S.  7,  6  toüi  0£  a-,'£vrjTOv  xai  acpUaprov  xatajy.euaCcivTa;  Ä670U;  ivey.a  ttJc 
Trpo?  Tov  opaxov  Oeöv  atooü?  TipoTspou;  raxTsov  folgt  doch  nicht,  daß  der 
Verf.  die  Ansicht,  die  Moses  und  l^lato  gemeinsam  sein  soll,  von  vorn- 
herein beiseite  schiebt,  sondern  nur  daß  er  sie  später  behandeln  will. 
"Wenn  der  Autoi-  am  Schlüsse  der  Schrift  seine  Ansführun-ren  als  Re- 
ferate fremder  Ansichten,  denen  nun  die  evavTicujeij  folgen  sollten,  be- 
zeichnet, müssen  wir  ihm  glauben  und  annehmen,  daß  auf  die  ivav-twssi; 
noch  die  Entwickelung  des  vom  Autor  gebilligten  platonisch-mosaischen 
Standpunktes  gefolgt  sei  (vgl.  Gomperz  a.  a.  0.).  Dieselbe  Disposition 
kehrt  wieder  in  der  Behandlung  des  Problems  tl  [j.£i)'j3i}rjcj£Tai  6  3096? 
in  de  plant.:  Gründe,  Gegengründe,  dann  (de  ebr.)  Entwickelung  des 
mosaischen  Standpunktes.  Die  Worte  des  Proöraiums  verdienen,  wenn 
man  auf  den  verlorenen  Teil  Rücksicht  nimmt,  nicht  v.  Arnims  Un- 
willen (S.  466.  467).  Daß  a.  a.  0.  evexa  aiöoüc  nur  mit  xaxajxeuasOVTac 
verbunden  werden  kann,  also  nicht  mit  xaxxeov  verbunden  ein  peri- 
patetisches  Glaubensbekenntnis  des  Autors  einschließt,  ergiebt  sich 
aus  der    ähnlichen  Bemerkung  S.  4,  15  und  de  confus.  §  173  xara^Xa- 

7£VTe;    OUV  TIV£;  TT]V   £XaT£pOU   T(Lv  X03|JL(ÜV  (pU3lV    OU   (JLOVOV  oXo'j;  I^EÖElÜJSav  .... 

und  ähnlichen  Stelleu.  Den  personifizierten  X6';oi  (Analogien  brauche 
ich  nicht  anzuführen)  kann  sehr  wohl  aiocu;  zugeschrieben  werden  (gegen 
S.  465).  Das  harte  Urteil  über  die  Unverbesserlichkeit  derer,  die  das 
Ethos  einer  Persönlichkeit  geistig  anzuschauen  nicht  imstande  sind 
(S.  467),  kann  ich  ertragen,  da  ich  mit  Gomperz  in  gleicher  Ver- 
dammnis bin  und  an  den  besser  unterrichteten  v.  Arnim  (Quellenstudien 
S.  101.  126.  127.  130)  und  sein  früher  viel  ungünstigeres  Urteil 
appellieren  kann.  Auch  darin,  daß  der  Autor  allen  Exzerpten  aus 
fremden  Quellen  sein  Sprachgepräge  aufdrückt,  gleicht  er  dem  echten 
Philo.  Die  absurde  Geschichte  von  den  Elephanten  (S.  467)  ist  bei 
niemand  so  verständlich  wie  bei  Philo  (s.  de  animal.  §  52!).  Die 
sprachlichen  Gründe  v.  Arnims  gegen  die  Echtheit  muß  ich  alle  bean- 
standen und  habe  bereits  No.  7.  8  die  Übereinstimmung  mancher  von 
ihm  geltend  gemachter  Eigentümlichkeiten  mit  Philos  Sprachgebrauch 
bewiesen. 

27.    Ich  habe  hier  den  Ausführungen  in  Frachters  Bericht  No.  41 
nur  wenig  zuzufügen. 

v.  Arnims  scharfsinnige  Quellenanalyse  läßt  es  in  in  der  That 
sehr  problematisch  erscheinen,  was  die  geschichtliche  Wahrheit  des  be- 
richteten Streites  des  Theoph)ast  gegen  Gegner  der  Weltewigkeit  ist. 
Nur  muß  ich  gegen  v.  A.  die  Thatsache,  daß  mindestens  die  Gründe 
der  Gegner  vom  Autor  auf  Theophrast  zurückgeführt  werden,  betonen. 
Da  S.  35,  16  xa-ajxöuaCst  unmöglich  ist,  ist  Useners  xaTa3X£uo(^£iv  sehr 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.  Bd.  LXXXXVIII.  (1898  III.)  9 


130  Bericht  üb.  d.  jüdisch-hellenistische  Philosophie  1889  — 98.    (Wendland.) 

viel  wahrscheinlicher  als  v.  Arnims  xaxctaxsuaCouoi  (S.  452),  und  gegen 
jenes  bildet  das  spätere  cpaot'v,  /pcüvTai  keine  Instanz,  da  hier  bei  der 
weiten  Entfernung  des  regierenden  (prjai  (S.  35,  13)  die  strenge  Fort- 
führung der  indirekten  Rede  unmöglich  war.  —  Über  die  neuere  Litt, 
zu   der  Schrift  referiert  auch  Susemihl  a.  a.  0.  II  S.  322—325. 

28.  Wendland,    Philos  Schrift    über    die    Vorsehung.     Berlin 
1892.     120  S. 

Das  Hauptresultat  der  Arbeit  ist,  daß  die  von  Alexander  gegen 
den  Vorsehungsglauben  geltend  gemachten  Gründe  epikureisches,  zum 
Teil  auch  karneadeisches  Gedankeumaterial  reproduzieren,  daß  Philos 
Verteidigung  der  izpovoia  von  einem  späteren  Stoiker,  wahrscheinlich 
Posidonius,  abhängig  ist.  Mit  Hülfe  Couybeares  und  durch  Heran- 
ziehung der  Parallelen  aus  Philos  Schriften  und  aus  der  philosophischen 
Litteratur  wird  im  einzelnen  der  Sinn  und  der  Gedankengang  der 
außer  zwei  größeren  Citaten  bei  Eus.  nur  in  armenischer  Übersetzung 
erhaltenen  Schrift  festgestellt,  die  Echtheit  der  Schrift,  namentlich 
auch  des  ersten  seiner  dialogischen  Einkleiduug  beraubten  Buches,  aus 
sachlichen  und  sprachlichen  Gründen  bewiesen.  Meine  Behauptung 
(S.  40),  daß  Eus.  Praep.  VI  6  das  erste  Buch  stillschweigend  benutze, 
ist  mit  Recht  bestritten  worden.  Für  den  astrologischen  Abschnitt  sind 
jetzt  die  gründlichen  Ausführungen  von  Boll,  Studien  über  Claudius 
Ptolemaeus  S.  132  ff.,  im  einzelnen  auch  die  Rezensionen  von  Prächter, 
Berl.  phüol.  Woch.  1893  No.  20.  21  und  I.  Bruns  Th.  L.  Zt.  1892 
No.  25  zu  vergleichen. 

29.  0.  Hense,  Bion  bei  Philon.  Rh.  M.  XL VII  S.  219—240. 

30.  E.  Krell,  Philo  Trspl  xou  ravT«  uTrouSaibv  etvai  iXeudepov,  die 
Echtheitsfrage.     Augsburger  Programm  1896.     38  S. 

Über  Hense  vgl.  Prächters  Bericht  No.  52. 

Für  die  Frage  der  Echtheit  der  Schrift  ist  sehr  beachtenswert, 
daß  auch  sonst  bei  Philo  manche  Spuren,  auf  Bion  führen;  vgl.  No.  28 
8.  50.  No.  31.     D.  L.  Z.  1895  S.  461. 

Kr.  geht  den  ältesten  Zeugnissen  für  unsere  Schrift,  namentlich 
der  Benutzung  derselben  durch  Ambrosius  nach,  spricht  sich  aus 
sprachlichen  und  sachlichen  Gründen  entschieden  für  die  Echtheit  aus, 
widerlegt  Ohles  Ansicht  von  der  Interpolation  des  Essäer- Abschnittes, 
stimmt  mit  mir  überein  im  Widerspruch  gegen  Aasfelds  Hypothese 
von  einer  Kontamination  zweier  Quellen.  Endlich  stellt  er  Berührungen 
der  Schrift  mit  den  Gedanken  anderer  philonischer  zusammen. 

31.  "Wendland,  Philo  und  die  kynisch- stoische  Diatribe.  Bei- 
träge zur  Gesch.  der  giiech.  Philos.  und  Religion  von  P.  Wendland 
und  0.  Kern.     Berlin  1895  S.  1—75 


Bericht  üb.  d.  jüdisch-hellenistische  Philosophie  1889-98.   (Wendland.)  131 

zeigt,  daß  Philos  häufige  Darlegungen  strenger  stoischer  Grund- 
sätze über  die  gesamte  Lebensführung  (Speise  und  Trank,  Kleidung  und 
Wohnung,  Geschlechtsverkehr,  geselliges,  öffentliches,  religiöses  Leben) 
ganz  im  Tone  der  stoisch-kynischen  Diatribe  gehalten  sind.  Sie 
stimmen  oft  mit  Musonius  fast  wörtlich  überein  und  füllen  eine  Lücke, 
die  zwischen  der  Diatribe  des  Teles  und  der  des  Musonius  klafft,  aus. 
Für  die  Darstellung  der  Sittengeschichte  ist  die  Diatribe  mit  Vorsicht 
zu  benutzen.  S.  49  ff.  wird  Philos  Schrift  über  den  Adel  aus  der  ver- 
wandten Litteratur  erläutert,  S.  56  ff.  Benutzung  des  Krantor,  S.  68  ff. 
das  Verhältnis  des  Clem.  Alex,  zu  Musonius  besprochen,  das  in  den 
quaest.  Musonianae  nicht  richtig  aus  Benutzung  einer  eigenen  Schrift 
des  Musonius  erklärt  wurde.  —  Nachträge  giebt  Frachter,  ßerl.  philol. 
Woch.  1896  No.  28.  29. 

32.  M.   Freudenthal,  Die  Erkenntnislehre  Philos  von  Alexan- 
dria.    Berlin  1891.  77  S. 

hebt  richtig  hervor,  daß  von  Philo  die  erkenntnistheoretischen  Probleme 
wesentlich  aus  ethischem  und  religiösem  Interesse  berührt  werden.  Die 
Anerkennung  der  Skepsis  muß  für  ihn  die  Notwendigkeit  einer  mystischen 
Gotteserkenntnis  vorbereiten.  Die  episodischen  und  unselbständigen 
Bemerkungen  auf  diesem  Gebiete  sind  nur  Belege  für  auch  sonst  be- 
kannte platonische  und  stoische  Begi-iffe  und  Definitionen.  Fr.  stellt 
fleißig  zusammen,  was  Philo  über  die  Ideen  des  vouc  und  der  atjÖTjai? 
nud  ihre  Einbildung  in  den  Menschen,  über  Substanz,  Sitz,  Teile, 
Thätigkeiten  der  Seele,  über  Entstehung  der  Sinneswahrnehmungen 
und  Unmöglichkeit  sicherer  Erkenntnis  ausführt. 

33.  Wendland,    Eine    doxographische  Quelle  Philos.  Sitzungs- 
berichte der  Akad.  d.  Wiss.  zu  Berlin  1897  S.  1074—1079 

zeigt,  daß  Philo  de  somn.  I  die  von  Diels  als  Quelle  der  Aetius  er- 
schlossenen Vetusta  placita  benutzt. 

34.  P.  Zieger t.  Über  die  Ansätze  zu  einer  Mysterienlehre, 
aufgebaut  auf  den  antiken  Mysterien  bei  Philo  Judäus.  Theol.  Stud. 
u.  Krit.  1894  S.  706-732. 

Mir  scheint  hier  die  im  Piatonismus  überhaupt  beliebte  Ver- 
wendung von  rhetorischen  Floskeln  aus  dem  Mysterienwesen  sehr  über- 
schätzt zu  sein,  indem  ein  innerer  und  nicht  nur  formaler  Zusammen- 
hang angenommen  wird.  Ihn  scharf  zu  formulieren  gelingt  Z.  nicht.  Er 
benutzt  übrigens  nur  die  schlechte  Ausgabe  Pfeiffers,  ein  großer  Teil 
der  Schriften  Philos  wird  daher  ignoriert,    so    daß    nicht    einmal    eine 

vollständige  Sammlung  der  Stellen  vorliegt. 

9* 


132  Bericht  üb.  d.  jüdisch-hellenistische  Philosophie  1889-98.    (Weodland.) 

*J.  Cabantous,    Philou    et    Tepitre    aux   Hebreux.     Moutauban 
1895.  Diss.  79  S. 

*S.  Tiktin,    Die  Lehre    von    deu  Tugenden    und  Pflichten    bei 
Philo.     Bern  1896.  Diss.  59  S. 

Philos  Ansicht  über  den  Wert  der  e-fxuxXioc  -at8eia  bespricht 
Norden,  Antike  Kunstprosa  1898  II  S.  673,  indem  er  überhaupt  den 
Streit    um  deren  Bedeutung    durch  Altertum  und  Mittelalter  verfolgt. 

Aall,  Geschichte  der  Logosidee  in  der  griechischen  Philosophie, 
Lpz.  1896,  behandelt  S.  184 — 231  Philo,  ohne  Neues  zu  geben-,  vgl. 
Th.  L.  Z.  1897  No.  15.  Die  Logoslehre  berührt  auch  Conybeare, 
Jewish  quarterly  review  VII  S.  611 — 619. 

Sehr  wertvoll  ist  die  Schrift  von  E.  von  Schwenck,  Die 
Johanneische  Anschauung  vom  Leben,  Lpz.  1898,  der  die  .Weisheit 
Salomos"'  und  Philo  als  Vorläufer  für  die  intensive  Bedeutung  und  den 
w^esentlich  ethischen  und  religiösen  Inhalt  des  Begriffes  in  der  christ- 
lichen Litteratur  behandelt. 

L.  Cohn,  An  apocryphal  work  ascribed  to  Philo  of  Alexandria. 
Jewish  quarterly  review  X  S.  277 — 322, 

weist  überzeugend  nach,  daß  der  uns  erhaltene  lateinische  Text  der 
pseudophilonischen  Antiquitates  biblicae  durch  das  Mittelglied  einer 
griechischen  Übersetzung  auf  ein  hebräisches  Original,  das  bald  nach 
70  n.  Chr.  verfaßt  ist,  zurückgeht.  Das  Werk  enthält  eine  Erzählung 
biblischer  Geschichten  von  Adam  bis  Saul  in  haggadischer  Aus- 
schmückung, deren  einzelne  Züge  sich  mit  talmudischen  Zeugnissen 
belegen  lassen,  daneben  einige  apokalyptische  Partieen.  Die  von  James 
als  vermeintliche  Anekdota  in  Texts  and  Studies  II  No.  3  S.  164 — 185 
veröffentlichten  Stücke  werden  als  Teile  der  Ant.  erwiesen. 


Viertes  Makkabäerbach. 

Neben  die  philosophische  Würdigung  durch  Freudeuthai  tritt  jetzt 
eine  stilistische  durch  Norden  a.  a.  O.  I  S.  416—420.  Die  Schrift 
erscheint  als  Produkt  des  reinen,  von  der  attischen  Reaktion  nicht  be- 
rührten Asianismus.  N.  hält  die  Schrift  nicht  wie  Freudenthal  für  eine 
Predigt,  sondern  für  eine  philosophische  Diatribe. 

Außerdem  liegen  zwei  neue  Ausgaben  vor,  eine  durchaus  un- 
brauchbare (s.  D.  L.  Z.  1897  Sp.  1211)  in  Bd.  VI  von  Nabers  Josephns 
(Lpz.  1896)  und  eine  in  Bd.  III.  von  Swetes  Septuaginta  (Cambridge 
1894),  wertvoll  durch  die  Kollation  der  ältesten  Uncialen.     Da  Swete 


Beriebt  üb.  d.  jüdisch-bellenistiscbe  Philosophie  1889—98.   (Wendland.)  133 

mehr  eine  Materialsamralung  als  eine  Ausgabe  giebt,  fehlt  es  noch 
immer  an  eine)'  wirklichen  recensio. 

S.  Krauss,  The  jews  in  the  works  of  the  church  fathers.    .Jewish 
qnarterly  review  V  S.  122—157.    VI  S.  82—99.  226, 

bespricht  das  Verhältnis  des  Justin,  Clemens,  Origenes,  Eusebius, 
Ephraem,  Hierouyraus  zum  Judentum  und  besonders  zur  jüdischen 
Haggada,  deren  Erfindungen  und  Kombinationen  vielfach  von  ihnen 
benutzt  werden. 

Nachtrag. 

H.  Bois,   Essai  snr  les  origines  de  la  philosophie  judeo-alexan- 
drine.     Paris  1890.     412  S. 

Die  Einleitung  giebt  einen  kulturgeschichtlichen  Überblick  über 
die  EntwickeluDg  des  Judentums.  Die  Auffassung  im  ganzen  ist  richtig, 
an  einzelnen  Versehen  fehlt  es  nicht.  Die  Begegnung  Alexanders  mit 
dem  Hohenpriester  wird  als  historisch  angesehen  S.  22,  Josephus  neben 
I.  Makk.  als  Quelle  citiert  S.  35.  Woher  weiß  der  Verf.  etwas  von 
griechischer  Bildung  des  Gamaliel  (S.  37)?  Betrachtet  mau  den  In- 
halt des  Aristeasbriefes  als  Legende,  so  ist  es  bedenklich,  die  Ge- 
schenke des  Philadelphos  als  historisch  anzusehen  (S.  32).'* 

Mit  meist  gesundem  Urteil  widerlegt  B.  Tylers  Annahme  einer 
Beeinflussung  des  Koheleth  durch  stoische  und  epikureische  Philo- 
sophie, die  romanhafte  Biographie,  die  Plumptre  aus  dem  Buche  heraus- 
gesponnen hat,  Pfleiderers  Annahme  einer  Beeinflussung  durch  Heraklit. 
Auch  der  Einfluß  griechischer  Philosophie  auf  LXX  wird  in  polemischen 
Ausführungen,  namentlich  gegen  Dähne,  sehr  mit  Recht  eingeschränkt. 
Die  Spruchweisheit  des  Jesus  Sirach  wird  mit  Recht  als  im  wesent- 
lichen jüdisch  und  selten  von  griechischen  Anschauungen  abhängig  an- 
gesehen. Einer  besonders  ausführlichen  Analyse  wird  das  Buch  der 
Weisheit  unterzogen  als  das  erste  Beispiel  einer  stark  durch  griechische 
Philosophie  beeinflußten  jüdischen  Schrift.  Philo  wii'd  vielfach  zum  Ver- 
gleiche herangezogen,  seine  Abhängigkeit  von  der  Schrift  aber  über- 
schätzt (S.  311).  Ganz  monströs  sind  die  Versuche  S.  212.  213,  grie- 
chische Verse  in  dem  Buche  zu  entdecken. 

Der  1.  Anhang  handelt  von  der  Abfassungzeit  des  Buches  Jesus 
Sirach  Sehr  unglücklich  ist  der  Ausgangspunkt  (S.  316).  Der  Verf. 
glaubt  Mahaffy,  daß  Theokrit  eine  Stelle  der  griechischen  Übersetzung 
des  Hohenliedes  benutzt  habe.  Ferner  meint  er,  daß  Kap.  50  nicht 
Simon  II  (Anfang  des  2.  Jahrb.),  sondern  Simon  I  (Anfang  des  3.  Jahrh.) 
gefeiert    werde.     Dann    muß    natürlich    der  Übersetzer  und  Enkel  des 


134  Bericht  üb.  d.  jüdisch-hellenistische  Philosophie  1889—98.    (Wendland.) 

Jesus  im  Prologe  in  den  Worten  ^v  T(fi  8780a)  xal  TpiaxojTcp  l'rret  ItI  tou 
Euep-je-ou  ßajiXewc  den  Euergetes  I.,  und  da  dieser  nur  25  Jahre 
regierte,  nicht  das  38.  Jahr  der  Regierung,  sondern  des  Übersetzers 
38.  Lebensjahr  gemeint  haben.  Dessen  Angabe  aber  ist  sinnlos,  da 
der  Verf.  eine  Datierung  geben  will  und  dies  nur  durch  Angabe  des 
Regierungsjahres  kann.  Das  Im.  ist  mit  schlagenden  Parallelen  ^)  jetzt 
von  Deissmanu,  Bibelstudien  S.  256  belegt  und  ist  keine  Stütze  der 
Auffassung  von  Bois.  Ist  aber  Euergetes  II.  und  das  Jahr  132  gemeint, 
so  kann  der  Großvater  des  Übersetzers  nur  Simon  II.  gefeiert  haben. 
Wie  unmöglich  die  Konsequenz  der  Ansicht  von  Bois  wäre,  daß  nämlich 
die  vom  Übersetzer  im  Prologe  als  fertig  bezeugte  griechische  Bibel- 
übersetzung so  schon  bald  nach  der  Mitte  des  3.  Jahrh.  abgeschlossen 
vorgelegen  haben  müßte,  kann  hier  nicht  ausgeführt  werden.  Der  3.  An- 
hang bespricht,  ohne  Neues  zu  geben,  die  Abfassungszeit  des  Buches 
der  Weisheit,  der  2.  und  4.  giebt  Bemerkungen  zu  einzelnen  Stellen  des 
Jesus  Sirach  und  der  Weisheit. 

L.  Cohn,  Philo  von  Alexandria.    Neue  Jahrb.  1898  S.  497—521 

giebt,  zum  Teil  in  polemischer  Auseinandersetzung  mit  Herriots  Werk 
(s.  oben  S.  128)  einen  Überblick  über  die  wichtigsten  Probleme  und 
den  gegenwärtigen  Stand  der  philonischen  Forschung. 

Wilmersdorf  bei  Berlin.  Paul  Wendland. 


*)  Ein   anderes  Beispiel  bei  v.  Gutschmid,   Kleine  Schriften  IV  355. 


/3^ 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur 

von 
Dr.  Paul  Viereck. 

Zweck  der  vorliegenden  Arbeit  ist,  über  die  auf  Papyrus  er- 
haltenen öffentlichen  und  privaten  Urkunden  Ag^-ptens  eine  Übersicht 
zu  geben.  Infolgedessen  sind  von  der  Besprechung  ausgeschlossen  die 
nicht  ägyptische  Angelegenheiten  betreffenden  Papyri, ')  sowie  die  litte- 
rarischen, die  in  den  Berichten  über  die  einzelnen  Schriftsteller  oder, 
wie  die  FloXtrsia  'AdTjvaituv,  in  einem  eigenen  Jahresberichte  behandelt 
werden,  2)  ausgeschlossen  sind  auch  die  Zauberpapyri  und  die  astrolo- 
gischen Inhalts. 

Der  erste  Teil  dieses  Berichts  soll  auf  Wunsch  der  Redaktion 
einen  kurzen  Überblick  über  die  älteren  Papyruspublikationen  geben. 
Er  wird  daher  beginnen  mit  der  im  Jahre  1778  gefundenen  Charta 
Borgiana.  Der  terminus  ad  quem  für  diesen  Teil  ergiebt  sich  leicht. 
Ungefähr  ein  Jahrhundert  dauerte  es,  da  wurden  besonders  in  der 
Landschaft  Paijum  große  Massen  von  Papyri  gefunden,  die  in  die 
Museen  und  Bibliotheken  von  London,  Oxford,  Berlin,  Paris,  Wien, 
Genf,  neuerdings  auch  von  Gizeh  und  Heidelberg,  oder  in  Privatbesitz 


^)  Über  die  wenig  zahlreich  außerhalb  Ägyptens  erhaltenen  Papyri 
vgl.  Thompson,  Handbook  of  Greek  and  Latin  Palaeography, 
London  1893,  Cap.  III  Papyrus  S.  33  f  In  Gap.  IX  und  X  S.  118  ff.  be- 
handelt er  unter  Hinzufügung  von  vielen  Schriftproben:  The  Literary  or 
Book-Hand  und  Cursive  Writing  in  Papyri  und  giebt  zu  S.  U.'S  eine  Tafel 
mit  dem  Alphabet  griechischer  Cursive.  Vgl,  auch  die  Übersicht  über  die 
paläogr.  Litt.  S.  327  fl'. 

^)  Eine  Zusammenstellung  der  litterarischen  Papyri  findet  sich  bei 
W.  Watt  enbach,  Anleitung  zur  griechischen  Paläographie 
3.  Aufl.  Leipzig  1895  S.  9-22,  P.  Couvreur,  Inventaire  sommaire 
des  textes  grecs  classiques  retrouves  sur  papyrus  (Revue  de  philol. 
1896  Bd.  XX  S.  165—74)  und  bei  Haeberlin  im  Centralblatt  für  Bibliotheks- 
wesen 1897. 


]36  Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.     (Viereck.) 

übergingen.  Überall  machte  man  sich  mit  Eifer  an  die  Bearbeitung 
dieser  neuen  Funde,  und  so  sehen  wir  uns  jetzt  einer  Masse  von  großen 
nud  kleinen  Publikationen,  einer  die  Papyri  behandelnden  Litteratur 
gegenüber,  die  von  Jahr  zu  Jahr  anschwillt  und  auf  fast  alle  Gebiete 
der  Altertumswissenschaft  befruchtend  wirkt.  Mit  diesen  neuen  Funden, 
die  mehr  und  mehr  in  gemeinsamer  nnd  darum  um  so  erfolgreicherer 
Arbeit  der  Gelehrten  der  verschiedenen  Länder  der  Öifentlichkeit  über- 
geben und  allgemein  nutzbar  gemacht  werden,  wird  der  zweite  Teil  des 
Berichtes  einsetzen.  Wenn  ich  ab  und  zu  schon  vorher  auf  diese 
neueren  Publikationen  eingehe,  so  wird  der  Grund  dafür  leicht  erkannt 
werden.  Auch  daß  ich  nicht  jede  einzelne  Besprechung,  jede  Be- 
merkung über  die  einzelnen  Papyri,  jede  Emendation  erwähnt  habe,  will 
ich  vorausschicken.  Mein  Zweck  ist  der,  allen,  welche  sich  über  die 
älteren  Publikationen  orientieren  wollen,  dies  zu  erleichtern.  Ich  wende 
mich  daher  nicht  an  die  Papyrologen,  die  über  diese  Dinge  ebenso  gut 
oder  besser  Bescheid  wissen  als  ich,  sondern  an  diejenigen,  die  sich 
erst  mit  dem  Studium  der  Papyri  befassen  wollen.  Die  Übersicht  wird 
chronologisch  geordnet  sein,  nur  da,  wo  es  mir  nötig  und  praktisch 
zu  sein  scheint,  werde  ich  über  gleichartige  Papyri  zusammenfassend 
sprechen.  Um  unnötige  Wiederholungen  und  lange  Citate  zu  ver- 
meiden, stelle  ich  die  im  Folgenden  besprochenen  Publikationen  zu- 
sammen und  werde  im  Bericht  selbst  auf  dieses  vollständige  Verzeichnis 
zurückverweisen.  In  Klammern  führe  ich  nach  jedem  Werk  die  ab- 
gekürzte Form  auf,  in  der  ich  das  betr.  Werk  eitleren  werde. 

Terzeichnis  der  besprochenen  Papyruspublikationen. 

E.  Blaß,  Ein  griechischer  Papyrus  in  Wien.  Philol.  XLI  1882. 
S.  746—51,  vgl.  Müllers  Handbuch  der  klassischen  Altertumswissen- 
schaft 2.  Aufl.   1892  I  S.  304  f.  (Blaß,  Artemisiapapyrus.) 

August  Boeckh,  Erklärung  einer  ägyptischen  Urkunde  auf 
Papyrus  in  griechischer  Kursivschrift  vom  Jahre  104  vor  der  christ- 
lichen Zeitrechnung.  Mit  einer  Tafel  in  Steindruck.  Berlin,  Reimer. 
4.    1821.     S.  36.  (Boeckh,  Nechutesurkunde.) 

H.  Brugsch,  Lettre  ä  Monsieur  le  Vicomte  Emmanuel  de  Rouge, 
au  sujet  de  la  decouverte  d'uu  manuscrit  bilingue  sur  papyrus  en 
6critnre  demotico-egyptienne  et  en  grec  cursif,  de  Tan  114  avant  uotre 
ere.     Avec  trois  planches.     Berlin  1850,  Gaertner.     4.     ö.  71. 

(Brugsch,  Lettre.) 

Brunet  de  Presle,  Xotices  et  textes  des  papyrus  grecs  du 
musee  du  Louvre  et  de  la  bibliotheque  imperiale,  publication  preparee 
par  Letronne    in    den  Notices    et  extraits    des    manuscrits    de  la 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.)  137 

biblioth^que  imperiale  et  autres  bibliotheques.  Tome  XVIII  Seconde 
partie.  Paris  1865.  4.  S.  VIII  u.  506.  Dazu  ein  Band  mit  Fak- 
similes.    Großfolio.     52  Planches. 

(Not.  et  Extr.  XVIII,  2  und  Pap.  Paris.) 

Bruns,  Fontes  Juris  ßomani  Antiqui.  Edit.  sexta  cura  Th. 
Mommseni  et  0.  Gradenwitz.  Friburgi  et  Lipsiae.  8.  1893.  S  XX 
u.  384.  (Bruns,  Fontes«.) 

H.  Butt  mann,  Erklärung  der  griechischen  Beischrift  auf  einem 
ägyptischen  Papyi"us  aus  der  Minutolischen  Sammlung  (Abhandlungen 
der  philos.  Klasse  d.  Kgl.  Akad.  d.  Wiss.  zu  Berlin  a.  d.  J.  1824. 
S.  89—115)    mit    einem  Faksimile. 

(Buttmann,  Erklärung  d.  griech.  Beischrift.) 

Antonio  Ceriani,  Un  papiro  greco  del  162  a.  C.  Reale  Istituto 
Lombardo  di  Scienze  e  Lettere.  Rendiconti.  Serie  II.  Vol.  IX.  Milano 
1876.     S.  582—84.  (Pap.  Ceriani.) 

Job.  Gust.  Droysen,  Die  griechischen  Beischriften  von  fünf 
ägyptischen  Papyren  zu  Berlin  (Rh.  Mus.  3.  Jahrg.  1829  S.  491—541) 
=  Kleine  Schriften  zur  alten  Geschichte  v.  Job.  Gust.  Droysen.  Leipzig, 
Veit  u.  Co.  Bd.  I.  1893,  S.  1—39  und  ebendaselbst  S.  386  U.  Wilcken: 
Zu  den  griechischen  Beischriften  von  fünf  ägyptischen  Papyri  zu  Berlin. 

(Droysen,  5  griechische  Beischriften.) 

E.  Egger,  Bulletin  de  la  societe  imperiale  des  antiquaires  de 
France,  Paris  1862,  S.  128—31.  Sur  un  fragment  de  papyrus  grec 
envoye  par  M.  Dugit.  (Egger,  Pap.  Atheniensis  I.) 

E.  Egg  er,  Memoires  d'histoire  ancienne  et  de  Philologie.  Paris 
1863,  Durand.     8.     S.  XI  u.  516.  (Egger,  Memoires.) 

E.  Egger,  Comptes  rendus  de  l'Academie  des  Inscriptions  et 
Belles-lettres.     Nouv.  Serie.     Tome  III.     Paris  1867.     S.  314—19. 

(Egger,  Comptes  rendus.) 

E.  Egger,  Note  sur  un  papyrus  grec  in^dit  (Rev.  archeol.  1872 
Nouv.  Ser.  XXIII,  S.  137—47)  mit  einem  Faksimile  (planche  IV  et  V). 

(Egger,  Rev.  archeol.  1872.) 

E.  Egger,  Papyrus  greco-egyptien  inedit  appartenant  ä  la  biblio- 
theque  de  luniversite  d'Athenes.  Texte  et  comraentaire.  Journal  d. 
Sav.     1873,  S.  30—41   u.  97—112.  (Egger,  Pap.  Athen.  II.) 

J.  Forshall,  Description  of  the  Greek  Papyri  in  the  British 
Museum.  Part.  I  by  order  of  the  Trustees.  London  1839.  Folio.  S.  84. 
Mit  6  Tafein.  (Forshall.) 

B.  P.  Grenfell,  Revenue  Laws  of  Ptolemy  Philadelphus.  Oxford 
1896.  At  the  Clarendon  Press.  4.  S.  LV  u.  253.  Appendix  I.  Pa- 
pyrus 62  of  the  Louvre.  (Grenfell,  Rev.  Laws,  App.  I.) 


138  Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.     (Viereck.) 

Ernst  Haaser,  Der  griechische  Papyrus  der  Kgl.  öffentlichen 
Bibliothek  zu  Dresden.  1885.  Als  Manuscript  gedruckt.  Weimarer 
Hof-Buchdnickerei.  (Haaser,  Pap,  Dresd.) 

F.  G.  Keuyou,  Greek  Papyi'i  in  the  British  Museum.  Catalogue 
with  texts.  Printcd  by  order  of  the  Trustees.  London  1893.  Folio. 
S.  XIX  u.  296.  Dazu  ein  Band  mit  FaksimUes  15Ö  Tafeln.  Großfolio. 
Chronologisch  geordnet.  (Kenyon,  Catalogue  u.  Pap.  Brit.) 

Joh.  Gottfr.  Ludw.  Kosegarten,  Bemerkungen  über  den 
ägyptischen  Text  eines  Papyrus  aus  der  Minutolischen  Sammlung. 
Greifswald,  Universitätsbuchhandlung.     1824.     4.     S    35. 

(Kosegarten,  Bemerkungen.) 

Joh.  Gottfr.  Ludw.  Kosegarten,  De  prisca  Aegyptiorum 
litteratura  commentatio  prima.  Vimariae  1828.  4.  S.  73  (mit  vielen 
Tafeln  mit  demot.  Schrift).  (Kosegarten,  De  prisca  Aeg.  litt.) 

C.  Leemans,  Pap3Ti  graeci  musei  antiquarii  publici  Lugduni- 
Batavi.  Tomus  I  Lugduni-Batavorum  1843.  4.  S.  VIII  u.  143,  mit 
5  Tafeln.     Tomus  II  1885.     S.  VIH  u.  310  mit  4  Tafeln. 

(C.  Leemans,  Pap.  Leid.) 

Let rönne,  siehe  Brunet  de  Presle  und  Passalacqua. 

G.  Lumbroso,  Documenti  Greci  del  Regio  Museo  Egizio  di 
Torino  raccolti.     Torino,  Stamperia  Reale,  1869.     8.     S.  45. 

(Lumbroso,  Documenti.) 

G.  Lumbroso,  Del  papiro  greco  LXIlI  del  Louvre  sulla  semi- 
natura  delle  terre  regle  in  Egitto  e  di  alcune  iscrizioni  inedite  del 
museo  egiziano  di  Firenze.    Torino  1870,  Stamperia  Reale.    8.    S.  26. 

(Lumbroso,  Pap.  LXllI  del  Louvre.) 

Angel 0  Mai,  Classicorum  auctorum  e  Vaticanis  codicibus  edit. 
Tomus  lY  und  V.     Romae  1831—1833.     8.  (Mai,  Class.  auct.) 

J.  F.  Maßmann,  Libellus  aurarius  sive  Tabulae  ceratae  —  apud 
x^brudbanyam  oppidum  transsylvanum  nuper  repertae.  Leipzig  1840. 
"Weigel.     4.     S.  VIII  u.   153.  (MaLmann,  Libellus  aurarius.) 

Mommsen- Jaffe,  Fragmente  zweier  lateinischer  Kaisenescripte 
auf  Papyrus.  Hierzu  eine  lithogr.  Tafel.  Jahrbuch  des  gemeinen  deut- 
schen Rechts  hrsg.  v.  J.  Bekker,  Th.  Muther  u.  0.  Stobbe.  VI,  1863, 
S.  398 — 416.  (Mommsen,  Zwei  lat.  Kaiserrescripte.) 

E-  M uralt,  Catalogue  des  Manuscrits  Grecs  de  la  bibliotheque 
Imperiale  publique  de  Petersbourg.  1864.  Avec  9  planches  litho- 
graphiees.  (Muralt,  Catalogue.) 

The  Palaeographical  Society.  Facsimiles  of  Manuscripts  and 
Inscriptions  edited  by  E.  A.  Bond  and  E.  M.  Thompson.  London. 
GroßfoHo.  Series  I  1873—83.  Plates  1—260.  Series  II  1884-94. 
Plates  1—205.  (Pal.  Soc.) 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslittcratur.    (Viereck.)  139 

G.  Parthey,  Frammenti  di  papiri  greci  asservati  nella  Regia 
biblioteca  di  ßerliuo  in  den  Memorie  deir  Instituto  di  correspondenza 
archeologica.     Volume    II.   Lipsia,     Brockhaus.     1865.     S.  438  —  62 

(G.  Parthey,  Frammenti.) 

G.  Parthey,  Die  griechischen  Papyrusfragmente  der  Leipziger 
Universitätsbibliothek  in  den  Monatsbei.  d.  Kgl.  preuss.  Akad.  d.  Wiss. 
zu  Berlin  1865.     S.  423—39.  (G.  Parthey,  Leipziger  Papyri.) 

G.  Parthey,  Die  thebanischeu  Papyrusfragmente  im  Berliner 
Museum  in  den  Abhandlungen  d.  Kgl.. Akad.  d.  Wiss.  zu  Berlin  1869. 
S.  1—23.  (G.  Parthey,  Theban.  Papyri.) 

J.  Passalacqua,  Catalogue  raisonne  et  historique  des  antiquites 
decouveites  en  Egypte.  Paris.  8.  1826.  S.  XV  u.  303.  Darin 
S.  265—280:  Letronne,  Lettre  ä  M.  Passalacqua  sur  le  papyrus  Grec 
1563,  sur  les  fragments  de  manuscrits  dans  la  meme  langue  ,  490,  et 
sur  plusieurs  du  1564.  Abgedruckt  Not.  et  Extr.  XVIII,  2  S.  400—410. 
(Passalacqua,  Catalogue  u.  Letronne,  Lettre  ä  M.  Passalacqua.) 

Giovanni  Petrettini,  Papiri  Greco-Egizi  ed  altri  Greci  monu- 
menti  dell'  .1.  R.  Museo  di  Corte  tradotti  ed  illustrati.  Vienna,  Stamperia 
Ant.  Straus,    1826.     4.     S.   XII  u.  76  (mit  3  Tafeln    mit  Faksimiles). 

(Petrettini,  Papiri  Greco-Egizi.) 

AmedeoPeyron,  Papyri  graeci  Regii  Taurinensis  Musei  Aegyptii. 
Pars  prima  1826.  S.  180  mit  einer  lithogr.  Tafel.  Pars  altera  1827. 
S,  80  mit  6  lithogr.  Tafeln.  (Excerpta  ex  volumiuibus  XXXI  et  XXXIII 
Actorum  R.  Academiae,  quibus  titulus  Memorie  della  Reale  Accademia 
di  Toriuo).     Taurioi,  Ex  typographia  Regia. 

(A.  PeyroD,  Papyri  Taurinenses  I,  II.) 

Amedeo  Peyrou,  Papiri  Greco-Egizi  di  Zoide  dell'  Imperiale 
R.  Museo  di  Vienna  (Sonderabdruck  aus  den  Memorie  della  R.  Acca- 
demia della  Scienze  di  Torino.  Vol.  XXXIII.  1828.  4.).  S.  43  mit 
3  lithographierten  Tafeln.  (A.  Peyrun,  Papiri  di  Zoide.) 

Bernardino  Peyron,  Papiri  Greci  del  Museo  Britannico  di 
Londra  e  della  Biblioteca  Vaticana  (Sonderabdruck  aus  den  Memorie 
della  Reale  Accademia  delle  scienze  di  Torino.  Serie  IL  Tomo  III. 
Torino  1851.     S.   1  —  112).  (B.  Peyron,  Pap.  Brit.  e  Vatic.) 

Th.  Reinach,  Juifs  et  Grecs  devant  un  empereur  Romain. 
Paris  1894,  A.  Durlacher.     8.     S.  15.  (Reinach,  Juifs  et  Grecs.) 

C.  J.  C.  Reuvens,  Lettres  ä  M.  Letronne  sur  les  papyrus  bi- 
lingues  et  grecs  et  sur  quelques  autres  monuments  greco-egyptiens  du 
musee  d'antiquites  de  Leyde.  Leyde  1830.  4.  S.  164.  Dazu  ein  Atlas. 
Großfolio.     S.  6  mit  5  Tafeln.  (Reuvens,  Lettres  ä  M.  Letronne.) 

Eugene  Revillout,  Chrestomathie  demotique.  Paris  1880. 
Vieweg.     4.     S.  CLXVII  u.  504.  (Revillout,  Cbrest.  dem.) 


140  Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.   (Viereck.) 

Revue  figyptologique  publiee  sous  la  direction  de  MM.  H. 
Brugsch,  F.  Chabas,  Eug.  Revillout.    Paris  1880  ff.         (Rev.  Egypt.) 

W.  Adolf  Schmidt,  Forschungen  auf  dem  Gebiete  des  Alter- 
tums. 1.  Teil  Die  griechischen  Papyrusurkunden  der  Königl.  Bibliothek 
zu  Berlin.  Mit  2  Faksimiles  und  1  Plan.  Berlin,  Finke.  1842.  8. 
S.  IV  u.  400.  (W.  Adolf  Schmidt,  Pap.  Berol.) 

Nicolaus  Schow,  Charta  papyracea  graece  scripta  musei  Borgiani 
Velitri,  qua  series  incolarum  Ptolemaidis  Arsinoiticae  in  aggeribus  et 
fossis  operantium  exhibetur  cum.  adnotatione  critica  et  palaeographica 
in  textum  chartae.     Romae  1789.     S.  XLIV  und  148  mit  6  Tafeln. 

(Charta  Borgiana.) 

Natalis  de  Wailly,  Memoire  sur  des  fragments  de  Papyrus 
Berits  en  Latin  et  deposes  au  Cabinet  des  Antiques  de  la  bibliotheque 
royale,  au  Musee  du  Louvre  et  au  Musee  des  Antiquites  de  la  ville  de 
Leyde  (i.  d.  Memoires  de  Tinstitut  royal  de  France  Academie  des 
inscriptions  et  belles-lettres.     Tome  XV,  1842,  S.  399—423). 

(de  Wailly,  Memoire.) 

Henri  Weil,  Un  papyrus  inedit.  Monuments  grecs  publies  par 
Tassociation  pour  l'encouragement  des  etudes  grecques  en  France.  Vol.  I. 
N.  8.     1879,  S.  1  —  36.  (Papyrus  Weil.) 

K.  Wessely,  Die  griechischen  Papyri  der  kaiserlichen  Sammlungen 
"Wiens.  11.  Jahresb.  über  d.  K.  K.  Franz- Josephs  Gymn.  in  Wien  1885. 
N.  I.  in.  IV.  (Wessely,  11.  Jahresb.  d.  Franz-Jos.  Gymn.) 

K.  Wessely,  Neue  griechische  Papyri  aus  This  und  Panopolis. 
Wiener  Studien  Vn.    1885,  S.  122—139. 

(Wessely,  Wien.  Stud.  VII,  Pap.  Testa  1,  II,  III.) 

K.  Wessely,  Die  griechischen  Papyri  Sachsens.  1.  Die  griechischen 
Papyri  der  Leipziger  Universitätsbibliothek  in  den  Bericht,  d.  Verhandl. 
d.  Kgl.  Sachs.  Gesellschaft  d.  Wiss.  zu  Leipzig.  Phil. -bist.  Klasse  1885, 
S.  237—275.  (Wessely,  Leipziger  Papyri.) 

K.  Wessely,  Der  Dresdener  Papyrus.  Berichte  üb.  d.  Ver- 
handlungen der  Kgl.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wissenschaften  zu  Leipzig. 
Phil.-hist.  Klasse.     1885.     S.  276-84.  (Wessely,  Pap.  Dresd.) 

K.  Wessely,  Bericht  über  griechische  Papyri  aus  Paris  und 
London.    Wiener  Studien.  Vni.   1886.   S.  203  ff.   IX.    1887.   S.  235  ff. 

(Wessely,  Wiener  Stud.  VIII,  IX.) 

K.  Wessely,  13.  Jahresbericht  des  K.  K.  Staatsgymnasiums  in 
Hernais.     Wien  1887.     S.  47  f.  (Wessely,  Papyrus  Edmondstone.) 

K.  Wessely,  Ein  bilingues  Majestätsgesuch  aus  dem  Jahre  391/2 
nach  Chr.  14.  Jahresbericht  des  K.  K.  Staatsgymnasiums  in  Ilernals. 
Wien   1888.     S.   39  —  48.  (Wessely,  Ein  bilingues  Majestätsgesuch.) 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.     (Viereck.)  141 

K.  Wessely,  Zu  den  griechischeu  Papyri  des  Louvre  und  der 
Bibliotheque  nationale.  Zweiter  Teil.  16.  Jahresber.  d.  K.  K.  Staats- 
gymnasiums in  Hernais.     Wien  1890.     N.  IV.     S.  22—50. 

(Wessely,  16.  Jabresb.  d.  Staatsg.  in  Hernais.) 

U.  Wilcken,  Aktenstücke  aus  der  Königlichen  Bank  zu  Theben 
in  den  Museen  zu  Berlin,  London,  Paris,  in  den  Abhandlungen  d.  Kgl. 
Akad.  d.  Wiss.  zu  Berlin  1886.     Anhang.     S.  68. 

(Wilcken,  Aktenstücke.) 

ü.  Wilcken,  Die  memphitischen  Papyri,  im  Hermes  XXII,  1887, 
S.  142—44.  (U.  Wilcken,  Herrn.  XXII.) 

U.  Wilcken,  Ein  Actenstück  zum  jüdischen  Kriege,  im  Hermes 
XXVI,  1891,  S.   464—80.  (U.  Wilcken,  Herrn.  XXVI.) 

U.  Wilcken,  ' T7:o|xvY]|xaTtafi.ou  Philologus  LUI  (N.  F.  VII), 
1894,  S.  80-  126.  (U.  Wilcken,  rz<j^^^r,Y.o.-'.:i^'A.) 

U.  Wilcken,  Alexandrinische  Gesandschaften  vor  Claudius,  im 
Hermes  XXX,   1895,  S.  481  ff.)  (U.  Wilcken,  Hermes  XXX.) 

Stanislaus  Witkowski,  Prodromus  Grammaticae  Papyrorum 
Graecarum  aetatis  Lagidarum.    Cracoviae  1897.     8.     S.  65. 

(Witkowski,  Prodromus.) 

Thomas  Young,  An  account  of  some  recent  discoveries  in 
hieroglyphical  literature  and  Egyptian  antiquities  etc.  with  a  trauslation 
of  five  unpublished  Greek  and  Egj'^ptian  manuscripts.  London,  Murray 
1823.     8.     S,   160.  (Young,  An  account.) 

Thomas  Young,  Hieroglyphics  collected  by  the  Egyptian  Society. 
London.     Vol.  I,  1823.     Vol.  n,  1828.     Großfolio. 

(Young,  Hieroglyphics.) 

Zündel,  Ein  griechischer  Bücherkatalog  aus  Ägypten.  Rh.  M.  XXI 
1866.     S.  431—37.  (Zündel,  Rh.  M.  XXI.) 


142  Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck. 


A.    Die  Charta  Bdrgiana. 

Im  Jahre  1778  fanden  Araber,  wie  es  heißt,  in  Gizeh,  nahe  dem 
alten  Memphis,  einen  Kasten  aus  Sykomorenholz  mit  etwa  50  zu- 
sammengerollten Papj'ri.  Ein  Kaufmann  erstand  einen  von  ihnen, 
während  die  Araber  die  übrigen  anzündeten  und  den  von  den  ver- 
brennenden Papyri  aufsteigenden,  wie  sie  behaupteten,  wohlriechenden 
Duft  einsogen.^)  Dieser  erste  griechische  Papyrus,  der  nach  Europa 
kam,  gelangte  in  den  Besitz  des  Kardinals  Stephano  Borgia  (daher 
Charta  Borgiana),  der  den  Papyrus  in  sein  Museum  nach  Velletri 
brachte,  von  wo  er  später  in  das  Museo  nazionale  in  Neapel  gelangte,  ^j 
Im  Auftrage  des  Kardinals  publizierte  der  dänische  Gelehrte  Nicolaus 
Schow  1789  diese  sogenannte  Charta  Borgiana. 

Der  Papyrus  besteht  aus  13  Kolumnen  von  30 — 34  Zeilen,  dazu 
kommen  21  kleinere  Fragmente.  In  ausführlicher  Einleitung  spricht 
Schow  über  Herkunft,  Herstellung,  Inhalt,  Alter  und  Schrift  des  Papyrus 
und  giebt  außer  sorgfältigen  Indices  auf  6  Tafeln  ziemlich  gute 
Faksimiles  von  ausgewählten  Stellen  des  Textes.  Der  Papyrus  stammt 
aus  dem  33.  Jahre  des  Commodus,  d.  i.  192/3  u.  Chr.  ^)  und  enthält  Ver- 
zeichnisse von  Deich-  und  Kanalarbeitern  (Kaxavöpa  tcüv  dt7r£p7aaa|i.ev(uv 
eic  xa  -/tü|jLaTixa  ep7a).  Tage  und  Ort  der  Arbeiten,  Zahl  und  Name 
der  Arbeiter  sind  in  den  einzelnen  Verzeichnissen*)  genau  angegeben.  Die 
Arbeiter  sind  mit  den  Namen  der  Eltern  oder  des  Vaters  oder  der  Mutter 
allein  aufgeführt,  häufig  werden  sie  auch  als  unehelich  (dijraTtup) ^) 
bezeichnet.     Daneben  findet  sich  oft  Stand  und  Gewerbe,    bei  Sklaven 


')  Vgl.  auch  Vobey,  Voyage  en  Syrie  et  Egypte  1783—85,  der  S.  256 
von  einer  solchen  Verbrennung  von  Papyri  bei  Damiette  erzählt. 

''j  Dort  wird  er  unter  Glas  aufbewahrt  in  d.  äg.  Abteil.  Zimmer  6, 
N.  2318,  2319,  2320,  vgl.  B.  Quaranta,  Le  Mystagogue,  guide  general  du 
musee  royal  Bourbon  Naples  1846  S.  37—42,  und  Monaco,  Guide  general 
du  musee  national  de  Naples  1890,  der  nach  Quaranta  die  beiden  voll- 
ständigsten Kolumnen  wiedergiebt.     Beides  ohne  Wert. 

')  Schow  las  die  Sigle  für  d.  Jahr  nicht,  Wilcken,  Z.  f.  äg.  Sprache 
1883  S.  163  A.  1,  las  La  d.  i.  nach  ihm  191/92,  ^och  steht  deutlich  im 
Original  und  Faksimile  /.f,  d.  i.  192/93.  Zu  der  Auffassung  dieser  Damm- 
arbeiten als  Liturgie  des  Fünftagewerkes  (-£v&r,iJLipicz)  vgl.  Wilcken,  Griech. 
Ostraka  aus  Ägypten  und  Nubien  I  S.  339  (noch  nicht  erschienen). 

•)  Col.  VIII,  ß  i|y.(o/./.!ov),  d.  i.  eine  reihumgehende  Leistung,  nicht 
qx(<ijji'.o/j,  wie  Schow  will. 

^)  Schow  meint,  weil  der  Name  des  Vaters  vergessen  wäre,  habe  man 
äza-ojp  hinzugefügt.    Seine  Auffabsung  ist  unhaltbar. 


Bericlit  über  die  ältere  Papyruslitteratur.   (Viereck.)  143 

der  Name  des  Herrn  aogeführt.  Am  Scliluß  der  einzelnen  Verzeich- 
nisse wird  die  Summe  gezogen  und  ein  amtlicher  Vermerk  hinzugefügt. 
Der  Pai)yrus  ist  mehrfach  abgeschrieben,  u.  a.  auch  von  mir, 
doch  ist  er  nie  neu  publiziert.  Das  wäre  sehr  wünschenswert,  da 
Schow  natürlicherweise  manches  nicht  entziffern  konnte,  vieles  auch 
falsch  las,  z  B.  eine  große  Reihe  von  Namen,  die  uns  durch  die  neuen 
Funde  sehr  geläufig  geworden  sindJ) 

B.    Einzelpublikationen  der  20er  Jahre. 

Bis  1815  fand  man  keine  neuen  griechischen  Papyri,  dann  aber 
bis  in  die  dreißiger  Jahre  hinein  viele  sehr  gut  erhaltene,  wohl  zum 
großen  Teil  in  Thonkrügen  aufbewahrt  gewesene.  Die  Masse  derselben 
stammt  aus  Memphis,  Theben  und  This  und  Panopolis,  einzelne  aus 
dem  Faijüm,  aus  Letopolis^j  in  Mittelägypten  und  aus  Hermonthis, 
Elephantine  und  Syene  in  Oberägypten.  Sie  wanderten,  von  Salt, 
Drovetti,  C'asati,  Grey,  Minutoli  u.  a.  gekauft,  nach  Paris.  London, 
Leiden,  Berlin,  Leipzig,  Dresden,  Wien,  Turin,  Rom,  Mailand  und 
St.  Petersburg  und  einzelne  fanden  bald  ihre  Bearbeiter. 

General  von  Minutoli  übersandte  eine  Nachbildung  einer  vom 
schwedischen  Vicekonsul  Joh.  d'Anastasy  zwischen  zwei  Gläsern  auf- 
bewahrten Papyrusrolle  an  die  Berliner  Akademie.  Bekker,  Buttmann 
und  Boeckh  entzifferten  sie,  der  letzte  publizierte  sie  sodann  mit  aus- 
führlichem Kommentar    und  unter  Beifügung  des  Faksimiles: 

August  Boeckh,  Nechutesurkunde. 

Dies  ist  ein  Kontrakt  über  den  Verkauf  eines  Grundstückes  durch 
4  Geschwister  an  einen  gewissen  Nechutes.  Daher  wird  die  Urkunde 
gewöhnlich  als  Nechutesurkunde  (bisweilen  fälschlich  als  Contrat  de 
Ptolemais)  citiert.  Von  2.  Hand  steht  unter  dem  Kontrakt  eine  Quittung 
über  die  Zahlung  der  Verkaufssteuer.  Boeckh  hat  vieles  nicht  entziffern 
können,  besonders  nicht  die  undeutlich  geschriebene  (Quittung.  Auch 
war  die  linke  zusammengerollte  und  mit  einem  Siegel  verschlossene 
Seite  nicht  aufgerollt  worden.  Von  diesem  Papyrus  spricht  .Toraard, 
Revue  encyclopedique  X,  1821  S.  370 — 80,  wo  er  auch  eine 
französische  I'bersetzung  giebt,  und  in  den  (mir  unzugänglichen) 
Eclaircissements  sur  un  contrat  de  vente  egyptien,  Paris  1822, 


>)  Vgl.  z.  B.  Wilcken,  Abh.  d.  Berl.  Akad.  188C.  S.  29,  der  Col.  6,26 
und  8, 13  A'.Xojpd:  für  Xiz-o-jf/ci;  vorschlägt.  Der  Kontrollvermerk  am  Schloß 
scheint  zu  lauten  \'ä  Kc'aTOf/o;  y.ai  la-.  .  .  .  xc/Tc/3-('>;>i'iv)? 

-)  Vgl.  U.  Wilcken,  Die  griechischen  Papyrus  Urkunden.  Ein  Vortrag, 
gehalten  auf  der  XLIV.  Philologenversammlung  in  Dresden.  Berlin,  Reimer, 
1897.    S.  43  Anm.  10. 


]44  Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.) 

in  deuen  er  ein  Faksimile  giebt.  Nach  einigen  Bemerkungen  von 
St.  Martin  (Journal  d.  Savants  1822  S.  537  ff.)  und  von  Cham- 
pollion-Figeac  (Eclaircissements  historiques)  über  die  Zeit 
und  rektifizierenden  Erläuterungen  in  den  sofort  zu  besprecheudeu 
Arbeiten  von  Young,  Peyron,  Buttmann  u.  a.  ward  der  Papyrus, 
der  mit  der  Sammlung  Anastasy  iu  das  Leidener  Museum  wanderte, 
1830  von  Reu  Yens,  Troisieme  lettre  ä  M.  Letronne,  Art.  I.  S.  1—16 
nach  dem  Original  und  1843  unter  Hinzufügung  der  bis  dahin  nicht 
entrollt  gewesenen  10  Linien  von  C.  Leemans,  Papyri  Leidenses  I. 
S.  67 — 75  Pap.  N.  von  neuem  herausgegeben.  Abgedruckt  bei  B  rüg  seh. 
Lettre,  Appendix  N.  II  S.  62  f.  Vgl.  auch  Adolf  Schmidt,  Papyri 
Berol.,  S.  297. 

Inzwischen  war  der  Text  dieses  Papyrus  mit  andern  von  M.  Grey 
gekauften    und    nach    London    gebrachten    von    neuem    publiziert    von 

Thomas  Young,  An  account. 

Gleichzeitig  erschienen  von  demselben  Autor  zwei  Bände,  Tafeln 
mit  Faksimiles: 

Young,  Hieroglyphics. 

In  dem  ersten  Buch  von  Young  findet  man  Übersetzungen  1.  des 
von  Boeckh  publizierten  Papyrus  Anastasy,  2.  des  sogenannten  Anti- 
graphum  Greyanum ,  eines  griechischen  Papyrus  (^  Hieroglyphics 
Tafel  33,  (wieder  abgedruckt  bei  Kosegarteu,  Bemerkungen  S.  12  f., 
Forshall  N.  I,  E.  Revillout,  Chrest.  demot.  S.  62  ff.  mit  d.  deraot. 
Original,  Pap.  Paris,  dem.  218  Bibl.  Nat.,  und  Kommentar  p.  VII— XXI. 
Kenyon  N.  III.  S.  44  ff.,  vgl.  darüber  unten).  Es  ist  die  griechische 
Übersetzung  eines  in  Paris  befindlichen  demotischen  Papyrus  'Av-ct-fpacpov 
ou^Ypa^f^c  aipTTTiac  Tispi  vsxptüv  iv  Ouvaßouvou  -cevoixevYjc,  3.  des  in  Paris 
befindlichen  demotischen  Originals  mit  der  griechischen  Zollquittung 
(die  Quittung  =  Hierogl.  Taf.  33),  4. — 6.  dreier  demotischer  Papyri, 
Greyanum  A,  B,  C  mit  3  griechischen  Zollquittungen  (=  Hierogl.  Taf. 
34^)  und  35),  7.  eines  demotischen  Papyrus  im  Besitz  von  Mr.  Salt 
a.  d.  J.  124  V.  Chr.,  auch  mit  griechischer  Zollquittung  (—  Hierogl, 
Taf.  36).  Die  griechischen  Texte  der  Papyri  1 — 6  sind  in  Trans- 
skriptionen im  Appendix  I  unter  N.  II,  I  und  III  gegeben.  Aus  den 
Hieroglyphics  ist  außerdem  Taf.  46,  eine  griechische  Freilassungsur- 
kunde zu  erwähnen,  der  sogenannte  Papyrus  Edmondstoae.  Die  darin 
vorkommenden  vormundschaftlichen  Verhältnisse  besprach  Schmidt, 
Papyri  Berol.  S.  298—302  und  305,  vollständig  trunsskribiert  ist 
der  inzwischen  verschollene  Papyrus  von  Wessely,  Papyrus  Edmond- 


')  Die  Umscbrift  giebt  A.  Peyron,  Pap.  Taur.  1  S.  137,  wo  er  auch 
ein  Duplikat  aus  Paris  citiert. 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratiir.    (Viereck.)  ]45 

stone.  Eine  Probe  der  Schrift  siebt  auch  Thompson,  Handbook 
S.  142.  Dieser  Papyrus  aus  d.  J.  355  n.Chr.  stammt  aus  Elephantiue 
TTJc  avw  ÖTj^HaiÖo;.  (Z.  1—2).  Er  enthält  nach  der  Adresse  (Z.  3—6) 
die  Erklärung-  der  Freilassniiff  von  drei  Sklaven  (Z.  6 — 19).  Es  folgen 
darauf  die  Unterschriften  der  Freilassenden  und  ihres  Mannes  als  ihres 
xupio;,    sowie  die  der  Zmgen  (abgedr.  (Jurtius,  Anecd.  delph.  App.  I). 

Mit  den  in  diesen  Publikationen  mehrfach  begegnenden  Quittungen 
über  Zahlung    von  Verkaufssteuer  beschäftigen    sich    die  Arbeiten  von 

H.  Buttmann,  Erklärung  der  griech.  Beischrift. 

Kosegarten.  Bemerkungen. 

Derselbe,  De  prisca  Aegyptiorura  litteratura. 

Ein  Jahr  später  eischien 

Droysen,  5  griechische  Beischriften,  wozu  in  Droj'sens  kleinen 
Schriften  I  S.  386  U.  Wilcken  seine  eigenen  Kopien  giebt.  Das 
sind  Pap.  N.  (36),  37.  38,  39,  40,  41,  alle  aus  dem  2.  Jahrh.  vor  Chr. 

A.  Peyron,  Papyri  Taur.  I  S.  136  f.  (cf.  a.  a.  0.),  A.  Pey.r. 
Pap.  di  Zoidc,  wo  er  S.  35  ff.  von  den  von  Young  publizierten  Quittungen, 
dem  Greyanum  A,  B,  C,  der  Quittung  des  Papyrus  Auastasy  (Boeckh, 
jetzt  Leemans)  und  des  Turiner  Papyrus  demot.  21  mit  Rücksicht 
auf  die  für  (j^iXol  totcoi  gezahlten  Preise  spricht.  Ferner  veröffentlicht 
Brunet  de  Presle,  Not.  et  Extr.  XVIII,  2  S.  215  das  trapezitische 
Register  des  demot.  Pap.  Taur.  XX  vom  44.  Jahre  Euergetes  II  und  unter 
Paris.  15  bis  zwei  andere  derartige  Quittungen  demotischer  Papyri 
(N.  IV  2416  -  A.  Peyron,  Pap.  Taur.  I  S.  137  und  N.  IV  2410). 
Endlich  kommt  in  betracht  noch  Lumbroso,  Documenti,  Cap.  III 
(S  13  if.):  Quietanze  greche  di  contratti  demotici.  Er  führt  die 
griechischen  Quittungen  über  Zahlung  der  Verkaufssteuer  von  den 
Pap.  demot.  Taur.  23,  24,  25  (der  letzte  =  Pap.  demot.  Berol.  37  -= 
9  bei  Brugsch,  Lettre  S.  61)  an,  stellt  sieben  derartige  Quittungen 
aus  Hermonthis  (S.  16)  zusammen,  woraus  sich  ergiebt,  daß  die  Amts- 
zeit der  Bankbeamten  von  verschiedener  Dauer  war,  und  daß  Griechen 
und  Ägypter  diesen  Posten  einnehmen  konnten.  Vgl.  auch  Revillout, 
ehrest,  dem.  S.  XII  ff.  u.  a.  Rev.  Egypt.  II  S.  113  ff.  Sonst  vorkommende 
Quittungen  werden  im  Index  erwähnt  werden. 

Buttmann  erklärt  die  griechische  Beischrift  des  Berliner  demo- 
tischen Pap.  36,  Kosegarten  behandelt  den  demotischen  Papyrus  selbst, 
von  dem  das  Antigraphum  Greyanum  (Young,  Hierogl.  Taf.  33)  die 
griechische  Übersetzung  ist  (auch  bei  Kosegarten  mit  deutscher  Über- 
setzung abgedruckt).  Von  einem  in  Paris  befindlichen  zweiten  demo- 
tischen Exemplar  ^)  hörte  Buttmann  durch  Spohn.    Alle  diese  Arbeiten 


')  Vgl.  Journal  d.  Sav.  1822  S.  560. 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.  Bd.LXXXXVIII.  (1898.  IIL)  10 


146  Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.) 

nehmen    vielfach    auf  einander  Bezusr,    ziehen  vor  allem  auch  die  von 
Boeckh  veröffentlichte  Nechutesurkunde  heran. 

Der  von  Buttraann  veröffentlichte  Papyrus  ist  eine  Verkaufsur- 
knnde.  Ein  Choachyt  (cf.  u.)  Onnophris  aus  den  Memnoneia  bei  Theben 
verkauft  gewisse  Gräber,  ans  deren  Pflege  er  Gewinn  zog,  an  seinen 
Bruder  Horos.  In  der  Beischrift  ist  über  die  Zahluug  der  Verkaufs- 
steuer quittiert.  Darunter  findet  sich  der  Vermerk  des  Vorstehers  des 
^pafpeiov,  daß  dies  in  die  Listen  eingetragen  sei.  Die  Urkunde  stammt 
aus  dem  Jahr  146/145,  dem  36.  Jahr  des  Philometor.^)  Die  Erklärung 
der  Quittung  für  Verkanfssteuer  ist  sehr  verschieden  gegeben  worden. 
Daher  eine  kurze  Bemerkung  über  den  Zusammenhang.  Der  Käufer 
reicht  den  Kontrakt  beim  Zollpächter  (hier  Asklepiades  und  Zminis) 
ein,  dieser  stellt  die  Anweisung  zur  Zahlung  der  Verkaufssteuer 
(oia-fpatpTj)  aus,  die  von  dem  Kontrolleur  (dv-qpa^eu;) ,  einem  königl. 
Beamten,  unterschrieben  werden  muß,  und  auf  grund  dieser  Zahlungs- 
anweisung wird  an  die  Bank  die  gewöhnliche  Abgabe  des  Zehnten  oder 
Zwanzigsten  entrichtet.  In  dem  folgenden  als  Beispiel  angeführten 
Text,  N.  36,  ist  das  Satzgefüge  durch  gesperrten  Druck  hervorgehoben. 

*Etou{  Xz^  Xoia^  8''  TexaxTai  l~\  ttjv  ev  Atoa7:6Xei  t^t  jieTfaXrji  xpa- 
iteCav,  ecp' %  Au3i|jLayo?,  eixouxTJc  IyxüxXiou  xaxa  öia7pa<p-Jiv  'AaxXTjTitaSou 
xal  ZjJLt'vtoc  TeXtüVüiv,  u<f'  tjv  uroYpacpei  Uxokzixaioi  6  dvxqpacpeu? ,  '^öpoc 
"öpou  yoayuTTTjc  cLv^j  töüv  Xoyeuoixevco  v  Si'  aurcöv  yapiv  Ttuv  xet|xeva)v 
vexpwv,  iv  oi;  eyouoiv  iv  toi?  Mefxvoveiotc  r^;  AtßuYjc  xoü  Trspi  Br^ßa?  tacpoit, 
dvd'  fii  TiotoüvTai  XetToup'i'tas,  S  itüvi^aairo  i:ap'  'Ovviucppio;  xoü  "öpou 
yaXxoü  xaXavTCJV  •{ ,  xeXoc  öpayixa;  Ivaxojia;  |  (=  ^i'vexai)  9.  Au<Ti|i.ayoc 
xp(aT:e^ixTj5).  (2.  H.)  'AttoXXwvio;  6  Tipo?  xtui  -(pacpicut  xou  iiepi  ön^ßa? 
jjLexei'XTjcpot  eij  dva'/pa^TQv  L  (=  Ixouc,  X^  Tüßi  e'.  Peyron  wollte  eixoaxT];  von 
Auct'|xayoc  abhängig  machen,-)  Droysen  von  xeXo;,  Buttmann  dagegen  von 
xpdze^av.  2)  Eine  Übersetzung  steht  bei  Droysen.  Nur  das  älteste 
Register  (Pap.  N.  41)  weicht  in  der  Form  etwas  ab,  die  übrigen  sind 
im  wesentlichen  dem  angeführten  gleich. 


')  Vgl.  Revillout,  ehrest,  demot.  S.  VIII.  Buttmann  setzt  ihn  134, 
Kenyon,  Catalogue  146  oder  135,  Droysen  145  an. 

^)  Ebenso  Kenyon,  Catalogue,  Pap.  III,  38. 

3)  Ebenso  später  Wilcken,  Gott.  Gel.  Anz.  1894  S.  725  (vgl.  Akten- 
stücke S.  29,  Anm.  1).  Laß  ßuttmann  und  Wilcken  recht  haben,  obwohl 
sich  sachlich  ihre  Auffassung  von  der  Droysens  nicht  unterscheidet,  scheint 
sich  aus  dem  Wiener  Pap.  26  zu  ergeben,  wo  steht:  i~i  xrjv  iv  Aioa^iuXei 
x/,'.  [jLc((7/.rji)  xc,a(r:!!c/.vj,  ;i'  r^;  E'f^Tjvato;,  =-'.  -/;v  os/.axr,;  if/.u{y.'k>.'yj)  (vgl. 
11.  Jahresber.  d.  Franz- Joseph  Gymn.  in  Wien  S.  10 ff),  und  aus  dem  Pap. 
Par.  15  bis,  wo  nach  dem  Faksimile  zu  lesen  ist:  IrA  xf^v— x(i7::cCav,  ii' 
r,;  Eip,vaio;,  i-\  xyjv  o=zaxr^;. 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.)  147 

Papyri  der  Zois. 

Eine  wichtige,  den  besprochenen  naliverwandte  Publikation  ist 
die  von  Petrettini,  Pap.  Greco-Egizi.  Petrettini  veröffentlichte 
1826  drei  Papyri  aus  Memphis  unter  Hinzufügung  von  sehr  mäßigen 
Eaksimiles.  Der  erste,  eine  sogenannte  -/.aTaßor;,  eine  Verfluchung  ans 
dem  Serapeum  bei  Memphis  v;ird  weiter  unten  besprochen  werden.  Unter 
N.  II  xind  III  (S.  31—58,  Taf.  2  n.  3)  sind  die  beiden  Papyri  der 
Zois  veröffentlicht.  Die  Publikation  war  unzureichend.  Einiges  ver- 
besserte K.  0.  Müller,  Gott.  Gel.  Anz.  1827  S.  1041.  es  behandelte  sie 
dann,  freilich  ohne  den  Sachverhalt  zu  erkennen,  Kosegarten,  De 
prisc.  Aeg.  litt.  S.  69 — 71,  ebenso  Droysen,  5  griech.  Beischr. 
S.  12.  Er  fand  seine  Darlegungen  über  die  Quittungen  über  bezahlte 
Verkaufssteuer  durch  die  Zoispapyri  bestätigt.  Inzwischen  waren 
andere  Gelehrte  an  die  Neubearbeitung  gegangen.  Letronne  gab  im 
Journal  d.  Savans  1828  S.  479  ff.  und  im  Bull,  universel  des 
Sciences  de  M.  de  Ferussac,  7.  Section  vol.  XI  S.  9 — 21  eine 
höchst  wertvolle  Rektifikation  und  Analyse,  zumeist  bestätigt  durch  die 
in  demselben  Jahre  erschienene  Publikation  von  A.  Peyron,  Pap.  di 
Zoide.  Gestützt  auf  seine  Kenntnis  der  Turiner  Papyri  gab  P.  eine 
von  dem  Petrettinischen  Text  und  dessen  Übersetzung  wesentlich  ab- 
weichenden Text,  gleichfalls  mit  Übersetzung.  Nach  dem  Original 
wurde  von  diesen  Papyri  eine  neue  Edition  veranstaltet  von  K.  Wessely, 
11.  Jahresb.  d.  Franz  Jos.  Gyra.  1885  S.  Uff.  N.  III  u.  IV.  Er 
giebt  den  Text  der  Papyri  nebst  deutscher  Übersetzung  des  ersteu. 
Der  Abweichungen  von  dem  Peyronschen  Text  sind  nicht  wenige,  be- 
sonders hervorzuheben  ist,  daß  Wessely  Pap.  11  21  ff.  ergänzt  und  einen 
kleinen  Papyrusstreiten,  der  fälschlicherweise  links  angeklebt  war,  an 
seine  richtige  Stelle  gesetzt  hat  (II,  32).  Schließlich  hatte  Wilcken, 
Aktenstücke  bei  Gelegenheit  der  Veröffentlichung  verwandter  Papyri 
Anlaß,  häufiger  auf  die  Zoispapyri  zurückzukommen. 

Die  Papyri  sind  vom  31.  und  33.  Jahre  eines  Königs,  dessen 
Name  nicht  genannt  ist.  Petrettini  und  Peyron  verzichteten  auf  dessen 
Bestimmung,  andere  z.  B.  Brunet  de  Presle  Not.  et  Extr.  XVIII,  2 
S.  350  nahmen  Philometor  an  (also  die  Jahre  150  und  148),  Wessely 
Euergetes  11  (also  138  und  136).    Der  Inhalt  der  Papyri  ist  folgender: 

Dorion  hatte  mit  anderen  Genossen  die  Eintreibung  der  Natron- 
stener  (v-xpix?])  für  das  29.  Jahr  in  Pacht  genommen.  Ein  Frau 
Thanubis  hatte  sich  für  ihn  verbürgt  mit  11  Talenten  4000  Drachmen. 
Als  Bürgschaft  gab  sie  einen  Garten  von  öVs  Aruren.  Am  Schluß 
des  29.  Jahres  war  Dorion  zahlungsunfähig.  Thanubis  zahlte  der  Bank 
nun  4000  Dr  ,  so  daß  sie  11   Talente  schuldig  blieb;    der  Garten  ver- 

10* 


148  Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.) 

fiel  dem  Fiskus.  Thanubis  ließ  ihn  jedoch  bei  einer  von  ihr  beantragten 
Versteigerung  am  18.  Pharmuthi  des  30.  Jr.hi-es  durch  ihre  Tochter 
Zois  zurückkauten,  und  zwar  erhielt  ihn  Zois  für  10  Tal.  4000  Dr., 
zahlbar  in  4  Raten,  je  zu  2  Tal.  4000  Dr.  Den  Rest  von  2000  Dr. 
hatte  Thanubis  zu  zahlen.  Zois  hatte  die  erste  Rate,  2  Tal.  und 
4000  Dr.,  mit  dem  Steuerzuschlag  der  sSyjxojTrj  und  exatoj-ciQ  2  Tal. 
4426-/3  Dr.,  sofort  im  30.  Jahre  gezahlt.  Über  die  2.  Zahlung  handelt 
der  1.  Papyrus.  Die  3.  Rate  ist  i.  J.  32  bezahlt,  die  Urkunde  dar- 
über ist  verloren.  Die  Zahlung  der  4.  Rate  wird  durch  den  2.  Papyrus 
bestätigt. 

Die  Versteigerung  wird  augeordnet  von  Dorion,  dem  ^svojisvoc 
ewpLeXrjTTjC  -poj  tt|v  l'YXr,<j(iv  xr;;  vt-pixTJc  ~oö  xd  (etou?).  Ihm  fiel  das  Ge- 
schäft zu,  weil  mit  dem  Erlös  der  Auktion  ein  Deficit  der  Kasse,  deren 
£T:iIx£Xr,TT^?  er  war,  gedeckt  werden  sollte.  Die  Urkunde  enthält  nun 
erstens  die  Quittung  über  die  Zahlung  der  betr.  Rate,  ausgestellt  vom 
Bankier.  Ihr  sind  die  voraufgegangenen  Verhandlungen  in  Abschrift 
beigefügt.  Ein  Schreiben  des  Tbeodoros,  den  Wilcken  mit  Recht  für 
den  e-t(j.£Xr,Tf,?  -pci«  ttjv  e^Xr^tJ^iv  x^c  vixpix^  erklärt,  an  den  Trapeziten, 
laut  der  beigefügten  ota^pafpTQ  die  Zahlung  anzunehmen.^)  Die  oiafpacpiq 
enthält  1.  Z.  10 — 32  eine  Feststellung  der  bestehenden  Zahlungsver- 
pflichtung, 2.  Z.  33 — 35  die  Anweisung  zur  Zahluugsannahme  durch 
Theodorus,  3.  Z.  36 — 38  die  gleiche  Anweisung  des  Kontrolleurs 
(dvxqpa'feilj)  Dorion,  ohne  die  des  Theodorus  Anweisung  keine  Gültig- 
keit hätte,  und  4.  die  Untei"schrift  des  Bezirksschreibers,  des  xoro-fpafxixa- 
xeuc,  ^)  daß  nichts  vergessen  sei.  Auf  giund  dieser  öta-^pacp k^  ,  die  mit 
dem  Begleitschreiben  (Z.  5—9)  an  den  Bankier  gesandt  wurde,  erfolgt 
die  Zahlung,  welche  durch  die  Unterschrift  des  Zahlungszeugen  (Itzcl- 
xoXoüÖTjaac  Z.  40)  bescheinigt  wurde.  Theodorus  hatte  das  Aktenstück 
Z.  10—35  mit  dem  Begleitschreiben  vom  3.  Pharmuthi  an  den  Kontrolleur 
Dorion  gesandt,  der  am  4.  die  Anweisung  gegenzeichnet.    Noch  am  selben 


*)  Aus  den  Worten  -/.c/.-6  -r^-j  ö-o/.£'.jjLivr,v  o'-aYf^afV'  ergiebt  sieb  mit 
Sicherheit,  daß  die  l'.ayjrryf^  von  Z.  10—39  reicht,  daß  also  Z.  5—9  nur 
als  Begleitschreiben  bei  der  Übersendung  der  otccfpoi'.&r'  anzusehen  sind. 
Und  thatsächlich  kehren  die  Worte,  die  den  Bankier  zur  Annahme  der 
Zahlung  anweisen,  Z.  33-35  wieder.  Das  hätte  sonst  ja  keinen  Sinn. 
Wilcken,  Aktenstücke  S.  23  hält  5—39  für  die  v.cc,Y>c''f.r;. 

^)  Lumbroso,  Recherches  hält  ihn  für  den  tozoyp'2[iij.«-3J;  des  'Ai/>.t]- 
zuTov,  offenbar  falsch.  Das  'Aoz/..  ist  ein  kleiner  heiliger  Bezirk,  während 
der  -'j-.^fj.  der  Schreiber  eines  großen  Bezirks  war,  in  dem  eine  Menge  von 
xüjjj.o('.  lagen.  Die  -.'-.', ^fjrj\yyrj-i\:_  sind  dem  Range  nach  über  die  /.w^yj{rj'j<^\i.rj.- 
— i;  zu  stellen.  In  den  Kommentaren  über  die  Papyri  ist  vielfach  darüber 
debattiert  worden,  ohne  daß  eine  Einigung  erzielt  wäre. 


o 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.   (Viereck.)  149 

Tage  giebt  auch  der  Bezirksscbreiber  seine  Unterschrift  und  am  G.  er- 
folgte die  Zahlung.  Der  2.  Papyrus  bietet  nur  wenige  Abweichungen 
gegenüber  dem  ersten.  Aus  Peyrons  Kommentar  will  ich  hervorheben, 
daB  er  ~Tj-/ur  für  ein  ^Parallelogramm  erklärt,  dessen  Schmalseite  1  Elle, 
dessen  Längsseite  100  Ellen  beträgt  (^^  Vioo  Arurej.  Diese  Papyri 
gewähren  einen  tiefen  Einblick  in  die  Steuer-  und  Finanzwirtschaft 
der  Ptolemäer  und  geben  die  Erklärung  tür  viele  weiter  unten  (vgl. 
besonders  Wilcken,  Aktenstücke)  besprochenen. 


C.    Die  alten  Papyriissammlungen  von  Turin.  Rom,  London, 
Leiden,  Paris,  Dresden,  Mailand.  Berlin  ii.  a. 

Epochemachend  waren  dann  die  Publikationen  der  größeren 
Papyrussammlnngen,  die  sich  in  Turin,  im  Vatikan,  London,  Leyden, 
Paris  und  Berlin  befinden.  Ich  fasse  diese  zusammen,  weil  sie  vielfach 
untereinander  eng  verwandt  und  nur  durch  Zufall  in  die  verschiedenen 
Städte  zerstreut  sind.  Die  griechischen  Papyri  des  Turiner  Museums, 
aus  der  Sammlung  des  französischen  Konsuls  Drovetti,  wurden  in 
2  Bänden  1826  und  1827  veröffentlicht  von  A.  Peyron,  Papyri 
Tanrinenses.  Er  giebt  nach  einer  lesenswerten  Einleitung  über  das 
Ptolemäerreich  eine  Übersicht  über  die  von  ihm  veröffentlichten  13  Papyri 
(in  Bd.  2  ist  ein  14.  hinzugefügt),  die  mit  Ausnahme  von  XIII,  der  aus 
Memphis  stammt,  nach  der  Erzählung  der  Araber  mit  vielen  anderen 
in  einem  Thonkruge  zusammen  gefunden  und  an  Anastasy,  Salt,  Drovetti 
verkauft  sind.  PejTon  giebt  die  Texte  ohne  Interpunktion  und  Accente 
mit  la\  t'bersetzung  und  ausführlichem,  wertvollem  Kommentar.  Bd.  I 
enthält  Pap.  I  und  II,  Bd.  II  die  übrigen.  Am  Schluß  jedes  Bandes 
sind  Indices  nominum  propriorum,  graecitatis  und  rerum  hinzugefügt. 
Dem  1.  Band  ist  eine  Tafel  mit  einer  Nachzeichnung  des  Pap.  II  und 
einer  Probe  von  dem  großen,  10  Kolumnen  umfassenden  Pap.  I,  dem 
2.  Band  6  Blätter  mit  Nachzeichnungen  der  12  übrigen  Papyri  und 
einer  Zanlentabelle  hinzugefügt.  Berichtigungen  zu  den  Lesungen 
Peyrons  giebt  Lumbroso,  Documenti  N.  II  S.  11 — 13. ^J 

Die  Papyri  des  Vatikan  wurden  veröffentlicht  von  Mai,  Class. 
auct.  IV  uud  V.    IV  S.  442-47,  der  Vat.  B,  V  S.  350-61   Vat.  E 


*)  Übrigens  sind  in  diesem  Buche  sehr  brauchbare  indices  und  im 
App.  II  eine  interessante  aus  d.  32.  J.  des  Augu&tus  stammende  Ebren- 
inschrift  der  /.aJl^f/oj^ocJi  und  ~im/.ujj-<i~'j'.'A  (=  zc(t^c.f>o^C>";o-o:'>t  und  r/.a- 
xoov-ooi(>-oro'.'>i  vermutet  LumbrosoJ  tür  Herakleides,  des  Sochotes  Sohn 
(publiziert  von  Brugsch,  Die  Geographie  der  alten  Ägypt.  Leipz.  1857, 
S.  136  f.). 


150  Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.) 

und  F,  deren  lühalt  gleich  ist,  V  S.  600—604  Vat.  A,  C,  D.  Vat.  B 
ist  später  bei  Letronue,  Not.  et.  Extr.  unter  N,  36  noch  einmal 
veröffentlicht.  Mai  giebt  nur  kurze  Notizen  zu  den  Papyri,  fügt  auch 
lateinische  Übersetzungen  bei;  einige  falsche  Lesupgen  sind  später  ver- 
bessert, die  falsche  Datierung  von  Vat.  B  hat  er  selbst  schon  V.  S.  350 
berichtigt.     Alle  Papyri  stammen  aus  dem  Serapeum  bei  Memphis. 

Die  Papyri  des  britischen  Museums  fanden  1839  einen  Bearbeiter 
in  Forshall.  Er  veröffentlichte  44  Papyri  mit  kurzen  Orthographie, 
Abkürzungen.  Parallelstellen  betreffenden  Notizen.  Auf  eine  nähere 
Besprechung  liess  sich  F.  nicht  ein,  da  die  verwandten  Papyri  in  Leyden 
und  Paris  noch  nicht  veröffentlicht  waren.  ^)  Die  beiden  letzten 
Publikationen  benutzte  1851  zu  einer  neuen  Bearbeitung  Bernardino 
Peyron,  Pap.  Brit.  e  Vatic.  Er  kannte  die  Leydener  und  Pariser 
Papyri  nicht  und  beschränkte  sich  nach  ausführlicher  Einleitung  über 
das  Serapeion  und  dessen  Bewohner  auf  die  chronologisch  geordnete 
Besprechung  der  Brit.  Forsh.  II— XV  und  XVIII  und  Vat.  ABC  und  D. 

Verbesserte  Lesungen  zu  einer  ßeihe  der  Forshallschen  Papyri-) 
gab  Wessely,  Wien.  Stud.  VIII  S.  203  ff.  Derselbe  druckte  dann 
außer  den  Forshallschen  noch  andere  Papyri  ebendaselbst  ab,  einen  1839 
aus  der  Sammlung  Anastasy  augekauften,  jetzt  unter  der  Katalog- 
nummer XLIV  inventarisierten,  ^)  XLV*)  und  endlich  Wiener  Stud.  IX 
1887  S.  235—40  Pap.  LXXVII.^)  Fast  alle  diese  Papyri  sind  1893 
von  neuem  veröffentlicht  in  dem  1,  Bande  des  neuen,  mit  vortrefflichen 
Faksimiles  ausgestatteten  Katalogs,  der  bearbeitet  wurde  von  F. 
G.  Kenyon  .  Catalogue.  Außer  XLIV,  XLV  nnd  LXXVII  nahm  er  auf 
Forshall  I— XXH,  XXIV— XL  und  XLIII— XLIV  (vgl.  die  Übersichts- 
tafel S.  XVII),  und  zwar  diese  unter  neuen  Katalognummern,  nach 
denen  jetzt  regelmäßig  citiert  wird  (Brit.  I,  II  etc.).  Von  den  Forshallschen 
fehlen  also  nur  N.  XXIII,  z.  T.  sehr  lückenhaft  erhaltene  Rechnungen 


*)  Angezeigt  von  Karl  Keil,  Jahns  Jahrb.  f.  Philol.  1841  Bd.  30 
S.  379-S7  und  von  Droysen,  Litt.  Ztg.  1840  N.  14  (=--Kl.  Sehr.  I  S.  39-41), 
der  Forsh.  XLIV  für  ein  Glossar  zu  irgend  einer  fremden  Sprache  hielt. 
Wessely  erkannte  ihn  als  Rest  eines  Regierungserlasses  (s.  oben  im  Text). 

^)  I.  II,  V,  VI,  X,  XI,  XII.  XIV,  XV,  XVIII,  XXXVI,  XXXVIII,  XLIV. 

')  Übersetzung  von  G.  Lumbroao  citiert  von  Revillout,  Rev.  Egypt.  V 
pt.  2  S.  52  f. 

*j  Vorher  publiziert  von  Revillout,  Rev.  Egypt.  IV  pt.  1  S.  67—71, 
Le  Papyrus  Grec  4b  du  British  Museum. 

^)  Behandelt  von  C.  W.  Goodwin,  Law  Magazine,  N.  112  1859,  Law 
Review  N.  50,  1859  (mir  unzugänglich).   Vgl.  Z.  62  ff.  Pal.  Soc.  Ser.  I  pl.  107. 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.)  151 

auf  Sandalen,  und  N.  XLI  und  XLII,  griechische  Unterschriften  zu 
demotischen  Papyri.  ^) 

Aber  auch  diese  Publikation,  die  die  von  Forshall  vollständig; 
hinfällig-  macht,  darf  nur  benutzt  werden  unter  Hinzuziehung;  der 
ausführlichen  Anzeige  von  U.  Wilcken.  Gott.  Gel.  Auz.  1894 
S.  716—49. 

Der  Teil  der  Papyri,  der  iu  das  Museum  von  Leydeu  kam, 
„Sammlung  Anastasy",  gelangte  später  als  die  Wiener,  Turiner  und 
Londoner  zur  Publikation.  C.  J.  C.  ßeuvens  hatte  die  Erlaubnis  be- 
kommen, die  Pariser  Papyri  zu  studieren,  danach  machte  er  sich  an 
die  Leydener  und  veröffentlichte  über  sie  seine 3  Lettres  äM.  Letronne. 
In  dem  dritten  Brief  behandelte  er  die  griechischen  Papyri,  von  denen 
er  z.  T.  die  französische  Übersetzung  gab.  In  dem  beigefügten  Atlas 
ordnete  er  sämtliche  ihm  bekannten  Papyri  nach  Herkunft,  Inhalt  und 
Zeit.  1835  ereilte  Reuvens  der  Tod.  Die  definitive  Publikation  über- 
nahm an  seiner  Stelle  C.  Leemans,  Pap.  Leid.  Der  1.  Bd.  erschien 
1843  und  enthält  20  griechische  Papyri,  mit  den  Buchstaben  A — U  be- 
zeichnet. Alle  Papyri  sind  in  Umschrift  wiedergegeben,  mit  Kommentar 
ausgestattet  und  auf  5  Tafeln  ar.cli  Proben  der  Schrift  gegeben.  Der 
Rest  der  Papyri  wurde  in  einem  2.  Bd.  1885  veröffentlicht.-)  Dieser 
Band  enthält  Pap  V  (Actiones  et  formulae  magicae),  W  (Excerpta  ex 
libris  apocryphis  Moisis),  X  (Excerpta  chemica),  Y  (Alphabetum  et  lite- 
rarum  copulatio)  und  endlich  den  uns  allein  interessierenden  Pap.  Z 
(libellus  supplex).  Die  äußere  Ausstattung  dieses  Bandes  ist  dieselbe 
wie  die  des  ersten.  Vom  Pap.  Z  ist  auf  der  4.  Tafel  ein  vollständiges 
Faksimile  gegeben.  Ihn  veröffenlichte  1888  von  neuem  Wessely,  Ein 
bilingnes  Majestätsgesuch.  Er  stellt  das  Wissenswerte  über  die 
Blemmyer  zusammen  ^j  und  giebt  dann  den  Text  mit  Übersetzung  und 
kritischen  Noten.  Der  auf  der  Insel  Philae  gefundene  Papyrus,  um  das  hier 
gleich  vorwegzunehmen,  ist  eine  von  Appion.  dem  Bischof  von  Syene, 
Contra-Syene  und  Elephantine  in  der  Thebaischen  Eparchie,  im  Jahre 
391/92  an  die  Kaiser  Flavius  Theodosius  und  Flavius  Yalentinianus  ge- 
richtete Bittschrift,  den  Bewohnern  und  der  Kirche  militärischen  Schutz 
gegen  die  Einfälle  der  Blemmyer  und  Annubaden  zu  gewähren.  Die 
wenigen  lateinischen  Worte  hat  Wessely  nicht  richtig  gelesen.  Sie  sind, 
wie  Wilcken  (Berl.  Philol.  Wochenschrift  1888  Sp.  1205  ff.)  erkannte, 


^)  Von  diesem  I.  Teil  des  Berichts  bleiben  die  sonst  io  dem  I.  Bande 
des  Katalogs  von  Kenyon  publizierten  Papyri  ausgeschlossen. 

'-')  Vgl.  Berthelot,  Journal  des  Savants  1886  S.  208—22,  263-80, 
335—53;  A.  Dieterich,  Fat/,  magica  mus.  Lugd.  Bat.  Jahrb.  f.  Philol.  Suppl. 
1888,  S.  747-829.    Abraxas.  Leipz.  1891,  S.  167-205. 

')  Litteratur  siehe  bei  Wessely. 


152  Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.   (Viereck.) 

das  Ende  eines  Reskripts  des  Kaiseis  Theodosius  und  heißen:  bene 
valere  te  cupimus.  Endlich  sind  einige  Reste  von  Kaiserreskripteu  auf 
Leydeuer  und  Pariser  Papyri  von  Monimseu  und  Jaffe  in  Stobbes  Jahrb. 
f.  d.  gemeine  Recht  VI  1860  S.  398  ff.  behandelt  V) 

Am  längsten  ließen  die  Pariser  Papyri  auf  sich  waiten.  1821 
hatte  der  Reisende  Casati  an  das  Kgl.  Antike  ukabinett  in  Paris  einige 
Papyri,  darunter  die  berühmte,  häufig  als  'Papyrus  Casati'  citierte  Ver- 
kaufsurkunde (jetzt  Parisinus  5)  v.J.  114  v.Chr.,  verkauft.  Letronne 
erkannte,  als  er  an  das  Studium  der  Pariser  Papyri  ging,  bald  deren 
Zusammenhang  mit  denen  der  übrigen  Museen,  deren  Publikation  er 
eingehend  verfolgte  und  worüber  er  berichtete.-)  Inzwischen  waren  neue 
Pap3'ri  erworben  von  Drovetti  und  Salt.  Letronne  fand  einen  Mit- 
arbeiter in  Hase.  Es  erschienen  einige  Einzelpublikationen  von  ihm, 
so:  Papyrus  grec  du  regne  d'Euergete  II  contenant  Tannonce 
d'une  recompepse  promise  k  qui  ramenera  deux  esclaves 
6chappes  (Journ.  d.  Sav.  1833  S.  329—41,  477— 86)  jetzt  Paris.  N.  10, 
sodann  Papyrus  grec  du  rausee  royal  contenant  une  plainte 
en  violation  de  sepulture.  (Extrait  des  nouvelles  annales  publikes 
par  la  section  frangaise  de  Tlnstitut  archeologique  t.  I.)  Paris  1836,^) 
jetzt  Paris.  N.  6,  ferner  Lettre  ä  M.  J.  Passalacqua  sur  un 
papyrus  grpc  et  sur  quelques  fragments  de  plusieurs  papyrus 
appartenant  ä,  sa  collection  d'antiquites  egyptiennes,  Paris 
1826,  (darin  Lettre  de  recommandation  d'un  haut  fonctionnaire."*)  Da- 
neben sind  zu  beachten  Letronne,  Recherches  pour  servir  ä 
rhistoire  de  l'Egypte,  Paris  1823  und  sein  Recueil  des  In- 
scriptions  grecques  et  latines  de  l'Egypte  2  Bde.  Paris  1842 
und  48  nebst  Atlas.  An  der  seit  1828  vorbereiteten  Gesamtpublikation 
der  Pariser  Papyri  wurde  Letronne  jedoch  durch  seinen  Tod  (14.  Dez. 
1848)  verhindert.     Erst  1865    wurde  die  Sammlung  herausgegeben  mit 


*)  Daselbst  die  frühere  Litteratur  darüber:  Maßmann,  Libellus 
aurarius  S.  147  ff.  publiziert  einen  Leyd.  Pap.  mit  Faksimile,  de  Wailly, 
Memoire  die  Pariser  und  Leydener  mit  Faksimiles  u.  a.  Frg.  Leid.  B  wieder- 
gegeben Pal.  Soc.  Ser.  11  pl.  30. 

-)  Diese  Einzelarbeiten  sind  in  der  Einleitung  Not.  et  Extr.  XVIII, 
2  citiert. 

^)  Wieder  abgedruckt  von  ihm  in  den  Fragments  in^dits  d'anciens 
poetes  Grecs  tires  d'un  papyrus  appartenant  au  Musee  royal  avec  la  copie 
de  ce  papyrus  appartenant  au  meme  musee  publica  de  nouveau  avec  des 
additions.     Paris  ISb.^,  S.  29—34, 

')  Gedruckt  bei  Passalacqua,  Catalogue  des  antiquites  decouvertes  ea 
Egypte,  Paris  182(i,  mit  einem  Faksimile  des  Pap.  1563  und  von  neuem  Not.  et 
Extr.  XVUI,  2  S.  400  ff. 


Bericht  über  die  ältere  Papyrusiitteratur.   (Viereck.)  153 

Unterstützung  von  liase  und  Egger  durch  W.  Briinet  de  Presle, 
Not.  et.  Extr.  XVIII  2  mit  einem  Bande  Faksimiles  in  Groß-Folio 
(52  planches).^)  Vorausgeschickt  ist  ein  Bericht  über  die  Papyrus- 
studien (S.   1  —  24).     Es    folgen    dann  die  Papyri  in  4  Klassen  geteilt : 

1.  Pikees  ayant  un  int^ret  scientitique  ou  litt^raire  (1 — 4  bis). 

2.  Pikees  relatives  ä  des  affaires  d'interet  particulier  (5—21). 

3.  Serapeum  de  Memphis  (22 — 60). 

4.  Pieces  relatives  k  des  affaires  d'administration  (61  —  69). 

Zu  den  meisten  Papyri  sind  ausführliche  Kommentare  hinzugefügt. 
Gute  indices  bilden  den  Beschluß  des  Bandes.  Viele  der  Papyri  sind, 
wie  erklärlich,  unzulänglich  publiziert  worden.  Das  kann  jedoch  den 
auljerordentliclien  Wert  dieses  Bandes  nicht  beeinträchtigen. 

Mit  der  Mehrzahl  der  Pariser  Papyri,  nämlich  den  aus  dem 
Serapeion  stammenden,  gehören  einige  zusammen,  die  später  in  Einzel- 
publikationen der  Öffentlichkeit  übergeben  sind:  Der  Mailänder  von 
Antonio  Ceriani  1^76  publizierte  mit  kurzen  kritischen  Noten  ver- 
sehene vom  J.  162  V.  Chr.,  eine  Urkunde,  von  der  zwei  Entwürfe  sich 
in  Leyden,  zwei  in  Paris  betinden.  Zweitens  der  von  Henri  Weil 
1879  herausgegebene.  Dieser  Papyrus,  der  später  in  den  Besitz  von 
ChampoUion-Figeac,  dann  in  den  von  Ambroise  Firmin  Didot  kam,  ent- 
hält, neben  mehreren  tragischen,  einem  komischen  Fragment  und  zwei 
Epigrammen  der  Alexandrinerzeit  (S.  1  —  34  der  Publikation)  Un  compte 
de  depenses  aus  dem  Serapeion  bei  Memphis  vom  J.  161.  Drittens 
ein  Papyrus  aus  Dresden^)  1885  veröffentlicht  von  Ernst  Haas  er, 
Pap.  Dresd.  und  von  Wessely,  Pap.  Dresd.  Der  Papyrus  ist  von 
Drovetti  erworben,  1832  der  Kgl.  Bibliothek  in  Dresden  geschenkt,  jetzt 
im  Japanischen  Palais.  Er  ist  gleichlautend  mit  Paris.  30.  Leid;  D 
und  E.  Auf  derselben  Seite  beginnt  unten  ein  Brouillon  für  eine  neue 
Eingabe.  Ebenso  enthält  auch  das  Verso  eine  Bittschrift  mit  außer- 
ordentlich vielen  Korrekturen. 

Schließlich  stammt  aus  dem  Serapeum  der  von  Petrettini, 
Pap.  Greco-Egizi  S.  1—28  (vgl.  Tafel  I)  veröffentlichte  sogenannte 
Artemisiapapyrus.  Die  unzulängliche  Publikation  Petrettinis  wurde 
1882  ersetzt  durch  die  nur  nach  Petrettinis  Faksimile  ausgeführte  vor- 
zügliche Ausgabe  von  E.  Blaß,  Artemisiapapyrus,  eine  Ausgabe, 
der  3  Jahre  später  eine  Nachvergleichung  des  Originals  folgte  durch 
Wessely,  11.  Jahresb.  d.  Franz.-Jos.  Gymn.  unter  N.  I.  Ein 
Faksimile  ist  gegeben  Pal.  Soc.  II,  Tafel  141. 


*)  Die  Papyri  sind  z.  T.  im  Louvre,  z.  T.  in  der  ßibliutheque  nationale. 
-)  Vgl.  Droysen,  Lit.  Ztg.  1S40.  N.  14  =--  Kleine  Schrift,  z.  alt.  Gesch. 
I  S.  39  f. 


154  Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.) 

Mit  audereu  aus  Panopolis  stammenden  Papyri  der  Pariser 
Publikation  (Pap.  20,  21,  21  bis,  21  ter  und  Pap.  Jomard)  sind  einige 
Papyri  aus  Berlin  und  Wien  zu  verbinden.  In  der  Berliner  Bibliothek 
befinden  sich  nämlich  2  Papyri  des  Purpurhäudlers  Aurelios  Pachymios, 
publiziert  1842  von  W.  A.  Schmidt  (Pap.  Berol.).  Er  £:iebt  die  nach 
Dnrchzeichnuug  hergestellten  Faksimiles,  die  Texte  und  l'bersetzungen. 
Seine  Lesungen  sind  z.  T.,  besonders  im  Pap.  II,  hintällig,  damit  auch 
seine  Erklärung.  Doch  enthält  der  umfassende  Kommentar  viele  be- 
achtenswerte Austührungen,  u.  a.  S.  96 — 212  eine  Abhandlung  über  die 
Purpurfärberei  und  den  Purpurhandel  im  Altertum,  S.  213 — 81  das 
System  der  ägyptischen  Körpermaße,  S.  282 — 302  Beiträge  der  Papyrus- 
litteratur zur  Geschichte  der  Tutel,  wobei  er  den  Pap.  Casati  (Not.  et 
extr.  XVIII,  2  Paris.  17),  die  Nechutesurkunde  (Leid.  N.)  und  den 
Papyrus  Edmonstone  (vgl.  Young,  Hieroglyphics  46,  Wessel}^  Papyrus 
Edmondstone)  bespricht.  Schmidts  Publikation  wuide  wieder  aufge- 
nommen durch  Brunet  de  Presle,  der  im  Anschluß  an  verwandte  Pariser 
Papyri  die  Berliner  in  den  Not.  et.  extr.  XVIII,  2  S.  254—57  mit 
einigen  Änderungen  abdruckte.  Endlich  hatte  K.  Wessely  Veran- 
lassung, auf  diese  Papyri  zurückzukommen.  Er  hatte  in  den  Wiener 
Studien  VII  1885  S.  122 — 39  „Neue  griechische  Papyri  aus 
This  und  Panopolis",  drei  Papyri  publiziert,  die  im  Besitz  von  dem 
Attache  bei  der  deutschen  Gesandtschaft  in  Konstantinopel  Herrn  Testa 
waren.  Von  diesen  hatte  der  erste,  eine  Darlehnsurkunde  des  Aurelios 
Kallinikos,  mit  dem  Berol.  II  sehr  große  Ähnlichkeit.  Nachdem  er 
bei  dieser  Gelegenheit  einige  Verbesserungsvorschläge  zu  den  Berliner 
Papyin  gemacht,  publizierte  er  beide  Pap.  mit  Übersetzung  von  neuem 
im  16.  Jahresber.  d.  Staatsgymu.  in  Hernais.  Wien  1890  S.  22 — 50 
unter  N.  IV,  wo  er  die  zahlreichen  Abweichungen  von  den  Lesungen 
Schmidts  und  Brunets  de  Presle  zusammenstellt,  unter  anderem  auch 
mit  einem  Fetzen,  in  dem  Schmidt  den  Hest  einer  Kopie  des  Berol.  I 
zu  sehen  geglaubt  hatte,  eine  Lücke  in  den  Zeilen  27 — 31  des  Berol. 
ausfüllt.    S.  47  wiederholt  er  auch  die  Darlehnsurkunde  des  Kallinikos. 

Es  ist  natürlich  unmöglich,  würde  auch  über  den  Plan  dieses 
Jahresberichtes  hinausgehen,  die  Verbesserungsvorschläge  für  die 
einzelnen  Papyri  sämtlich  aufzuzählen.  Einzelnes  ist  ja  erwähnt  worden, 
wird  auch  suo  loco  immer  erwähnt  werden.  Viele  Vorschläge,  die  im 
einzelnen    nicht    aufgeführt    werden    können,    sind  von  E.  Revillput 


'j  Die  Berliner  sind  teils  im  Museum  (W.  A.  Schmidt,  Pap.  Berol., 
G.  Parthey,  Frammentij,  teils  in  der  Bibliothek  (Buttmann,  Erklärung 
d.  griech.  ßeischrift.  Letronne,  Lettre  ä  M.  Passalacqua,  Droysen, 
5  griech.  Beischr.,  Parthey,  Theban.  Papyri). 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.)  155 

in  der  Revue  egj'ptologique  gemacht,  viel  ist  von  ihm  zur  Erklärung 
beigetragen  worden,  auch  in  den  neueren  Publikationen  sind  gelegent- 
lich viele  von  den  älteren  Papyri  wieder  zur  JCrläuterung  herange- 
zogen und  z.  T.  dabei  emendiert.  Eine  große  Reihe  von  Verbesserungs- 
vorschlägen lieferte  dann  endlich  in  neuester  Zeit  Witkowski, 
Prodromus.  Dies  Buch  ist  eine  Vorarbeit  für  eine  Grammatik  des 
Griechischen,  das  die  Ptolemäerpapyri  uns  kennen  lehren.  Witkowski 
hat  zu  diesem  Zweck  die  Papyruspublikationen  durchgearbeitet  und  die 
Stellen,  die  er  glaubte  ändern  zu  müs^sen  in  den  Symbolae  criticae 
S.  9  ff.  zusammengestellt.  Da  sind  behandelt  unter  N.  1  Papyri 
Taurinenses,  unter  N.  2  Papyri  Vaticauae  (Vat.  F  ist  neu  ediert),  unter 
N.  3  Papyri  Leidenses,  unter  N.  4  Papyri  Parisinae  (N.  14  und  34  werden 
vollständig  neu  ediert)  und  unter  N.  5  endlich  Papyri  Britaunicae.  Das 
übrige  ^eht  uns  hier  nichts  an.  Leider  hat  Witkowski  die  Originale 
nicht  gesehen,  sondern  nur  die  Faksimiles.  Nur  die  Vaticauae  hat 
Lnmbroso  für  Witkowski  verglichen  (vgl.  S.  11).  Die  Sache  eines 
jeden  wird  es  daher  sein  müssen,  in  jedem  einzelnen  Falle  die 
Witkowskischen  Lesungen  nachzuprüfen,  eventuell  am  Original,  wie 
man  ja  auch  meist  gezwungen  sein  wird,  zur  exakten  Feststellung  des 
Textes  eines  Papyrus  sich  nicht  mit  der  letzen  Edition  zu  begnügen, 
sondern  die  früheren  auch  um  Rat  zu  fragen.  Willkommen  wird  dem 
Papyrologen  auch  die  Publikation  der  Palaeographical  Society  sein, 
die  auch  von  einer  Reihe  dieser  älteren  Papyri  vorzügliche  Faksimiles 
giebt.  Jeder  Tafel  ist  die  Umschrift  des  Papyrus  sowie  einige 
orientierende  Bemerkungen  über  Gestalt,  Inhalt,  Publikationen  und 
Paläograpbie  hinzugefügt.  Bei  den  einzelnen  Papyri,  die  dort  wieder- 
gegeben sind,  wird  dies  bemerkt  werden. 

Die  in  diesen  Publikationen  mitgeteilten  Papyri  zerfallen  nun  ihrer 
Herkunft.  Zeit  und  ihrem  Inhalt  nach  in  mehrere  große  Gruppen. 

I.  Papyri  aus  dem  Serapeum  bei  Memphis. 

Zu  diesen  gehören  Paris.  11.  12,  22—60  (N.  36  ist  jedoch  der 
Vat.  B):  Brit.  (Kenyon)  XXII, *)  XX,  XVII,  XXI, 2)  XXVII,  XXXI, 
XTK,  XXXIV,  3)  XXXIIL  XXVI,  XVIII,  XXXV,  XXIV  Verso,  XLL 
XLII,  XXIV  Rpcto,  XLIV,  XLV.  XXIII,  XXVIII;  Leid.  B,  C,  D, 
E,  G,  H,  I,  K,  C,  S,  T,  G  Verso,  U:  Vat.  A,  B,  C,  D,  E,  F;  Dresd.  I, 
II,  III,  der  Pap.  Ceriani.  der  Pap.  Weil  und  der  Artemisiapapyrus. 

Von    diesen    Papyri    beschäftigt    sich    ein    großer  Teil    mit    den 


0  Vgl.  Pal.  Soc.  Ser.  II  Fl.  22. 
=)  Ibid.  Ser.  1  pl.  i. 
^j  Ibid.  Ser.  II  pl.  23. 


156  Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.) 

Augelegenheiten  dei' Zwillinge  Thaous  und  Thaues  und  ihres  Be- 
schützers, des  Ptolemäus,  des  Sohnes  des  Glaucias,  eines 
Macedouiers.  Was  wir  aus  den  Papyri  über  das  Serapeum  lernen, 
ist  von  den  Herausgebern  der  Papyri  zusammengestellt,  besonders  von 
Bernardino  Peyron,  Brnnet  de  Presle  und  Kenyon.  Das  Notdürftigste 
sei  hier  angedeutet.  Das  Serapeum  ist  ein  mit  der  Stadt  Memphis 
durch  einen  mit  Sphinxen  eingefaßten  Spoixo?  verbundener,  heiliger 
Bezirk,  der  neben  dem  Heiligtum  des  Serapis  auch  Tempel  des 
Äskulap,  der  Astarte  und  des  Anubis,  sowie  den  Bezirk  des  Apis 
enthielt.  Die  Bewohner  waren  teils  für  die  gottesdienstlichen  Hand- 
lungen angestellt,  teils  solche,  die  sich  aus  religiösen  Gründen  frei- 
willig als  Einsiedler  (ol  iv  xato/v]  ovts?)')  in  das  Heiligtum  zurückge- 
zogen hatten  und  es  nicht  verlassen  durften.  Zu  ihnen  gehörte 
Ptolemäus,  des  Glaucias  Sohn,  dessen  Vater  sich  in  Psychin  im 
Herakleopolitischen  Gau  angesiedelt  hatte  und  dort  zwischen  170  und 
164  gestorben  war.  Ptolemäus  tritt  als  Protektor  der  Zwillings- 
schwestern Thaues  und  Thaous  auf,  deren  Geschichte  im  Paris  22.  steht. 
Ihr  in  Memphis  ansässiger  Vater  hatte  eine  gewisse  Nephoris  ge- 
heiratet, wohl  die  Stiefmutter  der  Zwillinge.  Nephoris  lebte  jedoch 
mit  einem  anderen  Mann  zusammen,  der  aut  den  Vater  der  Zwillinge 
einen  Überfall  machte,  wodurch  dieser  bewogen  wurde,  nach  Herakleo- 
polis  zu  fliehen,  wo  er  auch  starb.  Nephoris  nahm  sein  Eigentum  in 
Besitz,  verjagte  die  Zwillinge,  die  durch  Ptolemäus'  Vermittelung  — 
er  war  ein  Freund  ihres  Vaters  —  eine  Anstellung  im  Serapeiou 
fanden  165  v.  Chr.  In  diesem  Jahre  war  ein  Apis  gestorben.  In  der 
Trauerperiode  (tzev^o?)  traten  Thaues  und  Thaous  ihi-  Amt  als  Nach- 
folgerinnen eines  anderen  Zwillingspaares  an.-)  Sie  mußten  dem 
Serapis,  der  Isis,  die  -apeöpoc  des  Serapis  war,  und  dem  Äskulap 
Spenden  darbringen.  Dafür  hatten  sie  Anspruch  auf  2  Metreten 
Sesamöl  und  Kiki  das  Jahr  und  S  Laib  Brot  täglich  tür  den  Serapis- 
dienst, sowie  3  Laib  Brot  täglich  für  den  Asklepiosdienst.  Diese 
Lieferungen  hatten  in  den  ersten  6  Monaten  regelrecht  stattgefunden. 
Aber  im  Anfang  des  18.  Jahres  des  Philometor  (164/63)  hörten  sie  auf. 
Nach  vergeblichen   Vorstellungen    bei    den    niederen  Beamten    wenden 


';  Vgl.  Revillout,  Rev.  Egypt.  I  S.  160  ff.  Le  reclus  du  Serapeum; 
II  143  ff. 

^)  Weil  1.  <-.  spricht  die  Vermutung  aus,  daß  diese  Zwillinge  stets  die 
Namen  Thaues  und  Thaous  führten.  Einen  Anhalt  dafür  haben  wir  jedoch 
nicht.  Möglich  ist,  daß,  wie  Peyron  vermutet  (S.  19  f.),  mit  dem  Tode 
des  Apis  die  \\[j<jWJl-=.vj.  eines  solchen  Zwillingspaares  aufhörte,  und  daß 
sie  ihr  Amt  dann  anderen  Zwillingen  abtreten  mußten. 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.)  157 

sich  die  Zwillinge  in  der  2.  Hälfte  des  18.  Jahres  (Anf.  163  v.  Chr.) 
an  höhere  Beamte,  ja  sogar  an  den  König  Philonietor  und  die  Königin 
Kleopatia  selbst.  Und  ihrer  nimmt  sich  dabei  Ptolemäus.  des  Glaucias 
Sohn,  an.  Ich  gebe  eine  kurze,  möglichst  chronologisch  geordnete  Zu- 
sammenstellung. Viele  Eingaben  existieren  in  mehreren  Entwürfen, 
häufig  fast  gleichlautend.  Die  definitiven  Eingraben  sind  meist  daran  zu 
erkennen,  daß  sie  von  den  Korrekturen,  die  die  übrigen  Exemplare 
zeigen,  frei  sind  und  amtliche  Vermerke  und  Randnotizen  haben ,  die 
die  Regelung  der  Angelegenheiten  betreffen.  Außer  den  Petitionen 
selbst  sind  eine  ziemliche  Reihe  von  Aktenstücken  der  verschiedenen 
Beamten  erhalten,  die  mit  diesen  Dingen  zu  thun  hatten.  Unter  ihnen 
ist  der  6ioixr,TVj;,  !jr.ooioiY.r]rffi,  dtvxqpacpeu;  und  i-.l.\i.z\r^-:■r^z ,  sowie  deren 
Unterbeamte.  ^)  Auf  die  rückständigen  Lieferungen  des  18.  und  19, 
Jahres  beziehen  sich  folgende  Papyri  aus  den  Jahren  164 — 161: 

Brit.  XXII,  Paris.  22  (=  Paris.  23),  Leid.  B,  Paris.  26,  Paris  25. 
Brit.  XX,  Brit.  XVII  a  c^)  b,  Brit.  XXVI. 3)  Brit.  XXVIL  Brit.  XXXI,*) 
Leid.  C,  Brit.  XXI,  Paris.  31,  Brit.  XIX. 

Einen  zweiten  Feldzug  für  die  Lieferung  von  Öl  für  das  20.  und 
21.  Jahr  des  Püilometor,  162/61  und  161/60,  betreffen  Paris.  30  (=Dresd. 
1.6)  =  Leid.  D  Fol.  1  =-  Leid.  E  Folio  1,  wo  jedoch  nur  Z.  1—15 
steht,  das  Ende  also  fehlt.  Der  Parisinus  ist  der  wirklich  eingereichte 
Papyrus,  der  den  amtlichen  Vermerk  trägt,'')  Brit.  XXXIV,  Leid.  D 
Fol.  11,^)  Paris.  33  (=  Brit.  XXXIIP),  Paris.  29. 


*)  Vgl.  auch  Revillout,  Rev.  Egypt.  V  1888  S.  31—62:  Les  papiers  ad- 
ministratifs  du  Serapeum  et  l'organisation  sacerdotale  en  Egypte. 

*)  c,  d.  i.  Z.  27—45  des  Brit.  XVII,  ist  die  Abschrift  eines  Original- 
berichts, der  in  dem  unpublizierten  Pap.  Vaticanus  2289  erhalten  ist  und 
dessen  Abweichungen  Wilcken,  Gott.  Gel.  Anz.  1894  S.  720  mitteilt. 

')  Vgl.  Wilckens  Erklärung  dieses  Pap.  1.  c.  S.  722. 

*)  Die  Originalurkunde  Brit.    XXVII   ist   in   XXXI  6—12  wiederholt. 

*)  Auf  derselben  Seite,  wo  Dresd.  T  steht,  beginnt  ein  Brouillon  für 
eine  neue  Eingabe  (3  Zeilen)  und  auf  dem  Verso  eine  andere  Eingabe  mit 
außerordentlich  vielen  Korrekturen.  Die  Z\^'illinge  bitten  um  die  ouvTa^-; 
des  18.,  19.  und  des  halben  20.  Jahres.  Oben,  unten  und  an  der  Seite  ist 
begonnen    oder    auch  ausgeschrieben  der  Vermerk  Msv-'^oz-.  zfiovor^f^^va'.  toI; 

*)  Nach  Wessely:  -oI;  ■,'f>auni[a-:£D3iv 

iZ'.3/[367.(JLE- 

v'v.y;  dy[=.,iy.v.y. 

'')  Die  Verfügung  des  (zv-:'.-(,cioa>c'J:,  durch  Fäden  zusammengeheftet  mit 
Leid.  D  Fol.  I. 

*)  Das  Verso  enthält  eine  schlechte  Kopie  des  Anfangs  eines 
Briefes. 


158  Bericht  über  die  ält'.-re  Papyruslitteratur.   (Viereck.) 

Die  die  Brotlieferungen  betreffenden  Papyri  sind  weniger  zahl- 
reich nnd  schwerer  zu  ordnen.  Sie  sind  alle  aus  dem  Jahre  162/61. 
Es  sind  folgende: 

Vat.  D,  Brit.  XVIII,  Brit.  XXXV  (^  Brit.  XXIV  Verso), 
Pap.  Ceriani  (=-  Paris.  27  =  Paris.  28,  der  nur  die  erste  Hälfte 
der  Petition  enthält,  =  Leid  E,  eine  fehlervolle  Abschrift,  die  4  Zeilen 
mehr  enthält  als  Paris.  27),  Vat.  C  (vielleicht  nur  eine  andere  Version 
der  vorangehenden). 

Die  Brotlieferung  für  den  Dienst  im  Asklepieion,  auf  die  im 
Brit.  XXXV  Z.  27  Paris.  26,  27,  Vat.  C  und  D  hingewiesen  wird, 
betriflft  Brit.  XLI. 

Wie  sich  Ptolemäus  der  Zwillinge  annahm,  so  auch,  wie  es 
scheint,  einmal  einer  Frau,  die  im  Serapeum  Zuflucht  gesucht  hatte r 
Paris.  24  a.  d.  J.  164.  Zudem  waren  Ptolemäus  selbst  und  sein 
Bruder  Apollonius  als  Griechen  wiederholt  Belästigungen  und  thätlichen 
Angrififen  und  Beranbungen  von  Seiten  der  ägyptischen  Angestellten 
des  Serapeums  ausgesetzt.  Deswegen  richteten  sie  eine  Reihe  von  Be- 
schwerden an  den  König  oder  den  Strategen.  Das  sind  in  chrono- 
logischer Reihenfolge  Paris.  35  (aus  dem  10.  Jahre  der  xaTo-/r^,  dem 
19.  J.  des  Philometor  163/62  v.  Chr.),  Paris.  37  (163  v.  Chr.),  Vatic. 
B  (163  v.  Chr.),  Brit.  XLIV  (abgedruckt  auch  als  Paris.  36,  a.  d. 
J.  161  v.  Chr.),  Paris  40  {^^  Par.  41,  Entwurf  auf  dem  Verso  d. 
Paris.  40  a.  d.  J.  156);  dazu  kommen  Paris.  42  (Schreiben  des 
Barkaios  und  Apollonius  an  Apollonius,  der  als  döeXtpoc  bezeichnet  wird 
und  für  Anzeige  und  Beobachtung  der  Übelthäter  eine  Belohnung 
(orecpotviov)  von  3  Kupfertalenten  erhält,  vom  J.  156),  Paris  46  (Brief 
des  Apollonius  an  seinen  Bruder  Ptolemäus,  betr.  die  Räubereien  mit 
Vorwürfen  gegen  einen  jüngeren  Apollonius,  daß  er  ihn  im  Stich  ge- 
lassen habe,  v.  J.  153)  und  Paris.  4~  (Brief  des  jüngeren  Apollonius 
an  seinen  „Vater"  Ptotemäus,  worin  er  sich  verteidigt,  wohl  aus  dem- 
selben Jahr). 

Ptolemäus  hatte  von  seinem  während  der  Kämpfe  des  Philometor 
mit  Euergetes  gestorbenen  Vater  ein  Haus  in  Psychin  im  Herakleo- 
politischen  Gau  geerbt.  Da  er  das  Serapeum  nicht  verlassen  durfte, 
plünderten  Leute  das  Haus,  nahmen  von  dem  Hof  und  einem  <j/iX&; 
t6-oc  Besitz  und  führten  auch  Bauten  daselbst  auf.  Beschwerden  und 
Bittschriften  in  dieser  Sache  enthalten  Brit.  XLV  (160/59),  Paris.  38 
(eine  revidierte  Eingabe  desselben  Inhalts),  Paris.  39  (eine  Eingabe 
desselben  Inhalts  vom  J.  161/60,  wenn  die  Lesung  Z.  4  richtig  ist).^) 


')  E.  Rbvillout,    Rev.  Egypt.  IV    pt.   1  S.  68   liest  Z.  7  'I"c<Xov  la- 
f/ar.tiu/c/,  "A~o' /•-'>/■  ov,  vgl.  Brit.  XXXIII  (b). 


Beriebt  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.)  159 

Mit  verschiedenen  Privatangelegenheiten  des  Ptolemäus  und  seiner 
Brüder,  anch  der  Zwilling-e,  melir  oder  weniger  wichtig,  befassen  sich 
noch  Paris.  32  vom  20.,  Paris.  59  vgl.  Revilloiit,  Rev.  Egypt.  IV  S.  57) 
vom  22.,  Paris.  60  und  43  vom  28.,  Paris.  44  und  45  vom  29.  Jahr 
des  Philometor,  und  der  nicht  datierte,  von  Kenyon  c.  162  angesetzte 
Brit.  XXVIII.  Drei  von  den  Papyri  betreffen  die  Einreihung  des 
Apollonius,  des  jüngeren  Bruders  des  Ptolemäus  und  Sohnes  des 
Glancias,  bei  der  in  Memphis  stehenden  Truppe.  Offenbar  wünschte 
Ptolemäus  seinen  Bruder  in  Memphis  zu  haben,  damit  er  seine  Inter- 
essen dort  durch  ihn  vertreten  lassen  könne.  Er  erreichte  seine  Ab- 
sicht, doch  war  lier  Weg,  auf  dem  dies  geschah,  sehr  umständlich  und 
viel  Schreiberei  war  nötig.  Da  ist  zuerst  der  wichtige  Brit.  XXIII, 
8  Kolumnen  enthaltend,  eine  Sammlung  von  6  Aktenstücken  mit  amt- 
lichen Vermerken,  alle  auf  die  Anstellung  des  Apollonius  bezüglich. 
B.  Peyron  giebt  einen  ausführlichen  Kommentar  zu  diesem  Papyrus,  wie 
auch  Kenyon  die  Übersicht  durch  die  Zerlegung  des  Aktenstückes  in 
seine  einzelnen  Teile  erleichtert  (158/57  v.  Chr.).  Diese  Urkunde  setzen 
voraus  Vat.  E  und  F.')  Der  eine  (Verso)  ist  die  schon  an  den 
vielen  Verbesserungen  erkenntliche  Kladde,  der  andere  (Recto)  die  Rein- 
schrift. Ptol.  bittet,  den  in  die  ar^\Lia  des  Dexilaos  eingereihten  Apollo- 
nius von  übermäßiger  Heranziehung  zu  den  X£iT0üp7iai  zu  befreien,  da- 
mit er  des  Ptol.  Interessen  vertreten  könne  (157/56). 

Einen  freilich  vielfach  dunklen  Brief  des  Strategen  von  Memphis 
an  Ptol.  enthält  nach  Brunets  Vermutung  Paris.  49.  Jedenfalls  würde 
er  zeigen,    daß  Ptol.  ein  Mann  von  Ansehen  und  Einfluß  gewesen  ist. 

Abrechnungen,  meist  wohl  aus  dem  Serapeum,  über  tägliche 
Einnahmen  und  Ausgaben,  z.  T.  die  Zwillinge  angehend,  sind: 

Paris.  52,2)    53^3)    54^  4^)    55  ^jj  55  ^ig^),    56,    57,    57  bise),^) 

(cf.  auch  Paris.  59),  Papyrus  WeiP),  Leid.  C  Verso  Col.  3  und  4, 
Leid.  S,  Leid.  T,  vielleicht  auch  Brit.  XXV  und  XXIX,  kaum  Brit.  XXX. 
Vgl.  dazu  Revillout,  Comptes  du  Serapeum  (Rev.  Eg.  III,  140 — 47, 
rV,  54 — 58).  Zum  Teil  neu  publiziert  sind  von  ihm  Paris.  56,  57, 
Leid.  S  und  Paris.  59. 


*)  Neu  ediert  von  Witkowski,  Prodromus  S.  14  f.  und  von  ihm  mit 
E  und  F  bezeichnet. 

^)  Auf  dem  freien  Raum  des  Recto  ein  demot.  Papyrus. 

^)  Das  Verso  enthält  einen  demotischen  Papyrus. 

*)  Verso  des  Pap.  Paris.  52. 

*)  Die  Zwillinge  werden  in  diesen  Papyri  genannt. 

*)  Verso  von  Paris.  27. 

')  Daß  der  Papyrus  60  bis  derselben  Herkunft  wie  55  bis  ist,  ist 
wenig  wahrscheinlich. 


]60  Bericht  über  die  ältere  Papyraslitteratur.    (Viereck.) 

Trannifrzählnncren.  die  hier  nnd  da  schon  ancedeuttt  werden 
(vgl.  Paris.  44.  45,  47,  54  Col.  .3,  78j,  enthalten  Paris.  51  nnd  50 
(160/159>.  Leid.  C  Verso  Col.  1  und  2,  Leid.  U'j  (159/8).  Offenbar 
tührt  Brunei  de  Presle  richtig-  aus,  daß  die  Besucher  des  Serapeum» 
in  Träumen  Enthüllungen  und  Offenbarungen  über  ihre  Krankheiten 
und  sonstigen  Angelegenheiten  suchten  und  dabei  waren  die  xaTe/ofisvoi 
auch  beteiligt.  Die  Deutung  der  Träume  wird  durch  die  ivonvioxpiTii 
gegeben. 

Mit  den  bisher  erwähnten  Personen  nichts  zu  thun  hat  der  noch 
verbleibende  Rest  der  Serapeumspapyri ,  doch  geben  auch  sie  manche 
Aufschlüsse  über  Leben  and  Treiben  im  Serapeum.  Paris.  12  ist  eine 
Beschweide  über  Gewaltthätigkeiten  v.  .T.  157  v.  Chr..  Leid.  G,  H,  I 
und  K  betreffen  eine  ähnliche  Beschwerde  des  Petesis,  des  Sohnes  des 
Chenuphis,  des  dp/S'/ra^iarrf,;  'O^opanio;  t/i:  "OaopfjLvs'Jio;,  ^)  v.  J.  99 
V.  Chr.  Leid.  G  ist  das  Kgl.  Piesciipt,  in  dem  Z.  9—22  die  Eingabe 
des  Petiisis  beiget/eben  ist.  Die  gleiche  Sache  betreffen,  obwohl  der 
Zusamraenhans  nicht  ganz  klar  ist,  Leid.  H,  I  und  K.  Brit.  XLII 
V.  J.  172  V.  Chr.  ist  ein  Brief  der  Isias  an  ihren  Gatten  Hephaestion, 
der  sich  unter  die  sv  xito-//;  ovts;  aus  irgend  einem  Grunde  ge- 
flüchtet hatte,  in  dem  sie  ihn  zur  Rückkehr  ermahnt,  Vat.  A  ist  ein 
Brief  des  Dionysius,  des  Bruders  des  Hephaistion  in  derselben  Sache. 
Brit.  XXIV  ßecto,  sehr  unterrichtend  für  die  Zustände  im  Serapeum, 
ist  eine  Eingabe  des  Harmais  an  den  Stratecren  von  163  v.  Chr.,  betr. 
eine  Summe  von  1-300  Dr.,  die  ihm  von  Tathemis,  einer  jungen  Bettlerin 
im  Serapeum,  zur  Auftewahrung  übergeben  waren.  Die  Mutter  der 
Tathemis.  Nephoris,  hatte  diese  Summe  gefordert  mit  der  Begründung 
TTjv  TaOr.ji'.v  uipav  lys'.v,  ajj  lÖoc  irrt  toI;  At-fjrTt'oc?,  zepiT^jAvsadat^J  tind 
zn  gleicher  Zeit  zur  Beschaffung  des  Hochzeitsgutes.  Nephoris  ließ 
aber  weder  die  Tochter  beschneiden,  noch  sich  vermählen,  zahlte  aber 
auch  nicht  das  Geld  an  Harmais  zurück.  Dagegen  forderte  es  nun  die 
Tochter    selbst    von    ihm.    Diese    Notlage    veranlaßte  ihn  zu  der   Ein- 


*;  Der  Papyrus  fingiert  einen  Traum  des  Nectanebus,  des  letzten 
von  den  Persern  vertriebenen  Königs,  von  Ptolemäus  und  den  Zwillingen 
handelnd,  aus  paläogr.  Gründen  ins  2.  Jahrh.  zu  setzen. 

^  Er  war  der  erste  der  Geno&senschaft,  die  mit  der  Bestattung 
der  heiligten  Rinder  'CjOfiäz'.;  und  '03ooji.va'J'.;  zu  thun  hatte. 

«)  Vgl.  dazu  B.  Peyron  S.  89,  Kenyon,  Catalogue  S.  33,  der  Strabo 
XVII  2,5  und  S.  Ambrosius  (de  patr,  Abra.  II,  11)  als  Zeugen  für  die  Be- 
schneidung  beider  Geschlechter  anführt.  Das  Alter  von  U  Jahren  wird 
von  Ambrosius  für  die  Vollziehung  dieser  Ceremonie  angegeben.  Vom 
14.  Jahre  an  mulite  auch  die  Kopfsteuer  gezahlt  werden. 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.)  161 

gäbe.    Paris.  UM  «nd  34-),   wohl  beide  a.  d.  J.  157,  betreffen  Klagen 
über  im  Serapeuni  vorgekommene  Uriffeliörijsrkeiten.  Paris.  58  und  48 
sind  zwei  Privatbriefe,  letzterer  von  zwei  Arabern  M^-inllas  und  Chalbaa. 
Endlich    bleibt    zur    Besprccbun?    noch    iibriir    der  Artemisia- 
Papyrus  (Petrettini,  BlalJ,  Wessely.  Pal.  Soc.  II  pl.  141,  vgl.  S.  153). 
In  IJnciale  geschiiebeu.  wie  ^vir  sie  durch  neuere  Funde  aus  dem  3.  Jahrh. 
v.  Chr.   kennen,    in    jonischem  Dialekt,    untermischt  mit  attischen  und 
dorischen  Formen,    mir  Interpunktion  (:)^),    und  ziemlich  nachlässiger 
Orthographie,  wird  er  mit  zu  den  ältesten  sriechischen  Papyri  gehören, 
die  wir  besitzen,  wenn  auch  Petrettini  und  Blaß  ihn  wohl  mit  Unrecht 
in  das  4.  Jahrh.  v.  Chr.  setzen.'*)    Die  in  Ätryptcn  ansässige,  nach  Blaß" 
Vermutung    aus    Halicarnass    stammende    Artemisia,    die  Tochter    des 
Damasis,  hat  im  Tempel  des  Gottes  der  Unterwelt  Osiri-Hapi  eine  Ver- 
fluchung ^des  Vaters  ihrer  Tochter",  der  nach  Blal.r  Annahme  kaum  ihr 
rechtmäüiirer  Gatte  gewesen  sein  wird,  deponiert.    Er  hatte  sie  selbst  und 
ihre  Kinder  im  Stich  gelassen,  nicht  die  Kosten  für  das  Begräbnis  einer 
Tochter  tragen,  auch  wohl  nicht  die  weitere  Sorge  für  das  Grab  (vgl. 
weiter  unten  die  Bemerkungen  über  die  Choachj'ten)  übernehmen  wollen. 
Der  Fluch  ist  auf  die  Zeit  beschränkt,   wo  das  Schriftstück  im  Tempel 
lag.     Artemisia  hoti'te  also  vielleicht  auf  Einlenken  des  Mannes.     Ver- 
wandte   Urkunden    hat  Wachsranth    im  Rh.   Mus.  XVIII    1863  S.  559 
zusammengestellt. 

U.    Papyri    aus  Theben  in  Oberägypteu. 

Die  zweite  Gruppe  mögen  die  aus  Theben  stammenden,  die  Ge- 
nossenschaften der  Choachyten,  Paraschisten.  Pastophoren  (und 
Taricheuten)'^)  betreffenden  Papyri,  gleichfalls  aus  ptolemäischer 
Zeit  bilden. 


*)  Verso  S  findet  sich  zozfvo^Js-u) :  Vgl.  Egger,  Journal  d.  Sav.  1873 
S.  98.  Toepffer.  Beiträge  z.  griech.  Altertumswiss.  S.  -222.  fand  in  einem 
Thebischen  Sakralgesetz  yjnr.'j^jz-v.  erwähnt. 

-)  Neu  ediert  von  Witkowski,  Prodromus  S.  33. 

•'')  So  auch  Paris.  49. 

')  Letronne  wies  Joum.  d.  Sav.  1828  S.  977  in  seiner  Besprechung 
der  sonst  freilich  ungenügenden  Publikation  Petrettinis  Änsetzung  ohne 
stichhaltige  Gründe  sehr  schroff  zurück.  Aus  paläograpbischen  Gründen, 
auf  grund  von  Vergleichung  mit  datierten  Papyri,  weisen  den  Papyrus  dem 
Anfang  des  3.  Jahrh.  zu  Mahaffy,  The  Flinders  Petrie  Papyri  I 
(Cunningham  Memoirs  VIII)  S.  .H,  Thompson,  Handbook  S.  119.  Wi Icke n, 
Griechische  Papyri  S.  47  Anm.  34. 

^)  Erwähnt  z.  B.  Pap.  Paris,  b. 
J«hresbericht  für  Altertumswissfinschaft.  Bd.  LXXiXYIIL  (1898.  IIL)  11 


162  Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.) 

Die  Littevatnr  über  diese  Priesterg'enossenschaften  ist  z.  T.  aus 
den  Papyriispublikatiouen  zu  ersehen,  z.  T.  aus  den  im  folg-enden  ange- 
führten Büchern.    Die  Auffassung  über  die  Thätigkeit  der  einen  dieser 
Gilden,    der  Choachyten,    ist  viel  umstritten.     Die  Entscheidung  hängt 
davon  ab,  ob  man  yok/dxai  oder  yoayjTai  lesen  will.    Das  wiederum  ist 
zu    entscheiden    auf   grund   der  Paläographie,  der  Wortbildungsgesetze 
nnd  der  Nachrichten,  die  uns  die  Papyri  über  die  Thätigkeit  der  Gilde 
geben,    wobei  Herodot  II,    86    und  Diodor  I,    91  heranzuziehen  sind. 
Lumbroso,   Documenti  kommt,  obwohl  a  und  X  in  der  Regel  in  der 
Kursive  ptoleraäischer  Zeit  nicht  zu  unterscheiden  sind,  doch  auf  grund 
genauer  Prüfung    der  Originale    zu  dem  Resultat,    daß  eine  Reihe  von 
Stellen  sicher  für  die  Lesung  -/oayuTat  spricht.    Diejenigen,  die  yoXyuTai 
lasen  (vgl.  vor  allem  A.  Peyron,  Pap.  Taur.  I,  S.  77—89),  leiteten  es 
von   einer  koptischen  "Wurzel  ab,  die  dem  griechischen  nspißaXXeiv  ent» 
spricht,  so  Young,  A.  PejTon,  Leemans,  Forshall,  Letronne  und  neuer- 
dings Witkowski,    der  gegen  yoayutai  einwendet,    es   sei  keine  richtige 
Wortbildung  und  müsste  yoqyßron  heißen.    Für  yoayjrai  traten  ein  der 
Verfasser    des  Aufsatzes:    „The  enchorical  language  of  Egypt"  in  der 
Dublin  University  Review  1833,  Brunei  de  Presle,  v/enn  auch  zweifelnd, 
E.  Revillout,   Wessely,  Lumbroso,  Wolff  (de  causa  Hermiana  S.  12  ff.) 
und  Wilcken.    Unentschieden  ist  Kenyon.   Je  nach  dem  man  liest,  hat 
man  Leute    zu  verstehen ,    die  die  einbalsamierten  Leichen  mit  Byssos 
umwickelten,    oder  solche,    die  Totenspenden  darbrachten.     Die  außer- 
ordentlich gewichtigen  Gründe,  die  für  die  letzte  Auffassung  sprechen, 
sind  von  Wolff  unter  Heranziehung  des  gesamten  Materials  genau  erörtet 
(S.  12  ff.),  vor  allem  scheint  ir.ir  für  yoayutai  zu  sprechen,  daß  all  diese 
Gilden    griechische  Bezeichnungen    führten.     Demnach    hatten   also  die 
Paraschisten    die  Leichen   auf  der  linken  Seite  aufzuschneiden  und  die 
Eingeweide  herauszunehmen,    die  Taricheuten  balsamierten  die  Leichen 
ein  und  wickelten  sie  in  Leinen.    Sodann  wurden  die  Leichen  in  Kästen 
gelegt,    nach  der  Totenstadt,   die  in  Theben  Memnoneia  hieß,  gebracht 
und  in  Gräber  eingeschlossen,  indem  unter  Gebeten  bestimmte  Opfer  und 
Spenden    durch   die  Choachyten   dargebracht  wurden.     Diesen  lag  auch 
für  einen  bestimmten,    von  den  Hinterbliebenen  zu  zahlenden    Entgelt, 
der  Schutz  der  sorgsam  geschlossenen  Gräber  und  die  Darbringung  von 
Opfern  bei  den  jährlichen  Gedächtnisfeiern  ob.    Auch  zu  anderen  Dingen 
wurden  sie  herangezogen.     Sie  bestreuten  an  den  Festtagen  die  Strasse 
des  Ammon  und  den  Tempel  der  Juno  mit  Staub,    bei  dem  jährlichen 
Festzug     des    Ammon     nach    Memnoneia    zogen    sie,    Spenden    dar- 
bringend, voran. 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.)  163 

1.     Choachyten. 

Die  größere  Masse  dieser  Papyri  betreffen  die  Choachyten: 
Tanr.  I,  II,  III,  IV,  XI;  Paris.  5,  G,  7,  14  (=.Taiir.  III),  15.  16; 
Leid.  F,  M,  P:  Brit.  III. 

Ein  Teil  von  ihnen  sind  Verkanfsnrkunden.    Nach  Brit.  III  ver- 
kauft   ein    gewisser  Onnophris    seinem  Bruder  Horos   die  Hälfte  eines 
dritten  Teils  von  Mumien,  die  an  einem  bestimmten  Platz,  Thynabunum, 
im  Nomos  flspl  0r,;ia;  lagen,  und  die  damit  verbundenen  Sammlungen  und 
Sportein.     Der  Pap.  stammt,  wie  der  demotische  Urtext,  in  dem  Berl. 
demot.  Pap.  36^)  und  dem  Pariser  Pap.  Casati  Bibl.  Nat.  218 -)  erhalten, 
zeig't,   aus  dem  J.  146/145.^)    Der  Abschrift  des  Kaufkoutraktes  (Z.  1 
—  36  'AvT''7pa9[ov  3u]v-[pa9^?  AiYunTia;  {Ji.e9Y)pfXTjv£[u][X£vr,c  xatd  Suv[a[xtv]) 
ist    die  Quittung    über   gezahlte  Verkaufssteuer  angehängt  (Z.  37 — 44 
'Av-iYpacpov    -TcufxaTo;).      Nach    dem    Paris.    5,    einem    Papyrus    von 
50  Kolumnen,  gewöhnlich  als  Papyrus  Casati  citiert,  v.  J.  114  v.  Chr. 
verkauft  Horos.  des  Horos  Sühn,  Ttöv  ix  tcuv  Meiavoveicüv  -/oa/u-uiv,  erstens 
verschiedene  Häuser  oder  Hausanteile  an  Osoroeris,  des  Horos  Sohn,  und 
dessen   Brüder  Nechmuthes    und  Petosiris,    zweitens    an    dieselben    tJjv 
irpoj-astav  tujv  sTiißaXXovTüx/  a'jTco  3(u[jLaTtüv  -(jüv  (jLeTaYOjXEvcuv  eic  'ohz  -zd^foui 
xat  Tcuv  TouTtüv  XoYSKüv  y.al  xocp^sicäv,   ujv  to  xaxavopa  uTioxsiTai.     Es  folgt 
dann  Col.  2—49  das  "Verzeichnis  der  Mumien  und  Col.  50  die  Quittung 
über  Zahlung    der  Verkaufssteuer.*)     Paris,  5    ist  nur  eine  Abschrift 
des  Originals,  eine  zweite  ist  Leid.  M,  jedoch  ohne  die  lange  Datierung 
und  die  Liste  der  Mumien,  dafür  aber  mit  Angabe  eines  4.  Grundstückes 
(Z.  22 — 26).    Eine  leider  sehr  fragmentarische  Abschrift  eines  anderen 
Kaufkontraktes   ist  Leid.  P.    'AvTi^pacpov   (jOYYpacpTJc  iJ!,£]&Y)p|xy)veu|X£[vTis 
eXXirjviaJxl  xaxa  to   ou[v]aT6v.^) 

Prozess  des  Uermias. 

Drei  außerordentlich  wichtige  Papyri  behandeln  des  Prozeß  des 
Hermias:  Paris.    15, '5)    Taur.    I    und  II.     Über    den  Prozeß    sind 

^)  Auch  die  Berl,  demot.  Pap.  40  und  •4G  sind  solche  Verkaufsurkunden 
a.  d.  46.  J.  des  Euergetes  II.  (12.5  v.  Chr.) 

-)  Publiziert  von  E.  Revillout,  Chrestomathie  demotique  S.  62  ff. 

2)  Publiziert  mit  der  französischen  Übersetzung  des  in  Berlin  befindl. 
demot.  Textes  von  Brugsch,  Lettre,  Appendix  N.  I  S.  56  ff. 

*)  Von  dem  demot.  Original  dieses  Pap.  ist  ein  Fragment  im  Berliner 
Museum,  ein  Teil  der  Namensliste  der  Mumien.  H.  Brugsch,  Lettre  S.  1 
—  55  hat  den  griech.  Text  nach  dem  Faksimile  mit  französ.  Übersetzung 
und  besonders  auf  den  ägypt.  Teil  des  Kontrakts  bezügl.  Noten  publiziert, 

"0  Vgl.  WUcken,  Gott.  Gel.  Anz.  1S94  S.  724. 

*)  Vgl.  Pal.  Soc.  Ser.  II  pl.  18L 

11* 


lt)4  Bericht  über  die  ältere  Papyruslittcratur.   (Viereck.) 

außer  dem  ausführlichen  Kommentar  A.  Peyrons  zu  dem  tadellos  er- 
haltenen. 311  Zeilen  in  10  Kolumnen  umfassenden  Tanr.  I  noch  heran- 
zuziehen: Carolus  Wolff,  De  causa  Hermiana  papj'ris 
aesryptiacis  tradita  Diss.  Vratisl.  1874  S.  52,  der  den  Prozeß  aus- 
führlich behandelt,  und  R.  Dareste,  Le  proces  d'Hermias  117  av. 
J.  C.  (Nouvellc  Revue  histoi-.  de  droit  francais  et  etranger.  VII  Paris. 
1883  S.  191 — 203).  der  eine  ibersetzung  der  Urkunde  mit  kurzer  Be- 
sprechung giebt.  Hermias,  der  ^EfjLtov  eines  militärischen  Postens  im 
Ombitischeu  Gau,  beanspruchte  ein  Haus  in  Diospolis  Megale,  das  im 
Besitz  von  Choachyten  war,  als  sein  Eigentum.  Der  Prozeß,  in  dem 
Hermias  mit  seiner  Klage  abgewiesen  wurde,  zieht  sich  vom  45.  bis 
zum  54.  Regierungsjahre  Euergetes  II.  hin.  Paris.  15  ist  das  Gerichts- 
protokoll aus  den)  51.  Regierungsjahre  (d.  i.  120  v.  Chr.).  Richterist 
IlTO/.EjxaTo;  Tiov  '^lÄwv  y.7.\  iT^~OLp'/r^z  iic'  avopüiv  y.a't  Erioxanf);  Toü  TTSp 
0Y^;ia?.  Am  Schluß  des  Protokolls  steht  der  Urteilsspruch  Z.  67  ff., 
durch  den  Hermias  mit  seinen  Ansprüchen  abgewiesen  wird.  Die 
in  diesem  treftlich  erhaltenen  Papyrus  Z.  25  ff.  erwähnte  Eingabe 
an  Herakleides,  der  im  Jahre  50  i-tj-a-rj?  toü  -spl  öiQiila;  war,  ist 
der  nicht  vollständig  erhaltene  Taur.  II.  In  dem  Prozeß  v.  J.  54 
(1 1 7.  V.  C.)  ist  Richter  Herakleides  Ttüv  apytJcDixaTocpjXaxcuv  xal  i-i'sxd-zrii 
Toü  zipl  9T||^a?  (offenbar  ein  anderer  als  der  Taur.  II  genannte  Hera- 
kleides). Der  Rechtsbeistaud  der  Choachyten  ist  Deinon  (schon  120), 
der  des  Hermias  Philocles.  Taur.  I,  vielfach  wörtlich  übereinstimmend 
mit  Paris.  15,  wiederholt  die  ganzen  Verhandlungen  v.  J.  120  und 
schließt  Col.  10  mit  dem  gleichen  Urteilsspruch.  Die  PapjTi  sind 
außerordentlich  wichtig  für  Fragen  über  Verwaltungssachen,  die  Beamten 
und  die  Gerichtsverfassung.  Vor  allem  geben  sie  Auskunft  über  den 
Gerichtshof  der  Chrematisten.  Eür  die  Einzelheiten  sei  auf  die  Kommen- 
tare verwiesen. 

Eine  ähnliche  Sache  betreffen  Taur.  III  (=  Paris.  14,')  auch  von 
derselben  Hand),  Taur.  IV,  Leid.  F.  Taur.  III  ist  eine  Eingabe  des 
Apollonios-Psemmonthes  aus  Diospolis  Megale  an  Ptoleraaios  P^uergetes 
und  Kleopatra  v.  J.  127  gegen  die  Choachyten  wegen  Wegnahme  eines 
Hauses  und  Mil.ihaudlung,  mit  der  Bitte  um  Untersuchung  durch  die 
i~b  Toü  riavo-oXiTou  f^syp'.  2oTjvr,c  ypr^ixaTu-ai.  Es  kam  noch  in  dem- 
selben Jahr  ein  Vergleich  zustande,  d.  i.  Taur.  IV  (auvXsXuadai  a'jxoT;). 
Der  sehr  lückenhafte  Leid.  F  scheint  eine  Bestätigung  über  Zahlung 
von  Kaufsteuer  (to  iuvtjtixov  xal  to  s-toexaxov)  durch  die  Choachyten  zu 
sein,  die  wohl  von  den  Choachyten  als  Beweisstück  vorgelegt  wui'de. 
Jedenfalls  wird  des  Apollouios  Eingabe  gegen  sie  erwähnt. 


')  Neu  ediert  von  Witkowski,  Prodromus  S.  25  f. 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslittoratur.    (Viereck.)  1(55 

Taur.  XI  ist  eine  Beschwerde  einer  ('hoachytin  Taserais  über 
Entziehung  ihres  Erbes  aus  d.  6.  Jahr  (des  Philometor?),  Paris.  G  eine 
interessante  Beschwerde  des  Choaehyten  Osoroeris  über  (.xrabschänduug' 
V.  J.  127,  Paris.  7  eine  Darlehensurkunde  aus  d.  16.  Jahr  eines  Königs. 
Die  Kontrahenten  sind  Choacliyten.  Paris.  16  ist  eine  leider  ver- 
stümmelte richterliche  Entscheidung  über  eine  Streitsache  von  Choaehyten. 
Das  Jahr  ist  unbestimmt. 

2,    Paraschisten. 

Die  Paraschisten  treten  auf  in  den  Papyri  Taur.  VIII,  IX, 
XII,  XIV.  Taur.  VIII  ist  eine  Klage  des  Petenephotes  aus  Diospolis 
Megale  gegen  Amenothes,  gerichtet  an  den  jojixaio'fuXac  l^aG-'x-T^i  und 
im  tüiv  :tpoct6ou)v  toO  Tispt  0r,^a;  Herakleides.  Der  Verklagte  sollte  einen 
im  51.  Jahre  Euergetes  II.  geschlossenen  Vertrag  verletzt  haben,  durch 
den  die  Bezirke,  in  denen  beide  als  Paraschisten  ihre  Thätigkeit  aus- 
üben sollten,  genau  abgegrenzt  und  ebenso  die  Strafsumraen  im  Falle 
der  Nichtinnehaltung  der  Abmachung  festgesetzt  w^aren.  Die  Entscheidung 
des  Herakleides,  leider  im  Anfang  sehr  verstümmelt,  ist  enthalten  im 
Taur.  IX,  von  Peyron  scharfsinnig  erklärt.  Taur.  XII  ist  ein  kurzer 
Brief  des  Hermokles  und  Alexander  an  Amenothes  (vgl.  Taur.  VIII)  mit 
der  Meldung,  daß  kein  Kauf  des  Hauses  und  der  Baustelle,  die  Ame- 
nothes in  den  Memnoneia  besaß,  stattgefunden  habe.  Taur.  XIV  ist 
ein  kleines  Bruchstück  einer  Eingabe  des  Paraschisten  Amenothes. 


^o*- 


3.    Fastophoren. 

Die  Pastophorenpapyri  sind  die  drei  ziemlich  gleichlautenden 
Taur.  V,  VI,  VII.  Taur.  V  ist  der  erste  Entwurf,  Taur.  VI  das 
Original  einer  Eingabe  mit  dem  von  2.  Hand  zugesetzten  Bescheide  und 
Taur.  VII  eine  Abschrift  des  Taur.  VI.  Die  an  Phommus,  au-fi-evT)? 
xai  E7:iaTpaTY]70?  xal  uTpaTTj-foc  zr^i  0T|ßatöoc,  von  dem  Pastophoren  des 
Amenophis  in  Memnoneia  Osoroeris  und  Genossen  gerichtete  Beschwerde 
betriftt  unrechtmäßige  Heranziehung  zu  Steuern  und  Auferlegung  von 
Strafgeldern  durch  Isidoros  (6  -po?  Tr,i  oixovojxtat  twv  dpYupixüJv  toü 
HaöupiTou).     Der  Bescheid  ist  den  Beschwerde  Führenden  günstig. 

ni.     Papyri  aus  This  und  Panopolis. 

Die  dritte  Gruppe  von  zusammengehörigen  Papyri  bilden  die  aus 
Panopolis  stammenden,  die  sich  um  den  Purpurhändler  Aurelios  Pachymios 
gruppieren,  Sie  waren  früher  die  einzigen  Vertreter  der  Urkunden 
byzantinischer  Zeit.    Sie  gehören  alle  der  Zeit  um  600  n.  Chr.  an.    Zu 


166  Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.   (Viereck.) 

ihnen  gehören  Paris.  20,  21,  21  bis,  21  ter.  Papjanis  Jomard, 
Pap.  Berol.  I  u.  II  (Schmidt)  und  die  3  von  Wesseh'  veröffent- 
lichten Pap5'ri  Testa.  Der  Purpnrhändler  und  Purpurfärber  Aurelios 
Pachymios.  Sohn  des  Aurelios  Psates,  aus  Panopolis,  war  später  in  This 
ansässig.  Er  hatte  zur  Mutter  Aurelia  Maria  und  zu  Geschwistern 
Aurelios  Johannes  und  Aurelia  Tarsene.  Erbteilung,  Miets-,  Kauf-  und 
Leihgeschäfte  bilden  den  Inhalt  der  meisten  dieser  Papyri.  Es  sind 
chronologisch  geordnet : 

Paris.  21  bis  v.  J,  590  Verkaufsurkunde.  Die  Eltern  des  Pachymios 
verkaufen  ein  Haus  nebst  xeXXiov  und  <]>iX6;  tojto;  an  Aurelios  Pachymios. 

Paris.  21  ter  v.  J.  599:  Verkaufsurkunde.  Aurelios  Arsenios, 
der  Sohn  des  Kallinikos,  verkauft  seinen  Hausanteil  (Vs)  an  Aurelios 
Pachymios  und  dessen  Bruder  Aur.  Johannes.^) 

Papyrus  Jomard  auch  vom  J.  599  (?).  Verkaufsurkunde. 
Aurelios  Arsenius  verkauft  abermals  Va  Hausanteil,  unbekannt  ist  frei- 
lich, an  wen. 

Paris.  20  v.  J.  600.  Teilungsvertrag.  Aurelios  Pachymios  und 
seine  beiden  Geschwister  teilen  das  von  den  Eltern  ererbte  Haus. 

Pap.  Testa  I-)  v.  J.  606.  Darlehensurkunde.  Aurelios  Kallinikos 
hat  von  Aurelios  Pachymios  einen  Cxoldsolidus  entliehen  und  will  ihn 
ersetzen  durch  75  Koloboi  unverfälschten  Mostes.  Der  Papyrus  hat 
große  Ähnlichkeit  mit  Berol.  II. 

Berol.  I  V.  J.  607.  Mietskontrakt.  Aurelios  Dioskoros  {xis&ioc 
zop^opo-cu^Yic  Sohn  des  Arsinios  und  der  Tibella,  unter  deren  Tutel  er 
stand,  verdingt  sich  auf  2  Jahre  als  Arbeiter  dem  Aurelius  Pachy- 
mios. Wessely,  16.  Jahresb.  v.  Hernais,  verweist  auf  einen 
koptischen  Papyrus,  giebt  auch  dessen  Text  und  die  griechische  Über- 
setzung. Der  Papyrus  ist  etwa  3  Jahr  jünger  als  der  Berol.  I.  Aurelios 
Dioskoros,  der  Sohn  des  Arsinios  und  der  Tibella,  erhielt  damals  von 
Aurelios  Pachymios  dessen  Tochter  zur  Frau  versprochen.  Für  den 
Fall,  daß  der  Fabrikant  das  Versprechen  rückgängig  machen  sollte, 
verpflichtet  er  sich  zu  einer  Geldstrafe  von  3  Groldstücken. 

Pap.  Testa^)  II.  v.  J.  608.  Darlehensurkunde.  Aurelia  Johanna. 
Tochter  des  Kallinikos,  entleiht  von  ihrer  Schwester  Aurelia  Maria  ^3 
eines  Goldsolidus  und  verpfändet  zur  Deckung  den  ihr  gehörigen 
Hansanteil  (Vs). 

Pap.  Testa  in  v.  J.  608.     Mietskontrakt.    Aurelia  Maria  ver- 

')  1.  Z.  7  Au.orjXiot;  llcc/u[ii(})  Taio'j  ~o[f>(pupcir(ü"A.i[]  xo^  'lojawifj  Tip  d5£>w<p"(j)] , 
nicht  Mc<p-i7  tT;  (zosX'fT;. 

-)  Publiziert  auch  von  Krall,  Recueil  de  travaux  relatifs  ä  la  philol. 
et  ä  rarcheol.  egypt.  et  assyr.  IS85  VI  S.  67. 

')  Vgl.  Pal.  Soc.  Ser.  II  pl.  24. 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.   (Viereck  )  167 

mietet  für  4  Kerate  das  ganze  Haus  an  den  Färber  Theodoros,  Sohn 
des  Petros  und  der  Athanasia. 

Berol.  11.^)  V.  J.  613.  Dahrlehensurknnde.  Aurelios  Kallinikos, 
Sohn  des  Senuthos,  entleiht  Vs  Goldsolidus  und  will  ihn  zurückzahlen 
in  25  Koloboi  unverfälschten  Mostes,  ebenso  wie  Berol.  I  geschrieben 
von  dem  Notar  Paulos.  Dieser  Papyros  war  von  Schmidt  j,'anz  falsch 
gelesen  und  gedeutet. 

Paris.  21  v.  J.  616.  Verkaufsurkunde.  Aurelia  Pyra  und 
Antheria  verkaufen  dem  Aurelios  Pacbyraios  ein  Haus. 

IV.  Papyri  verschiedener  Herkunft  und  verschiedenen 

Inhalts. 

Den  Rest  der  Papyri  aus  den  im  Abschnitt  C  besprochenen 
Publikationen  will  ich  versuchen  unter  N.  IV,  möglichst  sachlich  ge- 
ordnet, zusammenzustellen,  ungefähr  in  der  Weise,  wie  es  auch  im 
Index  geschehen  ist. 

A.     Behördliche  Urkunden. 
I.    Amtliche  Tagebücher  und  Ciesandtschaftsberichte. 

Paris.  69  ist  von  neuem  edieit  und  mit  ausführlichem  Kommentar 
versehen  vonWilcken,  'Y~oii\q\i.7.v.^ii.oi.  Der  Papyrus  stammt  aus  dem 
Archiv  von  Omboi  und  enthält  Stücke  des  Tagebuchs  des  Strategen  des 
Ombitisehen  Gaues  Aurelios  Leontas,  der  zugleich  auch  die  Verwaltung 
des  Elephantinischen  Gaues  hatte.  Die  Amtshandlungen,  die  der  Strateg 
vornahm,  sind  Tag  für  Tag  aufgezeichnet.  Der  Pap.  stammt  aus  dem 
11.  und  12.  Jahr  des  Alexander  Severus,  232  n.  Chr. 

Paris.  68  +  Brit.  I  sind  von  Wilcken,  Hermes  XXVI,  als 
zusammengehörig  erkannt  und  mit  ausführlichem  Kommentar  neu  ediert. 
Er  meinte,  daß  diese  Papyri  einen  Bericht  über  eine  zwischen  dem 
Kaiser  Trajan  und  einer  jüdischen  Abordnung  gepflogene  Unterredung 
enthalten,  und  zwar  sei  der  Bericht  von  Juden  verfaßt.  Er  scheine 
eine  vor  dem  allerhöchsten  Tribunale,  vielleicht  während  des  Aufent- 
haltes des  Trajan  in  Antiochia,  sich  abspielende  Gerichtsverhandlung 
aus  dem  J.  117  n.  Chr.  wiederzugeben.  Die  "Verhandlungen  betreifen 
den  zu  einem  Kriege  (-oX£|xo;)  angeschwollenen  Aufstand  der  Juden  in 
der  Cyrenaica  und  in  Ägypten,  von  dem  besonders  Euseb.  bist.  eccl.  IV,  2 
und  Dio  LXVIII,  32  berichten.  Der  Aufstand,  der  115  ausbrach, 
richtete  sich  gegen  die  Hellenen.  Die  cyrenäischen  Juden  stellten  einen 
gewissen    Aouxoua?    als    König    auf  (Dio    nennt   ihn  'Avopea;,    woraus 

*)  Publ.  v.  Krall,  Recueil  de  Trav.  VI  S.  68  ff.  mit  einigen  krit.  Anm. 


168  Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.) 

Wilckeu  anf  einen  Doppelnamen  Ao-j/ouac  6  xal  'AvSpea;  schließt). 
116  war  Präfekt  der  im  Pap.  erwähnte  M.  Rutilius  Lupus.  Unter- 
drückt ward  der  Aufstand  erst  zu  Hadrians  Zeit  durch  den  117  noch 
von  Trajan  nach  Ägypten  geschickten  Q.  Marcius  Turbo. 

Im  Anschluß  au  Wilckens  Arbeit  suchte  Th.  Rein  ach,  Juifs  et 
Grecs,  nachzuweisen,  daß  die  Urkunde  aus  späterer  Zeit,  etwa  des 
Commodus,  stamme,  doch  scheinen  seine  Gründe  nicht  stichhaltig.  Dagegen 
macht  er  höchst  wahrscheinlich,  daß  nicht  nur  eine  Abordnung  von 
Juden,  sondern  auch  eine  solche  von  antisemitischen  Alexandrinern 
(vertreten  durch  Paulus  und  Antoninus)  vor  dem  Kaiser  erschien.  Auf 
den  Inhalt  der  zum  großen  Teil  infolge  der  Lücken  der  Papyri  unklar 
bleibenden  Verhandlungen  kann  ich  nicht  eingehen.  Es  sei  im  voraus 
nur  noch  auf  Wilckeu,  Hermes  XXX,  verwiesen,» wo  er  den  Berliner 
Pap.  341,  ein  Fragment  einer  anderen  Redaktion  des  Paris.  68  und 
ähnliche  Papyri  bespiicht,  die  Verhandlungen  mit  dem  Kaiser  Claudius 
betreffen. 

II.  und  III.  Erlasse,  amtliche  Berichte  und  richterliche  Entscheidungen. 

Durch  einen  Teil  dieser  Papyri  wird  die  Politik  Euergetes  IL 
und  Philometors  II.  bei  dessen  Wiedereinsetzung  in  die  Herrschaft 
beleuchtet. 

Paris.  61  Recto  ist  ein  Brief  des  Dioskurides,  wahrscheinlich 
des  in  den  Serapeumpapyri  vorkommenden  Dioiketen,  an  Dorion,  einen 
Unterbeamten  —  auch  ein  Epiinelet  Dorion  begegnet  in  den  Serapeum- 
papyi'i,  Par.  63  nennt  einen  Hypodioiketen  dieses  Namens,  und  die 
Papyri  der  Zois  nennen  einen  dtvTiv/a'fe'jj  und  einen  Steuerpächter 
Dorion  —  aus  dem  26.  Jahre,  wohl  des  Philometor,  156/155.  Der  Brief 
enthält  die  strenge  Anweisung,  die  Vorschriften,  die  in  der  beiliegenden 
Abschrift  eines  Briefes  an  einen  anderen  Beamten  Namens  Dorion  ge- 
geben sind,  streng  innezuhalten.  In  diesem  mit  übersandten  Schreiben 
wird  auf  zahlreiche  Beschwerden  bei  dem  König  und  der  Königin  über 
Bedrückungen  jeder  Art  hingewiesen  und  die  Abstellung  dieser  Unge- 
rechtigkeiten vor  allem  auch  bei  der  Steuererhebung  verfügt.  Der 
Papyrus  ist  ein  Zeichen  der  Sorge  des  Königs  um  die  gute  und  ge- 
rechte Verwaltung  des  Landes. 

Paris.  62  ist  von  Letronne -  Brunet  de  Presle  veröffentlicht 
als  Circulaire  anx  employös  de  finance.  Er  ist  vielfach  behandelt  worden 
von  Lumbroso,  Recherches  S.  339  ff.,  Robiou,  Memoire  sur  Teconomie 
politique,  l'administration  et  la  legislation  de  l'Egypte  anx  temps  des 
Lagides  S.  163 ff.,  Droysen.Zum  Finanzwesen  derPtolemäer,  Kl.  Sehr.  II, 
S.  302,  Revillont,  Rev.  Egypt.  III,  81  f.  VI,  154  und  Wilcken, 
der  auch    den  Papyrus    vollständig  wieder    kopierte    und    seine  Kopie 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.   (Viereck.)  ]69 

Grenfell  zur  Verfügung  stellte.  Dieser  kollationierte  ihn  selbst  1894 
noch  einmal  und  publizierte  deu  Text  mustergültig  im  Appendix  I  zu 
den  eng  mit  dem  Paris.  62  verwandten  Revenue  Laws. 

Der  Papyrus  ist  wahrscheinlich  ein  Königl.  Erlaß  mit  ausführlicher 
Anweisung  für  einen  Beamten  des  Oxyrhynchitischen  Nomos,  über  das  Ver- 
fahren bei  der  jährlicben  Verpachtung  und  T^bertragunj?  der  Steuerer- 
hebung von  den  alten  auf  die  neuen  Pächter,  und  über  die  Zahlung 
der  Steuer  in  Silber,  isonomem  und  gewöhnlichem  Kupfer.  Der  Erlaß 
wird  auch  den  anderen  Gauen  zugegangen  sein.  Er  betrifft  die  Ver- 
pachtung ei;  -6  a  (eto;),  doch  ist  nicht  gesagt,  welches  Königs  des 
2.  Jhrb.  V.  Chr. 

Paris.  63  ist  eine  Sammlung  von  verschiedenen  Aktenstücken, 
die  nach  der  Annahme  von  Brunet  de  Presle  im  Serapeum  auf  das 
Verso  des  astronomischen  Traktates  (Paris.  1)  geschrieben  sind.  Der 
erste  Teil  des  Pap.  Col.  1  —  6  ist  behandelt  von  Lumbroso, 
Papiro  LXin  del  Louvre.  Er  giebt  eine  Erklärung  und  Übersetzung 
von  Col.  1 — 6.  In  den  Noten  findet  sich  eine  Reihe  von  Textver- 
besserungen. Nach  Letronne  stammt  der  Pap.  etwa  aus  d.  J.  111 
V.  Chr.,  nach  den  überzeugenderen  Beweisen  ßruuets  (S.  25  S.)  und 
nach  Lumbroso,  der  ein  weiteres  Argument  ins  Feld  führt,  v.  J.  165, 
dem  Ende  des  6.  Jahres  Euergetes  11.  Der  Papyrus  enthält  Ver- 
fügungen des  Finanzministers,  öioixtjtt^c  ,  Herodes  —  der  Titel  ist  nicht 
hinzugefügt  —  über  die  Bebauung  und  Bestellung  der  ausgedehnten 
königl.  Domänen,  Verfügungen,  die  auf  einem  Ttposxa-i'ixa  Tispi  -f^c  -^ecup- 
•ytac  fußen.  Es  waren  aus  Militärkreisen,  in  Alexandria  stationiert  (oi 
itape^eöpeuovTEC  Iv  'AXccavopeto:  tüjv  ts  ETriXexTojv  xal  xuiv  !^(eu7i)'^(üiv) 
xai  £(T:ia)T(aTä)v)  [xaytfJLCüv  xal  tcüv  ettI  töjv  'fuXccxtowv  Teta7|J.£Vü)v  vauxXr^po- 
p,a-/i}jLU)v),  Beschwerden  eingelaufen  über  ungerechte  Heranziehung  ihrer 
Leute  zu  den  Landarbeiten.  Der  Dioiket  Herodes  schreibt  dem  Theon, 
dem  £7iiixeXTf)TT);  tüjv  xariu  tottcuv  toü  Saixou,  er  möge  für  die  genaue 
Beobachtuug  der  in  dem  beigefügten  Schreiben  an  den  Hypodioiketen 
Dorion  enthaltenen  Anweisungen  sorgen.  Dieses  Schreiben  selbst  nun 
ist  eine  Auslegung  der  Vorschriften  des  königl.  Erlasses,  der  selbst 
nicht  erhalten  ist.     Es  umfaßt  172  Zeilen. 

Col,  7  ist  ein  zweites,  etwa  einen  Monat  späteres  Schreiben  an 
Theon  aus  dem  Anfang  des  J.  7  des  Euergetes  11,  in  welchem,  da 
schon  von  neuem  Beschwerden  eingelaufen  sind,  noch  einmal  auf  die 
strengste  Innehaltung  der  vorstehenden  Verfügungen  hingewiesen  wird 
mit  dem  Bemerken,  daß  alle  andern  e7:tp.sXT)Tai  und  uTrooiotxYjTai  dieselben 
Weisungen  erhalten  hätten.  Die  Absendung  des  ersten  Schreibens  an 
Theon  hatte  sich  also  um  etwa  einen  Monat  verzögert. 


]70  Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.) 

Col.  8—9  und  11—12')  sind  z.  T.  sehr  pathetisch  gehaltene, 
apologetische  Briefe,  leider  ohne  Namen  und  Datum  mit  Rechtfertigungen, 
Glückwünschen  und  Treuversicherungen,  nach  Brunets  Meinung  aus 
dem  J.  165,  hei  rührend  von  Subalternbeamten  aus  der  Zeit  nach  Philo- 
metors  Rückkehr  aus  der  Gefangenschaft. 

Col.  13  ist  ein  Erlaß  des  Königs  Ptolemäus  (nach  Letronne 
Alexanders,  97  v.  Chr.,  nach  Brunet  de  Presle  Philometors,  164  v.  Chr.) 
an  Dionysius,  —  vielleicht  ist  dies  der  in  den  Papyri  dieser  Zeit  viel- 
genannte Aiovucjioc  Ttüv  cpi'Xwv,  der  Strateg  von  Memphis,  —  durch  den 
der  König  allen  Personen  für  bestimmte  Vergehen  bis  zum  19.  Epeiph 
Straferlaß  gewährt. 

Brunet  de  Presle  stellt  folgenden  Zusammeuhaug  zwischen  diesen 
Aktenstücken  her.  Nach  Philometors  Rückkehr  aus  der  Gefangenschaft 
suchte  er,  wie  Euergetes  IL,  sich  die  Gunst  der  Römer  und  des  Militärs 
in  Alexandrien  zu  gewinnen.  Daher  die  Verfügungen  des  Ministers 
Euergetes  II.,  besonders  zu  Gunsten  des  Militärs  in  Alexandrien,  alle 
Härten  und  Ungerechtigkeiten  zu  meiden,  ebenso  die  Briefe  der  Unter- 
beamten an  den  König  mit  Glückwünschen  u.  s.  w.  bei  der  Übernahme 
der  Regierung  durch  Philometor,  und  endlich  dessen  Amnestieerlaß. 

Paris.  64  ist  der  Brief,  wie  es  scheint,  eines  höheren  Beamten, 
in  dem  Vorwürfe  zurückgewiesen  und  erhoben  werden.  Brunet  bezieht 
diesen  PapjTus  auch  auf  die  Zeit  der  Wiedereinsetzung  Philometors, 
c.  164  V.  Chr.  Ein  Brief  an  Dionysius  wird  erwähnt.  Brunet  meint, 
das  sei  vielleicht  der  Paris.  63,  Col.  8  u.  9  erhaltene.  Das  ist  jedoch 
sehr  unsicher.     Z.  20  wird  Atjtoü;  iroXic  erwähnt. 

Paris.  65  ist  ein  Brief  des  Paniscus  an  Ptolemäus,  betreffend 
die  ägyptischen  Kontrakte  (ouvotXXa-cpiaTa)  in  dem  Gau  Fiept  öi^ßa?.  Der 
Papyrus,  ein  Zeichen  der  volksfreundliclien  Politik  Philometors,  stammt 
aus  dem  Jahre  146  v.  Chr.  und  nicht  aus  dem  J.  135.  Revillout, 
Rev.  Egypt.  11  119  f.  giebt  eine  Übersetzung  und  bespricht  den  Papyrus 
in  dem  Aufsatz  „Authenticite  des  actes". 

Paris.  67  enthält  Reste  einer  Berechnung  der  Steuersummen  des 
12.  und  der  des  laufenden  Jahres.  Aus  der  Gegenüberstellung  ergiebt 
sich,  dal)  das  12.  Jahr  ungefähr  viermal  so  hohe  Erträge  geliefert  hat. 
Diese  Berechnung  bringt  Revillout  in  Zusammenhang  mit  der  Verfügung 
des  Herodes  (Paris.  63)  an  die  Epimeleten  etc.,  für  die  Einti-eibung 
der  Steuern  auf  das  12.  Jahr  des  Philometor  zurückzugehen.  Vgl.  über 
den  Pap.  Droysen,  Kl.  Sehr.  II  S.  302  und  Revillout,  Rev. 
Egypt.  ni  S.  114 — 118  „Un  registre  budgötaire    sur  le  rendement  des 


*)  Col.  10  hängt  mit  dem  astronomischen  Traktat  zusammen. 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.   (Viereck.)  171 

impots  en  Egj'pte".  Er  giebt  den  revidlerteu  Text  und  vollständigen 
Kommentar. 

Diesen  Papyri  sind  noch  einige  andere  anzureihen. 

Tanr.  XIII,  neu  herausgegeben  und  ausführlich  behandelt  von 
E.  Revillout,  Le  papyrus  giec  XIII  de  Turin.  .Jugeraent  par 
defaut  em])ortant  la  liquidation  forcee  des  biens  dun  debiteur  (Rev. 
Egypt.  II.  124 — 42).  Die  Urkunde  ist  ein  Gerichtsprotokoll  ans  Memphis, 
nach  Peyron  vom  34.  Jahre  des  Euergetes,  nach  Revillout  wohl  mit 
Recht  vom  34.  J.  des  Philometor,  148/47  v.  Chr.  Es  handelt  sich  um 
Einklaguug  einer  auf  grund  einer  vom  Beklagten  ausgestellten 
Alimentationsurknnde  zu  zahlenden  Summe  nebst  rückständigen  Zinsen 
(vgl.  Mitteis,  Reichsrecht  und  Volksrecht,  S.  475  ff.).  Der  Gerichtshof 
ist  zusammengesetzt  aus  den  Richtern  -r^•;  ßajtXuyj?  -ol  ßacjt)>iy.a  y.at  ;:po- 
jooixa  xal  loituTtxa  xpivovxsc.  Es  wird  zu  Gunsten  des  Klägers  entschieden, 
da  der  Verklagte  trotz  dreimaliger  Vorladung  nicht  erschienen  ist. 

Paris.  10  ist  eine  öffentliche  Bekanntmachung  (7pa(j,(jLaT'.ov  ev 
d-ppa  rpoTöösv)  über  das  Entlaufen  zweier  Sklaven  aus  Alexaudria. 
Das  Nationale  und  die  äußeren  Kennzeichen  sind  genau  angegeben,  wie 
auch  die  Belohnung  für  das  Wiederbringen  oder  die  Anzeige  ihres  Aufent- 
haltes. Die  Anzeige  ist  zu  erstatten  bei  den  ünterbeamten  des  Strategen. 
Der  Papyrus  stammt  a.  d.  J.  146/45  v.  Chr.  (nach  Brunet  de  Presle 
a.  d.  J.  157/50).  Letronnes  ausführlicher  Kommentar  ist  in  den 
Not.  et  extr.  wiederabgedruckt,  vergl.  auch  Mitteis,  Reichsrecht  und 
Volksrecht,  S.  398.     Z.  T.  abgedruckt  bei  Bruns,  Eontes«,  S.  321. 

Leid.  A  ist  ein  Bericht  des  Isidorus,  des  i-uTaTr,?  xcuixr);  Taye- 
vecppTjTou  im  Gau  von  Memphis,  an  Kraterus  -üiv  Trpcoxtuv  cOvOjv  xal  arpa- 
-Tj-fip.  Er  betrifft  eine  Beschwerde,  die  ein  gewisser  Hermias  bei 
Isidorus  gegen  Chenephnibis  und  dessen  Gattin  Marmotis  eingereicht 
hatte,  weil  sie  ihm  ein  Darlehen  an  Getreide  nicht  zurückgezahlt  hatten. 
Als  von  Isidorus  die  Rückzahlung  angeordnet  wurde,  scheint  Marmotis 
gegen  Isidorus  Beschuldigungen  erhoben  zu  haben,  die  dieser  durch 
Zeugen  als  hinfällig  zu  erweisen  sich  erbietet.  Der  Pap.  stammt  aus 
dem  VI.  Jahre  eines  Ptolemäers. 

Brit.  XXXII  ist  ein  sehr  verstümmeltes  amtliches  Reskript, 
säumige  Schuldner  betreffend,  wohl  aus  dem  7.  Jhrh.  n.  Chr. 

Die  vonMommsen,  Zwei  lat.  Kaiserreskripte,  behandelten 
lateinischen  Papyri ,  die  sich  dem  S.  152  erwähnten  Fragment 
eines  Reskripts  des  Kaisers  Theodosius  anschließen,  sind  3  Leydener 
und  4  Pariser  Bruchstücke,  zu  denen  ein  kleines  Stück,  das  im  Besitz 
von  Champollion  war,  hinzukommt.  Sie  geben  uns  2  Reskripte  aus 
dem  südlichen  Ägypten,  aus  Elephantine  oder  Philae.  Das  erste  ist 
von  einem  Kaiser   an    den  Praefectus  Aegy^pti,    das   zweite    an    einen 


172  Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.) 

niagister  officiorum  Andreas  gerichtet.  Sie  stammen  aus  der  Zeit  nach 
dem  Jahre  413  und  sind  Bescheide  auf  processuale,  verschiedene  Sachen 
betreffende  Bittschriften,  über  deren  Inhalt  Mommsen  S.  413  ff.  das 
Genauere  sagt.  Hinzugefügt  sind  Bemerkungen  von  Jaffe  über  die  lat. 
Kursive  (vgl.  Pal.  Soc,  Ser.  II  pl.  30). 

lY.    Amtliche   Bescheinignogen. 

Leid,  demot.  I  373  und  375,  demotische  Kontrakte  aus 
Memphis  aus  dem  40.  und  46.  J.  Euergetes  II.,  enthalten  griechische 
amtliche  Unterschriften  über  die  Einregistrierung,  ebenso 

Leid,  demot.  I  380  auch  aus  Memphis  aus  d.  17.  J.  eines 
Königs. 

Leid,  demot.  I  377  ist  eine  Quittung  über  Zahlung  der  Ver- 
kaufssteuer bei  der  Bank  von  Hermonthis  aus  dem  15.  J.  der 
Kleopatra  und  dem  12.  des  Alexander  Philometor,  ebenso  auch 

Leid,  demot.  I  379,  der  sehr  verstümmelt  ist  (aus  d.  29.  J, 
eines  Königs,)  und 

Leid.  E.,  eine  solche  Quittung  aus  Letopolis  in  Mittelägypten 
über  Zahlung  der  Verkaufssteuer  für  Haus  und  Hof.  (Vgl.  Wilcken, 
Griechische  Papyri  S.  43,  Anm.  10.) 

Taur.  X  sind  zwei  Quittungen  über  Zahlung  der  Steuer  für  den 
Verkauf  eines  Hauses,  (nicht  oia-^pacpai,  wie  Peyron  erklärt),  aus 
ptolemäischer  Zeit. 

Leid.  Q.  ist  eine  Quittung  des  Steuererhebers  Nikator  a.  d.  26,  J. 
des  Philadelphus  (vgl.  Revillout,  Rev.  £g.  III,  83  f.)  über  Empfang 
von  20  Dr.,  die  aus  dem  22.  u.  23.  Jahre  noch  rückständig  waren,  von 
selten  des  Orsenuphis,  des  6oxt[j,ajTTjj  in  Syene  in  Oberägypten. 

Leid.  L  handelt,  wie  Revillout,  Rev.  Egypt.  IE,  131  (vgl. 
Anm.  5  den  verbesserten  Text),  zeigt,  vom  Kauf  eines  Teils  des 
Gartens  der  Zois  in  Memphis.  Die  Vermessung  ist  ausgeführt  durch 
den  Geometer  Asklepiades,  der  dazu  berufen  war  von  dem  Strategen 
und  Hypodioiketen  Sarapion,  und  nach  Col.  2  a,  7  auch  von  Dorion, 
dem  dvTiYpacps'Jc  und  ßasiXixoj  xpaTte^iTT];.  Der  letzte  wird  wegen  Zahlung 
der  Verkaufssteuer  genannt  sein.     2.  Jhrh.  v.  Chr. 

y.    Amtliche  Listen  und  Rechnungen. 

Paris.  66  ist  eine  fragmentarische  Liste  von  Personen  und  von 
Aufwendungen  für  öffentliche  Arbeiten,  u.  a.  Damm-  und  Kanalarbeiten. 
Der  Schrift  nach  wohl  Ende  der  Ptolemäerzeit. 

Brit.  XXV  und  XXIX  sind  Rechnungen,  möglicherweise  aus 
dem  Serapeum  bei  Memphis,  aus  den  Jahren  162/61  u.  161/60  (vgl. 
8.  159.),  beide  von  derselben  Hand  geschrieben. 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.)  173 

Brit.  XXX  ist  eine  Rechnung-  aus  dem  2.  Jhrh.  v.  Chr.  über 
Zahlung-  für  Korn  und  Wasser  (vgl.  S.   159). 

B.-   Private  Urkunden. 

I.    Eingaben   und   Besch^verden. 

Paris.  13  ist  die  Eingabe  eines  gewissen  Ptolemäus  au  den 
Strategen  Posidonius  betr.  Vorenthaltung  der  9ef'vr,  seiner  während  des 
eviauTo?  3U-/01XE010U  gestorbeneu  Mutter.  Der  Papyrus  stammt  aus  dem 
J,  157  V.  Chr.  Der  griechische  Text  ist  revidiert,  von  neuem  heraus- 
gegeben, übersetzt  und  besprochen  von  Revillout,  Rev.  Egypt.  1 
S.  109  ff.  in  dem  Aufsatz  „Les  regimes  matrimoniau.x  dans  le  droit 
egyptien  et  par  comparaison  dans  le  codc  civil  francais".  Vgl.  auch 
Mitteis,  Reichsrecht  und  Vulksrecht,  S.  223. 

Paris.  8  ist  eine  Eingabe  au  einen  Beamten,  dessen  Name  und 
Titel  nicht  erhalten  ist  (nach  Brunet  de  Presle  wäre  es  der  Agarouom, 
was  sehr  zweifelhaft  ist).  Es  wird  gefordert  die  Zahlung  eines  Dar- 
lehens oder  vielmehr  eines  gestundeten  Kaufgeldes  (vgl.  Mitteis,  Reichs- 
recht und  Volksrecht,  S.  479).  Der  Papyrus  stammt  nach  Letronne 
aus  dem  Jahr  129  v.  Chr.  (vgl.  Wilcken,  Aktenstücke  S.  42, 
Anm.  2). 

II.     Rechtsgeschäfte  zwischen  Privaten. 

Paris.  17  ist  eine  umfangreiche  Urkunde  über  den  vor  dem 
Agoranoraen  Rufillns  Niger  abgeschlossenen  Verkauf  eines  Hauses  aus 
Elephautine  in  der  Thebais  v.  J.  154  n.  (^hr.  Wieder  abgedruckt  bei 
Bruns,  Fontes"  8.  322  ff.  und  Mitteis,  Reichsrecht  und  Volksrecht, 
S.  97  ff.  mit  deutscher  I'bersetzung  (vgl.  180  f.). 

Leid.  N.,  die  sogenannte  Nechutesurkunde  v.  J.  103  v.  Chr., 
handelt  vom  Verkauf  einer  i];tXoc  totco?,  abgeschlossen  eir'  'AtcoXXojviou 
Toü  Trpo?  TT]  d^opavofjLiqt  tcüv  Me|xvov£io)v  xal  r?];  y.axu)  xo-apyiac  xoü 
naöuptTou.  Verkäufer  sind  2  Brüder  und  Schwestern,  Käufer  Nechutes. 
Hinzugefügt  ist  die  Quittung  über  Zahlung  der  Verkaufssteuer. 
Leemans,  Ztschr.  f.  äg.  Sprache  XVIII,  1880,  S.  27—34  „Die  Unter- 
schrift eines  griechisch  -  ägyptischen  Kaufkontraktes  auf  Papyrus  aus 
dem  2.  Jhrh.  v.  Chr."  (vgl.  Tafel  I B)  widerlegt  die  Behauptung 
Gardthausens,  Griech.  Paläogr.  Lpz.  1879  S.  223  ff.,  daß  die  Unter- 
schrift der  Nechutesurkunde  in  tachygraphischen  Zeichen  geschrieben  sei. 

Paris.  70  bis  ist  ein  Brieffragment,  vielleicht  die  Teilung 
eines  Besitzes  angehend. 

Paris.  9  bis  Recto  scheint  der  Überrest  eines  Kontraktes, 
etwa  aus  dem  Ende  des  2.  Jhrh.  n.  Chr. 


174  Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.) 

Leid.  0.  ist  eine  üarlehensurkunde  ans  Memphis  a.  d.  J.  89  v.  Chr. 
Der  Verleiher  ist  Konoiiphis  tcüv  ex  xoü  rpo?  MejjLcpiv  ixe^dtXou  'AcjxXt]- 
raeiou  Tapr/eüTüiv  (vgl.  S.  162),  der  Empfänger  des  Darlebens  ist  Petei- 
muthes.  Abgeschlossen  ist  der  Vertrag  vor  dem  au-ffpacpocpuXa^  Hera- 
kleides, i-l  TTjC  uTToxaxcü  Msixcpeu)?  (pDXav.r^^.  Die  Urkunde  ist  Original- 
urkunde, wie  aus  der  eigenbändigen  Unterschrift  des  Peteimuthes 
hervorgeht.     (Vgl.  Droysen,  Kleine  Schriften  II,  303.) 

Brit.  LXXVII  (vgl.  S.  150)  ist  das  aus  dem  8.  Jahrh.  n.  Chr. 
stammende  Testament  Abrahams,  des  Bischofs  von  Hermontbis  und  Vor- 
stehers des  Klosters  des  heiligen  Phoebammon.  Durch  das  Testament 
wird  der  Priester  Victor,  den  Abraham  zu  seinem  Nachfolger  bestimmt 
hat,  als  Erbe  eingesetzt. 

III.    Private  Briefe,  Abrechnungen  u.  dergl. 

Paris.  18  ist  ein  Privatbrief  aus  dem  2.  bis  3.  Jbrh.  n.  Chr. 
mit  unwesentlichem  Inhalt.  Die  Herkunft  ist  nicht  sicher.  Es  wird 
mehrfach  Pelusion  erwähnt.  Von  A.  Peyron,  Pap.  Taur.  I  S.  30  und 
Egger,  Memoires  S.  438  f.  z.  T.  wiedergegeben. 

Paris.  18  bis  ist  ein  Privatbrief.  Senpamonthes  sendet  seinem 
Bruder  Pamonthes  die  Leiche  der  Mutter  Senyris  (oder  Seneris),  e/(uv 
ToßXav  xa-a  xoü  xpayT^Xoo,  ZU  Wasser.  Das  Fährgeld  ist  bezahlt.  Der 
Pap.  stammt  aus  röra.  Zeit,  wohl  2./3.  Jahrh.  Er  ist  auch  publiziert 
von  Egger,  Memoires.  S.  439. 

Paris.  18  ter  ist  ein  Papyrusblättchen  mit  dem  Namen  eines 
Verstorbenen,  als  Mumienetikette  gebraucht  (vgl.  Paris.  18  bis  xaßXa). 
Etwa  2.  Jhrh.  n.  Chr. 

Paris.  18  quatuor  ist  das  Fragment  eines  Briefes  aus  römischer 
Zeit,  wie  der  Herausgeber  annimmt ,  geschrieben  in  Memphis  und  ge- 
richtet an  einen  Bewohner  des  Serapeums  und  den  Besuch  des  Sera- 
peums  durch  einen  Kaiser  erwähnend. 

Pap.  1563  Passalacqua,  Catalogue  ist  ein  Empfehlungsbrief 
(ImaxoXT)  aujxaxtxTj)  aus  ptolemäischer  Zeit  von  Timoxenos  an  Moschion, 
ofiFenbar  beides  Personen  in  hoher  Stellung.  Gefunden  ist  der  Brief  bei 
der  Mumie  wahrscheinlich  des  Empfohlenen,  vgl.  den  ausführlichen 
Kommentar  Letronnes. 

Brit.  XLIII  ist  ein  nur  fragmentarisch  erhaltener  Privatbrief 
aus  d.  2.  Jhrh.  v.  Chr.,  in  welchem  eine  Mutter  ihrem  Sohne  (?) 
gratuliert,  daß  er  ägyptisch  gelernt  habe  und  nun  als  Lehrer  in  der 
Stadt  seinen  Lebensunterhalt  verdiene. 

Paris.  9  bis  Verso  scheint  das  Fragment  eines  Briefes  zu  sein. 

Paris.  60  bis  ist  ein  Verzeichnis  von  Ausgaben  für  Schiffs- 
transporte nach  Alexandria.  Letronne  hat  ihn  unter  die  Serapeum- 
papjri  eingereiht,   doch  ist  kein  Anzeichen  da,  daß  er  dorther  stammt. 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.)  175 

Paris.  9  ist  von  neuem  korrekt  herausg-egeben  vonRevillout,  Rev, 
Egypt.  III  67  ff  ,  Anm.  4,  in  dem  Aufsatz  „Seconde  lettre  ä  M.  Lenor- 
mant  sur  les  mounaies  egyptiennes".  Der  Pap.  enthält  eine  Abrechnung 
über  von  einem  Getreideverleiher  an  bestimmte  Personen  verliehene 
Ajtaben  Getreide  nebst  der  Zahl  der  durch  den  Zins  vermehrten  zurück- 
znliefernden  u.  a.  Der  Zinsfuß  betrug  33V3  für  100.  Brunet  de  Presle 
vermutet  Herkunft  des  Pap.  aus  Theben,  und  das  erviähnte  11.  Jahr 
eines  Königs  hält  er  für  107  oder  104.  Ob  die  Urkunde  amtlich  oder 
privat  ist,  ist  mir  ungewiß. 

Paris.  61  Verso  ist  ein  Bruchstück  einer  Rechnung  aus  dem 
25.  J.,  nach  Brunet  de  Presle  des  Philometor,  157/156.  Er  meint  Par.  61 
Recto  u.  Verso  seien  beide  in  Memphis  von  Ptolemäus,  des  Glaucias 
Sohn,  aufbewahrt. 

Zum  Schluß  seien  die  Fragmente  erwähnt,  die  Letronne  in 
seinem  Brief  an  Passalacqua  bespricht. 

Pap.  490  Passalacqua,  Catalogue  ist  das  Fragment  einer 
Urkunde  über  Zahlung  bestimmter  Summen,  zu  Sandalen  zerschnitten, 
V.  J.  191  V.  Chr. 

Pap.  1564  Passalacqua,  Catalogue  enthält  mehrere,  z.  T. 
nur  ein  oder  zwei  Zeilen  zählende  Fragmente:  A  eines  amtlichen  Briefes, 
B  eines  amtlichen  Aktenstückes,  Steuerangelegeuheiteu  betreffend; 
gleichfalls  amtliche  Aktenstücke  sind  C  u.  D.  E  und  F  zweifelhaften 
Inhalts,  vielleicht  aus  einem  Privatkontrakt;  G  und  H  Reste  von  Be- 
schwerdeschriften, alle  aus  ptolemäischer  Zeit. 

D.    Papyri   aus  Saqqara   bei  Memphis    aus  römischer  Zeit. 

Wieder  eine  andere  Reihe  von  Publikationen  hängt  eng  zusammen. 
In  den  50er  Jahren  v^urden  in  einem  Grabe  in  Saqqara  bei  M  emphis 
Papyri  aus  der  römischen  Zeit  gefunden,  die  von  den  Arabern 
nach  ihrer  Gewohnheit  in  viereckige  Fetzen  zerrissen  in  den  Handel 
gebracht  wurden.  Sie  stammen  offenbar  aus  dem  Besitze  eines  Beamten, 
der  zu  den  Zeiten  des  Severus  und  Maximinus  in  Memphis  lebte.  Der 
eine  Teil,  15  Papyri,  wanderte  in  die  kaiserliche  Bibliothek  von  Peters- 
burg, veröff"entlicht  1864  in  leidlichen  Faksimiles  von 

E.  Muralt,  Catalogue.  Die  Papyri  sind  in  Kursive  geschrieben, 
der  Inhalt  mannigfach,  meist  Steueraugelegenheiten  betreö'end. 

Ein  2.  Teil,  57  Fragmente,  wurde  für  das  Berliner  Museum  1853 
durch  Heinrich  Brugsch^)   erworben.    Von  diesen  wurden  32  Frag- 


'j  H.  Brugsch,  um  auch  darauf  aufmerksam  zu  machen,  gab  heraus 
eine  „Sammlung  demotisch-griechischer  Eigennamen  ägyptischer  Privatleute, 
aus  Inschriften  und  Papyrusrollen  zusammengestellt,  Berlin  1851.    Gaertner. 


1 76  Bericht  über  äie  ältere  Papyruslitteratur.   (Viereck.) 

mente  1865  veröflfentlicht  durch  G.  Parthey,  Frammenti.  Unter 
ihnen  ist  besonders  bemerkenswert  N.  1,  ein  Erlaß,  wie  Parthey  ver- 
mutet, des  FrjT.  17  Verso  genannten  Praefectus  Aegypti  Mevius  Hono- 
ratianus,  der  einen  anderen  hohen  Beamten  in  Memphis  anweist,  Fest- 
lichkeiten anzuordnen  (i^eac  •Aui]i.d>l,zax)on)  aus  Anlaß  der  Ernennung  des 
C.  Julius  Verus  Maximus  zum  Cäsar  durch  seinen  Vater  ]\Iaximinus 
Thrax  (235  n.  Chr.).  Die  übrigen  Fragmente,  in  denen  vielfach  Römer 
genannt  werden,  häutig  auch  Beamtentitel  begegnen,  (ff|'£[xa)v,  cjTpa-rj-foc, 
[^t^Xto'fuXaxe?,  [ij::o[jLVY]][jLaxo7pacpoc,  a7opav6[xoc  u.  s.  w.)  beziehen  sich  teils 
auf  Steuer-  oder  Gerichtssachen,  teils  sind  es  Quittungen,  Verträge, 
Namenslisten  und  Privatbriefe,  Nr.  32  endlich  ein  rhetorisches  Fragment. 

Eine  3.  Sammlung  von  35  Fragmenten  gleicher  Herkunft  ward 
von  Tischendorf  erworben  und  kam  in  die  Leipziger  Universitätsbibliothek, 
1865  publiziert  von  G.  Parthey,  Leipziger  Papyri.  Sie  gehören, 
wie  Parthey  erkannte,  ihrer  Herkunft  und  ihrem  Inhalte  nach  —  es 
werden  Kaiser  des  3.  Jahrh.  und  der  Statthalter  Mevius  Houoratianus 
erwähnt  —  zusammen  mit  den  Petersburger  und  den  57  Berliner  Frag- 
menten. Sammlung  Brugsch.  Während  Parthey  nur  20  Fragmente  mit 
ganz  kurzen  Bemerkuniien  über  Art  der  Schrift,  Inhalt  u.  s.  w.  publizierte, 
sind  sie  1883  vollständig  gegeben  von  Wessely,  Leipziger  Pa  pyri. 
Der  Inhalt  dieser  Papyri  ist  der  gleiche,  meist  behandeln  sie  Steuer- 
sachen. Zu  N.  13  Recto  spricht  Wessely  über  Xao7pa'fta!,  worauf  ich  später 
bei  Besprechung  neuerer  Publikationen  zurückkomme. 

Auf  all  diese  Fragmente  einzeln  einzugehen,  lohnt  sich,  so  unter- 
richtend sie  auch  sein  mögen,  nicht,  da  sie  nicht  allein,  namentlich  auch 
nicht  auf  grund  der  mangelhaften  Publikation  Partheys  —  auch  Wesselys 
Lesungen  weisen  nach  Wilcken  viele  Fehler  auf  —  betrachtet  werden 


8.  40  S."  Im  ersten,  demotischen  Teil  sind  aufgeführt  A.  Demotisch-grie- 
chische Namen,  B.  Demotische  Namen  mit  deutscher  Umschreibung;  der 
zweite,  griechische  Teil  S.  27—40  enthält  die  griechischen  Namen  mit 
Stellenangabe  und  zumeist  mit  Übersetzung  (sehr  nützlich  wohl  besonders 
für  Nicht-Ägyptologen)  z.  B.  'A\>.vh»z.<.z  Peyron  II  34  Amen-Api,  Ammon 
vonOphis;  Ao-o/.^c«;,  Harpechrat,  Horus  der  Junge :  Owoj-ff-'.;,  Un-nofer,  der 
Öffner  des  Guten;  nc«zr,;j.'.;  Pa-ke-mi,  der  Ägypter;  IIsTsczp-o/f/ctxrjc  Pete- 
Har-p  •  y  rot,  das  Geschenk  des  jungen  Horus;  i^apa-tc,  Asar-Hapi,  Osiris- 
Apis ;  X;va(iouvi;,  T.  se-n-Amun,  die  Tochter  des  Ammon,  T«uiouvi;,  Tä-Amun, 
die  des  Ammon  u.  s.  w.,  u.  s.  w.  Andere  Namenzusammenstellungen  findet 
man  in  den  Indices  der  Publikationen,  ferner  bei  G.  Parthey,  Agypt. 
Personennamen  bei  den  Klassikern,  in  Papyrusrollen,  auf  In- 
schriften. Berlin,  Nicolai,  1864,  127  S.;  C.  W.  Goodwin,  Coptic  and 
graeco-egyptian  names  (Ztschr.  f.  äg.  Sprache  VI  1868.  S.  fi4 — 69). 
Wilcken,  Ägyptische  Eigennamen  in  griechischen  Texte  n  (eben- 
daaelbst  XXI  1883,  S.  1.59-166). 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.   (Viereck.)  177 

können,  sondern  dring'cnd  einer  einheitlichen  Behandlung?  bedürfen.  Das 
zeigte  auch  schon  Zündel,  Rh.  M.  XXI.  Die  Frage  nach  der  Her- 
kunft eines  Bücherkatalogs  —  von  Mariette  Tischendorf  geschenkt  und 
von  Muralt  N.  13  publiziert  —  fühi-te  Zündel  auf  die  Vergleichung  der 
Berliner  Fragmente  mit  den  Petersburgern.  Er  erkannte  viele  Ähnlich- 
keiten, die  Zusammengehörigkeit  von  Petersb.  N.  7  mit  Berl.  5,  Berl.  1 
stellte  er  zusammen  mit  Petersb.  3a,  Z.  10,  Berl.  18,  19,  20  mit 
Petersb.  6a,  Berl.  21—27  mit  Petersb.  14a.*)  Die  Vermutungen 
Zündeis  wurden  erwiesen  von  U.  Wilcken,  Herm.  XXII  S.  142 — 144. 
Er  setzte  Petersb.  7  mit  Berl,  5  zusammen.  Beide  bilden  eine  Quittung 
(aroyr,)  aus  dem  4.  Jahr  des  Severus  Alexander,  „in  der  sieben  Itpzii 
und  a-coXtdrai  den  Empfang  ihrer  (juv-ra^i;  (d.  h.  der  jährlich  aus  der 
kgl.  Kasse  den  Priestern  und  Bediensteten  des  Tempels  auszuzahlenden 
Pension,  eine  von  den  römischen  Kaisern  übernommene  ptolemäische 
Institution)  füi*  das  verflossene  3.  Jahr  bescheinigen.-) 

Endlich  veröffentlichte  Egger,  ßev.  arch.  1872,  S.  137—47, 
unter  Hinzufügung  eines  Faksimiles  einen  ihm  von  Mariette  mitgeteilten, 
wie  es  scheint,  in  Saqqara  gefundeneu  Papyrus  a.  d.  J.  302  n.  Chr. 
Er  besteht  aus  2  Kolumnen,  von  denen  die  linke  halb  abgerissen  ist. 
Es  sind  2  gleichartige  Listen  (xatavöpa)  wohl  an  den  Strategen 
eingereicht,  die  erste  7,  die  zweite  23  Bewohner  unter  Angabe  des 
Ertrages  ihres  Landes  in  Artaben  {v^Xri<\i'.{\  -oü  ■ZT^^  rjixsTspaj  xcifir)? 
7evT^Ixa-oc)  aufzählend.  Am  Schluß  jeder  Liste  ist,  was  Egger  nicht 
erkannte,  wie  er  auch  einiges  andere  falsch  gelesen  hat,  die  Summe  der 
Artaben  gezogen.^)     Der  Papyrus  verdiente  wohl  eine  neue  Ausgabe. 

E.     Papyri  aus  Theben  aus  ptolemäischer  Zeit. 

Eine  zweite  Gruppe  von  Papyrusfragmenten  aus  Theben  aus 
ptolemäischer  Zeit  ist  gleichfalls  über  die  verschiedenen  Länder  zerstreut 
und  ihre  Zusammengehörigkeit  erst  später  erkannt.  Ein  Papja-us  ward 
publiziert  von  E.  Egger,  Memoires,  S.  149—159.  Der  Papyrus 
(a.  d.  J.  130)  ist  von  Mr.  Chasles  aus  der  Sammlung  Anastasy  aufge- 
kauft  und  Egger    zur  Publikation    überlassen.     Egger   bat  eine  Über- 


*)  Im  Nachtrag  erwähnt  Zündel  einen  Pap.,  1861  von  Alb.  Rougemont 
von  der  Schadau  gekauft,  mit  großer  Kursive,  wovon  er  nur  las  die  Worte 

-)  Vgl.  E.  Revillout,  La  syntaxis  des  temples  ou  budget  des  cultes 
sous  les  Ptolemees  (Rev.  Egyptol.  1  S.  82),  der  eine  große  Anzahl  von 
Urkunden  über  die  Austeilung  und  den  Empfang  der  Syntaxis  zusammenstellt. 

^)  Col.  1  xo,  x£S,  (=25V2J  '-,  •''•^^S  1^,  >'•,  ''■'  Summa  (i/.cs  (=  136  7»). 
Col.  II  ist  die  Summe  der  Artaben  707  =  673  angegeben. 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.  Bd.  LXXXXVTII.  (1898.  HI.)  12 


178  Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.) 

Setzung  uud  einen  Kommentar  hinzugefügt.  Doch  genügt  der  nicht. 
Seine  Erklärung  rindet  der  Papyrus  erst  durch  die  Zusammenstellung 
mit  den  Zoispapyri  uud  den  gleich  zu  besprechenden.  Auch  er  betrifft, 
wie  die  folgenden,  Geschäfte  der  Bank  in  Diospolis  und  zwar  mit  der 
Thebanischen  Priesterschaft  des  Amonrasonther.  Es  ist  eine  öta-^pafpi^, 
Anweisung  zur  Zahlung  der  Syntaxis  an  den  genannten  Gott. 

Ein  anderer  ist  von  demselben  Gelehrten  publiziert  Comp t  es 
rendus  1867,  S.  314—19.  Der  Pap.,  von  dem  Egger  ein  Faksimile 
giebt,  stammt  aus  der  Antikensammlung  M.  E,aif6's  und  ging  1867  in 
den  Besitz  von  M.  Jean  Bertrand  de  Vitry-le-Frangois  über.  Das 
Eecto  enthält  7,  das  Verso  2  Zeilen,  im  wesentlichen  von  Egger  richtig 
gelesen,  übersetzt  und  kommentiert  (vgl.  u.).  Egger  giebt  an  dieser 
Stelle  auch  noch  einmal  mit  Übersetzung  Brit.  XXVII  (==  Forsh.  VII) 
nnd  Brit.  XXXI  (=  Forsh.  Vlll).  Zudem  waren  24  Thebanische  Papjai 
von  Lepsius  aus  der  Anastasyschen  Sammlung  in  Paris  für  das  Berliner 
Museum  erworben.  Von  ihnen  veröffentlichte  1869  19  G.  Parthej'', 
Theban.  Pap.  Parthey  giebt  den  Text  mit  kurzen  Noten  und  ein 
Wortregister,  Vieles  ist  falsch  gelesen,  manche  Stücke  waren  zusammen- 
zusetzen. Die  Zusammengehörigkeit  all  dieser  Papyri  nun  mit  den 
schon  längst  von  ForshaU  unter  N,  XXIV — XL  veröffentlichten  (jetzt 
bei  Kenyon,  Catalogue  XV,  1 — 16,  S.  50—59,  vgl,  dazu  Wilcken,  Gott. 
Gel.  Anz.  1894  S.  726)  erkannte  Wilcken,  Aktenstücke,  Er  benutzt 
Forsh.  XXXVIl  (=  Brit.  XV  (d),  XXXVI  (=  Brit,  XV  (2)),  XXVI 
(-Brit.  XV(3,j,  XXIV  (- Brit.  XV  (4)),  XXXIV  (-Brit.  XV  (5)), 
XXXIX  u.  XL  (=  Brit.  XV (6)),  XXXIII  (=  Brit.  XV  (7)),  XXXI  (-=  Brit. 
XV  (8)),  XXXVIII  (-Brit.  XV  oi),  XXVIII  (=  Brit.  XV  do);  Parthey 
1 — 10,  13 — 19;  dazu  3  Berliner  Inedita  und  den  2.  Eggerschen  Papyrus, 

Die  Urkunden  stammen  aus  dem  Ende  des  2,  Jahrh.  v.  Chr,  und 
eröffnen  uns  einen  sehr  lehrreichen  Einblick  in  die  Verwaltung  des 
Lagidenreiches,  in  den  Betrieb  der  kgl.  Banken,  tpa-e^a'.  |ia3tX'.xai,  die 
die  Centralstelle  aller  Staatseinnahmen  und  Staatsausgaben  bildeten. 
Wilcken  giebt  S.  7—21  unter  N.  I— XII  die  Texte,  dann  einen  sach- 
lichen, ausführlichen  Kommentar   S.  22  ff. 

N.  I— IV  aus  d.  40.  Jahre  Euergetes  K.  (131/130  v,  C.J  sind 
gleicher  Art:  „Anweisungen,  durch  die  der  Bankier  ermächtigt  wird, 
Summen,  die  der  kgl.  Kasse  aus  der  Versteigerung  von  Domanialland 
zuflössen,  mitsamt  den  entfallenden  Zöllen  an  der  kgl,  Baak  in  Empfang 
zu  nehmen  und  einzutragen."  Die  Papyri  bestehen  aus  7  Teilen,  von 
W,  mit  A— G  bezeichnet:  A  Anweisung  des  Dionysius  (vielleicht  des 
ü7too'.o'.y.r,-rr];,  des  Stellvertreters  des  Fiaauzministers,  des  o'.oixrjr/]?)  an 
den  Bankier  (Tpa-£^iTr,c)  Herakleides,  auf  grund  des  beigefügten  UKOjxvrjixa 
die  entfallenden  Gelder  in  Empfang  zu  nehmen;  B  Kopie  des  G-oav/jax 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.   (Viereck.)  179 

durch  das  ihm  die  Versteigerung  des  betr.  Grundstückes  übertragen 
wurde;  C  und  D  sind  zwei  Aktenstücke,  auf  jjrund  des  G-o|jLVTjiJLa  einge- 
fordert, C  eine  avacpopa  des  To-o7pafi.}xaTc'Jc  über  die  Beschaffenheit  des 
Grundstückes,  D  der  vom  -oiiOYpaixfxaTe'jc  auf  Veranlassung  des  Dionysios 
\  eingeforderte  Bericht  des  xü)iJL07pot|X!xaT$6c,  der  mit  C  zusammen  an 
Dionysius  abgesandt  wurde.  Soweit  sind  die  Aktenstücke  Kopien. 
Es  folgt  E  die  eigenhändige,  summarische  Aufforderung  des  Dionysius 
(6e$ai,  y.aöiü?  -poxeixat);  F  dieselbe  Weisung  an  den  Herakleides  durch 
Poseidonios,  den  Stellvertreter  des  kgl.  Schreibers  Heliodoros;  die 
Erlaubnis  der  Annahme  des  Geldes  wii-d  aber  an  die  Unterschrift  des 
T07:o7pa;j.IxaTe'j?  geknüpft,  daß  nichts  vergessen  sei.  Diese  Unterschrift 
giebt  G. 

Diese  Urkunden  sind  also  ota-fpafpat,  Zahlungsanweisungen.  Sie 
entsprechen  genau  den  schon  von  Peyrou  so  vortrefflich  erklärten  Zois- 
papyri  I,  5—39  und  II,  6—38,  freilich,  wie  ich  meine,  mit  Einschluß 
des  Begleitschreibens  (vgl.  oben  S.  148  Anm.  1).  Aufgrund  dieser 
oiaYpatpai  erfolgte  die  Zahlung,  dann  wurde  die  Quittung  hinzugefügt, 
wie  es  in  den  Zoispapyi'i  geschehen  ist  (vgl.  I,  1 — 4,  II,  1—5),  und  der 
Zahlangszeuge  unterschrieb  (vgl.  Zoispap.  I  40,  II  39).  Ob  stets  bei 
Ausstellung  dieser  Quittung  die  ganze  ota-i'pacpr,  wiederholt  werden  mußte, 
wie  Wilcken  annimmt,  erscheint  mir  zweifelhaft.  Vielleicht  lag  der 
Zois,  deren  Zahlungen  sich  über  4  Jahre  erstreckten,  besonders  daran, 
das  Aktenmaterial  möglichst  vollständig  beisammen  zu  haben. 

N.  V— VII  geben  Aufschlüsse  über  Art  der  Besoldung  und  Ver- 
pflegung des  Heeres.  Der  Sold  floß  aus  der  kgl.  Kasse,  der  ßacjtXtxYj 
xpdre^a  oder,  wie  es  auch  kurz  heißt,  dem  ßaciXixov,  diu'ch  Vermittelung 
des  Zahlmeisters.  ^)  Der  -/paixjxaTsuc  schickt  die  ai'Tr,cTi?  mit  detaillierter 
Angabe  der  verschiedenen  Posten  (ötasToXV))  ein.  Darauf  wird  der 
Trapezit  —  von  wem,  wissen  wir  nicht  —  durch  die  otaYpa'fiQ  zur  Aus- 
zahlung angewiesen, 

N.  VTTT,  ein  Brief  eines  gewissen  Proitos  an  die  ':a'{\}.'xznf.Q\  u-rjpexai, 
handelt  von  widerrechtlicher  Aufnahme  von  Truppen.  Wilcken  giebt 
sämtlichen  genannten  Personen  ihren  Titel  und  sucht  auch  eine  als  den 
Tpa-eCiTT)?  zu  erweisen,  um  zu  erklären,  wie  der  Papyrus  unter  die 
Bankakten  komme.  Doch  ist  das  alles  m.  E.  sehr  unsicher,  wir  wissen 
ja  nicht  einmal,  ob  der  Papyi'us  wirklich  zu  den  Akten  gehörte. 


'}  Nach  Brit.  XXIII  (=Forsh.  II)  erhielt  die  besser  als  die  theba- 
nischen  Soldaten  besoldete,  in  Memphis  stationierte  Elitetruppe  der  i-iyj- 
voi  unter  Philometor  den  Sold  teUs  in  Getreide,  teils  in  Geld,  ii£-&i^u.axcz  xai 
o'^cijvi«.     Za   letzteren   gehört   auch   das  Geld   für   das   Pferdefatter,    das 

l^TTiOTpOCl/.OV. 

12* 


18Ü  Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.   (Viereck.) 

N.  IX,  X,  Xa  (letzterer  der  von  Egger  Compt.  rend.  publizierte) 
sind  drei  Quittungen,  die  der  kgl.  Bank  ausgestellt  wurden  von 
Apollonios,  dem  epjxrjvsu;  xtüv  Tpco-j-oGUTcov ')  (v.  18.  Aug.  134  v.  C), 
von  Psenathymis,  einem  Wärter  gefangener  Tiere-)  und  von  Asklepios, 
einem  Beamten  der  Ölfabrik  in  Theben  (8.  Sept.  130),  der  den 
Empfang  von  800  Dr,  für  den  Transport  von  800  Metretae  eXat'ou  ^svtxoü 
bescheinigt.^) 

Pap.  XJ,  datiert  vom  18.  Nov.  116,  nach  der  hier  urkundlich  bestä- 
tigten Alleinherrschaft  der  Kleopatra  Kokke  *),  enthält,  wie  liUmbroso  sah, 
eine  xsipo?pa?i<='  opxou  ßaaiXtxoü,  die  Niederschrift  eines  beim  König  ge- 
schworenen Eides.  °)  Es  leistet  jemand  Bürgschaft  für  einen  bei  der 
Kassenverwaltung  der  in  Theben  stationierten  -s^ol  dpyaroi  angestellten 
Beamten.  Derartige  Bürgschaften  wurden  bei  der  kgl.  Bank  deponiert 
(vgl.  Pap.  Paris.  62  Col.  in  6  f!\). 

XI  a,  vielleicht  auch  XI b,  scheint  der  Rest  eines  Duplikates  zu  sein, 
und  N.  XII  ist  nach  Wilckens  Vermutung  der  Bericht  eines  Beamten 
über  die  Verpachtung  eines  vaüXov,  eines  Fährgeldes,  dessen  Ertrag  an 
die  Banken  abzuliefern  war. 

Zu  dieser  Gruppe  gehören  noch  die  unbedeutenden  Fragmente 
Forshall  XXV,  XXVII,  XXIX,  XXX,  XXXII  und  XXXV,  bei  Kenyon 
XV  (iij-(i6)  und  Parthey,  Theb.  Pap.  N.  11  u.  12. 

Hier  sei  auch  noch  angeführt  der  von  Egger,  Journal  d.  8av. 
1873,  S.  30—41  u.  97—112  publizierte  Papyrus  (Atheniensis  11). 
Jos.  Sakkakini  schenkte  diesen  Papyrus  der  Universität  Athen,  M.  Albert 
Dumont  schrieb  ihn  ab  und  gab  ihn  Egger  zur  Publikation  Er  um- 
faßt 25  7—9  Zeilen  enthaltende  Kolumnen,  gut  erhalten  bis  auf  Col.  XII 
und  XV.  Egger  bezeichnet  den  Papyrus  als  ein  Journal  propremeut 
dit  de  la  depense  d'un  menage;  also  ein  Wirtschaftsbuch.  Er  giebt  den 
Text,  setzt  ab  und  zu  das  Facsimile  daneben.  Er  vermutet  seine  Her- 
kunft aus  Theben,  weil  Col.  XIII  Z.  93  steht /a^xsi  Mc|xvo[vitt)?].  Am 
30.  Mesore  scheint  die  Eechnuug  geregelt  zu  sein.     Tag  für  Tag  sind 


^)  Vgl.  Lumbroso,  Recberches  S.  25ß. 

-)  Vgl.  Lumbroso,  Recherches  330  Anm.  Die  (zvof^s;  sind  wohl 
seine  Diener. 

')  Über  die  einschlägigen  Verhältnisse  der  Ülfabrikation  vergleiche 
jetzt  Grenfell-Mahaffy,  Revenue  Laws.     Oxf.  1896. 

0  Vgl.  Letronne,  Recueil  des  Inscr.  de  l'Egypte,  I  S.  50. 

^)  Dergleichen  Eide  sind  nicht  selten,  Verl.  Paris.  G2  IV  12,  Revillont, 
Nouv.  ehrest.  S.  15.0  fl.,  der  einen  demotischen  Text  mitteilt,  von  dem  Wilcken 
das  griechische  Verso  giebt: 

I /w^]   M£30f>r)  •/c'.f/oYf^cz('f'a)  'i(j/.o-j  ßK3('./ay.0ü)     sr^sctjisivtuv 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.   (Viereck.)  181 

die  Ausgaben  für  Brot,  Zukost,  Holz  u.  s.  w.  aufgezählt  für  deu 
30.  Epeiph  und  die  16  ersten  Tage  des  Mesore,  die  Summen,  die  Egger 
nicht  entziffert  bat,  beigefügt,  und  Tag  für  Tag  ist  die  Gesamtsumme 
angegeben.  Im  2.  Teil  (S.  97 — 112)  seines  Aufsatzes  stellt  er  die 
Gegenstände,  für  die  die  Ausgaben  zu  machen  waren,  zusammen  unter 
Heranziehung  der  Leydener,  Londoner  und  Pariser  Papyri  (besonders 
S.  105  des  Paris.  54  einer  Rechnung  der  Zwillinge)  und  spricht  über 
die    uns    in  den  Papyri   für  einzelne  Gegenstände  überlieferten  Preise. 

Hingewiesen  sei  hier  auf  Eggers  Aufsatz  Kconomie  domestique 
des  ancieus.  Notes  sur  quelques  documents  relatifs  a  l'economie 
domestique  et  aux  dürres  alimentaires  en  Ii^gypte  sous  les  Ptol^mees 
(Comptes  rendus  de  l'acad.  d.  «ciences  LXXI  Paris  1870  S.  611  —  17), 
in  dem  er  sich  mit  den  gleichen  Fragen  beschäftigt. 

Doch  erst  Revillout  erklärte  diesen  Papyrus  richtig  (Rev.  Egypt. 
III  S.  84  ff.)  und  publizierte  ihn  von  neuem  ibid.  S.  118—125  (Le 
papyrus  Sakkakini)  mit  Übersetzung. 

Zum  Schluß  sei  noch  erwähnt,  daß  E.  Egg  er  1862  in  der  Societe 
des  Antiquaires  de  France  über  einen  ihm  von  dem  Mitglied  der 
französischen  Schule  in  Athen  M.  Dugit  mitgeteilten  Papyrus  (Pap. 
Atheniensis  I)  las.  Auf  dem  Recto  sind  Reste  von  10  Linien  Unciale, 
darunter  und  auf  dem  Verse  für  Egger  wenig  lesbare  Kursive.  Der  in 
Unciale  geschriebene  Text  ist  eine  Eingabe  an  einen  hohen  Beamten, 
Egger  läßt  es  zweifelhaft,  ob  ptolemäischer  oder  römischer  Zeit.  Die 
von  Egger  veröffentlichten  Zeilen  lauten  1.  8  xupis,  ri  oiavcousai  \xou  r^ 
dvd7:£}jn|;[ov]    Itzi    tov    dpytSixaa-rjV     (wohl    otaxousat    |xou    y)   dva-£[jL4'(ai]) 

und  1.  2  öitupijaro  -apa  xta  tote  dp/ioixaaxT]  [xr] Egger  verspricht 

hier  einen  zweiten  Papyrus,  den  er  auch  von  M.  Dugit  erhalten  hat, 
in  den  ilemoires  zu  veröffentlichen.  Dies  ist  ein  Fragment  einer  Rede, 
von  Egger,  Memoires,  S.   175 — 96  herausgegeben. 

Es  war  in  diesem  ersten  Teil  des  Berichtes  nicht  allzu  häutig  nötig, 
in  der  Besprechung  der  Papyri  über  die  siebziger  Jahre  hinauszugehen. 
Nach  der  Pariser  Publikation  von  1865  sind  nur  vereinzelte  und  unbe- 
deutendere Sachen  in  dem  folgenden  Jahrzehnt  veröffentlicht  worden, 
ehe  die  zweite  Periode  der  Papyrusstudien  Ende  der  siebziger  Jahre 
begann.  Doch  war  es  während  dieser  ganzen  ersten  Periode  nur  ein 
enger  Kreis  von  Gelehrten,  der  sich  mit  den  Papyrusfunden  befaßte. 
All  das  reiche  Material,  das  in  den  Urkunden  und  in  den  gelehrten 
Kommentaren,  z.  ß.  von  A.  Peyron  steckt,  blieb  ziemlich  unbenutzt 
liegen.  1842  erschien  Varges,  De  statu  Aegypti  provinciae 
Romanae  primo  et  secundo  p.  Chr.  saeculis.  Gottingae  1842. 
Er  giebt  auf  grund  der  Nachrichten  der  Schriftsteller,  der  Inschriften 
und  Papyri  ein  Bild  von  der  Verwaltung  des  Landes  in  römischer  Zeit, 


182  Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.) 

von  den  Beamten,  der  Rechtsprechung,  dem  Steuer-  und  Militärwesen, 
sowie  dem  Ackerbau.  Der  bei  weitem  größte  Teil  der  Papyri,  die  der 
PtolemUerzeit,  fanden  z.  T.  Berücksichtigung  bei  J.  G.  Droysen  in 
seinem  Hellenismus,  sowie  in  den  Aufsätzen:  De  Lapidar  um 
regno  Ptolemaeo  VI  Philometore  rege.  Berlin  1831  (-=  Kleine 
Schriften  II  S.  351  ff.).  Zum  Finanzwesen  der  P  tolemäer  (S.-B 
d.  Berl.  Akad  1882  S.  207  ff.  -.  Kl.  Sehr.  II  S.  275  ff.).  Ebenso  be-. 
nutzte  Franz  Corpus  Inscr.  Graec.  III  in  seiner  Introductio  zu  den 
Inscriptiones  Aegypti  (S.  281  ff.),  in  der  er  über  Einteilung  und 
Verwaltung  des  Landes  spricht,  Pariser,  Leydener  und  Turiner  Papyri, 
druckte  einzelne  z.  T,  oder  auch  ganz  ab.  Das  beste  Werk,  das  unter 
Benutzung  sämtlicher  bis  dahin  erschienener  Papyruspublikationen  ge- 
schrieben wurde,  war  das  von  Giacomo  Lumbroso,  Recherches 
sur  reconomie  politique  de  I'Egypte  sous  les  Lagides. 
Memoire  couronne  par  l'Academie  des  Inscriptions  et  Belles- 
Lettres.    Turin  1870  S.  XXVIII  u.  374. 

Gleichzeitig  mit  Lumbroso  hatte  Felix  Robiou,  von  dem  schon 
1852  eine  Schrift  Aegypti  regimen  quo  animo  susceperint  et 
qua  ratione  tractaverint  Ptolemaei,  erschienen  war,  sich  um 
den  Preis  der  Acadömie  des  Inscriptions  et  Beiles  -  Lettres  beworben, 
und  es  war  ihm  eine  ehrende  Erwähnung  zuerkannt.  5  Jahre  später 
veröffentlichte  er,  nachdem  er  einige  Änderungen  vorgenommen  hatte, 
seine  Arbeit:  Memoire  sur  l'economie  politique,  Tadministra- 
tion  et  la  Tegislation  de  I'Egypte,  au  temps  des  Lagides. 
Avec  une  carte.  Paris  1875,  Iraprimerie  nationale,  8.  S.  XVI 
u.  248.  Diese  beiden  Werke  von  Lumbroso  und  Robiou,  die  natui'- 
gemäf]  vielfach  dasselbe  bringen,  bilden  den  Schlußstein  dieser  ersten, 
fast  100  Jahre  umfassenden  Periode  der  Papyrusforschung. 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.)  183 


Verzeichnis  der  besprochenen  Papyri. 

Die  Seitenzahlen    sind   in   runden  Klammern  in  schräg  liegenden  Ziffern  beigefügt.    Die 

Einteilung  der  Papyri    schliesst.  sich    im  allgemeinen  der  von  Wilcken  im  II.  Bande  der 

griechischen  Urkunden  aus  Ägypten  aus  den  Kgl.  Museen  zu  Berlin  gegebenen  an. 

A.    Behördliche  Urkunden. 

I.    Amtliche  Tagebücher  und  Gesandtschaftsberichte. 

Paris  ßO  (5.  i67);  Paris.  68  —  Brit.  I  {S.  167  f.). 

II.    Erlasse,  Terfdgangen,  richterliche  Entscheidangen,  Zahlongs- 
anweisnngen  u.  dgl.  (vgl.  auch  A  III  u.  B  (i)  I). 

Erlasse  des  Königs  und  der  Königin:  Leid.  G,  1  —  7;  Leid.  H,  4—7; 
Leid.  I,  1-6  {S.  160);  Paris.  62  iß.  i68);  Paris.  63  Col.  13  (S.  170). 

—  des  Dioiketen:    Paris.  61    Recto    (S.  168);    Paris.  63    Col.  1—6    u.  7 

(5.  169). 

—  anderer  Beamten:  Brit.  XXXIV,  14-15;  IG-IS  (S.  157);  Brit.  XXIII 

(b);  (c);  (d)  {S.  159.  179  Anm.):  Paris.  6.5  {S.  170):  Taur.  XIII,  1  —  3; 
Paris.  10;  Brit.  XXXII  {S.  171):  Wilcken,  Actenstücke  VIII  [d.  i.  Parthey 
Theb.  Pap.  9]  (S.  179). 

—  des  Kaisers:    Leid.  Z    lat.  Teil  (S.  151  f.);   Mommsen,    2  lat.  Kaiser- 

rescripte  [Pap.  Leid,  et  Paris.]  {S.  152.  171  f.). 

—  des  Praefectus  Aegypti  (?):  Parthey,  Frammenti  1  (S.  176). 

Gerichtsprotokolle  u.  richterliche  Entscheidungen:  Brit.  XLI, 
15—22  {S.  158):  Paris.  15;  Taur.  I  [S.  164):  Paris.  16;  Taur.  IX 
(5.  165);  Taur.  XIII,  4  ff.  (S.  171). 

Actenstücke  aus  der  Bank  und  Zahlungsanweisungen:*)  Pap.  der 
Zois  I:  II  (S.  U7  ff.)*:  Pap.  Egger,  Memoires  (S.  177  f.):  Wilcken, 
Actenstücke  I*  [d.  i.  Parthey,  Theb.  Pap.  14  r  18-  Brit.  XV  (2),  (1), 
(3)];  II*  [d.  i.  Parthey  5 -f  Brit.  XV  (4),  (5)];  III*  [d.  i.  Brit.  XV  (6) 
-^- Parthey  10  +  Berl.  Ined.  -J-  Parthey  17  -f  Berl.  Ined.J;  IV*  [d.  i. 
Parthey  16  -Brit.  XV  (7)-:-Parthev  6  4- 7  —  Berl.  Ined.J  (S.  178  f.); 
Wilcken,  Actenstücke  V*  [d.  i.  Parthey  15J:  VI*  [d.  i.  Parthey  13 -r- 
Brit.  XV  (8)];  VII*  [d.  i.  Parthey  8  ^  Berl.  Ined.]  [S.  179):  Parthey, 
Theb.  Pap.  11;  12  (S.  180). 

Anweisungen  zu  Lieferungen:  Brit.  XVII  (c)  [=  Vatic.  2289];  Brit. 
XVII  (b);  Brit.  XXVII  [=  Brit.  XXXI,  6-12]  (5.  157.  178). 

III.    Amtliche  Berichte. 

Paris.  25  [mit  amtl.  Vermerk];  Brit.  XVII  (a);  Brit.  XIX  [mit  amtl.  Vermerk]; 
Brit.  XXXIV  1-13;  18—23  [Z.  5-  11  =  Leid.  D  FoL  II]  (S.  157);  Brit. 
XVIII;   Brit.  XLI  Recto  [mit  amtl.  Vermerk]  (S.  158);    Leid.  H,    1-3 


*)  Über  die  einzelnen  Urkunden  dieser  Actenstücke  verweise  ich  auf 
die  Angaben  im  Text. 


184  Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.    (Viereck.) 

(S.  160):  Paris.  11  (?);  Paris.  34  (?)  {S.  161);  Paris.  63  Col.  S— 9; 
11  —  12:  Paris.  64;  Paris.  67  (S  170);  Leid.  A  (S.  171):  Leipz.  Pap.  5 
{S.  176):  Wilcken,  Actenstücke  XII  fd.  i.  Parthey,  Theb.  Pap.  19  +  4] 
(S.  ISO). 

IT.    Amtliche  Bescheinigangen. 

Quittungen  über  Zahlung  von  Verkaufssteuer:  Young,  An  account, 
Greyanum  A:  B;  C;  Young.  Hieroglyphics  33;  Young,  An  account, 
Pap.  Salt.  (S.144);  Pap.  demot'.  Berol.  36;  37;  38;  39;  40;  41  (S.  145  f.); 
Pap.  demot.  Taur.  21;  20;  23;  24;  25  [=  Berol.  37];  Paris.  15  bis 
(=N.  IV  2416  u.  24101  i^-  i45);  Papyri  der  Zois  I,  1-4;  II,  1-5 
(5.  147  ff.);  Brit.  III,  37-44  (S.  144.  163);  Paris.  5  Col.  50  =  Leid.  M. 
Col.  2,  9—14  (S  163);  Leid.  F  (?)  {S.  164);  Leid.  I  377;  I  379;  Leid.  R; 
Taur.  X  (?)  [S.  172);  Leid.  N.  Col.  3  [S.  143  ff.  173). 

Quittung  eines  Steuererhebers:  Leid.  Q  (?)  (S.  172). 

Amtl.  Landvermessung:  Leid.  L  (5.  172). 

Amtl.    Unterschriften    betr.    Einregistrierung:    Forsh.    XLI:    XLII 

(S.  löl);   Leid,  demost.  I,  373:   I,  375;  I,  380  (5.  172);    Leid.  Ö,  36  f. 

(S.  174). 


V.    Amtliche  Rechnangen,  Listen  n.  dgl.,  öffentliche  Arbeiten,  Steuer- 
angelegenheiten, Einnahmen  und  Ausgaben  betreffend. 

Rechnungen  aus  dem  Serapeum:  Paris.  52;  53:  54;  55;  55  bis:  56; 
57;  57  bis:  Pap.  Weil;  Leid.  C  Verso  Col.  3  u.  4;  Leid.  S;  Leid.  T 
(S.  159). 

Inventare:  Leipz.  Pap.  28  Verso  (?)  [S.  176). 

Register  von  Urkunden:  Brit.  XXVI  (S.  157). 

Liste  von  Damm-  und  Kanalarbeitern:    Charta  Borgiana  (S.  142  f.). 

Andere  Urkunden:  Brit.  Forshall  XXIIl  {S.  150  f.);  Paris.  66  (?)  (S.  173) 
Pap.  Egger,  Rev.  Archeol.  {S.  177);  Pap.  Atheniensis  II  \S.  180  f.) 
Leipz.  Pap.  1;  3;  4;  6  Recto;  7;  8;  11;  12;  13;  14;  15;  16;  17  Recto 
25;  26;  27;  28;  29;  32;  35  (S.  176). 


B.    Private  Urkunden. 

B  (1)    Eingaben  von  Privaten  an  Behörden. 

I.    Klag-  nnd  Bittschriften. 

Eingaben  an  den  König:  Leid.  H,  21—36  (S.  160). 

—  an  den  König  und  die  Königin:  Paris.  22  — Paris.  23;  Leid.  B  [mit 

amtl.  Vermerk];  Paris.  26;  Paris.  29  (S.  157);  Paris.  24;  Paris.  35; 
Brit.  XLV  (S.  150.  158)  -  Paris.  38;  Paris.  39  {S.  158);  Brit.  XXIII  (a) 
[mit  amtl.  Vermerk];  Vat.  E  =  Vat.  F  (S.  159);  Leid.  G,  9—22;  Leid. 
H,  8-20;  Leid.  I,  7—23  (S.  160);  Taur.  III -- Paris.  14  {S.  164). 

—  an  den  Epistrategen  u.  Strategen  xyj;  Hrj3c<''oo;:  Taur.  V;  Taur. 

VI  [mit  amtl.  Vermerk]  =  Taur.  VII  (-8.  165). 

—  an  den  Strategen:  Paris.  37;    Vat.  B  [mit  amtl.  Vermerk,  abgedruckt 

auch  als  Paris.  36];  Brit.  XLIV  {S  150.  158);  Paris.  40  =  Paris,  41 
(S.  l.'iS);  Paris.  12;  Brit.  XXIV  Recto  (5.  160);  Taur.  I.  1,  16-3,16 
(S.  164);  Paris.  13  (S.  173). 


Bericht  über  die  ältere  Papyruslitteratur.   (Viereck.)  185 

Eingaben  an  den  Hypodioiketen:  Brit  XXII  Recto;  ßrit.  XX  [mit  amtl. 
Vermerk]:  Brit. XXI:  Paris. SOlmitamtl.  Vermerk]  --Pap.  Dresd.^Leid.D 
Fol.  I  =  Leid.  E  Fol.  I;  Paris.  33  -=  Brit.  XXXIII  (a)  (S.  157);  Vat.  D; 
Brit.  XXXV  =  Brit.  XXIV  Verso;  Pap.  Ceriani  [mit  amtl.  Vermerk]  = 
Paris.  27  ^  Paris.  28  =  Leid.  E  Fol.  II:  Vat.  C:  Brit.  XLI  Verso 
(S.  158). 

—  an  den  i'tOTdTY];  zc<i  i~t  xiöv  zjjosöoiov  toü  ^ispt  6rißc<;:  Taui.  VIII 

(S    165). 

—  an  den  ir'.3-^'-:r,;  eines  vojio';:  Taur.  XI;  Taur.  XIV  (S.  165). 

—  an  den  !-rc<'py  r,;  £■::' dvSpiüv  xa»  in  3-:c/tTj;  toü  zsf/i  8r)pcz;:  Taur.  II 

{S.  164);    Paris.  15,  I,   S  —  TI,  33  (S.  165);    an  den  (---zp/r,;  i-'  cüvofiwv 
Paris.  6  {S.  165). 
Adressat  unbekannt:  Paris.  31  (S.  157);  Paris.  S  iS.  173);  Pap.  Athen. 
I  [S.  181). 

—  an  den  Kaiser:  Leid.  Z  [S.  151  f.). 

II.    Eidliche  Tersicherangen. 

Wilcken,  Actenstücke  XI  [d.  i.  Parthey  Theb.  Pap.  I];  XIa  [d.  i.  Brit.  XV 
(y)J;  XI b  CO  [d.  i.  Brit.  XV  (10;]  (s.  180). 

ß  (2)    Acten  zwischen  Privaten. 

I.    Rechtsgeschäfte. 

Verträge  über  Kauf:*)  Brit.  III*  (S.  14i.  163);  Paris.  5* -- Leid.  M*; 
Leid.  P  {S.  163);  Paris.  21  bis:  Paris.  21  ter;  Pap.  Jomard  {S.  166); 
Paris.  21  (S.  167);  Paris.  17  [S.  173);  Leid.  N*  {S.  143  f.  173);  Leipz. 
Pap.  31  Recto  (s.  176). 

Mietsverträge:  Pap.  Berol.  I;  Pap.  Testa  III  {s.  166). 

Auseinandersetzungsurkunden:  Taur.  IV  {s.  164);  Paris.  20  {S.  166). 

Darlehensurkunden:  Paris.  7  {S.  165);  Pap.  Testa  I:  II  (S.  166);  Pap. 
Berol.  II  (S.  167);  Leid.  0  [mit  amtl.  Vermerk]  {S.  174). 

Empfangserklärungen  und  Quittungen:  Brit.  XXII  Verso :  Brit.  XXXI 
1-5  {s.  157.  178);  Leid.  C  Recto  {S.  157);  Leipz.  Pap.  30  [S.  176); 
Petersb.  Frg.  7  -f  Parthey,  Frammenti  5  (S.  177);  Wilcken,  Actenstücke 
IX  [d.  i.  Parthey  Theb.  Pap.  2];  X  [d.  i.  Parthey  3];  Xa  ]d.  i.  Pap. 
Egger,  Comptes  rendus]  (S.  180). 

Freilassungsurkunden:  Pap.  Edmondstone  (S.  144  f.). 

Testamente:  Brit.  LXXVII  (S.  150.  174). 

II.    Private  Briefe,  Rechnungen  a.  dgl. 

Briefe:  Brit.  XXXIII  ib)  (S.  157  Anm.  8);  Paris.  42;  Paris.  4(5;  Paris  47 
(s.  15b);  Paris.  32;  Paris.  5i>  [mit  einer  Abrechnung];  Paris.  GO;  Paris. 
43:  Paris.  44;  Paris  45  [an  den  ■r^-\-\um  /.oX  j-i-jt^tt,;  toü  'Avo-j^istou] 
Brit.  XXVIII;  Paris.  49  [S.  159);  Leid.  K  (?);  Brit.  XLII;  Vat.  A  (S.  160); 
Paris.  58  [mit  Abrechnung];  Paris.  48  (S.  161);  Taur.  XII  (?)  (S.  165); 
Paris.  18;  Paris.  18  bis:  Paris.  18  quatuor;  Pap.  1563  Passalacqua; 
Brit.  XLin  [s.  174);  Leipz.  Pap.  2  {S.  176). 

Brief-  und  Eingabenverzeichnis:  Brit.  XXIII  (e)  u.  (f)  {S.  159). 


*)  Den  mit  einem  Stern  versehenen  Nummern  ist  eine  Quittung  über 
Zahlung  der  Verkaufssteuer  beigefügt. 


186  Bericht  über  die  ältere  Papyruslittcratur.    (Viereck.; 

Abrechnungen:  Brit.  XXV;  Brit.  XXIX  (S.  159.  i72):  Hrit.  XXX  [S.  159. 
17.3)\  Paris.  fiO  bis  (S.  174);  Paris.  !)  (?)  (S.  174  f.):  Paris.  61  Verso 
(s.  175). 

III.    Traanierzählangen  n.  a. 

Traumerzählungen:    Paris.  .51;    Paris.  bO;   Leid.  C  Verso   Col,  1  u.  2; 

Leid.  U  (s.  160). 
Mumienetiquctte:  Paris.  18  ter  (S.  174). 
Verfluchung:  Artemisiapapyrus  [S.  161). 
Bücherkatalog:  Muralt,  Petersb.  Pap.  N.  13  (S.  177). 


In  das  vorliegende  Verzeichnis  sind  nicht  aufgenommen: 

Paris.  0  bis  Recto:  Paris.  70  bis  (s.  H-'i);  Paris.  D  bis  Verso  (s.  /74)  Passa- 
lacqua,  Catalogue:  490;  15fi4  A~H  (S.  175);  Muralt,  Catalogue:  N,  1— ß, 
8-1-2,  14—15  (S.175);  Parthey,  Frammenti:  N.  2-4,  R-32;  Wessely, 
Leipziger  Papyri:  6  Verso,  9,  10,  17  Verso,  18  Recto,  19—24,  31  Verso, 
33,  34  (S.  176);  Brit.  XV  (11)— (16)  {ß.  178). 


Druckfehler. 


S.  1.57  Z.  17  1.  Leid.  C  Recto. 

S.  157  Z.  23  1.  Brit.  XXXITI  (a). 

S.  157  Anm.  8  1.  „XXXIII  (b)"  statt  „Das  Verso". 

S.  158  Z.  0  1.  Leid.  E  Fol.  IL 

S.  158  Z.  21:  Vat.  B,  nicht  Brit.  XLIV,  ist  als  Paris.  3ß  abgedruckt. 

S,  159  Anm.  3  1.  „Das  Recto"  statt  „Das  Verso". 


1dl 


Bericht  über  die  auf  Paläographie  und  Handschriften- 
kunde bezügliche  Litteratur  der  Jahre  1874—1896. 

Von 
Dr.  Badolf  Beer  und  Dr.  Wilhelm  Weinberger. 


Der  vorliegende,  fast  ein  Vierteljahrhundert  umfassende  Bericht 
entspricht  nicht  ganz  den  Intentionen,  die  vorgeschwebt  haben,  als 
sich  Beer,  der  seit  Jahren  an  ihm  gearbeitet  hatte,  behufs  rascherer 
Vollendung  den  Mitarbeiter  zugesellte.  Verschiedene  Hindernisse,  nament- 
lich aber  die  Versetzung  des  Mitarbeiters,  der,  abgesehen  von  der 
auf  Spanien  bezüglichen  Litteratur,  die  Schlußredaktion  übernommen 
hat,  von  Wien  nach  Radautz,  haben  dazu  geführt,  daß  mit  Außeracht- 
lassung der  in  Ausgaben  und  Abhandlungen  verstreuten  Notizen  über 
Bibliotheken  zunächst  über  den  Fortschritt  der  auf  Auffindung  und 
Beschreibung  von  Hss  bezüglichen  Kenntnisse,  dann  über  die  Hülfs- 
mittel  zur  Lesung  von  Hss  berichtet  werden  soll.  Bemerkungen 
über  Miniaturen  sind  dem  zweiten  Teile  vorbehalten.  Daß  die  Orien- 
tierung gegenüber  der  Würdigung  jeder  einzelnen  Publikation  in  den 
Vordergrund  tritt,  ergiebt  sich  aus  der  Länge  der  Berichtsperiode; 
wir  haben  uns  deshalb  auch  nicht  gescheut,  gelegentlich  Erscheinungen 
der  Jahre  1897  oder  lb98  einzubeziehen ,  und  hoffen  einerseits,  daß 
die  erwähnten  Umstände  eine  gewisse  Ungleichmäßigkeit  der  biblio- 
graphischen Angaben  entschuldigen,  andererseits,  daß  sich  bei  der  ersten 
Fortsetzung  des  Berichtes  durch  Nachträge  (zunächst  über  jetzt  nicht 
zugängliche  Werke),  die  wir  etwa  der  Freundlichkeit  von  Fachgenossen 
zn  verdanken  haben  werden,  manche  Mängel  werden  gutmachen  lassen. 

Dr.  Rudolf  Beer,  Dr.  Wilhelm  Weinberger, 

k.'u.  k.  Amanuensis  der  Hofbibliothek,  k.  k.  Gymnasiallehrer, 

Wien.  Iglau. 


18S     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

Yerzeichnis  der  Abkürzungen, 

die  einer  Erlilärung  bedürfen. 

N(eues)  Archiv  (der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde). 

Bibl.  =  Bibliot(h)eca,  Bibliothek,  Bibliotheque. 
„    (de  l'ecole)  d(es)  chartes. 
„    d(es)  ecoles  (frangaises  d'Athenes  et  de  Rome). 

C.  =  Catalogo,  Catalogue,  Catalogus. 

C.  B.  =  Centralblatt  für  Bibliothekswesen. 

C.  D.  =^  C.  general  des  manuscrits  des  bibl.  publiques  de  Franke. 
Departements. 

Jahresber(ichte  der  Geschichtswissenschaft). 

K.  =  Katalog. 

Ms.,  Mss.  =  Manuscript(us),  manuscrit,  manuscritto,  Manuskripte 
u.  s.  w. 

Melanges  (d'archeologie  et  d'histoire). 

N.  S.  ^  Nova  series,  nouvelle  serie  u.  s.  w. 

Pal.  =  Palaeographia ,  Paläographie  u.  s.  w.;  pal.  ^  paläogra- 
phisch  u.  s.  w. 

ßevue  (des  bibl.). 

Eivista  (delle  bibl.). 

Studi  (italiani  di  filologia  classica). 

Ein  vor  die  Nummer  gesetzter  Stern  bedeutet,  daß  die  betr.  Ab- 
handlung dem  Berichterstatter  nicht  vorgelegen  hat. 

I.    Buch-,  Schrift-  und  Bibliothekswesen. 

Die  Kürze  dieses  Teiles  wird  ermöglicht  durch  den  von  Dziatzko 
herrührenden,  gründlichen  und  reichhaltigen  Artikel  'Buch'  in  Pauly- 
Wissowa,  Real-Encyklopädie  III  939 — 971.  Ich  sehe  ab  von  den  dort 
angeführten  Handbüchern  der  Privataltertümer,  denen  auch  Beckers 
Charikles  und  Gallus  und  Blümners  Technologie  beigezählt  sein  mögen, 
und  werde  auch  die  paläographischen  Werke  von  Blaß  und  Gardt- 
hausen,  auf  deren  einschlägige  Abschnitte  Dziatzko  verweist,  erst  in 
einem  späteren  Teile  des  Berichtes  besprechen,  hebe  aberE.M.  Thompson, 
Handbook  of  Greek  and  Latin  palaeography  (mir  war  nur  die  1.  Auf- 
lage —  London,  Trübner  1893,  354  S.,  5  sh.  —  zugänglich)  und  ein 
von  Dz.  ebenfalls  nicht  herangezogenes  Werk  hervor,  welches  das 
Schriftwesen  in  einem  selbständigen  Bändchen  behandelt  und  auch  nach 
dem  Erscheinen  der  3.  Auflage  von  Wattenbachs  Schriftwesen,  als 
beträchtlich  kürzer  und  dabei  doch  über  alles  Wesentliche  orientierend, 
recht  zu  empfehlen  ist: 


Bericht  üb.  Paläographic  u,  Ilandschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     189 

1.  Paoli-Lohmeyer,  Grundiir)  zu  Vorlesungen  über  lateinische 
Paläographie  und  Urkundcnlebre.  II.  »Schrift-  und  Bücherwesen. 
Innsbrack,  Wagner  1895.     V  u.  206  S.     2  M. 

Der  verdienstvolle  Florentiner  Paläograph  Cesare  Paoli  hat  seine 
in  sachlicher  und  didaktischer  Hinsicht  gleich  reichen  Erfahrungen 
1883  in  einem  Programma  scolastico  di  paleogratia  latina  e  di  diplo- 
matica  niedergelegt,  durch  dessen  Übersetzung  (Innsbruck  1885,  VIII  u. 
77  S.)  Karl  Lohmeyer,  Professor  zu  Königsberg  in  Pr.,  sich  ein  — 
gleich  dem  Originalwerk  —  vielfach  anerkanntes  Verdienst  erworbeu 
hat.  Derselbe  hat  auch  die  2.  erheblich  vermehrte  und  wesentlich  ver- 
änderte Auflage  des  Programma,  die  in  2  Teilen  bei  Sansoni  1888  und 
1894  zum  Preise  von  2,50  L.  und  4  L.  erschienen  ist,  aus  dem 
Italienischen  übersetzt. 

Blümners  Artikel  'Bücher'  und  'Buchhandel'  in  Baumeisters 
Denkmälern  I  361 — 364  hat  Dz.  mit  Recht  nicht  angeführt;  Artikel 
anderer  encyklopädischer  Werke  (vgl.  Thompson,  Palaeography  in  En- 
cyclopaedia  Britannica.  XVIII.  —  Edinburgh  1885,  S.  143 — 165;  von 
Fumagalli  ins  Italienische  übersetzt,  Mailand,  Höpli  1898,  VII  und 
156  S.  2  L.)  können  mir  leicbt  entgangen  sein.  Enc3^klopädien  ver- 
wandter Disciplinen,  wie  Pauls  Grundriß  der  german.  Philol.  zu  be- 
rücksichtigen, lag  mir  ferne. 

Aus  der  am  Kopfe  von  Dz.s  Artikel  zusammengestellten  Litteratur 
kommt  somit  bei  chronologischer  Anordnung  zunächst  in  Betracht: 

2.  E.  Egger,  Histoire  du  livre  depuis  ses  origines  jusqu'a  nos 
jours.     Paris,  Hetzel  1880.     VIII  u.  323  S.     3  M. 

Diesem  für  einen  größeren  Lesekreis  berechneten  Werke  von 
Egger,  dessen  Kapitel  I — IX  dem  Buch-  und  Bibliothekswesen  des 
Altertums  und  des  Mittelalters  gewidmet  sind,  kann  ein  kurzer,  populärer 
Auszug  aus  der  2.  Auflage  von  Wattenbachs  Schriftwesen  an  die  Seite 
gestellt  werden: 

3.  A.  Poelchau,  Das  Bücherwesen  im  Mittelalter.  Sammlung 
gemeinverständlicher,  wissenschaftlicher  Vorträge,  hgg.  von  Viixhow 
undHoltzendorff,  Heft377.  Berlin,  Habel  1881  (XVI. Serie,  S.  56 1—566). 

*4.    H.  Bouchöt,  Le  livre.   Bibl.  de  lenseignement  des  beaux 
arts.     Paris,  Quantin  1886. 
Wir  kommen  nun  zu 

5.  Th.  Birt,  Das  antike  Buchwesen.  Berlin,  Hertz  1882.  VII 
u.  518  S.  12  M.  Vgl.  die  ausführlichen  Anzeigen  von  E,  Rohde, 
Götting.  gel.  Adz.  1882,  2,  1537—1563  und  H.  Landwehr,  PMl. 
Anz.     XIV  357—377. 

B.  hat,  wenn  ich  Rohdes  Worte  hieher  setzen  darf,  „eine  Reihe 


190     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Wi  in  berger. 

von  einzelnen,  nicht  unbekannten  noch  unbeachteten  Thatsachen  ge- 
schickt verbindend,  andere  minder  beachtete  ins  rechte  Licht  rückend, 
in  der  That  seine  These  bewiesen,  daß  die  antike  Litteratur  mitbe- 
dingt war  durch  das  antike  Buch." 

Der  Unentbehrlichkeit  des  Werkes  für  alle  einschlägigen  Fragen 
thut  es  keinen  Eintrag,  daß  es  von  Grundirrtümern  und  unrichtigen 
Interpretationen  entscheidender  Stellen  nicht  frei  ist,  wie  wir  sehen 
werden,  wenn  wir,  der  trefflichen  Disposition  von 

6.  W.  Wattenbach,  Das  Schriftwesen  im  Mittelalter.  3.  Aufl. 
Leipzig,  Hirzel  1896.     VI  u.  670  S.     14  M. 

folgend,  zunächst  über  die  auf  das  Schreibmaterial  und  das  damit 
zusammenhängende  Format  bezügliche  Litteratur  berichten. 

W.  geht  bei  seiner  unvergleichlich  reichen  Materialsammlung 
immer  auf  das  Altertum  zurück.  Die  Erweiterungen  der  3.  Auflage, 
welche  den  Umfang  des  Buches  gegen  die  zweite  1875  erschienene  um 
100  Seiten  vergrößert  haben,  sind  charakteristisch  für  unsere  Berichts- 
periode, wohl  keine  so  sehr  als  die  Hinzufügung  eines  neuen  Kapitels 
(Einleitung  5.  S.  32—36):  Das  Zeitalter  der  Photographie.  In  den 
20  Jahren  hat  W.,  wie  er  selbst  sagt,  'niemals  aufgehört,  den  Gegen- 
stand im  Auge  zu  behalten,  und  alles  angemerkt,  was  für  denselben 
verwendbar  erschien;  aber  systematisch'  hat  er  'die  Litteratur  nicht 
durchsucht'.  Das  hat  beispielsweise  zur  Folge,  daß  von  den  in  der 
Beschränkung  auf  ein  topographisch  begrenztes  Gebiet  musterhaften 
Aufsätzen  von 

7.  und  8.  L.  Eoc kinger,  Über  Schreibstoffe  in  Bayern.  Ar- 
chivalische  Zeitschr.  I  246—275.  —  Geschichtliches  über  Tinte  und 
sonstige  Schreibbedürfnisse  in  Bayern.  Ebdt.  IV  293—305  und  V 
166—187 

der  Schlußartikel  (S.  41)  nicht  angeführt  ist.  Ähnlich  erklärt  es  sich 
vielleicht,  daß  die  von  Karabacek  herrührende,  mit  Illustrationen 
versehene  Einleitung  über  Beschreibstoffe  (XIII— XXIII;  vgl.  3—14)  in 

9.  Papyrus  Erzherzog  Eainer.  Führer  durch  die  Ausstellung. 
Wien  1894 

nur  in  der  Vorrede  rühmend  erwähnt  wurde. 
Ferner  habe  ich  hmzuzufügen 

10.  K.  Dziatzko,  Zwei  Beiträge  zur  Kenntnis  des  antiken 
Buchwesens.  (Als  Ms.  gedruckt  und  Jhering  gewidmet.)  Göttingen, 
Kaestner  1892. 

S.  6 — 8  macht  Dz.  wahrscheinlich,  daß  axuraX/j  ursprünglich  den 
kräftigen    Stab    von   keulenförmigem  Aussehen    bezeichnete,    auf   dem 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  llandschriftenkunde.  [Beer  u.  Weinberger.)     191 

Boten  und  Handelsleute  kurze  Aufzeichnungen  führten.  S.  8 — 18  wider- 
legt Dz.  —  um  dies  gleich  abzuthun  —  die  von  Usener  geäußerte 
Meinung,  daß  Atticus  ein  mechanisches  Vervielfältigungsverfahren  z.  B. 
für  des  Varro  Hebdomades  benutzt  habe.  Usener s  angezogener  Auf- 
satz 'Unser  Platotext'  (Gott.  gel.  Nachr.  1892,  25—50.  181—215)  ent- 
hält namentlich  im  zweiten  Teile  viele  Bemerkungen  über  litterarische 
Überlieferung  und  Buchhandel. 

Betreffs    der  Holz  tafeln  —  ob    sie   nun  mit  Wachs  bestrichen 
sind  oder  nicht  —  gestatte  ich  mir,  meine  Litteratur- Sammlung 

11.  G.  Weinberger,   Tavolette  greco-egizie.     ßendic.  della  r. 
Accad.  dei  Lincei  1893,  890—896 

anzuführen,  auf  die  dort  erwähnte  Verüffentlichung  von 

12.  K.  Wessely,  Holztäfelchen  aus  der  Sammlung  des  Papyrus 
Erzh.  Rainer.     Mitteil,  aus  d.  Samml.  u.  s.  w.     V  11 — 20, 

die  zuerst  von  Hesseling  (Journal  of  hell.  Stud.  XIII  293  —  314) 
publizierten  Wachstafeln  mit  Babriusversen,  sowie  auf  eine  Notiz  über 
ein  in  Norwegen  gefundenes  Notizbuch  aus  Wachstafeln  zu  verweisen, 
die  ich  nur  aus  C.  B.  IV  351  kenne:  H.  J.  Huitfeldt-Kaas,  En 
notitsbog  paa  vaxtavler  fra  middelalderen.  Christiania  videnskabs- 
selskavs  forhandlinger  1886. 

Die  bei  Paoli-Lohmeyer  gänzlich  fehlende,  bei  Wattenbach  S.  89  f. 
ungenügend  verzeichnete  Ostraka- Litteratur  zusammenzustellen,  würde 
mich  hier  zu  weit  führen.  Ebenso  begnüge  ich  mich,  betreffs  der 
Papyrus -Publikationen  auf  das  übersichtliche,  aber  nicht  ausreichende 
Verzeichnis  von 

13.  Couvrier,  Inventaire  sommaire  de  textes  grecs  classiques 
retrouves  sur  papyrus.     Revue  de  philologie  XX  165—174 

und  auf  das  dem  neuesten  Stande  der  zahlreichen  und  wertvollen  Funde 
entsprechende  von 

14.  C.  Häberlin,  Griechische  Papyri.  C.  B.  XIV  (1897)  1—13, 
201—225,  263—283,  337—361,  389—412  (Herculanum).  473—499, 
585  f.  (auch  separat) 

zu  verweisen.  H.  hat  für  die  litterarischen  Papyri  die  Anordnung 
nach  der  chronologischen  Folge  der  Autoren  gewählt,  aber  ein  alpha- 
betisches Register  beigegeben.  Die  wichtigsten,  vielfach  (wie  die  Ber- 
liner und  die  Wiener)  im  Erscheinen  begriff"enen  Urkundenpubli- 
kationen   sind  in  der  Einleitung  zusammengestellt:    vermißt  habe  ich 

15.  H.  Marucchi,  Monumenta  papyracea  aegypt.  bibl.  Vaticanae. 
Rom  1892.     VtH  u.  136  S.     4. 

Auch   viele    auf   die    Verwertung    der    Papyrusfunde   bezügliche 


192     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handachrifteakunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

Schriften  sind  verzeichnet,  von  denen  ich  den  orientierenden  und  an- 
regenden Vortrag  von 

16.  W.  V.  Hartel,  Über  d.  griech.  Papyri  Erzh.  Rainer.  Wien, 
Gerold  1886.  82  S.  1  M.  60. 
hervorhebe.  Was  den  Papyrus  als  Schreibstoff  anbelangt,  ist  mir 
die  von  Wattenbach  (Jahresber.  2,  II  349)  als  gründliche  Sammlung 
der  Nachrichten  und  Meinungen,  sowie  des  erhaltenen  Materials  ge- 
rühmte Arbeit  von 

*17.     C.    Paoli,     Del     papiro     specialmente    considerato    come 
materia   che  ha  servito  alla  scrittura.     Pubblicazioni  del  r.     Istituto 
di  studi  superiori  a  Firenze.     Florenz,   Le  Monnier  1876.    84  S.   4. 
nicht  zugänglich  gewesen,  ebensowenig 

*18.    J.  Carini,  II  papiro.  Appunti  per  la  nuova  scuola  Vaticana. 
Rom  1888. 
Ich  weiß  daher  nicht,  inwieweit  etwa 

19.  G.  Cosentini.La  carta  di  papiro.    Archivio  storico  Siciliano 
XIV  (1889)  134—164  * 

einen  Fortschritt  bedeutet. 

In  der  Beschränkung  auf  Siciliefn  ist 

20.  J.   Carini,    Sülle    materie    scrittorie    adoperate    in  Sicilia. 
Nuove  Eflfemeridi  Siciliane  VIII  (1879)  218—300 

namentlich  (S.  238 — 268)  für  die  sicilische  Papyrusfabrikation  wichtig, 
mit  der  man  —  nach  Karabacek  mit  Unrecht  —  die  Fortdauer  des 
Papyrusgebrauches  in  der  päpstlichen  Kanzlei  in  Verbindung 
gebracht  hat.  Hier  wird  erst  im  11.  Jh.  (vgl.  1,  S.  53,  6,  S.  108  und 
P.  Ewald,  Neues  Archiv  IX  331)  Pergament  gebraucht,  während  für 
Ai-abien  von  Karabacek  (in  der  unter  No.  32  anzuführenden  Ab- 
handlung) das  9.  Jh.  als  die  Zeit  des  Kampfes  von  Papyrus  und  Papier 
bezeichnet  wird.  In  einem  Schreiben  von  Bischöfen  an  den  Papst  vom 
Jahre  862  (Wattenbach  -87,  M06)  kann  das  sonst  unbekannte  Wort 
'in  tuncardo'  wohl  nur  Papyrus  bedeuten.  Karabacek  vermutet  S.  102 
tumario  (xo|xapiov  arab.  tümär  bezeichnet  ein  Papyrusblatt);  Ewald 
a.  a.  0.  336,  2  und  357  in  iunco  et  carice  (da  Papyrus  häutig  mit  Binse 
und  Riedgras  verwechselt  werde).  Für  Papyrusfabrikation  ist  außer 
Wiesners  Notiz  (s.  No.  34  S.  202),  die  für  mikroskopische  Unter- 
suchungen besonders  in  betracht  kommt,  zu  verzeichnen: 

21.  U.  Wilcken,  Recto  oder  Verso.    Hermes  XXII  487— 492. 
Es  wird  die  fürErkennung  vonOpisthographen  wichtige  Beobachtung 

festgesteUt,  daß  die  Seite,  an  der  die  Fasern  liorizontal  laufen,  die  ur- 
sprünglich zum  Schreiben  bestimmte  Seite  ist. 


Bericht  üb.  Paläognaphie  u.  ITandschriftenkundo.  (Beer  u.  Weinberger.)     193 

Das  gewöhnliche  Format  für  PapjTUS  ist  die  Rolle,  wenn 
auch  vereinzelt  g:efaltete  Papyrusblätter  und  in  späterer  Zeit  auch 
Papyrnscodices  vorkommen.  Die  verschiedene  Gröiie  und  Kolumnen- 
breite  je  nach  der  Litteratnrgattun^  betont,  vielfach  gegen  Birt  (5) 
polemisierend, 

22.  E.  Baehrens,  Das  antike  Buchformat  der  röm.  Elegiker. 
Jahrbücher  f.  Philologie  CXXV  785—790. 

Die  Annahme,  daß  für  Elegien  schmale  Kolumnen  verwendet 
wurden,  die  4  oder  6  entweder  4-  oder  2 mal  gebrochene  Verse  ent- 
hielten, stützt  B.  wesentlich  auf  ein  pompejanisches  Wandgemälde, 
das  beispielsweise  bei  Jordan.  Hermes  XIV  279  abgebildet  ist.  Ich 
schließe  an 

23.  P.  Krüger,  Über  die  Verwendung  von  PapjTUS  und  Per- 
gament für  die  juristische  Litteratur  der  Römer.  Zeitschr.  der 
Savigny-Stiftung  VIII  (1887)  1.  7G-85 

und  will  bei  dieser  Gelegenheit  nicht  unterlassen,  auf  Hensels  bei 
Diesterweg  in  Fi-ankfurt  ei'schienene  Sammlung  von  Modellen  hinzu- 
weisen, in  der  Wachstafel  und  Rolle  recht  gut  veranschaulicht  sind. 

Von  dem  Normalexemplar,  das  Birt  festzustellen  suchte,  kann 
mit  Rohde  gesagt  werden,  es  habe,  'wenn  es  existiert  hat,  auf  die  alten 
Autoren  einen  sehr  sanften  Zwang  ausgeübt".  Das  sogenannte  Groß- 
roUensystem  vollends,  d.  h.  die  Annahme,  daß  erst  durch  Kalli- 
m  ach  OS  (|x£7a  ßi[-5Xiov  [xä-^a  xay.ov)  die  Sitte,  auch  das  größte  Werk 
in  einer  Rolle  zu  vereinen,  abgekommen  sei,  ist  gänzlich  unhaltbar; 
vgl.  auch  S.  490  A.  2  der  Arbeit  von 

24.  C.  Häberiin,  Beiträge  zur  Kenntnis  des  antiken  Biblio- 
theks-  imd  Buchwesens.   C.  B.  VI  480—503.   VII  1  —  18,  271—302. 

Dessen  1.  Abschnitt  ( Voralexandrinische  Homerausgaben)  ist  sonst 
wesentlich  litterarhistorisch,  der  2.  (einfache  und  Mischrollen  in  der  alexan- 
drin. Bibl.)  verzeichnet  die  zahlreichen  Versuche,  die  Termini  dfii-.'sw 
und  jufjLji.i-,£t;  unter  Berücksichtigung  der  von  Tzetzes  überliefeiten 
Zahlen  (400  000  aufiixiveic,  90  000  arzKoTix  für  Pergamum  erwähnt  Plu- 
tarch  nur  200  000  a-Xai)  zu  erklären ,  ohne  dal.')  H.  von  seiner  eigenen 
Erklärung  {w\L\Lqrfi  ==  Sammelband)  befi'iedigt  wäre.     Dziatzko 

25.  Die  ßi'i^Xoi  jufxjjLi-.sic  und  ajxqEÜ  der  alexandr.  Bibl.  Rhein. 
Mus.  XL  VI  362—370  (Anhang  zu :  Johann  Tzetzes  und  das  Plautus- 
schoüon  über  d.  a.  ß.  S.  349  ff.)  und  26.  A^iqzXi  ßt'ßXoi.  Pauly- 
Wissowa,  Real-Encyklop.  I  1833—1835 

scheint  die  Frage  endgültig  gelöst  zu  haben;  er  versteht  unter  au [xixqsii; 
die  beliebige  Teile  einer  Schrift  enthaltenden  ßoUen,  welche  in  großer 

Jabresbericht  für  Altertumswissenschaft.  Bd.  LXXXXVTQ.  (1898.  HI.)  13 


194     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

Zahl  in  die  alexandriuische  Bibl.  8:elang:ten,  in  derselben  aber  als  un- 
geeignet allmählich  beseitigt  wurden.  Deshalb  habe  es  in  Pergamum 
nur  a-Xai  gegeben,  d.  h.  Rollen,  die  mit  dem  Anfang  und  dem  Ende 
einer  Schrift  oder  eines  Hauptteiles  einer  solchen  zusammenfielen. 

Über  H.s  3.  Abschnitt  (zur  griech.  Buchtermiuologie)  ist  zu  be- 
merken, daß  es  ihm  nicht  gelungen  ist,  die  griechischen  Termini  ebenso 
gründlich  und  übersichtlich  zu  behandeln,  wie  es 

27.  H.Landwehr,  Studien  über  das  antike  Buchwesen.  Archiv 
f.  lat.  Lexikographie.  VI  219 — 253  (Die  Buchterminologie)  und  419 
— 433  (Übergang  von  der  Rolle  zum  Codex). 

in  seiner  lexikographischen  Untersuchung  für  die  lateinischen  getban 
hat.  Auch  H.s  Polemik  gegen  L.s  Ansichten  über  den  Übergang 
von  der  Rolle  zum  Codex  gelangt  nicht  immer  zu  bestimmten 
Resultaten.  L.  geht  mit  Recht  davon  aus,  daß  für  die  Verwendung 
des  Pergaments  die  Fabel  von  der  alexandrinischen  Papyi-ussperre 
ein  beiläufiges  Datum  giebt.  Es  fehlt  nun  nicht  an  Pergamentrollen 
(s.  Dziatzko  R.  E.  III  947^,  aber  die  Vorzüge,  die  das  Codexformat 
bot,  und  die  Widerstandsfähigkeit,  die  das  Pergament  gerade  zu  diesem 
Format  besonders  geeignet  machte,  brachte  es  mit  sich,  daß  allmählich 
für  litterarische  Zwecke  Pergamentcodices  üblich  wurden.  Die  vor- 
handenen Belegstellen  führen  im  allgemeinen  ebenso  wie  die  von 

28.  V.  Schnitze,  Rolle  und  Codex.  Ein  archäologischer  Bei- 
trag zur  Geschichte  des  Neuen  Testamentes.  Greifswalder  Studien  .  .  . 
Herm.  Cremer  dargebr.  (Gütersloh,  Bertelsmann  1895.  6  M.)  147 — 158 

in  großer  Zahl  zusammengestellten  christlichen  Bildwerke  auf  die  Zeit 
von  250 — 400  als  Übergangsperiode.  Im  5.  Jh.  hat  der  Codex  ge- 
siegt, doch  kommen  noch  im  6.  Jh.  vereinzelt  Rollen  vor.  Der  kirch- 
liche Gebrauch  begünstigte  besonders  den  Codex;  doch  ist  deshalb  L.s 
Ansicht,  daß  profane  Litteratur  erst  im  6.  Jh.  in  Codices  umgeschrieben 
wurde,  noch  nicht  ausreichend  begründet.  Andererseits  ist  zu  bemerken, 
daß  einzelne  Reste  von  Pergamentcodices  über  250  hinauf  datiert  werden; 
vgl.  Dziatzko,  R.  E.  III  948  f.  und  Kenyon,  Journ.  of  phü.  XXII 
247,  der  die  Reste  eines  Pergamentcodex  des  Deraosthenes  ins  2.  nach- 
christliche Jh.  setzt.  Für  weit  älter  halten  das  Codexformat  der 
Litter aturwerke  Rohde  (unter  No.  5,  S.  1547  f.)  und 

29.  C.  Wachsmuth,  Pentadenbände  der  Hss  klass.  Schriftsteller. 
Rhein.  Mus.  XLVI  329—331. 

Pentadenbände  sind  für  Diodor,  Josephus,  Livius  und  Polybius 
erweislich.  Aus  Photius  läßt  sich  ferner  schließen,  daß  Diodor  den 
Theopomp  in  Pentaden    hatte.     Damit   wäre  nun    ein    hohes  Alter    des 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handechriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     195 

Kodexformates  bewiesen,  wenn  nur  W.  die  Behauptung  begründet  hätte, 
daß  Pentaden  Pergamentcodices  voraussetzen. 

Noch  ist  aus  Wattenbachs  Behandhing  des  Pergaments  die  für 
Provenienz  und  Alter  der  Hss  wichtige  Unterscheidung  der  glatteren 
Fleisch-  und  der  Haarseite  (S.  llGff.  u.  124)  hervorzuheben.  Dieser 
Unterschied,  auf  den 

30.  G.  R.  Gregory,  Les  cahiers  des  mss.  grecs.  Comptes- 
rendus  de  TAcad.  des  inscr.  Xin  (1885)  261—268 

nachdrücklich  hingevviesen  hat,  ist  nämlich  bei  deutsch  -  französischem 
Pergament  gering,  bei  italienisch-spanischem  bedeutend.  Daß  je  zwei 
Fleisch-  und  je  zwei  Haarseiten  zusammentreffen,  ist  natürlich;  daß  in 
griech.  Hss  mit  einer  Fleischseite  (vgl.  No.  55,  S.  301  u.  308),  in  lat. 
mit  einer  Haarseite  begonnen  wird,  kann  für  die  Bestimmung  der 
Quaternionen  in  betracht  kommen,  auf  deren  Bedeutung  wir  noch 
zurückkommen.  Das  Pergament  des  15.  Jh.  hat  eine  grauliche  Färbung 
und  wird  so  zum  Verräter  bei  Schreibern,  welche  die  Originale  des 
10.  oder  11.  Jh.  getreu  nachmalen. 

Auch  das  Papier  kommt  für  Altersbestimmung  von  Hss  in  be- 
tracht, wie  sich  aus  der  Besprechung  von 

31  u.  32.  J.  Karabacek,  Das  arabische  Papier.  Eine  historisch- 
antiquarische Untersuchung.  Mitteil,  aus  der  Sammlung  der  Papyrus 
Erzh.  Rainer.  11/111(1887)  87—178  und  Neue  Quellen  zur  Papier- 
geschichte.    Ebdt.  IV  75—122, 

33  u.    34.      J.    Wiesner,    Miki'oskopische    Untersuchungen    der 
Papiere  von  el-Faijum.    Ebdt.  I  (1887)  45  ff.  und  Die  Faijümer  und 
Uschmüminer    Papiere.      Eine    naturwissenschaftliche    Untersuchung. 
Ebdt.  II; III  179  ff. 
ergeben  wird.     Ich  würde  unrecht  zu  thun  glauben,    wenn  ich  die  Er- 
gebnisse von  31  u.  34  (32  enthält  nur  eine  neue  Bestätigung,   33  eine 
kurze  Ankündigung)  mit  dem  kurzen  Satze  abthun  wollte,  es  habe  nie 
ein  aus  roher  Baumwolle    erzeugtes  Papier  gegeben.     Dies  be- 
hauptete schon 

35  u.  36.  C.  M.  Briquet,  La  legende  paleographique  du  papier 
de  cotou.  Journal  de  Geneve  29.  Oct.  1884  und  Recherches  sur  les 
Premiers  papiers  employ^s  en  Occident  et  en  Orient  du  X«  an 
XTVe  siecle.  Mem.  de  la  soc,  des  antiquaires  de  France.  46.  Bd. 
(1886).     77  S. 

B.  ist  zu  dem  richtigen  Resultate  auf  grund  von  mikroskopischen 
Untersuchungen  gelangt,  die  W.  (vgl.  216  ff.)  für  unzureichend  erklärt. 
Einer  der  hartnäckigsten  Verteidiger  des  Baumwolleupapiers 


1 


s* 


196     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

37.  C.  Paoli,  Carta  di  cotone  e  carta  di  lino.  Archivio  storico 
Italiano  XV  (1885)  230-234 

ist  erst  durch  die  eine  f?roße  Zahl  von  Papiersorten  nnd  -formaten  und 
viele  Details  der  Bereitung  heranziehende  Untersuchung  von  K.  und  W. 
überzeufjt  worden;  vgl. 

38.  C.  F..  La  storia  della  carta  secondo  gli  Ultimi  studi.  S.  A. 
ans  der  Nuova  Antologia  v.  16.  Nov.   1888.     19  S. 

Andere  Widersacher  verzeichnet  S.  55  f.  A.  2 

89.     C.  M.  Briquet,  Sur  les  papiers  usites  eu  Sicile.    Archivio 
stör.     Siciliano  XVII  (1892)  52—65. 
Nur  dem  Titel  nach  kenne  ich 

*40.  C.  M.  Br.,  Le  papier  arabe  au  moyen-äge  et  sa  fabrication. 
Union  de  la  papeterie,     Bern,  August/Sept.  1888. 

Die  genau  geprüften  Quellen,  deren  für  den  NichtOrientalisten 
notwendige  Übersetzung  K.  überall  beigiebt,  und  die  auf  sicheren  Kriterien 
beruhende  mikroskopische  Untersuchung  W.s  ergeben  folgendes.  Um 
751  beginnt  in  Samarkand  die  Papierfabrikation.  Sobald  chinesische 
Arbeiter  die  Herstellung  eines  feinfaserigen  Gauzzeuges  und  das  Schöpfen 
desselben  zur  Papierform  (gefilztes  P.)  eingeführt  hatten,  brachte  die 
damalige  persische  Bevölkerung  von  Samarkand  die  Hadern  in  Schwung. 
Nur  Hadernpapier  ist  in  der  794  zu  Bagdad  errichteten  und  in  allen 
weitereu,  also  auch  in  den  ägj'ptischen  Fabriken  erzeugt  worden.  Diese 
orientalischen  Papiere  sind  mit  Stärkekleister  geleimt  und  bis  ins 
15.  Jh.  (wohl  infolge  der  Stampfung)  langfaserig.  In  Europa  tritt  um 
1300  Leim  an  die  Stelle  der  Stärke;  seit  dem  15.  Jh.  sind  die  Papiere 
(wohl  infolge  der  Vermahlung)  kurzfaserig.  Die  von  Briquet,  der  auch 
das  Verdienst  hat,  zuerst  auf  die  Leiraung  hingewiesen  zu  haben,  be- 
hauDtete  Harzleimung  ist  erst  im  Anfang  dieses  Jh.  nachzuweisen. 

Ich  füge  gleich  an,  daß 

41.     J.    Wiesner,    Studien    über    augebliche    Banmbastpapiere. 
S.-Ber.  Wiener  Akad.   phil.-hist.  Kl.  CXXVI  (1892)..    12  S. 

auch  das  Baumbastpapier  (nicht  etwa  das  Beschreiben  von  Bast)  ins 
Reich  der  Fabel  verwiesen  hat;  es  handelt  sich  um  ein  Verkennen  von 
PapjTus.  Zu  ei-wähnen  ist  noch  K.s  Versuch  (S.  I29if.(,  die  Ent- 
stehung der  Fabel  vom  Baumwollpapier  zu  erklären.  Einerseits  ist  bei 
Charta  bombycina  ursprünglich  an  ein  baumwollenartiges, 
nicht  an  ein  ans  Baumwolle  bestehendes  Papier  gedacht:  andererseits 
denkt  K.  bei  der  Bezeichnung  bombycina  sive  Damascena  an 
das  syrische  Hierapolis,    arab.  Mambidsch,    griech.   Banl^uxr)   (also 


Beriebt  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde,  (Beer  u.  Weinberger.)     197 

m'sprüDglich    bambycina),    nach   dessen  Verfall  die    Papierfabrikation 
nach  Damaskus  übertragen  wurde. 

Für  die  noch  zu  wenig  beachteten  Wasserzeichen  nenne  ich 
unter  Hinweis  auf  die  1  S.  78  verzeichnete  Litteratur 

42  u.  43.  C.  M.  Briquet,  De  la  valeur  des  tiligi-anes  du  papier 
comme  nioyeu  de  determiner  Tage  et  la  provenance  de  documents 
non  dates.  Bull,  de  la  Societe  d'histoire  de  Genöve  1892.  13  S.  — 
Papiers  et  filigranes  des  archives  de  Genes.  Atti  della  Societä  ligur. 
di  storia  patria  XIX  (1888). 

44.  E.  Kirchner,  Die  Papiere  des  14.  Jh.  im  Stadtarchiv  zu 
Frankfurt  a.  M.  und  deren  Wasserzeichen  technisch  untersucht  und 
beschrieben.  Frankfurt,  C.  Jügel  1893.  35  S.  u.  31  S.  AbbUd. 
2  M.  50. 

45.  F.  Keinz,  Die  Wasserzeichen  des  14.  Jh.  in  Hss  d.  k.  bayer. 
Hof-  und  Staatsbibliothek.  Abh.  d.  bayer.  Akad.  XX.  Bd.  3.  Abt. 
München  1895.     (46  S.  38  Taf.)     4  M. 

Wiesner  hat  auch  die  Tinte  der  Papiere  von  el-Faijüm  in  den 
Bereich  der  Untersnchung  gezogen  und  gefunden,  daß  sie  entweder 
eisen-  oder  kohlenhaltig  war,  d.  h.  entweder  der  Galläpfeltinte  oder 
der  Tusche  entsprach.     Dazu  stimmt: 

46.  C.  Graux,  L'encre  ä  base  metallique  dans  l'antiquite.  Rev. 
de  phil.  IV  82—85. 

Mit  Unrecht  behauptet  also  noch  1  S.  99,  daß  bei  der  Tinte  des 
Altertums  jeder  metallische  Zusatz  fortfiel.     Dies  gilt  nur  für  Papyri. 

Für  Gold  Schrift  ist  außer  Paoli,  Miscellanea  di  paleografia 
(Archivio  storico  Italiano  4.  Ser.     VI  115  ff.)  wieder 

47.  C.  Graux,  Une  Olympique  de  Pindare  ecrite  k  l'encre  d'or. 
a.  a.  0.  V  117—121 

und 

48.  K.  Wessely,  Chrysographie.  Wiener  Studien  XTE  259— 270 
anzuführen,  für  Purpurtinte  die  nahezu  erschöpfende,  doch  über  das 
bei  6  S.  248  Gebotene  nicht  hinausgehende  Abhandlung  von 

49.  J.  Carini,  Sulla  porpora  e  sul  colore  porporino  nella  diplo- 
matica  specialmente  Siciliana.  Nuove  Effemeridi  Siciliane  IX  297— 
339.     X  1-44. 

Nicht  zugänglich  war  mir 

*50.  D.  Frazer,  Paper,  pens  and  ink;  a  brief  sketch  of  the 
principal  writing  materials  used  in  all  ages.  Glasgow,  Bryce  1878. 
134  S.     1  M.  20. 


198     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handachriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

Für  Schreibgeräte  ist  außer  8  und  9  (S.  6:  Schreibrequisiten 
aus  dem  1.  Jh.  v.  Chr.)  zu  erwähnen: 

51.  C.  Paoli,  Instrument!  scrittorii.  Archivio  storico  Italiano 
V.  Ser.     X  126  f., 

der  auf  Miniaturen  ein  in  der  linken  Hand  gehaltenes  lig-niculum 
(stecchetta)  nachweist,  mit  dem  der  Schreiber  das  Papier  hält,  um  die 
Feder  sicher  und  gerade  zu  führen.  Einschlägig  wären  auch  nach 
Delisles  Anzeige  (Bibl.  d.  chartes  1884,  671  f.)  die  ersten  Kapitel  des 
später  zu  erwähnenden,  mir  nicht  zugänglichen  Werkes  von  A.  Lecoy 
de  la  Marche,  Les  mss.  et  la  miniature  (Bibl.  de  l'enseignement  des 
beaux  arts) :  I.  Les  iustruments  de  l'ecriture.  11.  L'ecriture.  III.  Les 
ecrivains. 

Über  das  Schreiben  selbst  und  die  Schreiber  ist  hier  nicht  viel 
zu  sagen,  da  Monographien  über  einzelne  Schreiber  (und  Hsshändler), 
die  für  griech.  Hss  etwa  Gardthausens  Schreiberliste  (griech.  Paläogr. 
S.  311 — 341)  berichtigen  oder  ergänzen,  besser  in  Anhang  I  (nach  den 
Hss- Verzeichnissen)  zusammengestellt  werden.  Dort  kann  leichter  auf 
Omonts  Arbeiten  ver\viesen  werden,  dessen  preisgekrönte  Liste  griech. 
Schreiber  meines  Wissens  noch  nicht  gedruckt  ist.  Doch  muß  schon 
hier  erwähnt  werden  das  bei  Ausschluß  aller  von  Gardthausen,  Mont- 
faucon,  Wattenbach  verzeichneten  Namen  fast  1400  Seiten  füllende 
Werk  von 

52.  J.  W.  Bradley,  A  dictionary  of  miniaturists ,  Illuminators, 
calligraphers  and  copyists.  With  references  to  their  works  and 
notices  of  their  patrons  from  the  establishment  of  christianity  to  the 
eighteenth  Century.     3  Bde.     London,  Quaritch  1887 — 1889. 

Wichtig  ist  die  Beteiligung  mehrerer  Schreiber  an  einer  Hss; 
hierbei  kommen  wir  auch  auf  die  bei  No.  30  erwähnten  Quaternioneu 
zurück.     Zunächst  hat 

53.  E.  Chatelain,  Note  sur  le  ßeginensis  762  de  Tite-Live. 
Rev.  de  phil.  XIV  79—84 

nachgewiesen,  daß  die  von  7  verschiedenen  Schreibern,  die  ihren 
Namen  beigesetzt  haben,  geschriebenen  Stücke  des  Reginensis  (saec.  IX> 
genau  mit  Lagen  des  Puteanus  (ehemaligen  Corbeiensis)  stimmen. 
P.  Schwenke  ist  es  (C.  B.  VII  440  f.)  gelungen,  diese  Schreibernamen 
im  St.  Gallner  Verbrüderungsbuch  (Mon.  Germ.  bist.  Libri  confraternitatis 
ed.  Piper,  Sp.  14)  unter  den  Mönchen  von  Tours  nachzuweisen.  Im 
Anschluß  an  Chatelain  hat 

54.  K.  Wotke,  Wie  verfuhr  man  beim  Abschreiben  der  Hss 
im  Mittelalter?    Z.  f.  Ost.  Gymn.  XLII  (1891)  296  f. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     199 

auf  den  Paris.  12  236  des  Eucherius  hingewiesen,  in  dem  ein  in  TJncialen 
geschriebenes  Stück  mitten  im  Worte  beginnt  und  endet.     Endlich  hat 

55.  T.  W.  Allen,  On  the  composition  of  some  Greek  mss.  Journ. 
of  phil.  XXII  157—183.     XXIV  300—326 

seine  vorläuü?  auf  den  Mediceus  des  Sophokles,  Aschylus  und  Apolloniaa 
und  den  Ravennas  des  Aristophaues  ausgedehnten  Untersuchungen  über 
Zusammensetzung  griech.  Hss  geradezu  auf  die  Quaternionen  auf- 
gebaut. Es  sind  nämlich  vielfach  die  vom  Schreiber  bezw.  vom  üiorthoten 
herrührenden  Quaternionen-Signaturen  erhalten,  und  diese  erweisen  neben 
der  bei  Sophokles  beginnenden,  für  diesen  und  für  Äschylus  nachweis- 
baren Zählung  eine  zweite,  Äschylus  und  Apollonius  umfassende,  bei 
der  die  anscheinend  nachträglich  eingeschobenen  folia  185 — 189  un- 
berücksichtigt bleiben.  Allen  nimmt  an,  daß  der  Diorthot  unbeschriebene 
Quaternionen  besonders  für  2  Schreiber  (a)  Sophokles,  b)  Äschylus  und 
Apollonius)  numerierte.  Warum  er  hierbei  auf  die  Gesamtfolge  keine 
Rücksicht  nahm,  läßt  A.  unaufgeklärt.  Da  von  einer  Hand  Sophokles, 
der  1.  Quaternio  von  Äschylus  und  Apollonius,  von  einer  anderen  der 
Rest  des  Äschylus  herrührt,  möchte  ich  annehmen,  daß  der  2.  Schreiber, 
für  den  die  jetzt  mit  Äschylus  und  Apollonius  beschriebenen  Quaternionen 
numeriert  waren,  aus  irgend  welchem  Grunde  seine  Arbeit  noch  nicht 
begonnen  hatte,  als  der  1.  Schreiber  nicht  nur  Sophokles,  sondern  auch 
einen  Quaternio  des  Äschylus  geschrieben  hatte.  Dieser  1.  Schreiber 
hätte  dann  dem  2.  den  Rest  des  Äschylus  überlassen  und  sich  dem 
Apollonius  zugewendet;  so  würde  sich  die  nachträgliche  Einfügung  von 
185 — 189  erst  recht  erklären.  —  Die  dem  Ravennas  gewidmete,  an 
Details  über  Zusammenfügung  vou  Heften  und  Blättern,  sowie  über 
Korrektur  und  Revision  von  Hss  reiche  Untersuchung  gelangt  nicht  zu 
so  bestimmten  Resultaten.  —  Jedenfalls  ist  durch  53—55  bewiesen, 
daß  abzuschreibende  Hss  öfters  von  vorneherein  an  mehrere  Schreiber 
verteilt  wurden.  Hierüber  dürfte  sich  noch  manches  finden  lassen,  wenn 
bei  Benutzung  von  Hss  darauf  geachtet  wird. 

Nun  mag,    da    sie  vielleicht    für  Kontrolle  und  Entlohnung   der 
Schreiber  in  betracht  kam,  hier  die  Stichometrie  Erwähnung  finden. 

56.  Ch.  Graux,  Nonvelles  recherches  sur  la  stichometrie.    Rev. 
de  phil.  II  97  ff. 

hat  auf  grund  eines  reichen  in  tabellarischer  Form  vorgelegten  Materials 
nachgewiesen,  daß  für  die  am  Ende  von  Rollen  und  Hss  üblichen  Zeilen- 
angaben auch  bei  Prosaschriften  die  Länge  des  Hexameters  (34-88  Buch- 
staben) maßgebend  war. 

57.  H.  Diels,  Stichometrisches.     Hermes  XVII  377—384 
hetont,  daß  die  Alten  die  Normalzeile  nach  Silben  berechnen  und  zwar 


200     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

für  ältere  Schriften  mit  15,  für  Galen  (V  655  K,  vgl.  VIII  698,  X  780, 
E.  ßohde,  Stichometrisches.  Rhein.  Mus.  XLIII  476—478  und  H.  Schöne, 
ebdt.  LII  135 — 137)  mit  16,  für  Hippokrates  mit  18  Silben.  Ein  versus 
Virgilianus  von  16  Silben  wird  genannt  in  einer  auf  Stichometrie  der 
kanonischen  Schrilten  und  der  Werke  Cyprians  bezüglichen  Notiz  einer 
Cheltenhamerhs.  die  veröffentlicht  ist  von 

58.  Th.  Mommsen,  Zur  lat.  Stichometrie.  Hermes  XXI  142 — 
156  u.  (Abweichuncen  eines  Sangallensis)  XXV  636—638. 

Notizen  über  Stichometrie  geben  23, 

59.  G.  Vitelli,  Spicilegio  fiorentino.  Mus.  ital.  di  antichitä 1 1  ff. 
(3.  Sticometria  delle  opere  di  Giamblico.  7.  (29—32)  St.  d.  o.  di 
Gregorio  Nazianzeno.    11.  u.  14.  (160—164.  173  f.)  St.  d.  o.  poetichej. 

60.  H.  Omont,  Eestauration  d'un  ms.  de  Lactance  au  XV!*^  siecle. 
Bibl.  d.  chartes  1884,  563  f. 

und  (mir  nicht  zugänglich) 

'■'61.  Nestle,  Stichen bezeichuung  in  alten  Hss.  Korrespondenz- 
blatt f.  würtemberg.  Schulen  XXX  512  f., 

ferner,  namentlich  über  Partialstichometrie, 

62.    J.  Buermann,  Bavaricus  und  Marcianus.    Hermes  XXI  34 ff. 

63  u.  64.  F.  Bürger,  Stichometrisches  zu  Demosthenes. 
Hermes  XXIT  650 — 654  und  Stich.  Untersuch,  zu  D.  und  Herodot, 
Progr.  d.  Luitpold-Gymn.     München  1892.     42  S. 

Als  Kui'iosum  mag  endlich  die  Notiz  von 

65.   R.  Poerster,  Zur  Görlitzer  Lucian-Hs.  Rhein.  Mus.  49,  167  f. 

angeführt  werden,    nach  welcher  sich  angeblich  stichometrische  Zahlen 
als  Seitenzahlen  einer  alten  Ausgabe  erwiesen  haben. 

Graux  hat  auch  die  von  der  Stichometrie  durchaus  unabhängige 
Abteilung  des  Textes  nach  Sinnzeilen  —  Gardthausen  schlägt  S.  128 
den  Namen  Kolometrie  vor  —  behandelt.  Soweit  hierfür  die  Persönlich- 
keit des  Euthalius  in  betracht  kommt,  begnüge  ich  mich  damit  an- 
zuführen : 

*66.  J.  Harris  Rendel,  Stichometry.  American  Journal  of 
Philology  IV  (1883)  135—157. 

67.  A.  Ehrhard,  Der  Codex  H  ad  epistulas  Pauli  und  Euthalios 
diaconos.     C.  B.  VHI  385—411. 

68.  E.  v.  Dobschütz,  Ein  Beitrag  z.  Euthaliusfrage.  C.  B.  X 
49—70. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     201 

Auf  die  kolometrische  Abteilung  eines  inschriftlich  erhaltenen 
Psalraes  macht  aufmerksam 

69.  C.  Wachsmuth,  Ein  inschriftl.  Beispiel  von  K.  Rhein. 
Mns.  LH  461  f. 

Da  es  nicht  angemessen  scheint,  die  in  die  Berichtsperiode  fallen- 
den Veröffentlichungen  von  Subskriptionen  —  auf  diese  kommen  wir 
übrigens  bei  der  Datierung  der  Hss  zurück  -  und  Palimpsesten  — 
das  diesen  bei  6  gewidmete  Kapitel  (III  8)  ist  in  der  3.  Aufl.  gegen 
die  2.  fast  gar  nicht  geändert  —  hier  aufzuzählen,  können  wir  gleich 
EU  Buchhandel  und  Bibliotheken  übergehen,  die  wieder  von  Dziatzko 
übersichtlich  bei  Pauly-Wissowa  III  405  flf.  uud  973  ff.  behandelt  sind. 
Diese  Artikel  sind  natürlich  vielfach  litterarhistorisch,  so  auch  die  inter- 
essanten Aufsätze  von 

70.  K.  Dziatzko,  Autor- und  Verlagsrecht  im  Altertum.  Rhein. 
Mus.  XLIX  559-570 

und 

71.  L.  Hänny,  Schriftsteller  und  Buchhändler  im  alten  Rom. 
2.  Aufl.  -  Leipzig,  Fuß  1885.     2  M.  40. 

Das  Bibliothekswesen  des  Altertums  ist  vielfach  behandelt  worden, 
so  auch  in  zwei  Arbeiten,  die  ich  weder  bei  D.  erwähnt  finde,  noch 
selbst  einsehen  kann: 

*72.     Ernouf,  Les  bibl.  de  Fanliquit^.    Le  livre,  Juni  1880. 

*73.  L.  Olschki,  Das  Bibliothekswesen  im  Altertum.  I.  Weimar, 
Weilibach  1889. 

Nur  zur  ersten  Einführung  ausreichende  Notizensammlungen  sind 

74.  N.  Mich  au t,  Pauca  de  bibl.  apud  veteres  cum  publicis  tum 
privatis.     Paris,  Berger-Levrault  1876.     70  S.     1  M.  50. 

75.  C.  Castellani,  Le  bibl.  nell'  antichitä.  Mailand,  Hoepli 
1884.     XXIV  u.  60  S.     2  M. 

76.  L.  S.  Olschki,  Delle  bibl.  dalla  loro  origine  fino  all'etä 
di  Augusto.     Rivista  VII  55—61,  77—85. 

Ahnliches  entnehme  ich  für 

*77.  F.  Garbelli,  Le  bibl.  in  Italia  all'  epoca  romana.  Ebdt.  1894 
aus  (vgl.  S.  514,  4) 

78.     M.  Ihm,    Die  Bibl.  im  alten  Rom.     C.  B.  X  513—532, 
einer  gründlichen  Zusammenstellung    der    erhaltenen   Nachrichten    über 
Bibl.  und  deren  Verwaltung.    Hervorzuheben  ist  524,  59  die  Erörterung 
über  die  Schreibung    bybliotheca,    wobei    bemerkt  wird,    daß  Häberlin 
(No.  24)  sich  mehrfach  auf  gefälschte  Inschriften  berufe,  und  528—531 


202     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

kurze  Notizen  über  Bibliotheken  anderer  Orte.  Im  Anschluß  an  diese 
erwähne  ich  die  für  Rekonstruktion  antiker  Bibliotheksräume  wichtige 
Abhandlung  von 

79.  A.  Conze,  Die  pergamenische  Bibl.  S.-Ber.  Berl.  Akad.  1884 
II  1268  f. 

und  eine  Notiz  über  die  Ausgrabung  des  alexandrinischen  Serapeums 
durch  Botti,  Academy  1895.  1220,  230. 

Das  Altertum  beinicksichtigen  auch  die  populären,  mit  Abbildungen 
geschmückten  Arbeiten  von 

80.  A.  Lecoy  de  la  Marche,  Les  anciennes  collections  de 
mss.,  leur  formation  et  leur  installation.  Gaz.  des  beaux  arts  XXXVI 
(1887)  57—64,  141—147 

der  fürs  Mittelalter  besonders  Frankreich  und  speziell  die  Pariser  Bibl. 
behandelt,  und  von 

81.  J.  W.  Clark,  Libraries  in  the  medieval  and  renaissance 
periods.     Cambridge,  Macmillan  1894,  63  S.  3  M. 

Im  Mittelalter  bewahrten  zunächst  Kloster-  und  Kirchenbibl.  die 
litterarischen  Reste  der  antiken  Welt.  Die  hier  in  betracht  kommenden 
Verhältnisse,  z.  B.  Hülfsmittel  und  Kosten  des  Abschreibens  und  Preise 
der  Hss  sind  in  vielen  historischen  und  kulturhistorischen  Werken  be- 
rührt und  in  Monogi'aphien  nach  den  verschiedensten  Gesichtspunkten 
behandelt  worden,  so  daß  eine  vollständige  Aufführung  der  Litteratur 
wohl  als  unthunlich  bezeichnet  werden  kann.     Ich  nenne: 

*82.  M.  de  Wulf,  Les  monasteres  et  la  transscription  des  mss. 
au  XIP  sifecle.  Magasin  litteraire  et  scientifique,  5.  März  1887 
(Gand,  Leliaert  28  S.  75  Pf.) 

83.  Tougard,  Note  sur  la  transscription  des  mss.  grecs  au 
couvent  de  Grotta-Ferrata.  Annuaire  de  Tassoc.  pour  l'encouragement 
des  etudes  grecques  VIII  441 — 446. 

84.  A.  Czerny,  Die  Bibl.  des  Chorherrnstiftes  St.  Florian.  Linz 
1874.     VI  u.  246  S.     7  M.  20. 

85.  B.  Cecchetti,  Libri,  scuole,  maestri,  sussidio  allo  studio  nei 
secoli  XIV  e  XV.  Archivio  Veneto  XXXII  329—352  (auf  Venedig 
bezüglich). 

85b.  K.  Uhlirz,    Beiträge  zur  Geschichte    des  Wiener  Bücher- 
wesens (1326-1445).     C.  B.  XIII  79—163. 
Auf 

86.  T.  W.  Allen,  Palaeographica  (III.  A  group  of  ninth-ceutury 
Greek  mss.)    Journ.  of  phil.  XXI  48—55, 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Ilandschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     203 

der  aus  Ähnlichkeit  der  Schriften  den  Bestand  von  Schreibschnlen  er- 
schließt, und 

87.  P.  Battifol,  Librairies  byzantines  ü  Rome.  M^lanjjes  VIII 
297—308, 

der  bei  seinen  Notizen  über  g;riech.  Hss  in  Rom  (7. — 10.  Jh.)  eine 
eigene  griech.-langobardische  Schriftart  erwähnt,  kommen  wir  bei  der 
Geschichte  der  Schrift  zurück;  vgl. 

88.  V.  Pflugk-Harttung,  Über  päbsfliche  Schreibschulen  der 
älteren  Zeit.     Hist.  Jahrb.  der  Görres-Gesellschaft  IX  491 — 495 

und  die  auf  ein  bestimmte  Taxen  erweisendes  Aktenstück  der  päpstlichen 
Kammer  bezügliche  Notiz  von 

89.  Kirsch,  Rechnung  für  Abschreiben  und  Einbinden  von  Büchern 
aus  dem  Jahre  1374.     Rom.  Quartalschrift  III  73 — 77. 

Nicht  zugänglich  war  mir  die  wohl  im  Ännuaire  de  lAube  publie  par 
la  Societe  academique  .  .  du  departement  de  TAube  oder  in  den  Meraoires 
der  genannten  Gesellschaft  enthaltene  Arbeit  von 

*90.  Lalore,  Note  bur  les  mesures  prises  pour  la  conservation 
des  mss.  dans  la  dioecese  de  Troyes  du  XI^  au  XVIIIe  siecle. 
T.  1877,  14  S. 

Wichtig  sind  die  mittelalterlichen  Bibliothekskataloge; 
nach  der  Bemerkung,  daß  ich  gelegentlich  unter  dieser  Bezeichnung 
auch  luventare  des  16.,   17.  oder  18.  Jh.  mitbegreife,  bespreche  ich  gleich 

91.  G.  Becker,  Catalogi  bibl.  antiqui.  Bonn,  Cohen  1885. 
IV  u.  329  S.  8  M. 

Der  erste  Teil  des  als  ersten  Versuches  gewiß  lobenswerten  Werkes: 
Catalogi  saecolo  XIII  vetustiores  giebt  —  freilich  ohne  Zurückgreifen 
auf  die  Orginalquellen  —  den  Abdruck  von  137  K.,  während  im  2.  Teil: 
Catalogus  catalogorum  posterioris  aetatis  für  206  Nummern  nur  die 
Fundstätten  angegeben  werden.  Das  Werk  hat  zu  vielen  Nachträgen 
Anlaß  gegeben,  von  denen  ich  nenne:  R.  Beer,  phil.  Wochenschr. 
V  822—829,  Dümmler  und  M.  Perlbach,  C.  B.  11  26—33,  J.  Huemer, 
Phil.  Rundsch.  V  188—192,  G.  Meier,  C.  B.  U  239—241,  IV  254-260; 
vgl.  noch  die  vorher  von  ß.  Foerster,  Rhein.  Mus.  XXXVII  486,1  ge- 
sammelten Bücherverzeichnisse. 

92.  Th.  Gottlieb,  Über  mittelalterliche  Bibl.  Leipzig,  Harassowitz 
1890.     XI  u.  520  S.     14  M. 

verzeichnet  —  mit  Ausschluß  alles  Griechischen  —  nicht  weniger  als 
1391  mittelalterliche  Inventare  mit  Angabe  des  Fundortes  und  des 
eventuellen  Druckes.    Sie  sind  nach  Ländern  geschieden,  innerhalb  dieser 


204     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

nach  dem  Alphabet  der  Ortsnamen  geordnet.  Wertvoll  ist  der  Abschnitt 
über  Anordnung  der  Bibliotheken  im  Mittelalter  (299 — 329). 
Auch  zu  diesem  Buche  haben  die  Rezensenten  Berichtigungen  und  Nach- 
träge geliefert;  vgl.  R.  Beer,  phil.  Wochenschr.  XI  1271—1275, 
1302—1306,  K.  Kochendörffer,  DLZ  1891,  620— G22,  M.  Perlbach, 
C.  B.  VIII  127—130,  S— n,  LCB  1891,  686—689,  u.  L.  Traube, 
Wochenschr.  f.  class.  Phil.  VIII  505—508. 

93  u.  94.  M.  Manitius,  Philologisches  aus  alten  Bibliothekskatalogen 
(bis  1300).  Ergänzungsheft  zum  47.  Bande  des  Rhein.  Mus.  Frank- 
furt, Sauerländer  1892.  152  S.  3  M.  60.  —  Geschichtliches  aus 
alten  Bibliothekskatalogen.    N.  Archiv  XIV  171—174. 

ordnet  zunächst  nach  Autoren ,  erst  die  auf  den  gleichen  Autor  be- 
züglichen Hss  nach  Ländern  und  Jh.  Ich  folge  für  die  wenigen  in  der 
Berichtszeit  gedruckten  Inventare,  sofern  mir  nicht  der  hier  erfolgende 
Hinweis  auf  92  zu  genügen  scheint,  der  Anordnung  Gottliebs. 

Eine  beträchtliche  Zahl  mittelalterlicher  Inventare  enthält  auch 
der  Anhang  eines  Werkes,  das  wie  kein  zweites  das  Entstehen  geistlicher 
und  weltlicher  Bibl.  im  Mittelalter  und  deren  Verminderung  (durch 
Entlehnungen)  und  Vergehen  veranschaulicht.  Ich  meine  das  einen 
Teil  der  Histoire  generale  de  Paris  bildende  Werk  von 

95.  L.  Delisle,  Le  Cabinet  des  mss.  de  la  Bibl.  nationale  ä 
Paris.  Iiltude  sur  la  formation  de  ce  depOt,  comprenant  les  eleraents 
d'une  histoire  de  la  calligraphie,  de  la  miniature,  de  la  reliure  et  du 
commerce  des  livres  ä  Paris  avant  l'invention  de  Timprimerie.  3  Bde. 
(XXIV  n.  575,  X  u.  551,  VIII  u.  531  S)  u.  Album  (50  lithogr. 
Taf.  mit  306  Schriftproben).  Paris,  Tmprimerie  imperiale,  bezw.  nationale, 
1868,  1874  u.  1881.    100  fr. 

Ich  darf  es  wohl  hier  anführen,  da  es  mit  Hülfe  eines  umfassenden 
Index  (III  395 — 529)  auch  über  viele  nicht  französische  Bibliotheken 
orientiert.  Erst  wer  in  diesem  wegen  der  Fülle  von  Details  manchmal 
mehr  zum  Nachschlagen  als  zum  Studium  geeigneten  Buche  heimisch 
geworden  ist,  wird  so  recht  verstehen,  welche  Anforderungen  an  die 
Hbs Verzeichnisse  gestellt  werden  müssen,  die  wir  nun  im  2.  Be- 
richtsteile auf  grund  der  bibliographischen  Hülfsmittel  und  der  Re- 
zensions-Zeitschriften, unter  denen  die  Jahresberichte  der  Ge- 
*schicht8wis8enschaft  (Wattenbach),  die  Byzantinische  Zeit- 
schrift und  namentlich  das  Centralblatt  für  Bibliothekswesen 
(Generalregister  zum  L — X.  Bd.  v.  C.  Häberlin.  Leipzig  1895.  V 
(108 — 115):  Geogi-aphisches  Register)  rühmend  hervorzuheben  sind, 
nach  Ländern  zusammenstellen  wollen. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Uandschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)      205 

Rührt  doch  {größtenteils  von  Meister  Delisle  auch  die  Instruktion 
für  den  General-K.  der  französischen  Hss  her: 

96.  Note  sur  la  redaction  des  c.  de  mss.  Bulletin  des  bibl.  et 
des  archives  I  94—109  (vgl.  C.  B.  IV  263  ff.). 

Auf  diese  bezieht  sich  der  rührige  Censor  neuer  Kataloge 

97.  G.  Meier,  Wie  sollen  Hss-K.  beschaffen  seinV  C.  B.  II 
463—471. 

Endlich  hat  für  einen  kurzen  K.  der  klass.  Hss  Englands  ein 
Schema  gegeben 

98.  E.  M.  Thompson,  Scheme  for  a  c.  of  class.  mss.  Class.  rev. 
I  217  f.  (vgl.  38—40). 

Wir  werden  auf  diese  Grundsätze  bei  Beurteilung  einzelner 
Publikationen  vielfach  zurückkommen  und  hierbei  auch  auf  Omonts 
Beispiel  verweisen;  einige  allgemeine  Bemerkungen  weyden  sich  passend 
an  98  anknüpfen  lassen.  Sicherlich  mul.l  der  K.  zunächst  Signaturen, 
Material  und  Format  (am  besten  Höhe  und  Breite  in  cm;  Th.  verlangt 
Seitenzahl  und  -große),  sodann  eine  eventuell  vorhandene  Datierung 
oder  doch  die  Periode  bezeichnen,  für  welche  natürlich  der  Schrift- 
charakter wesentlich  in  betracht  kommt.     Vgl.  oben  S.   191  und 

99.  G.  Meier.  Bemerkungen  über  die  Bestimmung  des  Alters 
von  Hss.     C.  B.  II  225—231. 

Auf  ein  Verzeichnis  unrichtiger  Datierungen  gestützt  und  unter 
Hinweis  auf  die  Schwierigkeiten  mahnt  M.  zur  Vorsicht.  Er  verweist 
auch  auf  historische  Berechnungen  (Comput),  in  denen  gewöhnlich  das 
laufende  Jahr  (allerdings  oft  das  der  Vorlage)  als  Beispiel  gebraucht 
wird.  Über  Irrtümer,  die  in  diesen  Berechnungen  und  in  den 
Datierungen  der  Subskriptionen  häufig  vorkommen,  orientieren  außer 
Gardthausen  (365  ff.,  384  ff.) 

100  u.  101.  A.  Jacob,  La  souscription  du  Parisinus  grec  200. 
Rev.  de  phil.  XI  78  f.  —  Quelques  problemes  de  comput.  Ebdt. 
Xni  118—128. 

102.  H.  Lebegue,  Nouveaux  probl.  de  c.     Ebdt.  XV  132—138 

und  mit  dem  Wunsche,  daß  bald  ein  BoUandist   ein  Corpus  Kalen- 
dariorum  gebe, 

103.  P.  Lejay,  Notes  latines.     Ebdt.  XVIII  42-59. 
Gute  Dienste  kann  leisten 

104.  Mas-Latrie,  Glossaire  des  dates  ou  explication  par  ordre 
alphabetique  des  noms  peu  connus  des  jours  de  la  semaine,  des  moig 


206     Bericht  üb  Paliiographie  u.  Handschriftenkuade.  (Beer  u.  Weinberger.) 

et  autres  epoques  de  Tann^e  employös  dans  les  dates  des  docuraents 
du  moyen-age.  Cabinet  historique  XXIX  (1883)  44—57,  137—162, 
231—256. 

98  verlangt  weiter  die  (für  Identifizierung,  oft  auch  für  Wert  und 
Stellung  der  Hs  wichtige)  Geschichte,  Angabe  der  früheren  Eigentümer 
und  des  (iiiefür  durch  Wappen  u.  dgl.  in  betracht  kommenden)  Ein- 
bandes.  Angesichts  der  zahlreichen  Entdeckungen  auf  Buchdeckeln  und 
Deckblättern  will  ich  hier  erwähnen 

105.  Bernardakis,  Über  Papyrus  als  Buchdeckel,  gefunden  in 
der  Klosterbibl.  des  Sinai.  Verh.  d.  33.  Philol.-Versammlung  in 
Gera  1879,  S.  88—92. 

B.  fand  brettartig  zusammengefügte  Papyri  mit  griech.  Schrift 
als  Karton  in  nichtgriech.  Hss. 

98  giebt  sodann  die  Titel  (zwischen  Anführungszeichen,  wenn 
sie  in  der  Hs  stehen;  doch  sind  auch  andere  Unterscheidungen  durch 
Druck  oder  durch  Klammern  möglich)  u.  z.  nicht  ohne  Grund  griechisch 
für  griech.,  lateinisch  für  lat.  Hss  und  die  Folienzahlen  (beispiels- 
weise f.  60  und  f.  60  b),  bei  UnvoUständigkeit  die  Anfangs-  bezw. 
Endworte.  Dies  letztere  ist  wohl  auch  bei  wirklichen  oder  —  ver- 
meintlichen Ineditis  nötig.  Derlei  Stücke  erfordern  nebst  einer  guten 
Handbibliothek  und  reicher  Erfahrung  viel  Glück  und  richtigen  Takt. 
Kann  doch  nicht  jeder  Miscellankodex  so  gründlich  beschrieben  werden 
wie  der  Codex  2773  miscellaneus  Graecus  der  großherz.  Hofbibliothek 
zu  Darmstadt  von  L.  Voltz  u.  W.  Crönert  (C.  B.  XIV  537—571). 
Im  allgemeinen  wird  eine  kurze  Charakterisierung  des  Inhaltes  und  die 
Angabe  eines  zweckdienlich  gewählten  Initiums  genügen.  Denn  es 
muß  auch  hier  daran  festgehalten  werden,  daß  Kürze  und  Übersicht- 
lichkeit selbst  über  die  Genauigkeit  gehen. 

Der  bei  98  folgende  Abschnitt  Bibliography  (nach  diesem  werden 
nur  noch  Eigentümlichkeiten  wie  Schollen,  Korrekturen,  Lücken,  endlich 
Ornamente  angegeben)  ist  in  den  beigefügten  Beispielen  sehr  kurz  ge- 
halten. 96  verlaugt  genaue  Titelangabe  nur  bei  einer  die  Hs  speziell 
betreffenden  Arbeit;  dazu  wird  C.  ß.  IV  265  bemerkt:  'Die  Verfasser 
der  Instruktion  scheinen  von  der  Überzeugung  ausgegangen  zu  sein, 
daß  das  Beste  stets  des  Guten  Feind  ist,  und  haben  darum  darauf  ver- 
zichtet, die  Angaben  darüber,  ob  und  wo  der  Inhalt  dieser  fraglichen 
Hss  schon  ediert  sei,  hinzuzufügen.'  Wie  richtig  dies  sei,  erkennt  man 
leicht,  wenn  man  nachliest,  was  99  diesbezüglich  verlangt  Dagegen 
hat  sich  Meier  mit  Recht  gegen  Anecdota  und  ähnliche  Zugaben  aus- 
gesprochen, die  Umfang  und  Preis  der  Kataloge  erhöhen,  das  Erscheinen 
der  Bände  verzögern  und  so  oft  die  Vollendung  des  Ganzen    vereiteln. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     207 

Beachtenswert  ist  auch  sein  Vorschlag,  sich  der  internationalen  Ver- 
breitung wegen  möglichst  der  lateinischen  Sprache  zu  bedienen. 

Endlich  mögen,  da  die  Beschreibung  gerade  der  liturgischen 
Stücke  besondere  Schwierigkeiten  bietet,  hier  genannt  werden: 

106.  W.  Brambach,  Psalteriuni,  Bibliographischer  Versuch  über 
die  liturgischen  Bücher  des  christl.  Abendlandes.  Dziatzkos  Sammlung 
bibl.-wissenschaftl.  Arbeiten  I.  Berlin,  Asher  1887.  VIII  u.  56  S. 
2  M.  (vgl.  die  Anzeige  von  G.  Meier,  C.  B.  V  95  f.) 

107.  H.  Ehrensberger,  Bibl.  liturgica  ms.  Nach  Hss  d.  großherz. 
Hof-  u.  Landesbibl.  in  Karlsruhe.  Mit  einem  Vorworte  von  W. 
Brambach.     K.,  Groos  1889.     84  S. 

nach  C.  B,  VI  322  ein  „meisterhaftes  Verzeichnis  und  durch  die  An- 
gaben an  der  Spitze  der  23  Abteilungen  Muster  und  Wegweiser  für 
Bibliographen  und  Bibliothekare". 

Ob  etwa  dem  Anfänger  das  systematisch  geordnete  Verzeichnis 
lat.  und  französischer,  bei  Kollationen  in  betracht  kommender  Termini  von 

108.  A.  Jacob,  Sylloge  vocabulorum  ad  conferendos  demon- 
strandosque  codd.  graecos  utilinm.  Eev.  arch.  1883  (III.  Serie  I 
209-215,  309—317,  II  29—38) 

nützen  kann,  ist  mir  zweifelhaft:  mich  erinnert  es  au  die  noch  an- 
zuführende Notiz  von 

109.  Sp.  Lambros,  (p'jXaxe;,  ein  mißverstandener  paläographischer 
Terminus.     Byzant.  Zeitschr.  VI  566—568. 

Es  handelt  sich  um  Lesezeichen,  welche  fest  an  eine  Seite,  ge- 
wöhnlich in  der  Mitte  des  äußeren,  dem  Rücken  entgegengesetzten  Teiles 
eines  Blattes  angeklebt  werden.  Es  sind  kleine  Stücke  Papier,  welche 
über  das  Blatt  hinausragen  und  eingeschoben  werden,  um  einen  be- 
sonders interessierenden  Teil  gänzlich  einzufassen. 

Lesen  soll  aber  jeder,  der  zum  ersten  Male  an  die  Benutzung  von 
Hss  geht,  Thompsons  ergötzliche  Weisungen  für  die  Aufsichtsbeamten 
(Library  Chronicle  IV  33 — 39),  die  ich  nur  in  der  französischen  Fassung 
kenne: 

110.  E.  M.  Th.,  Sui'  l'arrangement  et  la  conservation  des  mss. 
Bibl.  d.  chartes  1887,  512—520. 

Er  wird  dann  manches  vermeiden,  was  den  Hss  schadet;  vielleicht 
frommt  ihm  auch  einmal  die  wieder  in  der  Bibl.  d.  chartes  1880,  451 
Teröffentlichte  Notiz  über  hydrosulfure  d'ammoniaque,  das  die  verblaßte 
Tinte  auf  Pergament  wieder  aufleben  läßt,  oder  die  praktische  Er- 
fahrung, von  der  ich  nicht  weiß,  ob  sie  irgendwo  gedruckt  ist,  daß 
mäßiges  Befeuchten  mit  —  Wasser  die  gleiche  momentane  Wirkung  hat. 


208     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Uandschriftenkundc.  (Beer  u.  Weinberger.) 

n.    Handschriften-Verzeichiiisse. 

1.     Italien. 

111.    E.  Narducci,  VervoUständig-tes  Verzeichnis  der  öffentlichen 
Bibliotheken  Italiens.     Neuer  Anzeiger    f.  Bibliographie  und  Biblio- 
thekswiss.  XLTV  (1883),  193 
und  wohl  auch  das  mir  nicht  zugängliche  Verzeichnis 

*112.  Le  bibl.  d'Italia,  clenco  generale  e  indici  special!.  Mailand 
1893.     72  S.  4.     2  M. 

ist  antiquiert  durch 

113.  G.  Ottin 0  e  G.  Furaagalli,  Bibl.  bibliographica  Italica. 
Rom,  Pasqualucci  1889.  XXIII  u.  431  S.  20  M.  Supplemento 
Turin,  Clausen,  1895.  XXII  u.  244  S.  (1896  u.  1897  erschienen 
zwei  je  auf  ein  Jahr  —  1895,  1896  —  bezügliche  Supplementhefte, 
45  u.  39  S.     ä  2  L.  50.) 

In  den  einschlägigen  Abschnitten  dieses  Werkes  sind  alle  Bibl. 
mit  der  sie  betreffenden  Litteratur  verzeichnet.  Nur  ergiebt  sich  trotz 
des  Artikels  Manoscritti  im  Index  vielfach  nicht,  ob  eine  Bibl.  auch 
Hss,  noch  weniger,  ob  sie  lat.  und  griech.  enthalte.  Ich  rechne  für 
künftige  Berichte  auf  die  bewährte  Liebenswürdigkeit,  namentlich 
italienischer  Fachgenossen ;  für  den  vorliegenden  konnte  ich  nur  Werke 
berücksichtigen,  in  denen  unzweifelhaft  Hss  behandelt  sind. 

Die  anläßlich  der  Wiener  Weltausstellung  vom  Jahre  1873  unter 
dem  Titel  von  Cenni  storici  für  die  meisten  Bibl.  in  den  Jahren  1872 
— 1875  veröffentlichten  Notizen  über  Stand  und  Zusammensetzung  habe 
ich  beiseite  gelassen;  selbst  wenn  sie  seither  nicht  überholt  sind,  bieten 
sie  für  Hss  meist  nicht  viel  und  sind  zudem  außerhalb  Italiens  kaum 
zu  beschaffen. 

Der  letztere  Umstand  ist  mir  auch  sonst  oft  hinderlich  gewesen. 
Habe  ich  doch  nicht  einmal  den  Bibliottlo  di  Bologna  in  Wien  ein- 
sehen können,  so  dal!  ich  z.  B.  nicht  weiß,  auf  welche  Bibl.  sich 

*114.  G.  Angelini,  Di  un  cod.  greco  coutenente  la  Cronaca 
bisantina  di  Giorgio  Franza.     Bibliofilo  di  Bologna  XIV  (1883) 

bezieht.     Oder  was  hülfe  es,  nicht  zugängliche  Abhandl.,  wie 

*115.  A.  Battandier,  Notice  sur  un  ms.  de  la  bibl.  du  cardinal 
duc  d'Yorck,  eveque  de  Frascati  (Italie).  Bevue  de  Fart  chretienne. 
n.  Serie,  XV  (1882,  123  S.). 

*116.  F.  Dominici-Lougo,  Le  pergamene  del  monastero  di  S. 
ilargharita  di  Polizzi.     Termini-Imeresse  1880,  16  S.  4 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Hancischriftenkundc.  (Beer  u.  Weinberger.)     209 

unter  einem  bestimmten  Ortsnamen  einzureihen,  da  ich  doch  nicht  weiß, 
welcher  Sprache  die  betreffenden  Schriftwerke  ang:ehören,  bei  pergramene 
überdies  eher  an  Urkunden  zu  denken  ist. 

Die  nur  historische  Dokumente  berücksichtigenden  Reisebe- 
richte (wie  J.  V.  Pfluffk  -  HartUHj^s  Iter  Italicuni.  Stuttgart  1883  ff.) 
und  Abhandlungen  habe  ich  nämlich  —  wo  nicht  besondere  Gründe  zu 
einer  Ausnahme  nötigten  —  stillschweigend  übergangen.  Ähnlich  habe 
ich  es  mit  den  K.  italienischer  Hss  gehalten.  So  sind  aus  den  vom 
italienischen  Unterrichtsministerium  publizierten  Indici  e  cataloghi 
lediglich  die  Beschreibungen  lat.  Hss  bietenden  Bände  bei  Florenz  und 
Mailand  hervorgehoben.     Nur  auf 

117.  G.  Mazzatiuti,  Inventari  dei  mss.  delle  bibl.  d"Italia. 
I  (einziger)  Band.     Turin   1H87,  Löscher.     160  S.     5  L. 

118.  G.  Mazzatinti,  Inventari  dei  mss.  delle  bibl.  d'Italia. 
I— VI,  Forli  1891—1897 

ist  bei  allen  dort  behandelten  Bibl.  verwiesen,  da  eine  Bibl.  selten  völlig 
der  lat.  Hss  entbehrt,  besonders  aber  da  es  von  Wert  sein  kann,  zu 
wissen,  daß  eine  Bibl.  klassische  Hss  nicht  enthalte.  Zur  Charakteristik 
des  verdienstlichen,  von  verschiedenen  italienischen  Gelehrten  gearbeiteten 
"Werkes  ist  zu  bemerken,  daß  im  allgemeinen  mehr  Übersichtlichkeit  und 
Knappheit  zu  wünschen  wäre.  Die  Hss  werden  nicht  gruppiert,  Originale 
und  Übersetzungen  im  Texte  nicht  scharf,  im  Index  oft  gar  nicht  ge- 
schieden. Griech.  Hss,  für  die  griech.  Typen  nicht  zur  Verfügung  zu 
stehen  scheinen,  werden  nur  durch  den  Beisatz  'testo  greco'  gekenn- 
zeichnet. Es  ist  daher  freudig  zu  begrüßen ,  daß  sich  der  griech.  Hss 
ohne  Rücksicht  auf  Mazzatiuti  angenommen  hat 

119.  E.  Martini,  C.  di  mss.  greci  esistenti  nelle  bibl.  Italiane. 
I.Band,  I.Hälfte,  Mailand,  Hoepli,  1893,  XIII  u.  218  S.  8.  2.  Hälfte 
S.  219-430,  1896.     ä  8  L.  50  c. 

Auch  auf  dieses  Werk  wird  jeweils  verwiesen  werden.  Es  ent- 
spricht weit  mehr  wissenschaftlichen  Anforderungen,  wenn  es  auch  nach 
Aliens  richtigem  Urteil  hie  und  da  zu  ausführlich  ist  (vgl.  die  über 
den  Bestand  der  in  der  2.  Hälfte  behandelten  Bibl.  genau  orientierende 
Anzeige  von  A.   Ehrhard,  Byzant.  Zeitschr.  VI  410 — 417). 

Dieser  um  die  Kunde  griech.  Hss  Italiens  besonders  verdiente 
englische  Gelehrte  hat  zunächst  einzelne  Aufsätze  in  den  Jahrgängen 
1889  u.  1890  der  Classical  Review  veröffentlicht,  die  dann,  mit  einer 
nützlichen  Einleitung  versehen,  vereinigt  erschienen: 

120.  T.  W.  Allen,  Xotes  on  Greek  mss.  in  Italian  libraries. 
London  1890.     62  S      4  M.  20. 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.  Bd.  LXXXXVIIL  (1898.  III.)     14 


210     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

Dieses  Scbriftclieu  ist,  obwohl  es  nur  eine  Auswahl  von  Hss  bietet 
und  von  Flüchtigkeiten  nicht  frei  ist,  nicht  nur  für  die  Bibl.  wertvoll, 
frir  deren  Katalogisierung  nichts  weiter  geschehen  ist  —  ihrer  sin»! 
erfreulicherweise  nur  wenige  —  sondern  auch  wichtig  durch  die  Publi- 
kationen, zu  denen  es  angeregt  hat.  Über  diese  hat  Allen  selbst  zu- 
sammenfassend mit  treffendem  Urteil  berichtet: 

121.  T.  W.  Allen,  Recent  Italian  catalogues  of  Greek  mss. 
Class.  Rev.  1896,  234—237. 

Namentlich  empfiehlt  er  mit  Recht  die  in  den  Studi  italiani,  deren 
einzelne  Abhandlungen  später  anzuführen  sein  werden,  befolgte,  im 
wesentlichen  auf  Omonts  Inventaires  zuiückgehende  Methode. 

Auf  die  Mängel  von  120  hat  bei  seiner  Übersicht  über  die  vor- 
handenen Publikationen  hingewiesen: 

122.  A.  Ehr  bar  d.  Zur  Katalogisierung  der  kleineren  Bestände 
griech.  Hss    in  Italien.     C.  ß.  X  189—218, 

der  nur  für  Genua  Positives  bietet. 

Endlich  hat  die  auf  griech.  Hss  bezüglichen  Publikationen  der 
letzten  1 0  Jahre  mit  kurzer  Charakterisierung  und  gelegentlichen  Nach- 
trägen der  Berichterstatter  zusammengestellt: 

123.  W.  "Weinberger,  Adnotationes  ad  graecos  Italiae  Codices 
spectantes.  Wien  (Programm  des  Gj'mnasiums  im  19.  Bezirke) 
1897.     24  S. 

Da  die  örtlich  nicht  immer  fixierbaren  Bibl.  einiger  Humanisten 
doch  passend  bei  bestimmten  Orten  besprochen  werden  können  (so  bei 
Ferrara  Guarini,  bei  Florenz  Laskaris,  bei  Viterbo  Latino  Latini, 
bei  Pavia  Petrarca,  bei  Modena  Valla),  sind  nur  wenige  Schriften 
hier  anzuführen,  ehe  ich  daran  gehe,  die  auf  einzelne  Bibl.  bezüglichen 
Schriften  nach  dem  Alphabet  der  Ortsnamen  zusammenzustellen, 
nämlich : 

124.  L.  Dorez,  Un  document  sur  la  bibl.  de  Theodore  Gaza. 
Revue  III  385—390. 

Der  die  Ausführung  des  Testamentes  von  Gaza,  der  2  Hss  dem 
Andronikos  Kallistos,  die  übrige  Bibl.  dem  Demetrios  Chalkondylas 
vermachte,  betreffende  Notariatsakt  ist  in  S.  Giovanni  a  Piro  (bei  Poli- 
castro),  wo  G.  starb,  aufgenommen. 

*125.  C.  dei  libri,  codici  e  mss.  appartenenti  al  filologo  cavaliere 
abbate  Giuseppe  Manuzzi.  Florenz  1878,  262  S.  (in  113  unter  den 
jetzt  verstreuten  Bibl.  angeführt;, 

endlich  der  2.  Teil  von  86  (An  ancient  Greek  monastery  c.  Joiirn. 
of  philol.  XIX  65—  68j,  da  bei  der  noch  nicht  gelungenen  Identifizierung 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     211 

TT)?  ixovTj?  Tov  (so)  a7tu>v  (XTroaToXtuv  ^v  navT)  (monasterium  S.  Petri  et 
Pauli  de  Spanopetro,  Isole  di  S.  Pietro  e  san  Paolo  im  Golf  von  Tarent?) 
auch  an  italienische  Örtlichkeiten  gedacht  wird. 


Alba      s.  Mazzatinti  (117)  S.  56. 
Ancoua  s.  ,  (118)  VI  1. 

Andria  s.  „  (118)  VI  115. 

Aquila   s.  „  (117)  S.  30. 

Arezzo  s.  „  (118)  VI  170. 

Über  eine  lat.  Hs  berichtet 

126.  C.  Kohler,   Note   sur  ua  manuscrit  de  la  bibl.  d'Arezzo. 
Bibl.  d.  Charles  XLV  141  if. 

Assisi  s.  Mazzatinti  (118)  IV  21. 

Asti  s.         „  (117)  S.  54. 

Baguacavallo  s.         ,  (118)  VI  13. 

Bari. 

127.  Bern  abei,  Le  pergamene  della  cattedrale  di  B.  Rendiconti 
della  r.  Accad.  dei  Lincei.     4.  Serie  II  (1886)  557—562 

"bezieht  sich,  abgesehen  von  einem  mit  Malereien  geschmückten  Exultet, 
nur  auf  Urkunden  (darunter  2  griech):  ich  erwähne  jedoch  die  Notiz, 
weil  sie  die  unrichtige  Nachricht  (vgl.  Eiani,  Revue  critique  1886  No.  21) 
von  der  Auffindung  von  Diplomen  mit  Silberschrift  auf  blauem  Perga- 
ment widerlegt.     Unzugänglich  war  mir 

*128.    J.  X.  Barbier  de  Montault,  Les  mss.  du  tr6sor  de  B. 
Tarbuse  1876. 

Barletta  s.  Mazzatinti  (118)  VI  117. 
Belluno    s.         ,  (118)  n  118. 

Für  Bergamo  ist  zu  vergleichen: 

129.  J.     L.    Heiberg,     Bibliotheksnotizen.      Philologus    LV 
(N.  F.  IV)  735. 

Bevacqua  s.  Mazzatinti  (118)  I  278. 
Bisceglie    s.  „  (118)  VI  125. 

Bitonto      s.  „  (118)  VI  22. 

Bobbio.     Wo   jetzt    die  meisten  Hss  der  berühmten  Klosterbibl. 
zu  finden  sind,  ergiebt  sich  aus  den  Titeln  von: 

130.  G.  Ottino,    I    codici  Bobbiensi    della  Bibl.    nazionale    di 
Torino.     T.,  Clausen  1890.     VIII  u.  72  S.     4  L. 

131.  0.    Seebaß,    Hss  von  B.    in    der    Vatikanischen    und 

Ambrosianischen  Bibl.     C.  B.  XIII  1-12.  57-79. 

14* 


212     Hericht  üb.  Palaocraphie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberarer.) 

Letzterer  ^iebt  76  ff.  auch  über  die  sonst  nachweisbaren  Hss  des 
K.  vom  J.  1461  Anfschhil.'):  über  vereinzelte  Bobbienser  Hss  in  Florenz, 
Madrid  (?),  Neapel,  Paris,  Wien  und  Wolfenbüttel  ist  noch  (namentlich 
S.  446)  zu  vergleichen  die  gfut  orientierende  Abhandlung  von 

132.     Th.  Gottlieb,  ITber  Hss  aus  B.    C.  B.  IV  442—463. 

138.  0.  V.  Gebhardt,  Ein  Bücherfuud  in  B.  C.  B.  V  343— 
362,  383—431,  5.38 

bespricht  namentlich  die  Liste  Merulas.  der  1493  den  Fund  machte. 

Bologna.  Die  griech.  Hss  sind  mit  der  erwünschten  Genauigkeit 
beschrieben  von  , 

134.  A.  Oli Vieri  (u.  N.  Festa),  Indice  de"  codici  greci  Bolognesi. 
Studi  III  385—496    [dazu  ein  Nachtrag  von  Puntoni,  Studi  IV  365 

—378]. 

Festa  hat  nur  anhangsweise  die  Beschreibung  zweier  Hss,  die  sich 
in  der  erzbischöflichen  und  1,  die  sich  in  der  Bibl.  desCoUegio  di  Spagna 
befindet,  beigegeben;  die  58  Hss  der  Universitäts-  und  die  22  der 
Municipal-Bibl.  hat  0.  bearbeitet.  Auf  die  Universitätsbibl.,  die  im 
Jahre  1866  die  Bibl.  S.  Salvatore  in  sich  aufgenommen  hat,  beziehen  sich 

135  u.  136.  L.  Frati,  La  bibl.  dei  canonici  regolari  di  S.  .Salva- 
tore in  Bologna.  Rivista  II  1 — 6.  —  I  codici  Trombelli  della  bibl. 
universitaria  di  B.    ebdt.  V  65 — 76. 

F.  giebt  eine  kurze  Geschichte  der  Bibl.,  die  530  lat.  Hss.. 
34  griech.,  12  hebräische,  157  italienische,  1  französische,  1  slavische 
und  eine  arabische  umfaßt;  nur  180  sind  älter  als  das  15.  Jahrhundert. 
Betreffs  des  Klosterabtes  Trombelli,  der  zur  Zeit  Bandinis  für  die  Er- 
werbung von  Hss  thätig  war,  erweitert  er  einen  Aufsatz,  den  ich  nicht 
eingesehen  habe: 

*137.  E.  Lamma,  I  codici  Trombelli  della  bibl.  universitaria 
di  B.    Propugnatore  N.  S.  VI  H.  .34/35. 

Bosa         s.  Mazzatinti  (118)  VI  13. 

Brescia.     Für  die  griech.  Hss  der  Bibl.  Quiriniana  s.  Martini  (119) 

8.  223 ff 
Cagli        s.  Mazzatinti  (118)  II  111. 
Camerino  s.  „  (117)  S.  23. 

Canosa      s.  ,  (118)  VI  123. 

Capua       s.  „  (117)  8.  .30. 

Casale       s.  ,,  (117)  8.  66. 

Castranova  di  Sicilia  s.  Mazzatinti  (118)  III  239. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  VVeinberger.i     213 

Für  Catania  sind  zu  vergleichen  die  Notizen  von 

138.  F.  Rühl,  Bemerkungen  über  einige  ßibl.  von  Sicilien. 
Philologus  XLVII  (I)  577  if.  (583j. 

Außerdem  nenne  ich  eine  Abhandlung,  die  ich  nur  dem  Titel 
nach  kenne: 

*139.  C.  Cali,  Di  «n  codice  de'  Priapea  nella  Benedettina 
di  Catania.     C,  Giannotta  1892,  43  8.  8.     1  L. 

Daß  die  Bibl.  des  aufgehobenen  ßenediktinerklosters  S.  Nicola  di 
Arena  in  den  Besitz  der  Stadt  überging,  ergiebt  sich  aus  der  Notiz  von 

140.  0.  Hartwig,  Hsliches.  N.  Archiv  VIII  (188.3)  .381  t. 
La  Cava. 

141.  Cod.  diplomaticus  Cavensis  nunc  primum  in  lucem  editus 
cnrantibus  M.  Morcaldi,  M.  Schiani,  8.  de  8tephauo.  Accedit  appendix, 
qua  praecipua  bibl.  ms.  niembranacea  describuntur  per  B.  Caetano  de 
Aragonia,  I.  Band  Neapel,  Piazzi  1873,  die  folgenden  (mir  haben  im 
ganzen  8  vorgelegen)  Mailand,  Höpli  1875—1893.     k  30  M. 

In  der  besonders  paginierten  Appendix  werden  die  lat.  Hss  des 
Klosters  (etwa  60),  von  denen  einige  bis  ins  7.  Jh.  zurückreichen,  aus- 
führlich beschrieben,  beziehungsweise  (codex  legum  Langobardarum)  her- 
ausgegeben. 

Cesena. 

142.  A.  Martin,  Les  mss.  grecs  de  la  bibl.  Malatestiaua  ä  C. 
Melanges  II  224—233. 

143.  ß.  Zazzeri,  Sui  codici  e  libri  a  stampa  della  bibl.  Malatestiaua 
di  C.     C.  Vignazzi  1887.     XXXIl  u.  58G  8.     16.     7  L. 

M.  giebt  einige  Nachträge  zuMucciolis  Katalog,  der  1780  erschienen 
ist,  während  Z.  an  eine  Geschichte  der  Bibl.  Notizen  reiht,  die  einem 
vollständigen  K.  nahezu  gleichkommen. 

Cittä  di  Castello     s.  Mazzatinti  (118)  VI  8. 

Cividale  del  Friuli  s.  „  (118)  III  161. 

Como  s.  „  (118)11  103  u.AIartini(119)8.289. 

Cortona. 

144.  G.  Mancini,  I  mss.  della  libreria  del  Comune  e  dell' 
Accademia  Etrusca  di  C.     C.  Bimbi  1884.     284  8.     4  L. 

Für  den  Mangel  an  Übersichtlichkeit  ist  es  wohl  charakteristisch, 
daß  zwar  das  Vorhandensein  einer  griech.  Hs  in  der  Vorrede  erwähnt, 
diese  aber  weder  dort  bezeichnet,  noch  im  K.  hervorgehoben  wird. 

Cremona  s.  Martini  (119)  297  ff.- 

Crescentino  s.  Mazzatinti  (117)  8.  46. 


214     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

Cuneo  s.  Mazzatinti  (117)  S-  77. 

S.  Elia  di  Carbone  nella  Capitauata.  Ein  mittelalterliches  Inventar 
veröffentlicht 

145.  P.  Battifol,  Vier  Bibl.  von  alten  basilianischen  Klöstern 
in  Unteritalien.     Römische  Quartalschrift  III  32. 

Empoli  s.  Mazzatinti  (117)  S.  29. 

Fabriano  s.  „           (118)  I  231. 

Faenza  s.  „           (118)  VI  242. 
Ferrara. 

Von  146.  G.  Antonelli,  C.  dei  mss.  della  Civica  Bibl.  di  F. 
F.,  Taddei,  1884,  312  S.    4.     5  L. 

hat  mir  nur  der  1.  Teil  vorgelegen,  der  nur  italienische  Hss  enthält. 
Die  griech.  sind  beschrieben  von  Martini  (119)  327  ff.  und  nach  Mit- 
teilungen des  Bibliothekars  Gennari  von 

147.  H.  Omont,  Les  mss.  grecs  de  Guarino  de  Verone  et  la 
bibl.  de  F.     Revue  II  (1892)  78-81. 

Hss  von  Guarino  giebt  es  in  Erlangen,  Paris.  Rom,  Wien  und 
"Wolfenbüttel,  doch  findet  sich  weder  in  diesen  Bibliotheken,  noch  in 
Ferrara  irgend  eine  von  den  54  griech.  Hss,  die  Guarino  nach  dem 
von  0.  aus  einer  Pariser  Hs  veröffentlichten  Verzeichnis  in  F.  hinter- 
la8sen  haben  soll.  Über  G.  ist  noch  zu  vergleichen  das  nach  dem 
Alphabet  der  Autoren  geordnete  Verzeichnis  von 

148.  R.  Sabbadini,  Codici  latini  posseduti  scoperti  illustrati 
da  Guarino  Veronese.  Museo  italiano  di  antichitä  classiche  II  (1887) 
373—455  (vgl.  ebdt.  8.  81—94). 

Wie  bei  Ferrara  Guarino,  ist  bei  Florenz  Janos  Laskaris  zu 
erwähnen.     In  den  Mittelpunkt  stelle  ich 

149.  K.  K.  Müller,  Neue  Mitteilungen  über  Janos  Laskaris 
und  die  mediceische  Bibl.     C.  B.  I  333—412. 

Hsliche  Listen  werden  als  ßeisenotizen,  Desideratenliste  und  In- 
ventare  des  Laskaris,  bezw.  der  Laurentiana  gedeutet  und  so  des  Las- 
karis eifrige  und  weitreichende  Thätigkeit  im  Dienste  der  Mediceer  be- 
leuchtet. Die  Abhandlung  ist  für  Geschichte  des  Humanismus,  der 
Anfertigung  und  des  Vertriebes  von  Hss  wichtig  durch  sorgfältige  Be- 
nutzung und  reiche  Angabe  der  Litteratur,  aus  der  ich  hervorhebe 

150 — 154.  E.  Piccolomini,  Delle  condizioni  e  delle  vicende 
della  libreria  Medicea  privata  dal  1494  al  1508.  —  Inventario  della 
libr.  Med.  compilato  nel  1495.  Archivio  storico  Ital.  III.  Serie  XIX 
100—129,  254—281.   XX  51—94.   XXI  102-112,  282—296  (auch 


Bericht  üb.  Paläographie  u,  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     215 

separat).  —  Due  documenti  relativi  ad  acqnisti  di  codici  ^ved  fatti 
da  Giovanni  Lascaris  per  conto  di  Lorenzo  di  Medici.  Riv.  di  filol. 
II  401—423  u.  III  150  ff. 

Genauer  als  das  von  P.  veröffentlichte  Inventar  von  1456  ist  das 
von  1464  bei 

155.  E.  Müntz,  Les  collections  de  Mödicis  au  XV^  siecle.    Bibl. 
internationale  de  l'art.     Paris  1888.     (S.  44—49.; 

Nur  aut  das  Gebäude  bezieht  sich 

156.  B.  Podesta,  Documenti  inediti  per  la  storia  della  libreria 
Laurenziana.     ßivista  I  18 — 20,  56  ff.  u.  s.  w. 

Ergänzungen  zu  Müller  bietet 

157.  P.  de  Nolhac,  Inventaire  des  mss.  grecs  de  Jean  Lascaris. 
Melanges  VI  251—269, 

der  die  jetzigen  Pariser  Nummern  dieser  Hss  Omont  vorbehält.  Nach 
Paris  (vgl.  95,  I  207)  sind  die  Codd.  durch  Katharina  von  Medici 
gekommen,  die  sie  wieder  von  Ridolfi  erhalten  hat.  Über  diesen  sind 
zu  vergleichen: 

158.  L.  Dorez,    TIn    document   nouveau    sur  la  bibl.  de  Jeaa 
Lascaris.     Revue  II  (1892)  280  f. 

und 

159.  H.  Omont,  Un  premier  c.  des  ms.  grecs  du  cardinal  Ridolfi. 
Bibl.  d.  chartes  XLIX  (1888)  309-324. 

D.  weist  nach,  daß  Ridolfi  nach  Laskaris  Tod  dessen  Hss  als 
Gläubiger  mit  Beschlag  belegte,  0.  veröffentlicht  aus  dem  Vallicellianus 
C  46  ein  Verzeichnis  der  Ridolfiani.  —  Endlich  mögen  in  diesem  Zu- 
sammenhange noch  kurze  Erwähnung  finden: 

160.  R.    "Welzhofer,    Die    von  Cosimo    de  Medici    angekaufte 
Plinius-Hs.     Jahrbücher  f.  Philol.  CXXIII  805-807. 

161.  L.  Dorez,  Recherches  sur  la  bibl.  de  Pier  Leoni,  m^decia 
de  Laurent  de  Medicis.     Revue  VII  81—106  (vgl.  IV  73—83). 

Über  den  gegenwärtigen  Verbleib  der  4  griech.  und  der  18  lat. 
Hss  Leonis  ist  nichts  bekannt. 

Auf  dif  Laurentiaua  beziehen  sich 

162.  E.  Rostagno  e  N.  Festa,    Indice    dei  codici  greci  Lau- 
renziani  non  compresi  nel  catalogo    del  Bandini.     Studi  I  129 — 232. 

163.  Rostagno,    Codici   greci  Laurenziani   meno    noti.    Studi 
n  154. 


216     Bericht  üb.  Paläoiiraphie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

Während  163  auf  einige  von  Bandini,  dessen  Katalog  1764  er- 
schien, nur  im  Nachtrag-  erwähnte  Codices  hinweist.  ?iebt  162  einen 
sorgfältigen  K.  der  ans  den  aufgehobenen  Klöstern  (namentlich  S.  Marco; 
über  Hss,  die  Schellersheira  aus  der  Bibliothek  der  Abbazia  di  Firenze 
entwendet  hat.  vgl.  G  Vitelli,  Seh.  e  i  codici  greci  di  Badia.  Studi  I 
441  f.)  und  anderweitig  in  die  Laurentiana  gebrachten  griechischen 
Hss.  Hier  werden  auch  die  griech.  Ashburnhamiani  genau  be- 
schrieben. Ein  K,  der  lat.  Ashb.  erscheint  heftweise  (mir  haben 
4  Hefte  vorgelegen)  im  8.  Bande  der  Indici  e  cataloghi  von. 

164.  C.  Paoli,  I  codici  ashb.  della  r.  bibl.  Mediceo-Lauren- 
ziaua  di  Firenze.     Rom  1887  ff. 

Über  diese  Sammlung  und  Libris  Anteil  an  ihrer  Entstehung 
sind  anläßlich  der  Erwerbung  der  Sammlung  durch  die  italienische 
Regierung  so  viele  Notizen  und  A-bhandlungen  veröffentlicht  worden, 
daß  ich  auf  die  Bibliographie  bei 

1G5.  E.  Pierret,  Essai  d'une  bibliographie  historique  de  la 
Bibl.  Nationale.     Paris,  Bouillon,  1892.     162  S. 

9.  Abschn.  S.  125—144.  No.  529—617  verweisen  muß  und  nur  die 
Hauptpunkte,  meist  im  Anschluß  au 

166.  L.  Delisle,  Notice  sur  les  rass.  du  fonds  Libri  conserv6s 
a  la  Laurentienue  ä  Floreuce  (aus  Notices  et  extraits  des  mss.  de 
la  bibl.  uat.  XXXII  1)  124  S.  4  (übersetzt  von  Gr.  Ottino  im  Bol- 
lettino  deir  istruzione,  Rom  1886) 

hervorheben  kann. 

In  Ashburnham-Place  waren  mehrere  Hss-Sammluugeu  vereinigt, 
auf  die  wir  noch  bei  Lyon,  Orleans,  Paris,  Tours,  Dublin  und 
London  zurückkommen.  An  ihrer  Zusammentragung  hat  Gruglielmo 
Libri  hervorragenden,  aber  unrühmlichen  Anteil  genommen;  er  hat 
unzweifelhaft  Hss  gestohlen.     Andererseits  betont 

167.  A.  V.  Reumont,  G.  L.  und  die  Ashb.  Hss.  Histor.  Jahr- 
buch d.  Görresges.     IV  333—337 

in  einer  kurzen  Biographie  Libris,  daß  man  in  den  Anschuldigungen 
gegen  ihn  vielfach  zu  weit  gehe.  Jedenfalls  hat  England  mit  Recht 
eine  Anzahl  von  Hss  für  Frankreich  reserviert.  Ich  verweise  auf  166, 
S.  103—114  und  bemerke,  daß  die  historische  Einleitung  (Les  mss.  des 
fonds  Libri  et  Barrois  ä  la  Bibl.  Nationale)  zu  dem  K.  der  jetzt  in 
Pai"iB  befindlichen  Hss: 

168.  L.  Delisle,  C.  des  mss.  des  fonds  L.  e.  B.  Paris,  Champion 
1888.     116  und  332  S. 

auch  besonders  erschienen  ist. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     217 

Der  größte  Teil  der  Libri-Hss  wurde  von  der  italienischen  Re- 
gierung käuflich  erworben;  hierfür  kommen  in  betracht: 

169.  C.  of  the  mss.  at  Ashburnham  Place.  London,  Hodgson 
sine  anno  (Libris  Katalog). 

170.  Eighth  report  of  the  Royal  Commission  on  historical  mss. 
Appendix.  Part  III  (London  1881)  S.  41—72;  übersetzt  in  den  Atti 
parlamentari.     Camera  dei  deputati  ...  12  ...  17  giugno  1884. 

171.  BerichtiguDgen  zu  dieser  italienischen  Übersetzung  von 
Villari  in  der  Rassegua  vom  10.  September  1885. 

172.  E.  Narducci,  Indici  alfabetici  dei  codici  mss.  della  coUe- 
zione  Libri-Ashburnhani  ora  nella  ßibl.  Mediceo-Laurenziana  di  Fi- 
renze  per  uso  dei  catalogo  pubblicatosene  in  Italia  premessavi  la  nota 
dei  codici  sopranuraerari  o  dei  posteriormente  ritrovati.  Estratto 
dal  'Buonarotti':     Rom  1886.     VII  und  34  S. 

N.  hat,  also  für  die  Indizierung  der  italienischen  Fassung  von 
No.  170  die  Hss  berücksichtigt,  welche  zwar  im  englischen  Katalog 
nicht  stehen,  aber  doch  als  Libri-Hss  nach  Florenz  kamen.  Über  diese 
ist  166  S.  4,  A.  2  zu  vergleichen.  Es  ist  ferner  noch  zu  bemerken, 
daß  Delisle  in  dieser  Hauptabhandlung  für  eine  große  Zahl  von  Floren- 
tiner Hss  Beschreibungen  und  auch  Facsimilia  giebt.  Über  den  2.  auf  die 
Saibautini  bezüglichen  Anhang  des  Werkes  werden  wir  besser  bei  Verona 
sprechen.     Dagegen  sind  hier  noch  zu  erwähnen: 

173.  Th.  Stangl,  Die  Bibl.  Ashburnham.  Philologus  XLV  201  ff. 

Auf  Notizen  über  Geschichte  und  Verkauf  der  Bibl.  folgt  ein 
alphabetisch  geordnetes  Verzeichnis  fast  aller  philologischer  und  der 
wichtigsten  theologischen  Hss,  sowie  die  Behandlung  einzelner  Hss 
(Cäsar,  Sallust.  Valerius  Maximus). 

174.  N.  Anziani,  Cenno  storico  sui  codici  Ashburnhamiaai 
mancati  al  riscontro  di  consegno.     Florenz  1894. 

Die  griechischen  Hss  der  übrigen  Florentiner  Bibliotheken  behandelt 

175.  G.  Vitelli,  Indice  de'  codici  greci  Riccardiani,  Maglia- 
bechiani  e  Marncelliani.     Studi  II  471 — 570, 

dazu  ein  nicht  gerade  bedeutender  Nachtrag  von 

176.  A.  Oli Vieri.  Indicis  codicum  Magliabechianorum  supple- 
mentum.    Studi  V  401—424. 

Foggia  s.  Mazzatinti  (118)  IV  142. 
Foligno. 


218     Bericht  üb.  Paläograpbie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

*177.  G.  ßotti,  Le  Schede  membranacee  della  bibl.  comunale 
di  F.    F.,  Campitelli,  1888.     16  S. 

Fönte  Colvombo  s.  Mazzatinti  (118)  II  166. 
Forli  s.  „         (118)  I  5  u.  281. 

S.  Galr^ano. 

178.  C.  Mazzi,  Di  antichi  mss.  dell'  abbazia  di  S.  G.  Rivista 
Vir  1-4,  27-31 

nimmt  Bezug  auf  Gottlieb  (92)  S.  419  No.  1215,  C.  Enlart,  L'abbaye 
de  S.  G.  Mölang-es  XI  201—240  und  A.  Canestrelli,  L'antica  abbazia 
di  S.  G.     Florenz  1896. 

Genua.  Die  griech.  Hss  der  verschiedenen  Bibl.  sind  beschrieben 
bei  122,  192  ff.  und  bei  119,  321;  vgl. 

179  u.  180.  G.  Bertolotto,  II  codice  greco  sauliano  di  s. 
Atanasio  scoperfo  ed  illustrato.  Genua  1892,  63  S.  —  *Spicilegio 
genovese.  Appunti  e  uote  da  mss.  liguri  di  autori  classici  (Catullus, 
Ammouius).     Giornale  ligustico  19  (1893)  373—385. 

179    giebt  S.  51  f.    eine  Übersicht    über    die   griech.  Sauliani  ia 
der  Bibl.  der  Stadtmission. 
Grottaferrata. 

181.  A.  ßocchi,  Codices  Cryptenses  seu  Abbatiae  Cryptae 
Ferratae  in  Tusculo  digesti  et  illustrati.    Rom  1884.    539  S.    4.    36  M. 

R.  giebt  eine  ausführliche,  aber  wenig  übersichtliche  Beschreibung 
der  meist  griech.  Hss  dieses  Basilianerklosters,  das  viele  Hss  von  unter- 
italischen  Bibl.  erhalten,  viele  an  den  Vatikan  abgegeben  hat. 

Gubbio  s.  Mazzatinti  (118)  I  121  und  II  244. 

Imola     s.  „  (117)  S.   1  und 

*182.  R.  Galli,  I  mss.  e  gli  incunaboli  della  Bibl.  comunale 
d"  I.  I.,   1894.     CXXII  und  94  S. 

Ivrea  s.  Mazzatinti  (118)  IV  1. 

Livorno.     Die  2  griech.  Hss    der  Stadt    werden  beschrieben  von 

183.  A.  Mancini,  Due  codici  greci  a  Livorno.  Studi  IV  541  f. 
Lodi         s.  Mazzatinti  (118)  II  113. 

Longiano  s.  „         (118)  VI  151. 

Lucca  (vgl.  auch  Parma). 

184.  N.  Festa,  Indice  de'  codici  greci  di  Lucca  e  di  Pistoria. 
Studi  V  221  —  230. 

Macerata  s    Mazzatinti  (117)  S.   100. 

Mailand.  Die  K.  der  Ambrosiana  sind  noch  nicht  in  Druck 
gelegt;  um  so  erfreulicher  ist  E.  Martinis  briefliche  Mitteilung,  daß  er  , 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     219 

die  Beschreibung  der  griech.  Hss  fast  ausgearbeitet  hat  und  das  Er- 
scheinen derselben  in  seinem  Werke  (119)  für  die  nächsten  Jahre  in 
Aussicht  stellen  kann;  der  K.  der  lat.  und  italienisclien  (über  12  000 
Hss)  ist  nach  131,  S.  62  A.   1  von  A.  Ceruti  hslicli  vollendet. 

Die  Brera  hat  verhältnismäßig  wenig  klass.  Hss;  so  werden  auch 
wenige  in  dem  ihren  Miniäturhss  gewidmeten  XIII.  Bande  der  Indici 
e  cataloghi  von 

185.  F.  Carta,  Codici  corali  e  libri  a  stampa  miniati  della 
Bibl.  Nazionale  di  Milaiio.     Rom  1891.     3  L. 

behandelt.  Die  iiriech.  Hss  der  Brera  eröffnen  Martinis  Werk  (119, 
S.  1—40);  es  folgen  die  des  Archivio  del  capitolo  Metropolitano.  Für 
dessen  Geschichte  kommt  in  betracht: 

186.  C.  Cauetta,  I  mss.  della  bibl.  di  San  Carlo  Borromeo. 
Archivio  storico  Lorabardo  IX  (1882)  535—556. 

Es  ist  ein  Verzeichnis  der  528  Hss,  über  die  der  Erzbischof 
S.  Carlo  Borromeo  in  seinem  vom  9.  September  1576  datierten  Testament 
verfügt.     Das  Metropolitankapitel  besitzt  nur  sehr  wenige  derselben. 

Endlich  hat  Martini  auüer  einer  Privatbibliothek  (Don  Mercati) 
auch  (S.  373  ff.)  die  griechischen  Hss  der  Trivulziana  behandelt. 
Für  diese  liegt  vor  ein  Katalog  von 

187.  G.  Porro,  C.  dei  codici  mss.  della  Trivulziana.  (Bibl.  storica 
Italiana  pubblic.  per  cura  della  R.  Deputazione  di  Storia  Patria  2.  Bd.) 
Turin,  Bocca,  1885.     XVI  und  532  S.     16  M. 

und  eine  auf  ihre  Geschichte  bezügliche  Abhandlung: 

*188.  E.  Motta,  Libri  di  casa  Trivulzio  nel  secolo  XV  con 
notizie  di  altre  librerie  milanesi.  Como,  Franchi  Vismara,  1890. 
58  S.  2  M.  50.  (Nach  C.  B.  VIII  70  erstes  Heft  einer  CoUezione 
Storico-Bibliogratica.) 

Mantua  s.  Martini  (119)  365  ff. 
Messina. 

*189.  P.  Matranga,  II  monastero  del  s.  Salvatore  dei  Greci 
dell'  Acroterio  di  Messina  e  s.  Lucca,  primo  archimandrita  del  Car- 
tofilacio,  0  sia  della  raccolta  dei  codici  greci  di  quel  monastero. 
Messina,  De  Domenico,  1887.     38  S. 

ist  mir  nicht  zugänglich.  Daß  es  sich  um  eine  Geschichte  der  Kloster- 
bibl.  von  S.  Salvatore  handelt,  deren  Hss  sich  jetzt  in  der  Universitätsbibl. 
von  Messina  befinden,  scheint  sich  zu  ergeben  aus  den  einleitenden 
Worten  von 


220     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Uandschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

190.  G.  Fraccai'oli,  Dei  codici  grcci  del  inonastero  del  ss. 
Salvatore  che  si  conservano  nella  bibl.  Universitaria  di  Messina.  Studi 
V  487—513. 

F.  giebt  aut  gruud  von  Matrangas  Material  außer  einer  Be- 
schreibung der  23  datierten  Hss  eine  kurze  Bezeichnung  der  wenigen 
Stücke  profanen  Inhaltes  und  einen  nach  Autoren  geordneten  Index  zu 
den  theologischen  Codices.  Somit  sind  die  Notizen  von  Rühl  (138) 
S.  577 — 583,  C.  Diehl,  Notices  sur  deux  mss.  k  miniatures  de  la  bibl. 
de  rUniversite  de  M.  Mölanges  VIII  309  tf.  und  H.  Rabe,  Rhein.  Mus. 
XLVII  404-413.     L  148—52,    241—249    noch    nicht  gegenstandslos. 

Ferner  hat 

191.  Fraccaroli,  C.  dei  mss.  greci  della  bibl.  Universitaria 
di  M.  Studi  V  329-336 

den  Fondo  autico  und  zwar  allzu  ausführlich  beschrieben. 
Modena. 

192.  V.  Puntoni,  ludice  dei  codici  greci  della  bibl.  Estense 
di  M.     Studi  IV  379—538. 

Die  Estensis  enthält  viele  Hss  Vallas,  so  daß  ich  hier  anführe: 

193.  ,T.  L.  Heiberg,  Beiträge  zur  Geschichte  Georg  Vallas 
und  seiner  Bibl.  C.  B.  16.  Beiheft  (1896,  vgl.  Piniol.  XLII  421 
bis  437  über  eine  Archimedes  Hs). 

Nur  wenige  klass.  Hss  finden  sich  bei 

194.  L.  Lodi,  C.  dei  codici  e  degli  autof,'rati  posseduti  del 
marchese  Giuseppe  Canipori.  Modena,  Toschi,  1875  ff.  V  und  699  S. 
Dazu  2  appendici  von  Vandini.     Ebdt.  1886  und  1895.     973  S. 

Molfetta  s.  Mazzatinti  (118)  VI  14. 
Monte  Cassino. 

195.  Bibl.  Casinensis  seu  codicum  mss.,  qui  in  tabulario  Casi- 
nensi  asservantur,  series  per  paginas  siugillatim  enucleata,  notis 
characteruni  speciminibus  ad  uugueni  exemplaris  aucta  cura  et  studio 
monachorum  ordinis  S.  Benedicti  Abbatiae  Montis  Casini.  Ex  typo- 
graphia  Casinensi.    I-IV  1873— 1880.    Folio.     100,  90,  80  u.  80  M. 

Da»  Prachtwerk,  von  dem  mir  4  Bände  vorgelegen  haben,  bietet 
unter  Ambrogio  Amellis  verdienstlicher  Leitung  sorgfältis?  angefertigte 
ausführliche  Beschreibungen  einer  nicht  gerade  großen  Zahl  meist  lat. 
Hss.  Eben  die  Ausführlichkeit  —  manche  Stücke  sind  ganz  kollationiert 
—  verzögert  einerseits  die  Beendiguns,'  des  wichtigen  Werkes  und  er- 
höht andererseits  den  Preis  der  einzelnen  Bände. 

Narni  s.  Mazzatinti  (117)  S.  44. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  llandschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     221 

Neapel.  Tiber  die  neuen  Erwerhnncen  der  Bibl.  nazionale,  die 
1826—1832  als  bibl.  regia  Borbonica  einen  i^'cdrnckten  Kataloj?  von 
Cyrillus  erhielt,  fehlt  jede  Orieiitieiung';  einiiip  wenige  Hss  nennt  138 
S.  587,     Die  Bibl.  S.  Martino  enthalt  nur  italienisclie  Hss;  vgl. 

190.  C.  Padiglione,  La  bibl.  del  niuseo  Nazionale  nella  Cer- 
tosa  di  S.  Martino  in  Nai)oli  ed  i  snoi  mss.  esposti  e  catalogati. 
Neapel,  Giannini  1876,  806  8.     16.     20  L. 

Auf  einige  kleinere  Bibl.  hat  aufmerksam  gemacht 

197.  G.  Jorio,  Codici  ignoi-ati  nellc  bibl.  di  Napoli.  Leipzig  1892, 
60  S.     3  M.  50. 

der  zunächst  eine  Xenophon-Hs  behandelte.  Die  griech.  Hss  der  Bibl. 
dei  Gerolamini.  der  dieser  Codex  angehört,  beschreibt  Martini  (119) 
387.  Ebdt.  424  linden  wir  die  griech.  Hss  der  Bibl.  della  societä 
storica.     Klass.  Hss  finden  sich  auch  bei 

198.  E.  Mandarini,  I  codici  della  bibl.  Oratoriana  di  Napoli. 
Neapel  und  Rom  1897.     XIX  und  401  S.     Fol.     35  L. 

Die  Notizen  bei  95,  I  '217  ff.  über  die  von  Alphons  I  (1435—1458) 
und  den  nachfolgenden  aragonischen  Königen  in  Neapel  gesammelten 
Hss,  die  größtenteils  in  die  Pariser  Bibl.  gelangt  sind,  erweitert 

199.  G.  Mazzatinti.  La  bibl.  dei  re  d'Ara^ona  in  Napoli. 
Rocca  S.  Casciano,  Cappelli,   1897,  CLVII  und  200  S.     9  M. 

Besonders  wichtig  ist  CLV  ff.  die  Zusammenstellung  der  Bibl., 
in  denen  sich  einzelne  dieser  Hss  finden. 

Auf  200  B(iagi)  C(antero),  Codici  della  bibl.  del  cenobio  di 
S.  Giovanni  a  Carbonara  di  Napoli  dei  pp.  eremitani  di  s.  Agostino 
spediti  a  Vienna  uel  1718.  Estratto  dall'  Eco  di  S.  Agostino.  Neapel, 
Trinchese,  1890.  40  S.   16. 

kommen  wir  bei  der  Wiener  Hofbibl.  zurück,  der  unter  Karl  VL  die 
von  Parrhasius  stammenden  Hss  des  Augustinerklosters  einver- 
leibt wurden. 

Nicosia  s.  Mazzatinti  (118)  II  112. 

Nonantola.  Zwei  Inventare  (vgl.  92  S.  212  ff.)  dieser  Bibl.,  die 
im  10.  Jh.  zu  den  reichsten  gehörte,  veröffentlicht 

201.    J.  Giorgi,  Lantica  bibl.  di  N.  Rivista  VI  54—60. 

Da  durch  Jlarione  Roncati  viele  Hss  von  N.  nach  S.  Croce  in 
Rom  gelangten  und  etwa  40  der  jetzt  in  der  Bibl.  Vittorio  Emanuele 
befindlichen  Sessoriani  sich  auf  N.  zurückführen  lassen,  werden  wir 
auf  Giorgis  Arbeiten  noch  zurückkommen. 

Noto  s.  Mazzatinti  (118)  VI  13. 


222     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

Novalese. 

202 — 205.  C.  Cipolla,  L'antica  bibl.  Novaliciense  e  11  fram- 
mento  di  un  codice  delle  omelie  dl  S.  Cesario.  —  Appunti  dal  codice 
N.  del  niartyrologium  Adonis.  —  Notizia  di  alcuni  codici  dell'  antica 
bibl.  N.  —  Antichi  inventari  del  nionastero  della  N.  Memorie  della 
Accad.  di  Torino.  II.  Serie  44.  Bd.  (1894)  71-88,  115—150, 
193-  242.  243-318. 

205  bezieht  sich,  wenn  mir  nichts  entgangen  ist,  nur  auf  Ur- 
kunden, die  erwähnten  Hss  befinden  sich  jetzt  in  Berlin,  Chelten- 
ham  und  Turin. 

Novara  s.  Mazzatinti  (118)  VI  51. 

Orvieto  vgl.  C.  B.  XIII  521  f.  über  ein  von  Fumi  in  den  Studi 
e  docunienti  di  storia  e  diritto  1894,  55— 90  u.  239—262,  1895,  35  — 
56  veröffentlichtes  Verzeichnis  des  Nachlasses  von  Bischof  Johannes 
(bei  92  No.  609). 

Osimo  s.  Mazzatinti  (118)  VI  9. 

Padua. 

206.  A.  M.  Josa,  I  codici  ms.  della  bibl.  Antoniana.  Padua 
1886.     4  M. 

Der  wissenschaftlichen  Forderungen  nicht  immer  entsprechende 
Katalog  ist  nach  dem  Alphabet  der  Autoren  geordnet. 

Palermo.  Die  Bibl.  Comunale  enthält  keine  griech.  Hss  (120,  S. 
Vni)  und,  soweit  mir  die  K.  von  Rossi  (1.  —  einziger  —  Band. 
P.  1876),  Boglino  (1884  ff.)  und  Mazzo  (1894)  zugänglich  gewesen  sind, 
auch  keine  lat.  Klassiker.  Für  die  griech.  Hss  der  Bibl.  Nazionale, 
welche  die  Bestände  des  Klosters  S.  Martino  (vgl. 

207.  L.  Castelli,  I  mss.  esistenti  nella  bibl.  di  S.  Martino 
delle  Scale  prima  del  1866.  Nuove  Effemeridi  Siciliane  1876. 
IV  66—73  u.  183—204) 

nnd  des  Collegio  Massimo  aufgenommen  hat,  und  des  Museo  vgl.  138, 
S.  585  u.  119,  S.  49  u.  141.  Ein  Inventar  der  Klosterbibl.  S.  Sal- 
vatore  veröffentlicht  145  S.  36. 

208.  Salomone-Marino,  Salvador,  ün  documento  inedito  deUa 
coltura  classica  in  Sicilia  ne'  primi  anni  del  sec.  XV.  Nuove  Effe- 
meridi Siciliane  IX  196—200 

bebe  ich  hervor,  weil  die  Auswahl  der  profanen  Autoren,  die  bei  dieser 
Hssschenkung  aus  dem  J.  1421  vorkommen,  typisch  ist:  Cicero  de 
officiis,  Lucan,  Ovid,  Priscian,  Sallust,  Seneca  tragoedus, 
Statins,  Terenz,  Virgil.  Die  Schenkungsurkunde  wird  im  Staats- 
archiv zu  Palermo  aufbewahrt. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     223 

Parma.  Über  die  504  Hss,  die  aus  der  Bibl.  Palatina  in  Lucca 
1847  hierher  gelangten,  berichtet  kurz 

209.  G.  Maruffi,  La  bibl.  Palatina  di  Lucca.    Ilivista  IV  3— 7. 

Die  griech.  Hss  von  Parma  werden  bei  Martini  (119)  S.  149  be- 
schrieben, ebdt.  209  die  von  Pavia,  für  welche  überdies  in  betracht 
kommt: 

210.  I.  de  Mar  Chi  e  G.  Bertolani,  Inventario  dei  mss.  della 
bibl.  Universitaria  di  P.     Mailand  1894. 

Pavia  war  einst  der  Sitz  der  reichen  Bibl.  Visconti-Sforza, 
auf  welche  sich  beziehen: 

211.  G.  D.  A.  (G.  d'Adda),  Indagini  storiche  artistiche  e  biblio- 
grafiche  suUa  libreria  Visconteo-Sforzesca  del  castello  di  Pavia  illu- 
strata  da  documenti.     Mailand,    Rebeschiui,  1875.     Appendice  1879. 

212  und  213.  G.  Mazzatinti,  Inventario  dei  codici  della  bibl. 
Visconteo-Sforzesca  redatto  da  ser  Faciano  da  Fabriano  nel  1459  e 
1469.  Giornale  storico  della  letteratura  italiana  I  33 — 59.  ~  Alcuni 
codici  lat.  Visconteo-Sforzeschi  della  bibl.  nazionale  di  Parigi.  Archivio 
storico  Lombardo  XIII  16 — 58. 

*214.  0.  E.  Schmidt,  Die  Visconti  und  ihre  Bibl.  zu  Pavia. 
Zeitschr.  für  Geschiebte  und  Politik  VI.  (ich  kenne  nur  die  kurze 
Inhaltsangabe  im  Giorn.  stör.  d.  lett.  ital.  XIV  292). 

*215.  E.  Motta,  Altri  documenti  per  la  libreria  Sforzesca  di 
Pavia.    II  Bibliofilo  VH  124—134,    178—182. 

216.  C.  Salvioni,  Notizia  intorno  ad  un  codice  Visconteo- 
Sforzesco  della  bibl.  di  S.  M.  il  ße  [in  Turin].  Bellinzona,  Salvioni, 
1890.     29  S. 

Aus  der  Besprechung  verschiedener  Inventare  des  15.  Jh.  er- 
giebt  sich  nicht  immer  der  jetzige  Aufenthaltsort  der  Hss  dieser  nun 
verstreuten  Bibliothek.  Auch  werden  für  die  Pariser  Bibl.  (vgl.  95 
I  125 — 140),  welche  den  Löwenanteil  erhalten  hat,  die  gegenwärtigen 
Nummern  nicht  angegeben.     Mit  der  Sammlung  Sforza  gelangten  nach 

Paris  auch  viele  Hss  der  Bibl.  Petrarcas,  mit  deren  Rekonstruktion  sich 

• 

217  u.  218.  P.  de  Nolhac,  Petrarque  et  l'Humanisme.  Bibl. 
de  Tecole  des  hautes  6tudes.  f.  91  (X,  493  S.)  —  De  patrum  et  medii 
aevi  scriptorum  codicibus  in  bibl.  Petrarcae  olim  coUectis.  Revue 
n  241—279. 

beschäftigt.  Einzelne  Hss  Petrarcas  bespricht  N.  Gazette  archeologique 
XIV  25—32  (Mss.  ä  miniatures  de  la  bibl.  de  P.),  Giorn.  stör.  d.  lett. 
ital.  XVII  140   und  M61anges  VII  30—38  (Notes    sur  la  bibl.  de  P.). 


224     Bericht  üb.  Paläograpliie  u.  Handschriftenkundo.  (Beer  u.  Weinbersrer.) 

Solche  finden  sich  außer  in  Paris  noch  in  Florenz,  Mailand,  Padna, 
Rom  (Vatikan),  Troyes,   Venedisf. 

Perugia.  Die  Doniinikaner-Bibl.  ist  bei  Mazzatinti  (118)  II  171, 
die  Gemeinde-Bibl.  V  56  behandelt.    Für  die  griech.  Hss  der  letzteren  sind 

219.  T.  W.    Allen,    The   Greek    mss.    of  P.    Bibl.    comunale. 
C.  B.  X  470—476. 

220.  W.  Weiuberg-er.  Zu  den  jiriech.  Hss  von  P.  C.  B. 
XI  405  f. 

zwar  citiert,  aber  nicht  gehin-ig  verwertet. 
Für  Piacenza  vgl.   129  S.  7M, 
für  Piazza  Armerina  s.  Mazzatinti  (117)  S.  62, 
für  S.  Pietro  Spina  in  Calabria  vgl.  145  S.  35. 
für  Pinerolo  s.  Mazzatinti  (118)  1  2.37, 
für  Pistoja  ebdt.  I  239  u.   184. 

Pomposa. 

221.  Ct.  Mercati,  II  c.  della  bibl.  di  P.  Studi  e  documenti  di 
storia  e  diritto  XVII  143—177. 

Es  handelt  sich  um  einen  schon  von  Moutfaucon,  schließlich  von 
Becker  (91:  vgl.  92  S.  223  f. j  herausgegebenen,  dem  11.  Jahrhundert 
angehörigen  K.  der  wenig  Profanes  enthaltenden  Klosterbibl.  von 
Pomposa.  Über  den  gegenwärtigen  Aufenthaltsort  der  Hss  wird  (vgl. 
S.  149  A.  5)  fast  gar  nichts  bemerkt. 

Für  Ravenna  s.  Mazzatinti  (118)  IV  144  u.  V  3,  der  auch 

222.  A.  Martin,  Notice  sur  les  mss.  grecs  de  la  bibl.  Ciassense 
ä  Ravenne.     Melanges  Graux  553 — 556 

verwertet.     Nur  den  Titel  kenne  ich  von 

*223.  Tarlazzi,  Nuovo  documento  rinvenuto  nell  Archivio 
arcivescovile  di  R.  (E  il  fac-simile  in  fotografta  del  prologo  in  forma 
di  lettera  di  Graziano  imperatore  a  S.  Ambrogio  .  .  codice  del  V 
secolo.     Bologna  1885,  Estratto  (BibliofiloV  Propugnatore?). 

Reggio  Calabria  s.  Mazzatinti    (117)  S.  55. 

Rieti  „  (117)  S.  41. 

Rimini  „  (118)  II  132. 

Rom.  Bibl.  Alexandrina.  Die  Hss  der  Universitätsbibl.  — 
griech.  fehlen  —  sind  behandelt  im  1.  Baude  von 

224.  H.  Narducci,  C.  codicum  mss.  praeter  graecos  et  orien- 
tales  qui  in  bibl.  pnblicis  Romae  adservantur.  I.  Band.  Turin  1877. 
200  S.    5  M. 

N.  hat  auch  den  K.  der  Bibl.  Angelica  begonnen: 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Ilandschriftenkundc.  (Beer  u.  Weinberger.)     225 

225.  C.  codicum  mss.  praeter  graecos  et  orientales  in  bibl. 
Angelica  olim  Coenobii  sancti  Augustini  de  urbe.  I.  Rom  1893. 
VIII  662  S.  fol.     32  M. 

Meines  Wissens  ist  nur  der  sehr  ausführliche  1.  Band  (com- 
plectens  Codices  ab  instituta  bibl.  ad  a.  1870)  ohne  Index  erschienen. 
Die  griech.  Hss  behandeln : 

226.  P.  Franchi  de'  Cavalieri  und  G.  Muccio,  Index  codicum 
graecorum  bibl.  Augelicac.     Studi  IV  7 — 184. 

Übei'dies  liegt  eine  Probe  vor  von 

227.  C.  Maes,  Saggio  del  iutero  c.  di  centosei  codici  greci  della 
Bibl.  Angelica.     I.  Rom  1894.    41  S.     4. 

die  ich  nur  aus  der  Besprechung  von  L.  Dorez  (Rev.  de  phil.  19,  96) 
kenne.  Seinem  Urteile  über  die  Doppelbearbeitung:  Abondauce  de  biens 
ne  nuit  pas  kann  ich  um  so  weniger  beistimmen,  als  in  Rom  selbst 
mehrere  Bibl.  jeglichen  gedruckten  K.  entbehren.  Auf  die  nach  dem 
Alphabet  der  Autoren  geordneten  Notizen  über  griech.  Hss  der  Bibl. 
Barberiniaua  und  Chigiana  von  Siebenkees  (bei  G.  Chr.  Harles, 
Introductio  in  historiam  Linguae  Graecae.  I-  —  Altenburg  1792  — 
€0—65)  hat  A.  Ludwich  in  der  Anzeige  von  123  (phil.  "Wochenschr. 
1897,  1446)  aufmerksam  gemacht.  Für  Hss,  die  aus  Siena  in  die 
Barber.  gelangten,  führe  ich  an: 

228.  C.  Mazzi,  Luca  Holstein  a  Siena.  Archivio  storico  V. 
Serie  X  (1892)  339—355. 

und  reihe  daran,  da  sie  sich  auf  der  Barber.  angehörende  Papiere  des 
Holstenius  stützt,  eine  Abhandlung,  auf  die  wir  beim  Vatikan  und 
bei  Hamburg  zurückkommen: 

229.  H.  Rabe,  Aus  Lucas  Holstenius'  Nachlaß.  C.  B.  XH 
441—448. 

Für  die  Casanatensis  liegt  wenigstens  ein  K.  der  griech. 
Hss  vor: 

230.  F.  Bancalari.  Index  codicum  graecorum  bibl.  Casanatensis. 
Studi  II   161—207, 

für  die  gi'iech.  Hss  der  Corsininiana  Notizen  von  Allen  (120) 
S.  49,  für  die  der  Vallicelliana  ebdt.  S.  54;  ferner  ist  ein  Katalog 
bei  Martini  (119)  brieflich  augekündigt.  Für  die  Vittorio  Emanuele 
endlich  haben  wir  wieder  Notizen  von  Allen  (S.  50);  ein  K.  der 
wichtigsten  Sammlung,  der  Sessoriani,  ist  von  Giorgi  (vgl.  201)  voll- 
endet, aber  dem  Druck  nicht  übergeben.  Aus  dem  Index  von 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.  Bd.  LXXXXVIII.  (1898.  III.)     15 


226     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

231.  E.  Nardncci,  C.  dl  mss.  ora  posseduti  da  Bald.  Bon- 
compagni.  2  ed.  notabilmente  accresc.  conten.  una  descrizione  di 
249  mss.  non  iudicati  uella  prima  e  corredata  di  un  copioso  indice. 
Rom  1892.     VIII  u.  520  S. 

läßt  sich  eine  Anzahl  lat. ,  übrigens  über  die  gewöhnliche  Auswahl 
(s.  No.  208)  nicht  hinausgehender  und  1  griech.  (Aristoteles-)H8  zu- 
sammenstellen; vgl.  M.  Cantor,  Prinz  Baldassare  Boncompagni  und 
seine  Bibl.  C.  B.  IX  537—544.  Für  die  nicht  mehr  bestehende  Bibl. 
Borghesiana  haben  wir  Notizen  Aliens  (120,  S.  50)  über  die  griech. 
Hss,  welche  in  den  Vatikan  gekommen  sind,  und  einen  Auktionskatalog: 

232.  C.  de  la  bibl.  di  S.  E.  D.  Paolo  Borghese.  Rom,  Menozzi, 
I  1892  XV  u.  713  S.     15  M.    II  1893,  380  S. 

Es  finden  sich  im  1.  Teile  von  No.  4555,  im  2.  von  No.  2568 
an  einige  wenige  Hss  klass.  Autoren. 

Den  Übergang  zum  Vatikan  mag  die  Kapitularbibliothek 
von  St.  Peter  bilden,  über  die  zu  vergleichen  sind:  Bethmann,  Archiv 
XII  (1874)  407,  120  S.  56,  129  S.  31  und 

233.  0.  Rossbach,  Zu  Ammian  und  den  Codices  Petrini. 
Philologus  LI  (V)  512  ff. 

der  anhangsweise  (515 — 518)  meist  nach  älteren  hslichen  Aufzeich- 
nungen die  wenig  bekannten  Petrini  philologischen  Inhalts  verzeichnet. 
Auf  233  hat  mich  H.  Rabe  freundlichst  aufmerksam  gemacht.  —  Bethmann 
berichtet  in  seiner  bekannten  zunächst  historische  Hss  betreffenden 
Abhandlung  auch  über  die  durch  Legat  in  der  Propaganda  befind- 
lichen Hss  des  Commendatore  Rossi  (S.  409  f.)  und  erwähnt  hierbei 
auch  Klassikerhss  (S.  417). 

Was  nun  den  Vatikan  betrifft,  so  übergehe  ich  einige  für 
weitere  Kreise  berechnete  Nachrichten  über  Geschichte  und  Katalogi- 
sierung der  Bibl.,  wie  Gr.  B.  de  Rossi  in  der  Aurora  vom  13.  Febr. 
25.,  27.,  28.  und  29.  April  1880,  übersetzt  —  C.  des  mss.  du  Vatican  — 
Bibl.  d.  chartes  XLI,  147—150,  307—316;  hierher  gehören  wohl  auch 
zwei  Arbeiten,  die  ich  nicht  gesehen  habe:  P.  Allard,  Les  archives  et 
la  bibl.  pontificales  avant  le  14«  siecle  (37.  Band  der  Revue  de  l'art 
chretienne  1887)  und  der  von  Fahre  verfaßte  auf  die  Geschichte  der 
Bibl.  bezügliche  Abschnitt  (643—752)  in  dem  1895  bei  Didot  er- 
schienenen Werke:  Le  Vatican.  Ferner  begnüge  ich  mich  mit  einer 
kurzen  Erwähnung  von 

234.   P.  Ehrle,  Zur  Geschichte  der  Katalogisierung  der  Vaticana. 
Histor.  Jahrbuch  der  Görresgesellschaft  XI  718 — 727, 
wo  die  Thätigkeit  der  Rainaldi  besprochen  wird  (Wende  des  16.  und 
17.  Jh.),  und  der  auch  die  Bibl.  streifenden  Abhandlung  von 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     227 

235.  E.  Müntz,  Les  arts  ä  la  cour  des  papes  pendant  le  XV« 
et  le  XVle  siecle.     Bibl.  d.  ecoles  4.,  9.  und  28,  H., 

hebe  hingegen  besonders  hervor : 

236.  J.  Carini,  La  bibl.  Vaticana  proprietÄ  della  sede  Aposto- 
lica.     Memoria  storica.     Rom  1892.     XIV  u.  166  S. 

nicht  als  ob  diese  kleine  Schrift  des  verdienstvollen  Bibliothekars,  der 
hier  die  Eigentumsrechte  des  h.  Stuhls  nachweisen  will,  überall  er- 
schöpfend wäre,  sondern  weil  sie  schon  im  Indice  sommario  eine  be- 
queme Übersicht  über  die  einzelneu  Perioden  und,  was  wichtiger  ist, 
über  die  einzelnen  Erwerbungen,  wie  Codices  Basiliani,  Borghesiani, 
Cryptenses  bietet,  für  die  man  hier  die  notwendigsten  Notizen  und 
wohl  auch  die  wichtigste  Litteratur  findet;  vgl.  die  Kontroverse  von 
Battifol  und  C.  C.  B.X.  348—352,  537-547  und  229,  442  A.  2.  Über 
die  einzelnen  noch  in  der  Vaticana  befindlichen  Fonds  geben  die  Ein- 
leitungen in  den  einzelnen  Bänden  der  gleich  zu  besprechenden  Bibl. 
apostolica  Vaticana  ausreichende  Auskunft;  als  maßgebend  und  grund- 
legend für  die  ältere  Zeit  (bis  auf  Bonifaz  VIII.j  ist  hervorzuheben 
die  dem  Katalog  der  lateinischen  Palatini  vorangeschickte  Abhandlung 
von  J.  B.  de  Rossi,  De  origine  historia  indicibus  scrinii  et  bibl.  Sedis 
Apostolicae. 

Die  an  diese  Einleitung  —  der  behandelten  Epoche  nach  —  an- 
schließenden Werke  bieten  zwar  mehrfaches  Interesse,  beziehen  sich 
aber  großenteils  nicht  auf  die  gegenwärtige  vatikanische  Bibl.,  wie  denn 
auch  die  Sammler  und  Herausgeber  der  wichtigen  Dokumente  selbst 
bei  erhaltenen  Hss  keine  Identifizierungsversuche  machen.  Mit  Über- 
gehung einzelner  Aufsätze  desselben  Verfassers  (vgl.  die  Anzeige  von 
Gr.  Meier,  C.  B.  VIII  500)  beginne  ich  mit  der  diese  zusammenfassenden 
Arbeit  von 

237.  P.  Ehrle,  Historia  bibl.  Romanorum  pontificum  tum  Boni- 
fatianae  tum  Avenionensis  enarrata  et  antiquis  earum  indicibus  aliisque 
documentis  iUustrata.  Bibl.  del!  accademia  storico-giuridica  VII. 
Rom  1890.     XVI  u.  790  S. 

Sowohl  die  1295  von  Bonifaz  VIII.  aus  Neapel  nach  Rom  ge- 
brachte als  auch  —  mit  wenigen  Ausnahmen  —  die  in  Avignon  ge- 
sammelte Bibliothek  ist  nicht  in  die  gegenwärtige  Vaticana  gelangt. 
Für  die  Bibl.  von  Avignon  und  deren  Hauptbestandteil:  die  von 
Peniscola  ist  noch 

238.  M.  Faucon,  La  librairie  des  papes  d'Avignon,  sa  forma- 
tion    sa    composition    ses    catalogues  (1316 — 1420).     Bibl.  d.  6coles 

43.  (1886)  u.  50.  Heft  (1887).     8  fr.  50  u.  7  fr. 

15* 


228     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.Weinberger.) 

zn  vergleichen,  welche  Abhandlung;  von  Ehrle  noch  berücksichtigt  und 
berichtigt  werden  konnte.     Ehrle  schließt,   wo 

239.  E.  Müntz  und  P.  Fahre,  La  bibl.  du  Vatican  au 
XVe  siecle  d'apräs  des  documents  iuedits.  Bibl.  d.  ecoles.  48.  Heft 
(1887).     Vm  u.  384  S. 

beginnt:  mit  Martin  V.  1417  —  1431.  Dieser  und  Eugen  IV.  haben  die 
Yaticana  begründet,  aber  ihren  Euhm  verdankt  sie  erst  des  letzteren 
Nachfolger  Nikolaus  V.  (1447 — 1455).  Für  ein  Inventarium  librorum 
repertorum  in  cubiculo  nicholai  pape  quinti  post  eius  obitum  verweise 
ich  auf  92  S.  232  f. ,  wo  die  Veröffentlichungen  von  Amati  (Archivio 
storico  III.  Serie  III  207 — 212)  und  G.  Sforza  (La  patria  la  famiglia 
e  la  giovinezza  di  Niccolo  V.  Lucca  1884,  385—391)  angeführt 
werden.    Von 

240.  E.  Müntz,  La  Bibl.  du  Vatican  sous  les  papes  Nicolas  V. 
et  Calixte  III.     Eevue  critique  XX  282—293 

erwähne  ich  besonders  die  vergleichenden  Notizen  (S.  289  ff.)  über 
gi'iech.  Hssbestände  jener  Zeit.  Nikolaus'  weitere  Nachfolger  bis  auf 
Alexander  VI.  (1492)  sind  bei  239  behandelt.  Hervorzuheben  ist 
Sixtus  IV  (1471 — 1484);  für  diesen  ist  auch  die  allerdings  zunächst 
auf  die  Lokalitäten  bezügliche  Abhandlung  von 

241.  P.  Fahre,  La  Yaticane  de  Sixte  IV.  Melanges  XV  455—483 
heranzuziehen.     An  239  schließt  sich 

242.  E.  Müntz,  La  bibl.  du  Vatican  au  XVIe  siecle.  Petite 
bibl.  d'art  et  d'archeologie.     Paris,  Leroux,  1887.     IV  u.  140  S. 

mit  einer  Anzahl  von  Dokumenten  an,  die  sich  auf  die  Päpste  von 
Julius  n.  bis  Paul  III.  beziehen.  Eine  Reihe  auf  Julius  II.  (1503 — 
1513)  bezüglicher  Fragen  berührt  eine  lesenswerte  Abhandlung  von 

243.  L.  Dorez,  La  bibl.  privee  du  pape  Jules  II.  Revue 
VI  97—124. 

In  241  werden  zuerst  die  Verdienste  Paul  III.  (1534  -1549) 
hervorgehoben;  die  folgende  Periode  (der  Bibliothekare  Cervini,  Sirleto 
und  A.  Carafa)  behandelt  für  die  griech.  Hs  eine  Arbeit,  die  ich  nur 
aus  der  Besprechung  im  C.  B.  VII  489  (0.  H.)  kenne: 

*244.  P.  Battifol,  La  Yaticane  de  Paul  III  k  Paul  V.  Petite 
bibliotheque  d'art  et  d'archeologie.     Paris,   Leroux,  1890.     154  S. 

Dagegen  hat  mir  vorgelegen  die  an  Notizen  über  einzelne 
Sammlungen  und  Hss  reiche  Abhandlung  desselben  Verfassers: 

245.  P.  B.,  La  Yaticane  depuis  Paul  HI.  Revue  des  questions 
historiques  45  (1889),   177—218. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     229 

Die  auf  die  Periode  der  französischen  Revolution,  während  der 
bekanntlich  über  800  vatikanische  Hss  zeitweilig  in  Paris  waren ,  be- 
zügliche Litteratur  findet  man  bei 

245b.     E.  Müntz,    La  bibl.  du  Vatican  pendant    la   revolution 
fran^aise.     Melanges  Havet  579—591. 

Andere,  einzelne  Sammlungen  betreffende  Abhandlungen  werden 
als  Vorarbeiten  oder  Ergänzungen  zu  K.  besser  nach 

246.     Bibl.    Apostolica    Vaticana   iubente    Leone    XIII  pontifice 
maximo  edita.     Rom  1885  ff, 

behandelt  werden. 

Diese  wichtige  und  freudig  begrüßte  Publikation  der  vatikanischen 
Hssschätze  ist  natürlich  von  ungleichem  Werte  je  nach  den  Heraus- 
gebern der  einzelnen  Bände,  die  hier  anzuführen  sein  werden.  Denn 
während  die  von  Henricus  Stevenson  senior  und  iunior  besorgten  trotz 
kleiner  bei  der  Masse  von  Hss  und  Schriftstellern  unvermeidlicher 
Mängel  billigen  Anforderungen  genügen,  habe  ich  (123  S.  6)  den  Ver- 
fassern des  K.  der  Ottoboniani  Fehler  nachgewiesen,  welche  den  Wert 
der  Arbeit  ernstlich  gefährden.  Bei  allen  Bänden  aber  macht  sich 
(vgl.  121)  außer  prächtiger,  aber  nicht  immer  übersichtlicher  typo- 
graphischer Anordnung  auch  eine  gewisse  Breite  bemerkbar. 

Die  Katalogisierung  der  lat.  Hss  erstreckt  sich  bisher  nur  auf 
den  ersten  selbständig  behandelten  Zuwachs,  die  1623  vom  Kurfürsten 
Maximilian  geschenkten  Palatini;  der  "1.  Band  des  K.  von  Stevenson 
iunior  ist  1886  erschienen  (12  fr.;  vgl.  die  ausführliche  Anzeige  von 
Haureau,  Journal  d.  savants  1887,  503—513,  562—573).  Hier  wie 
in  dem  von  Stevenson  senior  verfaßten  Katalog  der  Palatini  graeci 
(1885)  sind  auch  die  38  im  Jahre  1814  von  Paris  nach  Heidelberg  zu- 
rückgebrachten Hss  aufgenommen.  Auf  den  Transport  der  Pfälzer  Hss 
nach  Rom  beziehen  sich  mehrere  Aufsätze  von 

*247.     C.   Mazzi,    Leone  Allacci    e   la  Palatina    di  Heidelberg. 
Propugnatore  IV  u.  V  (1892  f.), 

und  ein  Aufsatz  von 

248.     H.  Omont,  Lettre  de  Leone  Allacci  relative  au  transport 
k  Rome  de  la  bibl.  de  Heidelberg.     C.  B.  VIII  123  f., 
aus    dem  ich  den  Hinweis  auf  Allaccis  von  Baer  (Heidelberger  Jahr- 
bücher 1872,  481)  veröffentlichtes  Journal  heraushebe. 

Von  griech.  Hss  sind  weiter  katalogisiert  die  der  Königin 
Christine  von  Schweden  und  die  Pius'  IL  (in  einem  1888  von 
Stevenson  herausgegebenen  Bande),  die  1746  mit  der  Vaticana  ver- 
einigten Ottoboniani  (1893;   E.  Feron  und  F.  Battaglini;  die  histo- 


230     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

rische  Einleitung  von  Cozza-Luzi>  De  Ottoboniano  -  Vaticanis  graecis 
cod.  ist  auch  im  Sonderabdruck  erschienen),  endlich  die  1657  einver- 
leibten Urbinates  (1895;  C.  Stornajolo).  Über  den  Ankauf  der  ßegi- 
nenses  (im  J.  1690)  ist  zu  vergleichen 

249.     L.  Dorez,    Docuraents   sur    la  bibl.  de  la  reine  Christine 
de  Suede.    Revue  n  (1892)  129—140 

und  über  diejenigen,  die  unter  Alexander  VIII.  ins  Archiv,  später  auf 
dem  Umweg  über  die  florentinische  Sammlung  Stosch  unter  die  Otto- 
boniani  gelangten  (vgl.  auch  noch  JVIanteyer,  Melanges  1897,  285 — 318), 

250  u.  251.    Fahre,    Notes  u.  Nouvelle  note  sur  quelques  mss. 
de  la  reine  Christine.    Bibl.  d.  chartes  LIV  786  —789  u.  LVI  228  f. 

Notizen  über  einzelne  Reginenses  geben  ferner 

252.  L.  Delisle,    Notice  sur  vingt  mss.  du  Vatican.    Bibl.  d. 
chartes  XXXVII  470—525. 

253.  E.  Berger,    Notiee  sur   divers  mss.  de  la  bibl.  Vaticane. 
Bibl.  d.  ecoles  6.  Heft  (1879). 

Für  die  Codices  Pii  11  (1458—1464)  lag  eine  Vorarbeit  vor  von 

254.  L.  Duchesne,    De    codicibus    ms.  graecis  Pii  11.     Ebdt. 
XIII  (1880).     34  S.     1  M.  50. 

Die  Katalogisierung  der  eigentlichen  Vaticani  ist  noch  nicht 
in  Angriff  genommen;  um  so  erfreulicher  ist  es,  daß  der  K.  einer  be- 
trächtlichen Anzahl  (griech.:  1288 — 1421)  in  einem  trefflichem  Werke 
vorliegt,  das  für  Hsskunde  und  Geschichte  des  Humanismus  noch  mehr 
bietet,  als  der  Titel  verspricht: 

255.  P.   de  Nolhac,    Bibl.  de  Fulvio  Orsini.    Bibl.  de   l'ecole 
des  hautes  etudes.     74.  H.  1887.     15  M. 

Für  Auffindung  der  einzelnen  Hss  sind  die  Verzeichnisse  S.  125  f. 
und  334  f.  zu  benutzen.    Ferner  hat 

256.  P.  d.  N.,  De  quelques  mss.  k  miniatures  de  Tancien  fonds 
Vatican.     Gazette  archeologique  XII  233—237 

die  Miniaturhss  von  Orsinis  Bibliothek  zusammengestellt.  Angesichts 
der  erschöpfenden  Behandlung  des  Gegenstandes  durch  N.  ist  der  blolie 
Inventar  ab  druck  durch 

257.  G.  Beltrani,  I  libri  di  Fulvio  Orsini  nella  bibl.  Vaticana, 
Rom,  Centenari,  ]  886.     53  S.     1  L.  50  c. 

völlig  wertlos.     Anzuführen  ist  ferner 

258.  P.  Battifol,  Les  mss.  grecs  de  Lollino.  Melanges  IX  28  ff., 
der  —  allerdings  ohne  Index  —  eine  Beschreibung  der  griech.  Vaticani 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     231 

1683—1806    giebt:    vgl.    229  S.   442  A.  2,    wo    das  Verzeichnis    auf 
Holstenius  zurückgeführt  und  Vat.  graec.  2279  hinzugefügt  wird. 

Wenig  Philologisches   enthält  die  Bibliothek  von  Panvini;    vgl. 

259.  G.  L.  Pelissier,  C.  des  rass.  de  Panvini.  Revue  I  192 
—194. 

Gleich  diesen  Hss  sind  auch  die  des  Aleandro  in  den  Vatikan 
gekommen;  vgl. 

260  u.  261.  L.  Dorez,  Recherches  u.  Nouvelles  recherches 
sur  la  bibl.  du  cardinal  Girolamo  Aleandro.  Eevue  II  49 — 68  u. 
Vn  293-304. 

Nach  kurzer  Erwähnung  eines  Aufsatzes  von  Nolhac  über  Gio- 
vanni Lorenzi,  Bibliothekar  Innocenz  VIII.  (1485 — 1501;  Melanges 
VIII  1  ff.)  bespreche  ich  das  mir  leider  nicht  zugängliche  Werk  von 

*262.  P.  Battifol,  L'abbaye  de  Rossano.  Contribution  ä  Thi- 
stoire  de  la  Vaticane.     Paris,  Picard,  1891.     7  11.  50. 

Ich  entnehme  nämlich  aus  Gebhardts  Anzeige  C.  B.  IX  572 — 576, 
daß  von  etwa  150  nachweisbaren  griech.  Hss  des  Klosters  S.  Maria  del 
Patire  bei  Rossano  60  in  den  Vatikan,  10  nach  Grottaferrata  ge- 
kommen sind.  Es  wird  auch  (vgl.  145)  über  Basilianerklöster  im  all- 
gemeinen gehandelt.     Endlich  ist  anzuführen: 

263.  H.  Ehrensberger,  Libri  liturgici  bibl.  Apostol.  Vati- 
canae.     Freiburg  i.  Breisgau,  Herder,  1897.     XII  u.  591  S.     25  M. 

Rovigo  s.  Mazzatinti  (118)  III  3  u.  129  S.  736. 
Ruvo  s.  y,         (118)  VI  126. 

Sandaniele  del  Eriuli  s.     Mazzatinti  (118)  III  100. 
Savignano  di  Romagna  s.  „  (118)  185. 

Senigaglia  s.  „  (117)  45. 

Serrasanquirino  s.  „  (118)  I  155. 

Sessa  Aurunca  s.  „  (117)  53. 

Für  Siena  s.  120  S.  57,  129  S.  732  ff.  und  228;  ferner  hat 
über  einige  Bibl.  der  Renaissancezeit  gehandelt: 

264.  C.  Mazzi,  La  bibl.  di  messer  Niccolo,  di  m.  Bartolomeo 
Borghesi  ed  altre  in  Siena  nel  rinascimento.  Rivista  VI  120—  124, 
150—159. 

Subiaco  s.     Mazzatinti  (118)  I  161. 
Sulmona  s.  „  (118)  VI  47. 

Syrakus  (Biblioteca  del  seminario)  s.  Mazzatinti  (117)  76  und 
138  S.  584. 

Terlizzi  s.  Mazzatinti  (118)  VI  106. 


232     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

Terui  s.  Mazzatinti  (117)  43. 
Trani  s.  „  (118)  VT  109. 

Trapani. 

265.  F.  Mondello,  La  bibl.  e  la  pinacoteca  in  Trapani.  Nuove 
Effemeridi  Siciliaue  XII  (1881)  223  f. 

S.  254  f.  werden  einige  klass.  Hss  besprochen. 
Turin.    Für  die  griech.  Hss  der  Bibl.  Nazionale  wird  der  K.  von 
Pasini  (1749)  auf  den  heutigen  Stand  ergänzt  durch 

266.  C.  0.  Zuretti,  Indice  dei  mss.  greci  Torinesi  non  conte- 
nuti  uel  c.  del  Pasini.     Studi  IV  201—223. 

Die  Erwerbungen  aus  Bobbio  (s.  130)  sind  erwähnt  worden,  ebenso 
(No.  216)  eine  aus  Pavia  in  die  königliche  Bibl.  gebrachte  Hs.  Auf 
diese  Bibl.  bezieht  sich  aucli  eine  Veröflfentlichung  von  G.  B.  Barco  im 
9.  Bande  der  Rivista  di  filologia:  Un  codice  del  secolo  XV  contenente 
il  Carme  di  Claudiano  in  ßufinum;  vgl.  noch  92  No.  659  ff. 

Udine  s.  Mazzatinti  (118)  III  173.  Überdies  liegt  für  die  griech. 
Hss  ein  Aufsatz  vor  von 

267.  H.  Omont,  Notes  sur  quelques  mss.  grecs  de  la  Bibl. 
archiepiscopale  d'Udine  provenant  du  Cardinal  Grimani.  C.  B.  XI  415  flf. 

Weder  Mazzatinti  noch  Omont  wird  erwähnt  bei 

268.  A.  Cosattini,  Index  codicum  graecoram  bibl.  archiepisco- 
palis  Utinensis.     Studi  V  395—399. 

Venedig.  Eine  Ergänzung  des  Katalogs  von  Zanetti  und  Buongio- 
vanni  wurde  begonnen  von  dem  kürzlich  (C.  B.  XIV  596)  der  Wissen- 
schaft entrissenen 

269.  C.  Castellani,  C.  codicum  graecorum  qui  in  bibl.  D.  Marci 
Venetiarum  inde  ab  a.  MDCCXL  inlati  sunt.  I.  Venedig  u.  Mai- 
land 1895.     Vin  u.  166  S.     12  M. 

Außerdem  kommen  Notizen  bei  129  S.  746  in  betracht;  auf  die 
Geschichte  der  Marciana  beziehen  sich 

270.  u.  271.  H.  Omont,  Inventaire  des  mss.  grecs  et  latins 
donnes  ä  Saint  -  Marc  de  Venise  par  le  cardinal  Bessarion  (1468). 
Revue  IV  J29— 187.  Deux  registres  de  prets  de  mss.  de  la  bibl.  de 
Saint-Marc  ä  Venise.    Bibl.  de  l'^cole  des  chartes  XLVIII  651 — 686. 

272.  C.  Castellani,  B  prestito  dei  codici  mss.  della  bibl.  di 
S.  Marco  in  Venezia  ne'  suoi  primi  tempi  e  le  conseguenti  perdite 
dei  codici  stessi.  Sonderabdruck  aus  Atti  del  r.  Istituto  Veneto  di 
scienze,  lettere  ed  arti.     VII.  Serie  VIII.  Band.     66  S. 


Beriebt  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     233 

Bessarions  Schenkung  bildet  bekanntlich  den  Grundstock  der 
Marciana;  die  Ausleihreg-ister  sind  aus  den  Jahren  1545 — 1548,  1551 — 
1552  u.  1552—1559. 

Verona.     Die  griech.  Hss  sind  behandelt  von 

273.  H.  Omont.  Les  mss.  grecs  de  la  bibl.  capitulaire  et  de 
la  bibl.  commnnale  de  Verona.     C.  B.  VIII  489—497. 

Sonst  haben  wir  für  die  Kapitularbibliothek  in  mehreren  Bänden 
des  Archivio  Veneto  (6.-33.)  nur  historische  Notizen: 

274.  u.  275.  G.  B.  Giulari,  La  capitolare  bibl.  di  Verona  u. 
Istoria  monumentale  letteraria  paleografica  della  capitolare  bibl.  di 
Verona, 

und  das  Programm  eines  K.  und  einer  Sammlung  von  Anecdotis: 

276.  G.  B.  G.,  Spicilegium  capitularis  bibl.  Veronensis.  Archivio 
storico  Italiano  HI.  Serie  25.  Bd.  135—139. 

Über  die  Zerstreuung  der  M  äff  eischen  Hss,  die  nicht  alle  in 
die  Kapitularbibliothek  gekommen  sind,  vgl.  van  der  Vliet,  Mnemosyne 
XVIIl  52—56. 

Die  an  lat.  und  griech.  Hss  nicht  besonders  reiche  Kommunal- 
Bibl.  besitzt  einen  K.  von 

277.  G.  Biadego,  C.  descrittivo  dei  mss.  della  bibl.  comunale 
di  V.     V.,  CiveUi,  1892.    VIII  u.  665  S.     12  M. 

Endlich  ist  auf  die  2.  Appendix  von  No.  166  zu  verweisen,  wo 
mehrere  —  meist  vor  die  Berichtszeit  fallende  —  Abhandlungen  über 
den  gegenwärtigen  Aufenthalt  der  Saibantini  (Ashburnham-Florenz, 
London,  Metz,  Paris)  angeführt  werden;  vgl.  auch  273,  S.  489,   A.  4. 

Vicenza. 

278.  Bortolan  e  Rumor,  La  bibl.  Bertoliana  di  Vicenza. 
V.,  Giuseppe  1893.     223  S.     16. 

geben   eine  Geschichte  der  Bibl.  und  besprechen  137  ff.  einige  der  645 
Hss;  im  übrigen  wird  auf  Mazzatinti  (118)  II  3  verwiesen. 

Vigevano  s.  Mazzatinti  (118)  V  48. 

Viterbo. 

279.  L.  Dorez,  Latino  Latini  et  la  bibl.  capitulaire  de  Viterbe. 
Eevue  II  (1892)  377—391. 

giebt  zunächst  eine  Liste  der  lat.  Hss,  die  Latino  Latini  vom  Kar- 
dinal Rodolfo  Pio    geerbt    hat,    die    sich  aber  in  der  Kapitularbibl.  zu 
Viterbo,  der  L.  seine  Bibl.  geschenkt  haben  soll,  nicht  finden.    Dann 
bespricht  D.  gegenwärtig  in  Viterbo  befindliche  Hss. 
Volterra  s.  Mazzatinti  (118)  II  180. 


23-4     Bericht  üb,  Paläographie  u.  Handschriftenkunde,  (Beer  u.  Weinberger.) 

2.   Schweiz. 

Bis  zum  Jahre  1887  reicht  die  sorgfältige  bibliographische  Zu- 
samnicnstelluug  von 

280.  G.  Meier,  Verzeichnis  der  Hss-K.  der  schweizerischen 
Bibliotheken.     C.  B.  IV  1  —  19. 

Wenn  ich  auch  die  in  dieses  chronologisch  geordnete  Verzeichnis 
aufgenommeneu  K.  der  Berichtsperiode,  welche  Klassiker-Hss  enthalten, 
aufnehme  (nicht  aber  etwa  A.  Jahn,  Die  Kunde  und  Benutzung  der  Bon- 
garsischen  Hss-  und  Büchersammlung  der  Stadtbibl.  in  Bern.  B.  1878), 
so  geschieht  dies  wegen  ihrer  geringen  Zahl.  Überdies  weiß  ich  bei 
K.,  die  ich  nur  aus  Meier  kenne,  nicht,  ob  sie  für  Klassiker  in  betracht 
kommen.    Für  griech.  Hss  wird  auf 

281.  H.  Omont,  C.  des  mss.  grecs  des  bibl.  de  Suisse.  C.  B. 
ni  385—452  u.  Supplement  au  C.  .  .  .  ebdt.  VIII  22—26 

zu  verweisen  sein,  der  kurze  historische  Einleitungen  vorausgeschickt 
und  einen  Gesamtindex  beigegeben  hat.  Er  giebt  auch  S.  385  aus- 
di'ücklich  die  schweizerischen  Bibl.  an,  welche  keine  griech.  Hss  ent- 
halten. 

Auf  einzelne  Hss  bezügliche  Publikationen  erwähne  ich  nur  bei 
Basel  (Omont  386—419  —  90  Hss,  Vni  22—3  Hss),  um  zu  zeigen, 
daß  M.  dieses  'Parergou'  nicht  vollständig  giebt: 

282.  Ch.  Graux,  Notice  et  extraits  d'un  ms.  grec  de  la  bibl. 
de  l'uuiversite  de  Bäle.  Annuaire  de  l'assoc.  pour  Tencouragement 
des  etudes  grecques  IX  76  f. 

283.  A.  Burckhardt,  E.  karolingische  Evaugelienhs  auf  d. 
Universitätsbibl.  in  B.  Anzeiger  f.  Schweiz.  Altertumskunde  1880, 
No.  3. 

284.  W.  Wattenbach,  Aus  Baseler  Hss.  Anzeiger  f.  Kunde 
d.  deutsch.  Vorzeit  1880,  137—139. 

285.  H.  Baudrier,  Une  visite  ä  la  bibl.  de  l'Universite  de  Bäle. 
Lyon  1880.     45  S. 

Betreffs  der  von  Johannes  de  Ragusio  herrührenden  Hss  der 
Stadtbibl.  vgl. 

286.  R.  Beer,  Eine  Hssschenkung  aus  d.  J.  1443.  Serta 
Harteliana  (Wien  1896)  270-274. 

Bern  (281  S.  419  ff.;  33  Hss). 

287.  H.  Hagen,  C.  codicum  Bernensium  (Bibl.  Bongarsiana). 
Bern,  Haller,  1875.    LXVI  u.  662  S. 

Einsiedeln  281  S.  428  ff. 


Bericht  üb,  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     235 

Engelberg. 

288.  B,  Gottwald,  C.  codicum  mss.  qui  asservautur  in  bibl. 
0.  S.  B.  Engelbergensis  in  Helvetia.  Freiburg,  Herder,  1892.  XVII 
327  S.     12  M. 

Unter    den    914  Hss    sind   keine    griech.    und    nur    wenige    lat. 
Klassiker;  einige  Notizen  trägt  G.  Meier  C.  B.  X  228  nach. 

St.  Gallen. 

289.  (G.  Scher  rar),  Verzeichnis  der  Hss  der  Stiftsbibl.  von 
St.  G.     Halle  1875.     XII  u.  650  S.     15  M. 

ist  noch  während  der  Drucklegung  als  sehr  genau  gerühmt  worden  von 

290.  E.  Wolf  flin,  Aus  St.  Galler  Hss.  Philologus  XXXIV  178  f. 

Für    die  3  griech.  Hss    der  Stiftsbibl.  und  die  1  der  Vadiana  s. 
281  S.  440,  für  Genf  S.  430  ff.  (35  Hss)  u.  VIII  24  (4  Hss). 

Glarus. 

*291.  K.  der  Landesbibl.  in  Gl.  Gl.  1879.  n  141-147.  Nachtr. 
(1886)  II  47:    Hss. 

kenne  ich  nur  aus  Meier,  ebenso 

*292.  K.  d.  Ministerialbibl.  zu  Schaffhausen.  Seh.  1877. 
S.  1—15  Hss  (von  Boos);  (1  griech.  Hs  der  Stadtbibl.  bei  281, 
S.  441). 

*293.  Glutz-Hartmann,  Die  Stadtbibl.  Ein  Stück  Solothur- 
nischer  Kulturgeschichte.  S.  1879.  37  S.  S.  20  f.:  Hss  (von 
Jacob  Hermann). 

*294.  K.  der  größeren  Stadtbibl.  in  Zofingen.  Z.  1874.  S.  516 
—524:    Hss. 

Für   die  griech.  Hss    endlich    der  Kantons-    u.  der  Stadtbibl.  in 
Zürich  ist  auf  281  S.  441  zu  verweisen. 

3.    Deutschland. 

Auf  Grund  von 

295.  A.  Blau,  Verzeichnis  der  Hss-K.  der  deutschen  Bibl.  C.  B. 
m  (1886)  1-35,  49—108,  120,  160 

kann  ich  mich  im  allgemeinen  auf  die  Publikationen  der  Jahre  1886 — 
1896  beschränken,  zumal  sich  dort  die  klass.  Hss  enthaltenden  K.  meist 
deutlich  abheben.  Rühmend  sind  die  gegenseitigen  Verweisungen 
Blaus  hervorzuheben,  die  über  die  Schicksale  nicht  mehr  bestehender 
Bibl.  gut  orientieren.     Nur  von  den  infolge  einer  Ministerialverfügung 


236     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

katalogisierten  Hss  der  Gyranasialbibl.  möchte  ich  die  wenigen  philo- 
logischen kurz  charakterisieren ;  deshalb  habe  ich  hier,  um  einen  Schluß 
ex  silentio  zu  ermöglichen,  die  mir  nicht  zugänglichen  Programme  zu 
verzeichnen:  Real-Gj^mn.  Goslar  1896  (IT.  Hülscher,  Verzeichnis  der 
in  der  Marktkirche  zu  Gr.  aufbewahrten  alten  Druckwerke.  Mit  einem 
Verz.  der  im  Archive  zu  G.  vorhandenen  alten  Hss),  Halle  1876  und 
1877,  höhere  Bürgerschule  Kulm  1877,  Rcal-Gymn.  Meiningen  1896 
(Grobe,  Schätze  derherzogl.  Bibl.  in  M.),  höhere  Bürgerschule  Rathenow 
1877,  Ratzeburg  1892  (H.  Gebier,  Die  Bibl.  der  Domkirche  zu  R.), 
Schleiz  1878,  Wittstock  1876  (R.  Grosser,  K.  Polthier  und  E.  Bünger, 
K.  des  Gymnasialmuseums.  Progr.  1893  bieten  nichts  Klass.),  Francisceum 
Zerbst  1879. 

Die    nicht   leicht    zu   beschaffenden  Auktionsk.  (wie  J,  Trübners 
Hss-  und  Bücherauktion  zu  Strasburg  am  23.  Oktober  1886;    die  Hss 
stammen    zum  Teil    aus  Lichtenthai  bei  Baden)    verzeichne  ich  in  der  . 
Regel  nur,  wenn  es  mir  möglich  ist,  anzugeben,  wohin  die  betreffenden 
Hss  gekommen  sind. 

Hier  erwähne  ich  die  vielleicht  der  Rheingegend  angehörige 
Bibl.,  über  deren  Rekonstruktion  aus  Excerpten  eines  Vaticanus  (über 
diese  Excerpta  Hadoardi  vgl.  92,  S.  411  und  Philol.Suppl.  V397— 588) 

296.  P.  Schwenke,    Eine  Bibl.    des    9.  Jh.    und    ihr    Kustos. 
C.  B.  II  241  f. 

berichtet,  ferner  eine  von 

297.  P,  Joachim  söhn,   Aus  der  Bibl.  Sigismund  Gossembrots. 
C.  B.  XI  249—268  und  297 

rekonstruierte  Hsssammlung  des  15.  Jh.,  da  sie,  in  Augsburg,  Straß- 
burg (S.  298  f.  über  das  Johanniterkloster  am  grünen  Wörth)  und 
anderen  Orten  entstanden,  jetzt  verstreut  ist.  Ein  beträchtlicher  Teil 
ist  aus  dem  Kloster  Steingaden  nach  München  gekommen;  einzelne 
Hss  weist  J.  in  Basel,  Berlin  und  Wien  nach. 
Nach  der  Bemerkung,  daß  auch 

298.  P.  Schwenke,  Adreßbuch  der  deutschen  Bibl.  10.  Beiheft 
zum  C.  B.  (1893).     XX  und  383  S. 

zur  Orientierung  über  Hss- Bestand  herangezogen  werden  kann,  gehe  ich 
nun    daran  —  wieder    nach    dem  Alphabet    der  Ortsnamen  —  die  auf 
einzelne  Bibl.  bezüglichen  Publikationen  zu  verzeichnen. 
Aachen;  vgl. 

299.  St.    B  eis  sei.    Das    karolingische  Evangelienbuch    des    A. 
Münsters.     Zeitschr.  f.  christl.  Kunst  I  53—60. 

Altona. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftcnkunde.  (Becru.  Weinberger.)     237 

300.  M.  J.  F.  Lucht,  Nachrichten  über  die  Bibl.  des  Cfj'mnasinnis 
und  die  in  derselben  befindlichen  Hss.  Progr.  d.  Christianeuras 
A.  1878.     22  S. 

Außer  theologischen  Schriften  und  historischeu  Stücken  findet  sich 
(S.  19)  ein  Fragment  von  Seneca,  Hercules  furens  und  einige  Huma- 
nistenwerke (Leonardo  Bruni):  daß  sich  hei  J.  Clausseu,  Nachrichten 
über  die  Bibl.  des  Christianeuras  zu  A.  (Progr.  1897).  Ergänzungen 
finden,  weiß  ich  nur  aus  C.  B,  XIV,  5  18. 

Augsburg  s.  297. 

Bamberg. 

301.  F.  Leitschuh,   K.   der  Hss  der  k.  Bibl.  zu  B.     Leipzig 
1887  ff. 

Das  verdienstvolle,  auf  3  Bände  berechnete  Werk  wurde  mit  dem 
2.  (Die  Hss  der  Helleriana.  LIV  und  201  S.  12  M.)  begonnen; 
die  hier  S.  130  verzeichneten  'philologischen  Mss.'  sind  vollständig  wert- 
los. 1895  folgten  (Bamberg,  Bucher)  die  2  wichtigen  Lieferungen 
I  1  Bibel -Hss  (IX  und  133  S.  4  M.)  und  I  2,  1  Klassiker-Hss 
(VI  und  116  S.  4  M.),  endlich  1897  I  2,  2  histor.  Hss  (IV  S.  und 
S.  117—291.  4  M.).  Über  die  wertvollen  Klassiker-Hss  giebt  Perl- 
bachs Anzeige  C.  B.  XIII  250  f.  eine  gute  Übersicht  nach  Herkunft, 
Alter  und  Inhalt.  Darunter  ist  nur  1  griech.  Ms.  (lulius  Africanus). 
Für  das  Kloster  Michelsberg,  das  nächst  der  Dombibl.  die  meisten 
Hss  von  B.  geliefert  hat,  vgl. 

302.  H.  Breßlau,  Bamberger  Studien.  I.  Aufzeichnungen  zur 
Geschichte  der  Bibl.  des  Klosters  M.  bei  B.  N.  Archiv  XXI  141 
—  196. 

Berlin. 

303.  Die  Hss-Verzeichnisse  der  k.  Bibl.  zu  B.  Berlin,  Asher. 
Imp.  4.  XI:  Verz.  der  griech.  Hss.  I.  (Codices  ex  bibl.  Meer- 
manniauaPhilippici  graeci  nuncBerolinenses).  DescripsseruntG.  Stude- 
mund  et  L.  Cohn.  IV,  XXXVI  und  121  S.  1890.  IL  Von  C.  de 
Boor.  1897.  254  S.  14  M.  XII:  Verz.  der  lat.  Hss.  Von  V.  Rose. 
1.  Bd.  (II,  XXni  und  513  S.     1892). 

XI  1  und  XII  1  finden  sich  auch  in  dem  anläßlich  der  Erwerbung 
der  von  den  holländischen  Sammlern  Gerhard  nnd  Johannes  Meerman 
herrührenden  Hss  des  Sir  Thomas  Philipps  in  Cheltenham  1892 
veröffentlichten  Verzeichnis  der  von  der  k.  Bibl.  zu  B.  erworbenen 
Meermann-Hss,  in  denen  die  Seitenzählung  nach  den  einzelnen  Sprachen 
besonders  erfolgt.  Perlbachs  Anzeige  dieses  Bandes  C.  B.  XI  79 — 87 
orientiert  gut  über  die  Geschichte  der  Sammlung;  ich  hebe  noch  hervor. 


238     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

daß  Meermann  die  meisten  Hss  der  Jesuiten  des  collegium  Claro- 
moutanum  in  Paris  an  sich  gebracht  hat.  —  Zu  XI  2  bemerkeich, 
daß  bis  zum  Jahre  1800  nur  wenige  griech.  Hss  gelegentlich  (von 
Ravius  —  vgl.  Boysen,  Philol.  XLII  285  ff.  —  Quintus  Julius  und 
Roloff)  erworben  wurden,  1822  mehrere  von  Knobelsdorff,  Gesandten 
in  Konstantinopel.  Dann  beginnen  die  systematischen  Erwerbungen, 
unter  denen  die  von  Brugsch  auf  dem  Sinai  (1866),  von  Hirschfeld  in 
pisidischen  Klöstern  (1879),  endlich  die  der  Hamilton-Hss  (1884)  her- 
vorzuheben sind.  Von  den  auf  einzelne  Harailton-Hss  bezüglichen  Notizen 
nenne  ich  nur  die  von  Wattenbach,  N.  Archiv  VIII  327  ff.,  wegen 
ihrer  einleitenden  Bemerkungen.  —  Von  den  sorgfältigen  Indices  der 
Hss- Verzeichnisse  verdient  der  Artikel  Bibliotheken  (im  Verz.  der  früheren 
Besitzer)  besondere  Hervorhebung. 
Braunsberg. 

304.  0.  ileinertz,  Die  Hss  und  alten  Drucke  der  Gymnasial- 
bibl.     Progr.  1882.    20  S. 

bietet  nur  1  Pergament-Hs  aus  dem  13.  Jh.  theologischen  Inhalts. 

Für  Bremen  (10  griech.  Hss)  haben  wir  eine  bei  Hamburg  aus- 
führlicher zu  besprechende  Arbeit  von 

305.  H.  Omont,  Notes  sur  les  mss.  grecs  des  villes  hanseatiques 
Hambourg,  Breme  et  Lübeck.     C.  B.  VII  351—377, 

für  Breslau  (Rehdigeriani)  einen  musterhaften 

306.  C.  codicum  graecorum,  qui  in  bibl.  nrbica  Vratisla- 
viensi  adservantur,  a  philologis  Vratisl.  compositus.  Accedit  appendix, 
qua  gymnasii  regii  Fridericiani  Codices  graeci  describuntur.  Breslau, 
1889.     Vin  und  90  S.     3  M. 

Burgsteinfurt. 

307.  K.  Hamann,  Die  Hss  und  alten  Drucke  der  Bibl.  des 
Gymnasii  Arnoldini.     Progr.  1877 

enthält   (S.  14—20)    nur  2  Hss:    Raynerii  de  Pysis  Pantheologia  und 
ein  Codex  lustinianeus  des  15.  Jh.  mit  Miniaturen. 

Cassel  (vgl.  337).    Unter  den  bei  Blau  verzeichneten,  auf  philo- 
logische Hss  bezüglichen  Publikationen  vermisse  ich 

308.  E.  Thomas,  £tude  sur  quelques  mss.  de  Servius  et  de 
Virgile  de  Suisse,  d'Allemagne  et  de  Hollande.  Archives  des  missions 
scientifiques  3.  Serie  7.  Band  (1881)  161—184. 

Conitz. 

309.  H.  Deiters,  Die  Hss  und  alten  Drucke  der  Gymnasialbibl. 
Progr.  1875 

bietet  (S.  19—23)  außer  einem  Juvenal  nur  historische  oder  Predigt-Hss. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     239 

Darmstadt  s.  Fulda  und  Köln, 
Dresden,     Zu 

310.  F,  Schnorr  von  Carolsfeld,  K,  der  Hss  der  k,  Bibl.  zu 
D.  I.     Leipzig,   1882.     XVI  und  648  S, 

bemerke  ich,  daß  unter  D  im  wesentlichen  Eberts  C.  mss.  codicum 
auctorum  class,  cum  graecorum  tum  latinorum  (Leipzig  1822)  wieder 
abgedruckt  ist, 

311.  0.  Meltzer,  Mitteilungen  über  die  Bibl.  der  Kreuzschule. 
Progr.  1880. 

An  philologischen  Hss  finden  sich  XXIII  f.  ein  bereits  benutzter 
Ovid-Kodex  (Metamorph.)  des  12,  Jh,  und  Noten  zu  Valerius  Maximus, 

Düsseldorf.  Über  Hss,  die  von  D.  durch  den  Bibliothekar 
Bücheis  (wohl  im  Auftrage  des  Kurfürsten)  an  Lord  Oxford  verkauft 
wurden  (Harleiani),  vgl. 

312.  A.  C.  Clark,  Die  Hss  des  Grävius.  Neue  Heidelberger 
Jahrb.  I  238—253. 

Erfurt. 

313.  W.  Schum,  Beschreibendes  Verzeichnis  der  Amplonia- 
nischen  Hsssammluug  zu  E.  Mit  Vorwort  über  Amplonius  und  die 
Geschichte  seiner  Sammlung.    Berlin  1887.  LVIII  und  1010  S.    40  M. 

Die  im  15,  Jh,  begründete  Sammlung,  von  der  zahlreiche  Codices 
in  die  Schönbornsche  Bibl.  zu  Pommersfelden  gekommen  sind,  ent- 
hält keine  griech.  Hss,  wenige  lat.  Klassiker. 

Essen  a/R.  Über  ein  Psalterium  quadruplex  der  Bibl.  der 
Münsterpfarrei  (aus  dem  11.  Jh.)  s.  C.  B.  Xn  49,  141,  189  f. 

Frankfurt  a/0. 

314.  R.  Schwarze,  Die  alten  Drucke  und  Hss  des  k.  Friedrich- 
Gymnasiums.     Progr,  1877. 

S.  24  ff.  finden  \^ir  einen  griech.  Codex  Seidelianus  Novi  testamenti, 
eine  (von  ßasmus,  Hermes  XII  320—325  behandelte)  Solin-Hs  und  eine 
Alexandreis,  die  Viliclinus,  Bürger  von  Spoleto,  1236/37  verfaßte. 

Freiberg, 

315.  M.  Rachel,  Über  die  F.  Bibel-Hs  nebst  Beitr.  zur  Geschichte 
der  vorlutherischen  Bibelübersetzung.  Beigefügt  sind  (S.  23 — 31) 
Proben  aus  dem  neu  angelegten  Hss-K.  der  F.  Gymnasialbibl.  von 
R.  Kade,     Progr.  1886. 

Die  Proben  bieten  von  philologischen  Hss  nur  2  Pergamentblätter 
des  13.  Jh.  ex  Isidori  etymologiis  (vgl.  Sadee  im  Progr.  1883;  im 
Progr.  1878  berichtet  Heydenreich  über  die  Hygin-Hs). 


240     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

Fulda. 

316.  E.  Ranke,  Antiquissimae  veteris  testameuti  versionis  latiuae 
fragnienta  Stutgardiana  nuper  detecta  .  qüibus  acceduut  duae  tabulae 
photographicae.    Schrift,  der  Univ.  Marburg  1888/89.  VIII  und  28  S. 

R.  der  zunächst  in  Fuldaer  ans  "Weingarten  stammenden  Hss 
Deckblätter  mit  Bibelfragmenten  (aus  dem  5.  Jh.)  fand,  hat  mit  Erfolg 
weiter  in  Bibl.  gesucht,  die  Weingartner  Hss  enthalten,  d.  h.  außer  F. 
und  Stuttgart  noch  in  Darm  Stadt,  Gießen  und  Haag.  Nach  Darmstadt, 
gelangten  1807  Hss  von  F.,  die  General  Thiebaut  eigentlich  für  Paris 
bestimmt  hatte  (vgl.  Bibl.  d.  chartes  LV  599). 

Glatz. 

317.  E.  Beck,  Hss  und  Wiegendrucke  der  Gj'mnasial  -  Bibl. 
Progr.  d.  kath.  G.     1892  und  1893.     31  und  36  S. 

Progr.  1892  bietet  nur  4  mittellat.  Hss  (darunter  Thomas  de 
Aquino,  Summa  secundae);  die  Fortsetzung,  die  theologische,  philo- 
sophische und  historische  Hss  nebst  denen  des  16.  und  17.  Jh.  enthalten 
soll,  hat  mir  nicht  vorgelegen. 

Görlitz. 

318.  E,.  Joachim,  Geschichte  der  ililichschen  Bibl.  Progr. 
1876.     32  S. 

Die  von  Johann  Gottlieb  Milich  1726  dem  Gymnasium  testierte  Bibl. 
enthält  (S.  XXX  f.)  einige  griech.  Hss  —  außer  dem  bei  No.  65  er- 
wähnten Lukian-Kodex,  der  dem  14.  Jh.  angehören  soll  — jüngeren  Datums: 
Aesop,  Catonis  sententiae  admonitoriae,  2ti/oi  2ißu>,Xac  x^?  epuftpaia? 
zspl  Toü  y.upiou  Tjixoiv;  an  lat.  außer  Humanisten  und  Übersetzungen 
von  Aristoteles,  Euclid  mehrere  Kirchenväter  (Augustinus,  Boethius, 
Hieronymus),  aber  auch  Ciceros  Briefe,  Porphyrius,  Sallust. 

319.  U.  Peper,  Eine  neue  Properz-Hs.  N.  Lausitzisches  Magazin 
69  (1893),  86  —  132. 

Die    dem    15.  Jh.  angehörige  Hs,    über  deren  Wert  P.  berichtet, 
befindet  sich  in  der  Bibl.  der  oberlausitzischen  Gesellschaft  der 
Wissenschaften. 
Göttingen. 

320.  Verzeichnis  der  Hss  im  preußischen  Staate.  I.  Hannover. 
1.  Göttingen,  üniversitätsbibl.  1.  Bd.  Philologie,  Litterärgeschichte 
u.  8.  w.  Berlin  1893.  IX,  587  S.  20  M.  2.  Bd.  Geschichte,  Karten, 
Naturwissenschaften,  Theologie.  Hss  aus  Lüneburg.  1893.  VIU  539  S. 
18  M.  50.  3.  Bd.  Nachlässe  von  Gelehrten.  Orientalische  Hss.  Hss 
im  Besitz  von  Instituten.     1894.     VIII  551  und  244  S.     26  M. 

Über  Plan  und  Umfang  des  ganzen  Werkes  orientiert  recht  gut 
die  Anzeige  von  Perlbach,    C.  B.  X  547—549.     Von  etwa  1900  Hss, 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Ilandschriftonkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     241 

die  "W.  Meyer  im  1.  Bande  beschreibt,  sind  264  philologisch  und  nur 
2  aus  dem  10.,  8  aus  dem  12.,  gegen  30  aus  dem  13.  und  14.  Jh.  Auf 
einen  Corvinianus  kommen  wir  bei  Budapest  zurück.  Von  den  1128  Hss 
des  2.  Bandes  gehören  eine  lat.  Übersetzung  des  Dioscorides  und  ein 
Alcuiu  dem  9.  Jh.  an,  4  theol.  Hss  dem  10.,  3  dem  11.,  2  dem  12., 
gegen  60  theologische  und  Lüneburger  Hss  dem  13.  und  14.  Im  3.  Bande 
interessieren  uns  etwa  Mss.  und  Notizen  in  Drucken  von  K.  F.  Hermann, 
Heyne  und  Sauppe. 

Gotha  (vgl.  337). 

321.  Ehwald,  Beschreibung  der  Hss  und  Inkunabeln  der  Gym- 
nasial-Bibl.  zu  G.  (nebst  Briefen  von  Eobanus  Hessus  n.  s.  w.)  Progr. 
Ernestinum  1893.     20  S. 

Außer  einem  lat.  Miscellankodex  des  15.  Jh.  mit  klass.  und 
mittelalterlichen  Werken  sind  mehrere  Hss  mit  Humanistenbriefen 
(vgl.  Progr.  189":  Schneider,  Die  Gelehrtenbriefe  der  G.  Gymn.-Bibl.) 
und  etwa  noch  Friedrich  Bergers  lexikalische  Vorarbeiten  zu  Lukian, 
Aristoteles,  Strabo  und  Polybius  zu  erwähnen. 

Halberstadt. 

322.  G.  Schmidt,  Die  Hss  der  Gymnasialbibl.  Progr.  Dom-Gymn. 
1878,  38  S.     1881,  32  S. 

Es  sind  nicht  weniger  als  220  Hss  (so  daß  sich  das  Fehlen  eines 
Index  unangenehm  bemerkbar  macht)  meist  theologischen  oder  liturgischen 
Inhaltes  (vgl. 

323.  W.  Wattenbach,  Aus  einer  Halberstadter  Hs.  Anzeiger 
für  Kunde  der  deutschen  Vorzeit.    N.  F.  25,  313-320,  345—350); 

wichtiger  sind  die  1881,  22  ff.  besprochenen  Fragmente  eines  Codex 
Theodosianus  VI/ VII.  Jh.  (vgl.  W.  Schum,  Savigny-Zeitschr.  9,  365— 
374),  -von  Priscian  aus  dem  XII.,  Ovid  ex  Ponto  aus  dem  XIII.  XIV. 
und  von  Juvenal  -  Scholien  aus  dem  XIV.  Jh.  1881  S.  32  wird  das 
Inventar  der  Hss  und  Bücher  abgedruckt,  die  von  dem  Domprobst 
Baltasar  von  Neuenstadt  1516  an  die  Dombibl.  (später  von  dieser  an 
das  Gymnasium)  kamen. 

In  der  Zeitschrift  des  Harzvereins  für  Geschichte  XXIV  531 — 543 
werden  aus  Schmidts  Nachlaß  Inventare  über  den  Nachlaß  des  Stifts- 
herrn Thomas  v.  Gerbstedt  (1442)  und  des  Domdechanten  Johann  von 
Halberstadt  (1506)  veröffentlicht;  die  Hss  sind  C.  B.  X  237  herausgehoben. 

Hamburg.  Die  60  griech.  Hss  sind  zum  Teil  ohne  Autopsie 
nach  dem  alten  hslichen  K.  bei  305  beschrieben;  sie  stammen  meist 
von  Lindenbrogius  und  Holstenius.  Die  für  letzteren  angeführte  Ab- 
handlung 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft..  Bd.  LXXXXVIII.  (1898.  ni.)         16 


242     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handscbriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

324.  H.  Omont,  Les  mss.  de  Pacius  chez  Peivesc  et  Holstenins. 
Annales  du  Midi  III  (1891)  1—20  (vgl.  ebdt.  I  316-339:  H.  Omont, 
Les  mss.  et  les  livres  annotös  de  Fabri  de  Peiresc). 

ist,  wie  C.  B.  XIII  186  konstatiert  wird,  übersehen  bei  229  S.  443  ff.,  der 
feststellt,  daß  Hamburg  das  ihm  bestimmte  Drittel  der  Holstenius-Hss 
fast  vollständig  erhalten  hat;  darunter  sind  6  von  den  25  griech.  Hss, 
die  Peiresc  von  seinem  Lehrer  Pacius  erworben  hat. 
Hameln. 

325.  Bachof,  Die  Hss  und  älteren  Drucke  der  Gymnasialbibl. 
Progr.     1876. 

S.  3 — 7  finden  wir  eine  'ältere'  Hs  der  Evangelien- Übersetzung 
des  Hieronymus  und  ein  Glossar  aus  dem  15.  Jh. 

Heidelberg;  vgl.  337  und  über  ein  im  Jahre  1622  —  1623  wurden 
die  Palatini  nach  Rom  gebracht  —  gestelltes  Anerbieten,  die  Blbl.  zu 
sichern, 

326.  B.  Erdmann  sdörf er,  Zur  Geschichte  der  Heidelberger  Bibl. 
Palatina.     Neue  Heidelberger  Jahi'b.     I  349 — 351. 

Über  den  jetzigen  Bestand  orientiert  gut  die  Einleitung  von 

327.  A.  Öchelhäuser,  Die  Miniaturen  der  Universitätsbibl.  H. 
H.,  L  1887.  Vn  und  108  S.   18  T.    30  M.    II.  1895.    420  S.  16  T. 

Unter  den  892  Hss,  die  aus  Rom  1815/16  direkt  oder  über  Paris 
zurückkamen,  sind  nur  26  griech.  und  16  lat.  (die  im  K.  der  Vaticano- 
Palatini,  No.  246,  mitaufgenommen  sind).  Lat.  Hss  religiösen  Inhalts 
finden  sich  unter  den  1826  angekauften  442  Salemitani  (aus  dem 
Kloster  Salem  oder  Salmanns weiler).  Endlich  kommen  die  140 
Trübneriani  in  Betracht.  Von  etwa  230  Miniatur-Hss  werden  bloß  die 
bedeutenden  besprochen,  griech.  und  lat.  nur  im  1.  Teil. 

Hildesheim. 

328.  J.  G.  Müller,  Nachricht  über  die  Bibl.  des  Gymnasii 
losephini.     Progr.  1876. 

S.  1 — 3  werden  dem  15.  oder  16.  Jh.  angehörige  Hss  der  Georgica 
nnd  der  Ars  poetica,  ferner  eine  aus  dem  12.  Jh.  (Ehetorica  ad 
Herennium;  Boetius,  de  syllogisrais,  differentiis  topicorum  und  de  divisione; 
Ciero,  de  imperio  Cn.  Pompei,  Somnium  Scipionis;  Symmachus  X 
22 — 69)  und  Fragmente  des  12.  (Justin),  des  12.  bis  13.  (Juvenal; 
Ovid,  Metam.;  Sallust),  endlich  des  13.  bis  14.  Jh.  (Aeneis;  Sedulius, 
Carmen  paschale)  behandelt. 

329.  Nentwig,  Die  mittelalterlichen  Hss  und  die  "Wiegendrucke 
der  Stadtbibl.  zu  H.     C.  B.  XI  345—368. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  HandschrifteDkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     245 

Die  12  Hss,    meist  theolog-ischen    oder  liturgischen  Inhalts,    sind 
ohne  besonderen  Wert. 
Ilfeld. 

330.  P.  Frey  er,  Verzeichnis  der  in  der  Bibl.  der  Klosterschule 
vorhandenen  älteren  Drucke  und  Hss.     Progr.     1876. 

Es  sind  25  Hss,  darunter  (S.  47)  ein  bereits  benutztes  Fragment 
von  Ovids  Fasten,  Annotata  ad  Virgilium,  Briefe  von  Petrus  Blesensis, 
Melanchthon  u.  a. 

Karlsruhe. 

331.  Die  Hss  der  großherz,  badisehen  Hof-  und  Landesbibl. 
in  K.  I.  Geschichte  und  Bestand  der  Sammlung  von  W.  Brambach 
K.  1891.  25  S.  in.  Die  Durlacher  und  Rastatter  Hss  beschrieben 
von  A.  Holder.  1895.  205  S.  IV.  Die  K.  Hss  (hgg.  von  Brambach) 
1896.  X  und  283  S. 

Mit  III  und  IV  (II  ist  den  orientalischen  Hss  gewidmet)  ist  der 
ältere,  kurzwegs  der  Durlacher  genannte  Bestand  abgeschlossen;  III 
enthält  einige  Kirchenväter ,  meist  aber  historische  Hss ,  IV  mehrere 
Kirchenväter  und  Klassiker.  Besonders  hervorzuheben  ist  IV  243 — 252 
K.  L.  Kaysers  Nachlaß:  Drucke  mit  hslichen  Zusätzen  und  in- 
teressante Mss.  Ausstäudig  sind  die  berühmten  Reichenauer  Hss 
(Augienses)  und  die  Codices  der  Klöster  Allerheiligen  und  St.  Blasien 
im  Schwarzwalde  (vgl.  4.  Österreich-Ungarn :  St.  Paul).  —  Ehrensbergers 
Bibl.  liturgica  ms.  ist  unter  107  erwähnt  worden. 

Köln. 

332.  A.  Decker.  Die  Hildeboldsche  Mss.-Sammlung  des  Kölner 
Doms.  Festschrift  der  43.  Philologen- Versammlung  (1895)  dargeboten 
von  den  höheren  Lehranstalten  Kölns.     215—251. 

D.  hat  Hildebolds  in  der  Registratur  des  erzbischöflichen  Ge- 
neral-Vicariats  zu  K.  verborgenen  K.  der  von  Leo  III.  Karl  dem 
Großen  übersandten  Hss  (vom  Jahre  833)  gefunden  und  veröffentlicht 
ihn  unter  Voranstellung  einiger  Notizen  über  Hildebolds  Leben.  S.  222 
werden  Bemerkungen  über  weitere  Schicksale  der  Hss  gemacht  (namentlich 
über  die  Franzosenzeit;  erst  1866  kaipen  aus  Darmstadt  191  Nummern 
ans  Domkapitel  zurück).  Die  noch  vorhandenen  Hss  werden  unter 
Angabe  der  Nummer  von  Jaffe-Watteubachs  K.  identifiziert. 

Für  Hss,  die  von  K.  nach  Darmstadt  kamen  und  nur  zum  Teile 
zurückgestellt  würden,  kommt  noch  in  Betracht: 

333.     K.  Lamprecht,  Verse  undMiniatuien  aus  einer  Evangelienhs 

des    10.  Jh.    der  K.  Dombibl.    (jetzt  Darrastädter   Hofbibl.    No.  1948). 

N.  Archiv  IX  620—623. 

16* 


244     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Ilandschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

und  ein  mir  nur  aus  C.  B.  XIV  316  bekannter  Aufsatz  von  E.  Roth  in 
den  Annaleu  des  histor,  Vereins  für  den  Niederrhein  62,  177—187. 

Die  Kölner  Stadtbibl.  besitzt  laut  C.  B.  XII  579  den  1748  von 
Peter  Wachtendunk  hsl ich  fertiggestellten  K.  des  Klosters  Sic n,  dessen 
Hss  sich  im  historischen  Archiv  der  Stadt  befinden. 

Magdeburg. 

334.  K.  Knaut,  Hss  und  alte  Drucke  der  Bibl.  des  Pädagogiums 
zum  Kloster  unserer  lieben  Frauen.  Jahrbuch  des  Päd.  N.  F. 
H.  41  (März  1877)     S.  37—48. 

Es  sind  9  meist  liturgische  Hss,  auch  ein  Kalender  mit  Malereien. 

335.  Dittmar,  Die  Hss  und  alten  Drucke  des  Dom-Gymnasiums. 
I  (Hss  1—100)  Progr.  1878,  141  S.  III  (Hss  101—285  und 
Inhaltsverzeichnis)     1880.     112  S. 

"Weitaus  die  meisten  Hss  sind  scholastisch-philosophischen  oder 
asketisch-theologischen  Inhalts  und  auf  Papier  im  15.  Jh.  geschrieben. 
Auch  unter  den  Pergament-Hss  sind  keine  sehr  alten;  die  wenigen  Mss. 
lat.  Klassiker  sind  von  geringem  Werte. 

Mai  hin  gen.  Die  von  Blau  verzeichneten,  auf  einzelne  Hss  be- 
züglichen Abhandlungen  von  Gr.  Schepps  (es  fehlt  Philol.  37,  562 — 567, 
Eine  M.  Hs  zu  Secundus  Philosophus)  sind  überholt  von 

336.  Üttingen  -  Wallersteiuische  Sammlungen  in  M.  Hss -Ver- 
zeichnis.    1.  Hälfte  hgg.  von  G.  Grupp.     Nördlingen,    1897.     36  S. 

S.  24  finden  wir  unter  der  Überschrift  'Alte  Litteratur'  21  Hss, 
die  mit  Ausnahme  von  Boethius,  de  consol.  (s.  X/XI)  und  Palladius,  de 
agricult.  (s.  X/XI)  dem  15.  Jh.  angehören.  Auch  unter  der  mittel- 
alterlichen Litteratur  ist  manches  Griechische  und  Lateinische.  Die 
theologischen  Hss  sind  der  2.  Hälfte  vorbehalten. 

Mainz. 

337.  F.  Falk,  Die  ehemalige  Dombibl.  zu  M.,  ihre  Entstehung, 
Verschleppung    und  Vernichtung.      18.    Beiheft   zum    C.    B.     (1897) 

'  V  und  175  S. 

F.  giebt  eine  Geschichte  der  Bibl,  die  1793  verbrannte  —  hierbei 
werden  Hss- Verzeichnisse  von  1654  und  1723,  letzteres  teilweise,  ab- 
gedruckt —  und  verzeichnet  die  noch  vorhandenen  Hss  nach  dem 
Alphabet  der  jetzigen  Aufbewahrungsorte:  Cassel,  Coblenz,  Gotha, 
Heidelberg,  Leydeu,  Mainz  (Seminar-  und  Stadtbibl.),  München, 
Nürnberg,  Paris  und  Würzburg.  Über  die  Autoren  giebt  nur  das 
Register  der  Personen-  und  Ortsnamen  Auskunft. 

Metz. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     245 

338.  F.  X.  Kraus,  Horae  Metenses  (Die  Hss-Sammlung  des 
Freiherrn  Louis  Numa  de  Salis)  Rhein.  Jahrb.     1880,  72—82. 

Delisle  druckte  dieses  Verzeichnis  von  142  namentlich  für  Kirchen- 
väter nicht  unwichtigen  Hss,  das  er  im  2.  Anhang  von  166  für  den 
gegenwärtigen  Verbleib  der  Saibantini  herangezogen  hatte,  Bibl.  d. 
chartes  LV  560 — 562  wieder  ab,  als  die  Freifrau  von  Salis  die  Hss 
der  Stadtbibl.  von  Metz  geschenkt  hatte. 

*339.     A.  Prost,  Notice  sur  le  baron  de  Salis.    Metz  1883, 

hat  mir  nicht  vorgelegen.  Eine  Notiz  im  Jahrbuch  der  Gesellschaft 
für  lothringische  Alterthumskunde  V  270  f.  kenne  ich  nur  aus  C.  B. 
XI  414.  Über  die  Klosterbibl.  von  St.  Vinceuz  (92  No.  122)  vgl.  die 
gelegentlich  der  Besprechung  von  303  im  C.  B.  XI  82 — 84  gemachten 
Bemerkungen. 

Michelsberg  s.  Bamberg. 

Bei  München  (s.  297  und  337)  führe  ich 

340.  R.  Roth,  Die  fürstliche  Liberei  auf  Hohentübingen  und 
ihre  Entführung  im  Jahre  1635.  Schriften  der  Universität  Tübingen 
1889.     47  S. 

deshalb  an,  weil  R.  feststellt,  welche  griech.  Hss  damals  von  Tübingen 
nach  M.  kamen.     Ein  anderer  Teil   der  Sammlung  kam  wahrscheinlich 
nach  P-ont-;\-Mousson. 
Münster. 

341.  J.  Ständer,  Chirographorum  in  regia  bibl.  Paulina 
Mouasteriensi    c.     Breslau    1889.  IX  und    197  S.  4.     12  M. 

enthält  viele  theologische,  wenige  klass.  Hss. 

Für  Murbach  sind  zu  92,  No.  123  hinzuzufügen 

342  und  343.  E.  Zarncke,  Aus  Ms.  Klosterbibl,  Commen- 
tationes  in  honorem  Guilielmi  Studemund  (Straßburg  1889)  181—209. 
—  Analecta  Murbacensia.     Philol.  XXXXVIUI  (1891)  613—628. 

344.  P.  Ingold,  Les  mss.  des  anciennes  maisons  religieuses 
d'Alsace.     Le  bibliographe  moderne  1  209  ff. 

209 — 215  und  305  wird  über  noch  (meist  in  Colmar)  vorhandene 

Hss  von  M.  berichtet. 
Osnabrück. 

345.  L.  Thyen,  Die  Bibl.  des  Gymnasii  Carolini.  Progr.  1875, 
32  S.  1876,  S.  1-23. 

Zu  nennen  sind  ein  Graduale  mit  Miniaturen  aus  dem  13.,  ein 
Augustinus  aus  dem  14.  und  ein  Cassiodor  (bist,  eccl.)  aus  dem  15.  Jh. 


246     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

346.  R.  Kuhleubeck,  Die  Bibl.  des  Ratspymnasiums.    3.  Abth. 
Progr.    1889.    22  S. 

enthält  einige  liturgische  Hss. 
Pforta. 

347.  P.  Böhme,  Nachrichten  über  die  Bibl.  der  k.  Landesschule 
P.     Progr.     1883.     40  S. 

Es  sind  etwa  35  Hss  im  engeren  Sinne,  meist  von  Kirchenvätern, 
nicht  älter  als  das  12.  Jh.,  außerdem  Mss.  von  D.  Bgen. 

Pommersfelden  s.  Erfurt. 
Posen. 

348.  Kohlm  ann,  Über  ein  Ms.  des  k.  Friedrich-Wilhelm-G.  zu  P. 
Progr.     1877. 

S.  22  f.    wird  im  Nachhange  zum  Progr.    1874  S.    11    eine  Hs 
theologischen  Inhalts  besprochen. 
Quedlinburg. 

349.  A.  Düning,    Ein  neues  Fragment    des  Qu.    Itala-Kodex. 
Progr.  1888. 

In  Einbänden  von  Qu.  Urkunden  wurden  1865  in  Magdeburg, 
1869  in  Qu.  (vgl.  W.  Schum  in  den  Theol.  Studien  und  Kritiken  vom 
J.  1876),  endlich  von  D.  in  der  Qu.  Oberpfarre  zu  St.  Servatii 
Fragmente  gefunden  (Bücher  der  Könige  und  Sam.),  die  sogar  ins 
4.  Jh.  gesetzt  werden. 

Rastatt  (vgl.  No.  331). 

350.  J.  Köhler,    Die  Hss    und  Incunabeldrucke   der  R.  Gym- 
nasialbibl.  Progr.  1886.     24  S. 

14  theologische  oder  historische  Hss  sind  von  geringer  Wichtigkeit. 

Regens  bürg.  Eine  aus  dem  Frauenkloster  Obermünster,  weiter 
vielleicht  aus  St.  Emmeran  stammende  Hs  der  Proskesche  MusikbibJ. 
(11.  Jh.)  wird  genau  beschrieben  von 

351.  J.  Stiglmayer,    Eine    alte  R.  Hs.     Prager   Studien    III 
(1894).    56  S. 

Rinteln. 

352.  Pu Ich,  Mitteilungen  aus  der  Bibl.  des  Gymnasiums.    Progr. 
1888.     17  S. 

verzeichnet  S.  2  f.  aus  älteren  Einbänden  losgelöste  Fragmente  (10.— 15. 
Jh.)  theologischen  oder  liturgischen  Inhalts. 
Roßleben. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     247 

353.  H.  Steudener,  Die  Hss  und  älteren  Drucke  der  Kloster- 
bibl.  Prosr.  1878.     13  S. 

Zu  nennen  sind    allenfalls  L.  Wilhelms  Abschriften  von  Hss  des 
Diocles,  Tereuz,  Babrius  und  Cicero  de  off. 
Salzwedel. 

354.  H.  Hempel,    Mitteil,  über  die  Hss  und  alten  Drucke  der 
Gymnasialbibl.     Progr.     1878. 

S.  2  finden  wir  3  lat.  Hss,  ein  Brevier,  ein  Missale  und  librorum 
Josuae,  Jud..  Ruth,  Esdrae,  Nehem.,  Esther  versio  mlgata. 
Was  Schlettstadt  anbetrifft,  vermisse  ich  bei  Blau 

355.  A.  Giry,    Notes    sur   un    ms.    de   la   bibl.    de  Seh.  Rev. 
phil.  III  16—18, 

der  eine  C.  D.  III   543    f.    nicht   erwähnte  Vitruv-Hs  nachträgt;    vgl. 
344  S.  378  f. 

Schiensingen. 

356.  G.  Weicker,    Nachrichten  über  die  Geschichte  der  Bibl. 
des  Hennebergischen  Gymnasiums.     Progr.  1878.     17  S. 

erwähnt  bei  Besprechung  der  einzelnen  Teile  der  Bibl.  S.  4  f.  liturgische 
Hss,  S.  6  einen  Seberianus  des  losephus ,  Hss  von  Theodorets  Psalmen- 
kommentar, Gregorius  von  Nyssa  und  von  Nazianz. 
Schweidnitz. 

357.  A.  Friede,    Verzeichnis  der  in  der  Gymnasialbibl.  befindl. 
Hss.     Progr.  1877,  20—25. 

Es   sind  7  meist  historische  fiss,  darunter  ein  Lactanz  aus  dem 
14.  Jh.  und  eine  Legendenhs. 
Stargard. 

358.  R.  Kuhnke,    Bericht   über    die    auf   der  Bibl.   des  Gym- 
nasiums .  .  .  vorhandenen  .  .  .  Hss  und  Drucke.     Progr.  1877. 

S.  1—9    werden    51    meist  theologische  Hss   (Augustinus  u.  a.) 
ohne  Altersangabe  verzeichnet. 
Steingaden  s.  297. 
Stettin. 

359.  H.  Le nicke.  Die  Hss  und  alten  Drucke  des  Marienstifts- 
Gymnasiums.     Progr.  1879.    44  S. 

Die  aus  der  Camminer  Dombibl.  stammenden  Hss  sind  theo- 
logischen oder  philosophischen  Inhalts,  meist  mittellat.;  die  Beschreibung 
reicht  zur  Identificierung  nicht  immer  aus.  Hervorzuheben  sind :  Macro- 
bius  super  sompnio  Scipionis,  Isidori  etymologiae,  Festi  breviarium 
historiae  Romanae,  Boetins  de  summo  bono. 


248     Bericht  üb.  Paläograpbie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  VVeinberger.) 

Strassburg  s.  297. 
Stuttgart  (vgl.  No.  316). 

360.  W.  V.  Heyd,  Die  Hss  der  k.  öffentlichen  Bibl.  zu  St. 
I.  Abt.  Die  historischen  Hss.  I.  Bd.  Hss  in  Folio.  St.  1889/90. 
XY  und  326  S.     II.  Bd.  Hss  in  Quarto  und  Oktav.     1891.    236  S. 

Es  sind  wenige  alte  Hss  darunter  (vgl.  die  Anzeige  in  den 
Göttinger  gel.  Anz.  1892,  178),  ebenso  v^-enige  Klassiker;  selbst  dem 
15.  Jh.  gehört  nur  ein  Achtel  der  Hss  an. 

Thorn. 

361.  M.  Curtze,  Die  Hss  und  seltenen  alten  Drucke  der  Gym- 
nasialbibl.     Progr.  1875.     40  S. 

Unter  den  52  Hss,  über  die  ein  genauer  Index  orientiert,  sind 
wenig  philologische;  dem  i2./13.  Jh.  angehörige  Fragmente  von 
Juvenal  und  Vergil  sind,  wie  in  vielen  anderen  Gymnasialbibl.,  aus 
Büchereinbänden  gezogen. 

Tilsit. 

362.  H.  Pöhlmann,  Nachricht  über  die  auf  der  Lehrerbibl.  vor- 
handenen Hss  und  alten  Drucke.     Progr.  1875  S.  28 — 36. 

Es  ist  nur  1  Hs  des  16.  Jh.  vorhanden,  die  außer  humanistischen 
Werken  Cyprian,  de  ligno  crucis  und  den  Homerus  latinus  enthält. 
Trier. 

363.  M.  Keuffer,  Beschreibendes  Verzeichnis  der  Hss  der  Stadt- 
bibl.  zu  T.  1.  Heft.  Bibel-Texte  und  Kommentare,  Trier  1888.  IX, 
und  77  S.  2.  Kirchenväter.  1892.  XIII  148  S.  3.  Predigt-Hss. 
1894.     XIV  und  166  S.     4.     Liturgische  Hss.     1897.     108  S. 

In  den  4  Heften  sind  über  500  Hss  —  manchmal  mit  zu  starker 
Betonung  von  Äußerlichkeiten  —  beschrieben.  Daß  der  Dom  schätz 
in  Trier  mindestens  1  griech.  Hs  besitze,  ergiebt  eine  mir  nur  aus 
C.  B.  Xin  138  bekannte  Abhandlung: 

364.  G.  Flügel,  K.  Hamanns  Bemerkungen  zum  Cod.  S.  Simeonis. 

365.  K.  Hamann,  Bruchstücke  einer  Sallust-Hs  in  der  Dombibl. 
zu  T.    Progr.  Johanneum  Hamburg  1893.  IV  und  10  S. 

bezieht  sich  auf  die  Deckblätter  einer  aus  St.  Godehard  in  Hildesheim 
stammenden  Hs  des  12.  Jh.,  die  Ovids  Fasti  und  einen  Kommentar  zu 
Porphyrius  enthält.  In  der  Einleitung  wird  die  Vernichtung  der  Dom- 
bibh  in  der  Franzosenzeit  und  ein  handschriftlicher  K.  von  Sauerland 
erwähnt. 

Ülzen  (Kirchenbibl.  zu  St.  Marien). 

366.  R.  Mücke,  Eine  unbeachtet  gebliebene  Hs  zu  Senecas 
Briefen.     Progr.     Ilfeld  1895.     43  S. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)      249 

bezeichnet    die  Hs  des  15.  Jh.    als  beachtenswert  für  Seneca,    wertlos 
für  Valerius  Maximus. 
Weilburg. 

367.  R.  Gropius,  Die  älteren  Hss  der  Gymnasialbibl.  Progr. 
1885,  3—15. 

5  Hss.  —  1.  Bruti  epistolae  et  Mithridatis  responsivae,  Phalaridis 
epistolae,  Xenophontis  Hiero  (lat.),  2.  und  3.  Isidori  etymologiae, 
4.  Erzählung  von  den  7  weisen  Meistern,  Gesta  ßomanorum,  ä.  Bocaccio 
(lat.)  —  werden  sehr  ausführlich  beschrieben. 

Wiesbaden. 

368.  E.  Roth,  Die  Hss  der  ehemaligen  Benediktiner-  und 
Cistercienser-Klöster  Nassaus  in  der  k.  Landesbibl.  zu  W.  Studieu 
und  Mitteil,  aus  dem  Bened.-  und  Cist.-Orden  VII  (1886)  1,  434— 
449;  2,  172—180. 

Liturgische  und  theologische  Hss  der  Klöster  Johann isberg, 
Schönau,  Eibingen  und  Eber b ach  werden  hier  genauer  beschrieben 
als  in  Lindes  wenig  übersichtlichem  K.  (W.  1877). 

Wolfenbüttel  (vgl.  S.  251). 

369.  0.  von  Heinemann,  Die  Hss  der  herzoglichen  Bibl.  zu  W. 
1.  Abth.  Die  Helmstedter  Hss.  3  Bände  (XII  und  380,  340,  280  S.) 
W.  1884—1888.  2.  Abth.  Die  Augusteischen  Hss.  2  Bde.  (XI  und 
321,  364  S.)     1890—1895. 

Der  gediegene,  mit  Abbildungen  von  Personen  und  Gebäuden 
(Herzog  August  von  Braunschweig,  Lessing-Haus)  und  mit  Schriftproben 
geschmückte  K.  enthält  verhältnismäßig  wenig  philologische  Hss. 

Würzburg  (s.  auch  337). 

370.  Die  Pergament-Hss  der  k.  Universitätsbibl.  W.  in  alpha- 
betischer Reihenfolge  verzeichnet.     W.  1886.     21  S. 

Die  Hss  gehen  bis  ins  5,  Jh.  zurück,  eine  größere  Zahl  gehört 
dem  8.  oder  9.  Jh.  au.     Aus 

371.  F.  Leitschuh,  Zur  Geschichte  des  Bücherraubes  der 
Schweden  in  W.     C.  B.  XIII  104—113 

hebe  ich  hervor,    daß  Hss  damals    nicht  geraubt  wurden.     Sie  blieben 
wohl    verwahrt,  ja  bis  1717  versteckt,  in  W. 
Wunsiedel. 

372.  P.  Willmann,  Hss  und  Frühdrucke  im  Besitze  der  k. 
bayerischen  Stadt  W.  Korrespondenzblatt  des  Gesamtvereins  der 
deutschen  Geschichts-  und  Altertumsvereine  43  (1895)  143  f. 


250     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

Es  bandelt  sich  um  einige  Hss  theologischer  und  humanistischer 
Werke;  6  stammen  aus  dem  Augustinerkloster  Lange nzenn. 

Für  die  Stiftsbibl.  von  Zeitz  endlich,  die  auch  griech.  Hss  ent- 
hält, genügt  auch  betreffs  des  Progr.  (von  Wegener  1876)  der  Hinweis 
auf  Blau  (295). 

4.    Österreich-Ungarn. 

Der  bis  1888  reichenden  Zusammenstellung  von 

373.  A.  Goldmann,  Verzeichnis  der  Österreich-ungarischen  Hss- 
K.     C.  B.  V  1-37,  55—73 

wird  um  so  weniger  hinzuzufügen  sein,  als  er  eine  verdienstvolle  Durch- 
forschung der  Klosterbibl.  vom  philologischen  Standpunkte 

374.  J.  Huemer,  Iter  Austriacum.  Wiener  Studien  IX  51 — 93 
bereits  bei  den  einzelneu  Bibl.  anführen  konnte,  ebenso 

375  und  376.  J.  Neuwirth,  Untersuchungen  über  datierte  Bilder- 
hss  österr.  Klosterbibl.  —  Studien  zur  Geschichte  der  Miniaturmalerei 
in  Ost.    S.-Ber.     Wien.  Akad.  109.  und  113.  Band. 

Über  den  Hss-Bestand  der  Bibl.  orientiert 

377.  R.  Kukula,  Statistik  der  wichtigsten  außerdeutschen  Bibl. 
der  Erde.  C.  B.  XI  111 — 124;  (Berichtigungen  und  Nachträge  mit 
Gesamtindex)XII31 1—326  (Österreich  beginnt  XI  119,  bezw.  XII 318). 

Die  Cistercienserstifte  Österreich-Ungarns  haben  in  die  Festschrift 
anläßlich  des  800.  Geburtstages  Bernhards  von  Clairvaux  K.  ihrer  Hss 
mit  guten  ludices  aufgenommen: 

378.  Xenia  Bernardina.  II.  Die  Hss-Verzeichnisse  der  Cister- 
cienserstifte.    Wien  1891.     2  Tle.     VIII  und  561,  511  S. 

Ich  werde  diese  Publikation  bei  den  einzelnen  Orten  anführen 
und  das  Vorhandensein  klass.  Hss  jedesmal  hervorheben.  Auf  Katalogi- 
sierung weiterer  Klosterbibl.  läßt  wohl  hoffen 

379.  Regulativ  für  die  Bearbeitung  von  Mss.  K.  (zunächst  der 
Bibl.  der  österreichischen  Stifte  und  geistlichen  Korporationen)  nach 
den  Vorschlägen  von  A.  Czerny,  0.  Grillnberger  und  G.  Viel- 
haber entworfen  von  der  historischen  Sektion  der  Leo-Gesellschaft, 
Wien  1895.     14  S. 

Ehe  ich  zu  den  einzelnen  Bibl.  übergehe,    erwähne  ich,  daß  bei 

380.  J.  Danko,  Vetus  hymnarium  ecclesiasticum  Hungariae. 
Leipzig  1894.     XV  und  598  S. 

S.  41—43  einige  (in  92  fehlende)  ältere  Bücherverzeichnisse  zu  finden  sind. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkundc.  (Beer  u.  Weinbergor.)     -j^l 

Bei  Budapest  versuche  ich  es,  zuvörderst  in  373  nicht  verzeichnete 
Werke  hervorhebend,  in  Kürze  über  die  Corviniani  zu  orientieren. 
Einen  guten  Überblick  über  Entstehen  und  Vergehen  der  Bibl.  des 
Mathias  Corvinus  geben 

381.  L.  Fischer,  König  Mathias  Corvinus  und  seine  Bibl.  Progr. 
Staatsuntergymn.  im  2.  Bezirk.     Wien  1878.     37  S. 

382.  A.  de  Reumont,  La  bibl.  C.  Archivio  storico  Italiano 
4.  Serie.     4.  Bd.     59—73. 

Ersterer  verzeichnet  115  Hss,  die  sich  mit  mehr  oder  weniger 
Sicherheit  auf  diese  Bibl.  zurückführen  lassen.  Anläßlich  der  Hinzu- 
fügung einer  Göttinger  Hs  giebt  ein  genaues  Litteraturverzeichnis 

383.  0.  von  Gebhardt,  Ein  Kodex  C.  in  der  Universitäts- 
bibl.  zu  G.     C.  B.  I  133—151. 

(Die  ebdt.  444 — 447  von  M.  Isler  aufgestellte  Behauptung,  daß 
eine  Hamburger  Hs  aus  der  Corviniana  stamme,  dürfte  irrig  sein.) 
Endlich  hat  ein  gründlicher  Kenner  dieser  Hss 

384.  I.  Csontosi,  Corvinische  Hss  von  Attavantes.  C.  B.  III 
209—217 

ein  genaues  Verzeichnis  von  120  Hss  nach  den  verschiedenen  Bibl.  ge- 
geben (vgl.  Ungarische  Revue  1885,  S.  540).  Er  polemisiert  zunächst 
betreffs  des  Florentiner  Miniaturmalers  A.,  der  für  Corvinus  gearbeitet 
hat,  gegen  Venturi  (Kunstfreund  1885,  310—313;  vgl.  C.  B.  III  378  f.), 
giebt  aber  auch  über  die  hierfür  nicht  in  betracht  kommenden  Hss 
summarische  Auskunft.  Einzelne  (nicht  mehr  als  3)  finden  sich  in 
Besangon,  Brüssel,  Dresden,  Erlangen,  Florenz,  Göttingen,  Jena,  Leipzig, 
London,  Madrid,  Mailand,  Paris,  Parma,  Petersburg,  Prag,  Rom,  Salz- 
burg, Stuttgart,  Thorn.  Venedig,  Verona  und  einigen  kleinen  ungarischen 
Bibl.  Betreffs  der  Hss,  die  1686  durch  den  General  Grafen  Marsigli 
von  Budapest  nach  Bologna  kamen,  ist  die  Abhandlung  von 

385.  E.  Ricotti,  Sulla  bibl.  C.  Atti  della  r.  accademia  di 
Torino  XV  (1880)  307  f. 

überholt  durch 

386.  L.  Frati,  Della  bibl.  Corvina.    Rivista  IV  7— 16. 

München  besitzt  6,  Wolfenbüttel  8,  Wien  30,  endlich  Buda- 
pest 20  Corviniani,  Die  Pester  Hss  verteilen  sich  auf  Nationalmuseum 
TJniversitäts-  und  Akademie  bibl.     Bezüglich  der  letzteren  vgl. 

387.  K.  von  Szily,  Die  Mss-Sammlung  der  ungarischen  Akademie. 
Ungarische  Revue  XII  345 — 350  (nach  A.  Jakab  in  Akademiai 
Elrtesitö). 


252     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Haadschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

Die  Corviniani  der  Universitätsbibl.  stehen  an  der  Spitze  des 

388.  C.  codicum  bibl.  Universitatis  Budapestinensis  (ed.  A.Szilägyi). 
Budapest  1881,  VIII  und  155  S.  (Der  unter  dem  Titel  C.  librorum 
mss.  bibl.  Univ.  B.  in  2  Bänden  1889  und  1891  erschienene  K.  ent- 
hält nur  ganz  junge  Hss  und  Urkunden.) 

Diese  Hss  rühren  von  der  Schenkung  des  Sultans  Abdul  Hamid 
(im  J.  1877)  her.  Die  auf  diese  bezügliche  Litteratur  ist  hier,  in  373 
und  bei 

389.  F.  Blaß,  Die  griech.  und  lat.  Hss  im  alten  Serail  zu 
Koustantinopel.     Herm.  XXIII  219—233,  622—625,  * 

einer  Abhandlung,    auf  die  wir  noch  zurückkommen,    verzeichnet.     Es 
haben  sich  nicht  alle  35  Hss  als  Corviniani  erwiesen. 
Göttweih. 

390.  H.  Muzik,  Die  Göttweiger  Hss  zu  Klassikern.  Z.  f.  öst. 
Gymn.   1896,  391—400 

hebt  aus  dem  Index  eines  handschriftlich  von  V.  Werl  1843/44  ver- 
faßten K.  die  klass.  Autoren  heraus.  Diese  sind  auch  C.  B.  XIII  417 
angeführt.     Es  handelt  sich  um  15  Hss  meist  des  15.  Jh. 

Für  Gran  vgl.  C.  B.  V  143  f. 

Heiligenkreuz  (vgl.  Wiener-Neustadt)  378,  1115—272  (auch 
einige  Klass.). 

Hohenfurt  378,  II  165—401  (auch  Klass.). 

Für  die  Studienbibl.  von  Klagenfurt  sind  die  Notizen  von 
R.  Kukula,  C.  B.  VIII  60—62  heranzuziehen.  Von  den  42  Pergament- 
hss  ist  keine    älter  als    das  12.  Jh.;    einige  patristische  sind  darunter. 

Krakau.  Der  in  373  erwähnte,  von  Korzeniowski  verfaßte  K. 
des  Czartoryskischen  Museums,  das  meist  historische  und  nur  sehr 
wenige  klass.  Hss  enthält,  ist  meines  Wissens  bis  zum  4.  Hefte  (1893) 
gediehen.  (Die  von  Wisloski  katalogisierte  Universitätsbibl.  enthält 
klass.  Hss.) 

Lemberg.  Von  Ketrzynskis  K.  des  Ossolinskiscben  Insti- 
tutes, das  einige  liturgische,  sonst  fast  nur  historische  Mss.  besitzt, 
ist  1890  der  3.  Band  erschienen. 

Lilienfeld  378,  I  480—561. 

Linz.  Über  die  lat.  Hss  der  Alumuatsbibl.  berichtet  in  aller 
Kürze  unter  Hinweis  auf  379  C.  Schiffmann,  C.  B.  XII  337. 

Melk. 

391.  C.  codicum  mss.,  qui  in  bibl.  monasterii  Mellicensis  0.  S.  B. 
asservantur.     I.    Wien,  1889.     XIII  und  362  S. 

ist  leider  bisher  unvollendet. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beeru.  Weinberger.)     253 

Olmütz. 

392.  R.  Beer,  Mitteilungen  über  die  Studienbibl.  zu  0.  C.  B. 
VII  474-481 

ergänzt  frühere  Publikationen  auf  Grund  des  handschriftlichen  K. 
Ossegg  378,  II  115-164. 
St.  Paul. 

393.  F.  X.  Kraus,  Die  Schätze  St.  ßlasiens  in  der  Abtei 
St.  P.  in  Kärnten.  Z.  f.  d.  Gesch.  d.  Oberrheins  N.  F.  IV  (1889) 
49-63. 

Nach  Aufhebung  des  Stiftes  St.  Blasieu  im  Jahre  1809  kamen 
nur  wenige  Hss  nach  Karlsruhe  (s.  d.)  oder  in  die  Schweiz,  die  meisten 
nach  St.  P.  K.  verzeichnet  nur  einige  von  etwa  300  Hss.;  ich  hebe 
hervor:  Ambrosius  de  fide  s.  VI.,  Hieronymus  in  eccles.  s.  VIII.  Er- 
freulich ist  die  Nachricht,  daß  der  gegenwärtige  Archivar  P.  Achatz 
mit  der  Herstellung  eines  neuen  Hss- Verzeichnisses  beschäftigt  ist. 

Eauduitz  (fürstl.  Lobkowitzsche  Fideikommißbibl.).  0.  v.  Geb- 
hardt  bringt  C.  B.  XIV  419  f.  eine  Berichtigung  zu  Schneiders  in 
Passows  Ausgabe  des  Dionysius  Periegetes  (Leipzig  1825.  S.  VI  Anm.) 
benutzter  Beschreibung  der  11  griech.  und  5  lat.  Hss. 

Renn  378,  I  1 — 114  (schon  früher  von  A.  Weis  in  den  Beitr. 
zur  Kunde  steiermärkischer  Gesch.  XII  1  — 142  veröffentlicht). 

Bei  Salzburg  hebe  ich  das  in  373  für  die  einzelnen  Bibl.  ange- 
führte Werk  von 

394.  K.  Foltz,  Geschichte  der  S.  Bibl.  Wien  1877.  119  S. 
einerseits  wegen  der  pal.  Details  (Schreibschule  im  9.  Jh.),  andererseits 
wegen  der  S.  104  ff.  gegebeneu  Übersicht  über  den  jetzigen  Aufbe- 
wahrungsort der  Hss  hervor.  Hierbei  werden  die  505  als  Salisburgenses 
bezeichneten  Codices  der  Wiener  Hof  bibl.  besprochen. 

395.  W.  Hauthaler,  Ein  Miscellankodex  des  9.  Jh.  C.  B.  X 
71—81 

beschreibt    eine    1889    vom    städtischen  Museum    Carolino-Augusteum 
erworbene  lat.  Pergameut-Hs  patristischen ,    bezw.  historischen  Inhalts. 

Schlierbach.     378,  II  481—511. 

Seitenstetten;  für  Miniaturen  vgl.  Ilg  im  Monatsblatt  des  Wiener 
Altertumsvereins  1894  S.  111. 

Stams.     378,  II  463—479. 

Wien.     Außer  der  Hofbibl.  (vgl.  200,  381  ff.  und  394;  von 

396.  Tabulae  codicum  mss.  praeter  graecos  et  orientales  in 
bibl.  Palatina  Viudobonensi  asservatorum.  Ed.  Academia  Vind. 
Wien  1863  ff. 


254     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Uandschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

siud  zu  den  bei  373  verzeiclineten  Bänden  hinzugekommen :  VITI  (Cod. 
14001—15500.  1893.  2G7  S.)  und  IX  (codd.  musicorum  p.  1:15501  — 
17500.     1897.     X  u.  920  S.) 

enthalten  philologische  Hss  die  k.  Fideikommißbibl.  und  die  Sammlungen 
des  Schotteustiftes  und  des  Grafen  Wilczek.  In  die  letztge- 
nannte gelangten  einige  Hss  des  Grafen  Paar;  vgl.  C.  B.  XIII  280  über 

397.  K.  der  reichhaltigen  Sammlungen  des  Herrn  Grafen  L.  Paar 
.  .  .  enthaltend  .  .  .  wertvolle  Hss  aus  dem  13. — 18.  Jh.  .  .  (Ver- 
steigerung   zu  Wien    am  20.  Februar  1896).     Wien.     IV  u.   129  S. 

Betreffs  der  Fideikommiß-Bibl.  erwähne  ich,  daß  bei 

398.  M.  A.  Becker,  Die  Sammlungen  der  vereinten  Familien- 
und  Privat-Bibl.  S.  Maj.  des  Kaisers.     I.  Wien  1873. 

S.  XV  unter  b)  Varia  einige  Klassikerhss  des  15.  Jh.  verzeichnet  sind. 
Als  brevis  nimis  elenchus  codicum  wird  das  Werk  bezeichnet  im 

399.  C.  codicum  hagiographicorum,  qui  Vindobonae  asser- 
vantur  in  bibl.  privata  serenissimi  Caesaris  Austriaci.  Anal.  BoUan- 
diana  XIV  241—262  (9  von  Johannes  Gielemans  herrührende  Bände 
sind  besonders  besprochen  S.  5 — 88:  de  codicibus  hag.  lohannis  Giele- 
mans, canonici  regularis  in  ßubea  Valle  prope  Bruxellas). 

Den  in  399  anhangsweise  beschriebenen  cod.  9373  (a.  1540) 
glaube  ich  hervorheben  zu  sollen ;  er  enthält  Bücher-  und  Hss- Ver- 
zeichnisse nicht  nur  des  erwähnten  Klosters  in  ßubea  Valle,  sondern 
überhaupt  monasteriorum  terrae  Gelrensis ,  Coloniensis ,  Clevensis, 
Traiectensis,  Brabantiae,  Flandriae,  Hannoniae,  Leodii,  Namurcii, 
Mechliniae. 

Wiener-Neustadt.  Die  Hss  des  mit  der  Abtei  Heiligenkreuz 
vereinten  Stiftes  Neukloster  zu  W.-N.  sind  verzeichnet  378,  I  273—291. 

Wilhering.     378,  n  1-114. 

Zwettl.     378,  I  294—479  (auch  einige  Klass.) 

5.    Der  Orient. 

Die  bei  Budapest  erfolgte  Erwähnung  der  Bibl.  des  Sultans 
leitet  uns  passend  zum  Orient  über,  unter  welchem  Namen  ich  Türkei, 
Griechenland,  die  Inseln  des  Agäischen  Meeres,  Kleinasien  und  Arabien 
zusammenfasse.  Die  meisten  der  in  betracht  kommenden  Bibl.  sind 
während  der  Berichtsperiode  katalogisiert  worden,  ohne  jedoch  die 
hochgespannten  Erwartungen  zu  befriedigen.  Wenn  auch  hübsche 
Funde  gemacht  wurden  —  ich  brauche  bloß  an  die  Apollodor-Fragmeute 
zu  erinnern  —  reduzieren  sich  doch  die  Tausende  von  Hss  auf  Hunderte, 
sobald  man  sich    auf  mittelalterliche  Codices    beschränkt,    auf  Zehner, 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     255 

wenn  es  sich  um  solche  des  9.— 12.  Jh.  handelt;  und  von  diesen  sind 
wenige  profanen,  fast  keine  klass.  luhalts.  Die  klass.  Hss  werde  ich 
nach  Thunlichkeit  hervorheben  und  auch  auf  die  noch  ausstehenden 
K.  aufmerksam  machen.     Die  Übersicht  von 

*400.     E.  Edwards,    Researches  for   mss.    in    the  Levant  and 
more    especially    in    the    monasteries    of    Mount    Athos.      Giovanni 
Aurispa  to  Sp.  Lambros  (1425—1880).    Library  Chronicle  I  81  -85, 
105—109 
war  mir  nicht  zugänglicli  (über  die  Bestände  vgl.  No.  377). 


Andres. 

*401.  S.  Lambros,  K.  töüv  h  tt]  xaxa  xr-jv  "A.  ixov^  t^c  'A-^iac 
Xü)3ixü)v.  'Errsnrjplc  xoü  Oapvajjoy  1898,  136 — 244. 
kenne  ich  nur  aus  Byz.  Z.  VII  464,  wo  auch  der  ungenügende,  von 
K.  Pleziotes  verfaßte,  von  A.  Meliarakes  in  den  'Yr^oiin^ixi-oi  Trepqpacpixa 
Tüiv  KuxXaotüv  vT^ciüJv  (Athen  1880)  S.  161—181  veröffentlichte  K.  er- 
wähnt wird. 
Athen. 

402.  'Iü)dtvvTjc  xal  'ÄXxiß.  laxxeXiüjv,  K.  tiuv  ystpoYpa'fujv  xfj? 
eövix^;  ßißX.  T^;  'EXXoEooc     Athen  1892.  la   u.  339  S.' 

Dieser  gute  K.  beschreibt  über  1800  (darunter  1600  griech.) 
Hss.  Der  Index  giebt  nur  über  den  Inhalt,  welcher  der  eben  gegebenen 
allgemeinen  Orientierung  entspricht,  Auskunft;  Verzeichnisse  der  früheren 
Besitzer,  der  Schreiber  u.  s.  w.  fehlen. 

Die  Hss  des  Athos  sind  katalogisiert  von  Lambros,  dessen  Rechen- 
schaftsbericht an  die  griech.  Kammer  mir  weder  im  Original 

*403.  2.  A.,  irepi  T^?  £1?  To"A7iov  ''Opo;  drosToX^;.  Athen  1880. 
noch  in  einer  der  beiden  tJbersetzungen  von  A.  Boltz  (Bonn  1881) 
oder  H.  Rickenbach  (Würzburg  1881.  32  S.)  zugänglich  war.  Zu- 
nächst erschien 

404  U.  405.  2.  A.,  K.  -rwv  Iv  xaic  ßißX.  xou  'Atiou  "Opou? 'EXXtj- 
vtxüJv  xcooixüjv.  Athen  1888.  192  S.  —  Ttepl  x(uv  7raXt|j.({<r(jxü)v  xtuoixujv 
lülv  a-f'.opeixixüJv  ßißX.  A.  1888.  20  S.  (vgl.  0.  v.  Oebhardt,  C.  B. 
VI  80  ff.). 

Hier  werden  8  von  den  18  Klöstern  behandelt,  die  L.  abge- 
schlossen hat;  es  fehlt  nämlich  der  K.  der  beiden  größten  Bibl. 
Laura  und  Vatopedi  (mit  etwa  6000  Hss).  —  Die  Palimpseste  sind 
ausschließlich  theologischen  Inhalts.  —  Erst  1895  erschien  mit  englischer 
Unterstützung,  daher  mit  doppeltem  —  englischem  und  griech.  —  Titel, 
aber  in  griech.  Sprache 


256     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Ilandschriftenkundc.  (Beer  u.  Weinberger.) 

406.  S.  L.,  C.  of  the  Greek  mss.  on  Mount  Athos.    I.  Cambridge 

1895.  VIII  u.  438  S. 

Der  1.  Baud  enthält  die  Beschreibung  von  4120  Hss,  die  den 
18  Bibl.  angehören,  aber  noch  keinen  Index.  Einzelne  Hss  auch  von 
Vatopedi  werden  besprochen  bei 

407.  Mahaffy,  Notes  from  Mount  Athos.    Atheuaeum  1889,  631. 
408  und  409).    S.  L.,  The  mss.  of  M.  A.  —   A  new  palimpsest 

on  M.  A.     Ebdt.  1889,  793  und  1890,  353. 

Kurze  Erwähnung  mögen  noch  finden: 

410.  H.  Oniont,  Lettre  de  C.  T.  de  Murr  ä  Villoison  sur  les 
bibl.  du  Mont-Athos  (1785).     Revue  II  82—85. 

411.  E.  Miller,  Le  Mont  Athos,  Vatopedi  et  l'ile  de  Thasos. 
Avec  une  notice  sur  la  vie  et  les  travaux  de  E.  Miller  par  de  Queux 
de  Saint-Hilaire.     Paris  1889.     XLHI  and  411  S. 

412  und  413.  Ph.  Meyer,  Die  Haupturkunden  für  die  Geschichte 
der  Athosklöster.  Leipzig,  Hinrichs  1894.  VIII.  und  303  S.  —  Bei- 
träge zur  Kenntnis  der  neueren  Geschichte  und  des  gegenwärtigen 
Zustandes  der  A.  Zeitschr.  f.  Kircheugesch.  XI  395 — 435, 
539—576. 

Berat. 

413a.  P.  Battifol,  Les  mss.  grecs  de  B.  d'Albanie  et  le  codex 
purpureus  O.  Archives  des  missious  scientifiques.  3.  Ser.  13.  Bd. 
437—556  (vgl.  Bibl.  d.  chartes  XL  VI  369  f.). 

413b.  A.  Alexudes,  K.  xdiv  ev  -atc  lepatc  exxXifjaiai?  tr)?  auvotxi'a? 
Kaaxpou  TToXetü?  Bepaxtou  xrj;  ixYjTpoTroXewc  BeXe^paotuv  eupioxojievcüv 
(ipyaiiov  yeipo^pajpwv.  AeXxiov  x^c  bxoptxf^c  xat  eövcXo^ix^t  sxaipiat  x^c 
'EXXaooc.     V  352—369  (vgl.  Byzant.  Zeitschr.  VII  218). 

Gephalonia. 

413c.     S.   Lambros,    Greek    mss.    in    Gephalonia.      Athenaeum 

1896,  No.  3595,  S.  389- 

Jerusalem. 

414.  A.  naT:ao6-ouXo;-K£paixsus,  'IspoJoXuixixix^  ßißX.  rjxot  x.  xojlv 
£v  xat;  ßi[iX.  xoü  d^ituxaxou  (xtiojxoXixoü  x£  xal  xaöoXixoü  raxpiapyixou 
ftpovou  xiuv  'lEpo3oX'j(Xü>v  xal  TiaaTjc  riaXa'.crxiviQC  a7rox£i!Ji.£vo>v  £XXT]vixajv 
xwoixüjv  auvxayÖEija  [jlev  xai  «ptüxoxuTzixorc  •/.o^\i.rfisXaci.  nivaEtv,  xuttoi; 
olY.rjoihhn  d(vaXa)|J.aai  xovJ  auxoxpaxopixou  OaXaiaxivou  (JUXX670U.  I. — 
III.  Bd.  Petersburg  und  Leipzig  1892—1897.  XVIII  und  623,  II 
and  894,  IV  und  440  S. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     257 

415—417.  A.  Ehrhard,  Die  griech.  Patriarchalbibl.  von 
Jerusalem.  Ein  Beitrag  zur  griech.  Paläographie.  Rom.  Quartal- 
schrift f.  Christi.  Alterth.  V  217—265,  329—331,  383  f.  VI  339— 
365.  —  Der  alte  Bestand  der  griech.  Patriarchalbibl.  v.  J.  0.  B. 
IX  441—459.  —  Das  Kloster  zum  h.  Kreuz  bei  J.  und  seine  Bibl. 
Hlstor.  Jahrb.  d.  Görresgesellschaft  XIII  158—172. 

415  giebt  zunächst  —  mit  reichen  Litteraturangaben  —  eine 
Übersicht  über  die  früheren  Bibl.  Palästinas  (besonders  hervorzuheben 
221  ff.  Caesarea;  vgl. 

418.     E.     Maaß,      Observationes     palaeographicae.       Melanges 
Graux  749-766.) 

und  die  nachweislich  ans  P.  stammenden  Hss  europäischer  Bibl. 
Über  die  letzteren  finden  sich  auch  in  414  Zusammenstellungen. 
Jetzt  hat  der  Patriarch  Nikodemus  die  Hss  von  P.  in  Jerusalem  ver- 
einigt (vgl.  416).  Zur  Bibl.  des  h.  Grabes  (414,  L;  summarischer  K. 
von  etwa  150  für  den  Philologen  allein  in  betracht  kommenden  Hss 
und  genaue  Indices  bei  415)  kommen  die  Bibl.  des  S.  Saba-  (414, 
II;  hervorzuheben  ein  Palimpsest  mit  Euripidesfragmenten ,  X.  Jh.) 
und  des  h.  Kreuzklosters  (414,  III;  summarischer  K.  von  109  Hss. 
bei  417).  Aus  einer  nicht  unbeträchtlichen  Zahl  von  Hss  sind  wert- 
volle Stücke  durch  Uspensky  in  die  Petersburger  Bibl.  gekommen. 
—  An  414  wird  die  Breite  und  geringe  Übersichtlichkeit  der  Be- 
schreibung getadelt.  Ein  4.  Band  ist  der  Bibl.  des  Grabklosters  in 
Kon  Stautino  pel  vorbehalten,  das  dem  Patriarchen  von  Jerusalem 
untersteht;  vielleicht  (vgl.  B,h.  Mus.  XLYI  161)  werden  diese  Hss 
auch  nach  J.  gebracht. 

Für  Konstantinopel  führe  ich  zunächst  an 

419.  E.  Foerster,  De  antiquitatibus  et  libris  mss.  Constautino- 
politanis  commentatio.  (Universitati  Tubingensi  saecularia  quarta 
celebranti  congratul.  univ.  Rostochiensis  .  .   1877). 

F.  veröffentlicht  ein  zwischen  1465  und  1475  verfaßtes,  im 
Tindob.  gr.  98  erhaltenes  Verzeichnis  von  H!ss  in  der  Patriarchal- 
und  anderen  (Privat-j  Bibl.  Konstantinopels.  Die  Bibl.  des  Michael 
Kantakuzenos  ist  seit  1578  verstreut;  von  den  übrigen  steht  nichts 
fest.  Zur  Bibl.  ev  tco  paioca-w  möchte  ich  eine  mir  nur  aus  C.  B.  XI 
136  bekannte  Notiz  im  Theol.  Litteraturblatt  vom  9.  Februar  1894  an- 
führen ,  nach  welcher  durch  einen  Brand  in  Rodosto  wertvolle  griech. 
Hss  (im  Jahre  1838)  vernichtet  wurden. 

420.  A.  na-aooTTOuXoc-Kspaixs'Jc,  K.  twv  Iv  Ttü  sXXyjvixw  cpiXo- 
Xo-ftxtp  suXXo-j'cp  ystpo-zpacpcuv  ßtßXiojv.  Mspo;  I.  'EXXrjViy.6;  '^1X0X070^ 
Idllo-foi.  napap-r,[j.a  Toü  x'  —  x?' -oaou.  Konstantinopel  1892,  S.  76—126. 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.  Bd.  LXXXXVIII.  (1898.  ni.)  IT 


258     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

P.  beschreibt  iu  diesem  Supplementband  der  Publikationen  der 
philologischen  Gesellschaft  in  K.  (der  2.  Teil  mit  dem  Index  steht 
meines  Wissens  noch  aus)  43  meist  junge  Hss  von  Kirchenvätern  und 
Byzantinern. 

Betrefts  der  Hss  der  Privatbibl.  des  Sultans  giebt  der  unter  389 
erwähnte  Aufsatz  von  Blaß  zunächst  das  dort  vorhandene,  auch  ander- 
weitig veröffentlichte  Verzeichnis  von  33  griech.  Hss  (über  eine  der- 
selben 

421,    R    Foerster,    Eine    Hs    des   SeraU.    Philol.    XLU    167 
-170), 

fügt  auf  Grund  eigener  Nachforschungen  7  griech.  und  7  lat. 
Hss  hinzu  und  stellt  endlich  Nachrichten  über  Hss  des  Serails  und  be- 
sonders 5  griech.  und  3  lat.  Codices  zusammen,  deren  Vorhandensein 
vor  nicht  langer  Zeit  konstatiert  ist;  vgl.  noch  den  vorläufigen  Bericht 
der  zur  Erforschung  von  Hss  ungarischen  Ursprungs  nach  K.  ent- 
sandten Kommission  in  der  Ungarischen  Revue  1889,  732 — 735. 

Lesbos. 

422.  Ma'jpo70poaT£to?  ßißX.  vjxoi  "cevixo?  Trepqpaipixoc  x.  Tuiv  Iv  xaT«; 
ava  TYjv  'AvaToXvjv  ßißX.  supiaxofJLevojv  •/etpo^pa^tuv  xaTapTicrdeiaa  xal  ouv- 
Ta7i}£rja  xax  evroXrjv  xoü  ev  Kcova-av-ivouTzoXsi  'EXXyjvixoü  cptXoX.  1uXX6'(oi> 
uuo  A.  ria-aöo-ouXou  tou  KepaixECü?.    I.  (1884 — 1888)    x'  u.  212  S. 

Die  Katalogisierung,  deren  Kosten  Theodor  Maurogordatos  be- 
streitet, erstreckt  sich  bisher  nur  auf  die  Insel  L.  Der  1.  Band  ist  (nebst 
einem  Band  Anekdota)  in  den  bei  420  erwähnten  Oapap-Y^ixaTa  (15 — 18) 
erschienen.  In  den  genauen  Indices  habe  ich  an  mittelalterlichen  Hss 
auBer  theologischen  und  byzantinischen  nur  einen  Sophokles  s.  14/15 
gefunden.     Nicht  einsehen  konnte  ich 

*423.  OaTiaooTrouXoc-K.,  aovoTZTtxri  £xf^£7t;  -aXaioYpacpixwv  ep£u- 
vüiv  l'v  Xc  K<üvj-avTtvouTOX£i  xai  £v  xaX;  '/(opat?  -oZ  Hoviou  otdt  ttjv  M.  ß 
K.  1885. 

Über  5  griech.  Hss  der  thrakischen  Stadt  Madyte  (meist  byzan- 
tinischen Inhalts,  nur  1  gehört  dem  15.  Jh.  an)  berichtet 

424.  S.  Lambros,  Notes  epigraphiques  et  pal6ographiques. 
Melanges  Graux  621—628. 

Patmos.     Der  Vergleich  des  anhangsweise  von 

425.  C.  Diehl,  Le  tresor  et  la  bibl.  de  P.  au  coramenceraent 
du  ]3e  siecle.     Byz.  Z.  I  488—525 

veröffentl leisten  K.  mit 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde,  (Beer  u.  Weinberger.)     259 

426.  I.  2axx£Xi(uv,  HaTixtaxT]  [iijilX.  Tjroi  dva^pa^'^  tcuv  ev  tt] 
pißX.  Trjc  xaxa  x^v  v^jov  II.  jjlov^j  toü  a^too  (JuouxoXou  'Iwavvou  xou  deo- 
X670U  xe&Tjcjaupiafievtuv  -/etpoYpafpwv  xeuyuiv.     Athen   1896.     340  S. 

ergiebt,  daß  seither  200  Hss  verloren  gegangen  sind.  Von  den  jetzt 
vorhandenen  267  Pergament-  und  459  Papierhss  (ein  paar  Kh\ssiker)  gehen 
nur  108,  bezw.  3  auf  den  alten  Bestand  zurück.  Die  in  425 
skizzierte  Geschichte  beginnt  mit  der  Übergabe  der  Insel  an  Christo - 
dulos,  auf  dessen  Flucht  von  Palästina,  bezw.  Latros  sich  eine  von 

427.  H.  Omont,  Note  sur  un  ms.  gree  copie  en  1050  au  mont 
Latros.     Rev.  des  6t.  grecques  I  336 — 339 

veröffentlichte  Subscriptio  bezieht. 

Sinai. 

428.  V.  Gardthausen,  C.  codicum  graec.  S.  Oxford  1886. 
VIII  und  294  S. 

Smyrna. 

429.  G.  J.  ehester,  The  greek  library  at  S.  Academy  1880, 
No.  409.     S.  178 

hebt  einige  wegen  der  Miniaturen  oder  des  Inhalts  (Byzantiner)  be- 
merkenswerte Hss  heraus,  die  übrigen  seien  ohne  Interesse. 

430.  riaTCaSoTrouXos,  "Exösaic  -spl  xuiv  Iv  x^  ßißX.  x^c  -aXaiä? 
Oüjxaia?  'EXXrjvtxüiv  ysipo^pacpcuv.     "OjxTjpoc  IV  (1876)  289 — 297 

ist  wenig  übersichtlich.  Bei  einem  x\phthonius-Codex  ersieht  man  das 
Jh.  nicht.  Papadopulos'  Aufsatz  im  Annuaire  de  l'assoc.  pour  l'en- 
couragement  des  et.  grecques  X  121  ff.  bezieht  sich  auf  eine.Hs  lexi- 
kalischen Inhalts. 

Thessalonike.  Die  aus  der  Metropolitankirche  stammende  Bibl. 
des  Gymnasiums  von  Salonichi  besprechen  außer  424  S.  624 

431.  n.  N.  naira-fetüp-fioc,  vso?  xüioi^  xpaftpöiüiv  Eupt-iöou. 
'AÖ7)vaTov  X  286-309. 

432.  S.  Lambros,  The  greek  mss.  at  Salonica.  Athenaeura 
1890.  II  451  f. 

Neben  theologischen  und  liturgischen  Hss  erscheinen  junge  Hss 
des  Achilles  Tatius,  Euripides  und  Heliodor.  In  424  wird  S.  626  auch 
die  Bibl.  du  Tsaouch-monastir  erwähnt;  unter  80  Hss  meist  byzan- 
tinischen Inhalts  findet  sich  ein  Xenophon-Codex  des  15.  Jh. 

Zante.  DaB  S.  Besobrasow  Notizen  über  56  teils  griech.  (theo- 
logische oder  liturgische),  teils  italienische  Hss  veröffentlicht  hat,  weiß 
ich  nur  aus  C.  B.  V  103. 


260     Bcriciit  üb.  Paläographic  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

6.    Der  Norden  Europas. 
Dem  von 

433.  U.  Robert,  Etat  des  c.  des  mss.  des  bibl.  de  Danemark, 
d'Island,  de  Norvege  et  de  8uede.  Cabinet  historlque  26  (1880) 
119—139  (über  die  Bestände  vgl.  No.  377) 

berücksichtigten  Gebiete  füge  ich  noch  Rußland  hinzu,  für  das  mir 
nur  wenige  Publikationen  vorliegen.  Zusammenfassend  sind  seit  dem 
Erscheinen  von  433  nur  die  gricch.  Hss  Schwedens  behandelt  worden, 
in  einer  dnrch  den  Namen  des  Verfassers  als  vortrefflich  gekenn- 
zeichneten Arbeit,  auf  die  ich  bei  den  einzelnen  Orten  verweise: 

434.  C.  Grraux,  Notices  somraaires  des  mss.  grecs  en  Suede 
(mises  en  ordre  et  complctees  par  A.  Martin;.  Archives  des  missions 
scientifiques  III.  Serie  XV  293—370. 

Kasan.     Nur  dem  Titel  nach  kenne  ich 

*434a.  A.  Artemjew,  Beschreibung  der  in  der  Universität  zu 
K.  befindlichen  Hss.     Petersburg  1883.     VIII  und  372  S. 

Kopenhagen. 

435.  C.  Graux,  Rapport  sur  les  mss.  grecs  de  C.  Archives 
des  missions  scientifiques  3.  Serie  VI  133—242. 

(auch  besonders  unter  dem  S.  140  stehenden  Titel:  Notices  sommaires 
des  mss.  grecs  de  la  bibl.  roj'ale  de  C).  Die  anhangsweise  (S.  239 
— 242)  katalogisierten  Hss  der  Universitätsbibl.  sind  im  Inhaltsverzeichnis 
nicht  berücksichtigt. 

L  inköping  s.  434. 
Moskau. 

436.  A.  "Wladimir,  Systematische  Beschreibung  der  Hss  der 
M.  Synodalbibl.    I.  Die  griech.  Hss.    Moskau  1894  (russ.)  IV,  880  S. 

Das  Werk  ist  ohne  einige  Kenntnis  der  russischen  Sprache  nicht 
zu  benutzen;  griech.  sind  fast  nur  die  Initia  angegeben.  Altere,  noch 
brauchbare  Katalogisierungsarbeiten  von  Matthiae  u.  a.  verzeichnet  die 
ausführliche  Anzeige  von  Gebhardt,  C.  B.  XIV  298—301. 

St.  Petersburg.  Die  von  A.  Halbau-Blumenstock  in  der  Deutschen 
Z.  f.  Kirchenrecht  V  219  ff.  gebotenen  Notizen  zur  Geschichte  der  k. 
Bibl.  sind  C.  B.  XII  520  excerpiert  (vgl.  über  einzelne  Erwerbungen 
ebdt.  XIII  428.  XIV  129  und  235 ;  oben  S.  257  und  No.  95,  II  S.  53  ff. 
(S.  Germain);  lat.  (historische)  Hss  verzeichnet  K.  Gillert,  N.  Archiv  V 
241— 2G5,  599—617.     VI  497-512.     Nur  dem  Titel  nach  kenne  ich 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschrift enkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)  261 

*436a.  D.  Prosorowsky,  Verzeichnis  der  alten  Hss,  welche  im 
Museum  der  k.  russ.  archäol.  Gesellschaft  aufbewahrt  werden  (russ.) 
P.  1879.     307  S. 

Reval. 

*437.  G.  V.  Hausen,  Die  Codices  mss.  und  gedruckten  Bücher 
der  R.  Stadtbibl.     R.  Beobachter  1893. 

war  mir  nicht  zugänglich;  aus  C.  B.  XI  330  ergiebt  sich  nur,  daü  31 
zum  Teil  noch  dem  13.  Jh.  angehörige  Hss  vorhanden  sind. 

Skokloster,  Stockholm  und  Upsala  s.  434,    über  einen  Zu- 
wachs von  3  griech.  Hss  in  U.  berichtet  nach  C.  B.  X  233  f. 

*438.  E.  H.  Lind,  Redogörelse  för  kongl.  Universetet  i.  U. 
(für  1891/2  S.  31—48). 


7.  Grossbritannien. 

An  die  Spitze  des  Berichtes  muß  gestellt  werden 

439.  H.  Sehen  kl,  Bibl.  patrum  lat.  Britannica.     Wien  1891  ff. 
(S.  Ber.  d.  Akad.  Bd.  121  ff.), 

da  Seh.  nicht  nur  die  patristischen  Hss  bis  zum  10.  Jh.,  sondern  alle 
lat.  Klassiker,  die  poetischen  Stücke  der  mittelalterlichen  Literatur 
und  alle  griech.  Hss  in  diese  verdienstliche  Sammlung  kurzer  Notizen 
aufgenommen  und  sowohl  die  bisher  unkatalogisierten  Bibl.  als  auch 
diejenigen,  deren  K.  unzugänglich  sind,  berücksichtigt  hat.  Seinen 
vollen  Wert  wird  das  Werk,  auf  das  ich  fortlaufend  zu  verweisen 
habe,  nach  Abschluß  des  3.  Bandes  durch  die  Indices  erhalten.  Bisher 
sind  etwa  3800  Hss  kurz,  aber  ausreichend  beschrieben.  Es  stehen 
aus  der  Abschluß  von  II  2  (fortlaufende  Nummer  2717—2984)  und 
III  2:  Die  kleineren  englischen  Bibl.  (4064  ff.).  Auch  die  mit  guten 
Indices  versehenen 

440.  Reports  of  the  Historical  Mss.  Commission.    London  1870  ff., 

die  für  historische  Hss  im  N.  Archiv  ständig  excerpiert  erscheinen,  ent- 
halten (namentlich  in  den  Einleitungen)  Notizen  über  Hss  von  Klassikern 
und  Kirchenvätern;  vgl.  oben  No.  170  und 

441.  B.  Plomer,  References  to  books  in    the  Reports    of   the 
historical  mss.  commissioners.     Bibliographica  III  142 — 155. 

Unzugänglich  war  mir 


262     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger,) 

*442.     0.  of  the  printed  books,  mss.,  autograph  letters  and  en- 
gravings  collected  by  H.  Huth.    London  1880. 

Für  die  Bestände  der  einzelneu  Bibl.,    zu  denen  wir  jetzt  über- 
gehen, kann  wieder  377  verglichen  werden. 


Aberdeen  und  St.  Andrews  s.  439  II  3  S.  35. 
Burton-upoü- Traut. 

443.     H.  Omont,    Aucieus  c.  de  bibl.  anglaises  (XIF  —  XI V« 
siecle).     C.  B.  IX  201—222. 

Bury  s.  Cambridge. 

Cambridge  ist  im  2.  Baude  von  439  behandelt.  Die  1.  Hälfte 
(S.  Ber.  136)  ist  dem  Triuity-College  (No.  2155—2472)  und  den 
neuen  Erwerbungen  der  Universitätsbibl.  (seit  Drucklegung  der 
1856  ff.  veröffentlichten  K.)  gewidmet,  die  noch  unvollständige  2.  Hälfte 
(S.  Ber.  137)  den  übrigen  Colleges.  Für  die  aus  der  Abtei  S.  Edmund 
in  Bury  (vgl.  440,  XIV  8  S.  121  ff.)  stammenden  Hss  des  Pembroke- 
C.     (No.  2489—2716)  wird  angeführt: 

*444.  E.  James,  On  the  Abbey  of  St.  Edmund  at  Bury.  Cam- 
bridge Antiquarian  Society.     8°  Publications  XXVIII  (1895). 

Derselbe  Verf.  berichtet  mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
Miniaturen  über  die  Hss  des  Fitzwilliam-Museums: 

445.  R.  J, ,  A  descriptive  c.  of  the  mss.  in  the  F.-M.  C.  1895, 
L  und  519  S. 

In  den  sehr  genauen  Indices  habe  ich  außer  mehreren  Kirchen- 
vätern auch  eine  Demosthenes-Hs  des  14/15.  Jh.  gefunden. 

446—449.  R.  J.,  A  descriptive  c.  of  the  mss.  in  the  Sidney 
Sussex  College  (1895),  in  the  library  of  Eton  C.  (1896,  142  S.), 
Jesus  C.  (1896,  130  S.),  Kings  C.  (1896,  96  S.) 

konnte    ich    infolge    unvorhergesehener    äußerer    Umstände    nicht    be- 
nutzen. 

Chatsworth. 

*450.  P.  Lacaita,  C.  of  the  library  at  Ch.  London  1879. 
4  Bände.     4. 

kenne  ich  nur  aus  der  Anzeige  in  Bibl.  d.  chartes  XL  050  ff.,  die  auch 
Klassikerhss  des  14.  und  15.  Jh.  erwähnt. 
Canterbury  s.  439,  III  1  S.  47. 


Bericht  üb.  Paläogiaphie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     263 

Cheltenham.  Ein  summaiiscber  Iv.  der  schon  bei  303  er- 
wähnten Bibl.  des  Sir  Thomas  Phillipps,  auf  die  wir  noch  mehrmals 
zurückkommen  (s.  No.  512  und  707)  steht  bei  439  I  2  (S.  Ber.  126  ff.) 
No.  909a— 2154.  Die  nach  Brüssel  verkauften  sind  mit  einem  Kreuz 
bezeichnet  und  am  Schluß  (S.  158)  zusammengestellt. 

Dublin  (Trinity-College)  s.  439,  II  3  S.  43,  441  und  459. 

Durham.  Patristische  Hss  der  Kathedralkirche  verzeichnet  auf 
Grund  des  K.  vom  Jahre  1825 

451.  K.  Zangemeister,  Bericht  über  die  im  Auftrage  der 
Kirchenväterkommission  unternommene  Durchforschung  der  Bibl. 
Englands.     S.  Ber.  d.  Wien.     Akad.  84,  485  ff. 

Edinburgh  s.  439,  II  3  S.  1. 

Exeter  s.  439  III  1  S.  45. 

Flaxley  s.  443  S.  205. 

Glasgow  s.  439,  11  3  S.  16;  zu  S.  31  wird  das  Faksimile  eines 
griech.  (Basiliusj  Codex  des  9.  Jh.  geboten. 

Holkham  s.  439,  II  3  S.  69;  vorher  hat  über  diese  Sammlung 
von  731  zum  Teil  aus  Italien  stammenden  Hss  gehandelt 

452.  R.  Foerster,  Hss  des  Earl  of  Leicester  in  H.  (Grafschaft 
Norfolk).     Philol.  XLII  158-167. 

Lanthony  (Glostershire)  s.  443  S.  207;  das  dem  14.  Jh.  ange- 
hörige  Inventar  umfaßt  nicht  weniger  als  486  Nummern. 

Lichfield.     Das  440,  XIV  8  S.  205  erwähnte  Werk  von 

*453.  I.  C.  Cox,  C.  of  the  muuiments  and  mss.  books  pertaining 
to  the  Decan  and  Chapter  of  L.  1881—1886, 

u.  *454.  C.  of  the  printed  books  and  mss.  in  the  library  of  the 
cathedral  clmrch  of  L.     London  1889.     127  S. 

waren  mir  nicht  zugänglich. 

Lincoln  s.  439,  HI  1  S.  56. 

London.  Außer  dem  britischen  Museum  kommen  in  Betracht 
Westminster  Abbey  (s.  439,  III  1  S.  51)  und  Lambeth  Palace; 
vgl.  451  S.  536  und 

455.     The  Carlyle  Mss.  in  Lambeth  Library.    London  1879. 

Nach  Notizen,  die  ich  mir  vor  Jahren  in  Rom  gemacht  habe,  ent- 
hält der  mir  augenblicklich  nicht  zugängliche  K.  auch  griech.  Hss. 

Eine  Übersicht  über  die  einzelnen  Fonds  des  britischen 
Museums  und  deren  K.  giebt  451  S.  486  f.  und  mit  Beschränkung 
auf  griech.  Hss. 


264     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Uandscbriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

456.  H.  Omout,  Notes  sur  les  mss.  ^recs  da  Br.  M.  Bibl. 
d.  chai'tes  XLV  314—350,  584; 

vgl.  die  Notiz  desselben  Verf. 

457.  H.  0.,  Deux  lettres  de  Moutfaucon  et  Wanley  sur  la  bibl. 
Harleienne  (1721).     Revue  I  242-247, 

No.  312  und  530.     Zu  deu  bei  451  verzeichneten  Bänden  von 

458.  Additions  to  the  Br.  M.  mss. 

sind  hinzugekommen  VI.  (1861—1875;  Additional-Mss.  24  027—29  909; 
Papyri,  Egerton-Mss,  u.  a.  werden  besonders  gezählt),  Index  to  the  c. 
of  Additions  in  the  years  1854—1875;  London  1880,  VII.  (1876—1881, 
No.  29  910  — 31896);  L.  1882,  VIII.  (1882  — 1887;  No.  31897— 
33  344),  L.  1889,  IX.  (1888—1893;  No.  33  345—34  526),  L.  1897. 
—  Über  die  aus  Ashburnham-Place  erworbenen  Stowe-Hss  (die  irischen 
kommen  nach  Dublin;  vgl. 

459.  M.  Thompson,  C.  of  a  selection  from  the  Stowe  mss. 
exhibited  in  the  King's  library  in  the  Br.  M.  L.  1883) 

ist  ein  besonderer  K.  erschienen,  den  ich  leider  vorläufig  nicht  ein- 
sehen konnte: 

460.  C.  of  the  Stowe -mss.  in  the  Br.  M.  I.  London  1895. 
VIII  und  823  S. 

Überdies  ist,  mit  trefflichen  Facsimiles  geschmückt,  ein  K.  der 
ältesten  Hss  des  britischen  M.  (bis  zum  Jahre  900;  einige  aus  dem 
10.  Jh.  sind  hinzugenommeu)  von  Bond  begonnen,  von  Thompson  und 
Warner  vollendet  worden; 

461.  C.  of  ancient  mss.  in  the  Br.  M.  Parti:  Greek.  L.  1881. 
IV  und  25  S.  fol.  20  T.  Part  H:  Latin.  L.  1884.  VI  und  89  S.  fol. 
61  T. 

Thompson  hat  ferner  einen  summarischen  K.  (vgl.  No.  98)  der 
klass.  Hss  begonnen: 

462.  M.  Th.,  C.  of  classical  mss.  Class.  rev.  II  102—104, 
171—174.     III  149—155. 

Bisher  sind  Hss  von  Homer,  Hesiod,  der  griech.  Lyriker,  Tragiker, 
alexandrinischen  Dichter,  der  griech.  Historiker  und  der  attischen  Redner 
behandelt. 

Oxford.  Die  von  Coxe  begonnene  K. -Serie  ist  verzeichnet 
(S.  7)  und  ergänzt  bei  439,  I  1  (Wien  1891)  No.  1—909  (S.  Ber.  121, 
123  f.);  S.  89  werden  2  griech.  Hss  nachgetragen.  Seither  sind  von 
der  erwähnten  Serie  erschienen: 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     2H5 

463.  C  codicum  mss.  bibl.  Bodleianae.  Pars  V  (fasc.  3) 
Ricardi  Rawlinson  codicum  classis  quartae  partem  priorera  com- 
plectens.  Confecit  D.  Macray.  Oxonii  1893.  —  fasc.  4  classis 
quartae  partem  alteram  complectens.     1898. 

Diese  Abteilung  (der  Miscellan-Hss)  bietet  dem  Philologen  wenig; 
die  Klassiker-Hss  von  Rawlinsou  sind  aber  bereits  verzeichnet  in  dem 
wegen   seiner  Kürze  und  Übersichtlichkeit    zu    rühmenden  Werke    von 

464.  F.  Madan,  A  summary  c.  of  Western  mss.  in  the  Bodleian 
Library  at  0.,  which  have  not  hitherto  been  catalogued  in  the  quarto 
series.  Oxford,  3.  Band.  1895.  XII  und  651  S.  IV.  1897.  XVI 
und  723  S. 

Die  beiden  ersten  Bände  sind  reserviert  für  eine  neue  Ausgabe 
des  K.  von  Bernard,  der  in  den  C.  librorum  mss.  Angliae  et  Hiberniae 
1697  erschien  (No.  1—8716).  Für  den  5.  Band  sind  die  zwischen 
1850  und  1890  erworbenen  Sammlungen  und  die  gesamten  Einzeler- 
werbungen, für  den  6.  der  Zuwachs  seit  1890  und  der  Generalindex  in 
Aussicht  genommen.  Vorläufig  ist  die  Auffindung  von  lat.  und  griech. 
Hss  in  den  erschienenen  Bänden  durch  gute  Inhaltsübersicht  in  der 
Vorrede  sehr  erleichtert.  Band  3  behandelt  die  im  18.  Jh.  (No.  8717 
—16351),  Band  4  die  von  1801  —  1851  erworbenen  Hss  (No.  16352 
—24330). 

Rochester  s.  439,  ni  1  S.  62. 

Salisbury  eröffnet  bei  439  den  K.  der  Bibl.  der  englischen 
Kathedralen  (III  1  —  1894  —  No.  3600  ff.);  es  wird  ein  nicht  im 
Buchhandel  befindlicher  K.  von 

*465.     M.  Thompson,  A  c.  of  the  books  and  mss.  in  the  library 
of  S.  Cathedral.     1882 
erwähnt. 

Winchester  s.  439,  III  1  S.  49,     York  ebdt.  S.  62. 


Anhangsweise  bemerke  ich,  daß  nach  C.  B.  III  227  seit  1885 
die  Astor-Library  in  New-York  3  klass.  Hss  besitzt  (Hesiod  Up-jT.  s.  XIII, 
Asop  und  Lucan  s.  XIVj.     Unzugänglich  war  mir 

'*466.  J.  H.  Hall,  A  hagiologic  ms.  in  the  Philadelphia  library. 
American  Journal  of  philology  VII  218—223. 

8.    Belgien  und  Holland. 

An  das  Verzeichnis  von  Hss-K.  bei 

467.     ü.  Robert,    fitat    des  c.    des  mss.  des  bibl.  de  Belgique 
et  de  Hollande.     Cabinet   historique    XXIV    (1878)  C.  196  ff.  (über 
die  Bestände  vgl.  No.  377.) 
reihen  sich  für  griech.  Hss  Arbeiten  von 


'266     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handscliriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

468  uud  469.  H.  Oniont,  C.  des  mss.  grecs  de  la  bibl.  royale 
de  Brnxelles  et  des  autres  bibl.  publiques  de  BeJgique.  Eevue  de 
linstr.  publ.  en  Belgique  1885  (ich  kenne  nur  den  61  S.  umfassen- 
den Sonderdruck).  —  C.  des  mss.  grecs  des  bibl.  publiques  des  Pays- 
Bas  (Leyde  exceptee).     C.  B.  IV  185—214. 

In  468  werden  anhangsweise  die  Hss  des  Paulinus  Bruxellensis 
und  des  Schottus  Antwerpiensis  mit  Angabe  des  jetzigen  Auf- 
bewahrungsortes ,  ferner  diejenigen  Codices  verzeichnet ,  die ,  von 
Belgien  nach  Paris  gebracht,  im  Jahre  1815  nicht  zurückgestellt 
wurden.  Aus  469  ist  das  ausführliche  Schreiberverzeichnis  (S.  186 
— 194)  und  die  ausdrückliche  Angabe  der  Bibl.,  die  keine  griech.  Hss 
enthalten,  hervorzuheben.  Auf  beide  K.  wird  bei  Besprechung  der 
einzelnen  Bibl.,  zu  der  wir  jetzt  übergehen,  verwiesen  werden. 


Amsterdam.     469  S.  195;  das  angeführte  Werk  von 

*470.     H.  C.  Rogge,  Bibl.  de  l'üniversite  d'A.     A.  1883 
kenne  ich  nicht. 

Antwerpen.  468  S.  41  ff.  bespricht  sowohl  die  Stadtbibl.  als 
auch  das  von  dem  berühmten  Buchdrucker  gegründete  Musee  Plantin- 
Moretus. 


*/. 


'=471.     M.  Rooses,  C.  du  mus6e  PL  M.     Antwerpen  1881. 
kenne  ich  nur  aus  der  Anzeige  von  Omont,  Cabinet  historique  28,  229  f., 
in  der  die  nicht  gerade  zahlreichen   klass.  Hss    ausdrücklich  angeführt 
werden, 

*472.  H.  Stein,  Les  mss.  du  musee  PI.  II.:  catalogues  de  1592 
et  1656.  Sonderabdruck  aus  dem  Messager  des  sciences  historiques 
de  Belgique  1886. 

nur  aus  der  Erwähnung  im  C.  B.  III  456. 
Brügge. 

473.  C.  codicum  hagiographicorum  bibl.  publicae  civitatis 
Brugensis.     Analecta  Bollandiana  X  453—466. 

Die  giiech.  Hss  von  Brüssel  sind  verzeichnet  bei  468,   die  lat. 
Classiker  Tetwa  180,  von  denen  ein  Viertel  dem  9.— 11.  Jh.  angehört)  bei 

474.  P.  Thomas,  C.  des  mss.  de  classiques  latins  de  la  bibl. 
royale  de  B.  Recueil  de  travaux  publies  par  la  faculte  de  philosophie 
et  lettres  de  rUniversite  de  Gand.    18.  H.  (1896)    XIV  und  111  S., 

die  hagiographischen  endlich  in 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Ilandschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     267 

475.  C.  codicum  hagiographicoruin  bibl.  regiae  B,  ediderunt 
hagiographi  BoUandiani.  2  Bände.  Brüssel  1886  und  1889.  ()14  und 
557  S.  (erschien  als  Beilage  zu  Bd.  II— VIII  der  Aualecta  Bollandiana). 

Die  Anhänge  des  ausführlichen  K.  bieten  geradezu  Anecdota. 
Hierbei  konnten  die  von  Belgien  erworbenen  Cheltenhamer  Hss 
(vgl.  Bibl.  d.  chartes  49,  694—701.  C.  B.  VI  508  ff.  und  oben  S.  263) 
berücksichtigt  werden.  Phillips  hatte  durch  Verniittelung  eines  Brüssler 
Buchhändlers  Hss  der  Benediktiner-Abtei  Saint-Ghislain  von  H.  Wins 
erworben,  der  andere  (auch  Stücke  von  Hss)  an  seinen  Sohn  vererbte. 
Eine  Ergänzung  zu  475  bietet  demnach 

476.  C.  codicum  hagiographicorum  lat.  bibl.  cl.  v.  Alphonsi  Wins. 
Anal.  Boll.  XII  409—440. 

Zu  erwähnen  ist  noch 

*477.  Th.  de  Raadt,  Le  mobilier  et  la  bibl.  d'un  riche  ecclesiastique 
au  15^  siecle.  Inventaire  de  la  maison  mortuaire  de  "Walter  Loenijs, 
chanoine  de  Sainte-Gudule  ä  B.  Annales  de  la  societe  d'archeologie 
de  Bruxelles    X  (1896)  5  ff. 

Nach  C.  B.  XIII  523  enthält  das  Inventar  außer  theologischen 
und  kanonistischen  auch  einige  klass.  Hss. 

Deventer  469  S.  199  (Cyrilli  lexicon  s.  XI). 

Gand  (K.  von  J,  de  Saint-Genois  erschien  1849 — 52). 

478.  C.  codicum  hag.  bibl.  publ.  civitatis  et  academiae  Ganda- 
viensis.     Anal.  Bolland.  III  167—216.     Appendix  IV  157—206. 

Groningen.  W.  G.  van  Haarst  berichtigt  469  im  C.  B.  IV  562 
dahin,  daß  G.  eine  griech.  Hss  der  Paulinischen  Briefe  aus  dem  15.  Jh. 
besitze. 

Haag  s.  337  und  469  S.  199. 

479.  C.  codicum  hagiographicorum  bibl.  regiae  Hagensis.  Anal. 
Boiland.     VI  161—208. 

Leeuwarden  469  S.  202;  das  hier  angeführte  Werk: 


*/1 


''480.    Systematische  Catalogus  der  Provinciale  Bibl.  van  Friesland. 
(5®  partie.     Leeuwarden  1881) 
war  mir  nicht  zugänglich. 

Leiden  (ein  K.  von  du  Rieu  und  de  Vries  soll  in  Vorbereitung 
sein);  vgl.  3.37  und 

481.     F.  Mourlot,    Les  mss.    latins  de  Melchisedec  Thevenot 
ä  la  bibl.  de  Leyde.     Revue  IV  107  —  126. 

Es  handelt   sich    um    16    griech.    und  54    lat.    Hss,    die    wahr- 


S68     Bericht  üb.  Paläogiaphie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

sclieiulich  durch  Tausch    au  Vossius    gelangten;    ein  Index    ist   nicht 
beigegeben. 

Louvain  s.  468  S.  43. 

Lüttich  (C.  des  mss.  de  la  bibl.  de  l'universite  de  Liege.     1875) 

482.  C.  codicum  hag.  bibl.  publ.  civitatis  et  academiae  Leodiensis. 
Anal.  Bolland.    V  313—364.     Appendix  365-383. 

Mons. 

483.  C.  codicum  hag.  bibl.  publ.  civ.  Montensis.    Ebdt.  IX  263 
—277. 

N  a  m  u  r. 

484.  C.  codicum    hag.  civitatis  Namurcensis.    Ebdt.  I  485—530. 
Appendix  I  609-632.     II  130—160,  279—354. 

Utrecht.  469  (S.  205)  ist  für  Datierung  wichtig,  da  die  Arbeit 
nicht  mehr  berücksichtigt  werden  konnte  von 

485.  (P.  A.  Tiele),  C.  codicum  mss.  bibl.  universitatis  Rheno- 
Trajectinae.     Utrecht  1887.     VIII  412  8. 

Es  sind  etwa  1500  Hss  nach  den  verschiedenen  (18)  Sprachen, 
innerhalb  derselben  nach  sachlichen  Gruppen  verzeichnet;  die  meisten 
sind  lat. 


Anhangsweise  erwähne  ich  noch  die  auf  21  lat.  Hss  von  Echter- 
nach  bezüglichen  Arbeiten  von 

486  und  487.  A.  Reiner s,  die  wertvollsten  Hss  der  ehemaligen 
Benediktiner-Abtei  E.  in  der  Nationalbibl.  zu  Paris.  Studien  und 
Mitteilungen  aus  dem  Benediktiner-  und  Cistercienserorden  IV  429 
— 432.  —  Les  mss.  de  l'ancienne  abbaye  d'E.  conserves  ä  la  Bibl. 
Nationale.  Publications  de  la  Societe  historique  de  Luxembourg. 
XL.  Band  (40  S.) 

und  Notizen  von  J.  M.  Stowasser  (Wiener  Studien  IX  309—322)  und 
van    der  Vliet  (Mnemosyne  XVIII  66  f.)    über  Hss   von  Luxemburg. 

9.    Frankreich. 

Der  Bericht  selbst  wird  hoffentlich  zeigen,  warum  ich  von  der 
alphabetischen  Reihenfolge  abweiche  und  zuerst  die  Pariser  Bibliotheken 
bespreche.  Nicht  weniger  als  1342  zunächst  auf  die  Bibl.  Nationale 
bezügliche  Arbeiten  verzeichnet  genau  mit  Inhaltsangabe 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Ilandschriftcnkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     269 

488.  L.  Vallee,  Bibl.  Natiouale.  Choix  de  docuraents  pour 
servir  ä  rbistoire  de  letablissemeut  et  des  ses  collectious.  Paris  1894. 
XII  und  525  S. 

Man  findet  Inhaltsangaben  der  auf  einzelne  IIss  bezüglichen,  in 
den  Noticcs  et  extraits  des  mss.  de  la  hihi.  Nationale  veröifentlichten 
Abhandlungen,  die  zu  berücksichtigen  ich  mir  nicht  beifallen  lassen 
konnte,  man  findet  eine  gute  Skizze  des  schon  unter  95  angeführten, 
für  die  Geschichte  nicht  bloß  der  Pariser  und  nicht  bloß  der  französischen 
Bibl.  (für  italienische  verweise  ich  auf  No.  157  und  199)  aul.'.erordentlich 
wichtigen  Werkes  von  Delisle,  Le  cabinet  des  »».s.v.  Ein  sachlich  ge- 
ordnetes Register  (in  488)  ermöglicht  Zusammenstellung  z.  B.  der  K. 
(unter  dem  Schlagworte:  C.  Departement  des  rass.).  Hierfür  besitzen 
wii*  eine  gleichfalls  (unter  165)  schon  angeführte  bibliographische  ITber- 
sicht  über  die  Bibl.  Nationale  von  Pierret,  einen  um  zwei  alphabetische 
Register  (der  mit  der  Bibl.  vereinigten  Sammlungen  und  der  sämtlichen 
Schriften)  vermehrten  Abdruck  zweier  Aufsätze,  von  denen  der  eine : 
Inventaire  detaille  des  c.  usuels  de  la  Bibl.  Nationale  im  Jahrgang  1889 
von  Le  livre,  der  andere:  Essai  d\me  hihliographie  historique  de  la  B.  N. 
im  2.  Bande  der  Revue  enthalten  ist.  Da  Pierret  die  K.  zwar  genau, 
aber  meines  Erachtens  nicht  übersichtlich  (S.  54  ff.,  60  ff.,  65  ff.,  68  f.) 
verzeichnet,  scheint  es  angemessen,   hier  über  dieselben  zu  orientieren. 

Au  die  alten,  bis  1744  reichenden,  auch  bei  95  II  325  ff.  ver- 
zeichneten K.,  auf  die  sich  bezieht 

489.  H.  Omont,  Le  c.  imprirae  de  la  bibl.  du  Roi  au  XVIII® 
siede.     Revue  V  102—112,  121—138. 

schließt  sich  ein  noch  vor  die  Berichtsperiode  fallendes  bei  P.  unter 
228,  bei  488  unter  343  verzeichnetes  Inventar  über  die  Erwerbungen 
von  1744—1871  (Ancien  fonds  Latin  8823—18613),  eine  Zusammen- 
fassung einzelner  Aufsätze  Delisles  in  der  Bibl.  d.  chartes,  ferner 

490  und  491.  L.  Delisle,  Inventaire  des  mss.  latins  de  la  Bibl. 
Nationale  inseres  au  fonds  des  nouvelles  acquisitions  du  l^i' 
aoüt  1871  au  pr  mars  1874.  Bibl.  d  chartes  XXXV  76—92.  — 
Mss.  latins  et  fran^ais  ajoutes  au  f.  d.  n.  a.  pendant  les  annees 
1875—1891.  Inventaire  alphabetique.  2  Teile.  Paris  1891. 
LXXXVIII,  384  und  856  S. 

Durch  491,  dessen  Vorrede  auch  über  den  Stand  der  K.  Auf- 
schluss  giebt,  ist 

492.     U.  Robert,  Inventaii'e  des  mss.  latins  de  la  B,  N.  inseres 
au  f.  d.  n.  a,    du  l^i'  mars  1874    au  Spr  decembre    1881.     Cabinet 
historique  XXVHI  52—74,  164—190,  293—296. 
größtenteils  überholt.     Die  Erwerbungen  seit  1891  verzeichnet 


270     Beriebt  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

493 — 495.  H.  Omont,  Nouvelles  acquisitions  du  d6partement  des 
mss.  de  la  B."  M.  pendant  raimee  1891/2,  1892/3, 1894/5.  Bibl.  d.  chartes 
LIIT  333-382.   LV  61—119,  241-258,   LVII  161—196,  339—372. 

In  495  sind  bereits  die  Hss  von  Verna  berücksichtigt;  vgl. 

496.  L.  Delisle,  Notes  sur  quelques  mss.  du  baron  Dauphin 
de  Verna.     Bibl.  d.  chartes  LVI  645—690 

(ich  hebe  einen  dem  13.  Jh.  angehörigen  K.  von  Val-Saint-Hugon  her- 
vor) und  betreffs  der  Konfiskation  dieser  Hss 

497.  A.  Stegert,  A  propos  des  mss.  de  la  bibl.  de  Verna. 
Lyon,  1896.     31  S.  (s.  C.  B.  XIII  271). 

Da  aus  dieser  Sammlung  weitere  Bruchstücke  des  Pentateuch 
(eigentlich  Octateuch)  von  Lyon  gewonnen  wurden,  erwähne  ich  hier 
die  an  der  Spitze  von 

498.  L.  Delisle,  Melanges  de  paleographie  et  de  bibliographie. 
Paris  1880.     507  S. 

stehende  Abhandlung :  Pentateuque  de  L.  Fehlende  Blätter  der  alten  Hss 
(6.  Jh.)  haben  sich  unter  den  Ashburnhamiani  gefunden.  —  Auf  weitere 
Abhandlungen  von  498  kommen  wir  noch  zurück. 

An  K.  von  Sammlungen,  welche  die  Pariser  Bibl.  erworben  hat 
(vgl.  337,  486  f.),  sind  für  philologische  Hss  außer  dem  unter  168  er- 
wähnten von  Ashburnham-Hss  (darunter  sehr  alte  und  wertvolle 
Codices;  vgl. 

499.  (Delisle)  Notice  d'un  choix  des  mss.  des  fonds  Libri  et 
Barrois  exposes  dans  la  salle  du  Parnasse  frauQais.  Paris  1888.    35  S.) 

anzuführen : 

500  und  501.  Delisle,  Bibl.  Bigotiana  ms.  C.  des  mss.  ras- 
sembles  au  XVIl^  siecle  par  les  Bigot,  mis  en  vente  au  mois  de 
juillet  1706,  aujourd'hui  conserves  k  la  B.  N.  Ronen  1877.  XXXII 
und  109  S.  4.  —  Inventaire  des  mss.  de  la  B.  N.,  fonds  de  Cluni. 
Paris,  1884.     184  S. 

An  den  viele  patriotische  Hss  enthaltenden  K.  501  reihe  ich 
gleich  an 

502.  C.  codicura  hagiographicorum  latinorum  antiquiorum 
saeculo  XVI.,  qui  asservantur  in  bibl.  national!  Parisiensi  edd.  hagio- 
graphi  Bollandiani.  3  Bände.  Brüssel  und  Paris,  1889—1893. 
(In  dem  von  mir  benutzten  Exemplar  sind  die  102  S.  starken  Indices 
besonders  gebunden.) 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u  Weinberger.)      271 

503.  C.  cod.  hagiogr.  graecorum.  .  edd.  liagiogr.  Bollandiani 
et  H.  Omont.     Brüssel  und  Paris  1896.     VIII  und  372  S. 

Nur  aus  488  No.  316,  bzw.  644  kenne  ich 

504.  L.  Delisle,  C.  des  mss  du  fonds  de  la  Treraoille. 
Paris  1890.     51  S. 

505.  F.  Lhui liier,  La  bibl.  et  les  bibliothöcaires  du  chäteau 
de  Fontaiuebleau  au  temps  passe.     Muux  1877.     19  S. 

504  enthält  unter  49  Hss  außer  mehreren  lat.  auch  2  griech.  — 
Die  lat.  Hss  von  Fontaiuebleau  sind  (nebst  den  französischen)  nach 
dem  Stande  unter  den  einzelnen  Königen  genau  verzeichnet  bei 

506.  E.  Quentin-Bauchart,  La  bibl.  de  F.  et  les  livres 
des  derniers  Valois  (1515—1589)  k  la  bibl.  nationale.  Paris  1891. 
234  S. 

Die  meisten  lat.  Hss  stammen  aus  der  Zeit  Heinrichs  IL,  Karls  IX. 
und  Heinrichs  II [.  Von  dem  "Werke  ist  außer  der  historischen  Ein- 
leitung, den  guten  Indices  und  den  gelungenen  Reproduktionen  hübscher 
Miniaturen  noch  der  Anhang  (S.  173—202)  hervorzuheben,  in  dem  andere 
Hss-Sammlungen  (Luise  von  Savoyen,  Margarethe  von  Angouleme,  Katha- 
rina von  Medici  (s.  No.  157),  Diana  de  Poitiers,  Margarethe  Valois) 
besprochen  werden.  Bei  diesem  Anlasse  mag  noch  kurze  Erwähnung  finden: 

507.  G.  Pelissier,  Pret  et  perte  de  mss.  de  la  bibl.  de 
Louis  XII.     Revue  III  361  f. 

Die  Notiz  illustriert  die  Verluste,  w'elche  die  Pariser  Bibl.  durch 
Entlehnungen  erlitt. 

Für  griech,  Hss  von  Fontaineble  au  kommen  in  betracht: 

508.  K.  Boysen,  Ein  K.  der  griech.  Mss.  der  Bibl.  von  F. 
Philol.  XLI  753-755, 

509  und  510.  H.  Omont,  Le  premier  c.  des  mss.  grecs  de  la 
bibl.  de  F.  Bibl.  d.  chartes  XXVII  201—207.  —  C.  des  mss.  grecs 
de  F.  sous  Frangois  I  et  Henri  IL  Paris  1889.  XXXIV  und 
469  S.  fol. 

Es  handelt  sich  hauptsächlich  um  den  von  Paläokoppa  ge- 
schriebenen, vielleicht  von  Diassorinos  concipierten  K.,  der  sich  in 
mehreren  (Pariser,  Venediger  und  Veroneser)  Hss  findet.  Da  Franz  I. 
auch  die  Hss  von  Blois  (wohin  die  Bibl.  Visconti-Sforza  zunächst 
gelangte;  oben  S.  223)  1544  nach  F.  bringen  ließ,  wird  in  510  auch  Blois 
•berücksichtigt;  vgl.  noch 


272     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

511.  H.  OmoDt,    C.  des  niss.  grecs    de   la  bibl.  de  Frangois  I 
au  chäteau  de  Blois  (1518—1544).     Paris  1886.     28  S. 

Endlich  mag,  da  Pelicier  als  französischer  Gesandter  in  Venedig 
nicht  nur  für  F.,  sondern  auch  für  sich  selbst  griech.  Hss  (gegen  300) 
sammelte,  hier  eine  Abhandlung  genannt  werden,  auf  die  wir  bei  Chelten- 
ham  verwiesen  haben: 

512.  H.   Omont,    C.    des    rass.    grecs    de     Guillaume    Pelicier. 
Bibl.  d.  chartes  XLVI  45—83,  594—610. 

Omont  aber  verdanken  wir  nicht  nur  die  Zurückführung 
eines  beträchtlichen  Teiles  der  Pariser  griech.  Hss  auf  den  Bestand 
von  F.,  sondern  auch  die  Inventarisierung  sämtlicher  griech.  Hss  Frank- 
reichs. Für  Paris  führe  ich  zunächst  eine  Übersicht  mit  vergleichenden 
Zahlenangaben  über  andere  griech.  Hsssammlungen  Europas  an: 

513.  Le  fonds  grec  de  la  Bibl,  Nat.  Bibl.  d.  chartes  XLIV  569—572. 

Gleichzeitig  erschien,  mit  tntsprechendem  Index  versehen,  ein 
Verzeichnis  des  in  dem  alten   K.  nicht  mehr  verzeichneten  Zuwachses: 

514.  Inventaire    sommaire  des  mss.    du  Supplement    grec  de 
la  Bibl.  Nat.     Paris,  Picard  1883.     XVI  und  135  S. 

Hiezu  kommen 

515.  Additions  au  Supplement  grec  de  la  Bibl.  N.  1883 — 1885 
(1011  —  1044).     Bibl.  d.  chartes  XLVI195— 198. 

516.  C.    des  mss.    grecs,    latius,    frangais    et    espagnols    et  des 
Portugals  recueillis  par  feu  E.  Miller.     Paris  1897. 

Den  wertvollen  griechischen  Hss  (suppl.  gr.  1155 — 1223),  die  in 
diesem  mit  einigen  wunderschönen  Faksimilien  gezierten  K.  verzeichnet 
werden,  stehen  nur  6  lat.  gegenüber,  die  gleichfalls  vor  der  Ver- 
steigerung für  die  Bibl.  Nat.  erworben  wurden. 

514  ist  auch  in  den  3.  Band  eines  für  knappe  Angabe  des  In- 
haltes, des  Alters  und  der  wissenswerten  Äußerlichkeiten  musterhaften 
"Werkes  aufgenommen,  das  leider  keinen  Index  hat,  des 

517.  Inventaire  sommaire  des  mss.  grecs  de  la  Bibl.  nat.  Paris, 
1886—1888. 

Das  Supplement  folgt  dort  auf  den  Abschluß  des  Aucien  fonds 
und  die  Coisliniani.  Die  C.  heißen  auch  Segueriani  nach  dem  Be- 
gründer der  Sammlung,  dessen  Enkel  Coislin,  Bischof  von  Metz,  sie 
1731  dem  Kloster  Saint  Germain  de  Pres  testierte.  In  der  Re- 
volutionszeit  (vgl.  95  II  40  ff.)  gelangten  sie  mit  den  anderen  Sanger- 


Bericht  üb.  Palüographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     273 

manenses  (zu  denen  auch  die  berühmten  Coi-beienses  —  a.  a.  0. 
104  flf.  —  gehören)  in  die  Nationalbibl.  Auf  das  Supplement  folgt  der 
Abdruck  von 

518.  Inventaire  s.  d.  mss.  grecs  conserves  daus  les  bibl.  publiques 
autres  que  la  bibl.  nat.  Bulletin  de  la  soci^te  de  l'histoire  de  Paris. 
1883,  118-125. 

Vgl.  519.  I.  s.  des  mss.  grecs  des  bibl.  Mazarine,  de  T Arsenal 
et  Sainte-Genevieve  k  Paris.     Melanges  Graux  305—320. 

Zu  den  im  Titel  von  519  angeführten  Bibl.  kommen  noch  die  Bibl. 
der  Universität,  der  medizinischen  Fakultät,  des  Instituts  und  des  Museums 
des  Louvi-e.  Im  ganzen  sind  es  54  Hss.  Nicht  mehr  als  etwa  90  griech. 
Hss  sind  in  den  Departementsbibl.  zu  finden.     Da 

520.  C.  des  mss.  grecs  des  departements.  Paris  1886.  87  S. 
(Erweiterung  zu  Cabinet  historique  1883.  193  —  208). 

nach  dem  Alphabet  der  Ortsnamen  geordnet  ist,  wird  ein  einfacher 
Hinweis  auf  520  ohne  Angabe  der  Seitenzahl  genügen.  Nur  betreffs 
der  am  Schlüsse  behandelten  Privatbibl.  des  marquis  de  ßosambri 
will  ich  gleich  hier  auf  Delisles  Notizen  (95  11  8  A.  2  und  294)  über 
die  Hss  dieser  Familie  verweisen,  in  deren  Besitz  mehrere  Pithoeani 
gelangten. 

Was  aber  die  lat.  Hss  der  außer  der  Nationale  genannten 
Pariser  Bibl.  anbetrifft,  sind  die  meisten  bereits  im  Catalogae 
general  des  mss.  des  bibl.  publiques  de  France  (Paris)  verzeichnet. 
Für  die  Bibl.  Mazarine  haben  wir  einen  4bändigen  K.  von  A.  Molinier 
(1885—1892),  für  da-s  Arsenal  von  H.  Martin  (1885  ff.;  der  7.  Bd. 
[1889]  ist  von  den  Indices  erfüllt,  der  8.  dürfte  für  die  Vorrede  reserviert 
sein,  der  9.  auf  die  Bastille  bezügliche  [von  F.  Funck-Brentano  her- 
rührende] Band  [1892]  enthält  keine  klass.  Hss),  endlich  für  Sainte- 
Genevieve  einen  2bändigen  von  Gh.  Kohler  (1893 — 1896). 

Dagegen  liegen  für  die  Bibl.  des  Instituts,  der  Universität 
und  der  Stadt  Paris  nur  kurze  Inventare  ohne  Index  vor  bei 

521,  U,  Robert,    Inventaire    sommaire    des    mss.    des  bibl.  de 
France,  dont  les  c.  n"ont  pas  6te  impiimes.    Paris,  1879  ff. 

und  zw^ar  von  F.  Bournon,  C.  des  mss.  de  la  bibl.  de  Tlnstitut  S.  455 
—510  (1890),  C.  des  mss.  de  la  bibl.  de  la  ville  de  Paris  S.  541  — 
583  (1894)  und  von  E.  Chatelain  ,  Les  mss.  de  la  bibl.  de  TUniversite 
S.  514 — 540  (1892).     Dagegen  war  mir  nicht  zugänglich 

*522.     E.  Chatelain,  Mss.  de  la  bibl.  de  lüniversite  tires  des 

depöts  litteraires.     Paris  1885,     32  S, 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.  Bd.  LXXXXVIII.  (1898.  HI.)  18 


274     Bericht  üb.  PalSograpliio  u.  Uandscliriftenkundo.  (Beer  u.  Weioberger.) 

Mit  dem  erwähnten  Inventar  der  Pariser  Studtbibliothek  wurde 
im  Jahre  1896  ein  Band  von  521  zum  Abschluß  gebracht;  doch  ist  der 
in  der  Vorrede  nach  dorn  Alphabet  der  Ortsnamen  gegebene  J<]tat  des 
c.  des  mss.  des  bibl.  de  France  nur  bis  1879  richtiggestellt.  Bis 
1884  reicht  der  im  1 .  Band  des  Bulletin  des  bibl.  et  des  archives  S.  66 
— 91  veröffentlichte  ^^tat  des  catalogues.  Sowohl  die  weiteren  Bände 
des  Bulletin  als  auch  die  einzelnen  Jahrgänge  des  Cabinet  liistorique 
bringen  kleine  Nachträge,  die  ich  niclit  immer  verzeichnet  habe.  Eben- 
sowenig habe  ich  die  ausführlichen  Anzeigen,  die  Ilaureau  fast  über 
alle  Bände  des  Catalogue  gt''nöral  im  .lournal  des  Savants  veröffentlichte, 
im  einzelnen  angeführt. 

Auf  521  ist  nur  in  den  Fällen  verwiesen,  wo  es  seither  nicht 
überholt  ist;  einerseits  muß  (wegen  des  li^tat  des  c.)  auf  dieses  Inventar 
zurückgegangen  werden,  wenn  im  folgenden  eine  Bibl.  nicht  verzeichnet 
erscheint,  andererseits  habe  ich  die  im  Catalogue  g^neral :  Departements 
angeführte  Literatur  prinzipiell  nicht  verzeichnet.  Nur  selbständige 
K.  sind  durch  Angabe  des  Verfassers  und  der  Jahreszahl  des  Erscheinens 
(in  Klammer)  kurz  erwähnt.  Die  wenigen  in  die  Berichtsperiode  fallenden 
Bände  der  älteren  Serie  sind  durch  die  beigesetzte  Jahreszahl  gekenn- 
zeichnet; ohne  solchen  Beisatz  bezeichnet  also  die  auf  C.  D.  folgende 
römische  Zahl  den  Band  der  neuen  Serie  des  C.  g(^Mi6ral :  Dc'partements. 
Wo  keine  Seitenzahl  angegeben  ist,  füllt  die  Bibl.  den  ganzen  Band. 
Ich  habe  sämtliche  in  diesem  Werke  katalogisierte  Bibl.  angeführt  — 
für  die  alphabetische  Reihenfolge  sind  nur  die  am  Anfang  des  Orts- 
namens stehenden  Formen  des  Artikels  und  des  Wörtchens  Saint(e) 
unberücksichtigt  geblieben  —  und  bloß  die  Namen  einiger  Bibl.,  die 
mir  als  unbedeutend  aufgefallen  sind,  eingeklammert.  Es  kann  von 
Wert  sein,  das  Nichtvorhandensein  klass.  Hss  in  einer  bestimmten  Bibl. 
leicht  konstatieren  zu  können;  wer  aber  nach  den  Hss  einzelner  klass, 
Autoren  sucht,  wird  sich  ohnehin  an  die  Indices  halten  und  in  jedem 
Bande  Klassiker- Hss  finden.  Für  die  Bestände  vgl.  wieder  377, 
8.   114  ff\  (bezw.  315). 

Ehe  ich  zu  den  Departements-Bibl.   übergehe,    habe    ich  die  auf 
ältere  Pariser  Bibl.  bezüglichen  Abhandlungen  von 

523  u.  524.  E.  Coyecque,  Cinq  librairies  j)arisiennes  sous 
Franrois  I  (M^moires  de  la  Societd  de  l'histoire  de  Paris).  1892  — 
Qnattre  c.  de  livres  (1519/20).     Revue  V  2—12. 

nachzutragen, 

ö24a.  H.  Omont,  C.  des  m?s.  de  la  bibl.  de  (hijas  (1574). 
Revue  hisrorique  de  droit  francais  et  6tranger  IX  232—237, 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handechriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     275 

anzuführen  und  die  Auktionskataloge  (s.  oben  S.  230)  zu  berühren.   498 
(Xin)  führt  an: 

525.  C.  de  mss.  precieux  des  XHIe-  XV*^  et  XV!«  si^cles,  dont 
la  vente  anra  Heu  le  mardi  18  mars  1879.     Paris,    Labitte.     31  S. 

Einige  dieser  Hss  gelangten  in  die  Bibl.  Nationale.  —  Nur  ver- 
einzelte Hss  enthält  (S.  2,  16) 

526.  C.  des  livres  mss.  et  imprim^s,  anciens  et  modernes,  com- 
posant  la  collection  de  feu  il.  E.  Rouard,  biblioth^caire  de  la  ville 
d"Aix-en-Prövence.    Paris  1879.     XVI  und  716  S. 

Endlich  erwähne  ich 

o27.  C.  des  mss.  conserves  aux  Archives  nationales.  Paris 
1892.     .5.32  S. 

528.     C.  des  mss.    conserves  dans  les    depots    des   archives    d6- 
paitementales,  communales    et  hospitaliers.    Paris  1887.     471  S.  — 
obwohl  sie  für  den  Philologen  wenig  bieten. 


Abbe  ville  C.  D.  IX  407  CLedieu  1886). 

Agen  6.  520  u.  C.  I).  m  217. 

(Aire-sur-la-Lys)  C.  D.  IV  301. 

Aix  (bibl.  Mejanes)  C.  D.  XVI  (über  die  Hss  von  Peiresc  s.  324). 

(Ajaccio)  C.  D.  III  139  (Touranjon  1879). 

Alais  C.  D.  Xm  353. 

Albi  s.  520  u.  C.  D.  II  467. 

Alengon  C.  D.  H  467. 

Alger  C.  D.  XVHI. 

Saint-Amand  C.  D.  IV  383. 

Saint-Amans. 

*528a.    P.  Lauzun,    Les  mss.  de  la  bibl.  de  S.  A.  Agen  1890 
(Extrait)  52.  S.     2  fr. 
habe  ich  nicht  finden  können. 

Amiens  s.  520  u.  C.  D.  XIX. 
Angouleme  C.  D.  XX  295. 
Annecy  C.  D.  XXI  213. 
Annonay  C.  D.  Xni  161. 
(Apt)   C.  D.  IV  115. 
Arbois  C.  D.  XXI  113. 

Argentan  C.  D.  X  253. 

18* 


276     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

Arles  C.  D.  XX  345. 

Arras  s.  521. 

Auch  C.  D.  IV  387. 

Aurillac  C.  D.  IX  187. 

Autun  C.  D.  VI  333. 

Auxerre  C.  D.  VI  1. 

Auxonne  C.  D.  VI  829. 

Avalion  C.  D.  VI  131. 

Avesnes  C.  D.  XX  339. 

Avignon  (musee  Calvet)  C.  D.  XXVII— XXIX  (Labande  1892). 

Die  Einleitung  berührt  auch  die  wenigen  aus  der  päpstlichen  Bibl. 
(oben  S.  227)  stammenden  Hss,  über  die  Labande  sckon  im  Bulletin 
historique  et  philol.  vom  J.  1874  gehandelt  hatte. 

Avranches  C.  D.  X  1. 

Bagueres  s.  521 . 

Bar-le-Duc  C.  D.  XXIV  461. 

(Bastia)  C.  D.  IX  393. 

Baume-les-Dames  C.  D.  VI  463. 

Bayeux  s.  520  u.  C.  D.  X  205,  271;  vgl.  die  Notizen  von  Löwen- 
feld, N.  Archiv  IX  377—380. 

Bayonne  C.  D.  IX  79. 

Beaune  C.  D.  VI  249. 

Beauvais  C.  D.  III  315. 

(Beifort)  C.  D.  XIII  279. 

Bergues  C.  D.  XXVI  653. 

Besancon  s.  520  u.  C.  D.  XXXn  (1.  Band). 
Über  die  jetzt  verstreuten  Hss  der  Cistercienser-Abtei,  von  denen 
sich  mehrere  im  Britischen  Museum  befinden,  vgl. 

529.  Gauthier,  C.  des  mss.  de  Tabbaye  Cistercienne  BesanQon 
par  Dom  G.  Pinard  (1757).     Bibl.  d.  chartes  XLII  19—29. 

530.  L.  Delisle,    Mss.    de  Pabbaye  Cistercienne  de  la  Charite 
au  musee  britannique.     Bibl.  d.  chartes  LI  372—374. 

(Bethune)  C.  D.  IUI  309. 
Beziers  C.  D.  XX  315. 

Blois  C.  D.  XXIV  .381;  vgl.  oben  No.  510  u.  511. 
8aint-Bonnet-le-Chateau  C.  D.  XXI  517. 
Bon-Port;  vgl.  Cabinet  historique  1882,  160—162. 
Bordeaux  C.  D.  XXIII  (Delpit  1880). 
Bourbonne  C.  D.  XXIV  4.53. 
Bourbourg  C.  D.  III  .389. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkuade.  (Beer  u.  Weinberger.)     277 

Bourg-en-Brisse  C.  D.  VI  215. 
Bourges  s.  520  u.  C.  D.  IV  1. 
(Bourmont)  C.  D.  IV  119. 
Brest  C.  D.  XXII  443. 
(Brian§on)  C.  D.  XX  577. 
Siiint-Brieuc  C.  D.  XIII  357. 
Biioude  C.  D.  IV  95. 
(Brive)  C.  D.  IV  159. 

Caen  s.  520  u.  C.  D.  XIV  215  (Lavalley  1880J. 
Gabors  C.  D.  IX  191. 
(Calais)  C.  D.  IIH  311. 
Saint-Calais  C.  D.  XX  279. 
Cambrai  C.  D.  XVII. 
Cannes  C.  D.  XX  573. 
Carcassonne  C.  D.  XIII  167. 
Carpeutras  s.  520. 
Castelnaudary  C.  D.  XX  307. 
Castres  C.  D.  XX  311. 
(Cette)  C.  D.  XIII  133. 
Chälons-sur-Marne  C.  D.  III  1. 
Chälon-sur-Saöne  VI  359. 

Chambery  C.  D.  XXI,  195;  dadurch  ist  überholt  das  nicht  an- 
geführte, ungenaue  Verzeichnis  von 

531.  Barbier,  Mss.  de  la  bibl.  de  C.  Revue  Savoisienne  XXI 
121—126.  ^ 

(Saiut-Chamond)  C.  D.  XIII  141. 
(Charolle-s)  C.  D.  VI  337. 
Chartres  C.  D.  XI;  überdies 

532.  C.  codicum  hagiographicorum  bibl.  civitatis  Carnotensis. 
Analecta  BoUandiana  VIII  86—208. 

Chäteaudun  C.  D.  XXI  319. 
Chäteau-Gontier  C.  D.  XX  253. 
Chateauroux  C.  D.  IX  159. 
Chateau-Thierry  C.  D.  XXIV  313. 
(Chatellerault)  C.  D.  IV  105. 
Chätillon-sur-Seine  C.  D.  VI  241. 
(La  Chätre)  C.  D.  XXVI  719. 

Chaumont  C.  D.  XXI  1;    unerwähnt   bleibt  die  mir  nicht  zu- 
gängliche Schrift  von 

*533.     J.  Carnandet,   Les  mss.  de  l'eglise  Saint-Jean-Baptiste 
de  C.  Saint-Dizier,  Carnandet  1876.     32  S. 


278     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

Cherbourg  C.  D.  X  151. 

Clamecy  C.  D.  IV  113. 

Saint-Claude  C.  D.  XXI  137. 

Clermont  de  lOise  C.  D.  XXIV  279. 

Clermont-Ferrand  C.  D.  XIV  1. 

Cluny  C.  D.  VI  341. 

Coguac  C.  D.  XXI  393. 

Compiegne  C.  D.  XXIV  549. 

Conches  C.  D.  II  357. 

(Conde-sur-Noirau)  C.  D.  X  235. 

Condom  C.  D.  XXIV  459 

(Confolens)  C.  D.  XXI  315. 

Corbeil  C.  D.  III  377. 

Corbie  (s.  oben  S.  273). 

534.  L.  Delisle,  Une  rectification  ä  Tancien  c.  des  mss.  de  C. 
Bibl.  d.  chartes  XL VII  196  f. 

Corte  C.  D.  XI  391. 

Coulommiers  C.  D.  IX  383. 

Coutances  C.  D.  X  127'. 

(Dieppe)  C.  D.  II  271. 

Dieuze  s.  521. 

Digne  C.  D.  IX  153. 

Dijon  C.  D.  V. 

(Dinan)  C.  D.  IV  107. 

Dole  C.  D.  Xin  377. 

(Domfront)  C.  D.  X  251. 

Draguignan  C.  D.  XIV  393. 

(Dreux)  C.  D.  IX  185. 

Duukerque  C.  D.  XXVI  629. 

(Elbeuf)  C.  D.  II  295. 

Epernay  s.  520  u.  C.  D.  XXIV  323. 

fitampes  C.  D.  XXIV  273. 

S.  £tienne  C.  D.  XXI  241  (Galley  1885). 

(Eu)  C.  D.  n  285. 

Evreux  s.  520  u.  C.  D.  II  379. 

Falaise  C.  D.  X  237. 

(Fecamp)  C.  D.  II  289. 

(La  Ferte-Bernard)  C.  D.  IX  90. 

Flavigny.     Nnr  dem  Titel  nach  kenne  ich 

*535.  L.  Delisle,  Deux  rass.  de  labbaye  de  F.  au  X^  slMe. 
Memoires  de  la  Commission  des  antiquites  de  la  Cote  dOr,  9.  Band 
(Dijon  1887). 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handsclriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger. 

Flers  C.  D.  X  249. 
Fleury  s.  Orleans. 
Foix  s.  521. 

Fontainebleau  C.  D.  (VI  205)  u.  XXIV  295;  vgl.  oben 
No.  505—510. 

(Fougeres)  C.  D.  XIII  265. 

Frejus  C.  D.  XIV  409. 

S.  Frond.     UnzugäDglich  ist  mir 

*536.     S.  Bormans,  Les  mss.  de  Tabbaye  de  S.  Frond  en  1538. 
Bulletin  de  la  Societe  des  bibliophiles  liegois  1889. 

Gaillon  vgl.  Cabinet  historique  1882,  155 — 163. 

Gap  C.  D.  III  381. 

(Saint-Genies)  C.  D.  XIII  139. 

S.  Germain-en-Laye  C.  D.  IX  199. 

(Gien)  C.  D.  XXIV  293. 

(Gournay-en-Bray)  C.  D.  II  297. 

(Grasse)  C.  D.  XIV  423. 

Gray  C.  D.  VI  389. 

Grenoble  C.  D.  VH. 

Gueret  C.  D.  IV  161. 

(Guingamp)  C.  D.  XX  277. 

Ham  C.  D.  XXVI  715. 

Le  Havre  C.  D.  II  299. 

(Hesdin)  C.  D.  IV  331. 

(Honfleur)  C.  D.  X  265. 

Hyeres  C.  D.  IX  385. 

(Issoudun)  C.  D.  IV  93. 

Joigny  C.  D.  VI  135. 

(Lagny)  C.  D.  IX  381. 

Lamballe  C.  D.  IV  109. 

Langres  C.  D.  XXI  65. 

(Lannion)  C.  D.  XXIV  264. 

Laon  s.  520. 

Laval  C.  D.  IV  349. 

Lavaur  C.  D.  XX  313. 

(Lectoure)  C.  D.  XIII  135. 

Libourne  C.  D.  IV  117. 

Lille  C.  D.  XXVI  1. 

Limoges  C.  D.  IX  445.  Die  Hss  der  Abtei  Saint-Martial  zu 
L.  sind  im  18.  Jh.  in  die  Bibl.  Xat.  gekommen;  den  Wiederabdruck 
des   1730    veröffentlichten  K.    durch  Delisle    im  Bulletin  de  la  Societe 


280     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

lU'cheologique  et  historique  da  Limousin  1895  kenne  icli  nur  aus  C.  B. 
Xn  477. 

Lisieux  C.  D.  X  259. 

(Saint-Lo)  C.  D.  X  267. 

Loches  C.  D.  XXIV  415. 

Lons-le-Saulnier  C.  D.  XXI  123. 

(L Orient)  C.  D.  XXIV  263. 

(Louhans)  C.  D.  XXI  193. 

Louviers  C.  D.  11  365. 

Luneville  C.  D.  XXI  173. 

(Lure)  C.  D.  IX  49. 

Lyon  s.  520  u.  521;  leider  habe  ich  weder 

*537.    Soultrait,  Les  mss.  de  la  Cathedrale    de  L.  Revue    du 
Lyonnais  1883 

noch  die  Arbeiten  von  L.  Niepce  gesehen,  der  in 

*538.     L.  N.,  Les    bibl.  anciennes    et  modernes  de  L.  L.  1876. 
632  S. 

und,  wie  es  scheint,  gleichzeitig  in  der  Revue  du  Lyonnais,  ferner  an 
No.  498  anknüpfend  in 

*539.     L.  N.,    Mss.    de  L.  et  memoire  sur  un    de    ces  mss.,    le 
Pentateuque  du  VIe  siecle.  L.  1879.  XII  u.  190  S. 

über  verschiedene  Bücher-  und  Hss-Sammlungen  Lyons  in  früherer  und 
in  gegenwärtiger  Zeit  gehandelt  hat.  Nach  Litteraturgattungen  ist  unter 
Verweis  auf  die  einzelnen,  meist  geistlichen  Bibl.  geordnet  das  Ver- 
zeichnis von 

540.  J.  B.  Martin,    Inventaire    methodique    de  mss.  conserves 
dans  les  bibl.  privees  de  la  region  Lyonnaise.  Revue  VII  471 — 495. 

Mäcon  s.  520  u.  C.  D.  VI  345. 
Saint-Malo  C.  D.  XX  261. 
(Mamers)  C.  D.  Xm  159. 
Le  Mans  C.  D.  XX  1;  überdies 

541.  C.    codicum    hagiographicorum    bibl.    publ.   Cenomanensis. 
Anal.  Bolland.  XII  43—73. 

Mantes  C.  D.  XX  521 
Marseille  s.  520  u.  C.  D.  XV. 
(Manriac)  C.  D.  XIII  157. 
Meaux  C.  D.  m  331. 
Melun  C.  D.  III  357. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     281 

Mende  C.  D.  IV  371. 
(Sainte-Menehould)  C.  D.  XXI  153. 
Merville.     Unzugänglich  war  mir 

*542.    C.  Doudis,  Les  rass.  du  chäteau  de  M.  Toulouse-Paris  1890. 
177  S. 

Meziöres  s.  521. 
S.  Mihiel  s.  520. 
Mirecourt  C.  D.  IX  467. 
(Moissac)  C.  D.  XIII  143. 
Montargis  C.  D.  XX  565. 
Montauban  s.  521. 
(Montbard)  C.  D.  VI  293. 
Montbeliard  C.  D.  XIII  285. 
Montbrison  C.  D.  XXI  489. 
(Mont-de-Marsau)  C.  D.  XXIV  291. 
Montivilliers  C.  D.  II  539. 
Moutpeilier  s.  520. 
(Moutreuil-sur-Mer)  C.  D.  XXIV  271. 
(Morlaix)  M.  D.  XIII  267. 
Mortain  C.  D.  X  269. 
Moulins  C.  D.  in  173. 

Nancy  C.  D.  IV  121;  nicht  erwähnt  finde  ich  die  mir  nicht  zu- 
gänglichen Schriften  von 

*543.  D.  A.  Godron,  La  bibl.  publique  de  N.  et  Tacademie  de 
Stanislas.  N.,  Berger-Levrault  1877.     14  S. 

*544.  J.  Favier,  Coup  d'oeil  sur  les  bibl.  des  couvents  du  district 
de  N.  pendant  la  revolution,  ce  qtfelles  etaient  et  ce  qu'elles  sont 
deveuues.     N.  1883.     60  S. 

Nantes  C.  D.  XXII  1. 
Nantua  C.  D.  VI  235. 
Narbonne  s.  520  u.  C.  D.  IX  91. 
Nemours  C.  D.  VI  211. 
Neufchäteau  C.  D.  XXIV  437. 
Neufchätel-en-Bray  C.  D.  II  347. 
Nevers  C.  D.  XXIV  507. 
Nice  C.  D.  XIV  433. 
Nimes  C.  D.  VII  (1885)  529. 
Nogent-le-Eotrou  C.  D.  XX  325. 
(Nogent-sur-Seine)  C.  D.  XXI  457. 
Noyon  C.  D.  III  369. 


282     Bericht  üb,  Paläographie  u.  HandschrifteDkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

(Olorou)  C.  D.  XIII  137. 

Orleans  s.  520  u.  C.  D.  XII. 

Auf  Libris  Entwendungen  (vgl.  No.  166  if.)  bezieht  sich 

545.     L.  Delisle,    Notice    sur   plusieurs   mss.   de   la  bibl.  d'O. 
Notices  et  extraits  de  mss.  de  la  bibl.  Nat.  XXXI  1,  357 — 439. 

Der  im  Anbang  S.  426  gegebene  K.  des  Benediktinerklosters 
Fleury,  dem  die  meisten  Hss  von  0.  entstammen  (vgl.  C.  Cuissard,  Inven- 
taire  des  mss.  de  la  bibl.  d'O.,  fonds  de  Fl.  0.  1880.  XXXV  u.  274  S.) 
ist  abgedruckt  im  Anzeiger  für  Bibliographie  1884,  269—281.  Er  ge- 
hört dem  Jahre  1552  an. 

(Pamiers)  C.  D.  XXI  313. 

Pau  C.  D.  XI  65;  nicht  zugänglich  war  mir 

*546.    L.  Soulice,  Notice  sur  la  bibl.  du  chäteau  de  P.  Bulletin 
de  la  societe  des  sciences  ...  de  P.  2.  Serie,  22.  Band  (1894). 

Perigueux  C.  D.  IX  127. 
Peronne  C.  D.  XXVI  707. 
Perpignan  s.  520  u.  C.  D.  XIII  77. 
Perrecy. 

547.     P.  Lejay,  Catalogues  de  la  bibl.  de  P.  (XP  siecle).    Revue 
VI  225-236. 

(Pithiviers)  C.  D.  XIII  273. 
Poitiers  s.  520  u.  C.  D.  XXV  1. 
Saint-Pol  C.  D.  IV  323. 
Poligny  C.  D.  XXI  131. 
Pont-a-Mousson  (vgl.  340)  C.  D.  XIII  69. 
Pontarlier  C.  D.  IX  51. 

547.     J.  Gauthier,  Notice  sur  les  mss.  de  la  bibl.  publique  de 
P.    Bibl.  d.  chartes  XLV  58—72. 

stellt  fest,  daß    die  Hss  aus  Mont  Sainte-Marie  stammen.     Es  sind 
22  vorhanden,  während  im  Jahre  1803  Michaud  42  beschrieb. 

Pont-Audemer  C.  D.  X  401. 

(Pont-de-Vaux)  C.  D.  VI  239. 

Pontoise  C.  D.  IX  211. 

Privas  C.  D.  IV  347. 

Provins  C.  D.  III  261. 

Le  Puy  C.  D.  Xni  373. 

Saint-Quentin  C.  D.  III  225. 

Quimper  C.  D.  XXII  425. 

Rambervillers  C.  D.  XIII  67. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     283 

Reims  s.  520;  nicht  zugänglich  war  mir 

*548.  H.  Jadart,  Les  anciennes  bibl.  de  R.,  leur  sort  en  1790/91 
et  la  forraatioD  de  la  bibl.  publique.    R.  1891.     42  S. 

Remiremont  C.  D.  XXI  159. 

Rennes  s.  550  u.  C.  D.  XXIV  1. 

Roanne  C.  D.  XXI  501. 

Rochefort-sur-Mer  C.  D.  XXI  221. 

La  Rochelle  C.  D.  Vm  (Delayant  1878). 

La  Roche-sur-Yon  C.  D.  XIII  275. 

Rodez  C.  D.  IX  219. 

Roubaix  C.  D.  IV  335. 

Rouen  s.  520  u.  C.  D.  I,  II  1  ff. 

Roye  C.  D.  XXVI  675. 

Saintes  C.  D.  XHI  255. 

Salins  C.  D.  IX  1. 

Saumur  C.  D.  XX  285. 

Sedau  C.  D.  XIII  75. 

Seilhac  C.  D.  XX  331. 

Semur  C.  D.  VI  295. 

Senlis  C.  D.  XXIV  289. 

Sens  C.  D.  VI  147. 

Soissons  C.  D.  in  69. 

Tarascon  C.  D.  XIV  475. 

(Thiers)  C.  D.  XIII  151. 

Tonnerre  C.  D.  VI  101. 

Toul  C.  D.  XXI  155. 

Toulon  C.  D.  XIV  381. 

Toulouse  s.  520  und  C.  D.  VII  (1885). 

549.  M.  Fournier,  Les  bibl.  des  Colleges  de  l'üniversite  de  T. 
Bibl.  d.  chartes  LI  443—476 

bietet  sehr  genaue  Hssk.  des  14.  u.  15.  Jh. 
Tournus  C.  D.  VI  381. 
Tours  s.  520  (guter  K.  von  Dorange  1876); 

550.  H.  Omont,  Lettres  de  Dom  Le  ChevaUier  ä  Montfaucon 
relatives  ä  des  mss.  grecs  de  T.  Bibl.  d.  chartes  LIV  725 — 728. 

bezieht  sich  auf  nicht  mehr  in  T.  vorhandene  Hss;  für  die  Entwendungen 
Libris  (No.  166  ff.  und  545)  vgl.  die  wichtige  Abhandlung  von 

551.  L.  Delisle,  Notice  sur  les  mss  disparus  de  la  bibl.  de  T, 
pendant  la  premiere  moitie  du  XIX^  siecle.  Notices  et  extraits  de 
mss.  de  la  Bibl.  Nat.  XXXI  1,  157—356. 


284     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

(Trevoux)  C.  D.  VI  237. 
Troyes  s.  520  und  217  ff. 
(Tülle)  C.  D.  XIII  153. 
(Uzes)  C.  D.  XIII  165. 
Valeoce  C.  D.  Xin  145. 
Valenciennes  C.  D.  XXV  188. 
Valognes  C.  D.  X  137. 
Vannes  C.  D.  XX  269. 
Vendome  C.  D.  III  393. 

Verdun.  Den  alten  K.  einer  Hss-Sammliiug,  deren  Reste  sich 
jetzt  in  der  Stadtbibl.  befinden,  druckt  ab 

552.  D.  U.  Berliere,  Les  mss.  de  Tancienne  abbaye  de  Saint- 
Vanne  de  V.  Le  bibliographe  moderne  I  (1897)  295—308. 

Verneuil  C.  D.  II  375. 

Versailles  C.  D.  IX  241. 

Vesoul  C.  D.  VI  401. 

Vienne  C.  D.  XXI  525. 

(Villefranche)  C.  D.  XX  267. 

Villeneuve-sur-Yonne  C.  D.  IX  443. 

Vire  C.  D.  X  415. 

Vitre  C.  D.  XXIV  266. 

Vitry-le-Frangois  s.  520  u.  C.  D.  XIII  1  (HereUe  1877). 

Yonne.     Nicht  zugänglich  war  mir 

553.  M.  Quantin,  Les  bibl.  des  etablissements  religieux  k  VY. 
Bull,  de  la  Societe  des  sciences  d'Auxerre  Bd.  XXIX  (1877). 

10.  Spanien  und  Portugal. 

Die  von  Beer  (s.  oben  S.  187)  übernommene  Abfassung  dieses 
Abschnittes  muß  leider  infolge  unvorhergesehener  äußerer  Umstände 
dem  nächsten  Berichte  vorbehalten  bleiben;  jedoch  kann  vorläufig  auf 
dessen  einschlägiges  Werk 

554.  R.  Beer,  Hssschätze  Spaniens.  Wien  1894.  755  S. 
(S.-Ber.  d.  Wien.  Akad.     Bd.  124—126,  128  f.  und  131) 

venv'iesen  werden,  in  dem  nach  dem  Alphabet  der  Bibl. -Namen  hsl. 
und  gedruckte  K.  und  sonstige  Litteratur  verzeichnet  und  hierbei  unter 
anderen  Werken  verwertet  sind: 

555  und  556.  C.  Graux,  Rapport  sur  une  niission  en  Espagne. 
Archives  des  missions  scientifiques.  3.  Serie  V  111 — 136.  —  Essai 
sur  les  origines  du  fonds  grec  de  l'Escnrial.  Paris  1881  (Bibl. 
de  Tecole  des  hautes  etudes). 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     285 

557.  Hartel-Loewe,  Bibl.  patrura  lat.  Hispaniensis.  Wien  1887. 

Zu  555  ist  zu  bemerken,  daß  von  44  Bibl.  (12  in  Madrid)  15 
zusammen  443  griech.  Hss  enthalten,  zu  556  zu  vergleichen: 

558.  H.  Omont,    Coraplement  du  c.  des  mss.  grecs  de  la  bibl. 
royale  de  Madrid,     Revue  VII  149—154. 

554  bietet  außer  einem  sehr  genauen  Namen-  und  Sachindex  ein 
dankenswertes  Verzeichnis  der  datierten  Hss,  der  Schreiber  und  der 
Miniaturen,  die  im  Buche  erwähnt  sind. 

559.  U.  Robert,  Etat  des  c.  des  mss.  d'Espagne  et  de  Portugal. 
Cabinet  historique  26  (1880)  294—290 

kommt  somit  höchstens  für  Portugal  in  betracht,  das  aber  während 
der  Berichtsperiode  kaum  eine  erwähnenswerte  Erscheinung  aufzuweisen 
hat;  vgl.  C.  B.  XIII  179. 


IIL  Die  Entwickelung  der  Buchschrift. 

Der  gewählte  Titel  soll  einerseits  die  dei*  Epigraphik  zufallende 
Schriftentwickelung,  andererseits  in  gewissem  Maße  die  vorwiegend  Ur- 
kunden behandelnden  Publikationen  ausschließen.  Es  fällt  mir  zwar 
nicht  ein,  die  Wichtigkeit  der  Inschriften  z.  B.  für  die  Entwickelung 
der  Uncialschrift  zu  leugnen ,  oder  gar  lehrreiche  Sammlungen  wie 
Sickels 

560.  Monumenta  graphica  medii  aevi  ex  archivis  et  bibl.  imperii 
Austriaci  collecta.     Wien  1858—1882. 

561.  Recueil  de  facsimilcs  a  l'usage  de  lEcole  des  chartes. 
Paris  1880—1887.     100  T.  fol. 

562.  Album  paleographique  ou  recueil  de  documents  importanls 
relatifs  k  l'histoire  et  ä  la  litterature  nationales  reproduits  en  helio- 
gravure  d' apres  les  originaux  des  bibl.  et  des  archives  de  la  France, 
avec  des  notes  explicatifs  par  la  Societe  de  l'Ecole  des  chartes. 
Paris  1880—1887.   11  S.  50  Tafeln  (Verzeichnis  im  C.  B.  IV  276  f.) 

abzuweisen ,  weil  sie  meist  Urkunden  enthalten.  Aber  als  Hauptauf- 
gabe dieses  Berichtsteiles  erscheint  es  mir  doch,  über  die  Hülfsmittel 
zu  orientieren,  die  für  das  Studium  philologischer  Hss  vorhanden 
sind.  Wenn  es  auch  nicht  angemessen  erscheint,  die  Wichtigkeit  des- 
selben hier  zu  betonen,  möchte  ich  doch  die  kurze  Bemerkung  von 


286     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

563.  E.  "Wölffliii,  Paläograpbiscbes  und  TJnpaläograpbiscbes. 
Pbüologus  XXXVI  182  —  185 

über  ungenügende  Erforschung  der  hsl.  Überlieferung  und  hierbei  unter- 
laufende Irrtümer  notieren. 

Den  Handbüchern  könnten  Gelegenheitsschriften  beigezählt  werden, 
die  über  Hülfsmittel  der  Studien  orientieren ;  aber  selbst  eine  von  einem 
hervorragenden  Gelehrten  wie  Paoli  herrührende : 

564.  C.  P.,  Prelezione  al  Corso  di  pal.  latina  nel  r.  Istituto  di 
studi  superiori  a  Firenze.  Archivio  storico  Italiano.  3.  Serie  XXV 
114-134 

bietet  nichts  Neues.   Ahnliches  konstatiert  Wattenbach  (Jahresber.  XIII, 
IV  80)  anläßlich  der  Besprechung  von 

565.  D.  Grand,  Cours  de  pal.  de  .  .  Montpellier  (1889/90). 
Lecon  d'ouverture.     Re\nie  de  langues  romanes  III  581 — 600. 

Ich  thue  also  vielleicht  schon  zu  viel,  wenn  ich  folgende,  mir  un- 
bekannte Schriften  dem  Titel  nach  anführe: 

*566.  A.  Flandina,  Programma  per  una  scuola  di  pal.  e  diplo- 
matica  in  Palermo.     P.  1886.  29  S. 

*567.  F.  Lionti,  Poche  parole  a  proposito  di  un  programma 
per  una  scuola  di  pal.  e  diplomatica  in  Palermo.     P.  1885.  19  S. 

*568.  A.  Miola.  L'insegnamento  della  pal.  nella  Bibl.  Nazionale 
di  Napoli.    N.  1885.     16  S. 

*569.  H.  Pirenne,  Sur  l'etat  actuel  des  etudes  de  pal.  et  de 
dipl.     Revue  de  Tinstruction  en  Belgique  1886,  87—103. 

Ebensowenig  kenne  ich 

*570.  J.  Zanic,  Von  der  mittelalterlichen  lat.  Pal.  Progr, 
Zengg  1884.    44  S. 

Auch  J.  Carinii  Arbeiten  (die  ich  vielfach  nur  mittelbar  —  vgl. 
z.  B.  Jahresber.  XII,  IV  61  —  kenne),  wie 

571.  J.  C,  Prelusione  al  corso  di  pal.  e  dipl.  letta  in  Palermo. 
Nnove  Eflfemeridi  Siciliane  VI  149  —  186. 

572.  J.  C,  Sommario  di  pal.     3.  ediz.     Rom  1888.     113  S. 
sind  zwar    geistvoll    und  beredt    gehalten,    bringen    aber    keine  neuen 
Resultate.     Eine    ausführliche,    allgemein    pal.  Einleitung  enthält  auch 
(I— XXIV  und  1—62). 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     287 

573.  W.  de  Gray  Birch,  The  history,  art  and  pal.  of  tlie 
ms.  styled  the  Utrecht  Psalter.     London  1876.     14  M.  40  Pf. 

Von  Handbüchern,    die  beide  Sprachen  behandeln,    ist  das 
von  Thompson  schon  S.  188  erwähnt  wor-den.     Derselbe  hat 

574.  M.  Th.,  Calligraphy  in  the  Middle  Ages.  Bibliographica 
in  (1897)  2.:i7-290 

mit  trefflichen  Schriftproben  einen  kurzen  Überblick  über  die  Ent- 
wickelung  der  Schrift  im  Mittelalter  geliefert  und  hierbei  Abbildungen 
von  Miniaturen  beigegeben,  in  denen  Schreiber  dargestellt  sind.  —  An 

575.  F.  Blaß,  Pal.,  Buchwesen  und  Hsskunde.  J.  Müllers  Handb. 
d.  klass.  Altertumsw.   1(1886)  273-328.  2.  Aufl.     1892. 

ist  besonders  die  übersichtliche  Angabe  von  Proben  der  einzelnen  Schrift- 
arten rühmend  hervorzuheben,  zu  rügen  dagegeu,  daß  im  Jahre  1892 
auf  S.  351  von  C.  D.  nur  7  Bände  (1849—79)  oder  gleich  im  Ein- 
gang eine  der  wichtigsten  Sammlungen  von  Facsimilien  nach  dem 
Stande  von   1883  verzeichnet  wird.     Ich  meine 

576.  The  palaeographical  Society.  Eacsimiles  of  mss.  and  in- 
scriptions.  I.  Series  (edited  by  A.  Bond  and  M.  Thompson). 
London  1873—1883.  260  T.  IL  Series  (edited  by  M.  Thompson 
and  F.  Warner).     1884—1894.     205  T. 

Die  Tafeln  der  1.  Serie  sind  auf  grund  der  zugleich  mit  der 
Schlußlieferung  ausgegebenen  Einleitung,  in  der  Thompson  eine  Geschichte 
der  Schrift  giebt,  in  eine  systematische  Ordnung  gebracht  von  L.  Delisle, 
Bibl.  d.  chartes  XLV  532—549.  Ein  Band  bietet  griech.,  zwei  lat. 
(n.  moderne)  Schriftproben.  Die  einzelnen  Lieferungen  der  2.  Serie 
siod  eingehend  von  Wattenbach  in  den  Jahre5ber.  besprochen,  auf  die 
ich  für  diesen  Berichtsteil  auch  sonst  verweisen  muß  und  kann,  da 
W.  pal.  Details  aus  nicht  eigentlich  pal.  Werken  heranzieht  und  Einzel- 
resultate ausführlicher,  als  es  mir  möglich  ist,  erörtert.  Die  Publikation 
der  Londoner  pal.  Gesellschaft  ist  durch  gute  Auswahl  (meist  datierte 
Stücke)  und  vortreffliche  Reproduktion  ausgezeichnet.  Ich  füge  gleich 
die  zweite  Publikation  an,  in  der  griech.  und  lat.  Schriften  ziemlich 
gleich  vertreten  sind: 

577.  Collezione  Fiorentina  di  facsimili  pal.  greci  e  latini,  illustrati 
daG.  Vitelli  e  C.  Paoli.    I-IV.  Florenz,  Le  Monnier,  1884—1888. 

Jede  vollständige  Lieferung  umfaßt  je  12  griech.  von  Vitelli  und 
12  lat.  von  P.  erläuterte  Tafeln.  H.  Omont  giebt  Revue  1895,  287—297 
eine  Übersicht  über  42  griech.    und  42  lat.  Tafeln    nach    der    chrono- 


288     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

logischen  Folge,  den  Autoren  und  den  Bibl.  Die  meisten  Hss  gehören 
der  Laurenziana  au. 

Ich  wende  mich  zu  den  Handbüchern  griech.  Pal.  Nach 
kurzer  Erwähnung  der  auf  Montfaucons  Pal.  graeca  (u.  z.  auf  eine 
unsinnige  Polemik  Hardouins  und  auf  den  Verlagsvertrag)  bezüglichen 
Notizen  von 

578  und  579.  H.  Omont,  La  'Paleographie  grecque'  de  Mont- 
faucon  et  le  P.  Hardouin.  —  L'edition  de  la  P.  g.  de  M.  Revue  d. 
etudes  grecques  III  202—216  und  IV  63—67 

kommen  wir  zu  dem  schon  erwähnten  Werke  von 

580.  V.  Gardthausen,  Griech.  Pal.  Leipzig  1879.  472  S. 
und  12  Schriftt., 

das  ausführlich  von  R.  Foerster  (Jahrb.  f.  Phil.  CXXI  49-69), 
M.  Gitlbauer  (Götting.  gel.  Anz.  1882,  184—198),  C.  Graux  (Journal 
d.  Savants  1881,  226  ff.,  306  ff.)  und  H.  Omont  (Bibl.  d.  Chartes  XLII 
551 — 559)  besprochen  wurde.  Das  hübsch  ausgestattete  Buch  bietet 
eine  verdienstvolle  reiche  Materialsammlung  nicht  bloß  für  die  Ent- 
wickelung  der  Schrift,  sondern,  wie  schon  berührt  wurde  (s.  oben  S.  198 
und  205),  für  chronologische  Fixierung  von  Schreibern  und  Subskriptionen. 
Wichtig  sind:  das  Verzeichnis  datierter  Hss.  (S.  342—364),  obwohl 
es  einer  Ergänzung  fähig  und  bedürftig  ist,  das  Schreiberverzeichnis 
(S.  311—341),  auf  das  wir  noch  im  Anhang  I  zurückkommen,  der  Ab- 
schnitt über  die  Chronologie  der  Schreiber  (S.  384  ff.)  und  die  im  An- 
hang gegebenen  chronologischen  Tabellen.  Manches  ist  bestreitbar  und  in 
den  angeführten  Besprechungen  auch  bestritten  worden.  Namentlich  aber 
ist  vieles  durch  die  noch  lange  nicht  zum  Abschluß  gebrachten  Ergeb- 
nisse der  Papyrusforschung  überholt.  Es  war  daher  jedenfalls  verkehrt, 
es  im  Jahre  1891  unverändert  zur  Grundlage  eines  französischen  Hand- 
buchs zu  nehmen: 

581.  Ch.  Cucuel,  Elements  de  pal.  grecque  d'apres  la  Griechische 
Pal.  de  V.  Gardthausen.    Paris  1891.     224  S. 

Dagegen  ist  dem  Fortschritte  durch  neue  Auflagen  Rechnung  ge- 
tragen bei  dem  zur  ersten  Einführung  in  das  Studium  griech.  Hss  am 
meisten  empfehlenswerten  Büchlein: 

582.  W.  Wattenbach,  Anleitung  zur  griech.  Pal.  Leipzig, 
Hirzel.  2.  Aufl.  1877,  Vin.  64  und  32  autographierte  S.  4.,  3.  Aufl. 
1895.     I  und  127  8.     8.     3  M.  60. 

Es  wird  zunächst  in  großen  Zügen  die  Entwickelnng  der  Schrift 
skizziert  und  hierbei    in    der    2.  Aufl.  eine  Erklärung    der  beigefügten 


Bericht  üb.  PaläograpLie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  VVeinberger.)     289 

12  Schrifttateln  gegeben.  Diese  bieten  durchaus  Minuskelschriften,  die  ja 
praktisch  fast  allein  in  betracht  kommen.  In  dem  2.  Teil  wird  über  die 
Entwickelung  der  einzelneu  Buchstaben  gehandelt  und  einig-es  über  Ab- 
kürzungen (s.  No.  649  ff.),  Worttrennung  und  dgl.  bemerkt.  In  der 
3.  Aufl.  ist  hierbei  die  Autographie  durch  Lithographie  ersetzt.  Die 
Scbrifttafeln  sind  ganz  weggelassen,  da  eine  große  Anzahl  von  Proben 
vorliegt,  die  übersichtlich  verzeichnet  werden.  Hierbei  wird  auch  der 
Reproduktionen  ganzer  Hss  gedacht:  Bibelhss  Alexandrinus  von 
Thompson,  Vaticanus  von  Cozza-Luzi,  Laurentiauus  des  Sophokles  von 
Jebb,  Codex  1  des  Demosthenes  von  Omont  (Paris  1892.  1100  T.) 
Dazu  kommen  die  Facsimilia  des  Aristoteles-,  Herondas-,  und  Bacchy- 
lides-Papyrus.     Auf  griech.  und  lat.  Hss  sind  berechnet: 

583.  L.  Clödat,  CoUection  de  reproductions  photolithographiques 
inlegi'ales  de  mss.  latins,  proveucaux  et  frangais.  Classiques  latins 
I:  Catulle.  Ms.  de  Saint-Germain.  Paris  1890.  Auteurs  grecs 
(direction  speciale  deF.  Allegre):  Poetiqued'Aristote.  Paris.  1741.  1891. 

584.  Codices  graec.  et  lat.  photographice  depicti  duce  Nicoiao 
du  Rieu  (Santone  de  Vries).  I.  Vetus  testamentum  graecum.  Codicis 
Sarraviani-Colbertini  quae  supersunt  in  bibl.  Leidensi,  Paris.,  Petro- 
polit.  Praefatus  est  H.  Omont.  II.  Codex  Bernensis  363  Augustini 
de  dialectica  et  de  rhetorica  libros.  Bedae  historiae  eccles.  lib.  I, 
Horatii  carmina,  Ovidii  metamorph,  fragmenta,  Servil  et  aliorum  opera 
grammatica  continens.  Praefatus  est  H.  Hagen.  Leiden,  Sijthoff, 
1»97.     ä  200  M. 

Über  den  Plan  des  Werkes  vgl.  C.  B.  XIII  180.  Piatos  Clar- 
kianus  habe  ich  angekündigt  gelesen. 

Wir  wenden  uns  nun  den  Sammlungen  griech.  Schrift- 
proben zu: 

585.  W.  Wattenbach,  Schrifttafeln  zur  Geschichte  der  griech. 
Pal.    Berlin  1876—77.    4  u.  12  S.    40  photoüthogr.  T.    fol.    22  M. 

ist  unter  dem  Titel:  Scripturae  graecae  specimina  coUegit  et 
explicavit  W.  in  2.  und  3.  Aufl.  erschienen  (1883:  7  S.  28  T.,  1897: 
17  S.  33  T.  16  M.).  Hierbei  sind  minder  wichtige  Tafeln  weggelassen 
und  dafür  Lichtdrucktafeln  aufgenommen,  welche,  auch  den  Grund  der 
Hs  wiedergebend,  dem  Eindruck  des  Originals  ganz  nahe  kommen  und 
so  den  gewaltigen  Fortschritt  in  der  Reproduktion  gegenüber  der  Pho- 
tolithographie mit  weißem  Grunde  illustrieren.  Über  Vor-  und  Nach- 
teile verschiedener  Reproduktionsmethoden  vgl. 

586.  J.  V.  Pflugk-Hartung.  Über  die  Herstellung  der  neuesten 
Abbildungen  von  Urkunden.     Histor.  Zeitschr.  LIII  95—99. 

Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.  Bd.  LXXXXVIIL  (1896.  III.)     19 


290      Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

*587.  A.  Eisenlohr,  Die  Anwendung  der  Photographie  für  Mo- 
numente lind  Papyi'usrollen.  Vol.  II  des  travaux  de  la  6^  session  du 
congrös  international  des  Orientalistes  ä  Leide  (13  S.) 
kenne  ich  nur  aus  dem  Philol.  Anzeiger  XTV  467  f.  —  Hier  erwähne 
ich  auch  eine  Publikation,  die  einerseits  eine  Reproduktion  eines  griech. 
Uncialkodex  bietet,  andererseits  durch  ihre  Hülfstafeln  und  Textillustra- 
tionen,  für  die  Photochromotypie,  Heliogravüre,  Lichtdruck,  Phototj'pie 
und  Zinkographie  zur  Anwendung  kamen,  einen  Vergleich  der  ver- 
schiedenen Methoden  leicht  macht: 

588.  Die  Wiener  Genesis,  hrsg.  von  W.  v.  Hartel  und  F.  Wick- 
hoff.  Beilage  zum  15.  u.  16.  Band  der  Jahrbücher  der  kunsthisto- 
rischen Sammlungen  des  AH.  Kaiserhauses.  Wien  1895/6.  171  S., 
6  u.  52  T. 

Uncialschriften  (vgl.  Graux'  schon  unter  47  erwähnte  Notes 
pal.:  L'onciale  des  fragments  juridiques  du  Sinai.  Rev.  phil.  V  121  — 
127  und 

589.  T.  K.  Abbot,  Par  palimpsestorum  Dublinensium.  Dublin 
1880.     24  M.) 

findet  man  ferner  bei 

590.  U.  Wilcken,  Tafeln  zur  älteren  griech.  Pal.  Leipzig  u. 
Berlin    1891. 

Die  verschiedenen  Charaktere  der  griech.  Papyrusschrift  werden 
hier  gut  veranschaulicht  und  zwar  sowohl  die  Unciale  als  auch  die 
Kursive  des  1.  bis  8.  Jh,  In  der  letzteren  sieht  W.  die  durch  die 
Praxis  notwendig  gewordene  Umbildung  der  Unciale;  die  Minuskelschrift 
entstehe  dadurch,  daß  im  9.  Jh.  die  Urkundenschrift  zur  Bücherschrift 
erhoben  wü*d.     Hierfür  vgl. 

591.  V,  Gardthausen,  Beiträge  zur  griech.  Pal.  Berichte  über 
die  Verhandl.  d.  sächs.  Gesellsch.  d.  Wissensch.  Phil. -bist.  Kl.  XXIX 
1—19  (I,  II).  XXX  47—64  (III).  XXXII  70—88  (IV— VI). 

III  bespricht  die  spitzbogige,  die  Papyrus-  und  die  abendländische 
Unciale.  Die  Eutwickeluug  der  erstgenannten  im  7.  Jh.  wird  haupt- 
sächlich durch  die  griech.  Worte  datierter  syrischer  Hss  erwiesen, 
I  stellt  fest,  daß  noch  vor  der  ältesten  datierten  Minuskelhss  (835) 
Spuren  der  Minuskelschrift  nachzuweisen  sind,  deren  Entwickelung 
also  680 — 835  anzusetzen  ist.  Die  Lesung  eines  für  den  Übergang 
von   der  Kursive    zur  Minuskel  besonders  wichtigen  Blattes  berichtigt 

592.  M.  Gitlbauer,  Pal.  Nachlese.  Z.  f.  österr.  Gymn.  1878, 
813—817. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     291 

Bedeutend  höher  hinauf  rückt  418  die  Minuskel.  Auf  andere 
Teile  vou  591  kommen  wir  noch  zurück;  jetzt  wenden  wir  uns  zu  den 
Publikationen  von  Omont,  in  denen  auch  Uncialschriften  vertreten  sind. 

593 — 595.  H.  0.,  Facsimilös  des  plus  anciens  mss.  grecs  en 
onciale  et  en  minuscule  de  la  Bibl.  Nat.  du  IVe  au  XIP  siöcle. 
Paris  1891.  52  T.  —  Facsimil^s  de  mss.  grecs  des  XV«  et  XYI®  siöcles 
d'apres  les  origiuaux  de  la  Bibl.  Nat.  Paris  1888.  15  8.  u.  48  T.  — 
Facsimiles  de  mss.  grecs  dates  de  la  Bibl.  Nat.  du  IX«  au  XI V^  siecle. 
Paris  1889.     100  T. 

Die  Tafeln  von  593  sind  verzeichnet  in  488  No.  1114  und  Bibl. 
d.  chartes  LIII  500.  594  bietet  S.  5 — 7  in  aller  Kürze  sehr  gut  orien- 
tierende Notizen  über  Schreiber,  nach  deren  Namen  die  Tafeln  und 
somit  auch  die  fast  nur  auf  die  Schreiber  bezüglichen  Erläuterungen 
geordnet  sind.  —  Der  "Wert  von  595  wird  noch  erhöht  durch  die  in 
der  Vorrede  gegebene  Zusammenstellung  von  datierten  Hss  (8. — 16.  Jh.), 
deren  Faksimilien  anderweitig  publiziert  sind.  Ergänzt  wird  das  Werk 
durch 

596.  H.  0.,  Les  mss.  grecs  dates  des  lö^  et  16^  siecles  de  la 
Bibl.  Nat.  et  des  autres  bibl.  de  France.  Revue  II  1—32,  145  —  176, 
193—205. 

Anhangsweise  (S.  206—215)  werden  auch  datierte  Hss  der  Periode 
von  1601  —  1809  zusammengestellt.  Es  sind  also  die  datierten  Pariser 
Hss  (etwa  500  unter  4700)  vollständig  verzeichnet.  Auch  auf  den 
50  Tafeln  von 

597.  W.  Wattenbach  et  A.  van  Velsen,  Exempla  codicum 
graec.  litteris  minusculis  scriptorum.     Heidelberg  1878. 

finden  sich  29  datierte  Stücke  aus  der  Zeit  von  835—1319.     Datierte 
Hss  beschreibt  ferner  —  leider  in  russischer  Sprache  — 

598.  Amphilochij,  Pal.  Beschreibung  datierter  griech.  Hss 
vom  9.  und  10.  Jh.     Moskau  1879/80.     4  Hefte  mit  113  Faks. 

Minuskelhss  finden  sich  noch  bei 

599.  C.  Graux  et  A.  Martin,  Facsimiles  de  mss.  grecs  d'Espagne. 
Paris  1891.     24  T. 

Die  Frage,  ob  sich  in  der  Minuskel  provinzielle  Verschiedenheiten 
nachweisen  lassen,  hat  Gardthausen  zweimal  behandelt:  591  V.  Griech. 
Minuskel  in  ünteritalien  und 

600.  V.  G.,    Differences   provinciales    de  la  minuscule  grecque. 

Melanges  Graux  (1884)  731—736. 

19* 


^92     Bericht  üb.  Paläograpliic  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

Er  behauptet,  dal.',  sich  zwar  gelegentlich  ein  verschiedener  Duktus, 
nicht  aber  —  wie  bei  den  lat.  Nationalschrifteu  —  charakteristische 
Buchstaben  nachweisen  lassen.  Dagegen  hat  Allen  (s.  oben  S.  202)  im 
3.  Teile  der  unter  86  erwcähnten  Palaeographica  (Journal  of  philology 
XXI  48  —  55:  A  group  of  ninth-century  Greek  mss.)  wahrscheinlich  ge- 
macht, daß  eine  Anzahl  von  Hss,  die  in  Format,  Schriftcharakter,  Ab- 
kürzungen und  besonderen  Zeichen  auffällige  Ähnlichkeit  zeigen,  zwar 
mehreren  Schreibern,  aber  derselben  Schreibschule  zuzuweisen  seien. 

Die  Behandlung  eines  einzelnen  Buchstaben  durch 

*601.  W.  N.  Bates,  The  origin  of  the  u  form  of  ßTjxa  in  Greek 
mss.     Transaction  of  American  philol.  assoc.  XXVII  10  ff. 

ist  mir  nicht  zugänglich.  Ebensowenig  weiß  ich,  ob  die  Arbeit  von 
Beaudouin,  La  lettre  grecque  Z.  Annales  de  la  faculte  des  lettres 
de  Bordeaux  1881,  pal.  oder  grammatischer  Natur  ist. 

Von  den  Handbüchern  lat.  Pal.  lasse  ich  die  auf  Urkunden 
bezüglichen  thunlichst  beiseite,  so  Lupi,  Manuale  di  pal,  delle  carte. 
Florenz  1875,  auch  Breßlaus  Handbuch  der  Urkundenlehre  (Leipzig 
1889),  um  so  mehr  den  streng  wissenschaftlichen  Charakters  entbehren- 
den Katechismus  der  Diploraatik,  Paläographie,  Chronologie  und  Sphra- 
gistik  von  Leist  (Leipzig  1882).  Von  Chassants  Pal.  des  chartes 
et  des  mss.  du  XP  au  XVIIIe  siecle  fällt  meines  Wissens  nur  die 
7.  Auflage  (Paris  1877)  in  die  Berichtsperiode.   Nicht  zugänglich  war  mir 

*602.  Reusen s,  Elements  de  pal.  et  de  diplomatique  du  moyen 
äge.     Louvain  1891.     118  autogr.  S. 

Von  603.  M.  Prou,  Manuel  de  pal.  latine  et  frangaise  du  VI^  au 
XVIIe  siecle  suivi  d"un  dictionnaire  des  abreviations  avec  fac- 
similes  en  phototypie.     Paris  1889.    386  S.     23  T.     2.  Aufl.     1892 

einem  Werke,  welches  Wattenbach,  Schrift wesen  ^  36  wenig  empfehlen 
zu  können  erklärt,  kenne  ich  nur  die  1.  Auflage.  Mit  der  2.  ist  ver- 
bunden ein  Recueil  de  facsimiles  d'6critures  du  Xlle.aa  XVII» 
siecle  (mss.  latins  et  fran^ais)  accompagnes  de  transcriptions 
(12  Proben  von  1114—1640;  von  1317  an  ist  nur  die  schwer  lesbare 
Cursive  vertreten).  1896  erschien  ein  Nouveau  recueil  mit  franzö- 
sischen Urkunden  von  1151  —  1687.  Ich  schließe  gleich  die  beiden  gang- 
barsten Sammlungen  lat.  Facsimilia  an: 

604.  W.  Arndt,  Schrifttafeln  zur  Erlernung  der  lat.  Pal. 
1.  Aufl.  Berlin  1875—78.  2.  Aufl.  1887/88.  3.  Aufl.  (besorgt' von 
M.  Tangl).     1.  Heft.     Berlin  1897.     V  u.  9  S.    30  T.    fol.     15 'M. 

Auch  hier  heben  sich,    wie  bei  No.  585.    in  der  letzten  Auflage 
5  Lichtdrucktafeln  von  den  beibehaltenen  Photolithogi'aphien  ab. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Uandschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     293 

605.  E.  Chatelain,  Pal.  des  classiques  latins.  Collection  de 
facsimil^s  des  principaux  mss.    Paris  1884—1897.    12  Lief.  X  15  T. 

Die  in  Originalgrüße  gegebenen  Reproduktionen  von  Hss  der 
verschiedensten  Jh.  und  Bibl.  (Frankreichs,  Italiens,  Deutschlands, 
der  Schweiz,  Belgiens  und  Hollands;  auch  Palimpseste)  sind  nach  den 
Autoren  geordnet.  I:  Plautus,  Tereuz,  Varro,  Catull.  II  und  III:  Cicero. 
IV:  Cäsar,  »Sallust,  Lucrez.  V:  Virgil.  VI:  Horaz.  VII:  Nachträge 
zu  I— V.  VJII:  Ovid,  Properz,  Tibull.  IX:  Livius.  X:  Persius,  Juvenal. 
XI:  beide  Plinius,  Tacitus,  Petronius.  XII:  Martial,  Lucan,  Statins, 
Valerius  Flaccus,  Phaedrus.  XIII  und  XIV  ('Sous  presse')  sollen 
enthalten:  die  beiden  Seneca,  Quintilian,  Valerius  Maximus;  Nepos, 
Curtius,  Justin. 

Unzugänglich  war  mir: 

*606.  E,.  Ellis,  XX  facsimiles  from  Latin  mss.  in  the  Bodleian 
library.     Oxford  1891    (privately  printed);    vgl.  Class.  rev.  VI  173. 

In  604  und  605  sind  alle  Schriftarten  vertreten ;  wir  wollen  nun 
die  einzelnen  ein  wenig  betrachten  an  der  Hand  eines  verläßlichen, 
allerdings  nach  des  Verf.  eigener  Aussage  (Schriftw.  ^  36)  einer  Neu- 
bearbeitung schon  bedürftigen  Werkes: 

607.  W.  Wattenbach,  Anleitung  zur  lat.  Pal.  4.  Aufl.  Leipzig 
1886.     IV,  42  und  84  autogr.  S.     3  M.  60. 

Die  autographierten  Seiten  behandeln  wie  in  No.  582  die  Ver- 
änderungen der  einzelnen  Buchstaben.  —  Für  die  Majuskelschrift 
kommt  in  betracht: 

608.  C.  Zangemeister  et  W.  Wattenbach,  Exempla  codicum 
lat.  litteris  maiusculis  scriptorum.  Heidelberg  1876.  VIII  und  12  S. 
50  T.    Supplementum  coutiuens  t.  LI— LXII.     1879.    25  M. 

Sie  zerfällt  in  Kapital-  (16  T.)  und  Uncialschrift,  deren 
Unterschied  bei  den  Buchstaben  D,  E,  M  und  G  am  deutlichsten  her- 
vortritt; in  der  Sammlung  sind  auch  Proben  der  Volumina  Herculanensia 
und  von  Palimpsesten  zu  finden.  —  Eine  pal.  Seltenheit  der  herzogl. 
Bibl.  in  Gotha  (vgl.  B.  Krusch,  N.  Archiv  IX  269—282),  der  Kodex  75, 
in  dem  Unciale,  Halbnnciale,  angelsächsische,  merovingische  und  ge- 
wöhnliche Minuskel  vereinigt  sind,  wird  uns  zu  den  weiteren  Schrift- 
arbeiteu  überleiten.  Die  Unciale  degenerierte  (607  S.  18)  durch  Auf- 
nahme kursiver  Elemente  zur  Halbnnciale,  aber  diese  Bücherschrift 
war  noch  in  römischen  Händen.  Die  Kursive  wurde  in  den  Kanzleien 
umgebildet,  und  diese  Umbildung  wurde  mit  Benutzung  halbuncialer 
Formen  vollendet  und  kalligraphisch  ausgearbeitet,  als  man  diese  Schrift 


294     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Ilandschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

auch  für  Bücher  verwendete.  So  entstanden  die  Nationalschriften. 
607  bespricht  zunächst  die  langobardische  (7. — 13.  Jh.),  für  die  schöne 
Belege  in  141  und  bei 

609.  0.  Piscicelli-Taeggi,    Paleografia   artistica    di  Monte- 
cassino.     I— VH  1876—1888 

zu  finden  sind.    Aus  ihr  entwickelte  sich  auch  eine  eigentümliche  Bullen- 
schrift. 

Füi-  die  westgotische  Schrift  (6/7. — 12.  Jh.;  genaue  Charak- 
teristik 489,  S.  56  ff.)  sind  wichtig 

610.  J.  Muüoz  y  River 0,   Pal.  Visigoda.     Madrid  1881 
und 

611.  P.  Ehwald  et  G.  Loewe,  Exempla  scripturae  Visigoticae  XL 
tabulis  expressa.     Heidelberg  1883. 

Proben  der  (meist  in  Urkunden  verwendeten)  raerovingischen 
Schrift  (darunter  datierbare)  giebt  ^vgl.  N.  Archiv  "VIII  403). 

612 — 614.  L.  Delisle,  Sur  un  ms.  Merovingieu  de  la  bibl. 
d'Epinal.  C.  E.  de  FAcad.  des  inscriptions  et  helles  lettres  4.  Serie  V 
(1877)  274—276.  —  Notice  sur  un  ms.  M.  de  Saint-Medard  de 
Soissons.  Re^Tie  archeol.  XLI  257—260.  —  Notice  sur  un  ms.  M. 
de  la  bibl.  de  Bruxelles.  Notices  et  extraits  de  mss.  de  la  Bibl. 
Nat.  XXXI  1,  33-48. 

In  613  und  614  handelt  es  sich  um  eine  und  dieselbe  Hs. 

Eine  besondere  Stellung  weist  607  betreffs  ihrer  Entstehung  der 
angelsächsischen  und  der  irischen  (auch  schottischen)  Schrift  zu. 
Ti-efflich  ausgeführte  Proben  der  ersteren  findet  man  bei 

615.  E.  JM.  Thompson,  English  illumiuated  mss.  Biblio- 
graphica  I  129—155  (A.  D.  700—1066).  385—403  (Frolh  the 
twelfth  to  the  fourteenth  Century).  11  1—22  (Fourteenth  and 
fifteenth  Century). 

616.  W.  Schnitze,  Die  Bedeutung  der  iroschottischen  Mönche 
für  die  Erhaltung  und  Fortpflanzung  der  mittelalterlichen  Wissen- 
schaft.    C.  B.  VI  185—198.  233—241.  281—298 

bespricht  besonders  die  von  Iren  gegründeten  oder  beeinflußten  Klöster 
(Corbie,  Bobbio,  St.  Gallen)  und  verzeichnet  aus  32  deutschen,  öster- 
reichischen, französischen  und  italienischen  Bibl.  117  irische  (oder  auch 
angelsächsische)  Hss;  nur  32  davon  sind  profanen  Inhaltes.  Über  Beein- 
flussung der  Iren  durch  Byzantiner  vgl. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weiaberger.)     295 

617.  W.  Sanda}',  Byzantine  influence  in  Ireland.  Academy 
1888  II  S.  137  f. 

Nach  Aufülirung  von  2  mir  nicht  zugänglichen  Abhandlungen 

*618.  L.  Marcel,  La  calligraphie  et  la  miniature  ä  Langres  ;\ 
la  fin  du  X^  siecle.  Histoire  et  descriptiou  du  ms.  11  972—8  du 
fonds  latin  de  la  Bibl.  Nat.     Paris  1890.     48  S. 

*619.  L.  Delisle,  L'evangcliaire  de  Saint- Vaast  d'Arras  et  la 
calligraphie  Franco-Saxonne  du  IX^  siöcle.  Paris  1889.  18  S. 
(vgl.  Jahresber.  XI,  II,  27). 

komme  ich  zur  karolingischen  Minuskel. 

620.  Th.  Sickel,  Prolegomena  zum  Liber  diurnus.  S.-Ber.  d. 
Wiener  Akad.  CXVII,  VII 

stellt  S.  11  ff.  in  einer  eingehenden  pal.  Erörterung  fest,  daß  es  bereits 
im  letzten  Viertel  des  8.  Jh.  Minuskelhss  gegeben  habe,  und  kommt 
hierbei  auf  die  Schreiberschule  von  Tours  zu  sprechen.    Über  diese  hat 

621.  L,  Delisle,  Memoire  sur  Fecole  caUigraphique  de  T. 
au  IX«  siecle.  Memoires  presentes  k  l'Acad.  des  inscr.  et  belies 
lettres  XXXII  1.     Paris  1885.     32  S.  und  5  T. 

gehandelt.  Die  herangezogenen  Hss,  die  charakteristischen  Formen  des 
g  und  m  sowie  die  Ähnlichkeit  zwischen  ci  und  a  werden  C.  B.  III 
234:  f.  herausgehoben.  "Wesentlich  ist  aber  für  karolingische  Kalligraphie 
die  künstleri=che  Ausschmückung  der  Hss,  und  darum  habe  ich  mir  ein 
seltenes  Werk,  das  allein  von  dieser  Pracht  eine  richtige  Anschauung 
gewähren  soll,  bis  hierher  aufgespart: 

*622.  A.  de  Bastard,  Peintures  et  ornaments  de  mss  classes 
daus  un  ordre  chronologique  pour  servir  ä,  l'histoire  des  arts  du 
dessiu  depuis  le  IV^  siecle  jusqu  a  la  fin  du  XVP-    Paris  1832—1848. 

Eine  Lieferung  von  je  8  Tafeln  hat  1800  fr.  gekostet.  Den  Plan 
des  1848  unterbrochenen  Werkes  und  Nachweisung  der  benutzten  Hss 
giebt  Delisle,  L'oeuvre  pal.  de  M.  le  comte  de  B.  Bibl.  d.  chartes  XLIII 
489 — 523,  danach  Numerierung  und  Verzeichnis  zu  zwei  Berliner 
Exemplaren  Wattenbach,  Das  pal.  Prachtwerk  des  Grafen  B. 
N.  Archiv  VIII  449—472  (vgl.  IX  454  f.).  Über  karolingische  Kunst 
handeln  ferner  A.  Springer  in  mehreren  Jahresber.  XIII,  IV  85  f.  zu- 
sammengestellten Schriften,  P.  Giemen,  Zur  Geschichte  der  kar.  K. 
Repert.  f.  Kunstw.  XIII  123  ff.,  M.  Zucker,  Fragmente  des  kar. 
Evaugeliariums  in  Nürnberg  und  München  und  der  Codex  Millenarius 
in  Kremsmünster.    Ebd.  XV  20 — 36,  W.  Meyer,  S.-Ber.   d.  Münchener 


296     Bericht  üb.  Paläographie  u  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

Akad.  1883,  424 — 436  in  bezug  auf  R.  Rahn,  Ein  wiedergefundenes 
Kleinod  des  Großmünsters  in  Zürich:  Karls  des  Kahlen  Gebetbuch  in 
der  Schatzkammer  in  München.  Anzeiger  f.  schweizer.  Altertumsk.  1878, 
807—812;  vgl.  ferner 

628.  R.  Rahn,  Das  Psalterium  aureum  von  St.  Gallen.  Ein 
Beitrag  zur  Geschichte  der  kar.  Miniaturmalerei  hgg.  vom  Historischen 
Verein  des  Kantons  St.  Gallen.  S.  G.  1878.  67  S.  fol.  18  T.  und 
32  Holzschnitte. 

Proben    der   späteren  Minuskel    (vorzüglich  des  13.  und  des 
14.  Jh.)  giebt 

624.  W.  Seh  um,  Exempla  codicum  Amplonianorum  Erfurtensia 
saec.  IX— XV.    Berlin  1883.     24  Bl. 

Dagegen  bietet 

625.  R.  Thommen,  Schriftproben  aus  Hss  des  14. — 16.  Jh. 
Basel  1888.    VI  in  18  S.,  20  T. 

aus  Stadtarchiv  und  Universitätsbibl.  in  Basel  nur  Schriftstücke  von 
Klöstern,  städtischen  Kanzleien  und  Zunftbüchern,  aber  keine  Hss  im 
philologischen  Sinne.  —  Den  Versuch,  einen  Buchstaben  durch  die  ver- 
schiedenen Schriftarten  zu  verfolgen,  machte 

*626.  A.  Monaci,  Per  la  storia  delF  A  neUa  scrittura  lat. 
Rom  1889.     9  S. 

Ich  kenne  die  Schrift  nur  aus  Jahresber.  XII,  IV  60,  wo  das 
Prinzip  gebilligt,  an  der  Ausführung  aber  manches  getadelt  wird.  — 
Ein  eigentümliches  Zeichen  für  ti  behandelt  Paoli  in  den  S.  197  er- 
wähnten MisceUanea  di  pal.  e  diplomatica  (XI.  Aixhivio  storico  Italiano. 
4.  Ser.  16.  Band,  1885),  die  Entstehung  der  e  caudata. 

627.  U.  Robert,  Note  sur  Forigine  de  l'e  cedille.  Melanges 
Havet  (1895)  633—637  (vgl.  Jahresber.  XVHI,  IV  118). 

Hiermit  sind  weder  alle  in  die  Berichtsperiode  fallenden  Be- 
merkungen über  griech.  und  lat.  Buchschrift,  noch  die  veröffentlichten 
Faksimilien  klass,  Hss  erschöpft.  Abgesehen  von  dem  in  Ausgaben, 
kritischen  Abhandlungen,  K.  und  Papyrus-Publikationen  Verstreuten, 
ist  manches  in  populären  Darstellungen  der  Geschichte  der  Schrift, 
anderes  in  Werken  berührt,  die  zunächst  der  romanischen  Philologie 
angehören;  vgl. 

628.  E.  Andreoli,  La  scrittura.  Sua  storia  dai  gerogliti  ai 
nostri  di.  Studi  comparativi  con  facsimili  specialmente  dei  caratteri 
latini  o  romani.     Mailand  1884.     66  S.  und  24  T.     4. 


Bericht  üb.  Paläographie  u,  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     997 

629.  Ph.  Berger,  Histoire  de  recriture  dans  Tantiquitö. 
Paris  1892 

behandelt  meist  orientalische  Alphabete ;  der  den  griech.  und  italischen 
gewidmete  Abschnitt  ist  epigraphischer  Natur.  Die  wichtigsten  Faksi- 
milien  für  verschiedene  Alpliabete  verzeichnet  eine  Notiz  über  eine 
Ausstellung  des  britischen  Museums: 

630.  Historj'  of  alphabets  (Exhibition  in  the  Kings  Library). 
Athenaeum  1889  No.  3227,  S.  288. 

Die  schönen  Farbeodrucktafeln  des  wunderlichen  Werkes  von 

631.  M.  Pavoloro,  Spicilegio  storico  pal.  di  alfabeti  e  facsimili 
tratti  da  codici,  diplomi  e  monumenti.  Palermo  1893.  121  S.  und  97  T. 

sind  ohne  rechte  Ordnung  und  stammen  aus  trüben  Quellen. 

632  und  633.  C.  Faulmann,  Das  Buch  der  Schrift  u.  s.  w. 
Wien  1878.  Xu  und  272  S.  Illustrierte  Geschichte  der  Schrift  u.  s.  w. 
Wien  1879/80.     632  S. 

*634.  C.  Paoli,  La  storia  della  scrittura  nella  storia  della  civiltä 
considerata  specialmente  nelle  forme  grafiche  del  medio  evo.  Aunuario 
di  Firenze  (mir  nicht  zugänglich)  1888/9.     109  S. 

Lateinischen  Papyris  und  Hss  sind  einzelne  Tafeln  gewidmet  bei 

635.  C.  Foucard,  Elementi  di  pal.  La  scrittura  in  Italio  sino 
a  Carlo  Magno.     Mailand  1879  f. 

und  im 

636.  Archivio  pal.  Italiano  diretto  da  E.  Monaci.  Rom  1882  ff. 
von  dem  mir  Band  1,  2  und  der  Anfang  des  3.  vorgelegen  hat. 

Die  Abküizungen,  deren  Lesung  relativ,  manchmal  auch  absolut 
genommen,  Schwierigkeiten  bereitet,  und  deren  richtige  oder  mangelhafte 
Erkennung  für  den  Wert  einer  Kollation  entscheidend  sein  kann,  lassen 
sich  nicht  erledigen,  ohne  daß  diejenigen  Schriftsysteme  berührt  würden, 
die  von  der  Alltagsschrift  abweichen  und,  je  nachdem  Raum-  oder  Zeit- 
ersparnis im  Titel  hervorgehoben  werden  soll,  gegenwärtig  Steno-  oder 
Tachygraphie  genannt  zu  werden  pflegen.  Auf  eine  im  Jahre  1884 
auf  der  Akropolis  (vgl.  U.  Köhler,  Athen.  Mitteil.  VIII  359—303)  ge- 
fundene inschriftliche  Anweisung  zu  einem  solchen  System  beziehen  sich: 

637  und  638,  Th.  Gomperz,  Über  ein  bisher  unbekanntes 
griech.  Schriftsystem  aus  der  Mitte  des  4.  vorchriscl.  Jh.  S.-Ber. 
der  Wien.  Akad.  CVII  339—395.  —  .Neue  Bemerkungen  über  den 
ältesten  Entwurf  einer  griech.  Kurzschrift.   Ebdt.  CXXXII,  XIII.  15  S. 


298     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

639.  P.  Mitzscbke,  Eine  griecb.  Kurzschrift  aus  dem  4.  vor- 
christl.  Jh.     Leipzig  1885. 

640.  H.  Landwehr,  Über  ein  Kurzschriftsystem  des  4.  vor- 
christl.  Jh.     Pliilol.  XLIV  193—200. 

641  und  642.  M.  Gitlbauer,  Die  3  Systeme  der  gricch.  Tachy- 
graphie.  Denkschr.  der  Wien.  Akad.  XLIV,  IL  50  8.  4  Taf.  — 
Zur  älteren  Tachj^graphie  der  Griechen.  Eine  Autwort  auf  Gomperz' 
Kritik.  Festschrift  zur  100  jährigen  Jubelfeier  der  deutschen  Kurz- 
schrift, hgg.  von  Chr.  Johnen.     Berlin  1896.     (207  S.) 

643.  C.  Yv'essely,  Über  die  Vokalzeichen  des  ältesten  Ent- 
wurfes einer  griech.  Kurzschrift  (in  der  oben  angeführten  Festschrift). 

Goniperz  hat  zuerst  den  Inhalt  der  Inschrift  erkannt.  Durch 
seine  und  die  von  ihm  gebilligten  Ergänzungen  Gitlbauers  steht  fest, 
daß  in  Verbindung  mit  dem  einfachsten  VokaJzeichen ,  dem  vertikalen 
Strich  (0 

T  und  ^  ö  und  t  oder  t  und  ö,  J  v,  ^  tt,  ^\  oder  ^\  ß,  ^  oder  ^  \i 
bezeichnet.  Auf  die  Bezeichnung  der  übrigen  Konsonanten  (durch  den 
verlängerten  Konsonantenstrich),  der  Vokale  durch  schräg  geneigte, 
über  oder  unter  der  Zeile  gestellte  Vertikalstriche  und  die  in  639  f.  und 
642  f.  besprochenen  Einzelheiten  brauchen  wir  um  so  weniger  einzugehen, 
da  eine  praktische  Anwendung  des  Systems  nicht  vorliegt.  Betont  sei 
aber  mit  Gomperz,  daß  die  von  Gitlbauer  der  Kürze  halber  angewandte 
Bezeichnung  desselben  als  xenophonteisch  durchaus  nicht  begründet 
ist.  Wessely  denkt  (Wochenschr.  f.  kl.  PhU.  1896,  1007*)  mit  aUer 
Reserve  an  Archinos. 

Auf  das  älteste  Zeugnis  für  Anwendung  der  Tachygraphie  (aus 
dem  J.  164  n.  Chr.)  macht  Gomperz,  Wiener  Studien  II  2  aufmerksam. 
Gitlbauer  hat  sich  auch  um  die  Kenntnis  angewandter  griech.  Tachy- 
gi-aphie  hervorragende  Verdienste  erworben.  Ihre  Reste  sind,  soferne 
wir  an  Hss  mit  fortlaufend  tachygraphischem  Text  denken,  nicht  eben 
zahlreich;  das  Material  und  dessen  Publikationen  sind  —  mit  Aus- 
scheidung von  Stücken,  die  fälschlich  als  tachygraphisch  angesehen 
wurden  —  gut  zusammengestellt  bei 

644.  C.  Wessely,  Ein  System  altgriech.  Tachygraphie.  Denk- 
schriften d.  Wiener  Akad.     XLIV.  IV.     44  S.  und  3  T. 

Hervorzuheben  ist  eben 

645.  M.  Gitlbauer,  Die  Überreste  griech.  Tachygraphie  im 
Kodex  Vaticanus  Graecus  1809.  Denkschriften  XXVIII  (1878)  II 
1-110.     XIV  T.     XXXIV  (1884)  II  1-48.    T.  XV— XXVIIL 


Bericht  üb.  Paläogiaphie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     299 

Daß  wir  hier  neben  den  vortrefflichen  Photographien  nicht  nur 
einen  kritisch  gereinigten  Text,  sondern  auch  eine  syllabische  Tran- 
skription finden,  macht  die  gründliche  Untersuchung  ganz  besonders 
zur  Einführung  in  das  Studium  der  griech.  Tachj^graphie  geeignet. 
AVeiter  hat  G.  in  641,  20  ff.,  um  einen  Übergang  von  dem  System  des 

4.  vorchristl.  Jh.  zu  dieser  Miuuskel-Tachygraphie  zu  finden,  die 
Rekonstruktion  einer  älteren,  der  kursiven  T.  versucht.  (Hervorzu- 
heben ist  die  Besprechung  der  diakritischen  Punkte  S.  38  ff.)  Hier 
greift  644  ein,  da  es  W.  gelungen  ist,  auf  grund  von  Sy  11  abaren  in 
Papyrus  und  Wachstafeln  des  3. — 7.  nachchristl.  Jh.  (Übersicht 

5.  30)  ein  Alphabet  der  kursiven  T.  zusammenzustellen. 

Außer  591  II  und  Yitellis  schon  unter  59  erwähntem  Spicilegio 
fiorentino  (IV  S.  9—15.  VIII S.  32.  XII  S.  165—167.  XIII  S.  168—171) 
nenne  ich  unter  Verzicht  auf  alle  populären  oder  doch  auf  die  moderne 
Stenographie  bezüglichen  Abhandlung 

*646.     F.  ßueß,  Über  griech.  Tachygr.     Neuburg  1882.   56  S. 
u.  7  T. 

647.  T.  W.  Allen,    Fourteenth    Century    tachygraphy.     Journ. 
of  hell,  studies  XI  286-293. 

Zu  dieser  Publikation  aus  dem  Reginensis  181  giebt  Berichti- 
gungen (S.  567  ff.) 

648.  r.  rioÄtTr, ?,   Uol.   3tayuoXo7ia  Iv.  xtuv  {xa-yixüiv  ßtßXicüv.     Byz. 
Z.  I  555—571. 

Auf  Einzelheiten  einzugehen  ist  nicht  meine  Absicht;  aber  zwei  in 
den  angeführten  Publikationen  vielfach  hervorgehobene  Umstände  müssen 
besprochen  werden:  die  besondere  Wichtigkeit  der  tachygraphischen 
Endungen  und  die  Beziehungen  zur  tironianischen  Notenschrift.  Die 
tachygraphischen  Endungen  sind  vielfach  (644,  S.  11  wird  das 
fragmentum  mathematicum  Bobiense  —  Unciale  aus  dem  7.  Jh.  —  als 
das  älteste  Beispiel  genannt)  in  gewöhnlichen  Hss  zu  Abkürzungen  der 
Endsilben  in  veränderter,  auch  entstellter  Form  verwendet.  Eine  nütz- 
liche Zusammenstellung  der  einzelnen  Buchstaben  und  Silben  giebt  (von 
S.  29  an,  Belege  auf  den  Tafeln) 

649.  0.  Lehmann,  Die  tachygr.  Abkürzungen  der  griech.  Hss. 
Leipzig  18S0.     VI  und  111  S.     10  T. 

L.  unterscheidet  4  Systeme  der  Abkürzung.  Die  durch  Anfangs- 
und Endbuchstaben  (avöu  =  dvöptüiioo,  d?  =  öso?)  nennt  er  wegen  ihi*es 
häufigen  Vorkommens  in  theologischen  Hss  die  kirchliche  Ab- 
kürzung; vgl. 


300     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

650.    B.  Keil,  Palaeographicum.     Hermes  XXIX  320, 

der  ßööJc  für  ßaaiXsuj,  das  sich  allerdings  nur  durch  Münzen  von  Srayrna 
belegen  läßt,  auf  dieses  System  zurückführt.  An  2.  Stelle  bespricht 
L.  den  schon  in  Papyris  des  2.  nachchristlichen  Jh.  nachweisbaren 
Strich  für  v;  vgl.  Graux,  der  in  den  schon  unter  46  erwähnten  Notes 
pal.  (Revue  de  philo!.  III  13)  nachweist,  daß  öJ  ebensowohl  wv  als  u? 
bedeuten  könne  und  Schluß-Sigma  auch  sonst  ausgelassen  werde.  Unter 
kurrentschriftlicher  Kürzung  begreift  L.  die  Fälle,  in  denen 
mehrere  Buchstaben  des  Anfangs,  deren  letzter  aber  —  mit  oder  ohne  Ab- 
kürzungstrich (vgl.  644  S.  4 — 6)  —  über  die  Zeile  gesetzt  wird  (z.  B. 

X  P 

TU  =  Tu/ov;    vgl.  Graux  a.  a.  0.  I  206—209   über  AIQ  =  SicuptVja); 

dieses  System  ist  schon  im  J.  680  zu  belegen.  Die  eigentlich  tachy- 
graphischen  (d.  h.  nicht  durch  gewöhnliche  Buchstaben,  sondern  durch 
eigentümliche  Zeichen  ausgedrückten)  Abkürzungen  endlich  sind  in 
Majuskelhss  vereinzelt,  in  der  Minuskel  häufig.  Besser  als  L.  zeigt  die 
Zusammenstellung  bei  641 ,  S.  28  f.  (T.  III  27  a,  bj ,  daß  die  Zeichen 
dieser  Büchertachygr.  meist  aus  dem  alten,  nicht  aus  dem  neuen  tachygr. 
System  stammen. 

Einzelheiten  haben  nachgetragen: 

651  und  652.  W,  Allen  und  M.  Lindsay,  Compendiums  in 
Greek  pal.     Academy  31  (1887)  399  f.,  418. 

Ersterer  hat  dann  viele  neue  Belege  gegeben  in  seiner  alphabe- 
tisch angeordneten  Sammlung  von  Kürzungen  der  Minuskelhss: 

653.  W.  A.,  Notes  on  abbreviations  in  Greek  mss.  Oxford  1889. 
40  S.  und  11  T. 

Nicht  zugänglich  ist  mir  die  in  russischer  Sprache  abgefaßte, 
wegen  ihrer  Reichhaltigkeit  gerühmte  Schrift  von 

*654.  G.  Zereteli,  De  compendiis  scripturae  codicum  Graec. 
praecipue  Petropolitarum  et  Mosquensium  anni  notainstructorum. 
Petersburg  1896.  XLIII  und  228  S.  30  T.  (vgl.  D.  L.  Z.  1897 
S.  16  f.     Byz.  Z.  VI  448). 

Die  besonderen  Abkürzungen  von  Hss  chemischen  und  medizini- 
schen Inhalts  bespricht  auf  grund  von  Berthelot,  Collection  des  anciens 
alchimistes  grecs 

655.  P.  Tannery,  Sur  les  abreviations  dans  les  mss.  grecs. 
Rev.  arch.  3.  Serie  12.  Band  (1888)  210-213. 

Diese  Abkürzungen  und  andere  astronomische  von  Angelns  Poli- 
tianus  kopierte  (vgl. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     301 

6ö6.  H.  Omont,  Abi^viations  grecques  copiees  par  Ang-e 
Politien.     Revue  des  etudes  grecques  VII  81 — 88) 

hat  bereits  Du  Gange  in  seinem  Glossarium  raediae  et  infimae  graecitatis 
publiziert. 

Retreffs  der  lat.  Abkürzungen  (vgl.  603)  erwähne  ich  außer 
L.  Chassants  Dictionnaire  des  abreviations  latines  et  frangalses,  dessen 
4.  und  5.  Auflage  (Paris,  Martin  1877,  bezw.  1884)  in  die  Berichts- 
periode fallen,  zunächst 

657.  Paoli-Lohmeyer,  Die  Abkürzungen  in  der  lat.  Schrift 
des  Mittelalters.  Innsbruck  1892  (das  italienische  Original  erschien 
Florenz  1891).     IV  und  39  S. 

und  *658.  Z.  Volta,  Delle  abbrevlature  nella  pal.  lat.  Mailand 
1892.     328  S.  und  36  T. 

(mir  nur  aus  der  ausführlichen  Inhaltsangabe  im  C.  B.  X  285  bekannt), 
beginne  aber  mit  der  Besprechung  des  sehr  gut  orientierenden  Vor- 
trages von 

659.  W.  Schmitz,  Über  lat.  Tachygraphie.  Verh.  der  34.  Philo- 
logen-Versammlung in  Trier  1880.     S.  59—64. 

Seh.  bespricht  zuerst  die  litterae  singulares,  die  auf  M.  Va- 
lerius  Probus  aus  Berytus  zurückgeführt  werden,  und  verweist  auf 
Mommsens  Veröffentlichung  im  4.  Band  der  Grrammatici  lat.  von  Keil; 
ein  Nachtrag  hierzu: 

660.  Th.  Mommsen,  Zu  den  Notae  iui'is.  Hermes  XXV  153—156. 

Es  wird  a)  entweder  der  erste  (Siglen),  die  beiden  oder  die  drei 
ersten  Buchstaben  genommen,  b)  Anlaut  und  Silbennotation  (hr  =  heres). 
Indem  ich  diesen  Teil  durch  Einbeziehung  von  657  und  658  erweitere, 
bemerke  ich  zunächst,  daß  die  Setzung  mehrerer  Anfangsbuchstaben 
der  von  649  sogenannten  kurrentschriftlichen  Kürzung  entspricht.  Das 
Überschreiben  von  Buchstaben  kommt  aber  hierfür  nicht  in  Anwendung; 
es  dient  vielmehr  zur  Bezeichnung  eines  ausgelassenen  r.  Fälle  wie  t  ^= 
vel,  h'  =  autem  (über  die  Verwechselung  dieses  Zeichens  mit  k  vgl. 

661.  van  der  Vliet,  error  pal.     Mneraosyne  XXIV  232) 

bezeichnet  657  als  unechte  Siglen.  Ferner  finden  sich  im  Lat.  Ab- 
kürzungen, die  den  kirchlichen  Lehmanns  entsprechen;  die  nach  der  Ai*t 
von  nlr  für  naturaliter  nennt  657  gemischte  Zusammenziehung.  Endlich 
giebt  es  besondere  Zeichen,  die  entweder  eine  feststehende  Bedeutung 
haben  (z.  B.  die  Zeichen  für  con,  contra  und  us)  oder  eine  relative, 
wie    denn    der   übergesetzte  Strich  aus  n  das  Zeichen  für  non,    aus  p 


302     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

das  für  prae  macht.  Zu  allen  Zusammenstellnngen  von  .Abkürzungen 
ist  zu  bemerken,  daß  einerseits  die  Scheidung  der  Hss  nach  Jh.  und 
Inhalt,  andererseits  —  namentlich  für  die  lat.  Pal.  —  das  Fest- 
halten der  gewählten  Einteilung  nicht  ohne  Schwierigkeiten  ist.  Zur 
ersten  Einführung  kann  jedoch  657  recht  empfohlen  werden. 

Wir  kehren  zu  659  zurück,  um  uns  über  die  tironischen  Noten 
von  dem  besten  Kenner  belehren  zu  lassen.  Er  bespricht  zunächst  die 
Tradition,  welche  die  Erfindung  und  Ausbildung  des  Systems  dem  Dichter 
Ennius,  Freigelassenen  des  Cicero,  Agrippa  und  Augustus  (Tiro,  Philar- 
gyrus,  Aquila)  und  Seneca  zuschreibt;  vgl.  über  die  diesbezügliche 
Isidor-Stelle  (Origg.  I  121) 

662.  L.  Traube,  Varia  libamenta  critica.  Commentationes 
Woelfflinianae  (1891)  197—202. 

Seh.  erörtert  dann  mit  gut  gewählten  Beispielen  Buchstaben  und 
Hülfszeichen  der  tironischen  Schrift,  sowie  deren  Verbindung.  Unter 
den  Hülfszeichen  spielt  der  Punkt  in  seinen  verschiedenen  Stellungen 
eine  große  Rolle.  Die  Buchstaben  erklärt  Seh.  als  Teile  von  Kapital- 
buchstaben.   Gegen 

663.  K.  Zangemeister,  Zur  Geographie  des  römischen  Gallien 
und  Germanien  nach  den  tironischen  Noten.  Neue  Heidelberger 
Jahrb.  II  (1892)  1—36,  146, 

der  S.  31  flf.  die  Buchstaben  auf  die  Kursive  zurückführen  will,  hat  Seh. 
in  der  Einleitung  seines  Hauptwerkes: 

664.  W.  Seh.,  Commentarii  notarum  Tironianarum  com  prole- 
gomenis,  adnotationibus  criticis  et  exegeticis  notarumque  indice  alpha- 
betico.     Leipzig  1893.     117  S.  und  132  T.     fol. 

mit  Recht  bemerkt,  daß  ja  die  Kursive  selbst  aus  der  Majuskel  ent- 
standen ist  und  vielfach  die  tachygraphischen  Zeichen  von  den  kursiven 
ganz  verschieden  sind. 

In  664  hat  Seh.  über  handschriftliche  Übei'lieferung  und  Ent- 
stehung der  commentarii  gehandelt  und  eine  beträchtliche  Zahl  von 
tironischen  Wortzeichen  —  auf  jede  Tafel  entfallen  durchschnittlich  100 
—  zusammengebracht.  Aber  auch  sonst  ist  er  unermüdlich  in  der  Be- 
sprechung von  Einzelheiten  und  der  Veröffentlichung  tachygraphischer 
Stücke.  Ich  begnüge  mich,  für  die  Publikationen  bis  1885  auf  die 
genauen  Verzeichnisse  (mit  Inhaltsaugabe)  von 

665.  P.  Mitzschke,  Zur  Tiro-Litteratur.  Neuer  Anzeiger  f. 
Bibliotheksw.  1877,  155  f.,   1879,  169-171,  1885,  37—43 

zu  verweisen,  von  den  späteren  aber  zunächst  die  von  Schmitz  an- 
zuführen : 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.)     303 

666 — 672.  Moniimenta  tachygrapliica  codicis  Parisiensis  lat. 
2718.  2  Hefte.  Hannover,  Hahn  1882/83.  VIII  und  50  S.  22  T. 
Vn  und  31  S.  15  T.  —  Die  tir.  Noten  der  Berner  Hs  611, 
Stenog-raphenzeitunj;  1888,  No.  23.  —  Tir.  Noten  in  einer  Pariser  lat.  Hs. 
Gabelsbergei-  Festschrift  (München  1890).  —  Notenschriftliches  aus 
der  Berner  Hs  611.  Comnieutationes  Woelfflinianae  (1891)  S.  7 — 13, 
—  Miscelianea  Tir.  aus  dem  Codex  Vaticanus  lat.  reginae  Christinae 
846.  Leipzig  1896.  V  und  79  S.  32  T.  —  2  Tironiana  (in  der 
bei  No.  642  erwähnten  Festschrift).  —  Tironianum.  M61anges  Havet 
S.  77—80. 

In  den  eben  erwähnten  Melanges  Havet  (Paris  1895)  sind  ferner 
enthalten: 

673.  E.  Chatelain,  Notes  tir.  d'un  ms.  de  Geneve.    S.  81 — 86. 

674.  C.  Cipolla,  La  tachygraphie  Ligurienne  au  11®  siecle. 
S.  87—96. 

Von  anderen  Verf.  kommen  in  betracht: 

675.  0.  Lehmann,  Das  tir.  Psalterium  der  Wolfenbüttler  Bibl. 
Leipzig  1885.     IV,  208  und  120  autograph.  S. 

676.  F.  ßuess.  Die  tironischen  Endungen.  Progr.  d.  Luitpold- 
Gymn.  München  1889.  42  S.  —  Babelsberger  und  die  tir.  Noten. 
Abh.  für  Christ  1891. 

677  und  678.  G,  de  Vries,  Exercitationes  pal.  in  bibl.  universi- 
tatis  Lugdimo-Batavae  instaurandas  iterum  indicit.  Inest  commen- 
tatiuncula  de  Plinii  epistularuni  fragniento  Vossiano  notis  Tir.  descripto. 
Leiden  1891.  31  Bl.  und  IT.  —  Boethii  fragmentum  notis  Tii-, 
descriptum.  Sylloge  commentariorum ,  quam  obtulerunt  philologi 
Batavi  Constantino  Conto  (1892)  S.  129—135. 

Über  eine  auf  dem  tironiaaischen  System  beruhende  Silbenschrift 
endlich  handelt 

679.  J.  Havet,  L'ecriture  secrete  de  Gerbert.  —  La  tachygi'aphie 
italienne  du  X^  siecle.  C.  R.  de  l'acad.  des  inscr.  et  helles  lettres. 
4.  Serie,  15.  Band  (1887),  94—110  und  351-374. 

Interessant  ist  eine  Metzer  Urkunde  aus  dem  J.  848;  die  tachy- 
graphischen  Zeichen  der  Rückseite  stellen  wohl  (vgl.  Bibl.  d.  Chartas 
49,  95—101  und  Breßlau,  N.  Archiv  XIV  217)  das  Konzept  dar. 

Daß  eine  tironische  Silbenschrift  erst  im  7.  Jh.  nachzuweisen  ist 
(vgl.  659),  bis  dahin  nur  Noten  für  Worte  vorkommen,  ist  wichtig  für 
die    oben    erwähnte  Frage    des  Verhältnisses  zur   griech.  Tachy- 


304     Beriebt  üb.  Paläographie  u.  IJandscbriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

graphie,  die  Zeichen  nur  für  Buchstaben  oder  Silben  hat.  Es  spricht 
gegen  (iardthausens  (s.  580  und  591  II)  von  Lehrs  und  Förster  be- 
kämpfte Annahme,"  daß  die  tironische  Wortstenographie  von  den  Griechen 
stamme.  Lehmann  (649)  hält  die  Frage  für  nicht  spruchreif,  glaubt 
aber  doch  Spuren  dafür  zu  finden,  daß  auch  die  griech.  Tachygraphie 
ursprünglich  eine  "Wortschrift  war.  Mit  besserem  Rechte  scheidet  wohl 
Gitlbauer  (641,  X"V".  S.  44—49)  trotz  mancher  Ähnlichkeit  im  einzelnen 
(vgl.  641  S.  18  ff.,  S.  36  ff.;  645.  I  S.  5  ff.)  die  römische  Kurzschrift, 
die  auf  der  Auslassung  von  "Wortbestandteilen  beruht  und,  in  ihren 
Zeichen  weder  ganz  originell  noch  besonders  einfach,  an  das  Gedächtnis 
große  Anforderung  stellt,  von  der  griech.,  die  mit  (wenigst  ursprüng- 
lich) höchst  einfachen  und  leicht  zu  erlernenden  Zeichen  alle  AVortbe- 
standteile  ausdrückt. 

An  die  Kurzschrift  schließen  vielleicht  passend  ein  paar  Be- 
merkungen über  Geheimschrift  an.  Das  einfachste  Mittel  ist  die 
Vertauschung  von  Buchstaben.  Betreffs  der  Sueton-Notiz  über  die  Systeme 
von  Cäsar  (cap.  56)  und  Augustus  (c.  87  f.)  vgl. 

680.  Ch.  Keene,  An  ancient  latin  cursive  scripture.    Academy 
27  (1885)  155, 

über  den  Ersatz  der  Vokale  durch  den  im  Alphabet  folgenden  Konso- 
nanten 

681.  C.  AVagener,  Zum  Codex  Gothanus  101  (Scholien  in  Ge- 
heimschrift).    Philol.  XLIII  701. 

Über  ein  anderes  System,  bei  dem  A,  l  und  P  durch  Stigma, 
Koppa  und  Sampi  vertreten,  die  übrigen  Buchstaben  in  3  Gruppen  von 
je  7  geschieden  und  jede  von  diesen  für  sich  umgekehrt  wird  (also 
9,  H,  Z,  -,  E  für  A  B  r  A  E)  handeln  auf  grund  eines  von  "Wessely 
dublizierten  Zauberpapyrus  des  4  Jh. 

682  und  683.  E.  Ruelle  und  J.  Martha,  Note  relative  k  la 
ciyptographie  grecque.  Bull,  de  la  Soc.  des  antiquaires  de  France 
1897,  120  f.,   126  f. 

Ferner  werden  Buchstaben  durch  griech.  Zahlbuchstaben  (nach 
der  Stellung  im  Alphabet)  ersetzt;  vgl. 

684.  W.  Schmitz,  Tironisches  und  Krj^ptographisches.  N.  Archiv 
XV  197  f. 
und  (mir  nur  aus  Jahresber.  XIII,  IV  84  bekannt) 

*685.  J.  L.  Heiberg,  Et  lille  Bidrag  til  Belysning  af  Middel- 
alderens  Kendskab  til  Graesk.  Oversigt  over  det  Kongelige  Danske 
Videnskabernes  Selskabs  Forhandlinger  1889/90  S.  198—204. 


t 


Bericht  üb.  Paläographio  u.  UandschriftenkuQde.  (Beer  u.  Weinberger.)     H05 

Den  Übergang^  von  der  Geheimschrift  zu  den  Zahlzeichen  wird 

die  Notiz  von 

686.  P.  Ewald,  Pal.  aus  Spanien.     N.  Archiv  VIII  357—363 

bilden;  denn  der  2.  Teil  handelt  über  eine  Geheimschrift,  bei  der  die 
Vokale  durch  römische  Ziffern  oder  Punkte  ersetzt  werden  (vgl.  F.  Keinz, 
S.-Ber.  der  Münch.  Akad.  1891,  643),  der  1.  über  die  arabischen 
Ziffern  eines  spanischen  Codex  (10.  Jh.),  'wohl  die  ältesten,  die  im 
Abendlande  vorkommen.'  Über  gelegentliches  Vorkommen  im  12.  Jh. 
(häufig  werden  sie  erst  im  15.)  vgl.  Paolis  schon  S.  197  erwähnte 
Miscellanea  di  pal.  e  diplomatica.  V:  Un  codice  Magliabechiano  con 
cifre  numerali  arabiche,  supposto  dal  secolo  XI.  Archivio  storico  Italiano. 
4.  Serie,  7.  Band  (1881)  277-280  und 

687.  P.  Tannery,  Les  chiffres  arabes  dans  les  mss.  grecs.    Rev. 
arch.  1886,  I  356—360. 

Andere  Arbeiten,  namentlich  über  römische  Ziffern,  sind  epi- 
graphischer Natur;  auch 

688.  J.  "Woisin,  De  Graecorum  notis  numeralibus.  Kiel  1886. 
54  S.  und  12  lithogr.  Bl. 

berührt  nur  flüchtig  (S.  47 — 52)  einige  Papyri.    Nicht  zugänglich  war  mir 

*689.  L.  Saalschütz,  Über  Zalüzeichen  der  alten  Völker. 
Vortrag.  Schriften  der  physikal.  -  Ökonom.  Gesellsch.  Königsberg 
1893.     5  S. 

Betreffs  der  kritischen  Zeichen  endlich,  die  ja  meist  in  litterar- 
historischem  oder  kritischem,  nicht  aber  in  pal.  Zusammenhang  behandelt 
werden,  habe  ich  nur  notiert: 

690.  H.  Hagen,  Über  die  kritischen  Zeichen  der  alten  Berner 
Horaz-  und  Serviushs  cod.  363  saec.  IX.  Verh.  der  39.  Philologen- 
Versammlung  in  Zürich,  1887,  247—257. 


Anhang  I:  Schreiber. 

Nachträge  zum  Schreiberverzeichnis  in  580  geben  Omonts  ange- 
führte Anzeige  S.  555  ff.  und 

691.     C.  Wessely,  Datierte  Hss.'  Wiener  Studien  V  170  f. 

Ferner  enthalten  die  unter  II  angeführten  Hss-Verzeichnisse  zumeist 
Schreiberlisten,    vgl.    besonders  469  und  554,    überdies  594.     Aus  181 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.   Bd.  LXXXXYIII    (1898.  III.)   20 


306     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

sind  die  Schreibernamen  herausgehoben  in  der  Besprechung  von  Omont, 
Bibl.  d.  chartes  XLIII  679;  vgl.  ebdt.  667—678  die  Anzeige  von 
N.  Kaudakow,  Voyage  au  Sinai  en  1881:  impressions  de  voyage,  les 
antiquites  du  monastere  de  S.  Odessa  1882  (russ.).  Für  einzelne 
Schreiber  (oder  Händler)  führe  ich  an: 

692.  H.  Hauvelle,  Notes  sur  les  niss.  autographes  de  Boccaccio 
k  la  bibl.  Laureutienne.     Melanges  XIV  87 — 145. 

H.  geht  aus  vom  Laur.  XXXVIII  17,  dessen  Schreiber  sich 
Johannes  de  Castaldo  nennt,  sucht  dies  als  Bezeichnung  des  B.  zu 
erweisen  und  zieht  hierbei  noch  andere  Laureutiani  heran. 

693.  L.  Schmidt,  Andreas  Darmarius.  Ein  Beitrag  zur 
Hsskunde  des  16.  Jh.  C.  B.  III  129—136  (vgl.  K.  Krumbacher. 
Noch  einmal  Julies  Polydeukes.     Byz.  Z.  I  342  f.). 

694.  ß.  Foerster,  Zur  Hsskunde  und  Greschichte  der  Philologie. 
Rhein.  Mus.  37,  485  fif.     II:  Hss  des  Antonius  Eparchos. 

F.  bespricht  das  in  556,  S.  413—417  aus  dem  Vindob.  9734  ab- 
gedruckte Verzeichnis  von  Hss,  die  E.,  ein  Verwandter  des  Laskaris, 
in  Venedig  feilbot.  Zwei  andere  Listen  seiner  Codices,  von  denen  viele 
nach  Fontainebleau  und  in  die  Ambrosiana  gekommen  sind,  publiziert 
aus  dem  Vatic.  3958  und  dem  Paris.  3064 

695.  H.  Omont,  C.  des  mss.  grecs  d'Antoine  Eparque.  Bibl. 
d.  chartes  LIEI  95—110. 

696.  L.  Dorez,  Antoine  Eparque.  Recherches  sur  le  commerce 
de  mss.  grecs  en  Italic  au  16«  siecle,     Melanges  XIII  281 — 364. 

697.  J.  Sturm,  Franciscus  Graecus,  ein  unbekannter  Hss- 
schreiber  des  16.  Jh.    Byz.  Z.  V  560— -564. 

St.  veröffentlicht  aus  dem  Vat.  gr.  1898  einen  Brief,  in  dem  sich 
Fr.  um  die  Stelle  eines  Kopisten  bewirbt. 

698.  H.  Omont,  Georges  Hermonyme  de  Sparte,  maitre  de 
grec  ä  Paris  et  copiste  de  mss.  (1476).  Memoires  de  la  Soci6t6 
d'histoire  de  France  XII  65—98. 

699  und  700.  H.  0.,  Le  dernier  des  copistes  grecs  en  Italic, 
Jean  de  Sainte  Maure.  Revue  des  etudes  grecques  I  177 — 191.  — 
Note  sur  un  portrait  de  J.  d.  S.  M.  conserv6  ä.  la  bibl.  Ambrosienne. 
Ebdt.  n  427—430. 

Joannes  Sanctamauras  (auch  A'/idixaiipa;)  lebte  etwa  von  1540 — 1612. 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinbergor.)     307 

701.  L.  Traube,  Schreiber  Lotharius  von  S.  Amand.  C.  B. 
IX  87  f. 

702  und  703.  H.  Omont,  C.  des  mss.  grecs  copies  h  Paris  au 
XVI®  siecle  par  Constantin  Palaeocoppa.  Annuaire  de  l'assoc. 
pour  l'encour.  des  etudes  grecques  XX  241—279.  —  Uu  nouvcau  ms. 
copie  par  C.  P.  (vers  1560).     Revue  III  185—187. 

704.  L.  Cohn,  Konstantin  Paläokoppa  und  Jakob  Dia ssorinos. 
Abb.  für  M.  Hertz  (1888)  123—143. 

Vgl.  509  und  für  Paläokoppas  Gehilfen  Diassorinos  L.  Cohn,  D. 
und  Turuebus.  Satura  Viadrina  (1896)  HO — 121.  Nicht  zugänglich 
war  mir 

*705.  Notice  sur  Tabbaye  du  Mont-Saint-Quentin  pres  Peronne 
et  description  d'un  ms.  execute  par  un  des  moines,  Pierre,  en  Tan  1229. 
Peronne  1885.     22  S. 


Anhang  II:  Ornamentik. 

Eine  kunsthistorische  Würdigung  der  Illustrationen,  Miniaturen, 
Initialen  und  sonstigen  Ornamente  der  Hss  —  mögen  nun  die  Motive 
aus  dem  Altertum  stammen  (vgl. 

706.  S.  Berger,  De  la  tradition  de  l'art  grecque  dans  les  rass. 
latins  des  evangiles.  Memoires  de  la  Societe  des  antiquaires  de 
France  1893), 

unter  christlichem  Einfluß  stehen,  byzantinisch  oder  mittelalterlich  sein 
(vgl.  J.  V.  Schlossers  Beiträge  zur  Geschichte  der  Hss-IIluslratiou  im 
Jahrb.  der  kunsthistorischen  Sammlungen  des  A.  H.  Kaiserhauses  XVI 
—  Wien  1895  —  144  ff.)  —  ist  nicht  Sache  des  Philologen,  schon  weil 
hierbei  eine  Beschränkung  auf  griech.  und  lat.  Sprache  unmöglich  ist. 
Hier  handelt  es  sich  zunächst  um  Arbeiten,  die  sich  auf  eine  einzelne 
Bibl.  beziehen,  wie  (vgl.  185,  327,  334,  345,  429,  445) 

707.  P.  Durrieu,  Les  mss.  ä  peintures  de  la  bibl.  de  Sir 
Thomas  Phillipps  ä  Cheltenham.    Bibl.  d.  chartes  XXVII  381—432. 

Besonders  hervorzuheben  ist 

708.  R.  Bordier,  Description  des  peintures  et  autres  Ornaments 
contenus  dans  les  mss.  grecs  de  la  Bibl.  Nat.  Paris  1882—1884. 
VIII  und  336  S.    4 

20* 


308     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkunde.  (Beer  u.  Weinberger.) 

einerseits  wegen  der  Wiedergabe  der  Farben  in  den  Proben  nach  Art 
der  Heraldiker  durch  Punktierung  und  Strichelung,  andererseits  wegen 
der  guten  Orientierung  über  Motive  in  der  Vorrede  und  im  Index. 
Auf  ein  Inventaire  sommaire  aller  Miniatur-Hss  folgt  die  genaue  Be- 
schreibung von  150  bemerkenswerten  Codices.  An  die  Seite  können  ge- 
stellt werden: 

709.  W.  de  Gray  Birch  and  H.  Jenner,  Early  drawings  and 
illuminations :  an  introduction  to  tbe  study  of  illustrated  mss.  with  a 
dictionary  of  subjects  in  the  British  Museum.    London  1879.    370  S. 

S.  31 — 301  findet  man  die  Miniaturen  in  den  Hss  des  britischen 
Museum  nach  Motiven  geordnet  (Aaron  figure  of  —  Zoroaster 
Portrait  of). 

710.  Luise  v.  Kobell  (Frau  v.  Eisenhart),  Kunstvolle  Miniaturen 
und  Initialen  aus  Hss  des  4.—  16.  Jh.  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  in  der  Hof-  und  Staatsbibl.  zu  München  befindlichen  Mss. 
München  1890.     X  und  108  S.  52  T.     4. 

711.  St.  Beißel,  Vatikanische  Miniaturen  (Miniatures  choisies 
de  la  bibl.  Vaticane).  Freiburg  im  Breisgau  1893.  VIII  und  59  S. 
30  T.    fol. 

ist  sowohl  für  griech.  als  auch  für  lat. Miniaturen  wichtig;  vgl.No.  327  S.  1*. 
Auf  einzelne  Länder  beziehen  sich  (vgl.  95,  375,  37G  und  554) 

712.  V.  Boutovsky,  Histoire  de  roruemeut  russe  du  X®  au 
XVIe  siecle.     Paris  1878.     30  S.  und  100  T. 

Die    Abbildungen   sind    16  griech.    und    über  80  slavischeu  Hss 
entnommen. 

713.  K.  Lamp recht,  Kunstgeschichtlich  wichtige  Hss  des  Mittel- 
und  Niederrheins.     Bonner  Jahrb.  74,  130 — 146. 

Auf  rheinische  Hss  bezieht  sich  zumeist  auch 

714.  K.  L,,  Initial-Ornamentik  des  8.  bis  13.  Jh.  Leipzig  1882. 
33  S.  und  44  T.     fol. 

Zu  der  für  englische  Hss  unter  615  genannten  Abhandlung  ist 
noch  hinzuzufügen: 

715.  M.  Thompson,  The  grotesque  and  the  humorous  in  illumi- 
nations  of  the  middle  ages.     Bibliographica  11  309—332, 

für  karolingische  Ornamentik  s.  No.  299,  333,  622  f.,  für  Atavante 
No.  384.  Ein  Verzeichnis  von  Miniaturmalern  ist  unter  52  erwähnt 
worden.     Abbildungen  findet  man  noch  (vgl.  506)  bei 


Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschrift  nkuude.  (Beer  u.  Weinberger.)     309 

716.  L.  Seghers,  Antike  Alphabete,  Initialen  n.  s.  w.  ausge- 
zogen aus  Missalen,  Bibeln,  Mss.  .  .  vom  12.— 19,  Jh.  2.  Aofl. 
Köln  1885. 

und  (namentlich  von  InHialen) 

717.  F.  Denis,  Histoire  de  rornameutatiou  des  mss.  Paris 
1880.     143  S., 

der  die  Geschichte  der  Ornamentik  ganz  summarisch  giebt. 

Von    einzelnen  Prachthss    sind    (vgl.   413a  und  623;>    genannt 
worden  der  Utrechter  Psalter  (573;  vgl. 

718.  P.  Durrieu,  L'origine  du  ms.  celebre  dit  le  psautierd'Utrecht. 
Melauges  Havet  [1895]  640—657). 

und  die  Wiener  Genesis'  (588).  Silberschrift  auf  Purpurgrund  haben 
auch  der  von  Gebhardt  und  flarnack  in  Rossano  entdeckte  Codex  des 
Neuen  Testaments  (Leipzig  1880)  und  eine  von  Belsheim  (Leipzig  1885) 
behandelte  Wiener  Evangelienhs.  Die  Wiener  Genesis  ist  wichtig 
als  das  älteste  Beispiel  kontinuierender  Darstellungsart  in  einer  christ- 
lichen Hs.  Bei  ihrer  Behandlung  kommt  Wickhoff  auch  auf  antike 
Bilde  rh SS  zu  sprechen,  von  denen  Proben  gegeben  werden;  vgl. 

719  und  720.  P.  de  Nolhac,  Les  peiutures  de  mss.  de  Virgile 
Mclanges  IV  305—333.,  Le  Virgile  du  Vatican  et  ses  peinturcs. 
Notices  et  extraits  de  mss.  de  la  Bibl.  Nat.    XXXV  2  (1897).  111  S. 

Eine  Reproduktion  der  ganzen  Hs  ist  zu  erwarten.  Nicht  zu- 
gänglich war  mir 

*721.  R.  Stettiner,  Die  illustrierten  Prudentius-Hss.  Berlin  1895. 

719  behandelt  sehi'  genau  die  Technik  der  Illustration,  über  die 

ich  noch  einiges  zu  bemerken  habe.  Einen  Traktat  über  Earbenbercitung 
veröffentlicht 

722.  D.   Salazaro,    L'arte    della    miniatura   uel    secolo  XIV. 
Codice  della  bibl.  nazionale  di  Napoli.    N.  1877.    XXV  und  78  S.    4. 

Eine  kritische  Paraphrase  desselben  giebt  (unter  Verweisung  auf 
Aufsätze  in  der  Gazette  des  beaux  arts  von  1885  und  1886  und  in  den 
Memoires  de  la  Societe  des  antiquaires  de  France) 

723.  A.  Lecoy  de  la  Marche,  L'art  d'enluminer.     Paris  1890. 
128  S. 

Desselben  schon  oben  S.  198  erwähnte  Werk  Les  mss.  et  la  miniature 
(1885)  und  die  streng  wissenschaftlichen  Charakters  entbehrende  Dar- 
stellung von 


310     Bericht  üb.  Paläographie  u.  Handschriftenkundc.  (Beer  u.  Wcinbergcr.) 

*724.    A.  Molinier,  Les  mss.  et  les  miuiatiu'es.    Paris  1892 
waren  mir  ebensowenig  zugänglich  als 

*725.  Labitte,  Les  mss.  et  l'art  de  les  corner.  Paris  1892. 
nud 

*726.  J.  H.  Middleton,  lUuminated  mss,  in  classical  and  mediaeval 
times;  their  art  and  their  technique.     Cambridge  1892.     294  S. 

Die  zum  Ausradieren  bestimmten  Anweisungen  für  Initialen  und 
Bilder,  die  manchmal  durch  ein  Versehen  des  Kopisten  in  den  Text 
gelangten,  behandeln 

727.  S.  Berger  und  P.  Durrieu,  Les  notes  pour  l'enlumineur 
dans  les  mss.  du  moyen  äge.  Memoires  de  la  Societe  des  antiquaires 
de  France  53  (1893).    30  S. 


Berichtigung. 

S.  205  Z.  19  ist  statt  S.  191  zu  setzen:  S.  195. 


311 


Verzeichnis 

der  besprochenen  Schriften. 


3/3 


Aall,  LoKOsidee  III  132 
Abbott,  T.  K.,  par  palimps.  III  200 
Adda,  G.  d',  libr.  Viscont.-Sforz.  III  22o 
Aeschyius,  Dramata,  par  C.  Sourdille  I 

116 
edd.  Zomarides- Wecklein  I  116 

—  Orestie  v.  U.  v  Wiiamowitz-Möllen- 
dorf  I  123 

—  Laurentianus  I  116 
Album  paleogr.  III  285 

Alexudes,  A.,  Ko-.  ■/v.^jv^odz.w  III  256 
Allen,  T.  W.,  abbreviationsIII  300 

—  cat.  of.  ms8    III  210 

—  Greek  mss.  III  199.  209.  224 

—  Palaeogr.:  Greek  mss.  III  202 

—  tachygraphy  III  299 

—  a  Wl.  Lindsay,  greek  palaeogr.  III  300 
Allers,  W.,  Senecae  natur.  quaest.  I  28 
Aitenburg.  0.,  z.  Livius  II  SO 

Aly,    F.,    Gesch.  d.  röm.  Litt.  III  1.  9 

Alzinger,  Ätna  II  184 

Amatucci,  A.  G  ,  Annales  Maximi  III  22 

—  Carmen  III  22 

—  eloquenza  lat   III  28 

Amend,  M.,  Gedichte  des  Damasus  III  72 
AmphiJochlj.  griech    Hss.  III  291 
Andt!rga8>en.  L.  8.,  Infinitiv  in  d.  Vul- 

gata  III  105 
Andreoli,  E„  scrittura  III  296 
Anonymi    proleg.  in  Nicomachum  I  SO 
Anonymus  Lond.  ed.  H.  Diels  I  175 
Anthol.  a.  d.  Eleg.  d.  Römer  v.  K.  Ja- 

eoby  II  197 
Anton,    J.    R.   W.,    r.z{A  iu/ä;  xösjiii)  v.rj\ 

oitji'j-^  I  76 
Antonelli,  G.,  cat.  d.  mss.  III  214 
Antoninus,  thoaghts,  by  G.  Long  I  42 
Anziani,  N.,   cod.  Ashburnham  III  217 
Apelt,  0.,  Alexander  v.  Aphrodisias  I  72 

—  griech.  Philosophie  I  5.  6.  24.  238 
Arch.   pai.  Ital.  da  E.  Monaci  III  297 
Arndt,  W.,  Schrifttafeln  III  292 
Arnim,  H.  v.,   Bruchstück   d.  Alexinos 

I  55 

—  z.  Philo  III  128 

—  Philodemus  de  rhetorica  I  55 

—  philon.  Weltanschauung  III  128 

—  stoischer  Papyrus  I  11 

—  Zeno  u.  Theophrast  1  12.  128 


Artemjew,  A.,  IIss.  III  260 

Asbach,  Glaubwürdigkeit  d.  Florus  IIS4 

Asmus,  J.  B.,  Julian  u.  Dio  Chryaosto- 

mus  I  90 
Ausfeld,  A.,  Orosiusrezension  II  147 
Azelius,  Assimilation  I  125 
BabI,    I.,   de  epist.  lat.  formulis  II  20 
Bachof,  Hss.  III  242 
Baehrens.    E ,   antikes  Buchformat  III 

193 
Ball,  Hippolytos  I  149 
Ballin,  F.,  Hochzeitsiied  d.  Catull  I  217 
Bancalari,  F.,  bibl.  Casanat.  III  225 
Bapp,  K.,  Prometheus  1  120 
Barbier,  mss.  III  277 
Bardt,  C,  Cic.  ad.  familiäres  II  4 
Barnabei,  pergamene  III  211 
Barner,  G.,  de  regentiam  virtutibus  I  7 
Barnett,  Eüarivi'53;  I  124 
Bartenstein,  L,  Kaiser  Julian  I  89 
Bastard,  A.  de,  peintures  et  Ornaments 

de  mss.  III  295 
Battifol,  P.,  Klosterbibl.  III  214 

—  librairies  byzant.  III  203 

—  mss.  grecs  III  230.  256 

—  Vaticane  III  228 

Baudrier,  H.,  bibl.  de  Bäle  III  234 
Bauer,  A.,  Poseidonios  u.  Plutarch  üb. 

d.  röm.  Eigennamen  I  23 
Baumann,  Philosophie  I  206 

—  Piatons  Phaedon  I  82 
Baumgarten,  M.,  Seneca  u.  d.  Christen- 
tum 1  32 

Baeumker,    C,    Übersetzung  d.  Sextus 
Emp.  I  66 

—  Materie     I  4.  220 

Baum'stark,     A. ,    Achilleustrilogic    d. 
Aisch.  I  124 

—  Lucubr.  Syro-Graecae  I  76 

Baur,  Homer.  Gleichnisse  in  d.  Aeneide 

II  152 
Bearbtg.  v.  Mss.-Kat.  v.  Czerny-Grillen- 

berger-Vielbaber  III  250 
Becher,  F.,  Sprachgebrauch  d.  Caelius 

II  19 
Beck,  E.,  Hss.  u,  Wiegendrucke  III  240 

—  J.  W.,  z.  Florus  II  89 

—  f  lorushandschriften  II  87 

—  Florus  de  Livio  U  88 


Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft.    Bd.  LXXXXVIII.    (1898.    in.)     21 


314 


Register. 


Beck,  J.  W.,  origo  gentis  Romanae  II  11(1 

—  Sueton  de  gramm.  et  rhetor.  II  110 
Becker,   F.,    sittl.  Grundanschauungen 

Senecas  1  31 

—  G.,  cat.  bibl.  III  203 

—  M.  A.,  Bibl.  d.  österr.  Kaisers  III  254: 

—  R.,  Livius-Bildnisse  II  16_' 

Beer,  R.,  Hssschätze  Spaniens  III  284 

—  Hssschenkung  III  234 

—  Studienbibl.  Olmütz  III  253 

—  U.W  Weinberger,  Litt.  üb.  Palaeogr. 
u.  Handscbriftenkunde  III  187 

Beissel,  St.,  Evangelienbuch  III  236 

—  Vatikan.  Miniaturen  III  308 
Beitrami,  A.,  comm.  petit.  Cic.  II  3 

—  G.,  bibl.  Vatic.  III  230 
Binard,  Ch.,  Philosophie  I  217 
Bender,  H.,    Glaubwürdigkeit  v.  Cäsar 

II  225 

Benn,  philosophers  I  217 

Bensemann,  W.,  Cäsars  ünterfeldherrn 
II  225 

Bergemann ,  Gedächtnisstheor.  Unter- 
suchungen u.  mnemotechn.  Spiele- 
reien I  5 

Berger,  E.,  mss.  III  230 

—  H.,  Erdkunde  l  241 

—  Ph.,  bist,  de  l'ecritare  III  297 

—  S.,  art  grecque  III  307 

—  u.  P.  Durrieu,  notes  pour  Penlami- 
neur  III  310 

Bergk,  Th.,   griech.  Litteraturgesch.  I 

247 
Bergmann,  J.,  Lex.  Prudent.  III  75 

—  Philosophie  I  206 

Bergmüller,  L. ,  Briefe  d.  Munatius 
Plancus  an  Cic.  II  20.  III  53 

Berltere,  D.  U.,  mss.  II  284 

ßernardakis,  Papyrus  als  Buchdeckel 
III  206 

Bernays.  J.,  Phokion  I  272 

oerndt,  Th.,  z.  griech.  u.  röm.  Schrift- 
stellern: Florus  II  91 

Bertolotto,  cod.  greco  III  218 

Bethe.  E.,  z.  Porphyrius  I  83 

Biadego,  6.,  cat.  d.  mss.  III  233 

Bibl.  Apost.  Vatic.  II  [  229 

—  Casinensis  III  220 
B'ß/.v.  -o.iaqn;  III  193 

Biese,  A ,  Problem  d.  Tragischen  I  107 
Birt,   Th.,    antikes  Buchwesen  III  189 

—  Catullus  ad  Mallium  II  217 

—  commentar.  Catull.  II  213 

—  röm.  Litteraturgesch.  III  11 
Blase,  H.,  modo  si  IIl  49 

—  Plusquamperfekt   im  Latein  III  45 
Blass,  F.,  griech.  Papyrus  III  136 

—  Agamemon  I  122 


Blass,  F.,  Antigone  u.  Protagoras  I  136 

—  de  Antiphonte  I  87 

—  Beredsamkeit  I  241 

—  IIss.  III  252 

—  Palaeogr.  etc.  III  287 

—  H.,  Orestie  I  124 
Blau.  A  ,  Hss.-Kat.  III  235 
Blaydes,  F.  H.  M,  Aeschylus  I  116 
Böckel,    E.,   z.  Cic.   ad.  Attioum  II  55 
Boeckh,  A.,  Urkunde  auf  Papyrus  III 136 
Böhme,  P.,  Bibl.  Pforta  III  246 

Bols,    H  ,   Philosophie  judeo-alexandr. 

III  133 
Boissier,  G.,  Bild  Vergils  II  149 

—  christianisme  de  Boece  I  99 

—  fabulae  praetextae  III  23 

—  nouv.   prom.    archeol.:    Horace   et 
Virgile  II  158 

Boll,  F..  Claudius  Ptolemaeus  I  103 

—  z.  Poseidonios  1  25 

Bolla,    E.,   Arriano  di  Nicomedia  I  40 
Bond,  E.  A.,  a.  E.  M.  Thompson,  manu- 
scripts  a.  inscriptions  III  138 

—  Thompson-Warner,  palaeogr.   mss. 
III  287 

BonhöfTer,  A.,  Eoictet  a.  d.  Stoa  I  35 

—  Ethik  d.  Epictet  I  37 

—  z.  stoischen  Psychologie  I  38 
Bonnet,  M.,  mane  feminum  III  49 
Boor,  C.  de,  griech.  Hss.  III  237 

—  Fragm.  d.  Aelian  I  104 

Boot,  J.  C.  6.,  anal,  crit.:  Florus  II  91 
— ,  —  Suetonios  II  105 

—  Cicero  ad  Atticum  II  45 

—  suspic.  Livianae  II  72 

Bordier,    R.,    peintures    et   Ornamente 

III  3(»7 
Borromeo,  C,  Georgiche  II  170 
Bortolan  e  Rumor,  bibl.  Bertol.  III  233 
Bouohot,  H.,  livre  III  189 
Boutovsky,  V.,  ornement  russe  III  308 
Boysen,  K.,  Mss  -Kat.  III  271 
Bradley.  J.  W.,   diction.  of  miniaturist» 

etc.  ill  198 
Brambach.  W.,  Hss.-Sammlg.  III  243 
--  Pbalterium  111  206 
Brandscheid,  F.,  Iphigenia  I  151 
Brandt,  S.,  Chalcidius  I  98 

—  conlidere  b.  Lactanz  III  95 

—  Georg  Schepss  IV  123 

—  Lactantius   u.    de  mortibus  perse- 
cutorum  III  95 

—  Probuskommentar  II  181 

—  splenis  b.  Lactanz  EI  95 
Bresslau,  H.,  Klosterbibl.  III  237 
Breton,  G.,  poesie  philos.  I  265 
Breunig,  H.,  Liviuslektüre  II  79 
Brieger,  A,,  Epikurs  Lehre  v.  d, Seele  1 52 


? 


Register. 


315 


Briquet,   C.    M.,    filigranes    du   papier 
ill  i;»7 

—  papier  arabe  III  19ß 

—  papier  de  coton  III  195 

—  papiers  en  Sicile  III  196 

—  Premiers  papiers  III  195 
Brochard,  V.,  logique  des  Stoiciens  I  8 
Browning,  C.  E.,  Latin  prose  III  29 
Brugsch,  H.,  lettre  sur  papyrus  III  13G 
Bruhn,  E.,  Suidea  I  104 

Brunet  de  Presle,  papyrus  grecs  III  136 
Brünnert.    G.,    Sprachgebr.    d.    Dictys 

Cret.  III  64 
Bruns,    J.,    Alexander   v.    Aphrodisias 

I  72 

—  Dio   Chrysost.  et  Aristot.  I  45.  72 

—  Fontes  Juris  Rom.  Antiqui  III  137 

—  interpret.  var. :  Alexander  v.  Aphro- 
disias I  73 

Plotin  I  82 

Stoiker  I  9 

B(ücheler),   F.,   z.  Philod.  -zrji  -oiYjjia- 

-><)•■>  I  57 
Büdinger,   röm.   Spiele   u.  d.  Patriciat 

II  157 

Bürchner,  L.,  mafortium  III  49 
Burckhardt,  A.,    Evangelienbs.  III  234 
Burg,    Fr,   de  M.  Caecilii  Rufi  genere 

dicendi  II  19 
Burger,    F.,    Stichometr.    z.    Demost. 

III  200 

Bürger,  R.,  antiker  Roman  III  31 
Burkhard,  K.  L.,  Nemesius'  -spi  tpuasoj; 

«vö-poiKOu  I  92 
Burkitt,  F.  C,  old  Latin  a.  Itala  III  104 
Buermann,  J.,   Bavaricus  a.  Marcianus 

III  200 
Burnet,  J.,  law  a.  nature  in  ethics  I  268 

—  philosophy  I  254 

Bury,  J.  B..  Agamemnon  I  122 

Busolt,  6.,  Diodor  I  101 

Buttmann,  H.,  Beischrift  auf  e.  Papyrus 

III  137 
BQttoer,  R.,  Porcius  Licinus  III  16 
Byk,  S.  A..  Philosophie  I  2.54 
Cabantous,  J.,  Philon  III  132 
Caesar  reo.  Kübler-Wölfflin  II  220 
Canetta,  C,  mss.  III  219 
Canonica,  G,.  Merope  III  32 
C(antero),  B.,  bibl.  iNapoli  III  221 
Cantor,  M.,  Mat^>ematik  I  241 
Carini,  J.,  bibl.  Vatic.  III  227 

—  materie  scrittorie  III  192 

—  paleogr.  III  286 

—  porpora  e  colore  porpor.  III  197 
Carlyle,  Mss.  III  263 

Carta,  F.,  cod.  e  libri  III  219 
Cartault,  Aeneis  II  180 


Cartault,  Eneide  11  155 

—  talent  de  Virgilc  II   149 
Casali,  Vergils  Eklo2;en  II  164 
Cassel,  P.,  Epikur  I  .50 

Castellani,  C,  bibl.  nell'  antichitä  III  201 

—  cat.  cod.  graec.  III  232 

—  cod.  mss.  III  232 
Castelli,  L.,  mss.  III  222 

Catalogue  de  la  bibl.  Borghes.  III  226 

—  d.  ßibl.  Friesland  III  267 

—  cod.  bibl.  Univers.  Budapest.  III  252 

—  cod.  graec.  III  238 

—  cod.    hagiogr.    III    254.    266.    267. 
268.  270.  271.  277.  280. 

—  cod.  mss.  bibl    Mellic.  III  252 

—  cod.  mss.  conf  D.  Macray  III  265 

—  of  mss.  III  217.  264 

—  of  the    printed   books  etc.    by    H. 
Huth  III  262 

—  of  Stowe-mss.  III  264 

Catulle.     Manuscrit  II  198 
Catullus  ed.  C.  G.  Allen  II  194 

—  rec.  Baehrens-Schulze  II  194 

—  ed.  R.  EUis  II  191 

—  V.  F.  Frese  II  201 

—  V.  Th.  Heyse  II  199 

—  by  E.  T.  Merrill  II  196 

—  di  C.  Nigra  II  193.  198 

—  by  S.  G.  Owen  II  196 

—  by  A.  Palmer  II  197 

—  rec.  J.  P.  Postgate  II  191 

—  par  E.  Rostand  II  192 

—  rec.  B.  Schmidt  II  190 

—  Properz  u.  TibuU  v.  Th.  Vulpinus- 
II  200 

Cavalieri,  P.  F.  de,  u.  G.  Muccio,   bibl. 

Angelica 
Cebetis  Tabulae  rec.  C.  Praechter  I  45 
Cecca,  6.,  concscenza  I  221 
Cecchetti,  B.,  libri  etc.  III  202 
Ceriani,  A.,  papiro  greco  III  137 
Chabert,  S.,  de  latinitate  Marcelli  III  70' 
Chaignet,    A.  E.,    psychologie  I  4.  221 
Chatelain,  E.,  mss.  III  273 

—  uotes  tiron  III  303 

—  paleogr.  II  62.  III  293 

—  Reginensis  762  de  Tite-Live  III  198 
Chauvet,    E.,   philosophie  d.  medecins 

I  241 
Chawner,  Sueton  II  108 
ehester,  G.  J.,  library  Smyrna  III  259 
Chiappelli,    A.,   naturalismo  di  Socrate 

I  272 
Chinnock,  E.  L,  Epictet  I  35 
Chrestomathie  aus  Schriftstellern  d.  silb. 

Latin.  II  116 

Justinus  II  100 

21* 


316 


Register. 


Chrestomathie  a.  Sehiiftst.  d.  silb.  Lat.: 

Schlaclit  im  Teutob.  Walde  II  96 
Christofolini,   1.  Ekloge  Vergils   II  165 
Chruzander,  C.  G.,  de  elocut.  panegyr. 

gallic.  III  56 
Ciceronis  epist.  ed.  L.  Mendelssohn  II  6 
Cipolla,    C,    tacliygraphie    Ligurienne 

ni  303 
Ciponta,  bibl.  Novalic.  III  222 
Clark.  J    W.,  libraries  III  202 

—  A.  C,  Hss.  III  239 

—  mss.  II  12.  13 

Claude-Odon   Reure ,    gens    de   lettres 

m  14 

Cledat,  L.,  reprod.  photolithogr.  de  mss. 

m  289 
Cocchia,  E.,  epigrammi  sepolcrali  in  22 
Cod.  diplom   Cav.  IH  213 
Cohn,  L.,  apocrypbal  work  III  132 

—  Diassorinos  u.  Turnebus  III  125 

—  Konstantin    Paläokoppa    u.    Jakob 
Diassorinos  III  307 

—  z    Philo  III  125.  134 

—  Philo-Forschungen  III  123 
Commentaria  in  Aristotelem  I  174.  175 
Comparetti,    D.,    Marmorhermen  I  154 

—  Virgilio  II  161 

Conradt,  C,  Agamemnon  I  122 

—  Aias  I  131 

—  anapäst.  Einzugslieder  I  107 

—  Schutzflehende  I  121 

—  Sieben  gfgen  Theben  I  120 
Conybeare.   Philo    about   the    contem- 

plative  iife  III  122.  127 

—  Philon.  text  of  the  Septuag.  III  128 
Conze,  A.,  pergamen.  Bibl.  III  202 
Cooper,  F.  T ,   wordformation  III  46 
Comelissen.  J    J.,  ad  Livium  II  71 
Cosattini,  A  ,  Epicurus  I  49 

—  ind.  cod    graec.  III  232 
Cosentini,    6 ,    carta  di  papiro  III  192 
Cousin.  G.,  inscriptions  d'Oeuoanda  I  59 
Couvrier,  inventaire  III  191 

Covotti,  A.,  cosmogonia  plotiniana  I  82 
Coyecque,  librairies  III  274 
Credaro,  L.,  probl.  d.  libertä  I  5 

—  scetticismo  I  63 
Crusius,  0.,  Georgica  II  170 

—  Ko/',;  'j'j-.'/:,»>;vj.  des  Oinomaos  I  49 

—  Vergils  IV."  Ekloge  II  166 

—  Vergils  VIII.  Ekloge  II  169 
Csontosi,  J.,  Corvin.  Hss.  III  251 
Cucuel.    Ch.,   paleogr.  grecque  III  288 
Cumont,   F ,    fragments  de  Julien  I  88 

—  Julien  ä  Eustathios  I  89 

—  lettres  de  Julien  I  88.  89 

—  Misopogon  de  Julien  I  89 

—  Salluste  I  90 


Curtze,    M.,    Hss.  u.  seit,  alte  Drucke 

III  248 
Cybulski,  St.,  castra  Romana  II  224 
Czerny    A..  Stiftsbibl.  III  202 
Damascius  ed.  C    A    Ruelle  I  97 
Dandoto,  G  ,  l'aniraa  I  268 
Danko,  J.,  hymnarium  III  250 
Daub,  A  ,  Anaximenes  u.Anakreon  1 193 
Decker,  A.,  Mss  -Sammig.  III  243 
Deichmann,  C,  Probl.  d  Raumes  I  220 
Deiter.  H.,  z.  Cic   ad  fam.  II  54 
Deiters,  H  ,  Hss.  III  238 
Dellsle,  L ,  cabinet  des  mss.  III  204 

—  cat.  d.  mss    III  216.  270.  278 

—  ecole  calligraph.  III  295 

—  invent.  d.  mss.  111  270 

—  ms.  Merovingien  III  294 

—  mss.    III  216.   230.  269.  270.  271. 
276.  282.  283 

—  paleogr.  et  bibliogr.  III  270 
Demmler,    A.,    „de  bono  pudicitiae"  u. 

„de  spectaculis"  III  90 
Denis.  F..  omamentat.  des  mss.  IH  309 
Denissow.  J.,    z.  Äschylus  I  116.  118. 
Dewaule,  L.,  Gellius  I  103 

Atccfp.   X'iiJ'.xf;;   (p'."/,030'iic«;   I   14 

Dianu,  J.,  Beschreibung  u.  Kollation  d. 

Thuaneus  II  63 
Diehl,  C,  tresor  et  bibl.  de  Patnios  III 258 
Diels,  H.,  ApoUodors  Ghronika  I  193 

—  Atacta  I  276 

—  2  Funde  I  58 

—  in  Laertium  Diogenem  I  60.  188 

—  Menons  Jatrika  I  176 

—  Philosophenschulen  I  269 

—  physik.  System  d    Straton  I  57 

—  Pseudonaevianum  I  98 

—  Stichometrischi's  III  199 

—  Stobaios  u.  Aetios  I  170 

—  Xenophanes  u.  Hippon  I  178 
Dietze,  J.,  II.oojir,f>co:  I  119 
Di!they,C.,  coniect.  crit. ;  Valer.Max.II  139 

—  W.,  Geisteswissenschaften  I  209 
Dittmar,  Hss.  u.  alte  Drucke  III  244 
DobschOtz,  E.V.,  z.Euthaliusfrage  III 200 
"  z.  Textkritik  d.  Vulgata  III  107 
Dorez,  L.,  bibl.  du  card.  Aleandro  III 231 

de  Christine  de  Suede    III  230 

de  Theodore  Gaza  IH  210 

de  Jules  II.  III  228 

—  —  de  Lascaris  III  215 

de  Leoni  IH  215 

de  Viterbe  III  233 

—  Antoine  Eparque  III  306 
Dorison,  Seneca  I  31 

Doxographi  Graeci  rec.  H.  Diels  I  158 
Drachmann,  A.B.,  Catulls Dichtung  11202 
Dräseke,  J.,  2  Bestreiter  d.  Proklos  1 96 


Register. 


317 


Dreves,  G.  M.,  Aurelius  Ambrosius  III  72 
Droysen,J.6., Beischrift  v.Papyren  III 137 
Duchesne,  L.,  cod.  Pii  II.  III  230 
DOhring,  E,  Philosophie  I  204 
Dümmler,  F.,  Akademika  I  272 

—  Antisthenica  1  272 

—  Gegner  Theophrasts  I  13 

—  Dio  Chrysost    I  43 

Duncker,  M.,  griech.  Geschichte  I  249 
Düning,    Fragm.   d.  Itala-Kod.  III  24« 
DOntzer,  H.,  Catull  u.  Uoraz  11  208 
Düpow,  R.,  Suetonius  11  112 
Durrieu,  P.,  ms.  III  309 

—  mss..  ä  peintures  III  307 
Duvau,  Äneis  II  i:si 

Dyer,  L.,  AgamemDon  I  122 
Dziatzko,  K.,  Autor-  u.  Verlagsrecht 
III  201 

—  Buchwesen  III  190 

Earle,  Vergils  I.  EkL.ge  II  166 
Egen,  A.,  quaest.  Fiorianae  II  90 
Egger,  E.,  hist.  anc.  et  phiiologie  III 137 

—  hist.  du  livre  III  lb9 

—  papyrus  III  137 

—  papyrus  fragm.  III  137 

—  papyrus  greco-egypt.  III  137 

—  V.,  Diojienes  Laertius  I  182 
Ehemann,  C.,  Dio  Chrysost.   1  45 
Ehrensberger,    H.,    bibl.  lithur-ica  ms. 

III  207 

—  libri  liturg.  III  231 
Ehrhard,  A.,  Cod.  H  III  200 

—  Hss.  III  210 

—  Klosterbibl.  III  257 

—  Patriarchalbibl    III  257 
Ehrle,  P.,  hist.  bibl.  Rom.  III  227 

—  Katalogisierung  d.  Vaticana  III  226 
Ehrlich.  E..  Latin    d    Itala  III  105 
Ehwald,  Äneis  11  179 

—  Hss.  u.  Inkunabeln  III  241, 

—  Homer.  Gleichnisbe  in  d.  Äneide 
II  153 

—  P.,  Paläograpb.  III  305 

—  et  G.  Loewe.  bcript.  Visigot.  III  294 

—  R.,  galluria  111  49 

Elegiker,  röm.,  v.  K.  P.  Schulze  II  197 
Ellls,  R.,  ßlaydes'  Adversaria  I  116 

—  z.  Cic.  Briefen  II  46 

—  z.  Ciris  II  185 

—  commentary  on  Catullus  11  191 

—  Culex  II  186 

—  epist.  ad  fam.  II  53 

—  Adv.:  Philodemus  I  57 

Elter,  A.,  Gesch.  d   gnech.  Florilegien 
I  105 

—  de  gnomol.  graec.  hist.  II  121 

—  de  Stoba«i  cod.  Photiano  I  169 
Enminger,  A.,  Philo»ophen  I  192 


England,  B,  Orestes  I  152 

Epictetus    by    Th.  W.  Uigginson   I  34 

—  par  U.  Joly  I  34 

—  by  G.  Long  I  34 

—  by  T.  W.  Rolleston  I  34 

—  rec.  H.  Schenkl  I  33 

—  par  II.  Tampucci  I  34 

—  par  F.  Ch.  Thurot  I  34 

—  et  Moschio  ed    A.  Elter  I  33 
Epicurea  ed.  II.  Usener  I  182 
Erdmann,  J.  E.,  Philosophie  I  204 
Erdmannsdörfer,  ß.,  Heidelberger  Bibl, 

III  242 
Ernouf,  bibliotheques  III  201 
Eschilo  Laurenziano  I   116 
Eskuche,  Dirae  u.  Lydia  II  187 
Espinas,    G.,    philos.  de  l'action  I  266 
Eü'/jj  3  /.  i'or,  ;,  M.,  h-.  -:/,:  -p/dOEc»;  I  221 
Eucken,    R,    Lebensanschauungen    d. 

grossen  Denker  I  3 

—  philos.  Terminol.  I  209 
Euripides,  AIcestis  by  S.  Hadley  I  145 

—  Uecube  p.  H    Weil  I  146 

—  Herakles,  erkl.  v.  U.  v.  Wilamowitz- 
Möllendorff  I  272 

—  Iphigenie  inAulis  übers,  v.  K.Busche 
I  150 

—  Medee  p.  Weil-Dalmeyda  I  151 
Eussner,  comm.  petit.  II  2 
Eutropius  by  C   Caldecott  II  83 

—  by  J.  Gibson  II  83 

—  by  A.  R.  Hallidie  II  82 

—  par  A.  E.  da  Silva  Dias  II  83 

—  by  W.  Welch  a.  C  G.  Duffield  II  82 
Fabia,    Neron  et  les  Rhodiens    II  109 

—  Neron  et  Poppee  II  108 
Fahre,  P.,  mss.  III  230 

—  \aticane  III  228 

Fairclough,  R.,  Aristph.  a.  Eurip.  I  145 

—  attitude  of  Tragedians  I  108 
Falk,  F.,  Dombibl.  III  244 
Farnell,  L.  R  ,  Agamemnon  I  121 
Faücon,  M  ,  libr.  d.  papes  III  227 
Faulmann,  C ,  Buch  der  Schrift  III  297 
Favoloro,  M  ,  paleogr.  111  297 
Fenner,  L.,  quaest.  Catull.  II  218 
Fertig,  j.,  de  Philostratis  sophistis  I  79 
Festa,  N.,  ind.  cod.  graec.  III  218 

—  strategia  di  Giovanni  I  91 
Fischer,  L,  Mathias  Corvinus  u.  s.  Bibl. 

III  251 

—  W.,  Zachariae  v.  Lingenthal  IV  13 
Fiorus  ed.  0.  Rossbacii  II  92 
Flügel,  G.,  z    cod    S.  Simeonis  III  248 

—  0..  Probl.  d    Philos    I  206 
Foltz,  K.,  .^alzburger  Bibl.  III  253 
Fontana,  6.,  Octav.  Augusto,  Virgilio  e 

Orazio  III  25 


31g 


Register. 


Forshall,  J.,  Greek  Papyri  III  137 
Förstemann.  Acneasmythus  II  159 
Foerster,    R.,    z.    Görlitzer  Lucian-Hs. 
III  200 

—  Hs.  d.  Serail  III  258 

—  Hss.  III  263 

—  Hsskunde:     IL    Hss.    d.     Antonius 
Eparchos  III  306 

—  z.  Julian  I  88 

—  mss.  III  257 

—  W.,  Appendix  Probi  III  98 
Foucard,  C,  paleogr.  III  297 
Fourer,  E ,  Ephemer.  Caes.  II  30 
Fournier,  M.,  bibl.  d.  Toulouse  HI  283 
Frarcaroli,  G.,  cat.  de  mss.  III  220 

—  cod.  greci  III  220 
Francken,  C.  M.,  satira  III  24 
Frankfurter,  Autorschaft  d.  Script,  hist. 

Aug.  III  60 
Frati.  L.,  bibl.  Bologna  III  212 

—  bibl.  Corvin.  III  251 

Frazer,    D.,   paper,  pensa.  ink  III  197 
Frederking.  A.,  Sophokles  I  125 
Freudenthal,   J.,  philosophy  in  Septua- 
ginta  III  120 

—  Weisheit  Salomos  III  121 

—  M.,  Erkenntnisslehre  Philos  III  131 
Frey,  K.,  messian.  Weissagung  Vergils 

II  167 

—  z.  Orestie  I  124 

Freyer,  P.,  Hss.-Verz.  III  243 
Frick.  C.,  z.  Anonymus  Valesianus  III  63 
Friede,  A.,  Hss.  III  247 
Friede!,    0.,  philos.  studia  Hom.  I  271 
Friedländer,    M.,   Entstehungsgesch.  d. 
Christentums 

—  Judentum  III  119 
Friedrich,  Aeneis  II  179 

Fritsche,  Lucrezbiogr.  d.  Sueton  II  111 
Frltzsche,  R.,  quaest.  Lucan.  I  102 
Froehde,   0.,   Anfangsgründe   d.    röm. 

Gramm.  III  30 
Fröhlich,  F.,  berühmte  Feldherrn:  Pom- 

peius,  Sertorius  u.  Cäsar  II  224 

—  K.,   Adverbialsätze    in    Bell.    Gall. 

II  223 

FQgner,  F,  lexicon  Livianum  H  76 

—  Liviuslitt.  II  61 

Funck,  A.,  Adverbia  auf  im  III  46 

—  glossogr.  Stud.  III  52 

—  praemiscuus  =  promiscuus  u.  ähnl. 

III  50 

—  0  ,  z.  Petronius  u.  lat.  Glossaren  III  54 
Forst,  A.,  CatuUus  II  216 

Galasso,  idee  n.  scuole  filos.  I  268 
Galenus,  ed.  G.  Kaibel  I  73 

—  rec.  Marquardt -Mueller- Helmreich 


Galli,  E.,  Iphigenie  I  150 
Ganter,  F.  L,  c/b^rj^i;  I  38 

—  Cicero  an  Brutus  II  33 
GanzenmUller,  z.  Ciris  II  184 
Gardthausen,  V..  cat.  cod.  graec.  lU  259 

—  griech.  Paläogr.  III,  288.  290 

—  roinuscule  grecque  III  291 
Gast.  E.  R.,  Antigone  I  138 
Gauthler,  C,  mss.  III  276 

—  J..  mss.  III  283 

Gawanka,  C,  de  summo  bono  etc.  I  9 
Gebhard,  E.,  de  D.  Junii  ßruti  genere 

dicendi  II  18.  53 
Gebhardt,  0.  v.,  Bücherfund  III  212 

—  Kod.  Corviii.  III  251 
Geffcken,  J.,  saturnia  tellus  II  170 
Genesis,  Wiener,  v.  W.  v.  Hartel  u.  F. 

Wickhoff  III  290 
Gensei,  P.,  de  S.phocle  I  126 
Georgiades,   A.,    droa-c<3iJLC(xa  noptcupioü 

I  84 
Gerathewohl,    B. ,   AUitteration    in    d. 

Aeneis   II  154 
Gercke,  A..  Ariston  I  13 

—  z.  Horaz  1   15 

—  Varros  Andabatae  I  67 

Gertz,  M.  Cl .  Valeiius  Maximus  II  138 
Geyer,  P.,  Adamnanus  III  116 

—  z.    Antonini  Piacentini  Itinerarium 
III  110 

—  gall.  Lat.  b.  Marcellus  Empir.  III  69 

—  Jahresber,  üb.  Vulgär-  u.  Spätlatein 
III  33 

—  männl.  Verbalsubstantiva  III  45 

—  oratio  ■=  Gebet,  incendium  =  Weih- 
rauch III  87 

—  orum  ^  Rand  III  50 

—  praesens  —  r^fOüaEvo;  III  50.  101 

—  Reciprocität  im  gall.  Latein  III  44 

—  Silviae  peregrinatio  III  69 
Giambelli.  C,  -foK-//.^'.:  e  gnoseologial  51 

—  stud.  Aristot.  e  la  dottrina  d'Antioco 
I  66 

Glesecke,  A.,  Ariston  v.  Chios  I  13 

—  Ariston  b.  Piut   I  13 

—  z    Mutonius  I  33 

—  deptiil<)sopliorumöententii8l7. 18.32 
Gilow,  H.,  Philosophen  u.  Volksreligion 

I  221 
Giorgi,  J ,  bibl.  Nonantola  III  221 
Girard,  P.,  Es.hyle  I  116.  118 

—  cratere  I   153 

Giri,  J..  Catullus  II  211 
Giry,  A.,  ms    III  247 
eitlbauer,  M.,  P..läogr.  III  290 

—  Ta.-hygrapliie  III  29» 

Giulari,  G.  8  ,  c  pit  bibl.  Veron.  III  233 
Gladisch,  A.,voräokrat.  Philosophen  1265 


k 


Register. 


319 


Slogau,  G.,  Philosophie  I  254 
fioldmann,  A  ,  Hss.-Kat.  III  250 
Gtmperz,  Th.,  griefh    Denker  I  254 

—  griech.  Kurzsihrift  III  297 

—  zu  griech.  Schriftstellern  I  55.  27ß 

—  griech.  SchriftsystL-m  III  21)7 

—  ad  Laert    Diog.  I  60 

—  Philodem  I  5G 

Gorra,  E.,  linsue  neolatine  III  3«) 
fiotilieb.  Th  ,  Hs8.  III  212 

—  mittclalterl.  Bibl.  III  203 
Sdttsching,  J.,  ApoUooius  v.  Tyana  I  77 
Gottwald,  B.,  cat   cod.  mss.  III  235 
Goetz,    C,    c^nstitutus  ^^  xafricj-du:,    oiv 

bei  Cyprian  III  48 

—  G.,  Dunkel-  u.  Geheimsprachen  III 
115 

—  Ludwig  Mendelssohn  IV  49 
Goetze,  R  ,  quaest.  Eumen.  III  56 
Gradenwitz.  0  ,  z.  Rechtssprache  III  103 
Küblor-Schulze,    vocab.    iurisprud. 

Rom.  III  103 
Graefe,  E.,    Weisheit   Salomos  III  121 
Grand,  D.,   cours  de  palaeogr.  III  286 
Graux,  C,  encre  III  197 

—  mission  en  Espagne  III  284 

—  ms.  grec  III  234 

—  mss.  en  Copenhague  III  260 

—  mss.  en  Suede  III  260 

—  Olympique  de  Pindare  III  197 

—  etichometrie  III  199 

—  et  A.  Martin,  mss.  III  291 
Gray  Birch,  W.  de.  ms.  III  287 

—  a.  H    Jenner,    drawings    a.    illumi- 
nations  '.II  308 

Gregorius  Nyssenus  ed.  C.  J.  Burkhard 

I  93 
Gregory.  G.  R.,  cahiers  des  mss.  grecs 

III  195 
Grenfell,  B    P.,  revenue   laws  III    137 
Groebe,  P.,  de  legibus  et  senatus  con- 

ßulüs  II  32    56 
GrSber,  C,  Versturamung  III  43 
6r«piu8,  R.,  Hss.  III  249 
Grupe,  E.,  Latin.  Ju.stmians  III  103 

—  Sprache  des  Apollinarius  Sidonius 
ni  67 

Gudemann.  A..  Chrysippos  a.  Varro  1 102 
Guhrauer,  H.,  Antigone  und  Ismene  1 137 
Gundermann,  G.,Senecae  natur.  quaest. 

I  28 
Gurlitt,  L.,  z.  Cic.  ad.  Atticum  II  55.  57 

—  Cic.  ad  Brutum  II  11 

—  z.  Cic    ad  tarn    II  54 

—  z.  Cic.  Briefen  II  1.  12.  53 

—  Cicero-Codex  II  9 

—  Cic.  epist.  II  8 

—  Marcellus  u.  d.  Cicero-Briefe  II  32 


Gurlitt,  L ,  Verbesserungsvorschläge  z. 

Cic.  ad  Quint.  frat   II  59 
Gustafsson,  F.,  ad    Livlum  II  74 
Haaser,  E,  griech.  Papyrus  III  138 
Haberlandt,  0.,  de  fi^zurae  usu  I  125 
Haeberlin,  0.,  Bibliotheks-  u.  Buchwesen 

III  i'.t;; 

—  griech.  Papyri  III  191 

—  Tragikerfragment  I  154 

Häbler,  A.,  z.  Kosmogenie  dcrStoiker  19 
Hagen,  H.,  cat.  cod.  Bern. 

—  krit    Zeichen  III  305 

Hahn,  R.,  Religion  d.  Sueton  II  100 
Haigh,  E ,  trag,   drama  of  the  Greeks 

I  108 
Halbertsma,  T.,  adv.  crit:  Justin  II  100 

Sueton  II  106 

ad  tragicos  I  107 

Hall,  J.  H.,  hagiol.  ms.  III  265 
Hamann,  K.,  Ilss.  III  238 

—  Sallust-Hs.  III  248 

Hammer,  M.,  roman  Lautwandlung  III42 
Hänny,  L.,    Schrittsteller    u.  Buchhdlr. 

Ill  201 
Hansen,  6.  v.,  cod.  mss.  III  261 

Harder,Chr..Porphyrius  Kommentarl86 
Hardy,  E,  Physis  I  220 
Harms,  F.,  Philosophie  I  209 
Harnack,  A.,  Dogmengesch.  III  119 

—  Übersetzg.d.  1. Clemensbriefes  III  84 
Harry,  Phädra 

Harte!,  W.  v.,  Papyrus  Rainer  III  192 
Harte!- Loewe,  bibl.  patrum  lat,  III  285 
Hart),  A.,  Eigentüml.  d.  Vulgata  III 105 
Hartlich,  P.,  de  exh  a.  Gr.  Rom.  script. 
bist.:  Ariston  I  5.  14 

—  —  Galen  I  75 

—  —  Jamblichus  I  87 

—  —  Poseidouios  I  23 

—  —  r.(j'i-(jz--'.y.'j'.  I  5 

—  —  Seneta  I  31 

—  —  Tliemibtios  I  76 
Hartwig,  0,  Hsliches  III  213 

Hatch,  E ,  Griechentum  und  Christen- 
tum III  119 
Hatfield,  J.  T.,  study  of  Juvencus  III  73 
Haube,  0 ,  Epen    d.    röm.   Litt.  III  18 
Hauier,  z.  Öailust  II  124 
Haupt,  C  ,  Liviun  Darst'illungsform  II  78 

—  Livius-Kommentar  II  75 

—  Kyiianiden  d.  Hermes  I  81 
HauüChild,  G.  R.,    Veibindg.    finiter  u. 

infiniter  Verbalformen  III  106 
Haussleiter,  J ,  Brief  d.  h.  Clemens  an 
d.  Korinther  HI  84 

—  lat.  Apokalypse  III  109 
Hauthaler,  W.,  Miscellenkod.  III  253 
Hauvette,  H.,  mss.  HI  306 


320 


Register. 


t 


Havet,  Aeneis  II  ISl 

—  ecritui-e  secrete  III  303 

—  L.,  memineos  III  40.  112 

—  mentio  =^  mentior  III  49 

—  prose  metr.  d.  Synimaque  Ilt  C(5 
Hayley,  H.  W.,  llippolytus  I  141 
Headlam,  W.,  Euripidea  I  142 

—  griech.  Tragiker  I  107 

—  ad  Laert.  Diog.  1  (51 

—  Sosiphan  frg.  I  116 

Heiberg,  J.  L.,  Bibliotheksnotizen  III 211 

—  Vallas  u.  s.  Bibl.  III  220 
Heidenhain.   Suetons   vita   d.  Horatius 

II  110 
Heinemann,  0.  v.,  llss.  III  249 
Heinze,  M.,  Eudämonismus  I  221 

—  R.,  Anacharsis  I  19 

—  Ariston  b.  Plut.  u.  Hör.  I  12 

—  de    Iloratio    ßionis   imitatore  I  15 

Heitz,  E.,  Metaphysik  d.  Herennios  I  83 
Hellmuth,  H.,  Sprache  d.  Sulpicius  Galba 

u.  Cornelius  Baibus  II  17 
Helm,  R.,  Jahresber.  üb.  Vergil  II  148 
Helmreich,  G.,  z.  Aurelius  Victor  II 120 

—  z.  Galen  I  74 

—  Galeni  fragmenta  I  74 

Hempel.  H.,  Hss.  u.  alte  Drucke  III  247 
Hendrickson,  G.  L.,  comm.  petit.  of  Cic. 
II  3 

—  dramat.  satura  a.  old  comedy  III  32 

Hense,  0.,  Ariston  b,  Plut.  I  13 

—  Bion  bei  Philo  I  16.  130 

—  Seneca  u.  Athenodorus  I  28 

—  z.  Seneca  de  tranquillitateanimi  I  30 
Heraeus,W.,colligere=tollere  III  48. 120 

—  Epitomatoren  II  141 

—  imaguncula  II  lOS 

—  Litt.    üb.   Valerius  Maximus    u.    s. 
Epitomatoren  II  12G 

—  vind.  Liv.  II  72 

Hergel,  G.,  z.  Liviuslektüre  II  79 
Herkenrath.   R.,   Gerundium  et  Gerun- 

divum  III  92 
Hermes,  F.,  CatuU  II  215 
Herr,  L.,  betriacum  =  bebriacum  II  109 
Herriot.  Philon  1«  juif  III  128 
Herwerden,  H.  van,  Aschylus  I  116 

—  ad  Cebetis  Tabulara  I  45 

—  Galenus  I  74 
Herzog,  Äneis  U  179 
Heyd,  W.  v.,  Hss.  III  248 
Hildebrandt,  P.,  scholia  Bobiensia  II  25 
Hilgenfeld,H  ,  Senecae  epist.  moral.  I  28 
Hiller,  E,  Glaukos  v.  Rh.  I  188 
Hilty,    Übersetz,    d.  Encheiridion  I  34 
Hirsohfeld,  0.,  z.  Cic.  ad  Atticum  II  56 

—  z.  Cic.  ad  fam.  II  54 


Hirzel,  R.,   Charakteristik  Theopomps 
1   100 

—  Dialog  I  5.  25 

—  Virgil  Redner   od.   Dichter?   II  87 
Hist.  of  alphabets 
Hist.  mss.  III  217. 


od.  Dichter? 
III  297 
261 


Hobein,  H.,  de  Maximo  Tyrio  I  70 
Hoffmann,  W.,    Chorlieder  u.  Wechsel- 

(iesänge  I  126 
Hofinger,  F.,  Euripides  I  142 
Hofmann,Fr.,  ausgew  Briefe :  Cicero  II 1 1 
Holder.  A.,  Hss   III  243 
Höik,  C,  de  symboiis  Pythagor.  I  79.  87 
Holzer,  anal.  1.:  Äneis  II  173 
Holzner,  E.,  Iphigenie  I  150 

—  Tragiker-Fragm.  I  108 
Hooykaas,  J,  Ödipus  I  135 

Hoppe,   H.,  de  sermone  Tertull.  UI  90 
Hoerscheimann,  W.,  Catull  II  217 
Horton-Smith,  L  ,  ars  trug.  Sophocl.  1 126 
Hosius,  Einfluß  Vergils  II  162 

—  Lucan  u.  s.  Quellen  I  102 

—  z.  Lucan  u.  Senera  I  102.  105 
Housman,  A.  E,  Äneis  II  178 
Hoeveler,   J.    J.,    Sprache  d.   Barbarus 

III  110 
Howard,  A.  A.,  Suetonius  II  105 
Hromada,A.,vorsr,krat.  Philosophie  I  269 
Hss.  Karlsruhe  III  243 

—  V.  L.  Paar  lll  254 

—  Wiirzburü:  HI  249 
Hss.-Verz.  HI  237.  240 

Hubo,  G.,  Gebiet  der  Helvetier  II  224 
Hülsen,  Grab  d.  Hannibal  II  120 

—  Suetonius  U  106 
Huemer,  C,  Orest  I  108 

—  J ,  gall. Rhythmen  u.  gall.  Lat.  III 115 

—  iter  Austriai'uin  III  250 

—  Sammlg.vulgärlat.Wortformen  III47 
Hunziker,  Hyperbel  b.  Vergil  H  152 
Jacob,  A.,  probl.  de  comput  IH  205 

—  souscription   du   Paiisinus   III  205 

—  sylloge  vocab.  III  207 
Jahn,  A .  Dionysiaca  I  95 
Jamblichus,  ed.  N.  Festa  I  86 

—  in  Nicomachi  arithmet.  ed.  H  Pistelli 
I   87 

James,  R..  Abbey  of  St  Edmund  III 262 

—  mss.  III  262 

Janet,  P.,  et  G  Seailles,  philosophie  1 206 
Jeanjaquet,  J.,  conjorn  tion  „que*  III 116 
Jeanroy,   A..   et  A.  Pueoh,   hist.  de   la 

litt.  lat.  lU  12 
Jessen,  de  elocut.  Philonis  Hl  127 
Ihm,    M  ,    Bibl.   im   alt.-n  Rom  HI  201 

—  Epigramme  d.  Damasus  III  72 

—  z.  Valer.  Mai.  u.  Jan.  Nepot.  II  143 
HI  65 


I 


Register. 


321 


llbarg,  J.,  Galeoiana  I  74 

—  Galenos  I  75 
Ingold,  P .  mss.  III  245 

Joachim.  H.,  Gesch.  d.  röra.  Litt.  JULI  11 

—  R.,  Milichsche  Hibi.  Ill  240 
Joachimsohn.P  ,Bibl.Gos8.'mbrotsIII'236 
Joannes  Stobaeus,  ed.  0    Heose  I  105 
Joe).  K.,  Sokrates  I  272 

—  Zahlenprinzipien   I  2G8 

Johnson.  Th.,  Damaskios  1,97 
Johnstone,  Reime  in  dim  Aneis  II  154 
Jonas,    R ,    Vcrba   frequtnt.  u.   intens. 

b.  Cic.  II  53     III  54 
Jorgensen,  C,  Ciceros  Breve  II  37 
Jorlo,  G..  cod.  iguorati  III  221 
Josa,  A.  M.,  ms.  III  222 
Jülg.   H  ,    Neupytbagor.  Schriften  1  76 
Jurenka,  Orestie  l  124 
Iwanowitsoh,  G  ,  de  inferis  I  108 
Kahl,  W.,  Cornelius  Labeo  I  104 

Kaibel.  G.,  Antipona  I  137 

Kalb,  W  ,  Federn  in  d  Rescripten  III 103 

—  z    Justinians    Institutiont'n   III  103 
Kalbfleisch,  C,  Galen  1  74.  84 
Karabacek,  J.,  arab.  Papier  III  195 
Karsten,  H    F.,  ad  Livium  II  74 

—  vestem  =  testani  II   189 

Keane,  Gh.,  lat.  cursive  scripture  III  304 

Kell,  B.,  Paleographicum  III  300 
Keinz,  F.,Wasserzeuhen  d.  14  Jh.  III  197 
Keller,  A.,  vul^iärlat.  Deklination  III  44 
Kenyon.  F.  G,  Greek  Papyri  III  138 
Kern,  H.,  Supplem   z   Äneis  II  163 
Keuffer,  M.,  Hss.  Verz    III  248 
Kindt,  z.SextusAureliusVictor  II  123.124 
Kirchner,  E.,  Papiere  d.  14.  Jh.  III  197 

—  H.,  Kratylus  1  241 

Kirsch,  Rechne;,  f  Ab.•^chreiben  u.  Ein- 
binden V.  Büchern  III  203 

Klebs,  E.,  Petroniana  III  155 

—  Script    bist.  Aug.  Ill  59 
Klimek,  F.,  z.  Synesius  I  91 
Klose,  0.,  pancgyrici  latini  III  56 
Klotz,  ad  Vergilium  II  183 
Kloucek,  Verpiliana  II  178 
Klussmann,     E.,    Boethius    de    philos. 

consolat.  I  98 
Knaack,  z.  Vergil  II  IfiO 
Knapp,  preposit.  in  Gellius  III  55 
Knauer,  V  ,  Philosophie  1  3.  206 
Knaut,  K.,  Hss,  u    alte  Drucke  III  244 
Kobell,    L.  V.,    Miüiatuien  u.  Initialien 

III  308 
Koeberlin,    A.,    de    participiorum    usu 

Liviano  II  77 
Koch,  H.,  Proklua  u.  Dionys  Areop.  I  96 
Kthler,  C,  ms.  III  211 


Köhler,  A.,  Briefe  d.  P.  Cornelius  Len- 
tulu.s  Spinther  II  17 

—  J.,  Ilss.  u.  Incunabeldr.  III  24G 
Kohlmann,  ms.  III  24('> 

Körner,  A.  A.,  epist.  Cic.  II  23 

—  E.,  Tiros  Freilassung  II  24 
Korsch,  Th.,  B//.///-.  I  146 

Körte,  A.,  Augusteer  b.  Philodem  I  57 
Kosegarten,  J.  6.  L,  Afgypt.  litt  III  13S 

—  Text  ('.  Papyrus  III   13» 
Köstlin,  K.,  Ethik  I  221 

—  Justin  II  100 

Kraus,    F.  H..  llorae  Metenses  III  245 

—  Schütze  St    Biasions  111  253 
Krause,  K    Chr.  Fr.,  Philosophie  I  217 
Krauss,    Fr.  S.,    Gemälde   im  Kronos- 

teinpel  I  46 

—  jews  in  the  church  fathers  III  132 
Krell,  E.,  Philo  III  130 

Kriete,  F.,  AUitteration  in  d.ital. Sprache 

111  114 
Krit.    Jahresber.    üb.    d.    Fortschr.    d. 

Roman.  Philol.  v.  K.  Vollmöller  III  40 
Kroll,  G.,  stud.  Aur.  Symmachi  III  65 

—  W.,  advers.  graec. :  Damascius  I  98 

—  —  Jamblichus  I  87 

z.  Procl.  theol.  Piaton.  I  95 

—  afrik.  Latein  III  75 

—  chaldäisches  Orakel  I  81 

—  ad  Cornutum  1  32 

—  Uermetica  I  81 

—  neuplatou.  Parmenideskommentar  I 
94 

Krüger,  A.,  de  rebus  etc.  II  29 

—  H  ,    Sprachgebr.  d.  Kaiserkonstitu- 
tioneu   III  103 

—  P.,  Verwendg.  von  Papyrus  u.  Per- 
gament III  193 

Kubelka,  Suetonius  II  100 
Kubier,  B ,  Appendix  Probi  III  99 

—  Sprache  d.  leges  ßurgund.  III  109 

—  Focaria  Konkubine  lII  49 

—  lat.  Sprache  auf  Inschriften  III  79 
Kuhlenbeck,  R.,  Bibl.  Osnabrück  III  246 
Kuhnert,  Feuerzauber  II  169 
Kuhnke,  R ,  Hss.  u.  Drucke  III  247 
Kukula    R  ,  Statist,  d.  Bibl.  III  250 
Kunz,    F.,  Realien  in  d.  Aeneis  II  157 
Lafaye.  6.,  Catulle  et  ses  modeles  II  201 
La«hr,  H.,  Wirkung  d.  Trag.  I  108 
Lambros,  S..  mss.  III  256.  258.  259 

—  (fj>.'7X3;  III  207 

Lacaita,  P.,  library  Chatsworth  III  262 
Lamprecht,  K ,  Evangelienhs.  III  243 

—  Hss.  111  308 

—  Initial-Ornamentik  III  308 
Landgraf,  G.,  Glossographie  u.  Wörterb. 

Ill  50 


322 


Register. 


Landgraf,    6.,     Latin,    d.    Porphyrion 
III  100 

—  nucula  =  somnia  III  50 

—  z.  Solinus  III  59 
Landwehr,  H.,  Buchwesen  III  194 

—  Kurzschriftensystem  III  298 
Lange,  abl.  absol.  bei  Cäsar  11  223 

—  Gas.  bell.  Gall.  II  22 

—  Cäsarkritik  II  222 

—  Kongruenz  bei  Cäsar  II  223 

—  Materialismus  I  209 

—  Cäsar  II  225 

Largajolli.  D.,  e  P.  Parisio.  Giulano  im- 

perat.  1  SS 
Lattes,  E.,  Etrusk.  Analogien  III  80 
Laurent),  E.,  Florus  atque  pervigiliam 

Veneris  II  83 
Lautensach,   z.  griech.  Tragik,  u.  Ko- 
mik. T  108 
Laves,  Vergils  Eklogen  II  164 
Lease,  E.  B.,  study  of  Prudentius  III  74 
Lebegue,  H.,   nouv.  probl.  de  comput. 

III  205 
Leben  u.  Werke  d.  griech.  u.  röm.  Schul- 
schriftsteller ni  11 
Lecoy  de  la  Marche,  A.,  art  d'enluminer 
III  309 

—  mss.  III  202 

Leemans,  C,  papyri  graeci  III  138 
Lehmann,  C.  A.,  Cicero  ad  Atticum  II  0 

—  quaest.  TuII.  II  58 

—  0.,  tiron.  Psalterium  III  302 

—  tachygraph.  Abkürzgn.  III  299 
Lehnerdt,^  M.,  Gustav  Hirschfeld  IV  65 
Lejai,  P.,  catalogues  III  282 

—  notes  latines  III  205 

Leipold,    H,  Sprache  d.  Aemil.  Papin. 

III  102 
Leitschuh,  F.,  Bücherraub  III  249 

—  Hss.-Kat.  III  237 

Lemcke,  H.,  Hss.  u.  alte  Drucke  III  247 
Leo.  F.,  Cicero  ad  Atticum  II  1.  56 

—  Culex  II  186 

—  Varro  u.  d.  Satire  I  67 
Lessing,    K.,    a  u.  ab  in  d.  Bist.  Aug. 

III  60 

—  bist.  Aug.  lexic.  III  60 
Leuschke,  de  metamorphos.  Verg.  II  183 
Levi,  A.,  Troades  1  152 

Lewy,  Epic.  ad  Menoec.  I  49 
Lezius,  J.,  Bedeutg.  v.  satura  III  24 
Liers,  H.,  Kriegswesen  d.  Alten  II  225 
Limberg,  H.,  z.  Lactantius  III  94 
Lincke.  K.,  Sokrates  I  219 
Linde,  C,  proverbia  I  107 
Linderbauer,  P.  B.,  itoria  III  96 
Lindsay,  W.  M.,  Latin  language  III  40 

—  Randglossen  in  Nonius  III  52 


LIndskog.    C,  Stud.  z.  antiken  Drama 

I  108 
Littig,    F.,  Andronikos  v.  Rhodos  I  71 
LIvius  ed.  A.  Luchs  II  64 

—  ed.  F.  Luterbacher  II  69 

—  ed.  R.  Novak  II  67 

—  par  Riemann-Benoist  II  70 

—  ed.  Weissenborn  -  Müller   II  65.  68 

—  ed.  Wölfflin  Luterbacher  II  70 

—  ed.  A.  Zingerle  II  66 
LO'Cascio,  influenza  ellenica  III  23 
Lodi,  L.,  cat.  d.  cod.  III  220 
Lortzing,    Fr.,    Bericht   üb.    d.    griech. 

Philosophen  I  156 
Loewy,  z.  Vergil  II  160 
Luchs,  A.,  emendat.  Livianae  II  73 
Lucht,  M.  J.  F.,  Bibl.  u.  Hss.  in  Aitona 

III  237 
Ludwich,    A.,  Hymnen  d.  Proclus  I  95 
Ludwig,  E  ,  isse  =  ipse  III  49 

—  praepositionales  retro  III  50 
Lumbroso.  G.,  Aeneis  II  180 

—  documenti  Giaeci  III  138 

—  papiro  greco  III  138 
Luthardt,  Ch.  E.,  Ethik  I  221 

Luthe,  W.,  Erkenntaisslehre  der  Stoiker 

I  8 
Lyly,  J.  A.,  Plootinos  I  83 
Maass,  E.,  Aratos  I  100 

—  de  biographis  I  180 

—  Culex  II  186 

—  observ.  palaeosr.  III  257 

—  z.   Properz  II  169 

—  Unterweltsvorstellgn.  Vergils  II  176 
Mabilleau.  L.,  philos.  atom.  I  209 
Mackail.  J.  W.,  Lat.  lit.  III  31 

—  tabularia  II  170 
Maonaghten,  H  ,  Antigone  1  137 
Madan,  F.,  cat.  of  mss.  III  265 
Maffei,  R.  S.,  le  favole  Atellane  III  24 
Mahaffi,  not.  from.  Mount  Athos  III  256 
Mahan,  A.,  philosophy  I  207 

Mai,  A.,  Codices  III  138 
Malchin,  Fr.,  de  auctoribus  etc.  I  25 
Mallinger,  L.,  Medee  I  152 
Mancini,  A.,  Achae.  frg.  I  116 

—  cod.  greci  III  218 

—  Elena  I  146 

—  Euripidea  I  141 

—  mss.  III  213 

Mandarini,  E.,  bibl.  Oratoriana  III  221 
Manitius.  M.,  a.  alten  Uibliothekskatal.: 
Boethius  I  99 

—  —  Caesarea  II  121 

—  —  Eutropius  II  81 

Florus  II  86 

Justinus  II  99 

Origo   gentis   Romanae   II   117 


Register. 


323 


Manitius,  M.,  Suetonius  II  112 

—  Curtius  u.  Florus  II  86 

—  Geminos  Isagoge  I  25 

—  Geschichtl.a.  alten  Bibliothekskatal, 
III  204 

—  d.  Livian.  Gcschicbtswerk  II  CA 

—  Philolog.  a.  alten  Bibliothekskatal. 
III  204 

Marcellino,  R ,  z.  Plotin  I  82 
Marchi,  J.  de,  e  6.  BertolanI,  mss.  III 223 
Maresch,  P.,  Liviuslektiire  II  79 
Marshall,  W.  W.,  certain  passages  II  36 
Martha.  C ,  litt,  ancienne  III  13 

—  moralistes  I  3 

Martin,  A.,  mss.  grecs  III  213.  224 

—  J.  B.,  mss.  III  280 
Martini,  E.,  mss.  III  209 

—  quaest.  Posidon.  I  24 

Marucchi,    H.,   monum.  papyr.  aegypt. 

III  191 
Maruffi,  bibl.  di  Lucca  III  223 
Maes.  C,  bil)l.  Angelica  III  22.5 
MasLatrie,  glossaire  des  dates  III  205 
Masqueray,  P.,  Electre  I  133 

—  formes   lyr.    de   la    trag.    Grecque 
I  107 

Massebieau,  z.  Philo  III  128 
Massmann,  i.  F.,  libellus  aurar.  III  138 
Masson,  Lucrezbiogr.  d.  Suetoa  II  111 

—  Suetonius  II  111 

—  Suetonius'  life  of  Lucretius  II  111 
Math^,  G.,  de  Catullo  imitatore  II  208 
Matzinger,  S.,  Cyprianus  de  bono  pu- 

dicitiae  III  90 
Mauerhof,    E.,    Wesen    d.    Tragischen 

I  107 
MaupoYopoc/xs'.o;;  ß-ß>..  III  258 
Maxa,  R.,  Uuterwelt  Vergils  II  177 
May,  0..  Caesar  II  225 
Mayor,  J.  E.  B,  visio  Pauli  III  108 
MazzatintI,   G  ,   bibl.  di  Napoli  III  221 

—  bibl.  Viscont.-Sforz.  III  223 

—  mss.  III  209 

Mazzi,  C,  bibl.  di  Ni<colo  etc.  III  231 

—  Luca  Holstein  a  Siena  III  225 

—  mss.  III  218 
Meier,  G.,  Hss.  lü  205 

—  Hss.-Kat.  III  234 

—  K.,  Hss.-Kat.  III  205 
Meinertz,  0 ,  Hss.  III  238 

Meltzer,  0.,  Bibl.  d.  Kreuzschule  HI  239 
Menzel,  WeisNeit  Salomos  III  121 
Mercati.  G,    bibl.  di  Pomposa  III  224 
Meyer,  Ed  ,  Gesch.  d.  Altertums  I  249 

—  P.,  de  Cie.  sermone  II  14 

—  Athosklöster  III  256 

Lflbke,  Vokalquantität  EI  42 

Michaut,  N.,  bibl.  apud  veteres  III  201 


Mlllard,  J.  E.,  Lucanus  de  deis  et  fato 

I  102 

Miller,  E.,  cat.  d.  mss.  lU  272 

—  Mont  Atho.'^  etc.  III  256 

—  J.,  vita  ApolloDÜ  d  Philostratus  I  79 

—  z.  Apollonius  1  79 

—  0.,  röm.  Lapforlehen  II  224 
Milroy,  Participle  in  the  Vulgata  III  lOS 
Miodonski,   A.,   Florus'  Geüchichtswcrk 

II  84 

—  miscell.  lat. :  Florus   II  91 
Mitchell,  E.  M.,  philosophy  I  217 
Mitzschke,  P.,  Kurzschrift  III  298 

—  Tiro-Litt.  111  .".02 
Moddermann,  Chr.,  lect.  Sueton  II  103. 

110.  124 
Moeller,    A.,   quaest.  Servianae  III  71 
Mommsen,  Th.,  bell.  Hispan.  II  225 

—  notae  iuris  III  301 

—  Stichometrie  III  200 

—  -Jaffe,  2  röm.  Kaiserrescripte  III 1S8 
Monceaux,  P.,  Africains  III  29.  78 

—  latin  vulgaire  III  37 

Mondello,    bibl.  e  pinacot.  in  Trapani 

III  232 

Monse,  H.,  CatuU  II  217 

Montefiore,  C.  G.,  Florilegium  Philonis 

111  128 
Monum.  graph.  III  285 

—  tachygr.  III  303 

Moore,  C.  H.,  Firmicus  Maternus  III  97 

—  med.  Rezepte  III  53 

MorawskI,  C,  quaest.  Valerian.  II  137 

—  de  serm.  Script,  lat.:  Florus  II  92 
Morgenstern,  0.,  curae  CatuU.  II  212 
Morlais,    M.,    etudes   philos.    et   relig. 

HI  14 
Motta,  E.,  libr.  Sforz.  III  223 
Mourlot,  F.,  mss.  lat.  IH  267 
MucciO,  G.,  Sallust  I  91 
Mücke,  R.,  Hs.  III  248 
Müller,  C.  F.  M.,  Caes.  bell.  civ.  II  223 

—  z.  Cicero  an  Atticus  II  53 

—  Ciceronis  scripta  II  7 

—  Fr.  W.,  Beredsamkeit  HI  31 

—  H.  de,    de    Teletis  elocutione    I  19 

—  H.  J.,  z.  Vahlens  Proömium  II  139 

—  J.  V.,   Galens  wissenschaftl.  Beweis 
I  75 

—  Original,  d.  nat.  quaest.  I  30 

—  J.  G.,  Bibl.  Hildesheim  IH  242 

—  K.  K..   Janos  Laskaris  u.  d,  medic. 
Bibl.  III  214 

—  L,  Aeneis  II  178 

—  Volksdichtung  d.  Römer  III  16 

—  P.  R.,  Aeneis  II  178 

MuAoz  y  Rivers,  J.,    Paläogr.  Visigoda 
HI  294 


324 


Register. 


MOntz,  E.,  arts  III  227 

—  bibl.  Vatic.  III  228.  229 

—  coli.  d.  Medicis  IH  215 

—  Vergilsage  II  164 

—  et  P.  Fahre,  bibl.  du  Vatic.  UI  228 
Münz,  B.,  Erkenntnistheorie  I  268 

—  vorsokrat.  Ethik  I  268 

MOnzer,  F..  Quellenkrit.  v.  Plin.  Natur- 

aesch.  II  140 
Muralt,  E.,  cat.  d.  mss.  III  138 
Muzik,  H.,  Hss.  III  252 
Naber,  S.  A.,  ad  Synesii  epistulas  191 
Nageotte,  E.,  bist,  de  la  litt.  lat.  III  12 
Narducci,  cat.  cod.  mss.  III  224.  225 

—  cat.  d.  mss.  III  226 

—  cod.  mss.  III  217 

—  Verzeichn.  d.  öffentl.  Bibl.  Italiens 
III  20S 

Natorp,    P. ,   Erkenntnisproblem  I  220 

—  z.  Skepsis  d.  Altertums  I  63 
Nauck,  A.,  anal.  crit. :  Damascius  I  98 
Diogenes  I  47.  60 

Proklosbiogr.  d,  Marinos  I  97 

—  —  Synesios  1  91 

Naumann,  Fr.,  de  verborum  usu  III  62 
Neff,  C,  de  Paulo  Diacono  III  115 
Nehring,  A.,  Senecas  nat.  quaest.  I  31 
Nentwig,  Uss.  u.  Wiegendrucke  III  242 
Nestle,  Stichenbezeichnung  III  200 
Neuwirth,  J.,  Bilderhss.  III  250 

—  Miniaturmalerei  III  250 
Newman,   W.  L.,   Cleanthes'  hymn.  to 

Zeus  I  11 
Nioole,  J.,  morale  payenne  I  94 
Niedermann,  M.,  Ka-aloyt-,  I  125 
NIemeyer,  K.,  z.  Livius  II  74 
Nigidii  Figuli  opera  v.  A.  Swoboda  I  77 
Nirschl,  d.  Therapeuten  III  122 
Noack,  Aeneis  11  174 

—  griech.  Diktys  III  64 

—  philos.-gesch.  Lexikon  I  207 

—  z.  Vergil  II  162 

Noeldechen,  Vergil  u.  Tertullian  II  163 
Nolhao,    P.  de,    bibl,  de  Fulvio  Orsini 
III  230 

—  mss.  III  215.  230 

—  peintures  de  mss.  III  309 

—  Petrarque   et  l'humanisme  III  223 
Norden,  E.,  Aeneis  II  174.  180 

—  Briefe   d.    Ileraklit   u.    d.  Kyniker 
I  47 

—  Entstehung  d.  Menschengeschlechts 
1  6 

—  Georgica  II  171 

—  griech.  Philosophie  I  11.  238 

—  de  Minucii  Felicia   genere    dicendi 
III  88 

—  Unfertigkeit  d.  Aeneis  II  172 


Norden,  E.,  Unterweltvorstellgn.  Vergils 
II  174 

—  Varroniana  I  66 

—  Varros  Prometheus  I  66 

—  Varronis  saturae  I  66 

—  Vergilstudien  I  85.  100 
Nordenstam,   E.,   stud.  syntact.:   Ploti- 

niana  I  83 
Noväk,    R.,    atque   u.  ac  bei  Livius  u. 
Curtius  II  76 

—  z.  Cic.  ad  fam.  II  54 

—  z.  Livius  II  73 

—  z.  Valerius  Maximus  II  135 
Nürnberger,  A  ,  vita  S.  Bonifatii  III  116 
Öcheihäu8er,Ä.,Bibl.  Heidelberg  III  242 
Oder,  E.,  anecd.  Cantabrig. :  Vergil  II 160 
Odon  Reure  vide  Claade-OR 
Olivierl,  A.,  Electra  I  148 

—  ind.  cod.  III  217 

—  Orestsage  I  126 

—  u.  N.  Festa,  ind.  d.  cod.  III  212 
Olschki,  L.  S.,  biblioteche  III  201 

—  Bibliothekswesen  III  201 
Omont,  H.,  abreviations  III  301 

—  acquisit.  d.  mss.  III  270 

—  bibl.  Harleienne  III  264 

—  bibl.  du  Mont-Athos  III  256 

—  catalogue  III  269 

—  cat.  d.  bibl.  anglaises  III  262 

—  cat.  d.  mss.  III 215.  234.  285.  306.  307 

—  Georges  Hermonyme  III  306 

—  Jean  de  St.  Maure  III  306 

—  lettre  de  Allacci  III  229 

—  lettre  s  III  283 

—  ms.  III  200.  259 

—  mss.  III  214.  232.  233.  238.  242.  264. 
266.  271.  273.  274.  291 

—  paleogr.  grecque  III  288 

Opitz,   Th.,    ad  librum  de  viris  illustr. 

II  119 

—  Litt.  z.  spät  röm.  Geschichtsschrei- 
bern II  81 

Oeri,  J.,  Uippolytos  I  149 

—  Symmetrie  d.  Verszahlen  I  107 
Origo  gentis  Romanae  II  117 

Otte.  H.,  Jahresber.  üb.  Sophocles  I  125 

—  Wortwiederholgn.  b.  Sophocles  1 125 
Öttingen  Wallerst.  Sammlgn.  III  244 
Ottino,  6.,  cod.  Bobbiens.  III  211 

—  e  6.  Fumagalli,  bibl.  bibliogr.  Italica 

III  208 

Ottmann,   R.  E.,   Caes.   bell.  Alexandr. 

II  223 
Otto,  A ,  Cicero  an  Atticus  II  84 
Padigllone,  C,  bibl.  Napoli  III  221 
Page,  Aeneis  II  179 

—  hysteron=proteron  b.  Vergil  II  161 
Pajk,  }.,  Sallust  als  Ethiker  I  101 


Register. 


325 


Paoll,  C,  bibl.  Medic.-Laurenz.  III  216 

—  carta  di  cotone  e  carta  di  lino  III  ll)(i 

—  instrum.  scrittori  III  19S 

—  paleogr.  lat.  III  2Sfi 

—  storia  d.  carta  III  19G 

Lohmeyer.  Abkürzgn.  III  301 

—  —   lat.  Palacogr.  u.  Urkundenlehrc 
III  189 

n  a  z c<  0  ö :: 0  u  X  0  ; ,  rapl  y a'.pop'^oiv  III  2.o9 

III  258 

xa-:aAo7o;  III  256.  257 

Raza-fsiop-fio^,  II.  N.,  vso;  xcüo'.^  III 

259 
Pappenheim,  E.,  Heraklitismus  d.  Aine- 

sidem  I  64 
Papyri  III  142 
Papyrus  Rainer  III  190 
Parazzi,  L.,  Virgilio  II  154 
Parodi,  fonologia  lat.  III  43 
Parthey,    6. ,    framm.    di   papiri   greci 

III  139 
Pascal,  Vergils  IV.  Ekloge  II  166 
Passalacqua,  J.,  cat.  des  antiqu.  III 139 
Passamonli.  E.,   miti  di  Sallustio  I  91 
Paton,  W.  R.,    Jamblichus  de  vita  Py- 

thagor.  I  87 
Pae'zolt,  F.,  de  glossem.  Galen.  I  74 
Paulson,  J.,  <Po';v".o3c<'.  I  152 
Pauiy-Wissowa,  Realencj'clopädie  I  215 
Peipers,  D.,  ontologia  Fiat.  I  220 
Pelissier.  G.  L.,  cat.  d.  mss.  III  231 

—  mss.  III  271 

Peper,  U.,  Properz-Hs.  III  240 
Perron,  H.,  z.  Philod.  Oecon.  I  57 
Pesch.  W.,  dramat.  Poesie  I  108 
Peter,  H.,   script.  bist.  Aug.  III  30.  60 
PetrettinI,  G.,  papiri  Greco-Egizi  IIT  139 
Petronius,  ed.  L.  Friedländer  III  54 
Petschenig,  M.,  colligere=tollerelII  48. 
82.  120 

—  z.  Frontins  Strategemata  III  55 

—  z.  Nepotian  II  145 

—  z.  Script,  bist.  Aug.  III  60 
Peyron,  B ,  papiri  Greci  III  139 
Pfleid-rer,  E.,  Weisheit  Salomos  III  121 
Pflugk  Härtung ,  J.    v.,    Urk.-Abbildgn. 

111  2SS 

—  päbstl.  Schreibschulen  III  20." 
Philo,  Opera  ed.  L.  Cohn  et  P.  Wend- 
land III  124 

—  de   aetemitate    mundi    ed  Fr.  Cu- 
mont  III  124 

—  de  opificio  mundi  ed.  L.  Cohn  III  124 
Philodemus.  ed.  A.  Hausrath  I  56 

—  ed.  S.  Sudhaus  I  55 

Piazza,  S.,  politica  in  Sofocle  I  126 
ficcolomini,   E.,   libr.  Medicea  III  214 


Piohler,    Fr.,    Überliefg.   d.  Sophokles- 

scholien  I  125 
PIchlmayr,  F.,  z.  Sextus  Aurelius  Victor 

1!  CO.   121.   123.  124 
Pierret.  E,  bibl.  Nation  IIl  216 
Piscicelli-Taeggl,   0.,    paleogr.    III  294 
Pistelii,  Jaml)lichea  I  86 
Platt,  A  .  Agamemnon  I  121 

—  Virgil.  idiora  II  161 

Plomer,  B.,  refer.  to  books  III  261 
Ploss,    Sprachgebr.    d.  Minucius  Felix 

III  .s5 
Plotinus,  by  Th.  Davidsohn  I  82 
PIÜ8S,  Th.,  z.  Aesch    u.  Hom.  I  122 

—  Agamemnon  u.  d.  Tragische  I  122 

—  Dramaturgie  u.  Elektra  I  133 

—  Electra  l  133 

Plutarch  rec.  Bernardakis  I  172 
Podesta,  B.,  libr.  Laurenz.  III  215 
Pohl,  J.,  loct.  Catull.  II  212 
Pöhlmann,  H.,  Hss.  u.  alte  Drucke  III  248 
Polaschek,   A.,    Anschauungsunterricht 

II  7',) 

—  Caesariana  II  22 

Poelchau,  A.,  Bücherwesen  III  189 
Ilo/, [TT,:,    r.,    IlcXcc.ofp,    'izoayooXoy.a 

III  299 

Polle,  F.,  Aias  I  132 

—  Ovidius  u.  Anaxagoras  I  102 
Polster,    L.,    z.  Cic.    ad  Atticum  11  57 
Poppelreuter,  H.,  Erkenntnisslehre  Zenoa 

u.  Kleanthes'  I  11 
Porphyr!!  quaest.  Hom.  ed.  H.  Schrader 

I  n; 
Porro,  G.,  cat.  d.  cod.  mss.  III  219 
Poste,  E.,  Jebb's  edit.  of  Sophokles  1 125 
Postgate,  J.  P.,  CatuUiana  II  212 
Praechter,  K.,  Dio  Chrysost.  als  Quelle 

Julians  I  90 

—  Philoexzerpte  III  125 

—  Litt.  z.  d.  nacharistot.  Philosophen 
I  1 

—  Metopos,   Theages  u.  Archytas  bei 
Stob.  I  79 

Premerstein,  A.  v.,    Mythus  in  Helene 

I  147 
Preuss,  A..  de  versuum  iamb.  usul  117 
Procius,  ed.  A.  Jahnius  I  95 

—  ed.  A.  Ludwich  I  95 

—  comm.  in  Plat.  ed.  R.  Reitzenstein 
I  94 

Prosorowsky,  0.,  Hss   III  261 

Prou,  M  ,  manuel    d.   paläogr.  III  292 

Ptolemy    Philadelphus,    revenue    laws 

IIl   137 
Pulch,  Bibl.  Rinteln  III  246 
Puntoni,  V.,  cod.  greci  III  220 
QuadrI,  Enea  II  156 


326 


Register. 


Quentin-Bauchart,  E.,  bibl.  de  Fontaine- 

bleau  III  -271 
R..  0..  vita  Terentii  II  110 
Rabe,  H. .  Holstenius'  Nachlaß  III  225 
Rachel,  M.,  Bibel  Hss.  III  239 
Rademann.  A.,  Üdipus  I  134 
Radermacher,  L., observ. :  Apollonius  vita 

I  71) 
Radinger,  SuetoDS  Lucrezbiogr.  II  111 
Rahn,  R.,   psalterium  aureum    III  29G 
Ramorino,  F.,  pronunzia  popolare  III  41 
Ranke.  E.,  testam.  vetus  HI  240 
Ranninger,  F.,  Allitteration  b.  d.  Gallo- 

lateinern  III  113 
RasI,  P.,  de  carmine  elegiaca  III  25 

—  elegia  III  25 

Rauschen,  6.,  ephemer.  Tüll.  II  24.  5G 
Ray,  tabularia  II  170 
Rebelliau,  B.,  de  Virgilio  II  154 
Reeck,  A.,  Syntax  d.  Catull  II  210 
Reichardt,  6.,  Artemidorus  Daldianus 

I  4.  103 
Reichenhart,  Aeneis  II  179 
Reimann,  E.,  Nicolaus  Damascenus  I  72 
Rein,  K.,  Cic.  Briefstil  III  54 
Relnach,  S.,  Joseph  Gantrelle  IV  60 

—  Th.,  auteurs  grecs  etromains  III  118 

—  Juifs  et  Grecs  III  139 
Rainers,  A.,  Hss.  III  268 
Reitzensteln,  R ,  Dirae  u.  Lydia  II  187 

—  Gesch.  d.  röm.  Litt.  III  18 
Rendali,  G.  H.,  z.  Marc.  Aurel  Ant.  I  41 
Rendel,  J.  H.,  stichometry  III  200 
Reumont,  A.  de,   bibl.  Corvin.  III  251 

—  Bss.  III  216 

Reuvens,  C.  J.  C,  lettres    sur  papyrus 

III  139 
Reviliout,  E.,  ehrest,  demot.  III  139 
Revue  Egypt.  III  140 
Rhodius.  A.,  de  L.  Munati  Planci  ser- 

mone  II  20 

—  de  Syntaxi  Plauciana  II  20.  53 
Ribbeck,  0.,  antikrit.  Streifzüge  II  187 

—  Gesch.  d.  röm.  Dichtung  III  18 
RiCOtti,  E.,  bibl.  Corvin.  III  251 
Ries,  6 ,  eques  —  equus  III  48 
Riese,  A.  z.  Aurelius  Victor  II  124 

—  epitome  II  124 

—  Feldzug  d.  Caligula  II  107 

—  Florus  II  96 

—  Glaubwürdigkeit  d.  Florus  II  84 

—  Suetonius  II  116 

Ritss,    E. ,    Superstitions    a.    Populär 

Reliefs  I  108 
Riforgiato,    natura   nel  Virgilio  II  156 
Ritter,  H.,  et  L  Preiler,  bist,  philos.  I  215 
Robert.  C,  Scenerie  I  119 

—  U.,  cat,  d.  mss,  III  260,  285 


Robert,  U ,  e  cedille  III  296 

—  mss.  III  265.  269.  273 
Robinson,  J.  A..  passion  of  S.  Perpetua 

III  S8 
Rocchi,  A.,  cod.  Crypt.  III  218 
Rockinger,  L ,  Schreibstoffe  in  Bayern 

III  190 
Rodier,  6  ,  Alexander  v.  Aphrodisias  1 72 
Rogge,  H.  C,  bibl.  Amsterdam  III  266 

—  r;-pv;  bei  Suidas  I  193 

—  Psyche  I  4.  221 
Roose,  V  ,  Hss.  III  237 
Rooses,  M.,  catalogue  III  266 
Roesener,  B  ,  Andronikos  v.  Rhodos  171 
Rossbach,  0  ,  Ammian  u.   cod.  Petrin! 

III  226 
Rostagno,  E.,  cod.  Laurenz.  III  215 

—  u.  N.  Festa,  cod.  Laurenz.  III  215 
Roth,  E.,  Hss.  HI  249 

—  R.,  Liberei  Hohentübingen  HI  245 
Rouard,  IUI.  E.,  catalogue  III  275 
Rühl,  F.,  Bibl.  in  Sicilien  III  213 

—  epitome  II  124 

—  Plinius  II  119 

Ruelle,  C.-E.,  Alexandre  d'Aphrodisias 
I  72 

—  Damascius  I  97.  98 

—  Hermias  I  97 

—  musicographe  Alypius  I  99 

—  Phedre  I  96 

—  u.  J.  Martha,  cryptographie  grecque 
in  304 

Ruess,  F.,  Tachygraphie  III  299 

—  tiron.  Endungen  III  302 
Ryle,  Philo  a  holy  Script.  HI  127 
Saalfeld,  G.  A.,    de    bibl.   sacr.   graec. 

Ill  106 
Saarmann,  T.,  Oenomai  fragm.  I  48 
SabbadinI,  R,  cod.  lat.  III  214 
Sc(xx  a"/, '!(i)v,    xßT.    yiipoYfjd'foJV  111  255 
— ,  —  of  Greek  mss.  III  256 
— ,  —  x(ij?^ixojv  III  255 

—  mss.  III  256 

—  llry.TU.'.7Xy;    ß'ßX.    III    259 

Sakorraphus,  G.  M.,  z.  Themistios  I  76 
Salazaro,  D.,  arte  d.  miniatura  III  309 
Salome-Marine,  coltura  class,  III  222 
Salvioni,  C  ,  cod.  Viscont.-Sforz.  III  223 
Sanday,  W.,  byzant.  influence  III  294 
Sanders,    H.  A.,  Quellencontamination 

bei  Livius  II  140 
Sartorlus,  M.,    Astronomie  I  241 
Savio,  C.  F.,  filosofia  I  217 
Scala,  R.  v.,   «»ao;  b.  Polybiua  I  101 

—  z.  Polybios  I  100 

Schafstaedt,  H.,  de  Biogenis  epist.  I  47 
Sohanz,  M.,  Gesch.  d.  röm.  Litt.  III  2 

—  Suetons  pratum  II  102 


Register. 


327 


Soharnagl,  J.,  de  Arnobii  latin.  lll  ii-l 
Scheid,  N.,  Weltanschauung  d.  Boethius 

I  9V) 
Scheil,  V.,  Philo  III  120 
Scheindler,  A.,  metr.  Stud.  z.  Soph.  1 12G 
Schelle,  E.,  z.  Cic.  ad  fani.  II  54 

—  Echtheit  ciceron.  Briefe  II  33 

—  Todeskampf  d.  röm.  Republik  II  32 
Schenkt,  C,  Ambrosius  u  Philo  III  125 

—  H.,  bibl.  patium  lat  Britann.  III  2(U 

—  z.  M.  Antoninus  su  icu-cv  I  41 

—  Stobaios'  Florilegium  I  105 
Schep88,G..  Aristoteles  u.Porphyrius  1 83 

—  z.  Boethius  I  98 

—  Boethius  de  consolat.  I  98 

—  z.  Candidus  Arianus  III  97 

—  mathemat.-musik.  Werke  d,  Boethius 
1  99 

—  opusc.  Porphyr,    d.   Boethius    I  99 
Schermann,  Vergils  IV.  Ekloge  II  167 

—  Vergils  Vorstellgn.  v.  Jenseits  II  177 
Scherrer,  G.,  Hss.  III  235 
Schiaparelli,    precursori   di    Copernico 

I  241 

Schlehe,  Th.,   Ciceros  Briefwechsel   II 
25.  2G 

—  z.  Cic.  ad  Attieum  II  57 
Schiller,  H.,  bell.  Gall.  II  223 
Schinnerer,  J.  Fr.,  Seneca  an  Marcia  1 28 
Schirmeister,  H  ,  Erscheingn.  in  d.  Ge- 

schichtsschreibg.  UI  28 
Schlutter,  0.,  z.  lat.  Glossographie  III  52 
Schmalz,    J.  H.,    Charakter  u.  Sprache 

d.  Matius  III  53 

—  Sprachgebrauch   d.    Asinius  PoUio 

n  18 

—  Sprachgebrauch  nichtciceron.  Briefe 

II  k; 

Schmekel,  A.,  Philosophie  I  20 
Schmid,  W.,  Kyklos  I  151 
Schmldinger,  Fr.,  Florus  II  85 
Schmidt,  A.  M.  A.,  Livian.  Lexikographie 
II  77 

—  Livius-Kommentar  II  75 

—  C,  Synesius  I  92 

—  Fr.,  Cicero  ad  Attieum  II  10.  38 

—  G..  Aman  I  41 

—  de  arte  biogr.  II  101.  120 

—  Hss.  III  241 

—  L,  Andreas  Darmarius  III  30G 

—  Ethik  I  221 

—  0.  E.,  d.  Bürgerkrieg  II  28 

—  Catalepton  II  184 

—  z.  Cicero  ad  Attieum  II  48.  58 

—  Cicero  ad  Brutum  II  33 

—  z.  Cic.  Briefen  II  47 

—  Cic.  Briefwechsel  II  31.  41.  224 

—  Cic.  beim  Bürgerkriege  II  28 


Schmidt,  0.  E.,  Faberlus  II  30,  58 

—  e.  unverstandener  Witz    Cic.  II  58 

—  Viscont.  Bibl.  III  223 

—  W.  A  ,  Forschgn.:   griech.  Papyrus- 
urk.   III   140 

Schmidtmayer,   R.,    de  orationibus  etc. 

III  2s 
Schmitz,  W.,  notae  Tiron.  III  ;;u2 

—  Tachygraphie  III  301 

—  Tiron.  u.  Kryptograph.  III  304 
Schneider,  M.,  Hymnen  d.  Proklos  I  90 

—  R,  Cai'sar  11  220 

Schnorr  v.Carolsfeld,F.,  IIss.-Kat.  III  239 
Scholia  verbis  Nemesii  ed.  C.  Burkhard 

I  93 
Schoen,  G.,  Elogien  d.  Augustusforums 

u.  de  viris  illustr.  II  81.  87.  117 
Schoene,  A..   Nationaldrama  d.  Römer 

III  23 

—  H.,  Galeniana  I  75 

Schorn,  J.,  Präposit.  b.  Justinus  III  57 

—  Sprachgebr.  d.  Eutropius  III  60 
Schow,  N.,  Charta  papyr.  III  140 
Schröder,  F.,  CatuUiana  II  213 
SchDhiein,  F.,  z.  Posidonius  Rhodius  I  23 
Schultze,  0,  Euripidea  1   141 

—  V.,  Rolle  u.  Codex  III  194 

—  W.,  Mönche  III  294 
Schulze,  E.,  Äneis  II  178 

—  K.  P.,  Kodex  M  d.  Catull  II  198 

—  röm.  Elegiker:  Catull  II  212 

—  W.,  z.  Appendix  Probi  III  99 

—  raanuclus  III  49 

Schum,  W.,  Amplon.  Hsssammlg.  III  239 

—  cod.  Amplon.  Erfurt.  111  296 
Schwab,  Uannibals  Grab  II  120 
Schwa»'CZ,  j.,   Staatsformen  d.  Aristot. 

I  221 
Schwartz,  E.,  Aratos  I  100 

—  Euripides  I  142 

Schwarz,  P..  de  ephymniorum  usu  1 117 

—  W.,  Julianstudien  I  89 
Schwarze,   R.,    Drucke  u.  Hss.  III  239 
Schwegler,  A.,  Gesch.  d.  Philosophie  I  2 

—  griech.  Philos.  1  215 
Schwenck,  E.  v.,  Johann.  Anschauung 

V.  Leben  HI  132 
Schwenke,P.,  Adreßb.dtsch.Bibl.  III  236 

—  Bibl.  d.  IX.  Jh.  III  236 
Schwertschlager,  J.,  Organismen  I  238 
Schwickert,  J.,  Triptychon  I  125 
Sciascia,  P.,  arte  in  Catullo  II  208 
Seaton,  z.  Vergil  II  168 

Seebass,  0.,  Hss.  III  211 
Seeck,  0.,  z.  Synesios  I  91 
Segebade,  J.,  Vergil  als  Seemann  II 157 
Seghers,  L.,  antikcAlphabete  etc.  III 309 
Seiller,  B.,    de  sermone  Minuc.  III  85 


328 


Register. 


Seltz,  A.,  Oatull  II  209 
Sepp.  S  ,  Pyrrhoneisohe  Studien  I  63 
Sextus  Phythagoricus  ed.  A  Elter  I  80 
Shulilier.F..bibl.  deFoutainebleau  III271 
Sickel.  Th.,  über  diurnus  III  295 
Siebeck.  H.,  Entstehung  d.  Termini 
natura  etc.  I  96 

—  Ps-chologie  I  221 

Sillei,    A.  J   af,    Piatonis  pbilos.  test. 

I  ISO 

Simon.  J.,  comparationes  apud  Catullum 

II  209 

Simp  Icius  ed.  H.  Diels  I  174 

—  ed    J.. L.  Heibere;  I  175 
Simpon,  Äneis  II  178 
Sittl.  C,  Archaismus  III  40 
Skutsch,  F.,  Catull  11  217 

—  iaientare,  iaiunus  III  49 
Sinyth,H.W.,anapaests  of  Aischylos  1  117 
Soldini,  E.,  storia  d.  satira  HI  24 
Soltau,  Nepos  u.  Plutarch  II  119 
Sonntag,  z.  Lydia  II  189 

—  Vergils  IX.  Ekloge  II  169 
Sonny,  A.,  lupana  III  49 

—  z.  M.  Antoninus  ;'.:  eczutov  I  41 

—  Spichwörter  u.  sprichwörtl.Redens- 
artcn  III  32 

Sophokles,  Tragödien  v.  F.  Bader  I  126 

V.  0.  Hubatsch  I  126 

by  C.  Jebb  I  125 

by  R.  Y.  Tyrrell  1  125 

—  Aiax  by  R.  C.  Jebb  I  131 

—  Antigene  v.  V.  Valentin  I  138 
erkl.  V,  N.  Wecklein  I  136 

—  Electra.  erkl.  v.  G.  Kaibel  I  132 
V.  N.  Wecklein  I  132 

—  König  Ödipus,  erkl.  v.  Schneidewin- 
Nau  k-Bruhn  1  134 

—  Üdi[)usTyr.  erkl.  v.N. Wecklein  1 134 

—  Phiioktetes.  erkl.  v.N. Wecklein  I  138 
Sorn,   J ,    Praeposit.  b.  Justinus  11  97 

—  Sprachgebrauch  d  Eutropius  II  81 
Spohr,  F.,  Präposit.  b.  M.  Aurel.  Anton. 

I  42 

Stacey,  S.  G.,  d.  Livian    Stil  11  78 
Stedler,    H ,   Pflanzennamen   im  Dios- 

koiides  III  52 
Stadtmüller,  H.,    Tragikerfragm.  I  108 
Stahl.  J.  M.,  Peter  Langen  IV  1 
Stampini,  E  ,  leggenda  di  Enea  e  Didone 

II  156 

Ständer,  cat.  chirogr.  III  245 
Stange,  C  ,  de  Arnobiana  oratione  HI  93 
Stangl    Th  ,  bibl.  Ashburnham.  III  217 

—  Boethius  I  98 

—  z    Cic.  ad  Atticum  II  57 

—  Epitomat.  d.  Val.  Max.  II  145 

—  Justinus  II  100 


Stangl,  Th.,  lat.  Rhetoren  u.  Gramma- 
tiker III  72 

—  z.  Valerius  Maximus  II  140 
Stanley,  J.,  Troades  I  152 
Stelle,  archaisms  II  182 

Steffens,  Fr.,  griech  Philosophie  I  192 
Stegert,  A.,  mss.  HI  270 
Steiger  H.,  Elektra  I  148 
Stein,  H,  mss.  III  266 

—  J.,  Homerstud.  der  Stoiker  I  9 

—  L.,  Vorläufer  d.  Occasionalismus  I  9 

—  Psychologie  d.  Stoa  I  221 

—  u.  P.  Wendland,  nacharistot.  Philos. 
d.  Griechen   u.   d    röm.  Philos.    I  1 

Steinthal,  H.,  S  rachwissenschaft  I  241 
Stenersen.  L.  B.,  Catulls  Dichtung  II  207 
Stengel,  P.,  Ootvia^c^i  I  153 
Sternbach,  L.,  gnomol.  Vatic.  I  105 
Sternkopf,  W.,  Ciceros  Briefe  II  29 

—  Ciceros  Korrespondenz  H  22 

—  z.  Cic.  ad.  Atticum  II  55.  56.  57 

—  Cic.  ad  Trebonium  II  29.  57 

—  quaest.  chronol.  II  26 

Stettner,    de    Columella   Verg.  imitat. 

II  163 

Steudener,    H.,   Hss.   u.  ältere  Drucke 

HI  247 
Stewart,  H.  F.,  Boethius  I  99 
Stigimayer,  J.,  Hss.  III  246 

—  Prcklus  u.  Dionys.  Areop.  I  96 
Stix,  J  ,  Sprachgebrauch  d.  h.  Hilarius 

III  68 

Stobaeus  rec.  C.  Wachsmuth  I  170 

—  rec.  C.  Wachsmuth  et  0.  Hense  1 173 
Stoff   L.  M    E.,  Gramm,  d.  lat.  Kirchen- 
sprache III  lÜS 

Stolz,  Gramm,  d.  lat  Sprache  III  39 
Stowasser,  J.  M  ,  Idylle  II  108 

—  Lexik.-Krit.  a.  Porphyrio  III  101 
Strathmann,    6 ,   de  hiatus   fuga  apud 

Philod.  1  57 

Strootman,  K.  E.  W.,  Sieg  üb.  d.  Ale- 
mannen II  124 

Struve,  Ethik  d.  Plotin  I  83 

Studemund,  G.,  u.  L,  Cohn,  griech.  Hes. 
III  237 

Sturm.  J.,   Franciscus  Graecus  III  306 

Sudhaus,  S.,  Alexinos  I  55 

—  Aristot.  b.  Epikur.  u.  Philodem  I 
.■j3.  .00 

—  Nausiphanes  I  55 

—  z.  Philodem  I  56.  .58 

—  —  Epic.  Gastmahl  I  49 

Suetoni  Divus  Augustus  by  E.  S.  Shnck- 
burgh  II  113 

—  Divus  Claudius  ed.  H.  Smilda  II  114 
SOpfle,  G.,  Gesch.  d  kyn.  Sekte  I  18 
Surber,  Heinr.  Schweizer-Sidler  IV  97 


Register. 


329 


SusemihI,  Fr,  Aratos  I  100 

—  Biou  u.  Pittakos  b.  Laert.  Diog.  I  62 

—  Geburtsjahr  d.  Zeno  I  10 

—  griech.  Litt,  in  d.  Alexandrinerzeit 
I  i\ 

—  z.  Laertios  Diogenes  I  2l'.  61 

—  Thrasyllos  l  6i>.  68 

Szily,  K.  V.,  Mss.-Sammlg.  III  251 
Tab.  cod.  mss.  III  25o 
Tannery,  P.,  abreviations  III  300 

—  astronomie  I  241 

—  chiffres  arabes  III  305 

—  geometrie  I  241 

—  miscell.:  Nicodem.  I  80 

—  —  Proclus  I  95 

—  science  hellene  I  254 

—  Theon  de  Smyrne  I  69.  70 
Tauber,  G ,  Iphigenie  I  150 
Taylor,  T.,  Jamblichus  I  87 
Teletis  reliquiae  ed.  0.  Hense  I  16 
Teza,  E.,  Nemesiana  I  93 

Theon  de  Smyrne  par  J.  Dupuis  I  69 
Thiaucourt,  C,  Stobaeus  I  171 
Thielmann,  Ph.,  ab  u.  ob  III  42 

—  Ersatz  d.  Reciprocums  III  44 

—  europ.  Bestandteile   d.    lat.   Sirach 
III  83.. 

—  lat.    Übersetzg.    d.    Buches    Sirach 
III  82„ 

—  lat.  Übersetzg.  d.  Buches   d.  Weis- 
heit III  80 

Thilo,  Chr.  A.,  Philosophie  I  215 

—  Probuskommentar:  z.  Vergil  II  165 
Thomas,  E.,  Brieffragm.  d.  Metodor  I  54 

—  z.  d.  epikur.  Sprüchen  I  50 

—  griech.  Philos,  b.  Seneca  I  30 

—  mss.  III  238 

—  P.,  cat.  d.  mss.  III  266 

—  ad  Julianum  I  89 

—  lettres  de  Julien  I  89 

—  litt.  lat.  III  13 

—  Rome  et  la  Utt.  lat.  III  13 

—  P.-F.  Epicuri  canonica  I  51 
Thommen,  R.,  Schriftproben  HI  296 
Thompson,  books  a.  mss.  III  265 

—  calügraphy  III  287 

—  catal.  of  class.  mss.  III  205.  264 

—  catal.  of  Stowe  mss.  III  264 

—  grotesque   a.    humor.  in  iUuminat. 
m  308 

—  mss.  m  207.  294 

Thomson,   de  comparat.  Vergil  II  152 
Thümen,  K.,  Iphigeniensage  I  150 
Thurneysen,   R.,   Reciprocität   im  gall. 

Latein  III  44 
Thyen,  L.,  Bibl.  Osnabrück  III  245 
Tiele,  P.  A.,  cat.  cod.  mss.  III  268 
Jahresbericht  für  Altertumswissenschaft. 


Tiktln.  L,  Philo  111  1.07 

TImoschenko,  Suetou  II  108 

Tittel,   C,  de  Gemini  stud.  mathemat. 

1  2(1 
Torre,  R.  de,  egloga  di  Virgilio  II  168 
Tougard,  transscript.  d.mss.grecsin202 
Townsend,  latinity  of  theVulgata  III  105 
Traube,    L.,    libam.    crit.  notae  Tiron. 

III  302 
Suetonius  II  103 

—  Lotharius  v.  L.  Amand  III  307 
Tredwell,   D.  M.,   Apollonius  of  Tyana 

I  77 

Trieber,  Catocitat  u.  Aeneis  II  182 
Tucker,  G.,  Agamemnon  1  121 

—  point  of  metre  I  108 

Tyrrell,  R.  Y.,  correspondence  of  Cicero 

II  2 

—  Sophociea  I  125 

—  a.  L.  C.  Purser,  correspondence  of 
Cicero  II  7.  32.  45 

Überegger,  J.,  Schuldfrage  d.  Antigene 

Überweg-Heinze,   Philosophie   I  2.  215 
Uhllrz,  K.,  Wiener  Bücherwesen  III  202 
Ulimann,  K.,  Appendix  Probi  III  98 
Unger,  G.  F.,  Alexander  Polyhistor.  I  70 

—  ApoUodoros  I  193 

—  Apollodor  üb.  Xenophanes  I  193 

—  Gesch.  d.  Pythagoreier  I  193 

—  Zeitverhältn.     d.     Anaxagoras     u. 
Empedokles  I  193 

Unna,  Absichtssätze  b.  Philo  III  127 
Urwaiek,  J.,  Delphi  u.  d.  gr.  Philos.  1 222 
Usener,  H.,  Epikur.  Schriften  I  59 

—  Epikur.  Spruchsammlung  I  50 

—  Laertius  Diogenes  I  62.  184 

—  de  Philodemi  loco  I  57 

—  Piatontext  I  67 

—  var.  lect.:  Laertius  Diogenes  I  60 
Philodem  I  48.  55 

Proklos  I  94 

Sextus  Emp.  I  66 

UssanI,  Aeneis  II  180 

—  fusione  di  due  voci  II  166 

—  z.  Vergil  II  168 

Ussing,  J.  L,  Vitruvius  de  architectura 

III  55 

Vahlen,  J.,  Alexandr.  Gedicht  d.  Catull 
II  210 

—  Catullus  U  210 

—  de  delicüs  orat.  Catull.  II  210 

—  Hercules  I  149 

—  Livius 

—  Proömium:  Valerius  Maximus  II 132 

—  varia:  z.  Galen.  I  74 
Vallee,  L.,  bibl.  Nation,  m  269 

Bd.  LXXXXVm.    (1898.  DI.)       22 


330 


Register. 


Valmaggi,  L.,  storia  d.  litt.  rom.  III  12 

—  Virgilianismo  II  1(;2 

—  Virgilio  anomalo?  II  149 
Vergilius,  opera  rec.  Papillon-Haigh  II 

152 
rcc.  0.  Ribbeck  11  150 

—  Aeneid  by  T.  E.  Page  II  151 
Vernier,  Commodien  et  Verecundus  III  4 1 

—  phonetique  du  latin  vulgaire  III  41 
Verrall,  A.  W.,  Calendar  in  Tracbiniae 

I  14 
Vianello.  Vergils  III.  Ekloge  II  IGG 
Victor  Aurelius  de  Caesaribus,   rec.  F. 

Pichlmayr  II  121 
Viereck,  P'.  alt.  Papyruslitt.  III  135 
Ville  de  Mirmont,    H.  de  la,  Apollonios 

de  Rhodes  et  Virgile  II  155 

—  niytliologie  et  dieux  II  158 
Vitelli,  6.,  cod.  greci  III  217 

—  zu  Euripides  I  154 

—  framm.  di  AUessandro  di  Afrodisia 
I  72 

—  spicilegio  florent.  III  200 

—  e  Paoli,  paleogr.  III  287 

Vliet,  J.  V.  d.,  error  paläogr.  III  301 

—  ad  glossas  nominum  III  52 

—  incommoditas  III  49 

—  z.  VtTgil  II  163 

Vogel,    Fr.,    Cäs.  2.  Exped.   nach  Bri- 
tannien II  225 
VogI,  F.,  Zahlensymmetrie  u.  Responsion 

im  Sophokl.  Drama  I  125 
Voigt,  P.,  Phoinissai  I  153 
Volger,  H.,  Seelenteile  I  4.  221 
Volkmann,  W.,  Diogenes  Laertius  I  185 

—  de  Diogene  Laertio  et  Suida  I  60.  61 
Vollbrecht,  W.,  F.  Vollbrecht  IV  91 
Vollgraff,  J.  C,  Andromacbe  I  146 
Vollmann,  Fr.,   d,  spätere  Stoa  I  27 
Vries,  fi.  de,  Boethii  fragm.  III  303 

—  exercitat.  palaeogr.  III  303 
Wachsmuth,  C,  zu  d.  Florilegien  I  167 

—  inschnftl.Beisp.v.KolometrieIIl201 

—  Pentadonbände  III  194 

—  Timagenes  u.  Trogus  11  96 
Wagener,  C,  cod.  Gothanus  101  III  304 
Wally.  N.  de,  Papyrus-fragm.  III  140 
Walter,  J.,  Gesch.  d.  Aesthetik  I  106 
Walters,  Einfluss  Vergils  II  162.  170 
Wassmer,  J.,  Antigone  I  136 
Watson,  E.  W.,  style  of  St.  Cyprian  III  91 
Wattenbach,  W.,  Hss.  III  234.  241 

—  Palaeogr.  Ill  288.  293 

—  Scbrifttafeln  III  289 

—  Scbriftwesen  III  190 

—  et  A.  V.  Velsen,  exempla  cod.  graec. 
III  291 

Weber,  F.  H.,  quaest.  Catull.  II  217 


I 


Weber,  F.  H.,    Zahl-  u.  Raumbegriffe 

I  220 
Wecklein,  N.,  z.  Kritik  d.  Eurip.  l  142  ■ 

—  Litt.  üb.  griech.  Trag.  I  107 
Weicker.  G.,  Bibl.  Schleusingen  III  247 
Weigel,  F.,  quaest.  Vergii.  II  183 
Weil,  H.,  drame  antique  I  107 

—  papyrus  inedit  III  140 
Weinberger,    6.,   tavolette  greco-egizie 

III    191 

—  W.,  cod.  graec.  III  210 

—  ad  Cornutum  I  33 

—  griech.  Hss.  III  224 

Weinstein,  z.  Gesch.  d.  Essäer  III  122 

Weirich,  F.,  perspieivus  III  .50 

Welse,  F.  0.,  Charakter,  d.  lat.  Sprache 

III  3S 
Weiske,  Aeneis  II  180 
Weissenfeis,  0.,  de  Platonicae  et  Stoi- 

cae  doctrinae  affinitate  I  8 
Welzhofer,  R.,  Plinius-Hs.  HI  215 
Wendland,  P.,  Benutzg.  d.  Philo  durch 

Clemens  Alex.  III  125 

—  Ber.  üb.  d.  iüd.-hellen.PhiIos.III  118 

—  z.  Philo  III  125 

—  r.-c(A  {>cO)v  I  172 

—  Philo-Forschungen  III  124  1 

—  Philo-Fragm.  III  126 

—  Philo  u.  d.  kynisch  -  stoische  Dia- 
tribe  I  42.  130 

—  z.  Philos  de  posteritate  Caini  III  125 

—  Philo  üb.  d.  Vorsehung  III  130 

—  Quelle  Philos  III  131.  172 

—  d.  Therapeuten  u,  d.  philon.  Schrift 
V.  beschaul.  Leben  III  122 

Wendung,  E.,  z.  Posidonius  u.  Varro  I 
23.  66.  101 

Wentzel,  H.,  infinitivi  apud  Justinum 
III  .-,7.  99 

Wessely,  K.,  e.  bilingues  Majestätsge- 
such III  140 

—  Chrysographie  III  197 

—  Holztäfelchen  III  191 

—  Hss.  III  305 

—  Jahresber.  d.  Staatsgymn.  Hernais 
III  140 

—  Papyri  III  140.  141 

—  Tachygraphie  III  298 

—  Vokalzeichen  III  298  § 
Wetzel,  M.,  König  Ödipus  I  135 
Wernicke.  K.,  Bockschüre  u.  Satyrdrama 

I  107 
Werth,  A.,  de  Terentiani  sermone  III  101 
Wetzstein,  Wandlung  d.  stoischen  Lehre 

I  20 
Weymann,  C,  Acta  Perpetuae  III  90 

—  colligere  —  tollere  III  48 

—  Glossographisches  III  .52 


Register. 


331 


Weymann,  C,  krit.-sprachl.  Anal.  III  48 

—  genibus  nixis  III  49 

—  itoria  III  9G 

—  Novatian   u.  Seneca    üb.   d.  Früh- 
trunk I  104 

—  proccdere  ^  proferre  III  50 
Wiegan d,  Schlacht  zw.  Cäsar  u.  Ariovist 

II  224 

Wiesner,   J.,   Baumbastpapiere  III  IPO 

—  Unterschgn.  d.  Papiere  v.  el-Faiiüm 

III  lli') 
Wilamowltz-Möllendorf,  U.  v.,  Antigonos 

V.  Karystos  1  182 

—  comm.  metr. :  ad  Aeschylum  I  IIG 
~  Chorpartien  d.  Aeschylus  I  118 

—  zu  Euripides  I  141 

—  Perser  I  120 

Wilcken,  U.,  Actenstück  z.  jüd.  Kriege 
III  141 

—  Aktenstücke  a.  Theben  III  141 

—  Gesandtschaften  vor  Claudius  III  141 

—  memphit.  Papyri  III  141 

—  recto  od.  verso  III  192 

—  Tafeln  z.  Paläogr.  III  290 

—  'r-oavr|lic<-'.3ii.o(  III  141 
Willmann,  0.,  Idealismus  I  220 

—  P..  llss.  u.  Frühdrucke  III  249 
Willrich,   H,,   de  coniurat.  Catilin.  fon- 

tibus  II  81.  86.  102 

—  Juden  u.  Griechen  III  118 

Windelband,  W.,  Philosophie  I  2.  3.  206. 

217. 
Winkler,  L.,  Dittographieen  II  63 

—  Infinitiv  bei  Livius  II  78 
Winterfeld,  P.  v.,  Catalepton  II  184 

—  schedae  crit.:  Sueton  II  108 
Witkowski,    St.,   prodr.  gramm.  papyr. 

III  141 
Wittekind,  H.,  sermo  Sophocleus  I  125 
Wladimir,  A.,  Hss.  III  260 
Woisin,  J.,  de  Graecorum  notis  numeral. 

III  305 
WölfTiin,  E.,  amai  u.  venui  III  44 

—  Arch.    f.    lat.   Lexikogr. :    Epitome 
II  124 

Sueton  II  113 

Vergil  II  161 

—  Asinius  Polio  de  hello  Afric.  II  18 

—  Aufgaben  d.  Tbes.  ling.  lat.  III  46 

—  auris,  auricula  III  69 

—  beneficio-merito  III  90 

—  Brief  d.  h.  Clemens  an  d.  Korinther 
m  84 

—  Carduus,  cardus,  cardo  III  69 

—  Cyprianus  de  spectaculis  III  90 
-  Didascalia  Apostolorum  III  109 


Wölfflin,  E.,  eques  =  equus  III  48 

—  exemplare  III  48 

—  z.  Florus  11  92 

—  Freisinger  Itala  111  104 

—  Uss.  III  235 

—  Infinitiv  meminere  III  49.   112 

—  Latinität  d.  Asinius  Polio  II  18 

—  Latin,  d.  Benedikt  v.  Nursia  III  112 

—  lupana  111  49 

—  Minucius  Felix  III  85 

—  Mulomedicina  Chironis  III  70 

—  Paläogr.  u.  Unpaläogr.  III  286 

—  reflexiver  Gebrauch  d.Verbatransit. 
III  44 

—  salvator  etc.  III  104 

—  satrapicus  II  110 

—  Script,  bist.  Aug.  III  60 

—  senus  -=  sinus  III  50 

—  Umschreibgn.    mit    tempus.   mitan 
III  46 

—  vitio  mit  Gen.^propter  III  90 
Woltjer,  Lucrezbiogr.  d.  Sueton  II  111 
Wotke,  K.,  Abschreiben  d.  Hss.  III  198 
Wright,  H  ,  Sopbocles  I  125 

Wulf,  M.  de,  monasteres  et  transscript. 

des  mss.  III  202 
Wulsüh,  6.,  per  apud  Livium  II  78 
Wünsch,  Üanae  I  1.54 

—  Senecas  natur.  quaest.  I  31 
Wyse,  W.,  z.  Marc.  Ant.  I  41 
Xenia  Bernard.  III  250 
Young,  Th.,  discoveries  III  141 

—  hieroglyphics  III  141 
Zahlfleisch,  J.,   Polemik  Alexanders  v. 

Aphrodisia  I  73 
Zahn,   Th.,  Epiktet  u.  s.  Verhältnis  z. 

Christentum  I  39 
Zangemeister,  K.,  Durchforschg.  d.  Bibl. 

Englands  III  263 

—  Geographie  d.  röm.  Gallien  III  302 

—  et  W.  Wattenbach,  exempla  cod.  lat. 
m  293 

Zaniboni,  Virgilio  II  164 
Zarncke,  E.,  Klosterbibl.  III  245 
Zazzeri,  R.,  cod.  e  libri  III  213 
Zeller,  E.,  Ammonius  Sakkas  u.  Plotinus 
I  81 

—  griech.  Philosophie   I  2.    217.    251 

—  Kynismus  u.  Christentum  I  48 

—  miscellanea  I  57.  276 

—  Plato  üb.  Philosophen  I  189 

—  Vorgänger  Darwins  I  238 

Zeno,  de  rebus  physicis  const.  K.  Troost 
I  10 

—  a.  Cleanthes  by  A.  C.  Pearson  I  10 
Ziegert.  P.,  Mysterienlehre  III  131 
Ziegler,  Th.,  Ethik  I  221 

22* 


332  Register. 

Ziehen,  J.,  e.  Ciceronianum  II  56  Zimmermann,  M,  Tacitus  et  Seneca  I  102 

—  z.  Cic.  Briefen  II  44.  47  Ziwsa,  C,  z.  Optatus  Milevitanus  III  96 

—  Cic.  im  Bürgerkriege  II  28  Zöller,  M.,  Gesch.  d.  röm.  Litt.  III  10 

—  z.  Cic.  ad  Atticum  II  55  ZQndel,  griech.  Bücherkatal.  III  141 

—  z.  Cic.  ad  fam.  II  54  Zuretti,  C.  0.,  zu  Euripides  I  154 

—  z.    Cic.  ad  Quintum  fratrem    II  59  —  Ind.  d.  mss.  III  232 

—  epheni.  Tullian  II  27  —  niisoginia  I  145 
Zielin8ki,Th.,Traci)inieriDnenI  138. 140  Zycha,  J.,  z.  Italafrage  III  103 


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Bc3.  96-98 


Jahresbericht  über  die  Fort- 
schritte der  klassischen 
Altertumswissenschaft 


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